Staat und Kommunikation in der Politik des Johannes Althusius: Untersuchungen zur Politikwissenschaft in der frühen Neuzeit [1 ed.] 9783428535392, 9783428135394

Nicht durch theologische Dogmen, nicht durch juristische Funktionalität, sondern allein im politischen Kommunikationspro

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German Pages 522 Year 2011

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Staat und Kommunikation in der Politik des Johannes Althusius: Untersuchungen zur Politikwissenschaft in der frühen Neuzeit [1 ed.]
 9783428535392, 9783428135394

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Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 166

Staat und Kommunikation in der Politik des Johannes Althusius Von Philip A. Knöll

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIP A. KNÖLL

Staat und Kommunikation in der Politik des Johannes Althusius

Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 166

Staat und Kommunikation in der Politik des Johannes Althusius Untersuchungen zur Politikwissenschaft in der frühen Neuzeit

Von Philip A. Knöll

Duncker & Humblot · Berlin

Die Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0421 ISBN 978-3-428-13539-4 (Print) ISBN 978-3-428-53539-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83539-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Den Leser dieses Buches erwartet ein monographischer Untersuchungsbeitrag zur Politica des Johannes Althusius. Die Althusiusforschung erlebt derzeit eine der produktivsten und inhaltlich lebendigsten Phasen. Mit dem vorliegenden Beitrag soll der politiktheoretisch-ideengeschichtliche Zugang inmitten der interdisziplinären Erkenntnisperspektiven und Forschungsfelder gestärkt werden: Nicht durch theologische Dogmen, nicht durch juristische Funktionalität, sondern allein im politischen Kommunikationsprozess wird Handlungsfähigkeit für die Gestaltung der Lebensumstände gewonnen und können Normen in einer kontingenten Welt verwirklicht werden. Johannes Althusius proklamiert am Vorabend des 30-jährigen Krieges die ars politica als ­Orientierungswissen im Machtvakuum, welches das konfessionelle Zeitalter in ganz Europa hinterlässt. In der Dichotomie von Nutzen und Notwendigkeit gilt ihm die communicatio mutua, d. h. die wechselseitige Mitteilung und Gewährung von Sachen, (Dienst-)Leistungen und Rechten als zentrale Bedingung menschlicher Vergemeinschaftung. In seinem Werk Politica baut er diese zu einem komplexen Ordnungsgefüge im Staat aus. Deutlich grenzt sich das Werk, das eine originelle Gesamtdoktrin darstellt, von der sog. Reichspublizistik ab. Die Verankerung dieser Kommunikation in Strukturen, Organisationen und Verfahren wird soweit betrieben, dass sich bereits zu Beginn der Neuzeit eine institutionalisierte Penetration des Politischen in alle Lebensbereiche abzuzeichnen beginnt. Gegenüber den Aufsatzsammlungen zu einzelnen Aspekten der althusischen Lehre wird mit der vorliegenden Arbeit eine kohärente und konsequente Kommentierung der gesamten Politica versucht. Die Untersuchung reflektiert vor diesem Hintergrund sämtliche politische Symbiosen und Konsoziationen und setzt sich umfassend mit den althusischen Grundannahmen politischer Ordnung auseinander. Als Beitrag zur Grundlagenforschung ist sie gleichsam vorgelagert zu kontextuellen ideengeschichtlichen und systematischen Forschungsperspektiven. Danken möchte ich besonders Herrn Prof. Dr. Theo Stammen für die langjährige Betreuung und das in mich gesetzte Vertrauen. Mein Dank geht ebenfalls an die Lehrer Herr Prof. Dr. Henning Ottmann und Herr PD Dr. Dirk Lüddecke, von denen ich zu Beginn der Unternehmung wichtige Im-

8

Vorwort

pulse erhalten habe. Herr Lars Hartmann vom Verlag Duncker & Humblot hat die Drucklegung mit kompetentem und freundlichem Rat begleitet. Schließlich gilt es, meiner Familie für jegliche Unterstützung Dank auszusprechen. Insbesondere bin ich meinen Söhnen Milan und Adrian für ihre Geduld während entbehrungsreicher Zeiten zu großem Dank verpflichtet. Frau Alexandra Daprai bin ich für die Hilfe, die sie gewährt hat, und die Rücksicht, die sie hat walten lassen, auf das Innigste verbunden. Last, but not least, bedanke ich mich bei dem Freundeskreis der HFB für das anregende Gespräch in den vergangenen Jahren. Augsburg, im Mai 2011

Philip Alexandre Knöll

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1. Teil

Politische Symbiose und Konsoziationen

27

§ 2 Zum Politik- und Wissenschaftsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 § 3 Die Rede vom symbiotischen Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 § 4 Grundlagen der Konsoziationenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

2. Teil

Staatstheorie und politische Kommunikation

138

1. Abschnitt

Grundannahmen politischer Ordnung

138

§ 5 Die Lehre von der Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 § 6 Herrschaft und Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 § 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 § 8 Von den Rechten des Bürgers zur Würde des Menschen . . . . . . . . . . . 277 § 9 Sozietale Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 § 10 Zur Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 § 11 Staat und Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 § 12 Die Ordnung der Wirtschaft und des Handels  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 2. Abschnitt

Tyrannislehre und Widerstandsrecht

403

§ 13 Von der Tyrannislehre zum Widerstandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 § 14 Inhalte legitimen Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 § 15 Bedingungen des Widerstandsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

10

Inhaltsübersicht

§ 16 Die Akteure des Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 § 17 Schließende Mitteilungen über Politik, Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Synopse der Kapitelüberschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Fundstellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1. Teil

Politische Symbiose und Konsoziationen

27

§ 2 Zum Politik- und Wissenschaftsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 § 3 Die Rede vom symbiotischen Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 § 4 Grundlagen der Konsoziationenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Gesellschaft und Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Das Recht der Symbiose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Gesellschaft und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4. Die Kommunikationsgemeinschaften der Sachen, der Leistungen und des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 5. Gesellschaft und Gemeinschaftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Die natürliche Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Die bürgerliche Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Die politische Gemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Der Staat als eine Gemeinschaftsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 6. Konsoziation und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

2. Teil

Staatstheorie und politische Kommunikation

138

1. Abschnitt

Grundannahmen politischer Ordnung

138

§ 5 Die Lehre von der Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Jus regni – jus majestatis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Der populus in corpus unum als Träger der Souveränität . . . . . . . . . 151 3. Die „Schwächen“ Bodins  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Geistliche und weltliche Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5. Fundamentalgesetze des Reichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

12

Inhaltsverzeichnis

§ 6 Herrschaft und Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Personale und gesetzliche Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. „Alles aus Einem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Herrschaft in den Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Legitimierte Herrschaft in den Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 5. Das Ephorat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Aktives Einsetzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Passives Einsetzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Einsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 6. Oberster Magistrat und fremde Herrschaftsgewalt . . . . . . . . . . . . . . 236 7. Wahl und Erkenntnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 8. Der Religionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 § 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Das Übel der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Das Band der Ehe, der Hausgemeinschaften und Berufsgenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3. Die Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Vertragslehre in der Provinz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5. Die universale Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 6. Staatenverbindungen und Kooptationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 7. Die Grundlagen der Drei Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 § 8 Von den Rechten des Bürgers zur Würde des Menschen . . . . . . . . . 277 § 9 Sozietale Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Staatsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Staatsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Staatsaufbau und -organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Die kleineren Gebietskörperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b) Die Großstadt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 c) Die Verwaltung der Provinz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 4. Einbindung der Staatsorganisationen und -verwaltungen  . . . . . . . . . 318 § 10 Zur Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 § 11 Staat und Administration  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Die Regierungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Die Ausgestaltung sozietaler Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 361 a) Die Rechtsbindung der staatlichen Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 b) Administrative Kompetenzen vs. absolute Gewalt . . . . . . . . . . . . 370 c) Gesetzgebung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 d) Rechtsschutz durch Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 e) Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Bewehrte Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389



Inhaltsverzeichnis

13

§ 12 Die Ordnung der Wirtschaft und des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . 394 1. Zwischen Herrschaftsordnung und ständischer Freiheit  . . . . . . . . . . 394 2. Die politische Ordnung der Wirtschaft und des Handels  . . . . . . . . . 397 2. Abschnitt

Tyrannislehre und Widerstandsrecht

403

§ 13 Von der Tyrannislehre zum Widerstandsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . 405 1. Klassifizierungen von Tyrannentypen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 a) Der Usurpator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 b) Der Tyrann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 2. Dynamische Tatbestände der Gewaltherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 420 a) Die Lehre von den Tatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 b) Dynamik eines Phänomens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 3. Heterogene Widerstandsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 § 14 Inhalte legitimen Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 1. Die 12 Gründe für ein Recht auf Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 2. Gruppierungen und materieller Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 a) Wesen der Verträge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 b) Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 c) Das Wort Gottes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 d) Souveränität und Repräsentation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 § 15 Bedingungen des Widerstandsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 1. Bedingungen und Modalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 a) Wann Widerstand erlaubt und angebracht ist . . . . . . . . . . . . . . . 439 b) Arten des Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 c) Ausmaß und Dauer des Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 2. Formalismus und Positivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 § 16 Die Akteure des Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 § 17 Schließende Mitteilungen über Politik, Staat und Gesellschaft . . . . . 460 Synopse der Kapitelüberschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Fundstellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505

§ 1 Einleitung Genau vierhundert Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe der Politica 1603 erscheint 2003 erstmalig eine weitgehende deutschsprachige Übersetzung des Werks des deutschen politischen Denkers Johannes Althusius.1 Die Herausforderungen, denen sich Althusius in der so genannten Epoche der konfessionellen Spaltung in seinem Beitrag zur Politik stellt, ähneln bei aller Unterschiedlichkeit der Bedingungen den Herausforderungen der Politischen Theorie der Gegenwart, zu deren neueren Schlagworten unverändert die Globalisierung zählt. Damals wie heute handelt es sich um eine „Zivilisation im Übergang“ (Höffe 1999a, 25). Angesichts der verfeindeten Lager in den Konfessionen, von Judenpogromen, Türkenkriegen, Inquisition und Hexenverbrennung lässt sich gar mit Samuel P. Huntington von einem „Kampf der Kulturen“ sprechen. Versteht man annäherungsweise unter Globalisierung, dass soziale, wirtschaftliche und politische Beziehungen über den räumlich begrenzten Bereich hinaus weltumspannend zunehmen und sich in der Folge verdichten, so erscheint diese Minimaldefinition durchaus als ein Erklärungsansatz für die althusische Konsoziationenlehre in der Politica. Der Autor geht der Frage nach, wie ein Gemeinwesen den Herausforderungen seiner Zeit entsprechend angemessen einzurichten ist. Die Einheit des mittelalterlichen Weltbildes hatte sich bereits aufgelöst, in Deutschland wurde der Reichsgedanke im Gefolge der Reformation brüchig.2 In dieser Epoche der Umwälzungen verankert Althusius seine »umfassendste Lebensgemeinschaft« als eine Ordnung, die Bestand und Wandel zugleich garantiert. Die von ihm geschaffene Gestalt der consociatio universalis major ist ein territorial begrenztes Gemeinwesen, das den Nationalstaat nicht als einzig denkbare Bezugsgröße abbildet, sich gleichwohl mit anderen Gemeinwesen multilateral verbindet, ohne dass eine weltumspannende »Consociatio universalis maximus« angestrebt wird. Der politische Denker entwickelt ein Modell, welches nach hier vertretener Ansicht dem zeitgenössischen Wandel komplexer ständischer und territorialstaatlicher Gebilde eine 1  Im Folgenden wird ohne nähere Kennzeichnung größtenteils auf diese deutschsprachige Übersetzung von Heinrich Janssen zurückgegriffen, die Dieter Wyduckel in Auswahl herausgegeben, überarbeitet und eingeleitet hat. Grundlegend zu Leben und Wirken des Althusius: Antholz 1954; Übersicht bei Dahm / Krawietz / Wyduckel 1988, 67–161; kurz: Wyduckel 2003, VIII–XV; Friedrich 1975, 17–39. 2  Heckel 2001, 210–237; Schilling 1998, 313  ff., 371  ff. zur sog. »Krise des 17.  Jahr­hunderts«; Rabe 1989, 43–94; 430–440; Brunner 1984, 86–95.

16

§ 1 Einleitung

„Vielzahl gestufter, sich staffelnder, unterschiedlicher, aber in sich geordneter Organisationsebenen“ anbietet, „die von lokalen Gemeinden und Städten über Gebietsgemeinschaften, Regionen und Länder bis zu Nationalstaaten, supranationalen und globalen Organisationen“ reicht und damit zukunfts­ fähig macht.3 Der Nestor der Althusius-Forschung Dieter Wyduckel spricht von einer „erstaunliche[n] Anschlussfähigkeit zentraler Elemente seiner politischen Theorie im Hinblick auf charakteristische Merkmale der rechtsstaatlichen und politischen Moderne“ (Wyduckel 2003, XL). Die Geschichte der Einzelstaaten wie des politischen Denkens zeigen indessen, dass ­zunächst die absolutistischen Staatstheorien Konjunktur feierten, die Staatstheorie der Politica dagegen als »liberaler« Gegenentwurf bis auf die ­Wiederentdeckung durch Otto v. Gierke im 19. Jahrhundert in Vergessenheit geriet. In der gegenwärtigen politikwissenschaftlichen Diskussion wird immer wieder von einem Ende der Einzelstaaten gesprochen. Die These blickt auf eine gewisse Tradition zurück: Bereits Karl Marx prophezeite im Kommunistischen Manifest das Absterben des Staates, und Carl Schmitt schrieb im Vorwort von 1963 zum Begriff des Politischen: „Die Epoche der Staatlichkeit geht jetzt zu Ende“.4 Dies zielte auf das Ende der Nationalstaaten, keineswegs auf ein Ende politischer Herrschaft in organisierter Gestalt. Allzu sehr rückt in der aktuellen Diskussion aus dem Blickfeld, dass zu Beginn der Staatenentstehung viele Rahmenbedingungen von Staatlichkeit vergleichbar sind. In seinem Beitrag Demokratie im Zeitalter der Globalisierung referiert Otfried Höffe die These von der Entmachtung des Staates. Er macht eine Selbstüberschätzung unserer Epoche aus und weist darauf hin, dass die Anwendungsvoraussetzungen der Globalisierung seit langem bestehen und keine grundlegend neuen Verhältnisse schafften. Höffe stellt die These der Entmachtung des Einzelstaates in Frage und relativiert die Vorgänge in historischer Sicht.5 Ebenso arbeitet Herfried Münkler, ausgehend von der Annahme, dass „die Staaten als die faktischen Monopolisten des Krieges abgedankt“ haben, in seinem Buch Die neuen Kriege die Parallelen zu den Konstellationen des Dreißigjährigen Krieges heraus.6 Johannes Althusius stellt sich in der Politica zur Zeit der Entstehung moderner Staatlichkeit, am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges die Frage nach der Macht des Staates mit antiabsolutistischer und konstitutioneller Intention. 3  Vgl. Kersting 2000, 208, contre coeur auf die althusische Konsoziationenlehre angewandt, da Kersting stark ablehnend zum politiktheoretischen Gehalt der Politica steht (Kersting 1996, 217  ff.). 4  Schmitt 1996, 10. 5  Höffe 1999a, 153  ff. 6  Münkler 2002, 75  ff.



§ 1 Einleitung 

17

Wie in der gegenwärtigen Diskussion, sieht auch Althusius das Herrschaftsund Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt, allerding mit umgekehrtem Vorzeichen. In Abgrenzung zu Jean Bodins so genannter absolutistischer Staatstheorie, entwickelt Althusius eine politische Lehre, die – cum grano salis – sogleich mit einer Entmachtung des Staates beginnt. Wie der Staat entsteht, tritt bei Bodin in den Hintergrund. Der französische Antagonist konzentriert sich auf die Frage der Ausübung von Herrschaft und was sie zu leisten vermag. Für Althusius hingegen ergeben sich durch seine Staatsentstehungslehre, durch die Differenzierung und Integrierung sozietaler Gemeinschaften ganz andere Wahrnehmungsmöglichkeiten von Macht und Gewalt.7 Die Einhegung der plenitudo potestatis gipfelt bei ihm schließlich in einer vielbeachteten Widerstandslehre.8 Die Politica legt Zeugnis ab vom Umbruch der europäischen Welt. Die ersten beiden Ausgaben erschienen in der Regierungszeit des Habsburgers Rudolf II. (1576–1612), die dritte von 1614 unter dessen Bruder Kaiser Matthias (1612–1619). Das Werk reflektiert zugleich die Verfassungskrise des deutschen Reichs. Wenn auch im Kapitel über das Widerstandsrecht die Krise zum Hauptgegenstand der Betrachtung wird, bedeutet das nicht, dass die Politica insgesamt ein Lehrbuch der Krise ist. Im Gegenteil unternimmt Althusius den Versuch, den Bestand eines Gemeinwesens von vornherein durch eine originelle (Mit-)Teilungslehre zu sichern. Entgegen dem erhobenen Vorwurf, ein deutsches Pendant einer monarchomachischen Streitschrift zu sein, trägt die Politica insgesamt deutlich »königsfreundliche« Züge. Sie zeigt sich andererseits offen für den behutsamen Wandel. Der Autor plädiert für die politische Lösung der konfligierenden Interessen zwischen Reich und Territorien, zwischen Fürsten und Ständen, schließlich zwischen den Konfessionen, und macht sich für einen an den Sachaufgaben geschulten und ausgerichteten Politikwissenschaftler und Politikertypus stark. Nicht auf die Erkenntnis der Wahrheit, sondern auf die Kenntnis im Zeitlichen richtet sich sein Augenmerk. Im Zentrum steht dabei die communicatio. Politik und Staat bauen sich bei Althusius auf einem Kommunikationsmodell auf, das er in einer Gemeinschaftstrias aus Sachen, Dienstleistungen und Rechten erblickt. Peter Nitschke deutet die universale Konsoziation als einen Kommunikationsstaat an, der kein Maßnahmen, sondern vielmehr kommunikati7  Ingravalle spricht für die Politica-Rezeption in Italien insoweit von einer „anderen Moderne“ jenseits der Achse Bodin-Hobbes-Rousseau, ders. 2010, 40. 8  Vgl. Weber 1997, 97–122, der gegen den „bisherigen“ Forschungstrend, keine „Machtvergessenheit“, sondern Machtverteilung und -begrenzung als Gegenstand der deutschen Politikwissenschaft des 17. Jh.s ausmacht, allerdings die Politica nicht erwähnt. In seinen Studien zur Herrschaftslehre verweist Weber allerdings häufig auf  die Einflüsse der althusischen Politiklehre, ders. 1992, 24  f., 57 (Fn.  193), 268 Fn.  17; 355 Fn.  4. Vgl. auch ders. 2005, 292.

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§ 1 Einleitung

ver Koordinationsstaat ist.9 „Hier hätte Habermas … von der Lehre des Johannes Althusius durchaus etwas lernen können“.10 Anstelle von Trennung und Abgrenzung stehen Mitteilung und Gewährung an. Einer einseitigen ständischen bzw. fürstlichen Dominanz in diesem komplexen »Mitteilungs- und Gewährungsverhältnis« verschließt sich das Werk. Die Charakterisierung der Politica als eine theoretische Grundlegung des Ständestaates sollte diesen Umstand mitbedenken.11 Eingedenk der konfessionellen Spaltung legt Althusius den Sinn und Zweck des Gemeinwesens in die Sym­ biose von Menschen, nicht von Christen und Nichtchristen, von Calvinisten, Lutheranern und Katholiken. Gegenstand der Politik bildet danach die „enge Gemeinschaft“ der zusammenlebenden Symbioten, die nicht an trennenden Bekenntnissen scheitern darf. Der Glaubenszwiespalt, der insbesondere das Schicksal der deutschen Territorien in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen wird, ist in der politiktheoretischen Schrift als Realität anerkannt, nunmehr aber unter die Instrumentarien und Denkweisen der »neuen Wissenschaft« gestellt (vgl. etwa XXVIII  50).12 Das bedeutet, dass der Verfasser der Politica – gegen eine theologische Vereinnahmung – den „Religions- und Bekenntnisunterschied“ aus Gründen der Staatsräson „um des Friedens und der Ruhe willen“ zulässt (XXVIII  66)! Politische Theorie hatte um die Jahrhundertwende eine Hochkonjunktur, wie ein Blick in die von Hans Ulrich Scupin und Ulrich Scheuner herausgegebene Althusius-Bibliographie erweist.13 Die Politica hebt sich dabei nicht allein durch den griffigen Kurztitel ab, sondern ist neben theologischphilosophisch geprägten Darstellungen durch einen politisch-juristischen Wesenszug gekennzeichnet, der das Werk gleichsam als alternative Staatstheorie erscheinen lässt. Stehen auf der einen Seite die philosophischen Politiken Platons, Aristoteles’ und Ciceros sowie die theologischen politischen Lehren vor allem des Augustinus und Thomas von Aquins als klassischer Grundbestand zur Verfügung, will sich das politikwissenschaftliche Werk des Rechtsgelehrten und späteren Ratssyndikus andererseits gegenüber den zeitgenössischen Publikationen deutscher, spanischer und französischer 9  Die große Bedeutung der Kommunikation für die Konsoziation deutet auch schon Hüglin an, ders. 1991, 138  ff.; ders. 1999, 94, 103  f., 134 u. ö. Vgl. auch jüngst: Povero 2010, 135  ff. (142). 10  Nitschke 1995, 161; ders. 2000, 152  ff.; ders. 2002, 100. 11  So etwa Boldt 1994, 187: „Theoretiker des Ständestaats“. 12  D. i. Althusius, Politica, Kap. 28, § 50. Im Folgenden werden Textstellen der Politica unter Auslassung weiterer Angaben wie folgt zitiert: Vorangestellt das Kapitel in römischen Ziffern sowie nachfolgend in arabischen Ziffern der jeweilige Paragraph. 13  Bibliographie zur politischen Ideengeschichte und Staatslehre, zum Staatsrecht und zur Verfassungsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts, hrsg. von Hans Ulrich Scupin und Ulrich Scheuner, bearb. von Dieter Wyduckel, Berlin 1973, 2 Halbbd.e.



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Juristen, Theologen und Philosophen behaupten. Althusius greift trotz aller fachdisziplinärer Differenzierung zusätzlich auf das politische Denken von Dichtern und Historiographen zurück. Dante, Petrarca, Seneca, Livius, Sallust, Tacitus, Plutarch und andere treten ein in ein Gespräch über die Jahrhunderte hinweg. Eingedenk aller Unterschiedlichkeit der Bedingungen in den von Althusius benannten Ländern (Deutschland, Frankreich, Polen, Holland, Spanien, Äthiopien, Indien, China, u. v. a. m.) steht zu Beginn seiner Lehre die menschliche Gemeinschaft (societas humana) von Not und Leid, die Bedrohung kollektiven wie individuellen menschlichen Lebens durch Natur, Gewalt, Hunger, Krieg und Armut. In der anfänglichen Theorie vom symbiotischen Leben spiegelt Althusius die conditio humana. Seine darauf aufbauende Wissenschaft der „ars politica … soll für alle besonderen Umstände, Orte, Zeiten und Völker immer und überall passen und auf sie angewendet werden können“ (XXXIX  85). Die formale Methodenstrenge erleichtert die Verständlichkeit des in Paragraphen abgefassten Werks nicht. Dieser Umstand ist indessen nicht untypisch für die entstehende Systematik des Denkens und die literarische Produktion in Form der Systema. Man möge vergleichsweise an die Formstrenge in der Musik und Architektur oder in der barocken Dichtung denken. Erschwerend hinzu tritt, dass Althusius schon damals anachronistisch anmutend bei der Bezeichnung von Institutionen (Konsuln, Dekurio, Triumvirat, Ädilen, Leviten, Ephoren) verfährt. Es unterstreicht unterdessen, dass die Politica nicht über ein bestimmtes historisches Staatswesen berichtet, sondern in einer gewissen Tradition steht und es zeit- und herrschaftsüberdauernde Organisationsprinzipien gibt. Ungeachtet der didaktisch-pädagogischen Absicht eines Lehrbuchs ist in der Politica der Versuch des Autors zu erkennen, neben seiner Ethica in das ganze Material menschlich-gesellschaftlichen Lebens einzudringen und Vielheit und Möglichsein begrifflich fassbar zu machen.14 In einer kritischen Abgrenzung zu anderen Pragmatien, der Theologie und der theoretischen Philosophie einerseits, der praktischen Philosophie und Jurisprudenz andererseits, entwickelt Althusius einen weitgehend metaphysik- und einzelfallfreien Wissensbestand politischer Ordnung. Ohne der Theologie und der Philosophie ihre je eigene Vernunft abzusprechen, zieht der Autor die Scheidungslinie zur praktischen Vernunft schärfer und bannt damit den Staat und Gesellschaft lähmenden konfessionellen Konflikt. Althusius rückt von dem einen Wissen ab und führt einen dem Gegenstand der Politik eigenen, von metaphysischen Vorfragen weitgehend befreiten Wissensbestand ein. Die angestrebte Etablierung der »neuen Wissenschaft« setzt ihre eigenen Methoden voraus. Politik muss für den 14  Von Althusius selbst so bezeichnetes eigenes Werk Civilis conversationis, Hannover 1601, 1611.

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Autor methodice digesta, methodisch dargestellt sein. Sein Denken ist dabei ein Denken in Alternativen. Ein solcherart neu gewonnener Handlungsspielraum für die Politik erhebt den Anspruch auf einen differenzierenden Ausgleich von divergierenden Interessen. Sein „Vorhaben, das neu und schwierig ist“ (Vorwort 1603, 18) und sein Begriff von Politik sind unterdessen nicht annähernd so radikal begründet wie der von Thomas Hobbes. Wesentlicher Unterschied ist, dass Hobbes’ Politikbegriff sich aus seiner philosophischen Lehre versteht. Der englische Denker entwickelt seinen Begriff von Staat und Gesellschaft in der Schrift Vom Bürger (1647) als drittes der Elemente der Philosophie. Diesen Weg beschreitet Althusius nicht. Gerade deswegen erreicht seine Lehre auch nicht die Tiefe einer Politischen Philosophie. Wenn Althusius auch an den »alten Wissenschaften« zweifelt, so treibt er seine Zweifel dennoch nicht so weit wie Hobbes, der darin Descartes folgt. Althusius sieht den Menschen durchaus als »Subjekt« dem »Objekt« Welt gegenüber, die er nach seinem Willen einzurichten befähigt und gehalten ist. Es ist der Mensch der Konstrukteur der weltimmanenten Ordnung, Gott ist nur noch „mittelbar“ beteiligt (vgl. I  26, 35; XIX 69; u. ö.). Das Urteil Ernst Cassirers über Descartes, auch er sei in eine „geistige Gesamtbewegung“ eingebettet und nicht mit ihm allein beginne die Wissenschaft der Neuzeit, gilt umso mehr für den Herborner Gelehrten.15 Althusius lebt im Zeitalter der Hexenverbrennungen einerseits, der Entdeckungen und Erfindungen andererseits, er ist Zeitgenosse Galileo Galileis (1564–1642) und Johannes Keplers (1571–1630). Nikolaus Kopernikus (1473–1543) und Giordano Bruno (1548–1600) haben bereits zuvor ihre die wissenschaftliche Welt und die offizielle kirchliche Lehre erschütternden Erkenntnisse publiziert und gerieten in Konflikt mit der Inquisition. Mit Francis Bacon (1561–1626) teilt Althusius einen ausgeprägten Utilitätsgesichtspunkt, wonach Wissen nicht mehr Selbstzweck, sondern vornehmlich Mittel zu einem bestimmten Zweck ist. Beide steuern zum neuen Wissenschaftsbegriff das Moment der Zweckmäßigkeit bei. Die Begriffspaare »wahr« und »gut« werden abgelöst durch »notwendig« und »nützlich«. Althusius’ Wissenschaftsverständnis findet sich beispielhaft in der Politica dargestellt. Die Zweifel an der Angemessenheit der Methodik, der Auswahl und Darstellung der einzelnen Untersuchungsgegenstände, der wissenschaftlichen Standards entsprechenden Behandlung kontingenter Sachverhalte, veranlassen ihn jedoch nicht dazu, wissenschaftliche Philosophie und Theologie grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie werden lediglich auf den Ausschnitt der doctrina Politica bezogen. Seine Kritik besagt also nicht, dass das überkommene Wissen der Philosophie und Theologie überhaupt nichts mehr gilt, sondern, dass das Wissen um Politik nicht bzw. nur 15  Cassirer

1995, XIX–XXX  (nach Bast).



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teilweise zu den Wissensbeständen gehört, über die mit einem Wissen und einer Methode angemessen geredet werden kann. Althusius löst die Politik aus den Zwängen der klassischen Wissenschaftstrias Philosophie, Theologie und römisch-rechtlich geprägter Jurisprudenz heraus und unternimmt gleichsam eine Ebene tiefer eine Neubegründung der Politik, ohne – wie Hobbes – mit der Politiklehre zugleich eine »neue« Philosophie zu liefern. Nach dem heutigen Selbstverständnis und den Auswahlkriterien der Politischen Theorie und Philosophie als wissenschaftliche Teildiszplin steht der Herborner Gelehrte daher zu Recht in den hinteren Reihen. In den einschlägigen Darstellungen zur politischen Ideengeschichte ist besonders auf die jüngste Behandlung bei Henning Ottmann hinzuweisen, der der Lehre des Althusius ein differenzierteres Bild abgewinnt.16 In der rechtsgeschichtlichen Literatur der Nachkriegszeit nimmt Althusius einen festen Stammplatz ein. Dort gilt er gar als einer der großen Rechtsdenker der Geistesgeschichte, bezeichnenderweise nicht so sehr im Hinblick auf seine juristischen Publikationen, sondern vielmehr im Hinblick auf das in der Politica entwickelte Widerstandsrecht.17 Die Politica stellt ein Zeugnis der »frühen Neuzeit« dar. Der Autor hebt die ratio als Maxime des Denkens, utilitas und necessitas als Maximen des Handelns hervor. Für Althusius schließt sich der Glaube an Gott und die Vernunft nicht aus. Wenn auch der Religion im konsozietalen Gemeinschaftsleben eine herausgehobene Bedeutung zukommt, so ordnet sich dennoch nicht das gesamte Leben der Symbioten unter einen prädestinierten Gottesplan. Dem didaktisch-pädagogischen Programm des Hochschullehrers entsprechend ist nicht zuletzt die Art und Weise der Wissensvermittlung eine Angelegenheit der rationalen Aufklärung. Trotz der unzähligen Bibelzitate ist die Politica von einer Profanität geprägt, wie sie von Machiavelli für das politische Denken der Neuzeit dienstbar gemacht wurde. Mit Machiavelli teilt Althusius das Wissen um eine relative Machtlosigkeit der Moral zur Verbesserung des menschlichen Lebens und der Sitten (vgl. XXI  21, 31). Doch im Unterschied zum Florentiner gibt er in seiner Allgemeinen Staats- und Gesellschaftslehre den Anspruch auf ein tugendhaftes Leben nicht auf. Althusius unterscheidet zwischen dem Buch »Bibel«, dem Wort Gottes in der Hl. Schrift, zwischen Religion, Bekenntnis und Theologie. Die Zitate aus der Hl. Schrift, insbesondere des zweiten Teils des Dekalogs, sind Ausdruck der zutiefst empfundenen Überzeugung ihres politischen Bedeutungsgehalts. Innerhalb der Bibel ist nochmals zwischen Zeugnissen des Glaubens, der Dichtung und den 16  Ottmann

2006, 93–98. statt vieler den Artikel über Althusius in Erik Wolfs: Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 6. Kapitel. 17  Vgl.

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Tatsachenberichten zu unterscheiden. Sofern diese neben die antike Geschichtsschreibung, die antike politische Theorie und Philosophie und auch neben zahlreiche zeitgenössische Publikationen treten, wird die Hl. Schrift vom Autor bewusst und gewollt profaniert. Damit erweist er der Bibel den (bezweifelbaren) Dienst, nicht allein „den Theologen“, sondern auch den Politikwissenschaftlern »zu gehören«. Der „neuen Politik“ wird die Gewährleistung friedlicher Koexistenz der Konfessionen untereinander, auch im Verhältnis zum Judentum überantwortet. Was den Glauben angeht, betont Althusius mehr als einmal, dass der Staat eine Schutzfunktion übernehmen muss. Weltanschaulich ist er nicht neutral, eine laizistische Trennung von Staat und Kirche kommt für ihn nicht in Betracht. Mit der Politica legt Althusius jedoch keine weitere Verformung des augustinischen Gottesstaates vor, noch will er mit der Christianopolis (1619) Andreaes konkurrieren. Soweit in dieser Untersuchung vom »Staat« gesprochen wird, ist damit eine zeitgemäße Übersetzung der consociatio universalis major in institutioneller Hinsicht gemeint.18 Es handelt sich gleichwohl um einen vorläufigen Arbeitsbegriff, der den Umstand berücksichtigen soll, dass die consociatio universalis major mehr als nur den Staat als Institution umfasst. Sofern Althusius etwa vom status politiae spricht, bedeutet status nicht »Staat«, sondern bezeichnet vielmehr eine Zustandsbeschreibung innerhalb seiner Regierungslehre (vgl. XXXIX). Die (monarchischen, aristokratischen und demokratischen) status sind politische Varianten (speciebus politicae) ein und desselben Gemeinwesens. Zieht man die Aufmerksamkeit jedoch auf diesen Aspekt der Politica zusammen, so stellt sich die Frage, ob man überhaupt schon von Staatlichkeit sprechen kann. Die universale consociatio hat niemals als Realstaat historisch existiert. Sie ist ein Lehrstück des Autors und als ein ideales Erklärungsmodell entworfen, in dem immer wieder Versatzstücke der politischen Realität ein- und ausgearbeitet werden. Althusius bezeichnet die universale consociatio auch als „Respublica, Politie oder Reich“ (regnum, IX  3). Es entspricht indes gängiger Überzeugung, dass die in Bezug genommene »Respublica« Ciceros, die »Politie« des Plutarchs oder des Aristoteles ebenso wie das »Reich« keinen Staat im modernen Sinne darstellen und dennoch – ungenau – mit dem Begriff »Staat« bezeichnet werden. Bei entsprechender Berücksichtigung dieser gedanklichen Vorbehalte ist es daher gerechtfertigt, von der consociatio universalis major als einem »Staat« zu sprechen. Der Autor stellt seine Staatslehre zusätzlich auf eine im Entstehen befindliche völkerrechtliche Legitimationsgrundlage. Das Werk des deutschen Rechtsgelehrten lässt überdies deutlich die konstitutionellen Elemente erkennen, die nach der 18  Vgl. auch die (semantischen) Untersuchungen zum Begriff von Zwierlein 2010, 175  ff.



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Allgemeinen Staatslehre Georg Jellineks dazu verleiten, von einem Staat im modernen Sinne zu sprechen: Staatsgewalt – Staatsgebiet – Staatsvolk. Gleichzeitig mit der Staatslehre legt Althusius eine kohärente und konsistente Soziallehre und Gesellschaftstheorie vor, die Grundlage der politischen Ordnung ist. Sie kommt nach Ansicht Werner Krawietz’ als eine „Heter­ archie fluktuierender Inter-System-Beziehungen“ gleichwertig neben die Staatsdoktrin zu stehen, die hierarchisch strukturiert ist.19 Die Politica enthält mithin zwei interdependente Lehren und kann als kooperative Gesamtdoktrin zwischen Etatismus und Kommunitarismus gelten, der wesentlich auf den Säulen von Subsidiarität und Föderalismus ruht.20 Diese Deutung ermöglicht, das Werk gleichsam als einen neuzeitlichen Entwurf von Rahmenbedingungen für konzertiertes Handeln in pluralistischen Interessenverbänden (Stände, Zünfte, Gilden), in Kommunalpolitik, in (territorialer) Landespolitik, in (nationaler) Staatspolitik und (supra- bzw. internationaler) Bündnispolitik zu lesen. Bei den Mitteilungen über Politik, Staat und Gesellschaft stellt sich für Althusius eine ihn bedrückende philosophische „Schwierigkeit“ (difficultas). Er stellt (sich) die Frage: „Wer vermag überhaupt über einen so vielgestaltigen und komplexen Gegenstand allgemeine Regeln aufzustellen, die sowohl notwendig als auch richtig sind?“ („Quis hic praecepta generalia, necessario & reciproce vera, de re tam varia & indifferenti tradere potest?“) (Vorwort 1603, 21 / 22). Wittgenstein hätte geantwortet: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen“.21 Damit wäre der gesamten politischen Philosophie der Anspruch auf Wissen und Erkenntnis überhaupt in Frage gestellt. Althusius schränkt allerdings schon ein, dass er lediglich „nonnunquam theoremata contingenta“ d. h. zuweilen Kontingentes vorträgt. Hierin zeigt sich, dass er – bei der Abfassung des Vorworts von 1603 wohlmöglich contre coeur – Rücksicht nimmt auf den Anspruch der Theologie als Wissenschaft. Denn, wenn der Autor der Politica schreibt, dass Kontingentes der Wissenschaft „eigentlich fremd“ ist (Vorwort 1603, 21), dann zielt diese Aussage zuallererst auf das Selbstverständnis der Theologie, eine (wissenschaftliche) Rede über Wahrheit und Wirklichkeit führen zu können. Diese Aussage bedeutet zugleich, dass sein vorgelegtes Lehrstück über die menschliche Gemeinschaft nicht einem engen Prädestinationsverständnis 19  Krawietz

1988, 422  f. Kersting, der Althusius trotz der unterstellten Antimodernität gleichwohl eine „kommunitaristische Überschwenglichkeit“ vorhält, ders. 1994, 222. Den politischen Begriff »Föderalismus« bei Althusius hat Thomas O. Hüglin in zahlreichen seiner Publikationen, beispielhaft in Sozietaler Föderalismus, Berlin 1991 bearbeitet. Vgl. auch ders. 1999, 109–135; ders. 1990, 203–230 und die Kritik von Saage 1990, 231–235. Differenzierend auch Wyduckel 1997, 259–293. 21  Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Vorwort und Lehrsatz 7. 20  Vgl.

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verhaftet ist.22 Schon die Grundannahme, „manchmal“ (nonnunquam) über Kontingentes sprechen zu müssen, geht mit einem vorherbestimmten »wahren und wirklichen Gottesplan« nicht überein. Gott ist für Althusius dabei keineswegs kontingente Existenz, sondern wahres und wirkliches Sein. Der Autor sieht sich gleichwohl »häretisch« „gezwungen“ (coactus) kontingente Theoremata vorzutragen. Der theologischen Wirklichkeit setzt er das politische Denken der Möglichkeit entgegen. „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ (Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Lehrsatz 1), diese These darf durchaus zum Verständnis der althusischen Grundannahmen herangezogen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des von Althusius für die ­Erkenntnis überaus betonten, „den Regeln der Logik entsprechende[n] Denken[s]“ (Vorwort 1603, 17) ist es hilfreich, den modernen Sprachanalytiker heranzuziehen: „In der Logik ist nichts zufällig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen kann, so muß die Möglichkeit des Sachverhalts im Ding bereits präjudiziert sein.“ (Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Lehrsatz 2.012). M. a. W. ist die Möglichkeit der Wirklichkeit logisch nachrangig. Und weiter: „Etwas Logisches kann nicht nur-möglich sein. Die Logik handelt von jeder Möglichkeit, und alle Möglichkeiten sind ihre Tatsachen.“ (Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Lehrsatz 2.0121). So wird verständlich, dass Althusius angesichts „eines so vielgestaltigen und komplexen Gegenstandes“ dem Politikwissenschaftler zutraut, „sie dennoch zu kennen“ („Sunt tamen haec cognescenda“) (Vorwort 1603, 21 / 22). Insoweit trifft der Herborner Rechtsgelehrte keine »ewigen« Seinsaussagen über die menschliche Gemeinschaft, insbesondere nicht über den Staat, gerade weil er im Grunde nicht theologisch argumentieren kann, sondern vielmehr „logische“ Aussagen über das Seiende menschlicher Gemeinschaften und über Dasein und Sosein eines bedingten Staates. Absicht der vorliegenden Arbeit ist, das politische Hauptwerk des Althusius in seinen Grundannahmen geschlossen auf seinen inneren Zusammenhang zu untersuchen und auf Schlüssigkeit kritisch zu prüfen. Dabei kommt die Untersuchung zu Ergebnissen, die mitunter deutlich von bereits vorliegenden Darstellungen und Deutungen einzelner Aspekte der althusischen Lehre abweichen.23 Diese berücksichtigen – entgegen den auf die gesamte politica abzielenden Arbeiten Otto v. Gierkes, Carl Joachim Friedrichs, 22  Anders – wie viele – jüngst Malandrino, der „[h]inter dem deutschen Juristen … die tiefe und tragische Bedeutung der Prädestination“ stehen sieht, ders. 2010, 17, 24, u. ö. 23  Übersicht zum neueren Schrifttum bis 2003 in: Wyduckel 2003, LXXIII– LXXXII. Hinzu kommen jüngst F. S.  Carney / H. Schilling / D. Wyduckel (Hrsg.), Jurisprudenz, Politische Theorie und Politische Theologie, Berlin 2004; B. Koch (2005), St. Hohberger (2008) und C. Malandrino / D. Wyduckel (2010). Grundlegend: Althusius-Bibliographie v. Scupin / Scheuner (1973).



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Peter Jochen Winters (und bedingt auch Thomas O. Hüglins) – nach dem hier vertretenen Standpunkt den geschlossenen Begründungszusammenhang des althusischen Werks in nur unzureichendem Maß. Als letztlich unbefriedigend muss diese Vielstimmigkeit empfunden werden, wenn insbesondere innerhalb der Aufsatzsammlungen einander widersprechende Hypothesen Ausgangspunkt der Darstellung einzelner politischer Begriffe werden. Für das Verständnis der Politica besteht deshalb die besondere Gefahr von Fehldeutungen durch die angewandten Argumentationsketten. Ziel ist es, die althusische communicatio in einem ersten Teil der vorliegenden Arbeit als zentrale Bedingung von menschlicher Gemeinschaft überhaupt herauszustellen und ihre Gestalt in den unterschiedlichen Konsoziationen zu beleuchten (Politische Symbiose und Konsoziationen). Als eine überzeitlich gültige Konzeption stellt sich diese ausgearbeitete Drei-Gemeinschaftenlehre der Kommunikation dar, in der sozialontologische Grundannahmen für jede Gemeinschaft aufgestellt werden. Im Zentrum steht eine Kommunikation von Sachen, Dienstleistung und Rechten, die die partizipatorische Gemeinschaftsherstellung im Bereich gesellschaftlicher Integration abbildet. Als minimal-homogene Bedingungen der Möglichkeit von Konsoziationen stellt Althusius sie sogar außerhalb des Diskurses über die Verwirklichung von politischen Zielen in den Beratungen und Versammlungen. Vielmehr leitet der Autor daraus eine deontologische Form der Ethik ab, die auf die Erfüllung dieser Kommunikations-Pflichten durch die Symbioten und die Konsoziationen ausgerichtet ist und gleichsam eine »Symbiose« mit der christ­ lichen Nächstenliebe eingeht. Sie wirft zugleich ein Schlaglicht auf eine partizipatorische Demokratie in einem kommunitarischen Sinne voraus. Der Schutz und das Gedeihen, gegebenenfalls die Wiederherstellung der politischen Symbiose und Konsoziationen ist Aufgabe der politischen Ordnung, die eingehend im zweiten Teil untersucht wird (Grundannahmen politischer Ordnung). Der Kommunikationsstaat lebt mit „Zank und Streit“ zwischen den sozia­ len und politischen Gliederungen. Althusius begrüßt konfligierende Inter­ essen, denn „[m]assvolle Meinungsverschiedenheiten sind nämlich nützlich“, sofern nur alle auf ein Ziel, das Wohl des Gemeinwesens hinstreben (XXXVII  66, 67, 68; u. ö.). Sie versprechen Wandel und Entwicklung in einer gerechten Sozialordnung. Es nimmt nicht wunder, dass gerade der oberste Magistrat als Schutzherr „mäßiger Meinungsunterschiede“ (moderata discrepantia) auftritt und den Dialog „zwischen den Großen bzw. den Ständen des Gemeinwesens“ nicht ex cathedra unterbindet. Darunter ist kein herrschaftsfreier Diskurs zu verstehen, allenthalben gehören zur Kommunikationskultur der Politica Strategien der politischen Führung zur Lösung von Störungen und Konflikten. Bei der „Handhabung der Gerechtigkeit“, als die sich alle Staatstätigkeit darstellt, „ist als Regel stets zu beach-

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ten, dass Mäßigung waltet, so dass jedem Glied des Gemeinwesens das ihm zukommende Recht belassen“ wird (XXIX 2). Die auf den Staat angewandte Kommunikationsregel besagt, dass „[d]ie Herrschaftsgewalt des Königs … nicht in der Weise ausgedehnt werden [darf], dass die Freiheit des Volks unterdrückt wird; auch darf der Einfluss der Stände und Ordnungen nicht so erweitert werden, dass der König verachtet und das gemeine Volk verletzt wird. Schließlich darf dem Volk keine so große Ungebundenheit eingeräumt werden, dass die Würde des Herrschers geschädigt und der Zustand des Gemeinwesens gestört wird.“ (XXIX  2). Zwischen diesen drei Teilnehmern findet im Folgenden der Herrschaftsdiskurs statt. Das berühmte, missverständlich bezeichnet als das „revolutionärste“ (Antholz 1954, 143) Kapitel über das Widerstandsrecht erscheint vor dem Hintergrund einer gestörten communicatio in einem neuen Licht. Gewaltherrschaft zerstört die Kommunikation von Sachen, Dienstleistungen und Rechten, mithin den Kern der konsozietalen Gemeinschaften. Diese Arbeit schließt mit einer Untersuchung zur gestörten Ordnung (Tyrannislehre und Widerstandsrechte). Die vorliegenden Untersuchungen zu den politischen Begriffen in der Politica stellen zuletzt den Versuch dar, einen Beitrag zur Grundlagenforschung der Politikwissenschaft in der frühen Neuzeit zu leisten. Vor einem jüngsten „systematischen“ Vergleich „[z]ur Dis- / Kontinuität mittelalterlichen politischen Denkens in der neuzeitlichen politischen Theorie“ zwischen Marsilius von Padua, Thomas Hobbes und Johannes Althusius (Bettina Koch 2005, 344) muss nach hier vertretener Ansicht in Bezug auf die P ­ olitica zunächst der politiktheoretische Gehalt und die innere Systematik der althusischen Gesamtdoktrin in der oben bezeichneten Weise untersucht werden, da ansonsten die Gefahr einer unterkomplexen Darstellung besteht. Noch viel mehr steht bei einem weiteren aktuellen „Vergleich der politischen Theorie und der politischen Systeme des Althusius mit der EU“ (Stefan Hohberger 2008) der Begründungszusammenhang, in dem die universale Konsoziation steht, zunächst selbst zur zusammenhängenden Untersuchung an. Insofern handelt es sich bei dieser Arbeit um eine grundlegendere Maßnahme, die vielfach aufzeigen wird, dass aufgestellte Thesen zur Politica korrekturbedürftig sind.

1. Teil

Politische Symbiose und Konsoziationen Althusius unterteilt zum einen „die Lehre über das symbiotische Leben der Ehegatten, Verwandten, Kollegien, Städte und der Provinz“, hier als Konsoziationenlehre oder auch »politische Soziologie« bezeichnet, zum anderen die Lehre, „die dem Reich und der universalen Gemeinschaft gilt“ (XXXIX  84). Der „politischen Lehre von der Provinz“ in den Kapiteln 7 und 8 kommt dabei eine Sattelfunktion zu. Die Politica stellt sich nach der Auffassung seines Verfassers bis dahin insbesondere gegen zeitgenössische Entwürfe, die wegen vorrangig methodisch unzulässiger Vorgehensweise bzw. eingeschränkten Untersuchungsgegenstands angegriffen werden. Namentlich gegen Bartholomäus Keckermanns Systema disciplinae Politicae (1607) sowie gegen die Disputationum (1608) des Herborner Kollegen Philipp Hoen verteidigt Althusius die methodisch-systematisch und inhaltlich unbedingt notwendige Vorwegbehandlung der »politischen Symbiose und Konsoziationen« der vorstaatlichen Gemeinschaftsebene (vgl. XXXIX  23, 83–86; u. ö.). Die sich aus dieser Darstellung ergebenden Implikationen müssen in der sich anschließenden Staatslehre berücksichtigt werden, da es ansonsten zu inhaltlich-materiellen Verständnisschwächen der Bedingungen eines staatlichen Gemeinwesens kommt (vgl. III  42). Die folgende Untersuchung bezieht sich vornehmlich auf den Teil der vorangestellten Schemae Politicae, den Althusius systematisch zwingend vor der Behandlung der universalen Konsoziation in literam A bearbeitet (vgl. III  42; XXXIX  23, 84). Mit grundsätzlichen Aussagen wird die methodische Darstellung der Politik in dem als Propädeutikum zu bezeichnenden Kapitel 1 eröffnet. An sein zum Ausdruck kommendes Politik- und Wissenschaftsverständnis anknüpfend wird der Blick auf die Entwicklung der Konsoziationen-, d. h. Soziallehre gelenkt, deren Wesensgehalt in einer spezifisch symbiotisch-konsozietalen Kommunikation zu erblicken ist. Wenn auch nicht als (dialogische) Sprachkommunikation ausgestaltet macht der Politiklehrer diese Kommunikation gleichwohl als eine anthropologische, „universale Bedingung des Menschen“ (Karl Jaspers) aus.24 Sie ist eine in jeder Konsoziationenstufe gültige Handlungsanleitung für den Symbioten, 24  Karl

Jaspers, Vernunft und Existenz, nach: Gethmann 2004, 420  f.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

der für den Autor der Politica auch angesichts aller hobbesianisch anmutenden Schwächen zoon politikon und animal sociale ist.

§ 2 Zum Politik- und Wissenschaftsverständnis Ist die Politica ein Handbuch für den Praktiker oder ein Lehrbuch für den Politikstudenten, richtet sie sich gar als Forschungsbeitrag nur an einen ausgewählten Leserkreis von Staatsdenkern? Was versteht Althusius unter Wissenschaft, wie begreift er Politik? Erste wesentliche Hinweise zum ­Politik- und Wissenschaftsverständnis des Autors geben die beiden Vorworte, die sich in der ersten Auflage 1603 und – seitdem unverändert – in der zweiten Auflage von 1610 finden. Das Vorwort zur Erstausgabe ist zu einer Zeit verfasst, zu der Althusius noch als Hochschullehrer in Herborn tätig war.25 Darin behauptet er die Eigenständigkeit der Wissenschaft von der Politik. Auf den ersten Blick nimmt es wunder, dass ein ausgewiesener Rechtswissenschaftler diesen Anspruch vertritt. Gerade das Gegenteil wäre erwartbar gewesen, dass die Politik eine Magd, dass die Allgemeine Staatslehre eine Afterwissenschaft der Jurisprudenz sei. Auf den zweiten Blick fällt jedoch ins Auge, dass sich der Doktor beider Rechte bereits 1601 mit einem Werk Civilis Conversationis, welches er selbst als Ethica bezeichnet, auf fachfremdes Terrain bewegt und fächerübergreifendes Gehör beansprucht. Wir haben es demnach mit einem Autor zu tun, der, vom heutigen Standpunkt der ausdifferenzierten Wissenschaftsdisziplinen aus, über den Tellerrand einer Einzeldisziplin hinausblickt und – ausgehend von seiner ursprünglichen Profession – interdisziplinär lehrt. In die Politica sind gelegentlich Querverweise zu seinen anderen Veröffentlichungen aufgenommen. So treten neben die rechtswissenschaftlichen Publikationen, insbesondere der dikaeologischen „Theorie der Gerechtigkeit“ (Krawietz 1988, 392), eine Ethik und eine Politik und stellen gleichsam eine »praktische Philosophie« aus einer Hand dar.26 Die »neue« Politikwissenschaft hat sich in einer bemerkenswerten Ausdifferenzierung seiner Ansicht nach gegenüber den drei »klassischen« Konkurrentinnen zu behaupten: gegenüber der Philosophie, der Theologie und der Jurisprudenz. Die Nähe zu diesen Konkurrentinnen adelt gleichsam die 25  Zum Leben und Wirken des Althusius s. Antholz 1988, 67–88; Benrath 1988, 89–107; Holzhauer 1988, 109–112; Janssen 1988, 113–122; Warnecke 1988, 147– 160; Antholz 1954, 19  ff.; kürzer: Friedrich 1975, 17–39; Wyduckel 2003, VIII–XV. 26  Dicaeologicae Libri Tres, Totum et universum Jus, quo utimur, methodice complectentes … Opus tam theoriae quam praxeos aliarumque Facultatum studiosis utilissimum, Herborn 1617, 1618, 21649; Jurisprudentiae Romanae (methodice digesta) Libri Duo, Basel 1589, Herborn 21592, Herborn 51623. Zur Allgemeinen Rechtslehre vgl.: Krawietz 1988, 392  ff.



§ 2 Zum Politik- und Wissenschaftsverständnis

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»Neue«. Allen drei Disziplinen gemeinsam wird entgegengehalten, dass sie „der Lehre von der Politik vieles nicht Einschlägige und Fremde hinzufügte[n]“ und Fragen behandeln, die „in diesem Zusammenhang überflüssig und [als] nicht zur Sache gehörig ausgeschieden“ werden müssen. Dieser Impetus garantiert zuallererst Aufmerksamkeit. Intuitiv mag der Vorwurf verständlich sein – doch auf den zweiten Blick wird es dem Leser nicht leicht gemacht, jenes „Fremde und Nicht-Einschlägige“ dieser Fächer zu erkennen. Es fällt daher schwer, eindeutige Zuweisungen von Autoren und Werken in die Nachbardisziplinen vorzunehmen. Woran ist zu erkennen, ob Augustinus oder Thomas als Theologen bzw. Philosophen »fachfremd« argumentieren? Warum fehlt Luther in der Reihe der von ihm zitierten Autoritäten? Hat der Wittenberger Theologe im Vergleich zu Calvin nur „Nicht-Einschlägiges und Fremdes“ der Lehre von der Politik hinzugefügt? Wohl kaum – man denke etwa an die Schriften Von weltlicher Obrigkeit. Wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei (1523) oder Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der andern Bauern (1525). Urteilskraft und Erkenntnismöglichkeit über »Eigenes und Einschlägiges« der Politik hat der Leser mit der letzten Seite der Politica im Umkehrschluss gewonnen zu haben: alles, was bis dort nicht abgehandelt wurde, gilt der Politik als »fremd und nicht einschlägig«. Die wissenschaftliche Offenheit, die der Autor calvinistischen Glaubens sogar gegenüber den spanischen Jesuiten aufbringt, endet bei Luther. Die starke Gewichtung auf die administrativen Aufgaben und Tätigkeiten in der Politica zeigt, dass das Einschlägige vor allem im öffentlichen Recht, der Staats- und Verwaltungsorganisation sowie in der Gesetzgebung und dem Verwaltungsverfahren besteht. Die Abgrenzung zu den Konkurrenzdisziplinen ist zudem akademischer Art. Althusius gesteht zu, „[d]ass jedoch in der Praxis (Hervorheb. P.  K.) nichtsdestoweniger alle Wissenschaften oft, ja immer miteinander verbunden sind“, von denen er neben den drei klassischen noch die Physik und die Medizin nennt.27 Wiederholt weist er darauf hin, dass in speziellen Fragen ein Grundkonsens zwischen den Fachbereichen herrscht (z. B. XVIII  84, 113; XXI  3; XXIV  43; u. ö.). Die Abgrenzung von den »klassischen« Disziplinen zeichnet eine bereits länger andauernde, aus den Abhängigkeiten herauslösende Entwicklung von den politischen Lehren zu einer Politikwissenschaft nach, welcher Althusius eine zusammentragende Form und Methode geben will. Die meisten der von ihm bearbeiteten „politischen Lehren“ finden sich heute allerdings nicht einmal mehr in den Darstellungen über die Geschichte des politischen Denkens.28 Manche der von ihm in Bezug 27  Dieser

Hinweis findet sich in beiden Vorworten. Überblick über die zeitgenössische und verwendete Literatur (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) bietet etwa das Quellenverzeichnis in der von D. Wydu28  Einen

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

genommenen Schriften behandeln lediglich einzelne Aspekte der Politik, so insbesondere die aktuellen zeitgenössischen Publikationen. Andere befassen sich nach seinem Urteil nur zum Teil mit politikwissenschaftlichen Themen, so Bodins De republica und weitere Beiträge der Nachbarfächer. Bei der Auswahl der „vielfältigen politischen Lehren“ lässt Althusius dagegen Beiträge vermissen, deren Aufnahme allerdings erwartbar ist.29 So fehlen etwa Wilhelm von Ockham oder Marsilius von Padua bei der Darstellung des Widerstandsrechts und der Souveränität. Ist in der dritten Auflage der Politica von 1614 im Zusammenhang mit der Kontroverse zu Barclays Thesen nicht die Erwähnung von Franziskus Suárez’ 1612 erschienenem Werk De legibus geboten?30 Schließlich erkennt Suárez – von katholischer Seite kommend – eine Volkssouveränität an und entwickelt das Widerstandsrecht weiter. Er vertritt nahezu zeitgleich politische Ideen, die zentrale Gegenstände der althusischen Agenda bilden.31 Die subjektive zeit- und ideengeschichtliche Einschätzung der Bedeutung eines Werks für die zu behandelnden Aspekte in der Politica bestimmt die Auswahl derjenigen politischen, juristischen und theologischen Schriftsteller, die von dem Herborner Rechtsgelehrten zu den relevanten politischen Lehrern gezählt werden. Der dabei schlüssig erhobene Anspruch auf Vollständigkeit lässt eine gewisse Bevorzugung antiker Autoritäten und einiger neuerer und neuester Autoren erkennen, darunter monarchomachische Schriftsteller und Vorläufer der Reichspublizistik. Aus dem Kreis der spanischen Spätscholastiker begegnen Fernando Vásquez, Juan de Mariana, Luis de Molina und Domingo de Soto, vor allen anderen aber Diego de Covarruvias (nicht dagegen Bellarmin und Vitoria).32 Es gilt für sämtliche Auslassungen, was der Autor im Vorwort von 1603 festhält: Es werden diejenigen Werke berücksichtigt, die sich nach seinem Dafürhalten „vor anderen durch Erfahrung und Praxis [als] bedeutend“ auszeichnen. Diese werden ergänzt durch Werke, die „den Geckel herausgegebenen Übersetzung der Politik 2003, LIII–LXVIII  und C. J. Friedrichs Politica 1932, ci–cxviii. Wolfgang Weber allerdings erhebt in seiner Untersuchung zur Politikwissenschaft des 17. Jh.s die althusische Politica selbst nicht in den ersten Rang zur Etablierung als Fachwissenschaft, ders. 1991, 43  ff. 29  Friedrich (1932, c–cxviii) unternimmt unter Vorbehalt („very hesitant“) im Anhang I  seiner herausgegebenen Politica eine derartige Zuordnung von Autoren und Schriften zu einzelnen Wissenschaftsdisziplinen. Zum literarischen Hintergrund des Althusius, ders. 1932, xlii–lxiii. 30  Zur Auseinandersetzung Suárez’ mit Barclays Lehre (über Bellarmin) s. Rommen 1926, 255, 358  f. 31  Zum Widerstandsrecht und Souveränität bei Suárez zusammenfassend: Spindelböck 1994, 99–101. 32  Dies sind allesamt Autoren, die man unter der Schule von Salamanca zusammenfasst. Bellarmin taucht nur indirekt durch die zitierte Schrift William Whitakers Controversia de consiliis auf (vgl. XXXIII  24).



§ 2 Zum Politik- und Wissenschaftsverständnis

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genstand … nur am Rande behandelt haben“. Die Auswahlbestimmung korrigiert Althusius auch nicht im Vorwort für die folgenden Auflagen. Mithin fallen die ausgesparten Denker für den Gegenstandsbereich der Politik erstens durch das Raster derjenigen Werke, die ihm aufgrund von Erfahrung und Praxis bedeutend zu sein scheinen, zweitens durch das Raster der Einschlägigkeit nachbarwissenschaftlicher Untersuchungen. Diese »Fehleinschätzung« wird im Rückblick durch die »richtige« Beurteilung der Bedeutung Bodins und dessen – dem aufstrebenden Absolutismus den Weg ebnenden – Lehre korrigiert. Althusius vertritt über weite Strecken dieselbe Ansicht wie der französische „Jurist“, dessen Werk ganz überwiegend zur Stützung seiner eigenen Position herangezogen wird. Die Differenzierung erfolgt weiterhin mit didaktischer Absicht. Der Hochschullehrer begründet seine Disziplinentrennung aus der Perspektive des Lernenden, der „Anfänger und Studenten“. Wie sollte ein „studiosus Politicae“, so fragt er in seinem Vorwort von 1603, der mit rechtswissenschaftlichen, theologischen und philosophischen Fragen noch nicht vertraut ist, sich ein Urteil über den Bereich seines Faches bilden, wenn die Grenzen der einzelnen Disziplinen nicht eingehalten, vielmehr die Gegenstände seines Studienfachs von diesen mit genuin unpolitischen Fragestellungen überfrachtet werden? Dieses didaktische Motiv wird durch eine Methodik der Darstellung gefördert, die ganz auf Nachvollziehbarkeit für „Lernende, ja sogar Lehrende“ abzielt.33 Die Abgrenzung ist nicht zuletzt strategischer Art. Vor allem die Zurückweisung der Theologie im Vorwort von 1603 soll die Politik aus einem »Ideologieverdacht« lösen, in dessen Kielwasser zuweilen auch die Philosophie geraten ist.34 Gleichsam verheißend soll die Lehre von der Politik aus den verhärteten konfessionellen Konflikten der Zeit in ganz Europa einen für alle Parteien akzeptablen Weg weisen. Symptomatisch dafür ist eine Paraphrase in der Regierungslehre der Politica, danach es „offenbar die Kunst der Künste und die Wissenschaft der Wissenschaften [sei], den Menschen zu regieren, der von allen Lebewesen das verschlagenste sei“. Althusius beschließt: „Allein die politische Wissenschaft heilt all diese Gebrechen“ (XXI  7). Somit wehrt er eine Vereinnahmung des Politischen durch die Nachbardisziplinen ab, die durch eigenständige Fragestellungen und Interessen geleitet sind. In diesem Zuge legt der Autor eine weitgehend von Metaphysik und Transzendenz befreite wissenschaftliche Politik vor. Wohlgemerkt soll sie und ebenso die angewandte Politik aus dem Einfluss einer 33  Scattola will dagegen einen „pädagogischen Zweck“ nur in der ersten Auflage verfolgt wissen. Auf diesen verzichte Althusius allerdings ab der zweiten Auflage, Scattola 2002, 217. 34  Vgl. Llanque 2008, 180  f., der etwas schroff von „Kappung“ spricht.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

insoweit sachfremden Theologie (nicht der Heiligen Schrift!) gelöst werden.35 Damit ist gleichzeitig klargestellt, dass sich mit der Abgrenzung der Politik von der Theologie keine laizistische Trennung von Staat und Kirche verbindet. Althusius lässt die Kirche im Dorf, stellt aber ein höheres Rathaus daneben. Von hier aus wird im Rahmen einer staatlichen Kirchenverwaltung „das Reich Gottes in die politische Ordnung eingeführt“ werden (XXVIII  4). Vor diesem Hintergrund kann er ausrufen: „Alles, was darüber hinaus von anderen, selbst Heiden, in Bezug auf die politische Herrschaft erdacht und ins Werk gesetzt worden ist, kann der Magistrat zum Wohl des Gemeinwesens übernehmen und für dieses nutzbar machen.“ (XXIX  7) Im Einzelnen rügt Althusius an »den Theologen«, dass sie dem Staatsmann und Herrscher „die Gebote der Frömmigkeit und christlichen Liebe [einschärfen] und … sogar die praktische Handhabung des Dekalogs zur politischen Richtschnur machen [wollen]“. Neben dem unbestimmten Personenkreis überrascht die brüske Zurückweisung ethisch-moralischer Ansprüche als „überflüssig und nicht zur Sache gehörig“. Das Vorwort von 1603 lässt insoweit Assoziationen zu Machiavelli, Botero und Ammirato aufkommen, Autoren, die Althusius in der Politica an jeweils entsprechender Stelle anführen wird. Die Kritik an »der Theologie« und »den Theologen« mag im Zeitalter der konfessionellen Konflikte denjenigen geschuldet sein, die ihren Glauben an die ordnungsstiftende und friedenssichernde Kraft der Religion verloren haben. Eine vom Glauben erleuchtete Erkenntnis ist streitbar geworden. Andererseits galt es, diejenigen zu überzeugen, die (immer noch) nicht die alles zersetzende Wirkung des Religionsstreits erkannten, der in den Dreißigjährigen Krieg münden sollte. Die von Althusius behauptete Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit der Politik und der Politikwissenschaft in den irdischen Wirklichkeiten soll beiden Adressatenkreisen die Möglichkeit eines »neuen Weges« aufweisen, jenen als Vergewisserung, diesen als Anstoß dienen. Der politische Schriftsteller vermeidet die Darstellung katholischer und protestantischer, lutherischer und reformierter Standpunkte. Eine einseitige Parteinahme für eine Konfession würde ihn von vornherein um den Lohn einer objektiven, d. h. überkonfessionellen Politikwissenschaft bringen. Seine Kritik zieht sich auf die Anforderungen „der Theologen“ an Herrscher und Staatsmänner im Hinblick auf die Gebote der Frömmigkeit und Nächstenliebe sowie die „praktische Handhabung“ des Dekalogs zusammen. Er nimmt diesen Handschuh nicht auf und bleibt mithin hinter dem zurück, was an »politischer« Sprengkraft in den theologischen Lagern in Stellung gebracht wurde. Althusius versucht aufzuweisen, 35  Aus der Bibel belegt Althusius nahezu jede Grundannahme und jede Schlussfolgerung, was ihm wohl – im Gegensatz etwa zu Hobbes und Spinoza – den Vorwurf ersparen wird, dem Atheismus Vorschub zu leisten. Die Politica wurde nicht indiziert, vgl. Ingravalle 2010, 41.



§ 2 Zum Politik- und Wissenschaftsverständnis

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dass in der Politik(wissenschaft) die konfessionellen Gegensätze aufgehoben sind. Der deutsche Politiklehrer zitiert Calvin neben den spanischen Spätscholastikern, Lutheraner (Melanchthon, Brenz, Gerhard, Pezel) neben Reformierten unterschiedlicher Provenienz (Bucer, Beza, Keckermann, Ursinus). Das Selbstverständnis der neuen Politikwissenschaft erfordert und ermöglicht, dass gleichsam formal unterhalb der Ebene wahrheitsspendender Theologie eine mehrheitsfähige, auf Ausgleich bedachte Lösung von konfligierenden theologischen Interessen und Standpunkten stattfinden kann. Leitbild soll der Konsens über die religio orthodoxa werden, der sich annäherungsweise in beständiger Kommunikation auf Versammlungen und Gesprächen den Konkurrenten mitteilt und als „gemeinsame Grundlagen des Glaubens“ die Basis für eine innere Befriedung bildet (vgl. XXVIII  39  f., 60  ff.; XXXIII  3, 23  f.).36 In den regelgeleiteten Reichsversammlungen erkennt Althusius demnach ein „Bild der Freiheit“ (XXXIII  30). Diese Einstellung spiegelt sich in der Wirklichkeit der erlahmenden Wirkungsmacht dieses Organs nicht entsprechend wider. Die politische Lehre dagegen gewährt förmlich die freie Bekenntnisausübung als ein vor dem staatlichen Zugriff geschütztes Recht (z. B. VII  7; IX  45; XIX  87; XXVIII  12, 62–66; XXXVIII  11). In der Politik sind demnach die anerkannten Konfessionen im doppelten Sinne aufgehoben. Sie sind sowohl durch die Politik geschützt und garantiert, als auch durch die Politik in ihrem Wirkbereich eingeengt und in ihrem Anspruch auf All-Zuständigkeit außer Kraft gesetzt. Die Konfessionen werden durch das geschützt, was sie (sich) selbst nicht bieten können. Dieser integrative Ansatz in der politischen Theorie des Autors fließt in die Befriedungsfunktion der Politik als deren Alleinstellungsmerkmal ein. Die harschen kritischen Ausführungen zur Theologie (und zur Philosophie) unterbleiben im Vorwort zu den folgenden Auflagen. Seit der zweiten Auflage 1610 erfährt die Anwendbarkeit des Dekalogs im Vorwort scheinbar eine Rehabilitation und Aufwertung.37 Der Verfasser bestätigt indes dort erneut, dass er „alle rein theologischen, juristischen und philosophischen Fragen an den ihnen zukommenden Ort [verwies] und … nur das aus[wählte], was mir für die hier anstehende wissenschaftliche Disziplin wesentlich und ihr eigen erschien“. Er unterlässt lediglich die konkretisierende Kritik (Vorwort 1614, 13  f.). Dem Lehramt der Kirche, die er als consociatio des Glaubens betrachtet, überlässt der Verfasser der neuen Politikwissenschaft die Transzendenz des Heils. Er formuliert nunmehr positiv, dass die Tafeln des Dekalogs zum politischen Gesetz eines frommen (1. Tafel) und gerech36  Wyduckel sieht im Richtigkeitsanspruch der religio orthodoxa allerdings einen Beitrag zur Verschärfung der konfessionellen Fronten, ders. 2003, XXVI. 37  Zum Unterschied der Vorworte s. a. Odermatt 2002, 291  ff.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

ten (2. Tafel) Gemeinwesens erklärt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass der politische Denker einen theokratischen Staat befürwortet. Die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten bleibt gegenüber dem transzendenten Heil bestehen. Das mosaische Gesetz wird an die welt-immanenten Bedingungen angepasst. Der Dekalog ist dabei in lediglich eingeschränktem Maß („insofern“, quatenus) für die Politik wesentlich. Althusius enttheologisiert die Zehn Gebote und lädt sie politisch auf, indem er den für die Politikwissenschaft wesentlichen Gehalt auf den Begriff bringt: politische Frömmigkeit und politische Gerechtigkeit. Im neuen Vorwort fällt also die Relativierung nur nicht ganz so krass ins Auge, in der Sache bleibt der Autor hingegen bei seiner Argumentationslinie. Der Verfasser hat sich in der Herborner Hochschulzeit bereits – unter Anerkennung der Fachwelt – zu theologischen Fragen geäußert und an einer Kontroverse über Gottes zeitlosen Willen in einer zeit- und umstandsbedingten Welt teilgenommen.38 Mangelnde Kenntnis der Materie wird man Althusius nicht vorwerfen können. Er studierte beide Rechte, d. h. das kanonische geistliche und das römische weltliche Recht in Genf und Basel, hier wird er zum utriusque juris doctor promoviert (vgl. etwa XVIII  101). Späterhin habe er „an der Sache selbst in Erfahrung gebracht, dass der Politiklehrer da aufhört, … wo der Theologe … ansetzt.“ (Vorwort 1614, 14) Die gefälligeren Formulierungen in der zweiten Auflage mögen den Lebensumständen des Autors gezollt sein. Schreibt Althusius sein erstes Vorwort noch als akademischer Hochschullehrer aus der Mitte des Reichs, die Überarbeitung seines Werks seit der Auflage 1610 hingegen nimmt er als Politiker der niederländischen Stadt Emden vor.39 Im Hinblick auf die Kritik an „der Philosophie“ fällt die Beschränkung auf den Bereich der Ethik auf, die Althusius als der Theologie verwandt ansieht. Er rügt, dass „die Philosophen“ überzogene Anforderungen an die Tugenden des „politicus & princeps“ stellen: „Die Philosophen führen aus der Ethik … zahlreiche Tugenden an, mit denen sie den Staatsmann und Herrscher geschmückt und gebildet wissen wollen.“ (Vorwort 1603, 17) Die argumentative Stoßrichtung erinnert wiederum an Machiavelli, Botero und Ammirato. Die Beschränkung mag zunächst darauf zurückzuführen sein, dass die Ethik – ausgehend von Aristoteles Nikomachischer Ethik als praktische Wissenschaft verstanden – mit der Politik besonders eng verwandt ist. Der Beschränkung begegnen indessen zweierlei Bedenken. Die für die Neuzeit typische Trennung der Pragmatien von Politik und Moral / Ethik, wie sie sich entsprechend im Vorwort von 1603 angedeutet findet, wird im weiteren 38  Friedrich 1932, xxviii und Antholz 1954, 69  ff. Vgl. auch die Selbstauskunft des Autors in Kap. 21 § 41; zur Kontroverse von 1601 mit den Herborner Theologenkollegen s. Münch 1980, 16  ff. 39  Auf die Erfahrungen des Autors in der „Provinz“ ebenso spekulativ abstellend: Antholz 1954, 72.



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Verlauf der Politica nicht konsequent durchgeführt. Althusius selbst fordert ein sittliches Leben der Menschen im Allgemeinen, vom höchsten Magistrat insbesondere. Von ihm werden ethische (und dianoetische) Tugenden abverlangt, wie sie sich allenthalben in den überkommenen staatsphilosophischen Schriften finden. Zugleich sieht sich Althusius nicht daran gehindert, dem höchsten Magistrat Methoden der Arcanpolitik („Er muss alles wissen und vieles verbergen“, XXI  9) oder »machiavellistische« Maßnahmen zu empfehlen. Darin liegt ein doppelter Widerspruch: zum einen in der anfänglichen Zurückweisung der ethischen Tugenden aus einer Lehre der Politik, die im weiteren Verlauf (in der sittlichen Verpflichtetheit aller Menschen im tätigen Leben) aufgegeben wird, zum anderen in den sich widersprechenden Handlungsanweisungen für den höchsten Magistrat innerhalb der politischen Klugheitslehre. Grundsätzliche Bedenken bestehen des Weiteren in der Beschränkung auf den Bereich der Ethik, da weitere Berührungspunkte der Philosophie mit der Politik in Betracht zu ziehen wären. Warum etwa grenzt Althusius nicht auch die Anthropologie, die Psychologie oder die Metaphysik als Teilbereiche der Philosophie aus? Gilt hier der Einwand des NichtEinschlägigen und Fach-Fremden nicht? Man bedenke, dass Hobbes rund ein halbes Jahrhundert später in seiner Staatslehre ebenso wie Althusius die drei »klassischen« Konkurrentinnen angreift, die Philosophie des Aristoteles scharf attackiert, die kritische Auseinandersetzung mit der Jurisprudenz sucht und schließlich die „verderbliche“ Theologie von der „nützlichen“ Gottesfurcht trennt.40 Unter Berücksichtigung gerade dieser Wissensbestände entwickelt Hobbes seine Staatslehre als dritten Teil der Elemente der Philosophie in dem Werk Vom Bürger. Für den Autor der Politica ergeben sich – abgesehen von der Ethik – trotz der gemeinsamen Abgrenzungen keine derart weitreichenden Überschneidungen zwischen Philosophie und Politik, die es rechtfertigen, seine Staatslehre als ein Element der Philosophie zu reflektieren. An den Stellen seines Werkes, die in der philosophischen Tradition anthropologische, psychologische und metaphysische Begründungen finden, erkennt er schließlich unvermeidlich die Kompetenz von Philosophen (und Theologen) an.41 Althusius ist kein politischer Philosoph und versteht sich auch nicht als solcher; er unternimmt mit der Politica den Versuch einer systematischen 40  Siehe etwa „Dialog zwischen einem Philosophen und einem Juristen“ oder das auctoritas-non-veritas-Diktum im Leviathan. Zu Theologie und Gottesfurcht vgl. auch: Hobbes, Der Körper, Widmung, 6. 41  Hohberger äußert: „Die Staatslehre des Althusius stellt erstmals eine bewußte Verknüpfung von Politik, Philosophie, Theologie und Jurisprudenz (Vertragslehre) dar“, ders. 2008, 90. Oder noch globaler: „Aus dem historisch-theologischen Kontext heraus und zusammen mit seiner juristischen Affinität entwickelt er daraus eine politische Theorie.“ ebd., 106.

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Darstellung einer Allgemeinen Staats- und Gesellschaftslehre, die eigene staatstheoretische Ansätze enthält. Politik ist für Althusius vor allem Erfahrung und Praxis. Ziel seines Wissens ist das Handeln im Veränderbaren, nicht das Erkennen des Ewiglichen. Demensprechend steht die Klugheit, nicht die Weisheit als Erkenntnisvermögen im Mittelpunkt. Die enge Verklammerung der Politik mit metaphysischen Grundannahmen, mit dem »Gott der Philosophen« löst sich zusehends auf. Althusius unternimmt es gar, Politik nicht ausschließlich auf den »Gott der Theologen« zu gründen. Voraussetzung dafür ist ein Wissenschaftsverständnis, welches ein neues Bild vom Menschen und vom Staat, mithin eine neue Wissenschaft erfordert. Das Postulat, Politik einerseits auf Erfahrung und Praxis gründen zu lassen, andererseits wissenschaftlich zu begreifen und als solches wiederum für die Praxis nutzbar zu machen, stellt deshalb zugleich eine Zurückweisung jeder utopistischen Auseinandersetzung mit Staat und Gesellschaft dar. Den visionären Weg, den Morus mit der Utopia (1516) beschritten hat und Campanella mit dem Sonnenstaat (1602) oder Bacon in Neu-Atlantis (1624) nahezu zeitgleich zur Entstehung der Herborner (1603) und Emdener (1610, 1614) Politica wählen, kommt für Althusius nicht in Betracht. Es zeigt sich darin nicht zuletzt, wie vielfältig das politische Denken dieser Zeit war. Die Abgrenzung zur Jurisprudenz stellt aus der Sicht des Autors eine besondere, „erste“ Schwierigkeit dar. Für die nahe „Verwandtschaft“ von Politikwissenschaft und Jurisprudenz gilt umso mehr die für alle Disziplinen geltende Trennungsregel, „jedem das Seine zu lassen und Fremdes nicht als uns zugehörig zu beanspruchen“. Das „wahre Ziel und die Eigenart jeder Wissenschaft“ ist das geeignete Scheidungsmittel, was bei der gerechtfertigten Behandlung der einschlägigen Themen stets im Auge zu behalten ist. „Dieses aber besteht (für die Politik, P.  K.) darin, die Gemeinschaft und das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen durch die hierfür besonders geeigneten, notwendigen und nützlichen Mittel zu unserem Wohl einzurichten und zu erhalten. Geht es um eine Regel, die nicht hierauf abzielt, so ist sie als der Politik nicht zugehörig abzuweisen.“ (Vorwort 1603, 19) Diese Trennung haben nach dem Urteil des Althusius Jean Bodin und der am häufigsten genannte Petrus Gregorius Tholosanus gerade nicht beachtet. Sie vermengten in unzulässiger Weise juristische mit politischen Fragen. Die Unzulässigkeit ergibt sich für Althusius daraus, dass er seinen eigenen Maßstab – der in der als notwendig erkannten Trennung von Politikwissenschaft und Jurisprudenz liegt – sowohl an Bodins De republica libri sex als auch an Tholosanus’ De republica libri xxvi anlegt. Bodin etwa, nach dessen eigener Einschätzung es an politischen Abhandlungen über den Staat mangelt, beklagt in seinem Vorwort rund 30 Jahre vor dem ersten Erscheinen der Politica, dass „spätere Autoren (nach Platon und Aristoteles, P.  K.) …



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keine juristischen Kenntnisse [hatten]“.42 Bodin argumentiert gerade gegenteilig zu Althusius insoweit er die Jurisprudenz in die Politikwissenschaft hineinzieht, wobei letztere nach seinem Dafürhalten die „vornehmste unter den Wissenschaften“ ist. Der Herborner Hochschullehrer nimmt dagegen eine Definition des Wissenschaftsbereichs vor, welche sich von ihren Zielen her bestimmt: „Das Ziel der Jurisprudenz besteht darin, das Recht aus dem Faktum kundig herzuleiten, die Lebenstatsachen (facti in humana vita, Einfüg. P.  K.) zu würdigen und über sie rechtlich zu urteilen. Regeln, die hiervon abweichen und nichts über das Recht aussagen, welches sich aus dem Faktum ergibt, sind der Jurisprudenz fremd und gehören ihr nicht an. Die Lebenstatsachen aber, über die Recht gesprochen wird, können unterschiedlich sein und werden anderen Wissenschaften als diesen eigen entnommen. Deshalb gewinnt der Jurist das Wissen und die Kenntnis von diesen Tatsachen nicht aus der Jurisprudenz, sondern übernimmt sie von den jeweils Kundigen der anderen Disziplinen, um sodann über die rechtliche Würdigung des Faktums richtiger urteilen zu können.“ (Vorwort 1603, 19, Hervorheb. P.  K.)

Diese Definition der Jurisprudenz, die der Rechtsgelehrte an seinem eigenen Fach vornimmt, bedeutet weniger die Ablehnung eines etwaig unbegründet empfundenen Primats der Jurisprudenz über andere Wissenschaften. Diese Abgrenzung befreit vielmehr die ureigene Domäne des Autors vom Ballast, etwas zu leisten, zu dem sie allein nicht in der Lage ist: nämlich eine Ordnung für alle Lebenssachverhalte zu stiften, mit anderen Worten die „facti in humana vita“ zu gestalten. Als Doktor beider Rechte erfuhr Althusius, dass das Gemeine Recht selbst in den Glaubenszwiespalt geraten war.43 Das Ordnungsvakuum auszufüllen, stellt sich für den politischen Denker als gemeinsame Aufgabe von Politik und Jurisprudenz dar, „so kann es nicht erstaunen, wenn er (der Jurist, P.  K.) Einsichten auch aus der Poli­ tik gewinnt“ (Vorwort 1614, 14). In der Politik formt sich der Wille, aus der sozialen Wirklichkeit rechtliche Normierungen zu schaffen. In dieser Hinsicht geht sie der Jurisprudenz voraus. Unter umgekehrten Vorzeichen kritisiert heute nicht zuletzt die Rechtswissenschaft die gängige Praxis, dass eine »überforderte Politik« sich in politischen Willensbildungsfragen entscheidungssuchend an das Verfassungsgericht wendet und damit den poli­ tischen, heute: den parlamentarisch-demokratischen Willensbildungsprozess außer Kraft setzt. Der Anspruch auf die Eigenständigkeit der Politikwissenschaft gegenüber der Jurisprudenz ergibt sich für Althusius – in der begrifflichen Trennung ganz Jurist – aus der Teilung von factum und jus der Souveränität: 42  Bodin,

43  Heckel

Über den Staat, 5. 2001, 40–43, 92  f.; Wyduckel 2003, XVII.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

„Der Politiklehrer legt nämlich zu Recht dar, was Souveränität ist und welches ihre Grundlagen sind, und er erforscht und beurteilt, was für den Aufbau eines Gemeinwesens wesentlich ist. Der Rechtsgelehrte hingegen erörtert sorgsam, wie aus den Grundlagen der Souveränität … Recht entsteht. Beide verfahren also in richtiger Weise, jener hinsichtlich des Faktums, dieser hinsichtlich des Rechts.“ (Vorwort 1603, 20)44

Entsprechend der nahen Verwandtschaft von Theologie und Ethik zeigt sich das Verhältnis von Jurisprudenz und Politikwissenschaft. Die Jurisprudenz wird von Althusius mehr als Rechtsklugheit, denn als Rechtswissenschaft gekennzeichnet. „Prudentia oder scientia, das ist mehr als eine Frage der Benennung“, so fragen heute noch Rechtswissenschaftler nach dem Selbstverständnis ihres Fachs.45 Zweifelt Althusius auch nicht an der Wissenschaftlichkeit der Jurisprudenz, so spricht er gleichzeitig im Hinblick auf die junge Disziplin selbstbewusst von der „scientia politica“.46 Somit rückt das Wissenschaftsverständnis des Autors ins Blickfeld. Al­ thusius spricht für sein Vorhaben von einer „zweiten Schwierigkeit“. Er referiert die These, dass Kontingentes (theoremata contingentia) „der Wissenschaft eigentlich fremd ist“. Da für ihn Politik kontingente Sachverhalte zum Gegenstand hat, sieht er sich vor das Problem gestellt, den Anspruch auf die Wissenschaftlichkeit der Politik aufgeben zu müssen. Die Lehre der Politik wäre demzufolge bloß eine auf praktisches Erkenntnisvermögen gerichtete Klugheit, ein reines »Sich-Verstehen-auf« (vgl. XXI  7, 9). In der Logik, deren Regeln Althusius für die Darstellung seiner Politiklehre nutzbar machen will, wird zwischen den drei Modalitäten Wirklichkeit – Möglichkeit – Notwendigkeit unterschieden. Spinoza etwa bestreitet in seiner 1677 erschienenen Ethik die Existenz des Kontingenten, da alles, was existiert, notwendig ist.47 Kontingenz lässt sich demnach auf eine mangelnde Kenntnis der Ursachen zurückführen. Infolgedessen wird der staatsbegründende Vertrag im Tractatus theologico-politicus aus einem Notwendigkeitsdenken geschlossen.48 Der Verfasser der Politica beschreitet indessen nicht den Weg, Kontingentes zu leugnen und Politisches in die verbleibenden Modalitäten Wirklichkeit und Notwendigkeit aufzuteilen. Die Aussagen und Lehrsätze des Werks beziehen sich nach Auskunft des Politiklehrers auf 44  Im Vorwort der Auflage von 1610 / 1614 formuliert Althusius ähnlich: „Der Politiklehrer behandelt das Faktum der Souveränität und seine Grundlagen. Über das Recht, das sich daraus ergibt, äußert sich der Jurist. Jener behandelt das Faktum, dieser würdigt seine rechtliche Bedeutung.“ (Vorwort 1614, 14). 45  Rüthers 1999, 160  ff. 46  Politica–Friedrich 1932, 6 u. ö. 47  Etwa: Spinoza, Ethik I, Lehrsatz 29, 34; ders., Theologisch-politische Abhandlung, 6. Kap., 91 (4.024); 16. Kap., 210 (4.224). 48  Spinoza, Theologisch-politische Abhandlung, 16. Kap., 214 (4.229).



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das, „was häufig vorkommt und mehr oder minder zufällig ist“ (έπί τό πλειρον und κατα συμβεβηκός, Politica-Friedrich (1932), Praefatio, 6). Ohne die Kontroverse über die Stellung der Kontingenz in der Wissenschaft zu suchen, spitzt er den Gegenstand in der rhetorischen Frage zu: Wer ist ohne Berücksichtigung des Kontingenten in der Politikwissenschaft imstande, allgemeine Regeln, und zwar notwendige und zugleich reelle (necessario & reciproce vera), über einen so vielgestaltigen und unbestimmten Gegenstand zu lehren? Althusius lehnt ein enges Wissenschaftsverständnis ab und hebt für den Politikwissenschaftler das Wissen über Kontingentes zur unabdingbaren Voraussetzung seines Faches hervor: „Ein Politikwissenschaftler ­(politicus) muss diese (d. i. theoremata contingentia) dennoch kennen; in der Politikwissenschaft (scientia politica) ist nicht unbeachtet zu lassen, was der Lenker eines Gemeinwesens wissen muss, was diesen selbst formt und zum Regieren geeignet macht.“ Das erfordert nicht zuletzt eine den Ansprüchen des Untersuchungsgegenstandes genügende Erkenntnis- und Darstellungsmethode, wie sie schon für Aristoteles in der Politik „wie bei den anderen Problemen“ unablässig ist.49 Die Methode wird also Wahrscheinlichkeiten, nicht Wahrheiten behandeln. Aus dem Vorwort zur ersten Auflage 1603 geht hervor, dass Althusius beabsichtigt, die „vielfältigen politischen Lehren“ in eine „angemessene Ordnung“ zu bringen. Das Ziel von Wissenschaft ist demnach erkennende Ordnung, die Vorgehensweise ist methodisch-systematisch.50 Dabei untersucht der Herborner Rechtswissenschaftler die Frage, ob in den bisherigen Lehren ein „methodisches, den Regeln der Logik entsprechendes Denken“ erkennbar ist.51 Althusius ist der Ansicht, in der auf Petrus Ramus zurückgehenden Methode des präzisen Definierens und Schlussfolgerns eine für die Politikwissenschaft angemessene Methode gefunden zu haben, wonach sich durch fortlaufende Untergliederungen der Begrifflichkeiten ein differenziertes Bild von der kontingenten Wirklichkeit gewinnen lässt.52 Die 49  Aristoteles, Politik I  2 (1252a25) (daneben gibt es eine topische und rhetorische Methode). 50  Zu den die Schriften des Autors auszeichnenden Merkmalen gehört, dass sie mit einleitenden Übersichtsschemata sowie Personen- und Sachregistern versehen sind. 51  Im Vorwort zur zweiten Auflage spricht der Autor davon, dass sich nach der erneuten Überarbeitung sein Werk „in Form, Methode und Umfang“ von der vorherigen Auflage unterscheide. Für die Methode lässt sich dies nicht feststellen, so dass die hier angestellten Überlegungen für beide Auflagen gültig sind. Scattola untersucht eingehend die Entwicklung von Umfang, Form und Methode von der ersten Auflage 1603 an, ders. 2002, 211–223. 52  Eingehender zur ramistischen Methode: Strohm 1999, 352  ff.; Ong 1958, 296  ff. Die in den Dialecticae partitiones (erstmals ersch. 1543) vorgestellte dichotomische Methode des französischen Logikers Petrus Ramus (1515–1572) beinhaltet

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Methode soll für Wertneutralität sorgen, die Formalisierung Objektivität befördern, allesamt Ansprüche an eine Wissenschaft, die bis auf unsere Zeit Gültigkeit besitzen werden. Wie Hobbes politische Philosophie euklidisch more geometrico betreibt, wird die ramistische Methode zum prägenden Erscheinungsmerkmal der althusischen Schrift.53 Die »Totalität« der ramistischen Methode droht jedoch die althusische Grundannahme in den Hintergrund zu verdrängen. Der Versuch, der komplexen Wirklichkeit Herr zu werden, steht in einem Spannungsverhältnis zur wissenschaftlichen Methode. Das Prozesshafte des politischen Zusammenlebens ist nur bis zu einem gewissen Grad »disziplinierbar«. In einer kontingenten Welt kommen deshalb die Kategorien von Notwendigkeit einerseits und Nützlichkeit andererseits zur Anwendung.54 Als beispielhaft für Althusius‘ Vorgehensweise kann das dem Werk vorangestellte Schema gelten.55 Im Eingangskapitel der Politica äußert sich der Autor über allgemeine Grundlagen, über Wesen und Beschaffenheit der Politik. Als Propädeutikum vermittelt dieses Kapitel dem Leser die zum Verständnis des Folgenden notwendigen Vorkenntnisse. Es werden Vorfragen geklärt und Grundannahmen gekennzeichnet, von denen aus die weitere Darstellung ihre Richtung nimmt. Dem methodischen Aufbau entsprechend sind die Einlassungen, die Allgemeingültigkeit besitzen, in den nachfolgenden Kapiteln jeweils »vor die Klammer gezogen«. Die Politica liest sich daher bisweilen wie eine moderne Kodifikation, die einen „abstrakt-generalisierenden Gesetzesstil“ verwendet.56 Je höher der Grad an Allgemeingültigkeit, desto weiter sind Aussagen »vor die Klammer gezoeine rationalistische Methodik des präzisen Definierens und Schlussfolgerns, wonach ein Begriff in zwei Unterbegriffe geteilt wird, die wiederum jeweils begrifflich zweigeteilt werden. Sie galt an der Hohen Schule zu Herborn, an der Althusius in den Jahren 1586–1604 mit Unterbrechung lehrte, als verbindliche Lehrmethode (Benrath 1988, 98–107 [96]; Dienst 1986, 66–69). Sie dient Althusius nach Ansicht Winters – dem Zeitgeschmack nach Mathematisch-Naturwissenschaftlichem entsprechend – als bloße Darstellungsform und nicht als philosophische Erkenntnismethode (Winters 1995, 31; ders. 1963, 29  f.). 53  Wyduckel will darin eine bewusste Antithese des Autors zum politischen Aristotelismus der Zeit erkennen, eine Übereinstimmung zu aristotelischen Positionen sei nur vordergründig, ders. 1988, 488. 54  Daher zumindest missverständlich, dass Althusius für Friedrich in deterministischen Kategorien denkt. Die consociatio symbiotica ließe dem althusischen „Menschen keine Wahl“, ders. 1975, 80  f. 55  Man beachte das Schema, das Hobbes in seiner englischen Fassung des Levia­ than vorstellt. Weitere schematische Unterteilungen lehnt der englische Staatsphilosoph ab, weil sie „teils mühsam, teils unnötig“ sein würden (Leviathan Kap. 9, 63  ff. [64]). 56  Zum Denkstil des Gesetzgebers des BGB (1900) s. Heinrichs 2009, Einleitung Rn.  7; Larenz-Wolf 1997, § 3 Rn.  86–108.



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gen« (Ausklammerungsmethode).57 Es finden sich mithin zu Beginn eines Kapitels allgemeine Aussagen dieses Kapitel betreffend, sodann allgemeine Aussagen zu einem Abschnitt, d. h. mehrere, denselben Gegenstand be­ treffende Kapitel (Prolegomena). Das Eingangskapitel schließlich trifft allgemeine, sämtliche Kapitel übergreifende Aussagen. Die Methode erfordert in gegenläufiger Richtung die Darstellung von nicht weiter zu verallge­ meinernden, gegebenenfalls modifizierenden und konkretisierenden Regelungen. Aufgrund der Entscheidung, dass Gegenstand der politikwissenschaftlichen Untersuchung dasjenige, „was häufig vorkommt und mehr oder minder zufällig ist“, gerät Formales und Inhaltliches bei Althusius unter gewisse Spannung. Aus der Natur des Gegenstandsbereichs ergibt sich eine umrisshafte Genauigkeit. Andererseits impliziert der methodische Aufbau akribische Genauigkeit. Entwickelt sich die Politica solcherart zur bloßen Schematisierung eines – wie Hegel in kritischer Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Methode formuliert – „wissenschaftlichen Staates, den die Mathematik herlieh, untauglich und ungeliebt“?58 Die Rezeptionsgeschichte der Politica scheint dem Recht zu geben. Im letzten Kapitel 39 wird Althusius seine Methode sogar schon selbst gegen Missverständnisse in der Vorauflage verteidigen müssen (XXXIX  23, 83  f.). Es besteht nämlich allein von der Methode der Wissenschaft her die Gefahr des Missverstehens, dass sie zum „leblosen Schema“ wird. Die wissenschaftliche Organisation wird so „zur Tabelle herabgebracht“, weil ein „tabellarischer Verstand“ lediglich über dem steht, wovon er spricht, daher den Begriff des Inhalts „nicht kennt“, bzw. „gar nicht sieht“ (Hegel, Phänomenologie des Geistes, Vorrede, 52). Dann bestünde ein bloß äußerlicher Formalismus, der gerade nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, nämlich »in« der Hauptsache zu sein, anstatt »über« der Sache zu stehen. Die Methoden sind deshalb von vornherein abzustimmen auf den Gegenstand. Vor dem Hintergrund der konfessionellen Zersplitterung in ganz Europa sowie der Um­ orientierung und Neuordnung kirchlicher, politischer und gesellschaftlicher Formationen, liegt in der angewandten Methode des althusischen Werks eine integrative Stärke, so dass sich zur Abfassungszeit der Politica die Rede von einer „Überwertigkeit der Methode“ (Adorno 1993, 139) bereits aus diesem Grunde noch verbietet.59 Methode und Schema sind aus einem weiteren Grund kein Selbstzweck, sondern dienen der Vergewisserung der noch jungen Disziplin. Auf diese Weise nähert sie sich mit einem adäquaten Instrumentarium dem Gegen57  Brox

1990, 24. Phänomenologie des Geistes, Vorrede, 47  ff. 59  Kritisch zur Wertneutralität der Wissenschaft überhaupt, ders. 1993, 111, 118. 58  Hegel,

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

stand des Politischen und wird urteilsfähig. Der erstrebte Erkenntnisgewinn ist zunächst Ordnung und Ortung. Das Werk richtet sich ausdrücklich an Studienanfänger, ist mithin als Lehrbuch konzipiert. Es soll: „Anfängern der Lehre von der Politik … Erleuchtung, Einsicht, Urteils- und Gedächtniskraft“ vermitteln. Die methodische Darstellung kommt diesem Zweck auf didaktisch-pädagogische Weise nach. Schließlich ist die Darstellungsweise unabhängig von der Originalität und Überzeugungskraft politischer Ideen und Grundannahmen zu bewerten. Kommunikation, Gemeinschaftssinn, Souveränitätslehre, Föderalismus und Subsidiarität, rechtsstaatliche Grundsätze sind neben anderen Topoi Gegenstände der althusischen Staatstheorie, denen, losgelöst von der rezeptionsgeschichtlichen Bewertung der Politica, in der Geschichte des politischen Denkens bis auf unsere Zeit nachhaltige Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit von Staat und Gesellschaft zukommen. Der Autor beschränkt sich nicht auf eine bloße Darstellung vorgefundener Lehren, sondern setzt sich mitunter kritisch mit diesen auseinander. Deutlich wird dies besonders in der Auseinandersetzung mit den Positionen Bodins und Barclays. Er kennzeichnet fremde Lehrsätze mittels Fundstellennachweisen und markiert deutlich einen abweichenden Standpunkt. Nicht allein die konsequente methodische Ordnungs- und Darstellungsweise stellt für Althusius ein Desiderat in den bisherigen Lehren dar, darüber hinaus sind nach seinem Dafürhalten wichtige Gegenstandsbereiche zu Unrecht aus dem Gebiet der politischen Theorie und der Politikwissenschaft ausgeklammert. Schließlich lockern so genannte „politische Beispiele“ die Darstellung auf. Sie nehmen überdies im Werk eine markante Stellung ein, um die Nach­ vollziehbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse und referierten Ergebnisse in einer kontingenten Welt zu erleichtern. Es begegnen neben Gleichnissen und erschöpfenden Schriftbelegen mannigfache Verweise auf globale politische Zustände (u. a. in Indien, China, Äthiopien) und politische Lehren aus Vergangenheit und Gegenwart. Typisches Argumentationsmuster wird die Folge These – Beleg – Schriftbeleg – gegebenenfalls historisches Beispiel sein. Je nachdem wie es der inmitten stehende Gegenstand erfordert, tritt eine historische neben eine politikvergleichende Darstellung und weist das Werk als breitgefächertes Lehrbuch der scientia politica aus. Zusammengenommen liegt darin nach Althusius’ Selbsteinschätzung das Neue und Schwierige seines Vorhabens. Es treten auf diese Weise die Wiedergabe vorgefundener Lehren und die Darlegung eigener Erkenntnisse ergänzend nebeneinander. „Und so habt Ihr denn beisammen, was ich … bei so vielen politischen Autoren tadle, was ich zurückweise, was ich vermisse und was ich billige“ (Vorwort 1603, 18). Durch die Auseinandersetzung mit anderen politischen Schriften wird sein eigener Standpunkt erkennbar und gewinnt das Profil



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einer eigenständigen politiktheoretischen und wissenschaftlichen Arbeit.60 Der große beschreibende Anteil an so genannten „politischen Beispielen“ ist eingebettet in einen normativen Politikansatz. „Die politischen Beispiele habe ich mit Fug und Recht den gerühmten und erprobten Gemeinwesen, der Geschichte des menschlichen Lebens und den großen Begebenheiten entnommen und sie in diejenige Wissenschaft übertragen, die Leitstern eines rechtschaffenen politischen Lebens, prägende Kraft aller Symbiose und Abbild einer guten Gemeinschaft sein soll.“ (Vorwort 1603, 18) Zum leuchtenden »historischen« Beispiel wird das jüdische Gemeinwesen erhoben, wie es sich in den Quellen der Heiligen Schrift dargestellt findet. Zwar betont Althusius die Geschichte als Lehrmeisterin (z. B. XXI  13), wie sie bereits zuvor von Machiavelli dienstbar gemacht worden ist, doch erkennt der Herborner gegenüber dem Florentiner keinen Kreislauf in der Geschichte.61 Überhaupt begegnet die Denkweise schon in Machiavellis Principe (1532). Gänzlich »neu« sind die Schläuche, in denen der »alte Wein« serviert wird, also nicht. Im Principe wird sie als Denken in Alternativen, als „alternativistischer Denkstil“ (Ottmann) gepflegt: Staaten sind Republiken oder Fürstentümer, diese sind erbliche oder neuerworbene Fürstentümer, usf.62 Wolfgang Kersting hebt hervor, dass Machiavellis Methode eine „auf praktische Wirkung zielende … Politikberatung [sei], die nie den handelnden Menschen als Adressaten aus den Augen verliert.“ Machiavelli „strukturiere die Mannigfaltigkeit“, die „Entweder-Oder-Struktur“ leite zur Entscheidung, zur Tat und Handlung an. Hinter der Methode stehe kein erkenntnistheoretisches Programm, sondern sie sei vielmehr ein rhetorisches Mittel, eine beratende Rede zur Vorbereitung der richtigen Handlungsweisen.63 Denkstil und Methode unterstreichen, dass Machiavelli „der Begründer eines neuen Wissenschaftstypus von einer politischen Statik und einer politischen Dynamik“ wurde.64 Dieser Deutung des Staatsdenkens Machiavellis ähnlich liegt nach Althusius das Ziel der politischen Wissenschaft im Handeln, nicht im Erkennen. Wenn er die theoretischen Erkenntnisweisen (Erkenntnis und Verstand) des Menschen im Allgemeinen, in Bezug auf politische Herrschaft im Besonderen hoch einschätzt, so äußert er zuweilen seine Vorbehalte gegen theoretisches Wissen: 60  Wolfgang E. J. Weber spricht in Bezug auf die Politica von einer positiven Lösung und einer wegweisenden Form sui generis in der Staatsformenlehre des konfessionellen Zeitalters: ders. 2010, 594. 61  Beide Denker vergleichend: Friedrich 1964, 177  ff. 62  Ottmann 2006, 18 nach René König m. w. N. 63  Kersting 1998, 48–52; Viroli 1998, 73  ff.; vgl. auch Viroli 2002, 16: „Politische Theorie ist nicht Teil der Philosophie, sondern der Teil der Rhetorik“; Flasch 2000, 647  f.; Taureck 2002, 168–170. 64  Cassirer 2002, 180.

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„Deshalb ist derjenige mit Recht zu loben, der für das Gemeinwesen Ertragreiches und Nützliches weiß, nicht aber der, der Vieles weiß. Denn mehr wissen zu wollen als genug ist, das ist nach dem Zeugnis Senecas eine Art Maßlosigkeit. Wir leiden nämlich wie in allen Dingen, so auch in der Wissenschaft an Maßlosigkeit und lernen dabei nicht für das Leben, sondern für die Schule“ (XXI  12).

Die politische Lehre des Althusius deutet daher nicht die Fragen nach den ersten und letzten Dingen des Lebens aus. Weitere Erkenntnismöglichkeiten werden der Theologie und der Philosophie zugeordnet und sind von vornherein aus der Betrachtung über die Politik ausgeschlossen. An dieser Stelle wird deutlich, dass Althusius ein reduktionistisches Programm von der Lehre der Politik verfolgt, dass der Theologie ebenso wie der Philosophie keineswegs ihre je eigene Notwendigkeit abspricht. Gleichwohl erhebt er den Anspruch, „dass die Politik das Endziel aller anderen Disziplinen aufs Höchste steigere und so aus dem privaten Glück das öffentliche mache“ (I  25). Ziel der Politik ist danach nicht allein eine angemessene und nütz­ liche, sondern überdies die glückliche Lebensführung (I  30; u. ö.). Althusius behauptet den überkommenen, insoweit eudaimonistischen Anspruch der Politik, das mit dem menschlichen Dasein verbundene Streben nach Glück einzulösen. Die kritische Einstellung gegenüber theoretischer Wissenschaft und Bildung enthält überdies einen utilitaristischen Charakterzug, danach politisches Wissen auf praktischen Nutzen und Notwendigkeit abzielt. „Wem soll ein weiser Mann, der seine Arbeit dem Gemeinwesen verweigert, oder ein verborgener Schatz nutzen?“, so argumentiert er gegen ein Wissen um seiner selbst (I  24). Der politische Lehrer mahnt unter Berufung auf Ciceros De officiis, es zu vermeiden, „ohne Notwendigkeit allzu viel Eifer und zu große Mühe auf dunkle und schwierige Fragen zu verwenden.“ (XXI  14) Cicero behandelt hier indes den Konflikt von Sittlichkeit und Nutzen. Bei »pflichtgemäßem Handeln« wird ein Widerstreit zwischen Moral und Nützlichkeit nicht entstehen, da für Cicero das „wahrhaft Nützliche“ stets das „Ehrenhafte“ (honestum) ist. Dies ist bei Althusius im Hinblick auf die politische Klugheitslehre aber gerade die Frage, da er zuweilen Verstellung und Bestechung zum notwendigen Herrschaftswissen rechnet. Damit rückt er erneut näher an den florentinischen Staatsdenker als an den römischen Philosophen. Politik ist für Althusius die Kunst, die Menschen zusammenzuschließen, damit sie untereinander ein gesellschaftliches Leben begründen, pflegen und erhalten (I  1). Sie ist die „Lehre vom symbiotischen Leben“; Politik betrifft alle und alles. Vor dem Hintergrund des Programms (Begründen – Pflegen – Erhalten) wird erkennbar, dass sich das Werk im Unterschied zur Fürstenspiegelliteratur und den Regimentslehren nicht auf einen Aspekt von Politik beschränkt, sondern vielmehr die »ganze« Politik darzustellen beabsichtigt.



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Unter „Politica“ versteht sich daher nicht allein der rechtsförmige Handlungsbedarf der staatlichen Organe, oder gar nur einzelner Organwalter zur Beeinflussung und Gestaltung staatlichen Handelns, sondern Politik beinhaltet für Althusius zugleich die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Politik vereint das Wissen um beide Wesenheiten: Staat und Gesellschaft als Gemeinwesen. Neben der deskriptiven Beschäftigung nimmt sich der Autor den normativen Aspekten von Staat und Gesellschaft an.65 Auf diese Weise vereint die Politica eine frühneuzeitliche empirisch-deskriptive Politikwissenschaft mit Ansätzen einer normativen politischen Theorie. Als solche fragt sie nach Ziel und Zweck des Staates, nach der Legitimationsaufgabe und untersucht die Legitimationskriterien. In der Unterscheidung zu anderen Literaturgattungen der politischen Theorie ist Althusius mit seinem Werk den Systematikern unter den politischen Denkern zuzuordnen. Zugleich wird ausgesagt, dass Politik eine Kunst sei. Zum einen bedeutet dies, dass Politik in einem Gegensatz zur Natur steht. Aus der antiken Vorstellung einer »natürlichen Politik« hat sich eine ausdifferenzierte und spezialisierte Wissenschaft gelöst: Politik – verstanden als gute und gerechte Ordnung – wird nicht mehr als telos in der Natur erkannt, sondern ist Wissen über eine Kunst, die lehr- und erlernbar ist. Politik ist das Gestaltungsmittel menschlichen Gemeinschaftslebens. Das Verständnis von Politik als einer Kunst bedeutet, dass der Mensch zur Schöpfung aufgerufen ist. Im Wissen um die generative Kraft des Menschen liegt der Schlüssel, in einer kontingenten Welt zu bestehen. Weil Politik »künstlich« ist, bedarf es eines praktischen und poeitischen Wissens, an dem jeder in dem ihm zukommenden Maße teilhaftig ist. Jeder kann über die ihm gegebene Vernunft die Notwendigkeit von Herrschaft und Gehorsam einsehen und seinen Beitrag zur Gemeinschaft leisten. Politik ist danach eine Kunst (poiesis), die Wissenschaft von der Politik umfasst das ihr entsprechende Wissen (praxis). Die Wissenschaft von der Politik nimmt eine höhere Stellung als die Politik selbst ein. Sie „steigere das Endziel aller anderen Disziplinen auf das Höchste“ (I  25). Sie ist die „Kunst der Künste und Wissenschaft der Wissenschaften“ (XXI  7). Politikwissenschaft ist das „Nachdenken über die Mittel“, mit deren Hilfe eine symbiotische Gemeinschaft … eingerichtet, gepflegt und bewahrt werden kann.“ (I  4) Diese Bestimmung erinnert stark an Boteros Definition der Staatsräson als die „Kenntnis der Mittel, eine Herrschaft zu gründen, zu bewahren und zu vergrößern“.66 Während bei diesem die Bewahrung (conservazione) im eigentlichen Zentrum der Aufmerksamkeit steht und zum eigentlichen Ziel der Politik wird, verteilt Al­ thusius das Augenmerk gleichmäßiger. Die Mittel, ein Gemeinwesen zu er65  Weinacht bestreitet einen Anteil an deskriptiver Soziologie, ders. 1988, 451. Zum „Moment von Staatsräson“ bei Althusius, Nitschke 1997, 241  ff. 66  Botero, Della Ragion di stato I, 1.

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halten und zu erweitern, sind nach dem Dafürhalten des deutschen Staatslehrers ganz dieselben wie die zu seiner Begründung erforderlichen (XXXIX  86). Die politische Klugheit (prudentia politica) befasst sich daher auch nur insbesondere mit den status politiae als Varianten politischer Regierungsformen (species Politicae) (XXI  9 a. E.). Politik, und damit die staatliche Gemeinschaft als deren Endziel, ist eine Angelegenheit der Vernunft. Nicht Gott, nicht die Natur, sondern das Vernunftswesen Mensch ist Urheber und Anwender dieser Kunst. Diese Vorrangstellung wird durch den Eingangssatz der Politica widergespiegelt, wonach es einer Kunst bedarf, der Politik nämlich, die Menschen zusammenzuschließen. Erst an zweitrangiger Stelle wird auf Gott und die Natur abgestellt. Von Gott erhalten die Menschen unterschiedliche Gaben, „damit jeder Einzelne auf die des anderen angewiesen sei und sich so gleichsam die Notwendigkeit zur Gemeinschaft … ergebe“ (I  26). Demnach gibt es keine Prädestination, wonach sich ein (determinierter) Heilsplan am Einzelnen oder an der Gemeinschaft vollzieht, vielmehr hat Gott den Menschen die Gestaltung ihres politischen Zusammenlebens überlassen. In einem dritten Argumentationsstrang bedient sich der Autor eines christlich überformten zoon politikons aus der aristotelischen Politik: „[A]uch durch seine Natur“ wird der Mensch zur Symbiose geführt. Von Gott sei ihm der „Instinkt eingegeben, zusammenzuleben und eine bürgerliche Gesellschaft zu begründen“ (I  32; X  8). Wenn auch ein umfassendes Politikverständnis mitgeteilt wird, so erreicht der althusische Ansatz indes keine totalitären Züge wie in den utopischen Staatstheorien. Es gibt zwar bei Althusius nahezu keinen politikfreien Raum mehr, Politik findet im privaten wie im wirtschaftlichen Bereich statt, was auch ein Kennzeichen der utopischen Staatsmodelle ist. Dieses »neue« Politikverständnis ist im althusischen Werk hingegen ganz einem Realismus verhaftet; es wird verfolgt, was machbar erscheint. Reflexionsgrundlage und Bezugsfeld für Politik ist für Althusius die consociatio in ihrem allgemeinsten Sinne: „Proposita igitur Politicae est consociatio“. In der von Heinrich Janssen besorgten Übersetzung steht für consociatio die Lebensgemeinschaft.67 Das Wort Lebensgemeinschaft ist zwar handlich, doch bestehen Bedenken wegen des Begriffsverständnisses. Althusius verwendet nicht den Ausdruck societas, d. i. die Gemeinschaft, die Genossenschaft, die Gesellschaft, sondern consociatio, d. i. die enge Verbindung, die Vereinigung. Societas und consociatio stellen zu unterscheidende Wesenheiten dar. Das für die Wortbildung im Lateinischen benützte Präfix con- dient der Verstärkung des nominalen Ausdrucks socius und unterstreicht für den Überset67  H. Janssen übersetzte die von D. Wyduckel in Auswahl herausgegebene Politik, Berlin 2003.



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zungsversuch die Bedeutung der Enge, der Verbundenheit, der Gemeinschaftlichkeit, der Gemeinsamkeit. In dem von Erik Wolf herausgegebenen Teilauszug der Politica der ersten Ausgabe von 1603 wird consociatio freier übersetzt: Entstehung eines Zusammenlebens.68 Im Deutschen kann man durch das Suffix -ung nicht nur (als Nomina actionis) den Geschehensablauf, sondern (als Nomina acti) auf Grund von Bedeutungsverschiebungen auch den Abschluss oder das Ergebnis eines Geschehens bezeichnen.69 Der Übersetzung Wolfs mag man gegenüber derjenigen von Heinrich Janssen Unhandlichkeit vorwerfen, doch rückt man mit der Umschreibung dem Wortsinn näher. Ein Weiteres spricht eher gegen die von Janssen vorgenommene Übersetzung: Althusius behandelt die consociatio analytisch-synthetisch, d. h. beginnend mit der consociatio s i m p l e x p r i v a t a , die einerseits in das conjugum mündet, andererseits die consociatio civilis spontanea in collegio beleuchtet; sie schreitet fort zur consociatio m i s t a p u b l i c a , und findet schließlich in der consociatio u n i v e r s a l i s p u b l i c a m a j o r ihren komplexesten Ausdruck. Auf diese Art geht die stufenweise Fortschreibung der Lebensgemeinschaft einher, die die anfängliche Handlichkeit vermissen lässt und dem Sprachempfinden Gewalt antut: Passt die Übersetzung Janssens für Ehe und Familie, auch noch für das Berufsleben der Zeit, wüchse sich doch die universale, öffentliche und größere Lebensgemeinschaft zu einem Wortungetüm aus, das seinem Wortsinn nach einem unberechtigten »Ideologieverdacht« Vorschub leisten würde. Man denke an die in alle Lebensbereiche hineinreichenden utopistischen Staatstheorien wie Morus’ Utopia (1516), Campanellas Sonnenstaat (1602), Bacons Neu-Atlantis (1624) oder Harringtons Oceana (1656).70 Janssen erkennt das Wort­ ungetüm und übersetzt späterhin nur noch mit Gemeinschaft, allerdings societas nun mit Lebensgemeinschaft, wobei an besagter Stelle Gesellschaft durchaus angezeigt wäre.71 »Glanz und Elend der Übersetzung« finden sich allenthalben, für Werktitel wie für Begriffe (bspw. zoon politikon oder ­aliénation totale). Eingedenk der hier unternommenen Annäherung soll daher der Begriff consociatio als terminus technicus im Original verwendet werden. Für die wörtliche Übernahme des Begriffs consociatio spricht die Amorphität, die aus dem noch unbeschlagenen Rohentwurf im ersten Ka­ pitel das Potenzial für die von Althusius verfolgten Entwicklungsstadien liefert. 68  Wolf

1950, 112; ders. 1948, 13. 1984, 843. 70  Das Modell einer utopisch-genossenschaftlich organisierten Gesellschaft findet sich nach W. Reinhard in Johann Eberlins (ca. 1468–1533) Flugschrift Fünfzehn Bundtsgenossen, Reinhard 2003, 264. Siehe zu „unbekannten und unerkannten Utopien“ aus dem deutschen Reformationszeitalter: Seibt 2001, 11  ff. 71  s. etwa IX  1, 3 in der Übersetzung von Janssen (S.  111, 112). 69  Drosdowski

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Das Werk ist auf einen breiten Leserkreis ausgerichtet. Als ursprünglich konzipiertes Lehrbuch zielt es zuallererst auf die im Vorwort 1603 genannten „Anfänger der Lehre von der Politik“ ab. Die Anfänger rekrutieren sich nicht allein aus Studenten, sondern es werden Praktiker und interessierte Laien angesprochen (vgl. die Widmungsadressaten). In fachdidaktischer Sicht zielt Althusius als (ehemaliger) Hochschullehrer auch auf die „Lehrenden“ ab. Die Politica bildet zugleich ein Kompendium für politische Institutionen (vgl. die Widmung an die Stände Frieslands), das der Selbstvergewisserung »ihrer Rechte« dient und in der politischen Auseinandersetzung (mit Spanien und dem gräflichen Hof Ennos III.) Urteilsfähigkeit und Argumentationshilfe bietet. Darüber hinaus richtet sich der Autor passagenweise in direkter Ansprache an die Obrigkeit. Hier trägt das Werk Züge eines Fürstenspiegels. Der »gemeine Mann«, von dessen Rechten nicht zuletzt die Rede sein wird, bleibt dagegen außen vor. Die Politica ist in der lingua franca, der Wissenschaftssprache der Zeit abgefasst. Es wird auch keine deutschsprachige Ausgabe aufgelegt. Damit wird eine populäre Rezeption erschwert und die Leserschaft grenzt sich auf ein gebildetes Publikum ein. Andererseits erleichtet die lateinische Fassung eine Rezeption in der europäischen Fachwelt. Die Lehre ist nicht allein auf eine »nationale« Ebene zu reflektieren, sondern supranational anwendbar und zu diskutieren. Eine persönlich gehaltene Note im Schlusskapitel des Werks beleuchtet nochmals sein Ansinnen, eine allgemeingültige Politikwissenschaft „für alle Völker“ zu formulieren (XXXIX  85). An manchen Stellen des Werks tritt die Offenheit des wissenschaftlichen Diskurses deutlich hervor, sei es in der Replik auf aktuelle Einwände zur Vorauflage, sei es in der Darstellung widerstreitender Erklärungsansätze und Standpunkte über Generationen hinweg. In diesem Zusammenhang ist die Politica schließlich ein Beitrag für die Fachwelt und beteiligt sich an der »globalen« Diskussion über Staat und Gesellschaft. Dirk Berg-Schlosser und Theo Stammen sehen in Althusius einen politischen Denker, der nicht allein dem deutschen „Reichsdenken“ verhaftet blieb, sondern neben Samuel Pufendorf „die Entwicklungen im westlichen politischen Denken“ verfolgt und ausnahmsweise mitbestimmt.72

§ 3 Die Rede vom symbiotischen Menschen Die anthropologischen Prämissen der althusischen Staatslehre fügen sich nicht in die kapitelmäßige Struktur der Politica ein, sondern finden sich über das gesamte Werk verstreut. Da Althusius Politik von der Gemeinschaft her begreift, ist sie zunächst eine eigentliche »Rede von der Gemein72  Berg-Schlosser / Stammen

1995, 16.



§ 3 Die Rede vom symbiotischen Menschen

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schaft« und in diesem Sinne »Soziologie« (logos und societas). Das Ziel der Politik (I  30) ist identisch mit dem Ziel der Gemeinschaft (I  3): eine fromme, gerechte, angemessene und glückliche Lebensgemeinschaft, der es an nichts mangelt (nulla indigens). Die Teilhaber dieser Symbiose sind daher stets als Gemeinschaftswesen begriffen. Der Symbiot reiht sich ein zwischen zoon politikon und animal sociale. Beide Begrifflichkeiten werden zuweilen synonym für den symbiotischen Menschen verwendet. Allerdings ist in der Gesamtschau der Symbiot ein eher »entpolitisierter« stoischer zoon koinonikon, d. h. ein eher unspezifisches auf die polis als vielmehr auf die Gemeinschaft (koinonia) bezogenes Wesen.73 Welches Bild vom Menschen liegt der Politica zugrunde? Althusius wechselt bei der Betrachtung zwischen den Blickwinkeln.74 Er sieht den einzelnen, aus der Symbiose herausgelösten Menschen als ein Mängelwesen an, welches von seinen natürlichen Anlagen her nicht fähig zum (über)leben, erst recht nicht zum „angemessenen und frommen“ Leben ist (I  4). Die Mangelhaftigkeit liegt nicht nur in materiellen Umständen begründet. Diese Entbehrungen sind vielmehr Auswirkungen seiner Natur, die in der Gemeinschaft mit anderen beseitigt werden. Der Mensch dagegen, der aufgrund seines immateriellen Vermögens (copia) „an keinem Mangel leidet“, „wird nicht als Teil der Bürgergemeinde betrachtet“, sondern mit Aristoteles ein Tier oder ein Gott genannt (I  33). Soweit der Einzelne als Mängelwesen aufgefasst wird, kann er sich nur in der Gemeinschaft, „der es an nichts mangelt“, dieser Mängel begeben. Reich (im weitereren Sinne) zu sein, ist ein kontingentes Merkmal des Menschen, indes notwendiges Merkmal für das Gemeinwesen. Damit wird zugleich über den Menschen erklärt, dass sein Schöpfergott ihn als ein solches Mängelwesen gewollt hat: „Er (Gott, P.  K.) übertrug nämlich nicht alle (Gaben, P.  K.) einem Einzigen, sondern gab den Menschen unterschiedliche Gaben, damit jeder Einzelne auf die des anderen angewiesen sei und sich so gleichsam die Notwendigkeit zur Gemeinschaft der nötigen und nützlichen Dinge ergebe, die nur im politischen Zusammenleben entstehen konnte. Gott wollte daher, dass jeder der Mühe und Hilfe des anderen bedürfe, so dass alle in Freundschaft verbunden seien und keiner den anderen gering achte.“ (I  26)

Der Mensch wird erst unter Menschen und durch den Menschen zum »Symbioten«, in der Gemeinschaft überhaupt zur handlungsfähigen Person. 73  Zum Begriff zoon koinonikon siehe Böckenförde 2002, 140. Povero glaubt an eine „vollkommene“ Synonymität von communicatio und koinonia bei Althusius, ders. 2010, 139; differenzierender Miegge 2010, 147  ff. 74  Koch nimmt einschränkend an, dass sich die Anthropologie bei Althusius wesentlich durch den Sündenfall bestimmt, dies. 2005, 69  f. Anders dann a. a. O., 294. Hohberger äußert vage: „Das Menschenbild des Althusius ist durch die Bibel geprägt“, ders. 2008, 109.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

„Aus der ihm eingeborenen Neigung wird der Mensch durch einen verborgenen Instinkt seiner Natur dazu angeregt, das zu tun, was er als gerecht und richtig einsieht, oder das zu lassen, was er als ungerecht erkannt hat.“ (XXI  20) Das Gewissen ist vor jeglicher Vergemeinschaftung das entscheidende menschliche Erkenntnisvermögen zu moralischer Handlungsfähigkeit. Die Vergemeinschaftung der Symbioten vollzieht sich danach als ein Akt sittlichen Gehorsams gegenüber ihrer »inneren Stimme«, sie ist ein Gebot der sittlichen Vernunft. Weil sich das Gewissen des Menschen jedoch in „verschiedene[n] Stufen“ zeigt (XXI  21), stellt sich eine aus dem Erkenntnisvermögen ableitbare Sozialität als Soziabilität dar. Aus der Anerkenntnis der Differenzen ergeben sich zugleich „mannigfache Lebensbedürfnisse“ (VII  15) für die Menge der Symbioten, auf die nach Althusius in Beruf und Gesellschaft sowie im staatlichen Gemeinwesen stets angemessen zu reagieren ist. Diese anthropologische Ungleichheit in der Ausbildung des Erkenntnisvermögens schildert die Politica immer dann, wenn sie die „Welt in ihrer Verschiedenheit … so groß und wunderbar“ (I  35) darstellt, so dass darin ein Keim von Individualismus erkennbar wird, der in Form geschützter Individualrechtsgüter (Ehre, Stand, Stellung, Besitz, Eigentum et  al.) seine deutlichste Anerkennung finden wird.75 Althusius’ »Minimalanthropologie« trägt den Anfangsbedingungen menschlicher Handlungsfähigkeit Rechnung, die sich in der Kommunikation von Sachen, Dienstleistungen und Rechten zeigt. Ihr entspricht eine Handlungstheorie, die sich zwischen einer (biologischen) Anthropologie vom nur leidenschaftlich bestimmten Mängelwesen einerseits und einer (philosophischen) Anthropologie vom vollendenden Schöpfermenschen in Kunst, Wissenschaft und Technik andererseits bewegt. Wie harmoniert eine auf Soziabilität durch Gewissensentscheidung abstellende Anthropologie mit diesem Individualismus? Althusius verfolgt eine zweite Argumentationsstrategie. Der Mensch ist das Wesen, das trotz »intellektueller Differenz« zu Freundschaft und Liebe fähig ist und ihrer bedarf. Das Werk greift daher wiederholt auf die grundlegende Bedeutung dieser menschlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse für alle Gemeinschaftsarten zurück, sei es in der Schilderung der Ehe und Familie, sei es in der Berufsgenossenschaft. Selbst die politischen Gemeinschaften werden durch die Merkmale von Freundschaft und Liebe bedingt.76 75  Dies verkennt Duso, wenn er davon spricht, dass die Menschen „[e]rst innerhalb der gemeinschaftlichen Formen … ihre konkrete Bestimmung und ihren sozialen oder politischen status [erhalten]“, ders. 2002, 19. Dies ist nach hier vertretener Ansicht der bloße Ausdruck einer zuvor angenommenen Individualität des schon immer als Gemeinschaftswesen begriffenen Symbioten. 76  Für die universale consociatio des Staates siehe etwa: XVIII  47; XXI  28; XXIV 16; XXVIII  49; XXIX  5; XXXI  2; XXXVII  69. Vgl. auch den Aufsatz Concordia von Lazzarino Del Grosso 2010, 157–174.



§ 3 Die Rede vom symbiotischen Menschen

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„Das Streben nach Eintracht unter den Bürgern besteht darin, Freundschaft, Billigkeit, Gerechtigkeit, Friede und Ehrbarkeit zu erhalten und … all das zu pflegen, was dazu dient, Zuneigung (caritatem, P.  K.) unter ihnen zu erwecken und das öffentliche Wohl zu erhalten“ (VI  46) „Diese Eintracht wird durch das Streben nach Gleichartigkeit (aequabilitas) gehegt und geschützt, wobei jedoch jedem Bürger je nach Stand und Würde sein Recht, seine Freiheit und seine Ehre belassen bleibt.“ (VI  47)

Als Freundschaftswesen gleicht sich der symbioticus freiwillig den anderen Symbioten an, mit der Rückversicherung, dass für das Gelingen von Gemeinschaft keine einebnende Gleichheit erforderlich ist, sondern jedem „sein Recht, seine Freiheit und seine Ehre“ bleibt. Mit diesem Dreiklang sind die Grundbedingungen für die Menschenwürde des althusischen Gemeinschaftswesens abgesteckt. Sie schützt einerseits vor dem Zugriff der Gemeinschaften, demnach auch des Staates, andererseits wird sie durch die Gemeinschaft gewährleistet. Politisch kommt die Gleichartigkeit aus Freundschaft in einem demokratischen Status des Gemeinwesens besonders dadurch zum Tragen, dass „die Angehörigen des Volks abwechselnd herrschen und gehorchen, dass Gleichheit vor dem Gesetz (isonomia) bzw. Rechtsgleichheit (aequabilitas) gegeben ist“ (XXXIX  61; vgl. auch IX  8, 12). Der Verweis auf den römisch-rechtlichen Grundsatz, dass „[n]ach dem Naturrecht … alle Menschen gleich [sind], Dig. 50.17.32“ (XVIII  18), konkretisiert sich in Bezug auf den Bürger.77 Denn, „[w]enn aber alle gleich wären  …“, folgte für den Verfasser der Politica daraus die zwangsläufige Auflösung der Gesellschaft (I  37). Für Althusius lebt die Vergemeinschaftung der Symbioten von der Differenz, die societas erhält diese aufrecht. Gleichwohl ist das »Miteinanderwollen« des Freundschaftswesens auch und gerade unter den Bedingungen politischer Gemeinschaft unter diesem Vorbehalt möglich. Kritisch unterscheidet Althusius daher die Gleichartigkeit der symbiotischen Bürger von der naturrechtlichen Gleichheit. „Ein Bürger muss nämlich, indem er weder unterwürfig ist, noch sich über die anderen erhebt, mit seinen Mitbürgern recht und billig zusammenleben und in der städtischen Gemeinschaft dasjenige wollen, was friedlich und ehrbar ist. Das Gegenteil dieser Gleichartigkeit (aequabilitas) ist die Gleichheit (aequalitas), durch die die einzelnen Bürger in all dem, was ich aufgeführt habe, untereinander gleichgestellt werden. Daraus entsteht dann unzweifelhaft Unordnung (ὰταξὶ α) und eine Verwirrung der Dinge.“ (VI  47)

Beide Erklärungsansätze – der Symbiot als Vernunftwesen und als Freundschaftswesen – setzen den freien Willen des Menschen voraus.78 77  Die

folgende Differenzierung übersieht Koch 2005, 64  f. erkennt keine wesentliche Bedeutung des Willens für die althusische Sozial- und Staatslehre, da er schon an einer wesentlichen Bedeutung des Individuums zweifelt, ders. 2002, 18  ff. m. w. N. 78  Duso

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Insofern ist der Mensch bezüglich seines Willens frei, bezüglich seiner Rechte gleich. Der Symbiot muss aus Verantwortung gegenüber sich selbst und den anderen seine Stellung in der Gesellschaft finden. „Die erste Voraussetzung ist, dass ein jeder für sich eine rechtmäßige, erlaubte und ehrenhafte Tätigkeit auswählt, die seinem Wesen und seinen Kräften angemessen ist und mit der er Gott, den Symbioten, dem Gemeinwesen und sich selbst nützlich sein kann.“ (VII  19 u. ff.) Althusius zeigt auch das andere Gesicht des Menschen, seine Disposition zu Übermut und Unbändigkeit (I 39). Der Autor der Politica beleuchtet ihn als das „von allen Lebewesen verschlagenste, in seinem Charakter und Willen ganz besonders unbeständig und sich wegen seiner Wildheit und seines Ungestüms gegen niemanden mehr erhebe als gegen seine Regenten“ (XXI 7). Wie aber erkennt man angesichts dieser Anlagen den guten Sym­ bioten, „[d]enn fast alles ist treulos und das Wesen eines jeden durch viele täuschende Hüllen überdeckt und gleichsam hinter Vorhängen verborgen“ (XXVI 7)? Den Ausweg aus diesem menschlichen Dilemma weist nicht die Theologie, nicht die Philosophie: „Allein die politische Wissenschaft heilt all diese Gebrechen“ (XXI 7) Damit knüpft Althusius geradezu eine weltimmanente Heilserwartung an die Möglichkeiten menschlichen Zusammenlebens unter politischer Führung. Seine ganze Lehre richtet sich „gegen die Schwäche der Symbioten, ihre menschliche Unzulänglichkeit, ihren Mangel und ihre Not“ (VII 13). Der Autor nimmt „die Böswilligkeit der Menschen“ (VII 15) als einen Teil seiner Natur an. Sooft auch „unlösbare Missstände die menschliche Einsicht heimsuchen“, die auf „die Schwäche der menschlichen Natur zurückzuführen“ sind (XXI 7), sooft vertraut Althusius gerade auf den Menschen und dessen Befähigung zur Schaffung eines „glücklichen“, d. h. gerechten und frommen Gemeinwesens. In der Mitte der Politica sieht sich die Regierungslehre vor die Aufgabe gestellt, einer „den Menschen angeborenen Erwartung“ (praesumptio homini innata) zu begegnen, danach jeder Beliebige sich zur Regierung des Gemeinwesens geeignet und befähigt hält (XXV 65). Der den Menschen eingeborene »Wille zur Macht« über sich und andere „hat zur Folge, dass sie es wagen, Herrschaft und Magistrat zu erstreben und danach zu drängen“ (XXV 65). Diese Anlage führt zu einer kollektiv ablehnenden Haltung gegenüber den jeweiligen Amtsinhabern, schließlich zur beständigen Infragestellung von »Fremdherrschaft« überhaupt. Die ­Regierungslehre antwortet hierauf mit einer Mischung aus strukturellen, d. h.   direkten und indirekten Partizipationsmöglichkeiten (XXIII 15, 33; XXIV 41 f., XXVII 34) sowie den besonderen Gegebenheiten jeweils ad hoc anzupassenden Maßnahmen, d. h. abwechselnd milder und – diese Bestrebungen unterdrückenden – autoritärer Regierungsweise (XXIV, XXV).



§ 3 Die Rede vom symbiotischen Menschen

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Der Staat zeigt sich unterdessen nicht als das den bösartigen Menschen strafende Gemeinwesen. Der Autor betont zugleich die menschliche Anlage zur sittlichen Vervollkommnung. Der Staat leistet im Rahmen der ihm zustehenden Möglichkeiten seinen Beitrag: er bestraft nicht nur, sondern verteilt „Belohnungen für die Guten, die sich verdient gemacht haben“ (XXIX  19–21; XXXVII  93; u. ö.). Der Staat zeigt sich als beseeltes Wesen. Durch den Umstand, dass er diejenigen, die sich um ihn verdient gemacht haben, belohnt, handelt er psychologisch über positive Verstärkungen. Nicht allein die rationale, auf den individuellen und kollektiven Nutzen abzielende, sondern auch eine affektive Bindung zwischen symbiotischen Bürgern und konsozietalem Staat gehören zum Motivationsbestand der althusischen Politiklehre. Dies fördert den Anreiz, sich für das Gemeinwesen einzusetzen, und zielt auf einen Nachahmungseffekt, dessen Motive allerdings einem nüchternen Kalkül entspringen: „Denn dem Menschen ist das Verlangen nach Gütern und Ruhm von Natur aus eingegeben. Ihretwegen wagt er das Äußerste, und der Tugendeifer wird durch das Beispiel fremder Ehrung so genährt, dass die Belohnung eine größere Wirkung hat als die Strafe“ (XXIX  19). Ruhmsucht, Misstrauen und Konkurrenz als die negativen Antriebskräfte, die Hobbes bei der Schaffung des Leviathans annimmt, sind Althusius also nicht fremd.79 „[U]m nicht von einem Mächtigeren überwältigt zu werden“, suchen die Menschen Zuflucht unter das Gesetz (XIX  21). Von einer dem Leviathan vergleichbaren zugespitzten Konflikttheorie ist die Politica allerdings weit entfernt, da das Gesetz ihnen Schutz auch gegen diejenigen gewährt, die sie zur Herrschaft bestellt haben. Äußerlich mag sich ein Konflikt mit eindeutigen Zuweisungen von gerechten und ungerechten Handlungen darstellen (vgl. XXXI  4, 5). Hobbes überlässt die Bestimmung dessen, was gerecht, was ungerecht ist dem Leviathan.80 Für den englischen Staatsphilosophen liegt die Lösung in der Dezision. Doch sieht die Wirklichkeit für Althusius anders aus. Für ihn ist der Mensch Konfliktwie Kooperationswesen. Das Urteil über eine gerechte und ungerechte Handlung ist für den deutschen Staatslehrer keine Frage des obrigkeitsstaatlichen Entscheids. Der Autor der Politica gewinnt dem Streit durchaus positive Seiten ab (vgl. XXXVII  66–68). Wird Hobbes Konflikte mit der Entscheidungsmacht des Leviathan klären, ohne notwendig auf die Ursachen einzugehen, setzt Althusius gerade auf die Kommunikation zwischen den streitenden Parteien, die im gegenseitigen Nachgeben eine Konfliktlösung vereinbaren: Dabei wird die vermittelnde Rolle des höchsten Magistrats hervorgehoben (vgl. XXXI  10 i. V. m. 12, 71). Aus der Perspektive der Politica stellt sich die hobbessche Lösung als ein bloß »kultivierter Krieg« 79  Hobbes, 80  Hobbes,

Leviathan, Kap. 13, 95. Leviathan, Kap. 13, 98.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

aller gegen alle dar. Althusius bewertet den kooperativen Wesensbestandteil, der in der Kommunikation liegt, stärker. Umso gewichtiger werden die Kommunikationsstrukturen, wenn der Magistrat selbst Partei eines solchen Konflikts wird. Das Widerstandsrecht gegen Gewaltherrschaft beinhaltet gleichsam ein Notgefüge für die Aufrechterhaltung der gestörten communicatio im Ausnahmefall und stellt die anthropologischen Grundannahmen wieder her, die gesellschaftlich bzw. politisch deformiert zu werden drohen. Zum Leben unter idealen Bedingungen ist „niemand allein in der Lage oder von Natur aus hinreichend ausgestattet“ (I  3). In überaus barocker Weise führt der Autor aus, dass der vereinzelte Mensch in „die Mühsale des Lebens hinausgestoßen“ wird, die „Unbilden der Zeit ertragen“ muss und schließlich „ein überaus klägliches Leben unter Jammer und Tränen“ fristet. Man mag einwenden, dass diese Beschreibung lediglich auf den Neugeborenen und das Kind zutrifft. Doch Althusius sieht auch den erwachsenen Menschen in seiner Vereinzelung als nicht (über-)lebensfähig an. Allein ist er nicht in der Lage ein „angemessenes und frommes“, ein „gutes“ Leben zu führen; ja er spricht ihm die Fähigkeit ab, „überhaupt zu leben“ (I  4). Gleichzeitig wird besagt, dass ein menschenwürdiges Leben allein unter den Bedingungen der Frömmigkeit und Sittlichkeit möglich ist. Dies bietet die Vergemeinschaftung. Dort entstehen die zum guten Leben notwendigen Hilfsmittel, die aus der Kraft des Einzelnen allein nicht aufzubringen sind. „Solange der Mensch allein lebt und sich nicht der Gemeinschaft anderer anschließt, kann er bei einem solchen Mangel so vieler notwendiger und nützlicher Dinge nicht angemessen und gut leben.“ (I  4) Das Zusammengehen mit anderen Symbioten zeigt sich als rational-choice. Des ungeachtet erkennt Althusius in der Willensfreiheit des Menschen jedoch auch die grundsätzliche Möglichkeit an, ein Leben außerhalb von Gemeinschaften zu führen.81 Das Bedingungsgefüge, „wenn er (der Mensch, P.  K.) begehrt, angemessen und gut, ja überhaupt zu leben“, ist als echte Wahlfreiheit aufzufassen. Mönche, Eremiten und Einsiedler machen von dieser Willensfreiheit Gebrauch. Sie heißen ein anderes Leben gut („amplectendam“ als Ausdruck der Wahlmöglichkeit, I  4). Dieses kann allerdings nach Althusius’ Verständnis weder ein frommes (sic!) noch gutes und angemessenes Leben sein. Denn für Althusius besteht es als ein Gebot der rechten Vernunft in praktischer Tätigkeit, nicht in kontemplativer Betrachtung. Idealiter ist der symbioticus ein frommer und gerechter Mensch. Fromm ist er, wenn er rechten Gottessinn besitzt und lautere Gottesverehrung übt. Gerecht ist er, wenn er die dem Nächsten zu leistenden „Pflichten der Ge81  Diese menschliche Willkür in einer kontingenten Welt verkennt Winters, der Althusius ganz auf eine Prädestinationslehre festlegen will, Winters 1995, 33. Auch Koch sieht eine Vorherbestimmtheit der Ordnung, dies. 2005, 330.



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rechtigkeit“ erfüllt. Dazu gehören die Vernunftbegabung und eine freundschaftliche Grundhaltung, wonach dem je anderen seinem Rang und seiner Stellung entsprechend Achtung zu erweisen und sich der Nichtachtung zu enthalten ist (I  26; II  45; IV  23; VII  9; VIII  3; u. ö.). Des Weiteren wird als „allgemeine Pflicht“ bestimmt, was Hobbes im Leviathan als „natürliches Gesetz“ formuliert: Jeder Symbiot ist gehalten, sein eigenes Leben zu verteidigen und zu erhalten (VII  10). Anders als Hobbes, der die natürlichen Gesetze als „allgemeine Regeln“ oder als „von der Vernunft ermittelte Vorschriften“ definiert, die durchaus mit den „göttlichen Gesetzen“ übereinstimmen, leitet Althusius die »allgemeinen Pflichten der Menschen unter­ einander« aus einem politischen Verständnis des Dekalogs ab.82 Aus den positivierten göttlichen Gesetzen, als die sich der Dekalog darstellt, werden weitere allgemeine Pflichten neben dem Schutz von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Eigentum und Besitz entnommen: Keuschheit, Ehre und Ruf kommen ebenso in den Stand von Rechtsgütern (I  17; X  6; u. ö.). Versteht es sich noch von selbst, dass der Schutz der Rechtsgüter der anderen eine Pflicht gegenüber dem Nächsten darstellt, so ist der Umstand, dass Verteidigung und Erhalt der eigenen Rechtsgüter ebenso gegenüber dem Nächsten verpflichtet, eine beachtliche Ausformung der conditio humana des als ­animal sociale verstandenen Menschen. Der symbioticus ist darüber hinaus verpflichtet, das „Leben des Anderen“ zu verteidigen und zu erhalten (VII  10). Die Gültigkeit der allgemeinen Pflichten wird vom Gewissen als verbindlich anerkannt. Für die Sittenreinheit gilt ausdrücklich, dass eine Übertretung „in Gedanken, Worten und Taten“ (mente, verbis & factis) erfolgen kann. Althusius’ Psychologie ist unterdessen unterkomplex. „Denn so wie die Menschen in ihren Bemühungen und Handlungen sind, genau so, meinen wir, sind sie auch in ihrem Charakter (animus, P.  K.)“ (VII  31, 55). Althusius folgert, dass sich diejenigen, die sich „hervorragenden und glänzenden Tätigkeiten widmen … selbst hervorragend und glänzend sind“. Auswirkungen hat dies insbesondere für die Rekrutierung des Herrschaftspersonals. Seine »statische« Psychologie kann indes nicht erklären, warum und wie sich der Einzelne im Laufe seines Lebens verändert, etwa der höchste ­Magistrat vom gerechten Herrscher zum Tyrannus exercitio entwickelt. Ihr bleibt verborgen, dass äußeres Verhalten und inneres Wesen eines einzelnen Menschen auseinanderfallen können. Auch können so die angestrebten Staatsziele Bildung und Erziehung keine Früchte abwerfen. Damit verliert die Lehre an Dynamik, die sich aus den „verschiedenen Stufen“ des Erkenntnisvermögens und den „mannigfachen Lebensbedürfnissen“ der Symbioten ergeben. Was der Autor von der Gemeinschaft abverlangt, den »In82  Vgl.

etwa Hobbes, Leviathan, Kap. 14, 99; Kap. 26, 218; Kap. 31, 271.

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dividualismus« durch anpassungsfähige Gemeinschaftsarten gewissermaßen sozialverträglich zu homogenisieren, diese Anpassungsfähigkeit und damit das Entwicklungspotential enthält er dem Einzelnen mit dieser Ansicht vor. Der politische Denker geht lediglich von einer heterogenen Zusammensetzung der menschlichen Gemeinschaft aus („… bei der so großen Verschiedenheit der Menschen, die in ihrer Lebensweise und Tätigkeit voneinander abweichen …“ [VIII  3]). Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass sich ein und derselbe Mensch im Laufe seines Lebens verschieden verhalten kann. Die Schlussfolgerung vom Handeln auf das Wesen wird Hobbes gerade verneinen: man darf, unbeschadet der mangelnden Unterscheidbarkeit von »gut« und »böse«, nicht von einer »bösen Handlung« auf ein »böses Wesen« des Menschen schließen.83 Dagegen begegnet man heute noch dem anzweifelbaren Urteil, Hobbes gehe in seiner Staatstheorie von einem »negativen Menschenbild« aus. Dem englischen Staatsphilosophen hat es seiner eigenen Auskunft nach schon viel Unverständnis eingetragen, als er den Schluss von „bösen Handlungen“ auf ein »böses Wesen des Menschen« für unzulässig erklärte.84 Dem vielzitierten Satz, „der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“, steht gleichrangig die weit weniger beachtete Aussage zur Seite, „der Mensch ist ein Gott für den Menschen“.85 An die hippokratische Typologie der vier Temperamente (cholerisch, melancholisch, sanguinisch und phlegmatisch) anknüpfend, empfiehlt Althusius eine „an die Stimmungen des Menschen“ angelehnte „gemäßigte und gemischte“ Regierungsform (XXXIX  15  ff.). »Psychologie« wird in der Politica vor allem wegen der Schwächen der menschlichen Natur (ob  naturae humanae imbecillitatem) in die Regierungslehre einbezogen (XXXIX  23). „Offensichtlich ist der Mensch seiner Natur nach ein geselliges Wesen und zur Pflege der Gemeinschaft mit anderen Menschen geboren …“ (I  24). Unter dem Aspekt des Nutzens für die Gemeinschaft pejorisiert Althusius folgerichtig die vita contemplativa (§§ 24–28). „Wem soll ein weiser Mann, der seine Arbeit dem Gemeinwesen verweigert, oder ein verborgener Schatz nutzen?“, so argumentiert er für eine vita activa in der Gemeinschaft (I  24). Der Symbiot führt das politische Leben (bios politikos), nicht das theoretische. Neben dem Verweis auf zwei zeitgenössische Arbeiten führt Althusius als echte Autorität den Stagiriten an: doch gerade für Aristoteles’ Lebensformenlehre kann nicht entschieden werden, ob dem politischen Leben des 83  Hobbes, Vom Bürger, Vorwort, 68  f., III  5 (100). Wenn Friedrich Althusius gleichsam als Hobbesianer bezeichnet, ist dies also eine sehr zugespitzte Formulierung, ders. 1975, 79. 84  Hobbes, Vom Bürger, Vorwort, 68–69. 85  Hobbes, Vom Bürger, Widmung, 59. Die von Bettina Koch in ihrer Untersuchung festgestellte »negative Anthropologie« bei Althusius scheint durch eine zu einseitige Hobbes-Forschung präjudiziert, dies. 2005, 62  f.



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Bürgers gegenüber dem theoretischen Leben eine Vorrangstellung zusteht.86 Für die Politica lässt sich dagegen mit Sicherheit bestimmen, dass der gute Symbiot und der gute Bürger zusammenfallen. Schließlich ist die Heranziehung von guten Bürgern Bildungs- und Erziehungsauftrag staatlicher Schulen (IX  39). Ein »philosophisches« Leben der Kontemplation entspricht nicht den Anforderungen des guten Symbioten, mithin nicht dem guten Bürger. „Die Bürger bedienen sich nämlich derselben Gesetze, derselben Religion, … sie benutzen dieselbe Sprache und Ausdrucksweise, Gerichtsbarkeit und Ordnung, haben dieselben Sitten … und zwar nicht in der Weise, dass die Einzelnen nur sich selbst, sondern alle allen ähnlich sind …“ (VI  40) (Hervorheb. P.  K.). Zwar stimmt der deutsche Gelehrte der überkommenen Grundstruktur menschlicher Existenz zu, wonach der Geist über den Körper herrscht, der Verstand dem Trieb gebietet (I  38). Doch wird ein »reines Herrschaftsmodell« des Geistes und Verstandes für die praktisch-politische Gemeinschaft der Symbioten als untauglich betrachtet. Die Politica verbietet sich eine Philosophenherrschaft. Hervorzuheben ist insbesondere der utilitaristische Gehalt des Arguments: „Deshalb nützen die menschenfeindlichen und heimatlosen Eremiten … weder sich noch anderen. Denn wie können sie den Nutzen ihres Nächsten mehren, wenn sie sich nicht auf die menschliche Gesellschaft einlassen?“. An anderer Stelle spricht der politische Lehrer jedoch ganzheitlich vom „gesamten kontemplativen und praktischen Leben“. Er erkennt also durchaus an, dass der Mensch sich nicht allein im tätigen Leben verwirklicht, sondern überdies ein auf Transzendenz, beschauliches Nachdenken und geistiges Versinken angewiesenes Wesen ist, das sich der „Bildung der Seele“ widmen muss (etwa XXI  41; u. ö.).87 Zum Grundbedürfnis des Menschen zählt endlich, „das Licht seines Geistes“ auch „zu zeigen“ (I  4). Sein geistiges Potential kann der symbiotische Mensch nach Ansicht des Autors nur in der Gemeinschaft verwirklichen, in dem er es für sie nutzbar macht. Ein rein kontemplatives Leben ist aber politisch unnütz, es ist asozial und folglich apolitisch. Ein »guter Symbiot« führt kein stoisches »Leben der Muße«. Gleichsam zu einem Glaubensbekenntnis avanciert stattdessen ein praktisches (bzw. poietisches) Ar86  De republica, Frankfurt a. M. 1597 von Gregorius Tholosanus und Politices christianae, Genf 21606 von Lambertus Danaeus. Zu Aristoteles’ Lebensformenlehre: Kullmann 1995, 253–276 m. w. N.; Höffe 1999b, 241–244; siehe auch: Arendt, Vita activa, 22–24. Wiederum ist anzumerken, dass Althusius lediglich Textstellen anführt, die seine Position stützen können, aus der aristotelischen Politik „I, c. 1, 2; VII, c. 3“ [hier insb.: 1325b145]. Die Nikomachische Ethik (NE), die Althusius andernorts zitiert, und mit 1178a7 und 1179a30 Textbelege für eine Vorrangstellung des bios theôrêtikos liefern, spart er dagegen aus (vgl. auch NE X  8 [1178a25], X  9 [1178b33]). 87  Koch geht davon aus, dass der Symbiot von seinem „metaphysischen Grundbedürfnis“ „zunächst nichts weiß“, dies. 2005, 69.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

beitsethos: „Denn wie der Vogel zum Fliegen, so ist der Mensch zur Arbeit geboren“ (XXXII  68). Ein weiteres, religiöses Argument tritt in einer rhetorischen Frage hinzu: „Wie können sie (die Eremiten, P.  K.) ihren Nächsten lieben, wenn sie außerhalb der menschlichen Gemeinschaft leben?“. Im Vergleich ist es das gewichtigere Argument, da Althusius mit einer engen Auslegung einer neutestamentlichen Kernforderung „misanthropischen“ Lebensweisen und Lehren „der Einsiedler, Mönche und Eremiten“ die Berechtigung abspricht (I  25, 28). Konsequent vertritt der Autor gegen die Auffassung der „Pontificii“, dass Privilegien der Kirchenpersonen abzuschaffen und an den politischen Gemeinschaften der Sachen und Dienstleistungen zu beteiligen sind (vgl. XV  8, 11; XXXII  13). Dahinter verbirgt sich nicht allein eine Kritik des calvinistischen Autors am kontemplativen Ordenswesen der römisch-katholischen Kirche, sondern die Ablehnung alternativer Lebensweisen, die Individualität »auf Kosten« der Gesamtgemeinschaft leben bzw. sich so der Gemeinschaft entziehen. Diese Einstellung entwickelt sich zu einer notwendigen Voraussetzung einer ganz auf Gemeinschaften begründeten Staatstheorie und erinnert in dieser »Totalität« etwa an die Politeia oder den Contrat social. Die Politik soll „aus dem privaten Glück das öffentliche“ machen (I  25). Hinsichtlich der Erklärung der Vergemeinschaftung unternimmt Althusius im Vergleich zur Legitimation des Staates einen Paradigmenwechsel: derjenige, der sich einem kontemplativen Leben verschrieben hat, muss sich vor dem Gemeinwesen rechtfertigen und nicht umgekehrt. „Wie können sie den Nutzen ihres Nächsten mehren, wenn sie sich nicht auf die menschliche Gesellschaft einlassen?“, fragt Althusius zugespitzt. Der Einwand versteht sich als sozialtheoretischer Missstand, nicht dagegen als eine Befürwortung eines legitimatorischen Kollektivismus. Er erkennt die Sozialnatur des Menschen als gegeben an, mit kontemplativen Lebensformen lässt sich indessen »kein Staat machen«. Der Autor verbleibt angesichts dieses Paradigmenwechsels aber bei der Position, wonach sich das Gemeinwesen umgekehrt vor den Symbioten zu legitimieren hat. Erklärtes Ziel der Politik ist eine „angemessene, nützliche und glückliche Lebensführung“ der Einzelnen (I  30). Daher hat sich der Gegenstand der Politik, das symbiotische Gemeinwesen, vor den Einzelnen zu rechtfertigen: „Dies geschieht in der Form einer wechselseitigen Verbindung, in der die Menschen das politische Miteinander durch die Gemeinschaft der für das gesellschaftliche Leben notwendigen und nützlichen Dinge begründen, pflegen, fortsetzen und erhalten.“ (I  29) Das politische Gemeinwesen ist demnach nicht bloß »zustimmungswürdig«, sondern der Symbiot kann – als ein Gebot der rechten Vernunft – seine Zustimmung nicht versagen. Denn nach Althusius „muss der Mensch in seinem Übermut und seiner Unbändigkeit durch die Zügel der Vernunft, des Gesetzes und der Herrschaft in Schranken gehalten wer-



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den, damit er sich nicht kopfüber in den Abgrund des Verderbens stürzt.“ (I  39, vgl. auch X  8) Damit nimmt in dieser Reihung – Vernunft, Gesetz und Herrschaft – die menschliche Vernunft die Stellung des ersten, anthropologischen Kettenglieds ein, an welches sich zunächst das „Gesetz“ des symbiotischen Rechts der Gemeinschaft und schließlich die politische Herrschaft anfügen. Ob seiner Disposition, auch „gegen das Gesetz“ der Natur (sowie des Staates) handeln zu können, muss der Mensch „in Schranken gehalten werden“ (I  38). Am Beispiel der Einsiedler wird deutlich gemacht, dass sie „gegen das Gesetz“ der Natur handeln wollen. Durch die ihm eingegebene Vernunft erkennt der Symbiot, dass gesellschaftliches Leben und politische Herrschaft notwendig und nützlich sind. So entsprechen der menschlichen Vernunft das Gesetz und die politische Herrschaft (I  39). In der Zustimmung wird der freie Wille zur Grundlage legitimer Herrschaft werden (etwa XVIII  18).88 Althusius bezieht in die Lehre vom symbiotischen Menschen die berühmte Analogie von Individuum und Polis aus Platons Politeia ein (Buch  II 367e-374d, 368d). „So wie der Mensch ein Mikrokosmos genannt wird, ebenso verhält es sich mit einer Stadt oder einem kleinen Gemeinwesen (civitas vel Respub. parva, P.  K.), in dem die gemeinschaftlichen, auf die Stadt bezogenen Geschäfte in fast derselben Weise betrieben werden wie in einem Reich (regnum, P.  K.) und einer Provinz.“ (VI  16)

Nach Platon ist die Polis die Seele des Einzelnen in »Großbuchstaben« (Politeia 368a-d), „Seele und Stadt stehen zueinander wie kleiner und großer Mensch“ (Ottmann 2001, 32). In der Politica wird zwar der Einzelne als „Mikrokosmos“ in Bezug genommen, nicht aber zugleich die – die Analogie begründende – Seelenlehre Platons, der an benannter Stelle des zweiten Buchs eine erneute Bestimmung der Gerechtigkeit vornimmt. Al­ thusius entwickelt stattdessen – in gewisser Anlehnung an den platonischen »Kommunismus« des kollektiven Lebens der Wächter und Führer – (nur) eine Drei-Gemeinschaftenlehre. Mit anderen Worten hinkt die angeführte Analogie zwischen »Mikro- und Makrokosmos«, zwischen Mensch und Stadt–Provinz–Reich, da das sie verbindende »analoge« Glied einer Seelelehre von Althusius nicht ausformuliert ist. Althusius paraphrasiert das zweite Buch der Politeia wie folgt: „Da keiner von uns hinreichend ausgestattet ist, sondern viele Dinge entbehrt – von daher die Bildung der Städte – so nehmen wir andere Menschen auf, die sich 88  Dagegen: Duso 2002, 18  ff. Obwohl Duso die Zustimmung der Bürger sieht, lenkt er seinen Blick ab, in dem er darauf abstellt, dass das symbiotischen Recht ja schließlich nicht vom Willen der Einzelnen geschaffen werde, ders. 2002, 19 m. w. N.

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uns als Teilnehmende und Helfende zu unserem Nutzen anschließen und eine Vereinigung bilden, die Stadt (civitas, P.  K.) genannt wird. Da die Menschen nämlich viele Dinge entbehrten, die jeder Einzelne für sich nicht beschaffen konnte, kamen sie an einem Ort zusammen, um sich gegenseitige Hilfe zum Leben zu gewähren.“ (VI  16)

Schwerlich lässt sich darin die platonische Drei-Stadien-Theorie der Stadtentstehung wiedererkennen. Allenfalls begegnen die Elemente der Arbeitsteilung und ökonomischen Kooperation auf der Ebene der Schweine­ polis, wonach die politische Gemeinschaft um des Überlebens willen entsteht. Der Reflexionsgrad der platonischen Staatslehre wird unterdessen nicht ermessen. Der Autor der Politica weicht damit zudem von seinen vorherigen Annahmen ab. Nimmt er im propädeutischen ersten Kapitel die aristotelische naturteleologische Lehre vom zoon politikon in seine Argumentationslinie mit auf, so erkennt er die differierenden Prämissen des Aristoteles zu Platon nicht. Platon geht nicht von einer „absoluten, sondern bloß einer relativen Hilfsbedürftigkeit“ des Menschen aus.89 Er überspringt im Gegensatz zu Aristoteles (und auch Althusius) die Hausgemeinschaft bei der Polisgenese und setzt vielmehr bei relativ selbständigen und gleich begabten Menschen (Männern) ein. Wie bei Aristoteles finden sich in der Politica Rückschlüsse aus der geographischen Situation über die „Natur des Menschen“ (XXIII 2–14). Althusius bezieht Völker und klimatische Bedingungen aufeinander zu einer Klimalehre. In humanistisch-aufgeklärter Manier formuliert er beispielsweise, dass „[o]rientalische Völker … ihrem Wesen nach kultivierter und gesitteter als die übrigen“ sind (XXIII 3). Seine Regierungslehre baut auf der Kenntnis solcher »Charaktereigenschaften« als ein Gebot politischer Klugheit. Aufgrund der Ansicht, dass geographische Begebenheiten Habitus und Charakter der dort Lebenden prägen, gibt er Empfehlungen zur (mitunter künstlichen) Anlage seiner »besten poleis« (s. V 74 ff.; XXXII 67, 69; u. ö.). Im Unterschied zu den neuzeitlichen Motiven für eine (staatliche) Vergemeinschaftung bei Hobbes (Sicherheit, Macht), Locke (individuelle Freiheit, Eigentum) oder Rousseau (kollektive Freiheit, Gleichheit) lassen sich – der Zweiheit von Seele und Körper entsprechend – zwei Zentralmotive aus der Politica herausfiltern: Sittlichkeit, die weitgehend mit Frömmigkeit übereinstimmt sowie der gerechte Wohlstand. „Die Bedürfnisse des Körpers und der Seele und die dieser eingepflanzten Tugenden haben daher die zerstreuten und vereinzelten Menschen zusammengeführt. Deshalb wurden Dörfer erbaut, Städte errichtet, Akademien gegründet, hat sich eine Vielzahl von Bauern, Handwerksmeistern, Architekten, Soldaten, Kaufleuten, gebildeten und ungebildeten Menschen, gleichsam wie eben so viele Glieder ein 89  Höffe

1997, 76.



§ 3 Die Rede vom symbiotischen Menschen

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und desselben Körpers zu einer bürgerlichen Gesellschaft vereinigt. Sie schlossen sich, indem die einen den anderen gaben und wieder andere nahmen, was sie selbst wünschten, alle in gleicher Weise zu dem öffentlichen Körper (den wir Gemeinwesen nennen) zusammen und setzten sich in gegenseitiger Hilfe den allgemeinen Nutzen und das Wohl des Gemeinschaftskörpers zum Ziel. Dass dies der wirkliche Anfang zunächst von Dörfern, dann von größeren, ausgedehnte Gebiete umfassenden Gemeinwesen war, das lehren die ältesten Urkunden der Geschichte und das beweist uns auch unsere Erfahrung.“ (I  27)

Wenn auch der Individualismus noch nicht in Blüte stand, bereitet Althusius den Individuen und einer ihnen angemessenen Kommunikationslehre den Weg: „Aus dem Gesagten folgern wir nun, dass die Wirkursache der politischen Gemeinschaft die Übereinstimmung und der Vertrag (consensus et pactum) sich vereinigender Bürger ist.“ (I  29) Im Hintergrund seiner Doktrin der Vergemeinschaftung wird angesichts des menschlichen „Verlangens nach Gütern und Ruhm“ (XXIX  19) ein liberal-demokratischer Besitz­ individualismus erkennbar, der als eine der Triebfedern den „auf Besitz ausgerichteten Charakter“ des einzelnen Menschen ausmacht.90 Durch den Einsatz seiner Arbeitskraft schafft der Symbiot diejenigen Güter, in denen sich neben dem kollektiven zugleich auch immer individueller Nutzen verwirklicht. Das »Eigentum an sich selbst« in Form von Besitz, Ruf und weiterer »geschützter Individualrechtsgüter« wird durch Staat und Gesellschaft erstmals effektiv gewährleistet. So besehen vermittelt zunächst das konsozietale Leben in der Gemeinschaft eine individuelle Existenz der Symbioten. »Das Wesen des Menschen liegt mehr in seiner Gattung als in seiner Individualität«91 kann als das Credo der althusischen Anthropologie gelten.92 „Gerecht, rechtmäßig und heilsam wird die Herrschaft genannt, die das Wohl und den Nutzen der Einzelnen wie aller Glieder erstrebt  …“ (XVIII  32). In gewisser Hinsicht liegt die „Funktion des Eigentums“ sogar in der „Freiheit vom Willen anderer“.93 Althusius gibt denjenigen, bei denen der Arbeitsethos nicht im gewünschten Maß ausgeprägt ist, kein Pardon: ihnen droht im schlimmsten Fall das Zuchthaus (XXX  10  ff. [13, 27]; vgl. VII  18; II  16–36; u. ö.). Sie werden sich selbst und der Gesellschaft in der sie leben nicht gerecht: „Denn diejenigen, die nichts haben, von dem sie leben können, und untätig sein wollen, sind den Drohnen ähnlich und für 90  Macpherson

1980, 15. Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II. Ergänzungen zum vierten Buch, Kap. 44, 743. 92  Wyduckel weist darauf hin, dass der althusische Symbiot – ähnlich den rousseauschen associés – „eine nur über das Gemeinwesen vermittelte individuelle Existenz“ zukommt, ders. 1988, 475. Duso dagegen zweifelt an, dass dem Begriff Individuum überhaupt eine wichtige Rolle für die Konsoziation zukommt, ders. 2002, 18  ff. m. w. N. 93  Macpherson 1980, 15. 91  Nach

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die menschliche Gesellschaft unnütz.“ (XXX  11; vgl. VII  19). Deshalb wird „[d]er Zensor … darauf achten, dass alle sich bemühen, rechtschaffen und fleißig zu sein“ (XXX  15).

§ 4 Grundlagen der Konsoziationenlehre Hauptgegenstand von Politik ist nach der Propädeutik des ersten Kapitels die Gemeinschaft von Menschen (I  2, 31). Dementsprechend fällt ein großer Teil der Politica auf die Ausarbeitung einer Gesellschaftslehre. Warum die Menschen überhaupt zusammenleben, legt der Politiklehrer in seinen überschaubaren anthropologischen Prämissen dar. Die Rede von der Gesellschaft und den unterschiedlichen Gemeinschaften erfährt durch Althusius dagegen eine methodisch eingehende Untersuchung und Darstellung, so dass es gerechtfertigt erscheint, von einer wissenschaftlich betriebenen »Soziallehre« zu sprechen. Durch den weiteren Entwurf einer Gesellschaftstheorie erweist sich das Werk als eine Fundamentalpolitik, insoweit sie deren normative Grundlagen freilegt und sich der Frage nach der Legitimation stellt. Der Staat besitzt demnach kein Monopol auf das Politische wie er konsequenterweise auch kein Monopol für die Rechtserzeugung hat.94 Recht findet sich nach seiner Gesellschaftstheorie bereits in den vielfältigen sozialen Systemen vor, in die der Staat – gegenüber den pluralistischen Konsoziationen gleichsam als monistisches Gegengewicht – einwirken können soll.95 Zum universalen Legitimationskriterium erklärt Althusius die freiwillige Zustimmung, mit der für ihn untrennbar normative Prinzipien einhergehen: ein Rechtsgebot, ein Politiegebot, Grundgedanken des Föderalismus und der Subsidiarität.96 Der societas humana kommt eine herausgehobene Relevanz für die Staatslehre zu. Unter der menschlichen Gemeinschaft ist mehr als die Summe seiner Einzelwesen zu verstehen. Althusius spricht unterscheidend von „omnes et singuli“ (I  7  f., II  11  f., IV  1, VII  3, u. ö.) und von einem „mystischen Körper“ (etwa VIII  6). Durch diese Bewertung tritt die Rede vom Menschen zurück. Gemeinsames Merkmal der in der Politica ausbuchstabierten Gemeinschaften ist, dass das menschliche Zusammenleben nach zwangsbewehrten Regeln erfolgt. Zu den gewonnenen Erkenntnissen zählt der innere Zusammenhang von Gesellschaft und Staat, deren beider Wesen 94  So

auch Krawietz 1988, 421. zu jeglichem Monismus / Zentralismus: Krawietz 1988,

95  Kritisch-ablehnend

411  ff. 96  Friedrich spricht dagegen von „Selbsttäuschung“ angesichts der „voluntaristischen Formulierung“. Althusius denke in deterministischen Kategorien, ders. 1975, 79  ff.



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Althusius gedanklich trennt, um beide in einer Existenz zusammenzuführen.97 Im Kristallisationspunkt seiner politischen Theorie, der Lehre vom Widerstandsrecht, findet sich daher die Bedrohung der conditio humana, verstanden als Gefahr für die Bedingungen menschlicher Gesellschaft, vor dem Argument der bedrohten Einzelpersonen: „Denn wer von der Gewaltenfülle Gebrauch macht, der zerbricht die Schranken, die die menschliche Gesellschaft schützen.“ (XIX  10, 36) Soweit von wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden zur Gesellschaft die Rede sein kann, kommen als Instrumentarien und Quellen in Betracht: die Selbstbeobachtungen des Althusius in den unterschiedlichen Orten seines Lernens und Schaffens (Diedenshausen, Marburg, Köln, Genf, Basel, Herborn, Burgsteinfurt, Siegen, Emden), sodann Historiographien, weiterhin Beschreibungen zahlreicher Gesellschaften vornehmlich Kontinentaleuropas, aber auch »fremder« Völker, schließlich aus Überlieferungen der Heiligen Schrift sowie die umfangreichen Bezugnahmen aus den ihm zugänglichen einschlägigen Publikationen zum theatrum mundi.98 Althusius erwähnt über Dutzende Städte, Länder und Regionen. Empirisch gewonnene Daten, menschliches Erfahrungswissen und „älteste Urkunden der Geschichte“ (I  27) treten neben normative Darstellungen. Dementsprechend ist die Rede von der Gesellschaft in der Politica je nach Begründungsabsicht mal empirisch, mal normativ verfasst. Carl Joachim Friedrich hat diese Methode in seiner Untersuchung als eine Form „beschreibender Normativität“ bezeichnet.99 Selbst die »Gewissheiten« der Heiligen Schrift erfahren durch die methodisch wechselnde Darstellungsweise bzw. als bloß hinzutretende Anreicherung eine Relativierung. Unter der Hand entsteht derart die Gesellschaftslehre als Bestandteil der neuen Politikwissenschaft. Ausgehend von einer heterogenen Gesellschaftsstruktur „von Reichen, Armen, Handwerkern, Landleuten und anderen Personen verschiedenen Ranges“ (I  27, 36) mit ihren jeweiligen – mitunter gegenläufigen – Bedürfnissen und Interessen, trachtet der Autor danach, eine der sozialen Wirklichkeit angemessene Ordnung zu stiften. Überhöhend erkennt Althusius in der sozialen Verschiedenheit sogar eine gottgewollte Harmonie. Als rhetorisches 97  Vgl.

Scupin 1978, 637–657. etwa die von Althusius angeführten Werke Petrus Montanus’, Ludovico Guicciardinis und Emanuels van Meteren sowie Ubbo Emmius’ und Josias Simlers und anderer (z. B. IV 30; V 70; VI  52; VIII  40, 66; u. ö.). Theodor Zwinger, Theatrum humanae vitae, Basel 1604 (z. B. IV 30). Eine gute Übersicht – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zu den von Althusius benützten und zitierten Publikationen und Quellen gibt etwa Friedrich 1932, c–cxviii oder auch Wyduckel 2003, LIII–LXVIII. Grundlegend: Althusius-Bibliographie, hrsg. v. Hans Ulrich Scupin und Ulrich Scheuner, Berlin 1973, 2 Halbbd.e. 99  Friedrich 1975, 83. 98  Vgl.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Stilmittel stellt der politische Lehrer Vergleiche mit der Musik an: er spricht von „Saiten mit verschiedenen Spannungen“, von „Ton“ und „Melodie“. Aus der Konzertierung „ergibt sich eine sehr angenehme und passende Harmonie, die, zum Gleichklang gebracht, eine löbliche, glückliche, fast göttliche und sehr dauerhafte Einigkeit hervorbringt“ (I  36). Die Mittel zu diesem Gleichklang sind es, die Althusius in seiner politischen Lehre zu erklären sucht. 1. Gesellschaft und Gemeinschaft Althusius unterscheidet nicht strikt zwischen den sozialen Gebilden Gesellschaft und Gemeinschaft. Das Wort consociatio ist sowohl für Ehe und Familie gebräuchlich als auch für »den Staat« oder »die Gesamtgesellschaft«. Stets handelt es sich um Kooperationsgemeinschaften, die die Einhaltung von Regeln beanspruchen. Eine namentliche Kennzeichnung quanti- und qualifizierbarer Differenzen zwischen engeren Gemeinschaftsstrukturen und loseren Gesellschaftsstrukturen unterlässt er. Infolgedessen entfallen die Komplementärbegriffe von »Gesellschaft« zur »Gemeinschaft« sowie von »Gesellschaft« zum »Staat«. Die consociatio ist „societas vitae“ ebenso wie „politia, imperium, regnum, respublica“ (IX  3). Lakonisch verweist der Autor darauf, dass man einen Ausdruck (vox) „im engeren als auch im übertragenen Sinne“ verwenden kann (ebd.). Die Einheit von Staat und Gesellschaft ist ein Postulat der politischen Theorie des Hochschullehrers und späteren Ratssyndikus und wird in der Wortschöpfung consociatio universalis ablesbar.100 „Sie kann im weiteren Sinne Politie, Reich, Gemeinwesen oder körperschaftlich verfasstes Volk genannt werden“ (IX  3). Die begriffliche Gegenüberstellung der beiden Gebilde Staat und Gesellschaft ist  erst eine Schöpfung der Staatstheorien des ausgehenden 18. und des 19.  Jahrhunderts.101 Reflektiert hier die veränderte Begriffsverwendung die „Erfordernisse einer vom Staat … unabhängigen, pluralistischen und sich autonom regulierenden bürgerlichen Gesellschaft“, so steht für die Politica die Frage inmitten, ob zur Zeit des Übergangs von ständischer zur frühneuzeitlichen bürgerlichen Gesellschaft eine vergleichbare Scheidung zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft vollzogen wird bzw. vollziehbar ist.102 In der Sache unterteilt der Autor jede einzelne der von ihm beschriebenen zwischenmenschlichen Vereinungen. Zum Kriterium der politischen Relevanz jeglicher menschlicher Gemeinschaften wird einschränkend die Unterwerfung unter das symbiotische Recht erhoben: „Menschen, die sich ohne 100  So

auch Wyduckel 2003, XX; Scupin 1978, 641  ff.; Winters 1963, 223  ff. Zippelius 1999, 256–262. 102  Göhler / Klein 1991, 259. 101  Vgl.



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symbiotisches Recht zusammengefunden haben, sind ein Haufe, eine Versammlung, eine Menge, ein Volk oder ein Stamm“ (V  4), überspitzt formuliert: soziologisch existent, indessen staatstheoretisch irrelevant. Bevor sich der Staat konstituieren kann, wird die consociatio als vorstaatliches Gemeinwesen bedingungslos dem symbiotischen Recht unterstellt: Ohne Recht kein Gemeinwesen (I  10). Die Attribuierung des Schlüsselbegriffs consociatio von der einfach-privaten (simplex-privata) zur größeren gemischt-öffentlichen Gemeinschaft (publica-major) beansprucht einen Großteil der Soziallehre für sich. In Anlehnung an Ferdinand Tönnies Untersuchung Gemeinschaft und Gesellschaft ist man verleitet ebenso in der »Soziologie« der Politica, Gemeinschaft und Gesellschaft begrifflich zu trennen. Fraglich ist indessen, ob gerade diese Trennung in der Sache aufgehoben wird.103 Die einheitliche und durchgängige Verwendung des Wortes consociatio betont in hervorhebender Weise die Gemeinsamkeiten vor den bestehenden Unterschieden. Alles zwischenmenschliche Leben, von der untersten bis zur höchsten Stufe, speist sich unter den Anwendungsbedingungen des symbiotischen Rechts aus denselben Gründen der gegenseitigen Angewiesenheit und der Freundschaft, und erfordert, dass mit zunehmender Größe und Umfang der Gemeinschaft der Organisationsgrad ebenfalls ausdifferenzierter wird (I  19, 21; V  4; VIII  3; u. ö.). Mit Bedacht werden in der Politica Grundbegriffe der »reinen« Soziologie sparsam verwendet. Nicht, dass der Autor keinen Erkenntnisgewinn aus begrifflichen Trennungen ziehen zu können glaubt. Schließlich gehört nach den Aussagen des Vorworts ein Fachvokabular zur erstrebten Etablierung der neuen Wissenschaft. Die Heranbildung eines Urteilsvermögens und die Wissensvermittlung in der Politikwissenschaft geschehen dabei insbesondere über die Definierung von Begriffen. Die Unschärfe stellt sich bei näherer Betrachtung als programmatisch gewollt he­ raus. Eine Trennung von Gemeinschaft und Gesellschaft soll gar nicht erst entstehen, eine Teilung ist allenthalben erkennbar (II  36; VI  35). Auf der Ebene der Provinzen etwa tritt die Veränderung von Gemeinschaft zur Gesellschaft deutlicher zutage. Es werden private und öffentliche Tätigkeit unterschieden, wobei öffentliche Ämter und Dienste vollinhaltlich Aufgaben der provinzialen Gesellschaft erfüllen, die privaten Tätigkeiten indes nicht nur der privaten Gemeinschaft dienen, sondern insoweit etwa auch „zum symbiotischen Zusammenleben in der Provinz beitragen und hierfür auch notwendig sind“ (VII  27  f.; VI  32, 35). Die Gemeinschaften in der Gesell103  Carl Joachim Friedrich glaubt, dass Althusius der Tönnies’schen „radikalen Antithese von Gemeinschaft und Gesellschaft“ zugestimmt haben würde. Für Friedrich entspricht die consociatio symbiotica dabei der Gemeinschaft, ders. 1975, 113 (Fn.  1).

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

schaft werden die Pulsmesser für eine etwaige Schieflage in der Verfassung des Gemeinwesens. Wo sonst der Rechtslehrer mit Genauigkeit eine gedankliche Scheidung sprachlich-begrifflich kenntlich macht – etwa zwischen Rechtsinhaberschaft und Besitzstand – bleibt es in Bezug auf die consociatio bei einem politischen Oberbegriff, der beides, Gesellschaft und Gemeinschaft, synonym bezeichnet. Bevor eine Ausdifferenzierung in Gemeinschaftsarten sinnvoll erfolgen kann, legt Althusius dar, was unter consociatio im Allgemeinen zu verstehen ist und was allen Gemeinschaftsarten – unter den entsprechenden Abwandlungen – gemeinsam bleibt: die Inanspruchnahme von zwangsbewehrten Regeln.104 In allen consociationes, in der Ehe, in den Familien und Sippen, im Beruf, in den Kommunen, in den Provinzen und schließlich im Staat, begegnet dieses Merkmal. Findet das Wort consociatio zunächst nur im Singular Verwendung, wird Althusius späterhin von sich verbindenden consociationes sprechen (V  1), um schließlich wieder singulär von der consociatio universalis major zu sprechen. Dabei zeigt sich eine Unzulänglichkeit der dichotomischen Methode: Wenn jede Gemeinschaft (consociatio omnis) nach der Eingangssentenz der Gesellschaftslehre zweifach beschaffen ist (consociatio omnis est duplex, II  1), nämlich „einmal einfach und privat, zum anderen gemischt und öffentlich“, kann im folgenden nicht ohne Widerspruch von einer »privaten Gemeinschaft« (consociatio simplex privata) gesprochen werden. Die Aussage trifft also nur auf die universale Gemeinschaft des Gemeinwesens zu, die „teils privat, natürlich, notwendig und selbstgewählt, teils öffentlich begründet“ ist (IX  3). Als Sammelbegriff bezeichnet das Wort daher Gattung, Arten, Differenzen und Eigentümlichkeiten zugleich und wird in seinen unterschiedlichen Bedeutungen im Verlauf der Politica nebeneinander verwendet. In seiner ersten singulären Bedeutung definiert Althusius consociatio quid als den Zustand, in dem die Symbioten sich wechselweise alles das gewähren, was für das Zusammenleben nützlich und nötig ist. Als Gattungsbegriff bedeutet sie im Gegensatz zum „Haufen“ (turba, coetus, V  4) die enge Verbindung und Vereinigung von Menschen, die Gemeinschaft der Menschen (societas humana, I  7; V  vor 1; u. ö.) unter dem symbiotischen Recht. Althusius hat dabei nicht eine Gemeinschaft von Individuen im Sinne, sondern das Gattungswesen Mensch. Er spricht insofern von „Anstrengungen und Mühen vieler Menschen“, weder von einzelnen noch von allen, die zur Erreichung der von ihm entworfenen consociatio erforderlich sind. Es handelt sich genauer um die Gemeinschaft aller Zusammenleben-Wollenden. Eine Sonderstellung 104  Unverständlich daher die Darlegung Hohbergers, der als „Intention Althusius’“ ausmacht, „die vorhandenen konstitutionellen Strukturen neu zu organisieren, um die Reziprozität in Verträgen und Verfahren zu konstituieren“, ders. 2008, 72–81.



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nehmen folglich diejenigen Menschen ein, die nicht mit anderen zusammenleben. Darunter zählt Althusius Menschen, die „nicht in Gesellschaft sein können“ (I  33) oder wollen (I  24–28). Dazu gehören Einsiedler, Mönche und Eremiten ebenso wie wegen außergewöhnlichen Reichtums an keinem materiellen Mangel leidende Menschen. „Die Symbioten sind also einander Helfende, die … dasjenige in die Gemeinschaft einbringen, was einer für Leib und Seele förderlichen Lebensführung angemessen ist mit dem Ziel, daran Anteil zu nehmen und zu geben“ (I  6). Vor diesem Hintergrund erscheint die Kritik am Mönchtum ungerechtfertigt, leben die Mönche doch in gleichsam idealer Gemeinschaft. Die Ausgrenzung bezieht sich daher nur auf die kontemplative Ausrichtung dieser Lebensform (I  24). In der Umkehrung bedeutet dies, dass Althusius seine Lebensgemeinschaft auf das praktisch-tätige, auf politischen (und wirtschaftlichen) Nutzen abzielende Gemeinschaftsleben gründet, wobei sich für ihn Frömmigkeit und „aktives politisches Leben“ nicht ausschließen (I  28). Der Politiklehrer versichert, dass mit den Begriffen consociatio und „Symbiose“ kein Neuland in der Staatstheorie betreten wird. Die „Politie“ des Plutarch und des Aristoteles standen Pate (I  5). Althusius paraphrasiert skizzenhaft, welche drei Bedeutungen unter dem Wort „Politie“ einstweilen zu verstehen sind: zunächst die Gemeinschaft des Rechts (communicatio juris in respublica), sodann die Art und Weise der Einrichtung und Verwaltung des Gemeinwesens (respublica) und schließlich die Ordnung und Verfassung einer Stadt (civitas). An früher Stelle trifft der Autor bereits die Vorentscheidung, dass sich die Symbiose wie selbstverständlich nur in einer republikanischen Staatsform verwirklichen lässt.105 Im weiteren Verlauf seiner Darstellung wird er häufiger auf die römisch-republikanische Zeit und die italienischen Städterepubliken verweisen (IX  4, 11; XXIV  42; XXXII  95; XXXIX  47; u. ö.). Die Republik wird unbeschadet der Regierungsform schlechthin zum Synonym für das staatlich verfasste Gemeinwesen (etwa IX  4). Mit weit mehr Berechtigung als Bodin redet Althusius von der »Republik«, sofern der deutsche Staatsdenker sie »klassisch« als Mischverfassung deutet, wenn auch die (demokratische) Abwechselung zwischen Regieren und Regieren-lassen für nicht zwingend erforderlich gehalten, so doch zumindest eine (diktatorisch-)zeitliche Begrenzung diskutiert wird. „Nichts ist so nützlich wie große Herrschaftsgewalt von nur kurzer Dauer.“ (XXV  12) Es zeigt sich darüber hinaus, dass die nachskizzierten drei Bedeutungen von „Politie“ bei Plutarch und Aristoteles nicht deckungsgleich mit den Gemeinschaften des Althusius sind. Eine weitere staatsphilosophische Autorität soll über die Lücke hinweghelfen. Cicero sage, das Volk sei 105  Politica I  5: „quod est in Reipubl. indicat“ und Vorworte Politica 1614, 3  f. und Politica 1603, 20, 22.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

eine Vereinigung des Rechtes und des Nutzens („utilitas“).106 An die Politielehren der antiken Lehrer anknüpfend setzt sich der Autor daran, seine eigene Konsoziationen-Lehre zu entwickeln. Demzufolge stellt sich die consociatio wesentlich als communicatio (Gewährung, Mitteilung), consortio (Teilhaberschaft, Mitgenossenschaft) und communio (Gemeinschaft) dar. Der Oberbegriff ist als dreifaltige wechselbezügliche Teilhabe (communicatio consociationis mutua, Überschrift zu I  7) zu verstehen: als die Gemeinsamkeit der Symbioten in einer Gemeinschaft der Güter und Sachen, in einer Gemeinschaft der Werke und Leistungen sowie in einer Gemeinschaft des Rechts. Sie stellen drei Säulen dar, auf denen das Dach der consociationes von unten nach oben errichtet werden kann. Althusius nennt die wechselweise Gewährung auch „χοινοπραξια“, was Erik Wolf in seiner Übersetzung mit „Gemeinschaftsübung“ wiedergibt. Unter der Anleitung durch die Rechtsgemeinschaft bilden die »Drei Gemeinschaften« die Grundlage jeder consociatio, auf die sich die Symbioten einigen. Die Drei-Gemeinschaftenlehre ist als eigenständiger Beitrag des Althusius zur politischen Theorie zu betrachten, die sich von den Kommunen bis zum Staat in einer jeweils angemessenen Weise verwirklicht. Im Unterschied zu den consociationes nehmen sich jene Drei Gemeinschaften als eine Vergegenständlichung bloß gedanklicher Existenzen aus, als Begriffe der »reinen« Soziologie. Nur eine Gemeinschaft, in der jene wirkungsmächtig sind, erfüllt die Kriterien der symbiotischen consociatio als »realpolitischer« Gemeinschaft im weiteren Sinne. Der Politiklehrer führt aus, dass die „wechselseitige Gemeinschaft und praktische Teilhabe … durch die Gemeinsamkeit von Gütern, Leistungen und Rechten zustande [kommt] … und das gesellschaftliche Leben begründet und bewahrt“; in ihr verwirklicht sich die societas humana (I  7). „Die Gemeinschaft der Güter (rerum communicatio, P.  K.) besteht darin, dass die Symbioten das für ein gesellschaftliches Leben Nützliche und Notwendige zum gemeinsamen Vorteil sowohl der Einzelnen als auch aller zusammen beitragen.“ (I  8) „Die Gemeinschaft der Leistungen (operarum χοινωνία, P.  K.) besagt, dass die Symbioten ihre Dienste und Tätigkeiten um des gesellschaftlichen Lebens willen einbringen.“(I  9) „Die Gemeinschaft des Rechts (juris communio, P.  K.) liegt darin, dass die Symbioten unter gerechten Gesetzen zusammenleben und sich durch diese leiten lassen. Man nennt dies das Gesetz der symbiotischen Gemeinschaft oder auch das symbiotische Recht … Zum einen dient es der Leitung und Lenkung des gesell106  Carney macht in seiner Übersetzung die berühmte Stelle De republica I, 25 aus, Althusius selbst gibt – ausnahmsweise – keine Textstelle an. Zur Textlage von Ciceros Werken um 1600 s. Anm. v. Janssen Politik 2003, 25 Fn.  3.



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schaftlichen Lebens, zum anderen schreibt es die Art und Weise sowie das Maß der Gemeinschaft von Gütern und Leistungen unter den Symbioten vor.“ (I  10)

Es bestehen Verständnisschwierigkeiten, ob die Drei Gemeinschaften Ursache (H. Janssen) oder Folge (E. Wolf, F. S. Carney) der Gemeinschaftsübung sind. „Cõmunicatio illa mutua … sit rebus, operis, juribus communibus“ (I  7); angesichts der ablehnenden Haltung des Autors gegenüber utopischen Staatstheorien (XXXIX  23; XXXVIII  123) nimmt sich der Konjunktiv „sit“ vorerst als Idealbestimmung aus. Da die Drei Gemeinschaften sodann vor- bzw. überstaatlichen Charakter haben, folgen sie nicht erst aus einer Staatlichkeit des Gemeinwesens. Die Symbioten selbst gewähren originär wechselseitig Sachen, Leistungen und Rechte. Im Staat mögen sie positiviert und verwirklicht und damit nachgeordnet gewährleistet werden. Insofern sind sie bedingende Ursache. Stellt man hingegen auf das vorstaatliche Gemeinwesen ab, ist die Gemeinschaftstrias sowohl normative Bedingung der Möglichkeit zur Vergemeinschaftung als auch rückwirkende Folge. Die rerum communicatio und die opera χοινωνία bilden unter den Anwendungsbedingungen des symbiotischen Rechts (jus communio) den Inbegriff regelförmiger Einwirkungsbefugnisse und Pflichten. Sie werden weder den Symbioten von einer Obrigkeit diktiert noch dienen sie einem fremden Zweck, sondern stammen von den betroffenen Symbioten selbst und kommen den Bürgern selbst, nicht den Herrschern zugute. Gleichwohl handelt es sich bei solcherart regelförmigen Einwirkungen und Pflichten um Zwangsbefugnisse, die Althusius Lasten (onera) nennt (z. B. XI  20). In politiktheoretischer Hinsicht ist danach zu fragen, warum Eingriffe in die Rechte des Einzelnen legitim sein sollen. Warum sollen wir „bereitwillig auf unser Recht zu seinen Gunsten (des Nächsten, P.  K.) verzichten“ (I  22)? »Warum soll ich meine Güter und meine Leistungen für andere erbringen?« Mitenthalten sind folglich Personen- und Sachenrechte, die dem Einzelnen als Mensch zukommen. „Symbiotisches Recht ist das, was der Einzelne in der privaten Gemeinschaft (d. h. die natürliche und bürgerliche Gemeinschaft, P.  K.) dem jeweils Anderen zu gewähren hat. Dies ist je nach der Natur der privaten Gemeinschaft unterschiedlich.“ (II  6) „Als politeuma im allgemeinen Sinne wird das Recht und die Fähigkeit (jus & potestas, P.  K.) der gemeinschaftlichen Teilnahme und Teilhabe im Hinblick auf die nütz­ lichen und notwendigen Dinge bezeichnet, die von den gesellig vereinten Gliedern zum Leben des verfassten Körpers beigetragen werden. Es kann auch symbiotisches öffentliches Recht genannt werden.“ (V  5) Das symbiotische Recht bildet den Inbegriff der Zwangsbefugnisse, die der Gemeinschaft den Mitgliedern gegenüber zukommen. Die zwangsbewehrten Regeln stehen niemals im privaten Vermögen des Einzelnen, sondern stellen sich als »öffentliche Gewalt« der consociatio dar. Insofern die beiden so ge-

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

nannten privaten Lebensgemeinschaften notwendige Bestandteile des öffentlichen Gemeinwesens sind, haben sie teil an einer öffentlichen Gewalt. Mit anderen Worten bildet die consociatio eine Herrschaftsordnung aus, in der sie in die Rechte des Symbioten eingreift. Vor der Legitimationsaufgabe, warum Eingriffe gerechtfertigt sein sollen, erklären bzw. legitimieren sich die zwangsbefugten Regeln für die privaten anders als für die öffentlich-politischen Kooperationsgemeinschaften. Hier stehen die Rechte einer Körperschaft, dort die Rechte einzelner Menschen in Rede.107 Die Einwirkungsbefugnis ist gerechtfertigt, wenn sie dem Gemeinwohl dient (salus reipublicae, I  22; felicitas publica, I  25; bonum & salus reip., I  27; commodum communis, usf.; vgl. auch II  11; VII  3, 14; VIII  5; u. ö.), wozu dasjenige zu zählen ist, was für die Symbiose „notwendig und nützlich“ ist. Die Legitimation ist zunächst pragmatischer Art: als ein Gebot der Vernunft stellt sich die Erreichung von Sicherheit (Überleben) und wirtschaftlicher Prosperität (gutes Leben) im Gemeinwesen dar. Dahinter verbirgt sich eine Ethik des Gemeinwohls, wonach „das … als besser [gilt], was sowohl sich selbst genügt als auch anderen nützen kann. Je mehr demnach ein Gut der Gemeinschaft dient, um so besser und vortrefflicher ist es.“ (I  34; VII  18, 22 a. E.)108 Dieses »utilitaristische«, auf Maximierung des Kollektivwohls abzielende Prinzip wird von Althusius allerdings nicht weiter dargelegt. Er verweist auf die entsprechenden Ausführungen in seiner Ethik (De civili conversatione II  1  ff). Durch die wiederkehrende Wendung „omnes et singuli“ allerdings, die in ihrem doppelten Sinn auch den „ursprünglichen Contract“ der Rechtslehre Kants kennzeichnet, wird unterstrichen, dass es sich weder um einen strengen Sozial- noch um einen reinen Individualutilitarismus handelt.109 Der Vorteil darf nicht nur vielen, er muss allen zugute kommen. Das Prinzip des Gemeinwohls wird als »utilitaristische« Rechtfertigung um Gerechtigkeitsprinzipien ergänzt, die gleichsam das dem Gemeinwohl innewohnende Gerechtigkeitsdefizit korrigieren. In demokratischer Weise zählt zwar jedwede Handlung, später jedes Gesetz, in normativer Hinsicht ihrer Legitimität vor diesem Prinzip gleichviel. Die strenge Gleichbehandlung, die das Gemeinwohlprinzip gebietet, stößt indes auf die Skepsis des Autors. Die „Folge, dass gerade die Gleichheit höchste Ungleichheit wäre“, weil es „keine Abstufung der Tüchtigkeit, keine der Verdienste“ gäbe, gilt es unbedingt zu vermeiden (I  37; vgl. auch XXX  19 107  Vgl. etwa zur Strafbefugnis in den Berufskollegien: IV 6, 16, 22; in der Stadt /  Kommunen: VI  51; in der Provinz: VII  58; VIII  5, 61; im Staat XXXVII  102–104. 108  Zugleich liegt darin die moralische Pflicht, sein Selbst zum Besseren zu verändern, eine Aufforderung, der die Eremiten nach Althusius nicht nachkommen. Nach Friedrich wird für Althusius als in der christlichen Tradition stehend „im Grunde die Nächstenliebe zum eigentlichen Inhalt dieser Ethik“, ders. 1975, 84. 109  Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre § 47, 434.



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[keine Angleichung von Arm und Reich]). Das »Leid« der Tüchtigen und Verdienstvollen würde gegen das »Wohl« der Gemeinen aufgerechnet, ohne dass den derart Benachteiligten ein Ausgleich zuwüchse. Ein Widerspruch von Gleichheit und Freiheit wird dadurch umgangen, dass die von Althu­sius benannte aequabilitas im Gegensatz zur strengeren aequalitas die Gleichheit um das erforderliche Gran an Gerechtigkeit anreichert, so dass trotz der Verfolgung des Gemeinwohls „jedem Bürger je nach Stand und Würde sein Recht, seine Freiheit und seine Ehre belassen bleibt“ (VI  47; VII  9).110 Dadurch wird sichergestellt, dass kein Bürger auf dem Altar des Gemeinwohls geopfert wird.111 „Unter dem gemeinsamen Wohl ist das zu verstehen, an dem alle wie auch jeder Einzelne … teilhaben.“ (II  11) Die Maximierung des Kollektivwohls findet seine Grenzen in jus, libertas und honor des Einzelnen. Sprachlich findet diese Einhegung in der Formulierung „dem Wohl der Gesamtheit wie der einzelnen Bürger“ oder vergleichbaren Wendungen seinen Ausdruck (z. B. I  7; VII  31; VIII  53, 56; u. ö.). Letztlich rechtfertigt das Prinzip des Gemeinwohls die Zwangsbefugnis der conso­ ciatio nicht (allein). Althusius setzt vielmehr zentral auf die Kommunikation (communicatio) der Symbioten, die weder in einer Gesellschaft von Altruisten noch von Egoisten möglich wäre. Ein zweiter Argumentationsstrang wird eingeführt: Die Einwirkungsbefugnisse aus den Gemeinschaften der Sachen, der Leistungen und des Rechts sind dann legitimiert, wenn ihnen jeder zustimmen kann. Denn freiwillig übernommene, »kommunizierte« Pflichten sind legitim. Die natür­ lichen symbiotischen Gemeinschaften, d. h. die Ehe, Familie und Sippe, vereinigen sich nach Althusius „einvernehmlich aufgrund von Neigung und Notwendigkeit“ (II  14), die Bürgergesellschaften (civilis consociatio), d. h. die Berufsgenossenschaften, bilden sich „aufgrund freier Entscheidung und eigenen Willens … um des gemeinsamen Nutzens und der Notwendigkeit des Zusammenlebens wegen“ (IV  1). Idealtypisch ist mit Max Weber im ersten Fall aufgrund subjektiv gefühlter Zusammengehörigkeit von „Vergemeinschaftung“, im zweiten Fall aufgrund rational motivierten Interessenausgleichs bzw. -verbindung von „Vergesellschaftung“ zu sprechen.112 Beide Gemeinschaftsarten sind substantiell und methodisch vorstaatlicher Natur (II  2; V  vor 1). Im Hinblick auf den Staat sind sie »notwendige« Vorbedingung. Die Notwendigkeit der Ehe beispielsweise besteht nach Ansicht des Autors in der Zeugung von Nachkommen und der Vermeidung von Unzucht (II  46; XXXVIII  107). Ihre Notwendigkeit erschöpft sich allerdings nicht in dieser Funktion. Während sich die ersten Gemeinschaften spontan (Neigung) 110  Carney

übersetzt „aequabilitas“ mit „fairness“, Janssen mit „Gleichartigkeit“. Ausnahme bildet das Recht zur Enteignung (vgl. XXXVII  115). 112  Weber, Soziologische Grundbegriffe, 306. 111  Eine

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

bilden und freiwillig (einvernehmlich) fortbestehen, entstehen die Gemeinschaften der zweiten Stufe freiwillig zum gemeinsamen Nutzen und sind unter denselben Bedingungen aufhebbar. Beide Gemeinschaftsarten sind, noch bevor der Staat besteht, notwendig zum Überleben (Ehe, Familie), nützlich zum guten Leben (Berufsgenossenschaften). Die jeweilige Zustimmung auf dieser zweistufigen Ebene ist motiviert durch den Vorteil, den jeder Symbiot aus der jeweiligen Gemeinschaftsart ziehen kann. Insofern es auf die Zustimmung der Einzelnen ankommt, gelten sie als freie und gleiche Personen. Das Kriterium der freiwilligen Zustimmung setzt also in der Ausprägung der Zustimmungsfähigkeit auf einen Individualismus.113 Während bei den so genannten privaten Gemeinschaften auf den einzelnen Symbioten abgestellt wird (II  4), ist auf der Ebene der öffentlichen Gemeinschaften nicht länger der Einzelne als Glied dieser Gemeinschaft zu betrachten: „In der öffentlichen Gemeinschaft verbinden sich mehrere private Gemeinschaften, um eine rechtlich verfasste Ordnung (politeuma) zu begründen.“ (V  1) Mangelt es hier, soweit der systematische Beginn der öffentlichen Gemeinschaften untersucht wird, an einer den privaten Gemeinschaften entsprechenden Zustimmung freier und gleicher Personen? Althusius zieht sich auf eine deskriptive Position zurück: „Die Körperschaft (die Stadt, P.  K.) ist eine durch feste Gesetze gebildete Gemeinschaft von Ehegatten, Familien und Kollegien, die an demselben Ort wohnen.“ (V  8) Die Teilaussage „durch feste Gesetze gebildet“ wiederholt die Geltung des symbiotischen Rechts. Scheinbar losgelöst von einem legitimatorischen Individualismus bestimmen sich die „Glieder einer Körperschaft“ als „die verschiedenen privaten Gemeinschaften“, „nicht hingegen die einzelnen Glieder der Gemeinschaft“ (V  10). Für die Provinz sind die Glieder „ihre Ordnungen und Stände“ (VIII  2), „[a]ls Glieder des Reichs oder der symbiotischen universalen Gemeinschaft bezeichne ich nicht einzelne Menschen, auch nicht Familien oder Kollegien, wie in einer privaten oder öffentlichen besonderen Gemeinschaft, sondern vielmehr mehrere Städte, Provinzen und Regionen“ (IX  5).114 Demzufolge käme es zur Legitimation nicht mehr auf die individuelle Zustimmung an. Ottmann spricht im Anschluss an Georg Jellinek Althusius trotz der auf Zustimmung beruhenden Ordnung den Bezug auf die Individuen überhaupt ab und markiert dies – darin Guiseppe Duso folgend – als ein fehlendes Element einer modernen Staatstheorie.115 Zur Widerlegung sei auf eine zentrale Textstelle der Herrschaftsbegründung verwiesen: „Denn nach dem Naturrecht sind alle Menschen gleich … und keiner Jurisdiktion unterworfen, es sei denn, sie unterstellen sich durch eigene Zustim113  Zurückhaltender

Wyduckel 1988, 470  f. zu den Regionen: XXXIII  94. 115  Ottmann 2006, 97; Duso 2002, 18  ff. m. w. N. 114  s.



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mung und freiwillig einer fremden Herrschaft und übertragen ihre Rechte einem anderen.“ (XVIII  18) Durch den Stellenwert, den die communicatio in der Politiklehre des Althusius einnehmen wird, könnte man überdies „eine Debatte über die Rolle des Individuums in der Gesellschaft und über die Freiheit zur Initiative“ entzünden.116 Unterdessen ist unter membrum der Gegensatz zum ganzen Verband, zum populus in corpus unum zu verstehen. Damit ist die Verfassung im Sinne eines körperschaftlichen, föderal gegliederten Verwaltungsaufbaus ausgesagt, ohne dass legitimatorische Kriterien tangiert werden. Der föderal gegliederte Aufbau ist jedoch von der Frage der Legitimation des Gesamtverbandes zu trennen. Stellt man auf die freiwillige Zustimmung Einzelner als das entscheidende Legitimationskriterium ab, findet sich im Vertrag das Mittel der Wahl. Folglich müsste sich für alle Gemeinschaftsarten der Politica ein pactum als Begründungstatbestand finden (I  2, 6, 29). Die privaten familiären Gemeinschaften schließen nach Althusius einen Vertrag, der sich als „besonderer Vertrag“ (II  2) auf der „Übereinstimmung der Herzen“ (II  5), bei den Hausgenossen auf „Übereinkunft oder ein Treueversprechen“ (II  39) gründet. Die Berufsgenossen werden „Vertragschließende“ (contrahentium) genannt (IV  2), sie vereinbaren ihre Ordnung „aufgrund gegenseitiger Übereinkunft einvernehmlich“ (IV  12, u. ö.). Die erste Stufe eines politischen Gemeinwesens, die civitas, rechtfertigt sich als ein Zusammenschluss der Bürger. Sie „sind Bürger eben dieser Körperschaft aufgrund ihres Zusammenschlusses und zwar deshalb, weil sie aus der privaten Symbiose heraustreten und sich zu einem Gemeinschaftskörper verbinden.“ (V  10) Missverständlich formuliert ist daher, wenn die Glieder einer Stadtgemeinde als die verschiedenen privaten Gemeinschaften der Ehegatten, Familien und Genossenschaften bezeichnet werden, hingegen nicht die einzelnen Glieder der privaten Gemeinschaften. Das heißt in der Umkehrung bloß, nicht jedem steht der Bürgerstatus zu, ebenso wie nicht jedermann Mitglied eines Kollegiums wird („Familienvater und Hausherr“, IV  3). Es sind die Bürger, die die Bedingungen ihres Zusammenlebens festlegen (V  12), sie entscheiden unter einvernehmlicher Zustimmung (consensus), ob jemand das Bürgerrecht erhält (V  16), mit ihrer Zustimmung ist dem Senatskollegium die Verwaltung und Leitung der kommunalen Rechtsgemeinschaft übertragen (VI  48). Als consociatio verwirklicht sich die civitas in den Drei Gemeinschaften der Sachen, der Leistungen und des Rechts. Das Legitimationskriterium findet sich entsprechend als Zustimmung zu den Drei Gemeinschaften wieder. Durch „Konsens und Vertrag“ wird festgelegt, was die Gemeinschaft der Sachen unter den Gliedern und Bürgern sein soll (VI  17), die Dienstleistungen werden – sofern sie von anderen geschuldet, nicht bloß erhofft sein sollen – „aufgrund eines 116  Eine

solche will Povero mit seinem Artikelbeitrag eröffnen, ders. 2010, 145.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Vertrages“ geleistet (VI  35), schließlich ist das Satzungsrecht als gewillkürter Teil des symbiotischen Rechts nur dann legitim, wenn es „die ganze Gemeinde als für alle Bürger gemeinsam festgesetzt und mit allgemeiner Zustimmung gebilligt hat“ (VI  43). Insoweit die kommunalen Körperschaften sich später selbst wieder mit anderen zusammenschließen, so dass letztlich die universale consociatio entsteht, handelt die einzelne civitas als zustimmungsfähige „repräsentierte Person“, die zur Stellvertretung der individuellen Zustimmung unter den Bedingungen des symbiotischen Rechts autorisiert ist (V  9, 55). Die auf der zweiten Stufe eines politischen Gemeinwesens, der Rechtsgemeinschaft der Provinz, zu leistenden „Pflichten der Gerechtigkeit“ legitimieren sich ebenfalls „aufgrund gemeinsamer Übereinkunft“ der „in der Provinz symbiotisch Zusammenlebenden“ (VII  12). Die eine Provinz konstituierenden Übereinkommenden sind jedoch weder – wie in den kommunalen Körperschaften – die Provinzbürger noch die kommunalen Körperschaften selbst. Stellt man auf die eine Provinz umfassenden „Dörfer, Kleinstädte, Lager und Großstädte“ ab, bieten diese territorialen Gebietseinheiten keine Legitimationsgrundlage. Dass sie „gesellig vereint und miteinander verbunden“ (consociatas & devinctas, VII  1) sind, ist das Ergebnis. Die „Glieder der Provinz“ sind die Stände und Kollegien, „in die die Bewohner nach Maßgabe ihres Gewerbes, Berufes und ihrer Tätigkeit sowie aufgrund der Art und Verschiedenheit ihrer Lebensweise eingeteilt sind.“ (VIII  2) Gleichwohl ist es die »bürgerliche Gesellschaft« (societas civilis provincialis, VII  28), die es zu regieren gilt. Es deutet sich eine bestimmte Inkonsistenz des Provinzkapitels im Gesamtrahmen der Politica insoweit an, als die Einteilung in Ordnung und Stände als gegeben angesehen wird, ohne dass die vormalige politiktheoretische Legitimation der Kollegien als „selbstgewählte und rein freiwillige Gemeinschaften“ noch eine Rolle spielt. Steht die Zustimmung der einzelnen Genossen in den legitimationstheoretischen Ausführungen des einschlägigen Kapitels IV  noch ganz im Vordergrund und rundet der empirische Befund, wonach „man heute in den meisten Gegenden das Volk einer Stadt, einer Provinz, eines Reiches oder Gemeinwesens nach der Art des Gewerbes und Berufs oder auch nach der Art und Verschiedenheit der Lebensweise in drei Ordnungen, Stände oder größere allgemeine Kollegien einzuteilen [pflegt]“, das Lehrstück lediglich ab (IV  30). Den ständischen Gliederungen der Provinz, den so genannten Landständen haftet dagegen die Macht des Faktischen an. Althusius wechselt daher seine Argumentationsstrategie und fügt erst im Kapitel über die provinziale Verwaltungsorganisation »nebenbei gesagt« zentrale Fragen der Legitimation und der Zustimmung hinzu. Das Zustimmungserfordernis erreicht einen kritischen Zustand. Aus der Darstellung zur Provinz allein ist die Frage nach der Legitimität der ständischen Kreationsorgane nicht mit hinreichen-



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der Klarheit zu beantworten. Erst aus der Zusammenschau der „Lehre der Provinz“ und der Darstellung über die »demokratische« Legitimation in den vorpolitischen Genossenschaften (IV) erhellt sich, dass den Landständen keine ursprüngliche Legitimationsträgerschaft zur Provinz zukommt, sondern ihre Kompetenz zur Begründung des politischen Gemeinwesens Provinz lediglich indirekt aus einer Legitimationskette abgeleitet ist. Der alle Konsoziationen rechtfertigende Vertrag als Muster der gegenseitigen Selbstverpflichtung (I  29) findet in der „Lehre der Provinz“ keine den vorherigen Gemeinschaften entsprechende Aufnahme und Ausformung. In den Mittelpunkt der beiden Kapitel über das provinziale Gemeinwesen rückt Althusius vielmehr die Untersuchung über die Rechtsordnung (VII) und die Verwaltung (VIII) (VII  2 a. E.). Nichtsdestotrotz ist das Kriterium individueller Zustimmung präsent. Dem weltlichen Stand der Provinz, der den Adel, den Stand der Stadtgemeinden und der Landbewohner umfasst, wird „mit Zustimmung der Provinzbewohner“ (VIII  40) die Sorge um das Gemeinwohl gemeinsam mit dem von den Kirchengemeinden und -kollegien gewählten geistlichen Stand überantwortet werden. Beständig wird jeder einzelne Symbiot zur schlüssigen Vertragserfüllung, d. h. zur stets erneuten Zustimmung durch tätiges Verhalten aufgefordert (VII  8, 9, 10, 19). Die sich aus der „Praxis der politischen Gerechtigkeit“ (praxis justitiae politicae) ergebenden öffentlichen Pflichten leisten die Symbioten „aufgrund gemeinsamen Beschlusses“ (consensu & syncretismo, VII  12). Selbst die Währungseinheit einer Provinz entsteht „durch Austausch und Übereinkunft unter den Symbioten“ (VII  63). Eine gewisse Diskrepanz besteht allerdings in den Beteiligungsrechten des sog. dritten Standes der Landbewohner. Äußert Althusius seine ablehnende Haltung gegenüber einer Beteiligung von „ungebildeten, vom Land stammenden, unwissenden und unerfahrenen Menschen“ an der Regierung (VII  40), so tritt er andererseits gegen die (historische) Vorenthaltung eines Standesrechts im provinzialen Gemeinwesen (der Niederlande) ein. „Den dritten Stand der Landbewohner erkennen einige Provinzen nicht an, wie auch die meisten belgischen Provinzen, Holland, Seeland, Westfriesland, Geldern und Groningen nur zwei Stände oder Ordnungen haben, den des Adels und den der Städte … Doch sollte dieser meines Erachtens aufgrund der Vielfalt seiner Tätigkeiten sowie der praktischen Erfahrungen wegen zugelassen werden.“ (VIII  40) Der politische Lehrer argumentiert in Bezug auf die Beteiligung nicht legitimationstheoretisch, sondern pragmatisch. Der inmitten stehende „consensus provincialis“ erstreckt sich mithin auch auf die Landbewohner, das provinziale Gemeinwesen legitimiert sich auch durch ihre Zustimmung. Über ihre Ständevertretung sind sie sogar indirekt an der Regierung beteiligt, sollen aber als „unwissende und unerfahrene Menschen“ nicht „an die Spitze des Gemeinwesens“ treten.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Mit der nächsten Stufe ist schließlich die universale Gemeinschaft erreicht, welche sich ebenfalls auf einen Konsens gründet. Fraglich ist, auf wessen Willensübereinstimmung es nunmehr ankommt. Das Eigentum am Gemeinwesen steht dem Volke als dem Träger der Souveränität zu. Doch wie wird aus den Einzelnen eine Gesamtheit, wie wird das Volk zum Volk? „Durch das Reichsrecht (jus regni) werden sie untereinander gleichsam wie ein Volk in einem Körper unter einem Haupt gemeinschaftlich vereint und fest verbunden“ (IX  12). Der populus in corpus unum, als der das Gemeinwesen alternativ bezeichnet wird, ist „durch den Konsens mehrerer sym­ biotischer Gemeinschaften und miteinander verbundener besonderer Körperschaften unter einem Recht zusammengeschlossen“ (IX  3). Demnach ist nicht auf die Zustimmung der einzelnen Personen abzustellen, die als Reichsbewohner (regnicolae, IX  5) in politischer Hinsicht zu Bürgern (aktiv) und Untertanen (passiv) werden. Die Mitgliedschaft zum Gesamtverband wechselt erneut, diesmal von den Bürgern (Städte) und Ständen (Provinzen) zu Städten und Provinzen, eine Logik derivativer Legitimation ist erkennbar.117 Gleichwohl steht ursprünglich hinter dem inmitten stehenden Konsens unter den Gliedern des Gemeinwesens „das Versprechen vieler verschiedener Menschen und Stände“ (IX  8). Als komplexe Lebensgemeinschaft (societas vitae mista) gründet sich das universale Gemeinwesen sowohl auf die privaten als auch auf die öffentlichen Gemeinschaften (partim ex privata, naturali, necessaria, spontanea; partim ex publica constituta, IX  3). Dennoch bleiben die privaten Gemeinschaften der Familien und Kollegien wegen der Stufenfolge der Gemeinschaften als Vertragspartner unberücksichtigt. Den einzelnen Bürgern, Familien und Ständen fehlt die Eigenschaft „wesentliche Teile“ (partes essentiales) zu sein (IX  5 a. E.). „Als Glieder des Reichs oder der symbiotischen universalen Gemeinschaft bezeichne ich nicht einzelne Menschen, auch nicht Familien oder Kollegien, wie in einer privaten oder öffentlichen besonderen Gemeinschaft, sondern vielmehr mehrere Städte, Provinzen und Regionen, die übereingekommen sind, durch wechselseitige Verbindung einen gemeinschaftlichen Körper zu bilden.“ (IX  5) Die Legitimität des politischen Gemeinwesens rückt damit von einem zunächst durchaus individualistischen zu einem kollektivistischen Zustimmungserfordernis vor. Die Städte, sofern es sich um „freie“ Gebietskörperschaften, d. h. frei von provinzialer Herrschaft im Sinne von Kapitel 6 § 2, handelt, sind über Wahlen und Abstimmungen autorisiert (VI  50), mit Wirkung für und gegen (V  64) ihre Bürger, Verträge mit anderen Städten 117  Dass Althusius neben den Städten und Provinzen auch Regionen zu den Mitgliedern zählt, bleibt außer Betracht. Die Regionen sind bislang als unspezifische Territorialbezeichnungen behandelt, die lediglich synonym für Provinzen verwendet werden (VI  14; VII  1; VIII  50; vgl. aber XXXIII  94: Verbindung verschiedener benachbarter Provinzen zu zehn Reichskreisen).



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und Provinzen zu schließen. Die Provinzen sind politiktheoretisch ebenso legitimiert, sich mit anderen zur Bildung eines universalen Staatsgebildes zusammenzuschließen. Allerdings steht bei der Darstellung der provinzialen Gebietskörperschaften mehr noch als bei den Kommunen der aktuelle empirisch-praktische Aspekt im Vordergrund, wonach das öffentlich-rechtliche Handeln der Teilkörperschaften nach Konstituierung eines Gesamtstaates beleuchtet wird. Augenscheinlich wird dieser Umstand, sofern von den „Privilegien“ die Rede ist, die den unteren Gliederungen „heute“ »von oben« eingeräumt sind (z. B. V  68, 1. Alt.; VI  48; VIII  53, 88–91). Die Stellvertretung, die die Städte und Provinzen als „repräsentierte Person“ bei der Bildung des politischen Gemeinwesens ausüben, ist eine Lösung, die über das individuelle Legitimationsdefizit hinweghilft. Das Rechtsinstitut der Stellvertretung wird erneut in Anspruch genommen werden, wenn es um den vorweggenommenen Einwand der historisch-faktischen Unmöglichkeit allseitiger Zustimmung geht. Wie schon im Zusammenhang mit der eremitischen Lebensweise aufgezeigt und wie es im legitimatorischen Paternalismus der Kollegien anklingt („Familienvater und Hausherr“), kommt es in Bezug auf das politische Gemeinwesen weder auf die Zustimmung des Einzelnen noch auf die Zustimmungswürdigkeit in dem Sinne an, dass man die Zustimmung »beliebig« erteilen kann, sondern darauf, ob man umgekehrt dem zwangsbewehrten Gemeinwesen die Zustimmung vernünftigerweise vorenthalten kann. Konsoziationen-Stufe

Mitglieder

Ehe

Mann und Frau

Familie

Einzelne Familienmitglieder und Hausgenossen

Kollegium (Zünfte und Stände)

Berufskollegen / Bürger (Hausväter)

Stadt

Ehegatten und Kollegen als Bürger

Provinz

Stände (Kollegien)

Staat

Freie Städte und Provinzen

Wiederum sind es die Drei Gemeinschaften der Sachen, der Leistungen und Rechte, die schon in allen Gemeinschaftsarten vergegenständlicht sind, die das Band (vinculum) des Gemeinwesens ausmachen: „Das Band dieser körperschaftlichen Gemeinschaft ist der Konsens unter den Gliedern des Gemeinwesens und das gegenseitig gegebene und empfangene Treuegelöbnis, d. i. das stillschweigende oder ausdrückliche Versprechen, untereinander Sachen und Dienste, Rat und Hilfe sowie die damit verbundenen Rechte gemeinschaftlich zu teilen“ (IX  7).

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Die Zustimmung muss nach der Quod-omnes-tangit-Regel einstimmig erfolgen, was weiter keine Schwierigkeiten bereitet, da sie ausdrücklich oder stillschweigend, d. h. durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann. Ein enger Konsensbegriff wird allerdings nicht im Zusammenhang mit der Begründung der Gemeinschaften gebracht, sondern erst als Kriterium besonderer Beschlussfassung nach Konstituierung eines staatlichen Gemeinwesens. Im Erst-recht-Schluss gilt die Einstimmigkeit daher auch bei der Konstituierung. Einstimmigkeit ist immer dann erforderlich, wenn die Einzelnen in ihren subjektiven Rechten betroffen sind: Denn, was die Einzelnen in ihrer Eigenschaft als Einzelne berührt, muss auch von ihnen gebilligt werden und nicht von einer Mehrheit (IV  20; V  64). Die als Leistungs- und Formzwang auftretenden Einwirkungsbefugnisse erscheinen den zustimmenden Zwangsbetroffenen weniger als Zwang, denn als den Zwecken der Bürger dienlich zu sein. Unbeschadet des psychologischen Empfindens bleibt der Zwangscharakter gleichwohl bestehen. Legitim sind die Eingriffsbefugnisse, wenn sie jedem Symbioten einen Anspruch auf unveräußerliche Rechte gewähren. Althusius räumt diese als Freiheitsrechte (Recht auf Leben, körperliches Unversehrtheit, Gesundheit, Eigentum und Ehre) und als Mitwirkungsrecht ein.118 Die Zustimmungsfähigkeit der Einzelnen ist (in einer ununterbrochenen Legitimationskette) als impliziter Bestandteil des symbiotischen Rechts anzusehen, wonach „die Wirkursache der politischen Gemeinschaft die Übereinstimmung und der Vertrag (consensus et pactum) sich vereinigender Bürger ist.“ (I  29) Die Zustimmung der Einzelnen und die sich daraus ergebende Vereinbarung zwischen den einzelnen Symbioten gilt als unbedingte Voraussetzung für alle Gemeinschaften: „Mitunter ist eine Gemeinschaft größer und umfassender, mitunter kleiner und begrenzter, je nachdem was für die Eigenart der Gemeinschaft als erforderlich angesehen wird oder es zwischen den Symbioten vereinbart und beschlossen ist.“ (I  21) Von der Zustimmung zur vertraglichen Vergemeinschaftung zu trennen ist die Abstimmung in den Wahlen zur Regierung. Die Wahl soll nicht „durch Abstimmung der Unwissenden oder der großen Zahl“ erfolgen, hier wird nicht jeder Symbiot, sondern lediglich „ausgesuchte kluge Männer“ zur Wahl zugelassen (VII  40; vgl. auch XXXII  89). Problematisch ist vor diesem Hintergrund die Aussage, dass auf der Stufe des universalen Gemeinwesens, zur Kommunikation (communicatio) „auch Widerstrebende gezwungen werden“ können (IX  7). Das stellte einen eklatanten Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis dar, das bislang auf 118  Z. B.: „Deshalb muss den Bewohnern der Provinz ein gewisses Maß an Freiheit bewahrt bleiben, wobei alle zusammen wie auch die Einzelnen darauf achten, an der Sorge für das Gemeinwesen beteiligt zu werden.“(VIII  3).



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Freiwilligkeit beruhte. Indes ergibt die Aussage, ohne dem Leitgedanken der Zustimmung entgegenzustehen, dann einen widerspruchsfreien Sinn, wenn man sie auf das Verhalten eines Widerstrebenden bezieht, der zuvor stillschweigend – da Schweigen als Zustimmung gilt (vgl. VIII  21)  –, oder ausdrücklich ein gegenseitig gegebenes und empfangenes Treuegelöbnis abgegeben hat. Das widerstrebende Glied des Gemeinwesens verhielte sich demnach selbst widersprüchlich und treulos. Althusius führt Platon an, der die Treue als das Fundament der menschlichen Gesellschaft bezeichne. Die derart betroffene Bundestreue ist wehrhaft ausgestaltet, so dass sie sich zu einem Bundeszwang entwickelt, der auf die (Wieder-)Herstellung der gestörten Kommunikation abzielt.119 Nach dem Grundsatz »Dem Zustimmenden geschieht kein Unrecht« ist ein Bundeszwang legitimer Bestandteil der Gemeinschaftstrias, gegen den nur unter tyrannischen Bedingungen ein Widerstandsrecht bestehen kann (XXXVIII  76). Durch die wechselseitige Verbindung begibt sich das Glied auch nicht seines eigenen Rechts, denn, „daß die verschiedenen Provinzen des Reichs sich nichtsdestoweniger eines je unterschiedlichen und besonderen Rechts bedienen steht dem nicht entgegen“ (IX  7). Kollidierende Rechtsnormen sind im Hinblick „auf den Nutzen des ganzen Gemeinwesens und die Gemeinschaft“ zur jeweils optimalen Entfaltung zu bringen (IX  8). Wie jede Gemeinschaft, die auf das Zusammenwirken ihrer Mitglieder angelegt ist, fordert auch die universale consociatio zur Gewährleistung ihrer Existenz, dass ihre einzelnen Glieder nicht allein ihre bestehenden Eigeninteressen, sondern auch das Interesse der jeweils anderen Glieder sowie das Gesamtinteresse angemessen berücksichtigen. Insbesondere bei den Städten, Dörfern und Weilern, die nicht als „freie Städte“ in direkter Beziehung zum Gesamtverband stehen, sondern dem Einflussbereich der Provinzen unterstellt sind, ist die universale consociatio auf die Mitwirkung der Provinzen angewiesen. 2. Das Recht der Symbiose „Als am Anfang der Welt das Menschengeschlecht wuchs und die Familie sich gleichsam ausdehnte, konnten nicht mehr alle Menschen an einem Ort zusammenwohnen und als einzige Familie angesehen werden. Da zwang sie die Notwendigkeit dazu, verschiedene und voneinander getrennte Wohnstätten, Weiler und Dörfer zu errichten, schließlich hier und da kleinere und größere Städte zu gründen“ (IV  3).120 „Denn die menschliche Gesellschaft 119  Daher geht Hüglin in seiner Einschätzung fehl, wenn er von einer „Autonomie der Kommunikation auf jeder Konsoziationenstufe“ ausgeht und keinen „obrigkeitlichen“ Zwang erkennt, ders. 1991, 138–141. 120  Koch dagegen sieht einerseits keine „historische Herleitung“ des Gemeinwesens, dies. 2005, 157. Gleichzeitig sagt sie, dass „Althusius der Gedanke einer Ent-

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

gelangt in bestimmten Stufen fortschreitend von den kleineren privaten zu den größeren öffentlichen Gemeinschaften“ (V  vor 1). Die Vereinigung von Menschen nimmt nach der Politica erst dann politische Relevanz an, wenn zur tatsächlichen eine rechtliche Ebene betreten wird (I  2, 6, 31, u. ö.; II  5, 6; u. ö.). Neben den natürlichen Vergemeinschaftungstrieb des Menschen (I  32) tritt das Gebot der Vernunft, sich aus Notwendigkeit und zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuschließen (I  4; u. ö.). Beide Wege vollziehen sich in den Formen des symbiotischen Rechts, das die Ordnung darstellt, innerhalb derer die Kommunikation von Gütern und Leistungen stattfindet. Wenn sich die einzelnen Gemeinschaften, diese sich schließlich zur universalen Gesellschaft verfassen, geschieht dies stets faktisch und rechtlich. Eine solcherart verstandene Verfassung unterscheidet sich als vorstaatliche Existenz von einer Verfassung des Staates. Das jus symbioticum als das der Symbiose eigene Recht (I  10) liegt dem jus regni der universalen consociatio naturgemäß voraus.121 Das jus regni (und nachgeordnetes staatliches Recht) führt und leitet die unter dem jus symbioticum verfasste Gesellschaft, wirkt jedoch nicht in das symbiotische Recht hinein. Erst unter dessen Anwendung kann von einer „engen Verbindung“ (consociatio) überhaupt gesprochen werden. Mit anderen Worten kann sich eine consociatio und Symbiose immer erst dann »in guter Verfassung« befinden, wenn in ihnen das symbiotische Recht verwirklicht ist. Dies bedeutet, dass, bevor sich der Staat über einen etwaigen »Vertrag« legitimiert, mit dem die staatliche Herrschaft über die öffentliche symbiotische Ordnung gerechtfertigt wird, die gerechte Gestalt des zukünftigen Staates bereits entschieden ist, weil die Entscheidung, schon die Gesellschaft rechtsförmig einzurichten, bereits gefallen ist. Form und Konzept einer solchen politischen Ordnung im vorstaatlichen Sinne werden vom Verfasser der Politica stringent bis zur Gefährdungsstufe der Gewaltherrschaft durchdekliniert. Hinter dem das vorstaatliche Gemeinwesen prägende symbiotische Recht stehen antike Ordnungs- und Gerechtigkeitsprinzipien: „autarkeia, eunomia & eutaxia“ (I  10; XIX  1; u. ö.), Selbständigkeit und -genügsamkeit, gute Gesetzlichkeit und gute Ordnung. Sie werden in der althusischen Theorie wicklung von der kleinsten zur nächst größeren Einheit nicht fremd“ ist, dies. 2005, 157  f. 121  Diese These von einem vorstaatlichen Recht der consociatio, das sich aus der »Natur« der Symbiose ableitet, widerspricht der Annahme van Eikema Hommes, der keinerlei „Dualismus“ zwischen Naturrecht und positivem Recht bei Althusius feststellen will. Nach van Eikema Hommes „fungiert das Naturrecht … als das Ganze der materiellen Rechtsprinzipien, die nur in einer positiv-rechtlichen Form zu geltendem Recht werden können“, ders. 1988, 371 u. ö. Dem jus symbioticum räumt er in seiner Untersuchung keinen Raum ein (378  f.). Kritisch zu van Eikema Hommes auch: Krawietz 1988, 405  ff. Missverständlich Friedrich, der Althusius gleichsam als Hobbesianer sieht, ders. 1975, 79.



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als diejenigen rechts- und staatskonstituierenden Leitgedanken ausgemacht, die sich weiterhin zur rechts- und staatsnormierenden Gerechtigkeit entfalten werden.122 Nach seinem Verständnis der Politik als Fundamentalwissenschaft legitimiert Althusius selbst noch das symbiotische Recht, welches unter den Anwendungsbedingungen der Staatlichkeit zunächst für den Staat konstituierend, anschließend für das staatlich gesetzte Recht normierend wirkt. „Die Gemeinschaft des Rechts liegt darin, dass die Symbioten unter gerechten Gesetzen zusammenleben und sich durch diese leiten lassen. Man nennt dies das Gesetz der symbiotischen Gemeinschaft oder auch das symbiotische Recht“ (I  10). Die Gemeinschaft des Rechts (communio juris) sorgt für eine gerechte Ausgestaltung der beiden anderen Gemeinschaften der Güter und Leistungen. Sie besagt die Herrschaft des Gesetzes (lex propria) und das Gesetz der Herrschaft (lex communis). Dabei erschöpft sich das symbiotische Recht nicht in der Dichotomie von Befehl und Gehorsam, sondern ist als Rechtsgemeinschaft ein Inbegriff der in der menschlichen Gesellschaft wirksamen sozialen Regeln. Diese symbiotische Rechtsgemeinschaft gewährleistet in regelförmiger Weise den »Leistungszwang« der Gemeinschaften der Güter und Leistungen. Rechtsfrei zusammengefundene Menschen sind dagegen ein Haufen, eine bloße Zusammenrottung (V  4), sie leben ein „tierhaftes Leben“ (XXI  18; u. ö.). Die Prämisse rechtlicher Verfasstheit autoritativ verstärkend zitiert Althusius zum einen aus einer Plutarch zugeschriebenen Quelle, danach „das Wort Politie … zunächst die Gemeinschaft des Rechts (communicatio juris, P.  K.) [bezeichnet]“ und des Weiteren im Paulusbrief an die Philipper auch Politeuma genannt werde (I  5). Das symbiotische Recht bildet die rechts- und staatsnormierende Gerechtigkeit der menschlichen Gemeinschaft ab. Umgekehrt stellt das Politeuma die Verkörperung einer „rechtlich verfassten Ordnung“ unter sym­ biotischem Recht dar.123 „Als politeuma im allgemeinen Sinne wird das Recht und die Fähigkeit der gemeinschaftlichen Teilnahme und Teilhabe … bezeichnet, die von den gesellig vereinten Gliedern zum Leben des verfassten Körpers beigetragen werden. Es kann auch symbiotisches öffentliches Recht genannt werden.“ (V  5) Die symbiotische Rechtsordnung findet sich unterdessen sowohl in den vorpolitischen, d. h. privaten (II  5–7) als auch in den öffentlichen Gemein122  Zur

Terminologie vgl. Höffe 1999a, 58  ff. Wolf übersetzt Politeuma mit „politische Gemeinschaft“ (Wolf 1950, 129 für V 5, bzw. unübersetzt gelassen für I  5), Carney mit „citizenship“ und „political order“; Janssen übersetzt wechselnd mit „rechtlich verfasste Ordnung (V 1), „körperschaftliches Bürgerrecht“ und „Bürgerrecht“ (V 14, 12). 123  E.

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schaften (z. B. V  5, 12; VII  3 a. E.; vgl. I  5).124 Dort ist es „das, was der Einzelne in der privaten Gemeinschaft dem jeweils Anderen zu gewähren hat. Dies ist je nach Natur der privaten Gemeinschaft unterschiedlich.“ (II  6) Hier bildet es das Recht ab, das „unter den Bürgern festgelegt“ ist. Es ist dann ein den Bürgern gemeinsames exklusives Bürgerrecht und erstreckt sich nicht auch auf „Fremde und Auswärtige“ (VI  39). „Daraus ergibt sich das politeuma als symbiotisches Recht der Stadt, das auch Stadtrecht (jus civitatis) genannt wird.“ (VI  15) Die kommunale Körperschaft heißt dementsprechend eine „durch feste Gesetze gebildete Gemeinschaft“ (V  8). Die strenge Rechtsförmigkeit setzt sich sowohl in der Bindung des Stadtregiments als auch der Bürgerpflichten an genau festgelegte Bestimmungen fort (V  23). Insofern ist das symbiotische Recht nicht länger universales, sondern »lokales« Recht einer bestimmten Konsoziation und wird unter dem besonderen Schutz der staatlichen Rechtsordnung stehen (vgl. X  6). Althusius verzichtet darauf, den Politeuma–Status eigens für die universale Gemeinschaftsebene des Staates zu wiederholen, da das symbiotische Recht als „öffentliches Recht“ den Inbegriff aller in sämtlichen Gemeinschaftsarten geltenden Normen bedeutet.125 Wenn der Autor später in seiner Regierungslehre vom gemeinen Recht (jus commune) oder vom Naturgesetz (lex naturalis) spricht, fehlt eine Aussage, wonach es sich um das symbiotische Recht handelt. Eine solche innere Abhängigkeit muss aus dem argumentativen Zusammenhang geschlossen werden. Hendrik van Eikema Hommes deutet die lex communis als Naturrecht (XXI  19  ff.), die lex propria als positive Gesetze (XXI  30  ff.).126 Zugleich behauptet er, dass das allgemeine Recht der Natur keine „per se“ geltende Ordnung darstellt, Al­ thusius vielmehr den Dualismus von Naturrecht und positiven Gesetzen überwinde.127 Dabei übersieht van Eikema Hommes jedoch, dass beide Begriffe bereits im Zusammenhang mit dem symbiotischen Recht verwendet und mit Inhalten versehen wurden. Die Definition des allgemeinen Gesetzes in der Regierungslehre stimmt nicht mit derjenigen überein, die Althusius vom allgemeinen und beständigen Gesetz des symbiotischen Rechts im Eingangskapitel vornimmt (vgl. XXI  19  ff. und I  11  ff.). Ebensolches gilt für das besondere Gesetz: Das besondere Gesetz der Regierungslehre wird „vom Magistrat aufgesetzt und erlassen“ (XXI  30), das 124  So auch Scattola, der hervorhebt, dass es öffentliche Gemeinschafts- und Ordnungsformen ohne jus majestatis gibt, ders. 2002, 219. 125  So im Ergebnis auch Scattola 2002, 223, der den Unterschied zwischen jus regni und jus symbioticum am Begriff der majestas der inmitten stehenden Gemeinschaftsart festmacht. Das Politeuma des Staates ist nach ihm lediglich eine Variante schon bestehender Gemeinschaftsordnungen. 126  Van Eikema Hommes 1988, 373  ff. Kritisch Krawietz 1988, 405  ff. 127  Van Eikema Hommes 1987, 373  ff.



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besondere Gesetz des symbiotischen Rechts ist die Einrichtung der Gemeinschaft „wie die Symbioten es untereinander vereinbart und beschlossen haben“ (I  21). Diese Unterschiede müssen nach hier vertretener Ansicht zur Kenntnis genommen und angemessen berücksichtigt werden. Die dichotomische Differenzierung von »allgemeinem und besonderem« Recht begegnet zumal bei der Darstellung des jus regni, ohne dass daraus van Eikema Hommes auf einen naturrechtlichen und positivrechtlichen Anteil der Souveränität schließen würde (vgl. X  4 mit XXI  20 sowie X  8 mit XXI  32  ff.). Das Naturrecht, auf das Althusius in Kapitel 21 eingeht, ist das „allen Menschen von Gott eingepflanzte“ allgemeine Gesetz (XXI  19). Nach dieser lex communis erkennt der Mensch mittels „des von Gott eingeprägten Erkenntnisvermögens“ und der „ihm eingeborenen Neigung“, „durch einen verborgenen Instinkt seiner Natur“, „das zu tun, was er als gerecht und richtig einsieht“ (XXI  20). Es heißt daher moralisches Gesetz, dass auch allen Heiden gemeinsam ist (XXI  19, 29). Aus diesem Prinzip wird „das Gerechte erschlossen und Recht gesprochen“ (XXI  32). Es unterscheidet sich demnach deutlich vom symbiotischen Recht als einer lex specialis der Symbiose. Althusius formuliert hinsichtlich der Untersuchung des gerechten Gehalts von positiven, so genannten besonderen, hier: den jüdischen Gesetzen, eine allgemeine Regel, an der sich alles (positive) Recht messen lassen muss. Es gilt nur dasjenige als mit moralischem Naturrecht übereinstimmend und der natürlichen Billigkeit entsprechend, was „auf der Grundlage allgemeiner rechter Vernunft oder gerechter analoger Schlussfolgerung“ aus diesem Prinzip geschlossen werden kann. Vernunft und Natur treten sich nicht als Gegensätze, sondern als einander bedingende Wesenheiten gegenüber: Naturrecht ist Vernunftrecht und umgekehrt (vgl. XXI  19; XXXIX 8).128 Diese Voraussetzungen erfüllt unter anderen zeremoniellen und forensischen Gesetzen der Dekalog, obwohl er als besonderes mosaisches Gesetz zunächst nur bei den Juden gilt. „Aber allen Menschen ist dieses Gesetz insofern vorgeschrieben, als es mit dem allen Völkern gemeinsamen Naturgesetz übereinstimmt“ (XXI  29). Christus hat nun „von diesem allgemeinen Recht“ zwei Hauptpunkte aufgestellt: die Pflicht, Gott zu ehren, und die Pflicht, den Nächsten zu lieben (XXI  22). Beide Pflichten sind bereits vergegenwärtigt im ersten und zweiten Teil des mosaischen Gesetzes. Damit ist der Dekalog auch für die Christen verbindlich (XXI  22). „Wenn zu diesem äußerlichen, bürgerlichen Leben … der wahre Glaube hinzukommt, … dann wird es zur Gänze theologisch.“ (XXI  41) Die „Gerechtigkeit der Ungläubigen“ stimmt gegenüber der „Gerechtigkeit der Christen“ daher nur mit der zweiten Tafel überein, die auf das praktische Leben „in Worten, Taten und Werken“ gerichtet ist (XXI  41). Sofern Althusius sich auf die 128  Dagegen:

Malandrino 2010, 18.

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Autorität Christi beruft und auf das „bloß spekulative“ (mere speculativa) Leben zu Gottes Ehren abstellt, steht er in der Gefahr, sein Postulat von der Wissenschaftsdifferenzierung zu verletzen.129 Um den Grundsatz der von ihm so genannten „Homogenität“ zu genügen, schöpft er daher den politisch-praktischen vom kontemplativen, „spekulativen“ Gehalt des Dekaloges ab. Also hebt er hervor, dass die „Ungläubigen und Heiden“ zwar nicht das Wohlgefallen Gottes finden, dennoch „im politischen Leben … gerecht, unschuldig und aufrecht genannt werden“ können. Deshalb treten im „äußerlichen, bürgerlichen Leben“ seiner Rechtslehre bisweilen „natürliches, göttliches und menschliches Recht“ nebeneinander (vgl. XVIII  22; XXIV  49). Hinzu kommt, dass sich nicht alle Grundannahmen der Naturrechtslehre, wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker oder das Naturrecht auf Verteidigung gegen Gewalt und Unrecht „jeder gegen jeden“, aus dem Dekalog entnehmen lassen (XVIII  20; XIX  69). Immer dann weist der Verfasser auf „das Recht der Natur“ als Rechtsquelle hin, die im Übrigen mit einem passenden Schriftbeleg untermauert wird. Das Naturrecht bedeutet – entgegen der Ansicht von Eikema Hommes – eine geltende Rechtsordnung in foro interno: Vor dem Gewissen ist es für alle Menschen verpflichtend. Die positiven Gesetze stellen nun sicher, dass auch diejenigen Christen wie Heiden, in deren Gewissen das gerechte Tun und Handeln, die „Liebe zur Tugend“ nicht bzw. in nur geringem Maße ausgeprägt ist, jedenfalls im äußerlichen Leben ein gesetzmäßiges Verhalten zeigen und gegebenenfalls dazu gezwungen werden können (vgl. XXI  31). Das »allgemeine« Recht der Natur bedingt das »besondere« Recht der Symbiose, das vom hier eingenommenen Standpunkt aus ein vernunftrechtlich und theologisch geprägtes Naturrecht sowie mannigfache Sitten und Bräuche darstellt. Wo immer eine consociatio besteht, gilt das symbiotische Gesetz als der unter den Symbioten und den Gliedern der Konsoziationen wirksame und lebendige sittliche Maßstab von gut und böse, gerecht und ungerecht, anständig und unanständig, menschlich und unmenschlich. Das symbiotische Recht ist in einem steten Wandel begriffen, der der Gültigkeit jedoch nicht abträglich ist. Es ist nämlich in Umfang und Anwendbarkeit von der Größe und den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Gemeinschaft abhängig (I  19–21; II  6; V  4). Dementsprechend fordert die symbiotische Rechtsordnung, dass staatliches Recht durch »symbiotisches Gewohnheitsrecht« durchbrochen werden kann und umgekehrt, symbiotisches Recht durch positives Recht hinreichend konkretisiert werden muss. Zahlreich sind die Stellen in der Politica, an denen Abmachung und Gewohnheit, Gerichtsbrauch und örtliche Satzung die Anpassungsfähigkeit des symbiotischen Rechts unter Beweis stellen (V  56, 66; VI  5; VII  26  f.; 129  Vgl.

Vorwort 1610, 13; Vorwort 1603, 17  f.



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VIII  57). In der Leistung, sich den Erfordernissen der jeweiligen Gemeinschaftsart anzupassen, keimt die Idee der Subsidiarität in der Konsoziationenlehre. „Diese Gesetze sind in den einzelnen Gemeinschaften verschieden, je nachdem, wie es ihre Eigenart erfordert.“ (I  19) Problematisch ist, dass deswegen Lehrsätze nicht so eindeutig anwendbar sind, dass es bei unverhandelbaren Gewissheiten bleibt. Als beispielhaft kann gelten, wenn der Autor dem Kollegium einerseits keine ebenso große „Amtsgewalt, Autorität und Jurisdiktionsbefugnis wie der Körperschaft selbst“ zugesteht, andererseits diesen Grundsatz wieder zur Disposition stellt: „es sei denn durch Gesetz oder Vertrag wäre etwas anderes festgesetzt“ (V  56). Dem Erfordernis, dem konsensualen Willen der Symbioten Rechnung zutragen, kommt zwar eine Vertragskonstruktion entgegen. Doch selbst vor der Souveränität des Volkes macht die vertragliche, hier fundamentalgesetzliche Regelungsfreiheit keinen Halt (XIX  74, 75). Hier kollidiert ein Rechtsgrundsatz (Volkssouveränität) mit einem anderen Rechtsgrundsatz (»pacta sunt ser­ vanda«), ohne dass Althusius eine Kollisions- und Konkurrenzregelung formuliert. Gleichwohl hat die Gemeinschaft des Rechts zwei Funktionen inne, die nicht zur Disposition stehen. Zum einen bezieht sie sich auf die „Leitung und Lenkung des gesellschaftlichen Lebens“ und formuliert sich in für die Politica typisch dichotomischer Weise, als ein „allgemeines“ (lex communis) sowie als ein „besonderes Gesetz“ (lex propria). Zum anderen gibt sie „Art und Weise sowie das Maß“ den beiden übrigen Gemeinschaften der Güter und Leistungen vor. Letztere Aufgabe übernimmt mit gleichlautendem Auftrag das weltliche jus regni (X  2). Zielt das Naturrecht allgemein auf das fromme und gerechte Leben der Menschen, stellt das symbiotische Recht insbesondere auf die vita socialis, auf das gemeinschaftliche Leben ab. Es nimmt die „fromme und gerechte Lebensgemeinschaft“ als Ziel in sich auf, ohne das überkommene theologisch überladene Naturrecht zu kopieren (I  3). Als ein Sonderrecht der Symbiose verbindet es sich mit den Kategorien von Notwendigkeit und Nutzen. Es stützt sich im Besonderen auf die Autarkie der Symbiose. Autarkie bedeutet, dass die Konsoziationen alles das bieten, was die Symbioten zum „angemessenen und glücklichen Leben“ brauchen, da der Einzelne gerade nicht autark ist. Hobbes’ und Lockes’ Verständnis von Naturrecht als den notwendigen Bedingungen menschlichen Überlebens vergleichbar, ist das symbiotische Recht eine geltungstheoretische Neubestimmung des Naturrechts für das Leben in der Symbiose. Ist das symbiotische Recht nunmehr naturhaft vorhanden oder muss es gestiftet werden? Ist die »Herrschaft des Gesetzes«, die das symbiotische Recht als lex propria festschreibt, gar ein »göttliches Gesetz«? „Besondere sind die jeder Gemeinschaft eigenen Gesetze, durch die sie regiert wird.“

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

(I  19) Das „besondere Gesetz“ des symbiotischen Rechts, woran sich die Ordnung der jeweiligen Gemeinschaften ausrichtet, wird von den Symbioten „untereinander vereinbart und beschlossen“, mithin originär gestiftet (I  19–21; V  5). In einer für die jeweilige Gemeinschaftsart angemessenen Ausgestaltung geht jedoch die zweite Tafel des Dekalogs, die Goldene Regel und das Nächstenliebegebot unter den vertragsschließenden Symbioten als verbindliches Recht ein (I  23). Darin unterscheidet sich Althusius deutlich von der Naturrechtslehre Luthers. Zum menschlichen Naturrecht zählt dieser beide Tafeln des Dekalogs.130 Das göttliche Gesetz (lex divina) ist nach dem Wittenberger jedoch vom menschlichen Naturrecht zu trennen. Althusius nennt den in der zweiten Tafel des Dekalogs geoffenbarten göttlichen Willen „moralisches Gesetz“ (X  8) und „Gerechtigkeit“ (IX  31). Die lex propria des symbiotischen Rechts ist indessen nicht identisch mit diesem moralischen Gesetz, denn diesem werden aufgrund der Anpassungsbedürftigkeit menschliche Vernunfteinsichten hinzugefügt (vgl. X  8). „Es ist also ganz und gar notwendig, dass dieses besondere Gesetz … weder vollständig widerspricht noch vollständig mit ihm übereinstimmt und mit ihm identisch ist“ (XXI  32). Althusius argumentiert in der Hauptsache vernunftrechtlich und sodann mit einem theologischen Naturrecht. Es handelt sich dabei gleichsam um eine Schnittmengenargumentation.131 Erkennbar wird dies, wenn Althusius bei der Erläuterung der besonderen symbiotischen Gesetze den politischen Teil des Dekalogs, das Nächstenliebegebot sowie die Goldene Regel „hierher“ (huc pertinet …, I  23; vgl. auch X  7) einordnet und unter das symbiotische Recht subsumiert. In Entsprechung zur Anpassungsfähig- und -bedürftigkeit des symbiotischen Rechts gilt für das moralische Gesetz, dass staatliche Gesetze „aufgrund der Umstände in gewissen Punkten vom moralischen Gesetz abweichen [können]“ (X  8). Sofern die lex propria als auf die jeweiligen Gemeinschaften angewandtes göttliches Recht verstanden wird, stellt sich das symbiotische Recht in seiner Ausprägung als „besonderes Gesetz“ als wandelbares Naturrecht dar (vgl. auch XXI  30–33).132 In dem Bekenntnis, dass „Gott als Schöpfer der Natur und des Rechts“ auftritt, laufen die beiden Argumentationsstränge schließlich zusammen (XVIII  59). Das symbiotische Recht bildet danach 130  Böckenförde

2002, 384  ff. (387). Eikema Hommes geht jedoch zu weit, wenn er für Althusius keinen Unterschied von Naturrecht und göttlichem Recht feststellt, ders. 1988, 374–376. Diese Annahme liegt unter anderem darin begründet, dass van Eikema Hommes das symbiotische Recht in seinem eigenen Geltungsanspruch verkennt und nicht in die überkommenen Kategorien von Naturrecht (jus commune) und positivem Recht (jus proprium) einpassen kann. 132  Vgl. zur Veränderlichkeit des Naturrechts schon Aristoteles Nikomachische Ethik V, 10 (1134b34–35) sowie Magna Moralia I, 33 (1194b30–1195a7); siehe dazu auch Böckenförde 2002, 107  ff. 131  Van



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das auf die jeweilige Gemeinschaft angewandte Vernunftrecht, das mit göttlichem Naturrecht in Einklang steht, ohne wesensgleich mit ihm zu sein (vgl. XXI  18 a.  E). Althusius verbindet mit Hobbes die Emanzipation von einem theologischen Naturrecht und vom theologischen Begriff des Naturgesetzes.133 Der Autor der Politica ist bemüht, einen juristischen Gesetzesbegriff zu präzisieren und für die Staatslehre zu etablieren, der sich vom natürlichen und moralischen Gesetz unterscheiden lässt (XXI  19–33). Die »Säkularisierung« des Gesetzesbegriffs zeigt sich deutlich an der Bindungswirkung durch die leges fundamentales.134 Das „allgemeine Gesetz“ des symbiotischen Rechts, das auch das beständige (lex perpetua) genannt wird, klärt die Grundfrage nach Herrschaft und Gehorsam. Für Augustinus und Thomas von Aquin war die lex aeterna noch allein für das göttliche Gesetz reserviert.135 Mit Duns Scotus setzt eine Erneuerung des Begriffs ein, nach dem die zweite Tafel des Dekalogs kein striktes Naturrecht mehr darstellt.136 Allgemeines und beständiges, von den kontingenten Bedingungen der jeweiligen Konsoziationenart unabhängiges Gesetz ist für Althusius aber die personale Herrschaft.137 Die Herrschaft des Rechts, die sich im „besonderen Gesetz“ des symbiotischen Rechts findet, wird ergänzt durch das Recht der Herrschaft, wonach „es in jeder Art der symbiotischen Gemeinschaft Gebietende …, aber auch Gehorchende oder Untergeordnete gibt.“ (I  11) Der politische Lehrer führt das Recht zur Herrschaft auf zwei Legitimationsgrundlagen zurück: Nach der Zinsperikope stammt „alle Gewalt und politische Herrschaft von Gott“ (I  12 unter Verweis auf Röm 13; u. ö.), zugleich ist Herrschaft aufgrund des übereinstimmenden Willens der Bürger gerechtfertigt (I  2, 6, 27, 29; vgl. XXI  30–33; u. ö.). Es bedarf eines ausdrücklichen oder stillschweigenden Willensakts als einem innerweltlichen menschlichen Anwendungsbefehl, um aus der göttlichen lex aeterna die symbiotische lex perpetua zu machen (XXI  31, 33). „Denn nach dem Naturrecht sind alle Menschen gleich und keiner Jurisdik133  Oestreich

1969, 175; Llanque 2008, 180  f. in diese Richtung tendierend: Link 1979, 48 (Fn.  17). Vgl. aber Rü­ thers 1999, 259, der in Althusius gar einen der Wegbereiter des Vernunftrechts der Aufklärung erkennt. Ebenfalls als Vorbereiter des „rationalistischen Naturrechts“ sieht ihn Bloch 1977, 59  ff. Dagegen nimmt ihn Hans Welzel in: Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, Göttingen 1955 überhaupt nicht wahr. Für van Eikema Hommes hat Althusius den Dualismus zwischen Naturrecht, d. h. auch göttlichem Recht und positivem Recht überwunden; van Eikema Hommes 1988, 372, 377  f., 382–384. 135  Ottmann 2004, 213; Böckenförde 2002, 197  ff., 226  f., 276  ff.; Rüthers 1999, 244  f. 136  Böckenförde 2002, 276  ff. (279). 137  Daher irrt van Eikema Hommes, wenn er annimmt, die „Idee der lex aeterna“ fehle bei Althusius; ders. 1988, 379. 134  Ebenso

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tion unterworfen, es sei denn, sie unterstellen sich durch eigene Zustimmung und freiwillig einer fremden Herrschaft und übertragen ihre Rechte einem anderen.“ (XVIII  18) „Denn zu Beginn des Menschengeschlechts gab es keine Herrschaftsgewalten“. Das symbiotische Recht wird konsensual legitimiert, es gründet nicht mehr allein im Glauben sondern im Wissen um Nutzen und Notwendigkeit und dem diesbezüglichen Wollen der Symbioten. Gegenüber dem symbiotischen Naturrecht und dem göttlichem Gesetz buchstabiert der politische Denker die Eigenständigkeit staatlichen Rechts insofern, als es dem „Naturrecht oder der moralischen Billigkeit nicht gänzlich entgegengesetzt sein“ darf (X  8; vgl. auch XXI  30).138 Die Ineinssetzung von Naturrecht und moralischer Billigkeit (jus naturalis seu moralis aequitas) bedeutet ein weiteres Mal, dass die althusische Naturrechtslehre an antike Epikievorstellungen anknüpft. Althusius widmet sich in Kapitel 21 schließlich der Stellung von moralischem Gesetz und staatlicher Verwaltung. Dort wird das Attribut „moralisch“ auf das Naturgesetz ausgedehnt, das „auch allen Heiden gemeinsam ist“ (XXI  19  f., 29, 33). Das „moralische Gesetz“ ist das „allgemeine Gesetz“ der Natur, wonach „Vernunft von der Natur der Dinge ausgegangen (war), die zum rechten Handeln antreibt“ (XXI  19).139 Christus habe dieses vorgefundene „allen Völkern gemeinsame Naturgesetz … wiederholt und bestätigt“ (XXI  29). Die lex consociationis & symbiosis, als die das symbiotische Recht auch bezeichnet wird (I  10), fungiert als Bindeglied zwischen der lex moralis des Dekalogs und den staatlichen Gesetzen. Es macht sich anheischig, das menschliche Naturrecht zu sein, das Recht, anstatt auf den Glauben, auf „Selbstgenügsamkeit, gute Gesetzlichkeit und gute Ordnung“ auszurichten. Die Wissensvermittlung der Bedingungen des Gelingens menschlicher Vergemeinschaftung gehört zum didaktischen Grundanliegen der althusischen Lehre. Der Verfasser der Politica wird daher zu Recht zu einem Fortentwickler des Vernunftrechts gezählt.140 Die Betonung, dass sich das Recht aus »der Natur« der Konsoziationen, also »aus der Sache« ergibt, bringt den calvinistischen Autor mit der katholischen Rechtsschule von Salamanca in Verbindung, deren Vertreter Vásquez und Covarruvias Althusius vielfach zitiert.141 Mit ihnen teilt Althusius die Ansicht, dass selbst Gott das Recht 138  Was bereits durch Wilhelm von Ockham deutlich herausgearbeitet wurde: Böckenförde 2002, 304  f. 139  Diese Stelle übersieht van Eikema Hommes, wenn er allein den göttlichen Schöpfungswillen, nicht dagegen die „natürliche Vernunft des Menschen“ als Grund für das Naturrecht ansieht, ders. 1988, 387. 140  Statt vieler Rüthers 1999, 446. 141  Reibstein diskutiert, ob Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca betrachtet werden kann. Siehe auch: ders. 1972, 166  ff.



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nicht (mehr) verändern kann, dass das Naturrecht für alle Menschen gleich ist (XIX  11; XXI  26, 29; u. ö.). Der Verfasser der Politica argumentiert an dieser Stelle in mente, als wenn es keinen Gott gäbe. Dann wäre aus »der Natur« der Symbiose heraus dieses symbiotische Recht gültig, das sich „vor allem“ (potissimum) auf Autarkie, Eunomia und Eutaxia gründet. Das mosaische Gesetz spielt in diesem Begründungszusammenhang nur eine nachgeordnete Rolle. Wenn es einen Gott gibt, dann kann er dieses symbiotische Recht nicht abschaffen, denn „auch der allmächtige Gott [kann] das nicht tun …, was schlecht ist und seiner Natur widerspricht“ (XIX  11); neben die erste Rechtsquelle der Symbioten tritt allerdings ein zweiter Rechtsgrund, der im Willen Gottes liegt (vgl. XXI  16, 18). Danach hat Gott als „Schöpfer der Natur“ allen Menschen das allgemeine Gesetz der Natur „ins Herz geschrieben“ (XXI  20). Spiegelt sich der Anspruch auf eine Eigengesetzlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Staat, der zunehmend regulierend in die Rechtssphäre seiner Untertanen eingreift, in der Politische Theorie vor allem des 19. Jahrhunderts wider, so rückt vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Rechts für die consociatio erneut ins Blickfeld der Betrachtung. Weil die consociatio als Rechtsgebilde das Urbild aller Gemeinschaften, d. h. der ursprünglichen natürlichen Gemeinschaften wie auch der Gesellschaft und des Staates in sich trägt, bedürfte es eigentlich keiner »Eigengesetzlichkeit« im Sinne der Autonomie der Gemeinschaft. Althusius sieht nun aber die abstrakte Gefahr einer Gewaltherrschaft als existentielle Bedrohung für jede Symbiose. Im näher zu bezeichnenden Widerstandsfall sieht die politische Lehre des Herborners das symbiotische Recht daher auf der Seite der consociatio als Gesellschaft, ganz so wie schon das symbiotische Recht auf der Seite der Ehefrau gegen ihren tyrannischen Ehemann steht (vgl. XXXVIII  78, 88  ff.). Es wandelt sich zurück in eine von staatlichem Zwang unabhängige »autonome und öffentliche Gewalt«. Der tyrannische Staat bzw. die tyrannische Herrschaft lösen sich von ihren Existenzbedingungen, die im symbiotischen Recht liegen. Als ein Sonderrecht der Gesellschaft tritt das symbiotische Recht in Opposition zum Unrecht des Staates, als das es sich im Spiegel der symbiotischen Rechtsordnung zeigt. Mit anderen Worten ist die Autonomie der Gesellschaft im symbiotischen Recht aufgehoben. Im Widerstandsfall gegen tyrannische Herrschaft nimmt das symbiotische Recht seine ursprüngliche Stellung als das Recht der (guten) Gemeinschaften notfalls auch gegen staatliches Recht ein. Die mannigfachen Gemeinschaften, die sich in der Gesellschaft zusammenfinden, können sich an dem Punkt, an dem sich der Staat von der Gesellschaft löst und aufhört Gemeinwesen zu sein »mit Recht« gegenüber dem Staat behaupten. Cum grano salis: das symbiotische Recht verhindert geradezu eine staatliche Autonomie von der Gesellschaft und eine Eigengesetzlichkeit (sic!) des Staates.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

3. Gesellschaft und Vertrag Althusius wird gemeinhin zu den Vertretern der deutschen naturrecht­ lichen Doppelvertragslehre gezählt, wie sie vor allem durch Samuel Pufendorfs Naturrecht Eingang in die Politische Theorie erhalten hat.142 Danach müsste eine klare Trennung zwischen einem Vereinigungsvertrag, der die Menschen zu einer Gesellschaft verbindet, und einem Unterwerfungsvertrag, der die Herrschaft staatlicher Gewalt begründet, vorliegen. Dagegen wird jedoch nicht angemessen berücksichtigt, dass die consociatio der Politica sich nicht aus einem Naturzustand zu einer Gesellschaft überhaupt erst begründet, sondern dass bereits die bürgerliche Gesellschaft im Sinne der societas civilis ein politisches Gemeinwesen darstellt. Als solche begegnet ihr schon die Frage nach der politischen Legitimation. Die consociatio des Althusius bedeutet vor der Konstituierung des höchsten Magistrats eine öffentliche Herrschaftsordnung, die aufgrund der Drei Gemeinschaften der Güter, Leistungen und Rechte einer solchen politischen Rechtfertigung bedarf. Das Konzept politischer Ordnung ist daher in einem weiteren Sinne zu begreifen; es liegt in der konsensualen, kommunikativen Herrschaft, die sich der Form des Vertrages bedient. Den ersten Vertrag bezeichnet daher der Ausdruck »Gesellschaftsvertrag« nur unzureichend, da nicht eigentlich die menschliche Gesellschaft begründet wird, sondern die consociatio unter den Anwendungsbedingungen des symbiotischen Rechts als politisches Gemeinwesen. Vor diesem Hintergrund handelt es sich beim ersten Vertrag in der Politica vielmehr um einen rechtsbegründenden Vertrag, dem ein staatsbegründender Vertrag im engeren Sinne folgt.143 Althusius legitimiert also zunächst das Recht durch die Metapher eines Vertrages.144 Die Menschen „übertragen ihre Rechte“ und „unterstellen sich durch eigene Zustimmung und freiwillig einer fremden Herrschaft“, wobei die „fremde Herrschaft“ zuerst das Regime des symbiotischen Rechts darstellt, an das sich die staatliche Herrschaftsgewalt anknüpft (XVIII  18). Im rechtsbegründenden Konsoziationenvertrag wird der Inbegriff der Regeln des Zusammenlebens legitimiert: „Die wechselseitige Kommunikation oder Gemeinschaftspraxis kommt durch gemeinsame Güter, Leistungen und Rechte zustande, die dem vielfältigen Bedürfnis 142  Pufendorf, De jure naturae et gentium VII  2, §§ 7  ff.). Jüngst noch von Hohberger vertreten, ders. 2008, 119  ff. 143  Ablehnend: Krawietz 1988, 409. Vgl. a. Fisch 1990, 916  ff., der von einer „calvinistisch-monarchomachischen“ Doppelvertragslehre ausgeht und den ersten Vertrag der beiden Verträge im Religionsvertrag sieht. Hohberger geht von einer unklaren Gemengelage von Beauftragungsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Herrschaftsvertrag sowie einem Beamtenvertrag aus, ders. 2008, 89  ff., 119  ff. 144  Höffe 1999a, 51; ders. 1994, 442  f.



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der Einzelnen wie aller Symbioten zusammen Rechnung trägt, die Unabhängigkeit und Hilfe zum Leben in der menschlichen Gesellschaft sichert oder das gesellschaftliche Leben begründet und bewahrt. Deshalb sagt Cicero, das Volk sei eine Vereinigung (coetus), die sich aufgrund rechtlicher Übereinstimmung und des gemeinschaftlichen Nutzens wegen zusammengeschlossen hat.“ (I  7)

Der rechtslegitimierende Vertrag wird in einer der jeweiligen Konsozia­ tionenart angemessenen Weise stets aufs Neue geschlossen bzw. durch schlüssiges Verhalten bestätigt. Demnach gibt es nicht »den« Gesellschaftsvertrag. Die Übereinkommen der Ehegatten, der Familien, der Berufsgenossen usf. konstituieren die Gemeinschaften des Rechts, der Güter und Leistungen immer wieder. Die aus der Gemeinschaftstrias herausragende Gemeinschaft des Rechts „liegt darin, dass die Symbioten unter gerechten Gesetzen zusammenleben und sich durch diese leiten lassen“, noch vor und auch unter der öffentlichen Gewalt des Staates. „Aus dem Gesagten folgern wir, dass die Wirkursache der politischen Gemeinschaft die Übereinstimmung und der Vertrag (consensus et pactum) sich vereinigender Bürger ist. Dies geschieht in der Form der wechselseitigen Verbindung, in der die Menschen das politische Miteinander durch die Gemeinschaft der für das gesellschaftliche Leben notwendigen und nützlichen Dinge begründen, pflegen, fortsetzen und erhalten.“ (I  29)

Kersting nennt Althusius in der Politischen Philosophie des Gesellschaftseinen „alteuropäischen Denker, der sich das Vertragsmotiv ausleiht, um aristotelische koinonia-Vorstellungen nachzubuchstabieren.“145 Die Polemik wird der durchaus streitbaren Leistung nicht gerecht. Richtig ist, dass Althusius das Wort koinonia anfänglich verwendet (etwa I 9).146 Doch entspricht die Verwendung des überkommenen Begriffs eher dem stoischen zoon koinonikon als einem aristotelischen zoon politikon („Operarum κοινωνία est …“).147 Höffe weist überdies darauf hin, dass es sich nicht um alternative Konzepte „Aristoteles oder Vertragstheorie“, sondern eher um ein „Sowohlals-auch“ handelt, das Althusius in der Politica entwickelt hat.148 Ist gerade der Übertragung der „koinopraxia“ (I 7) als Kommunikation (communicatio) von Sachen, Leistungen und Rechten – sogar unter den heutigen Bedingungen der Globalisierung – eine adäquate neuzeitliche, kultur- und epochenübergreifende Weiterentwicklung zu versagen?149 vertrags

145  Kersting

1994, 220. Vgl. auch Fisch 1990, 917. zum Verhältnis von koinonia und communicatio neuerdings Povero 2010, 135–145 sowie Miegge 2010, 147  ff., ebenfalls mit begriffsgeschichtlicher Intention Zwierlein 2010, 176  ff. 147  Vgl. Böckenförde 2002, 140. 148  Höffe 1999a, 50. 149  In I  2 der Ausgabe von 1603 fügt Althusius dem Wort „χοινοπραξιον“ erläuternd praestatio (Gewährleistung) und communicatio hinzu. 146  Vgl.

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Die consociatio bietet das, was zum autarken Zusammenleben „notwendig und nützlich“ ist durch „wechselseitige Teilhabe“ (I  2). Notwendig sind die Mittel, um angemessen, nützlich sind die Mittel, um gut leben zu können. Früh wird deutlich, dass die althusische Lebensgemeinschaft kein Sozialverhältnis minimalen Anspruchs ist. Idealtypisch vereint die consociatio Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Angemessenheit und Glück der Symbioten (I  3). Sie stellen die Ziele der Gesellschaft dar. Nur in der Symbiose entfalten sich Tugenden (I  4), nur dort verwirklicht sich des Menschen geistiges und sittliches Potential. „Heil und Hilfe“, „Nutzen und Gewinn“, „Unabhängigkeit und Hilfe“, „für Leib und Seele förderliche Lebensführung“ gewährt die consociatio unter den Bedingungen der „wechselseitigen Teilhabe“ der „einander Helfenden“. „Anteil zu nehmen und zu geben“ bedeutet die „Lasten“, die sich mit den Vorteilen einer Gemeinschaft einstellen, gemeinsam zu tragen. „So beginnt der Mensch, über die Mittel nachzudenken  …“, die ihm ein angemessenes und gutes Leben gewähren (I  4). Das »Nachdenken über die Mittel« erstreckt sich auf die Einrichtung, Pflege und Bewahrung des Gemeinwesens. Zu den die consociatio wesentlich bestimmenden Merkmalen zählt eine freundschaftliche Gesinnung und Grundhaltung gegenüber dem je anderen Symbioten, das Miteinander-Wollen, gleich ob in den Familien, in den beruflichen Genossenschaften oder in den politischen Gemeinschaften unterschiedlicher Stufe (II  8  f., 14, 46; II  20; IV  23; V  20; VI  28, 35, 46; VII  8, 11, 13; VIII  3, XVII  28; u. ö.). Sie ist nicht bloß Zweck-, sondern stets Solidargemeinschaft, Gemeinschaft auf Hilfe und Gegenseitigkeit. Die althusische Konsoziationentheorie lässt im Vergleich zu späteren Vertragstheorien viel eher das pactum als Metapher, denn als Austausch von Rechtsgütern erkennen.

4. Die Kommunikationsgemeinschaften der Sachen, der Leistungen und des Rechts Die Drei Gemeinschaften sind Conditio sine qua non für das politische Gemeinwesen des Staates (I  31; IX  2). Sie stellen für Althusius die Seinsbedingungen aller sozialen Gebilde dar, sie bedeuten das emphatisch-verstärkende Präfix con- im Wort consociatio. Schon in den vorstaatlichen Stufen begleiten sie die consociatio, sofern sich die Wissenschaftsbetrachtung auch auf vorstaatliche Gemeinschaften erstreckt. Sie selbst sind „Gegenstand der Politik“, weil sie „die Regeln der Gemeinschaft bestimmter Dinge und Leistungen sowie des Rechts [sind], das heißt all dessen, was jeder zur Symbiose und zum gemeinsamen Vorteil des gesellschaftlichen Lebens recht und billig beiträgt.“ (I  31) Die Gemeinschaftstrias beinhaltet dasjenige, was für die Symbiose „notwendig und nützlich“ ist: das Gemein-



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wohl. Althusius geht realistisch von unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen der Menschen aus. Angesichts der kontingenten Lebenssachverhalte, der unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse, gleichwohl auf ein Gemeinwohl zu erkennen, stellt eine Aufgabe dar, deren Lösung für den politischen Denker in der Gemeinschaftstrias als den notwendigen Bedingungen menschlicher Interaktion liegt. Je größer die Gemeinschaftsart wird, desto größer das Bedürfnis nach der Gemeinschaftrias (II  3; V  4), da die freiwillige, nicht geschuldete Solidarität auf der sozialen Wesensstufe der Menge abnimmt. Sie verstehen sich nicht als bloßer ökonomischer Tausch von Gütern, Dienstleistungen und Rechten. Die Drei Gemeinschaften erbringen ineinandergreifende universelle Leistungen: zunächst koordinieren sie die Glieder des Gemeinwesens in einer der jeweiligen Konsoziationenart entsprechenden Weise, sodann beugen sie Konflikten vor, schließlich ermächtigen sie staatliche und nichtstaatliche Handlungsträger und Institutionen und rechtfertigen Eingriffe in die Rechtssphäre der Gemeinschaftsmitglieder. Getauscht werden demnach Verpflichtungen und Einwirkungsbefugnisse auf der Grundlage freundschaftlicher Gesinnung. Der politische Tausch gewährleistet den Symbioten eine regelgerechte Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwesen als Gesamtverband der „omnes et singuli“. Die zu leistenden Beiträge zielen einerseits auf ein Allgemeininteresse (omnes), andererseits dienen sie zugleich dem Einzelnen als einem der „singuli“ (z. B. VI  17  ff.; XVII  15). Althusius geht dabei von kontingenten Lebenssachverhalten aus, wonach die Interessen und Bedürfnisse der Menschen (z. B. I  35; VII  15; VIII  3) ebenso wie die der Gemeinschaften (z. B. I  20; VIII  3, 52; XVIII  16) so vielgestaltig sind, dass eine konkrete Festschreibung für alle und jeden zu jeder Zeit zugunsten der Offenheit des stets aufs Neue zu bewältigenden Vergemeinschaftungsprozesses unterbleiben muss.150 In diesem Sinne sind die Drei Gemeinschaften universal. Sie verstehen sich daher als Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Handlungsfähigkeit in einem politischen Gemeinwesen. Sie bedingen eine Herrschaft der Regeln, der auch die zu bestellende Obrigkeit unterworfen ist. Den positiven Leistungen der Gemeinschaftstrias, die den Menschen als Kooperationswesen verpflichten, korrespondieren auf der anderen Seite »negative« Rechte, hinter denen das zweite Gesicht des Menschen als Konfliktwesen erkennbar wird. Gewährleistet wird die Freiheit von willkürlicher Gewalt in Form der Integrität von Leib und Leben (X  6; u. ö.), des Schutzes des Eigentums (X  6; u. ö.), der Bekenntnisfreiheit und in gewissem Umfang sogar Religionsfreiheit (IX  43, 45; XVI  17; XXVIII  62, 66; vgl. aber auch: 150  Dies

hebt zu Recht Krawietz hervor, ders. 1988, 417.

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IX  41; XXVIII  52).151 Die Drei Gemeinschaften finden sich in allen Konsoziationen ausgeprägt.152 Die hypostatischen Gemeinschaften des Eingangskapitels lassen auf den ersten Blick an einen Kommunismus denken.153 In der engen Verbindung der consociatio wäre allen alles gemein. Insbesondere die »Gemeinschaft der Sachen« erinnert an eine Besitzgemeinschaft, in der kein Privateigentum vorgesehen ist. Der Wortlaut der Legaldefinition (I  8) lässt keine eindeutige Aussage zu. Res kann im Singular die Bedeutung von Hab und Gut, von Vermögen haben. Die Bestimmung in § 8 trägt hingegen die Überschrift Rerum communicatio. Die Verwendung des Wortes res im Plural legt es nahe, nicht das gesamte Vermögen, sondern lediglich Sachen und Gegenstände als Teil eines Ganzen zu erfassen. Zudem erfolgt die weitere Aus­ gestaltung der res communes als rerum communicatio, als Gewährung und Mit-Teilung, wohingegen etwa die jura communia als juris communio, als Rechtsgemeinschaft bezeichnet wird. Es lässt sich aus der propädeutischen Textstelle nicht mit hinreichender Sicherheit ermitteln, in welchem Umfang die Symbioten ihre Güter dem Gemeinwesen zusteuern. Offenbar entstehen die res nicht sogleich in Gemeineigentum, so dass die Symbioten gehalten sind, von dem, was zunächst ihnen zufällt, einen gewissen Teil an die Gemeinschaft abzutreten. Die Wechselseitigkeit „trägt dem vielfältigen Bedürfnis des Einzelnen wie aller Symbioten zusammen Rechnung“ (I  7). Die Symbioten werden verpflichtet, das jeweils Angemessene (commode) einzubringen (I  6). Eine Verstaatlichung der Produktionsmittel ist damit ausge151  Antholz dagegen sieht Althusius als entschiedenen Gegner jeden religiösen Liberalismus, ders. 1954, 70. Ebenso Miegge 2010, 155, der insoweit seinen Interpretationsversuch abbricht, weil er „nicht zum Profil des militanten Calvinisten Al­ thusius [passt]“ (sic!). 152  Überschriften zu Kapitel IV (Kollegien): „Die Gemeinschaft der Sachen“ (§ 9); „Die Gemeinschaft der Dienstleistungen unter den Kollegen“ (§ 12); „Die kollegiale Rechtsgemeinschaft“ (§ 16). Überschrift zu Kapitel VI  (Kommunen): „Die Gemeinschaft der Sachen unter den Bürgern“ (§ 17); „Die Gemeinschaft der Leistungen“ (§ 28); „Die Stadtrechte“ (§§ 39–40). Für die Provinz: „Die Rechtsgemeinschaft besteht darin, in gegenseitiger Teilnahme und Teilhabe von Tätigkeiten und Sachen den in der Provinz Lebenden sowohl als Einzelnen wie als Gesamtheit ihrem Bedürfnis und Nutzen entsprechend all das zukommen zulassen, wodurch ein frommes und gerechtes Leben gepflegt und erhalten wird.“ (VII  3) „Die öffentlichen Güter der Provinz dienen dem allgemeinen Nutzen und werden für den Gebrauch den Notwendigkeiten entsprechend vorsorgend bereit gehalten“ (VII  64; näheres in XVII). Gemeinschaft von Tätigkeiten und Sachen auf der Ebene des Reichs (XVI  2; XVII; Anwendungsbefehl in IX  1 u. 2). 153  Vgl. schon die Sozialismusthese bei Friedrich 1975, 72, 94, 126, 140  f. (sogar Nähe zum Anarchismus, ders. 1975, 84).



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schlossen. Allein für die Ehe spricht die Politica davon, dass die Eheleute in einer Gemeinschaft aller Güter und des Rechts leben (II  46); schon in der Familie sind die Eltern nur noch gehalten, ihren Kindern einen „Anteil“ an allem, was sie haben, zu gewähren (III  37; quid peculiare inter se commune habendum & conferendum, II  2). Es wird Aufgabe des Staates und der Regierung sein, „persönliches Gut“ (bonis ipsorum) vor unrechtmäßigen Übergriffen zu schützen (I  17; u. ö.). Fraglich bleibt, wie umfangreich der Leistungszwang besteht. Beschränkt sich das Eigentumsrecht auf Dinge des täglichen Bedarfs und persönlichen Gebrauchs? Gehen die Früchte der Arbeit, die über den Bedarf zur Deckung der eigenen Lebensbedürfnisse hinausgehen, in Gemeinschaftseigentum über (die Bauern bringen ihren Ertrag „für die Gemeinschaft“ ein [II  19], der Kaufmann lässt seine Waren und Dienste „den Symbioten zukommen“ [II  34])? „So wie das Gesetz ein gemeinschaftliches ist, sind es auch Geschäfte und Kassen ebenso wie die Lasten“ (II  11). Althusius geht von einer (prämodernen) arbeitsteiligen (II  27; VI  32), auf dem freien Austausch von Waren und Diensten beruhenden Wirtschaftsordnung aus, die sich auf sozialpflichtigem Eigentum gründet. Die „Verteidigung und Bewahrung der Besitztümer und Güter eines jeden Symbioten“ stellt für ihn keinen »Diebstahl an der Allgemeinheit« dar, sondern gehört zum Grundbestand der „allgemeinen Pflichten, die jeder der Symbioten dem Anderen zu leisten gehalten ist“ (VII  10); Privateigentum – und in der Folge das Erbrecht – ist ein Menschen- und Bürgerrecht. (X  6 a. E.; II  44; III  37; u. ö.). Es entsteht nicht erst aus einem Konsens über ein zunächst bestehendes Gemeineigentum. Damit redet der Verfasser der Politica den Vertretern des zukünftigen Liberalismus wie John Locke das Wort. Der „redliche Gewinn“ stellt eine „Vergütung für die mühevolle Arbeit“ dar (II  35). Von dem, was man allein aufgrund der arbeitsteiligen Struktur erwirtschaften kann, fließt ein Teil in das Kommunikationssystem zurück; insofern sind die „Geschäfte und Kassen ebenso wie die Lasten“ gemeinschaftlich. Verallgemeinernd gesagt „werden die Vorteile und Lasten einer Gemeinschaft jeweils ihrer Natur entsprechend (Hervorheb. P.  K.) empfangen oder getragen.“ (I  7, s. auch I  20) Egalitäre, genossenschaftliche Kooperationsmuster und liberale Grundfreiheiten laufen in der Gütergemeinschaft der althusischen Schrift zusammen. Der Staat stellt sich daraufhin als »nationale Gütergemeinschaft« dar. Er wird seinen Leistungszwang in Form von Abgaben und Steuern von jedem Symbioten „je nach seinen Möglichkeiten und Kräften“ einfordern dürfen (VII  61; u. ö.). Eine die Symbioten erdrückende Steuerlast ist Kennzeichen tyrannischer Herrschaft (XXXVIII  19). Die Scheidung von »Mein und Dein« ist für Althusius – im Gegensatz zu Hobbes – bereits vorstaatlicher Natur. Die Ausnahme gemeinschaftlichen Besitzes im familiären, häuslichen Bereich bestätigt die Regel, insbesondere im Kapitel 17, welches von der staatlichen Verwaltung der

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öffentlichen Güter handelt (De cura bonorum corporis consociati et comitiis), wonach öffentliche von privaten Gütern zu trennen sind. Die rerum communicatio bedeutet folglich eine wörtlich aufzufassende »Mit-Teilung«. Unter der solcherart ausgesagten Gemeinschaft der Sachen ist daher die Sozialpflichtigkeit der Symbioten zu begreifen, die sich in einem staatlichen Gemeinwesen – je nach individueller Leistungsfähigkeit – in Steuern, Abgaben und Naturalleistungen vergegenständlicht. „So leisten die Einwohner aus ihren Besitztümern … etwas zum Wohle des Gemeinwesens Nützliches“ (XI  23). Die Aufsicht und Fürsorge der nunmehr öffentlichen Güter obliegt mit „der Zustimmung der universalen Gemeinschaft hierzu eingesetzten Kuratoren“ (XVII  14). Die privat geleisteten Güter gehen in das Eigentum des Staates über und stellen die sächliche Grundlage für die Daseinsvorsorge dar, ohne dass es zu einer totalen Vergesellschaftung der Produktionsmittel kommt.154 Dazu zählen auch die unbeweglichen Güter der Dörfer, Gemeinden, Städte und Regionen, soweit „der Fiskus zuständig ist“ (XVII  24). Sie stehen der Gemeinschaft zum Gemeinschaftsgebrauch zur Verfügung und sind als ein besonderes Souveränitätsrecht formuliert (XVII  1 i. V. m. XVI  vor 1, 2). Dem Staat obliegt die Pflicht, die Güter des Gemeinwesens zu erhalten und zu vermehren (XVII  2). Die Verwaltung des Staates erstreckt sich in um­ fassender Weise auf Planung, Errichtung und Unterhalt, finanzielle Ausstattung sowie rechtliche Institutionalisierung und gesetzlichen Schutz (insb. XXXVII  26–37). Schließlich spricht Althusius dem obersten Magistrat für Besitztümer, die nicht im Eigentum des Volkes stehen, demnach nicht öffentlich-rechtlichen Ursprungs sind, volles Eigentum, d. h. Verfügungs- und Herrschaftsrecht „wie anderen Privaten“ zu (XXXVII  2, 61; XXIV  36; XVII  1 a. E.). Die consociatio beansprucht indes nicht allein einen Teil der Erträge und Früchte der Arbeit. Nach Ableistung seines Sachbeitrages geht der einzelne Symbiot nicht bar seiner Sozialpflicht. Eine Ergänzung findet sich in der »Gemeinschaft der Tätigkeiten«, wonach diese als Dienstleistungen am Gemeinwesen erfolgen (I  9; V  4; VI  28  ff.; VII  3, 8, 19). Neben der Ausstattung mit finanziellen und sächlichen Mitteln, die dem Auf- und Ausbau einer handlungsfähigen Organisations- und Verwaltungsstruktur in der und für die consociatio dienen, wird mittels der zweiten Gemeinschaft jeder Einzelne „um des gesellschaftlichen Lebens willen“ erneut in die Pflicht 154  Ein Katalog öffentlicher Güter und Werke des Staates findet sich in Kapitel 17. Darunter fallen Straßen, Plätze, Weiden, Wälder, Flüsse, Quellen, Wasserleitungen, Lebensmittel, öffentliche Speicher, Zeughäuser, Archive, Gerichtsgebäude, konfiszierte Güter, Kriegsbeute, Steuern und Abgaben und vieles andere mehr (XVII  15; u:  ö.).



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genommen. Als eine der das Gemeinwohl ausfüllenden Gemeinschaften wird eine ihr gemäße Dienstleistung dann „notwendig und nützlich“ genannt, wenn sie „sich auf das Wohl, die Pflege oder Erbauung der Seele und des Körpers richtet“ (VII  14). Althusius führt den Allgemeinplatz näher aus: Die Tätigkeiten zielen auf Bildung und Unterweisung des Geistes, der Tugend, des Charakters und des Wissens einerseits, auf Sicherung der existentiellen (materiellen) Lebensbedürfnisse durch Kleidung und Nahrung andererseits. Die Dienstleistung ist gleichzeitig Dienst an der Gemeinschaft. Deshalb zählt vornehmlich die Übernahme eines öffentlichen Amtes und Mandats zur werktätigen Kommunikation und wird hauptsächlich durch diese erfüllt (VI  29  f.; VII  13, 28; XIV). Soweit die Tätigkeit zum Beruf wird entstehen ein »Öffentlicher Dienst« und ein Berufsbeamtentum (vgl. XIV  1). Neben dem eigentlichen öffentlichen Amt (munus) zählen aber auch andere, niedere Dienste (officium) zu den öffentlichen Tätigkeiten, die man als Tugend- und Rechtspflichten gegen sich selbst umschreiben kann. Danach ist der Symbiot zuvorderst gehalten, für die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes tätig zu werden, danach im Rahmen der ihm zustehenden Möglichkeiten, Dienste für die Gemeinschaft zu erbringen. Einer Befreiung von den jedem Bürger obliegenden sächlichen und persönlichen Diensten durch Privilegien unterstellt Althusius hohen Hürden. Außer in einer allgemeinen Versammlung (concilio generali) kann keine Körperschaft eine Freistellung von Abgaben einräumen (XV  2; XXXII  78; XXXVII  46, 54). So sollen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vermieden und sozialer Frieden transparent gesichert werden. Ein Katalog gerechter, zeitlich befristeter Befreiungsgründe gebietet einer ausufernden Vergabe von Privilegien, überhaupt der Günstlingswirtschaft und Vorteilsnahme effektiven Einhalt (XV  7, 12). Unbedingte Voraussetzung für jede Art von Tätigkeit ist, dass „ein jeder für sich eine … Tätigkeit ausübt, die seinem Wesen und seinen Kräften angemessen ist“, so dass er dem Gemeinwesen und sich selbst nützlich (utilis) sein kann (VII  19).155 Verkürzt steckt darin die Aussage: gerecht ist, was nützt. Allenfalls in diesem Verständnis liegt im weltlichen und beruflichen Erfolg ein Zeichen von (calvinistischer) Erwählung. Man kann bei Althusius – eher mit Luther als mit Calvin – von einer Berufung im Beruf, doch nicht davon sprechen, dass die „Berufung zum Beruf“ (Ottmann 2006, 88) wird. Dieses Idiopragie-Prinzip lässt sich in drei Richtungen verstehen: Indem jeder »seiner Tätigkeit« nachkommt, erweist er sich als gottgefällig, es erfüllt sich zugleich seine individuelle Begabung und Fähigkeit und trägt schließlich durch die Ausübung zum gemeinsamen 155  Einen ersten Überblick über erlaubte Berufe und Funktionen gibt Kapitel 2 in §§ 16–36.

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Wohl aller bei.156 Dieser Zustand wird als „congregatio civium perfecta“, als eine vollkommene Bürgergemeinschaft beschrieben, ohne dass daran rein prädestinatorische Heilserwartung und -ungewissheit geknüpft werden (VII  24; VIII  56). Die Idiopragie entlehnt sich aus Platons Politeia. Al­ thusius wendet dieses Prinzip auf seine Ständelehre an (VIII  56; XXXII 56  f.) und steigert es somit zur Grundstruktur der symbiotischen Gesellschaft. Eine Tätigkeit ist stets dann erlaubt, wenn sie dem (alternativen) Erhalt folgender Ordnungsfaktoren (status & ordo) dient: der Kirche, dem Staat, der Familie (vgl. VII  20). Die Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen, Steuern und Abgaben wird über den Unterordnungseid, den das Volk dem obersten Magistrat zu leisten hat, positiviert und zusätzlich personalisiert. Es entstehen dadurch keine zwei Pflichtenkreise, weil hinter dem auf den obersten Magistrat hin ausgerichteten Eid wiederum das Gemeinwesen steht. Als Repräsentant des Volkes vergegenwärtigt er die Verpflichtung des Volks gegenüber sich selbst. Sie wiederum stützt sich auf den Idiopragiegedanken. Die zu versprechenden Leistungen bestehen nämlich zuallererst darin, dass „ein jeder seinem Gewerbe, Handwerk und seiner Aufgabe entsprechend, zum Wohl und Nutzen des Reichs und des Magistrats (tätige Dienste, P.  K.) verrichten und leisten kann“ (XX  7). Hinzu treten die Abgabenleistungen und das darüber hinausgehende Versprechen auf Gefolgschaft, auf dass ein jeder gegebenenfalls „bereitwillig … zu den Waffen greift“. Die Gemeinschaft der Leistungen erfährt in Kapitel 14 eine besondere Ausformung. Sind die von jedermann zu erbringenden Leistungen schon bislang ein Dienst an der Allgemeinheit, so rücken nunmehr die persönlichen Dienste als institutionalisierter »Öffentlicher Dienst« ins Blickfeld der Betrachtung. Bei „gebührendem Lohn“ widmen sich spezielle Amtswalter der Erfüllung der Regierungs- und Verwaltungsaufgaben. Die »berufsmäßig« im Dienst der consociatio Stehenden leiten die Gemeinschaft der Leistungen gegenüber den Symbioten an. Sie stehen im Namen des ganzen Volkes als „Diener des Reichs“ den Übrigen vor. Für das deutsche Gemeinwesen benennt der Verfasser als so genannten „Ephoren“ die (Kur-)Fürsten sowie die beratenden weltlichen und kirchlichen Stände. Gleichrangig neben den „Dienern des Reichs“ erfüllen die „Diener des obersten Magistrats“ als höfische Staatsbeamte den öffentlichen Dienst (vgl. XXXII  39  ff.). Dem obersten Magistrat, der selbst als „Diener des Reichs“ bezeichnet wird, steht ein eigener Beraterstab und Behördenapparat zur Verfügung, der sich vertikal bis auf städtische Magistrale erstreckt. Die organisatorische Zweiteilung 156  Winters reduziert diese Idiopragie auf eine Prädestination, wonach das Schicksal des althusischen Menschen durch göttlichen Ratschluss vorherbestimmt ist, ders. 1988, 33. Ebenso Miegge 2010, 147  ff.



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(Reich / Staat – Magistrat / Regierung) gewährleistet eine ununterbrochene Funktionstüchtigkeit der Gemeinschaftsleistungen und sichert gleichzeitig durch eine gegenseitige Kontrolle vor Fehlentwicklungen und Ämtermissbrauch. Fraglich ist, ob die Gemeinschaften der Sachen und Leistungen als eine Institutionalisierung des Gebots der Nächstenliebe zu betrachten sind (vgl. VII  8  ff.; X  5–7). Mit anderen Worten: Besteht die Gesellschaft der Politica aus Gemeinschaften der Nächstenliebe? Der Politiklehrer konkretisiert das, „was wir unserem Nächsten zu leisten haben“, nämlich den Schutz des Eigentums und der Freiheit, der Ehre und Würde. Die Gebote der zweiten Tafel des Dekalogs nehmen für Althusius eine zentrale Stellung in der Staats- und Gesellschaftslehre ein. Sie strahlen auf das Verhältnis von Person und Gesellschaft, auf die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben sowie auf die soziale Gerechtigkeit aus. So bringt der Staatstheoretiker das Nächstenliebegebot als Argument gegen eine individuelle Lebensform in Stellung. „Wie können sie (die Eremiten, P.  K.) ihren Nächsten lieben, wenn sie außerhalb der menschlichen Gemeinschaft leben?“ (I  25) In dieser Ausgrenzung liegt zugleich die Absage an eine zeitgenössische Volksfrömmigkeit, die in der Weltabgeschiedenheit eine vorbildliche Lebensweise erkennen will. „Liebe Deinen Nächsten“ ist bei Althusius als politische und soziale Liebe aufgefasst, die sich mit »heidnischen« Gemeinwohlgedanken der vorchristlichen Staatstheorie in Einklang bringen lässt. Ihr weltimmanenter Anwendungsbereich geht in der profanen Gemeinwohlorientierung auf: „Wir sind nämlich nicht für uns allein geboren: Einen Teil unseres Daseins beansprucht das Vaterland, einen Teil unsere Freunde. Dig. […]; Cicero, De Officiis, lib. 1; Aristoteles, Politica, lib. 8 c. 1.“ (I  22). Weniger Gottgefälligkeit als vielmehr Verwirklichung des Gemeinwohls rücken somit in den Vordergrund. Der Einzelne verwirklicht sein Interesse nur in der Gemeinschaft optimal. „Ich betone nach allem zu Recht …, dass das Gemeinwesen dann das beste und glücklichste ist, wenn Magistrat und Bürger zu seinem Wohl und Vorteil beitragen und niemand außer Acht gelassen oder zurückgewiesen wird, der ihm nützen könnte.“ (I  22; Hervorheb. P.  K.)

Sein Verständnis der Nächstenliebe führt der Autor sodann aus: „Auch der Apostel mahnt, den Vorteil unseres Nächsten in der Weise zu suchen und zu fördern, dass wir, um größeres Übel zu verhindern, bereitwillig auf unser Recht zu seinen Gunsten verzichten“ (I  22; Hervorheb. P.  K.). In dieser Reihung ist die typische Argumentationslinie der Politica zu erkennen. Zunächst wird eine These entwickelt, die anschließend mit Quellen, Untersuchungen und Verweisen anderer Autoren beweisfähig gemacht wird, und letztlich mit der vollen Autorität eines Schriftbelegs abgeschlossen wird. Die Übersetzung des lateinischen Wortes „commodum“ lautet bei

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Janssen »Vorteil«, bei Carney »advantage«. Aus der Nächstenliebe würde so ein »Vorteil des Nächsten«. Eine zumindest anzweifelbare Auslegung. Nach dem deutschen Staatsdenker findet der Mensch – gleichsam als ein homo faber – nur in praktischer Tätigkeit seine Erfüllung. Einen homo oeconomicus, dessen Sein und Streben allein auf materiell messbaren Erfolg ausgerichtet ist, hat er jedoch nicht im Sinn. Schließlich liegt das Seelenheil der Symbioten in einem frommen, nicht in einem materialistischen Leben, wie Althusius denn auch die Reichen und Geizigen kritisiert. An dieser Stelle empfiehlt es sich daher, commodum vielmehr als „Vorteil“ im Sinne von »Wohl«, »Glück«, auch: »Zuträglichkeit« zu übersetzen, anstelle von »Nutzen«. Das Glück erstreckt sich auf das körperlich, geistig und seelisch gerechte und fromme Leben (I  14, u. ö.). Der die Alternativen begleitende assoziative Wortsinn harmoniert eher mit dem Kontext: Das eigene Glück wie das Wohl des Nächsten sind im Gemeinwohl verankert. Unterdessen bestimmt der Verfasser näher, was er unter den „Pflichten der Liebe“ verstanden wissen will: „[W]as der Einzelne zu leisten gehalten ist, nämlich die Pflichten der Liebe, durch die er jedem das Seine zukommen lässt“ (VIII  8). Hier wird erkenntlich, dass es sich nicht um Altruismus, um selbstlose Wohltätigkeit handelt, auf die der je andere keinen Anspruch hat, sondern um „dem Nächsten zu leistende Pflichten der Gerechtigkeit“ (VI  8). Als solche versteht sich die Sozialgesetzgebungstätigkeit des Staates (vgl. XXIX  13; u. ö.). Indem die Rechtsordnung (communio juris) den beiden übrigen Gemeinschaften „die Art und Weise sowie das Maß“ vorschreibt, ergibt sich, dass die Solidarität, die in der Kommunikation der Sachen und Leistungen wirksam wird, rechtsförmig zu leisten ist. Danach ist sie geschuldete Solidarität; die beiden Gemeinschaften unterliegen folglich der „öffentlichen Praxis der Gerechtigkeit“ (VII  8–12). Sie stellen sich als die „dem Nächsten zu leistende Pflichten der Gerechtigkeit“ (VII  8) dar und dürfen demnach erzwungen werden, sobald sie vernünftigerweise für zustimmungswürdig erachtet werden. Diese Solidarität ersetzt Staatsgewalt. Der anspruchsberechtigte Einzelne darf sie von seinem Nächsten einfordern, über die Einhaltung wacht die Gemeinschaft. Deshalb nimmt der Eremit eine Solidarität in Anspruch, die er selbst nicht gewährt. Denn als er auf die Welt kam, war er bereits auf die Gemeinschaft der Sachen und Leistungen angewiesen, um zu überleben. Er nimmt die Gemeinschaft in Anspruch, ohne selbst seinen Beitrag zu leisten. Schließlich gelangt er in den Genuss der Rechtsordnung, wonach er als Einsiedler nicht vogelfrei, sondern in seinem Recht auf Leib und Leben geschützt ist. Andererseits beruhen die Solidargemeinschaften der Sachen und Leistungen ebenso auf einer freiwilligen Moral, auf Wohltätigkeit: „Diese (andere Leistungen, P.  K.) werden nicht so sehr aufgrund eines Vertrages, sondern



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mehr aus Liebe (ex charitate, P.  K.) und aus dem Wohlwollen der Bürger heraus geleistet, so z. B. wenn einer einem anderen tatkräftig hilft oder mit seinem Rat den Nutzen (commoda, P.  K.) seines Mitbürgers fördert“ (VI  35). Althusius unterscheidet demnach zwischen geschuldeten und freiwilligen Leistungen. Diese Form der freiwilligen Solidarität darf in einer Gesellschaft, die mehr als nur eine Interessengemeinschaft bildet, sondern sich auf wechselseitiges Wohlwollen und Freundschaft unter grundsätzlich Gleichen gründet, legitimerweise erhofft und erwartet werden. Sie unterscheidet sich indessen einerseits von der „Zuneigung und Liebe“ der asymmetrischen Gemeinschaftsverhältnisse in der Ehe (die Frau „als dem gleichsam schwächeren Geschöpf“, II  44) und in den Familien (Eltern gegenüber ihren Kindern), andererseits von einer geschuldeten Solidarität. Die für die Solidarität der Gemeinschaften zuständige Moral schöpft aus der symbiotischen Gerechtigkeit als geschuldeter Moral und der Wohltätigkeit als freiwilliger Moral. Die „ganze zweite Tafel des Dekalogs“ subsumiert der Autor nun unter das Prinzip des Gemeinwohls. Die Nächstenliebe allein genügt als Legitimationskriterium nicht. Oberste Leitgedanken seiner Gesellschaftslehre sind Solidarität und Gerechtigkeit (die miteinander in Konflikt geraten können). Darin liegt der eigentliche Geltungsgrund für die Gemeinschaften der Güter und Leistungen. Die „Pflichten der Nächstenliebe“ stehen mit dem zweiten Teil des Dekalogs und der Goldenen Regel auf gleicher Stufe (I  22) als praktische Handlungsanweisungen für die Symbioten. Ausgehend von der Forderung nach Selbstgenügsamkeit und Eigenverantwortlichkeit wird ein Bewusstsein dafür einzuschärfen versucht, dass jeder Einzelne darin von anderen bedingt wird. „Und das gilt als besser, was sowohl sich selbst genügt als auch anderen nützen kann.“ (I  34) Die Schlussfolgerung aus dieser ethischen Parole lautet: Suche den Vorteil des Nächsten, weil er Dir nutzen kann – suche das Glück des anderen, weil es Dich beglückt. Wenn der Verfasser der Politica auch die Goldene Regel der Bergpredigt als praktische Handlungsanweisung mit aufnimmt, entfernt er sich gleichzeitig von der Ethik des Neuen Testaments. Es geht ihm hier nicht um den neutestamentlichen Begriff der Würde, „wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“. Für Althu­sius ist damit weder Staat noch Gesellschaft zu machen. Um mit Max Weber zu sprechen: hinter seiner Interpretation des Nächstenliebegebots steht eine Verantwortungs- nicht eine Gesinnungsethik.157 Die »Gemeinschaft des Rechts« nimmt eine herausragende Stellung in der Trichotomie ein (I  10, 20; II  6  f.; V  5; VII  3). Die Gemeinschaft des Rechts oder der Rechte nennt Althusius „das Gesetz (lex) der symbiotischen Gemeinschaft“ oder auch „das symbiotische Recht (jus)“. Seine Leitgedan157  Daher

greift Friedrich 1975, 84 m. E. zu kurz.

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ken sind Autarkie, gute Gesetzlichkeit und gute Ordnung. Sie stellen Wertentscheidungen dar, die einen objektiven, auch außerhalb staatlichen Handelns gültigen Wertgehalt bestimmen. Wegen der übergeordneten Stellung dieser Gemeinschaft des Rechts strahlen die Leitgedanken auch auf die beiden anderen Gemeinschaften der Güter und Leistungen aus und werden in den einzelnen Gemeinschaftsarten, von der Ehe und Familie bis zum Staat, auf die ihnen jeweils angemessene Weise wirksam. Insbesondere der Begriff der „guten Gesetzlichkeit“ gibt werthaltige Vorgaben für staatliches Handeln. Im Hinblick auf den Staat erwächst aus den Leitgedanken eine weitere Dimension: Sie setzen neben dem materiellen Gehalt zudem formelle Maßstäbe für Organisation und Verfahren. So ist die „Autarkie“ der einzelnen Gemeinschaftsarten in ihrem Wesensgehalt unantastbar. Die „gute Ordnung“ erstreckt sich spiegelbildlich zu Leib und Seele des Einzelnen auf das Gemeinwesen. Gemeinschaftskörper und Gemeinschaftsseele sind in guter Gesamtverfassung zu halten. Wenn die „Gesetzlichkeit“ des Staates nicht länger als „gute Gesetzlichkeit“ erkannt wird und es zur Kollision zwischen „Autarkie“ und „Gesetzlichkeit“ kommt – wie im Widerstandsfall  gegeben  –, ist die gestörte „gute Ordnung“ wiederherzustellen (s. a. XXXVIII  131). 5. Gesellschaft und Gemeinschaftsarten Althusius beschreibt die Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Gesellschafts- und Gemeinschaftsarten in einem Stufenmodell.158 Das Wort consociatio – verstanden als Gattungsbezeichnung menschlichen Zusammenlebens – wird aus seiner Bedeutung als Sammelbegriff gelöst und in einen vielschichtigen Arbeitsbegriff verwandelt. Althusius verwendet diesbezüglich wechselweise die Bezeichnungen consociationes sowie plures conso­ ciationis species. Einer jeden consociatio liegt die Trilogie von Sachen-, Dienstleistungs- und Rechtsgemeinschaft zugrunde. Der Entfaltungsgrad der drei Teilhabegemeinschaften bestimmt sich dabei je nach Eigenart und Bedürfnis der inmitten stehenden sozialen Gemeinschaftsart (I  19–21; u. ö.). Zum zentralen Kriterium der Ausgestaltung wird die Angemessenheit für die verschiedenen Sozialgebilde erhoben, in der Familie anders als unter Kollegen, wiederum anders im Dorf usf. Kennzeichnend für das Stufenmodell wird die Unbedingtheit der Reihenfolge und des Bestands. Die niedrigere Gemeinschaftsstufe muss zum einen erreicht sein, bevor sich eine höhere Stufe bilden kann, zum anderen muss die niedrigere als Basis bestehen bleiben, ansonsten die höhere Gesellschaftsstufe kein Fundament mehr hat. Vom Kleinen zum Großen, von den 158  Ablehnend:

Krawietz 1988, 416.



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Ehen und Familien zur Gesellschaft. Das Stufenmodell spiegelt gleichzeitig einen organischen Staatsaufbau „von unten nach oben“ und „aus vielem das Eine“ wider. „Eine solche Gemeinschaft (die private Gemeinschaft, P.  K.) kann mit Recht als eine ursprüngliche bezeichnet werden und alle anderen gehen von ihr aus. Denn ohne diese ursprüngliche Gemeinschaft können die Übrigen weder entstehen noch Bestand haben.“ (II  2)

Die dahinter stehende Projektionsfläche bildet die menschliche Gesellschaft (societas humana, V  vor 1). Diese ist ein derart amorphes, d. h. kontingentes Gebilde, das sich einer den wissenschaftlichen Ansprüchen des Autors genügenden Bestimmung eigentlich entzieht. Ein Erkenntnisgewinn lässt sich für ihn nur schrittweise über die Rede von den Teilgemeinschaften erzielen. Die menschliche Gesellschaft ist danach in mannigfachen privaten Gemeinschaften und öffentlichen Gesellschaften aufgehoben. „Denn die menschliche Gesellschaft (societas, P.  K.) gelangt in bestimmten Stufen fortschreitend von den kleineren privaten zu den größeren öffentlichen Gemeinschaften (societates, P.  K.).“ (V  vor 1) Konsoziationenstufen

Ordnungen

Universale Konsoziation (Kgr., Ftm., Htm.)

Oberster Magistrat, Ephoren und Reichsstände

Provinzen

Magistrat und Landstände

Kommunen

Senatskollegium

Kollegien

Berufskollegium

Familie und Verwandtschaft

Vater (+  Mutter) und Sippen­ oberhaupt

Ebenen 2. Ebene (politisch)

1. Ebene (vorpolitisch)

Eine consociatio kann folglich mehrere Gemeinschaftsarten umfassen (V  4). Gemäß der Größe der Gemeinschaft und der Anzahl an Gemeinschaftsarten bestimmen sich Organisationsgrad und -struktur, Althusius spricht insoweit von „Hilfe und Unterstützung“ (subsidium, V  4). Das seltsam anmutende Vokabular erklärt sich aus dem Umstand, dass in Bezug auf die Gemeinschaften metaphorisch von Körper und Seele gesprochen wird. Ziel und Zweck der Unterstützung bestehen darin, der jeweiligen Gemeinschaft zu einer autarken Existenz zu verhelfen. Das subsidium ist die Ausgangslage für Althusius’ Vorstellung von Subsidiarität.159 Die idealtypischen 159  Malandrino geht allerdings davon aus, dass der „Begriff“ im althusischen „Konzept der Subsidiarität“ nicht nachgewiesen werden kann, ders. 2010, 26  f.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Mittel zur Erreichung dieses Zieles sind die Teilhabe an Sachen und Dienstleistungen sowie eine gute Ordnung und Gesetzgebung in der Rechtsgemeinschaft. Mittels einer sich wiederholenden Zweiteilung werden aus dem Oberbegriff consociatio in gleichsam resolutiv-kompositorischer Methode nach und nach einzelne Gemeinschaftsarten herauskristallisiert. Die resolutio – verstanden als Analyse und Zerlegung – geschieht dabei stets im Hinblick auf die als Synthese und Zusammensetzung verstandene compositio der Komplementärgemeinschaften zum Oberbegriff der consociatio. „Jede Gemeinschaft (consociatio) ist zweifacher Art: einmal einfach und privat, zum anderen gemischt und öffentlich.“ (II  1) Auf der ersten Analyseebene ergeben sich demnach die komplementären Gemeinschaftsarten von „einfach-privaten“ und „gemischt-öffentlichen“ Vereinigungen. Es stehen sich mithin die Attributspaare einfach-privat und gemischt-öffentlich gegenüber. Versteht sich die Bedeutung von privat und öffentlich von selbst, bezeichnet die verwendete Zuschreibung »einfach« nicht das Gegenteil von »komplex«, sondern »rein, nicht zusammengesetzt, unvermischt». Daraus erhellt sich schließlich die Bedeutung von »gemischt« im Sinne von »zusammengesetzt«. Danach sind die Bestandteile der idealtypischen consociatio die private Gemeinschaft und öffentliche Gesellschaft, wobei letztere wiederum aus mehreren privaten Gemeinschaften entsteht (V  1). Die Gemeinschaften lassen sich zunächst in politische und nicht-politische gruppieren: Ehe, Familie und Berufsstände sind nicht-politische, Gemeinden, Provinzen und Staaten sind politische Vergemeinschaftungen (arg. e V  2). Die privaten und einfachen consociationes nennt Althusius beide (!) auch die ursprünglichen (II  2, 14). a) Die natürliche Gemeinschaft Unter natürlicher Gemeinschaft versteht sich nicht die Gemeinschaft „zu Beginn des Menschengeschlechts“. Die natürlichen consociationes sind die Ehe (II  13, 37–46) und die Verwandtschaft, d. h. Blutsverwandte und Verschwägerte (II  13, 37; III  1–38). Sie sind ursprüngliche Gemeinschaften (II  2) und werden auch unteilbar, notwendig, häuslich und hauswirtschaftlich genannt (II  14). Zur Gemeinschaft der Verwandten zählen auch die Hausgenossen, Bedienstete und weitere Schutzbefohlene (III  39–41). Die natürliche Gemeinschaft grenzt sich von der bürgerlichen dadurch ab, dass diese auf „freier Entscheidung und eigenem Willen“ beruht, d. h. jene besteht auch gegen den Willen der Personen fort und können nicht aufgrund freier Entscheidung aufgekündigt werden. Sie sind auf Lebensdauer angelegt (II  14). Eine Ausnahme von dieser Regel erkennt Althusius in der grausamen und unmenschlichen Behandlung des Ehepartners an: trotz bestehender Vorrechte des Ehemanns hat „jegliche Gewalt ihre Schranken und



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Grenzen“ (XVIII  Überschrift zu § 106; III  40; XVIII  105; u. ö.). Im Unterschied zu den öffentlichen sind in den sog. privaten Gemeinschaften die einzelnen Symbioten Glieder der Gemeinschaft (II  3; III  4  ff.). Sie bringen das ein, „was sie besitzen und was zu ihrem Wohl beiträgt“ (II  2), sie verpflichten sich zur wechselseitigen Teilhabe, „was für die private Lebensführung notwendig und nützlich ist“. Die Behandlung der Ehe und Familie stellt allerdings eine Besonderheit im Rahmen der Politikwissenschaft dar. Der Begriff des Politischen wird nämlich auch für die Gesellschaft behauptet. Bisweilen zitiert Althusius Autoren, die politische Herrschaft dem Bild der häuslichen Herrschaftssphäre entlehnen (z. B. IX  25). Ohne sich diese Position zu Eigen zu machen, gebraucht auch er gelegentlich die Metapher vom Vater. Das Bild des Landesfürsten als dem treufürsorgenden Familienoberhaupt, der über die Untertanen als unmündige Kinder herrscht, entspricht geradewegs einer absolutistischen Herrschervorstellung, welche Althusius allerdings bekämpft. Der höchste Magistrat ist gerade kein pater patriae. Der Autor der Politica macht sich vielmehr die Trennung, die Aristoteles zu Beginn seiner Politik zwischen Haus und Polis, zwischen Hausvater und Fürst anstellt, zu eigen, wonach der Unterschied zwischen den Herrschaften nicht in der bloßen Zahl der Herrschaftsunterworfenen, sondern dem Wesen des Oikos und der Polis nach begründet ist. Althusius’ Gemeinwesen wird teils privat, teils öffentlich begründet sein (IX  3). Der Verfasser der Politica betreibt einigen Argumentationsaufwand zur Rechtfertigung seiner Vorgehensweise (III  42). Auf der einen Seite sieht er sich im Gegensatz zu denjenigen Politikwissenschaftlern (Politici), die die private Gemeinschaft der Ehe und Familie dem Feld der Ökonomie zuschlagen. Jener Ansicht, die für eine pauschale Ausgrenzung der privaten Gemeinschaften aus dem Forschungs- und Anwendungsbereich der Politik eintritt, entgegnet der vormalige Hochschulrektor, dass Gegenstand und Ziel der Ökonomie sich wesentlich von denen der Politik unterscheide (III  42). Althusius gesteht dieser Ansicht zwar zu, dass Erwerb, Mehrung und Erhalt von Familienvermögen, also die Fähigkeit, für Haus und Familie zu sorgen, ökonomischer Art und mithin – entsprechend seiner Differenzierung der Wissenschaften – in der Ökonomie zu lehren ist, indessen bringt er zwei relevante Gegenargumente in die Diskussion ein. Zum einen betont der Autor, Ehe und Familie seien der Keim aller anderen Gemeinschaften vgl. auch XXXIX  84: fundamentum & principium humanae societas). Ohne eine diesbezügliche Lehre sei die Untersuchung über die anderen consociationes unvollständig; diese könnten nicht recht verstanden werden. Zum anderen erkennt Althusius in Ehe und Familie selbst einen vorpolitischen Wesensgehalt, der darin besteht, dass die wechselseitige Teilnahme und Teilhabe in den Drei Gemeinschaften in ihnen den ersten autochthonen und authentischen Ort findet. Nur als vorpolitisch verstandene

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Gemeinschaft gewährt die Ehe und Familie eine fromme, gerechte und angemessene Lebensgemeinschaft (Symbiose), was über die bloß ökonomische Versorgungsgemeinschaft hinausgeht. Leitet sich aus der Ökonomie das Wissen um die hauswirtschaftlichen Angelegenheiten, zudem die Kenntnis über das Agrarwesen her, so ergibt sich aus der Wissenschaft von der Politik, wie das Familienleben zu führen und zu besorgen ist (III  42). Auf der anderen Seite sieht sich Althusius mit der Auffassung konfrontiert, alle Gemeinschaften seien öffentlich, keine privat. Ohne Vertreter dieser Ansicht im Einzelnen zu nennen, ist etwa an die Kollektivierungstendenzen in den utopistischen Staatstheorien der Zeit bis zurück zur Auflösung der Familien in Platons Frauen-, Kinder- und Besitzgemeinschaft (Politeia 457e–466d) zu denken. Diese Forderungen lehnt er ab und verankert damit zugleich seine Staatstheorie in einem Realismus, der sich „vom Bekannteren“ aus vorarbeitet (vgl. XXXIX  23). Der Verfasser wehrt sich in der dritten Auflage daher entschieden gegen die Einschätzung nach den beiden Vorauflagen, danach er „am Anfang meiner Ausführungen von dem ausgehe, was das Beste und das Maß allen Übrigen ist.“ (ebd.) Die Familie wird so wenig verstaatlicht wie umgekehrt der Staat keine Über-Familie darstellt. Die Familie wird gemeinsam mit der Kirche aus dem Staatsbegriff im engeren Sinne ausgenommen: Kirche (ecclesia), Staat (respublica / Politia) und Familie stellen eigenständige Ordnungen (status & ordo) dar, deren alleinigem Erhalt sich jede Tätigkeit der Symbioten legitimerweise widmen darf (vgl. VII  20, II  16–36). „Auch auf die Ehe wird der Magistrat sorgsam Acht haben“. Die Ehe entwickelt sich vom Sakrament zum weltlichen Institut, an dem der Staat aus bevölkerungspolitischen, wirtschaftlichen und militärischen Gründen ein Bestandsinteresse hat (XXXII  48, 72; u. ö.). Entwicklungsgeschichtlich stellt es einen erheblichen Zuwachs an staatlicher Kompetenz dar, dass die Ehe unter die Aufsicht der weltlichen Obrigkeit gestellt wurde (vgl. auch XXVIII  48).160 Auch eine Frauen- und Kindergemeinschaft propagiert der Autor nicht. Sein Politikentwurf trägt insgesamt nicht jenen Charakter, der ein Heil für die öffentliche Gemeinschaft in der Auflösung der privaten Ehe- und Familiengemeinschaften erkennt, wie dies im Kommunismus Platons oder der utopischen Literatur der Zeit der Fall war.161 Allerdings entwirft Althusius Ehe und Familie als Lebenszelle der Gesellschaft, als dieje160  Willoweit

1997, 135. gehört die Kinder- und Frauengemeinschaft nicht zum Alleinstellungsmerkmal der utopischen Literatur. Etwa in der unter dem starken Einfluss lutherischer Theologie stehenden Utopie Christianopolis (1619) des Valentin An­ dreae (1586–1654) tritt die private Familie wieder an die Stelle der Frauen- und Kindergemeinschaft. 161  Wohlgemerkt



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nigen natürlichen Institutionen, die ursprünglich Gemein(schafts)sinn schaffen und erfahrbar machen. Althusius löst – um mit Hannah Arendt zu sprechen – den »unpolitischen« Zustand der Familie auf und trägt die gesetzliche Freiheit des politischen Raumes und damit die politische Herrschaft in die Familie hinein.162 b) Die bürgerliche Gemeinschaft Die consociatio civilis stellt die nächste Stufe auf der Leiter von der „privat-einfachen“ Gemeinschaft zur „öffentlich-gemischten“ Gesellschaft dar. Sie ist Vorbedingung für die civitas, die politische Bürgergemeinde (IV  24). Im Prozess der Vergesellschaftung tritt nach Althusius die consociatio civilis erstmalig als soziologische Größe in Erscheinung, als „ein Familienvater den Bereich verlässt, in dem er die häusliche Gewalt hat, und mit anderen Familienhäuptern in Verbindung tritt, um Geschäfte zu betreiben“ (IV  3). Sie ist nicht als bürgerliche Gesellschaft im Sinne des 19. Jahrhunderts zu verstehen; allerdings bildet sich ein Bürgerbegriff heraus, der in Kapitel 4 stärker den Besitzbürger (bourgeois), in Kapitel 5 eher den Stadtbürger (citoyen) schildert. Mit dem Erreichen dieser Gemeinschaftsstufe erklärt der Autor, dass „er (der Familienvater, P.  K.) die Eigenschaft als Familienvater und Hausherr verliert, um sich als Kollege und Bürger (sociũ ac civem, P.  K.) zu zeigen“ (IV  3). Der „Verlust“ der besagten Eigenschaften bedeutet keine Entfremdung von der Familie, es vollzieht sich mit dem Betreten dieser Stufe keine »aliénation totale«; nur das Merkmal der Einzelheit verliert sich, weil ein zweites Merkmal hinzutritt. Die consociatio civilis ist die letzte und größte private Gemeinschaft. Kapitel 4 trägt die Überschrift: De consociatione collegarum. Sie ist eine eigenständige Gemeinschaftsart, deren typische Merkmale Althusius herausarbeitet. Wendungen wie „das Kollegium pflegt“ oder „gewöhnlich“, „in der Regel“ kennzeichnen dieses Kapitel in für das Werk unüblicher Weise. Es zeigt an, mit welcher Gewissenhaftigkeit der Autor bestrebt ist, Aussagen allgemeiner Art über den Untersuchungsgegenstand zu treffen, die seinem eigenen wissenschaftlichen Anspruch entsprechen. Das überkommene Gesellschaftsmodell der frühen Neuzeit, die so genannte Ständegesellschaft findet sich allenthalben in der consociatio civilis wieder. Die Bevölkerung einer Stadt oder größerer sozialer Verbände „pflegt man [heute]“ in Althusius Worten, „in drei Ordnungen, Stände, oder größere allgemeine Kollegien einzuteilen“ (IV  30). In ihren allgemeinsten Formen erscheinen die consociationes civiles in der Dreiteilung der Bevölkerung in Ordnungen und Ständen, die auch „größere allgemeine Kollegien“ genannt 162  Arendt,

Vita activa, Kap. 2, 5, 38  ff. (42).

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werden (IV  30). „Das erste Kollegium ist das der Geistlichen, das zweite das der Adligen, das dritte das des Volks bzw. des gemeinen Volks (plebs)“. Was sich dahinter verbirgt, erläutert der Staatstheoretiker zunächst in deduktiver Untersuchung, anschließend an typischen Ausformungen „de speciebus variis collegiorum“. Im Deutschen werden die Kollegien von Althusius mit „Zünften“ bezeichnet (vgl. VI  43; u. ö.). Nach der historischen Forschung bestand ihre Aufgabe in der Sicherstellung ihrer Mitglieder vor Konkurrenz und in der Sorge für handwerkliche Qualität, in vielen Städten bildeten sie sich zu „politische Organisationen“ aus.163 Der gelehrsamen Darstellungsart der Politica entsprechend erfährt der Leser neben dem römischen und jüdischen auch etwas über das ägyptische Ständewesen (IV  29). Zunächst stellen die Kollegien den Zusammenschluss von Personen des gleichen Berufs dar (IV  4). Handwerk, Gewerbe und freie Berufe sind gleichermaßen in Kollegien organisiert. Das Kollegium bietet sich überdies für jegliche übereinstimmende „Tätigkeit und Lebensführung“ als Ordnungsform an. In ihr setzt sich die Ordnung der Familien fort und findet die Ordnung der Wirtschaft ihren Ursprung. Neben Kollegien der Bäcker, Schmiede, Schuster treten Kollegien der Philosophen und Theologen (IV  24). Althusius sieht in den genossenschaftlichen Verbindungen das Modell, das in allen Gesellschaftsbereichen, Politik (Richter, Ratsherrn, Magistrate), Wirtschaft und Kultur (Theologen, Philosophen) anwendbar ist (IV  24). Danach ist auch der Zusammenschluss von Personen, die verschiedenen Kollegien angehören, möglich (IV  25). Als „größere Kollegien“ (majora collegia) stellen die bürgerlichen Gemeinschaften schließlich die „Ordnungen und Stände“ der Provinz dar (VIII  2). Ein Pluralismus von kooperativen Interessenverbänden zeichnet sich ab, die sich unterhalb des politischen Verbandes organisieren, daher sie formal von Althusius auch nicht als Körperschaft (universitas) sondern als „eine Art Körper“ (corpus quiddam) bezeichnet werden. (vgl. IV  25; XVIII  113). Luther legte eine »Dreiständelehre« vor, die die Gesellschaft in den »status ecclesiasticus«, den »status politicus« und den »status oeconomicus« hierarchisiert, und die direkt auf Gott und seine Kirche hin geordnet ist. Danach sollte es dem Christen verboten sein, sich politisch zu betätigen.164 Bei Althusius ist bereits der zwischenzeitliche soziale Wandel nachgezeichnet und der kommende prognostiziert. Die einzelnen Stände haben danach eine eingeschränktere Bedeutung, als sich „untereinander wiederum spezielle kleinere Kollegien“ bilden. In Erweiterung dieses Merkmals auf die althusische Soziallehre ist es angezeigt, mit Werner Krawietz von einem „heterarchen Gesellschaftssystem“ zu sprechen (vgl. XVIII  113).165 163  Rabe

1989, 34. 1998, 350  f.; Hägglund 1997, 180–183. 165  Krawietz 1988, 422. 164  Schilling



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Vor dem Hintergrund dieser Bestandsaufnahme hebt der Autor die (Unter-) Kollegien der Richter und Magistrate noch vor den „Kollegien der Diener der Kirche“ hervor, die sich auf einer Rangstufe mit denen der Handwerker und Kaufleute »degradiert« wiederfinden (IV  30). Die Unterteilung von geistlich – weltlich ist nicht länger Ausdruck eines weltimmanent wirksamen Über- / Unterordnungsverhältnisses. Im Gegenteil: Das Verhältnis dreht sich allenfalls zugunsten des weltlichen Teils um. „Besonders wichtig sind die Kollegien der Magistrate, die alle Übrigen sowohl als Einzelne als auch zusammen ihrem Amtsrecht entsprechend leiten“ (IV  24 a. E.). Obwohl Magistrate Einrichtungen des öffentlich-politischen Bereichs sind und dort ihr Betätigungsfeld finden, verdeutlicht die Kollegiumsfähigkeit dieses Gremiums, dass sie denselben Bedingungen unterliegen wie die wirtschaftenden Verbände, was hinsichtlich der politischen Willensbildung bedeutsam ist. Die Angleichung der Instrumente und Mechanismen der Wirtschafts- und Sozialordnung sorgt für eine partizipatorische und effiziente Verwaltung des politischen Bereichs. In Sonderheit führen die Magistratskollegien ihre Steuerungs- und Führungsfunktion gegenüber allen anderen Kollegien „ihrem Amtsrecht entsprechend“ aus (ebd.). Der Zweck einer bürgerlichen Gemeinschaft ordnet sich in die Gemeinwohlorientiertheit aller Gemeinschaften ein. „Jede Bürgergemeinde (civitas, P.  K.) bedarf ihrer zum Nutzen und zur Forderung ihres gemeinschaftlichen Zusammenlebens“ (IV  24). Die dem Kollegium Angehörigen heißen auch Genossen (socii). Selbstbewusste Stadtbürger regieren mitunter gegen die landesherrliche Obrigkeit und betreiben eine »Politik der Eindämmung« von territorialen Vereinnahmungsansprüchen.166 Die Kollegien genießen besonderen staatlichen Schutz (z. B. XXXII  85; u. ö.). Eine Verletzung der Institution der Kollegien ist Kennzeichen einer tyrannischen Regierungsweise und berechtigt zum Widerstand (XXXVIII  17). Noch heute finden sich berufsgruppenspezifische und -übergreifende Organisationen in Kammern, Innungen, Berufsgenossenschaften, Standesvertretungen, Gewerkschaften und Interessenverbänden als Institutionen einer pluralistischen Gesellschaft wieder. Die Verbindung der althusischen Kollegen zeichnet sich allerdings durch die enge soziale Nähe im Berufsleben aus. Sie veranstalten so genannte „Tischgesellschaften“ (convictus, convivium) nach Ordnung und Maßgabe der ausgeübten Tätigkeit, aber auch öffentliche Gastmahle (agape publica), die unbeschadet der Verschiedenheit der Lebensweisen berufs- und gewerbeübergreifend ausgerichtet werden. „Gegenseitiges Wohlwollen und einvernehmliche Übereinstimmung sind Ausdruck freundschaftlicher Gesinnung und Zuneigung der Kollegen untereinander“ (IV  23). Sie sind nicht bloße Interessengemeinschaft, sondern verstehen sich als Solidargemein166  Schilling

1998, 169–174; Rabe 1989, 94–96; 438–440.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

schaft. „Durch die Gemeinschaft hilft ein Kollege dem anderen und unterstützt ihn bei seiner Lebensführung gemäß den vereinbarten Abmachungen“ (IV  8). Die von den Kollegien geschaffene Wirtschaftsordnung ist gleichzeitig Sozialordnung. Die consociatio civilis allerdings ist im engeren Sinne unpolitisch.167 Gleichwohl ist sie nach Ansicht des Autors legitimer Gegenstand der Politik und der Politikwissenschaft. Die Ausführungen, die Althusius für die Stellung der Politik zur Ökonomie am Ende des dritten Kapitels macht, treffen neben Ehe und Familie ebenso für die nächsthöhere Gemeinschaftsstufe der Genossen zu. Die Sozialordnung ist genuines Anliegen der Politik und strahlt als solche in die Wirtschaftsordnung hinein. Umgekehrt wirkt die Ordnung der Wirtschaft – da sie selbst als eine Gemeinschaftsart verstanden wird – auf die Gesamtordnung der Gemeinschaften zurück. Diesen kollegialen bürgerlichen Zusammenschlüssen kommt staatspolitisch zumindest eine so hohe Bedeutung zu, dass sie unter dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung stehen (vgl. XXXII  63, 85). Eine Beseitigung oder Behinderung der Kollegien zählt zu den Kennzeichen von ungerechter und tyrannischer Herrschaft (XXXVIII  17; XXXII  85). Die Mitgliedschaft erfolgt nach Aussage des Rechtsgelehrten aufgrund „freier Entscheidung und eigenem Willen“, sie sei „selbstgewählt und rein freiwillig“. Diese Grundannahmen weichen von dem Bild ab, welches in der Geschichtswissenschaft heute über die Zünfte vorherrscht. „Oligarchisierung“, „Verkrustung des Zunftbürgertums“ und „kartellartige Organisationen“ zeichnen ein anderes Bild als das der individuellen Freiwilligkeit zur Vereinigung.168 Die politische Doktrin erfasst auch eine negative Vereinigungsfreiheit, also die Entscheidungsfreiheit, einer Genossenschaft fernzubleiben. Die Politica spiegelt in ihren Ausführungen zur consociatio civilis nicht die realen Verhältnisse des Zunftwesens in Deutschland wider. Vielmehr ist dem Autor daran gelegen, eine Typisierung von Vereinigungen darzustellen. Vor dem Hintergrund des normativen Gehalts – die Ausrichtung auf das Gemeinwohl – setzt sich Althusius kritisch mit den Oligarchisierungstendenzen in Handel und Gewerbe auseinander. Es fällt zudem auf, dass auf die politische Wirksamkeit der „coniurationes zwischen Kaufleuten (Gilden) und Handwerkern (Zünften)“ nicht eingegangen wird.169 Dieser Umstand liegt darin begründet, dass »der Politik« gegenüber »der Ökonomie« ein Primat eingeräumt wird. Nicht zuletzt wird so dem Großkapital 167  Die Einschränkung geht aber zu weit, wenn Oestreich eine Übersetzung von civilis mit staatlich für unzulässig erachtet, stattdessen Althusius die Einbürgerung des Ausdrucks civilis als gleichbedeutend mit vita socialis unterstellt, ders. 1989, 113 Anm. 9. 168  Press 1991, 55, 71, 73; Rabe 1989, 429; Bosl 1996, 818. 169  Bosl 1991, 808; insbesondere zur politischen Bedeutsamkeit der Gilden: ebd., 814–817.



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und der ihm innewohnenden Machtposition, etwa in den Familien der Welser oder Fugger personifiziert, der Weg in die Politik gewiesen. Wenn das Kapitel 4 auch zur Stellung der Frau schweigt, so ist dennoch davon auszugehen, dass Frauen die Mitgliedschaft und das Abstimmungsrecht in den Kollegien grundsätzlich nicht versagt sind.170 Althusius sieht die Frauen grundsätzlich zur Übernahme öffentlicher Tätigkeiten befähigt, sogar zur politischen Führung in der Lage (VII  30; XIX  73, 78). Entsprechend den allgemeinsten Definitionskriterien der consociatio sind in der consociatio civilis die drei Teilhabegemeinschaften ausgeprägt. Die Gemeinschaft der Sachen besteht zum einen in Beiträgen (contributione, collatione) der einzelnen Mitglieder, zum anderen in den Erwerbungen des Kollegiums selbst (IV  9). Zum Vermögen eines Kollegiums zählen etwa Gebäude, Bücher, das Siegel, die Kasse und die Schatzkammer. Als Begrenzung vor übermäßiger Anhäufung materiellen Reichtums sind Sachgegenstände insoweit umfasst, als sie (noch) dem „nützlichen und notwendigen Zwecke des Kollegiums“ dienen. Die Skepsis gegenüber außergewöhnlichem Reichtum Einzelner (I  33; XXX  16  ff.; u. ö.) entwickelt sich so zu einer ablehnenden Grundhaltung gegenüber einer organisierten Anhäufung von Vermögenswerten und der daraus entstehenden Machtposition fort. Die Gemeinschaft der Leistungen bestimmt sich weitgehend autonom (IV  12– 14). Eigens Erwähnung findet hier das Recht der Berufsausbildung, insbesondere die als Schutzrecht für Lehrlinge vorgesehene Zeugniserteilung (IV  13). Unter die kollegialen Leistungen fällt der Bereich der Organisa­ tionshoheit, Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten unter den Genossen selbst festzulegen (IV  14). Jedes Kollegium ist rechtsfähig, also Träger von Rechten und Pflichten (IV  10). Es hat überdies eine originäre und derivative Rechtsetzungskompetenz inne. Genossenschaftsrecht entsteht „aufgrund gemeinsamer Übereinkunft der Kollegen“ entweder aufgrund genuiner Kompetenz oder kraft verliehener Kompetenz durch den höheren Magistrat (IV  17). Die kollegiale Rechtsordnung positiviert sich in eigenen Büchern etwa als kodifiziertes Berufs-, Gewerbe- oder Handwerksrecht. Jedes Kollegium verfügt neben der Satzungsautonomie über eigene Jurisdiktionsgewalt, die sich allerdings der höheren Rechtsordnung unterordnen muss (IV  16). Insoweit kommen zwei – gleichsam in Vorwegnahme einer staatlichen Gewaltenteilung – höhere Gewalten in Betracht: Was das Leiten- und Verpflichten-Lassen der Mitglieder nach Recht und Gesetz des Kollegiums anbelangt, findet die Rechtsordnung des Kollegiums nur solange Anwendung, „sofern dies ohne dem Magistrat vorzugreifen“, in Bezug auf eine Bestrafung „sofern dies ohne … die Inanspruchnahme einer fremden Jurisdiktion geschieht“. „[D]ie 170  Rabe

1989, 46–48; anders 439: Ausschluss der Frauen von den Zunftwahlen.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

kollegiale Jurisdiktion [greift] der ordentlichen nicht vor, noch erstreckt sie sich auf durch das Recht Verbotenes“ (IV  16).171 Bei den Berufsgenossenschaften handelt es sich um juristische Personen des Privatrechts, die in ihrer Existenz vom Verhalten bzw. Wechsel ihrer Mitglieder abhängig sind (IV  2; arg. e contrario: V  3).172 Die Befugnisse des zu wählenden Vorstehers werden durch Vollmachten der Mitglieder verliehen (IV  6). Soweit die Genossenschaften allerdings hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, die der höhere Magistrat ihnen überträgt, können sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts bezeichnet werden.173 Die consociatio civilis ist zeitlich begrenzt und grundsätzlich aufhebbar. Als actus contrarius kommt sowohl die übereinstimmende Aufhebungserklärung der Kollegen (IV  2) als auch der Entzug der Privilegien durch einen höheren Magistrat in Betracht (arg. e. contr. IV  17). Mit der Autonomie der Kollegien, dem Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, stellt sich die Frage nach der Legitimation ihrer Entscheidungen ein. Sie wird zugleich eine zentrale Frage der politischen Lehre werden. Wer steuert den »Willen« des „corpus unum“, wie werden die Verhaltensweisen der »juristischen Person« bestimmt? Bislang erübrigten sich Wahlen; Entscheidungen in den privaten Gemeinschaften wurden vom Mann in der Familie, von den Sippenoberen in der Verwandtschaft getroffen. Von den übrigen Mitgliedern dieser Gemeinschaften werden sie »als richtig anerkannt«. Fraglich ist nun, ob ein solcher Erkenntnis- und Zustimmungsakt aus Solidarität auch noch bei den Berufsgenossen stattfindet. Für die bürgerliche Gemeinschaft kann nach Althusius niemand den berechtigten Anspruch erheben, im Besitz der richtigen Lösung für die Angelegenheiten aller Kollegen zu sein. Die Konsequenz daraus ist, dass die Stimme eines jeden Kollegen dem Grundsatz nach gleich viel gilt. Sie begründet den Anspruch auf Mitbestimmung und Mitentscheidung. Beachtliche politische Bedeutung nimmt dieses Lehrstück für die Provinz- und Reichsstände an, die als „größere Kollegien“ unmittelbaren Einfluss auf die Herrschaftsbegründung und die Gestaltung der Politik entfalten. Die Legitimation der Verhaltensweisen des Kollegiums wird folglich durch Konsens erlangt. Nach den Anmerkungen des ersten Kapitels bedeutet Konsens Einstimmigkeit: Wenn „Wille von Gebietenden und Gehorchenden eins sind“, so Al­ thusius in Kapitel 1 § 12, kennzeichnet diese Einstimmigkeit das idealtypische „glückliche Gemeinschaftsleben“. Davon hat sich der Autor bei der Beschreibung der Kollegien entfernt. Hier gilt es – in freilich typisierender 171  Von daher geht Koch fehl in der Annahme, dass es keine staatlichen „Eingriffsmöglichkeiten“ auf die berufsständische Ebene gibt, dies. 2005, 106. 172  Anders Hofmann 1988, 515. 173  Vgl. Krawietz 1976, Sp. 1101  ff. (1118).



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Weise – eine der Realität angemessene Darstellung zu geben. Ohne den Anspruch auf den »besseren Konsens« aufzugeben (z. B. VIII  67), rückt Althusius auf die »zweitbeste« Legitimationsgrundlage vor. Um die politische Bedeutsamkeit wissend, belässt es der Autor nicht dabei, das Mehrheitsprinzip bloß zu benennen. Mit didaktischer Absicht begründet und erläutert der Rechtsgelehrte dieses Prinzip. Danach wird es grundsätzlich angewendet, wenn gemeinschaftliche Angelegenheiten zu besorgen sind. Gemeinschaftliche Angelegenheiten sind solche, die alle, d. h. die Genossen als Gesamtheit betreffen. Althusius differenziert hinsichtlich der Ausgestaltung weiter zwischen den Bezugsgrößen der Anwesenheits- und Mitgliedermehrheit der Gremien. In Notlagen gilt die einfache Mehrheit, wenn und soweit zwei Drittel der Sollstärke des Kollegiums anwesend sind. Im Übrigen gilt die Mehrheit aller Mitglieder. Die Anwendung des Mehrheitsprinzips findet seinen Grund darin, „dass das Gemeinsame in diesem Fall nicht das Meine ist“ (IV  18 a. E.). Die auf diese Weise am gleichen Ort und zu gleicher Zeit erzielte Entscheidung „ist nämlich entschiedener und stützt sich auf größere Festigkeit und Kraft“. Da die Leiter der Kollegien gewählt werden, bedeutet die erforderliche „allgemeine Zustimmung“ (IV  6) eine Wahl nach Mehrheitsprinzip aller Mitglieder des Kollegiums. Der einstimmige Konsens besitzt jedoch weiterhin Gültigkeit: „In solchen Angelegenheiten jedoch, die alle als Einzelne oder überhaupt nur einzelne Kollegen betreffen, setzt sich die Mehrheit nicht durch. Vielmehr muss, was alle angeht, auch von allen gebilligt werden und zwar so, dass auch ein Einziger widersprechen kann. Der Grund dafür ist, dass hier das, was alle angeht, auch das mich betreffende ist.“ (IV  20)174

Der Satz betrifft den Gründungsakt eines Kollegiums sowie Satzungsänderungen, sofern sie den Wesenskern der Mitbestimmung und Mitentscheidung der Mitglieder betreffen (IV  14). Eine Abänderung der Organisationsstruktur, wonach der Vorsteher allumfassende Verfügungsgewalt in sämt­ lichen das Kollegium betreffenden Angelegenheiten erhält, und folglich die Beteiligung der Mitglieder in den Abstimmungen aufgehoben wird, ist danach ausgeschlossen. Zwar kann bei Satzungsverstößen ein Zwangsrecht der Gemeinschaft gegenüber dem Einzelnen bestehen, sogar das Zwangsrecht 174  „In rebus vero & causis communibus ad omnes singulatim, sive ad singulos collegas pertinentib. non vincit major pars  …“. Um dem Missverständnis vorzubeugen, dass es sich in dem Satz um zwei sich ausschließende Alternativen handelt – alle oder einzelne – sollte übersetzt werden wie folgt: „… Angelegenheiten, die sich auf alle Einzelnen oder jeden einzelnen Kollegen beziehen, …“. Das lateinische „sive“ gilt hier nicht als ausschließende (disjunktive), sondern als anreihende (kopulative) Konjunktion. Vgl. dazu die Übersetzung von F. Carney: „However, in matters common to all one by one, or pertaining to colleagues as individuals, a majority does not prevail“ (Politica-Carney 1995, 37).

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

eines Einzelnen (Präses) gegenüber einem Einzelnen (IV  6, 22).175 Die Befugnis eines Vorstehers wirkt hingegen nicht gegenüber allen Berufsgenossen gemeinsam. Dieser hat einen höheren Rang als jeder einzelne Kollege und gleichzeitig eine niedrigere Stellung als alle Kollegen zusammen (IV  7). Deshalb ist er auch an die Beschlüsse des Plenums gebunden. Die Quod-omnes-tangit-Regel, die in der Souveränitätsfrage und späterhin für die staatliche Herrschaftsbegründung und -ausübung eine bedeutsame Rolle spielt, findet somit ihren formalen Niederschlag schon in der Organisationstruktur der bürgerlichen Gesellschaft.176 Das Leitbild einer »begrenzten Organsouveränität« begegnet in der Politica von nun an in jeder höheren politischen Gemeinschaft. Anders als bei den (provinzialen) Kirchensenaten, wo bei Beratungen und Abstimmungen die Stimmen der Mitglieder gewichtet werden (VIII  28, 70), gilt für den weltlich-politischen Bereich die Zählstimme. Der Grundlegung einer direktdemokratischen Ordnung widerspricht freilich, dass es sich auf dieser Gemeinschaftsstufe nicht um einen »herrschaftsfreien Diskurs« handelt: Schon faktisch wird der Zählwert in einer Abstimmung dadurch beeinflusst, dass institutionell eine gewisse Reihenfolge bei der Stimmabgabe festgelegt ist, so dass es zur Beeinflussung des Meinungsbildes nach der Ehrenstellung im Kollegium kommt (IV  15). c) Die politische Gemeinschaft Die öffentliche Vereinigung trägt auch den Namen universitas, Gemeinschaftskörper (corpus consociatum), insbesondere auch politische Vereinigung (politica consociatio). Hier spricht der Verfasser zum ersten Mal von politischer Gemeinschaft im engeren Sinne. Nahmen schon die berufsgenossenschaftlichen Vereinigungen (consociatio civilis) „öffentliche Aufgaben“ in dem ihnen zu Gebote stehenden Umfang wahr (IV  3 a. E., 16  ff.), so zählt zum Begründungstatbestand für die öffentliche Vereinigung die Absicht, ein Politeuma zu schaffen (V  1). Den Begriff Politeuma führte der Autor bereits in der Propädeutik zur Politica ein (I  5) und verankert ihn nun als das genotypische Merkmal jeder politischen Vereinigung (V  1, 5, 12; u. ö.). Zweck der öffentlichen Vereinigung ist die Begründung einer rechtlich verfassten Ordnung, Ziel ist die Autarkie und Selbständigkeit, wie 175  Unter einer demokratischen Staatsregierung rücken die Präfekten der Kolle­ gien sogar hilfsweise in den politischen Stand der Wächter auf. Sie übernehmen dann subsidiär die Aufgaben der Ephoren (XXXIX  58). 176  Durch die Germania (XI) des Tacitus etwa erfahren wir, dass die Regel bereits im germanischen Gemeinwesen angewendet wurde: „Über geringere Sachen ratschlagen die Häupter, über größere alle“, 75. Nach Karl Bosl ist die Geltung des kanonischen Rechtssatzes in der Staatslehre erst im 13. Jahrhundert nachweisbar, ders. 1996, 826.



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sie sich wiederum in den Drei Gemeinschaften der Güter, der Leistungen und der Rechtsordnung idealiter verwirklicht (V  4; XXXII  71). Die örtliche Gemeinschaft teilt dieselben Gesetze, spricht dieselbe Sprache, unterliegt einer Gerichtsbarkeit und Ordnung, bedient sich derselben Sitten und Gebräuche ebenso derselben Münze, Maße und Gewichte (VI  40). Im sechsten Kapitel erfährt sie ihre positivierte Ausgestaltung für das Leben in den untersten politischen Gemeinschaften, den Weilern, Dörfern und Städten. Bezugsgröße ist die communicatio civium, die sich über die Drei Gemeinschaften dem Ziel und Zweck, der Erreichung des Politeumas durch autarkes und symbiotisches Leben nähert (VI  15). Für die Stadt hat Althusius die „gute Ordnung“ (ευταξία) paradigmatisch ausformuliert: „In großen und volkreichen städtischen Gemeinwesen ist eine Ordnung der Bürger sehr notwendig, durch die die Stadt gleichsam in Klassen (classas, P.  K.), Zenturien, Bezirke und Parochien unterteilt wird. Diese Ordnung macht die Stadt sicher und fest, so dass die Disziplin, die Leitung und Lenkung aller Dinge, die für die Verteidigung, die Erhaltung und das Wohl des Gemeinwesens wichtig sind, leichter und ohne Schwierigkeiten erreicht werden können. Denn wenn alle planlos umherschweifen und zerstreut sind, kann nichts richtig gelingen. So wie die gute Ordnung (ευταξία) alles zu einem leichteren und glücklichen Ausgang bringt, so stiftet die Unordnung (άταξία) Verwirrung und hindert Lenkung und Leitung.“ (VI  7)

Beispielhaft besteht die Gemeinschaft der Tätigkeiten auf der Stufe der Kommunen „darin, dass notwendige und nützliche Dienste (ministeria, P.  K.) und Hilfen (subsidia, P.  K.) zum symbiotischen Zusammenleben von einem zum anderen hin geleistet werden, sofern dieser in Not ist oder dies wünscht, so dass die gegenseitige Verbundenheit in tätigen Werken der Liebe (officia charitatis, P.  K.) wirksam werden kann.“ (VI  28) Im Unterschied zur Gemeinschaft der Sachen ist die communicatio operarum auch eine Gewährung aus Not (geschuldete Solidarität) und Barmherzigkeit (freiwillige Solidarität). Sie erinnert in ihrem materiellen Gehalt an die asymmetrischen Fürsorge-, Treue- und Beistandspflichten der Ehe und Familien. Die Gemeinschaft der Tätigkeiten bietet sich – über die verschiedenen Stufen der consociationes geltend – als Raum für eine authentische Gemeinsamkeit der Symbioten an. Da die Steuerung dem kommunalen Senatskollegium (und nicht der Nächstenliebe des Christen oder der Kirchengemeinde) obliegt, ist die Gemeinschaft der Tätigkeiten durchaus als ein soziales Prinzip politischen Handelns zu erkennen. Der Historiker van Dülmen stellt schon zur Entstehungszeit des frühneuzeitlichen Europas eine Erwartungshaltung gegenüber »dem Staat» hinsichtlich der Lösung sozialer Problemlagen fest.177 Soziale Sicherungssysteme durch politische Intervention gab es etwa bereits als eine gesetzlich ausgestaltete Unterstützung für Minderbe177  van

Dülmen 1982, 364.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

mittelte im London des Jahres 1563.178 Nicht zuletzt diese Erwartungshaltung gegenüber hoheitlicher Amtsführung, die sich aus der Zuschreibung von Kompetenzen auf diesem Politikfeld ergibt, mehr noch die Eingriffsmöglichkeiten, begünstigen die Herausbildung moderner Staatlichkeit und Bürokratie. Die Politica richtet sich an das politische und kirchliche Personal ebenso wie an die Kollegen und Bürger (vgl. VI  30–34; VIII  6; XXIX  13; XXXVII  38, 83–91; u. ö.). Jene leisten die Tätigkeiten als „politica negotia“, diese als „negotia privata“ bzw. als häuslich-alltägliche Dienste (domestica & quotidiana negotia, V  43). Neben die sog. privaten Arbeiten für die Gemeinschaft wie Errichtung und Unterhalt öffentlicher Bauten (Stadtmauern, Rathäusern, Theatern, Straßen, Brücken, Mühlen etc.) treten die Dienstleistungen persönlicherer Art an der Gemeinschaft. „Diese werden nicht so sehr aufgrund eines Vertrages, sondern mehr aus Liebe (ex charitate, P.  K.) und aus dem Wohlwollen der Bürger heraus geleistet, so z. B. wenn einer einem anderen tatkräftig hilft oder mit seinem Rat den Nutzen (commoda, P.  K.) seines Mitbürgers fördert“ (VI  35). Dazu zählt insbesondere die gemeinsame Abwehr von Gewalt und Unrecht gegen Privatpersonen (VI  36). Aus den §§ 17 bis 27 ist zu entnehmen, wie sich die Gemeinschaft der Sachen auf der Stufe der Kommunen konkret gestaltet. Das jus civitatis, das Bürgerschaftsrecht ist der Inbegriff des Politeumas als das symbiotische Recht der Stadt (VI  15). Es vergegenwärtigt die Drei Gemeinschaften auf der Stufe der Kommunen. Als Teile dieses Stadt- oder Bürgerschaftsrechts gelten die jura civitatis. Sie stellen die Gemeinschaft der Rechte dar, die sich in den Privilegien, Satzungen und Begünstigungen den Bürgern mitteilen (VI  39). Sie werden im Folgenden zu »Gemeindehoheiten« ausgebaut (VI  41 ff.). Die Gemeinschaft der Rechte ist unablässige Bedingung für die Existenz einer Stadt (VI  45). Somit nimmt sie eine herausragende Stellung in der Trias der Gemeinschaften ein. Als Ausführung grundsätzlicher Art ist die Darlegung ebenso für den Staat bedeutsam (XVII  14–15, Anwendungsbefehl in §  24). Die inmitten stehenden res communicata sind ein kraft des kommunalen Widmungsrechts erhobener Bestand von sächlichen Mitteln, die von Dritten erworben oder aus den Mitteln der Bürger aufgebracht werden. Zu unterscheiden sind Sachbestände, die der Gesamtheit der Bürger dienen, und öffentliche Sachmittel, die jeder einzelne Bürger zu benützen berechtigt ist. Zu ersteren zählen die kommunalen Steuereinkünfte ebenso wie Speicher, Zeughäuser, Bier- und Weinkellereien, jährliche Einkünfte und Geldzahlungen, das Geld der Schatzkammer oder der gemeinschaftlichen Kasse (soweit es aus den 178  Stein 1993, 745; van Dülmen 2000, 363  f. spricht schon von einer regelrechten „Armengesetzgebung“ der englischen Regierung.



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kommunalen Abgaben der Bürger stammt), kommunale Weideplätze, Hecken, Erzgruben, Archive, Stadtmauern und -tore, Wassergräben, Friedhöfe und anderes mehr (VI  24, 27). Die Bestimmung dessen, was öffentliche Sachmittel sind, obliegt den Kommunen in eigener Verantwortung (VI  17  ff.). Zu diesen gehören unter vielen anderen Holz-, Weide- und Fischplätze sowie Salinen, Straßen, Flüsse, Brücken, Schul-, Theater- und Zuchthausgebäude (VI  19, 20).179 Zur Verfügungsmasse der Kommunen gehörend dürfen auch einzelne Sachbestände verkauft werden. Allesamt sind sie politischen Zwecken gewidmet (ad usum politicum destinatae, VI  18 a. E.). Ein politischer Zweck liegt stets dann vor, wenn mit dem Sachbestand keine religiösen Absichten verfolgt werden. Vor dem Hintergrund des alle Lebensbereiche erfassenden konfessionellen Konflikts, spiegelt sich in dieser Teilung der Versuch einer Befreiung der Politik von religiösen Fragen. Durch die Abgrenzung werden politische Handlungsspielräume gewonnen. Juristisch feinsinnig differenziert Althusius nach der grundsätzlichen Zugangsmöglichkeit des einzelnen Bürgers sowie der konkreten Ausgestaltung des Benutzungsrechts zwischen einzelnen Nutzern (VI  22). Im Rahmen des Widmungsaktes positiviert sich die Gemeinschaft der Sachen in rechtsförmiger Weise. Zur Gemeinschaft der Sachen gehören ebenfalls die religiösen Zwecken dienenden Gebäude, Gegenstände und Einkünfte. Dieser religiöse und zugleich öffentliche Sachbestand gilt als geheiligt und steht ebenso wie ­einige spezielle »politische Sachbestände« (Stadtmauern, -tore, Wassergräben, Stadtburgen, Gräber) unter dem besonderen Schutz der Rechtsordnung (VI  26–27). Der methodischen Vorgehensweise gemäß werden zunächst für jedwede consociatio publica, vom Weiler bis zum Staat, allgemeingültige Aussagen getroffen (V  vor 1–6). Die öffentliche Vereinigung definiert sich aus der Verbindung von mindestens zwei privaten Gemeinschaften, also von Ehegatten, Familien und Kollegien. Galt diese Mindestvoraussetzung bereits für die consociatio civilis, so genügt zum Fortbestand der consociatio publica – abweichend von jener – eine einzige Person (V  3). Sogar bei einer einzigen Person von einer Vereinigung zu reden, widerspricht dem gewöhnlichen Sprachgefühl und lässt eher an eine rechtliche Konstruktion denken. Auf den ersten Blick widerspricht sie damit schon einer vertraglichen Grundlegung von Staat und Gesellschaft, da der Vertrag ein mehrseitiges Rechtsgeschäft ist. Im Verlauf der Darstellung tritt die Gesellschaft als Untersuchungsgegenstand zunächst neben, dann zunehmend hinter den politisch konstruierten zurück. Die „societas publica“, die synonym für „consociatio 179  Althusius zitiert an dieser Stelle Machiavellis Discorsi Buch 2, Kapitel 24; dort geht es aber um Nutzen und Nachteil von Festungen. Die Absicht des Autors ist daher nicht direkt nachvollziehbar.

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publica“ steht und einen Bestandteil der „societas humana“ bildet (V  vor 1, 1), findet ihren Geltungsgrund zunächst in ihrer rechtlichen Erlaubtheit. Abgestellt wird dabei auf das symbiotische Recht und auf das überkommene römische Recht. Danach findet sich in den Digesten und Institutionen des Corpus Iuris Civilis (533 / 4), dessen Rezeption in Deutschland vor allem im 15. und 16. Jahrhundert stattfand, eine weitere Legitimationsgrundlage für politische Verbände (V  2, 8, 9, 27).180 Besonders häufig greift Althusius an diesen Stellen auf das Werk Tractatus de jure universitatum (Venedig 1601) von Nicolaus Losaeus, eines Kommentators des römischen Rechts zurück.181 Kennzeichnend für den Verfasser der Politica ist dabei, dass er die einschlägigen Bestimmungen des römischen Rechts, entgegen den von ihm angeführten Autoren Zasius und Alciatus, in einem anti-absolutistischen, konstitutionellen Sinne auslegt. Althusius benennt eine weitere juristische Legitimationsgrundlage. Die „politica consociatio“ ist auch vom Völkerrecht (jus gentium) erlaubt und anerkannt (V  2). Weil sich das (heute sog. klassische) Völkerrecht – vornehmlich am Begriff der Souveränität – von römisch-antiken und mittelalterlichen Vorläufern zur Abfassungszeit der Politica emanzipiert, gewinnt das jus gentium die Anerkennung als eigenständige Rechtsquelle. Sie erzeugt aus supra- und internationalen (d. h. für die Politica: supra- und interkonsozietalen) Regelungen verbindliche Rechtssätze.182 Althusius greift dabei auf Vorläufer des Völkerrechts zurück: auf Albericus Gentilis’ Schrift De jure belli (Hanau 1612) und Nicolaus Losaeus’ Ausführungen im Tractatus de jure universitatum. Der Autor beschreitet damit schon den Weg, der Hugo Grotius mit seinem Werk De iure belli ac pacis zeitgleich mit dem Erscheinen der 4. Auflage der Politica 1625 die Bezeichnung »Vater« des Völkerrechts einbringen wird.183 Die entstehende europäische Staatenwelt 180  Kaser

1989, 9; Bosl 1996, 823  f.; Boldt 1994, 163  f. werden aber auch Werke von F. Marcus, Mynsinger, Gail, a Valle, Ph. Decius, Bartolus de Sassoferrato, Baldus de Ubaldis, de Castro, Durantis, J. Cora­ sius, Hostiensis (d. i. Heinrich von Segusio) und viele weitere Glossatoren oder Kommentatoren, die mitunter kritisch zur Rezeption des römischen Rechts standen (z. B. Jacobus Cujacius, s. dazu Ottmann 2004, 76–82). 182  Kimminich / Hobe 2000, 31–47; Rüthers 1999, 124  f. 183  Der Emdener Ratssyndikus setzte sich mit Grotius in der Frage eines innercalvinistischen Streits auseinander, der 1618 zur Enthebung von seinen öffentlichen Ämtern führte und diesem Festungshaft einbrachte (Hofmann 1995, 55–57). Althusius beargwöhnt und beschimpft Grotius als einen „wütenden Wolf“ und Aufwiegler, was aus Briefen des Althusius gegen Grotius’ Schrift Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas von 1613 hervorgeht (Briefe an Sibrandus Lubbertus v. 9.01. u. v. 20.11.1614 in: Politica-Friedrich 1932, cxxix–cxxx). Grotius verwendet in De jure belli ac pacis ebenfalls das Wort consociatio für feste soziale Verbindungen, die bis zum Staat führen, ohne allerdings die Politica des Althusius zu zitieren. 181  Zitiert



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steht angesichts des Zerfalls der universalen Mächte von Reich und Kirche vor einer neuen Ausgangslage. Hier kann das Völkerrecht die Vielfalt der politischen Gemeinschaften, d. h. Völker und Nationen als „Band der Menschheitsgesellschaft“ (Grotius, De Iure Belli ac Pacis, Prol. 17) in eine neue Ordnung führen. Zugleich unterstreicht die Inbezugnahme des jus gentium den universalen Anspruch der althusischen Allgemeinen Staatslehre. Sie stellt hierin einen Beitrag im europäischen Diskurs über die Neugliederungs- und Zerfallserscheinungen dar, die insbesondere in der europäischen staatstheoretischen Literatur als Führungs- und Orientierungslosigkeit empfunden werden. Auf der anderen Seite bedeutet der Rückgriff auf das jus gentium einesteils eine Preisgabe der Eigenständigkeit der Politik im Kanon der Wissenschaften, insbesondere gegenüber der Jurisprudenz. Der Rechtsgelehrte verzichtet jedoch selten auf die Überzeugungskraft des römischen Rechts und der einschlägigen juristischen Fachliteratur, um ein Argument oder eine Darlegungsweise zu stützen. Andernteils ergibt sich eine systematische Inkonsequenz: Althusius argumentierte bislang im Hinblick auf die Genealogie menschlicher Gemeinschaften teleologisch und historisch-empirisch. Das Argument des Völkerrechts ist dagegen positiviertes (Natur-)Recht, d. h. »gewillkürtes« Recht. An dieser Stelle wird die Schwäche des völkerrechtlichen Argumentationsstranges erkennbar.184 Bei der Begründung erster politischer Gemeinschaften kann ein Völkerrecht als Staatenrecht noch gar nicht existieren. Es wäre dann gleichbedeutend mit »bloßem« Naturrecht.185 Stellte man dagegen nicht auf die Staatlichkeit, sondern auf das Selbstbestimmungsrecht der (vorstaatlichen) Völker, d. h. Konsoziationen ab, so kann dieses gewillkürte Völkerrecht zum anderen nicht das „erlauben und anerkennen“, was es selbst zur Prämisse hat. Der Autor befindet sich in einem Zirkel. Die petitio principii wird nochmals bei der Staatenverbindung aktuell. Die Verträge, die die Bündnispartner schließen, stellen die Rechtsquellen des Völkerrechts dar. Althusius weiß um die Doppeldeutigkeit des Begriffs jus gentium. Es ist daher im Zusammenhang der Bündnispolitik als Recht zwischen den Völkern, nicht als geltendes Recht bei allen Völkern aufzufassen. Die Verträge schließen sie nach Al­ thusius auf der Grundlage der Fundamentalgesetze und Souveränitätsrechte (XVII  27). Sofern diese wiederum auf das naturrechtliche jus gentium zurückgreifen, bedeutete dies einen erneuten Zirkelschluss. Unbeschadet der juristischen Argumentationslinie verbleiben deshalb die naturteleologische (I  27, 32; u. ö.) und die empirisch-historische Begründungslinie (I  27 a. E.; V  vor 1) in Geltung. 184  Koch dagegen stellt auf das jus gentium ab, ohne indes den Gedanken zu erläutern, dies. 2005, 161. 185  So vertritt van Eikema Hommes, dass Althusius im Unterschied zu Grotius das jus gentium stets als Naturrecht betrachtet, ders. 1988, 374.

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Die Gemeinschaft des Weilers, des Dorfes und auch noch der Kleinstadt ist geprägt von gleicher Sprache, gleichen Sitten und Gebräuchen, der Abstammung und dem Herkommen. Die Bürgergemeinde versteht sich als umfassendes kommunikatives System. „Die gemeinschaftliche Verbindung der Bürger (communicatio civium, P.  K.) derselben Körperschaft … ist eine der Sachen, der Leistungen, des Rechts und der gegenseitigen Eintracht“ (VI  15). Diese politischen Gemeinschaften sind noch autochthon. Der unmittelbare Bezug zu den natürlichen Gemeinschaften der Familien und Arbeitskollegen ist ungebrochen. In der »guten Nachbarschaft« und der Dorfgemeinde entfaltet sich die Solidarität der Dorfgemeinschaft in Nachbarschaftshilfe und in einem besonderen Gemeinschaftsbewusstsein. Die Scheidung in formaler Art ist deshalb für Althusius indiziert, weil „sie (die Symbioten, P.  K.) aus der privaten Symbiose heraustreten und sich zu einem Gemeinschaftskörper verbinden“ (V  10). „Denn sie gelten hier nicht als Ehegatten, Verwandte oder Kollegen …, sondern sind Bürger eben dieser Körperschaft“ (ebd.). Damit vollzieht sich zugleich ein qualitativer Schritt, der sich bereits in der Stellung als Kollege ankündigt: eine Metamorphose vom Menschen zur Person. Dieser Wandel bedeutet einen Akt des symbiotischen Rechts. „Die Körperschaft ist eine durch feste Gesetze gebildete Gemeinschaft“. Die „durch dasselbe Gemeinschafts- und Herrschaftsrecht verbundenen Bürger“ stellen die Bürgergemeinde (civitas quasi civium unitas, V  48) dar. Die Provinz nimmt eine Sonderstellung im Werk ein.186 Wird sie in der ersten Ausgabe von 1603 noch unter der Kapitelüberschrift De consociatione universitatis mit den Kommunen gemeinsam auf insgesamt 19 Seiten behandelt, so werden ab der zweiten Auflage der Behandlung der Provinz zwei eigene Kapitel eingeräumt. Auf 42 von rund 70 Seiten, auf die der Themenkomplex angewachsenen ist, legt der Autor nunmehr eine „politische Lehre von der Provinz“ (de provincia doctrina politica) dar. Der vergrößerte Umfang im Werk trägt dem Prozess der Verstaatlichung und dem Bedeutungszuwachs der aufstrebenden Territorien Rechnung. Unter Provinz versteht sich das Territorium der Neuzeit, mithin ist die Provinzlehre als politiktheoretische Grundlegung der frühmodernen Flächenstaaten zu lesen. Als Anknüpfungspunkt tritt die personale Verbindung der Gebietsansässigen nunmehr in den Hintergrund, die gemeinsame Rechtsunterworfenheit stattdessen in den Vordergrund. Das Kapitel trägt dementsprechend die Überschrift De juris provincialis communione und knüpft unmittelbar an die propädeutische Drei-Gemeinschaftenlehre an. Stellt die Territorialität das »neue« Beschreibungsmerkmal dar, so verbleibt der »alte« Personenverband weiterhin Kriterium der Gesellschaft. Glieder (membra) der Provinz sind 186  Vgl.

auch Hüglin 1991, 126–133.



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nicht Städte, Dörfer und Gemeinden, sondern „ihre Ordnungen und Stände“.187 In der Provinz hat die Ständegesellschaft ihren Sitz (vgl. VIII  45–48). Für das deutsche Gemeinwesen bezeichnet Althusius sie mit „Stende der Landschaft“, womit betont wird, dass breite Bevölkerungsgruppen und -schichten Anteil am politischen Prozess nehmen. Dieser Anspruch bestätigt sich in der historischen Entwicklung: Wo sie sich auf Landtagen institutionell nicht vertreten sahen, bezeichneten sie sich – etwa die fränkischen Bauern – selbstbewusst als »Landschaft«.188 Der Gedanke ortsübergreifender, »landschaftlicher« Repräsentation schlägt sich im institutionellen Auf- und Ausbau in den Territorien nieder. Im Prozess der flächenstaatlichen Entwicklung der Landeshoheit wirken die Landstände auf das Handeln der Fürsten nicht allein in der Steuerbewilligung (vgl. »no taxation without representation«), sondern nehmen allgemeine Landesinteressen wahr.189 Der Verfasser der Politica tritt als Parteigänger der Landstände auf und setzt sich für die Übernahme politischer Verantwortung durch die gesellschaft­ lichen Verbände ein (vgl. VIII  40–49). Die provinziale Konsoziation ist wiederum eine Gemeinschaft der Güter, Dienstleistungen und des Rechts. Die communio juris nimmt auf der Stufe der Provinz im Unterschied zu den Familien, Berufsgenossen und Bürgern erstmals die eindeutige Vorrangstellung gegenüber den beiden anderen Gemeinschaftsarten ein. Die provinziale Rechtsordnung schreibt Art und Weise sowie das Maß der Gemeinschaft von Gütern und Leistungen vor (VII  3; I  10), die nicht wie ehedem in den Familien und Kollegen aus Solidarität geleistet werden.190 Die Chance auf Verwirklichung der beiden Kommunikationsformen wird durch den rechtlichen Zwang erhöht. Die Rechtsordnung zielt auf die Autarkie der provinzialen Gemeinschaft gegenüber der universalen consociatio einerseits und den Kommunen andererseits. Was unter einer autarken Provinz zu verstehen ist, wird in den §§ 12–57 des 7. Kapitels erläutert. Die Autarkie darf nicht mit Autonomie in eins gesetzt werden (vgl. XXXII  71). Die communio juris stiftet die (rechtliche) Einheit der Provinzbewohner. Mithin ist die Provinz nach der oben vorgenommenen Abgrenzung nicht länger als ein gemeinschaftliches, sondern als ein gesellschaftliches Phänomen anzuerkennen. Ihr kommt eine funktionale Bedeutung zu und sie entbehrt den engen Bezugsrahmen menschlicher Interaktion in Familie, Arbeitsstätte und örtlicher Verwurzelung. Die Ausführungen zur 187  Hofmann weist insofern zu Recht auf die doppelte Bedeutung des Wortes »membra« bei Althusius hin, ders. 1988, 517. 188  Willoweit 1997, 118; Press 1991, 114. 189  Schilling 1998, 344  ff.; Willoweit 1997, 116  f.; Boldt 1994, 178  ff.; Press 1991, 114  ff.; Rabe 1989, 434  f. 190  Kritisch zur Vorrangstellung wegen des Anscheins eines monozentristischen Staats- und Gesellschaftsaufbaus: Krawietz 1988, 420  ff.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

Provinz sind daher verstärkt von einer organisatorischen Strukturleistung getragen, als dass sie die provinziale Gesellschaft erörtert. Sprachlich zeichnet sich in den Kapitelüberschriften ein Perspektivenwechsel ab. Es wird nicht länger von der Unterart consociatio provincialis gesprochen, sondern De jure provincialis. Der soziologische Gemeinschaftsbegriff tritt hinter einem rechtlichen zurück. Die „politische Lehre der Provinz“ wird in zwei Themenbereichen entwickelt: in der Rechtsordnung (VII) und in der Verwaltung (VIII). Neben die in der Provinz Zusammenlebenden treten als Hauptmerkmale das klar umgrenzte Territorium (fines & terminos) und ein einheitliches Recht (VII  1, 2; VI  14).191 Nach den Kriterien der Jellinek’schen Staatslehre – Gebiet, Volk, Hoheitsgewalt – käme somit der Provinz »Staatscharakter« zu. Indessen bereitet die Erhebung der Provinzbewohner zum Provinzvolk Schwierigkeiten. Althusius verwendet den Ausdruck »Volk« nicht, sondern spricht vielmehr von den „im Territorium Lebenden“, von „bürgerlicher Gesellschaft der Provinz“ oder vornehmlich von den „Gliedern der Provinz“, die die Stände, nicht die einzelnen Standesgenossen sind. Für ihn bleibt der Ausdruck »Volk« der universalen consociatio vorbehalten. Die „politische Lehre der Provinz“ stellt einen eigenständigen Beitrag zur Territorialstaatsentwicklung dar, der insbesondere im Hinblick auf die Zustände im Deutschen Reich und den Niederlanden von besonderem Interesse ist. In der modernen Geschichtsschreibung ist immer wieder die starke Stellung der Territorien und die mangelnde Integrationskraft des Reiches als (beklagenswerte) Ursache dafür ausgemacht worden, weshalb sich Deutschland im europäischen Vergleich zu einer »verspäteten Nation« entwickelte. Helmuth Plessner spricht in seinem Beitrag Die verspätete Nation gar von einem „versäumten 17. Jahrhundert“.192 Mit den einschlägigen Ausführungen in der Politica bietet sich die Gelegenheit, eine politische Theorie der Zeit sprechen zu lassen. Im Unterschied zu den beiden anderen Kommunikationsformen nimmt die „Gemeinschaft des Rechts“ die konstitutive Stellung im Konzert der Gemeinschaftstrias ein. Unbeschadet der Satzungsautonomie der niederen Gebietskörperschaften gilt im Territorium einer Provinz ein und dasselbe Recht. Zu einer Kollision von kommunalem und provinzialem Recht kann es – anders als zu einer Konkurrenz – nicht kommen, da die Einheit der Rechtsordnung prototypisch in den Drei Gemeinschaften als Prinzip jeder consociatio festgelegt ist. Als tätiger Politiker hat der Autor selbst erfahren, wie landesherrschaftliche Ansprüche kommunale Interessen tangieren können. Hier trat der Verfasser der politiktheoretischen Schrift als unerbittlicher 191  Hohberger macht dagegen einen territorialen Gemeinschaftsbegriff „ohne geographische Grenze“ aus, ders. 2008, 81, 87. 192  Plessner 2001, 14.



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Verteidiger der Stadt Emden gegen den Landesherrn Enno III. auf.193 In seiner Allgemeinen Staatslehre löst sich das Gegeneinander in eine Konkurrenz, in einem „Zusammenlaufen“ von Kommunen und Provinzen um die bestmögliche Verwirklichung des symbiotischen Lebens auf. Die territoriale Rechtsordnung legt dabei verbindlich die gegenseitige Teilnahme und Teilhabe von Tätigkeiten und Sachen aller in der Provinz Lebenden fest. Die „Autarkie der provinzialen Gemeinschaft“ nimmt selbst die Stellung eines Gesellschaftszieles an (VII  3; VIII  48). Der im Vorwort angesprochene „Student der Politik“ darf indes mehr als nur die bloße Mitteilung darüber erwarten, dass die „Autarkie“ der Provinz ein Ziel der Gemeinschaft ist; er darf nach dem Impetus des Vorworts den Autor in die Pflicht nehmen und eine Begründung dafür abverlangen, warum es neben der consociatio particularis in Form der Städte und Gemeinden eine weitere consociatio particularis in Form der Territorien gibt oder gar geben muss. Welche Aufgaben kommen einer Provinz als eigenständiger Staatsebene zu, die nicht ebenso von den Städten und Gemeinden einerseits sowie der consociatio universalis major andererseits wahrgenommen werden können? Im Unterschied zum Staat muss es die Provinzen nicht geben (vgl. IX  2).194 Bei der Beantwortung ist von der Existenz der Provinzen als politische Gegebenheit auszugehen. Als solche stellt sie einen zwangsläufigen Gegenstand der Untersuchung dar. Daran anknüpfend ist zu erinnern, dass Autarkie schon an früherer Stelle als Selbstzweck jeder consociatio bestimmt wurde (I  10; V  4). Autarkie ist das „erste Recht“ der Provinz (VII  57). Die Anerkennung der Provinzen stellt sich als eine Notwendigkeit ein, denn „[j]e größer eine Gemeinschaft … ist und je mehr Gemeinschaftsarten sie umfasst, desto mehr bedarf sie der Hilfe und Unterstützung“ (V  4).195 Die Provinzen stellen nun den nächsthöheren, subsidiären institutionellen Rahmen der „Hilfe und Unterstützung“ bedürftigen rangniedrigeren Gemeinschaften dar. Der provinzialen Eigenart gemäß sind in ihr die drei Teilhabegemeinschaften derart zu verwirklichen, wie sie sich für die Kommunen wegen ihrer Größe und ihres Aufgabenumfangs nicht einstellen. Darin liegt gleichsam ein ökonomischer Aspekt der Solidargemeinschaft. Je größer die Anzahl der Teilhabenden und Teilnehmenden, desto besser lassen sich entsprechend gesteckte Ziele verwirklichen. Mit den Provinzen liegt eine Struktur vor, die sich subsidiär bei der Verwirklichung der frommen und gerechten Symbiose als zweckdienlich und auch erforderlich erweist. Das Reich wird erst tätig, 193  Antholz

1954, 99  ff. XXXIX  84: beide, Staat und Provinz sind kontingente Merkmale ­politischer Vergesellschaftung. 195  Diesen althusischen Leitgedanken gewichtet Krawietz in seinem Votum für eine „Heterarchie fluktuierender Inter-System-Beziehungen“ falsch, ders. 1988, 420  ff. (423). 194  Anders

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

soweit die Angelegenheiten der „Provinzen insgesamt“ tangiert sind. Wenn der Staatsdenker die Errichtung von Provinzen auch nicht für zwingend erforderlich ansieht, gibt er dennoch eine Bestandsgarantie für die existierenden ab, danach der oberste Magistrat nicht nach Belieben Provinzen abtreten oder verkleinern darf (XIX  5; IX  24; XXXVIII  21, 133). Die Provinzen sorgen im Rahmen ihrer Aufgaben für eine weltlich-kirchliche Geschlossenheit, die das Reich nach der Konfessionsspaltung nicht mehr zu leisten imstande war. Gerade dadurch leisten die Teilterritorien aber einen entscheidenden Beitrag zur Staatlichkeit überhaupt, der zugleich gegenüber der genossenschaftlichen Fragmentierung in den Kommunen in einer einheitsspendenden Ordnung zu erblicken ist. Die in den Territorien anfallenden Aufgaben werden in negotia sancta und negotia civilis unterschieden, die sich am Ziel einer frommen und gerechten Symbiose ausrichten. Die religiösen Aufgaben beziehen sich auf die Ermittlung eines „rechten Gottessinns“ sowie auf die Ausübung einer „lauteren Gottesverehrung“. Der Autor verankert mithin die Konfessionsproblematik institutionell auf der provinzialen Ebene. Nicht den Kirchengemeinden der Kommunen, oder gar den Kommunen selbst überlässt er den heiklen Bereich, auch nicht allein der universalen Konsoziation. Ihre Integrationskraft wäre bei den vorliegenden Spaltungen überfordert und würde ihr einendes Gemeinschaftsversprechen gefährden. Althusius nimmt sich bei der Ermittlung des „rechten Gottessinns“ bis auf eine konsensfähige Minimalforderung zurück: „Der rechte Gottessinn ist aus den Glaubensartikeln und aus der Heiligen Schrift zu entnehmen.“ (VII  6) So glaubt der Politiklehrer der Theologie „nicht das wegzunehmen, was ihr eigen ist“ (Vorwort 1610). Auf der Erkenntnis des rechten Gottessinns beruht nun die „wahre und rechte Gottesverehrung“. Hier wird in eine innere und eine äußere Religiosität unterteilt. Die innere private Gottesverehrung ist eine Angelegenheit des Glaubens und des Gebets. Als eine Frage des Gewissens verschließt sie sich vor äußerlichem Zwang (vgl. aber IX  41). Ihr wohnt ein Moment der individuellen Freiheit inne. Mit der äußeren privaten Gottesverehrung in Form von rituellen Handlungen und dem gesprochenen Wort bekennt sich der Gläubige offen zu seiner Religion. Hinzu tritt die „öffentliche Gottesverehrung“ in der gemeinschaftlichen Feier. Für sie ist der Aufgabenbereich der provinzialen Administration eröffnet. Mit dieser Unterteilung ist keiner Trennung von Staat und Kirche das Wort geredet.196 Gotteserkenntnis und -verehrung sind für den Autor keine Privatangelegenheiten. Althusius bestimmt, dass die provinziale Verwaltung für die Schaffung der Voraussetzungen eines frommen Lebens verantwortlich ist.

196  Vgl.

auch Friedrich 1975, 10, 107  ff.



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Die negotia civilis der Provinz betreffen die Verwirklichung des gerechten Lebens. Die bürgerschaftlichen Angelegenheiten wiederholen und konkretisieren, was bislang schon als allgemeine Handlungsanweisung gegolten hat. Althusius spricht nunmehr von der „Praxis der politischen Gerechtigkeit“ (praxis justitiae politicae). Darunter ist eine Gemengelage aus Nächstenliebegebot, platonischer Idiopragieformel und Goldener Regel zu verstehen: „… die Pflichten der Liebe, durch die er (der Einzelne, P.  K.) jedem das Seine zukommen lässt und dem Anderen nichts antut, was ihm selbst nicht angetan werden soll“, richten sich an alle Symbioten, mithin an die Gesellschaft der Provinzbewohner. Weil Gemeinschaften, Gesellschaft und Staat nicht strikt getrennt werden, dennoch unterscheidbare Wesenheiten sind, können sich die „Pflichten der Liebe“ als „besondere private Praxis der Gerechtigkeit in der Provinz“ darstellen (VII  11). Dieser besonderen privaten korrespondiert die allgemeine öffentliche Praxis der Gerechtigkeit. Als solche werden die benannten allgemeinen Pflichten jedes Symbioten auf der Ebene der Provinz in formell organisatorischem und materiell-inhalt­ lichem Rahmen konkretisiert (VII  12  ff.). In näher bezeichneten Tätigkeitsbereichen fungiert die provinziale Rechtsordnung als Gewährleister privater und öffentlicher Pflichten. Sie übernimmt in weitreichenderem Umfang als das für die Kommunen erforderlich war wiederum die Leitungsfunktion der beiden anderen Gemeinschaften der Sachen und Tätigkeiten, die sich entsprechend den „Gegebenheiten und Personen sowie Ort und Umständen“ anpassen müssen. Die communio juris der Provinz regelt im Einzelnen acht Aufgabengebiete: die Sorge für die öffentlichen Güter (VII  64), den einheitlichen Gebrauch der Amtssprache und der Währung (VII  63), den Warenhandel (VII  62), die Abgaben und Steuern für den provinzialen Bedarf (VII  61), die innere und äußere Sicherheit (VII  60), die Verkehrssicherheit (VII  59), die Sozialdisziplinierung (VII  58), die Gemeinschaft der Tätigkeiten und Dienste (VII  13  ff.). Für diese Bereiche besteht eine landeseigene Gesetzgebungskompetenz, die der Präfekt mit den Ständen zusammen wahrnimmt (VIII  50, 65  ff.). Besteht danach auch jede Gemeinschaftsart autark für sich, so streben doch alle zur Gemeinschaft in der consociatio universalis major. Die anzustrebende Autarkie versteht sich also nicht als ein Gebot zur Vereinzelung; wie schon bezüglich der Einsiedler ausgeführt, bedeutet autark zu sein, in der Vereinigung mit anderen zu bestehen. Die Vereinigung also zielt auf Selbstgenügsamkeit. Mit dem Leitgedanken der Autarkie korrespondiert die Subsidiarität. Solange eine autarke Lebensführung auf der niederen Vereinigungsstufe der Kommunen gewährleistet ist, solange ist auf die Wahrnehmung einer konsozietalen Aufgabe durch die nächsthöhere Stufe zu verzichten.197 Sofern die 197  Zur

einer solcherart verstandenen Subsidiarität vgl. auch Nitschke 2002, 99.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

nächsthöhere Konsoziation eine Aufgabe wahrnimmt, begibt sich die rangniedrigere Gemeinschaft nicht der Pflicht die übrigen Aufgaben weiterhin zu erfüllen. In der universalen Gemeinschaft sind alle Gemeinschaften „unter einem Recht zusammengeschlossen“ (IX 3). In ihr allein verwirklicht sich die politische Einheit in der Verschiedenheit, mit ihr bleibt keine konsozietale Aufgabe mehr unerfüllt.198 Sie bildet gleichsam das Optimum an Autarkie aus und grenzt sich nach oben zu einer »maximalen« consociatio ab. Wenn nun alle örtlichen Angelegenheiten von den Kommunen in eigener Regie besorgt werden, bleibt die Zuständigkeit für die überörtlichen Aufgaben offen. Wer nimmt sich dieser an? Althusius geht an dieser Stelle von der Existenz der Provinzen als gegeben aus. Als Pragmatiker stellt er sie staatstheoretisch nicht in Frage. Allerdings wohnt ihrem Anspruch auf Autonomie (IX  7) und Autarkie eine Ausweitung ihrer Kompetenzen zu Lasten der kleineren Kommunen einerseits, der consociatio universalis major andererseits inne. Den Bestrebungen der provinzialen Fürsten zum Ausbau und zur Festigung ihrer politischen Macht und Einflussnahme begegnet der Autor mit seinen föderalen und subsidiären Überlegungen. Da sich das Gemeinwesen in einem dreistufigen Aufbau von unten nach oben gliedert, hegt er die Provinzen als staatstheoretische Zwischeninstanz ein.199 Die consociatio universalis major ist das Dach auf den Säulen der Provinzen, welche wiederum auf dem Fundament der Kommunen stehen. „Eine Region oder Provinz umfasst innerhalb ihres Gebiets mehrere benachbarte größere und kleinere Städte und Dörfer und hat in einigen Bereichen spezielle eigene Gesetze, Privilegien und Rechte, obwohl sie durch das gemeinsame Band des Reiches mit anderen Regionen bzw. Provinzen oder Städten eng verbunden ist.“ (VI  14) Unternehmungen, aus einem bestehenden Reichsverband auszuscheren, nach Eigenstaatlichkeit zu streben, bleiben somit außer Betracht. Die provinziale Autonomie und Autarkie stehen unter dem Primat einer gesamtstaatlichen Einbindung bei gleichzeitiger Gewährleistung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Provinziale Rechtsordnung und Verwaltung sind so abzustimmen, dass sie nicht mit staatlicher Rechtsordnung und Verwaltung kollidieren, staatliche Herrschaftsrechte schwächen und somit den Staat in Frage stellen. »Starke« Provinzen sind in einer Hinsicht für den Staat geradezu erforderlich. Sie stellen nämlich den Bestand an 198  Diese Möglichkeit übersieht m. E. Duso, wenn er dem Souveränitätsbegriff bei Althusius die „entscheidende Einheit“ abspricht und wegen einem „Anerkennen einer Vielfalt von politischen Subjekten … die Souveränität und die moderne Verfassung nicht denkbar machen.“, ders. 2010, 81, 83. 199  Koch scheint davon auszugehen, dass sich die althusische Herrschaftskonzeption »von oben nach unten« aufbaut, dies. 2005, 111. Die Implikationen, die sich für den Staat daraus ergeben, nicht nur gesellschaftlich »von unten nach oben« aufgebaut zu sein, sind weitreichender als Koch in ihrer Untersuchung feststellt.



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personalen und sächlichen Mitteln, der nötig ist, um einem Gewaltherrscher wirksamen Widerstand leisten zu können. Um diese Garantenstellung abzusichern, gilt es, die Provinzen so stark wie nötig im Staatsgefüge zu verankern und eine diesen Anforderungen angemessene Ausformung von Rechtsordnung und Verwaltung zu finden. Das zwischen Stärkung und Gefährdung des Gesamtstaates bestehende Dilemma findet sich in der Situation der Niederlande unter der spanischen Vorherrschaft wieder, also noch vor und während der Abfassungszeit der Politica.200 Als Althusius 1610 die zweite Ausgabe der Politica in Arnheim veröffentlichte, widmete er sie den Ständen Frieslands, einer Provinz der Vereinigten Niederlande, und sah sich veranlasst, im Vorwort eine Philippika gegen die spanische Außenpolitik zu reiten. Im Lichte seines politischen Amtes besehen, welches er 1610 in Emden antrat, wird die Emphase, mit der er gegen den iberischen Hegemon auftritt, auf Zustimmung gestoßen sein. Gleichwohl favorisiert Althusius in den Provinzkapiteln keinen Staatenbund, was bedeutete, den Provinzen selbst Eigenstaatlichkeit zuzugestehen. Stattdessen betont der politische Denker den Bundesgedanken unter den Territorien in einem kooperativen Verhältnis. Seine Provinzlehre stellt die Weichen für einen föderalen Zusammenschluss, der eine Bestandsgarantie für die »Teilstaaten« abgibt und diese mit eigenen Kompetenzen ausstattet. Ihre kulturelle, historische und regionale Identität bleibt in einer föderal organisierten universalen Konsoziation bewahrt. Aufgabe der obersten Verwaltungsbehörde im Staat ist der Schutz seiner Glieder gegen Gewalt und Unrecht. Sofern sie die Ausübung ihrer Schutzfunktion vorwerfbar unterlässt, handelt sie tyrannisch (XXXVIII  16, 21.) Die Provinzen dürfen sich dagegen zur Wehr setzen (XXXVIII  37). Althusius diskutiert gegen die Ansicht Barclays sogar ein städtisches Widerstandsrecht, das die institutionelle Bestandsgarantie abrundet. Danach können sich in ihrer Existenz bedrohte Städte (civitas) einem anderen (Provinz-) Magistraten unterstellen oder durch Widerstand und Ungehorsam verteidigen (XXXVIII  111).

200  In zähen politischen und militärischen Kämpfen sagten sich 1581 die nördlichen Provinzen ganz von den Habsburgern los und gründeten 1587 die Republik der Vereinigten Niederlande. Die so genannten »Rebellen» wollten die spanische Oberherrschaft zunächst nicht gänzlich abschaffen, sondern nur ihre „alten Rechte und Freiheiten“ erhalten. Im Westfälischen Frieden von 1648 erreichten sie schließlich die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Die sieben Provinzen bildeten nach heutigem staatsrechtlichem Verständnis einen Staatenbund, in dem die Souveränität bei den Provinzen lag; eine herausgehobene politische Stellung hatte dabei die Provinz Holland. Überblicksartig: Zeeden 1999, 100–130.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

d) Der Staat als eine Gemeinschaftsart Die letzte consociatio, zu der sich alle übrigen vereinigen, ist selbst eine politische Gemeinschaft. In objektiviertem Verständnis ist sie – eingedenk ihrer Kontingenz – die politische Gemeinschaft schlechthin, insofern sie forma & substantialis essentia majestatis ist (IX  15). Gleichzeitig nennt der Autor sie „bürgerliche Gesellschaft“ (societas civilis, XVIII  18). Die Bezeichnung markiert, dass es sich bei der „größeren universalen Gemeinschaft“ mehr als nur um ein vertragliches Zweckgebilde handelt, sofern sie „Gemeinschaft auf Leben und Tod, Gemeinschaft der Generationen wie eine Gemeinschaft des guten Lebens“, der Arbeit, der Gebräuche, Sitten und der Kultur ist.201 Die consociatio universalis major trägt die Merkmale der eingeborenen Lebensgemeinschaft, der geteilten Erfahrungen menschlichen Zusammenlebens in sich. Althusius’ consociatio steht gleichsam zwischen dem das »gute Leben« ermöglichende Sozialverhältnis »Polis« (Aristoteles, Nikomachische Ethik, Politik) und dem Staat als »substantielle Sittlichkeit« (Hegel, Rechtsphilosophie, §§ 257  ff.). Die universale consociatio bleibt für ihn „societas vitae“, in der die natürlichen, bürgerlichen und politischen Gemeinschaften miteinander vereint und gegenseitig bedingt existieren (IX  3), auch wenn sie als Arbeitsbegriff fürderhin das Gemeinwesen vor allem in einem institutionellen Sinne bezeichnet. Allerdings wird die Sicht auf die Gesellschaft dadurch behindert, dass Städte und Provinzen als die Glieder der universalen Gemeinschaft bezeichnet werden, nicht Einzelne, Familien oder Kollegien (IX  5). Auf diese Weise treten die Begriffe „consociatio“ und „societas vitae mista“ gleichwertig neben die Ausdrücke ­Politie, Imperium, Regnum, Respublica, populus in corpus unum, „das durch den Konsens mehrerer symbiotischer Gemeinschaften und miteinander verbundener Körperschaften unter einem Recht zusammengeschlossen ist“ (IX  3). Die consociatio bedeutet societas (Gesellschaft) ebenso gut wie regnum (Monarchie) und respublica (Republik / Demokratie).202 Die jeweilige Bedeutung als Gesellschafts-, Staats- oder Regierungsform erschließt sich demnach aus dem Zusammenhang. Soweit es um die politische Einheit geht, kommt den Einzelnen keine Relevanz zu. Die einzelnen Menschen des körperschaftlich verfassten Volkes werden als „Einheimische, Reichsbewohner oder Kinder des Reichs“ betitelt. Gleichwohl wird die letzte Gemeinschaftsart zugleich als privat-natürlich und als öffentlich begründet angesehen (IX 3). Der Idee nach ist der Staat das Gemeinwesen des Volks. Deshalb stellen das Volk (populus – politisch) und 201  Ottmann

1989, 731 / 732. im Leviathan sind monarchische, aristokratische und demokratische Regierungsformen anerkannt, Kap. 19. 202  Auch



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die Gesellschaft (societas civilis – soziologisch) zwei unterschiedliche Bezeichnungen derselben Wesenheit dar. Insbesondere die Darstellung der wirtschaftenden Menschen lassen die bürgerliche Gesellschaft hinter dem politischen Volk erkennbar werden: „Ohne Handelsverkehr können wir in diesem gesellschaftlichen Leben (in hac sociali vita, P. K.) nicht angemessen auskommen.“ (XI 7). Althusius erkennt einen engen Bedingungszusammenhang zwischen Staat und wirtschaftender Gesellschaft. Die postulierte Homogenität der Gemeinschaftsarten (IX 6) heißt aber eben nicht, dass es sich bei der größeren universalen Konsoziation um eine »relativ größere« Familie, ein »relativ größeres« Kollegium handelt, sondern bedeutet eine Homogenität im symbiotischen Recht der Gemeinschaftstrias. Eingedenk der sich lösenden personalen Verbindungen von der kommunalen zur provinzialen, von dieser zur staatlichen Ebene, erkennt Althusius gerade darin das einende Band innerhalb der societas civilis. Der Staat gehört zur „societas vitae“ (IX 3) wie die Arbeit, der Austausch von Waren und Dienstleistungen zum gesellschaftlichen Leben (socialis vita, XI 7) und ist teilhaftig an der konsozietalen Lebensgemeinschaft im engen Verbund mit den übrigen Gemeinschaften. Erst mit Erreichen dieser Entwicklungsstufe ist die consociatio vollendet. Denkt der neuzeitliche Politikwissenschaftler an eine geschlossene oder an eine offene Gesellschaft? Ist den Gemeinschaften und schließlich der Gesellschaft eine vertragliche Grundlage gegeben, so müsste sich konsequenterweise die Möglichkeit ergeben, dass Gesellschaften über die politischen, d. h. territorialen Grenzen hinaus Verträge schließen, sich mit immer weiteren Gemeinschaften verbinden. Versteht man Gesellschaft als Gemeinschaft der Gemeinschaften so mündete diese Annahme letztendlich in einer theoretisch möglichen »menschlichen Gesellschaft«. Entwickelt Althusius mit dem symbiotischen Recht nicht gar ein Band »der menschlichen Gemeinschaft«? In dem Maße wie die (soziologischen) Gemeinschaften an Strukturen mit wachsender Größe abnehmen, so verdichten sich die Strukturen zunehmend für den politischen Bereich. Dabei sieht die Politica für den politischen Verband die Grenze nicht in dessen Territorialität, sondern in der Möglichkeit die »engen« Grenzen durch supranationale Verträge zu überwinden und auf diese Weise den politischen Handlungsraum zu erweitern. Fraglich ist, ob für die »nationale« Gesellschaft adäquate Optionen unabhängig von einem politischen Willen bestehen. Dies ist wohl zu verneinen. Die Konsoziationenlehre könnte nicht mehr sinnvoll von einer vergleichsweisen „größeren“, sondern müsste stattdessen superlativisch von der »größten« Konsoziation sprechen. Eine solche liegt indessen außerhalb seines Untersuchungsbereichs, der sich auf Erkenntnisse „zu unserer Zeit“ im Diesseits verschreibt und darüber hinaus „utopische“ Gemeinschaftsmodelle ablehnt (vgl. IX  34; XXXVIII  123; XXXIX  23). Zwar steht das Christentum als Gesamtheit als überpolitisches Modell zur Verfügung, das politik-

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theoretisch in der Reichsidee integriert ist (vgl. XVIII  57); doch soweit in der Politica von der „christlichen Gemeinschaft“ die Rede ist, bezieht sie sich auf die Gemeinschaft der Gläubigen des inmitten stehenden Kirchensprengels, bzw. der größeren kirchlichen Organisationsstrukturen. Schließlich zählt der Autor auch Andersgläubige zur menschlichen Gemeinschaft (vgl. IX  45; XXI  41; XXIX  7; XXVIII  61  ff.; u. ö.). Gerade die unter der konfessionellen Spaltung leidende Christenheit als konsozietales Modell zu propagieren, liefe den Intentionen des Werks zuwider. Allein schon die Zweckgebundenheit der althusischen Konsoziationendoktrin steht im deut­ lichen Gegensatz zum eschatologischen Charakter der Reichsidee. Nicht zuletzt wegen seiner angeblichen Homogenität stellt der Verfasser so häufig auf das »vorbildliche« jüdische Gemeinwesen ab, das keinen missionarischen Anspruch auf Universalität erhebt. Des Weiteren ist die consociatio ab einer gewissen Größe wirksam nicht mehr aufrecht zu erhalten. Der grenzüberschreitende Handel etwa wird von Althusius deshalb so begrüßt, weil er für das gesellschaftliche Leben autarker Konsoziationen notwendig und nützlich ist; eine neue Konsoziationenart mit den drei Teilhabegemeinschaften zieht der Austausch von Waren (und Dienstleistungen) aber gerade nicht nach sich. Durch die Beeinträchtigung personaler Beziehungen mangels gemeinsamer Sprache, Geschichte und Kultur löst sich die Conditio sine qua non auf. Eine consociatio universalis maximus hätte keinen Sitz im Leben. Das Gemeinwesen besteht um bestimmter Zwecke willen. Neben die sittliche Vervollkommnung des Menschen tritt gleichberechtigt die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz, die von der Gesellschaft geleistet, vom Staat gewährleistet sein muss. Althusius zieht sich auf den Allgemeinposten zurück, dass „die menschliche Gesellschaft ohne Gesetze nicht sicher und dauerhaft bestehen [kann]“ (X  8). Eine consociatio universalis maximus ist ohne innere Widersprüchlichkeit in der politischen Theorie des Althusius nicht denkbar. Um in der Sprache der Körpermetaphorik zu sprechen: Der erwachsene Körper des Menschen hat die Grenzen seines Wachstums erreicht. Der menschliche Vergesellschaftungsprozess zielt demnach nicht auf eine konsozietale Menschheitsgemeinschaft. Die Kontinuität, mit der sich der Wandel von den einfachen Gemeinschaften zur komplexen Gesellschaft vollzieht, lässt sich nach dem Erreichen der natürlichen Wachstumsgrenze nunmehr als ein Kreislauf beschreiben, in welchem sich immer wieder aufs Neue in tätiger Weise die drei Kommunikationsgemeinschaften verwirk­lichen. Die Konstruktion sozialer Identität stellt zudem wesentlich auf die Autarkie ab (I  10; u. ö.). Eine autarke Menschheitsgesellschaft ließe sich aber nur in Bezug auf Gott denken, wobei dies den Gegenstandsbereich der althusischen Politikwissenschaft sprengt. Nur die Autarkie von Gemeinschaften unterschiedlicher oder gleicher Konsoziationenstufe liegt dagegen im erklärten Untersuchungsbereich seiner politischen Theorie.



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6. Konsoziation und Religion Zu den allgemeinen gesellschaftspolitischen Zielen der Politica gehört neben Bildung (von kultureller und sozialer Identität) und (wirtschaftlichem) Wohlstand die sittliche Erziehung. Ohne das individuelle Bedürfnis des Menschen nach Transzendenz zu vertiefen, verknüpft Althusius in den Kategorien von Nutzen und Notwendigkeit Sittlichkeit und Moral mit der Religion (IX  38  ff.). Sie verstärkt und sichert der Gesellschaft eine moralische und sittliche Grundlage. Die Religion begleitet die Symbioten auf dem Weg von den privaten Konsoziationen zur societas. Nehmen die verwandtschaftlichen, nachbarschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen, schließlich auch die Sprachgemeinschaft in den größer werdenden Konsozia­ tionen ab, so verbinden der Glaube und die gemeinsame Religion auch noch  auf der Ebene der Gesellschaft. Die universale Gemeinschaft ist zugleich immer auch »Kirche« als »Gemeinschaft des Glaubens«, in der das „gemeinschaftliche Glück“ ebenso verwirklicht wird wie in der weltlichen (IX  32).203 Wie Mann und Frau nach dem Schöpfungsbericht »ein Leib« sind, so sind kirchliche und weltliche Gemeinschaft in einem „mystischen Körper“ verbunden. Staat und Gesellschaft nehmen sich „zu unserer Zeit“ der Sache Gottes an (IX  33  f.). Die sittliche Erziehung wird zur gesellschaftspolitischen Aufgabe erklärt und als solche an die (unter staatlicher Aufsicht stehenden) „Kirchenpersonen“ delegiert (vgl. etwa VIII  23, 25; XXVIII  33–36). Vor und neben den ständischen Organisationsformen besteht also die Kirche als Ausbildungs- und Erziehungsinstitution (VIII  6, 16). Erstreckt sich die staatliche Aufgabe auch auf die Katechese oder bleibt die religiöse Erziehung und Unterweisung ein außerstaatliches Reservat? Wie geht die Politica mit der Religions- und Weltanschauungsvielfalt, insbesondere aber mit der konfessionellen Spaltung um? Zur Klärung dieser Fragen verfolgt Althusius zwei Argumentationsstränge: den der Gewissensfreiheit und den der Staatsräson.204 Die politische Lehre nimmt die heterogene Zusammensetzung der Gesellschaft als Tatsache an, die mit dem Ideal einer Einheit von Staat, Gesellschaft und Religion konkurriert („Der Herrscher soll deshalb in seinem Reich nur eine einzige als wahre Religion zulassen und erhalten.“, XXVIII  51, Hervorheb. P.  K.). Weil sich in ihr 203  Vgl. Zwierlein, der den Begriff koinonia = consociatio philologisch-semantisch auch aus der Vulgata für die Verwendung bei Althusius herleitet, ders. 2010, 184. 204  Schmidt-Biggemann stellt auf den Zwiespalt von Volkssouveränität und Staatsräson ab, da Volkssouveränität für ihn nur unter einem religiös homogenen Volk Sinn hat. Für Schmitt-Biggemann kommt es zu „Brüchen“ in der Argumentation der Politica, ders. 1988, 223  ff. Hohberger stellt die unverständliche Frage zwischen „Glaubensfreiheit oder Doktrin?“, ders. 2008, 113.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

tatsächlich jedoch verschiedene Religionen und Konfessionen (Christentum, Judentum, Islam, IX  45) sowie mannigfache weltanschauliche Überzeugungen begegnen (Atheismus, Libertinismus, Epikureismus, XXVIII  52), sieht der politische Denker eine staatliche Einschätzungsprärogative vor, wonach Abweichungen vom Ideal unter bestimmten Bedingungen geduldet werden können.205 Dem stellt der Autor als Grundsatz zur Seite, dass der Magistrat nicht berechtigt ist, „über die Religion zu entscheiden“ (XXVIII  65). Das Befinden über die wahre Religion ergibt sich für den Autor nicht anders als durch „öffentliche Zustimmung“ (publico consensu, XXVIII  60). Was aber, wenn kein allgemeiner Konsens zustande kommt? Althusius fordert keine Übereinstimmung in allen Punkten, es genügt ihm ein »Minimalkonsens«, der nicht weniger und nicht mehr die religio christiana darstellt. Dementsprechend werden die Grenzen der freien Religionsausübung gezogen: „Es darf daher nicht gestattet werden, dass alle ihre Religion frei ausüben, wenn diese der christlichen völlig widerspricht.“ (in totum contraria, IX  45, 43) In der Religionsfreiheit erkennt Althusius viel eher eine Gefahr für den Glauben, erst nachrangig für den Staat (IX  45). Religions- und Bekenntnisfreiheit sind gerade politisch nochmals zu unterscheiden, d. h. innerhalb der religio christiana gilt es die Konfessionen zu trennen. Im Hinblick auf die konfessionelle Spaltung ist es „den Christen nicht verwehrt, abweichende Auffassungen zu haben, solange nur in den wesentlichen Glaubensartikeln Übereinstimmung besteht“ (IX  43).206 Vielmehr rückt ins Blickfeld, dass die „wahre Religion“ nicht theologisch, sondern dem Vorwort entsprechend politisch zu verstehen ist. Die kirchliche Staatsverwaltung nutzt dem Staat insofern, als sie über die (bloße organisatorische) Gewährleistung einer sinnstiftenden, transzendenten Perspektive hinaus eine disziplinierende Funktion im Gemeinwesen übernimmt. Daran anknüpfend sieht Althusius die Aufgabe der kirchlichen Verwaltung darin, das freie Bekenntnis (professio libera) einzuführen und zu erhalten. Die integrative Kraft der einen, wahren Religion vollzieht sich nunmehr in verschiedenen Bekenntnissen. Die Konfessionen stellen als „menschliche Einsichten“ legitime Hinzufügungen zur wahren Religion dar (IX  42). Andererseits „hebt Vielfalt die Einheit auf“ (IX  45). Eine Vielheit von Religionen und Bekenntnissen ist nur insoweit zuzulassen, als der Bestand des Staates und die gesellschaftlichen Ordnung insgesamt ungefährdet bleibt. Es gilt nun auf dieser Grundlage aus dem Blickwinkel der Politik, nicht der Theologie, auszuloten, inwieweit Eingriffe mittels eines staatlichen Ordnungsrahmens legitim sind. Dieser Ordnungsrahmen bestimmt weitgehend den strukturellen Aufbau der Kirche und beeinflusst sie durch eine umfangreiche hoheitliche Normge205  Insoweit irrt Nitschke mit seinem Verständnis von religiöser Orthodoxie, ders. 2002, 100  f. 206  Vgl. Müller 1985, 416.



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bung (Gesetze, Erlasse, Edikte, XXVIII  3  ff., 27  ff., u. ö.). Organisationsstruktur und -grad der so genannten kirchlichen Verwaltung stellen ein regelrechtes Staatskirchenregiment dar.207 Friedrich stellt in seiner Untersuchung des Verhältnisses von Politik und Religion fest, dass die Kirche bei Althusius in religiösen Fragen autonom, in allen weltlichen Dingen dem Staat unterworfen sei.208 Dem ist zuzustimmen, wenn man mit Althusius ein weites Verständnis von »weltlichen Dingen« hat. Danach überwacht der höchste Magistrat die Ausführung der kirchlichen Aufgaben und kontrolliert zudem die Sitten und Disziplin der kirchlichen Amtswalter. Diese wiederum können bei ihren häuslichen Visitationen auf eine enge Zusammenarbeit und Verflechtung mit der weltlichen Staatsverwaltung zurückgreifen (XXVIII  44, 46), so dass schließlich der höchste Magistrat „auf die Tische“ seiner Untertanen blicken kann (XXX  20). Zu weit geht Friedrich allerdings, wenn er sich der Deutung John F. Figgis’ anschließt, Althusius betrachte den Staat selbst als Heiligtum.209 Nach hier vertretener Ansicht stellt die universale Konsoziation durchaus einen weltimmanenten Selbstzweck dar, die von der religiösen Warte aus dagegen lediglich Mittel zum transzendenten Endziel bedeuten kann. Althusius argumentiert nun aus der Perspektive des Politikwissenschaftlers. Eine flächendeckende Steuerung wird dadurch erreicht, dass die provinziale Kirchenverwaltung formal der staatlichen untergeordnet ist (XXVIII  5, 27, 44, 46; VIII  18, 24, 38  f.). Die Kirchenregimentslehre, die im Werk einen vergleichsweisen geringen Raum einnimmt (Kap. 28), zeigt Ähnlichkeiten zur Institutionenlehre Calvins, dessen Werk Althusius im Zusammenhang mit dem Ausbau der Kirchenverwaltung lediglich auf provinzialer Ebene zitiert (VIII  14). Sie zeigt aber in der Anwendung auf den Gesamtstaat und dem Verweis auf die »Verwaltungspraxis« evangelischer Herrscher auch Unterschiede (XXVIII  59 a. E.).210 In Kapitel 28 über Die kirchliche Verwaltung findet Calvin überhaupt keine Erwähnung. Das staatliche Kirchenregiment, insbesondere die häuslichen Visitationen als Ausdruck ärgster Eingriffe in die Privatsphäre der Menschen, beschränkt sich trotz der Verknüpfung von Sittlichkeit und Glauben nur auf jene (vgl. Strafen wg. Unsittlichkeit XXX  25–28). Denn der Glaube „will und kann 207  Antholz macht eine Verlagerung der Zuständigkeiten von der Kirche zum Staat hin aus und spricht von einer „gewissen Unausgeglichenheit und Spannung“ von der ersten zur dritten Auflage der Politica. Althusius erweise sich in der Auflage von 1614 als Staatspolitiker, der von Calvins Institutionenlehre abweicht, ders. 1954, 71  ff. (78). 208  Friedrich 1975, 10. Schräg Miegge unter Verweis auf VIII  31  f., XXVIII  48, nach dem der „militante Calvinist“ Althusius „die vollständige Autonomie der Kirche von jeder Einflussnahme des Magistrats fordert“, ders. 2010, 155. 209  Friedrich 1975, 66. s. a. jüngst Malandrino 2010, 11  ff. 210  Vgl. Antholz 1954, 78  f.; Llanque 2008, 180  f.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

auf keine Weise erzwungen werden“ (XXVIII  63). Warnend richtet Althusius das Wort an den politischen Führer: Er „soll sich hüten, Herrschaft über den Glauben und die Religion des Menschen zu beanspruchen, die allein in seinem Herzen und Gewissen beschlossen ist.“ (XXVIII  63) Deutlich werden die Grenzen staatlicher Maßnahmen aufgewiesen. „Wir können die Religion nicht befehlen, weil niemand gezwungen wird, gegen seinen Willen zu glauben.“ Dieses Prinzip gilt umgekehrt auch für das Bekenntnis des obersten Magistrats, der zur Übernahme des höchsten Staatsamtes nicht konvertieren muss (XIX  87; vgl. auch VIII  39). Wahrscheinlich hatte Al­ thusius diesbezüglich den Übertritt Heinrichs IV. von Frankreich zum Katholizismus angesichts seiner Krönung 1593 vor Augen. Man kommt durch Überzeugung, nicht durch Befehl zum Glauben (XXVIII  63). Daraus folgt für den Herborner Rechtsgelehrten, dass den im Glauben Irrenden „nicht mit äußerlicher Gewalt oder körperlichen Mitteln, sondern mit dem Schwert des Geistes“ begegnet werden soll. Folter und Hexenverbrennung, wie die Inquisition in Spanien gar zu einer staatlichen Einrichtung wurde, verstoßen gegen diese Grundsätze und verbieten sich damit für den deutschen Staatsdenker (IX  43; XXXVII  100). Einzig legitimer Zwang und zugleich letztes Mittel ist die Vertreibung aus dem Staatsgebiet (IX  41; XXVIII  52, 57). Der Auf- und Ausbau des Kirchenregiments bedeutet ein historisch bisher unbekanntes Maß an Machtzuwachs der Staatsgewalt. Die Politica fordert diesen für die Territorialstaatsentwicklung typischen Anspruch auf Autorität in allen Lebensbereichen für die Gesamtsstaatsebene. Der Absolutheitsanspruch des Staates richtet sich hier geradezu gegen die Territorien. Der oberste Magistrat regiert im Rahmen einer mittelbaren Staatskirchenverwaltung in die Provinzen hinein und bringt sie somit unter seine Kontrolle (VIII  14, 18, 24, 38  f.; XXVIII  5, 44, 46). Insbesondere der geschichtliche Umstand, dass das Kirchenvermögen in die Verfügungsgewalt der provin­ zialen Landesherrn überging, schuf erst die wirtschafliche Machtbasis für den Ausbau einer Landesherrschaft. Die Politica eröffnet hingegen nur eine eingeschränkte Zugangsmöglichkeit zum Vermögen der Kirche: „Im äußersten Notfall können finanzielle Hilfsmittel auch Kirchengütern entnommen werden“ (XIII  16). Althusius sieht diese Entscheidung als eine Staatsangelegenheit, keine im originären Verantwortungsbereich des Provinzmagistraten liegende. Religion bleibt nicht zuletzt angesichts der Kirchengüter auch unter den Anwendungsbedingungen der Politica ein gesellschaftliches, nicht nur staatliches Herrschaftsinstrument. Die Gefahren, die sich aus einem Bekenntnispluralismus für die Legitimationsgrundlagen des Staates ergeben, sind im Unterschied zu den gesellschaftlichen Implikationen zu vernachlässigen. Die Bedrohung für den Staat ergibt sich viel eher aus einer Spaltung der consociatio, deren Einheit der Staat nicht mehr gewährleisten kann. Schließlich kann eine religiöse Inho-



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mogenität die gesamte Volkssouveränitätslehre in Frage stellen. Daher gerät das Verhältnis von Gesellschaft und Religion ins politische Blickfeld. Die staatspolitische Auseinandersetzung darüber findet sich vornehmlich in den Kapiteln 8 (§§ 6–39), 9 (§§ 27 a. E.-45), 19 (§§ 39  ff.) und 28. Der Autor arbeitet eine pragmatische Lösung aus und weist die dogmatischen Ansätzen der Theologie in die Schranken. Wiederum nimmt die Kommunikation in einem Bereich von wesentlicher gesellschafts- und staatspolitischer Bedeutung eine zentrale Funktion ein. Obrigkeitliche Dezision bleibt gleichermaßen wie die Militarisierung der konfessionellen Konflikte außer Betracht (XXVIII  58). Die Zustimmung zur religio orthodoxa sowie die Auseinandersetzungen zwischen den Bekenntnissen und den Weltanschauungen erfolgen in entsprechenden Versammlungen durch „Prüfung und Untersuchung“ (XXVIII  60  ff.).211 Ein geschichtliches Exempel sieht er im Reichsabschied von 1555 (XXVIII  15 a. E.; XIX  39  ff.) (der den Calvinismus nicht mit einschloss). Unbeschadet dessen vollziehen sich alle hoheitlichen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Religion nur in Absprache und unter Mitwirkung der Kirchenmänner, es besteht also keine Alleinentscheidungskompetenz des höchsten Magistrats (XXVIII  6, 48). Insbesondere folgt das Bekenntnis der Bevölkerung nicht dem des Magistrats (für die Provinz VIII  39; für den Staat XIX  87). Erst unter Befolgung dieser Grundsätze spricht Althusius von der konstitutiven (nicht konstituierenden) Bedeutung des Magistrats, „dass dem obersten Magistrat hinsichtlich der Glaubenslehre das Urteil über die Erkenntnis, Unterscheidung, Ausrichtung,  nähere Bestimmung und öffentliche Bekanntmachung zukommt“ (XXVIII  32). Nur ein tragfähiger Konsens beschließt die Einheit über die „richtige und wahre Religion“, ohne indes Dogma zu sein. Für Althusius ist sie Praxis und Gewohnheit (usus & consuetudo, XXVIII  62). Es gilt in diesem Dialog nicht das Mehrheitsprinzip, sondern die personale Gewissensfreiheit und institutionelle Bekenntnisfreiheit (IX  37; vgl. auch 41; XXVIII  63). Sofern „Teile des Reichs“, seien es Stände, Städte oder Provinzen, von der gemeinsamen Religionspraxis aus religiöser Überzeugung abweichen und die freie Religionsausübung fordern (liberum exercitium religionis), ist dieser „Dissens zu ertragen“ (XXVIII  66). Solange die „Grundlagen des Glaubens“ erhalten bleiben, wird der Staat „das freie und sichere Bekenntnis dieser wahren Religion und ihre öffentliche Ausübung allen zusammen und den Einzelnen in seinem Reich erlauben“ (XXVIII  62, vgl. auch 56  f.; VIII  7; 211  Deshalb ist die Annahme Wyduckels vom hier vertretenen Standpunkt aus unverständlich, dass im religiösen Bund und dem Richtigkeitsanspruch der religio orthodoxa ein Beitrag zur Verschärfung des konfessionellen Gegensatzes geleistet wird, ders. 2003, XXVI.

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1. Teil: Politische Symbiose und Konsoziationen

IX  42). Alle Konflikte zwischen den unterschiedlichen Konfessionen sind durch Vermittlung beizulegen, wobei Toleranz und Mäßigung, Ausgleich und Versöhnung prägende Leitgedanken sind. Verletzt die oberste Verwaltungsbehörde diesen Konsens über die wahre Religion, handelt sie tyrannisch und kann abgesetzt werden (XXXVIII  6, 8, 11, u. ö.). Der Verfasser der Politica setzt sich gegen religiösen Fanatismus und für eine Verhältnismäßigkeit auch in religiösen Streitfragen ein (IX  43–45; XXVIII  61  f.). Anderes gilt nur für diejenigen Teile der universalen Konsoziation, die sich der Religion, d. h. Gott überhaupt verweigern. Dort darf als letztes Mittel mit Waffengewalt eingegriffen werden (XXVIII  60; vgl. IX  44  f. und XXVIII  52–58 für bestimmte Personengruppen). Die Toleranz endet dort, wo Gott keine Rolle mehr spielt oder die Grundlagen des Glaubens durch Irrlehren aufgehoben werden (II  33; IX  44  f.; XXVIII  52, 57). Der Zwang zum Götzendienst fällt unter das Merkmal tyrannischer Herrschaft (XXXVIII  11). Von daher ist der Handel mit Muslimen sowie der geschäftliche Verkehr und der persönliche Umgang mit Juden erlaubt, auch wenn der Islam und das Judentum ebenso nicht zur religio orthodoxa wie der Arianismus gehören (XXVIII  53–55, 57).212 Der Grund dafür, dass in der Religions- bzw. Bekenntnisfrage ein Dissens hingenommen werden kann, liegt darin, dass gerade dieser den Bestand des Staates gewährleistet und befriedend auf die gesellschaftliche Ordnung wirkt. Mit anderen Worten darf der Konsens über Nutzen und Notwendigkeit der staatlichen Ordnung nicht durch einen Dissens in Glaubensfragen angezweifelt werden. Eine solche Säkularisierung des Herrschaftsdenkens war bereits mit Machiavellis Fürst vorgelegt. Im Unterschied dazu begünstigt die Politica indes nicht eine Trennung von Politik und Moral, sondern eine Trennung von Politik und Theologie. Althusius beurteilt die aktuelle Lage des Deutschen Reichs im Vergleich zu Frankreich, Belgien, Ungarn und Polen, wo es zu Aufständen und Unruhen gekommen ist, als ruhig (Hodie in Gallia, Belgio, Hungaria, Polonia …, XXVIII  65). Der Autor mahnt nach den Schrecknissen der Bartholo­ mäusnacht, der Spaltung der Niederlande und vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges: Christenverfolgungen sind stets die Ursache großer Übel gewesen. Der politische Lehrer fordert unter Bezugnahme auf Bodin von den 212  Allerdings scheint Althusius eine Ghettoisierung sowie eine Stigmatisierung der Juden zu befürworten (XXVIII  54), was in einem gewissen Widerspruch zur Lobrede auf das historische jüdische Gemeinwesen steht. Tatsächlich gibt Althusius in Kap. 28 § 54 lediglich die im bürgerlichen Verkehr zu beachtenden Vorkehrungen „nach Meinung der Klügsten und Frommsten“ wieder. Seine eigene Ansicht stellt er zuvor in § 53 dar: „Auch meine ich, dass ein frommer Magistrat guten Gewissens erlauben darf, dass in seinem Territorium Juden wohnen und mit Gläubigen Umgang und Handel treiben“. Vgl. zum Antisemitismus der Zeit: Schilling 1998, 382–385.



§ 4 Grundlagen der Konsoziationenlehre

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(National-)Staaten, dass sie unterschiedliche Konfessionen (schon) innerhalb eines Gemeinwesens solange dulden, wie der Bestand des Staates ungefährdet ist. Gegen das jesuitische Programm, namentlich gegen die Lehre An­ dreas Erstenbergers spitzt Althusius die Frage nach der Konfessionsvielfalt aus staatstheoretischem Blickwinkel zu: „Die Frage ist vielmehr: Wenn in einem Reich Städte oder Stände in ihrem Bekenntnis verschiedene Meinungen gutheißen, für deren Verteidigung sich jeder auf das Wort Gottes beruft, ob dann der Magistrat, der die Meinung der einen Partei gutheißt, die anderer Meinung sind, mit Waffengewalt und dem Schwert verfolgen darf.“ (XXVIII  66; vgl. schon IX  45)

So stellt sich die Frage von theologischen Einsichten befreit. Deshalb kann Althusius unter Angabe von Schriftbelegen ungefährdet eine politische Antwort geben, die auf die Kompetenz des obersten Magistrats abstellt: „Wir sagen in diesem Falle: Ein Magistrat, der ohne Gefahr für das Gemeinwesen und ohne Unruhen den Religions- und Bekenntnisunterschied nicht ändern oder aufheben kann, muss um des Friedens und der Ruhe willen den Dissens ertragen, indem er nachgibt und die Ausübung der verworfenen Religion gestattet, solange, bis Gott die Übrigen erleuchtet, damit andernfalls nicht das ganze Reich und mit ihm die Heimstatt der Kirche zerstört wird“ (XXVIII  66).

Somit vereint die Allgemeine Staatslehre bald die „Lehre von der wahren Religion“ bald die „Einführung und Erhaltung des freien Bekenntnisses“ (XXVIII  12). Der Konsens über die Religion findet Aufnahme in die Fundamentalgesetze der universalen Konsoziation. Eine Verletzung, eine eigenmächtige Änderung oder gar unautorisierte Aufhebung seitens des obersten Magistrats stellen einen zum Widerstand berechtigenden Akt tyrannischer Herrschaftsgewalt dar (XXXVIII  6, 11).

2. Teil

Staatstheorie und politische Kommunikation 1. Abschnitt

Grundannahmen politischer Ordnung Der folgende Untersuchungsabschnitt knüpft systematisch an die Darlegung der auf Autarkie, gute Gesetzlichkeit und gute Ordnung angelegten Symbiose und der Konsoziationen an. Deutlich wurde, dass „diese symbiotischen Gemeinschaften … als gleichsam erste auch ohne Provinz oder Reich für sich bestehen [können], obwohl sie, solange sie sich nicht zu einem universalen symbiotischen Gemeinschaftskörper einer Provinz, eines Gemeinwesens oder eines Reichs verbinden, viele Vorteile und notwendige Lebenshilfen entbehren.“ (XXXIX  84). Nunmehr werden diese „Vorteile und notwendigen Lebenshilfen“ (multis commodis necessariis vitae subsidiis) der politischen Staatsordnung beleuchtet, die es vorteilhaft erscheinen lassen, sich zu einem staatlichen Gemeinwesen zusammenzuschließen. Die Grundannahmen von Politik und politischer Ordnung finden sich gleichsam als Klammer im ersten und letzten Kapitel des Werks dargestellt. Für seine Politikwissenschaft erhebt Althusius den Anspruch auf Allgemeingültigkeit: „sie soll für alle besonderen Umstände, Orte, Zeiten und Völker immer und überall passen und auf sie angewendet werden können“ (XXXIX  84). Der Autor schreibt unter Anwendung der beiden Argumentationsstrategien (normativ und empirisch-deskriptiv) seine Grundannahmen zur politischen Ordnung zu einer Überzeugungsleistung für die universale Konsoziation fort. „[D]en Menschen zu regieren, der von allen Lebewesen das verschlagenste sei, in seinem Charakter und Willen ganz besonders unbeständig und sich wegen seiner Wildheit und seines Ungestüms gegen niemanden mehr erhebe als gegen seine Regenten“, das sei „offenbar die Kunst der Künste und die Wissenschaft der Wissenschaften“ (XXI  7). Geradezu als provozierendes Heilsversprechen formuliert er: „Allein die politische Wissenschaft heilt alle diese Gebrechen.“ (XXI  7) Die Politica ist eine der frühesten und umfassendsten Unternehmungen in der Politischen Theorie der Neuzeit, eine Gesellschaftslehre mit einer Allgemeinen Staatslehre zu vereinen. Johannes Althusius entwickelt in den Teilen A bis C seines politischen Hauptwerks eine systematische und wei-



§ 5 Die Lehre von der Souveränität

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testgehend deduktive Allgemeine Staatslehre (vgl. XXIX  23). Darin findet sich eine Lehre von der Souveränität, eine darauf aufbauende Staatsrechtsund Verfassungslehre mit einem Öffentlichen Recht als Staatsorganisationsrecht, das sich als Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsorganisationslehre sowie eine politische Klugheits- bzw. Regierungslehre entfächert. Regelungen zur Ordnung der Wirtschaft und des Handels und die berühmte Widerstandslehre schließen das Gesamtkonzept ab.

§ 5 Die Lehre von der Souveränität Zu den in der Staatslehre des Althusius ausgeprägten politischen Ideen zählt eine eigene Lehre von der Souveränität. Das französische Wort „Souveraineté“ findet sich im Text der Politica allerdings nicht.213 Wenn Althusius auch häufig aus dem Werk Six livres de la république (1576) seines Gegenspielers Bodin zitiert, so doch stets aus den ab 1586 erscheinenden lateinischen Fassungen De Republica, in welcher die Ausdrücke majestas und summa potestas für „Souveränität“ verwendet werden.214 Althusius verfasst seine Politica im Gegensatz zu Bodin nur auf lateinisch, in der Gelehrtensprache, nicht in der Sprache des Volkes (vgl. aber XXXII  34). Vornehmlich arbeitet er mit dem Ausdruck jus regni, daneben mit jus majestatis. „Zur unterschiedlichen Bezeichnung“ verweist der Autor den Leser auf zwei zeitgenössische – in der Souveränitäts- und Staatsräsonlehre gegensätzliche Positionen einnehmende – Werke von Jakob Bornitz (De majestate Politica, 1610) und Arnold Clapmarius (De arcanis rerumpublicarum, 1605);215 alternativ werden die Bezeichnungen sublime jus, auch imperium sacrum und major status (IX  13, 15) sowie potestas imperandi (IX  15) und superioritas (IX  19; XVIII  29) verwendet. Von einer „deutschen Sprachlosigkeit“ spricht unterdessen Helmut Quaritsch in seiner verfassungsgeschichtlichen Untersuchung über den Souveränitätsbegriff. Obwohl Quaritsch zugesteht, dass Althusius „1603 die Sache“ fand, spricht er Hermann Kirchners Respublica (1608) die Terminologie zu.216 Kirchner unterteilt in majestas realis, die bei der Res publica liegt, und in majestas personalis, soweit die Befugnisse des Kaisers inmitten stehen. Mit majestas 213  Von Leibniz etwa wird das Wort rund 70 Jahre nach dem ersten Erscheinen der Politica in einer lateinisch abgefassten Gelegenheitsschrift verwendet werden. Leibniz, De jure suprematus Ac legationis principum germaniae, Praef. 18: „appello Suprematum: ut sit vox quae illi rei respondeat, quam exteri vocant la Souveraineté“ (1678). 214  Zum Anlass einer lateinischen Ausgabe der Six Livres de la République vgl. Quaritsch 1986, 66. 215  Gierke 1958, 153 (Fn.  90), 155 (Fn.  97). 216  Quaritsch 1986, 66  ff., 73.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

realis wird die Souveränität schlechthin bezeichnet, die „von den Instanzen des Reiches je nach rechtlicher Zuweisung ausgeübt“ wird.217 Quaritsch übersieht, dass Althusius bereits in seiner Ausgabe von 1603 „die Sache“ auch terminologisch eindeutig schied: „Aliud jus populi, aliud regis“ (Überschrift zu XVIII  104), mit anderen Worten auch als jus majestatis – jus regni einerseits, als administratio bzw. gubernatio andererseits. Zudem wird Kirchners Werk in der Politica zitiert, ohne dessen Terminologie zu übernehmen (etwa XXXIX  16), da sich Bedeutungsunterschiede zwischen der administratio der Politica und der majestatis personalis Kirchners ergeben. Guiseppe Duso schließlich kommt in seinen Untersuchungen gar zu dem Ergebnis, dass sich die „moderne Souveränität geradezu als Negation dessen herausbildet, was Althusius mit den Begriffen maiestas und iura maiestatis anspricht.“218 Historisch verlaufen die Entwicklungslinien und -geschwindigkeiten der Souveränität innerhalb der deutschen Territorien jeweils anders als im Reich, wiederum anders als in anderen europäischen Staaten. Althusius thematisiert in seiner „politischen Lehre der Provinz“ für die Teilterritorien keine eigene Souveränitätsdoktrin. Als „jus regni“ ist die Souveränität dem Staatsverband als exklusives Recht vorbehalten, sie entfaltet ihre Wirkung in den Provinzen »von oben«. Wenn aber gilt, dass die Provinzen der universalen Konsoziation nachgebildet sind (VIII  71), dann müssten auch Fürstentümer und Grafschaften Anteil an der Souveränität haben. Damit ist das Verhältnis der Souveränität zu den provinzialen Territorialherrschaften tangiert. Das universale Gemeinwesen der Politica sähe sich gleichsam einer Souveränitätenvielfalt ausgesetzt. Indes wird sich erweisen, dass die Nachbildung sich lediglich auf die effektive Ausübung der Souveränitätsrechte im Rahmen der Regierungs- und Verwaltungstätigkeiten bezieht. Die Souveränitätslehre wird auf zwei Untersuchungs- und Darstellungsebenen entwickelt. Zunächst befasst sich Althusius mit der staatstheoretischen Frage nach der »richtigen« Verfassung des Gemeinwesens, sodann wie sie auf das Verhältnis der Staatsverfassung zur »Staatsregierung« (administratio), endlich wie sie auf das Verständnis der provinzialen Territorialherrschaft wirkt. Hier interessiert nun die erste Untersuchungsebene der »richtigen« Verfassung. Souveränität ist die „Seele des Körpers“ (IX  19). Der Herborner Rechtsgelehrte bedient sich zur Beschreibung der klassischen Körpermetaphorik. Damit ist noch nicht viel gewonnen, bleibt doch etwa das Verhältnis zum Geist noch offen. Althusius geht den Weg voraus, den einige Jahrzehnte später Thomas Hobbes mit klaren Entscheidungen gegen eine Volkssouve217  Quaritsch 218  Duso

1986, ebd.; Hoke 1988, 237  f. 2010, 80  ff.; 2002, 16  ff. m. w. N. Auch schon 1997, 74.



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ränität in den Werken Vom Bürger (1647) und Leviathan (1651) einschlagen wird.219 Hobbes formuliert in Bezug auf andere Souveränitätslehren: „Beinahe alle, die den Staat und die Bürger mit dem Menschen und seinen Gliedern vergleichen, sagen, daß der Inhaber der höchsten Gewalt im Staate sich zu diesem wie das Haupt zu dem ganzen Menschen verhalte. Indes erhellt aus dem Vorgehenden, daß der Inhaber dieser Gewalt, sei er ein Mensch oder eine Versammlung, sich zu dem Staate nicht wie das Haupt, sondern wie die Seele (Hervorheb. P.  K.) zum Körper verhält. Denn durch die Seele hat der Mensch einen Willen“. (Vom Bürger, VI  19 [146])220

In der Regierungslehre der Politica wird gerade der Autorität des Magistrats die „Seele des Gemeinwesens“ eingeschrieben. Sie „bewirkt, dass eine einzige Seele über so viele Tausende gebietet, bisweilen auch die Seele eines Greises und Kranken.“ (XXV  2) Der Magistrat darf seine Herrschaft nicht nach dem Urteil des Volkes ausrichten, da dem Volk (nicht den Einzelnen!) keine Urteilsfähigkeit zuzubilligen ist. Ist darin ein Plädoyer für die Herrschersouveränität zu erkennen? Bevor Althusius eine weitgehend monokratische Regierungslehre darlegt, werden die genauen Voraussetzungen und Bedingungen der Staatslehre untersucht, die sich zu einer Mischverfassung des Gemeinwesens mit demokratischen, aristokratischen und monarchischen Bestandteilen zusammenfügen werden. Staats- und Regierungsform werden bei Althusius getrennt betrachtet. Die Mischverfassung (de mixta Reipubl. constitutione & statu) wird sich späterhin konsequenterweise in seiner Regierungslehre widerspiegeln (XXXIX  15  f. i. V.  m 23; u. ö.). Die Untersuchung beginnt mit der Frage, wem das jus majestatis unabhängig von der Regierungsform zusteht. 1. Jus regni – jus majestatis Auf den ersten Blick scheint mit jus majestatis (»Hoheitsrecht«) treffender als mit dem Ausdruck jus regni (»Reichsrecht«, »Herrschaftsrecht«) gesagt, was gemeinhin unter Souveränität verstanden wird, und dennoch favorisiert Althusius den letzteren Ausdruck.221 In der ersten Auflage von 1603 unterscheidet er noch inhaltlich zwischen einem jus regni und einem 219  „Die Souveränität stellt darin eine künstliche Seele dar, die dem ganzen Körper Leben und Bewegung gibt“, Hobbes, Leviathan, Einleitung 5. 220  Bei der Betrachtung des Titelkupfers des Leviathans ist diese Textstelle eine hilfreiche Interpretationsgrundlage. 221  Einen anderen Ansatz verfolgt Wyduckel, der davon ausgeht, dass es für Althusius keine Souveränität (majestas) schlechthin gäbe, sondern „nur ein Recht der Souveränität (jus majestatis)“, ders. 1988, 480. Für Duso gilt die „moderne Souveränität geradezu als Negation“ des althusischen majestas-Begriffs, ders. 2010, 80  ff.; 2002, 16.

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jus majestatis.222 Dieses bezeichnete „die Idee der Machtbefugnis, über das Wohl des Gemeinwesens zu entscheiden“, jenes bedeutete „die Idee der Ordnung“ (Scattola 2002, 224  ff.). Diese Unterscheidung wird in der zweiten Auflage zugunsten der „Idee der Ordnung“ aufgegeben und in der dritten Auflage auf den Träger der Souveränität bezogen, wobei nunmehr jus regni und jus majestatis dasselbe bedeuten. Er hebt auf sprachlicher Ebene den territorialen Aspekt hervor, danach die Begründung eines Gewalt- und Herrschaftsmonopols auf einem abgrenzbaren Gebiet für ein bestimmtes Volk zu verstehen ist. Die „‚rücksichtslose‘ Bestimmung der Form des Reiches“ bei Bodin „empfanden die deutschen Juristen als Sakrileg … Das … Verhältnis von Kaiser und Reichsständen konnte mit der Souveränitätslehre Bodins überhaupt nicht erfasst werden.“223 Angesichts der Lage des Deutschen Reiches, ein schwacher Kaiser Rudolf II. auf der einen, auf der anderen Seite zahlreiche aufstrebende Fürsten, mit erstarkender Hausmacht und der Absicht, ihre Territorialitätsrechte auszubauen, setzt die Politica Akzente zugunsten des Reichs. Für ein solches Verständnis spricht, dass Althusius das jus regni über die Territorialgebiete setzt: „Es ist von höherem Rang oder größerer Autorität als das Recht, das einer Stadt oder Provinz zusteht.“ (IX  13) Das jus regni ist zuerst ein Sonderterritorialrecht des Reichs. „Als Territorium des Reichs bezeichnen wir ein bestimmtes und begrenztes Gebiet, das die Teilterritorien der Städte und Provinzen umfasst und innerhalb dessen das Reichsrecht ausgeübt wird“ (IX  14). Mit dem jus regni ist gleichwohl nicht allein eine »relative« territoriale Rechtsordnung mit einem höherrangigeren Geltungsanspruch im Sinne eines Staatsrechts gemeint. Die Begründung und Verfestigung einer von Althusius als juris communicatio bezeichneten Rechtsordnung ist ein eigenständiges Anliegen seiner Politischen Theorie. Das „jus regni“ bedeutet vielmehr »Herrschaftsrecht« oder Souveränität, zu dem die communicatio juris als wesentliche normative Bedingung für die fromme und gerechte Symbiose hinzutritt, so dass zwei unterschiedliche Rechtskreise vorliegen (IX  2): das seinsmäßige Souveränitätsrecht und die normative Rechtsordnung. Während die Rechtsordnung als herausgehobener Bestandteil der drei symbiotischen Gemeinschaften in jeder Entwicklungsstufe politischer Gemeinschaften Platz greift, wirkt die Souveränität erst auf der letzten Stufe, der universalen consociatio. Seine Aussagen hat Althusius im Vergleich zur ersten Auflage von 1603 verschärft. Dort wurde das Souveränitätsrecht noch nachrangig zu den Fundamentalgesetzen behandelt. Die bevorzugte Ausdrucksweise von „jus regni“ gegenüber „jus majestatis“ liegt zudem darin begründet, dass sich der Autor bereits auf sprachlicher Ebene von Bodins konzipierten Souveräni222  Scattola

2002, 224  ff. 1986, 71  f. Vgl. auch Gierke 1958, 153  f.

223  Quaritsch



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tätsbegriffen majestas und summa potestas abheben will. Damit ist zugleich eine inhaltliche Bestimmung getroffen: die augenscheinliche enge Verbindung von membra regni und jus regni, von den Gliedern des Reichs und der Souveränität im Reich. Die sprachlich-inhaltliche Verknüpfung und die Wechselbezüglichkeit zwischen den Inhabern der Souveränität und dem Souveränitätsrecht werden schließlich treffender unter der Verwendung von „jus regni“ hervorgehoben. Regnum bezeichnet für den deutschen Staatstheo­ retiker nämlich nicht das Reich als Herrschaftsbereich eines Monarchen, sondern das Gemeinwesen schlechthin (IX  3). Die dem Gemeinwesen zukommende Souveränität bildet das Fundament aller „anvertrauter“ Herrschaftsausübung durch den höchsten Magistrat: „Die Rechte des universalen politischen Gemeinschaftskörpers kommen hinsichtlich des Eigentums- und Herrschaftsrechts diesem bzw. den Gliedern des Reichs zu, während ihre Ausübung und Verwaltung dem obersten Magistrat obliegt, dem sie vom gesamten Gemeinwesen anvertraut worden sind.“224 (XIX  2) Die Ausübung von Herrschaftsrechten wird deutlich von der Frage nach deren Begründetheit geschieden.225 Inhaltlich teilt die Souveränität dieselben Ziele, wie sie sich für die Communio juris bereits im Propädeutikum des Kapitels 1 formuliert finden, und nun in Kapitel 9 wiederholt werden. Sie bestehen in Autarkie, eunomia und guter Ordnung (taxis) der consociatio (I  10; IX  15; XXXVIII  131), Bedingungen die später für die Staatsverwaltung zu verbindlichen Richtlinien erhoben werden (XXIX  1). Sie bilden die ideelle Einheit des symbiotischen Rechts ab, d. h. ein geschlossenes System von Normen, welches es auf begrifflicher Ebene vom konkreten Gesamtzustand der politischen Einheit und Ordnung zu unterscheiden gilt. Die »Verfassung« der consociatio universalis major – verstanden als wirkliche Existenz – teilt ihr Schicksal mit der »Verfassung« des jus regni – verstanden als gedachte Existenz des symbiotischen Rechts. Das Gemeinwesen des Althusius »hat« demnach keine Verfassung, sondern »ist« vielmehr die Verfassung. Der Verfassung wird – im Unterschied zum deutschen Verfassungsdenken des 19. Jahrhunderts – nicht lediglich staatsbegrenzende Funktion beigemessen, sondern im weiteren Sinn übernimmt sie in der Politica zusätzlich eine staatsbegründende 224  Janssen übersetzt „spectant ad summum illius magistratum“ anzweifelbar mit „obliegt“, als ob der höchste Magistrat bereits zu diesem Zeitpunkt eine Obliegenheit, eine Pflicht zur Ausübung der „administratio“ inne hätte. Die Obliegenheiten und Pflichten ergeben sich jedoch erst aus dem »wie«, nicht aus dem »ob überhaupt«. Es empfiehlt sich daher wie folgt zu übersetzen: „… während ihre Ausübung und Verwaltung den höchsten Magistrat betreffen“. 225  Unverständlich ist daher, dass Quaritsch unter Bezugnahme auf diese Textstelle davon spricht, dass Althusius noch über keine Terminologie verfügte (ders. 1986, 73 [Fn.  264]).

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Funktion. Die consociatio, die ebenso mit Regnum, Politie oder Res publica betitelt wird, »ist« ein Zustand von Einheit und Ordnung. Wenn dieser „höhere Status … beseitigt oder entzogen wird“ führt dies „zum Zusammenbruch der Souveränität“ und damit zum Sterben des Staates (IX  15). Über drei Phasen – Begründung, Ausübung und Verteidigung der Souveränität – werden die Glieder des Reichs, d. h. Städte und Provinzen „gleichsam wie ein Volk in einem Körper unter einem Haupt gemeinschaftlich vereint und fest verbunden“ (IX  12). In diesem Sinne kann man die Verfassung als »souverän« bezeichnen. Sofern Althusius anschließend aus diesem höchsten Recht (supremum jus) die „universale Jurisdiktion“ herausfiltert und dieser „die Form und den substantiellen Gehalt der Souveränität“ (IX  15) zuschreibt, so tritt ein weiteres Verfassungsverständnis hinzu. Darunter versteht sich (noch) nicht die Unterscheidung der Gewalten. Ein weiter Jurisdiktionsbegriff ebnet den Weg zur »relativen« Verfassung der politischen Einzelentscheidungen. Die „universale Jurisdiktion“ strahlt auf alles staat­ liche Handeln aus. Das jus regni in der Gestalt der Jurisdiktion betrifft in dieser Hinsicht nicht länger die Einheit und Ordnung als Ganzes, sondern schon die besonders gearteten politischen Einzelentscheidungen. Vor der Frage, wer auf welche Weise politische Herrschaft ausübt, liegt in der Politischen Theorie und Philosophie der Neuzeit die Vorfrage, wem die Begründung von politischer Herrschaft überhaupt zusteht, wer ursprünglicher Inhaber der Staatsgewalt ist. Althusius bezieht zu den nicht länger allein auf göttlichen Ordnungsvorstellungen, der Natur und dem Herkommen beruhenden Legitimationsfragen als Vertreter der Politikwissenschaft Stellung. Gibt es mit ihm ein Selbstbestimmungsrecht des Volkes, wonach diesem, als Gesamtheit der sich einer Herrschaft Unterwerfenden, das innerweltliche »Eigentum« am Gemeinwesen zusteht? „Befiehlt das Volk jedem Bürger“ tatsächlich, wie Althusius gegen Vásquez behauptet (IX  18 a. E.)? „Die Lehre von der höchsten Gewalt aber ist, wie schon gesagt, ausschließlich ein Gegenstand der Politik. Diese lehrt, daß die höchste Gewalt immer beim Volke liegt.“226

So lautet die von Erik Wolf 1949 herausgegebene Übersetzung aus dem Vorwort der 1603 erschienenen Politica. Der zweite Satz könnte in dieser Form auch aus den Vorarbeiten des Herrenchiemseer Verfassungskonvents zu Art. 20 Absatz 2 des Bonner Grundgesetzes stammen, das schließlich die Formulierung „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ aufnahm. Für Otto von Gierke, der Althusius in seinem erstmals 1880 erschienenen Werk Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheo­ rien aus der „fast räthselhaften Vergessenheit“ entrissen und wiederbelebt hat, gilt der neuzeitliche Staatstheoretiker gar als »der Begründer der 226  Politica-Wolf,

Vorrede (109).



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Volkssouveränität«. Friedrich H. Schubert zählt in seiner Untersuchung Die deutschen Reichstage in der Staatslehre der frühen Neuzeit Althusius zu den ersten Vertretern einer Volkssouveränität und Ernst Bloch urteilt in Naturrecht und menschliche Würde: „[D]er Begriff des Volks als Souverän wurde von Althus erst zur Geltung gebracht“.227 Dieser Auswahl gleichlautender Urteile aus dem Blickwinkel verschiedener Disziplinen steht die Einschätzung der Bedeutung Althusius’ durch Quaritsch und viele andere entgegen.228 Es ist darauf zu verweisen, dass schon mit Manegold von Lautenbachs (gest. nach 1103) Liber ad Gebehardum ein erstes mittelalterliches Zeugnis der Lehre von der Volkssouveränität vorliegt.229 Duns Scotus, Nikolaus von Kues, insbesondere Marsilius von Padua mit seinem Werk Defensor pacis (1324) oder Suárez mit den nahezu zeitgleich zur Politica erscheinenden Ausführungen in De legibus (1613) legen weitere bedeutsame Argumentationen zur »Volkssouveränitätslehre« vor.230 Ebenso zu nennen ist die Volkssouveränitätslehre Calvins in dessen Institutio (1536), deren Inbezugnahme an den die Souveränität betreffenden Stellen man allerdings vergeblich sucht.231 Die Politica beruft sich auf bekannte und unbekanntere, darunter (auch katholische) Gewährsmänner wie Augustinus, Bartolus, Vásquez, Covarruvias, Hotman, Molina, Lancellotus, de Castro, Natta, Pinellus, Corasius, Bornitz, Bodin, Rosenthal, Peregrinus, Pruckmann und einige andere mehr.232 In seiner Argumentation greift Althusius immer wieder auf Autoren zurück, die in Teilaspekten seine These gegenüber der Souveränitätslehre Bodins stützen. »Den« Begründer der Volkssouveränität kann man Althusius also sicher nicht nennen. Er 227  Schubert

1966, 408  ff.; Bloch 1977, 60. Quaritsch 1986, 73; ders. 1970, 243  ff.; Hofmann 1974, 368–372; ders. 1988, 541  f.; vgl. auch Ottmann 2006, 93–98; Kersting 1996, 219–225; Reinhard 2003, 306–309; Schwan 1991, 174–176; Zippelius 1971, 97–99. 229  Vgl. Spindelböck 1994, 65  f.; Fuhrmann 1975, 26  f.; Kern 1954, 216–218. 230  Vgl. zu Duns Scotus: Böckenförde 2002, 285  ff.; zu Cusanus’ De concordantia catholica siehe Ottmann 2004, 308–310; Miethke 1991, 136–142. „Gesetzgeber … ist das Volk oder die Gesamtheit der Bürger oder deren gewichtiger Teil (valentior pars) durch ihre Abstimmung oder Willensäußerung“, Marsilius von Padua, Defensor Pacis I, 12,3 (63). Unter dem Begriff »Volk« sind nicht – ähnlich wie bei Althusius – die Individuen zu verstehen, sondern „gestaffelte Stände“, so Mertens 2003, 223. Zu Volkssouveränität und Widerstandsrecht bei Marsilius siehe: Spörl 1975, 107  f.; Suárez, De legibus III, 2,3 (21–24); zur „relativen“ Volkssouveränitätslehre (und zum Widerstandsrecht) bei Suárez siehe: Rommen 1926, 173–177, 224– 234; Hirschberger o. J. (Bd. II), 75–80; Böckenförde 2002, 360  ff. 231  Winters 1995, 33; Eßer 1988, 167–186; Hofmann 1988, 541  f.; Denzer 1985, 242  f.; Gierke 1958, 56  ff. 232  Antholz dagegen betont Althusius’ „unbedingte Intoleranz und seine in gleichem Maße fanatische und entschiedenen Frontstellung gegen katholische Kirche und Jesuitismus“, ders. 1954, 69. 228  Vgl.

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gehört gewiss zu jenen politischen Denkern, von denen wichtige Impulse für die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Souveränität bis auf Rousseau ausgehen. Daher kann einerseits der Einschätzung Quaritschs über die Bedeutung Althusius’ in der deutschsprachigen Rezeptionsgeschichte zur Souveränität nicht gefolgt werden. Andererseits ist das Urteil Gierkes und anderer ebenso diskussionsbedürftig. Es folgt nach hier vertretener Ansicht aus der dominierenden Stellung der bodinschen Staatstheorie im ideengeschichtlichen Kontext der Allgemeinen Staatslehren. Insbesondere wegen der kritischen Auseinandersetzung mit dem Franzosen gerät Althusius allzu leicht in eine Gegenstellung, danach er geradezu zwangsläufig der (deutsche) Vertreter einer Volkssouveränitätslehre sein »muss«. Da der »Staat« als populus in corpus unum gleichbedeutend mit dem »Staat« als Gesellschaft, Regnum, Imperium oder Res publica ist, kann man ebenso von einer »Staatssouveränität« sprechen (IX  3). Dieser Ausdruck eignet sich weniger zur Abgrenzung gegenüber der bodinschen Konzeption, macht jedoch die Entfernung von der Doktrin der Volkssouveränität bei Rousseau deutlich. Althusius in dieser Hinsicht als „deutschen Rousseau“ zu bezeichnen, ist daher verfehlt, wenn der Deutsche auch in den Briefen vom Berg ausdrücklich von Rousseau erwähnt wird (6. Brief).233 Am Anfang der althusischen Souveränitätslehre steht das Wort „proprietas“: „Nam & regni proprietas est populi, & administratio regis“. Die Textstelle ist bei Janssen missverständlich übersetzt: „Denn das Eigentum des Reichs steht dem Volke zu und die Verwaltung dem Herrscher.“ Janssen, der insoweit der englisch-sprachigen Übertragung Carneys folgt, lässt bei seiner Übersetzung außer Betracht, dass durch die Verwendung von „&  …  &“, dem „sowohl“ ein „als auch“ entsprechen muss.234 Der Be­ gründungszusammenhang („Nam  …“) erschließt zudem, dass sich aus dem vorhergehenden Widerspruch („…  jedoch zu Unrecht, wie ich meine“) sowie aus dem nachfolgenden Zitat, das Althusius’ Position stützen soll, ein Zuweisungsverhältnis von Herrscheramt gegenüber dem Volk, d. h. »Verwaltung im Reich« und »Eigentum am Reich« an dieser Stelle noch gar nicht 233  Für Althusius als Lehrmeister Rousseaus: Derathé 1974, 92  ff. nach Gierkes Buch 1958; Scupin wiederum glaubt, dass Rousseau Althusius missverstand. Scupin plädiert eher für Althusius als einen »deutschen Montesquieu«, ders. 1965, 5; vgl. auch Krawietz 1988, 398. Kritisch: Wyduckel 1988, 465–493 (486  f.), für die Annahme einer Souveränität des „staatlich organisierten Gemeinwesens“ (475). 234  Koch geht in ihrer Untersuchung unter Verweis auf diese Textstelle wohl von einem Eigentumsrecht aus: „Darum gehört die Verwaltung dieser Rechte dem König“, dies. 2005, 109. Die gesamte Administrationslehre der Politica ist dann aber um ihren konsozietalen Sinn gebracht. Hohberger sieht in diesem Zentralsatz der Souveränitätslehre einen „sozialistischen Charakter“ der Eigentumsrechte (sic!) bei Althusius, ders. 2008, 134. „Die Volkssouveränität ist nicht als absolut gegeben zu betrachten.“, ebd., 143.



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angezeigt ist.235 Dem Autor liegt vielmehr daran, die herkömmliche Unterscheidung von Königreich und Republik zurückzuweisen: „Die meisten anderen unterscheiden zwischen Reich (regnum, P.  K.) und Gemeinwesen (respublica, P.  K.), wobei sie jenes dem Monarchen, dieses den Optimaten als mehreren Herrschern zuweisen, jedoch zu Unrecht, wie ich meine.“ (IX  3) Dabei geht es ihm nicht um die Ablehnung der Regierungsformen Monarchie und Aristokratie, sondern um die staatstheoretische Verfassungsform. „Das Gemeinwesen … ist Sache des Volkes“, unabhängig davon, ob „es von einem König, wenigen Optimaten oder der Gesamtheit“ regiert wird (IX  4). Daher lautet der Anfang der Souveränitätslehre bei Althusius: „Denn sowohl das Eigentum am Reich ist Sache des Volks als auch die Regierung eines Herrschers“ (IX  4). Diese Übersetzung wird wenig später gestützt, wenn Althusius sich daran setzt, „jene höchste Gewalt (summa potestas, P.  K.) zu definieren, die wir dem politischen Gemeinschaftskörper aufgrund des Rechts der Souveränität zuerkennen“ (IX  25, Hervorheb. P.  K.). Er wiederholt klarstellend, dass sowohl das Wesen des Reichs als auch die Herrschaftsgewalt dem politischen Gemeinschaftskörper zu eigen ist (recte ex natura & essentia imperii & potestatis summae, jus majestatis, seu jus majoris potestatis, status & magnitudinis, quae non nisi penes corpus consociatum politicum, quoad dominium, esse potest, IX  26).236 Es wird bereits zuvor mitgeteilt, dass die Herrschaftsgewalt gänzlich „aus Grund und Ziel der universalen Gemeinschaft abgeleitet werden [muss]“ (IX  25). Später wird der Autor auf die Souveränitätsrechte zurückkommen: „Es (das Volk, P.  K.) hat sich im Hinblick auf die Gemeinschaft notwendige und nützliche Rechte gegeben und sodann ihre Verwaltung … den von ihm gewählten Amtsträgern und Leitern anvertraut“ (XVIII  10). Der „administratio“ wird sich der Autor in den Kapiteln 18–39 widmen, woraus sich ergeben wird, dass sie eben nicht nur einem König zustehen, sondern auch „polyarchisch“ organisiert sein kann. Sogar unter monarchischen Bedingungen erweist sich, dass auch eine königliche Regierung des Gemeinwesens wesentlich durch die Beteiligung von aristokratischen Optimaten, den so genannten Ephoren geprägt ist. Es gilt, die „proprietas“ näher zu bestimmen, aus dessen Lichte sich jegliche „administratio“ versteht, die schließlich die Verwaltung des Gemeinwesens unter dem symbiotischen Recht darstellt. Vollzieht sich die „admi235  Das nachfolgende Zitat lautet: „So auch Cicero, De republica, lib. 3“, wie er von Augustinus, De civitate Dei, lib. 2, c. 21, zitiert wird.“ 236  Carney als auch Janssen lassen § 26 unübersetzt. Anders dagegen § 25: „Secundum hanc igitur proprietas & natura impii & potestatis haec erit …“. Janssen übersetzt die Passage wie folgt: „Danach liegt die Eigenart und Natur der Herrschaftsgewalt darin  …“. Es gilt das bereits oben zur Wendung „et … et“, „sowohl … als auch“ Gesagte.

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nistratio“ aber als rechtmäßige Verwaltung und Regierung, so bezieht sie ihre Rechtmäßigkeit aus davorliegenden Bestimmungen. Legitime Herrschaft besteht immer nur dann, wenn das »Eigentum« am Gemeinwesen beim »Volke« liegt. Beide Parameter werden in den Kapiteln 9 und 18 definiert. Fraglich ist, was Althusius unter »Eigentum« versteht. Für den status naturalis erkennt Hobbes „weder Eigentum noch Herrschaft, noch ein bestimmtes Mein und Dein“, da es noch an staatlichen Gesetzen mangelt, nach denen sich eine Bestimmung ausrichten kann.237 Wenn der Autor der Politica davon spricht, dass das Eigentum am Gemeinwesen dem Volk zusteht, könnte man auf den Gedanken verfallen, dass er von einem vorstaatlichen Eigentumsrecht ausgeht. Wie wäre ein solches zu begründen und wem fällt die Trägerschaft zu? Locke etwa entwickelt ein naturrechtliches Eigentumsrecht des Einzelnen, dessen Schutz die wesentliche Aufgabe des Staates sein wird.238 Wenn der Herborner Rechtsgelehrte auch kein Naturzustandstheorem konzipiert, wie es in vielen Vertragstheorien der Neuzeit gelehrt wird, käme ein vorstaatliches, naturrechtliches Eigentum am Gemeinwesen in Betracht. Träger dieser Rechtsposition wäre demnach ein zeitlich bzw. gedanklich vorhergehend oder zumindest zeitgleich verfasstes Volk. Althusius’ Begriff der consociatio universalis major ist zugleich Lebensgemeinschaft, Politie, Imperium, Regnum, Respublica und populus in corpus unum (IX  3). Mit anderen Worten kann das Gemeinwesen als Staat(sform) und Gesellschaft zwar unterschiedliche »Namen« tragen, ist aber stets gleichbedeutend zu verstehen. Beide Momente fallen in der Politica zusammen. Eine entsprechende Teilung, wie sie für die deutsche Naturrechtslehre in der Trennung von Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag beschrieben wird, und von Wolfgang Kersting auch für die Politica angenommen wird, ist von Althusius nicht intendiert. Kersting kritisiert, dass die deutsche Doppelvertragslehre das „kontraktualistisch widersinnige Mittel“ darstelle, ein dem Vertragsgedanken innewohnendes „demokratisches Telos“, „destruktiv zu verstellen“.239 Gerade diese Annahme trifft aber für die politische Lehre des Althusius nicht zu. Der Verfasser der Politica spricht mit Erreichen der Entwicklungsstufe zur universalen consociatio von einem populus in corpus unum, welches die Trägerschaft über ein solches Eigentumsrecht innehat und stets behält. Das Recht am Gemeinwesen ist ihm eigen; als solches ist es »vorstaatliches« Eigentum, wenn man Staatlichkeit erst mit der Konstituierung der „administratio“ beginnen lässt. „Denn das Volk geht seiner Natur nach sowie in zeitlicher Hinsicht betrachtet seinen Regenten voraus“ (XVIII  8). Fällt aber Staatlichkeit und Gesellschaftlichkeit in einem solcher237  Hobbes,

Leviathan, Kap. 13, 98. Zwei Abhandlungen über die Regierung, 5. Kap. 239  Kersting 1996, 218  f. 238  Locke,



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art verstandenen Gemeinwesen zusammen, liegt Staatlichkeit auch ohne die Konstituierung einer »Regierung / Verwaltung« mit dem Erreichen der universalen consociatio vor; das Eigentumsrecht ist insoweit nicht vorstaatlich, sondern dem »Volk« immanent. „Denn zuerst hat sich das Volk … Rechte gegeben und sodann ihre Verwaltung … den … Amtsträgern und Leitern anvertraut“ (XVIII  10). Es ist das Recht an sich selbst, da das Gemeinwesen (singulär als Staat) mit den Gemeinwesen (plural als Symbioten, Konsoziationen) zusammenfällt. Daher kann das Recht daran auch „nicht Sache eines Einzigen oder Einzelner, sondern (nur, P.  K.) sämtlicher Glieder“ sein (IX  18). Als Eigentum ist es unveräußerliche Rechtsposition (XVIII  104: „hoc est proprium & incommunicabile“; s. a. XXXVIII  126  f.). „Einvernehmlich“ darf darüber in der Weise verfügt werden, dass die mit dem Eigentumsrecht einhergehenden Rechte der „Verwaltung und Ausübung“ späterhin „abgetreten, übertragen“ werden; doch bleibt das Eigentum und damit die Souveränität stets beim »Volk« und kann auch nicht unter einer geduldeten Gewaltherrschaft durch Zeitablauf verwirkt werden (IX  18, 23; XVIII  29; XIX  2; XVIII  124; XIX  12; u. ö.). Es setzt sich im Eigentumsrecht des Volkes an den öffentlichen Gütern fort, die nur in enumerativer Weise vom Magistrat angetastet werden dürfen (XXXVII  1, 48–50, 107– 115). Althusius’ Argumentation bleibt in diesem Begründungszusammenhang rein innerweltlich. Die „majestas“ begreift der politische Denker als ein Recht, einen Anspruch, der innerweltlich „begründet“ wird (IX  1). Eine göttliche Zuteilung des Eigentums am Gemeinwesen nach dem Beispiel des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israels bleibt (vorerst) außer Betracht. Schriftbelege treten hinter Autoritäten der politischen Theorie und die juristische Literatur zu den einschlägigen Gesetzesstellen des römischen Rechts zurück. „Proprietas regni“ bedeutet demnach Souveränität. Letztlich stehen das Gemeinwesen sowie dessen Regierung – unbeschadet, ob sie durch einen, mehrere oder alle geführt wird – unter dem Souveränitätsanspruch des Volks. „Die Macht, dieses Reichsrecht zu begründen und sich ihm zu verpflichten, kommt dem Volk oder den vereinten Gliedern des Reichs zu.“ (Juris hujus regni statuendi & se obligandi ad id, potestatem populus, IX  16) Carl Schmitt geht daher fehl, wenn er dem Volk bei Althusius unter Verweis auf Kapitel 18 §  93 und Kapitel 19 §§  19 ff. lediglich eine „potestas constituta“ zuerkennt, die „potestas constituens“ dagegen vorenthält.240 Die verfassungsgebende Gewalt ist nach Schmitt „der politische Wille, dessen Macht … imstande ist, die konkrete Gesamtentscheidung über Art und Form der eigenen politischen Existenz zu treffen“. Das Subjekt dieser Gewalt sei in der monarchomachischen Staatslehre, zu der Schmitt die Politica zählt, noch nicht das Volk, sondern nur Gott, der nach Röm 13 allein die 240  Schmitt

2003, 77. Ähnlich Duso 2002, 26. I. E. wie hier: Friedrich 1975, 56.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

konstituierende Gewalt habe. Dagegen ist anzuführen, dass Althusius die Souveränitätsgewalt innerweltlich verankert; er spricht insoweit von einer potestas temporalis. „Solange dieses Recht in einem Reich wirkungsmächtig ist und über seinen politischen Körper herrscht, solange lebt es … Wird es aber beseitigt, dann bricht die ganze symbiotische Lebensgemeinschaft zusammen und beginnt zu einer Bande von Räubern und Schurken zu werden.“ (IX  17) Hier werden bereits Gründe zur späteren Widerstandslehre gelegt. Dem Miteinander-Wollen der Symbioten entspricht ein gemeinsamer Wille (voluntas communis, IX  18) des Volkes, durch das es rechtsfähig wird. „Was sie (sämtliche Glieder P.  K.) einmal festgelegt haben, das müssen sie auch halten und leisten, falls nicht aufgrund gemeinsamen Willensentschlusses etwas anderes bestimmt wird“ (IX  18). Dieser Wille kann jedoch niemals auf die Depravation, Deprivation oder Dereliktion, auf die Verschlechterung, den Verlust oder die Aufgabe des Rechts am Gemein­ wesen gerichtet sein. Dem Volk steht das Recht zu, die Verfassung und die  »innere Struktur« des Gemeinwesens zu verändern (XIX  72; XX  20; XXXVIII  76). Daher irrt Hasso Hofmann in der Annahme, dass man von einer verfassunggebenden Gewalt bei Althusius nur insofern sprechen kann, als erstens alle Gewalt stets vorherbestimmte Amtsgewalt sei, die zweitens nur die Gründung eines Reiches, nicht die „innere Struktur der es konstituierenden Verbände“ umschließt.241 Das Verständnis von Souveränität erhellt sich auf einer zweiten Ebene in Bezug auf die politische Herrschaft (Kap. 18  ff.). Die potestas, die sich in der universalen Gemeinschaft verfasst, verwirklicht sich in der Einsetzung von Amtsträgern (Ephoren und höchster Magistrat) und der damit einhergehenden Übertragung der Herrschaftsgewalt, weil sich das Volk nicht selbst regieren kann. „Die Glieder der universalen Gemeinschaft aber übertragen die Herrschaftsgewalt nur zur Verwaltung und Leitung des universalen Gemeinschaftskörpers und seiner Rechte nach gerechten Gesetzen.“ (XVIII  28) „Das Eigentum und die Oberhoheit dieser Rechte haben die Verwalter und Leiter jedoch keineswegs, diese verbleiben vielmehr beim politischen Gemeinschaftskörper“ (XVIII  29).

Althusius spricht insoweit von einem Zurückbehalt bei der Übertragung, so dass sie mit einem Größer-Kleiner-Verhältnis beschrieben wird (XVIII  9; 26  f.; 83; u. ö.). Indessen rückt der Autor nicht vom Unteilbarkeitsdogma der Souveränität ab (vgl. XXXIX  18  f., 36, 53, u. ö.). Im Übrigen sieht er diese Lehre durch die Staatsrechtspraxis des Deutschen Reiches bestätigt. Danach wird durch die Formeln des Kaisers In unser und des heiligen Reiches statt sowie Uns und dem heiligen Reich gerade dieser Vorbehalt zum Ausdruck gebracht (XVIII  30; s. auch XVII  40; XIX  3; XXIV  37 Nr. 1–10; 241  Hofmann

1988, 541.



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u. ö.). Die Übertragung nach der Politica bedeutet keine aliéna­tion totale, selbst wenn die so genannten Ephoren mit dem höchsten Magistrat »gewaltenteilig« die vollumfängliche Souveränität ausüben: „Diese Rechte hat die Gemeinschaft ja nicht auf den obersten Magistrat übertragen, sondern sich selbst vorbehalten und ihren Schutz und ihre Verteidigung … ihren Ephoren überantwortet.“ (XVIII  83) Der Autor spricht insoweit von den „beiden Arten des Herrschaftsrechts“ (XIX  3). 2. Der populus in corpus unum als Träger der Souveränität Die Bestimmung dessen, was Althusius unter »Volk« verstanden wissen will, fällt vielschichtig aus. Althusius verwendet den Begriff des Volkes in unterschiedlichen Bedeutungen. Es ist daher mit Bestimmtheit darauf zu achten, in welchem Kontext das »Volk« Gegenstand der Untersuchung ist. Dem »Volk« fällt es „seiner Natur nach schwer zu gehorchen“, es ist ein „Untier mit vielen Häuptern“ (XXIV  6). Zwei Gründe werden dafür genannt: Zum einen glaubt jeder Einzelne vermittels einer den Menschen angeborenen Erwartung (praesumptio homini innata), zur Regierung überhaupt geeignet und insbesondere besser befähigt zu sein, als die jeweiligen Amtsinhaber. Zum anderen meint das Volk von sich selbst, es stünde ihm rechtmäßig eine Freiheit zu. Aus diesem Freiheitsverständnis folge nun, „dass Gehorchen und Sichunterordnen als eine Art Knechtschaft angesehen werden (XXV  65). Attribute, mit denen das gemeine Volk (plebs) beschrieben wird, sind: „unbeständig, voreilig, ohne Urteilskraft, leichtgläubig, missgünstig, unbändig, unruhig, aufständisch, wankelmütig, leichtsinnig, undankbar und dem Lebenswandel des Herrschers nacheifernd“. Diese Aufzählung negativer Merkmale stammt nicht etwa aus dem Principe oder von einem Vertreter absolutistischer Machtstaatstheorie, sondern aus der Mitte der Politica als zusammengefasste Überschrift zu den §§ 21–37 des Kapitels 23. Die Charakterisierung überrascht, liest man doch ein denkbar ungünstiges Urteil über den mutmaßlichen Träger der höchsten Gewalt. Insbesondere die ungenügende Urteilskraft des Volks (XXIII  25) stellt den Leser auf eine harte Belastungsprobe. Es scheint zu Widersprüchen zwischen Allgemeiner Staats- und Regierungslehre zu kommen, wenn zugleich ausgesagt ist, dass „man auf das nichtige Gerede des Volks nicht hören … und derjenige, dessen Herrschaft das Volk anvertraut ist, … dem nicht folgen [darf]“ (XXIII  25), hingegen mit den Stimmen desselben Volks, Herrschaft begründet wird muss. Einen lupenreinen Republikaner kann man Althusius jedenfalls nicht nennen. Die Überschrift zu Kapitel 23, aus welchem das Zitat entstammt, lautet:

Wesen und Eigenart des Volks. Dabei hat der Autor kein bestimmtes

Volk, keine bestimmte Nation im Visier. Aus diesem Kapitel erlangt man

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Aufschluss darüber, was Althusius das Volk im Allgemeinen als Gesamtheit der Herrschaftsunterworfenen ist. Das Ergebnis nimmt er bereits in den zuvor liegenden Kapiteln vorweg: Das Volk als Menge und Masse ist nicht fähig, sich selbst zu regieren (VIII  52; XVIII  12, 17, 60; XXV  50; u. ö.). Die Regierung kann das Volk schon allein deshalb nicht übernehmen, weil es nicht das Gemeinwohl verfolge, sondern seine eigenen Interessen, eine Einschätzung, die schon in der aristotelischen Verfassungslehre begegnet (XXIII  27, 34). Auch wenn das Volk zur Bildung eines gemeinsamen Willens (voluntas communis) für fähig erachtet wird, entbehrt die Menge schon aus Praktikabilitätsgründen einer Handlungskompetenz (etwa XVIII  56).242 Der pessimistischen Einstellung gegenüber der Menge steht allerdings seine Summierungstheorie in den anderen Kapiteln entgegen (VIII  3; XVII  60; XXIII  36; XXVII  53; XXIX  40; XXXIII  20). Kapitel 23 bildet mit sechs weiteren Kapiteln einen engen inhaltlichen Zusammenhang, deren gemeinsame Intention sich auf eine wirkungsvolle Handhabung des Herrschaftsinstrumentariums richtet. Das der Politica vorangestellte Schema gibt den Blick frei für den Kontext, in dem die Aussagen zu sehen sind: Die „Kenntnis der Natur des Volks“ (Kap. 23) stellt zwischen der „Kenntnis des Gesetzes“ (Kap. 21–22) sowie der „Kenntnis des Reichs und seiner Herrschaftsart“ (Kap. 24 Wohlwollen 16  ff., Kap. 25 Autorität) und neben der „Erfahrung“ (Kap. 26) und den „Ratgebern“ (Kap. 27) das Instrumentarium der Verwaltung dar. Diese Zusammenstellung der „Hilfsmittel der Verwaltung“ birgt das Herzstück der politischen Regierungslehre in der Politica. Der inmitten stehende Abschnitt über Wesen und Eigenart des Volks richtet sich an die Exekutive und die Legislative des höchsten Magistrats. Er muss zunächst – unbeschadet seiner Gemeinwohlverpflichtung – ungeschönt und realistisch, Merkmale der herrschaftsunterworfenen Menge »kennen«, um überhaupt eine gemeinwohlverpflichtete Politik »machen« zu können. Hierzu zählt der politische Denker Kenntnis und Auswahl der Regierungsmittel und deren Verwendungsweise (Regierungsstil) (XXIII  15). Zu diesem Zeitpunkt ist Herrschaft bereits legitimiert und konstituiert. Die Frage nach der Souveränität liegt jedoch davor. Daher können Wesen und Eigenart des Volkes an dieser Stelle so beschrieben werden, ohne dass es die Rechte und Aufgaben des Volks berührt. Inhaltlich wird die Trägerschaft der Souveränität nicht von Charaktereigenschaften, Einstellungen und weiteren Eigenarten und vereinzelten Zuschreibungen eines beliebigen Volks entschieden. Er beschreibt lediglich innerhalb der Regierungslehre die Problematik, die sich daraus für die Regierung ergibt, wonach jede Form der Herrschaft als „eine Art Knechtschaft“ empfunden wird (XXV  65). 242  Duso

negiert bereits die entscheidende Einheit des Willens, ders. 2010, 83.



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Ist das Volk auf der einen Seite des Spektrums zuerst als bloßer „Haufen“, als gestaltlose Größe zu begreifen (V  4), ist es andererseits als Summe aller Herrschaftsunterworfenen aufzufassen, deren je eigene regionale und nationale Charakteristik es für die Herrscher zu kennen gilt. Weiterhin bezeichnet Althusius einen bestimmten Teil der Bevölkerung als Volk. Hier unterscheidet er zwischen Adel und Volk, wobei letzteres wiederum in Stadt- und Landbevölkerung abgrenzbar ist (XXIII  15; VIII  40). Die plebs „gilt es mit einer Fülle von Nahrungsmitteln aufzumuntern und in der Furcht der Gerechtigkeit zu halten“, wohingegen „der Adel durch den Antrieb der Ehre bestimmt wird“ (XXIII  15). Althusius thematisiert die Souveränität gemäß seiner genealogischen Vergemeinschaftung erst zu einem Zeitpunkt, an dem die Gemeinschaftsangehörigen in den Gemeinschaften eine Gestalt erhalten haben. Weder als einzelne Personen noch als einzelne Bürger der Städte und Provinzen stellen sie die consociatio universalis major dar. Als Reichsbewohner und Bürger sind sie das herrschaftsunterworfene Volk (cives universos seu populum, XVIII  9). Sofern der Politiklehrer sagt, dass „[k]raft der Einsetzung und des höchsten Eigentumsrechts … die Untertanen und Glieder des Reichs in ihrer Gesamtheit Herren dieser Leiter und Amtsträger [sind]“ (XVIII  14, Hervorheb. P.  K.), so stellt sich die Frage, ob mehrere Souveränitäten vorliegen oder die Untertanen ihre Souveränität mit den „Gliedern des Reichs“ teilen. Die erste Alternative ist auszuschließen, da Althusius gegen Bodin argumentiert, dass es nicht mehrere Souveränitäten geben kann. Mit der zweiten Alternative müsste der populus um die Glieder des Reichs, das sind die Städte und Provinzen, erweitert werden. Sofern man diese als Personenverbände begreift, wäre dies eine unnötige Verdoppelung, da sämtliche Personen als Untertanen entweder in Städten oder in Provinzen bereits erfasst wären. Stellt man dagegen auf die territoriale Rechtspersönlichkeit ab, so ließe sich schwerlich das Volk als alleiniger Inhaber der Souveränität behaupten. Es bleibt der Rückgriff auf die Stände. Sie sind weder untertan noch gehören sie zu den Leitern und Amtsträgern. Die Stände repräsentieren das Volk in den Städten und Provinzen, sie sind nicht mit ihm identisch (XVIII  11, 57; vgl. auch V  55; VI  43, 50; VIII  5; u. ö.). Insofern werden die ständischen Organisationen ebenfalls als »Herren« betitelt (XVIII  73). Zuletzt bezeichnet das »Volk« eben auch den »Eigentümer« des Staates. Althusius greift auf die Autorität Ciceros zurück, dessen berühmte Definition der Res publica er nach Augustinus’ De civitate Dei, „lib. 2, c. 21“ zitiert, ohne dass der Ausdruck „populus“ oder gar eine Theorie der Volkssouveränität aus dem Werk des römischen Staatsphilosophen näher beleuchtet würde.243 243  An dieser Textstelle verweist Althusius darauf, dass ihm das 3. Buch von De republica aus Augustinus’ De civitate Dei bekannt ist. Zur fragmentarischen Text­lage

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Das »Volk«, dem die Eigentumsstellung am Gemeinwesen zugesprochen wird, ist in der Politica die ständisch strukturierte Gesellschaft, wie sie sich in den Städten, Provinzen und Regionen bereits organisiert hat, „nicht einzelne Menschen“ (IX 5). Daher ist es bereits konstituiertes Gemeinwesen auf den niedrigeren Gemeinschaftsebenen, niemals jedoch natürlicher, oder gar »naturzuständlicher«, amorpher Personenverband, der sich gleichsam in einem Sprung zum Staat formt. Auf den Gemeinschaftsstufen der Kommunen und Provinzen wird anstelle des Wortes »Volk« von membra gesprochen. Der populus wird als exklusiver Begriff erst auf der universalen Gemeinschaftsstufe verwendet. Die Staatswerdung ist bei Althusius viel eher stadiendurchschreitende Metamorphose der Gemeinschaften (consociationes speciales) zum Staat (consociatio universalis major) als bei anderen neuzeitlichen Staatstheoretikern. Der populus in corpus unum ist das Ergebnis dieser Verwandlung, es bedeutet „das körperschaftlich verfasste Volk“, „das durch den Konsens mehrerer symbiotischer Gemeinschaften und miteinander verbundener besonderer Körperschaften unter einem Recht zusammengeschlossen ist“ (IX 3). Dem Volk in einem empirischen Sinne stellt der Autor das Volk als Vergegenwärtigung eines vereinigten Willens zur Seite. Weil das »Volk« als populus in corpus unum nicht nur eine der Familie und Verwandten nachgebildete natürliche Gemeinschaft darstellt, sondern „teils privat, natürlich …, teils öffentlich begründet“ ist, hat dies Auswirkungen auf das Eigentumsrecht. Die Souveränitätslehre beschränkt sich daher nicht auf eine alleinige Ableitung des ursprünglichen Herrschaftsanspruchs über das Gemeinwesen aus der Eigentümerstellung des Volkes, sondern es tritt etwas dem »konstruierten« Träger Entsprechendes hinzu. Eine zweite Argumentationslinie wird eröffnet, die sich in den Vordergrund drängt. Soweit Althusius nämlich von der „Begründung“ des „Souveränitätsrechts“ spricht, entfällt hinsichtlich eines dem Volk ursprünglich zufallenden »Eigentumsrechts« ein entsprechender Begründungsakt. Ein solcher wird indes erforderlich, wenn unter „populus“ die Städte, Provinzen und Regionen zu verstehen sind. Es liegt offen zutage, dass die Begründung in der Verbindung dieser – im Gegensatz zu den natürlichen Gemeinschaften – öffentlichen Teilgemeinschaften zur universalen Gemeinschaft liegt. Als das dem konstruierten Körper entsprechende Verbindungsmittel könnte ein Vertrag in Betracht kommen. Das Vokabular, dessen sich der Rechtsgelehrte im fraglichen Kontext des Kapitels 9 bedient, beinhaltet Ausdrucksweisen wie „Konsens“, „miteinander verbunden“, „übereinkommen“, „wechselseitige Verbindung“, „gegenseitig gegebenes und empfangenes Treuegelöbnis“, vgl. auch Fn.  3 der Übersetzung von Janssen 2003, 25, der dort allerdings von der Benützung der Ausgabe Cicero, Opera Omnia, Genf 1594, Sp. 2215  ff. von Dionysius Lambinus und Dionysius Gothofredus ausgeht.



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„stillschweigendes oder ausdrückliches Versprechen“. Die Symbioten stehen in „permanenter Kommunikation“ (Nitschke 2002, 98); es mangelt allerdings an der Verwendung des Wortes „Vertrag“. „Contractus“ und „pactum“ sind dem Lehrstuhlinhaber für Römisches Recht geläufige Vokabeln. Allein er verwendet diese Ausdrücke nicht. Der Gebrauch des Ausdrucks »Vertrag« begünstigt ein Verständnis, das Althusius’ Auffassung von Souveränität zuwider läuft (vgl. XVIII  104). Mit dem Vertrag ist gleichsam eine gewillkürte Verfügbarkeit indiziert, die die „proprietas regni“ in den rechtsgeschäft­ lichen Bereich des »propriums« rückt. Schon das Wort „proprietas“ unterstreicht in Abgrenzung zum »proprium«, dass es sich bei der Souveränität um eine »Eigentümlichkeit« des Volkes, und nicht um ein im Belieben stehendes dingliches Sachenrecht handelt. Ebensolches gilt für die Nennung des Wortes „dominium“ (XIX  2): nicht ein dingliches Eigentumsrecht (s.  XI  9), sondern Herrschaft und Gewalt in einem weiteren Sinne kennzeichnen das jus regni des Volks. Althusius sieht in den bei Dekreten, Erlassen und Verfügungen benützten Formeln des deutschen Kaisers „Uns und dem heiligen Reich“ bzw. „In unser und des heiligen Reichs statt“ die konjunktive Gegenüberstellung als Hinweis auf das in der Reichspraxis akzeptierte „dominium universitatis“ seiner Lehre.244 Die sittliche Rechtsgemeinschaft, als die sich die consociatio schon im propädeutischen Kapitel 1 versteht, ist in den Kategorien des Vertrages nicht vollkommen zu erfassen. Das Erhabene dieser Rechtsgemeinschaft markieren alternative Begriffe zur majestas regni wie sublime jus und imperium sacrum. „Deshalb wird es (d. i. jus regni, P.  K.) universale Herrschaftsgewalt genannt, die keine andere als höher, ihr gleich oder als mit ihr verbunden anerkennt.“ (IX  15) Die Begründung der »absoluten« Souveränität erfordert eine der Ausdrucksweise der »relativen« Vertragssprache abweichende eigene Diktion. „Die Macht, dieses Reichsrecht (jus regni, P.  K.) zu begründen und sich ihm zu verpflichten, kommt dem Volk oder den vereinten Gliedern des Reiches zu.“ (IX  16) Die „potestas“ liegt im Verband (vinculum) dieser universalen consociatio (IX  7, 17). „Das Band dieser körperschaftlichen Gemeinschaft ist der Konsens unter den Gliedern des Gemeinwesens und das gegenseitig gegebene und empfangene Treugelöbnis, d. i. das stillschweigende oder ausdrückliche Versprechen, untereinander Sachen und Dienste, Rat und Hilfe sowie die damit verbundenen Rechte gemeinschaftlich zu teilen, so wie es Nutzen und Notwendigkeit eines universalen gesellschaftlichen Zusammenlebens im Gemeinwesen erfordern.“ (IX  7) 244  Diese „Eigentümerstellung der Körperschaft“ kommt in der von Janssen gewählten Übersetzung nicht zum Ausdruck. Er übersetzt: „Mit den Worten des Reichs statt aber wird die Herrschaft über die Gesamtheit zum Ausdruck gebracht“ (XVIII  30). Die Gegenüberstellung verliert dabei gerade ihren Sinn.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Vor diesem Hintergrund ist das „Versprechen so vieler verschiedener Menschen und Stände“ nicht als Vertragsschluss einzelner Herrschaftsunterworfener zu einem Volk auszulegen, sondern als „promissio“, als Versprechen der für die Stände handelnden Repräsentanten (IX  8). Das Versprechen ist Ursache für das Wohl (utilitas) und die Gemeinschaft (communio) der Res publica. Es bewirkt, dass in diesem Sinne „Untergeordnete und Höhergestellte durch eine Art Gleichheit des Rechts (juris quaedam aequabilitas) miteinander verbunden“ sind (ebd.). Alle sozialen und politischen Unterschiede sind in dieser Gleichförmigkeit der als Recht ausgestalteten Souveränität aufgehoben. Demnach bildet das jus regni die Rechtsgleichheit der Symbioten ab. Lakonisch ergänzt Althusius, dass zu dieser Gemeinschaft „auch Widerstrebende gedrängt werden“ können.245 Besteht die Souveränität mithin in einem Zwang zur Gleichmacherei? An früherer Stelle zum Bürgerbegriff lehnt der Autor die Ineinssetzung von aequabilitas und aequalitas ab (VI  47). Mit einer Vertragskonstruktion wäre dies – „Souveränität beruht im Zwang“ – in einem „totalen wie totalitären Vertrag“ rousseauscher Denkart möglich.246 Ohne spezifische Vertragslehre scheinen Zwang und Treue in einen unvereinbaren Gegensatz zu treten, da diese auf Freiwilligkeit basiert. Althusius zitiert Platon an benannter Stelle, nach dem die Treue „das Fundament der menschlichen Gesellschaft“ sei. Tatsächlich ist im Höhlengleichnis von Zwang die Rede: Der zu Befreiende wird mit Gewalt genötigt, »zum Licht« zu blicken.247 Althusius indessen zielt nicht auf die Idee des Guten. Nicht der einzelne widerstrebende Reichsbewohner ist in IX  7 gemeint, der ja als Herrschaftsunterworfener ohnehin dem Zwangsrecht des Staates (im Rahmen des Gewaltmonopols) unterliegt, vielmehr ist das Verhältnis der Souveränität auf Reichsebene zu den Ständen und Territorialherrschaften tangiert. Hier liegt für den politischen Denker ein Disziplinierungsrecht der Mitgliedermehrheit auf Einhaltung des Konsenses. Die Pflicht der Stände und Territorien zum bundesfreundlichen und -treuen Verhalten wird auch nicht durch die Anerkenntnis eines eigenen kommunalen und provinzialen Rechtsstatus aufgehoben. Es kann jedoch zu Konflikten aufgrund der propagierten Quod-omnes-tangit-Regel zwischen der consociatio universalis major und der consociatio particularis kommen, sofern Grundentscheidungen auf Reichsebene getroffen werden, die eine Provinz nicht nur als Teil des Gesamtstaates, sondern immer auch in ihren eigenen Rechten berühren (vgl. IX  35  ff.; XXVII  27, 30, 33, 43, 68; XXXII  66  f.; u. ö.). Mit diesem Druckmittel korrespondiert die „universale Jurisdiktion“ als der „bestimmenden Form und dem wesentlichen Gehalt der Souveränität“ (forma & 245  Janssen übersetzt „adiguntur“ zu stark mit „gezwungen werden“ (IX  7), Übertragung mit „gedrängt, veranlasst, vereidigt“ sind zu bevorzugen. 246  Baruzzi 1993, 202, 214. 247  Platon, Der Staat (1993), 515 a–d, 270  f.



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substantialis essentia majestatis, IX  15). Der hervorragenden Stellung gemäß steht die Jurisdiktion in sämtlichen politischen Gemeinschaften unter dem Vorbehalt des Reiches.248 Was Althusius in seinem Werk postuliert ist nichts Geringeres als das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Betonen heutige Völkerrechtler immer wieder, dass das Völkerrecht kein Recht der Völker, sondern ein Recht der  souveränen Staaten ist, und der politische Volksbegriff sich erst im 19. Jahrhundert herauszubilden begann, wird übersehen, dass nach der Lehre des deutschen Naturrechtsdenkers mit dem jus gentium eben das jus populi in corpus unum übereinstimmt.249 Ihnen bleibt diese Sichtweise versperrt, da sie unter dem historisierenden Einfluss der Völkerrechtstradition den Begriff des Volkes mit dem Begriff der Nation gleichsetzen. Bündnisse und Zusammenschlüsse »souveräner« Körperschaften erfolgen nach ausdrücklicher Aussage des Autors ausschließlich unter „Zustimmung des Körpers“ und unter entsprechender Bevollmächtigung des eingesetzten Herrschers (XVII  25). Die Politica spricht von der „Vereinigung mit einem anderen Volk“ (ebd. 26 a. E.) und stellt für die „teilweise und begrenzte“ Staatenkonföderation fest, „dass das Volk der einzelnen Bundesgenossen autonom bleibt, sich selbst bestimmt und seine eigene Jurisdiktion behält“ (XVII  41). Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist mithin nicht erst ein Kind des 20. Jahrhunderts, sondern bereits in der Politica zu Beginn der Neuzeit formuliert. 3. Die „Schwächen“ Bodins Althusius spricht im Vorwort zur ersten Auflage 1603 noch herausfordernd vom „Gerede“ Bodins zur Souveränität, obwohl er den Franzosen in nahezu allen Teilen der politica zur Stützung seiner eigenen Darstellung anführen wird.250 Im Vorwort der zweiten Auflage verzichtet er auf diese vereinfachende Provokation. Althusius zieht sich bezüglich der strittigen Frage auf eine Frontstellung gegenüber „den meisten Rechts- und Politiklehrern“ zurück. Dennoch schreibt er weiterhin gegen Bodins irreführende „Republik, die keine ist“ (Ottmann 2006, 217). In der Sache der Souveränität bleibt der Herborner Rechtsgelehrte weiterhin bei seiner Gegenposition und beklagt „die Fehler und Schwächen der Begriffsbestimmung Bodins“ (IX  24; XVIII  69; XXXVIII  130; u. ö.). Die These seiner Gegenspieler fasst 248  Anders Nitschke, der einen Koordinationsstaat erkennt, Zwangsmaßnahmen allerdings nicht richtig einschätzt, ders. 2002, 100. 249  Statt vieler zum Völkerrechtsbegriff: Kimminich / Hobe 2000, 111. 250  Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden des Begriffs der Souveränität bei Althusius und Bodin s. a. Scupin 1965, 1–26; ders. 1988, 301–311.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Althusius im neuen Vorwort dahingehend zusammen, dass diese die „Rechte der Souveränität … allein dem Herrscher und obersten Magistrat als diesem eigen“ zuschreiben, „und zwar so sehr, dass sie, wenn sie dem Volk oder Gemeinwesen zugewiesen und damit vereinigt würden, eben dadurch untergingen und nicht weiterbestünden.“251 Vertreter dieser Auffassung sind neben Bodin die französischen Juristen Tholosanus, Cujacius, Duarenus und Donellus. In den Kapiteln 9, 18–19, 24, 30 und 37–39 der neuen Auflage nimmt Althusius insbesondere eine Widerlegung der Thesen Bodins in Angriff, und stellt auf diese Weise dar, »was« Souveränität und »wie« sie richtigerweise beschaffen ist. Souveränität wird vom Gemeinwesen „begründet“ und steht diesem als Eigentum zu. Der Autor der Politica vertritt die Unteilbarkeit der Souveränität, wohingegen Bodin seiner Ansicht nach eine doppelte Souveränität propagiert, die des Staates und die des Herrschers (IX  23 a. E., 24). „Die Herrschaftsgewalt der in Gemeinschaft verbundenen Körper ist immer nur eine Einzige; es gibt also nicht mehrere solcher Gewalten, so wie nur eine einzige Seele in einem physischen Körper befiehlt und nicht mehrere befehlen können.“(IX  19)

Althusius behauptet eine ungeteilte Souveränität des Reiches, wobei der Herrscher im Rahmen der Regierung die vom Gemeinwesen „anvertrauten“ so genannten besonderen Souveränitätsrechte nur „ausübt“. Von der Annahme einer doppelten Souveränität ausgehend versucht er – sich die Position Bodins zu eigen machend – »systemimmanent« zu argumentieren, dass dem Volk das höhere Souveränitätsrecht deshalb zusteht, weil es schließlich den anderen Souveränitätsinhaber, d. h. den Herrscher einsetzt. Nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Vorrangs und der Oberhoheit des Übertragenden kann es demnach nicht zu einer Verdoppelung kommen. Der Autor der Politica geht davon aus, dass dieses Vorrangargument zwingend schlägt und die Vertreter der Bodin’schen Lehre anerkennen müssen, dass die doppelte Souveränität schließlich zugunsten des einzig übrigbleibenden Souveräns, nämlich des Volkes aufgelöst werden muss. Dabei verkennt Althusius, dass Bodin in der in Bezug genommenen Textpassage (Buch 1, Kapitel 8) nicht von einer doppelten Souveränität ausgeht, sondern von einer einzigen Herrschaftsgewalt. Aus dem Zustand, dass das „Volk … sich nämlich keineswegs der Souveränität [begibt], wenn es einen oder mehrere Stellvertreter mit absoluter Gewalt auf bestimmte Zeit beruft“, folgt nicht, dass eine Verdoppelung der Souveränität vorliegt.252 Vielmehr ist der Berufene dann nicht souverän. Bodin untersucht diese Frage genauer: „Wie bewerten wir nun aber jemanden, der vom Volk die absolute Gewalt auf Lebenszeit erhalten 251  Politica, 252  Bodin,

Vorwort 1614, 15. Sechs Bücher über den Staat I  8, [125] 207 (=  S.  20 rub).



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hat? Hier gilt es zu unterscheiden. Ist ihm die absolute Gewalt ohne Vorbehalte und Einschränkungen übergeben worden, so handelt es sich zweifellos um einen souveränen Monarchen. Denn das Volk hat sich seiner souveränen Gewalt entäußert, um ihn darin einzusetzen und damit zu bekleiden. […] Wenn aber das Volk die Staatsgewalt jemandem auf Lebenszeit als Amtsträger oder Stellvertreter überträgt oder lediglich, um sich von der Ausübung der Gewalt zu befreien, so ist er keineswegs souverän, sondern einfach Amtsträger, Stellvertreter, Regent, Gouverneur, Verwalter oder Nutznießer einer fremden Gewalt.“253 Althusius hat demnach zwar richtig erkannt, dass der französische Antagonist zwischen einer Souveränität des Volks und des Herrschenden unterscheidet, doch gibt die Textstelle keine Verdoppelung der Souveränität her. Neben der angeblichen Verdoppelung stößt die »Entäußerung«, die vollständige Übertragbarkeit des Souveränitätsrechts auf Kritik. Dies stellt zwar keinen »systemimmanenten« Widerspruch dar, doch ist aufgrund der Voreingenommenheit die Gegensätzlichkeit der Positionen präjudiziert. Althusius lässt sich wohl reizen von Sätzen wie diesen: „Gleichwohl ist der Tyrann souverän“. Danach gelangt ein Tyrann auch ohne Beteiligung des Volkes zu souveräner Macht (vgl. auch XXXVIII  130). Doch auch in diesem Fall besteht keine doppelte Souveränität: „Die früheren Besitzer sind enteignet (Hervorheb. P.  K.)“, gleich dem Räuber, der zwar gesetzeswidrigen, aber dennoch tatsächlichen Besitz an der Sache hat.254 An dieser Stelle böte sich ein weiterer Kritikpunkt für Althusius an, sei es das Verhältnis von Legalität und Souveränität in den Blickpunkt zu rücken, oder einfach nur der juristische Hinweis darauf, dass man aufgrund eines Raubes lediglich den Besitz, nicht jedoch das Eigentum an einer ­Sache verliert. Stattdessen verweist er auf spätere Ausführungen. Weiterhin wendet Althusius gegen Bodin ein, dass das Volk im Gegensatz zur Person des Herrschers unsterblich sei (IX  24; vgl. auch XVIII  103  f.); ein Einwand, den Althusius nicht vertieft, zumal Bodin diesen Einwand antizipiert und nur für die Wahlmonarchien, nicht dagegen für Erbmonarchien oder gar Aristokratien und Demokratien gelten lässt. Die Kontinuität der Souveränität, die in der Unsterblichkeit der Seele ihre metaphysische Entsprechung findet, ist bei beiden politischen Denkern unabhängig von Regierungsformen ausgeprägt. Althusius fügt noch hinzu, dass die „Macht und die Kräfte mehrerer … schließlich größer als die eines Einzigen“ sind (IX  24) und sich die Frage nach der (vermeintlich) doppelten Souveränität nach einer Art Arithmetik schon zugunsten des Volks entscheiden lasse. 253  Bodin,

Über den Staat I  8 [127], 21. ebd. Anders übers. v. B. Wimmer: „[d]er Räuber [verdrängt] die Vorgänger im Besitz“, Sechs Bücher über den Staat I  8, 209. 254  Bodin,

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Unabhängig von der Frage, wem Souveränität zufällt, ist Althusius mit Bodin der Ansicht, dass es sich nicht um „höchste Herrschaftsgewalt“ handelt. Der Souverän, bei Althusius das »Volk«, hat keinen weltlichen und kirchlichen Herrn über sich (vgl. XXXVIII  55 zur Suprematie). So referiert der Deutsche im Ergebnis zustimmend, dass Bodin „die von ihm so genannte höchste Gewalt von der Herrschaft des göttlichen und natürlichen Rechts nicht“ ausnimmt. Wiederum losgelöst von der Frage der »Eigentümerstellung« gilt es den Absolutheitsanspruch zu klären. Die im Raum stehende These fasst Althusius für den Leser wie folgt zusammen: „Unsere Frage ist nun, ob er (d. i. Bodin, P.  K.) auch die Befehls- und Strafbefugnis (imperium & fasces) desjenigen, von dem man sagt, er habe die höchste Gewalt, dem bürgerlichen Gesetz und Recht unterwirft. Das aber verneint Bodin, und sehr viele andere mit ihm. Danach ist die höchste Herrschaftsgewalt durch das bürgerliche Gesetz nicht begrenzt, sondern vielmehr von ihm gelöst.“ (IX  21) Zur Widerlegung macht sich Althusius zunächst die Gegenposition zu Eigen. Er argumentiert: wenn zuvor anerkannt ist, dass das göttliche und natürliche Recht auch für den souveränen Herrscher bindend gilt – wobei Althusius unterschlägt, dass Bodin als dritte, gleichsam bürgerliche Rechtsquelle auch das Völkerrecht dazu zählt  –, dann ist dieser niemals legibus solutus. Denn immer dann, wenn ein souveräner Herrscher ein bürgerliches Gesetz erlässt, muss es sich an gött­ lichem und natürlichem Recht ausrichten und messen lassen (vgl. auch XXIV  49). Insoweit ist auch der bodinsche Herrscher an seine billig und gerecht erlassenen Gesetze gebunden. Ein von natürlichem und göttlichem Recht völlig losgelöstes Gesetz kann der bodinsche Herrscher aufgrund der Gültigkeit der ersten Prämisse nicht erlassen. Des Weiteren wäre dies überhaupt kein Gesetz und kann demnach niemanden, also auch den Souverän nicht binden. Einen Ausnahmetatbestand erkennt Althusius – immer noch die Gegenposition einnehmend – entgegen der strengeren Ansicht von Bornitz (de majestate politca, 1610) für eine gewisse Konstellation an und signalisiert Entgegenkommen. „Soweit allerdings das bürgerliche Gesetz in einigem von der natürlichen Billigkeit abweicht … räume ich ein, dass derjenige, der die höchste Herrschaftsgewalt hat und als seinen Oberen nur Gott und die natürliche Billigkeit anerkennt, durch dieses Gesetz nicht ­gebunden wird, insbesondere hinsichtlich des Vollzugs einer Strafe gegen  sich selbst.“ (IX  21; s. a. XIX  58; XXIV  49; XXXVIII  66) Sodann kehrt Althusius wieder zur Vertretung seines eigenen Standpunktes zurück (IX  22  ff.). „Man nennt diese Herrschaftsgewalt nicht deshalb universal und herausragend sowie die Erste und Höchste, weil sie vom Gesetz gelöst oder absolut wäre, sondern nur hinsichtlich der ihr je untergeordneten, partikularen und speziellen Gewalt, die von ihr abhängt, aus ihr entsteht und hervorgeht, zu gegebener Zeit zu dieser zurückkehrt und gewissen Beschränkungen unterliegt.“ (IX  27)



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Für seine eigene Position, wonach das Gemeinwesen der Souverän ist, stellt sich nicht die Frage nach einer von den Gesetzen losgelösten Gewalt. Denn die Gesetzgebung ist als ein Ausfluss der Souveränitätsrechte eine „übertragene“ Angelegenheit der administratio. Als herrschaftsunterworfene Untertanen haben die Bürger den bürgerlichen Gesetzen Gehorsam zu leisten. Soweit der höchste Magistrat allerdings in Ausübung seines ihm anvertrauten Amtes ungerechte und unbillige Gesetze erlässt, muss entschieden werden, ob die Gesetze überhaupt verbindlich sind, und ob es sich nicht um eine tyrannische Herrschaftsausübung handelt. Der Herrschaftsgewalt stehen die Attribute universale, herausragende, erste und höchste dennoch deshalb vor, weil durch sie verdeutlicht wird, dass andere, untergeordnete, partikulare Gewalten ihre Legitimation von ihr ableiten (IX  27). Dies gilt für die „universalen Verwalter“ des höchsten Magistrats wie für die „speziellen Präsiden der Provinzen“ und weitere Organwalter (vgl. XXXII  47, 92, 93; VIII  53–55; XVIII  112; u. ö.). Althusius’ Auffassung monarchischer Herrschaftsgewalt als einer Regierungsform unter anderen, die er in Kapitel 39 von der Souveränitätsfrage getrennt behandelt und durchaus favorisiert, liegt wie in einer absolutistischen Theorie in der Übereinstimmung „mit der Natur und der rechten Vernunft“ (XXXIX  8). „Es entspricht aber der Vernunft und der Natur, die Verträge und Gesetze des Reichs, die der König beschworen hat, zu bewahren“ (ebd.). Die Regierung ist grundsätzlich von der Verbindlichkeit der allgemeinen Gesetze, den natürlichen und den bürgerlichen Gesetzen nicht entbunden (XXIV  49). Das Postulat wird zu den Prinzipien moderner Rechtsstaatlichkeit gehören.255 Das Zugeständnis, hinsichtlich des Vollzugs von Strafgesetzen den Magistrat zu entbinden, nimmt der Verfasser der Politica wiederum ein Stück weit zurück, danach die Fundamentalgesetze und der Herrschaftsvertrag jedenfalls zu befolgen sind (ebd.). Er setzte sich ansonsten in Widerspruch zur Begründung eines Widerstandsrechts gegenüber dem Gewaltherrscher. „Und insoweit ist der oberste Magistrat von den Strafgesetzen entbunden, da das Volk, obwohl es ihn eingesetzt hat, doch nicht über die Macht (potestas, P.  K.) verfügt, ihn zu verurteilen oder zu bestrafen, sondern allein die Optimaten“ (XXXVIII  66). Althusius beschließt in diesem Kapitel die Auseinandersetzung mit Bodin, um sie an späterer Stelle wieder aufzunehmen: „Hier unterlasse ich es, die Fehler und Schwächen der Begriffsbestimmung Bodins genau zu prüfen und auszubreiten.“ (IX  24) Er wird Bodin insbesondere die Verkennung des französischen Parlaments im Souveränitätsgefüge vorwerfen und hervorheben, dass der französische König in der Verfassungspraxis – entgegen der bodinschen Lehre – schon wegen der Hochgerichtsbarkeit des Parlaments 255  Zippelius

1999, 299 (für Althusius).

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keine absolute Gewalt innehat (XVIII  69, 80, 98; XVII  61; XVI  10; XXXVIII  73; u. ö.). Noch heute begegnet man der harschen Einschätzung einer „enervierend unklare[n] Lehre vom Verhältnis der absoluten Gewalt zur Ständeversammlung“ bei Bodin.256 Althusius wird im Zusammenhang mit dem Widerstandsrecht die Souveränitätslehre des französischen Staatsdenkers erneut auf- bzw. angreifen (XXXVIII  57, 60, 73, 124–130). Mit der zweiten Auflage wendet sich sein Blick dort allerdings auch gegen Beccaria und Arnisaeus sowie den in Oxford lehrenden Italiener Albericus Gentilis und insbesondere gegen das Werk des Schotten William Barclay De regno et regali potestate (1600), das in seiner Stoßrichtung gegen die »Bekämpfer der Alleinherrschaft« mit der Hauptschrift Bodins eng verbunden ist. Auf Barclays Thesen wird Althusius unterdessen schon bei der Behandlung des Herrschaftsvertrages kritisch eingehen (XVIII  92–106; XIX  51–69). 4. Geistliche und weltliche Souveränität Im Verlauf der Darlegung operiert Althusius mit wechselnden Bedeutungsgehalten des jus regni, was das Verständnis erschwert. Bisweilen werden Recht (jus) und Gewalt (potestas) synonym verwendet, Herrschaft erscheint als Sonderform von Macht. So wie das souveräne Recht am Gemeinwesen stets einzig bleibt, so ist die „Herrschaftsgewalt (potestas regni, P.  K.) … immer nur eine Einzige“ (IX  19). Dieses Postulat hindert Althusius nicht daran, zeitgleich von einem jus regni und mehreren majestas jura zu sprechen. Von diesen ist stets dann die Rede, wenn aus der Fülle der Herrschaftsgewalt (plenitudo potestatis IX  19) einzelne Herrschafts(teil)gewalten einzelnen Verwaltern zur Erfüllung einzelner Herrschaftsaufgaben überantwortet werden. Der inmitten stehenden Teilung der Macht liegt dabei nicht die strenge Scheidung von Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz zugrunde. Gleichwohl enthält sie bereits eine (organisatorisch näher ausgeführte) Garantie gegen den Missbrauch dieser größten Macht in Form der übertragenen staatlichen Gewalt auf horizontaler und vertikaler Ebene. Althusius markiert eine dreifache Beziehung: Jus regni tria respicit (Überschrift zu § 15). Leitgedanken des Lebens in der Gemeinschaft sind Autarkie, gute Gesetzlichkeit und gute Ordnung. Sie stellen Wertentscheidungen dar, die als objektiv gültiger Maßstab insbesondere staatliches Handeln bestimmen (Anwendungsbefehl für die Gemeinschaft allgemein: I  10; u. ö.; für den Staat insbes.: IX  15; XXIX  1; XXXVIII  131). Das jus regni vergegenwärtigt diese Ziele, es „lenkt die Handlungen der Einzelnen sowie sämtlicher Glieder und schreibt ihnen angemessene Aufgaben vor“ (IX  15). In ihm findet sich die Form und der wesentliche Gehalt als supremum ju256  Ottmann

2006, 221.



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risdictionis universalis jus beschrieben. Nachdem der Gesamtzustand politischer Einheit und sozialer Ordnung mitgeteilt und „die Macht, dieses Reichsrecht zu begründen“ dem Gemeinwesen selbst zugeschrieben ist, und bevor der Autor sich einzelnen Kompetenzen und Befugnissen der Herrschaftsausübenden widmet, leitet er dazwischen aus dem unverbrüchlichen jus regni eine Reihe von Rechtsnormen ab, nach denen sich die Bildung des gemeinschaftlichen (staatlichen) Willens und die Ausübung konsozietaler (staatlicher) Tätigkeit richtet. Nach der Begründung des Souveränitätsrechts folgen die Ausführungen zur »richtigen« Ausübung und Verteidigung desselben. Vorbehaltlich der konkreten Ausgestaltung der potestas regni spiegeln sich in der Souveränität zwei gleichwertige Seiten. Als jus majestatis ecclesiasticum ist es auf „das Heil der Seele“, als weltliches Souveränitätsrecht ist es auf „das Wohl des Leibes“ gerichtet. Die Vorlage für diese Doppelseitigkeit findet sich im geoffenbarten Rechtswillen Gottes in den beiden Tafeln des Dekalogs. Die erste Tafel ist „auf das Seelenheil und das ewige Leben“ gerichtet, der zweite Teil widmet sich der „Gerechtigkeit, die jedem das Seine zuerkennt“ (IX  31). Beide gemeinsam stellen sie „die Grundlagen einer guten Gemeinschaft“ dar. Beide Momente spiegeln zentrale Motive zur Vergesellschaftung der Symbioten wider. Althusius stützt diese Doppelseitigkeit des guten Gemeinwesens nicht nur auf die vorge­ gebene Ordnung durch die von allen Konfessionen gleichermaßen anerkannten mosaischen Gesetze. Mit Verweisen auf Platons Staat, Ciceros Über das Wesen der Götter und Laktanz’ Über den Zorn Gottes zitiert er weitere Autoritäten, die ihm zufolge ebenso die dichotomische Lebensordnung von Frömmigkeit und Gerechtigkeit für das gute Gemeinwesen lehren. Richtet sich der Dekalog an die Gemeinschaft des Volkes Israel (»Du, Volk Israel  …«) und seine Stämme oder spricht Gott darin nicht zugleich den Einzelnen an (»Du, Moses, sollst …«)? Die althusische Analogie zum ge­ offenbarten Rechtswillen reicht zumindest soweit wie das »Volk«, d. h. die Glieder des Reichs, Adressaten seiner Souveränitätslehre sind. Wenn Althusius gegen Ende des 9. Kapitels die doppelseitige Souveränität der universalen consociatio zuordnet, ist von der Verfassung des populus in corpus unum als Gesamtzustand politischer Einheit und Ordnung auszugehen. Sofern das Souveränitätsrecht dagegen ihre „Verwaltung“ (administratio) bezeichnet, berührt es die Verfassung des Gemeinwesens als konkrete Art der Über- und Unterordnung (IX  29  ff.; XVIII  u. XXXII). Soweit nach der »Begründung« nunmehr die »Ausübung« der Souveränität ins Blickfeld rückt, wird die consociatio universalis major inhaltlich nochmals als eine weltliche oder als eine kirchliche communio unterschieden. Als kirchliche oder geistliche Gemeinschaft ist die consociatio ganz auf das fromme Leben ausgerichtet, als weltliche ganz auf das gerechte Leben. Beide Ziele fordern die gesamte symbiotische Gemeinschaft, beiden

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Zielen steht dazu eine entsprechende administratio zu (Kap. 28, Kap. 29– 36). Dieser Teilung gemäß wird das Souveränitätsrecht entfächert, neben einem kirchlichen Souveränitätsrecht kursiert ein weltliches. Es stellt das „gemeinsame Recht der universalen Gemeinschaft“ dar (XVIII  vor 1). Ein Wechsel in der Bedeutung ist daran erkennbar, dass bei Fehlen des inmitten stehenden Souveränitätsrechts nicht die „Seele“, d. h. die Existenz der ganzen consociatio erlischt, sondern allenfalls »außer Fassung gerät«. Einzelne kirchliche und weltliche Souveränitätsrechte sind nicht unabdingbare Vo­ raussetzungen für den Bestand des Staates, sondern Sollensnormen. Beiden Gemeinschaften wird die unteilbare Souveränität zuteil: der communio ecclesiastica als kirchliches Recht der Souveränität (jus majestatis ecclesiasticum IX  33), der communio secularis als weltliches Souveränitätsrecht ( jus majestatis seculare, X  1). Als kirchliche Gemeinschaft stellt sich die universale consociatio immer dann dar, wenn auf das – den Aufgaben nachbenannte – kirchliche Souveränitätsrecht zur Aufnahme und Erhaltung der „wahren Religion“, zur Einrichtung von Bildungsstätten, zur sittlichen Erziehung und Bildung sowie zur öffentlichen Ausübung des Gottesdienstes in der symbiotischen Gemeinschaft zurückgegriffen wird. Ungleich umfassender fällt die Differenzierung dessen aus, was unter das weltliche Souveränitätsrecht subsumiert wird. Althusius begnügt sich nicht mit einer negativen Bestimmung, danach alles, was im Gemeinwesen nicht unter das kirchliche Souveränitätsrecht fällt, dem weltlichen Herrschaftsrecht zugeschlagen wird. Es ist allerdings nicht frei von einer religiösen Bindung, da es „die Voraussetzungen für ein gerechtes Leben gemäß der zweiten Tafel des Dekalogs zu schaffen“ hat (X  1). Er behandelt stattdessen in den Kapiteln 10 bis 17 das so genannte allgemeine (generale) und besondere (speciale) Souveränitätsrecht. Beiden Ausformungen gemein ist, dass sie die Bedingungen schaffen und aufrechterhalten, unter denen die gerechte Lebensführung und der Erhalt der politischen Gemeinschaft gelingt. In seiner allgemeinen Ausprägung beinhaltet es die Herrschaft des Gesetzes und erfüllt die Funktion, die im ersten Kapitel bereits für die Gemeinschaft des Rechts festgestellt wurde (I  10 i. V. m. 19  ff.; XXIX). Damit ist die Form der Souveränität in Recht und Gesetz gefunden. „Jede Herrschaftsgewalt ist durch feste Schranken und Gesetze begrenzt und niemals absolut, unbeschränkt, zügellos, willkürlich oder gesetzlos, sondern an die Gesetze, an Recht und Gerechtigkeit (aequitas, P.  K.) gebunden.“ (XVIII  106). „Dieses Gesetz und Recht aber ist den Einzelnen wie sämt­ lichen Gliedern des Reichs als Regel für das, was man zu tun und zu lassen hat um einer gerechten Lebensführung und der Erhaltung der universalen Gemeinschaft willen vorgeschrieben.“ (X  4) Damit ist eine weitere Grund­ entscheidung gefällt, ohne dass allerdings die Herrschaft des Gesetzes als eine schlussfolgernde Konsequenz aus der Volkssouveränität dargestellt



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wird. Gleichwohl wird sie durch die Bezeichnung als „allgemeines Souveränitätsrecht“ in ein Bedingungsverhältnis gerückt. Gesetz versteht sich demnach als der „öffentliche Befehl des Volkes“ (X  4). Zur Frage nach der Herrschaftsform des Gesetzes zieht sich Althusius auf den Verweis einschlägiger Stellen in Platons Werk Gesetze („lib. 3“), Aristoteles’ Politik („lib. 4, c. 4“) sowie auf Ciceros Gesetze und Vom Redner zurück. Eine Gesellschaft (societas) könne ohne die Herrschaft der Gesetze nicht sicher und dauerhaft bestehen (X  8). Alles Handeln, privates und staatliches, ist gesetzlich und rechtlich gebunden. Was Gott in der Welt ist, ist das Gesetz in der Bürgergemeinde (X  8). Am allgemeinen Souveränitätsrecht müssen sich die einzelnen Tätigkeiten ausrichten und messen lassen. Die Folgeentscheidung der allgemeinen Gesetzesbindung bannt für jegliches politische Leben in der consociatio absolutistische Herrschaftsformen und -tendenzen. Als „Hüterin der Freiheit“, „Hilfe der Schwachen, Zügel der Mächtigen sowie Richtschnur und Lenkerin des Reichs“ will Althusius das Gesetz verstanden wissen. Im objektiven, nicht im subjektiven Verständnis des „öffentlichen Befehls des Volkes“ zeigt sich, dass zuallererst das göttliche Gesetz des zweiten Teils des Dekalogs das Grundtableau weltlicher Gesetzesherrschaft bildet. Die von Althusius so genannten „politischen“ Gebote fünf bis zehn teilen den »Befehl an das Volk« mit, ununterschieden, ob Herrscher oder Untertanen. Als »öffentlicher« Befehl richten sie sich vom Subjekt des Volkes als Souverän an die Herrschaftsausübenden, diametral entgegen dem Hobbes’schen Gesetzesverständnis (Leviathan Kap. 26, 203). Mithin übt das Volk durch das Gesetz beständig seine Souveränität aus. Hierin liegen Ursprünge der demokratischen Rechtsstaatlichkeit. Über den bloß formellen Gehalt (Verkündung und Ausführung) hinaus hat das allgemeine Souveränitätsrecht einen materiellen Kern in der zweiten Tafel des Dekalogs. In den in der Normenhierarchie nachgeordneten bürgerlichen Gesetzen wird anschließend dieses „moralische Gesetz des Dekalogs ausgelegt und den ganz verschiedenen Gegebenheiten von Ort, Zeit, Sache und Person entsprechend dem Gemeinwesen angepasst“ (X  8, 9; XI  2). Aufgrund der gemeinsamen Quelle bleibt bei aller Differenzierung die Einheit der Rechtsordnung gewährleistet. Zeigt sich die Gesetzesbindung als allgemeiner Ausfluss der Volkssouveränität, weist das so genannte besondere Souveränitätsrecht (jus majestatis specialis) darüber hinaus materielle Vorgaben für einzelne konkrete Politikbereiche auf. Es vergegenwärtigt den normativen Bestandteil der einzurichtenden Rechtsordnung.257 Das besondere Souveränitätsrecht beinhaltet einerseits fünf näher bezeichnete Funktionsbereiche staatlicher Aktivität und Gesetzgebungstätigkeit, die der „Einrichtung und Pflege“ ei257  Für Friedrich ist das Allgemeine Recht der Souveränität die Verfassungs­ gesetzgebung, das Spezielle Souveränitätsrecht die einfache Gesetzgebung, ders. 1975, 90.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

ner sozialen und gerechten politischen Ordnung dienen sowie anderseits zwei weitere, den „Schutz und Verteidigung“ der Souveränität bezweckende Aufgabenfelder (XVI). Durch die Vorgaben der besonderen Souveränitätsrechte wird der politische Wille relativ. Die Unterteilung richtet sich aus an der überkommenen Sozialordnung des wirtschaftenden (Nährstand) und kriegerischen Standes (Wehrstand) (XI  3; XVI  1 a. E., VIII  41; 45  f.). Unter dem Gesetzesvorbehalt des allgemeinen Souveränitätsrechts vergegenständlicht sich die »höchste Gewalt« hinsichtlich der zivilen Einrichtungen als besonderes Reichsrecht in folgenden Kernbereichen staatlicher Tätigkeit: – Handels- und Wirtschaftsrecht (XI  5–12; XXXII  1–30 – Münz- und Maßeinheitenrecht (IX  13–15; XXXVII  17) – Einheitliche Sprache (XI  16; XXXII  32–34) – Dienstrecht (XI  17–22; XIV; XXXII  35–61) – Abgaben- und Steuerrecht (IX  23  ff.; XII-XIII; XXXII  78) und Recht der Privilegien und Regalien (XV; XXXII  82–84) Sämtliche Bereiche sind bereits auf kommunaler und provinzialer Ebene Gegenstand der Betrachtung gewesen. Teils werden sie nun näher beleuchtet und in eine Rangfolge gebracht, teils bleibt aber ihr Verhältnis offen. Zusammen gelten diese institutionalisierten Normenbereiche als Mittel (media), „die der Sorge für ein angemessenes gesellschaftliches Leben oder der Abwehr und Vermeidung von Unannehmlichkeiten dienen“ (XXXII  vor 1; vgl. auch XI  1, 4). Hier werden dem staatlichen Gemeinwesen Gesetzgebungskompetenzen eröffnet, deren alleinige Wahrnehmung durch den Staat als notwendig und nützlich und als einzig legitim erkannt werden. Das Gewaltmonopol gewinnt inhaltlich an Gestalt. „All dies kann ohne feste gesetzliche Regelung nicht ohne Streit und Zweitracht oder Betrug und Täuschung bewerkstelligt und durchgeführt werden, solange ein Versehen leicht möglich ist und es keine sichere Festlegung darüber gibt“ (XXIX  11). Es versteht sich, dass dem Staat (lediglich) ein Gewaltumsetzungsmonopol zustehen soll, welches den konfligierenden Interessen der pluralistischen Konsoziationen entgegenwirkt und diese eint. Als höherrangige Normen entfalten sie unmittelbare Wirkung auf der Stufe der Provinzen (XV  14; XIII  5, 15; XIV  2; XII  2, 17; VI  14; u. ö.), treten bisweilen neben das Provinzrecht (vgl. XIII  5; VII  12, 58–64) und werden mitunter als mittelbare Staatsverwaltung von den Provinzmagistraten ausgeübt (z. B. Reichssteuerrecht XII  2; vgl. auch XXXII  92–94). Es sind in diesem Abschnitt des Werks deutlich staats- bzw.- kaisertumsfreundliche Züge ausgeprägt.258 Die 258  Anders dagegen Antholz, der bei Althusius eine „eindeutige westlich-euro­ päische, vom Reich abgekehrte politische Grundeinstellung“ ausmacht, ders. 1954,



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eingehendere Ausgestaltung der einzelnen Institute und Institutionen sowie die Ausstattung des Gemeinwesens mit sächlichen und personellen Mitteln erfolgt prinzipiell in angemessener und verhältnismäßiger Weise (XI  2). Insbesondere im Hinblick auf die Auferlegung und Verteilung der Pflichten ist dabei die Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu berücksichtigen (XI  19, u. ö.). An dieser Stelle der Politica wird über den formellen Rechtsstaat hinaus der materielle und soziale Rechtsstaat deutlich erkennbar (XI  27, 35–39; XV  7; u. ö.). Die unter dem Aspekt des »gerechten« Lebens stehende weltlich-politische Gemeinschaft verwirklicht sich vornehmlich in der Gewährleistung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die nach zwei Seiten wirken. Zum einen als legitimer Anspruch des Staates auf Konzentrierung größter Macht zur effektiven Durchsetzung seines Gewaltmonopols. Ihm steht die Befugnis zu, die benannten Kernbereiche konsoziationenübergreifend zu ordnen und zu regeln. Die Provinzen, denen entsprechende Funk­ tionsbereiche zugeordnet sind (VII  12; 57–64), sind über den Vorbehalt und Vorrang des Jurisdiktionsrechts an die staatlichen Regelungen gebunden.259 Auch wenn die besonderen Souveränitätsrechte den jeweiligen Gegebenheiten von Ort, Zeit und Personen angepasst werden (XI  2), bleibt ihr Charakter als einheitliches Reichsrecht bestehen. Die Anpassung bedeutet demnach, dass Staaten unterschiedliche Rechtsordnungen haben können, zugleich, dass den Teilgemeinschaften innerhalb der Staaten (Provinzen, Kommunen) wegen der Anpassung und trotz ihrer organisatorischen Selbständigkeit kein Anspruch auf ein autonomes besonderes Souveränitätsrecht zukommt. Es gilt ein Homogenitätsprinzip. Diese Teilgemeinschaften haben insoweit (nur) einen abgeleiteten Anteil an den besonderen Souveränitätsrechten des Staats. Unbeschadet der reichsrechtlichen Regelungsbereiche sind in den Kommunen (aus ihrem eigenen Recht) die Gemeinsamkeiten der Sprache, des örtlichen Gerichtsbrauchs, derselben Münzen, Maße und Gewichte wirksam (VI  40, 43; vgl. XXIX  11). Die Geltungsanordnung der in den Provinzen parallel wirksamen Pflichten und Rechte bestimmt sich ausdrücklich „aufgrund gemeinsamer Übereinkunft“ (VII  12). Über das „gemeinsame Band des Reichs“ sind Städte und Provinzen zudem an die reichsrechtlichen Regelungen „durch eine Art Gleichheit des Rechts“ gebunden (VI  14; VIII  50; IX  1, 5, 7  ff., 11). Mangels einschlägiger Ausführungen in der Provinzlehre (VIII  61) werden etwa die allgemeinen Grundsätze der Steuerund Abgabenerhebung auch in den Provinzen anwendbar sein, zumal Althusius den Provinzmagistrat als steuererhebende Behörde in seine Darstellung über die Reichssteuer einbezieht (arg. e. c. XIII  4 und 5). 189. Richtig ist, dass Althusius den habsburgischen Kaiser in seiner Politik gegenüber der Schweiz als Tyrannen bezeichnet, XXXVIII  45, 52. 259  s. VIII  53–55; für Kollegien IV  16; für Städte VI  48; vgl. für die kirchliche Verwaltung XXXII  27, 30, 33, u. ö.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Dem Regelungsrecht auf staatlicher Ebene korrespondiert auf der anderen Seite die Pflicht zur Gewährleistung der besonderen Souveränitätsrechte als Teilhabe- oder Leistungsrechte an den Institutionen und Gütern des Staates. Eine herausgehobene Bedeutung innerhalb der Funktionsbereiche nimmt der „öffentliche Handel“ ein. „Ohne Handelsverkehr können wir in diesem gesellschaftlichem Leben nicht angemessen auskommen“ (XI 7). Aufgrund der wesentlichen Bedeutung für das symbiotische Leben ist es daher erforderlich und gerechtfertigt, dass der Handelsverkehr, weiter noch: die Ordnung der Wirtschaft dem besonderen Hoheitsrecht des Gemeinwesens unterworfen ist. „Der universalen Gemeinschaft kommt daher an erster Stelle die Verantwortung und das Recht zu, die öffentlichen Warengeschäfte, Kontrakte und den Handel zu Wasser wie zu Lande zu ordnen. Die Praxis und freie Ausübung dieser Tätigkeiten hängt im Gebiet des Reichs von dessen Verordnung, Genehmigung und den geltenden Gesetzen ab.“ (XI  5)

Zwischen Begründung und Ausübung des jus regni fügt Althusius in die Souveränitätslehre mit den Kapiteln 16 und 17 das „besondere Souveränitätsrecht“ als Inbegriff von Normen zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Kapitel 16 widmet sich dem Schutz und der Verteidigung des Gemeinschaftskörpers, das anschließende Kapitel der Sorge um die gemeinschaftlichen Güter. Soweit es um den Schutz und die Verteidigung des Gemeinwesens als ganzem oder eines Gliedes geht, richtet sich das besondere Souveränitätsrecht an den „Wehrstand“ (XVI  1). In einem erweiterten Sinne ist das Widerstandskapitel 38 zu diesem besonderen Souveränitätsrecht hinzuzurechnen. Unter Verteidigung ist der Schutz vor Gewalt und Unrecht, Hilfe bei Hungersnöten, Pestepidemien und anderen (natürlichen) Unglücksfällen (XVI  5–11), weiterhin die Aufrechterhaltung der öffent­ lichen Sicherheit und Ordnung (XVI  12–15) sowie das Wehr- und Kriegsrecht (XVI  16–18; XXXI  73; ausführlich in Kap. 34–36) zu verstehen. Voraussetzung für Maßnahmen aufgrund dieses Souveränitätsrechts ist die Notlage und Hilfebedürftigkeit der Gemeinschaft als ganzes oder auch nur eines Gliedes. Im Gegensatz zu den vorherigen Funktionsbereichen sind die Bestimmungen vergleichsweise ungenau und sehr weit gefasst: Beeinträchtigungen, Gefahren, Übel und Schaden jeglicher Art sind durch repressive Beistandschaft abzuwenden (XVII  1, 3). Im Vorfeld sind bereits „alle der universalen Gemeinschaft entgegenstehenden Schwierigkeiten und Hemmnisse fern zu halten und zu beseitigen“. Wenn auch als besonderes Souveränitätsrecht ausformuliert, können die präventiven und repressiven Maßnahmen und Einrichtungen als eine Pflicht des Staates betrachtet werden. Insbesondere die Einrichtung eines funktionstüchtigen Appellationsgerichtes (XVI  8–11) sowie einer Polizei (salvegarde), die der Sicherheit und dem Schutz des einzelnen Menschen dient (XVI  14; XXXVII  101), erscheint hier als pflichtgemäße Staatsaufgabe. Die Entscheidung darüber, ob ein Not-



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und Unglücksfall vorliegt und ob Maßnahmen ergriffen werden, liegt selbstverständlich beim Staat. Es unterstreicht somit seine starke Stellung in der Allgemeinen Staatslehre der Politica gegenüber den Gliedern des Reichs, d. h. den Provinzen und Reichsstädten. Besonders in den Territorien wird daher die Politica auf Vorbehalte gestoßen sein, sieht sie doch gegebenenfalls zu ihren Lasten ein weitreichendes Eingriffsrecht zur Durchsetzung staatspolitischer Interessen vor. Das Kriegsrecht nimmt im Vergleich zum wenige Jahre später erschienenen Werk des Hugo Grotius De jure belli ac pacis (1625) eine untergeordnetere Stellung ein. Auch für Althusius fällt der Krieg unter das Recht.260 Der gerechte Krieg kann nur Ultima ratio der Politik nach Ausschöpfung aller anderen Mittel sein. Althusius setzt auf Bündnisse und Verträge »zwischen den Völkern«. Konsequent tritt der Autor für ein »kriegsähnliches Notstandsrecht« für den Fall ein, in dem „ein Herrscher, ein anderer Herr oder eine Stadt“ einen (höchstrichterlichen) Urteilsspruch missachtet (XVI  17 sechster Grund). Dieses Zwangsrecht unterstreicht die »gewaltenteilige« Stellung einer allein Recht und Gesetz verpflichteten (höchsten) Jurisdiktion und ist Ausfluss der Souveränität des vereinten Volkes gegenüber seiner Obrigkeit. Setzt man den Unterfall des Rechts auf Krieg gegen einen rechtsbrecherischen obersten Magistrat (Sechster Grund 1. Alternative bzw. siebenter Grund) mit dem Widerstandsrecht aus Kapitel 38 in eins, dann bedeutet das für die Begründung des Rechts auf Widerstand, dass das besondere Souveränitätsrecht als eine Rechtsquelle dient. Demnach ist das Kriegsrecht anwendbar. Die Souveränitätslehre kommt auch zugunsten eines im Krieg „besiegten, unterjochten und einem anderen Reich einverleibten“ Volkes zum Tragen. Ist der Krieg formal beendet, geht das betreffende Volk seines Rechts gegen Gewaltherrschaft nicht verlustig (XVIII  124; XIX  32). Fraglich ist indessen die Subsumierung eines »Kriegsrechts« des Herrschers gegen sein eigenes Volk im Falle der beharrlichen Verweigerung des Gehorsams als Fallgestaltung des besonderen Souveränitätsrechts (XVI  17 fünfter Grund). Der Bürgerkrieg ist zu jeder Zeit durch einen „vertraglichen Ausgleich“ zu beenden (XXXI  70 a. E., 71  ff.) Das originär dem Volk zukommende Recht der Souveränität richtet sich demnach gegen seinen Urheber selbst. Gerechtfertigt ist ein solches Notstandsrecht über die Verletzung des Folgeleistungsversprechens der Untertanen, mithin mit ihrer eigenen Zustimmung (XX  19). Zusammengefasst handelt es sich bei der kirchlichen und weltlichen Souveränität, bei allgemeinem und besonderem Souveränitätsrecht nicht um mehrere, nebeneinander stehende Souveränitäten – Althusius besteht aus260  Zu den Unterschieden im Rechtsdenken zwischen Grotius und Althusius vgl. van Eikema Hommes 1986, 56  ff.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

drücklich auf deren Unteilbarkeit261 –, sondern vielmehr um unterschiedlich ausgeprägte Kompetenzen. Kennzeichen sind allgemeine Gesetzgebung, Steuererhebung, Privilegienvergabe, Exemtion (d. i. Freistellung), Bestellung der wichtigsten »Staatsdiener«, höchstrichterlicher Urteilsspruch, Entscheidung über Krieg und Frieden. Die Ausübung einzelner Souveränitätsrechte wird besonders bestellten „Repräsentanten“ übertragen. Die Darlegung des „allgemeinen und besonderen Souveränitätsrechts“ stellt eine Verfassungsrechtslehre dar. Die diesem Verfassungsrechtsverständnis entsprechende Verwaltung wird in den anschließenden Kapiteln näher ausgeführt. Weltliche besondere Souveränitätsrechte 1.

Die Lebensweise betreffend: XI  3, 4; XXIX  3; XXXII  vor 1 (Verwaltung)

XI

Handel

XII

Öffentliche Aufgaben: Ordentliche Steuern

XIII

Öffentliche Aufgaben: Außerordentliche Steuern

XIV

Öffentliche Aufgaben: Dienstrecht

XV

Privilegien und Regalien

2.

Den Schutz und die Verteidigung betreffend: XVI  vor 1; XXIX  3

XVI

Rat

Münzen und Maße

Sprache

Öffentliche Privilegien und Regalien Aufgaben: Persönliche und sachliche Dienste

Hilfe: Verteidigung und Sorge

Verteidigung: Hilfe und Gefahrenabwehr, Appellation

Verteidigung: Innere Sicherheit und Ordnung, Handelsverkehr, Infrastruktur, Polizei

XVII Rat = concilia oecumenica

Verteidigung: Kriegsrecht

Sorge: Erhalt und Vermehrung der Gemeinschaftsgüter Erhalt: Öffentliche Güter, Monopol

261  Siehe

bspw. IX  19; 24; XVIII  15; XXXIX  36, u. ö.

Vermehrung: Bündnisrecht



§ 5 Die Lehre von der Souveränität

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Im normativen Gehalt dieser Politikfelder zeigt sich, dass Althusius bei der Darlegung der majestas jura einen Bestand an Normen im Sinn hat, der unabhängig vom Zustand sozialer Wirklichkeit besteht. Er wechselt von einer seinsmäßig vorhandenen Ordnung zu Normen, denen gemäß etwas gesetzmäßig und richtig funktioniert.262 Die anfängliche Souveränität (jus regni / majestas regni) gab als eine Ordnung, ein Ziel, „eine Seele“ etwas Seiendes an. Die inmitten stehende allgemeine und besondere Souveränität (majestas jura) stellt dagegen etwas Normatives, richtigerweise Gesolltes dar. „Dieses weltliche Souveränitätsrecht ist entweder ein allgemeines oder ein besonderes“ (X  1 a. E.: Hoc jus majestatis est generale, vel speciale, Hervorheb. P.  K.). Dies bedeutet, dass Althusius vom Zustand der Souveränität, d. h. die wesensmäßige Macht des Volkes, das jus regni zu begründen (IX  16), nunmehr auf einen Souveränitätsbegriff schließt, nach dem „die Voraussetzungen für ein gerechtes Leben … zu schaffen sind“ (X  1). Das „allgemeine Souveränitätsrecht“ beschreibt er wie folgt: „Dieses Gesetz und Recht aber ist … als Regel für das, was man zu tun und zu lassen hat um einer gerechten Lebensführung und der Erhaltung der universalen Gemeinschaft willen vorgeschrieben“ (X  4). Für das „besondere Souveränitätsrecht“ gilt: „Dieses besondere Recht muss gerecht, gut, nützlich … sein“ (XI  2). Althusius führt deshalb eine zweite Definitionsebene ein: „Die universale weltliche und politische Gemeinschaft des Reichs ist auf die Teilhabe an den für ein gerechtes Gemeinschaftsleben ihrer Glieder geeigneten und notwendigen Mitteln gerichtet … Daraus ergibt sich das weltliche Recht der Souveränität (unde jus majestatis seculare, Hervorheb. P.  K.)“ (X  1).

Die Rechtsordnung dieses jus majestatis secularis ist nicht ableitbar aus dem seinsmäßigen Zustand der ersten Souveränitätsdefinition. Althusius suggeriert unterdessen die Rückführbarkeit. Er beginnt damit, die Souveränität zu unterteilen: „Dieses Reichsrecht (jus regni, P.  K.) hat zwei Seiten (IX  27 a. E.)“. Dem entspricht ein „kirchliches Recht der Souveränität“ (jus majestatis ecclesiasticum vel hieraticum, IX  33) einerseits, andererseits ein weltliches Souveränitätsrecht (X  vor 1, 1). „Dieses weltliche Souveränitätsrecht ist entweder ein allgemeines oder ein besonderes“ (X  2; u. ö.). Es wird nunmehr von der Aufgabe des Staates (negotium regis, X  1) auf das Recht des Staates (jus majestatis) geschlossen. Damit wechselt zugleich die Per­ spektive. Innerhalb der (einheitlich erscheinenden) Rechtsordnung wird der Bestandteil des Rechts gegenüber der Ordnung verstärkt betont. Die Norm, die hinter den Normen steht, und auf die alles rückführbar sein muss, ist benannt: sie liegt im Dekalog (X  1). Der Dekalog bleibt im Begründungszusammenhang der ersten Bestimmung der Souveränität allerdings unberücksichtigt. Der Wechsel in der Bedeutung ist daran erkennbar, dass bei 262  Vgl.

Schmitt 2003, 3  ff.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Fehlen des inmitten stehenden Souveränitätsrechts nicht die „Seele“, die Existenz der ganzen consociatio erlischt (vgl. IX  17). 5. Fundamentalgesetze des Reichs Althusius arbeitet mit einem weiteren staats- und verfassungsrechtlichen Begriff: den leges fundamentales. Die Fundamentalgesetze des Reiches begegnen im Zusammenhang mit der Bündnisfähigkeit der universalen Gemeinschaft (XVII  27, 56). Dort wird ausgesagt, dass bei einer vollständigen Konföderation des Gemeinwesens mit einem anderen Staat oder einer Provinz die „leges fundamentales regni“ und die „jura majestatis“ einander mitgeteilt werden (XVII  27). Bis dahin hat Althusius jedoch den Begriff der Fundamentalgesetze noch nicht eingeführt, unterdessen die Lehre von der Souveränität ohne Rückgriff auf den Terminus entwickelt. Ist das Fundamentalgesetz (lex fundamentalis) bzw. die Fundamentalgesetze (leges fundamentales) identisch mit der Souveränität (jus regni) oder den Souveränitätsrechten (jura majestatis)? Die Überschrift des Kapitel 9 De jure majestatis ecclesiastico lautete als Kapitel 6 in der Ausgabe von 1603 noch De legibus fundamentalibus regni & jure majestatis ecclesiastico. Dies legt es nahe, die Fundamentalgesetze in Entsprechung zum kirchlichen Souveränitätsrecht durch das jus majestatis secularis zu ersetzen. Dies hieße, die fundamentalen Gesetze des Reichs vereinen ausschließlich den Anwendungsbereich der weltlichen Souveränitätsrechte (jura majestatis) auf sich. Das widerspräche jedoch schon dem Wortsinn. Liegt sodann eine Übereinstimmung zwischen der lex fundamentalis und dem jus regni vor? „Unter diesem Gesetz (d. i. lex fundamentalis, P.  K.) ist die universale Gemeinschaft im Reich eingerichtet. Auf ihm ruht sie wie auf einem Fundament und wird durch die gemeinsame Zustimmung und Billigung der Glieder des Reichs aufrechterhalten. Durch dieses Gesetz, das auch Grundpfeiler des Reichs genannt wird, sind alle Glieder des Reichs unter einem Haupt vereint und zu einem Körper verbunden“ (XIX  49). Das Fundamentalgesetz darf jedoch nicht mit der verfassunggebenden Gewalt (jus regni) verwechselt werden. Sie sind formell und materiell voneinander zu unterscheidende Rechtskreise (vgl. XVII  56). Die politische Einheit entsteht nicht erst durch das Fundamentalgesetz, es setzt sie voraus.263 Gleichwohl wird die politische Einheit in die Begriffsbestimmung mit aufgenommen, da sie gegenüber der überkommenen Gewährung von Privilegien und »alter Rechte« (XXXVII  64, 77), den Beschränkungen der Macht, die kontinuierliche Überwindung des mittelalterlichen Ständestaats deutlich machen soll. Die alteingesessenen Abma263  Für Wyduckel liegt die föderale Struktur des Gemeinwesens in den Fundamentalgesetzen verankert, ders. 2003, XXIV, XXVIII.



§ 5 Die Lehre von der Souveränität

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chungen zwischen den Repräsentanten in den Fundamentalgesetzen werden durch Althusius daher in geltungstheoretischer Hinsicht erneuert. Der Ständestaat wird überwunden; die Stände nehmen im Staat eine neue gesellschaftspolitische Funktion wahr. „Das Fundamentalgesetz (lex fundamentalis) stellt nichts anderes dar als bestimmte Verträge, unter denen mehrere Städte und Provinzen zusammen- und übereingekommen sind, ein und dasselbe Gemeinwesen zu bilden und dieses gemeinsam mit Tat, Rat und Hilfe zu verteidigen.“ (XIX  49)

Es ist ein positivierter Normenbestand, der in seiner konkreten Ausgestaltung mit der Souveränität des Volkes in Einklang steht und diese gewährleisten soll. Im Vergleich zu den allgemeinen und besonderen Souveränitätsrechten handelt es sich bei den Fundamentalgesetzen jedenfalls um positivierte Verfassungsgesetze. Darunter verstehen sich also die Bedingungen und Verträge eines Gemeinwesens, das aus mehreren Einzelteilen besteht. Sie bilden das Grundgesetz eines konkreten Staates (vgl. XIX  39  ff.). Schließlich macht der Autor einen Unterschied zwischen den Fundamentalgesetzen und der eigentlichen Souveränität deutlich. Danach kann ein Gemeinwesen „auch ohne solche Gesetze begründet werden und Bestand haben“, wohingegen kein Gemeinwesen ohne das Recht der Souveränität „eingerichtet oder nach seiner Errichtung erhalten“ werden kann (XIX  49). Der politische Denker erkennt die Rechtsgültigkeit eines actus contrarius an, danach die Fundamentalgesetze, d. h. die Bedingungen und Verträge über die Einung, „aufgrund gemeinsamer Übereinkunft aufgegeben werden können“ (XIX  49).264 Die Fundamentalgesetze werden relevant bei Übertragung und Ausübung der Herrschaft (XIX  49–55, 39  ff.; XVIII  124; XXIV  49; XXIX  9). Althusius erhebt sie im Unterschied zu rangniedrigeren Normen zum unverletz­ lichen Bestand der anvertrauten höchsten Gewalt. Eine Aussetzung der Strafverfolgung bleibt bei Verletzung der Fundamentalgesetze durch den obersten Magistrat jedenfalls außer Betracht (XIX  49; vgl. auch XXXVIII 6). Sofern die Bestimmungen unmittelbare Rechtswirkungen für ihn entfalten, sind die Fundamentalgesetze der Ort, an dem ein »Herrschaftsvertrag« geschriebene Verfassung wird. Sie regeln die Beziehungen des souveränen Volkes zur Regierung. Gleichwohl bleiben sie relative Bestimmungen im Vergleich zum souveränen Willen des Volks. Die geltungstheoretische Erneuerung, die sich in der politische Einheit vorab zeigt, stellt der Autor taktisch in den historischen Kontext deutscher Verfassungspraxis (XIX  39). Die Fundamentalgesetze sind wesentlicher Bestandteil jenes Konstitutiona264  Dies übersieht Wyduckel, der vom Zusammenbruch des Gemeinwesens bei der Beseitigung der Fundamentalgesetze ausgeht, ders. 1988, 485  f. Wyduckel differenziert nicht genau zwischen jus majestatis, jura majestatis, leges fundamentales.

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lismus, auf den sich die universale consociatio in Abgrenzung zu einem absolutistisch-monarchischen Staatsprinzip gründet (vgl. XIX  23).265 Althusius hebt in seiner Staatslehre immer wieder Regelwerke hervor, die durch ihre Schriftlichkeit einen Beitrag zur Rechtssicherheit leisteten. Dieser Weg ist bereits für Wahlkapitulationen und Reichsabschiede oder auch durch den Sachsenspiegel beschritten worden (vgl. XIX  30, 38  f.; u. ö.). Die leges fundamentales prägen die Verfassung des Reichs als diejenige grundlegende Rechtsordnung, aus der sich staatliche Gewalt ableitet und diese zugleich begrenzt. Neben den Fundamentalgesetzen zählt der »Herrschaftsvertrag« (pactum) zwischen Volk und höchstem Magistrat wesentlich zu diesem Konstitutionalismus (XIX  23). Althusius bezeichnet dieses pactum alternativ als „Verfassung“ (constitutio). „Form, Maß und Ziel dieses Mandats sind der Dekalog und die Fundamentalgesetze des Reichs … sowie das, was dem Magistrat bei der Wahl vorgeschrieben wird und worauf er nach der Wahl seinen Eid leistet.“ (XIX  14) Sie fungieren bei der Regierungs- und Gesetzgebungstätigkeit des obersten Magistrats als übergeordnetes Recht, als Verfassung in einem formellen Sinn, auf die der höchste Magistrat bei Amtsantritt vereidigt wird. Sie stellen die Verfassung im engeren Sinne als Verfassungsrecht dar, mit dem einfache Gesetze übereinstimmen müssen. Der höchste Magistrat ist ihnen in besondere Weise zum Schutz verpflichtet (etwa XXIX  9 a. E.). Als relatives Verfassungsrecht sind die leges fundamentalis auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Sie sind »dynamisch« gegenüber der »statischen« Souveränität des Volkes. Die Auslegung überantwortet Althusius dem obersten Magistrat gemeinsam mit den Ephoren des Reichs. Dies stellt eine gewaltenteilige Aufgabenwahrnehmung dar, da „nur aufgrund ihrer (der Ephoren, P.  K.) ausdrücklichen freien Entscheidung, ihres Willens und ihrer Entschließung“ der oberste Magistrat Bestimmungen ändern oder aufheben kann (XXIX  9). Durch die erschwerten Abänderungsbedingungen werden Dauer und Stabilität der Fundamentalnormen gesichert. Über den allge­ meinen Rechtssatz pacta sunt servanda schützen sie die Bürger vor einem Missbrauch der übertragenen Amtsgewalt, denn „was sie einmal festgelegt  haben, das müssen sie auch halten und leisten“ (vgl. IX  18; XIX  6; XXXVIII  36). Die Verletzung dieser Grundgesetze bedeutet stets ein Akt der Gewaltherrschaft und berechtigt zum Widerstand gegen eine ungerecht ausgeübte Staatsgewalt (XXXVIII  6).

265  Zu Althusius und seinem Beitrag zum Konstitutionalismus vgl. auch Lloyd 1991, 287–292; Franklin 1991, 312–314.



§ 6 Herrschaft und Legitimation

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§ 6 Herrschaft und Legitimation 1. Personale und gesetzliche Herrschaft Herrschaft ist in der Welt; sie ist von Natur aus überall da, wo mehr als ein Mensch ist, so Althusius im ersten Kapitel seines Werks (I  11–12).266 Sie nimmt ihren Ursprung im Einzelnen, sofern der Geist über den Körper, der Verstand über den Trieb herrscht (I  13, I  38, XVIII  22, u. ö.). Der Mensch „muss in Schranken gehalten werden“, Geist und Verstand sind die Garanten individueller Freiheit, das Gesetz Garant kollektiver Freiheit (I  39). Schon in der Ehe, in der Familie, unter Kollegen findet sich demgemäß kein herrschaftsfreier Raum. Im Eheverhältnis herrscht der Mann über die Frau (I  12, 38, 40), in der Familie und der Sippe sind es Häupter, die den Angehörigen vorangestellt sind (III  16), ebenso in den Kollegien der Berufsgenossen (IV  6). Herrschaft ist demnach nicht erst ein staatliches Phänomen, sondern bereits ein vorstaatliches, ein gesellschaftliches. Ohne Herrschaft droht die „Auflösung der Gesellschaft (dissolutio societatis)“ (I  37), der Sturz ins Verderben (I  39; u. ö.). Da Staat und Gesellschaft in der politischen Lehre des Althusius engstens aufeinander bezogen sind, stellt sich die Frage, ob man von einem einheitlichen Herrschaftsbegriff ausgehen kann. Intendiert nicht allein die Methodenstrenge eine homogene Herrschaftsstruktur? Was bedeutet Herrschaft in der Politica und gibt es einen Unterschied zwischen gesellschaftlicher und politischer Herrschaft für Althusius? „Gebieten, Regieren und Leiten ist daher nichts anderes, als dem Nutzen anderer zu dienen und für sie Sorge zu tragen, so wie Eltern für ihre Kinder und der Ehemann für seine Frau.“ (I  13) Herrschaft und Gehorsam sind unanfechtbares, „beständiges Gesetz“ (I  11). Den spontan entstehenden, natürlichen Kooperationsgemeinschaften genügt die Erklärung, sie erfordern eigentlich keine Rechtfertigung. Für Althusius entstehen Gemeinschaften zunächst aus Notwendigkeit (zum Überleben), später zum gegenseitigen Nutzen (zum angemessenen und guten Leben). Unterstellt man Gesellschaft und Staat denselben Bedingungen, bedürfte politische Herrschaft keiner besonderen Legitimation. Als Macht des Faktischen entfaltet sie sich in Gesellschaft und Staat, die allerdings die »Herrschaft der Reichen und Mächtigen« begünstigt. Althusius erkennt diese Macht als gegeben 266  Schon hier nimmt Duso eine Unterscheidung zwischen Herrschaft (imperium) und Regierung, Führung (gubernatio) an. Natürlich ist für ihn nur das Führen und Regieren, nicht dagegen die Herrschaft, die – in einem modernen Verständnis, und daher für Duso nicht auf Althusius’ Denken anwendbar, – „notwendigerweise durch den Willen der Individuen legitimiert werden [muss], ders. 2002, 15  ff. (insb. 23  f.) m. w. N. Moderne Souveränität ist für Duso die Negation der natürlichen gubernatio (ders. 2002, 16, 21), die bei Althusius nicht vorliege.

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an, doch nimmt er ihr gegenüber eine kritische Position ein. Diese potestas unterscheidet er von legitimer Herrschaft, die eine Herrschaft des symbiotischen Rechts sein soll. Als Modell für politische Herrschaft käme die personale (paternalistische) Herrschaft in den Familien- und Sippenverbänden in Betracht: Die Herrschaftsausübenden sorgten für die Herrschaftsunterworfenen „wie Eltern für ihre Kinder“ (vgl. etwa IX  25). Politische Herrschaft, insbesondere die monarchische Staats- und Regierungsform könnte sich demnach auf Adam stützen: „Adam wurde von Gott als Herr und Gebieter seiner Frau und aller, die von ihr geboren wurden sowie aller übrigen Kreaturen geschaffen, 1. Mos 1, 26–27; 3, 16; Sir 17.“ (I  12) Wird das personale Herrschaftsmodell aus der Genesis um eine allgemeine Analogie aus der Ehe- und Familiensphäre, zudem noch um den Mündel-VormundVergleich ergänzt, liegt sogar die gedankliche Verknüpfung von politischer Herrschaft mit einem treu sorgenden Vater gegenüber den Untertanen als seinen unmündigen Kindern nahe, wie sie allenthalben in absolutistischen Staatstheorien erscheint (XVIII  11–13, 92; XXIV  43–45; u. ö.). Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass man mit einer solchen Assoziation der politischen Lehre des Althusius nicht gerecht wird. Es besteht schon keine Übereinstimmung in allen Eigenschaften von privaten und öffentlichen Herrschaftsformen, sondern lediglich eine Äquivalenz in einem bestimmten Merkmal: der Verantwortung für andere. Während Kinder ungewollt von ihren Eltern gezeugt und vorübergehend ihrer Herrschaft unterstellt werden, schaffen sich die Herrschaftsausübenden ihre Herrschaftsunterworfenen nicht selbst. Gegen eine derartige Analogie, wie sie etwa sein Gegenspieler Gentilis befürwortet, wird Althusius im Tyranniskapitel argumentieren: wer Vater ist, bestimmt sich nach der Natur, der Magistrat ­dagegen ist »Vater« durch „Wahl und Krönung“ – der Vater ernährt seine Kinder, der Herrscher aber nicht seine Untertanen, sondern umgekehrt (XXXVIII  77  f., 87  ff.). Noch weniger eignet sich das Eheverhältnis zwischen Mann und Frau – unbeschadet der Rechtfertigung einer Vorrangstellung des Mannes – weder zur Erklärung noch zur Legitimation politischer Herrschaft: wer ist Mann, wer Frau? Althusius erkennt nämlich an, dass auch Königinnen ein Gemeinwesen führen (VII  30). Gelten diese dann als Männer? Ein und dasselbe Gemeinwesen besteht zudem unabhängig vom Wechsel von Personen (V  3). Erlischt davon unberührt die Herrschaft mit dem Tod (vgl. XIX  13), oder geht sie auf die Kinder oder gewillkürte Erben über (vgl. XIX  77)? Für das Verhältnis von Mann und Frau scheint die Vorherrschaft mit Gen 3, 16 schnell entschieden werden zu können: Adam wurde von Gott als Herr und Gebieter Evas eingesetzt. Die beiden anderen erwähnten Schriftbelege Gen 1, 26–27 sowie Sir 17 decken allerdings diese Auslegung bereits nicht mehr, wird doch darin besagt, dass – prälapsarisch – gemeinsame Herrschaft



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Adams und Evas über die Schöpfung besteht. Insbesondere für das rechte Verhältnis zwischen Mann und Frau relativiert Althusius hinsichtlich der »Herrschaftsausübung« den Rang des Ehemanns (II  46), so dass sich eine eher humanistische Grundeinstellung andeutet, wie sie etwa von Erasmus zum ehelichen Sakrament und der Stellung der Frau formuliert wird.267 So wenig sich aus der Vaterschaft ein Eigentum an den Kindern ergibt (III  37), so wenig eignet sie sich als Modell zur Souveränität und zur Legitimität politischer Herrschaft (vgl. XXXVIII  36).268 Ebenso wie das »Prinzipat« des Paterfamilias (II  40; III  35) in die gemeinschaftliche Personen- und Vermögensfürsorge der Eltern ihren Kindern gegenüber eingebettet ist (III  37), beruht die Vorrangstellung des Sippenoberhaupts der erweiterten natürlichen Gemeinschaften „auf Übereinkunft oder ein[em] Treueversprechen“ (III  39). Im exegetischen Argumentationsstrang der Politica wird die Sonderstellung Adams (I  12, 45) nicht zur politischen Herrschaftsberechtigung ausgeweitet, sondern bleibt auf das familiäre Herrschaftsverhältnis beschränkt. Stattdessen übernimmt im politischen Kontext der Schriftbelege das biblische Volk der Juden die Rolle eines Vorbilds ursprünglicher Herrschaftsgewalt. Die Konzeption legitimierter Herrschaft im Bereich der nachnatürlichen und vor-politischen „Bürgergesellschaft“, den Berufsgenossenschaften, kommt gänzlich ohne eine biblische Grundlegung aus. Die berufsmäßig organisierte Bürgergemeinschaft (consociatio civilis) entsteht als erste nicht-natürliche Gemeinschaft im Gegensatz zu dieser „aufgrund freier Entscheidung und eigenen Willens“ (IV  1). Umso mehr gilt diese Struktur für alle späteren, politischen Gemeinschaften. Zur Freiwilligkeit des politischen Gemeinwesens tritt hinzu, dass es zur Absicherung seines Fortbestands zwangsbewehrte Regeln einführt. Die Drei Gemeinschaften des Rechts, der Güter und der Leistungen, die sich in entsprechender Weise auf den Ebenen der Kommunen, der Provinzen und des Staates vorfinden, greifen in Form des Leistungs- und Strafzwangs in die Freiheitssphäre ihre Mitglieder ein. Da das symbiotische Gesetz herrschen soll, tritt ein Formzwang hinzu, der sich zusätzlich auf die Auswahl des Herrschaftspersonals und die Herrschaftsgewalt auswirkt. Im Gegensatz zur faktisch-sozialen stellt sich für politische Macht stets die besondere Legitimationsfrage. Die sich aus den Drei Gemeinschaften ergebenden Regeln dienen nicht zuletzt der Sicherung der Gemeinschaft gegen „Mächtige und Reiche“. Mithin erfordern die zwangsbewehrten Gemeinschaften eine von den Familienbanden 267  Vgl. etwa Erasmus von Rotterdam, Vertraute Gespräche, Leiden und Freuden der Ehe, 254–274. Zurückhaltend zum Humanismus des Althusius, Scupin 1965, 8 (Fn.  17). 268  Duso kommt in seiner Althusius-Forschung dagegen zu dem Ergebnis, dass das Problem der Legitimität von Herrschaft dem Denken Althusius’ „fremd“ sei, gar im Widerspruch zu seiner Vorstellung von Politik stehe; ders. 2002, 13  ff. m. w. N.

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abweichende Geltungsanordnung. Die bürgerschaftliche Gemeinschaft kennzeichnet, dass sie, im Gegensatz zu den familiären und verwandtschaftlichen Gemeinschaften, „selbstgewählt und rein freiwillig“ sind, daher schon den politischen Gemeinschaften näher rücken (IV  3). Hier werden zwangsbewehrte Regeln eingeführt, die in die Freiheit ihrer Mitglieder eingreifen, welche sie mit dem Heraustreten aus dem häuslich-familiären Gewaltverhältnis erlangen (IV  3). Aus welchem Grund sollte sich der Mensch in dem Augenblick, in dem er aus der häuslich-familiären Herrschaftssphäre austritt der gewonnenen Freiheit begeben? Ohne die Frage zu vertiefen, weshalb Zwang hier legitim ist und private Verantwortung auf die Genossenschaft übertragen wird, rechtfertigt Althusius die Zwangsbefugnis (potestas & coercitio, IV  6) kurzerhand aus Wahlen und Abstimmungen sowie der Bevollmächtigung der für die Genossenschaft handelnden Organe. Den Inbegriff der genossenschaftlichen Zwangsbefugnisse bildet das Recht. Die Rechtsgemeinschaft (juris communicatio) der Berufsgenossen besteht darin, dass sie in ihrem Kollegium nach demselben Recht und Gesetz leben, sich leiten und verpflichten lassen, und dementsprechend bestraft werden können (IV  16). Es deuten sich für die öffentliche Gewalt bereits die entscheidenden Legitimationskriterien an. Somit dient in einer agonalen Kultur die genossenschaftliche Arbeits- und Wirtschaftsordnung als säkulares Modell für politische Herrschaft. Herrschaft bedeutet für den Verfasser der Politica Zwangsbefugnis, insbesondere Strafzwang und Leistungszwang. Während der Leistungszwang gegenüber den jeweiligen Genossen in Form von zu erbringenden Diensten (operarum χοινωνία), Gütern (rerum communicatio), Steuern und Abgaben den relativ autarken Gemeinschaften zusteht, unterliegt die Strafbefugnis dem Vorrang und Vorbehalt des höchsten Magistrats (IV  16). Als Rechtsgrund der Eingriffsbefugnisse (justitiae ratio) gilt die freie Zustimmung der Gemeinschaft (XIX  21). Innerhalb der exegetischen Argumentationsebene wechselt Althusius jedoch zunächst ins Neue Testament, wonach „alle Herrschaft und Gewalt von Gott stammt“ (Röm 13). Der entscheidende Unterschied zum ersten Buch Mose liegt darin, dass der Mensch bereits in einer staatlichen Ordnung lebt und aus dem Paulinischen Brief Anweisungen erhält, sich als Christ in der innerweltlichen Ordnung zurechtzufinden. Von dieser Schlüsselstelle ausgehend entwickelt sich die innerweltliche Herrschaftslegitima­ tion zur Verfügungsaufgabe der menschlichen Gemeinschaft. Politische vollzieht sich im Gegensatz zur sozialen Herrschaft in erster Linie in der Dichotomie von gerechtem Befehl und Gehorsam (I  11–18, 38; u. ö.), nicht allein aufgrund von wechselseitiger Liebe, Zuneigung und Wohlwollen (II  46; III  20; IV  23), wenn auch „Liebe gegenüber der ihnen (den Herrschaftsausübenden, P.  K.) anvertrauten Gemeinschaft“ gefordert wird (XVIII  47). Althusius operiert mit einem weiteren und einem engeren



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Gesetzesbegriff, einmal als Regel des menschlichen Zusammenlebens, einmal als Befehl, für den die Chance auf Gehorsam besteht.269 Für jede Gemeinschaftsart, gleich ob „privat, bürgerlich oder öffentlich“, bietet der Autor eine auf die Erfordernisse der jeweiligen Konsoziation abgestimmte Herrschaftskonzeption an. Allen gemein ist, dass einem Absolutheitsanspruch in der kleinsten Gemeinschaft, der Ehe (III  40; XVIII  105), ebenso vehement widersprochen wird wie auf der staatlichen Ebene der universalen Gemeinschaft (XVIII  40; u. ö.). Der Autor untersucht nicht die Frage, ob Menschen überhaupt über Menschen herrschen sollen, wie sie Augustinus im Gottesstaat (XIX, Kap. 15) stellt. Ist (menschliche) Herrschaft in der göttlichen Naturordnung nach Augustinus nicht vorgesehen und gelangt erst durch »das Wort« für Sünde und Schuld, nicht durch »die Natur« in die Welt, so gewährleistet erst nach dem Sündenfall eine Herrschaftsordnung mit Autorität und Zwangsgewalt das friedliche Zusammenleben der Menschen.270 Althusius’ Lehre setzt, obwohl ihm diese Textstelle bekannt ist (IX  25), dagegen postlapsarisch und ohne den stark eschatologischen Charakter der christlichen Politik des Augustinus ein.271 „Gebieten, Regieren und sich Unterordnen, regiert und geleitet zu werden sind natürliche, aus dem Recht der Völker (jus gentium) sich ergebende Verhaltensweisen, so dass etwas anderes für so absonderlich gehalten würde wie die Betrachtung eines Körpers ohne Haupt“ (I  34). Ohne innerweltliche Herrschaftsgewalt könne „das ganze Menschengeschlecht, ja die gesamte Natur, nicht einmal die Welt selbst bestehen“ (I  12; XVIII  22; XIX  23). Hinter dieser Aussage versteckt sich indes keineswegs das Postulat »etsi deus non daretur«, d. h. so zu denken, als gäbe es keinen Gott. Für Althusius gibt es kein Naturrecht ohne Gott, doch stellt er es auf die weitere, säkulare Grundlage (des symbiotischen und des Völkerrechts). Um seine eigene These zu untermauern, legt er eine Stelle aus Calvins Institutio so aus, dass „Gott die Menschen nicht durch Engel, sondern durch Menschen unterweisen und belehren“, d. h. beherrscht sehen wolle (I  26).272 Danach sind für den Verfasser der Politica die Menschen zur Schöpfung ihrer eigenen Ordnung aufgerufen, die nicht vorherbestimmt ist. Gott wollte »nur«, dass jeder des anderen bedarf, „so dass alle in Freundschaft verbunden seien und keiner den anderen gering achte.“ (I  26) Die Symbioten leben „unter gerechten Gesetzen zusammen“ und „lassen sich durch diese 269  Dagegen:

Duso 2002, 20  ff. (s. a. Fn.  13, 15) u. m. w. N. Vom Gottesstaat XIX, Kap. 15, 557–559. Böckenförde 2002, 208  f.; Sternberger 1984, 312. 271  Anders Koch, die den Sündenfall für die Anthropologie bei Althusius entscheidend sein lässt, dies. 2005, 69. 272  Vgl. dagegen die calvinistische Aufladung dieser Textstelle für die gesamte Politica bei Miegge 2010, 149  ff. 270  Augustinus,

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leiten“ (I  10). Wenn Althusius auch häufig den Vergleich der ungerechten Reiche mit Räuberbanden heranzieht (Augustinus, Vom Gottesstaat IV, Kap. 4), so verwendet er die Passage nicht als schroffes „Verdammungsurteil über den Staat“ (Sternberger 1984, 318), sondern schöpft den „nichteschatologischen“ Teil der berühmten Textstelle ab. Althusius versteht die Formel »remota … iustitia« konditional: »Wenn« die Gerechtigkeit fehlt, »dann« sind Reiche nichts anderes als große Räuberbanden, nicht hingegen indikativisch, wonach den Staaten die Gerechtigkeit überhaupt abgesprochen wird (XIX  10).273 Der Autor der Politica ist in dieser Hinsicht nur unter Vorbehalt zu den christlichen Staatsdenkern in der Tradition Augustinus’, Thomas von Aquins und auch Luthers und Calvins zu zählen, die „einen radikalen Zweifel in die bislang uneingeschränkt positive Bewertung politischer Herrschaft“ einbringen.274 In jeder Gemeinschaft, also bereits auf kleinster Gemeinschaftsebene, nicht erst auf staatlicher Ebene, gibt es Subordinationsverhältnisse. Dies fällt mit Althusius’ Politikverständnis zusammen, wonach auch die Gemeinschaften der Ehe und Familie politischer Art, wenn auch nicht politische Gemeinschaften sind; er trennt diesbezüglich nicht (mehr) nach privatem und öffentlichem Lebensbereich. Zum Leitgedanken, vor dem alles menschliche Handeln, insbesondere aber politische Herrschaft zu bewerten ist, erhebt sich folgende Erkenntnis: „Und das gilt als besser, was sowohl sich selbst genügt als auch anderen nützen kann. Je mehr demnach ein Gut der Gemeinschaft dient, um so besser und vortrefflicher ist es.“ (I  34) Dieses ethische Prinzip harmoniert sowohl mit dem christlichen Nächstenliebegebot als auch mit einem sozialen Vernunftrecht. Der politische Denker gelangt wegen dieser Prämissen erst gar nicht zur spannungsreichen Frage nach (individueller) Freiheit und (politischer) Herrschaft wie sie später von Rousseau gestellt werden wird. Der Freiheitsbegriff entwickelt sich für die politische Philosophie erst in seiner individuellen Ausprägung zum Sprengsatz für die Herrschaftsfrage. Vielmehr – und darin Hobbes’ anthropologischen Voraussetzungen ähnlich – steht die Frage nach der Gleichheit des Menschen für Althusius’ Herrschaftskonzeption vor der Frage nach der Freiheit des Menschen.275 Für Althusius ist es kein Widerspruch, wenn der freie Mensch seine (Herrschafts-)Freiheit freiwillig aufgibt. Dieser »Akt des freien Willens« bezieht sich indessen auf die politische, nicht gleichsam auf die soziale Herrschaft. Als animal sociale wird 273  Eingehender zur Zweideutigkeit der Formel „remota … iustitia“: Ottmann 2004, 28–31 m. w. N. 274  Höffe 1994, 200; s. auch: Sternberger 1984, 312–321 (speziell für Augustinus). 275  Vgl. etwa Leviathan Kap. 13 (Gleichheit) und Kap. 14 (Freiheit). Anders Koch 2005, 64, die bei Althusius eine anthropologische Ungleichheit der Menschen, bei Hobbes dagegen eine Gleichheit annimmt.



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der Mensch in eine Familie, mithin in ein bereits bestehendes sittliches Herrschaftsverhältnis hineingeboren. Für den politischen Herrschaftsbereich dagegen konstruiert Althusius eine Phase der Herrschaftsfreiheit. Warum es zur politischen Herrschaft auf Staatsebene kommt, ja kommen muss, erklärt der Autor in Kapitel 18: „Nutzen und Notwendigkeit (utilitas & necessitas) der universalen Gemeinschaft legen die Einsetzung und Wahl von Verwaltern und Leitern höchst nahe (suasit, P.  K.). Denn die Menge der vielfältigen Aufgaben und unterschiedlichen Gemeinschaften, aus denen der Zusammenschluss so vieler Provinzen und Städte besteht, kann weder von einem Einzelnen noch von der Gesamtheit der Einwohner des Reichs angemessen verwaltet und geleitet werden.“ (XVIII  16)

Dabei gilt stets zu beachten, dass die Staatswerdung ein kontingentes Merkmal menschlicher Vergemeinschaftung ist (XXXIX  84). Althusius spricht in Bezug auf die Errichtung einer politischen Herrschaftsordnung gleichwohl von einer Zwangsläufigkeit, einer unvermeidlichen Folge, dem Drang der Umstände („postea necessitate postulante“): „Denn zu Beginn des Menschengeschlechts gab es keine Herrschaftsgewalten und Reiche und ebenso wenig deren Leiter. Aber als die Not dazu drängte, wurden sie vom Volk selbst eingesetzt“ (XVIII  18).

Notwendigkeit und Nutzen politischer Herrschaftsgewalt beurteilt sich nach menschlicher Einsichtsfähigkeit. „Das Volk geht zugrunde, wo kein Leiter ist“ (VIII  52; XVIII  17; u. ö.). Danach ist der vernunftbegabte Mensch für Althusius das zur Begründung politischer Herrschaft berechtigte Wesen. Er lehrt, dass die Menschen, „schon von Natur aus so ausgestattet sind, dass sie … infolge natürlicher Erleuchtung durchaus zu erkennen vermögen, dass in jeder für die Aufrechterhaltung des Menschengeschlechts förderlichen bürgerlichen Gesellschaft notwendigerweise ein Leiter vorhanden sein muss, in dessen Hand das Regiment und die Sorge für die Gesellschaft liegen und der von niemandem sonst als nur von dieser eingesetzt werden kann.“ (XIX  21) Auf einer Legitimationsebene zweiter Ordnung wird die Einsetzung der Herrscher durch das Volk als Begründungsform (constitutio) auch durch das Völkerrecht anerkannt (XVIII  16; XIX  104; I  34; V  2; XIX  25; XXXVIII  85). Der status politicus bedarf folglich zu­ allererst eines auf Freiwilligkeit beruhenden Legitimationsaktes „aller ­Menschen“. Sie sind »Schöpfer« ihrer eigenen Ordnung, sie sind durch Vernunftrecht autorisierte Urheber einer zu schließenden conventio man­ dati  (XVIII  7). „Denn nach dem Naturrecht sind alle Menschen gleich, Dig. 50.17.32, und keiner Jurisdiktion unterworfen, es sei denn, sie unterstellen sich durch eigene Zustimmung und freiwillig einer fremden Herrschaft und übertragen ihre Rechte einem anderen.“ (XVIII  18)

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Die Begründung politischer, kontingenterweise auch staatlicher Herrschaft stellt sich demnach als innerweltlicher Legitimationsakt dar, nicht als das bloße Nachvollziehen eines göttlichen Willens im Rahmen eines vorherbestimmten Heilsplanes.276 Sie geschieht überdies nicht unabdingbar aus christlicher Gottgefälligkeit, denn „sogar in Indien bei den Heiden [finden wir Beispiele hierfür], wie die Geschichtschreiber berichten“ (XVIII  18). Eine Ausnahme bestand für das jüdische Volk der Heiligen Schrift: ihm hat Gott nach dem Auszug aus Ägypten zunächst selbst seine Regenten gegeben. „Denn Gott selbst regierte es … durch Moses, dann durch Joshua, dann in langer Folge von ungefähr 400 Jahren durch die hierzu eingesetzten Richter“ (ebd.). Zur Stützung seiner zuvor entwickelten innerweltlichen Legitimationskonzeption, folgert der politische Lehrer aus der Anschauung der jüdischen Geschichte, dass die Legitimation des Staates durch einen freiwilligen Zustimmungsakt im Einklang mit „göttlicher Fügung“ steht; schließlich hat „Gott allen Völkern nach dem Recht der Natur selbst die freie Gewalt (libera potestas, P.  K.) gegeben“, sich oberste Magistrate zu geben (XVIII  20). Vorsorglich schließt Althusius in § 21 sein Legitimationskonzept mit dem Hinweis auf „die Natur“ ab: „Die Natur hat in einer Art Bild und Gleichnis die politische Herrschaft und Leitung auch bei anderen Kreaturen zum Ausdruck gebracht.“ Es herrschen Engel über Engel, Tiere über Tiere und Menschen über Menschen (XVIII  22). Politische Herrschaft rechtfertigt sich demnach in einer Legitimationstrias, wobei die erste, auf freier Zustimmung beruhende Grundlegung im Vordergrund steht (XVIII  96). „So entspricht das Befehlen, Regieren, das Sichunterwerfen und Regiertund Geleitetwerden dem natürlichen, göttlichen und menschlichen Recht“ (XVIII  22). Das Aufgeben von Freiheit setzt Freiheit voraus. Althusius arbeitet mit einem Freiheitsbegriff, den er nicht genau definiert. Freiheit ist einmal das wesenhafte Bestreben des Volkes, sich „vom Joch des Oberherrn“ zu befreien, „mag dieser auch noch so gerecht sein“ (XXIII  22). Ein anderes Mal bedeutet frei von Jurisdiktion zu sein, sich willkürlicher Macht unterworfen zu sehen. Im Wort Jurisdiktion wurzelt mehr als der gewaltenteilige Bereich der Rechtsprechung, nämlich Rechtseinheit und autorisierte Gesetzesherrschaft. „Ein Bild der Freiheit“ etwa wird für den politischen Denker durch das Recht, Versammlungen abzuhalten, bewahrt (libertatis imago, XXXIII 30). Das Freiheitsverständnis beinhaltet für ihn indessen nicht das Potential für eine Schöpfung politischer Herrschaft aus einem präpolitischen »status 276  Dagegen nimmt die ganz herrschende Meinung eine Prädestinationslehre an, die sich nach calvinistischer Doktrin richte, statt vieler: Gierke 1958, 56  ff.; Friedrich 1975, 78  f, 107 (indifferent); Denzer 1985, 242  ff.; Eßer 1988, 163  ff. (differenzierend); Winters 1995, 33  f., ders. 1963, 37  ff.; Reinhard 2003, 306  f.; Ottmann 2006, 93  ff.; Malandrino 2010, 1  ff.; Miegge 2010, 147  ff.



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naturalis« („zu Beginn des Menschengeschlechts“). Stattdessen tritt ein weiterer Aspekt von Freiheit hinzu, der sich zumal gegen die Beanspruchung absoluter Macht positionieren lässt. „Etwas gegen die Gesetze (des Dekalogs, P.  K.) tun zu können“, sagt Althusius, „ist kein Zeichen der Macht, sondern eines der Ohnmacht.“ Er führt aus: „Wer dies unternimmt, zeigt gerade dadurch, dass er nicht tun kann, was er hätte tun müssen.“ (XVIII  38) Wahre Freiheit zeigt sich daher erst in einer sittlichen Selbstverpflichtung (vgl. auch XXXVIII  130). Entstehen politische Gemeinwesen danach aus „Notwendigkeit“ und um des „Nutzens“ willen, vollendet sich in der rechtsstaatlichen Ordnung zugleich eine »sittliche Notwendigkeit«, die in der menschlichen Freiheit angelegt ist. Moralische Widerstandskraft, Beständigkeit und Erhalt gerade angesichts der Verlockung, etwas „gegen das Gesetz tun zu können“ entsprechen dem constantia-Gedanken als einem typischen Erkennungsmerkmal neostoizistischer Philosophie und barocker Literatur.277 Der Staat der Politica erscheint trotz der utilitaristischen Elemente nicht als bloß »notwendiges« Produkt des Strebens des einzelnen Menschen nach Besitz und Eigentum durch Fleiß und Arbeit; er ist zugleich »notwendige« Bedingung zur Verwirklichung der sittlichen Anlagen des Menschen. In dieser Funktion bedroht die Tyrannis die Conditio sine qua non sittlicher, d. h. menschlicher Existenz. Staatliche Rechtssicherheit und Ordnung gewährleisten den Einzelnen in der Gesamtheit, die Früchte ihres Daseins in sittlicher Weise »genießen« zu können. Mit anderen Worten: Der Staat „nützt“ der Verwirklichung des tugendhaften Lebens, er ist »notwendig«, um überhaupt sittlich leben zu können (I  4; u. ö.). Das Aufgeben der Jurisdiktionsfreiheit zu Gunsten „eines anderen“ sieht Althusius daher auch nicht als problematisch an. Ihm gilt es zunächst einmal, die naturrechtliche Gleichheit der Menschen bei aller Unterschiedlichkeit der individuellen Fähigkeiten (I  26) in das politische System einzupflanzen. Sie bedeutet für Althusius’ Lehre weder soziale Gleichheit noch Herrschaftsfreiheit. „Wenn aber alle gleich wären und jeder nach Belieben regieren wollte und andere es ablehnten regiert zu werden, entstünde leicht Zwietracht und daraus die Auflösung der Gesellschaft: Es gäbe keine Abstufung der Tüchtigkeit, keine der Verdienste mit der Folge, dass gerade die Gleichheit höchste Ungleichheit wäre“ (I  37; vgl. auch XXX  19 [keine Angleichung von Arm und Reich]). Die Ausdifferenzierung von politischer und sozialer Ungleichheit aus einer naturrechtlichen Gleichheit erscheint stark an die aristotelische Gerechtigkeitslehre angelehnt. In der Nikomachischen Ethik teilt Aristoteles die partikulare Gerechtigkeit in eine ausgleichende und eine verteilende Gerechtigkeit auf.278 Bei Althusius speist sich 277  Steinhagen

278  Aristoteles,

1985, 17; Ottmann 2006, 235  f. Nikomachische Ethik, Buch 5.

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gerechte Herrschaft aus der naturrechtlichen Gleichheit, um daran anschließend gerechte Ungleichheiten herzustellen und aufrechtzuerhalten. Althu­ sius argumentiert nicht allein traditionell-theologisch, sondern stellt das Naturrecht zugleich auf ein säkulares Fundament. Gott als Schöpfer der Natur und des Rechts (XVIII  59) gebietet die Herrschaft des Menschen über die Menschen. Das »Paradies« war für Althusius längst verloren, er stellt sich daher nicht mehr der Frage, ob Menschen über Menschen herrschen sollen. Wenn Althusius in diesem Begründungszusammenhang Augustinus anführt, so lässt er dessen Unterscheidung der irdischen Bürgerschaft von der civitas divina gänzlich unbeachtet (vgl. I  13). Die menschliche Vernunft erkennt die Notwendigkeit politischer Ungleichheiten, als die sich Herrschaft zeigt, als Recht. Dazu arbeitet der politische Denker mit den Begrifflichkeiten aequabilitas – aequalitas (VI  47) und aequalitas – inaequalitas (I  37). Aequalitas (Jedem das Gleiche) und aequabilitas (Jedem das Seine) stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander. Aus der natürlichen Gleichheit (aequalitas) kann nämlich ohne menschlich-politischen Eingriff höchste Ungleichheit folgen, was die Auflösung der menschlichen Gesellschaft nach sich zöge (I  37).279 Die Gleichheit an politischen Rechten (aequabilitas) berücksichtigt, dass dem Bürger (civis) nach Stand und Würde seine Denkart und Unterschiedlichkeit, sein Privileg, seine Selbständigkeit und Ehre belassen bleibt. „Das Gegenteil dieser Gleichartigkeit (aequabilitas) ist die Gleichheit (aequalitas), durch die die einzelnen Bürger … gleichgestellt werden.“ (VI  47). Politische Gerechtigkeit dient der Herstellung der Gleichartigkeit, Politik dient der Schaffung einer entsprechenden „Harmonie von Ordnung und Unterordnung“ (I  36; u. ö.). Die angestrebte „Symmetrie von Gebietenden und Gehorchenden“ (I  37) ist erst möglich durch die freiwillige Ungleichheit, die sich im Gemeinwesen als Mischverfassung einstellen wird (XXIV  42; u. ö.). Die naturrechtliche Gleichheit begegnet als Leitgedanke seiner Politiklehre – vor dem Hintergrund mannigfacher sozialer (ständischer) Ungleichheiten – immer dort, wo das politische System als Ganzes betroffen ist. Erziehung und (Aus-) Bildung als soziale und staatliche Aufgaben zielen gerade auf die Beförderung solcher Ungleichheiten in den menschlichen Anlagen. Höchster ­politischer Ausdruck der naturrechtlichen Gleichheit des Menschen ist das Widerstandsrecht gegen die tyrannische Staatsgewalt, als dem Zustand, in dem die politischen Ungleichheiten zwischen Herrscher und Untertanen unrechtmäßig, d. h. nicht mehr gerecht(fertigt) sind.

279  Den Bedingungszusammenhang verkennt Koch, die in der inaequalitas lediglich „eine von Gott so gewollte Ungleichheit“ erblickt und aus der aequalitas weitgehend undifferenziert „Unordnung und Störung der Ordnung hervorgehen“ sieht, dies. 2005, 84  f.



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Für Rousseau besteht ein Widerspruch darin, freiwillig auf seine Freiheit zu verzichten. Dies hieße, auf seine Eigenschaft als Mensch verzichten.280 Diese Gegensätzlichkeit stellt sich für Althusius nicht. Nach der althusischen Doktrin verzichtet der Mensch nur unter Vorbehalt auf seine natür­ liche Gleichheit und seine sittliche Freiheit (vgl. XVIII  9). Gerade diese Eigenschaften erlangt der Untertan als Mensch in dem Augenblick zurück, in dem es unter tyrannischer Herrschaft zum Widerstandsfall kommt. Gerechte Herrschaft dient dem Nutzen und dem Wohl des Einzelnen wie der Gesamtheit (I  13 u. ö.). Dahinter steht ein Kooperationsmodell von Herrschaft (wie es schon bei Platon und Aristoteles begegnet), welches den Menschen als kooperationsfähiges und -williges Wesen versteht. Daneben begreift Althusius den Menschen als Konfliktwesen. Zumal deshalb ist für ihn Herrschaft auch ein Gebot der Notwendigkeit in Bezug auf die Eintracht unter den Menschen (I  4; IX  1–2; XVIII  10, 16, 18, u. ö.). Nutzen und Notwendigkeit stellen daher gleichermaßen Gründe politischer Ordnung dar. Die derart verstandene Herrschaft nimmt diese Bedingungen im Ziel menschlicher Gemeinschaft überhaupt auf: „Das Ziel (finis, P.  K.) des symbiotischen politischen Zusammenlebens der Menschen ist eine … Lebensgemeinschaft, der es an nichts Notwendigem oder Nützlichem mangelt.“ (I  3; u. ö.) Politische Herrschaft ist für den deutschen Staatsdenker mithin durch Konflikt und Kooperation bedingt. Beide Dispositionen menschlicher Natur sind Kommunikationsweisen, die sich im Besonderen in der Tyrannisund Widerstandslehre spiegeln. Der dort im Vordergrund stehende Konflikt kann ohne die gleichermaßen gegebene Disposition zur Kooperation nicht überwunden werden. Die in der Politica beständig beworbene Gemeinwohlorientierung der Herrschaftsausübenden wie der Herrschaftsunterworfenen bedeutet hauptsächlich eine Ausrichtung an den Kategorien Nutzen und Notwendigkeit. Die gleichwohl genannte „glückliche Lebensgemeinschaft“ (I  3) und das „beste und glücklichste Gemeinwesen“ (I  22) nimmt sich vor dem Hintergrund der Gesamtdarstellung wie ein anfänglich überschießender Impetus aus; letztlich verwirft Althusius eine „erdachte platonische und utopische Verfassung“ für das Gemeinwesen als nutzlos (XXXIX  23; s. a. XXXVIII  123). Glück wird in der Politica mit Nutzen verbunden (I  22, 30) – glücklich macht, was nützt – und privates auf öffentliches Glück bezogen (I  22, 25). „Glück ist Leistung“, so Henning Ottmann über das oberste Ziel allen menschlichen Handelns bei Aristoteles.281 Die von Althusius angelegte Beziehung von Nutzen und Glück liegt demnach in der Tradition der 280  Rousseau, Gesellschaftsvertrag I, 4 (11). Vgl. auch den Eingangssatz des ersten Kapitels: „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten. … Wie ist dieser Wandel zustande gekommen? Ich weiß es nicht. Was kann ihm Rechtmäßigkeit verleihen? Diese Frage glaube ich beantworten zu können.“ (ebd. 1 [5]). 281  Ottmann 2001b, 141.

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griechischen agonalen Kultur. Mit der neuzeitlichen Handlungslehre Machiavellis, zu deren Chiffre ebenfalls necessità und fortuna zählen, lässt sich die „Notwendigkeit menschlicher Vergesellschaftung“ und die „glückliche Lebensgemeinschaft“ der politischen Lehre des Althusius allerdings nicht beschreiben. Die Handlungslehre in Der Fürst bildet sich am Einzelnen und eignet sich nicht für ein ganzes »Volk von uomi virtuosi«. Bei Hobbes wird sich eine Staats- und Gesellschaftsordnung finden – darin Althusius ähnlich  –, die ebenso von Nutzen und Notwendigkeit geprägt ist, wobei jener allerdings nicht länger vom glücklichen, sondern vom „friedlichen, geselligen und bequemen Leben“ sprechen wird.282 Der Hobbes’sche Staat in seiner weltimmanenten Existenz ist kein Mittel zur Erreichung der Glückseligkeit mehr, diese bleibt dem Jenseits vorbehalten: „Das höchste Gut oder, wie man es nennt, die Glückseligkeit und das letzte Ziel kann man in diesem Leben nicht finden“ (Vom Menschen, XI  11 [Nr. 15], 29; s. auch: Leviathan, Kap. 6, 48; Kap. 15, 113). „Denn die Herrscher können für das Glück innerhalb des Staates nicht mehr tun, als daß die Bürger vor äußern und innern Kriegen gesichert werden und dadurch ihr durch eigenen Fleiß erworbenes Vermögen genießen können.“ (Vom Bürger XIII  6 [207]). Für den Autor der Politica bleibt die Glückseligkeit der Lebensgemeinschaft gleichwohl »nützliche und notwendige« Aufgabe der Politik, die über das angemessene Verfahrenswissen verfügen muss, um zwischen Konflikt und Kooperation die Chance auf „das beste und glücklichste Gemeinwesen“ zu verwirklichen. Idealiter ist ein glückliches Leben (felix & beata vita) dann gegeben, wenn „Wille von Gebietenden und Gehorchenden eins sind“ (I  12), was gleichsam eine ideale demokratische Identität von Herrschern und Beherrschten ergibt und zur freiwilligen Herrschaft, nicht aber zur Herrschaftsfreiheit führt. Beim legitimatorischen Beginn sind Herrscher und Beherrschte identisch. Diese anfängliche althusische »volonté generale« kann sich in der Wirklichkeit nicht entfalten, weil die divergierenden Interessen der beteiligten Symbioten und Gemeinschaften (»volonté de tous«) eine dauerhafte Identität nicht zulassen (I  20, 35; VII  15; VIII  3, 52; XVIII  16; XXIV  3; XXV  65; Kap. XXIII; u. ö.). Unbeschadet dieses empirisch-deskriptiven Theorieansatzes wird die Identität als normatives Postulat für jede consociatio dennoch von Althusius hochgehalten „In einer öffent­ lichen Gemeinschaft (consociatio) werden alle darin übereinstimmen, was im öffentlichen Interesse liegt.“ (XXXVII  115). Die Phase der staatlichen Herrschaftsfreiheit „zu Beginn des Menschengeschlechts“ ist als faktisch-ursprüngliche Annahme aufzufassen. Der Zustand wird als Arbeitshypothese nicht perpetuiert. Lakonisch spricht Althusius davon, dass das Volk zugrunde geht, wenn es keinen Leiter (gubernator) 282  Hobbes,

Leviathan, Kap. 15, 122.



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hat (XVIII  23; u. ö.). Die staatliche Herrschaftsordnung wirkt als öffentliche Gewalt in den privat-gesellschaftlichen Bereich ein (II  13; VII  27  f.). „Es ist also nötig, dass ein Leiter und Lenker eingesetzt wird, der sowohl die Stände als auch die Einzelnen in ihrer Pflicht hält, Spr. 11.“ (VIII  52) Die Abwesenheit solcher Herrschaft, die Anarchie, stellt aber in der politischen Lehre des Althusius gerade keinen status naturalis dar, soweit in der Legitimationstrias „die Natur … in einer Art Bild und Gleichnis die politische Herrschaft und Leitung … zum Ausdruck gebracht“ hat (XVIII  21). Nicht das Verlassen des anarchischen, herrschaftslosen Zustandes, wie es in Hobbes’ Staatstheorie zum Gegenstand der Betrachtung erhoben wird, sondern das Nicht-hinein-geraten liegt dem althusischen Ansatz zugrunde. Beiden Herangehensweisen gemein ist die herausragende Rolle des Rechts.283 So stellt es für Althusius ein Gebot der rechten Vernunft und des Naturrechts (cum recta ratione & jure naturali) dar, die Anarchie zu bekämpfen (XVIII  24). Im Gegensatz zum Hobbes’schen Naturzustandstheorem treten in der Politica Naturgesetze und Naturrecht nicht auseinander, sondern stehen als Vernunft- und Naturrecht auf ein und derselben Seite. Mit Otfried Höffe ist im neuzeitlichen Rechts- und Staatsdenken einen Bedeutungswandel des Begriffs Anarchie zu erkennen. Anders als in der Antike wird die überwiegend als unhaltbar angesehene Möglichkeit herrschaftsfreien Zusammenlebens in Form des Naturzustandes nunmehr „ernstgenommen und als einer gründlichen Widerlegung wert erachtet“.284 Für die Politica ist festzustellen, dass Althusius auf die „gründliche Widerlegung“ verzichtet. Dadurch ist das Werk jedoch noch lange nicht unzeitgemäß, gleichsam »antik«. Denn anders als in den antiken Staatstheorien und im Unterschied zu Hobbes’ neuzeitlicher Vertragslehre ist das Legitimationspotential des Naturzustandes der Sache nach in seiner Tyrannis- und Widerstandslehre aufgehoben. Dort – allerdings unter umgekehrtem Vorzeichen, d. h. nicht von den Bedingungen im Naturzustand, sondern von den Bedingungen im Widerstandsfall ausgehend – entwickelt Althusius seine »Naturzustandskonzeption«. Dem Ziel, den anarchischen status tyrannidis mittels des symbio283  Hobbes sieht die Möglichkeiten für den Menschen, aus dem „elenden Zustand“ hinauszugelangen, „teils in den Leidenschaften, teils in seiner Vernunft“. „Die Leidenschaften, die die Menschen friedfertig machen, sind Todesfurcht, das Verlangen nach Dingen, die zu einem angenehmen Leben notwendig sind und die Hoffnung, sie durch Fleiß erlangen zu können. Und die Vernunft legt die geeigneten Grundsätze des Friedens nahe, auf Grund derer die Menschen zur Übereinstimmung gebracht werden können. Diese Gebote sind das, was sonst auch Gesetze der Natur genannt wird.“ (Leviathan, Kap. 13, 98; vgl. auch lat. Ausgabe, Kap. 13, 117  f.) Neben die Vernunft werden die Leidenschaften gestellt, was in der Auseinandersetzung mit dem Hobbes’schen Naturzustandstheorem gemeinhin wenig Beachtung findet. 284  Höffe 1994, 201, 291–300.

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tischen Rechts zu verlassen, geht die Beschreibung der Lage und der den Menschen zustehenden natürlichen Rechte voraus. Status civilis und status tyrannidis sind dabei nicht deckungsgleich. Der deutsche Staatsdenker entwickelt ein Naturzustandstheorem gleichsam auf den Boden politischer Realität. „Leiten und Gehorchen“ stehen „mit der Natur im Einklang“, das ist der natürlicher Zustand der menschlichen Gesellschaft: Herrschaft ist natürlich (XVIII  Überschrift zu § 22). Der Autor stellt den Umstand, dass „ein jeder nach seinem eigenem Willen zu leben gedächte“ (I  35) aus einer ex post-Betrachtung der Auflösung jeder Gemeinschaftlichkeit gleich (I  37). Der Kontingenz des „Ozeans der Menschenwelt“ (XXXVIII  123) setzt er „eine Symmetrie der Unterordnung“ als ein wirksames Prinzip entgegen, das die Welt „aufgrund ihrer Unordnung“ vor dem Untergang bewahrt (I  35). Andere Vertragslehren der Neuzeit beginnen mit einer den Naturzustand überwindenden ex ante-Betrachtung und den Rechtfertigungsmöglichkeiten des freien Willens und der rechten Vernunft. Für den Verfasser der Politica sollen und können nicht alle der politischen Herrschaft teilhaftig werden, obwohl die „herrschaftliche Stellung … von allen angestrebt [wird]“ (XXIV  7). Die Exklusivität ist dem althusischen personalen Herrschaftskonzept wesentlich. Dem „Reiz der Macht“ (XXIV  5) zu widerstehen, stellt hohe Anforderungen an die charakterliche Stärke der Herrschaftsausübenden. Sie beschreiten einen schmalen Grat, Herrschsucht und Gewaltherrschaft sind ihre ständigen Begleiter. Die Grund­ entscheidung, nicht allen gleichermaßen die Herrscherstellung zuzubilligen, spiegelt zunächst eine anthropologische Prämisse der althusischen Staatslehre: es gibt klügere und wenige kluge Menschen. Althusius nennt diese komparativ „Mächtigere“ und „Schwächere“ (I  38). Die Ausübung der Herrschaft soll den „Klügeren“ zufallen, wobei diese auf „Geist und Körper der ihnen folgenden Untergeordneten bedacht [sein]“ sollen (I  14). Den einen sei es „angeboren“ zu herrschen, den anderen zu gehorchen (I  38). Eine natürliche Geeignetheit, an die sich die Ausbildung gewisser Fähigkeiten und Fertigkeiten anschließt, bildet das Einstiegskriterium und entscheidet einen etwaigen Konflikt zwischen dem sozial Mächtigeren (reich) und dem geistig Mächtigeren (klug) zu Gunsten des letzteren von beiden. Dabei geht Althusius davon aus, dass die Reichen nicht zwangsläufig zu den Klugen gehören und umgekehrt. Seine Lehre tendiert eher in eine einander ausschließende Attribuierung (s. etwa zur Reichenkritik: I  33; VII  37; IX  10; XVII  23; XXIV  13; XXX). Den Klügeren wird die Politik überantwortet; ein kontemplatives, d. i. ein unpolitisches Leben verbietet sich dabei dem „weisen Mann“ (I  24). Er würde in dieser Lebensweise „seine Arbeit dem Gemeinwesen verweigern“. Die vita activa ist sodann immer vita activa politica (I  28) in ihrer Verantwortung für das Ganze vor Gott und der Gemeinschaft. Mit diesem Naturrecht zur Herrschaft der geistig „Mächtige-



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ren“, nicht der Stärkeren im Sinne des Thrasymachos, reiht sich der Autor in die Tradition der politischen Philosophien Platons und Aristoteles ein. Weitere Gründe kommen hinzu: Aus der Disposition zur »Bösartigkeit« des Menschen ergeben sich strenge Anforderungen an die innere Bereitschaft zum tugendhaften Leben. Sie gehen über ein schlichtes Widerstehen hinaus, welches die Versuchungen der Macht abverlangen. Neben dem scheinbar antidemokratischen Argument, dass sich eine Menge nicht selbst regieren kann und leicht manipulierbar ist, sind Ausmaß und Unterschiedlichkeit der sich aus dem Zusammenleben vieler Menschen und deren mannigfachen Lebensbedürfnissen ergebenden Aufgaben ursächlich für eine arbeitsteilige Übernahme der Regierung (II  27; VI  32; VII  15; XVIII  72; u. ö.). Politische Herrschaft ist Arbeitsteilung. Diesen Einschlag verfolgt der Autor weiterhin, indem er auf Praktikabilitätsgründe abstellt. Noch heute, unter den Bedingungen der parlamentarischen Parteiendemokratie wird die Effizienz als Begründung dafür angeführt, weshalb „nur die repräsentative Demokratie in Betracht kommt“.285 Die Gemeinwesen, die die Politica im Blick hat, befinden sich nicht in der Welt der antiken poleis, sondern in der des frühmodernen Flächenstaates. Lenkt man das Augenmerk allein auf die kommunalen Gebietskörperschaften der kleinen Städte, Dörfer und Weiler, so wird man noch auf Parallelen zur antiken Polisverfassung treffen, die eine entsprechende direkte Herrschaftsteilhabe der Bürgerschaft durchaus zuließen. Dennoch sieht Althusius in Kapitel 6 auch und gerade für die Städte und die Gemeinschaft der Bürger eine Repräsentativverfassung vor, die nur eingeschränkte Beteiligungen gewährt. Nimmt Althusius auf diese Weise nicht den Souveränitätsgedanken zurück? Wird die Volkssouveränität letztlich gar der Methode geopfert, weil jegliche Konsoziation dieselbe Struktur aufweisen muss, m. a. W. Kommune oder Staat – einerlei Partizipationsmöglichkeit? Auf das Argument der Praktikabilität wird auf der Stufe der untersten politischen Gemeinschaften verzichtet. Die sich aus der örtlichen Nähe ergebenden Sachzusammenhänge werden als örtliche Angelegenheiten von den autochthonen Lebensgemeinschaften selbst geregelt. Die Frage nach der Souveränität stellt sich nicht. Gleichwohl zeigt sich das politische System phänotypisch schon als Repräsentativverfassung, schon hier gibt es Vorsteher (V  34, 36, 39). Aber warum soll die Quod-omnes-tangit-Regel der genossenschaftlichen Berufsgemeinschaften nicht mehr gelten, bzw. warum hat Althusius nicht schon zuvor mit der natürlichen Geeignetheit und Praktikabilität argumentiert? Die Antwort liegt darin begründet, dass der Autor der Politica kein Ideologe ist. Seine Allgemeine Staatslehre ist eine praktische Wissenschaft, sie zielt auf die Verwirklichung im Handeln. Die bean285  Maurer 2001, 196; Zippelius 1999, 178  ff., der erst mit Abbé Sieyès (1748– 1836) eine Strukturkritik der unmittelbaren und Befürwortung der mittelbar-repräsentativen Demokratie einsetzen lässt.

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spruchte Homogenität beabsichtigt eine politische Gleichartigkeit, keine Gleichheit der Konsoziationen. Bei genauer Betrachtung bleibt die Quodomnes-tangit-Regel nämlich weiterhin in Geltung, erfährt allerdings durch die Idee der Repräsentation eine neue Gestalt. Althusius rationalisiert gleichsam die demokratische Regel. Er verzichtet dabei nicht auf mehr Volkssouveränität zugunsten von Praktikabilität. Im Gegenteil verhilft dieses Denken in den Kategorien von Nutzen und Notwendigkeit der Souveränität zu einer bislang unbekannten Entfaltung. Die Volkssouveränität als wesentliches Merkmal des althusischen Staates wird in einer ununterbrochenen Legitimationskette nach unten zurückgekoppelt. Die Entscheidung, die souveräne Menge von der legitimen Herrschaft auszuschließen, bedeutet in der althusischen Staatsdoktrin, den Herrschaftsunterworfenen eine nur indirekte Teilhabe an der Herrschaft zuzugestehen. Es wird zugleich deutlich, dass die repräsentative Form nicht durch Vereinbarung der Gliedstaaten und Stände der universalen consociatio willkürlich festgelegt wird, sondern sich als notwendige Ausformung der Souveränität des populus in corpus unum ergibt. Die Lenkung der Staatsgeschicke und die Ordnung der Gemeinschaftsangelegenheiten können demnach nicht von allen gemeinsam, aber auch nicht von einem Einzigen bewältigt werden (XVIII  2, 16  f. , VIII  3; u. ö.). In einem für viele Staatslehren typischen Anthropomorphismus und einer bildhaften Körpermetaphorik stellt das Gemeinwesen der Politica einen „Körper“ dar, dessen „Seele“ die Volkssouveränität, den „Geist“ und das „Haupt“ die administratio bildet (XVI  2; IX  19; XVIII  2, IX  12, I  13, u. ö.). Die zur Herrschaft bestellten öffentlichen Amtsträger hauchen dem Staatswesen den Geist ein, sie werden dazu mit der „erforderlichen Herrschaftsgewalt und Autorität ausgestattet“ (XVIII  2–3). „Aus der Wahl der Amtsträger … ergibt sich ihre Befugnis, die Rechte des Reichs zu verwalten“ (XVIII  25), welche in der Ausübung öffentlicher Dienste „die Bande und Nerven“ (XIV  2) der Gemeinschaft verleihen. Das berühmte Titelblatt des Leviathan stünde der Politica viel eher zu Gesicht als dem ungleich berühmteren späteren Werk. Hobbes erklärt geradezu die Körpermetaphorik des Althusius: „Indes erhellt aus dem Vorgehenden, daß der Inhaber dieser Gewalt … sich zu diesem Staate nicht wie das Haupt, sondern wie die Seele zum Körper verhält.“ Hobbes führt aus: „Mit dem Haupte kann man eher die Versammlung der Räte oder einen einzelnen Berater vergleichen, dessen Rat (…) der Inhaber der höchsten Gewalt in wichtigen Angelegenheiten benutzt; denn das Haupt hat die Aufgabe zu beraten, die Seele aber die, zu gebieten.“286

286  Hobbes,

Vom Bürger, VI  19 (146).



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Für Hobbes ist die Seele des künstlichen Menschen die Souveränität wie für Althusius die Souveränität die Seele des „mystischen Körpers“ ist (vgl. VI  16). Aber anders als für den Herborner liegt die Souveränität für den englischen Staatsphilosophen allein beim Magistrat und nicht beim Volk. Körper, Seele & Geist

Äußere Welt

Trieb

Frau

Verstand

Mann

Körper; mystischer Leib

Frau; Ehe; Staat

Seele

Mann; Souveränität; Gesetze überhaupt; Lebendiges /  beseeltes Gesetz: Höchster Magistrat

Geist

Verwaltung, Regierung, Gesetz

Kopf

Magistrat

Glieder

Volk

Füße

Kaufleute

Nerven

Öffentlicher Dienst

Augen, Ohren, Hände, Füße, Kräfte, Fähigkeiten

Volk

Augen und Ohren

Magistrat bzw. Kundschafter / Spitzel

Herz und Sinne

Ephoren

Der Herrschaft korrespondiert auf der anderen Seite die Untertanenschaft, die zwischen „völliger Knechtschaft“ und „völliger Freiheit“ steht (XXIV 18). Die Einwohner des Reiches (regnicolae) werden nach der Einsetzung der ­politischen Herrscher „kraft der durch das Volk übertragenen und gebilligten Verwaltung“ als Untertanen tituliert. Der Status beschränkt sich nicht auf Güter und Besitz, die die Untertanen in den Gemeinschaften der Güter und Leistungen einbringen, sondern erstreckt sich darüber hinaus auf die ganze Person (XX 2). Eine Unterwerfung der Person (juramentum subjectionis respectu personae) läuft Gefahr, als Totalität missverstanden zu werden. Dieser „Huldigung“ germanischen Ursprungs ist allerdings eine totalitäre Perspektive fremd. Als Untertanen folgen sie der Obrigkeit gehorsam, erbringen die ihnen auferlegten Dienste und stellen ihre Fähigkeiten im gebotenen Umfang zur Verfügung aus gemeinschaftsfreundschaftlichem Pflichtgefühl. Die Treue (fides) findet ihre Grenzen im rechtlich und sittlich Zumutbaren.287 Das Recht 287  Brunner

1984, 17  f.

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zum Widerstand zeigt nicht zuletzt, dass die politica keinen »Kadavergehorsam« fordert. Während der Phase der Einsetzung und aufgrund des Vorbehalts bei der Rechtsübertragung kommt den Untertanen eine Doppelstellung zu: als Gesamtheit sind sie „Herren dieser Leiter und Amtsträger“, zugleich als alle Einzelnen „Helfer und Diener“. Das Konzept der personalen Herrschaft wird bedingt durch das Konzept der nomokratischen Herrschaft. Wesentliches Element von legitimer Herrschaft (gegenüber bloßer Macht) ist die Beschränkung, der sie unterliegt. Der triebhafte Mensch wird durch Vernunft, Gesetz und Herrschaft im Zaum gehalten (vgl. I  39). Ebenso gilt das Gesetz als Schranke von Herrschaft und Herrscher (vgl. XVIII  35  f.; u. ö). Hinter dem Gesetz steht wiederum die menschliche Vernunft, die einesteils als Gesetzgeber fungiert und vermöge derer andernteils das göttliche Gesetz der Natur erkannt werden kann. Das Gesetz ist das geeignete äußere „Zwangsmittel gegen willentlich oder unwillentlich begangenes Unrecht“ der zur Herrschaft Berufenen und richtet sich als „das Versprechen der Bürgerschaft“ stets gegen Gewaltherrschaft (X  8). Darin liegt angesichts der Anfechtbarkeit menschlicher Herrschaft die Forderung nach einer »Herrschaft des Gesetzes«, die sich über den platonischen und aristotelischen Ansatz hinaus zu einem Rechtsstaatsprinzip entwickelt. Nach der Frage des Wesens von Herrschaft und der Zuweisung, wer ursprünglicher Inhaber der Herrschaftsgewalt ist, wendet sich Althusius in einer Staatsorganisationslehre der Organisationsstruktur von Herrschaft zu. Der Verfasser spricht von der „administratio juris universalis“ und ihren „species“. Unter administratio will er den „lebendigen Geist“ der Gemeinschaft verstanden wissen, so dass eine Übersetzung mit »Leitung, Führung, Regierung« geboten ist, die die »Verwaltung« in engerem Sinne umfasst.288 Die Befugnis, die bezeichneten Souveränitätsrechte des Reichs zu verwalten, ist politische Herrschaft im engeren Sinne. Sie ergibt sich aus der Wahl der Amtsträger. Die electio wird zur entscheidenden Voraussetzung der Legitimität, die zwei Perspektiven eröffnet (XVIII  7, 25). „Bei der Wahl und Einsetzung der öffentlichen Amtsträger ist die Aufgabe der Wählenden und die der Gewählten verschieden“ (XVIII  4 a. E.). Wenn Althusius eingangs davon spricht, dass ein glückliches und gedeihliches Leben Folge des übereinstimmenden Willens „von Gebietenden und Gehorchenden“ ist, bleibt noch offen, wie dieser Konsens hergestellt wird (I  12). Die Wahl der Gebietenden durch die Gehorchenden ist schließlich nur der Anfang des beständigen Ringens um Übereinstimmung. Herrschaft ist – trotz ihrer Not288  Eine weite Bedeutung von Administration begegnet heute noch im politischen System der Vereinigten Staaten. Janssen übersetzt administratio bevorzugt mit „Verwaltung“, was allerdings den Bedeutungsgehalt stellenweise zu sehr einengt.



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wendigkeit – „den Untertanen ihrem Wesen nach verhasst“ (XXIV  3). Ob unter der electio nun ein Erkenntnisakt über die Geeignetheit, eine Kür, oder eine im »freien« Wettbewerb stattfindende Auswahl zu verstehen ist, wer wählbar, wer wahlberechtigt ist und wie der Konsens aufrechterhalten wird, ist Gegenstand der weiteren Darstellung. 2. „Alles aus Einem“ Dem Titelbild der Politica ist ein Sinnspruch beigegegen, der im Spiegel des Werks mehrschichtig gedeutet werden kann. Er lautet: Omnia ex uno – Alles aus Einem. Dargestellt sieht man einen einzelnen Menschen, am Rande eines Flussufers kniend, der mit einem Krug Wasser schöpft und zugleich Vögel speist bzw. von den Vögeln Speisen gebracht bekommt. Wird damit nicht gerade das kontemplative Leben des Einsiedlers in der Einöde versinnbildlicht, dem Althusius so kritisch gegenübersteht? Nein, im Gegenteil: hier erfährt der Austausch einen gegenständlichen Ausdruck, hier wird einander mitgeteilt. Die Natur gibt dem Menschen, der Mensch den Tieren und umgekehrt. Der einzelne Mann steht für die Menschheit, nicht für sich allein. Er versinnbildlicht die »Person« des Gemeinwesens, das „Volk in einem Körper“. Das Bild ist zudem eine Metapher für Kommunikation. Es ist nicht das tätige Leben dargestellt, welches Kleidung (Hut, Mantel, Gewand, Stiefel) und Krug in einem kultürlichen Prozess hervorbringt, es zeigt vielmehr den tätigen Menschen im Einklang mit der größeren Ordnung der Natur. Die Szene, gleichsam am locus amoenus stattfindend, bedeutet, dass die Welt „aufgrund ihrer Unordnung“ deshalb nicht untergeht, weil in ihr eine „Symmetrie der Unterordnung“ und „bestimmte Herrschaftsgesetze“ wirken (I  35). Während die Darstellung auf eine bildnerische Vergegenwärtigung Gottes verzichtet, weist der Spruch auf das Metaphysische hin. Man kann den Spruch lesen als: Omnia ex Deo – alles von Gott. Mensch (Mann) und Tier (Vögel), Erde und Wasser, Natur (Pflanzen, Früchte) und Kultur (Kleidung, Krug), alles kommt von Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. So kommt letztlich auch politische Herrschaft von Gott. Der Verfasser der Politica verzichtet nicht auf den tradierten metaphysisch-theologischen Legitimationsgrund. Doch wie schon im Titelbild erkennbar, wird auf Gott nur indirekt zurückgegriffen. „Alle Gewalt kommt von Gott“, Gott ist Ursprung, das Volk ist (als Volk Gottes) jedoch Träger der Staatsgewalt. „Von hier aus geht nach Gott alle legitime Gewalt auf diejenigen über, die wir Könige oder Optimaten nennen“ (IX  22, Hervorheb. P.  K.). Und weiter: „Beide, der König und die Ephoren, sind sowohl vom Volk als auch von Gott eingesetzt. Von Gott mittelbar, vom Volk unmittelbar“ (XIX  69). „Alles aus Einem“ ist nicht in einem absolutistischen, personalisierten Sinne zu verstehen. Das „Eine“, aus dem alles folgt,

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ist die Sache der Souveränität. Die neuzeitliche Aufwertung des spezifisch Menschlichen in der Souveränitätslehre setzt sich in Althusius’ Herrschaftskonzept fort. Es zeigt sich sprachlich in der Verwendung des Wortes potestas als eines Verwaltungsbegriffs, der die Amtsgewalt umschreibt, die Magistrat und Ephoren ausüben, und die sich gegenüber der unbegrenzten Machtfülle des imperiums absetzt (vgl. statt vieler IX  21). Die Souveränität ist ein unteilbares Recht des Gemeinschaftskörpers, die ihr innewohnende Macht wird auf die administratio übertragen. Die universale consociatio beansprucht das Monopol auf diese Gewalt, die innerhalb der Verwaltung zur bestmöglichen Gewährleistung der Souveränität entfaltet wird.289 „Alles aus Einem“ bedeutet demnach die Monopolstellung im Hinblick auf die Souveränität und die ihr zugehörige Macht. Eine kontrollierte Ausübung der vielen Souveränitätsrechte innerhalb der administratio führt nicht zur Auflösung des unteilbaren jus majestatis. Das Stufenmodell der Konsoziationenlehre erklärt gegenläufig, dass sich das »Eine aus Vielem« ergibt. Solange die vielen Gemeinschaften noch nicht zu der einen universalen consociatio verbunden sind, nehmen sie ihre Rechte autonom wahr; es herrscht ein Gewaltenpolypol. Jedes Mal, wenn sich Konsoziationen miteinander verbinden, schließlich die universale Stufe erreicht ist, wandelt sich das »Gewaltenpolypol« ein Stück weiter auf das Gewaltenmonopol hin (vgl. statt vieler XIX  5). Dabei versteht sich das Monopol nicht lediglich als Quantität, sondern als eine Qualität. Ihr wesentlich ist, dass die einzelnen Konsoziationen ihr Recht auf Autarkie, gute Gesetzlichkeit und Ordnung nicht verlieren, sondern sich vielmehr durch den Gesamtverband gewährleisten. Sie erhalten von der universalen consociatio eine Gewähr dafür, was sie als Bedingungen der Möglichkeit eines Staates einbringen (vgl. XXXIX  84). Das Gewaltmonopol des Staates wird demnach nicht dadurch gefährdet, dass er die autochthonen Gewalten der unteren Konsoziationen unberührt lässt. Das Monopol beansprucht keine Totalität. Gegen Machtstaatslehren, denen ein totalitärer Ansatz innewohnt, formuliert der Autor der Politica mit ebensolcher Absicht: „Es ist zudem unwahrscheinlich anzunehmen, dass alle Bürger oder das Volk sich ihre Macht vollständig nehmen lassen sollten oder ausnahmslos schlechthin auf einen anderen übertragen und so ohne Notwendigkeit bewirken würden, dass ein der Korruption und Verderbtheit verfallener Herrscher mehr Macht als alle zusammen hätte, so wie wenn das Kind über seinem Erzeuger oder der Bach über der Quelle stünde“ (XVIII  9).

Diese Aussagen treffen avant la lettre gegen Hobbes’ künstlichen Menschen auf der einen, gegen die aliénation totale des Rousseau’schen Gemeinwesens auf der anderen Seite des Spektrums. Souveränität ist Macht 289  Ablehnend

Krawietz 1988, 398  ff.



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(potestas, IX  17) und als solche Schranken unterworfen. Wenn bei der Verwaltung „Gott und die Gesetze als übergeordnet anerkannt werden“ müssen, wird eine weitere Perspektive eröffnet, die sich ebenfalls im Sinnspruch des der Politica vorangestellten Titelbildes andeutet. Der Herrschaft haftet für Althusius etwas Göttliches an – dagegen ist die oberste Verwaltungsspitze nicht selbst göttlich (Die Herrschaft Gottes ist dem Magistrat nicht gewährt, XXXVIII  Überschrift zu § 34). Darauf stellt der Verfasser ab, sofern „Gott als Urheber der Einsetzung“ bezeichnet wird (XVIII  20). Es stellt das deduktive Element der Souveränitätslehre, die Legitimationskette »von oben nach unten«, der induktiven Konsoziationenlehre »von unten nach oben« gegenüber. »Staatssouveränität« und »Volkssouveränität« – gleichermaßen aus dem einen Gedanken des jus majestatis. Es verweist auf die transzendentale Dimension von Macht und Herrschaftsgewalt einerseits, von Souveränität andererseits. Althusius nimmt nunmehr eine scheinbar ambivalente Position ein, um Souveränität und Herrschaft zu legitimieren. Der Staatsdenker spricht von der „erhabenen Stellung“ des obersten Magistrats, „zu der Gott ihn emporgehoben hat“ (XX  13) sowie von der „verborgenen göttlichen Weihe“ (XIX  97). Der höchste Magistrat handelt „an Gottes Statt und Stelle“ (XXIV  38). Althusius äußert sogar, dass „die Person des Magistrats stets heilig, unverletzlich und in Ehren zu halten“ ist (XX  16). Die höchsten Magistrate werden zu „Typen“ (quasi typum) göttlicher Macht und Erhabenheit, göttlichen Ruhms, Milde und Fürsorge stilisiert (XIX  98).290 Zugleich stellt der Autor die majestas als ein Recht, als einen Anspruch dar, der innerweltlich „begründet“ wird. Dabei wird nicht auf die majestas Gottes zur Begründung der Souveränität zurückgegriffen (z. B. IX  1, 16). „In der universalen … Gemeinschaft verpflichten sich mehrere Städte und Provinzen … durch gemeinsame Kräfte und Leistungen zur Begründung (Hervorheb. P.  K.), Ausübung und Verteidigung des Rechts der Souveränität (jus regni).“ (IX  1)

In der Folge dieser Argumentationsweise tritt das Volk als Urheber legitimer Herrschaftsübertragung auf (XVIII  18). Daraus leitet der Staatslehrer die Forderung ab, dass – „wenn es gerecht und ohne Tyrannis zugeht“ – politische Herrschaft „nur vom Gemeinwesen selbst eingesetzt werden kann“ (ebd.). Es stehen sich zwei ambivalente Positionen der Staatsdoktrin gegenüber. Diese Aussagen lassen sich nur dann spannungsfrei mit seiner Souveränitätslehre und der Kritik an den absolutistischen, zumal auf ein Gottesgnadentum abzielenden Staatstheorien Bodins und Barclays in Einklang bringen, wenn man Amt und Amtswalter als getrennte Sphären ansieht. Denn die Würde des Amtes ist nur dann gleichsam göttlich zu nennen, 290  Diese Aussagen übersieht Schmidt-Biggemann geflissentlich in seiner Darstellung über Althusius’ Politische Theologie, ders. 1988, 213–231.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

wenn sie von einer „gottlosen und frevelhaften“ Person des Magistrats geschieden wird: „Denn ein strafwürdiges und schlechtes Leben oder der Unsegen des Magistrats tut seiner Würde (d. h. der Würde des Amtes, P.  K.) keinen Abbruch“ (XX  11, 14; vgl. auch XXXVIII  4, u. ö.). Das göttliche Attribut der Herrschaft wird unter säkularen Anwendungsbedingungen zum Erhabenen. Es ist nicht eigentlich Gottes widerspruchsfreie Herrschaft, die die weltlichen Herrschaftsorgane stellvertretend (zuweilen gegeneinander) auf Erden ausüben. Gleichwohl ist die Herrschaft bzw. das Amt als göttlich zu bezeichnen, weil ihr in einer kontingenten Welt nichts Vergleichbares entspricht. Der transzendente Bezugsrahmen soll ein vordergründiges Gegeneinander von Staatssouveränität bzw. Staatsräson und Volkssouveränität aufheben. Dem politischen Denker geht es um die Homogenität von Souveränität, Herrschaft und Legitimität, die er als Strukturelement seiner politiktheologischen Konzeption aus dem Wesen Gottes entlehnt. Die Administration hat eine Doppelstellung von Herrschaft und Dienerschaft inne, ohne dass sich diese aus zwei voneinander unabhängigen Legitimationsgrundlagen ergibt. Administration bedeutet stets Dienerschaft, zum einen, weil sie als Herrschaft dem Volk dient, zum anderen eine Dienerschaft gegenüber Gott, die, weil das Volk zugleich das Volk Gottes ist, wiederum Dienst und Dienerschaft am Volk Gottes darstellt (XVIII  44, 45; u. ö.). Den gemeinsamen Nenner der auseinander liegenden Argumentationsweisen bildet das Naturrecht: „Denn das Naturrecht und Gott als Schöpfer der Natur und des Rechts hat jedem Volk die volle und freie Fähigkeit gegeben, sich selbst zu regieren“ (XVIII  59). Althusius paraphrasiert Danaeus: „Denn das Volk geht seiner Natur nach sowie in zeitlicher Hinsicht betrachtet seinen Regenten voraus, es ist mächtiger und steht höher als diese“ (XVIII  8). In seinen eigenen Worten führt er aus: „Denn zuerst hat sich das Volk zu einer Art Körper mit festen Gesetzen zusammengeschlossen. Es hat sich im Hinblick auf die Gemeinschaft notwendige und nützliche Rechte gegeben und sodann ihre Verwaltung, die es in keiner Weise selbst ausüben konnte, den von ihm gewählten Amtsträgern und Leitern anvertraut, diesen zur Ausführung ihrer Aufgabe die notwendigen Machtbefugnisse übertragen, sie hierfür mit dem Schwert gerüstet und sich ihrer Regierung und Fürsorge anvertraut“ (XVIII  10).

Von diesen Grundannahmen ausgehend fügt der Verfasser seine Schriftauslegung von Röm 13 hinzu: „Gott [hat] allen Völkern nach dem Recht der Natur selbst die freie Gewalt gegeben […], sich Fürsten, Könige und oberste Magistrate zu geben, und zwar so, dass jedes durch göttliche Fügung und das Licht der Natur angeleitete Gemeinwesen die politische Gewalt, die es besitzt, auf einen oder mehrere übertragen kann.“ (XVIII  20) Legitimität erhält die althusische Herrschaftskonzeption, wonach die Herrschaftsunterworfenen selbst bestimmen, wer sie regieren soll, nur noch



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mittelbar von Gott. Das Selbstbestimmungsrecht des Volkes ist gleichermaßen legitimiert a recta ratione & jure gentium wie durch göttlichen Ratschluss (XVIII  16, 59). Dieses Ergebnis, dass die Leiter der Herrschaftsgewalt „vom Volk selbst eingesetzt“ wurden, ist aus der Geschichte des jüdischen Volkes zu schlussfolgern und findet sich „sogar in Indien bei den Heiden“ (XVIII  18). Für das jüdische Volk bestand noch eine ganz außergewöhnliche Beziehung, dem von Gott selbst seine Regenten gegeben wurden.291 Nach dem Auszug aus Ägypten stellt Gott für das israelitische Volk die geschichtlich unmittelbar fortwirkende, für die übrige Völkergemeinschaft transzendentale mittelbare Bezugsgröße dar. Zur entscheidenden Aussage der Allgemeinen Staatslehre gegen die Legitimität eines Gottesgnadentums wird, dass weder Gottes unmittelbarer (noch mittelbar erkannter) Wille auf eine Souveränität eines einzelnen Herrschers gerichtet ist (vgl. auch XXVIII  22). Der Sitz weltlicher Souveränität in der universalen Gemeinschaft folgt sogleich auf Gottes Souveränität und lässt keinen Raum für die eigenständige Souveränität eines Herrschers von Gottes Gnaden. Nach seiner Doktrin bekommen die Herrscher die Souveränitätsrechte zur geflissentlichen Ausübung übertragen. Die Abkoppelung entwickelt sich zum kennzeichnenden Zug neuzeitlichen politischen Denkens. Gleichwohl versucht Althusius, sein personales und gesetzliches Herrschaftskonzept theologisch zu untermauern. „So sagt man, dass auch der allmächtige Gott das nicht tun kann, was schlecht ist und seiner Natur widerspricht“ (XIX  11)

Damit begibt er sich auf das Feld philosophisch-theologischer Streitfragen, die er eigentlich aus der Politik fernhalten will. Zwei Standpunkte stehen zur Diskussion: Das Gute ist gut, weil Gott es will. Er hat die Welt aus freiem Willen geschaffen, sie hätte auch anders werden können, wenn Gott es so gewollt hätte. Die Welt existiert kontingent. Gegen die etwa von Johannes Duns Scotus vertretene Gotteslehre, die auf Gottes souveränen Willen als Grund allen Seins abstellt, stehen andererseits Thomas von Aquins intellektuelle Kategorien: Danach stimmt der Wille Gottes stets mit seiner gesetzten Ordnung überein: Gott will das Gute, weil es gut ist.292 Geht der politische Denker Althusius auch von einer kontingenten Welt aus (Vorwort 1603, 21), so vollzieht er im Hinblick auf den Anspruch der plenitudo potestatis des absoluten Herrschers einen gewagten Sprung. Da selbst 291  Auf diesen Aspekt verkürzt Winters die Rechtfertigung von Herrschaft. Er spricht richtigerweise vom foedus Gottes mit dem auserwählten Volk, übersieht aber, dass Althusius den alten Bund zwischen Gott und dem jüdischen Volk weiterentwickelt, ders. 1995, 45. 292  Ingham 2003, 108–114; Hägglund 1997, 144; Böckenförde 2002, 270  f. Sofern Althusius Scotus zitiert, ist Johannes Scotus (Eriugena) (†  um 880) gemeint.

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der Allmächtige nichts Unrechtes wollen kann, gilt dies als zwingendes Vernunftargument gegen einen Absolutheitsanspruch eines weltlichen Herrschers (vgl. auch XXXVIII  130). Deutlich tritt Althusius’ distanzierte Einstellung gegenüber einem strengen theologischen Naturrecht zutage. Nach der hier angestellten Untersuchung liegt gerade in der Säkularisierung und Überwindung göttlicher Unmittelbarkeit die althusische politische Gotteslehre. Sie liegt gleichsam in der Reduzierung. Seine politische Theologie gründet sich nicht mehr allein auf den Glauben an die göttliche Offenbarung.293 Das Subjekt politischer Autorität, auf das Herrschaft auszurichten ist, bildet das Volk, in letzter Konsequenz auch ein Volk, dem der Glaube in nicht homogener Weise offenbart ist. 3. Herrschaft in den Gemeinden Die Frage nach legitimer Herrschaft stellt sich schon in den kleineren Teilgemeinschaften, den Gemeinden. Auch dort gilt die Dichotomie von Befehl und Gehorsam (V  22, 26, 34, 49, 50 a. E.). Zu bestellen sind neben dem Ortsvorstand, der wiederum aus einer oder mehreren Personen bestehen kann, Beisitzer (adsessores) sowie ordentliche und außerordentliche Senatoren. Gemeinsam bilden sie den Senat (V  50). Eine direktdemokratische Regierungsform bleibt für den Autor der Politica außer Betracht, da bereits auf dieser Stufe „sich das Volk nicht selbst regieren kann“ und eine so große Menschenmenge („in tanta hominum turba“) nur schwer zusammenkommt (V  54). Neben einer politischen Führung im engeren Sinne verfügen die Kommunen ab einer gewissen Größe über einen öffentlichen Dienst, der die Verwaltung der örtlichen Angelegenheiten übernimmt (vgl. V  69; VI  30). Die Entscheidung, ob einer oder mehrere regieren sollen, ist pragmatisch je nach Größe der Gemeinde und Menge der zu erledigenden Aufgaben zu treffen (V  51), was ebenso für die Anzahl der zu bestellenden Senatoren gilt (V  60). Der in einer Stadt zu bildende Senat steht der monarchischen oder aristokratischen Spitze zur Seite, wobei die Aufgabenverteilung und -wahrnehmung in kollegialer Weise (collegialiter) geschieht. Machtbalance und Machtverteilung auf gemeindlicher Ebene vollziehen sich unter dem Gebot genossenschaftsfreundlichen und -treuen Verhaltens seiner Mitglieder (V  53 i. V. m. IV  23). Bereits für die kommunale Organisationsebene wird auf das Argument der Praktikabilität verwiesen (V  54). Für kleinere Kommunen wie Weiler und Dorf kann dies letztlich nicht überzeugen. Umgekehrt bedeutet dies aber, dass Althusius grundsätzlich von der 293  Anders Schmidt-Biggemann 1988, 224–31, der das souveräne Volk mit der Religionsgemeinschaft in eins setzt und demnach das Volk als „nicht politisch“ definiert. Für ihn ist die Konfession „der Rahmen von Herrschaft und Volk“ (227).



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Quod-omnes-tangit-Regel ausgeht, wonach die Bürgerschaft als Ganzes (civium unitas) an Beratungen und Entscheidungen teilnehmen soll. Das aus Praktikabilitätsgründen stammende indirekte Element der Kommunalverfassung kommt jedenfalls dann zum Tragen, sofern die Menge der Bürger nur schwer zusammenkommt und keine Handlungsfähigkeit hergestellt werden kann, was regelmäßig bei den kleineren Kommunen nicht der Fall sein wird. Inmitten der althusischen Kommunalverfassungslehre steht die Übertragung und Auferlegung von Eingriffsrechten und Leistungspflichten in Bezug auf die Verwaltung und Leitung des politischen Lebens. Die Übertragung hat dabei grundsätzlich mit Zustimmung (consensu) der Herrschaftsunterworfenen zu erfolgen. In der Konsequenz seines Stufenmodells, die universale consociatio von unten nach oben aufzubauen, ist die Einsetzung eines kommunalen Senatskollegiums durch einen höheren Magistraten allein schon deshalb unzulässig, da die Provinz als nächsthöhere Stufe erst den kommunalen Gebietskörperschaften folgt. Gleichwohl durchbricht der Autor gelegentlich die ausgegebene Gedankenfolge, um seiner politischen Theorie diejenige Praxisnähe zu verleihen, die gemäß seinem Vorwort allein zulässige Berechtigung für Politikwissenschaft überhaupt sein kann. Althusius vermeidet dabei, vom Sein (Wirklichkeit) auf das Sollen (Theorie) zu schließen. Indes treten auf subtile Weise Legitimationsdefizite der Wirklichkeit zutage. Fraglich ist, woher die Senatoren genommen, wer sie beruft, und schließlich, auf welche Weise sie bestellt werden. Die historische Forschung hat für die Reichsstädte allgemein die Ratsverfassung als verfassungsrechtlichen Rahmen des Stadtregiments ergeben und dabei auf die Oligarchisierungsund Hierarchisierungstendenzen alter und neuer Eliten hingewiesen. Demzufolge habe die Bürgerschaft der Reichsstädte vielerorts zunehmend die Stellung eines „Objekts der Ratsherrschaft“ eingenommen, ohne indes einen partizipatorischen Anteil zu besitzen.294 Ob sich diese Einschätzung am Beispiel der Allgemeinen Staatslehre bestätigen oder etwa korrigieren lässt, ist aus den Kapiteln 5 und 6 der Politica zu entnehmen. „Der Senat ist ein Kollegium kluger, sehr integrer ausgewählter Männer, dem die Sorge für die Angelegenheiten der Stadt und ihre Verwaltung anvertraut ist.“ (V  54)

In dichter Weise werden in einzelnen Paragraphen vorhergehende Überlegungen neben andere, mitunter kaum entwickelte oder gar nicht erklärte Alternativkonstruktionen gestellt, damit relativiert und zur Disposition gestellt. Eine direkte Wahl der Senatoren (und Beisitzer) durch die Bürger 294  Rabe

1989, 439  f.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

wird nicht thematisiert. Unterdessen heißt es: „Die Senatoren werden vom Senatskollegium gewählt oder auch von bestimmten Wahlmännern, die von der Körperschaft eingesetzt sind.“ (V  60) Damit sind zwei Alternativen in einem indirekten Wahlverfahren gegeben. Die Senatoren wählen sich selbst (undemokratisch) oder werden von einem näher zu bezeichnenden Wahlmännergremium (indirekt demokratisch) gewählt. Der Politiklehrer fährt fort, indem er eine weitere Verfahrensalternative benennt, nach welcher die Amtseinsetzung von einem Zustimmungsakt des höheren Provinzpräfekten abhängt: „In einigen Städten werden die Senatoren und Konsuln aber auch in doppelter Anzahl gewählt, aus der der Fürst oder Graf einer Provinz wiederum bestimmte aussucht und bestätigt.“ (V  60 und VI  52) Mit ebendieser Intention wird nebenbei darauf hingewiesen, dass den kleinstädtischen Senaten der Provinzfürst vorsteht, da sie „normalerweise … an der reinen oder gemischten Befehlsgewalt“ keinen Anteil haben (VI  48; vgl. XXXII 92). Diese Konstruktion entspricht politischer Realität, entfernt sich aber von den ansonsten entwickelten Grundsätzen kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Schließlich benennt der Autor das von ihm favorisierte Verfahren, das ebenso politischer Realität entspricht: „In anderen wiederum liegt die Wahl ohne Einschränkung beim Kollegium der Körperschaft oder den Zunftkollegien oder aber bei von den einzelnen Kollegien der Stadt hierzu abgeordneten Personen.“ (V  60) Eine direkte Wahl der Senatoren scheidet aber auch hier aus. Althusius beendet den Abschnitt über das Senatskolle­ gium in einem gleichwertigen Nebeneinander der Konstruktionen: „Heute besitzt der Senat an den meisten Orten eine Amtsgewalt, deren Umfang sich  nach den Privilegien bemisst, die er von seinem Oberherrn oder der  Körperschaft, die ihn eingesetzt hat, erhalten hat; deshalb ist sie an einigen Orten größer, an anderen wiederum geringer.“ (V  68, Hervorheb. P.  K., s. a. VI  48) Dem Darstellungsauftrag seiner politischen Lehre entsprechend bestimmt der Politikwissenschaftler weiterhin, wer die Vorsteher beruft und woher sie genommen werden. Der Präses wird „aus den Reihen der Bürger mit ihrer Zustimmung“ berufen und eingesetzt (V  22  ff.; 49; VI  44). Der Vorsteher eines Weilers wird ausdrücklich als „Gewählter“ bezeichnet (V  34). „Der Präfekt oder Obere einer Stadt ist der mit allgemeinem Auftrag von der Körperschaft eingesetzte Verwalter und Bürgermeister.“ (V  49) Aber wie bestimmt sich der „superior eminentior pagi“ (V  36) – ist hier eine Auswahl erforderlich oder liegt eher ein kürender Erkenntnisakt vor? Ob der oder die Vorsteher einer Stadt direkt von den stimmberechtigten Bürgern oder indirekt vom Senatskollegium gewählt werden, ist nicht festgelegt, sondern der örtlichen Sitte und Gewohnheit überlassen (vgl. V  66). Als actus contrarius steht eine Abberufung „durch die Stadt“ zu Gebote. Der „mit Zustimmung der Bürger eingesetzte Magistrat regiert und verwaltet gemäß den von ihr



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gebilligten Gesetzen“ gleichsam unter einer repräsentativen und indirekten Kommunalverfassung (VI  44). Der Umfang der Herrschaftsgewalt wird durch den körperschaftlichen Konsens unter den Bürgern näher bezeichnet (V  24). „In diesem Sinne vorgesetzt können sowohl ein Einzelner als auch eine Mehrheit sein, die jeweils die durch den körperschaftlichen Konsens näher bezeichnete Herrschaftsgewalt erhalten haben“ (V  23 a. E., Hervorheb. P.  K.)

Althusius versäumt es nicht, abschließend darauf hinzuweisen, dass eine Einsetzung des kommunalen Präfekten tatsächlich »von oben« durch den übergeordneten Magistraten erfolgt, was tendenziell seiner Kommunalrechtslehre zuwiderläuft (VI  52). „Heute besitzt der Senat an den meisten Orten eine Amtsgewalt, deren Umfang sich nach den Privilegien bemisst, die er von seinem Oberherrn oder der ihn einsetzenden Körperschaft erhalten hat.“ (V  68, Hervorheb. P.  K.)295 Als Untertanen der Körperschaft schulden die Bürger nur „gesetzmäßigen Beschlüssen“ Gehorsam (V  50). Die einzelnen Bürger sieht Althusius stets nur der gerechten Herrschaftsgewalt untergeordnet (z. B. V  22, 49, 50; u. ö.). Wenn nun die Bürger in ihrer Gesamtheit „untergeordnet und Gehorchende“ sind (so V  26), stellt sich die Frage, ob der Autor die vorherige begriffliche Trennung von Einzelnen und Gesamtheit aufgibt. Mithin würde das Postulat, das Staatsvolk sei souverän, nur dann für die staatliche Ebene überzeugend aufrecht zu erhalten sein, wenn »das Volk« nicht zeitgleich eine »Gesamtheit der Staatsbürger« darstellte. Althusius versucht die Spannung zu lösen, indem er die Gesamtheit der Bürger als „Untertanen der Körperschaft“, nicht der jeweiligen Organwalter begreift (V  26). Weiterhin stellt der Verfasser für die Ebene der consociatio particularis, genauer für die Gemeinden in Bezug auf das kommunale Repräsentationsorgan des Senats klar, dass es „keine so große Amtsgewalt, Autorität und Jurisdiktionsbefugnis wie die Körperschaft selbst“ hat (V  56). Von diesem Regelfall kann unterdessen aufgrund Gesetzes oder Vereinbarung abgewichen werden (ebd.). Damit schließt sich Althusius der Ansicht Losaeus’ an, weist aber auf die abweichende Meinung von Bartolus hin. Für die Souveränitätslehre bedeutet diese »Rechtsfreiheit«, dass der Gedanke der Unveräußerlichkeit missverständlicherweise aufzuweichen droht, da Rechtsverhältnisse zur ­Disposition gewillkürter Verabredung stehen und nicht länger die Stellung eines fundamentalen Leitgedankens seiner Staatslehre einnehmen (vgl. etwa XIX  74).

295  Unverständlich Hohberger, der umgekehrt – ohne Textbeleg – den Dorfvorsteher als Kontrollorgan der „nächsthöheren politischen Ebene“ sieht, ders. 2008, 89.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

4. Legitimierte Herrschaft in den Provinzen Ist in der deutschen Geschichtsschreibung seit langem der Untersuchung von Wahl und Kür der Kaiser durch die Kurfürsten breiter Raum eingeräumt, so ist das Feld auf der Legitimationsebene der Territorialstaaten weit weniger umfangreich bestellt. Für die Verfassung der deutschen Territorien lässt sich ebenso wie für das Reich eine Bipolarität zwischen Landesfürst und Ständen feststellen, deren konkrete Ausgestaltung allerdings von Territorium zu Territorium erhebliche Unterschiede aufweist.296 Beide sind zur Ausübung politischer Macht befähigt und zur Erlangung von Handlungsfähigkeit aufeinander angewiesen. Nach dem Augsburger Religionsfrieden (1555) wird allgemein ein zurückgehender Einfluss der Stände vermerkt, wonach die Politica als „Theorie des Ständestaats“ (Boldt) bei ihrem Erscheinen bereits einen reaktionären Platz in den Reihen der Staatslehren einnähme.297 Tatsächlich erlebt das Werk kurz nach dem Westfälischen Frieden von 1648 seine fünfte und letzte Auflage (1654).298 Althusius legt mit der „politischen Lehre von der Provinz“ ein eigenständiges Werkstück vor, welches den Leser erwarten lässt, dass es sich mit der Frage befasst, wie sich Herrschaft in den Provinzen legitimiert und ausgestaltet. Nach dem (von ihm zitierten) Werk Andreas Knichens De jure territorii (1600) unternimmt Althusius eine politische Bestandsaufnahme (VIII  77–87). Er versucht sich an einer überzeugenden Einordnung und Formulierung des Phänomens der Landesherrschaft im Spannungsfeld zwischen Hochgerichtsbarkeit und kaiserlichen Regalien, zwischen Grund- und Lehnsherrschaft, inmitten ständischer Mitbestimmung und fürstlicher Landeshoheit.299 Die althusische Provinzlehre betrifft zum einen die Begründung, zum anderen die Ausübung hoheitlicher Gewalt. Herrschaftsbeteiligt sind neben einem Präfekten die Stände. „Die Stände repräsentieren zusammen mit ihrem Präses die ganze Provinz. … Ihnen ist das Wohl des Gemeinwesens anvertraut.“ (VIII  5) Daher stehen beide Organe zur Legitimation an. Während die ständischen Vereinigungen in ihrer sozialen Ordnungsfunktion bereits in Kapitel 4 behandelt wurden (als Sozial- und Berufs­stände, vgl. VIII  68, 70) und hier eine nähere politische Ausgestaltung (als Land296  Boldt

1994, 180, 184; Rabe 1989, 435. 1998, 433–347; Willoweit 1997, 116  f. 298  Schmidt-Biggemann führt die »Unterbrechung« der Wirkungsgeschichte auf die „Inkonvienz von Staatsgrenzen und Konfessionsgrenzen“ zurück, ders. 1988, 231. 299  Zu Reich und Territorien: Willoweit 1997, 147–156; Boldt 1994, 152  ff.; 224  ff. m. w. N.; Press 1991, 110  ff.; Rabe 1989, 430–440; Zeeden 1976, 124  ff.; zu Knichen: Kroeschell 2001, 44; Quaritsch 1986, 79  f.; eingehender: Willoweit 1975, 121  ff. 297  Schilling



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stände) erfahren, stellt die Rechtfertigung der Herrschaftsbefugnis des Präses ein Novum dar. Den Grund (causa constituendi) dafür, überhaupt einen Vorsteher einzusetzen, sieht Althusius darin, dass „die öffentlichen Aufgaben … bei der Unterschiedlichkeit der Meinungen, der Uneinigkeit und den Konflikten der verschiedenen Stände der Provinz nicht gut von mehreren, schon gar nicht von allen in der rechten Weise sachgemäß und beständig verwaltet und geleitet werden [können]“ (VIII  52). Diese pragmatische Begründung basiert auf den bekannten zweckrationalen Erwägungen der Notwendigkeit und des Nutzens. Dem Präfekten obliegt die Leitung der Provinz und aller Provinzbewohner. Der Magistrat ist Präfekt der weltlichen und geistlichen Stände zugleich (VIII  50) und stets ein Ephor. Soweit er so genannter allgemeiner Ephor ist hat er eine Doppelstellung inne (XVIII  90). Danach ist er nicht allein der Provinz verpflichtet, der er vorsteht, sondern ihm ist darüber hinaus „die Sorge und Aufsicht des ganzen Reichs und all seiner Provinzen anvertraut.“ (XVIII  110) Als so genannter besonderer Ephor obliegt ihm »nur« die Leitung der Provinz. Er hat demnach ein »freies«, d. h. dem allgemeinen Staatswohl verpflichtetes sowie ein »gebundenes«, d. h. dem besonderem Partikularinteresse seiner Provinz dienendes Mandat (conventio mandati, XVIII  7). Zuallererst setzt sich die Politica mit der näheren Bestimmung der geeigneten Kandidaten auseinander, die die bürgerliche Gesellschaft in der Provinz (sic: societas civilis provincialis, VII  28) regieren. Es muss sich um „gute Bürger“ handeln, die das Gemeinwohl ihrem eigenen Interesse überordnen (VII  32; XV  13). Herrschaftsaufgaben werden „von einem Symbioten wegen des je Anderen übernommen“ (VII  13). Nicht mit dem Klugen, nicht mit dem wirtschaftlich Mächtigen, sondern vordringlich in sittlicher Hinsicht ist die Auswahl zu beginnen. Hier spricht nicht Machiavelli aus der Feder des Autors, sondern der Christ aristotelischer Prägung. Es folgt im ersten der beiden Kapitel über die „politische Lehre der Provinz“ ein Tugendkatalog, der sich in einer allgemeinen Ausformulierung auf private wie öffentliche Tätigkeiten bezieht (VII  19–25), sodann in besonderen Anforderungen an die Bewerber und Inhaber von öffentlichen Ämtern richtet (VII  32–39). Darin sind im Gegensatz zu den »überzogenen« Tugenden der Philosophen die „einschlägigen“ ethischen Voraussetzungen der Politik zu erkennen, wie der Autor sie in seinem Vorwort von 1603 ankündigt. Gemäß einer aristotelisch beeinflussten Überzeugung, „dass es den Mächtigeren und Klügeren angeboren ist, zu herrschen“ (I  38; s. a. VIII  50 „zum Regieren bestimmt“) sind den sittlichen zusätzlich intellektuelle Tugenden zur Seite gestellt. Von vornherein disqualifiziert sind für Althusius „ungebildete, vom Lande stammende, unwissende und unerfahrene Menschen“ (VII  40). In welchem Verfahren und durch wen wird nun über das Vorliegen dieser

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Qualifikationen entschieden? Zur Begründung legitimer Herrschaft auf der Ebene der Provinzen wird eine das Gemeinwesen im Allgemeinen betreffende Bestimmung getroffen: „Praestantissima est in administratione Reip. Magistratuum electio, quae non gratia, non fortuito, non suffragiis ignorantiae, aut multitudinis, sed consulto per delectos & prudentes  …“ (VII  40)

In negativer Abgrenzung qualifiziert sich die befürwortete Wahl (electio) zunächst als eine klare Absage gegenüber einer ausschließlichen Herrschaftsbegründung durch Gunst und Gnade. Ausgegrenzt wird folglich die reine Legitimation »gratia Dei«, von Gottes Gnaden ebenso das Erbfolgerecht und die Günstlingswirtschaft dynastischer Potentaten, aber auch eine königliche Entscheidungswillkür. Der ablehnenden Haltung gegenüber Nepotismus und Simonie entspricht in der politischen Theorie die zeitliche Begrenzung verliehener Privilegien, um so die Entstehung von wirtschaft­ licher und sozialer Macht durch Pfründe zu vereiteln (vgl. XV  12, 14; XXIX  24; XXXVII  45). Doch schon für das deutsche Gemeinwesen wird der Autor feststellen, dass die Provinzpräsiden „gleichsam mit ererbtem Recht für sich die Leitungsbefugnis in Anspruch“ nehmen (VIII  88). Mit einer Magistratswahl lässt sich die Praxis der Erbmonarchien in den deutschen Territorien nicht in Einklang bringen. Die electio praestantissima, die vortrefflichste Wahl heißt gleichzeitig eine Absage an den Zufall und an eine Wahl aufs Geratewohl. Sie ist gerade im entgegengesetzten Sinne eine »Bestimmung«. Die Wahl des Magistrats ist sodann keine Angelegenheit der Unwissenden. Folglich verträgt sie sich nicht mit der Abstimmung durch die Menge (multitudo), was eine Beteiligung aller Herrschaftsunterworfenen an der Wahl ausschließt. Es erweist sich der Vorbehalt des Autors gegen das Urteil der Masse als ein Argument gegen eine direktdemokratische Legitimation. Die Möglichkeit der indirekten demokratischen Legitimation ist jedoch gegeben. Im Abschlusskapitel zu seinem Werk wird Althusius theoretisch auch die Entscheidung durch das Los, bzw. durch »Deputiertenwahl« zulassen (XXXIX  74 Nr. 4; 63). Die Übertragung des Stimmrechts „auf einige mit Zustimmung des Volkes“ ist allerdings die bevorzugte Variante (ebd.). Positiv bestimmt sich die Wahl als ein Beschluss (consultum) einiger Beteiligter. Diese sind selbst bereits ausgewählt (delectos) und zeichnen sich durch ihre Klugheit (prudentes) aus. Aus diesem eingegrenzten Personenkreis werden wiederum die Hervorragenden („ex idoneis virtute praeditis & sapientioribus“) entnommen. Damit ist indes noch nicht festgelegt, ob es sich bei der Wahl der Letzteren um eine monarchische Spitze oder um eine aristokratische Personenmehrheit handelt, da sich die Verwendung des Wortes »Magistrate« (magistratuum) im Plural auf das Organ »Magistrat« einzelner, einem größeren Gemein­



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wesen angehörender Provinzen, aber auch auf deren Organwalter beziehen lässt. In den Ausführungen zu den Arten des obersten Magistrats wird dagegen selbst eine demokratische Provinzregierung anerkannt (XXXIX  10, 74). Nach den in Kapitel 4 benannten Kriterien stellen Magistrate selbst ein Kollegium, also eine Personenmehrheit dar (IV  24). Der Ausgrenzung der Menge von der Herrschaftskonstituierung korrespondiert auf der anderen Seite die Zurückweisung einer exklusiven Bestimmung durch Geburt und Geblüt. „Praestantissima est … electio“, am geeignetsten für ein Gemeinwesen ist die Wahl. Nicht allein durch die Wahl als solche, sondern zusätzlich durch die Inbezugnahme der Magistratsverfassung (Magistratuum electio), die bereits für die Ebene der Kommunen behandelt wurde, spricht der Autor einer Mediatisierung, in gewisser Hinsicht trotz des aristokratischen Wahlmännerkreises einer Demokratisierung provinzialer Herrschaftslegitimation das Wort. Der Pragmatiker versagt einer reinen Magistratsverfassung die Anerkennung, vielmehr besteht jeder Magistrat in einer Mischung aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Elementen (XXXIX  10, 23). Über die Eignung der Kandidaten, d. h. die Einschätzung über die Erfüllung der genannten sittlichen und intellektuellen Voraussetzungen urteilen mehrere »Sachverständige«. In der Wahl erfüllt sich die Bestimmung geeigneter Herrschaftsorgane am besten (vgl. XXXII  89). Hier wird erneut jeder willkürlichen, absolutistischen Tendenz der Herrschaftskonstituierung abgeschworen, wonach der jeweilige Präfekt seine eigene Herrschaft von der Beteiligung anderer oder die Nachfolgeregelung von der Wahl durch delectos & prudentes unabhängig zu machen sucht. Weitere Bestimmungen über das aktive und passive Wahlrecht werden im ersten der beiden Kapitel über die Provinz nicht getroffen. Erst aus dem die Verwaltungstätigkeit der Provinz behandelnden Kapitel  8 erhellt sich, dass der provinziale Magistrat der Politica die existierende landesherrschaftliche Ordnung nicht gänzlich in Frage stellt. Althusius spricht im 8. Kapitel hinsichtlich des weltlich-politischen Standes nicht länger vom Magistrat, sondern stattdessen von „Präfekt“ und „Präses“.300 Vorbehaltlich der näher zu bezeichnenden Beteiligungsrechte der Landstände an der Herrschaftsausübung ist der provinziale Magistrat der Graf oder der Provinzfürst (VIII  51). Schon in Kapitel 6 setzt der politische Lehrer den Präses einer Provinz dem kommunalen Senatskollegium, nicht den Bürgermeistern gleich, was zwar die starke Stellung des kommunalen Kollegiums unterstreicht (VI  52), andererseits eine Übertragbarkeit der kommunalen Magistratsverfassung auf die Ebene der Provinz nicht zulässt. Althusius erwähnt, dass die Präfekten der Provinz „in den meisten Regionen 300  Beachte allerdings die Gleichsetzung von Magistrat und Präses der Provinz in VIII  58.

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Europas Grafen genannt“ werden (VIII  50). Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass die Präsidien gleichsam naturgesetzlich aus dem Adel zu rekrutieren sind. Vielmehr heißt es, dass „der politisch-weltliche Stand (politicus secularis ordo, P.  K.) Verantwortung dafür [trägt], dass der Provinz tatkräftige, tapfere, mutige, in Rat und Tat entschlossene und in militärischen Dingen erfahrene Männer zur Verfügung stehen.“ (VIII  48) Der Adel ist – von Althusius im Deutschen als „Ritter-“ und „Wehrstand“ bezeichnet – lediglich einer von drei politisch-weltlichen Ständen, und damit nicht zwangsläufig mit dem – wiederum auf die deutschen Zustände bezogen – so genannten „Regierstand“ in eins zu setzen, auch wenn dies regelmäßig der Fall sein wird (VIII  40, 50; XIX  70). Der Auszug des Adels aus den Landtagen beförderte tatsächlich den fürstlichen Absolutismus.301 Daher erklärt sich, dass Althusius dem landständigen Adel mitunter das Wort redet, wenn es um die Besetzung des Personaltableaus geht. Andernorts will er dafür den Einfluss des Adels (und des Klerus) begrenzt sehen und befürwortet die Besetzung der Ämter mit Bürgern (XVIII  89, 113; XXVII  34; XXXVII  72). Überdies entwickelt der Autor die Figur des homo de medio als dem bestgeeigneten Träger öffentlicher Ämter und Dienste, dessen Eigenschaften sich nicht einem Stand zuordnen lassen. Soziale Stellung und Eignung für ein öffentliches Amt fallen daher in der politischen Lehre des Althusius nicht unbedingt zusammen (vgl. XXVII  6–9; 34). Ohne sich selbst und anderen aus dem „gemeinen Stand“ stammenden Amtsträgern – der Verfasser ist schließlich bei Erscheinen der dritten Auflage bereits Ratssyndikus und Mitglied des Rats und wird dem Konsistorium der Stadt Emden angehören – die Berechtigung zur Bekleidung öffentlicher Ämter abzusprechen, sieht der bürgerliche Autor die Hauptverantwortung des „gemeinen Standes“ jedoch darin, „dem Vaterland zu fleißigen und hervorragenden Kaufleuten, Bauern und Handwerkern zu verhelfen“ (VIII  48). Zum aktiven und passiven Wahlrecht fehlt allerdings auch in Kapitel 8 eine hinreichend konkrete Darstellung. Der Autor bleibt eine klare Ausgestaltung der Präfektenwahl sowie der Bestimmung der Wahlmänner schuldig. Der Leser hat sich an die häufigen »Verweise nach unten« zu halten, wonach die Ausführungen über den höchsten Magistrat für anwendbar erklärt werden, wie es in Kapitel 6 bereits im Hinblick auf die öffentlichen Aufgaben erfolgt ist. Wegen des Perspektivenwechsels von einer konstruktiven zu einer kritischen Argumentationsstrategie in den Kapiteln über die Provinz bereitet ein Rückgriff »nach oben« auf die Ausführungen über die Kommunen zusätzliche methodische Schwierigkeiten. Es bleibt demnach fraglich, ob für die Provinzen eine von den Wahlen in den Kommunen und der consociatio universalis major abzugrenzende Regelung eigener Art vor301  Rabe

1989, 435.



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liegt. Dem Leser, der sich Aufschluss über die Bestimmung der Wahlmänner sowie die Wahl des Präfekten erhofft, bietet sich ein widersprüchliches Bild. Einerseits wirbt Althusius in Kapitel 7 über die provinziale Rechtsgemeinschaft für eine Wahl des Magistrats durch bestimmte Wahlmänner (VII  40; XXXIX  74 Nr. 4). Da sich die Aussagen allgemein auf die Verwaltung eines Gemeinwesens beziehen (Praestantissima est in administratione Reip.) ist die Anwendung der Bestimmung auf die Provinz zulässig und geboten. In Kapitel 39 äußert der politische Lehrer gar, dass die mittleren Magistrate, d. h. die Provinzpräfekten „oft unmittelbar von der Vorherrschaft des Volks ab[hängen], das ihnen Vorschriften gibt, sie einsetzt und abberuft.“ (XXXIX  10). Andererseits lautet es im zweiten Kapitel über die provinziale Verwaltung, dass der Präfekt vom höchsten Magistraten „eingesetzt“ wird, „dessen Platz er gleichsam einnimmt“ (VIII  53–55) und dem die Verwaltung „vom Reich anvertraut“ wird (cui administratio provinciae & omnium provincialium a regno … demandata est, VIII  50; vgl. auch schon die Alternative in VII  30: eligendi vel vocandi; XXXIX  84).302 Verfolgt man zunächst Hinweise, die den ersten Argumentationsstrang stützen, wonach sich provinziale Herrschaft durch provinziale Partizipation legitimieren muss, so begegnet eine ganze Reihe von Lehrsätzen, die sich auf eine »gewaltenteilige« Herrschaftsausübung beziehen. „Die Stände repräsentieren zusammen mit ihrem Präses die ganze Provinz. In ihrer Beratung werden alle bedeutsameren Dinge behandelt. Ihnen ist das Wohl des Gemeinwesens anvertraut. Sie warnen den Präses der Provinz, wenn er Fehler macht, weisen ihn zurecht, wenn er seine Amtsgewalt missbraucht und bestrafen die, die ihn verführen und ihm schmeicheln.“ (VIII  5) „In schwierigen, die ganze Provinz betreffenden Angelegenheiten … unternimmt dieser Präfekt nichts ohne die Zusammenkunft und Zustimmung der Stände der Provinz.“ (VIII  50)303 „[S]ie (der Präses und seine Beamten, P.  K.) stehen auch nicht über den Ständen und sind im Landtag nicht deren Herren.“ (VIII  67) „Die Befugnis aber, Beschlüsse darüber zu treffen, die der Präses der Provinz vorgelegt hat, liegt … nur bei allen Ständen zusammen“ (VIII  69). „Denn niemand ist der Leitung öffentlicher Angelegenheiten und den ganz unterschiedlichen und vielfältigen Aufgaben einer Provinz gewachsen, wenn er nicht 302  Von

dieser Konstruktion geht Hofmann aus, ders. 1988, 529. anders XVIII  112: „Denn der Ephor wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen (paucis exceptis, P.  K.), in schwierigen, die ganze Provinz betreffenden Geschäften und Angelegenheiten den besonderen Landtag der Provinz, der aus ihren Senatoren, Ständen und Oberen besteht, einberufen, auf dem diese Fragen in gemeinsamer Beratung behandelt und entschieden werden.“ (Hervorheb. P.  K.) Die die Ausnahme begründenden Tatbestände werden nicht dargelegt. 303  Etwas

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

für einen Teil seiner Last aus jedem Bereich erfahrene, weise und tapfere Menschen hinzuzieht.“ (VIII  3) (Hervorheb. P.  K.)

Deutlich wird, dass Präfekt und Landstände zur Erlangung von Handlungsfähigkeit aufeinander angewiesen sind. Die Stände repräsentieren ihre Standesgenossen und werden durch ein zu bildendes Kollegium von „Vertretern“ handlungsfähig („beauftragt und instruiert“, VIII  49). In der Gesamtschau stellen die Stände das aristokratische Element der Mischverfassung dar (XXXIX  10, 14). Aus der starken Stellung der Stände und deren Beteiligungsrechten an der Herrschaftsausübung lassen sich Rückschlüsse auf die Konstituierung des Magistrats ziehen. Die Wahl des Präses als einem Vorsitzenden der Landstände unterläge demnach den allgemeinen, in Kapitel 4 dargelegten Bestimmungen, also dem Mehrheitsbeschluss eines näher zu bezeichnenden ständischen Wahlgremiums. Stützen ließe sich diese Annahme durch die Bezeichnung der Magistrate als „besonders wichtige Kollegien“ aufgrund ihrer Leitungsfunktion gegenüber allen anderen (IV  24). Es ist aber zu bedenken, dass Althusius in der Darlegung der auf den Präses bezogenen administratio in den §§ 50–92 nicht vom Magistrat, sondern vom „eingesetzten“ Präfekten und Präses spricht. Damit erübrigen sich Ausführungen zur Wahl, da sich die Einsetzung zu einem »Diktat von oben« kristallisiert. Der Präfekt einer Provinz wird von einem Oberherrn als Statthalter „eingesetzt“, und nicht von den Provinzständen „gewählt“. In § 50 (VIII) heißt es gar, die Leitung sei „vom Reich anvertraut“, so dass sich eine weitere Legitimationsoption ergibt, wonach nicht der höchste Magistrat, sondern das universale Gemeinwesen als Stifter provinzialer Hoheitsgewalt fungiert (s. a. IX  27; XVIII  69 a. E.). Diese Option wird indessen nicht weiter verfolgt. Stattdessen hat der Statthalter eine „vom Einsetzenden vorgegebene und begrenzte Herrschaftsgewalt in seiner Provinz, und zwar aufgrund der Bewilligung des Einsetzenden“ (VIII  55; IX  27; vgl. auch XVIII  111  f.). Dies findet sich im Schlusskapitel der Politica erneut bestätigt und wird nunmehr sogar auf die Städte erweitert: „Derartige Leiter von Städten und Provinzen, die Amtsträger ihrer Oberherren sind, haben keine eigene Herrschaftsgewalt, sondern machen nur von der Herrschaftsgewalt der sie beauftragenden Oberherren Gebrauch. … Wenn daher der Auftraggeber ein Fürst, König oder Monarch ist, dann ist auch die Herrschaft der Stellvertreter, selbst wenn es mehrere sind, nicht als aristokratisch, sondern eher als monarchisch zu bezeichnen, zumal sie in ihrer Herrschaft, ihrer Willensbildung, ihren Ansichten und in ihrem Handeln einen Einzigen repräsentieren müssen, nämlich den sie beauftragenden Oberherrn“ (XXXIX  84).

Die Widersprüchlichkeit löst sich auf, sofern man auf getrennte Aufgabenbereiche der Provinz abstellt. Stehen Reichsangelegenheiten im übertragenen Wirkungskreis der Provinzen inmitten, handeln die minister „in den Angelegenheiten, die sie gemäß dem Zweck des erhaltenen Auftrags ausfüh-



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ren“ als Statthalter des obersten Magistrats. Sind dagegen rein innerprovinziale Angelegenheiten zu besorgen, handelt er »autonom« als Inhaber der Landeshoheit. Im eigenen Wirkungskreis verfügen die Provinzen über eine eigene Rechtsordnung und eine eigene Verwaltung, die „oft in einigem besondere und vom Recht des ganzen Reichs abweichende Gesetze“ haben (XXXIX  58). Davon unberührt bleibt, dass die administratio in den Provinzen als Gliedstaaten auch Staatsverwaltung ausführen muss. Der Verantwortung gegenüber den Ständen tritt dann eine Rechenschaftspflicht des Präfekten gegenüber dem ihn einsetzenden Magistrat hinzu (VIII  91; u. ö.). Unausgesprochen bleibt indes, dass der oberste Magistrat denjenigen als Präfekten einsetzt, der zuvor von den Ständen »gewählt« werden soll. Als tragfähig erweist sich allenfalls die Aussage, dass die Provinzmagistrate „oft unmittelbar von der Vorherrschaft des Volks ab[hängen], das ihnen Vorschriften gibt, sie einsetzt und abberuft.“ (XXXIX  10) Althusius befürwortet politiktheoretisch die Wahl eines Provinzmagistrats durch ein provinziales Wahlgremium (VII  40; XXXIX  10, 74 Nr. 4). Daher kann das Verfahren der Erbmonarchie und Primogenitur in den deutschen Territorien nicht den Beifall des Autors finden, in dem „gleichsam mit ererbtem Recht … die Leitungsbefugnis in Anspruch“ genommen wird (vgl. auch XXXVII  48). Mit kritischer Intention setzt er daher kontrastierend hinzu, dass „bei den Römern solche Präsiden nur befristet oder auf Lebenszeit über die Provinzen eingesetzt wurden.“ (VIII  84, 88) Als ein Desiderat seiner politischen Theorie bleibt übrig, den Legitimationsakt der Wahl superlativisch als »das Vortrefflichste« für jedes Gemeinwesen zu bezeichnen (VII  40). Allgemeine Staatslehre und politische Theorie treffen in nicht übereingehender Weise aufeinander und gehören in ihrer parallelen Darstellungsweise zum Kennzeichen der Politica. In der Folge wendet der Autor seinen Blick wieder auf die Darstellung der politischen Lehre der Provinz. Danach ist „der Grund der Einsetzung Notwendigkeit und Nutzen der Provinz“ (VIII  52). Der Provinzialpräfekt bzw. Statthalter soll ein Einheimischer sein (Indigenat), da Althusius eine solcherart verstandene »Fremdherrschaft« zu den Gründen des spanischniederländischen Krieges zählt (VII  41 a. E.). Die zuvor beschriebene Bipolarität der Herrschaftslegitimation setzt sich fort in der Herrschaftsausübung, in der der Präfekt sich zwei Gewalten gegenübergestellt sieht. Zum einen besteht ein Abhängigkeitsverhältnis des Präfekten von seinem Oberherrn durch den Einsetzungsakt bzw. die Einräumung von Hoheitsrechten und eine korrespondierende Rechenschaftspflicht (der für die dem Deutschen Reich unmittelbar angehörigen Provinzen der Kaiser ist, VIII  88–91). Zum anderen übt er seine Herrschaft in Übereinstimmung mit den Landständen aus, denen weitgehende Partizipationsrechte eingeräumt sind. „Der Präfekt

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

pflegt mit diesen Ständen Frieden und Eintracht und stellt so seine Herrschaft auf eine sichere Grundlage“ (VIII  50 a. E.) Damit steht auch provinziale Herrschaftsausübung im Spannungsgefüge von kaiserlicher Oberherrschaft (VIII  50, 53–55; XXXIX  84) und ständischer Beteiligung (VIII  3, 5, 50, 67, 69). Insbesondere die eingehenden Ausführungen zum geistlichen Stand weisen eine Unverhältnismäßigkeit zur Legitimationsgrundlegung der Regierung auf. So sehen die Wahlen zu den kirchlichen Sprengeln, Kollegien und Gremien die „Zustimmung und Billigung der Gemeinde“ vor (VIII  6, 18, 22). Soweit der geistliche Stand, vergegenwärtigt im Kollegium der Presbyter, hoheitliche Herrschaft ausübt, hat er „[z]ur Erfüllung und Durchführung dieser Aufgabe … von Gott die Schlüsselgewalt (potestatem clavium, P.  K.)“ empfangen (VIII  16), worunter der Autor Aufgaben der Sittenzensur und Kirchendisziplin verstanden wissen will (vgl. XXX  28; VIII  14).304 In Bezug auf die geistlich-kirchlichen Angelegenheiten ist der Provinzmagistrat sogar selbst der Leitung des geistlichen Standes „unterworfen“ (VIII  32). Zur Legitimation durch Wahl tritt der Anspruch durch göttliche Legitimation hinzu. Für die weltlichen Landstände bleibt es indessen bei den allgemeinen Schriftbelegen aus den Büchern Mose. Bemerkenswert ist nun, dass der entsprechende Passus für den Provinzpräfekten gänzlich ohne Bezugnahme auf göttliche Rechtfertigung formuliert ist und vielmehr im weltlichen verharrt: „Um diese Aufgabe durchführen zu können, hat der Präses die höchste Herrschafts- und Jurisdiktionsgewalt (potestatem & jurisdictionem supremam, P.  K.) in seiner Provinz“ (VIII  57; vgl. auch XVIII  69–80; 112). Das provinziale Territorialrecht ebenso wie das – in der historischen Entwicklung der deutschen Territorialstaaten so wichtige – Bündnisrecht ist indessen von der Souveränität abzugrenzen.305 Diese politische Herrschaftsgewalt ist zwar ebenfalls derivativer Natur, allerdings nicht göttlichen Ursprungs, sondern sie entstammt innerweltlich aus der superioritas des höchsten Magistrats. Eine absolutistische Landesherrschaft »von Gottes Gnaden« lässt sich mit Althusius jedenfalls nicht begründen. Die Formel ist bloßes Anerkenntnis einer Schuldnerstellung aus dem ­Religionsvertrag, hingegen keine Legitimationsgrundlage für Herrschaft (XXVIII  21, 22). Insbesondere gegen Barclay verteidigt Althusius seine Position, dass nicht allein „unter demokratischem Status“, sondern selbst in der Monarchie die Legitimation der Herrscher nicht auf einem Gottesgnadentum beruht (XXVIII  22, 23; vgl. auch XXXVIII  81 oder Überschrift zu § 34: An der Herrschaft Gottes hat der Magistrat keinen Anteil). 304  Der Ausdruck »Schlüsselgewalt« ist nicht in einem rein politischen Sinne zu deuten. Er ist als terminus technicus Gegenstand der reformatorischen Lehren ­Luthers, Melanchthons und Calvins, vgl. den gleichnamigen Artikel von Haendler 1995, 82–83. 305  Willoweit 1997, 146 / 7; 174  f.



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Das Kompetenzverhältnis des Provinzpräfekten zum obersten Magistrat ist wegen der Legitimationsproblematik und des Einsetzungsverfahrens näher zu beleuchten. Die Bestimmung dieses Verhältnisses fällt im Vergleich zu den freien Reichsstädten, denen staatsorganisatorisch der gleiche Rang wie den Provinzen zukommt, ungleich umfangreicher aus. Dort begnügte sich der Autor mit dem Verweis auf den Vorbehalt der universalen Jurisdiktion (VI 48; XXXIX 84 f.). Die Unterordnung bezieht sich zunächst auf den Fall, dass eine Provinz unmittelbar dem Reich angehört, der Präfekt unmittelbar dem höchsten Magistraten „untertan“ ist (VIII 53–55; 88–91; vgl. auch XXXII 92–94). Der oberste Herrscher wird als „Einsetzender“ bezeichnet, wodurch ein Über- / Unterordnungsverhältnis entsteht – wie späterhin in Bezug auf seine eigene Stellung das Volk über ihm steht. Dem obersten Magistrat gebühren in diesem Verhältnis die Oberhoheit, die Vorrangstellung, das Recht der universalen Jurisdiktion und weitere Vorrechte (VIII 53; XVIII 69 ff., 112). Der Eingesetzte ist gleichwohl nicht bloß ausführendes Werkzeug eines zentral steuernden Machtzentrums, so viel und so wenig die Politica einen Zentralismus propagiert. Trotz des formalen Rangunterschiedes stehen dem Provinzfürsten jura majestatis et principis zu, unter denen indessen nicht eigene Souveränitätsrechte zu verstehen sind, sondern in der Art, wie sie auch dem höchsten Magistrat zukommen. Wenn schon dem obersten Magistrat nur die Ausübung, nicht die Inhaberschaft der Souveränität zukommt, dann gilt dies erst recht für die mittleren Magistrate. Sie haben in ihren Territorien das Recht der Oberhoheit (superioritas, VIII 53; XVIII 112). Dagegen stellt der Autor klar, dass der Präses kein „autonomer Herrscher so wie der höchste Magistrat“ (sic!) sei (VIII 55). Das Kompetenzverhältnis steht erneut zur Diskussion, wenn Althusius die Befugnisse der Provinzpräfekten (als den Ephoren des Reichs) gegenüber dem höchsten Magistrat darlegt (XVIII 69 ff.). An anderem Ort zieht er sich wiederum allgemein auf die Gegenüberstellung zweier Rechtsansichten zurück: Der Provinzfürst hat in seinem Territorium „eben die Befugnis und das Recht, das dem obersten Magistrat im ganzen Reich zusteht“, andererseits setzt er die Meinungen Paurmeisters, Erenbergks und Rosenthals dagegen, die eine Mitregierung der Landstände befürworten (XVIII 112). Althusius lässt an dieser Stelle (XVIII 112) im Unterschied zur vorherigen Darlegung (VIII 50) offen, ob er sich der letzteren Ansicht anschließt, die eine Partizipation der Reichs- und Landstände in allen Angelegenheiten begründet. Hier entsteht nun eine Inkonsistenz: Stellt er einerseits die Herrschaftsgewalt des Provinzmagistrats als Nachbildung der Amtsgewalt des obersten Magistrats (nach Gail, Wesenbeck, Boerius), andererseits – unter Berufung auf andere Reichspublizisten (Paurmeister, Waremundus de Erenbergk) – als eine Mitregierung der Landstände dar, so ergibt sich daraus, dass die Differenz in einer ständischen Partizipation an der Herrschaftsausübung liegt. Im Hinblick auf die erste Alternative steht nach der althusischen

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Lehre den Ephoren auf Staatsebene keine echte Mitregierung zu. Der politische Denker spricht lediglich von „Rat und Hilfe“ (consilium), die sie der obersten Regierungsbehörde „in allen öffentlichen schwierigen Angelegenheiten des ganzen Reichs“ erteilen, die auf den Versammlungen und Zusammenkünften kommuniziert werden. Dies spricht dafür, Althusius zur ersten Riege zu zählen. Nun favorisiert der Autor auf provinzialer Stufe, das „alle bedeutsameren Dinge“ mit den Ständen gemeinsam beraten werden (VIII 5, 64–70). Die Befugnis, Beschlüsse darüber zu fassen, liegt „nur bei allen Ständen zusammen“ (VIII 68). Diese Mitregierung findet eine Stütze über den Verweis in Kapitel 8 § 65 auf das Kapitel Über die universalen Versammlungen (XXXIII). Dort nämlich soll alles behandelt werden, was das ganze Reich betrifft (XXXIII 3). Daraus folgt, dass sich die beiden geschilderten Alternativen angleichen; schon eine Nachbildung der provinzialen Amtsgewalt bedeutet eine Partizipation der Stände an der Regierungsausübung. Die Herrschaftsgewalt des Provinzmagistraten ist jedenfalls keine originär-souveräne, sondern eine abgeleitete und entziehbare. Er ist stellvertretender Statthalter in Reichsangelegenheiten der Provinz. In Provinzangelegenheiten teilt er seine Gewalt mit den Landständen (XVIII  112). Die ­anti-absolutistische Grundhaltung verstärkend übt er gemeinsam mit den Landständen, die ihre Legitimation nicht auf den höchsten Magistrat zurückführen, Herrschaftsgewalt aus. Bemerkenswert ist, dass in den Provinzkapiteln zur Argumentation nicht auf die Volkssouveränität zurückgegriffen wird. Im Gesamtzusammenhang der universalen consociatio steht eine »Souveränisierung« seiner Glieder nicht an. Im Hinblick auf die Regierungstypen Monarchie, Aristokratie, Demokratie in den Provinzen und größeren Stadtgemeinden geschieht eine Charakterisierung und Zuordnung „mit weniger Berechtigung.“ (XXXIX  84) „Oft sind sie (die mittleren Magistrate, P.  K.) auch unmittelbar von einem Einzelnen abhängig, der vorherrscht, dann spricht man von einer Monarchie. Häufig sind die von mir genannten mittleren Magistrate und Stände von zwei, drei oder vier dieser Vorherrschenden abhängig, dann ist von einer Demokratie die Rede“ (XXXIX  10  f.). Die Bezeichnung der Regierungsform richtet sich nach den tatsächlich vorherrschenden Machtverhältnissen, die stets in einer Mischung auftreten (vgl. XXXIX  23, 84). Des ungeachtet lassen die überkommenen Regierungstypen allesamt die gesamtstaatliche Volkssouveränität unberührt (XXXIX  3). „Mit weniger Berechtigung“ geschieht diese Zuordnung der Untergliederungen also in Bezug auf das Ganze (XXXIX  84). „Denn dies kann man nur für die symbiotische universale Gemeinschaft eines Reichs oder Gemeinwesens gelten lassen, durch die die Städte und Provinzen wie die Glieder eines einzigen Körpers durch einen, zwei oder auch mehrere Amtsträger (minister) regiert werden.“ (XXXIX  84). Die mittelbaren Provinzen sind also keine souveränen Teilstaaten, da sie – in der Köpermeta-



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phorik der Politica gesprochen – als Körperglieder über keine je eigene Seele verfügen. Diese ist unteilbar und liegt unbeschadet der Art und Weise der Regierung und dem Inhalt sowie der Form der Herrschaftsgewalt beim Gesamtvolk (XXXIX  3). Wessen Geist das Über- / Unterordnungsverhältnis ist, zeigt sich besonders deutlich auf dem Gebiet der Judikative, einem Reservat des obersten Magistrats. Sofern die mittleren Magistrate vom obersten Magistrat als Richter eingesetzt werden, haben sie (gemeinsam mit den Präsiden der Landtagskurien) „die Gerechtigkeit im Namen ihres Oberherrn für alle streng, genau und sorgfältig zu verwalten“. Dies gilt im Übrigen ebenso für „andere Richter“ der mittleren und unteren Instanz (vgl. XXIX  40–43). Darüber hinaus müssen die mittleren Magistrate „alle heiklen und schwierigen Angelegenheiten ihrem Herrscher als Oberherrn übergeben“ (XXIX  42). Ihnen steht daher nur eine eingeschränkte Judikativgewalt zu. Gegen Autonomisierungstendenzen und Machtanmaßungen in den Landesherrschaften argumentiert Althusius gar vom gegenteiligen Standpunkt aus, ob die teilweise Übertragung der Judikative nicht schon eine illegitime Teilung seiner Herrschaftsgewalt darstelle (XXIX  44). Dem geistlichen Stand kommt auf provinzialer Ebene besonderes Augenmerk zu. Dieser Stand, dem enumerative Aufgaben mit beträchtlicher Tragweite von der Glaubensunterweisung über die Seelsorge, schulischem Unterricht für Kinder und Jugendliche bis zur Sittenzensur überantwortet sind (VIII  16; XXX  28), wird durch ein Bischofskollegium repräsentiert, welches sich aus ausgewählten Mitgliedern verschiedener kirchlicher Kollegien in der Provinz zusammensetzt. Für alle kirchlichen Kollegien ist die »Wahl« seiner Mitglieder vorgeschrieben (VIII  6, 33  ff. [Bischöfe], 10 [Presbyter]), die in Beratungen und Abstimmungen sämtliche kirchlichen Angelegenheiten (res spiritualis & temporalis) wahrnehmen. Im Unterschied zu den weltlichen Angelegenheiten gilt in den Konventen nicht das Mehrheitsprinzip, sondern die Stimmengewichtung (VIII  28). Das Mehrheitsprinzip wird deshalb auch im Beschlussverfahren vor dem Landtag ausgesetzt (VIII  70 a. E.). Das Kollegium der Bischöfe wird „aus den Mitgliedern der kirchlichen Kollegien der Provinz gewählt und eingesetzt“ (VIII  6). Diese kirchlichen Kollegien (Kirchensenat, Konsistorium, Presbyterium) wiederum werden von den Kirchengemeinden, d. h. aus mehreren Dörfern und Kleinstädten zusammengefassten so genannten Parochien gewählt und berufen (VIII  9  ff.; vgl. „vom Volk gewählte Männer“, XXVIII  30). Die Parochie ist eine vom politischen Verband „getrennte Gemeinschaft“ (VIII  9), was deutlich gegen eine calvinistische Aufladung der althusischen Politiklehre spricht.306 Dementsprechend ist der Zusammenschluss mehrerer Parochien 306  Diese

Scheidung verkennt m. E. Schmidt-Biggemann 1988, 222  ff.

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zu einem Verband (classis) keine originär politische Konsoziation (VIII  33). „Der Konvent aller kirchlicher Verbände der Provinz bildet die Provinzialsynode“, die organisatorisch vom politischen Verband getrennt zu betrachten ist (VIII  36).307 Der Kirchengemeinde steht ein dem Bestätigungs- und Vetorecht des Provinzmagistraten entsprechendes Approbations- und Widerspruchsrecht gegen die Nominierung von Priestern und Diakonen durch das Kirchenkollegium zu (VII  18–22 i. V. m. 12). Die Pastoren, Diakone und Presbyter der einzelnen Kirchengemeinden werden ebenfalls „gewählt“. Deren Wahl erfordert zusätzlich zur Nominierung und Approbation durch den Kirchensenat und der als Vetorecht ausgestalteten Bestätigung durch den Provinzmagistrat eine „Proklamation in einem öffentlichen Gottesdienst“. Dort gilt das Schweigen juristisch als Zustimmung (VIII  21). Die Einrichtung provinzialer Presbyterien, die die innerkirchliche Gerichtsbarkeit ausüben, unterliegt der Staatsaufsicht als Teilaufgabe der kirchlichen Staatsverwaltung (XXVIII  29  ff.). Organ

Ämter

Institution

Presbyterium (Kirchensenat)

Priester und Diakone

Parochie

Konvent

Bischöfe

Verband (classis)

Provinzialsynode

Erzbischof, General­ superintendent

Kollegium des geistl. Standes

Generalsynode





Wird die Rolle der Landstände bei der Konstituierung provinzialer Herrschaft nicht näher ausgeleuchtet, tritt dagegen umso augenfälliger die unmittelbare Beteiligung an der Herrschaftsausübung zu Tage. „In schwierigen, die ganze Provinz betreffenden Angelegenheiten … unternimmt dieser Präfekt nichts ohne die Zusammenkunft und Zustimmung der Stände der Provinz.“ (VIII  50 a. E.; vgl. XVIII  112) Dazu zählen unter anderem die Entscheidung über Krieg und Frieden, die Auferlegung von Abgaben und Steuern, der Erlass allgemeiner Gesetze und Dekrete. Als beispielhaft gilt dem Autor die Mitbestimmung der Stände in den belgischen Provinzen (provinciae Belgicae, VIII  50).308 Entgegen der heutigen Gebietsbezeich307  Das übersieht Schmidt-Biggemann, der von identischen kirchlichen und politischen Organisationseinheiten ausgeht („calvinistische Kongruenz“, Schmidt-Biggemann 1988, 224). Dieser Umstand ist bei der Beurteilung der „politischen Theologie“ jedoch von Belang. Die althusischen Provinzen sind keine „geistlichen Staaten“, vgl. Zeeden 2004, 56*, 59*; 73–83 (74  f.). 308  Bereits vor der Abfassungszeit der Politica zeichnet sich eine Spaltung in einen »spanischen« südlichen Teil und einen »freien« nördlichen Teil ab. In der



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nung ist unter den als paradigmatisch bezeichneten „belgischen Provinzen“ nicht der südliche, sondern der »freie« nördliche Teil der Niederlande zu verstehen. Das Vorwort der Neuauflage gibt Aufschluss darüber, dass unter der Bezeichnung „konföderierte belgische Provinzen“ der mit den friesischen Widmungsadressaten verbundene nördliche Teil angesprochen wird. Die Stände verfügen nicht nur über soziale Macht. In den Zugehörigkeiten durch Abstammung und Herkunft und in den durch Professionen gekennzeichneten Berufsständen erfassen sie die gesellschaftliche Basis. Bis hinein in die Kleiderordnungen sorgen sie für gesellschaftliche Stabilität (VII  26; XXX  23; u. ö.). Die Einteilung einer Stadtbevölkerung in „Klassen, Zenturien, Bezirke und Parochien“ kann an diese Sozialstrukturen nahtlos anknüpfen (VI  7). Das ständische Ordnungswesen hat stets auch eine ordnungspolitische Funktion. Es organisiert nicht nur soziale Beziehungen und berufsständische Interessen. Die soziale Strukturierung und räumliche Parzellierung erleichtert in politischer Hinsicht eine effektive Verwaltungsleistung, ein »Durchregieren« (VI  7; VIII  71). Als so genannte Landstände üben sie im Rahmen der Mitregierung auch politische Herrschaft aus. Daher betrifft Herrschaft und Legitimation nicht allein die magistrale Regierung, sondern auch die in Stände gegliederte Gesellschaft selbst. Historisch gelten die Landstände als Herrenstände, d. h. sie setzten sich aus den alteingesessenen Gruppen des weltlichen Adels und des Klerus zusammen, im frühmodernen Staat treten die Städte hinzu.309 Für Althusius stellen die Stände als größere Kollegien im Sinne des Kapitels 4 autorisierte Repräsentativorgane dar, die sich über die Zustimmung der „Genossen“ rechtfertigen. Es wird durch die beispielhafte Benennung der Stände in den belgischen Provinzen ersichtlich, dass Althusius in der Politica die Entwicklung auf dem Gebiet der nördlichen Niederlande nachzeichnet und insbesondere die Ausstrahlungswirkung dieses politischen Subsystems auf Deutschland und Frankreich betont, obwohl beide Reiche unter gänzlich anderen Bedingungen stehen.310 Es ist daher umso mehr zu beachten, dass die historischen Landstände, insbesondere wie sie sich als „Stende der Landschaft“ auf dem Gebiet des Deutschen Reiches zeigen, nicht die ordines seu status der P ­ olitica abbilden. So erkennt Althusius einen „Stand der Städte und LandUnion von Arras schlossen sich 1579 die Stände der südlichen Provinzen Hollands mit dem Generalstatthalter der spanischen Krone kooperativ zusammen. Die nördlichen Provinzen dagegen, seit 1579 verbunden in der Union von Utrecht, gründeten 1587 die Republik der Vereinigten Niederlande, die sog. Generalstaaten, womit schließlich trotz des zunächst bestehenden Vereinigungswillens die Spaltung der Niederlande in die späteren Länder Belgien und Holland eingeleitet war. Vgl. Zeeden 1999, 119. 309  Boldt 1994, 178  f. 310  Politica, Vorwort 1614, 16; VIII  50, 65, 66.

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bewohner“ an (ordo civitatum & agrariorum plebeiorum, VIII  45), der Interessenvertreter (deputati) in den Landtag (conventus provincialis) entsendet (VIII  65  ff.). Die Deputierten bilden ein Repräsentativkollegium wie es im 4. Kapitel dargestellt wurde. Jeder Stand bildet wiederum ein Glied des Kollegiums der Provinzstände (VIII  66). Mit anderen Worten weicht Althusius die autochthone Unterscheidung von Sozialständen und politischen Landständen zugunsten des dritten Standes auf. Der dritte Stand „des gemeinen Volks (plebs), das aus gelehrten Leuten … Bauern, Kaufleuten und Handwerkern besteht“ verfügt nach der Politica nicht allein über berufsgenossenschaftliche Organisationsformen, sondern über eine eigene politische Landstandschaft (IV  30; VIII  49). Im Reich bedeutet dies für den „Stand des gemeinen Volks“ eine Reichsstandschaft in den allgemeinen Reichsversammlungen (XXVII  49). Regierstand (VIII  50) Geistlicher od. Weltlicher od. politischer Stand (VIII  40–49) kirchlicher Stand (VIII  6–39) Lehrstand

Adel („Ritterstand“, „Wehrstand“)

Stand der Stadtgemeinden („Städtestand“, „Nährstand“)

Stand der Landbewohner („Hausmannsoder Bauernstand“, „Nährstand“)

Sie werden in das politische System eingebaut: „Die besagten Stände repräsentieren gewissermaßen die Aristokratie, die Versammlungen aber die Demokratie und das Oberhaupt, mag es nun eine einzige Person oder mögen es mehrere anstelle des einen sein, die Monarchie.“ (XXXIX  10; u. ö.) Auf bestehende regionale und standesspezifische Eigentümlichkeiten, etwa in Hessen, Bayern oder den ostelbischen Gebieten, die es nach heutiger Geschichtswissenschaft im Hinblick auf wirtschaftliche und politische Entwicklungen zu unterscheiden gilt, geht die Politica nicht ein.311 Sie gibt eine Darstellung idealtypischer Grundstrukturen, dagegen keinen Überblick über das Ständewesen zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Umso mehr fällt der Beitrag zur consociatio civilis ins Gewicht, der ganz eigentlich eine politiktheoretische, von der Realität durchaus deutlich abweichende Verfassung für ein genossenschaftliches Ständewesen beinhaltet. Danach sind die Stände Zusammenschlüsse aufgrund freier Entscheidung und eigenen Willens einzelner Personen, in der jeder Genosse Mitwirkungs- und Stimmrecht hat. 311  Rabe

1989, 48–67; vgl. auch Zeeden 2004, 56*  f.



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Diese quasidemokratischen, von freien und gleichen Individuen getragenen Gemeinschaften bringen kaum zu überschätzende Auswirkungen für die politische Verfassung des Gemeinwesens mit sich. Die Stände der Politica vertreten nicht allein ihre eigenen, zumal in einem relativ offenen Beteiligungsverfahren formulierten Partikularinteressen (VIII  49; IV  18  ff.), sondern nehmen auch „die Aufgaben und das Recht der jeweils anderen“ Stände wahr (VIII  2). Sie tragen Verantwortung für das gesamte Gemeinwesen und sind als solche an politischer Herrschaft auf provinzialer und universaler Ebene des Staates zu beteiligen (VIII  5, 50, 64  ff.; vgl. auch XVIII  113). Als Repräsentativorgane bilden sie intern kollegiale Organisationsstrukturen nach den Grundsätzen des vierten Kapitels aus, denen extern je eine Stimme im Landtag zukommt. Der politische Denker fordert eine multilaterale Verbindung der Stände und den Auf- und Ausbau einer gemeinsamen Organisationsstruktur schon im Sinne eines föderalen und pluralistischen Staats- und Gesellschaftsverständnisses ein (XVIII  113).312 Diejenige oberste Verwaltungsbehörde, der es unternimmt, die Ordnungen und Stände des Reichs zu beseitigen, oder sie auch nur an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben hindert, handelt tyrannisch (XXXVIII  7). Vor diesem Hintergrund darf Althusius als „eigentlicher Theoretiker des Ständestaats“ (Boldt 1994, 187) beurteilt werden. 5. Das Ephorat Das politische System der Politica gründet sich wesentlich auf einer aus der spartanischen Verfassung bekannten Institution: dem Ephorat. Es entstand vermutlich im Rahmen einer Verfassungsreform nach dem Zweiten Messenischen Krieg (660–640) und trat neben Doppelkönigtum, Ältestenrat und Volksversammlung an die Spitze des spartanischen Staates.313 Das Organ bestand aus fünf Männern, die jährlich neu gewählt wurden. Die so genannten Ephoren repräsentierten zum einen das „Volk“, zum anderen waren sie dazu bestimmt, den maßgeblichen Volkswillen in die Tat umzusetzen. Das Ephorat kann als in alle Lebensbereiche eingreifendes Exekutiv­ organ bezeichnet werden, das sogar den letztlich beim König verbleibenden militärischen Oberbefehl zumindest kontrollierte. So fand das Königtum in ihm eine entgegengesetzte Instanz, die in der Geschichte Spartas den König in seiner Machtfülle stark beschränkte und auch entsetzen konnte.314 Jeden 312  Gegen einen Pluralismus Hofmann 1988, 540; zustimmend Zippelius 1999, 389  f.; Krawietz 1988, 399. Eingehend Dreitzel 2002, 49–112. 313  Berve 1986, 200  ff.; Heuss 1962, 155  ff.; Szanto 1905, 2860–2864; vgl. auch zur Entstehungszeit Ottmann 2001a, 85: etwa in der Mitte des 6. Jh.s vor Chr. 314  Heuss 1962, 224, 250, 304.

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Monat hatte der König gegenüber den Ephoren den Einhalt der Gesetze zu beschwören, im Gegenzug garantierte das Ephorat in seiner Repräsenta­ tionsfunktion den Bestand des Königtums. Das Ephorat ist auch Gegenstand der politischen Theorie der griechischen und römischen Antike. In den Nomoi Platons findet das Ephorat als Bestandteil der Mischverfassung Spartas den Beifall des Atheners: „Euer dritter Retter aber legte euerer Königsgewalt, da er sie als immer noch zu üppig und unbändig erkannte, gleichsam einen Zügel an durch Herstellung der Macht der Ephoren, deren Wahl eine derartige war, dass sie nahezu einer solchen durch das Los gleichkam.“(Platon, Gesetze 692 St. [97 / 98])315

Berichtet Platon-Sokrates von der Überwachungsaufgabe der spartanischen Ephoren über die Königinnen, „um jedem heimlichen Truge vorzubeugen der etwa den Abkömmling eines anderen als eines Herakliden auf den Thron bringen könnte“316, so findet sich im Achten Brief in der Behandlung der Tyrannenherrschaft auf Sizilien eine weitere Kennzeichnung des Ephorats als Heilmittel gegen die Tyrannis: „Als er (Lykurg, P.  K.) sah, daß die Familie seiner Verwandten in Argos und Messene die Königsherrschaft allmählich zur Tyrannis umgestaltet hatte und sich und die Bürgerschaft im gegenseitigen Kampfe zugrunde richtete, fand er, von Besorgnis erfüllt für seinen Staat nicht minder wie für seine Familie, das wirksame Heilmittel in dem Rat der Alten (Gerusia) und in der Ephorengewalt, dieser Fessel zugleich und Schützerin der Königsmacht. Dadurch ist ein sicherer Zustand geschaffen worden, …, denn der eigentliche Herr ist hier das Gesetz als König und Gebieter der Menschen, nicht die Menschen als Vergewaltiger der Gesetze.“317

Gleichzeitig erkennt Platon in der ausgeübten Ephoratsgewalt selbst ein „erstaunlich tyrannisches Gepräge“ (Platon, Gesetze 712 St. [126]).318 Aristoteles sieht im Ephorat eine Institution des Volkes, die als demokratisch aber auch als tyrannisch bezeichnet werden kann, Cicero vergleicht sie mit den römischen Volkstribunen.319 Diesen Vergleich greift Calvin in seiner Institutio auf: „Anders steht nun die Sache, wo Volksbehörden (‚populares magistratus‘) eingesetzt sind, um die Willkür der Könige zu mäßigen; von dieser Art waren z. B. vorzeiten die ‚Ephoren‘, die den lakedämonischen 315  Nach Ottmann 2001a, 87 ist es gewagt, aber dennoch denkbar, im spartanischen Ephorat eine demokratische Institution zu sehen. 316  Platon, Alkibiades I  121 St. (184). 317  Platon, Briefe, Achter Brief 354 St. (92). 318  Vgl. Heuss 1962, 250, wo berichtet wird, dass die Ephoren Pausanias, nach griechischer Terminologie Tyrann von Byzantion, in dem Tempel einmauerten, in dem er Asyl suchte, und anschließend die „abenteuerlichsten Geschichten“ zur Rechtfertigung des „Justizmordes“ erfunden wurden. 319  Aristoteles, Politik II, 9 (1270b6  ff.), II, 6 (1265b35–40); Cicero, Über den Staat II, 58.



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Königen, oder die Volkstribunen, die den römischen Konsuln, oder auch die ‚Demarchen‘, die dem Senat der Athener gegenübergestellt waren“.320 Das Ephorat bildete schon bislang einen festen Topos in der politischen Ideengeschichte, der unter dem Aspekt der wechselseitigen Gewaltenkontrolle in Althusius’ Staats- und Widerstandslehre aufgegriffen wird.321 Für die gesamtstaatliche Ebene werden zwei Arten von Herrschaftsorganen mit Verfassungsrang unterschieden: das allgemeine Ephorat und der höchste Magistrat (XVIII  47 a. E.). Gemeinsam ist beiden Organen die administratio der unteilbaren Souveränität zum Wohl der Allgemeinheit anvertraut (XVIII  6), wobei die Führung der Regierungsgeschäfte dem höchsten Magistrat vorbehalten bleibt (ebd. 70, 81). Die funktionelle Exekutivgewalt des obersten Magistrats als Regierungs- und Verwaltungsbehörde steht dabei im Mittelpunkt. Er übernimmt die staatsleitende Tätigkeit, die sich nicht auf die Ausführung von Gesetzen beschränkt, sondern auch (und zumal in gesetzesfreien Bereichen) eigene Vorstellungen konzipiert und durchsetzt, bestehende Gesetze im Hinblick auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und anpasst sowie neue Gesetze vorschlägt. Grundsätzlich gilt, dass die Optimaten „ohne Billigung und Zustimmung des obersten Magistrats in den Angelegenheiten des Gemeinwesens jedoch selbst nichts [unternehmen]“ (XVIII  81). In einem weiteren Sinne ist die funktionelle Staatsleitung auch eine Angelegenheit des zweiten Organs, das neben exekutiven, auch legislative und judikative Aufgaben begleitend wahrnimmt. Den allgemeinen Ephoren ist der Schutz und die Aufsicht über das gesamte Reich und alle seine Provinzen anvertraut (XVIII  110). Neben ihren unterschiedlichen Aufgaben und Befugnissen weisen die Organe zudem in formaler Hinsicht einige Unterschiede auf. Im Gegensatz zum Oberhaupt ist das Ephorat stets Kollegialorgan, welches durch Mehrheitsentscheid handlungsfähig wird. Es nimmt seine Aufgaben zeitlich unbefristet wahr, wohingegen der monarchi320  Calvin,

Unterricht in der christlichen Religion IV, 20, 31. dem Urteil von Hobbes lag in Sparta die Souveränität bei den Ephoren (Leviathan, Kap. 19, 151). Fichte belebt den Begriff später wieder, allerdings unter anderem Vorzeichen: „Nur Gott ist über das Volk; soll daher gesagt werden können: ein Volk habe gegen seinen Fürsten rebelliert, so muß angenommen werden, daß ein Fürst ein Gott sei, welches schwer zu erweisen sein dürfte. – Entweder also, das Volk steht in einem solchen Falle selbst einmütig auf  …, wo die Gewalttätigkeit zu schrecklich in den Augen leuchtet, und richtet Ephoren und Gewalthaber. […] Geschieht das nicht, und die Gemeine folgt ihrem Aufruf, wird ihr Wille als der wahre gemeinsame Wille bestätigt, so sind sie ‚durch ihr Herz, und ihre Tugend Erhalter der Nation und, ohne Ruf, natürliche Ephoren‘“, Fichte, Grundlage des Naturrechts [1796] I, 3, § 16. Zu den Ephoren bei Fichte vgl. Göhler / Klein 1991, 296  f. Gegen Fichtes „Seichtigkeit des Begriffs vom Staate“ „wie auch jene Erfindung eines Ephorats“ s. Hegel, Rechtsphilosophie § 273, 237; ders., Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, 474  f. (s. a. Schnädelbach 2000, 73 / 74]. 321  Nach

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sche oberste Magistrat einer lebenszeitlichen Grenze unterliegt bzw. nur befristet eingesetzt ist (XVIII  102). Unter den gegebenen Umständen kann nicht nur der Monarch, sondern auch eine polyarchische Regierungsform vom Ephorat abgesetzt werden (XXXVIII  3). Der Magistrat ist ein für jedes Gemeinwesen zwingend erforderliches Organ, das Ephorat dagegen nicht (XVIII  123). Althusius empfiehlt indes die Einrichtung der Ephorenämter in  einem gut geordneten Staat, unabhängig davon, ob es sich um eine monarchische oder eine polykratische Regierungsform handelt (XVIII  54; XXXVIII  123). Für den Fall des Fehlens dieses Organs ist vorgesehen, dass zumindest die ephoralen Aufgaben wahrgenommen werden. Obligatorisches Element der Staatslehre ist demnach die Aufgabenwahrnehmung („äußerste Notwendigkeit“).322 Hilfsweise werden diese dann „mit der Zustimmung des ganzen Volkes“ durchgeführt, welches man dazu „tribus-, kurien- oder zenturienweise befragt und versammelt“ (XVIII  123; XXXVIII  125). Wegen möglicher Personenidentität käme es sonst zwischen den getrennten Ämtern und Aufgaben zu Interessenkollisionen und die bezweckte gegenseitige Kontrolle wäre nicht mehr gewährleistet. Der Fall, dass „die Aufgabe der Ephoren und Wächter beim ganzen Volk liegt“ ist bei einer aristokratischen und demokratischen Regierungsweise gegeben (XXXIX  52, 58). Hieraus ergibt sich die in der Widerstandslehre nicht eigens ausgeführte Möglichkeit eines direkt vom Volk einzuleitenden Widerstandsverfahrens (XVIII  123, 124; XXXVIII  43, 57). Althusius nimmt sich in seiner Staatsorganisationslehre zunächst der Ephoren an (XVIII  48–124). Der Vorzug drückt eine gewollte Programmatik aus; systematischer wäre es, den obersten Magistrat zuerst zu behandeln, da sich Aufgaben und Kompetenzen der Ephoren – abgesehen vom Einsetzungsakt des summus magistratus – erst reflexartig aus den Aufgaben und den spezifischen Wahrnehmungsweisen des höchsten Magistrats ergeben.323 Die Ephoren stehen jedoch dem Volk näher. Insbesondere gegenüber einem monarchischen Magistrat vergegenwärtigt das Kollegium die Gesamtheit des Volkes auf augenscheinliche Weise. Sie werden als das Fundament und die Grundlage des Staates bezeichnet (XVIII  50). Sie sind die „Wächter der 322  Wyduckel erblickt darin eher einen als prinzipiell verzichtbar zu bezeichnenden Bestandteil der althusischen Staatstheorie, nämlich den der Repräsentation, ders. 1988, 478. 323  Koch geht von keiner „eindeutigen Trennung zwischen den Kompetenzen“ der beiden Organe aus, und sieht in der „Vermischung der Regierungs- und Kontrollfunktionen“ das „generelle Problem“, dass „es zunächst nur den Ephoren obliegt“ eine tyrannische Regierungsweise festzustellen, wo sie doch „selbst Anteil an der Regierung haben“, dies. 2005, 124  ff., 182. Die „Vermischung“ und fehlende „Trennung“ ist indessen eine Gewaltenteilungslehre, wie hier an späterer Stelle auszuführen ist.



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Freiheit“ und „Beschützer der Rechte des Volkes“ gegenüber der Regierung (XVIII  49, 63). Ihnen vertraut sich das Volk an und überträgt „all sein Handeln auf sie, so dass, was sie tun, das ganze Volk zu tun scheint“ (XVIII  56). Sie sind Repräsentanten des ganzen Volkes, nicht einzelner Standesinteressen (XVIII  12, 57; vgl. auch VIII  2, 5, u. ö.; XIX  26  f.). Bevor Struktur, Aufgaben und Kompetenzen des höchsten Magistrats erklärt werden, geht der Verfasser auf das Wächteramt ein, welches die entstehende Machtfülle der Regierung überwachen und einhegen, der Machtbalance dienen, schließlich unter den gegebenen Umständen zur Entmachtung berechtigen soll. Das Regiment des höchsten Magistrats entwickelt sich so im Lichte systematischer Nachrangigkeit. Der Machtfülle, die mit der Vereinigung aller Bürger zu einem Gemeinwesen entsteht und sich im obersten Magistrat zu größter Herrschaftsgewalt bündeln wird, wohnt eine Versuchung inne, der Menschen aufgrund ihrer Unzulänglichkeit ohne Sicherungen schwerlich widerstehen können. Mit dem als Kollegialorgan ausgestalteten Ephorat wird neben der Gesetzesherrschaft die Bedingung dafür geschaffen, dass sich diese Gewalt kontrolliert entfaltet und kontrollierbar ausgeübt wird. Das Kollegium der Ephoren dient in gewaltenteiliger Absicht der „Mäßigung der Herrschaftsgewalt“ (XVIII  65, 72).324 Es besitzt exekutive, legislative und judikative Kompetenzen (XVIII  65, 68; XXXIII  20, 67; XXXVIII  93; u. ö.).325 Höher als der Herrscher stehen das Gesetz und die Ephoren (Überschrift zu XVIII  96). Zum vertikal geteilten Staatsaufbau tritt auf der Stufe des Staates ein horizontales Gegengewicht hinzu, das sich zudem in den Versammlungen des Reichs zeigt (XVIII  67; XXXIII). Die Vorbehalte, die Althusius gegenüber der äußersten Gewaltenfülle hat, reichen im Vergleich zu anderen christlichen Staatsdenkern nicht soweit, dass sie eine grundsätzliche Abneigung des Autors gegenüber dem Staat und den Staatsgewalten ausdrücken. Althusius befürwortet Staatlichkeit aus „Nutzen und Notwendigkeit“ für die Symbioten. Als gebotenes Mittel gewährleistet sie ab einer bestimmten Gemeinschaftsgröße die Erreichung übergeordneter symbiotischer Ziele, die im Rahmen autarker Kommunen oder Provinzen gar nicht oder wesentlich schlechter erreichbar sind. Diese Subsidiarität ergänzt den organisatorischen Gesamtzusammenhang zwischen horizontalem und vertikalem Aufbau; nicht zuletzt gewährleistet die Doppelstellung der Ephoren als Staats- und Territorialorgane Rechtseinheit und übergeordneten Interessenausgleich zwischen den Teilgemeinschaften (vgl. XVIII  90, 109 a. E.  ff.). Das Ephorat nimmt gegenüber der Regierung seine Funktio324  Eine Gewaltenteilung in der Ephorenlehre bei Althusius bejahend auch Achterberg 1988, 502  ff., allerdings abstellend auf die Repräsentation. 325  Koch dagegen legt den Schwerpunkt auf die legislative Funktion der Ephoren, die nach Ansicht Kochs „ihnen oder Gott“ zukommt, dies. 2005, 126. Abweichend davon wiederum: dies. 2005, 192.

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nen in analogem Sinne subsidiär wahr. „Die Optimaten (d. h. die allgemeinen Ephoren, P.  K.) unternehmen ohne Billigung und Zustimmung des obersten Magistrats in den Angelegenheiten des Gemeinwesens jedoch selbst nichts, wenn dieser sein Amt (rechtmäßig, P.  K.) ausübt“ (XVIII  81; XVIII  56, 110; u. ö.). Das Verhältnis zum höchsten Magistrat ist allerdings mehrschichtig, je nachdem, ob es sich um allgemeine oder besondere Ephoren, mittelbare oder unmittelbare Beziehungen handelt (XVIII  111  f.). Es besteht die Gefahr, den höchsten Magistrat mit einem minus oder gar malus zugunsten der ephoralen Herrschaftsgewalt ausgestattet zu sehen. In teilweiser Abweichung von seiner »Provinzlehre« bestimmt der Autor erneut in der »Staatslehre« die Beziehungen zwischen den Staatsorganen. Darin räumt der oberste Magistrat aus eigenem Recht den Optimaten Hoheitsrechte ein. Die Oberhoheit und Vorrangstellung verbleibt beim Reich (XVIII  69 a. E.) bzw. beim höchsten Magistrat (ebd. 70; vgl. auch XXXVIII  71–75). Daraus folgt, dass jenen nur „eine eingeschränkte Herrschafts- und Verwaltungsbefugnis gegeben“ ist (XVIII  70, 90; XXXVIII  74  f.; u. ö.). Begründet wird dies mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Übertragende stets das höhere Recht zurückbehält. Nun fährt der politische Lehrer in einer diesem Grundsatz widersprechenden Weise fort, indem er dem Kollektiv grundsätzlich größere Macht zuweist als dem Einzelnen. Danach würde den Optimaten mehr Macht zustehen, als der Übertragende hatte. Gültig ist der zweite Grundsatz jedenfalls nur dann, wenn der Einzelne Teil des Kollektivs ist, was für den die Macht übertragenden höchsten Magistrat gegenüber den Optimaten gerade nicht zutrifft. Um den Widerspruch zu lösen und damit die Gültigkeit beider Sätze auch für den Anwendungsfall zu behaupten, erklärt Althusius: „Denn was dieser (d. i. der Einzelne, P.  K) auch immer mehr haben mag als die anderen, so hat er es doch (zuvor, P.  K.) von allen empfangen.“ (XVIII  71) Dies weist auf die superioritas der Gemeinschaft zurück, die durch die Optimaten (zu denen der höchste Magistrat als „Kollege“ ja ebenfalls gehört [XXXVIII  74]) repräsentiert wird (vgl. auch XIX  5). Der Autor arbeitet demnach mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen von „alle“, nämlich „alle“ als exklusives Kollektiv ohne den Einzelnen sowie „alle“ als inklusive Gesamtheit des Kollektivs und des Einzelnen. Problematisch bleibt indessen, dass an anderer Stelle den Ephoren „die Oberhoheit über das Gemeinwesen eher als dem obersten Magistrat anvertraut worden“ ist: „Was aber zuerst auf diese übertragen worden ist, das kann später keinem anderen Magistrat übergeben werden“ – die Herrschaftsgewalt der Ephoren liegt der des obersten Magistrats voraus (XVIII  75; XXXVIII  125; u. ö.). Demnach käme es überhaupt gar nicht zu einer Übertragung von Hoheitsrechten vom obersten Magistrat auf die Optimaten, da sie diese bereits haben, sondern genau umgekehrt. Ein weiteres systematisches Argument zeigt die Zweideutigkeit der Übertragungskonstruktion auf.



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Die konsozietale Verbindung von Provinzen und Städten führt in einer zwingenden Stufenfolge zur Staatlichkeit der universalen consociatio (vgl. II  2; I  27; u. ö.). Wenn nun aber die Herrschaftsgewalt in den Provinzen erst durch das Staatsorgan des höchsten Magistrats verliehen wird, setzen die Provinzen mit anderen Worten den Staat voraus. Dann liegt ein Zirkelschluss vor, aus dem man nur gelangt, in dem man den Provinzen zunächst ein eigenes Souveränitätsrecht zuerkennt, auf dessen Ausübung zugunsten des entstehenden Gesamtverbandes verzichtet und welches übertragen wird. Um die Landesherrschaften nicht zu Lasten der universalen consociatio politiktheoretisch contre coeur allzu sehr zu stärken, sieht Althusius davon ab, die Souveränität der Landesherrschaft auszubuchstabieren. In der Sache ist sie allerdings vorhanden und zeigt sich in einer teleologischen Reduktion seiner Souveränitäts- und Staatsentstehungslehre (vgl. XXXIII  125). Einzelne Ephoren sind der Befehlsgewalt des summus magistratus untergeordnet, gleichviel, ob sie allgemeine oder besondere Ephoren sind (XVIII  70; VIII  53  ff., 89). Dies ist stets dann gegeben, wenn sie in Personalunion als Präfekt, etwa als Fürst oder Markgraf einer dem Reichsverband unmittelbar angehörigen Provinz auftreten und darauf bezogene Hoheitsrechte eingeräumt bekommen haben (VIII  88  ff.; XVIII  111). Sofern die (allgemeinen) Ephoren hingegen als Gesamtheit das Reich betreffende Belange wahrnehmen, stehen sie über dem obersten Magistrat (XVIII  73). Es handelt sich um eine Identitätsrepräsentation. „So stehen die Ephoren insgesamt insofern zwar über dem obersten Magistrat, als sie das Volk repräsentieren und in seinem Namen kollegial tätig werden; als Einzelne aber und für sich genommen haben sie eine geringere Stellung als dieser“ (XVIII  73). Ohne diese Anordnung käme es zu einem Widerspruch innerhalb der Repräsentation: Beide Organe repräsentieren das gesamte Volk (XVIII  11, 26, 48, 57; u. ö.), jedoch in unterschiedlicher Weise. Die Beziehung zwischen den beiden Verfassungsorganen ist geprägt durch „gegenseitige Zurechtweisung, Kritik und Aufsicht“ (XVIII  91). Befinden sich die Organe im Streit, könnte jedes einzelne argumentieren, es vergegenwärtige das Volk auf allein legitime Weise, woraus folgte, dass sich der Repräsentationsgedanke der politischen Lehre wegen innerer Widersprüchlichkeit konterkariert. Mit der Über- / Unterordnungsregelung stellt Althusius für den  Streitfall das Ephorat als Repräsentationsorgan über die Regierung und ­somit legitimierte Handlungsfähigkeit her.326 So nimmt es nicht wunder, dass der Autor ein Befürworter des Konziliarismus ist und das Konzil über den Papst stellt (XVIII  74, 100  f.; XXXIII  28; XXXVIII  35). Die 326  Hofmann geht entgegen einer abgeleiteten Repräsentation von einer doppelten, aus dem mittelalterlichen Korporationsrecht stammenden Auffassung der Repräsentation bei Althusius aus, ders. 1988, 523  ff.

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Widerstandslehre beruht im Wesentlichen auf diesem Ordnungsgefüge (XXXVIII  71  ff., 123). Werden die Ephoren „bei anderen auch Stände“ genannt (XVIII  49, 108  f.; u. ö.), verbietet sich für die Politica eine politiktheoretische Ineinssetzung von Ephoren und Ständen, da die Stände auch auf der Reichsebene eigene, von den Aufgaben und Befugnissen der allgemeinen Ephoren zu unterscheidende politische Aufgaben wahrnehmen (vgl. XXXIII  6  ff., XVIII  54, 111, 112).327 In diesem Zusammenhang ist auf die Gegenüberstellung der Landstände und der besonderen Ephoren in den Provinzen zu verweisen (vgl. VIII  67). Der »Stand der Ephoren« ist ein eigenes, nach den allgemeinen Regeln gebildetes Kollegium und ähnelt dem historischen Fürsten- und Kurfürstenstand. Die genossenschaftliche Struktur des Kollegialorgans, wie sie sich für politische Kollegien in Kapitel 4 festgelegt findet, entwickelt sich gewissermaßen von einem hierarchischen zu einem befürworteten »pluralistischen« Entscheidungssystem unter den Akteuren und Entscheidungsträgern fort (IV  24–30; XVIII  113). Über die Organisationsstruktur des Ephorenkollegiums ist im einschlägigen Kapitel 18 wenig zu erfahren. Sie beschließen mit Stimmenmehrheit (XVIII  62; XXXVIII  53); indirekt ist aus der Goldenen Bulle darauf zu schließen, dass sie zumindest eine jährliche Versammlung abhalten (XVIII  77; vgl. auch 113). Im Widerstandsfall ist von ihnen jedenfalls ein Generalkonvent aller Stände einzuberufen (XXXVIII  57, 54). Fraglich ist weiterhin die Auswirkung der Kollegialität auf die Regierungsformen. Sofern die oberste Staatsspitze als eine Monarchie besteht, hebelt die Existenz des Kollegialorgans die Charakterisierung der Regierungsform als Monarchie nicht aus, da Althusius für seine politische Lehre eine monarchische Reinform nicht anerkennt. Vielmehr existieren stets Mischformen, die sich nach dem jeweils vorherrschenden Merkmal bezeichnen (XXXIX  2, 7–9, 23). Nimmt das Kollegialorgan der Ephoren, welches in allen Regierungsformen das aristokratische Element ausmacht, demnach eine herausragende Stellung in der Regierung (im weiteren Sinne) ein, so folgt die Bezeichnung – trotz einer formal bestehenden Monarchie – aufgrund des vorherrschenden Moments als Aristokratie. Vor dem Hintergrund dieser Lehre ordnet Althusius das deutsche und das französische Reich als  Monarchien ein, „mag auch die Herrschaft des Kaisers und des Königs durch das Parlament und die Reichsversammlungen beschränkt und ein­ gegrenzt sein.“ (XXXIX  8; XXXVIII  73) In der »aristokratischen« Demokratie ist die Herrschaft, die die Ephoren innehaben, gleichwohl „im Namen des Volkes“ und „zum Wohle des Volkes“ auszuüben (XVIII  7; 64, 73; u. ö.). 327  Ebenso

Wyduckel 2003, XXVII.



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Seine Aufgaben – abgesehen von der Einsetzung – führt das Ephorat trotz seiner politiktheoretischen Überordnung nur subsidiär aus. Eine Wenn-dannBeziehung prägt das Verhältnis der beiden Organe zueinander: Wenn sich der höchste Magistrat in bestimmten Situationen befindet und näher beschriebene Verhaltensweisen zeigt, erst dann ist der Aufgabenbereich des Ephorenkollegiums eröffnet. Diese hoheitlichen Aufgaben werden abschließend aufgezählt, wodurch die Vorrangstellung des höchsten Magistrats in der Führung der Regierungsgeschäfte sowie ein »Schutz vor den Beschützern« sichergestellt werden. So stellt sich ein Gleichgewicht der Kräfte ein. Im Einzelnen handelt es sich um folgende fünf Aufgabenbereiche (§§ 48, 63): 1. Einsetzung des obersten Magistrats (§  64, XIX  24  ff., 68  f.), 2. Schutz und Verteidigung der Freiheitsrechte des Volkes (§§  65–85; u. ö.), 3. Einsetzung eines Kurators bei Ungeeignetheit der Regierung und während ­eines Interregnums (§§  86  f.), 4. Absetzung eines tyrannischen Herrschers (§  88, Kap. 38), 5. Schutz der Regierung gegen Gewalt und Unrecht (§  89).

Zur effektiven Ausübung der ihnen übertragenen Aufgaben sind sie mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet, die für den besonderen Bereich des Widerstands gegen Gewaltherrschaft in einem eigenen Kapitel 38 ausgeführt werden. Bedeutsam ist darüber hinaus die Beteiligung des Ephorats an der gesetzgeberischen und der rechtsprechenden Hoheitsgewalt (XVIII  68, 79; Appellationsfunktion ebd. 65; Schwertrecht, d. i. Hochgerichtsbarkeit ebd. 66; XXXVIII  93; u. ö.). Stets prägt die Gegenstellung zur Regierung das Erscheinungsbild des zweiten Staatsorgans, obwohl es zugleich ihrem Schutz und ihrer Verteidigung verpflichtet ist. „Die Aufgabe der Ephoren besteht deshalb nicht nur darin, darüber zu urteilen, ob der oberste Magistrat seine Pflicht erfüllt oder nicht, sondern auch darin, ihm Einhalt zu gebieten und Widerstand zu leisten, wenn er tyrannisch wird und die Souveränitätsrechte missbraucht und unternimmt, das dem Gemeinschaftskörper zustehende Recht zu verletzen oder ihm zu entziehen.“ (XVIII  84)

Da die zur Wahrnehmung der Aufgaben entsprechenden Kompetenzen zur Ausübung von Zwang autorisieren und damit in die Freiheiten der Stände und Symbioten eingreifen, bedürfen sie der Legitimation (XVIII  25 i. V. m. 47 a. E.). Abgesehen von den grundsätzlichen Vorbehalten gegen eine Selbstregierung bzw. direkte Partizipation des Volkes führt der politische Denker Zweckmäßigkeitserwägungen für die Schaffung des Repräsentativ­ organs an. Es sei „schwierig“, so Althusius unter Berufung auf Covarruvias, „die Stimmen aller Bürger und Gliederungen eines Gemeinwesens von den Einzelnen einzuholen.“ Er schlussfolgert daraus: „Deshalb kam man überein, dass die Menge des Volks die öffentlichen Geschäfte durch die Opti-

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maten … ausführen lässt“. „Die Stimmen dieser Optimaten sind daher als Übereinkunft aller Bürger, die sie ja repräsentieren, anzusehen“ (XVIII  56). Vor dem Hintergrund der Souveränitätsfrage interessiert nun diese erstmalige Übereinkunft zur Bestellung des Kollegialorgans sowie die (konkludente) Zustimmung, derer sich die Ephoren zur Legitimierung ihrer Handlungen bedienen. Weil das Ephorat im Unterschied zum obersten Magistrat keiner (lebens)zeitlichen Begrenzung unterliegt, sieht sich das Kollegialorgan keinem turnusmäßigen Legitimationsverfahren ausgesetzt. Eine Neuwahl steht erst bei Ausscheiden eines Ephors an. Der politische Denker akzeptiert zum anderen die gewillkürte Übertragung des Wahlrechts auf den obersten Magistrat und / oder die übrigen Optimaten, die dann über einen Nachfolger bestimmen (XVIII  59). So lässt sich die Legitimationskette ununterbrochen weiterführen, da der Konsens als legitimierendes Repräsentationsmerkmal zwischen Volk und Ephoren bestehen bleiben muss: „Die Einsetzung der Ephoren beruht auf dem Konsens der universalen Gemeinschaft (societas)“ (Überschrift zu § 58).328 Die nun anschließende Untersuchung folgt einem Dreischritt: Zunächst ist zu fragen, wer die Ephoren beruft, alsdann, woher sie genommen werden, und zuletzt, auf welche Weise sie bestellt werden. Zu jeder der drei Fragen gibt es drei Unterscheidungsmöglichkeiten: entweder berufen alle oder nur einige; und entweder aus allen oder aus nur begrenztem Kreis; endlich bestimmt man entweder durch Wahl oder durch Los. a) Aktives Einsetzungsrecht Dass eine Beteiligung der Herrschaftsbedürftigen (XVII  60; XXIV  41  f.) am Konstitutionsakt stattfinden muss, folgt schon aus der naturrechtlich verankerten Grundannahme, dass: „Gott allen Völkern nach dem Recht der Natur selbst die freie Gewalt (potestas, P.  K.) gegeben hat, sich Fürsten, Könige und oberste Magistrate zu geben“ (XVIII  20). Danach hat das Volk zumindest eine potestas constituta. Die allgemeinen Bestimmungen zu Anfang des Kapitels 18, die nach der angewandten Methodik für beide Verfassungsorgane gelten, sehen vor, die öffentlichen Amtsträger, d. h. sowohl die Ephoren und als auch den obersten Magistrat (§ 47 a. E.), von den vereinten Gemeinschaftskörpern oder Gliedern des Reichs (ab unitis & consociatis corporibus, seu membris regni eliguntur) wählen zu lassen (XVIII  3). Nach den zu Beginn der Ausführungen über den Staat getroffenen Regelungen, versteht Althusius unter den Gliedern des Reichs nicht einzelne Menschen, sondern Städte, Provinzen und Regionen (IX  5 u. ö.). Weil diese Gliederun328  Zur Frage, ob und wann dieser Konsens aufgekündigt werden kann: vgl. XVIII  42  f.; 55; 124 a. E.; XIX  59; XXVIII  19; XXXVII  63.



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gen der Staatsentstehungslehre zufolge ihrer Natur nach der consociatio universalis major vorausgehen, stünden sie als Kreationsorgane des Staates zur Verfügung. Legt man diese Bezugsgrößen zugrunde, so verdichtet sich die Annahme, dass nicht die Reichsbewohner, sondern Repräsentanten als Interessenvertreter für sie handeln. Mithin würden die Repräsentanten der unteren Ebenen, d. h. Präfekten und Senatoren der freien Städte (V  51–52), sowie der mittleren Ebenen, d. h. Magistrate und (besondere) Ephoren, ihres je eigenen populus die Wahlmänner für das staatliche Ephorat stellen.329 Da diese nicht ohne Zustimmung handeln dürfen, ist eine indirekte Beteiligung der Bürger bzw. der Provinzbewohner durch Ständevertreter erforderlich. Politische Willensfähigkeit erreicht insbesondere der gemeine Stand über die Beauftragung und Instruktion dieser Vertreter, die in den Belangen der Vertretenen Beratungs- und Beschlussrechte haben (VIII  49). Ungeachtet der eigenen Einsetzungsmodalitäten der intermediären Gliederungen bedeutete dies, dass nur Wenige als Repräsentanten die allgemeinen Ephoren der Staatsebene beriefen. Demnach sind unter den stimmberechtigten plebeji bei der Ephorenwahl nicht sämtliche Bewohner des Herrschaftsgebietes zu verstehen. Es bleibt also – trotz der gemeinsamen Herrschaftsunterworfenheit einerseits und der Fähigkeit der Herrschaftsteilhabe andererseits – bei einer ständisch strukturierten Gesellschaft, die sich jedoch im Hinblick auf die mandatierten Interessenvertreter (VIII  49) gegenüber einem repräsentativen System offen zeigt. Auch wenn Althusius zuweilen einen allgemeinen Bürgerstatus beschreibt, so erweist sich doch, dass eine »politische Gleichheit« von der sozialen Ungleichheit (noch) überlagert wird. Diese Überlagerung stellt sich dabei nicht als Inkonsequenz der Staatslehre dar, sondern sie geschieht vor dem Hintergrund einer Politiksicht, in der Staat und Gesellschaft mit je eigenen Gesetzlichkeiten noch nicht getrennt gedacht wurden. Die politische Gleichheit kommt nicht zum Tragen.330 Welcher Art eine »bürgerliche« Verfassung sein sollte entwirft Althusius bereits in seiner Provinzlehre: „Am besten für ein Gemeinwesen ist die Wahl der Magistrate. Sie kommt nicht durch Gunst und Gnade, nicht durch Zufall, durch Abstimmung der Unwissenden oder der großen Zahl, sondern wohlüberlegt durch ausgesuchte kluge Männer 329  Zu einer doppelten Repräsentation kommt es insofern nicht, als die Bürger einer mittelbaren Stadt, eines Weilers oder Dorfes nicht durch einen eigenen Präses / Senat repräsentiert werden, sondern allein durch den Provinzmagistrat (VI  41, 48). Vgl. Hofmann 1988, 527  ff. 330  Selbst in der heutigen Zeit, in der der Hartz IV-Empfänger das grundgesetzlich verbürgte gleiche Stimmrecht wie der Vorstandsvorsitzende, der Hooligan wie der Hochschullehrer innehat, kommt diese politische Gleichheit im Stimm- und Zählwert nicht zum Tragen. Was wäre etwa, wenn spezifische soziale Milieus bei der Bundestagswahl verstärkt ihr Wahlrecht ausübten? Welche politische Lage würde entstehen, was käme dadurch zum Tragen?

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zustande, die ihrerseits aus Geeigneten, mit Tugend Begabten und besonders Verständigen eine Auswahl treffen.“ (VII  40)

In den §§ 1–47 des 18. Kapitels finden sich die vor die Klammer gezogenen allgemeinen, beide Organe betreffenden Bestimmungen, in den folgenden §§ 48–124 widmet sich Althusius im Speziellen dem Amt und den unterschiedlichen Arten der Ephoren. In den Ausführungen, die sich im Besonderen mit dem Amt und den Aufgaben der Ephoren befassen, findet sich erneut eine Regelung zur Einsetzung (§ 59). Dort ist festgeschrieben, dass die Ephoren „mit Zustimmung des ganzen Volks“ (consensu totius populi) gewählt und eingesetzt werden.331 Fraglich ist nun, ob diese Bestimmung eine bloße Wiederholung der Eingangsnorm oder eine den Regelungsgehalt der Eingangsnorm konkretisierende Spezialisierung ist. Nach hier vertretener Ansicht ist unter totus populus nicht der populus in corpus unum gemeint, der ein Bild für das ungeteilte Staats- und Gesellschaftsverständnis der Lehre des Althusius ist und einen weiteren Namen für consociatio, imperium, regnum und respublica oder politie darstellt (IX  3, VII  20 u. ö.). Mit dem Begriff des populus in corpus unum sind nämlich als Glieder desselben wiederum nicht einzelne Menschen, sondern die körperschaftlichen Glieder erfasst (lies: IX  3 i. V. m. 5). Indem Althusius dem Begriff populus nunmehr das Indefinitpronomen totus voranstellt, gebraucht er einen unbestimmten und allgemeinen Begriff des Volkes, der es erlaubt, einen neuen, bislang unbenützten gegenüber den festgelegten Ausdrücken des körperschaftlich verfassten Volkes (populus in corpus unum) und des gemeinen Untertanenvolkes (plebs) einzuführen. Im speziellen Zusammenhang der Wahl ist daher unter totus populus, dem ganzen, ungeteilten Volk der Inbegriff des Staatsvolks, die Gesamtheit der Staatsbürger (omnes cives) zu verstehen (consensus totius populi, suffragii totius populi [beide § 59], suffragii omnium civium, omnium civium consensus [beide § 56]; vgl. schon § 11: Alle Bürger und Einwohner des Reichs zusammen). § 59 ist demnach als lex specialis zu § 3 zu sehen. Diese Ansicht findet zudem einen zusätzlichen Rückhalt durch eine Regel-Ausnahme (§ 59 a. E.). Soweit dem Magistraten und / oder den Optimaten das Recht zur Wahl und Ersetzung eines Kollegiumsmitglieds zusteht, geschieht dies nur unter dem Zugeständnis und als „Freundschaftsdienst“ des Volkes. Ex populi beneficio, stärker noch als ex populi concessione, bedeutet, dass das Wahl- und Ersetzungsrecht des Magistrats und der Optimaten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht seitens des Volkes erfolgt. Insofern geht das Volk – selbst immer dann, wenn jene die Ephoren wählen und ersetzen – seines regelrechten Wahlrechts nicht verlustig. Vor allem aber gilt: Durch die konkurrierende Gegenüberstellung 331  Koch reduziert diesen Fragenkomplex apodiktisch auf eine Wahl durch die „einzelnen Korporationen“, dies. 2005, 108.



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von Magistrat und Optimaten einerseits und populus andererseits ist ersichtlich, dass es sich hier nicht um identische soziale Gebilde handelt, sondern, dass es sich bei dem hier verwendeten Volksbegriff um den der Gesamtheit der Bürger handelt. Der Begriff des Volkes geht nicht in den körperschaftlichen Gliederungen der Repräsentanten auf, daher wählen alle und nicht Wenige die allgemeinen Ephoren. Die vertikale Gewaltenteilung und das Prinzip der Repräsentation werden mithin zugunsten direkter Legitimität der Ephorenwahl durchbrochen, was Ausdruck der Volksouveränität ist. Eine solche Wahl verbindet das Volk mit den bestimmte Staatsaufgaben wahrnehmenden Ephoren auf das Engste. Systematisch vorbereitet wird diese Durchbrechung bereits mit der zugrundegelegten Doppelstellung des Menschen als Privatperson und als Bürger, die sich frühzeitig in der Staatslehre ausformuliert findet (V  10). Geltungstheoretisch wird sie abgesichert durch einen Verweis auf das Naturrecht, wonach dem Volk die volle und freie Erlaubnis zur Selbstbestimmung verliehen ist, und das in den Digesten des römischen Rechts in positivierter Form bereits ausformuliert ist.332 Beide Vorgehensweisen bilden eine ununterbrochene Legitimationskette, wobei sich die erste Alternative über eine indirekte Repräsentation der beteiligten Konsoziationen (Glieder des Reiches), die zweite Alternative durch eine direkte demokratische Legitimation auszeichnet. Dem Willen des Volkes tritt in der ersten Alternative ein weiterer Willensakt – nämlich die Entscheidung des sachverständigen Wahlmännergremiums – dazwischen, bei der Unmittelbarkeit dagegen besteht trotz mangelnder Urteilskraft eine größere Chance auf Befolgung auch unpopulärer Maßnahmen (vgl. XXXIII  30; u. ö.). b) Passives Einsetzungsrecht Es schließt sich die Frage an, aus welchem Personenkreis die Ephoren genommen werden. Rekrutieren sie sich aus der Gesamtheit der Bürger oder aus einem begrenzten Kreis? Immer wieder weist der Autor auf die Kurfürsten des deutschen Reichs als den Ephoren des Gemeinwesens hin, er bezeichnet sie sogar als Repräsentanten der ganzen christlichen Gemeinschaft (XVIII  52, 57, 76, 110; u. ö.). Doch seine Lehre beschränkt sich nicht auf die Wiedergabe einer allgemeinen Rechtsansicht und der geübten Reichspraxis. Zu unterscheiden sind vielmehr zunächst die geistlichen von den weltlichen Ephoren je nach ihrem Aufgabengebiet (XVIII  108). Die geistlichen 332  „Naturale enim jus, & naturae jurisq; conditor Deus, cuiq; populo plenam tribuit, liberamq; sui gubernandi facultate.“ „Denn das Naturrecht und Gott als Schöpfer der Natur und des Rechts hat jedem Volk die volle und freie Fähigkeit gegeben, sich selbst zu regieren, Dig. 1.1.5.“ (XVIII  59).

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Ephoren sind aus „dem Bereich kirchlicher Personen“ zu bestimmen, wie sie sich in Kapitel 8 aus den kirchlichen Verbänden und Kollegien ergeben (VIII  35). Ist der Kreis jener natürlicherweise eingeschränkt, so gilt für diese wiederum eine Zweiteilung. Weltliche Ephoren können entweder Adlige (nobiles) oder Gemeine (plebeji) sein. „Die Adligen werden aus dem Adelsstand, die Gemeinen aus dem Kreis der übrigen Personen in den Dörfern, Städten und Gemeinden ausgewählt“ (XVIII  109). Diese Aussage kommt einem Paukenschlag gleich! Tritt die Staatslehre des Hochschullehrers und späteren Ratssyndikus für ein bürgerlich geprägtes Verfassungsorgan ein? Überträgt er die in seiner Darstellung angeführten antiken PolisDemokratien und das Modell der italienischen Städterepubliken auf die Ebene des frühmodernen Flächenstaats? Die politische Grundaussage dieser Passage lautet, dass der gemeine Bürger ohne eine Einschränkung ephoratswürdig wäre. Was die konkrete Beteiligung anbelangt, „sind jedoch diejenigen zu wählen, die große Macht und entsprechende Mittel haben“ (XVIII  60). Die zu Wählenden gehören also den sozial Einflussreichen und wirtschaftlich Mächtigen an. Es findet sich abgesehen von der faktischen sozialen und wirtschaftlichen Potenz keine Proporzregel, wonach ein bestimmtes Verhältnis von adligen und gemeinen Ephoren vorgesehen ist oder gar ein Vorbehalt, wonach bürgerliche Ephoren bestimmte weltliche Aufgaben nicht wahrnehmen dürfen. Insoweit besteht die Möglichkeit einer Identität von Herrschern und Beherrschten. Diese Lehre spiegelt nicht die tatsächlichen Zustände der Zeit wider. Allein die Niederlande (neben dem alten jüdischen Gemeinwesen und dem römischen Imperium zur Zeit der Demokratie) weisen im europäischen Vergleich mit Deutschland, Frankreich, England, Polen, Ungarn, Schweden, Dänemark und Spanien einen dritten Stand in Form von civitates majores aus, die wiederum Konsuln und Syndici stellen. Althusius kritisiert offen die fehlende rechtliche Anerkenntnis des dritten Standes (VIII  40). Dem zeitgenössischen Leser wird angesichts der tatsächlichen Verfassungssituationen der staatstheoretische Charakter der »neuen Politiklehre« vor Augen geführt, bald in Gegenüberstellung zur althusischen Doktrin (Adlige und Gemeine, § 109), bald in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Regelungen insbesondere der Goldenen Bulle. Nach dieser sind die Kurfürsten die allgemeinen Ephoren des Staates (XVIII  52, 110; u. ö.). Seiner Staatslehre zufolge ist diese bzw. überhaupt eine Beschränkung jedoch kein zwingendes Erfordernis. Selbst ein althergebrachter Ephorenkreis wie der der (sieben) Kurfürsten ist mit der Politica abdingbar, da eine Einschränkung „auf einige von ihnen“ nur „mit Zustimmung sämtlicher Ephoren zugestanden“ werden kann (vgl. XIX  27). Eine eingehendere Darlegung oder eine rechtfertigende Ausführung des »Postulats« nach Beteiligung gemeiner „Personen in den Dörfern, Städten und Gemeinden“ findet an dieser Stelle nicht statt. Auf der Suche nach dem



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»gemeinen Mann« kann dem methodischen Aufbau der Politica gemäß auf vorherige Ausführungen zurückgegriffen werden. Insbesondere in den Kapiteln 7 und 8 finden sich einschlägige Erläuterungen. Schon für die provinzialen Gemeinwesen stellte sich die Frage nach dem Regierungspersonal, da der Staats- und Verwaltungsaufbau der Provinz – unter den nötigen Abwandlungen – ein verkleinertes Abbild der consociatio universalis major darstellt (VIII  71). Zugleich gehören die Provinzialmagistrate dem Kreis der gesamtstaatlichen speciales ephori an (XVIII  111). Althusius verweist im weiteren Darstellungsverlauf der unterschiedlichen Arten von Ephoren selbst auf Kapitel 8. Der weltliche Stand der Provinz wird dort in § 40 auch politischer Stand genannt. Er gliedert sich wiederum in den Adelsstand und den ordo plebejus. Dieser gemeine Stand wird nunmehr näher bezeichnet als Stand der Städtebürgerschaften und der Landbewohner. Zu prüfen gilt nun, wer diese Vertreter sind. Im Kapitel Über die rechtliche Gemeinschaft der Provinz gilt für die Auswahl geeigneter Kandidaten, dass „Menschen mittlerer Art“ (De medio hominum) am besten für die Übernahme eines öffentlichen Amtes geeignet sind (VII  37). Die dort getroffenen Aussagen sind auf jedes öffentliche Amt, sofern es ein „Ansehen bringendes“, nicht ein bloß untergeordnetes ist, auf jeder Gliederungsstufe, gleich ob Kommunen oder Staat anzuwenden (vgl. XIV  6  ff.; XXVII  6  ff.). Der Autor gibt dem Leser ein Psychogramm von Eigenschaften an die Hand, mittels dessen Menschen beurteilt werden, die nicht „geeignet und von Gott mit den hierzu notwendigen Gaben ausgestattet sind und den öffentlichen Nutzen ihrem privaten voranstellen“ (VII  31–39). Dazu zählt Althusius Rednernaturen ebenso wie arglistige, selbstsüchtige und ehrgeizige Menschen, aber auch Reiche sowie Bedürftige. Der Katalog liest sich wie eine Negativliste der aristotelischen Tugendlehre und widerspricht den Eigenschaften des principe nuovo des Machiavelli in deutlicher Weise. De medio, „mittlerer Art“ ist ein Mensch dann, wenn er vertrauenswürdig, redlich und treu, fähig und klug ist, mithin sowohl über soziale (auf den anderen bezogen) als auch intellektuelle Kompetenzen (auf die Sache bezogen) verfügt. Der homo de medio des Althusius ist ganz der mesotēs-Lehre des Aristoteles entlehnt, ohne dass allerdings die Tugenden des »guten Mannes« mit denen des »guten Bürgers« abgeglichen werden (vgl. aber den Bildungs- und Erziehungsauftrag staatlicher Schulen „um gute Bürger heranzuziehen“, IX  39). Selbst die dianoetischen Tugenden des beratenden Seelenteils, das technische Wissen (technē) und die Klugheit (phronēsis) werden in der althusischen Regierungslehre wiederbegegnen. „Aus der Mitte stammend“ redet nicht einer Mittelmäßigkeit das Wort, sondern die gesuchte Mitte ist vielmehr das Beste: „De medio hominum genere sumti sunt optimi“. Diese Doktrin findet sich im Übrigen in der Befürwortung eines mittelgroßen als dem »besten Gemeinwesen« wieder (Mediocris respublica optima, IX  Überschrift zu

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§ 11) und versteht sich als klare Absage an Hegemoniestreben und Großreiche. Damit trifft Althusius gegen eine universale Kaisertumsidee, wie sie etwa noch von Rudolf II. zu Beginn seiner Regierungszeit (1576–1612) verfolgt wurde, oder das Hegemoniestreben Philipps II.333 Begründet wird der Vorzug mit der den Menschen auszeichnenden Autarkie: „Denn sie (die Menschen mittlerer Art, P.  K.) verlangen nicht nach dem, was ihnen nicht gehört, auch begehren andere ihre Güter nicht, wie dies bei den Reichen der Fall ist“ (VII  37). Dieses Kennzeichen enthält Althusius schließlich dem Mann aus dem arbeitenden und niederen Volk vor. Die Erfahrung spreche dafür, dass die Besten für die ehrenvollen Ämter nicht aus dem niedrigen Volk (plebs sordida) stammen. Diejenigen, die sich aufgrund ihrer Begabung oder ihrem Geschick (immerhin) emporgearbeitet haben, würden „meistens“ zum Nachteil für das Gemeinwesen ausschlagen (VII  36). Ausdrücklich kommt für die Person des höchsten Magistrats dementsprechend „kein Mensch niedriger oder untergeordneter Stellung“ in Betracht (XIX  73), obwohl neben der „Geeignetheit“ auch über die „Tüchtigkeit“ des Anwärters zu befinden ist (XIX  90  f.). Entsprechendes gilt für die Geeignetheit der Ephoren, die sozial einflussreich und wirtschaftlich potent sein müssen (XVIII  60). Ein grundsätzliches Abbild der Gesellschaft stellt für den politischen Lehrer so wenig eine angemessene Option dar wie andererseits eine überkommene Festlegung nach Abstammung und Geburt. Die Politica wirft bereits ein Schlaglicht auf die bürgerliche Verfassung der nachfolgenden Jahrhunderte. c) Einsetzungsverfahren Ein demokratisches Verständnis von Legitimation verlangt, dass die Äußerungen der Staatsgewalt, und dazu zählt das Ephorat (XVIII  3 i. V. m. 48), ihren Ausgangspunkt im Willen des Volkes haben und dementsprechend durch das Volk begründet und gerechtfertigt sein müssen. Das Stichwortverzeichnis der Ausgabe von 1614 führt 20 Einträge zur »Wahl« auf. Wahlen sind ein Hauptinstrument, durch welches die Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Die Wahl von Repräsentanten, die das Gemeinwesen lenken, gilt dem Verfasser als nützlich und notwendig (§§ 16, 56), da der Umfang der vielfältigen Aufgaben weder von einem Einzelnen noch von der Gesamtheit der Bürger in eigener Regie erledigt und bewältigt werden kann (vgl. XVIII  10, 17, 56). Neben entsprechenden Ephoraten der persischen, griechischen und römischen Antike sowie Ephoren in Frankreich, Britannien, Dänemark und Polen benennt Althusius für das deutsche Kaiser- und Königreich (imperium & regnum Germanicum) mit Verweis auf die Goldene Bulle die Kurfürsten 333  Vgl.

Schilling 1998, 216  f.



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als allgemeinen Ephoren (§§ 52  f., 110; u. ö.). Die allgemeinen Ephoren bestimmten sich folglich wie die Kurfürsten nach dynastischem Herkommen, erbrechtlichen Ansprüchen und gezielter Hausmachtpolitik. Dann wären die vorgesehenen Wahlen der Ephoren wohl lediglich eine Akklamation mit anschließender Huldigung und Eidesleistung der Ersten des jeweiligen Herrschaftsbereichs.334 Eine der Königswahl spiegelbildliche »Wahl der Fürsten« überliefert Althusius jedoch gerade nicht. Vielmehr sehen sich die »Königsmacher« selbst der Legitimationsfrage gegenüber. Zunächst ist angesprochen, wie die Wahl abzulaufen hat. „Die Aufgabe der Wählenden besteht darin, nach festgelegten Gesetzen und Bedingungen geeigneten Amtsträgern die Pflege, Leitung und Verwaltung der Rechte des Reichs zu übertragen, aufzuerlegen und anzuvertrauen sowie durch einen Treueid auf das Reich zu verpflichten.“ (XVIII  5). Daraus folgt, dass die Wahl sowohl der Ephoren als auch des höchsten Magistrats rechtsförmig „nach festgelegten Gesetzen und Bedingungen“ abzulaufen hat. Welches Verfahren Althusius nun für die Wahl seiner Ephoren vorsieht, legt er in § 59 dar, da die Schwierigkeit, die Stimmen aller Einzelnen jeweils einzuholen, selbstverständlich auch für die Wahl gilt: „Eliguntur aut & constituuntur ejusmodi Ephori consensu totius populi, tributim, centuriatim, curiatim, vel viritim, vel forte, secundum cujusque regni naturam, vel consuetudine, hoc est, suffragiis totius populi, de ephoro constituendo, collectis per centurias, tribus, vel collegia, in quae populus est distributus, vel, inquam, viritim, per singulorum capita & suffragia, vel forte.“

Die Staatslehre sieht drei Möglichkeiten des Ablaufs vor: nach unterschiedlich großen Bezirken, einzeln Mann für Mann oder durch das Los, je nach Aufbau und Gewohnheit des jeweiligen Staates (XVIII  59).335 Althusius erwähnt diese Einteilungen nochmals im Zusammenhang mit dem Status des demokratischen Magistrats in Kapitel 39, wonach die Wahl eines demokratischen Magistrats bei den Römern zenturien-, kurien- und gelegentlich tribusweise erfolgte (§ 68). Den Vorzug gibt er an dieser Stelle jedoch der angestammten örtlichen Sitte (mos patrius loci) bzw. dem Gesetz des jeweiligen Staates (lex politiae). Diese Passage wird im Stichwortverzeichnis unter electio democraticorum geführt. Mit den konkurrierenden „Wahlsystemen“ ist jedenfalls gleichzeitig eine unterschiedliche Legitima­ tionsbasis verbunden. 334  Willoweit 1997, 68  f., 113; Bosl 1996, 788, 798  f.; Leuschner 1983, 109  f., 163; s. a. Kroeschell 1981, 183  ff. (192): Vertrag zwischen Kurfürst von Brandenburg mit den Ständen von 1472. 335  Hasso Hofmann wertet dieses Verfahren unbegründeterweise als „Not- und Grenzfall“, weil er nicht genügend zwischen der Schilderung der reichsrechtlichen Wirklichkeit der exempla profana von den politiktheoretischen Ausführungen des Autors differenziert, ders. 1988, 539.

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Althusius greift also nicht auf die politischen Konsoziationen zurück. Die Einteilungsgrundlagen in tribus, centurium und curia entsprechen auch nicht dem Stand der Zeit um 1600.336 An ihre Stelle treten in der Reichspraxis Kurfürstentümer, Herzogtümer, Grafschaften und insbesondere die Einteilung des Reichsgebiets in Reichskreise (vgl. XXXIII  94). Auf dem Reichstag von Köln im Jahre 1512 ist im Rahmen einer Verfassungsreform die Einrichtung von (zehn) Reichskreisen vorgenommen worden, die nach einer Wiederbelebung mit dem Westfälischen Frieden zeitweilig eine wirkungsvolle Kooperationsbasis der Reichsstände gegenüber dem Kaiser darstellten. Die Reichskreise dienten zuvor in der Regimentsordnung des Jahres 1500 und in der darauf folgenden Zeit vornehmlich „in der Funktion von Wahlbezirken“ (Rabe) und erfassten auch die nicht im Reichstag vertretenen Herrschaften.337 Heinz Schilling spricht für diese Zeit gar von einem „Ständeparlamentarismus“. Die Reichskreise nahmen als institutionalisierte Einheiten gegenüber den Territorien subsidiär Aufgaben von übergeordneter Bedeutung wahr.338 Althusius knüpft mit seiner Einteilung (tribus, centurium, curia) unmittelbar an den verfassungsrechtlichen Gedanken an, effektive und subsidiäre Verwaltungseinheiten zu schaffen, sieht aber mittels der Reichskreise des deutschen Gemeinwesens andere Aufgaben als diejenigen seiner Wahlkreise verwirklicht (vgl. XXXIII  93  ff.).339 Die Provinzen werden als politisches Strukturelement in der allgemeinen Staatslehre somit zusätzlich geschwächt. Die Einteilung in Wahlkreise ist ein Merkmal der Subsidiarität gegenüber den Konsoziationen. Nicht das Territorium der Provinzen, nicht die Gebiete der autarken Kommunen bilden die Wahlkreise ab. Das rechte Verständnis des Wahlverfahrens bereitet indes Schwierigkeiten. Erik Wolf gibt die Textstelle aus der Ausgabe von 1603 freimütig wieder: „Es werden aber diese Ephoren vom Volk gewählt und über größere oder kleiner Bezirke gesetzt. Die Wahl geschieht durch Abstimmung oder durch Los, wie es die Natur des Staates jeweils verlangt“.340 Die Übersetzung Heinrich Janssens aus der Ausgabe von 1614 lautet: „Gewählt und eingesetzt werden diese Ephoren unter Zustimmung des ganzen Volks je nach Aufbau und Gewohnheit des Reichs tribus-, zenturien- oder kurienweise oder einzeln Mann für Mann oder durch das Los. Dies geschieht mit den 336  Vgl.

Kaser 1993, 49  ff.; Christ 1994, 17, 37; Söllner 1996, 23  f. 1999, 169–170; Willoweit 1997, 102, 174; Boldt 1994, 257, 270  f.; Rabe 1989, 95  ff., 124–125; zur Rolle, Funktion und Bedeutung der Reichskreise eingehend: Hartmann 2000, 27–37; s. a. Hartmann 2000, 34 und Schilling 1998, 205 (Karte der Reichskreise). 338  Schilling 1998, 204, 327. 339  Vgl. Weber 2000, 46, der lediglich von einer deskriptiven Erwähnung in der Politica ausgeht. 340  Politica-Wolf, 137. 337  Moeller



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Stimmen des gesamten Volks, die nach Zenturien, Tribus oder Kollegien eingeteilt sind oder wie gesagt Mann für Mann nach Köpfen oder Stimmen der Einzelnen oder auch durch das Los.“ (XVIII  59)

Es wird demnach zunächst berücksichtigt, dass es mehrere Bewerber geben kann. Grundsätzlich sind die allgemeinen Ephoren zu wählen. „Den besonderen Ephoren obliegen Schutz und Sorge einer Provinz, einer Region oder eines bestimmten Teils des Reichs.“ (XVIII  111) Die allgemeinen Ephoren werden für das ganze Reich und all seine Provinzen gewählt (110; XXXII  45). Ob innerhalb der Einteilungen in Tribus, Zenturie oder Kurie nach Mehrheitsprinzip, Einstimmigkeit oder gewichteten Stimmen entschieden wird, bleibt offen. Bei der Einzelwahl steht der Abstimmung „nach Köpfen“ eine Abstimmung nach Stimmengewicht gegenüber. Althusius bekräftigt die Wahl als die einzige Bestimmungsweise der Magistrate. Obwohl der politische Lehrer Vorbehalte bei der Entscheidung durch Los aber auch mittels der Wahlurne hat, da sie die „sittlichen Eigenschaften“ der Bewerber nicht erkennen lassen, beharrt er – in Abgrenzung zur Auswahl der Beamten  – auf einer Wahl: „Dass die Wahl ihrer Magistrate aber einer jeden Bürgerschaft überlassen bleibt, ist sicherer.“ (XXXII  89; vgl. auch XXXIX 63, 74) Eine Entscheidung durch das Los als einer demokratischen Verfahrensweise bleibt für den Staatstheoretiker eigentlich außer Betracht. Man kann aus der althusischen Lehre den Wahlrechtsgrundsatz der Allgemeinheit ableiten. Er wird ergänzt durch das „Merkmal der Freiheit“, das insbesondere in den Versammlungen offenbar wird, „weil sie (die Untertanen, P.  K.) sehen, dass sie selbst von der Sorge um das Gemeinwesen und seiner Regierung nicht fern gehalten werden.“ (XXXIII  30) Die Legitimation des Herrschaftsorgans Ephorat erfolgt durch eine allgemeine Wahl, die von Althusius weder als Vertrag bezeichnet wird, noch als Vertrag zu bewerten ist. Ihrer Rechtsnatur nach findet sich in den allgemeinen Bestimmungen die Charakterisierung als Auftragsverhältnis (conventio mandati, § 7). Die Legitimation erfolgt nicht nach überkommenen, mittelalterlichen Legitimationsquellen, sondern weist sich als ein neues, gleichsam demokratisches Kriterium der Zustimmung aller Herrschaftsunterworfenen aus. „Aus der Wahl der Amtsträger und der Übernahme des ihnen anvertrauten Amtes ergibt sich ihre Befugnis (potestas, P.  K.) die Rechte des Reichs zu verwalten“ (XVIII  25 i  V. m. 47 a. E.). Dabei nimmt die Neuerung Elemente tradierter (ständischer Herrschafts-)Strukturen mit in sich auf. Dem Volk kommt in Kapitel 18 – entgegen der Ansicht Carl Schmitts in seiner Verfassungslehre – die verfassunggebende Gewalt zu.341 Es hat bei dem Akt der Wahl und Konstituierung des Ephorats die potestas constituens 341  Schmitt

2003, 68, 77.

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inne (vgl. IX  16). Trotz der Brüche, die sich durch den Darstellungsauftrag, dem Nebeneinander von Sollens- und Seinsnormen einer Allgemeinen Staatslehre einstellen, ist die Politica in politikwissenschaftlicher Hinsicht eine neuzeitliche Staatstheorie. Sofern die Wahl „nach festen Regeln und Bedingungen“ erfolgt, wird damit nicht auf mittelalterliche Rechtfertigungsbestände zurückgegriffen, sondern auf die transparente und sichere Grundlage der Rechtsförmigkeit selbst gegebener Regeln (XVIII  10, 93). Mit dem Argument, dass alle Gewalt von Gott kommt, stellt das Volk lediglich eine potestas constituta dar. Aber Althusius bezeichnet die Ephoren als „unmittelbar“ vom Volk eingesetzt (XIX  69). »Träger« dieser politischen Grundentscheidung ist das Volk, das durch das Naturrecht die „volle und freie Fähigkeit“ hat, sich selbst zu regieren (XVIII  59). Die „Befugnis, die Rechte des Reichs zu verwalten“ ergibt sich allein „[a]us der Wahl der Amtsträger“ (XVIII  25). „Das Eigentum und die Oberhoheit dieser Rechte haben die Verwalter und Leiter jedoch keineswegs, diese verbleiben vielmehr beim politischen Gemeinschaftskörper.“ (XVIII  29). Damit ist geklärt, dass auch die Ephoren keine Souveräne sind, sondern lediglich das souveräne Volk repräsentieren (XVIII  26; u. ö.).342 Wesentliches Charakteristikum ist ein sehr starkes Partizipationselement in der Staatsorganisationslehre. Dies zeichnet den reformerischen – nicht revolutionierenden – Anspruch der Staats- und Politiklehre des Althusius aus, die einen deutlich erkennbaren demokratischen Impetus aufweist. Demgemäß beteuert der Verfasser die Notwendigkeit einer Partizipation „aller Reichsbewohner“ ebenso auf den Reichsversammlungen. 6. Oberster Magistrat und fremde Herrschaftsgewalt Die Regierung des obersten Magistrats steht unter dem Leitgedanken einer gewillkürten anvertrauten Herrschaftsgewalt: „So kommt es, dass dem obersten Magistrat die allgemeine Verwaltung der Souveränitätsrechte, wie man sagt, bald ganz, bald zur Hälfte, bald zu einem Drittel übergeben ist, je nachdem, wie dies vertraglich ausgemacht oder jeweils üblich ist. Dass es deshalb bei verschiedenen Völkern unterschiedliche Arten des Gehorchens und Befehlens gibt und dass die einen ihren Magistraten weitere, andere engere Zügel anlegen, das leitet sich mit Recht vom Willen des Volkes ab“ (XIX  48). Althusius verwendet den Ausdruck »Magistrat«, um zu betonen, dass es sich in dieser kontingenten Welt um eine »fremde« Gewalt handelt, die dieser treuhänderisch auszuüben berechtigt ist. Die 342  Das unterscheidet ihn deutlich von der Einschätzung der Ephoren durch Hobbes (Leviathan, Kap. 19, 151). Schmidt-Biggemann nimmt allerdings eine Parallelität von Volks- und Ephorensouveränität bei Althusius an, ders. 1988, 228–230.



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Bezeichnung markiert mit dem jeweiligen Zusatz »unterer, mittlerer, höchster« das jeweilige Bezugsverhältnis (XIX  4), danach der »oberste Magis­ trat« über eine „fremde oberste Herrschaftsgewalt verfügt, nämlich die des Reichs, dessen Diener er ist“ (ebd.). Die Begrifflichkeit begegnet bereits bei Bodin, allerdings unterscheidet dieser zwischen König und oberstem Magistrat (Über den Staat III, 4. u. 5. Kap.). Althusius paraphrasiert, wonach der König auf Dauer, der Magistrat dagegen lediglich auf Zeit eingesetzt sei, lehnt jedoch unter Verweis auf das zeitlich begrenzte römische Diktatorenamt die Definition des französischen Staatsdenkers ab. Gleichwohl ist legitime Herrschaft des althusischen Magistrats zeitlich begrenzt durch Tod oder durch Abdankung (XVIII  15, 102; 104; XIX  21; XXV  12; u. ö.). Nach Beendigung seiner Amtsführung wird er wieder zur Privatperson (ebd.). In den Kapiteln 19 und 20 endlich rückt die Einsetzung des die Sou­ veränitätsrechte ausübenden Organs in den systematischen Mittelpunkt (XIX-XX). Administratio bedeutet demnach die Ausübung der Souveränität. Schon zuvor wird von der „Übertragung“ der Souveränitätsrechte vom Volk auf den höchsten Magistrat gesprochen. Als Ergebnis dieser Übertragung stehen sich Befehlsgewalt und Gehorsam in korrespondierender Weise gegenüber. Rechtsgrund ist die Zustimmung des Volks zur Übertragung der Herrschaftsrechte und zum Gehorsam (XVIII  25; XIX  21). Förmlich vollzieht sich die Zession mittels eines gegenseitigen Vertrages bzw. eines Mandatskontrakts (pactum seu contractum mandati). „Anders gesagt schließen das Volk und der oberste Magistrat wechselseitig einen Vertrag unter festen Gesetzen und Bedingungen über die Art und Form der Unterordnung und der Herrschaftsgewalt, indem ein eidliches Treuegelöbnis gegenseitig gegeben, angenommen oder versprochen wird.“ (XIX  6)

Althusius meldet allerdings seine Bedenken an, dass „[e]in zwischen Untertanen und Magistrat eingegangener Vertrag … nur schwer Bestand [hat]“ (XVII  48; vgl. auch XXXVI  62). Diese Einschätzung schließt jedoch nicht aus, dass ein solcher Vertrag grundsätzlich möglich ist. Von vornhe­ rein hat dieser Vertrag nur dann die Chance auf Verwirklichung, wenn er unter dem Schutz Dritter steht, die die Vertragserfüllung gewährleisten. Darin liegt ein weiterer Grund für die systematische Reihenfolge, die Ephoren vor dem höchsten Magistrat zu behandeln, obwohl sich ihre Aufgaben erst als Reflex aus dessen Kompetenzen verstehen. Der inmitten stehende Vertrag wird „unter festen Gesetzen und Bedingungen“ geschlossen, welche sich aus den „Gesetzen, die von Gott, der rechten Vernunft (recta ratio) und der Körperschaft des Gemeinwesens vorgeschrieben sind“, ergeben (XIX  7, 14; XXXIX  8). Hobbes wird die Vertragsbedingungen radikal auf die natürlichen Gesetze verkürzen (Leviathan Kap. 14

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u. 15).343 Gesetze der Körperschaft können zu diesem Zeitpunkt für den englischen Staatsphilosophen keine Rechtskraft entfalten. Auch für die al­ thusische Vertragslehre ist zu hinterfragen, was es mit den „Gesetzen der Körperschaft“ auf sich hat. Sofern es um die Nachfolgeregelung eines verstorbenen Magistrats geht, ist klar, dass bestehende »bürgerliche Gesetze« anwendbar bleiben (vgl. XVIII  96). Steht jedoch eine erste Übertragung an, so kann auf staatliches Recht nicht zurückgegriffen werden, da dieses noch nicht existent ist und auch nach Althusius’ Ansicht erst der oberste Magistrat die »bürgerlichen Gesetze« erlässt. Mithin versteht sich unter den »Gesetzen der Körperschaft« ein vorstaatliches positiviertes Recht. Dieses liegt im „Fundamentalgesetz des Reichs“, dessen Legaldefinition der deutsche Rechtsgelehrte wie folgt formuliert: „Das Fundamentalgesetz (lex fundamentalis) stellt nichts anderes dar als bestimmte Verträge, unter denen mehrere Städte und Provinzen zusammen- und übereingekommen sind, ein und dasselbe Gemeinwesen zu bilden und dieses gemeinsam mit Tat, Rat und Hilfe zu verteidigen.“ (XIX  49)

Diese Konsoziationen nehmen eine aus dem symbiotischen Recht auf Vergemeinschaftung herrührende »legislative Gewalt« wahr (XVIII  10). Ein je eigenes Souveränitätsrecht der politischen Konsoziationen wird nicht diskutiert, vielmehr schaffen sie erst die Souveränität, die stets eine Souveränität des Reiches, nicht der Territorien ist. Anders als im Leviathan ist der zukünftige Herrscher Vertragspartner mit den im jeweiligen Vertrag ausgehandelten Rechten und Pflichten. „Es besteht kein Zweifel, dass dieser Vertrag oder Mandatskontrakt …, der mit dem obersten Magistrat eingegangen wird, beide vertragschließende Teile bindet, und zwar so sehr, dass es weder dem Magistrat noch den Untertanen erlaubt ist, ihn zurückzunehmen oder zu verletzen.“ (XIX  6)

Der wechselseitige Vertrag gilt dem politischen Denker als ein historisches Faktum: „Es ist auch noch nie ein Reich oder Gemeinwesen eingerichtet und begründet worden, ohne dass ein gegenseitiger Kontrakt eingegangen, vertragliche Abmachungen zwischen den Untertanen und den ­zukünftigen Herrschern geschlossen oder eine gegenseitige Verpflichtung festgelegt worden wären.“ (XIX  15) Alternativ wird der pactum als constitutio bezeichnet, was, dem heutigen Sprachgebrauch von »Verfassung« bzw. »Verfassungsvertrag« entsprechend, die staatsbegründende und -begrenzende Funktion erkennen lässt (XIX  23). Unberührt von einer Verletzung der getroffenen Vereinbarungen bleibt lediglich das Volk als der ursprüngliche Inhaber der Souveränität. Eine (rechtmäßige) Herrschaftsgewalt des Magis343  Vgl. zur Überschneidung von göttlichen, moralischen und natürlichen Gesetzen bei Hobbes, Leviathan, Kap. 26 (205, 218), Kap. 31 (271).



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trats dagegen kann ohne Einhaltung der konstitutionellen Vertragsbedingungen nicht bestehen (XVIII  92  ff., 28–46; XIX  15). Eine Besonderheit gegenüber den unspezifischen Verträgen seiner Staatslehre liegt in der Einordnung als Mandatsvertrag (etwa XVIII  104). Althusius sucht eine erhöhte Rechtssicherheit gegen Störungen dadurch zu erlangen, dass der Mandatar in einem besonderen Vertrauensverhältnis steht, welches sich nicht in allen Einzelheiten rechtlich fassen lässt, sondern wesentlich davon lebt, dass der Beauftragte im wohlverstandenen Interesse des Auftraggebers, d. h. stets gemeinwohlorientiert handelt (vgl. XVIII  47). Der althusischen Souveränitätslehre entspricht das Wesen des Auftrags in hervorragender Weise. Im strengen Sinne ist der Auftrag nämlich kein gegenseitiger, sondern ein bloß zweiseitig verpflichtender Vertrag. Darin übernehmen beide Vertragspartner Leistungspflichten. Die Untertanen sind in vielfältiger Weise zur Erbringung von (Dienst-)Leistungen und Abgaben verpflichtet und schulden Gehorsam. Der Magistrat leistet Führungs- und Koordinationsfunktionen, schuldet gerechte Herrschaft. Doch fehlt es trotz dieser Zweiseitigkeit an einem entscheidenden Merkmal, der den inmitten stehenden Mandatskontrakt von den schuldrechtlichen Verträgen auf Gegenseitigkeit unterscheidet, die für Althusius in Handel und Wirtschaft zur Verfügung stehen: in diesen muss sich jeder Vertragspartner gerade deshalb verpflichten, damit sich auch der andere verpflichtet. Mit anderen Worten gehorchen die Untertanen, damit der Magistrat herrscht, der Magistrat herrscht jedoch nicht, damit er Gehorsam erhält. Dieser Charakterisierung entspricht die Möglichkeit seitens des Magistrats, unter gegebenen Voraussetzungen, das Mandat „niederlegen“ zu können (XVIII  101; XXI  5). Der Mandatskontrakt ist insofern ein »unentgeltlicher« Vertrag. Dies wird deutlich, wenn die Pflichten des Magistrats und der Untertanen verglichen werden: „Es verpflichtet sich zuerst der Magistrat dem Volk ohne Vorbehalt, das Volk diesem gegenüber aber unter der Bedingung, dass er fromm und gerecht regiert.“ (XX  21, Hervorheb. P.  K.) Eine markante Entscheidung stellt es daher dar, sofern Althusius darauf besteht, dass zunächst der Magistrat in Bezug auf seinen »Unterordnungseid«, d. h. das Gesetz zu achten und das Gemeinwohl zu fördern, vorbehaltlos vorleistungspflichtig ist. Erst danach beeidet das Volk durch die Ephoren Treue, Gehorsam und Gefolgschaft (XX  1, 5, 21). Hier zeigt sich ein Unterschied zur Provinzlehre: Auf provinzialer Stufe werden nämlich alle Bewohner gegenüber den Provinzpräfekten verpflichtet, die so genannte Erb- und Landshuldigung abzugeben, ohne dass die politische Lehre eine entsprechende Vereidigung der mittleren Magistrate gegenüberstellt. Im Gegenteil, die Politica betont das Recht der Präfekten – allerdings vertraglich und gewohnheitsrechtlich abdingbar – geradezu in einem Hobbes’schen Verständnis: „Diesen Eid leisten die Untertanen den Präsiden, nicht umge-

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kehrt diese den Untertanen“ (VIII  57). Beharrlich wird wiederholt, dass der höchste Magistrat „das Volk, nicht umgekehrt das Volk den Herrscher“ repräsentiert. Ihm obliegt eine Rechenschaftspflicht über seine Regierung (IX  24; XVII  60; XXIV  38, 10). Rechtssicherheit und Transparenz sind stets dann verwirklicht, wenn durch ausdrückliche Willensäußerung der Vertrag geschlossen bzw. der Vertragsinhalt bestimmt werden kann. Aus dem Wortlaut des Herrschaftsvertrags, d. h. aus den Gesetzen und Bestimmungen, die in ihn eingeflossen sind, ist nunmehr zu entnehmen, wie viel an Rechten dem obersten Magistrat eingeräumt wird. Dies kann von Gemeinwesen zu Gemeinwesen variieren, es besteht kein festes Gewaltenfüllmaß (XIX  39  ff., insbes. 48). Salvatorisch ist für den Fall des konkludenten Vertragsschlusses – das ist der Fall, wenn „das Volk sich einem Magistrat ohne diese (Gesetze und Bedingungen, P.  K.) unterstellt“ – folgendes vorgesehen: „dann gilt das als ausdrücklich abgemacht, was geheiligt, billig und gerecht und im Dekalog enthalten ist“ (XIX  33, 35). Althusius enthält dem höchsten Magistrat die größtmögliche Machtfülle vor. Ganz gegen die Machtstaatstheorien der Neuzeit, die eine Konzentration der plentitudo potestatis im Herrscheramt befürworten, greift Althusius auf die aristotelische Umsturz- und Staatserhaltungslehre der Politik zurück und setzt auf die kleinstmögliche Gewalt, die zum Herrschen nötig ist, um die Herrschaft dauerhaft und beständig zu machen (XIX  9 mit Verweis auf Aristoteles Politik V  1). Diesen „Schlüsselbegriff der päpstlichen Souveränitätstheorie“ (Ottmann 2004, 77) hat bereits Marsilius von Padua in seinem Werk Defensor pacis (1324) für die weltliche Souveränitätslehre dienstbar gemacht. Marsilius attackiert den päpstlichen Anspruch auf die Fülle der Amtsgewalt durch die Berufung auf die Hl. Schrift und die Kirchenväter. Althusius argumentiert gegen einen absoluten Anspruch des weltlichen Herrschers unter Berufung auf katholische Autoren wie Diego Covarruvias und Fernando Vásquez mit der Lehre des Gemeinwohls, vornehmlich aber aus dem Mandatsvertrag (vgl. auch XVIII  101). Unter Bezug auf Vásquez ist die Fülle der Amtsgewalt niemals als vom Gesetz losgelöste Gewalt, sondern stets als integra potestas zu erkennen (XIX  58). Der Vertrag endet – anders als die Rechtsordnung – immer mit dem Tod des höchsten Magistrats. Danach fallen die übertragenen Rechte vom Mandatar an den Mandanten zurück (XIX  13, 18, 21). Dem Erfordernis der freien Zustimmung wird in Anlehnung an Covarruvias in dreierlei Weisen Genüge getan: Die Begründung einer gerechten Herrschaft, d. h. die Übertragung der Herrschaftsrechte geschieht entweder 1. aufgrund der Voten der Volksmenge (plebs) oder 2. aufgrund der Voten der Optimaten, die im Namen des Volkes handeln oder 3. aufgrund erblicher Thronfolge (XIX  21), letzteres sogar nach Absetzung eines Gewaltherrschers (XXXVIII  69). Dem Verfahren der indirekten Einsetzung durch die



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Ephoren im Namen des Volkes werden das Hauptaugenmerk und der Vorzug eingeräumt. Dafür steht ein Wahlrecht zur Verfügung, das sich aus entsprechenden Gesetzen und dem Gewohnheitsrecht ergibt. Grundsätzlich sind alle Stände eines Gemeinwesens in kollegialer Weise zur Wahl berechtigt. Unter Zustimmung sämtlicher Ephoren kann das Wahlrecht jedoch auf einige wenige Ephoren beschränkt werden (XIX  27). Die Wahl des deutschen Kaisers durch die Kurfürsten stellt mithin eine legitime Sonderform dar (XIX  27, 28, 38). Der Wahlakt sowie die öffentliche Bekanntgabe sind die beiden Elemente des Übertragungsverfahrens. Der Krönung und feierlichen Einführung, der Akklamation und der Ingebrauchnahme der Insignien kommen keine konstituierende Bedeutung zu, sondern veräußerlichen und beschließen den vorher stattfindenden Wahlvorgang. Dem zu Wählenden werden „feste Gesetze und Bedingungen über die Unterordnung sowie über die Art und Form der künftigen Herrschaft vorgelegt“, die er annehmen und beeiden muss (XIX  29). „Gewöhnlich“ finden sich diese Bestimmungen, die „Maß, Form und Ziel“ der Hoheitsgewalt festlegen, in Urkunden und Dokumenten niedergelegt, die öffentlich verkündet werden (XIX  30).344 Der Verfasser bietet einen kurzen vergleichenden Querschnitt von Fundamentalgesetzen diverser europäischer Staaten (ebd. 39–46). Bezüglich der „bestimmten Gesetze und Bedingungen“ spricht Althusius wiederum von jura regni, Reichsrechten, die sich allerdings mit dem Souveränitätsrecht des Volkes (jus regni) überschneiden. Hier beinhalten sie neben diesem auch die Fundamentalgesetze des Reichs, die die Verfassung des Gemeinwesens ausmachen. Eingehend befasst sich der Staatslehrer ab der zweiten Auflage der Polimit den Ansichten William Barclays, der eine Theorie der absoluten Monarchie gegen die durch die Hugenottenkriege geprägten und unter dem Eindruck des Massakers in der sog. Bartholomäusnacht 1572 stehenden „Monarchomachen“ verteidigt. Vornehmlich behauptet Althusius das volle Souveränitätsrecht des Volkes und wendet sich gegen den Anspruch, den Herrscher weder durch Fundamental- noch durch bürgerliche (Straf-)Gesetze verpflichtet und gebunden zu sehen (XIX  51–69; auch schon XVIII  92– 106). Althusius spitzt die absolutistische Position Barclays zu, wonach die „Straflosigkeit von Verbrechen“ das Recht des Königs ausmache. Hier nimmt der deutsche Politiklehrer beispielhaft das Recht in Anspruch, den Schriftbeleg 1 Sam 8 in einem politischen Verständnis auszulegen. Über Konfessionsgrenzen hinweg sucht er – seinem Wissenschaftsanspruch getica

344  Siehe für das deutsche Reich unter Karl V. (1519–1556) in 25 Bestimmungen: § 39. Carney übersetzt beispielhaft die Fundamentalgesetze für die Herrschaftszeit Karls V. (Politica-Carney XIX  39). Bemerkenswert ist, dass Althusius auf die zurückliegende Herrschaft Karls V. abstellt, nicht dagegen auf die Bedingungen der Regentschaften Ferdinands I., Maximilians II. oder Rudolfs II.

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mäß – nach Autoren, die seine Exegese gegen Barclays Schriftauslegung stützen. Unter anderem sieht sich der Politiklehrer mit der Aussage des Schotten konfrontiert, wonach aus der Heiligen Schrift hervorgehe, dass der König von Gott eingesetzt werde. Ein Gottesgnadentum als das Alleinstellungsmerkmal des Herrschers ist für Althusius aber in der von Barclay vertretenen Weise inakzeptabel. Geradezu schroff weist der Autor die Versuche Barclays zurück, sich über ein Gottesgnadentum aus der Gemeinwohlbindung zu lösen. Mit entsprechenden Schriftbelegen kontert er, dass König und Ephoren „sowohl vom Volk als auch von Gott eingesetzt“ sind: „Von Gott mittelbar, vom Volk unmittelbar.“ (XIX  69) Alle Gewalt stammt von Gott und er hat sie allen gegeben, nicht einem Einzigen (für den Staat vgl. I  26 u. ö.; für die Kirche XXVIII  18). Alle können indes diese Gewalt einer monarchischen Spitze übertragen. Institutionell löst sich der Summus Magistratus vom sakralen Charakter des Königtums und einem personalisierten Königsheil. Althusius’ Lehre verzichtet allerdings nicht gänzlich auf jenen Charakter. Dieser ist in der Deutung der gegenseitigen vertraglichen Verpflichtung als Bund (foedus) präsent, der im Bund Gottes mit dem Volk Israel sein Urbild findet (XIX  29). Das Amt vergegenwärtigt Gott, indem Gottes Volk repräsentiert wird (XIX  98; XXVIII  18). Bei der Inthronisation und Inauguration wird Gottes Name angerufen; die göttliche Weihe des vom Volk Gewählten bleibt indessen „im Verborgenen“ (XIX  92, 97). Sie besteht konsequenterweise unabhängig von den verschiedenen Wahlformen, da Al­ thusius den formalen Akt von der vorausgehenden Wahl abgrenzt: „Denn die Krönung fügt dem gewählten Magistrat nichts Neues hinzu“. Die dem Magistrat anvertraute potestas erstreckt und beschränkt sich materiell auf alle diejenigen Angelegenheiten, die das Reich als ganzes und die Provinzen in ihrer Gesamtheit berühren (XIX  5). Danach besteht für staatliche Eingriffe in die inneren Angelegenheiten der Provinzen, abgesehen von der Jurisdiktionsgewalt (XXXIX  39), keine Rechtsgrundlage, so dass von getrennten Hoheitsbereichen auszugehen ist. Im Rahmen der solidarischen Schutzgemeinschaft ist allerdings das Reich zur subsidiären Hilfe gegenüber jedem Bundesglied verpflichtet (XVI  5). Der oberste Magistrat trägt demnach auch Sorge für die Glieder und Teile des ganzen Körpers (XXVIII  1). Eine Teilung des Herrschaftsgebiets oder der im kollektiven Eigentum des Volkes stehenden öffentlichen Güter unter den Kindern des obersten Magistrats, zieht keine Übertragung königlicher Herrschaftsgewalt nach sich und lässt die Nachfolgeregelung unberührt (XXXVII  48).



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7. Wahl und Erkenntnis Nachdem Herrschaft, aufgrund der Schwäche der menschlichen Natur und zur Vermeidung von Anarchie, als notwendig und nützlich erkannt ist, widmet sich der politische Denker der Fragestellung, auf welche Weise sich das Amt übertragen lässt. Dies geschieht für die Staatsebene vor dem Hintergrund einer unteilbaren Volkssouveränität und der Bindung an die Fundamentalgesetze. Das Wahlrecht bildet einen gewichtigen Teil des Staatsrechts und wird im Fundamentalgesetz aufgenommen. Für die Ebene des Gesamtstaates spricht die Politica von verschiedenen Wahlarten, die gemäß den Fundamentalgesetzen abzuhalten sind. In ihrer konkreten Ausgestaltung unterscheiden sich die Wahlen von Konsoziationenstufe zu Konsoziationenstufe, d. h. der anerkannte Brauch in einer Stadt weicht von einem anderen ab, in einer Provinz wählt man anders als in einer anderen. Die species electionis für den höchsten Magistrat sind demnach nicht verallgemeinerungsfähig. Es können mehrere heterogene Wahlsysteme nebeneinander stehen (vgl. XXXIX  51).345 In den Kapiteln 19 und 39 werden die für die Wahl des obersten Magistrats wesentlichen Angaben getätigt. In Kapitel 19 wird die freie Wahl von der eingeschränkten geschieden. „Denn die Herrschenden werden entweder aus der Gesamtheit aller Menschen (ex omnibus, P.  K.) oder aus einem bestimmten Kreis von ihnen (ex certa hominum specie, P.  K.) … gewählt.“ (XIX  70) Die »freie« Wahl ist dadurch gekennzeichnet, dass die wählenden Ephoren an keine Vorgabe gebunden sind, sondern eine freie Entscheidung treffen. Gleichwohl stellt Althusius gerade für die »freie« Wahl neben der praktischen Befähigung Bedingungen an die sittliche Eignung des Kandidaten (XIX  73; XXXIX  51). Es darf „kein Mensch niedriger oder untergeordneter Stellung“ gewählt werden (XIX  73). Aus »freien« Wahlen hervorgegangene Könige sind für Althusius beispielsweise die Polens und Dänemarks (XIX  71). Als Leitbild fungieren biblische und historische Personen, die aufgrund ihrer Tüchtigkeit (industria) gewählt wurden (XIX  91). Die »freie« Wahl erlaubt es, Änderungen in der verfassungsmäßigen Ordnung vorzunehmen, d. h. eine alte constitutio teilweise zu verändern oder gänzlich abzuschaffen sowie eine neue zu begründen (XIX  72).346 Das konkrete Änderungsrecht ist schon direkter Ausfluss des Wahlrechts im Verhältnis zum Fundamentalgesetz des jeweiligen Gemeinwesens. Ein argumentativer 345  Koch kommt in ihrer Untersuchung einerseits zu dem Ergebnis, dass Gott „letztlich darüber entscheidet, wer herrschen und regieren soll“, dies. 2005, 154, 248. Anderseits sagt sie, dass es „bei Althusius keinen Hinweis auf einen göttlichen Heilsplan“ gibt, dies. 2005, 156. 346  Dieses Recht zur Abänderung der inneren Struktur übersieht Hofmann 1988, 541.

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Rückgriff auf das Souveränitätsrecht ist daher entbehrlich. Dies zeigt sich daran, dass bei der so genannten beschränkten Wahl weder den Ephoren noch dem Volk „ein Wechsel der vom Volk einmal begründeten und angenommenen Ordnung … gestattet ist.“ (XIX  75), obschon auch unter den Anwendungsbedingungen der beschränkten Wahl das Souveränitätsrecht des Volkes unberührt bleibt. Die eingeschränkte Wahl hat ihren Rechtsgrund in einer Übereinkunft (conventio) zwischen dem Reich und dem Volk. Mithin steht diese Wahlart auf einer Geltungsebene sui generis. Sie ist nach Aussage des Autors die favorisierte Wahlart der zeitgenössischen politischen Theorie, wonach ein „gesetzlich bestimmte[s] Recht der betreffenden Personen gewählt zu werden“ begründet wird. Es wende „jede Gelegenheit für Parteiungen und Verschwörungen ab“ und sorge für Beständigkeit gegenüber den Nachteilen eines Interregnums. Ein Wechsel der Wahlordnung bleibt außer Betracht. Althusius begründet die Bindung an die Übereinkunft mit dem Treuebruch, den eine Änderung gegenüber dem näher zu bestimmenden Personenkreis zwangsläufig bedeute, sofern der Wechsel nicht mit deren Einverständnis erfolgt. Diese Verpflichtung geht sogar in das Fundamentalgesetz des Gemeinwesens ein (XIX  75; vgl. auch XXXVIII  69). Die Argumentation überzeugt nicht, da die Übereinkunft zwischen regni seu universalis consociationis & populi getroffen wird, mithin diese als Herren der Übereinkunft über ihren Fortbestand beschließen können müssen. Das Volk hat sich weder seines Souveränitätsrechts begeben noch ist es über- noch untergegangen. Doch ist de jure – bis zum Widerstandsfall  – seine Ausübung gehemmt. Ein Weiteres spricht gegen die eingeschränkte Wahlordnung: Entgegen des pragmatischen Impetus der Politica im Allgemeinen und der erklärten Kriterien von Geeignetheit und Tüchtigkeit insbesondere, werden nach der eingeschränkten Wahl „sogar die wegen eines Gebrechens oder sonst Unfähigen und zum Herrschen Ungeeigneten gleichwohl nicht zurückgewiesen oder von der Herrschaft ausgeschlossen werden dürfen“ (XIX  75). Erst wenn es keine Anwärter aus dem beschränkten Personenkreis mehr geben sollte, ist ein Wechsel in den freien Wahlmodus vorgesehen (XIX  75, 90). Die beschränkte Wahl differenziert sich in Bezug auf den in Frage kommenden Personenkreis weiterhin in die Angehörigen des Adels einer bestimmten Nationalität (Nachfolge) einerseits sowie andererseits in die auf die Erben des zuvor verstorbenen Magistrats (Erbfolge) begrenzten Anwärter. Versteht Althusius noch kein Rechtssubjekt unter der bezeichneten natio, so ist diese auch nicht unbedingt deckungsgleich mit der universalen consociatio, die verschiedene Nationen einen kann. Er verweist beispielhaft auf das Fundamentalgesetz des Deutschen Reichs, nach welchem der Kaiser



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germanus natione sein muss (XIX  76). Das Erbfolgereich wiederum entnimmt den Personenkreis entweder aus bestimmten, auch auswärtigen testamentarischen Erben oder aus den Familien- und Verwandtschaftsangehörigen. Die testamentarische Festlegung kanzelt der Autor aus der Sicht des Souveräns als „sklavisch und verderblich“ ab. Als historisches Beispiel benennt er die Erbfolge in Burgund unter Rudolf III. von Burgund und Kaiser Konrad II. (XIX  77).347 Auf die dynastische und agnatische Fami­ lien- und Verwandtschaftserbfolge wird in §§ 78–91 eingegangen, wobei die Erbfolgeregelungen in einzelnen europäischen Reichen beispielhaft zugewiesen werden. Im Anschluss an die Darstellung der beschränkten Wahlarten vertritt der Autor deutlich eine abweichende Ansicht, danach in Erbfolgereichen die Wahl durch das Volk nicht ausgeschlossen ist. Schließlich liegt der Grund zur Herrschaftsfolgeregelung viel eher in der universalen Gemeinschaft als „in den Lenden der Väter“ (s. a. XXXVIII  128). Zudem wohnt der Wahl eine größere Legitimität inne, die sich bei der Herrschaftsausübung bezahlt mache. Entgegen der herrschenden Lehre formuliert Althusius, dass „[s]eines Erachtens … sich auch in diesem Fall das Volk bzw. die Glieder des Reichs die Wahl vorbehalten [haben], so dass sie von mehreren Kindern des verstorbenen Magistrats oder von der ganzen Familie denjenigen wählen können, den sie für die Verwaltung des Reichs als den Geeignetsten ansehen“ (XIX  90). Andernorts spricht der Autor mit offenem Visier davon, dass im Falle einer Absetzung, Niederlegung oder im Todesfall die Herrschaftsgewalt zum Volk „als dem eigentlichen Herrn zurückkehrt“ (XXIV  40; vgl. auch XVIII  21; dgg. XXXVIII  69). Dahinter steht die Souveränitätslehre und Althusius’ agonaler Anspruch auf den Bestgeeigneten. So besehen haben Wahlen sogar dann stattzufinden, selbst wenn ein Fundamentalgesetz diese gar nicht vorsieht (XIX  91 gegen Barclay). In Kapitel 39 nimmt Al­ thusius die Vorgehensweise aus Kapitel 18 zur Wahl der Ephoren wieder auf. Dabei werden die Wahl durch das Los, aufgrund des „Brauchs der Väter“ oder des „Willens und der Zustimmung der Untertanen“, d. h. schließlich das Wahlrecht aller oder weniger nebeneinander gestellt (XXXIX  48–51). Die Stimmen werden wie bei der Ephorenwahl nach unterschiedlich groß eingerichteten Wahlbezirken (zenturien-, kurien- oder tribusweise) gezählt. Ablehnend gegenüber steht der Autor der Möglichkeit, „dem Volk unterschiedslos die Wahl zu lassen“ (XXXIX  50). Die Volksherrschaft, also die Demokratie, nennt Althusius status democraticus oder popularis, womit der Unterschied zur Respublica als res populi deutlich wird. Der status demo347  Zur Nominierung Kaiser Heinrichs II. als Erben durch Rudolf III. von Hochburgund und zur Stellung Kaiser Konrads II. in Burgund s. Fleckenstein 1988, 219–214; ders. 1996, 294, 302.

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craticus ist eine Organisationsform der res populi, nicht damit gleichbedeutend (XXXIX  57  ff.).348 Dagegen empfiehlt sich ein Wahlrecht der Ephoren und Optimaten – im Einklang mit Kapitel 19 – aufgrund eines ihnen zugesprochenen Sachverstandes (XXXIX  48, 50). Die »Gretchenfrage« behandelt Althusius behutsam und vermittelnd. Sofern der Gewählte einer „anderen Religion“ angehört, sorgen die Stände dafür, dass „er in der wahren und richtigen Religion unterwiesen (informetur, P.  K.) wird.“ Die Konfessionszugehörigkeit ist demnach keine notwendige Bedingung zur Übernahme des Herrscheramtes, auch wird auf der Ebene der universalen Konsoziation keine Einführung der Formel Ubi unus dominus, ibi una religio diskutiert.349 Ist ein erwünschtes einheitliches Bekenntnis nicht in reiner Form erreichbar, was sowohl am Magistrat als auch an den unterschiedlichen Konfessionen angehörenden Ständen liegen kann, so wird gleichwohl eine »Einheit in der Verschiedenheit« erreicht. Diese zeigt sich darin, dass wiederum die Stände (ordines) den Herrscher dazu verpflichten, denjenigen „Gliedern des Reichs“, die einem von ihm abweichendem Bekenntnis angehören, eine ungehinderte Ausübung ihrer Religion bzw. Bekenntnis zu gestatten. Diesen Toleranzkonsens sieht Althusius zur Abfassungszeit seines Werks unter anderem in Deutschland nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 (welcher die Reformierten allerdings nicht einschloss) als auch in Frankreich nach dem Edikt von Nantes von 1598, aber auch in Polen, Schweden und England verwirklicht und gewährleistet (XIX  87). Der in „Anwesenheit des ganzen Volks“ und mit dessen Akklamation öffentlich (publice) bestätigte und auf die „vorgeschriebenen Gesetze“ vereidigte Herrscher wird schließlich als „Typus“ göttlicher Macht (typum divinae potentiae) beschrieben und mit weiteren göttlichen Attributen ausgestattet (XIX  98). Unter typus ist nicht das Abbild im Sinne von Ebenbildlichkeit, sondern vielmehr eine Figuration zu verstehen. Althusius versteht die reichsrechtliche Formel Wir von Gottes Gnaden daher nicht als Ausdruck eines personal legitimierten Gottesgnadentums. Für den Autor der Politica drückt sie eine figurale Vergegenwärtigung von „Erhabenheit, Größe, Ruhm, Milde, Voraussicht und Fürsorge, Schutz und Leitung“ im Amt des Magistraten aus. Es versteht sich von selbst, dass es einer Zustimmung oder Bestätigung ex cathedra nicht bedarf (XIX  101). Althusius hat sich längst von einem gottesunmittelbaren Kaisertum verabschiedet, das mit der Kirche um die Vorrangstellung in Wettstreit liegt. Rund zwei Generationen vor dem Erscheinen der Erstausgabe wurde mit Karl V. 1530 letztmalig ein deutscher Kaiser von einem Papst gekrönt. Konsequent lehnt der Autor – 348  So auch deutlich für Cicero, der zwischen civitas popularis (Organisationsform) und respublica unterscheidet: Böckenförde 2002, 163 Fn.  54. 349  Dies bleibt bei Koch unklar, dies. 2005, 109, 341.



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unter Berufung auf Marsilius’ Schrift Defensor Pacis – daher die Befugnis zur Entsetzung eines Gewaltherrschers durch den Papst als unzulässig ab (XXXVIII  55; vgl. auch XXVIII  32). Gegen Barclay, der ein Wahl- von einem Einsetzungsrecht unterscheiden will, wobei die Wahl Sache Gottes, die Einsetzung dagegen die des Volkes sei, verteidigt Althusius das „Recht der Völker“ einen König zu wählen und einzusetzen. Einen Akt der theoretischen Erkenntnis, auf wen Gottes Wahl gefallen ist, stellt die althusische Wahl nicht dar. Als Gottes Volk ist die Auswahl des bestgeeigneten Kandidaten stets eine eigene Angelegenheit der jeweiligen universalen Gemeinschaft in einer kontingenten Welt (XIX  103  f.). Deshalb verteidigt er die allgemeine Wahl der Magistrate als „sicherer“ gegenüber einer Bestimmung durch einige Wenige (XXXII  89). 8. Der Religionsvertrag Hinsichtlich der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten, d. h. der Sorge für die religio orthodoxa, zieht Althusius für die Legitimation in diesem Lebensbereich eine eigenständige Vertragskonstruktion heran. „Der Magistrat gelobt Gott im Religionsvertrag (pactum religiosum) in den ­Komitien in feierlicher Form zusammen mit den Gliedern des Reichs“ (XXVIII  15). Als historisches Beispiel dienen dem calvinistischen Autor die Reichsabschiede von 1555, wonach die Könige dazu verpflichtet werden, „für die anerkannte Religion Sorge zu tragen und die nicht anerkannte auszutreiben“ (XXVIII  15 a. E.). Der Religionsvertrag findet in besonderer Weise sein Urbild im Bund Gottes mit dem auserwählten Volk. Der Religionsvertrag (XXVIII  15–24) stellt eine notwendige Ergänzung zur politischen Herrschaftsbegründung dar, sofern das Staatskirchenregiment als eine staatstragende und ordnungssichernde Großinstitution angesehen wird und dem höchsten Magistrat Kompetenzen auf diesem Gebiet zugewiesen werden.350 Der Religionsvertrag stellt demnach keinen übergeordneten Fundamentalvertrag dar, auf den sich die Rechtseinheit des Volks und des universalen Gemeinwesens konstituierend aufbauen bzw. aus dem sich alle weltliche Herrschaftsgewalt legitimierend ableiten lässt (XXVIII  22).351 350  Ebenso die „politische und rechtliche“, „weniger konstitutive als vielmehr stützende Funktion“ des Religionsvertrages betonend: Wyduckel 2003, XXVI  f. Vgl. auch Oestreich, der die föderaltheologische Bundesidee bei Althusius aus dem Zentrum an den Rand gedrängt sieht, ders. 1969, 157  ff. Anders dagegen in der Beurteilung des Religionsvertrags Winters 1995, 45 und Duso 2002, 24  ff. m. w. N., der das religiöse Element sogar in den Mittelpunkt von Verwaltung und politischem Leben gestellt sieht. 351  Einen anderen Ansatz verfolgt Schmidt-Biggemann 1988, 213  ff.; Fisch 1990, 917.

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Er bezieht sich lediglich auf einen Teil der Herrschaftsaufgaben. In der Vorstellungswelt des Autors ist Erziehung und Bildung zwar eine staatliche Angelegenheit ersten Ranges, indessen wird sie nicht aus dem Einflussbereich der Kirche gelöst, sondern die Ausbildung an die sittliche und religiöse Bildung und Erziehung gebunden (vgl. VIII  23, 35). Entscheidend hinzu kommt, dass eskalierende Religions- und Konfessionskonflikte Unruhen und Aufstände mit sich bringen, die sich gefährdend auf die innenpolitische, ja weltliche Ordnung auswirken (XXVIII  65). Hier obliegt es dem Staat vermittels des Kirchenregiments, einen Organisationsrahmen abzustecken sowie Einfluss auf die Bildungs- und Erziehungsziele zu nehmen. Problematisch wird dies für den Bereich des Glaubens. Der Grundsatz, dass über das Gewissen kein Befehl und kein Zwang ausgeübt werden darf, sofern nicht „äußere Handlungen“ gegen staatliche Gesetze verstoßen, kann mit staatlichen Ordnungsvorstellungen kollidieren (XXVIII  48). Woher nimmt der oberste Magistrat die Kompetenz, über religiöse Angelegenheiten zu bestimmen, wenn zugleich die Gewissensfreiheit, die als Leitbild der politischen Lehre propagiert wird, einen herrschaftsfreien Raum darstellt? Es ist wie zuvor eine Übertragung von Rechten des Volkes zu prüfen. Hierbei bleibt die Freiheit des Gewissens unberührt, der Glaube ist ein »Recht«, das sich letztlich der Einzelne »vorbehält« und nicht auf den Magistrat überträgt. Gleichwohl wird im kirchlichen Souveränitätsrecht (IX  31–45) deutlich gemacht, dass es in einer consociatio, die Körper und Seele des Menschen erfasst, eine gemeinschaftliche Aufgabe ist, das Seelenheil betreffende Institutionen einzurichten. Die consociatio ist immer auch Gemeinschaft des Glaubens, ist stets Kirche (vgl. XVIII  101). In der ersten Auflage der Politica trug das Kapitel 9 noch die Überschrift Über die Fundamentalgesetze des Reichs und die kirchliche Souveränität, was die Gleichung des weltlichen und geistlichen Anspruchs der universalen Gemeinschaft stärker hervorhob. Das »dass« des Glaubens ist für die Politica entscheidend. Das weltliche Gemeinwesen behindert das kirchliche Gemeinwesen in keiner Weise und umgekehrt. Beide sind den – den menschlichen Grundbedürfnissen entsprechenden – Erfordernissen der symbiotischen Lebensgemeinschaft entsprungen. Damit ein das Seelenheil betreffendes glückliches Leben in der Gemeinschaft stattfinden kann, sind kirchliche Strukturen und Institutionen einzurichten, die mit den weltlichen harmonieren (IX  32). Diese Aufgabe überträgt das Volk seinem Führer. Damit ist der Aufgabenbereich des obersten Magistrats eröffnet. Eine magistrale Handlungskompetenz ergibt sich aus dem Religionsvertrag, den Gott auf der Gläubigerseite sowie der oberste Magistrat und das Volk auf der Schuldnerseite schließen (nicht die Einzelnen!, XXXVIII  65). Der Religionsvertrag steht in der Tradition des alttestamentlichen Bund Gottes mit seinem Volk. Darin verpflichtet sich das Volk, allein dem Wort



§ 6 Herrschaft und Legitimation

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Gottes „und nicht den Weisungen oder dem Belieben der Menschen“ zu folgen (XXVIII  17, 18). Althusius konstruiert diesen Vertrag als Gesamtschuldnerschaft, so dass jeder Schuldner für die Verpflichtung des anderen einzustehen hat. Höchste politische Bedeutung gewinnt der Religionsvertrag wegen der inbegriffenen Freiheitsgarantie, die einem totalitären Machtanspruch Schranken setzt (vgl. etwa XXVIII  23). Dieser Bund verpflichtet die Ephoren im äußersten Fall zum Widerstand gegen eine diesen Religionsvertrag verletzende Gewaltherrschaft (XXXVIII  6, 8, 33  f., 65, u. ö.). Auf der anderen Seite übernimmt der oberste Magistrat die volle Verantwortung auch für die Vertragserfüllung des Volkes. Hierin liegt eine Legitimationsgrundlage, gegebenenfalls auch gegen das Volk zu regieren, ohne dass das Volk unmittelbarer Ursprung dieser Handlungsmacht ist. Die Grundlagen dieses pactum religiosum stimmen daher nicht mit denen der politischen Legitimation des sog. kirchlichen Souveränitäts- oder Reichsrechts überein.352 Anders als bei der politischen Herrschaft rückt der Magistrat in ein unmittelbares Legitimationsverhältnis zu Gott. So spricht der Autor nunmehr davon, dass die kirchliche Verwaltung dem Magistrat „durch göttlichen Auftrag aufgegeben“ wird (XXVIII  7). Gegen Barclay argumentierend will der Autor der Politica jedoch daraus keine Einfallstür für eine Legitimation in weltlichen Dingen abgeleitet wissen (XXVIII  20–24). Daher besteht Althusius auch darauf, dass selbst in einer monarchischen Staats- und Regierungsform der Religionsvertrag zugleich auch immer vom Volk geschlossen wird. Schließlich kann der oberste Magistrat beim Bund mit Gott nur deshalb seine Rechtsposition einnehmen, weil er zuvor unter den »weltlichen« Bedingungen seine Herrschaft begründet hat. Problematisch ist, wie areligiöse Weltanschauungen in den Religionsvertrag eingebunden werden. Sie wären nicht Vertragspartner, somit unterstünden sie auch bei Vertragsbruch nicht dem staatlichen Kirchenregiment. Al­ thusius ebnet die bestehende Heterogenität der Weltanschauungen vereinfachend ein, indem er nicht mehr von den einzelnen Menschen, sondern vom Volk als dem Volk Gottes spricht. Da die konsozietale Gesellschaft als Gottes Volk verstanden wird, besteht eine sollensmäßige Verpflichtung des Volkes gegenüber Gott, ein frommes Leben zu führen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass es auch zugleich Fromme und Nichtfromme unter Gottes Volk gibt (vgl. XXI  21). Zwar wird das Volk Gottes wiederum durch die Ephoren repräsentiert (XXVIII  18), die per definitionem stets fromm und rechtgläubig sein müssen, gar als Repräsentanten der christlichen Gemeinschaft bezeichnet werden (XVIII  57), doch verschiebt sich die Problematik dadurch nur auf eine vorherige Stufe der Repräsentation. Letztlich greift hier die Gewissensfreiheit, die gewährleistet, dass Nichtfromme nicht 352  Das

verkennt Winters 1995, 45.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

durch körperlichen Zwang, sondern durch das „Schwert des Geistes“ bekehrt werden mögen (vgl. aber IX  41). Der Religionsvertrag allein bringt vor dem Hintergrund der Konfessionenvielfalt nicht die integrative Leistung auf, über die der politische Mandatsvertrag verfügt.353 Eine weitere Schwierigkeit stellt daher die Übertragung von Hoheitsgewalt auf Kirchenpersonen dar (vgl. XXXII  48; u. ö.). Sofern die kirchliche Verwaltung sich als Teil der Staatsverwaltung, etwa in den Bereichen der Bildung, Erziehung und Sozialdisziplinierung betätigt, ist sie unproblematisch als Staats- bzw. Landeskirchenregiment unter dem Primat des obersten Magistrats zu charakterisieren (z. B. XXVIII  50). Einer absolutistischen Staatstheorie gleich tritt auch die Politica für die Etablierung von Verordnungs- und Kontrollbefugnissen der Fürsten in weite Bereiche sogar des religiösen Alltags ein. Was jedoch die Lehre der religio orthodoxa und die Seelsorge betrifft, besteht weiterer Klärungsbedarf, ob ihre Befugnis von einer weltlichen Übertragung abhängt und sich damit aus einer Vorrangstellung des obersten Magistrats ableiten lassen muss. Gleichwohl bestimmt Althusius, dass die „kirchlichen Diener“ das ausführen, „was der Magistrat ihnen aufgrund des Wortes Gottes aufträgt“ (XXVIII  5, 7). Gibt es nun also eine »absolute« Herrschersouveränität in sämtlichen religiösen Angelegenheiten, danach der Magistrat nur noch Gott als Oberen anerkennt, der ihm den Befehl für die „Aufsicht, Verteidigung, Sorge und Leitung der kirchlichen Dinge“ eingibt und dem allein er Rechenschaft schuldet? Suspendiert der „göttliche Auftrag“ teilweise den legitimatorischen Anspruch aus der Volkssouveränität? Genau besehen ist die Chance auf Befolgung in Fragen des Glaubens für Althusius keine Angelegenheit von Befehl und Gehorsam. Der Staat nimmt hier lediglich eine »Gewalt« durch „das Schwert des Geistes“ in Anspruch, die keine Hoheitsgewalt im Sinne einer Befehls- und Strafbefugnis auch gegen den Willen der Herrschaftsunterworfenen darstellt (vgl. XXVIII  63  f.). Aus Gründen der Staatsräson sieht der politische Denker für das staatliche Gemeinwesen hier eine präventive Disziplinierungskompetenz eröffnet, die er bei Lipsius und dem griechischen Historiker der römischen Kaiserzeit Cassius Dio bestätigt findet: „Die Zensur bessert das, was zwar noch nicht strafwürdig ist, jedoch, wenn man es vernachlässigt oder gering schätzt, zur Ursache vieler und großer Übel wird … Auch wird das Gemeinwesen, wenn man dem keine Beachtung schenkt, nach und nach von Grund auf zerrüttet.“ (XXX  2). Der althusische Religionsvertrag gehört dem Vertragsdenken als Metapher für die Verbindung von Menschen unter einen bestimmten Zweck an. Der Bund Gottes mit dem Volk Mose, Isaaks und Jakobs nimmt sich für den Staatsdenker vor dem Hintergrund der Allmacht Gottes als eine spezielle 353  Diese

Differenzierung ist bei Schmidt-Biggemann versperrt, ders. 1988, 213.



§ 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte

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vertragliche Regelung aus, die sich säkular vervielfältigen lässt. Hobbes wird mit der gleichen Intention formulieren: „Gott ist durch seine Gewalt König der ganzen Erde, aber er ist König seines erwählten Volkes durch Vertrag.“354

§ 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte 1. Das Übel der Methode Otto v. Gierke stellt in seinem Werk Johannes Althusius und die EntwickStaatstheorien die These auf, dass Althusius seiner Lehre „die beiden Glieder des Gesellschaftsvertrages und des Herrschaftsvertrages zu Grunde“ gelegt habe. Gierke fährt in rechtshistorischer Hinsicht fort, dass die Scheidung „dieser beiden Grundverträge“ zwar bereits früher getroffen wurde, „obwol niemals in gleicher juristischer Schärfe“. „Im 16. Jahrhundert sprechen sie am bestimmtesten Covarruvias I  c. 1, Franc. Victoria Rel. III, Molina II  d. 22 – 23 aus; ihre Durchführung bei Suarez ist jünger als die Politik des Althusius.“355 Eine zweite, rechtssystematisch anschließende These lautet, dass Althusius „als der Schöpfer einer eigentlichen Theorie des contrat social betrachtet werden muss.“356 Die neuere und neueste Literatur zu Althusius stößt sich immer wieder an dieser Einschätzung; sie geht etwa Fragen nach, ob Althusius viel eher ein Aristoteliker (Weinacht, Denzer), oder ein mittelalterlicher Vertragstheoretiker (Schmitt, Kersting), oder gar ein deutscher Rousseau (Gierke, Derathé, ­Wyduckel), oder weder das eine noch das andere ist (Friedrich, Winters, Scupin, Krawietz, Duso).357 lung der naturrechtlichen

Eine Bewertung muss vor dem Hintergrund erfolgen, dass Althusius’ Gegenspieler Bodin die Frage nach der Entstehung des Staates zugunsten der Herrschaftsausübung zurücktreten lässt. Herrschaft geht für den französischen Staatsdenker nicht aus einem Vertrag hervor, sondern ist das Ergeb354  Hobbes,

Leviathan, Kap. 12, 90. 1913, 76 und dort Fn.  1. Diese These wird so auch heute noch von Hohberger vertreten, ders. 2008, 119  f. 356  Gierke 1913, 99. Auf die sich daraus ergebenden »unheilvollen Folgen« in der Althusius-Rezeption geht überblicksartig Krawietz 1988, 391–423 ein. 357  Weinacht 1988, 443–463; Denzer 1985, 242; Schmitt 2003, 68; Kersting 1994, 222–225; Gierke 1958, 9, 99; Derathé 1974, 92  ff.; Wyduckel 1988, 465–493; Friedrich 1975, 113  ff. (indifferent: Althusius als Aristoteliker, 76); Winters 1963, 29  f., 223  f.; Scupin 1978, 637–657; Krawietz 1988, 391–423; Duso 2002, 13–33; ders. 2010, 79  ff. Als Vertragstheoretiker sehen Althusius u. a. van Eikema Hommes 1983, 211–232 (zurückhaltender ders. 1988, 380  ff.); Merzbacher 1972, 107  ff.; u. v. a. m. 355  Gierke

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

nis von „Macht- und Gewaltausübung“ (Bodin, Über den Staat, I  6, 15). Staaten sind „ursprünglich mit Gewalt gebildet worden“ (ebd.). Sofern man den Six Livres de la Republique die Bedeutung beimisst, die überragende Publikation auf dem Gebiet der politischen Bücher gewesen zu sein, so wandelt sich die »Unhaltbarkeit der These Gierkes« (Kersting 1996, 218  ff.) zu einer diskussionswürdigen Annahme: Betritt der Herborner Rechtsgelehrte gegenüber der Machtstaatstheorie Bodins politiktheoretisches Neuland? Den neuzeitlichen Vertragslehren liegt häufig ein Naturzustandstheorem zugrunde.358 Es nimmt einen Zustand von Staats- sogar Rechtlosigkeit an, in dem die einzelnen Individuen aufgrund freier Zustimmung Recht und Staat legitimieren. Erneut ist daher der Blick innerhalb des althusischen Werks zunächst darauf zu richten. Der consociatio universalis major ist methodisch kein Naturzustand vorgelagert. Dem Verlauf der Darstellung folgend schließt sich das staatliche und gesamtgesellschaftliche Gemeinwesen den Ausführungen über die Provinz und die Städte als consociationes particulares an und stellt sich – in einer kontingenten Welt – als eine mögliche Konsequenz dar (XXXIX 84; Vorwort 1603, 21). Anders als bei Hobbes existiert für Al­ thusius vor einem mutmaßlichen Vertragsschluss kein rechtsfreier Raum. Gelten im Leviathan im vorstaatlichen Bereich lediglich die natürlichen Gesetze als Gebote der rechten Vernunft, so sind in der Politica bereits die Regeln, Satzungen und Rechtsordnungen auf der Grundlage des symbiotischen Rechts der vor- und unterstaatlichen Konsoziationen in Kraft. Anders als bei Locke, der zumal den obligaten Natur- von einem fakultativen Kriegszustand (2. und 3. Kapitel) unterscheidet, beginnt die politische bzw. bürgerliche Gesellschaft, die in den Zwei Abhandlungen über die Regierung in eins gesetzt werden (§ 89) und deren Endzweck die Erhaltung des Eigentums ist, wesentlich früher. Für Althusius spielt der Verzicht auf eine dem Einzelnen zustehende natürliche Gewalt, die er zugunsten der Gemeinschaft aufgibt, keine Rolle. Besteht mithin in der althusischen Entstehungslehre von Staat und Gesellschaft überhaupt Raum für einen Status, der in der politischen Theorie der Neuzeit mit dem Ausdruck »Naturzustand« belegt wird? Wenn Politik die Kunst ist, die Menschen zusammenzuschließen, fragt sich, ob die Politica einen vorpolitischen bzw. vorgemeinschaftlichen Status anerkennen »müsste«, in dem die Menschen noch nicht zusammengeschlossen waren, also einen Zustand nicht vor einer konkreten Gemeinschaftsstufe, sondern vor der consociatio im Allgemeinen. Rudimentär beschreibt Althusius einen vorkonsozietalen Zustand, dem allerdings nicht das krasse Verdikt vom »Krieg aller gegen alle« anhaftet. Zwar kennt der Verfasser ein Naturrecht „jeder gegen jeden“, das die Verteidigung gegen Gewalt und Unrecht rechtfertigt (XIX 69), 358  Vgl. Hofmann 1984, Art. Naturzustand, 653–658; Kersting 1994, 55; Höffe 1994, 291–300; Macpherson 1980, 30–61 (für Hobbes), 268–278 (für Locke).



§ 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte

253

allerdings erhebt er ihn nicht zum wesensmäßigen Zustand der vorkonsozietalen Gemeinschaft, sondern ordnet es dem Widerstand gegen staatliche Gewaltherrschaft zu. Im Eingangskapitel wird schlaglichtartig ein vorgesellschaftlicher Status beschrieben (I 4). Danach wird auf den Einzelnen abgestellt, der ohne Gemeinschaft mit anderen Menschen zu Beginn seines Lebens nicht überlebensfähig, später nicht in der Lage ist, angemessen und gut zu leben. Als einzelner befindet sich der Mensch in einer unmöglichen Lage. Insoweit ist die Vergemeinschaftung „notwendig“ (Überleben) und „nützlich“ (angenehmes und gutes Leben). Konflikte zwischen den Menschen werden nicht untersucht, vielmehr geht es in einem ersten Schlaglicht um die Feststellung einer allgemeinen Unmöglichkeit des Einzeldaseins (I 27). Einen zweiten Blick wirft der Verfasser dann auf die Herrschaftsfreiheit im Naturzustand, in dem alle ein gleiches Naturrecht in Anspruch nähmen: „Wenn aber alle gleich wären und jeder nach Belieben regieren wollte und andere es ablehnten regiert zu werden, entstünde leicht Zwietracht und daraus die Auflösung der Gesellschaft.“ (I 37). Nimmt man eine hobbessche Position ein, liest sich das Szenario ganz ähnlich dessen späterem Theorem: „Schließlich würde eine Macht, die einer anderen, gleichartigen entgegenträte, in ständiger und unversöhnlicher Zwietracht alles zu Grunde richten“ (I 35). Diese Aspekte werden dazu entwickelt, dass ein kontemplatives Leben (der Mönche und Eremiten im Besonderen) als ein Leben außerhalb der bestehenden Gesellschaft als „misanthropisch“ und asozial abzulehnen ist. Erst in der Gemeinschaft wird der Mensch zum Menschen, oder wie Hobbes formulieren wird: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen … wenn man die Bürger untereinander … vergleicht.“359 Althusius beschreibt alsdann einen vorpolitischen Zustand, in dem die Menschen zwar schon vergemeinschaftet sind (Ehe, Familie, Kollegien), in dem es aber noch an politischer Herrschaft mangelt. Anarchie, und das bedeutet für den Verfasser des Werks einen herrschaftsfreien Raum in politischer, nicht in natürlicher Hinsicht, bedroht deren Existenz (XVIII 22–24; XXXIX 84; u. ö.). Der Gleichheit der Bedingungen menschlicher Existenz folgt bereits eine logische Sekunde später die Ungleichheit von Herrschern und Beherrschten, „mit der das Menschengeschlecht von Anfang an begann.“ (I 12). „Gebieten, Regieren und sich Unterordnen, regiert und geleitet zu werden sind natürliche … Verhaltensweisen (actiones naturales, P. K.)“ (I 34). Das bedeutet, die Bedingungen werden von Althusius normativ und realistisch zugleich eingeschätzt, für eine positivistische Überwindung, d. h. eine vertragliche Bedingtheit besteht kein Anlass. Die Ungleichheit wird sich durch alle Gemeinschaftsstufen bis zum Staat hindurch ziehen. In den nicht-politischen Gemeinschaften ist demnach staatliche von natürlicher symbiotischer Herrschaft zu unterscheiden, „[d]enn 359  Hobbes,

Vom Bürger, Widmung, 59.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

zu Beginn des Menschengeschlechts gab es keine (politischen, P. K.) Herrschaftsgewalten und Reiche und ebenso wenig deren Leiter.“ (XVIII 18) Die Annahme von der Natürlichkeit der Herrschaft unterscheidet den »Naturzustand« der Politica auffallend von dem des Leviathan. Die inmitten stehenden „actiones naturales“ ergeben sich nach dem Dafürhalten des deutschen Denkers „aus dem Recht der Völker“, was gleichsam die Stelle der vorstaatlichen natürliche Vernunftgesetze bei Hobbes einnimmt, mit dem Unterschied, dass das althusische „Recht der Völker“ nicht lediglich in foro interno vor dem Gewissen, sondern als normativ-realistische Ordnung in foro externo gilt. Ein Naturrecht Hobbes’scher Eigenart erkennt Althusius nicht an. Für ihn bedeutet die herrschaftslose Gesellschaft gleichwohl das Verderben der Menschen: „Die Welt in ihrer Verschiedenheit ist so groß und wunderbar, dass sie in kurzer Zeit aufgrund ihrer Unordnung untergehen müsste, wenn sie nicht durch eine Art Symmetrie der Unterordnung zusammengehalten und durch bestimmte Herrschaftsgesetze in der rechten Weise geleitet würde.“ (I 35) In dieser unordentlichen Welt ist der Mensch dazu aufgerufen, eine „Harmonie von Ordnung und Unterordnung“ zu schaffen. Ein »Naturrecht aller auf alles« stellt für Althusius einen Nihilismus dar. Da Herrschaft „mit der Natur im Einklang“ steht (I 34; vgl. XVIII 22; u. ö.), vollzieht der Mensch mit einer gesetzlichen Herrschaft im politischen Stand die natürliche Herrschaft im gesellschaftlichen Zusammenleben nur nach. Das Völkerrecht avanciert zu einer naturrechtlichen Legitimationsgrundlage staatlicher Herrschaft. Um sich nicht dem Vorwurf eines Zirkelschlusses auszusetzen, versteht sich das Recht der Völker nicht als Inbegriff zwischenstaatlicher Rechtsnormen, sondern vielmehr als universale symbiotische Rechtsordnung, die selbst dann Gültigkeit besitzt, wenn sich eine Volksgemeinschaft noch nicht zu einem Staat zusammengeschlossen hat. Althusius fasst das menschliche Grundbedürfnis nach Vergemeinschaftung in realistischer Weise zusammen: „Die Bedürfnisse des Körpers und der Seele und die dieser eingepflanzten Tugenden haben daher die zerstreuten und vereinzelten Menschen zusammengeführt. Deshalb wurden Dörfer erbaut, Städte errichtet, Akademien gegründet, hat sich eine Vielzahl von Bauern, Handwerksmeistern, Architekten, Soldaten, Kaufleuten, gebildeten und ungebildeten Menschen, gleichsam wie eben so viele Glieder ein und desselben Körpers zu einer bürgerlichen Gesellschaft vereinigt. Sie schlossen sich, indem die einen den anderen gaben und wieder andere nahmen, was sie selbst wünschten, alle in gleicher Weise zu dem öffentlichen Körper (den wir Gemeinwesen nennen) zusammen und setzten sich in gegenseitiger Hilfe den allgemeinen Nutzen und das Wohl des Gemeinschaftskörpers zum Ziel. Dass dies der wirkliche Anfang zunächst von Dörfern, dann von größeren, ausgedehnte Gebiete umfassenden Gemeinwesen war, das lehren die ältesten Urkunden der Geschichte und das beweist uns auch unsere Erfahrung heute.“ (I  27)

Beabsichtigt Hobbes durch die Schilderung eines möglichst düsteren Naturzustandes den Leviathan sprunghaft in umso verheißungsvollerem Lichte



§ 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte

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erscheinen zu lassen, entwickelt Althusius das staatliche Gemeinwesen von den bedrohlichen Anfängen der conditio humana über verschiedene Gemeinschaftsarten spiralförmig. Der Mensch wird „dazu angeregt und gleichsam gedrängt“ (I  4) ein Leben in Gemeinschaft zu verbringen. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich eine zweistufige Argumentationslinie: die Vergemeinschaftung aus Not (Notwendigkeit) und aus Nutzen (Nützlichkeit), an die sich als deren natürliche Folge eine Vergesellschaftung in einer kontingenten Welt anschließen kann. „Mitunter ist eine Gemeinschaft größer und umfassender, mitunter kleiner und begrenzter, je nachdem wie es ihre Eigenart gerade erfordert oder wie die Symbioten es untereinander vereinbart und beschlossen haben.“ (I  21) Ginge man ausschließlich von einem Vertrag als Legitimationsund Geltungsgrundlage aus, hätten wir es demnach mit einer Vielzahl von nebeneinander bestehenden Verträgen zu tun. Es entstünde daraus das Folgeproblem, alle Verträge so zu harmonisieren, auf dass Asymmetrie und Dissens verhindert würden. Gerade eine solche Gemengelage ist nach Al­ thusius aber zu vermeiden. Wenn er betont, dass es nicht angeht, dass jeder Einzelne herrschen, keiner beherrscht werden will, da sich ansonsten Zwietracht und Untergang der Gemeinschaft einstellen, kann folglich auch durch eine Vielzahl von Verträgen dieses Übel drohen. In der Tat ist der Jurisdiktionsvorbehalt des höchsten Magistrats bzw. des Staates eine solche salvatorische Klausel: Die autonomen Regelungen gelten nur, soweit nicht (symbiotische) Rechte von übergeordneter Bedeutung in der consociatio universalis major betroffen sind bzw. entgegen stehen. Das »do ut des« der verschiedenen Gemeinschaften legt eine exklusive Vertragskonstruktion nahe. Jedoch erschöpft sich nicht alles gemeinschaftliche Geben und Nehmen in vertraglichen Kategorien. Der Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Rechten bestimmt sich nicht allein nach einem vertraglichen Äquivalenzprinzip. Diese Annahme würde nämlich überdies verkennen, dass in der Politica eine Mehrleistung mitunter als dennoch »geschuldet« angesehen wird, die sich nach der asymmetrischen Leistungsfähigkeit des Symbioten bzw. einer Gemeinschaft bemisst. Dass der Politica eine Vertragslehre zugrunde liegt, scheint bereits im einführenden Kapitel eine ausgemachte Sache zu sein. Janssen übersetzt eine der maßgeblichen Eingangspassagen wie folgt: „Gegenstand der Politik ist die Lebensgemeinschaft (consociatio), in der die Symbioten sich in einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag (pactum) untereinander zur wechselseitigen Teilhabe all dessen verpflichten, was zum Zusammenleben notwendig und nützlich ist.“ (I  2) Folgenschwer wiegt ebenso, dass die „Wirkursache der politischen Gemeinschaft“ nach Althusius in consensus & pactum sich vereinigender Bürger liegt (I  29). Der Vertragsgedanke passt überdies allzu gut in das Verständnis einer kontingenten Welt. Es ist

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

als ein Übel der althusischen Methodik zu bezeichnen, dass durch die Verwendung des Signalwortes pactum schon im ersten Kapitel die für das Erschließen des gedanklichen Fortgangs erforderliche Sorgfalt allzu schnell außer Acht gelassen wird. Allzu leicht ist man nach dem Zeitalter des Kontraktualismus versucht, das pactum fortan als eine kontraktualistische Grundlage des Rechts, der Gesellschaft und des Staates anzusehen und nach dementsprechenden Hinweisen im weiteren Darstellungsverlauf zu suchen. Es empfiehlt sich, dem juristisch geschulten Autor das Wort pactum überhaupt nicht als (selbständig einklagbaren) Vertrag im Sinne eines kontraktualistischen Arguments anzurechnen, sondern vielmehr in einem unjuristischen Sinne als eine Weise des Übereinkommens, als »Ausbedingung« zu verstehen.360 Danach ist das pactum eine Formsache, die zumal nur für die politische Gemeinschaft gelten soll. Daher erklärt sich auch, weshalb Althusius die geltungstheoretische Grundlegung einer Vertragskonstruktion nicht eigens zum Gegenstand der Betrachtung macht. Denn wo fände sich in der Politica eine Ausführung über eine solche kontraktualistische Grundlegung von Recht, Staat und Gesellschaft? Gerade vor dem Hintergrund der These Bodins, dass Herrschaft das Ergebnis der Faktizität von „Macht- und Gewaltausübung“ darstellt, kann Althusius zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch nicht auf eine kontraktualistische Tradition in der Staats- und Gesellschaftslehre zurückgreifen und diese als bekannt voraussetzen. Die Geltung eines Staats- und Gesellschaftsvertrages selbst wiederum vertragstheoretisch zu begründen, stellte überdies einen Zirkel dar. Althusius überliefert im propädeutischen Kapitel zudem keine kontraktualistische Metaordnung, auf die sich der allgemeine Rechtsgrundsatz pacta sunt servanda gründen könnte. Die symbiotische Rechtsordnung ist nach der Darstellung des politischen Denkers kein vertraglich begründetes Recht, sondern es heißt vielmehr, dass die Symbioten unter diesem symbiotischen Recht zusammenleben und sich durch die symbiotischen Gesetze leiten lassen (I  10). Mit anderen Worten leben die Symbioten normativ-realistisch in einer Gemeinschaft, die Verträge bereits respektiert und gegebenenfalls sanktioniert. Der Wortlaut, wonach consensus et pactum die causa efficientis (I  29) ist, zeigt vielmehr, dass unter pactum kein bewirkender Vertrag zu verstehen ist. Erkennt man im Zusammenhang unter dem pactum einen Vertrag, macht dieser neben dem Konsens nur dann Sinn, sofern der consensus bereits vorliegt. Der Vertrag bewirkt nicht den Konsens. Die Wirkursache (causa efficientis, singular!) ist danach der Konsens, das pactum ist die Weise „sich vereinigender Bürger“. Die Symbioten bedienen sich dazu der wechselseitigen collatio & communicatio, der Vereinigung und gegenseitigen Mitteilung. Die Charakterisierung der Symbioten als „einander Helfende“ weist zudem über eine vertrag360  Vgl.

Kaser 1989, 39, 181 zu pactum und contractus im Römischen Recht.



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lich »geschuldete« Leistung auf Gegenseitigkeit hinaus (I  6); Freundschaft, Zuneigung und Liebe gehören ebenso zu den Grundbedürfnissen menschlicher Gemeinschaften und werden von einem Übereinkommen (pactum) als bloßem contractus nicht erfasst (vgl. XVIII  104).361 Die althusische Soziallehre erfasst somit das Phänomen personaler Beziehungen auch ohne dass es in ihnen einen Oberen und einen Unteren geben muss (Freundschaft). Es bietet sich an, anstelle von Kontraktualismus eher von einem Paktualismus bzw. von einer Konsens- und Zustimmungstheorie in der Politica zu reden. Ein offener Widerspruch tritt schließlich zutage, wenn der Autor an anderer Stelle schlussfolgert, dass „eine Stadt oder bürgerliche Gesellschaft (civilis societas) von Natur aus besteht“ (I  33). Den natürlichen Zustand hatte Al­ thusius zuvor geradezu als eine unmögliche Lage für den Menschen beschrieben, aus der er erst vermittels consensus & pactum herausgelangt. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären oder gar aufzulösen?362 Erkennt Althusius nicht die Exklusivität beider Ansätze, Vertragslehre auf der einen, Naturteleologie auf der anderen Seite? Das Interesse an der Satzfunktion steht in dieser Aussage gegenüber dem Interesse am seinsmäßigen Status im Vordergrund. Zunächst ist der naturteleologische Erklärungsansatz lediglich eine Bezugnahme auf die Positionen Aristoteles’ und Ciceros. Althusius erblickt hierin eine Erklärung gesellschaftlichen Zusammenlebens: „Hierzu wird der Mensch auch durch seine Natur geführt“ (I  31, Hervorheb. P.  K.). Der weitere Argumentationsstrang bezieht sich überdies auf die „Notwendigkeit“ zur Vergemeinschaftung, wohingegen im vorherigen der „Nutzen“ im Vordergrund stand. Tatsächlich besteht für ihn keine Ausschließlichkeit, sondern eine Parallelität.363 Während Hobbes im Leviathan gegen den zoon politikon polemisieren und die Naturteleologie des Aristoteles verwerfen wird, sieht Althusius consensus & pactum sogar durchaus mit der Natur im Einklang.364 Für den englischen Staatsphilosophen stehen Natur und Kunst in zwei selbständigen Wesenheiten gegenüber. „Die Natur (das ist die Kunst, mit der Gott die Welt gemacht hat und lenkt) wird durch die Kunst des Menschen wie in vielen anderen Dingen so auch darin nachgeahmt, daß sie ein künstliches Tier herstellen kann. … Die Kunst geht noch weiter, indem sie auch jenes vernünftige, hervorragendste Werk der Natur nachahmt, den Menschen. Denn durch Kunst wird jener große Leviathan geschaffen, genannt Gemeinwesen oder Staat, auf lateinisch civitas, der nichts anderes ist als ein 361  Friedrich wagt eine Parallele zur rawlsschen Theorie der Gerechtigkeit, ders. 1975, 84 (Fn.  37); dazu kritisch: Krawietz 1988, 408  f. 362  Dieser Frage geht Krawietz in der Argumentationsstrategie seines Aufsatzes Kontraktualismus oder Konsozialismus? nur sehr zurückhaltend nach, ders. 1988, 391–423, der im Übrigen eine kurze Übersicht über die Auslegungstraditionen gibt. 363  Siehe auch: Höffe 1999, 50. 364  Vgl. etwa Hobbes, Leviathan, Kap. 17, 133  f.

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künstlicher Mensch“, so Hobbes in der Einleitung zu seinem Werk. Der Vertrag, als die wechselseitige Übertragung von Rechten, mit dem das Gemeinwesen erzeugt wird, gleicht dem „Fiat“, „das Gott bei der Schöpfung aussprach.“365 Für den deutschen Denker ist ebenfalls der Mensch der Konstrukteur des „nützlichen“ Gemeinwesens, sofern Konsens und pactum inmitten stehen. Politik ist auch für ihn eine „Kunst“; sie begegnet der »Natur« bei der Schaffung des Staates indessen nicht allein „nachahmend“, sondern vielmehr fortschreibend. Dass Politik für den deutschen Staatslehrer eine Kunst ist, besagt nicht, dass das Gemeinwesen und die in ihm lebendigen Gemeinschaften als Gegenstände der Politikwissenschaft zwangsläufig »künstlicher Natur« sind. Zusätzlich wird das „notwendige“ Gemeinwesen aufgrund der anthropologischen Prämissen aus natürlicher Zwangsläufigkeit existent. Seine beide Ansätze vereinende Annahme besagt, dass die Welt in ihrer Existenz „aufgrund ihrer Unordnung“ ohne Herrschaftsgesetze „untergehen müsste“; sie läuft indes nicht ins Verderben, da in ihr zugleich der Mensch als vernunftbegabtes und sittliches Wesen eine „Symmetrie der Unterordnung“ einrichten wird (I  35). Das Gemeinwesen ist insofern für das angemessene Leben notwendig (natura) und nützlich (pactum). Zu untersuchen bleibt, ob der Autor der Politica konsequenterweise »von Natur Regierendes und Regiertes« (Aristoteles) anerkennt. Schnell wird man fündig, wenn ausgesagt wird, dass es einigen Menschen „angeboren“ sei, zu herrschen, „wie es denn auch den Schwächeren angeboren zu sein scheint zu gehorchen.“ (I  38) Folglich ergibt sich Herrschaft und Unterordnung nicht allein aus Übereinstimmung und pactum der Symbioten, sondern es rückt zusätzlich ein naturteleologisch-anthropologischer Erklärungsansatz ins Blickfeld. Althusius geht unterdessen nicht soweit, dass Herrschende und Untertanen »von Natur aus« festgelegt sind, sondern einschränkend, dass „Leiten und Gehorchen mit der Natur im Einklang“ stehe, d. h. nicht gegen die Natur sei. Für die enge Verbindung, die die consociatio bedeutet, kommt mehr als ein Grund in Betracht, was letztlich die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen angemessen berücksichtigt. Einzig eine vertragliche Grundlegung anzunehmen, hieße für Althusius den Blick in unangemessener Weise auf ein Merkmal zu verengen. Von den anthropologischen Prämissen ausgehend stellt der Autor den Menschen als „animal civile“ (I  33; u. ö.) vor. Schließlich sei ihnen der „Instinkt eingegeben, zusammenzuleben und eine bürgerliche Gesellschaft zu begründen“ (ebd.). Treten im ersten Kapitel Instinkt und Wille noch in Konkurrenz und besitzen nach der angewandten Methodik für alle späteren Kapitel Gültigkeit, rückt in den nachfolgenden Ausführungen das Miteinander-Wollen in eine 365  Hobbes,

Leviathan, Einleitung 5.



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klare Vorrangstellung. In moderner Diktion gesprochen entwickelt sich gleichsam ein »rational-choice«-Leitbild als das verbindende Merkmal aller Konsoziationen, d. h. Konsoziationen entstehen durch freie und vernünftige Zustimmung des animal civile (vgl. XXXIX  84). Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, in Bezug auf die althusische Doktrin von einer neuzeit­ lichen Vertragslehre eigener Art zu sprechen, besser noch nur von einem vertraglichen Aspekt in seiner Konsoziationenlehre.366 Im Folgenden stehen die Ausprägungen dieses kontraktualistischen Aspekts in den unterschied­ lichen Konsoziationen zur Feststellung und Bewertung an. 2. Das Band der Ehe, der Hausgemeinschaften und Berufsgenossenschaften Die Wirkursachen (causae essentiales) der einfachen privaten Gemeinschaften liegen in einem übereinstimmenden Willen (consensio). „In der einfachen privaten Gemeinschaft gehen verschiedene Menschen auf eine besondere Weise (speciali pacto) eine Symbiose ein, in die sie das einbringen, was sie besitzen“ (II  2). Wenn auch die privaten, d. h. die so genannten natürlichen und bürgerlichen Gemeinschaften als ursprüngliche Vereinigungen bezeichnet werden, ohne die keine Gesellschaft vorstellbar wären, so liegen ihnen besondere Bedingungen (speciali pacto) zugrunde, die als Anforderungen an die Gemeinschaften der nächsthöheren Ebene nur bedingt übertragbar sind (vgl. I  21; II  6). Die Betroffenen werden allgemein homines paciscentes geheißen (II  3). Die Ehe als vorzüglich behandelte Gemeinschaftsart ist eine besonders enge Verbindung (conjunctio), die Ehegatten werden als conjuncti oder confoederati atque socii betitelt, die miteinander „zärtlichen Umgang, vertraute und innige Freundschaft, gegenseitige Liebe, Treue und Geduld“ pflegen sollen. Inhalt und Bedeutung des inmitten stehenden pactums nehmen ein Ausmaß an Freiwilligkeit und eine emotionale Tragweite in sich auf, die von der Interessenlage späterer Gemeinschaften deutlich abgrenzbar ist.367 Das pactum bezeichnet hier das eigentümliche, nicht einklagbare und ungeschuldete Versprechen all dessen, was zwischen den Symbioten kommuniziert wird (II  5). „Der Grund dafür ist, dass Gott dies will“ (II  45). 366  Grundsätzlich kritisch zu einer althusischen Vertragslehre überhaupt: Hofmann 1988, 539  f.; Krawietz 1988, 395  f.; Duso 1997, 70  ff., der zudem im pactum eine dem modernen Kontraktualismus entgegengesetzte Funktion beimisst: es bezeichne „nämlich eine Struktur, die die Pluralität der Subjekte beibehält“, ders. 1997, 76. Anders Fisch 1990, 917. 367  Vgl. Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, II  § 78 (248): „Die eheliche Gesellschaft wird durch einen freiwilligen Vertrag zwischen Mann und Frau geschlossen.“

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Für die Familie wiederholt der Autor die „Personen- und Sachenrechte“, die einander gewährt werden, und nennt erneut „Zuneigung, Liebe und Wohlwollen“ als – die Ausgestaltung als Personenrechte sprengende – Grundbedürfnisse der Familienmitglieder, die sich aus der wechselseitigen Verpflichtung (normativ-realistisch) ergeben (III  20). Die Hausgenossen, d. h. Bedienstete, Knechte und Mägde u. a., haben sich durch „Übereinkunft oder ein Treueversprechen“ an die Familie gebunden (III  39), wobei offen bleibt, wie es sich auswirkt, dass sie sich in weiteren Herrschaftsverhältnissen in eigenen Familien befinden.368 Es ist ein Schutz- und Trutzbündnis, in der der Hausvater für Wohl und Wehe der Schutzbefohlenen einsteht und als Gegenleistung Dienste und Gefolgschaft erhält (III  39–41). Grausamkeit und Drohungen sind in diesem Verhältnis verboten (ebd.). Das pactum begegnet des Weiteren auf der Stufe der berufsmäßig organisierten Genossenschaften gleichberechtigter Kollegen und Bürger (IV). Begründet wird dadurch die societas civilis, die Bürgergesellschaft (auch civilis consociatio) als vorstaatliches, zugleich aber schon politisches Gemeinwesen. Die Kollegen werden exklusiv als Vertragschließende (contrahentes) bezeichnet (IV  2). Das pactum wird zum contractus, aus den paciscentes werden contrahentes. Die Bereitschaft zu „gegenseitigem Wohlwollen“, die „freundschaftliche Gesinnung“ selbst unter den Berufskollegen sind der formellen Übereinkunft vorgelagert und für die Erfüllung der „gegenseitigen Verpflichtung und Aufgabe“ von wesentlicher Bedeutung (vgl. IV  12, 23). Entscheidender Unterschied der einfachen zu den Gemeinschaften höherer Stufe ist, dass einzelne Menschen, also konkrete Individuen den Kreis der Verbundenen bilden und „das einbringen, was sie besitzen“ (II  2, 4). Das formale Unterscheidungskriterium zwischen der natürlichen und bürgerlichen Gemeinschaft bildet die zeitliche Begrenzbarkeit der bürgerlichen Verbindung sowie die Auflösbarkeit bei einem Dissens der Kontrahenten (IV  2). Für die genossenschaftliche Konsoziation kommt der vertragliche Aspekt zur vollen Geltung. 3. Die Kommunen Städte, Dörfer und Weiler sind soziale Verbindungen mehrerer privater Gemeinschaften, dass heißt Ehegatten, Familien und Berufsgenossenschaften. Ein pactum wird explizit nicht erwähnt. Eine Aufhebungsvereinbarung, als dem actus contrarius zur Auflösung der consociatio civilis, steht ebenso nicht zu Gebote, was darauf hinweist, dass die politische Gemeinschaft außerhalb einer freien Verfügungsmacht der Beteiligten steht. Gerade dieser Umstand veranlasst den Autor, die consociatio civilis im Unterschied zu den 368  Vgl.

Locke, ebd., II  § 85 (252).



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Kommunen eine „selbstgewählte und rein freiwillige“ Gemeinschaft zu nennen. Der Passus „Sie (d. i. die politische Gemeinschaft, P.  K.) kann nicht sterben, solange noch eine einzige Person übrig ist“ läuft überdies dem Wesen des Kollegiums, eigentlich dem Vertragsgedanken überhaupt zuwider. Stattdessen werden für die politische Gemeinschaft Vokabeln wie „zusammenkommen“, „vereinigen“ und „verbinden“, „Teilnahme und Teilhabe“, „Zusammenschluß“ und ähnliche verwendet. Die Beteiligten werden als Mitglieder und Bürger, nicht als contrahentes bezeichnet. Als angehörige Mitglieder kommen nur die an demselben Ort Wohnenden in Betracht. Althusius stellt also auf ein tatsächliches soziales Näheverhältnis ab. Die kommunalen Körperschaften werden gleichwohl „durch feste Gesetze gebildet“ (V  8), welche sich aus symbiotischem Recht ergeben, und bilden selbst „eine rechtlich verfasste Ordnung“ (V  1, 5). Die Bildung aufgrund „fester Gesetze“ bedeutet, dass die Kommunen gerade nicht durch dispositives Vertragsrecht der Ortsansässigen begründet werden. Es entsteht im Gegensatz zu den privaten Gemeinschaften eine rechtlich selbständige juristische Person, die sich von den einzelnen Gliedern unterscheidet (V  27). Die Stadt besteht aus den durch dasselbe Gemeinschafts- und Herrschaftsrecht verbundenen Bürgern. Der Rechtstitel einer Großstadt (universitas urbana) wird allerdings ausschließlich seitens des obersten Magistrats verliehen (V  42, 48). Aus dem Umstand, dass die Bürger durch allgemeine Zustimmung und „aufgrund gemeinsamer Übereinstimmung“ ihre Präsiden einsetzen, dass ihnen „die Rechte der Stadt gemeinsam sind“, darf nicht auf den Gründungakt der Kommunen insbesondere einer (Groß-)Stadt auf vertrag­ licher Grundlage geschlossen werden. Die politische Verfassung der Stadt ist das Recht „inter cives … constitutis“ (V  12). Janssen übersetzt die Stelle „wie es … unter den Bürger festgelegt ist“. Gleichwohl kann man auch übertragen »wie es … zwischen den Bürgern festgelegt wird“ und somit eine passive Stellung der Bürger betonen, »für« die (und nicht »von« denen) das Bürgerrecht, d. i. die Gemeinschaft des Rechts gestiftet wird. Letztere Übersetzung stimmte dann mit dem Kontext überein, wonach das Recht der Großstadt „allein aufgrund des Willens des obersten Magistrats begründet wird“ (V  42). Für die Übersetzung von Janssen spricht hingegen eine Textstelle aus dem nachfolgenden Kapitel 6: Dort ist von „allen Rechten“ die Rede, „die die ganze Gemeinde als für alle Bürger gemeinsam festgesetzt und mit allgemeiner Zustimmung gebilligt hat“ (VI  43). Doch bei genauerer Betrachtung wird ersichtlich, dass es sich dort um rangniedrigeres Recht handelt, nämlich um Recht, das die Kommunen erlassen dürfen, nachdem festgelegt wurde, was zur „Verwaltung der eigenen Angelegenheiten“ (ad rerum suarum administrationem) zu zählen ist. Für die Kommunen liegt die Begründung der rechtlich verfassten Ordnung (Politeuma) in der Kompetenz der Gebietsansässigen selbst. Ob eine Stadt (oppi-

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dum, civitas) den Rang einer Großstadt (universitas urbana) erhält, bestimmt sich erst durch einen staatlichen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt. Im Vordergrund der Betrachtung steht für Althusius jedoch die tatsächliche Entstehung und Entwicklung von (Groß-)Städten, nicht eine kontraktualistische Legitimation (V  70–84). Dass der Bürgermeister einer Stadt von der Körperschaft mit allgemeinem Auftrag eingesetzt wird (V  49), lässt die normativ-realistische Grundlegung der Körperschaft selbst unberührt. Sofern von Verträgen zwischen Gemeinden und einem höheren Magistrat die Rede ist, dann steht nicht ein originärer Kreationsvorgang oder die rechtliche Existenz im Raum (vgl. VI  41; arg. e. c. V  42). Die Kommunen existieren nicht erst durch einen Gründungsvertrag zwischen höherem Magistrat und den Bürgern, sondern aus autochthonem Recht (VI  41; V  vor 1, 2). Der inmitten stehende Vertrag hat allein die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Kommunen und der höheren politischen Verbandsebene zum Gegenstand, wobei es zugunsten der Kommunen unveräußerliche Rechte gibt, die nicht durch Vertrag aufgehoben werden können (Ausnahme in V  56). Feste Verträge (VI  42) zwischen höherem oder höchstem Magistrat und nicht-freier Stadt (VI  3–5) regeln insbesondere die Bedingungen der Ausübung der unter dem Vorbehalt des Gesamtgemeinwesens stehenden Jurisdiktionsgewalt (VI  42, 48) oder den Status der Reichsunmittelbarkeit (VI  2  ff.). Bei »freien Städten« nehmen die Städte als Körperschaft sogar die Stellung eines besonderen Ephors ein, sie haben die „Rechte von Fürsten mit Territorien“ (VI  2; XVIII  111). 4. Vertragslehre in der Provinz Die Provinz besteht territorial aus vereinten und miteinander verbundenen Kommunen, d. h. Städten, Dörfern und ausmärkischen Gebieten (Lagerstätten, Bollwerke, Schanzen) (VII  1). Als „Glieder“ der Provinz werden dagegen die Ordnungen und Stände bezeichnet, m. a. W. die Provinz besteht sozial aus diesen Gliederungen. Aus dem Text erhellt sich weder, ob die Kommunen untereinander noch, ob die Stände miteinander ein pactum zur Begründung einer Provinz schließen. Zwar können Städte sich aufgrund eines Vertrages einem oberen Magistrat, d. h. einer Provinz unterstellen (VI  41, vgl. auch VI  5), doch gibt das noch keinen Aufschluss über eine vertragstheoretische Begründung dieser consociatio particularis. Das Wort »Vertrag« wird in den Kapiteln über die Provinz überhaupt nicht erwähnt. Stattdessen erweisen sich „die einzelnen Symbioten“ wechselseitig (invicem) „die Pflichten der Liebe“ im privaten (VII  11), »die Pflichten der Gerechtigkeit« „aufgrund gemeinsamer Übereinkunft“ im öffentlichen Bereich (VII  12). Zwischen diesen beiden Pflichtenkreisen besteht das die Provinz einende Band.



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Herrschaftsbeziehungen werden auch in der Provinzlehre behandelt, doch fehlt es an einer eindeutigen Darstellung des konstituierenden Vorgangs. Insbesondere fällt auf, dass gänzlich auf eine vertragliche Bindung, wie sie etwa später im Mandatsverhältnis (conventio mandati) zwischen höchstem Magistrat und Volk vorliegt, verzichtet wird. Was bleibt, ist der Verweis nach unten bzw. der Rückgriff auf die propädeutische Bestimmung in Kap.  1 §  29, die sich allerding nicht auf die Herrschaftsbegründung im engeren Sinne beziehen lässt. Der Provinzpräfekt „fordert von allen Bewohnern den Unterordnungseid, die erb und landshuldigung pflicht“, „nicht umgekehrt“ (VIII  57). Greift die Provinzlehre auch nicht ausdrücklich auf die propädeutische Aussage in Kapitel 1 § 29 zurück, wonach eine konsensuale Konstituierung von Herrschaft vorgesehen ist, verankert Althusius in Bezug auf den Eid doch noch ein »Einfallstor«. Die inmitten stehende Unterordnung bezieht sich auf die einzelnen Bewohner, nicht auf die Stände, was bereits im Untertanenstatus des Stadtbürgers klargestellt wurde. Eine Ausnahme erwähnt die Politica für kirchliche Würdenträger. Danach leisten diese dem Magistrat einen Eid, sofern die Gepflogenheiten der Kirche ihrer Konfession einen solchen vorsehen. Für diesen Fall wird jedoch keine Unterordnung, sondern die treue und sorgfältige Ausübung des Kirchenamtes beeidet (VIII  21). Lässt der einzufordernde Unterordnungseid Raum für die Annahme eines Herrschaftsvertrages? Personale Rechtsbeziehungen durch den Treueeid treten hinter die Herrschaftsbeziehung territorialer Art zurück, da innerhalb der Grenzen des Territoriums (fines & terminos) für alle Gebietsansässigen ein und dieselbe Rechtsordnung gilt (VII 2). Allenfalls ist man versucht, an einen Unterwerfungsvertrag zu denken. Er wäre in dem von allen Provinzbewohnern zu leistenden (personalen) Unterordnungseid zu erkennen. Ein dem Status des Stadtbürgers entsprechender Hinweis fehlt, wonach der Provinzangehörige allein der Körperschaft, nicht dagegen einzelnen Personen untertan ist (V 26). Gerade nicht die einzelnen Untertanen, sondern die in den Ständen erfassten Provinzbewohner sind die „Glieder der Provinz“. Die ständischen Ordnungen wiederum sind als Kollegien im Sinne des Kapitels 4 auf einen Vertrag der Standesgenossen zurückzuführen (IV 2). Die Stände indes sehen sich nicht untergeordnet, auch wenn es ihnen nicht frei steht, die Zusammenarbeit mit den Präfekten einseitig aufzukündigen. Die Präsiden ihrerseits „stehen nicht über den Ständen“, vielmehr haben die Stände gewisse Rechte gegenüber den verpflichteten Provinzmagistraten; ihre „freie Entscheidung“ darf durch diesen nicht behindert werden (VIII 67). Das führt zu einer Verdoppelung der Bürgerstellung als gleichberechtigter, den Mehrheitsbeschlüssen verpflichteter Kollege und als huldigungs- und gehorsamspflichtiger Untertan. Im Wechselseitigkeitsverhältnis zur Huldigungs- und Gehorsamspflicht steht die Gemeinwohlverpflichtung des Präfekten gegenüber allen

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Einzelnen wie der Gesamtheit, weshalb es als gut vertretbar erscheint, trotz der fehlenden Erwähnung des Wortes pactum von einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu sprechen. Greift man hilfsweise auf die „miteinander verbundenen“ Städte und Dörfer der Provinzen zurück, so zeigt sich, dass dort weder eine suprakommunale Zusammenarbeit vereinbart noch ein ausdrücklicher Herrschaftsvertrag geschlossen wird. Die Verbindung der Kommunen zu einer Provinz stellt daher auch keinen kommunalen Zweckverband dar, über deren Angehörigkeit und Verbleib die einzelne Mitgliedskommune nach ihrem Belieben entscheiden könnte. Sie stecken – vorbehaltlich der Reichsunmittelbarkeit – lediglich das Territorium ab, über welches sich die provinziale Herrschaftsgewalt erstreckt. Demzufolge bietet die politische Lehre von der Provinz keinen Raum für einen ausdrücklichen Herrschaftsvertrag. Lediglich für die Annahme eines stillschweigenden Vertrages ist in der Eidesleistung der Untertanen ein hinreichender Grund gegeben. Der politiktheoretische Anteil der Provinzlehre, der die Herrschaft der Landesfürsten – unbeachtet einer Rechtfertigung durch Herkommen und Tradition – legitimiert, besteht im Postulat der Präfektenwahl (VII 40) und dem Hinweis, dass die Eidesleistung „durch Verträge und Gewohnheit“ abdingbar ist (VIII 57). Im Übrigen harrt die Losung, „dass die Wirkursache der politischen Gemeinschaft die Übereinstimmung und der Vertrag (consensus et pactum) sich vereinigender Bürger ist“, zumindest in den Provinzkapiteln einer konkreten Aufnahme und inhaltlichen Ausgestaltung. 5. Die universale Gemeinschaft Der Blick ist nunmehr auf eine mutmaßliche vertragliche Begründung der universalen Gemeinschaft zu richten. Die Akteure „verpflichten sich … zur Begründung, Ausübung und Verteidigung des Rechts der Souveränität“ (se obligant, IX  1). Der „Willen der Vertragsschließenden“ (contrahentium intentioni ac voluntati) „besteht darin, ein ehrbares Gemeinwesen nach der rechten Vernunft und gerechten Gesetzen zu begründen“ (XXXVIII  129). Genau besehen zielt die Verpflichtung auf das jus regni der universalen Gemeinschaft. Die Souveränität (jus regni) liegt aber – wie zuvor dargestellt – beim Volk (populus). Der diesbezügliche Wille wird als ausdrückliche Erklärung (in der lex fundamentalis, XIX  49) und als schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht. Die Willensträger „verpflichten sich“ durch schlüssiges Verhalten, „indem sie an Sachen und Diensten wechselseitig Teilhabe gewähren“. Die drei Mitteilungsgemeinschaften bedeuten wie bislang die wesentlichen Anwendungen bei der Vereinigung. „Ohne diese Voraussetzungen und das Recht der Gemeinschaft kann ein frommes und gerechtes Zusammenleben nicht begründet, gepflegt und erhalten werden.“ (IX  2) Die Annahme eines grundlegenden Vertrags (contractus) ist allerdings ohne



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»interpolierende Konstruktion« kaum zu stützen. Althusius vermeidet es im Kapitel über die Souveränität (Kap. 9), das Wort pactum im Zusammenhang mit der Gründung der universalen Konsoziation zu verwenden. Systematisch darf und muss das propädeutische pactum berücksichtigt werden. Zunächst ist die inmitten stehende Verpflichtung kontingentes Merkmal der Vergesellschaftung: Die vorstaatlichen Konsoziationen „können als gleichsam erste auch ohne Provinz oder Reich für sich bestehen“ (XXXIX  84). Die Politie oder Republik ist nach des Autors Aussage sodann „durch Konsens verbunden“ (consensu conjunctus, IX  3). Althusius führt aus, was die Grundbedeutung zusätzlich begleitet: „Das Band dieser körperschaftlichen Gemeinschaft ist der Konsens unter den Gliedern des Gemeinwesens und das gegenseitig gegebene und empfangene Treuegelöbnis (fides, P.  K.), d. i. das stillschweigende oder ausdrückliche Versprechen (promissio, P.  K.), untereinander Sachen und Dienste, Rat und Hilfe sowie die damit verbundenen Rechte gemeinschaftlich zu teilen, so wie es Nutzen und Notwendigkeit eines universalen Zusammenlebens (vita socialis, P.  K.) im Gemeinwesen (regnum, P.  K.) erfordern. Auf diese Gemeinschaft (communicatio, P.  K.) können auch Widerstrebende vereidigt (adiguntur, P.  K.) werden.“ (IX  7).

Der schließende Hinweis, dass auf eine Kommunikation (communicatio, sic!) gleichermaßen gegen den Willen von Beteiligten gedrängt werden kann, zeigt deutlich auf, dass Althusius keine reine Vertragslehre vertritt. Der vertragsrechtliche Grundsatz, nur dem Zustimmenden geschieht kein Unrecht (volenti non fit injuria), gilt gerade nicht in der Kommunikation. Der politische Denker macht dies zudem daran deutlich, indem er lediglich vergleichend die Bindungswirkung aufgrund der Verkündung von staat­lichen Gesetzen „wie durch einen Vertrag“ (quam ex contractu, X  3) beschreibt. Die universale consociatio bedeutet für den deutschen Rechtsgelehrten mehr als nur ein Vertragsgebilde. „Staaten sind mehr als Verträge, insofern sie auch Gemeinschaften auf Leben und Tod, Gemeinschaften der Generationen wie Gemeinschaften des guten Lebens, der Sitten und der Kultur sind.“ (Ottmann 1989, 731 / 2)369 Es wird ersichtlich, dass das propädeutische pactum eben nicht die Stellung eines bewirkenden Staats- und Gesellschaftsvertrags in der Lehre des politischen Denkers einnimmt. Als Akteure werden zuerst Städte und Provinzen benannt, die über ihre Organe einen politischen Willen bilden können (IX  1), zu denen wenig später noch unspezifizierte Regionen dazu genommen werden (IX  5; u. ö.).370 Andererseits heißt es, das Gemeinwesen ist „durch den Konsens 369  Umso erstaunlicher ist, dass Henning Ottmann in seinem Artikel „Vertrags­ theorien“ zuvor Althusius unterstellt, er führe „erstmalig jede consociatio auf einen Vertrag zurück“, ders. 1989, 729. 370  Althusius spricht zuweilen von den (zehn) deutschen Reichskreisen als Regio­ nen, XXXIII  94.

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mehrerer symbiotischer Gemeinschaften und miteinander verbundener besonderer Körperschaften“ zusammengeschlossen (IX  3). Darunter fielen jedoch nicht allein die beiden zuerst genannten Akteure, sondern weitere Gemeinschaftsarten wie die Familien und Kollegien. Schließlich ist gar vom „Versprechen so vieler verschiedener Menschen und Stände“ die Rede (IX  8, vgl. auch X  4). Schwebt Althusius eine Trennung von Willensträgern und Mitgliedern vor? Fasst er ein sukzessives »Ratifikationsverfahren« aller Beteiligten ins Auge? Städte und Provinzen werden im Gegensatz zu einzelnen Bürgern, Familien und Kollegien als wesentliche Bestandteile (partes essentiales) des Gemeinwesens bezeichnet. Die Aussagen scheinen den propädeutischen Ausführungen des ersten Kapitels zu widersprechen, wonach Althusius noch folgerte, „dass die Wirkursache der politischen Gemeinschaft die Übereinstimmung und der Vertrag (consensus et pactum) sich vereinigender Bürger ist.“ (I  29) Nunmehr stellen die Städte und Provinzen die Mitglieder des Reichs dar, „die übereingekommen sind, durch wechselseitige Verbindung (conjunctione & communicatione mutua) einen gemeinschaftlichen Körper zu bilden“ (IX  5).371 Es ergibt sich, dass nicht alle Bürger an diesem Konsens unmittelbar beteiligt sind, der jedoch für alle gelten soll. Die promissio, das ausdrückliche oder stillschweigende Versprechen, untereinander Sachen und Dienste, Rat und Hilfe zu teilen, bezieht sich auf das „gegenseitig gegebene und empfangene Treugelöbnis“ der Menschen und Stände in den vorherigen Gemeinschaften (IX  7, 8). Den inmitten stehenden Konsens über die Vereinigung auf der höchsten Stufe zur universalen consociatio erzielen nun die Körperschaften als repräsentierte Personen (persona repraesentata), „die die betreffenden Menschen als Gesamtheit“ umfassen (V  9). Die entstehende Lebensgemeinschaft (societas vitae mista) kann somit unbeschadet eines öffentlichen Schöpfungsaktes als „teils privat natürlich, notwendig und selbstgewählt“, d. h. unter Beteiligung der Familien und Kollegien, teils als „öffentlich begründet“ bezeichnet werden (IX  3). Es besteht keine Gleichzeitigkeit, vielmehr ist die Begründung ein Entwicklungsprozess in sich abgrenzbarer Stadien: „Denn Familien, Städte und Provinzen gab es ihrer Natur nach eher als Reiche, die aus ihnen hervorgegangen sind.“ (IX  3; XXXIX  84) Aufgrund der ununterbrochenen Legitimationskette setzt sich der Autor demnach auch nicht mit der propädeutischen Aussage in Widerspruch. Zum besonderen Legitimationskriterum der Staats- und Gesellschaftsentstehung avanciert der übereinstimmende Wille von juristischen Personen, die die freiwillige Selbstverpflichtung, wie sie für die Berufsgenossenschaf371  Undifferenziert bei Hohberger: „Jedem Gemeinschaftsmitglied stehen alle Ämter offen“, ders. 2008, 134, u. ö.



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ten vorgesehen ist, auf der Stufe der consociatio universalis unter den nötigen Abwandlungen wiederholen. Sie sind die Gründungsmitglieder. Ein Verfahren, in dem ein Vertrag erst nachdem ihn alle symbiotischen Gemeinschaften ratifiziert haben, Wirkungen für und gegen alle Beteiligten entfaltet, somit in Kraft tritt, bleibt außer Betracht. Nach § 2 des propädeutischen ersten Kapitels schließen die Symbioten zur Begründung der consociatio untereinander ein pactum. Nunmehr erhellt sich, dass Althusius unter »Symbiot« nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen begreift. Der anthropologische Instinkt des Menschen zur Vergesellschaftung (I  32) ist in einem sittlichen Zivilisationsprozess in den Hintergrund gerückt. Des Menschen diesbezüglicher Wille (I  12) wird durch sein schlüssiges Verhalten, im Rahmen der Drei Gemeinschaften dauerhaft an der ­consociatio teilzunehmen, stets aufs Neue aktualisiert und vergegenwärtigt. In Kapitel 9 treten anstelle der sozialanthropologischen Prämissen Bindungswirkungen in den Vordergrund, die sich im Laufe des Vergemeinschaftungs- und Vergesellschaftungsprozesses entwickelt haben: Das Gesetz wird zur gemeinsamen Verpflichtung, zu Versprechen und Übereinkunft (X  3; u. ö.). Dieses Verständnis muss zugrunde gelegt werden, wenn man von einer Vertragslehre oder einem »Konsoziationenvertrag« bei Althusius sprechen will. Die „Übereinstimmung“ und „enge Verbindung“ der Symbioten, der einzelnen wie der sozialen und politischen Gliederungen, äußert und institutio­ nalisiert sich immer auch in den mannigfachen Gemeinschaften der Dienste und Tätigkeiten (z. B. Gemeinschaft der Steuerzahler, XI  20  ff., XII–XIII; Verteidigungsgemeinschaft, XVI; Vormundschaft und Pflegschaft, XVII  15; usf.). Sie bilden das Fundamentalgesetz (lex fundamentalis) aus, das nach der Definition des Staatsrechtslehrers „nicht anderes dar[stellt] als bestimmte Verträge (pacta quaedam, P.  K.), unter denen mehrere Städte und Provinzen zusammen- und übereingekommen sind, ein und dasselbe Gemeinwesen zu bilden und dieses gemeinsam mit Tat, Rat und Hilfe zu verteidigen.“ (XIX  49) Deshalb sind nicht die einzelnen natürlichen Symbioten „wesentliche Bestandteile“ (partes essentiales, IX  5 a. E.) jener universalen consociatio. Es sind die Städte und Provinzen, die sich zu Gesellschaft und Staat „verpflichten“ können. Die Versprechen und Übereinkommen in der politischen Lehre des Althusius tragen in einer anderen Weise den Charakter eines »Vertrages zugunsten Dritter« wie in der Hobbes’schen Staatslehre, wonach der Souverän aus dem Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag der Untertanen lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet wird.372 Dessen Verpflichtung ergibt sich allein 372  Hobbes,

Leviathan, Kap. 18, 136  ff.

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aus den natürlichen Gesetzen, nicht aus einem gewillkürten Vertrag.373 Die Gehorsamspflicht der Untertanen im Leviathan endet, wenn die Einzelnen keinen effektiven Schutz vor der Gewalt anderer mehr erhalten, nicht jedoch aus Vertragsverletzung.374 In der althusischen Staats- und Soziallehre dagegen wird in einem vom »Konsoziationenvertrag« zu unterscheidenden Auftragsverhältnis (conventio mandati) der oberste Magistrat als Mandatar gegenüber seinem Auftraggeber, d. i. das Volk, verpflichtet. Aus einer Verletzung dieses Mandats ergeben sich konsequenterweise Widerstandsrechte. Die (bilateralen) Übereinkommen, Bünde, Versprechen, Zusammenschlüsse unter den Symbioten bzw. symbiotischen Gemeinschaften entfalten ihre Wirkungen stets (multilateral) zugunsten Dritter, die selbst Mitglieder einer Symbiose sind. Eine Gewaltherrschaft löst die vertragliche Form der Gesellschaft forma societatis legitimae contracta auf (XXXVIII  132). 6. Staatenverbindungen und Kooptationen Zu unterscheiden von den innerstaatlichen Verbindungen ist die Befugnis einer politischen Konsoziation, mit weiteren Kommunen, Städten und Provinzen, aber auch anderen Reichen, Bündnisse zu schließen oder in einen bestehenden Staatsverband aufzunehmen bzw. aufgenommen zu werden (XVII  25–54). Hier schlägt Althusius ein Kapitel modernen Völkerrechts auf. Vom Recht des „autonomen“, d. h. »souveränen« Volkes auf Selbstbestimmung ausgehend (XVII  41), schreibt er seine Souveränitätslehre fort.375 Da die Phase der Erstbegründung der universalen consociatio bereits abgeschlossen ist, handelt es sich hier um nachkonstitutionelle Vorgänge. Der Autor spricht von foedus, auch von pactum und Konföderation. Soweit die Verbindung mit weiteren Kommunen, Städten und Provinzen inmitten steht, müssten die Gebietskörperschaften demnach »staatsfrei« gewesen sein, d. h. weder als Mitglied an der Begründung der universalen consociatio beteiligt noch in einem anderen Gemeinwesen eingegliedert gewesen sein. Dies stellt eine Kooptation dar, d. h. ein(e) nachträgliche(r) Hinzuwahl / Hinzutritt in eine Körperschaft durch die dieser Körperschaft bereits angehörenden Mitglieder. Ohne »Staatsfreiheit« verstießen sie ansonsten gegen den Grundsatz der Bundestreue (vgl. IX  7; Ausnahme: XXXVIII  76; IX  17). Mit seiner Lehre von der Provinz ist ein solcher »souveräner« Status der Provinz allerdings nur schwer unmittelbar zu begründen, da Althusius die Provinzen 373  Dass.,

Kap. 21, 165. Kap. 21, 171; Kap. 28, 237; Kap. 30, 255  ff.; s. a. Kap. 14, 101, 107. 375  Hohberger (2008) bezieht seine „Reflexion der politischen Theorie des Althusius auf die EU“ nicht allein auf die einschlägigen Stellen des Werks, sondern bezieht die gesamte Politica in seine Betrachtung ein. 374  Dass.,



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nicht als Einzelstaaten, sondern von vornherein als Teilbundesstaaten begreift. Ein Selbstbestimmungsrecht auf dieser Ebenen ist gerade nicht durchdekliniert; den Dörfern und Städten billigt der Autor dagegen ein weitgehendes Selbstverwaltungsrecht zu. Die Städte, insbesondere die so genannten freien Reichsstädte, die sich unmittelbar dem Kaiser unterstellen, haben von diesem Bündnisrecht Gebrauch gemacht (VI  41). Aus welchem Recht sollten Provinzen sich dann aber einem bestehenden universalen Gemeinwesen anschließen können? Das historische Bündnisrecht der Provinzfürsten ist de jure erst im Westfälischen Frieden von 1648 anerkannt worden und dient Historikern als Meilenstein auf dem Weg zur landesfürstlichen Souveränität.376 Die „politische Lehre von der Provinz“ postuliert kein ausdrückliches Recht, weder seitens des Magistrats noch der Stände noch seitens des Provinzvolks. Aus dem Umstand, dass sich Städte und Provinzen zur universalen Gemeinschaft verbinden, muss auf ein solches souveränes Bündnisrecht zurückgeschlossen werden (vgl. XXXIII  30, 125). Die Lehre vom Bündnisrecht impliziert ein entsprechendes Recht der Provinzen, stellt es aber als ein Hauptmerkmal des besonderen Souveränitätsrechts der universalen consociatio dar, mit dem die Pflicht korrespondiert, die Gemeinschaft der (beweglichen und unbeweglichen) Güter zu „vermehren und erweitern“. Es bleibt schließlich die Möglichkeit, dass sich die Gebietskörperschaften aus einem bestehenden Staatsverband herauslösen und nunmehr in die universale consociatio eingliedern. Damit würde jedoch die Bündnistreue gegenüber dem vormaligen Gemeinwesen gebrochen. Eine solche Loslösung erkennt Althusius daher ausdrücklich nur für das Widerstandsrecht an (XXXVIII  76–80). Ziel und Zweck der Verbindung, weswegen sich zwei oder mehrere Gebietskörperschaften zusammenschließen, ist die Vermehrung und Erweiterung der Gütergemeinschaft und dient dem Ausbau einer (wirtschaftlichen) Machtstellung (XXV  20  f.). Im Unterschied zum »Nationalstaat« tritt in den überkonsozietalen Verbindungen die Gütergemeinschaft gegenüber der Dienstleistungs- und Rechtsgemeinschaft in eine Vorreiterrolle. „Dies geschieht durch ein Bündnis oder einen Zusammenschluss mit anderen oder auf sonstige legitime Art und Weise.“ (XVII  24 a. E.) „Hierdurch wird der Körper der universalen Gemeinschaft größer, sicherer und fester“. Darunter ist eine aktive staatliche Wirtschafts- wie auch eine dynamische Expan­ sionspolitik zu verstehen, wobei Althusius einem hegemonialen Großmachtstreben allerdings eine klare Absage erteilt (IX  10  f.). Die Bündnispolitik wirkt somit stabilisierend auf die innere Lage zurück (XXXI  3, 75  ff.). Die innerstaatlichen Legitimationsgrundlagen begünstigen eine »völkerrechtsfreundliche« Tendenz der consociatio universalis. Alles staatliche Handeln 376  Kritisch:

Kroeschell 2001, 43  f.

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über die inneren Grenzen hinaus hat nämlich ebenfalls in rechtsförmiger Weise zu erfolgen (XVII  24 a. E.), auf dass idealerweise „immer und überall Eintracht und Friede herrsche“ (I  30). Bündnisse oder Zusammenschlüsse können nur mit Zustimmung der beteiligten Körperschaften und mit entsprechender Bevollmächtigung des Magistrats erfolgen (XVII  25). In Betracht kommen neben den freiwilligen Kooperationsformen die Unterwerfung (Beitritt) einer fremden Körperschaft unter die Rechtsordnung der universalen consociatio (ebd. 29; vgl. auch XVIII  124). Die Zustimmung der Betroffenen wird als das entscheidende Legitimationskriterium der Staatslehre fortgeführt. Althusius spricht von der autoritas und dem consensus des Körpers und seines Verwalters, wonach nur das Gemeinwesen (corpus) den Magistrat (administer) entsprechend ermächtigen kann. Im Rahmen der verfochtenen Repräsentativverfassung der universalen consociatio stellt die förmliche Bevollmächtigung die vorzugswürdige legitime Vorgehensweise dar. Beleuchtet der Autor jedoch noch denselben Sachverhalt, wenn er in § 48 auf einen Vertrag zwischen „Untertanen und Magistrat“ abstellt? Da sich der Status, wer Untertan und wer Magistrat ist, erst als das Resultat eines Herrschaftsvertrages ergibt, steht hier nach einer grammatischen Auslegung nicht ein erster Herrschaftsvertrag zur Disposition. Ebenso bleibt wegen innerer Widersprüchlichkeit außer Betracht, dass es sich um »bislang noch unter keiner Herrschaft stehende« Untertanen handelt. Die Kontrahenten sind bereits durch eine frühere Übereinkunft (conventio, sic!) in Untertanen und Magistrat geschieden. Eine systematische Auslegung fördert zutage, dass den Untertanen die Befugnis zusteht, mit dem Magistrat eines fremden Gemeinwesens Verträge zu schließen. Da nun die regelmäßige Verbindung die Bevollmächtigungslösung vorsieht, wonach ein Magistrat für seine Untertanen mit einem anderen autorisierten Magistrat Bündnisse abschließt, so bleibt für § 48 nur der Anwendungsfall übrig, dass die Untertanen »keinen Magistraten mehr haben« und mithin das Recht zum Bündnis als Selbst­ bestimmungsrecht an sie »zurückfällt« (vgl. XVIII  124, 21). Dies ist eine Option im Widerstandsfall gegen Gewaltherrschaft (XXXVIII  79, 110, u. ö.). Dementsprechend sind die Schutzklauseln im Vertragswerk zu verstehen, danach optional die Gehorsamspflicht gegenüber dem neuen Magistrat wiederum aufkündbar und mithilfe von konföderierten Bündnispartnern „gegen den Magistrat zu den Waffen zu greifen“ erlaubt ist (vgl. auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: XVIII  124; XXXVIII  62). Da keine territoriale Einschränkung gegeben ist, vielmehr „Reiche, Provinzen, Städte, Dörfer oder Gemeinden“ nach der Politica allesamt rechtsfähige Bündnispartner sind, so liegt hier nach teleologischer Auslegung eine Anerkenntnis der legitimen Rechtsinhaberschaft des Volkes an der Souveränität nicht erst auf der Stufe der universalen consociatio, sondern bereits zuvor auf den



§ 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte

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Stufen des jeweiligen Untertanenvolks vor. Damit richtet sich das Bündnisrecht als „Fürsorgepflicht gegenüber dem Gemeinwesen“ notfalls gegen die staatliche Administration und verbleibt als „besonderes Souveränitätsrecht“ systematisch beim Gemeinwesen. Im Hinblick auf die zeitliche Dauer eines Bündnisses wird darauf hingewiesen, dass lediglich dasjenige Bündnis beständig ist, das mit einem Gemeinwesen, nicht dagegen mit einem König geschlossen wird, da die Rechtswirkungen bei letzterem nur zu dessen Lebenszeit andauern (XVII  26). Das betrifft den Fall, dass ein König nicht »lediglich« Verwalter eines Gemeinwesens, wie in der consociatio universalis major, sondern – wie bei Bodin – absoluter Inhaber der höchsten Gewalt ist. Mit anderen Worten soll hier ein Vertrag zwischen Konsoziationen unterschiedlicher Staats- und Regierungsform bzw. unterschiedlicher staatstheoretischer Grundlegung geschlossen werden. Andererseits ist nämlich ein »konstitutioneller König« regelmäßig darauf angewiesen, mit Vollmacht und Zustimmung des Gemeinschaftskörpers zu handeln. Demnach entfaltet der Vertrag seine Wirkungen stets über die Lebenszeit des autorisierten Stellvertreters hinaus (ebd. 25). Althusius unterscheidet in der Bündnislehre nach den Wirkungen der Vereinigungen in vollständige (plena) und nicht-vollständige (non plena), d. h. teilweise und begrenzte Konföderationen (confoederatio). Spricht der Rechtsgelehrte nunmehr sogar von der Vereinigung „mit einem fremden Volk“, wird der Kreis der Berechtigten für beide Vereinigungsformen allerdings sogleich eingegrenzt: An einer Konföderation kann, entgegen der Eingangssentenz, die das Bündnisrecht auch auf die kommunalen Gebietskörperschaften der Städte und Dörfer erstreckte, nur ein fremdes Reich und dessen Einwohner, eine Provinz oder eine andere universale Gemeinschaft teilnehmen. Damit beteiligt sich der Autor an der Erklärung eines Völkerrechts, das auf das Selbstbestimmungsrecht abstellt. Die Staatenverbindungen sind auf Dauer angelegt, jedoch kann in der begrenzten Konföderation der Zweck der Verbindung eine zeitliche Begrenzung zulassen (XVII  30). Grundsätzlich zu beachten gilt die entstehende wirtschaftliche und militärische Machtposition und die erwartbare Bündnistreue, aber genauso die „Gleichartigkeit der Sitten“, eine Ähnlichkeit der Staatsform sowie ein ausgewogenes Verhältnis von Nutzen und Nachteil für die Bündnispartner (XVII  31; XXV  20–22; XXXI  77). Die Gründungsverträge werden in der für die Politica typischen Weise „aufgrund fest vereinbarter Gesetze und Bedingungen geschlossen und durch Handgelöbnis, Unterschrift, Siegel, bisweilen auch durch Eidesleistung der Verbündeten, bekräftigt.“ (XVII  32) Die Verträge werden somit zu den entscheidenden Rechtsquellen des zwischenstaatlichen Völkerrechts. Regelungen sind insbe-

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sondere über die Bereiche der gemeinsamen Verteidigung, der Sicherung des inneren Friedens sowie der entstehenden Gütergemeinschaft in einem erweiterten Wirtschaftsraum und über das gemeinsame Handlungsorgan, den Konvent zu treffen (XVII  33–40). „Eine vollständige Gemeinschaft und Konföderation liegt dann vor, wenn ein fremdes Reich und dessen Einwohner oder eine Provinz oder sonst irgendeine universale Gemeinschaft, nachdem eine gemeinsame Einigung über die Fundamentalgesetze und Souveränitätsrechte zustande gekommen ist, in die vollständige und unverkürzte Rechtsgemeinschaft aufgenommen wird und sich gleichsam als ein Glied ein und desselben Körpers mit ihr verbindet und in sie einfügt.“ (XVII  27)

Die Integration hat zur Folge, dass ein „einziger Körper und dasselbe Gemeinwesen“ entsteht (XVII  29). Nach dem Prinzip der Unteilbarkeit der Souveränität entsteht ein souveräner Bundesstaat. Den Gründungsvertrag schließen die dazu eigens bevollmächtigten Verwalter (administratores) mit Zustimmung des jeweiligen Gemeinwesens. Die Verbindung bewirkt nicht allein Rechtswirkungen zwischen den konföderierten Gemeinwesen, sondern entfaltet darüber hinaus ihre Wirkung auf die einzelnen Bewohner. So besteht fortan „das Recht auf gastliche Aufnahme, auf Handelsgeschäfte, die Erlaubnis, das Gebiet der Bundesgenossen zu betreten, sich dort zu betätigen, Handelsgeschäfte zu betreiben und Verträge abzuschließen“ (XVII  28). Bei einer vollständigen Vergemeinschaftung steht also vornehmlich der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr im Zentrum der Verbindung. Das Ziel der Vermehrung und Erweiterung der Binnengütergemeinschaft wird demnach zuerst über den wirtschaftlichen Sektor verfolgt. Dazu gehört auch, dass der Einzelne das Privileg der Steuerbefreiung in dieser erweiterten Waren- und Dienstleistungsgemeinschaft genießt. Die völkerrechtliche Komponente der Politica wird um die eines »Internationalen Privatrechts« ergänzt. Die Integration bislang getrennter Konsoziationen vollzieht sich in so dichter Weise, dass ein eigenständiges Organ mit Geschäftsordnung über selbständige Entscheidungsbefugnisse verfügt, das über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, über die Verwaltung von Städten und Provinzen sowie Jurisdiktion und Streitschlichtung befindet. Die Bestimmungen über den einzurichtenden Konvent werden in der vollständigen Staatenverbindung von den Regelungen über den „Bundesrat“ (concilium universalis) der universalen consociatio ergänzt und konkretisiert (s. den Verweis auf XXXIII  in XVII  40; 55–61). Das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal zwischen den Konföderationsformen liegt in der Vollständigkeit und Unverkürztheit der Rechtsgemeinschaft. „In einem nicht vollständigen Bündnis verpflichten sich verschiedene Provinzen oder Reiche untereinander unbeschadet des Souveränitätsrechts der Einzelnen“



§ 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte

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(ebd. 30). „Zu einem nicht vollständigen Bündnis gehören so viele Reiche und Herrscher, wie es Bundesgenossen gibt. Denn hier schließen sich die Konföderierten nicht zu einem einzigen Gemeinschaftskörper zusammen, sondern nehmen vielmehr die Einzelnen je ein getrenntes Gemeinwesen und Territorium sowie Souveränitätsrechte für sich in Anspruch, so dass das Volk der einzelnen Bundesgenossen autonom bleibt, sich selbst bestimmt und seine eigen Jurisdiktion behält und nur soviel mit den Bundesgenossen gemeinsam hat, wie unter diesen selbst vereinbart“ (ebd. 41).

In moderner Diktion entsteht in Abgrenzung zum Bundesstaat (Födera­ tion) ein Staatenverbund bzw. Staatenbund (Konföderation), in dem die einzelnen Vertragspartner ihre Souveränität behalten und zu genau bestimmten Zwecken kooperieren.377 Legitim ist der Zweck, wenn er der Pflege von Friede und Freundschaft dient. Althusius nennt hier beispielhaft die Stellung eines gemeinsamen Truppenkontingents gegen Feinde. Im Unterschied zur wirtschaftspolitischen Zielsetzung der vollständigen Konföderationen rücken hier sicherheitspolitische Aspekte in den Vordergrund. Da es in den nichtvollständigen Verbindungen besonders um den Schutz und die Verteidigung geht, diese Staatsaufgabe indes ein besonderes Souveränitätsrecht darstellt (XVI), ist fraglich, ob das Gemeinwesen einen Teil seiner Souveränität auf die »supraregionale / -nationale« Organisation überträgt (Staatenverbund) oder zwei parallele Kompetenzen entstehen (Staatenbund). Während sich die vollständige Konföderation unmittelbar auf den Bürger auswirkt (XVII  28), entstehen hier direkte Bindungswirkungen nur unter den Bündnispartnern. Dies spräche für die Charakterisierung als Staatenbund: Die Bundesgenossen behalten ihre volle Hoheitsgewalt und setzen die Beschlüsse des Konvents in einen innerstaatlichen Anwendungsbefehl um. Auf der Grundlage der Staatengleichheit („Auf diesem Konvent der Bundesgenossen soll jeder Bundesgenosse Stimmrecht haben“) und dem möglichen Mehrheitsprinzip („aufgrund gemeinsamer Entscheidung … der Mehrheit“) können die Bundesgenossen auf dem gemeinsamen Konvent jedoch gegen die Stimmen der Unterlegenen bindende Beschlüsse fassen (XVII  40; XXXIII 124–127). Dies stellt einen Eingriff in die Souveränität des Staates dar, sofern dieser nicht auf die teilweise Ausübung des besonderen Souverä­ nitätsrechts verzichtet. Da Althusius zuvor die Unteilbarkeit der Souveränität lehrt, bedeutet dies, dass die Einzelnen nicht auf die Ausübung dieses Souveränitätsrechts verzichten, sondern die Souveränität teilweise auf das 377  Nach ganz herrschender Ansicht ist der Deutsche Bund (1815–1866) als ein bloßer Staatenbund zu bezeichnen; vgl. statt vieler: Maurer 2001, 45  ff.; Görtemaker 1996, 75  ff. Als verfassungspolitische Alternative gilt der Deutsche Zollverein; vgl. Willoweit 1997, 233; Görtemaker 1996, 165–174. Als Staatenverbund bezeichnet das Bundesverfassungsgericht die Europäische Union in seiner Entscheidung BVerfGE 89, 155, 188  ff. (= Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG, zit. nach Bd. und S.).

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Bündnis übergegangen ist („nur so viel mit den Bundesgenossen gemeinsam hat, wie es unter diesen selbst vereinbart ist“, XVII  41).378 Über die Schaffung eines beschlussfähigen Organs und der Beteiligung an dessen Willensbildung wirken die in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkten Mitgliedsstaaten allerdings in satzungsgemäßer Weise an der Bündnisorganisation mit (XXXIII  122–128). Es erstaunt, dass Althusius an dieser Stelle auf Ausführungen zu einer Stimmenwägung aufgrund militärischen Potentials oder wirtschaftlicher Macht verzichtet. Unter Rückgriff auf die nur ausnahmsweise gebotene Stimmenwägung in den kirchlichen Kollegien ist daher der Schluss von der Staatengleichheit zur Stimmengleichheit nicht prinzipiell ausgeschlossen (XXXIII  125). Fraglich ist, ob auf dem Gebiet des erweiterten Reichs eine neue Verfassung entsteht oder, ob die alte Rechtsordnung, unter den nötigen Abwandlungen, bestehen bleibt. Offensichtlich ist Althusius von der Anziehungskraft seiner Staatslehre so überzeugt, dass er vom Bestand »seiner« Verfassung ausgeht (Kooptationslösung). Für Provinzen ist ein derartiger Beitritt offensichtlich. Was andere Reiche anbelangt, so stehen die Fundamentalgesetze des Reiches und die Souveränitätsrechte ebenso nicht zur Disposition der Bündnispartner. Die Verwendung der Partizipialkonstruktion „communicatis legibus fundamentalibus regni & juribus majestatis“ lassen die »mitgeteilten« Rechte als ein Ergebnis der Einigung erscheinen, deren Bestand schon andauerte und nun fortwirkt. Es werden keine neuen Fundamentalrechte durch die Bündnispartner geschaffen, noch ergeben sie sich aus der Natur der bloßen Anwachsung des Gemeinwesens. Dieser Kernbereich unantastbarer Rechte bleibt von der Gesetzgebungstätigkeit der Konföderation unberührt. An dieser Stelle kann die Politica durchaus als Erklärungsmodell für den Prozess der europäischen Vergemeinschaftung herangezogen werden. Insbesondere die ökonomische Zielsetzung stellt bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts für den Staatsdenker ein zentrales Motiv der überregionalen und -nationalen Zusammenarbeit dar. Als ein politisch gewolltes Staatsziel behauptet die Politik gegenüber der Ökonomie das Primat in der Ausgestaltung dieser Verbindungen. Die Politik allein ist in der Lage und steht für den Autor in der alleinigen Verantwortung, Auswirkungen für das Gemeinwohl, die sich durch die wirtschaftliche Vergemeinschaftung ergeben, für sämt­ liche Politikbereiche zu antizipieren.

378  Hohberger kommt zu anderen Ergebnissen, da er diese einschlägigen Stellen der Politica m. E. überhaupt nicht auswertet, ders. 2008, 142–160.



§ 7 Kontraktualistische und konsozietale Aspekte

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7. Die Grundlagen der Drei Gemeinschaften Es wird ersichtlich, dass die Drei Gemeinschaften als sozialontologische Grundannahmen nicht von vornherein für jedwede Vereinigung festgelegt sind. Daher ist eine vertragliche Inhaltsbestimmung und Ausgestaltung zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht von vornherein für alle konsozietalen Verbindungen einheitlich fixierbar. Es handelt sich weiterhin nicht um einen rein transzendentalen Tausch innerhalb einer virtuellen Vertragstheorie. Die transzendentale Regelförmlichkeit des symbiotischen Rechts wird ergänzt um den durchaus tatsächlichen, auch ökonomischen Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Rechten. Beide Bedingungen spiegelt das genuin Soziale einer menschlichen Gemeinschaft angemessen wider. Die Gemeinschaften bedeuten das Bestehen von mannigfachen Möglichkeiten einer consociatio. Durch Vernetzung zwischen den verschiedenen Konsoziationen lassen sie sich effektiver und effizienter ausgestalten, d. h. den Erfordernissen in einer kontingenten Welt entsprechend anpassen. So stellen sie die Bedingungen der Möglichkeiten der Konsoziationen dar. Sie gewährleisten die notwendigen Übereinstimmungen „der unterschiedlichen Handlungen der Einzelnen“ und der Konsoziationen (vgl. IX  6, 8). Maßgeblich stellt Althusius daher auf das „dass“ dieser Kommunikationen ab (I  8, 9, 10  ff.), die durch ausdrückliches Versprechen und / oder durch schlüssiges Verhalten ausbedungen werden können. Der Autor spricht hier vom „besonderen Interesse“ des pactums (II  5). In den kleineren Gemeinschaften positiviert sich in ihnen das Gebot der Nächstenliebe, welches in der Sozial- und Staatslehre des Althusius stets in seiner „suprapersonalen“ Dimension hervorgehoben wird. Damit ist gemeint, dass nicht allein das Verhalten des einzelnen Symbioten zu einzelnen Nächsten (interpersonales Verhältnis: A–B, A–C), sondern das Verhalten aller zueinander (suprapersonales Verhältnis: A–B, A–C, B–C) in der consociatio relevant ist. In dieser Weise versteht sich die Rede „vom gemeinsamen Vorteil sowohl der Einzelnen als auch aller zusammen“. Das Verhalten des B und des C je für sich sowie auch ihre Interaktion sollen dem A „nutzen“, es wirkt „zu Gunsten“ des A zurück. Insofern handelt es sich stets um eine »Verbindung zu Gunsten Dritter«. Der Verfasser der Politica interpretiert dabei das Gebot der Nächstenliebe als politisches Solidaritätsprinzip, welches als korrektiver Gegenpol im allzumenschlichen Kampf um Kommunikationsanteile, d. h. um Güter, Leistungen und Rechte wirkt. Zwischen Egoismus und Altruismus steht der am Gemeinwohl orientierte Gemeinsinn des althusischen Symbioten. So werden die Vorteile und Lasten einer Gemeinschaft von allen gemeinsam „empfangen oder getragen“ (I  7). Liebe, Zuneigung und Freundschaft sind für den politischen Denker die Fundamente der ersten consociationes der Ehe, Familie und Kollegen. „Liebe, Wohlwollen und gemeinsames Bemühen“ sind selbst für

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

die Ebene der Provinz erstrebenswerte Ziele einer erfolgreichen Verwaltung. Die consociatio universalis major der Politica ist indessen kein Staat der Nächstenliebe. Als eine besondere Art von consociatio ist sie diesem christlichen Fundamentalgrundsatz dennoch teilhaftig und – etwa in der Erziehung und der Sozialgesetzgebung – verpflichtet (I  15; u. ö.). „Die Gemeinschaft der Sachen unter den Gliedern und Bürgern derselben Körperschaft … bewirkt, dass eine gemeinsame Sache durch Konsens und Vertrag sowohl der Gesamtheit als auch der Einzelnen körperschaftlichen Zwecken gewidmet wird, und zwar in der Art, Methode und Form, wie dies zwischen den Gliedern und Bürgern beschlossen und festgelegt ist.“ (VI  17; Hervorheb. P.  K.)

Bezüglich des pactum kann auf die Ausführungen zu Beginn dieses Kapitels verwiesen werden. Der Rechtsgelehrte zielt nicht auf eine kontraktualistische Rechtfertigung der Drei Gemeinschaften, vielmehr gilt es ihm, eine gleichermaßen normativ-realistische Erklärung dafür anzubieten, was allen konsozietalen Lebensgemeinschaften unter den nötigen Abwandlungen gemeinsam ist und bleibt: die Kommunikation, d. h. die wechselseitige Mitteilung und Gewährung der Symbioten von Sachen, Dienstleistungen und Rechten. Die Kommunikation bedarf für Althusius keiner legitimierenden Rechtfertigung, sie bedarf »nur« einer Erklärung. So kann er unbeschadet eines Legitimationsdefizits die Dienstpflicht eines Bürgers gegenüber dem Gemeinwesen – eingedenk der individuellen Leistungsfähigkeit – als mit dessen Zustimmung (consensus vel permissio) erfolgend bezeichnen (XI  18  f.). Gemeinschaft

Güter (I  8)

Leistungen (I  9)

Rechte (I  10–20)

Ehe

I  46

II  10, 15, 45  f.

II  6–9, 46

Familie, Verwandtschaft

III  37

III  34–37

II  18–28; III  38–41

Berufsgenossenschaften

IV  8, 9

IV  12–14

IV  16–17

Städte, Dörfer und Gemeinden

VI  17–27

VI  28–38

VI  39–52

Provinz

VII  3, 64

VII  3, 8  ff.

VII  3  ff., 57–64

Staat

IX  1, 7; XI  17-XIII; XX  18

IX  1, 7; X  7; XI  17–20; XIII-XIV; XX  7

IX  3  ff.; IX  7

Staaten­ verbindung

XVII  24 a. E.; 28

XVII  28

XVII  27, 33



§ 8 Von den Rechten des Bürgers zur Würde des Menschen

277

Die Drei Gemeinschaften stellen unabdingbare Voraussetzungen an den sittlichen und gerechten Staat (IX  2, 12). Die staatliche Rechtsordnung übernimmt die Lenkungs- und Steuerungsfunktion gegenüber den Gemeinschaften der Güter und Dienstleistungen im Hinblick auf den Einzelnen sowie in Bezug auf die dem Staat angehörigen Konsoziationen (IX  15 i  V. m. I  10, 19  f.). In dieser vollen Entfaltung stellt das positive staatliche Recht ein „gemeinschaftliches Versprechen der Bürgerschaft“ oder den „öffentlichen Befehl des Volkes“ dar (X  3, 4, 8). Es wird betont, dass der Staat und insbesondere die höchste Verwaltungsbehörde eine Bestandsgarantie für die Drei Gemeinschaften abgeben müssen, die bis zur Begründung eines Widerstandsrechts reicht (vgl. etwa XXXVII  1  ff., 79; XXXVIII  21  ff.).

§ 8 Von den Rechten des Bürgers zur Würde des Menschen In der historischen Forschung wird das 16. Jahrhundert mitunter als »bürgerliches Jahrhundert« bezeichnet.379 Inwieweit sich diese Einschätzung noch am Anfang des 17. Jahrhunderts anhand der Politica bestätigen lässt und was dahinter zum Vorschein kommt, soll im Folgenden untersucht werden. „Ein Bürger im vollen und uneingeschränkten Sinn ist derjenige, der das volle körperschaftliche Bürgerrecht (politeuma) besitzt, alle Vorteile und Rechte des Ortes, dessen Bürger er ist, in Anspruch nehmen kann und durch die Herrschaftsgewalt und die Gesetze der Körperschaft verpflichtet wird.“ (V  14)

Die Entscheidung darüber, wer das Bürgerrecht innehat, richtet sich zuvörderst nach einem juristischen Begriff.380 Zu Alter und Geschlecht trifft Althusius keine Aussagen. In den Ausführungen der Politica erfolgt der Erwerb des Bürgerrechts durch zwei Vorgänge: durch Geburt und Einbürgerung. Hinsichtlich des Erwerbs durch Geburt sind zwei Wege anerkannt, die sich späterhin zu völkerrechtlichen Grundprinzipien der Staatsangehörigkeit entwickeln: das jus soli als »Territorialitätsprinzip« und das jus sanguinis als »Personalitätsprinzip«. Nach dem jus sanguinis leitet der Neugeborene sein Bürgerrecht von der Bürgerrechtsangehörigkeit in der väterlichen Linie ab, wonach der Vater oder zumindest der Großvater schon Bürger gewesen sein muss (V 15, 2. Alternative). Nach dem jus soli erlangt man das Bürgerrecht des Verbandes, auf dessen Territorium die Geburt erfolgte, unabhängig vom Bürgerrecht der Eltern (V 15, 1. Alternative). Die Politica nennt zudem die Einbürgerung als hoheitlichen Akt der Gebietskörperschaft zur Erlangung des 379  Schilling

1998, 67; Press 1991, 53. stellt in ihrer Untersuchung des Bürgerbegriffs bei Althusius auf eine „spezifische Homogenität“ ab, ohne diese dann näher zu spezifizieren, dies. 2005, 85  f., 96  f. 380  Koch

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Bürgerrechts. Erforderlich ist die „einvernehmliche Zustimmung der übrigen Bürger“ (V 16), für die stellvertretend der Vorsteher oder das Kollegium handelt (V 22, 25). Der solcherart Eingebürgerte wird in die städtische Rechtsgemeinschaft aufgenommen und eingeschrieben. An dieser Stelle wird deutlich, dass der Autor der Politica nicht mehr in den mittelalterlichen Kategorien des Personenverbandes denkt, sondern vielmehr von der Wirklichkeit der Territorialität ausgeht. Der territoriale Verband ist befugt, alle Vorgänge, die sich auf seinem Gebiet vollziehen, mithin auch die Geburten und den Zuzug, rechtlich zu regeln. Das Statusrecht wird durch „feste Gesetze“ bzw. orts­ übliches Gewohnheitsrecht bestimmt. Zu dem juristischen Begriff treten sittliche, religiöse und kulturelle Merkmale hinzu. „Die Bürger bedienen sich nämlich derselben Gesetze, derselben Religion, … sie benutzen dieselbe Sprache und Ausdrucksweise, Gerichtsbarkeit und Ordnung, haben dieselben Sitten, Münzen, Maße, Gewichte und zwar nicht in der Weise, dass die Einzelnen nur sich selbst, sondern alle allen ähnlich sind  …“ (VI  40).

Eine Besonderheit der Erlangung ergibt sich, wenn Gebietskörperschaften entsprechende Bündnisse geschlossen haben. Als Praxisbeispiel führt Althusius ein historisches Städtebündnis zwischen Bern und Genf an, wonach im Falle der Zu- und Abwanderung von Einwohnern ein direkter Bürgerrechtserwerb bzw. -verlust vorgesehen ist, „und zwar ohne Zuwahl oder besonderen Bescheid“ (V  20). Den Wirkungsbereich von bilateralen Regelungen erweitert der Autor auf Einwohner von »Drittstaaten«, welche „dieselben Freunde und Feinde oder gemeinsame Handelsbeziehungen haben“. Es genügen ihm dazu „gleiche Gewohnheiten, Gesetze und Versammlungen“. Für den Fall einer Konsoziationenverbindung steht den Bürgern das Recht zu, sich weitgehend ungehindert auf dem Territorium der anderen zu betätigen (vgl. XVII  28). Freizügigkeit und Rechtssicherheit der Bürger werden durch diese ausgedehnte Anwendung von bilateralen Bündnissen formal-institutionell geschützt. Zu den Bürgerrechten zählt Althusius „das Recht und die Fähigkeit, in der Stadt zu wohnen und einen Wohnsitz zu begründen, mit der Familie und dem Vermögen dorthin überzusiedeln und ein Geschäft zu haben, sich in ein Kollegium oder eine Zunft aufnehmen zu lassen, die dem eigenen Beruf und Gewerbe entspricht, ebenso wie das Recht, Handelsgeschäfte zu betreiben, schließlich die Fähigkeit, alle Rechte, Vorteile und Vorrechte in Anspruch zu nehmen und zu genießen, die die ganze Gemeinde als für alle Bürger gemeinsam festgesetzt und mit allgemeiner Zustimmung gebilligt hat“ (VI  43; vgl. auch XVII  28). Neben die territoriale Seite der örtlichen Hoheitsgewalt tritt eine personale. Der Bürger, der das Hoheitsgebiet verlässt, behält seine Rechte und Pflichten gegenüber »seinem Hoheitsgebiet«, dessen Bürger er bleibt. Diejenigen, die keinen dauerhaften Wohnsitz in fremdem Hoheitsbereich begründen und sich dort nur vorübergehend aufhalten, werden ebenfalls als



§ 8 Von den Rechten des Bürgers zur Würde des Menschen

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Bürger tituliert, obwohl ihnen keine Bürgerrechte zukommen (V  18; VI  39; z. B. Studenten, Reisende, Kurgäste). Dies bedeutet zunächst, dass Statuslosigkeit vermieden werden soll.381 Des Weiteren ist ein Fremder unbeschadet seiner originären Rechtsunterworfenheit der fremden territorialen Hoheitsgewalt unterstellt (V  18) und hat sich „den Bräuchen des Ortes anzupassen, damit sie anderen nicht zum Anstoß werden“ (V  11). Den fremden Bürgern steht ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke des Studiums, des Handeltreibens sowie der medizinischen Versorgung und Erholung, aber auch aus touristischen Gründen zu (V  74 i. V. m. 18). Fremde können unter bestimmten Voraussetzungen ausgewiesen werden (V  18 a. E.). Zur Gefahrenprävention empfiehlt Althusius ein behördliches Register, woraus sich ergibt, wie viel Auswärtige und Zugezogene sich in der Stadt aufhalten. Fraglich ist, ob die politische Theorie schon ein Staatsbürgerschaftsrecht kennt. Dem methodischen Aufbau nach bezieht sich die Darstellung des Statusrechts allein auf die Ebene der Gebietskörperschaften der consociatio particularis, vornehmlich auf die der Städte (V  6, 7). Dort spricht der Verfasser der Politica von Bürgerschaft und Bürgergemeinde (civium unitas, civitas, V  48). Danach scheidet die Erweiterung zu einem Staatsbürgerschaftsrecht aus. Allerdings führt Althusius den Aspekt, „Bürger der gesamten Gemeinschaft“ (cives omnium, V  20) sein zu können, in einem Nebensatz an. Zwar verneint er für den konkreten Zusammenhang ein Staatsbürgerschaftsrecht, da die Begründung eines solchen nicht in multilateralen bzw. extensiver Auslegung von bilateralen Bündnissen liegen kann, doch schließt er die Möglichkeit einer Staatsbürgerschaft nicht grundsätzlich aus. Ein derartig begründetes Recht der Staatsbürgerschaft würde in unzulässiger Weise dem Souveränitätsrecht vorgreifen, welches allein der universalen Konsoziation zukommt (IX  1 und 13). Schon für den Bereich des Bürgerrechts ist die Bündnisbürgerschaft allerdings die Ausnahme („in einigen Fällen“, V  20). Zur Veranschaulichung verweist Althusius auf die Schweiz. Auch wenn es noch keine Nationalstaaten gibt, so spricht Althusius bereits am Anfang des 17. Jahrhunderts selbstverständlich von „den Schweizern“, den „Belgiern“ (V  71), „den Türken“ (V  73) oder „den Chinesen“ (XXX  11).382 „Die Schweizer“ sind untereinander Verbündete, nehmen jedoch „getrennte Souveränitätsrechte in Anspruch“, so dass sie nicht Bürger eines Staates sind (V  20 a. E.). Damit spricht der Autor der Eidgenossenschaft die Staats(rechts)fähigkeit ab, deren langer Loslösungsprozess vom Deutschen Reich formal erst im Westfälischen Frieden 1648 bestätigt 381  Ohne näheres Eingehen nennt Althusius an späterer Stelle noch den „απολιδες“, den Stadtlosen (V 48). 382  Althusius verwendet den Ausdruck „Nation“ im Zusammenhang mit einer Wahlart (XIX  76).

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

wird.383 Als Paradigma für eine universale Konsoziation scheidet mithin das „Schweizerische“ Modell der Eidgenossenschaft (conjuratio) als Staatenbund aufgrund des Souveränitätsvorbehalts der einzelnen Eidgenossen aus.384 Althusius streift die Frage der Staatsbürgerschaft nochmals zu Beginn der Ausführungen über die universale consociatio. Den „einzelnen Personen“ wird zwar eine Mitgliedschaft am Staat versagt, doch sind sie als „Einheimische, Reichsbewohner oder Kinder des Reiches“ im Gegensatz zu den Fremden und Auswärtigen des Reichsrechts „teilhaftig“ (IX  5). Der juristische Bürgerbegriff wird um weitere »weiche« Merkmale angereichert. Der althusische Bürger verfügt über eine ihm gemäße symbiotische Tugend, er muss „dasjenige wollen, was friedlich und ehrbar ist.“ (VI  47) Damit spannt Althusius den Bogen zum Symbioten, dessen sittlichem Wesen und dessen Würde. Den Bürgerrechten, zu denen in einem weiteren Sinne auch das Benutzungsrecht an öffentlichen Gütern und Einrichtungen gehört (etwa V  22; VI  23), korrespondieren entsprechende Bürgerpflichten (etwa VI  34). Spiegelbildlich korrespondieren Menschenwürde und -rechte mit den sittlichen Pflichten des Symbioten gegenüber dem je Anderen. Den anthropologischen Prämissen lässt Althusius zunächst eine Würde nach sozialem Status, Ehre, Autorität und Ansehen folgen. Diese Bürgerwürde ist mehr nach Leistung als nach Geburt bemessen (I  37; u. ö.), was Ausdruck seines eigenen Selbstwertes und zugleich Gradmesser für ein erstarkendes Bürgertum ist. „Ein Bürger muss nämlich, indem er weder unterwürfig ist, noch sich über die anderen erhebt, mit seinen Mitbürgern recht und billig zusammenleben und in der städtischen Gemeinschaft dasjenige wollen, was friedlich und ehrbar ist. Das Gegenteil dieser Gleichartigkeit (aequabilitas) ist die Gleichheit (aequalitas), durch die die einzelnen Bürger in all dem, was ich aufgeführt habe, untereinander gleichgestellt werden. Daraus entsteht dann unzweifelhaft Unordnung (άταξία) und eine Verwirrung der Dinge.“ (VI  47)

Dieser Bürgerwürde liegt die Gleichartigkeit der Menschen zugrunde.385 Dabei vermeidet Althusius, diese Würde mit dem Begriff der Gleichheit (aequalitas) zu belegen, sondern verwendet den Begriff der Gleichartigkeit (aequabilitas). Dies geschieht, um einem Missverständnis von Gleichheit vorzubeugen. Denn „gäbe [es] keine Abstufung der Tüchtigkeit, keine der Verdienste“, so folgert der politische Denker für die Gesellschafts- und Herrschaftsordnung, steht zu befürchten „dass gerade die Gleichheit höchste Ungleichheit wäre“ (I  37). Die Würde des althusischen Symbioten darf 383  Grundmann 1996, 491  f. Anders: Rabe 1989, 13–15, der die Loslösung als Folgeerscheinung von 1648 sieht (15). 384  Allein im Ergebnis richtig Malandrino 2010, 227. 385  Koch leugnet eine Gleichartigkeit der Menschen bei Althusius, dies. 2005, 64; 84  ff.



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nicht mit seiner Bürgerwürde verwechselt werden, die als „guter Name“ und als Ehrenstellung eine gesellschaftlich kaum zu überschätzende Bedeutung einnimmt; sie ist für Althusius ein bedeutsames Rechtsgut des Bürgers, aber kein von einem etwaigen Erwerb oder dem Verdienst abhängiges unantastbares Prinzip jedes einzelnen Menschen. Hinter der aequalitas kommt indes eine Würde des Menschen zum Vorschein, die als unveräußerlicher Kern des symbiotischen Daseins allem gewaltsamen Zugriff verweigert wird.386 Die Bürgerrechte sind positivierte Menschenwürde. Die konsozietale Gesellschaftsordnung wacht über die Aufrechterhaltung des Unterschiedes zwischen Gleichartigkeit und Gleichheit. Diese Gleichheit der Würde zeigt sich am vortrefflichsten in der demokratischen Regierungsweise des Gemeinwesens (XXXIX  61). Sie besteht darin, dass die Bürger „abwechselnd herrschen und gehorchen“ und eine Ordnung der Gleichheit (isonomia) und Gerechtigkeit (aequabilitas) eingerichtet ist. Im Wege einer teleologischen Reduktion gelangt man von den Rechten des Bürgers zu einer konsozietalen Würde des Symbioten. Wer Bürgerrechte anerkennt, der berührt gleichsam den Fragenkreis der Menschenwürde. Schon in den Herrschaftsverträgen des Mittelalters sind „menschenrecht­ liche Inhalte“ festgeschrieben worden.387 Althusius greift diese Wissensbestände auf und pflanzt sie seiner politischen Lehre ein. Zu den vornehmsten Zielen der Symbiose zählt die Gewährleistung (nicht Gewährung) von Nahrung und Bekleidung sowie des Austauschs von lebensnotwendigen Gütern (I  6; VII  14; XI  3; u. ö.). Zu den wesentlichen Aufgaben einer universalen Konsoziation zählt konsequenterweise der Schutz persönlicher Rechtsgüter (XXXVII  98  ff.). Die Deklaration von Menschenrechten erfolgte zwar erst nach den Erfahrungen absolutistischer Herrschaft und Kolonialisierung. Religiöse Intoleranz und die spanische Fremdherrschaft veranlassen Althusius indes schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts in seiner politischen Theorie Stellung zu beziehen.388 Es findet sich in der Politica keine formale Deklaration, jedoch verzeichnet sie einen Grundbestand an schützenswerten Rechtsgütern.389 In Kapitel 10 Über das Gesetz und seine Ausführung lautet 386  Koch bestimmt die aequalitas dagegen negativ. Aus ihr sehe Althusius „Unordnung und Störung der Ordnung hervorgehen“, dies. 2005 84. 387  Willoweit 1997, 118. 388  Trotz der utilitaristischen Tendenzen wird daran deutlich, dass mit der Politica keine rein utilitaristische Staats- und Gesellschaftstheorie vorliegt. Der Utilitarismus kennt zudem keine genuinen Menschenrechte. Selbst eine strenge Gleichbehandlung verhindert nicht, dass der Vorteil des einen gegen den Nachteil des anderen aufgerechnet wird, so dass der andere zu Gunsten des Kollektivwohls »aufgeopfert« werden kann. 389  Anders Friedrich, der von einem „subjektiven Recht als System“ redet, das von der Idee der Menschenrechte „ziemlich weit entfernt“ sei, ders. 1975, 89 (indifferent wg. 91).

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es zum Schutzzweck staatlicher Gesetzgebungstätigkeit: „Als Erstes das leibliche Leben unter Einschluss der Unversehrtheit des je eigenen Körpers und seiner Freiheit … Sodann … sein Ansehen, sein guter Name, seine Ehre und seine Würde“, schließlich die ungehinderte Nutzung seines Eigentums (X  6; u. ö.; vgl. VII  10). Das Recht auf Leben sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit stellen Rechtsgüter ersten Ranges für Althusius dar (XXXVII  99, 100). Der Schutzbereich des Rechtsguts Leben umfasst tatbestandsmäßig die Tötung und Verletzung insbesondere durch Raub, Plünderung, Wegelagerei. Hier ist der Staat aufgefordert präventiv Maßnahmen zu ergreifen. Dazu zählt das Verbot des Gebrauchs „heimtückischer Waffen wie der Dolche und Pistolen“ ebenso wie die Sicherheitsgewährung (in securitate praestanda) durch entsprechend einzurichtende Sicherheitsbehörden (XXXVII  101). Das Gewaltmonopol des Staates wird umfassend behauptet. Der Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit erstreckt sich auf Verletzungen, Verwundungen, Schläge, Quälerei, Züchtigung und Unterdrückung (XXXVII  100). Althusius deutet einen weitreichenden Gesundheitsschutz an, der sich „auf die Erhaltung der heilsamen Beschaffenheit eines Orts und anderer notwendiger Hilfsmittel“ richtet. Darunter wäre – in moderner Diktion – Berufssicherheit, Gesundheitsschutz am Wohn- und Arbeitsplatz, Hygienevorschriften, schließlich Umweltschutz im weitesten Sinne subsumierbar. Der Verwaltung eröffnen sich in vorsorgender Hinsicht weite Betätigungs- und Aufgabenfelder, die reglementierend in alle Lebensbereiche eingreifen können. Die Rechtsgüter der ersten Gruppe sind als Menschenrechte ausformuliert. Sie bedeuten die in einem Gemeinwesen zu wahrende „natürliche Freiheit des Menschen“ (libertas hominis naturalis). Legitime pönale Eingriffe seitens des Staates (gegen die Täter) sind an die Voraussetzungen eines Gesetzesverstoßes (contra leges Decalogi vel regni) gebunden (XXXVII  103  f.). Eine zweite Gruppe von Rechtsgütern besteht in der Unbescholtenheit des guten Rufs und Leumunds, der unbefleckten Ehrenstellung. Sie bilden in der Gesellschaft des 17. Jahrhunderts die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg (etwa Heiratsfähigkeit, Kreditwürdigkeit). Zugleich erkennt der Autor auch einen unantastbaren immateriellen Wert an, der nicht aus einer äußeren (Amts-)Stellung herrührt. Die „unverletzte Würde und Stellung“ (illaesus dignitas & status) bedeutet ein schützenswertes Gut des Einzelnen an sich, das sich aus seiner Tugendhaftigkeit speist (XXXVII 105, 106). Es gilt „als vorzüglicher und besser als aller Reichtum“ und rangiert daher noch vor dem Schutz des Eigentums und Besitzes. Gegen Verleumdung und üble Nachrede schreitet der Staat ein. Ohnedies wird er in diesem Bereich präventiv tätig, indem er über verschiedene Institute (Zensur) und Institutionen (Presbyte­ rium, Schulen) die Sozialdisziplinierung, die Hebung der Sittlichkeit, Erziehung und Bildung mit verantwortet (XXVIII 33; VIII 24 ff.).



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Die letzte Gruppe der subjektiven Rechtsgüter erfasst schließlich die „äußeren Güter“, d. h. das Eigentum und den Besitz an beweglichen und unbeweglichen Sachen. Während traditionelles Naturrechtsdenken ganz auf Gebote und Pflichten abstellt, anerkennt Althusius subjektive Rechte des einzelnen. Das Eigentum wird bei ihm nicht durch Konsens zum Privateigentum. Althusius vertritt nicht die Ansicht, Gott habe „allen ein Recht auf alles“ gegeben, mit der Folge, dass Privateigentum erst durch Konsens (vom Gemeineigentum ausgehend) in die Welt kommt. Umgekehrt wird das Eigentum durch Konsens zum Gemeineigentum. Die subjektiven Rechte an sich selbst sind Voraussetzung zur Befolgung und Erbringung von Geboten und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft. Das Eigentum am Staat ist durch einen solchen Konsens entstanden, es steht allen gemeinsam zu. Der oberste Magistrat schreitet gegen Diebstahl, Raub, Verletzung, Schmälerung, Entziehung, Beschädigung und jeden anderen zugefügten Nachteil ein (XXXVII  107–110). Der Staat gewährleistet demnach Schutz gegen Vermögensschäden und die Beeinträchtigungen der Handlungsfreiheit. Als Rechtsgüter sind sie der Rechtsordnung unterworfen und genießen den besonderen Schutz durch die institutionalisierte Gemeinschaft (z. B. XVI  13  f.). Sie sind nach Althusius ausgestaltet als subjektive Rechte gegenüber einem Störer, auch gegenüber staatlichen Eingriffen und als solche einklagbar (XXIX  49, 57; XXXIII  15; u. ö.). Der grundsätzliche Schutz dieser Rechtsgüter bedeutet den Verzicht auf „Zwang und Nötigung, Knechtschaft, Freiheitsberaubung“ (X  8, d. i. Leibeigenschaft; XX  9; vgl. auch XXXVII  82) und „die Behinderung seiner (äußeren Güter, P.  K.) in jeglicher Form“ (X  7, d. i. Grundherrschaft). Untertan zu sein, bedeutet niemals bar menschlicher Würde zu sein. Die Obrigkeit, so Althusius die einschlägigen Schriftbelege referierend, soll die Untertanen ob ihrer Machtstellung „dennoch nicht als Diener oder Knechte betrachten, sondern als ihre eigenen Brüder“ (XVIII  15). Und als Warnung setzt der Autor hinzu, dass nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit, die hoheitlichen Verwalter den übrigen Privatleuten wieder gleich stehen (XVIII  15). Der Staat wird einesteils zum Schutz und zur Verteidigung verpflichtet (I  17), anderenteils drängt er den Einzelnen aus der alleinigen Verantwortung für seine Angelegenheiten. Die universale Konsoziation beansprucht nunmehr das Gewaltmonopol für sich. Selbstjustiz und Fehdewesen werden abgestellt (vgl. XXXI  73  a. E.; XXXV  1). Voraussetzung ist, dass „Gewalt und Unrecht“ die Rechtsgüter bedrohen bzw. verletzt haben. Dann nimmt der Staat das ihm allein zustehende Recht auf Sicherheitsgewährung sowie gegebenenfalls das Recht auf Ausübung von Zwang und Bestrafung wahr (XXXVII  102–104). Darüber hinaus eröffnet der politische Denker der Administration Eingriffsmöglichkeiten in beachtlichem – aus heutiger Sicht: grundrechtswidrigem – Ausmaß und Umfang (z. B. in die Privatsphäre, in das Eigentum XXX  16, u. ö.).

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Eine dauerhafte Verletzung der Bürger- bzw. symbiotischen Menschenrechte verpflichtet die Administration also zur gesetzmäßigen Sanktion. Erfolgt die Verletzung behördlicherseits, gar durch den obersten Magistrat stellt sie einen Akt tyrannischer Herrschaftsgewalt dar, der die entsprechenden Machtteilhaber zum Widerstand und zur Wiederherstellung des status quo ante verpflichtet. Althusius führt mit einem weiteren Postulat – frei nach Cicero – den Grundbestand fort: In einem freien Gemeinwesen muss es auch ein freies Wort geben (XXXVIII  20; XXVII  49, 57). Eine »kollektiv« zu verstehende Meinungsfreiheit findet sich mannigfach bestätigt in der Kommunikation innerhalb und zwischen den Genossenschaften und Kollegien, dem Austausch von Meinungen und Ansichten auf den Versammlungen der kirch­ lichen oder administrativen Gremien. Das Recht auf Freizügigkeit erfährt besonderes Augenmerk in der Provinzlehre. Dort ist den einzelnen Symbio­ ten zu gewährleisten, dass sie „im gesamten Territorium der Provinz ohne Verletzung oder Kränkung des Lebens, Körpers, des guten Rufs oder der Güter [zu] reisen, frei [zu] verkehren und wieder zurück[zu]kommen“ zu können (VII  59 i. V. m. 12; vgl. zur Freizügigkeit auch VI  43; XVII  28) Schließlich ist die Gewissensfreiheit, insbesondere die Bekenntnisfreiheit zu erwähnen.390 Auch sie gehört nach Althusius zu den Menschenrechten ersten Ranges (XXVIII  63; u. ö.). „Der politischen Herrschaft ist es versagt, dem Denken der Menschen eine Strafe aufzuerlegen“ (XXVII  64) Eine Anmaßung der Herrschaft über die Gewissen ist ein Frevel an Gott, ein unerlaubtes Eindringen in seinen Herrschaftsbereich (XXVIII  65). Vor diesem Hintergrund liest sich dies wie eine Postulierung von Grundund Menschenrechten, die mit unterschiedlicher Gewichtung im nachfolgenden politischen Denken der Amerikanischen und Französischen Revolution und den sie beeinflussenden politischen Theorien erst zur vollen Geltung ausgebaut werden. Zugleich gibt die Zusammenschau dessen, was „dem Nächsten mit Recht gebührt“ den Grundbestand eines menschenwürdigen Lebens an, den die zweite Tafel des Dekalogs aussagt und dem symbiotischen Menschen als Geschöpf innewohnt. Da die solcherart verstandene Würde von konkreter Staatlichkeit unabhängig ist, liegt die Quelle der Menschenwürde nicht im reinen Willen der Menschen, sondern ist willensunabhängig und wird von der Rechtsordnung nicht nur teilweise, sondern in ihrer Gesamtheit geschützt. Die Rechtsunterworfenheit erstreckt sich auf sämtliche genannter Güter des Menschen: „Denn darüber hinaus hat der Mensch nichts, was man ihm nehmen“ kann (X  11). Die Würde des Menschen ist nämlich unantastbar. 390  Anders Friedrich: Es handelt sich nicht um ein Recht des Individuums, sondern um ein Gebot des öffentlichen Wohls, ders. 1975, 109.



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§ 9 Sozietale Staatlichkeit Es stellt sich die Frage, ob mit Althusius überhaupt schon von einem »Staat« gesprochen werden kann. Es stünde nämlich ebenso zu Gebote, dass er mit der consociatio universalis major noch in den Kategorien mittelalterlicher Reiche denkt, deren Staatsqualität aus heutiger Sicht der Allgemeinen Staatslehre abzulehnen ist. Dann wäre die politische Lehre ein rückwärtsgewandtes Lehrstück und würde unter Umständen eine Erklärung dafür anbieten, weshalb die Politica wirkungsgeschichtlich nicht weiter in Erscheinung trat. Heute wird dagegen diskutiert, ob die Politica zum besseren Verständnis von supra- oder internationalen Kooperationsformen (EU, UNO) einen theoretischen Erklärungsansatz bietet (Duso, Hüglin, Friedrich, Hohberger). In dieser Untersuchung wurde die Staatlichkeit der consociatio universalis major bislang unterstellt. Diese Annahme soll nunmehr begründet werden. Grundlage der sozietalen Staatlichkeit bilden die Drei Gemeinschaften, die in den entsprechenden Gemeinschaftsarten eine jeweils gemäße Ausformulierung finden. Dieser Homogenisierungseffekt wird verstärkt durch ein aufeinander abgestimmtes sozietales Ordnungsgefüge. Althusius favorisiert keinen Zentralismus. Gleichwohl begegnet er Territorialisierungs- bzw. Regionalisierungstendenzen mit einer sozietalen Gegenbewegung. Der politischen Denker Althusius befürwortet Staatlichkeit ab dem Bereich, in dem die Chance auf Verwirklichung übergeordneter Interessen der Solidargemeinschaft eher in einer universalen größeren Gemeinschaft gegeben ist. Als gebotenes Mittel gewährleistet die Staatsgewalt die Erreichung symbio­ tischer Ziele, die im Rahmen der Selbstautonomie der Kommunen oder auf provinzialer Ebene gar nicht oder wesentlich schlechter erreichbar sind. Ein solcherart verstandenes Subsidiaritätsprinzip argumentiert in den Kategorien von „Nutzen und Notwendigkeit“.391 Neben den Begriffen „consociatio“ und „societas vitae mista“ treten gleichbedeutend die Ausdrücke Politie, Imperium, Regnum, Respublica, populus in corpus unum. Zentral für den Autor ist, dass das sozietale Organisationsgebilde „durch den Konsens mehrerer symbiotischer Gemeinschaften und miteinander verbundener Körperschaften unter einem Recht zusammengeschlossen ist“ (IX  3). Die Aneinanderreihung überkommener Bezeichnungen sind für ihn unterdessen bloße Namen (vox), ohne dass sie (unbedingt) eine Einsicht in das Wesen des bezeichneten Gegenstandes ermöglichen. „Die meisten anderen unterscheiden zwischen Reich (regnum, P.  K.) und Gemeinwesen (respublica, P.  K.), wobei sie jenes dem Monarchen, dieses den Optimaten als mehreren Herrschern zuweisen, jedoch zu 391  Malandrino spricht anstelle des Prinzips zurückhaltender vom „Konzept der Subsidiarität“, ders. 2010, 26.

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Unrecht wie ich meine.“ (IX  3 a. E.) In gewisser Hinsicht nimmt Althusius hier eine nominalistische Position ein. „So wird also die Sprache zuerst dazu gebraucht, die Namen richtig zu definieren: hierin liegt der Anfang aller Wissenschaft“, sagt Hobbes.392 „Und da“, beispielsweise, „der Name ›Tyrannis‹ nicht mehr und nicht weniger bedeutet als der Name ›Souveränität‹“, liegt für den englischen Staatstheoretiker das Philosophieren im Rechnen mit Namen.393 „Denn wahr und falsch sind Attribute der Sprache, nicht von Dingen.“394 Eingedenk dieser Annahmen ist die folgende Textpassage der Politica zu lesen: „Das Gemeinwesen (respublica, P.  K.) … ist Sache des Volkes, wenn es gut und gerecht regiert wird, sei es von einem König, wenigen Optimaten oder der Gesamtheit. Auch eine Stadtrepublik (respublica civitatis), ja jede politische Gemeinschaft (politia, P.  K.), kann Gemeinwesen (respublica, P.  K.) genannt werden, wie z. B. das der Athener, Spartaner, Hebräer und Römer, von denen die meisten auch ihre Könige hatten. So auch Gregorius Tholosanus … Anders Aristoteles … Rechtlich wird das Wort Gemeinwesen (vox respublica, P.  K.) ganz unterschiedlich gebraucht, siehe den ganzen Titel Cod. 11.30, Bartolus …, bald für das ganze römische Volk … oder nur für die Stadt Rom …, bald für jede größere oder kleinere Bürgergemeinde … Die etymologische Herleitung der Worte respublica und regnum beweist indessen klar, dass beide der universalen symbiotischen Gemeinschaft zugewiesen werden können. Und was sollte dem entgegenstehen, den Begriff (vox, P.  K.) sowohl im engeren als auch im übertragenen Sinne zu gebrauchen?“ (IX  4)

Mit umgekehrtem Vorzeichen zu diesem Postulat der Hobbes’schen Philosophie erkennt der Herborner Rechtsgelehrte also selbst in gegensätzlichen Definitionen der »Namen« Respublica und Regnum solange keinen Erkenntnisnachteil, solange bekannt ist, dass ein bezeichnender Name bloß gleichnamig (homonym), jedoch auch gleichbedeutend (synonym) zu einem Wesensbegriff verwendet werden kann, mit anderen Worten Regnum und ­Respublica nur Sprachbeifügungen darstellen.395 1. Staatsbegriffe Althusius verwendet den Ausdruck »Staat« nicht. Stattdessen finden sich in den fünf Ausgaben der Politica mannigfache Begrifflichkeiten, die das erfassen, was hier gemeinhin unter Staat verstanden werden soll: respublica, regnum, politie, polis, civitas, populus in corpus unum. Der Ausdruck »Staat« hatte sich noch nicht als Bezeichnung erster Wahl durchgesetzt. 392  Hobbes,

Leviathan, Kap. 4., 28. Rückblick und Schluß, 539. 394  Dass., Kap. 4., 27. 395  Vgl. Inhaltsüberschrift zu Kap. 9, § 4: Distinctio inter regnum & Rempubl. 393  Dass.,



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Gleichwohl verwendet Althusius den Ausdruck status, etwa in status publicus (XXXI  1) oder status democraticus (XXXIX  57, 77). Doch ist darunter weniger Staat im weiteren Sinne zu verstehen, als vielmehr eine bestimmte Verfassung und ein Zustand, in der sich der Magistrat im Unterschied zum Gemeinwesen befinden kann. „In hoc Reip. statu illae …“ ebenso wie „Democraticus status, seu magistratus est  …“ zeigen an, dass es sich um eine Regierungsform handelt, von der sich das Gemeinwesen, d. h. die Staatsform unterscheidet (XXXIX  55, 57). Staats- und Regierungsform, wobei letztere monarchisch oder „polyarchisch“, also aristokratisch und demokratisch eingerichtet sein kann, sind demnach zu trennen.396 Sofern Althusius von regnum spricht ist damit nicht unbedingt die Königsherrschaft als monarchische Regierungsform gemeint. Vielmehr ist auf den kontextuellen Zusammenhang zu achten: mal bedeutet das Wort Reich, mal Herrschaft. Verwendet er regnum in der ersten Bedeutung, so ergeben sich keine Hinweise darauf, dass Althusius in Dimensionen von Großreichen denkt. Zwar ist seine Institutionenlehre grundsätzlich auf jedes Gemeinwesen ab einer bestimmten Komplexität und Größe anwendbar (s. dazu Vorwort 1603), indes sieht er die Gefahr einer Unregierbarkeit. Wenn im Verlauf der Darlegung vielfach auf geschichtliche Großreiche zurückgegriffen wird, dient dies zur Veranschaulichung eines speziellen Aspekts eines konkreten Reichs. Diese Bezugnahmen dienen der didaktischen Aufbereitung seiner Lehre, sei es, um ein Beispiel zur Veranschaulichung zu geben, sei es, einen Umstand als seit alters her bestehend und legitimiert darzustellen. Es lässt sich ein erster tragfähiger Begriff herauskristallisieren: die Respublica. Ausgehend von der römischen Republik zur Zeit Ciceros über die italienischen Großstadtrepubliken, hebt Althusius diese Staatsform zur Allgemeingültigkeit von Gemeinwesen hervor. Daneben hat allerdings das Reich (regnum) prominente Konnotationen, die die universale consociatio in der Tradition des Römischen Reichs deutscher Nation unter Karl dem Großen oder dem imperium romanum des 1. und 2. Jahrhunderts erscheinen lassen. Gegen diese Einordnung bestehen Bedenken. Regnum bezeichnet eben auch das Herrschaftsgebiet unterhalb von Großreichen, das Herrschafts­ territorium der deutschen Kurfürsten etwa. Vielmehr stehen dem Verfasser der Politica für die respublica oder politie Cicero und Aristoteles Pate, deren politische Philosophie gerade nicht im Kern das römische oder griechische Reich in ihrer größten Ausdehnung reflektieren. Althusius sieht die Größe eines Gemeinwesens als eine Frage von Regierbarkeit an. Erklärtes Vorbild aller Gemeinwesen ist das jüdische, das gerade kein Weltreich war, 396  Hohberger signifikant dazu: „Der Begriff der Polyarchie wurde von dem amerikanischen Politikwissenschaftler Robert A. Dahl 1963 entwickelt“, und: „Dabei hat die Polyarchie demokratische Züge“, ders. 2008, 131.

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und auch nicht in einer griechisch-römischen Tradition (Politie, Respublica) steht. Daran erweist sich zudem, dass das Ordnungsgefüge des Deutschen Kaiserreichs nicht als Grundlage der althusischen consociatio fungiert. Der Autor verweist stets gesondert auf den beispielhaften Charakter eines besonderen Merkmals des deutschen Gemeinwesens. Es dient dann zur Veranschaulichung. Andererseits legt das Werk eine Ineinssetzung von höchstem Magistrat und Kaiseramt nahe (etwa VI  4 i. V. m. 2; u. ö.). Dabei bewegt sich die consociatio universalis major nicht mehr in den Bahnen mittelalterlicher Reiche. Der Verfasser der Politica steht im politiktheoretischen Diskurs seiner Zeit. Vielfach paraphrasiert und zitiert er (zeitgenössische) Beiträge von Barclay, Bodin, Botero, Machiavelli, Morus und verschiedenen sog. Monarchomachen. Der Gelehrte verweist zugleich auf die klassischen Texte von Platon und Aristoteles, Cicero, Thomas von Aquin und Augustinus. Die Politica beteiligt sich so am Gespräch über die Generationen hinweg. Eine Reichsidee findet sich bei Althusius nicht mehr, sie entspricht nicht mehr den Gegebenheiten der tatsächlichen politischen Lage. Die consociationes particulares stellen keine Stämme dar, aus denen sich ein Reich bildet und die Grundlage eines sog. Personenverbandstaates bieten würde. Althusius greift indes didaktisch wertvoll zum besseren Verständnis vielfach auf historische Entwicklungsstränge zurück, erklärt historische Entwicklungslinien und zitiert aus Publikationen der (zeitgenössischen) Geschichtswissenschaft. Ein getrennt gedachtes Kaisertum bleibt für Althusius nichtsdestoweniger interessant. Geht man von einer Parallelität zwischen höchstem Magistrat und Kaiseramt aus, zeigt sich, dass sich die »Idee des Kaisertums« unabhängig vom staatsorganisatorischen Gefüge behaupten lässt. Historisches Faktum ist, dass die »Idee des Kaisertums« im sog. älteren deutschen Reich von den Entwicklungsstufen unterschiedlicher Staatlichkeiten des mittelalterlichen Reichs bis 1806 an sich unberührt bleibt. Als Minimalprämisse für die Besonderheiten einer verstaatlichten Gemeinschaft soll hier die universale Konsoziation als rechtlich verfasste Gemeinschaft gelten. Sie als eine solche Gemeinschaft zu statuieren, ist dabei diejenige Integrationsleistung, die durch wirksame und homogene Normenordnung koordiniert und schließlich in der Staatsgewalt, verstanden als Monopol legitimer Gewaltanwendung, über alle Gebietsansässigen (Staatsvolk) in einem bestimmten Territorium (Staatsgebiet) institutionalisiert wird. Dem föderalen, in den Fundamentalgesetzen vereinbarten Staatsaufbau zwischen den consociationes particulares korrespondiert die Tendenz zu einer gewissen Zentralisierung. Der Offenheit der Entwicklung menschlicher Gemeinschaften ist auch dadurch Rechnung zu tragen, dass es sich verbietet, einen statischen Staats­ begriff anzulegen. Eingedenk der stetigen Wandelbarkeit und der Entwick-



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lungsstufen werden in der Politica oftmals die Bezeichnungen administratio und administer gleichbedeutend mit Herrschaft und Herrscher verwendet (z. B. V 51: Vocantur etiam administratores Rerumpublicarum). Ist die universale Konsoziation ein Administrationsstaat? Damit verbinden sich heute bevormundender Obrigkeitsstaat und reglementierende Bürokratie. Es stellte jedoch einen Anachronismus dar, ginge man von einer bürokratisch durchorganisierten, streng arbeitsteiligen „inneren“ Verwaltung aus, die jeweils der ihr übergeordneten Gewalt, sei es der Exekutive, der Legislative oder der Judikative dient. Ebenso wenig steht es an, die administratio allein mit »Exekutive« zu übersetzen.397 Vielmehr fällt der Bedeutungsgehalt mit einem weiten Begriff von »Regierung« zusammen. Mal steht die Führungs- und Lenkungsfunktion, mal die verwaltende Staatstätigkeit im Vordergrund. Die universale consociatio birgt keine »Weltrepublik«, keinen »Weltstaat« in sich.398 Gleichwohl ist die friedliche Koexistenz von Konsoziationen Ziel der Politik (I  30), die über politische Außengrenzen hinweg, die Mitteilung von Gütern, Dienstleistungen und Rechten steuert. Althusius befürwortet aufgrund der Skepsis gegenüber allzu großer Macht und einer besseren Regierbarkeit, in Anlehnung an seinen homo de medio, ein „mittelgroßes“ Gemeinwesen (IX  11); der Zustand universalis beinhaltet daher für die consociatio keinen universalen Anspruch im Sinne eines – missionarisch grenzübergreifenden – Imperiums. Sie beschränkt sich auf ein „bestimmtes und begrenztes Gebiet“ (IX  14). Die universale Konsoziation ist daher niemals als Weltrepublik zu verstehen. Wenn auch superlativisch von einem höchsten Magistrat gesprochen wird, nimmt dieser jedoch nicht die Leitung einer »consociatio universalis maxima« wahr. Althusius geht wie selbstverständlich davon aus, dass Staaten, sogar Provinzen eines Staates, untereinander Kriege führen. Althusius ist wie Grotius und Hobbes ein Realist. Den Anspruch auf eine gewaltfreie Kommunikation auch zwischen Staaten gibt er indessen nicht auf. Die Zielbestimmung der Politik, wonach „immer und überall Friede und Eintracht herrsche“, bedeutet vor diesem Hintergrund ein Ideal seiner Lehre (I  30; kritisch XXXIX  23).399 In theoretischer Hinsicht lässt sich allerdings das Konzept der komparativen Konsoziationen derart erweitern, dass sich die Menschheit schließlich in zwei »consociationes universales majores« aufteilen ließe.400 397  So

aber Wyduckel 1988, 475. sieht eine Analogie zur UNO, ders. 1975, 126. 399  Den Entwurf zu einem Ewigen Frieden wird Kant liefern, der gegenüberzustellen ist mit der von ihm festgestellten Unregierbarkeit einer Weltrepublik (Kant, Rechtslehre [§ 61], 474). 400  Der Einwand gegen vertragstheoretische Staatslehren, wonach sie den Vertragsgedanken inkonsequenterweise nicht auch auf Staaten untereinander anwendeten, trifft Althusius’ Konsoziationenlehre in geringerem Umfang. 398  Friedrich

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Es ist der Blick nun genauer auf die Staatsstruktur der universalen consociatio zu richten. Es stehen die Begrifflichkeiten Bundesstaat, Einheitsstaat, Staatenbund, Reich und neuerdings die supranationale Einrichtung, bezeichnet als Staatenverbund, Staatenverband oder Staatengemeinschaft, zu Gebote. Immer wieder wird die Politica als Erklärungsmodell der Europäi­ schen Union ins Gespräch gebracht (Duso, Hüglin, Hohberger). In seinem Vergleich der politischen Theorie und der politischen Systeme des Althusius mit der EU kommt Hohberger zu dem Ergebnis, dass sich zwischen Europäischer Union in der althusischen Lehre „erstaunliche Übereinstimmungen“ finden lassen.401 Ist der populus in corpus unum der Politica ein Einheitsstaat? Unter Einheitsstaat soll hier verstanden werden, dass im Gemeinwesen nur eine Staatsgewalt und eine einheitliche staatliche Organisation mit einer Regierung an der Spitze besteht. Nicht erforderlich ist, dass alle staatlichen Aufgaben von einer Zentrale aus gesteuert, sondern durchaus dezentral an weisungsgebundene und staatlicher Aufsicht unterliegende Körperschaften delegiert werden können.402 Maßgeblich ist vielmehr, dass die Gliedstaaten im Gesamtstaat keine eigenen, originären Hoheitsbefugnisse innehaben. Vor diesem Hintergrund ist die universale consociatio nicht zweifelsfrei zuzuordnen. Die autonomen Berufsgenossenschaften wie die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften kann man nicht einmal mehr als Elemente eines stark dezentralen Einheitsstaats bezeichnen. Auf diese kommt es nach der Definition des Althusius jedoch gar nicht an. „Städte und Provinzen“ (civitates & provinciae) bilden die Glieder des Staates. In Bezug auf die Städte kommt allein den freien Städten der Status eines Gliedes des Reichs zu (VI  2), die übrigen Städte bleiben unberücksichtigt (IX  5). Die so genannten freien Städte erhalten ihren rechtlichen Stand aufgrund staatlicher Anerkenntnis (V  42). Dieses Merkmal spräche für eine einheitsstaatliche Charakterisierung. Die Stadtpräfekten werden allerdings von der Kommune gewählt. Sie sind außerdem nicht an Weisungen des obersten Magistrats gebunden, sondern nehmen die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft kraft eigenen Hoheitsrechts wahr, welches vom rechtlichen Status als „freie“ Stadt zu unterscheiden ist. Dies spiegelt sich in dem ihnen zukommenden Stimmrecht auf den Reichstagen wider. Homogenität unter diesen Staatsgliedern wird durch die Bindung an die tragenden Grundsätze der gemeinsamen leges fundamentales erreicht. Schwieriger stellt sich die Situation für die Provinzen dar. Die Bezeichnung als Provinz legt eine Abhängigkeit vom Gesamtstaat näher als die Annahme von Eigenstaatlichkeit. Unentschieden 401  Hohberger 402  Zum

(1118).

2008, 369. Begriff der Körperschaft bei Althusius s. a. Krawietz 1976, Sp. 1101  ff.



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ist die Frage, ob die Provinzmagistrate von den Bewohnern gewählt werden (VII  40) oder ob die Präfekten vom höchsten Magistrat gleichsam als Statthalter eingesetzt werden (VIII  50). Unbeschadet dessen wird betont, dass sie „wie ein oberster Herrscher“ „in ihrem territorialen Bereich Souveränitäts- und Fürstenrechte“, „in ihrem Territorium eine so große Macht wie der Kaiser oder oberste Magistrat im Reich“ haben (VIII  53; XVIII  112). Da­ raus ergibt sich, dass auch die Provinzpräsidien keine weisungsgebundenen Organe des Gesamtstaates sind. Demzufolge lassen sich die Provinzgewalten nicht als bloß abgeleitete Hoheitsbefugnisse zuordnen. Sofern Personalunion zwischen Provinzpräfekt und Ephor besteht würde ein solches Abhängigkeitsverhältnis überdies nicht mit den Aufgaben und der Stellung des Ephorenamtes gegenüber dem höchsten Magistrat in Einklang zu bringen sein. Ist die consociatio univeralis major dann als Staatenbund zu verstehen? Ein solcher ist ebenfalls ein Zusammenschluss von Staaten, wobei der Bund nicht selbst Staat ist. Als lediglich völkerrechtliches Gebilde nimmt er gemeinsame Angelegenheiten auf außenpolitischen, verteidigungspolitischen und wirtschaftspolitischen Gebieten wahr. Die völkerrechtliche Legitimität der universalen consociatio steht für den Autor außer Frage. Zu den konsozietalen Aufgaben zählen insbesondere die Interessenwahrnehmung in den benannten Politikfeldern (Kap. 17, 32, 34, 35, 36). Den Staatenbund kennzeichnet, dass die »Gesetze« des Bundes in den Gliedstaaten keine unmittelbare Wirkung entfaltet, sondern eines Umsetzungsaktes in innerstaatliches Recht bedürfen. Der Staat der Politica besitzt indessen volle Staatsgewalt, dessen Jurisdiktionsgewalt die Gliedstaaten unmittelbar bindet. Bei Aufnahme eines neuen Gliedes in den bestehenden Staat spricht Althusius davon, dass „andere Reiche, Provinzen, Städte, Dörfer oder Gemeinden in die Gemeinschaft und Gesellschaft eines einzigen Körpers aufgenommen und mit ihm vereint werden“ (XVII  25). Ist die universale Konsoziation als eine »Staatengemeinschaft«, als ein »Staatenverbund« oder »Staatenverband» gleichsam zwischen Bundesstaat und Staatenbund stehend, zu bezeichnen? Zunächst ist zu berücksichtigen, dass eine supranationale Einrichtung, gleich wie sie benannt wird, die Nationalstaatlichkeit voraussetzt. Steht die Politica auch am Beginn moderner Staatlichkeit, zieht die Epoche der Nationalstaaten erst noch herauf. Althusius selbst verwendet den Ausdruck „Nation“ etwa bei einer „an eine bestimmte Nation gebundene Wahl“ des obersten Magistrats (XIX 76). Von einer supranationalen Einrichtung auszugehen, die sich als eine Überwindung der Nationalstaaten darstellt, hieße demnach anachronistisch vorgehen. Allerdings gebraucht Althusius den Ausdruck „Nation“ im Zusammenhang mit der Gemeinschaft gleicher Sitten und gleicher Sprache. Die Politica steht noch ganz am Anfang des Weges von der Kulturnation zur Staatsnation.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

In Betracht kommt weiterhin, die universale consociatio selbst als Mitglied eines Staatenverbundes zu untersuchen. Einschlägige Ausführungen dazu finden sich in Kapitel XVII. Dort führt der politische Denker in den §§ 25–54 aus, wie sich die universale Konsoziation Bündnissen anschließen kann. Es bleibt, die universale Konsoziation als Bundesstaat zu reflektieren. Nach herkömmlicher Definition ist Bundesstaat ein Gemeinwesen, welches sich aus mehreren Staaten zusammensetzt. Danach ist kennzeichnend, dass der Bund als Gesamtstaat gleichwie die Gliedstaaten Staatscharakter besitzen, wonach beide über eine eigenständige Organisation verfügen, die die glied- und gesamtstaatlichen Aufgaben wahrnehmen. Der „Staatscharakter“ der Glieder ist jedoch in der vorhergehenden Untersuchung immer wieder in Frage zu stellen gewesen. In Betracht kommt stattdessen, vornehmlich auf ihre Autarkie abzustellen. Vor dieser Begriffsfelderläuterung ist es dann gerechtfertigt, von der universalen Konsoziation als einem Staat zu sprechen, der sich in seinen Zielen und Aufgaben und in den Organisationsstrukturen zeigen wird. 2. Staatsziele Regieren heißt „zum Ziel führen“ (I  13). „Das Ziel des symbiotischen Zusammenlebens der Menschen ist eine fromme (sancta), gerechte, angemessene und glückliche Lebensgemeinschaft, der es an nichts Notwendigem oder Nützlichem mangelt.“ (I  3) Der Autor führt in § 30 die allgemeinen Ziele der Politik (Fines Politica) näher aus: „… auf dass wir ein ruhiges und friedliches Leben in Frömmigkeit und Ehrenhaftigkeit zubringen können, … damit wahre Frömmigkeit gegenüber Gott und Gerechtigkeit unter den Bürgern geübt, nach außen Sorge für die Verteidigung gegen Feinde getragen werde und immer und überall Eintracht und Friede herrsche … Ziel ist darüber hinaus die Erhaltung der menschlichen Gesellschaft (societas humana, P.  K.), deren Zweck wiederum darin besteht, ein Leben zu führen, in dem man ohne von Gott abzuirren in Frieden dienen kann“ (I  30).

Die Ziele der Lebensgemeinschaft geben die Ziele der Politik vor. Damit steht für den politischen Denker die Gestaltung der Lebensgemeinschaften als Aufgabe der Politik fest. Die Politica lehnt machiavellistische Machtziele ab. Sie geht auch über eine bloße (Hobbes’sche) Selbsterhaltungstheorie hinaus. Stattdessen legt sie Steuerungsmöglichkeiten und eudämonische AllVerantwortung offen, so „dass die Politik das Endziel aller anderen Disziplinen aufs Höchste steigere und so aus dem privaten Glück das öffentliche mache“ (I  25). Dieser Eudämonismus harmoniert durchaus mit den utilitaristischen Tendenzen des Werks, sofern man ihn als eine Spielart des Utilitarismus ansieht. Der Zweck des Staates liegt darin, dieses Ziel für die Symbiose zu erreichen.



§ 9 Sozietale Staatlichkeit

293

Der Staat ist nach Althusius unabdingbare Voraussetzung: „Ohne diese Voraussetzungen (d. i. die consociatio universalis major, P.  K.) und das Recht der Gemeinschaft kann ein frommes und gerechtes symbiotisches Zusammenleben nicht begründet, gepflegt und erhalten werden.“ (IX  2) Die dienende Funktion des innerweltlichen Staates verbietet es gleichwohl, von einem apotheotischen »Heiligtum« zu sprechen.403 Die Gemeinschafts- und Staatsideale werden dadurch verwirklicht, indem „Konsens“ unter den Symbioten herrscht, dass der „Wille von Gebietenden und Gehorchenden eins sind“ (I  12). Das »Großziel«, das den menschlichen Gemeinschaften Sinn gibt, wird auf verschiedenen Feldern verfolgt. Die Gemeinwohlorientierung steht auf allen Politikfeldern als Leitbild vorweg (ad eiusdem salutem & commodum, pro salute civitatis, V  22, 50; u. ö.). Ziel jeder Gemeinschaft ist Autarkie, eunomia und gute Ordnung (I  10; VIII  48; IX  15; XXXVIII  131; u. ö.). Wenn nun aber schon die kleinsten öffentliche Einheiten auf autarke Lebensformen verpflichtet und bemüht sind, wird damit nicht einer »asozia­ len / akonsozietalen« Vereinzelung Vorschub geleistet? Hiergegen wirkt das spezifische Subsidiaritätsprinzip der Politica (V  4; I  21).404 Die politische Autarkie führt daher nicht wie in den utopischen Staatsromanen des 16. und 17. Jahrhunderts in ein beziehungsfreies Gemeinwesen, sondern hat ihren Sitz im Leben. Das Politeuma, d. h. die rechtlich verfasste „gute Ordnung“, bedeutet Schutz und Sorge für den Symbioten und die Symbiose (I  5, 10; V  1, 5; u. ö.). Geschützt wird der Körper im weitesten Sinne (körperliche Unversehrtheit und materielle Rechtsgüter, sozietaler Bestand), umsorgt wird die Seele (Tugend, Bildung, Souveränität). Regieren heißt in diesem Sinne, dem Nutzen anderer zu dienen (I  13) Daraus leiten sich mehrere Staatsziele ab, die in verschiedenen Politikfeldern eine konkrete Ausformulierung finden. Sozialstaatlichkeit ist ein Leitgedanke althusischer Politik (XV  7; XXIX  13; XXXVII  38, 83  ff.; u. ö.). Nicht nur, dass Arme und Mittellose öffentliche Leistungen empfangen, dass es auf allen politischen Konsozia­ tionenstufen ein Sozialwesen (in Kooperation mit den Kirchen) gibt und dass die Bürgerpflichten individueller Fähigkeit entsprechen müssen. Das wechselseitige Geben und Nehmen schärft den Gemeinsinn und hält die Verantwortung des Einzelnen vor der Gemeinschaft wach (VI  24, 28; XXXI  16; XXXVIII  38, 83–91; u. ö.). Althusius erkennt – darin dem Denken Machia­ vellis ähnlich, jedoch mit anderer Intention  –, dass erfolgreiche Sozial­ politik  als Voraussetzung innenpolitischer Stabilität wirkt. Sie ist für den politischen und ökonomischen Frieden förderlich. Sozialer Frieden ist das gesellschaftspolitische Homöostase-Prinzip des Werks (VIII  3; XXXI  2). 403  So

aber Friedrich 1975, 66 nach Figgis. s. a. jüngst Malandrino 2010, 11  f. nimmt Hohberger zum Anlass seiner Untersuchung.

404  Dieses

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Diese Profilierungschance überlässt der politische Denker nicht mehr allein den Kirchen, sondern überantwortet die Aufgaben einer Politik, die entsprechende Strukturen aufbaut. Bildung wird ebenfalls als Aufgabe des Staates begriffen und konkurriert mit der kirchliche Autorität auf diesem Gebiet (IX  38–40; XXXII  83). Elementarbildung wird nicht von den Familien erwartet und nicht in den Berufskollegien geboten. Der Autor zieht eine direkte Verbindung von Bildungsstand und Urbanisierung (V  80), von Bildung und Wohlstand (VII  14  ff.). Der Autor verknüpft das öffentliche Wohl (salus publica) durchaus mit dem materiellen Wohlstand seiner Bürger (z. B. XXXVII  105). Althusius sucht den Schulterschluss mit den Kirchen, indem er „in allen Provinzen“ Bildungsstätten (Schulen und Universitäten) auch „Stätten der Frömmigkeit“ sein lässt (VII  16–17; XXVIII  33–36; Oratio panegyrica im Anhang der Politica). Konsequent stellt er deren Abschaffung oder Vernachlässigung als ein Merkmal tyrannischer Regierungsweise dar, das ein Recht zum Widerstand eröffnet (XXXVIII  12). Neben humanistischem Bildungsgeist ist es die Erkenntnis, dass staatliche Ordnung nur dann Bestand haben kann, wenn die zukünftigen Untertanen bereits frühzeitig als Kinder flächendeckend zu intellektuell leistungsfähigen Bürgern erzogen werden.405 Der Autor betont, dass die Erziehung der Jugend, Fundament und Keim eines guten Gemeinwesen gewährleiste („Nam juventutis honesta educatio, fundamentum & seminarium bonae Reip. meritò dicitur“, VIII  26; VII  17). Damit ist jedoch keine Verweltlichung des Wissens beabsichtigt. Die Einrichtung von Schulen für Kinder und Jugendliche, Jungen wie Mädchen, ist – an bestehende Strukturen anknüpfend – als kirchliche Aufgabe dem Kirchensenat überantwortet, Aufsichtsbörde ist der Magistrat (VIII  6, 16; 25; XXVIII  25, 33–36; u. ö.). Was sich aus heutiger Sicht als Säkularisierung charakterisieren lässt, ist eher als erfolgreicher Versuch zu werten, einen etwaig entstehenden Bereich privater Individualität unter staatliche Kontrolle zu bringen. Althusius erkennt im öffentlichen Bildungs- und Visitationswesen ein ungeschmälertes Potential an Sozialdisziplinierung (vgl. etwa VIII  14, 23).406 Nur gebildete Menschen sind kluge Bürger und kluge Berater (IX  38; XXXII  37). Da der Staat als Arbeitgeber auftritt, hat er ein aktives Interesse seinen Bedarf auch aus befähigten »Gemeinen« zu decken (VII  32, 41; XXVII  8, 34). Die Bildungs- und Wissenschaftsfreundlichkeit der Politica zeigt sich schließlich auch in der Regierungslehre (XXI  12  ff.; XXV  63; XXVIII  33). 405  Es sei auf die Förderung durch das gräfliche Haus des aus einer bäuerlichen Familie stammenden Autors hingewiesen, Wyduckel 2003, IX; Friedrich 1975, 17. 406  Der Politica ist als Anhang eine „Feierliche Lobrede über die Notwendigkeit, die Nützlichkeit und das Alter der Schulen“ beigegeben, was Althusius’ Engagement in dieser Hinsicht unterstreicht.



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Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewinnt neue Dimensionen. Die strukturelle Einrichtung, der organisierte Ausbau und die flächendeckende Festigung sind erklärte Staatsziele (XVI  12  ff.; u. ö.). „Im Territorium ist daher allen Sicherheit zu gewährleisten, so dass jeder in ihm leben, sich bewegen, handeln und seinen Geschäfte[n] nachgehen kann … damit die ganze Region und all ihre Teile ohne Angst vor Gefahr und ohne Gewalt und Gewalttätigkeit stets sicher, friedlich und frei sind … So wird Sicherheit gewährleistet gegen die Feinde des menschlichen Zusammenlebens, Spione, Verräter, Mörder, Diebe, Räuber, Wegelagerer, Plünderer und gegen alle, die Gewalt anwenden, Verletzungen zufügen oder das gesellschaftliche Leben und Symbiose stören.“ (XVI  13)

Die Sorge um die öffentlichen Güter sichert den sächlichen Bestand des Staates gegen innere und äußere Unternehmen, die auf Gefährdung oder Beseitigung seiner Ordnung gerichtet sind. Hierzu gehören Ausbau und Unterhalt des Straßen- und Wegenetzes (VII  59; XVI  15; u. ö.). Daneben zählt zu seinen wesentlichen Aufgaben auch der Schutz verschiedener Rechtsgüter der Untertanen (XXXVII  98  ff.; VI  43, u. ö. [Freizügigkeit]; V  71–84; IX  43, 45; XVI  17; u. ö. [Bekenntnisfreiheit]). Die Anerkenntnis und Ausgestaltung von subjektiven Rechtspositionen charakterisieren die universale consociatio in besonderer Weise als Rechtsstaat. Er greift nicht nur in legitimer Weise in die Rechtssphäre seiner Bürger ein, er schützt diese vielmehr durch die Einrichtung von Polizei- und Ordnungsämtern sowie Gerichten. Die consociatio hat ein starkes eigenes Interesse an der Unverletzlichkeit seiner Rechtsordnung, da körperliche Integrität, Ansehen und das Vermögen der Bürger den „Reichtum“ eines Gemeinwesens ausmachen (XXXVII  105; u. ö.). Die Gewährleistung subjektiver Rechtsgüter dient nicht zuletzt als Integrationsmotor staatlicher Eingriffe in das gesellschaftliche und private Leben und sorgt für die erforderliche Akzeptanz unter den Herrschaftsunterworfenen. Deshalb verfolgt er dieses Ziel auch »von Amts wegen«, unbeschadet der Möglichkeit, dass der Verletzte oder Bedrohte die rechtswidrige Tat erst zur Anzeige bzw. vor Gericht bringen muss. Der Blick der Regierung und der Verwaltung richtet sich daher sowohl auf den Verletzter als auch auf den Verletzten. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wird er präventiv tätig, indem der Staat über „Schutzwachen der Straßen, Nachtwächter und andere Sicherheit gewährleistende Diener“ einsetzt (XXXVII  101). Bei »Straftaten gegen den Staat« wird er auch im Vorfeld geheimpolizeilich zum Schutze seines Bestandes tätig (vgl. XXX  30). Schließlich ist „sorgsames und zuverlässiges“ Wirtschaften das Grundgesetz der Haushaltspolitik.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

3. Staatsaufbau und -organisation Für die Politica ist ein mehrstufiger Staatsaufbau festzustellen: „Publica consociatio est duplex“ (V  6).407 Auf der einen Seite steht der Gesamtstaat, auf der anderen die consociatio particularis. Jeder Personenverband oberhalb der consociatio privata & simplex, d. h. von Ehe, Familie, Verwandten und Berufsgenossenschaften sowie jeder Territorialverband unterhalb der universalen Konsoziation wird unter der Bezeichnung consociatio particularis geführt. Letztere sind wiederum in Gemeinden und Provinzen unterteilt. Unbeschadet der konkreten Ausgestaltung ist darin zunächst eine ­Bestandsgarantie sowohl für Provinzen, als eine eigenständige größere Gemeinschaftsart, als auch für kleinere Gebietskörperschaften zu erblicken (vgl. XXXVIII  21, 133). Die Gemeinsamkeit aller partikularer Gemeinschaften besteht in ihrer Territorialität („genau bestimmte Orte“), „innerhalb deren Grenzen an ihren Rechten Anteil genommen und gegeben wird“ (V  7). Althusius gliedert den Aufbau des Staates in zwei Ebenen, wobei er wie auf einer Stufenleiter von unten nach oben fortschreitet: „Denn die menschliche Gesellschaft (societas humana, P.  K.) gelangt in bestimmten Stufen fortschreitend von den kleineren privaten zu den größeren öffentlichen Gemeinschaften“ (V  vor 1). Es ist gleichzeitig eine Entwicklung von den natürlichen zu den künstlichen Gemeinschaften, die einhergeht mit einer zunehmenden Ausdifferenzierung und Komplexität. Die Komplexität trägt der Staatstheoretiker gewichtend an den Lebenssachverhalt heran, der schließlich in der Behandlung der Staatskrise in Form des Widerstandsrechts gipfelt. Zunächst bilden Familien auf der ersten sowie Kollegen auf der zweiten Stufe die Grundlagen zu einer „rechtlich verfassten Ordnung (politeuma)“ (V  1). Anknüpfungspunkte sind einerseits die verwandtschaftliche Beziehung, andererseits eine enge berufsmäßige Beziehung der Erwerbstätigen. Auf der dritten Stufe treten nach Althusius die genannten Gemeinschaften erstmals in den Raum der Öffentlichkeit, damit ist die zweite Ebene eröffnet. Familie, Verwandte und Kollegen hegt er in einen als »private Gemeinschaften« bezeichneten Bereich. Sie sind ihrer Struktur nach einfach. Familien und Verwandte werden als natürliche Gemeinschaften, die Kollegen als bürgerliche Gemeinschaften bezeichnet. Die Zuordnung der Gemeinschaft der Kollegen, d. h. der Bereich der außerhäuslichen Arbeit und des Berufs zählen für den politischen Denker entgegen heutiger Anschauung ebenfalls zum privaten Bereich. Dies erklärt sich aus einer traditionellen Zuordnung des wirtschaftlichen Lebens zum oikos (vgl. III  42 a. E.). Zur Erfassung der Gesellschaft sind beide »einfachen« Gemeinschaf407  Ablehnend

zum Stufenmodell: Krawietz 1988, 416.



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ten fundamental, wohingegen der Staat in einem engeren Sinne, insbesondere die Staatsverwaltung und -organisation erst mit den so genannten »öffentlichen gemischten Gemeinschaften« beginnt. Durch den organischen Aufbau werden elementare Strukturelemente der einfachen Ebene in die höhere Ebene eingepflanzt. Sprachlich äußert sich dies bei aller Ausdifferenziertheit in der durchgängigen Bezeichnung als consociatio. Die Erklärung für die Ausdifferenzierung der Gemeinschaftsarten in verschiedenen Stufen liegt nach Althusius in der wachsenden Komplexität der konsozietalen Aufgaben mit zunehmender Gemeinschaftsgröße: „Je größer eine Gemeinschaft (consociatio, P.  K) aber ist und je mehr Gemeinschaftsarten (plures consociationis species, P.  K.) sie umfasst, desto mehr bedarf sie der Hilfe und Unterstützung, um zur Autarkie und Selbständigkeit sowohl der Seele als auch des Körpers und des Lebens zu gelangen, und um so mehr macht sie eine gemeinschaftliche Teilhabe an Sachen und Dienstleistungen sowie eine gute Ordnung und Gesetzgebung erforderlich“ (V  4)

Staatsorganisation versteht sich demnach als subsidiäre „Hilfe und Unterstützung“ bei der Verwirklichung der Gemeinschaftsziele. Die Textstelle schärft das Bewusstsein dafür, dass alle Staatstätigkeit, und somit der Aufund Ausbau der als notwendig erkannten administrativen »Bürokratie«, den Erfordernissen der jeweiligen Gemeinschaftsart in verhältnismäßiger Weise anzupassen ist.408 Ausdruck sozietaler Staatsorganisation ist angesichts einer »undeutschen« Hauptstadt (V  84; XVI  11) auch die dezentrale Sitzver­ legung unterschiedlicher Verwaltungsgremien (z. B. Gerichte, Appellationsgericht [XVI  11], Bündnisorganisation [XVII  40], allgemeine Reichsversammlung [XVII  59]). Das Wort Gesamtheit (universitas) gilt Althusius als bedeutungsgleiches Wort für die politische Gemeinschaft oder den Gemeinschaftskörper (V  1–2). In einem engeren Sinne bezeichnet universitas jedoch die Kommunen (V  7, 8). „Die Körperschaft ist eine durch feste Gesetze gebildete Gemeinschaft von Ehegatten, Familien und Kollegien, die an demselben Ort wohnen.“ (V  8) Auf rund 100 der 968 Seiten umfassenden Politica der Ausgabe von 1614 werden die politischen Gemeinschaften vom Weiler bis zur Provinz abgehandelt (Kapitel V-VIII). Davon entfällt auf die Provinz – ihrer Bedeutung entsprechend – ein Drittel der Aufmerksamkeit (VII-VIII). Dem Staatsaufbau von unten nach oben gemäß behandelt Althusius zunächst die kleineren Herrschafts- und Verwaltungseinheiten. Mit den Ausführungen zum Wesen und zur Organisation der Weiler, Städte und Dörfer wird die unterste Stufe der zweiten Ebene erreicht.

408  Ablehnend zum Auf- und Ausbau einer Staatsbürokratie bei Althusius: Kra­ wietz 1988, 398  f.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation Stufen

Ebenen

Reich

2. Ebene

Provinzen Kommunen Kollegen

1. Ebene

Familie und Verwandte

Für Althusius haben Weiler, Dörfer und Städte den Status von „universitates“ inne. Der einzelnen universitas entspricht die ihr zugehörige Bürgerschaft oder auch Bürgergemeinde (civium unitas und civitas, V  8, 48). In den Kapiteln 5 und 6 werden Begriff und Arten der kommunalen Gebietskörperschaften erklärt und dargestellt. Die Kommunen sind als öffentlichen Gemeinschaften nicht länger natürliche Gebilde. Sie nehmen die Stellung von juristischen Personen ein (V  9). Die Erfindung der juristischen Person ist eine Konstruktion, in dessen Konsequenz die Rechtsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, nicht länger bei natürlichen Personen monopolisiert ist. Sie sind Personenvereinigungen, denen die Rechtsordnung Rechtsfähigkeit zuerkennt. Es tritt die Möglichkeit zur Vergegenwärtigung (repraesentatio) aller Mitglieder durch einzelne Personen zum ersten Mal hervor (V  9–10, 27). „Die Körperschaft wird in Dig. 46.1.2 eine repräsentierte Person genannt, die die betreffenden Menschen als Gesamtheit, nicht aber als Einzelne umfasst.“ (V  9)409 Zur Fundierung der Körperschaftslehre greift Althusius auf die römischen Digesten zurück. Wissenschaftliche Standards erfüllt er, in dem er auf die Gestaltbarkeit hinweist und abweichende Meinungen als solche gekennzeichnet (Bsp.: „Es [das Senatskollegium, P.  K.] hat jedoch keine so große Amtsgewalt, Autorität und Jurisdiktionsbefugnis wie die Körperschaft selbst, es sein denn durch Gesetz oder Vertrag wäre etwas anderes festgesetzt, Losaeus, a. a. O. n. 49 u. ff. Anderer Meinung ist Bartolus im Kommentar zu Cod. 4.32.5.; s. a. V  8 a. E.: „Discentit Losae. d.l.“; V  12: „Aliter accipitur a Clapmario“; u. ö.). Im Gegensatz zum berufsgenossenschaftlichen Kollegium, dem als Personalkörperschaft ebenfalls (juristische) Rechtspersönlichkeit zugeschrieben wird, nimmt die consociatio publica Aufgaben auf dem Gebiet der Öffentlichkeit, d. h. nicht spezifisch für einzelnen Berufsgruppen, sondern für alle Einwohner wahr. Mithin stellen die Kommunen juristische Personen des öffentlichen Rechts dar. Das Merkmal der Körperschaft beruht wesent409  Anders Koch, die keine Repräsentation auf den untersten Konsoziationenstufen feststellen kann, dies. 2005, 127.



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lich auf seiner mitgliedschaftlichen Verfasstheit. Sie bleibt von einem Wechsel in der Mitgliedschaft der ihr Angehörigen unberührt (so im Übrigen auch bei einem membrum des Staates). Sie gilt als „unsterblich“ (V  3, 27) und „unveränderlich“ (V  27, 28).410 Mit dieser Charakterisierung wird der politischen Gemeinschaft, dem politischen Körper eine „Seele“ zugeschrieben. Es tritt eine neue Qualität neben die sterblichen privaten und einfachen Gemeinschaften. Da sie von individuellen natürlichen Personen in ihrem Bestand unabhängig ist, besteht die politische, anders als die private Gemeinschaft durch andauernden personellen Wechsel ununterbrochen fort. Sie versinnbildlicht somit die constantia in einer unbeständigen, kontingenten Welt. „Glieder einer Körperschaft sind die verschiedenen privaten Gemeinschaften der Ehegatten, Familien und Kollegien, nicht hingegen die einzelnen Glieder der Gemeinschaft“ (V  10). Die Mitglieder verfolgen im Rahmen der – teilweise durch die Mitglieder selbst bestimmten – Organisation (V  23 a. E., 56, 68) die Aufgaben ihrer Gemeinde, „[d]enn jede Stadt kann hinsichtlich der Dinge, die sich auf die Verwaltung der eigenen Angelegenheiten beziehen, Statuten festsetzen, die sowohl das Handwerk und Gewerbe als auch die privaten Geschäfte der Gemeinschaft betreffen.“ (VI  43). Eine direkte Beteiligung der Einwohner am Willensbildungsprozess innerhalb der Körperschaft ist dagegen nicht vorgesehen. Althusius unterteilt die Städte weiterhin in verschiedene Arten (VI  1–13), wobei der Autor auf die Verfassungswirklichkeit des Deutschen Reiches zurückgreift. Die Unterscheidung wirkt sich vor allem auf die Jurisdik­ tionsgewalt und die Abgabenlast der Kommunen aus. Unbeschadet der Statusunterschiede nimmt jede Gemeinde (quaelibet civitas, VI  43) ihre ört­ lichen Angelegenheiten als Selbstverwaltungskörperschaften in eigener Verantwortung wahr. Aufgabe jeder einzelnen universitas ist die Erreichung des Politeumas in seiner örtlichen Bezogenheit und in der ihr angemessenen Ausbildung der Drei Gemeinschaften der Sachen, Leistungen und Rechte. Es werden die freie, mittelbare sowie die civitas mit gemischten und diesem ähnlichen Status genannt. Als frei wird eine Stadt dann bezeichnet, wenn sie frei von Herrschaftsrechten intermediärer Gewalten wie Fürstentümern, Herzogtümern und Grafschaften ist, jedoch „den obersten Magistrat unmittelbar als ihren Oberherrn anerkennt“ (VI  2). Für die ­„politia Germania“ bedeute der freie Status Sitz und Stimme im Reichstag, Einschreibung als „imperii membrum“ in die Reichsmatrikel sowie die 410  Signifikant unklar die Ansicht Kochs, die Althusius’ im Vergleich zu Marsi­lius „hinsichtlich der Sterblichkeit wesentlich zurückhaltender“ einschätzt, dann sogar zugleich den „Gedanken der Sterblichkeit politischer Gemeinschaften“ und die Vorstellung vom „populus non moritur“ vertreten sieht, um daraus auf den „sensibelsten Punkt in seiner Theorie“, den „Besitz der Souveränitätsrechte“ zu schließen, dies. 2005, 318.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Pflicht zur Abgabenleistung.411 Althusius betont, dass die Rechte dieser freien Städte den Territorialfürsten gleichstehen (principes cum territorio, VI  2 a. E., 41  f.). Nicht dem höchsten Magistrat, sondern einem Territo­ rialherrn (territorii dominus) untergeordnet sind dagegen die so genannten mittelbaren Städte. Eigene Privilegien besitzt wiederum die gemischte Stadt, die teils den Kaiser (imperator), teils niedere herrschaftliche Gewalten (alius Dux) als Oberherrn anerkennt. Diesen ähnlich sind freie Städte, in denen mittels besonderer Vereinbarungen bestimmten Fürsten oder Grafen exterritoriale Rechte zustehen. Eine besondere Stellung nimmt die so genannte „Metropolis“ ein. Als historische Beispiele werden Jerusalem, Rom, Konstantinopel, Athen, Theben, Sparta, Korinth, Babylon, Ninive und Karthago benannt (VI  9–10). Bemerkenswert ist, dass sich in dieser Aufzählung ausnahmsweise keine Städte des Deutschen Reichs finden. Auch werden etwa Madrid und London nicht erwähnt, wohingegen Paris (VI  8 a. E.) genannt wird. Für das Deutsche Reich mangelte es im historischen Vergleich an Metropolen, die Al­ thusius als „eine große volkreiche Stadt … und das Haupt der übrigen Städte“ bezeichnet.412 „Nach ihrem Vorbild richten sich die übrigen … Städte des Reichs wegen ihrer Größe, der Einwohnerzahl, ihres Sitzes, ihrer Eigenschaft als des Horts der Religion und Gerechtigkeit, des Tempels der Frömmigkeit und des Rechts“ (VI  6). An der Erläuterung zur „Metropolis“, zeigt sich einmal mehr, dass die Politica nicht auf nationale Zustände beschränkt ist. Althusius gibt sich als Stadtmensch und Bewunderer von Metropolen zu erkennen. Es schließt sich eine Aufzählung von Gründen zur Verstädterung an, wobei der Autor auf Boteros und Collibus’ aktuelle Untersuchungen De origine urbium (Oberursel 1602) und Incrementa urbium (Hanau 1600) zurückgreift (V  70). Als Gründe zur Förderung von Großstädten führt der Staatslehrer in einer emphatischen Lobrede den Anspruch auf Sicherheit und Wohlstand an, aber auch das Bedürfnis nach Kultur, Wissenschaft und Bekenntnisfreiheit (V  71–84). In letzter Hinsicht gewinnt das Asyl an Bedeutung, wonach die Gewährung einer Zufluchtsstätte zur freien Religionsausübung Städte wie Genf, Frankenthal (Pfalz), Wesel, Bremen und Emden sehr vergrößert hat. Die Darlegung des Kommunalrechts in der Politica bietet einen summarischen Querschnitt über Organisation und Aufgaben der Kommunen sowie die Befugnisse der kommunalen Organe. Das Kommunalverfassungsrecht, also das Organisationsrecht der Kommunen, unterliegt ab der Ebene der Großstadt der »Stiftungsmacht« des höchsten Magistrats: „Ihr (d. i. univer411  Ein städtisches Mitentscheidungsrecht konnte sich in der Verfassungspraxis nicht durchsetzen, Willoweit 1997, 146. 412  Dagegen begünstigt die Einrichtung der Kaiserpfalzen den Föderalismus.



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sitas urbana, P.  K.) Recht wird allein aufgrund des Willens des obersten Magistrats begründet“ (V  42). Notwendige Folgerung aus dem Status als Gebietskörperschaft ist neben der Rechtsfähigkeit der Bedarf an handlungsfähigen Organen. Diese sind die von der Politik geschaffenen und umschriebenen, über die Rechtsordnung anerkannten Funktionseinheiten, die für die universitas deren Aufgaben und Befugnisse wahrnehmen. Ausgefüllt wird diese Stellung durch Organwalter, deren Handeln das Handeln des Organs ist und der universitas zugerechnet wird (VI  50; V  55, 22, 25). Die Ausgestaltung der Organe richtet sich nach der Größe der Gemeinde und dem Umfang der anfallenden Aufgaben (V  51; VI  48). Allgemeine Ausführungen zur kommunalen Organisation finden sich vorangestellt in den §§ 23–25 des 5. Kapitels sowie im 6. Kapitel. Das Hauptorgan trägt den Namen „superior praefectus“ und „superiores praesides“, womit klargestellt ist, dass es sich um einen einzelnen Vorsteher oder auch um Personenmehrheiten handeln kann. Er ist zu unterscheiden vom unteren Magistrat (inferior magistratus, etwa XXXVII  25). Der Komparativ „superior“ weist in sprachlicher Weise auf die Unterscheidbarkeit zum „summus magistratus“ hin. Auf den niederen Ebenen ist es zur Wahrnehmung aller festgelegten kommunalen Angelegenheiten berechtigt und verpflichtet (V  22). Dem Bürgermeister der niederen Gemeinden kommt als monokratisches Organ echte Alleinentscheidungskompetenz zu. Jegliche Geschäftsführung ist dem Allgemeinwohl verpflichtet. Dem rechtsförmigen Versprechen (juramentum fidei) des Präfekten korrespondiert ein rechtsförmiges Treue- und Gehorsamsversprechen (juramentum fidei & obsequii) auf Seiten des „guten Bürgers“ (bonus civis) (V  23). „Gehorsam ist ein Untertan dann, wenn er nach freiem Ermessen seines weder in gottloser noch ungerechter Weise gebietenden Vorgesetzten oder Präfekten den Geschäften des gesellschaftlichen Lebens nachgeht und sein Leben und Handeln dementsprechend einrichtet.“ (I  18) Dadurch entsteht ein Subordinationsverhältnis der Bürger gegenüber der Körperschaft, nicht gegenüber den Organwaltern (V  26). „Der höhere Präfekt der Körperschaft ist der aus den Reihen der Bürger mit ihrer Zustimmung Berufene, er leitet die Geschäfte der Körperschaft und verwaltet sie zu ihrem Wohl und Vorteil. Dabei hat er Rechtsgewalt über die einzelnen Bürger, nicht aber über sie als Gesamtheit. (V  23)

Ins Auge fällt die strenge Rechtsförmlichkeit der Beziehungen zwischen Präfekten und Bürgern. Die „genau festgelegten Pflichten“ dienen der Ausbildung von Rechtssicherheit (V  23). Sie gewährleisten einerseits die bürgerlichen und ständischen Rechte gegen die Obrigkeit, andererseits stützen sie den Primat der Politik über machtvolle gesellschaftliche Gruppen. Über-

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tretungen der Rechtskreise und Verletzungen von Rechten und Pflichten können aufgrund der Fixiertheit schnell ausgemacht werden. Beachtlich ist zudem, dass im Hinblick auf die Rechtsstellung der für die Gebietskörperschaft Handelnden und deren Kompetenzen weitgehende Rahmenbedingungen getroffen werden. Wenn auch die Einsetzung der Präfekten nicht zwingend durch Wahl vorgeschrieben ist, so erfordert die legitime Konstituierung immerhin die „Zustimmung“ (consensus communi civium) der Herrschaftsunterworfenen. Neben eine demokratische Personalauswahl („aus den Reihen der Bürger“) und Legitimationsgrundlage („mit ihrer Zustimmung“, „aufgrund der gemeinsamen Übereinstimmung der Bürger“) tritt ein republikanisches Element hinzu. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass das handlungsfähige Organ der Kommunen selbst unterschiedlich zusammengesetzt sein kann: „In diesem Sinne vorgesetzt können sowohl ein Einzelner als auch eine Mehrheit sein“ (V  24, 51). Ohne in einen Anachronismus zu geraten, kann daher unter Vorbehalt für den niederen kommunalen Sektor von einer »gewählten Bürgervertretung« gesprochen werden. Die zu übertragende Herrschaftsgewalt ist eine allgemeine und freie (constituti a civitate cum generali & libera potestate, V  25). Korrespondierender Ausdruck der Souveränität auf kommunaler Ebene ist, dass der Umfang der zu übertragenden Herrschaftsgewalt (potestas gubernandi) wiederum konsensual eingeschränkt werden kann (ebd. sowie V  56, 2. Alt., 68, 2. Alt.). Die Kommunen werden danach unterteilt, ob sie ländlichen oder städtischen Charakter haben. Für die ländliche Gesamtheiten Weiler, Dorf und Kleinstadt (oppidum) wird auf die Arbeit als gemeinschaftsstiftendes Merkmal abgestellt (V  28). Sie setzen sich aus Land bebauenden oder ländliche Tätigkeiten ausübenden Personen zusammen. Althusius führt in systematischer Vorgehensweise den organisatorischen Aufbau der kleinsten Einheiten aus (V  29–39). Die die vorangestellten allgemeinen Regeln konkretisierenden Bestimmungen bilden einen Minimalorganisationsrahmen, der sich in der Kürze der Darstellung deutlich vom Umfang der Behandlung der Großstadt abhebt. Die historische Forschung hat im Ausbau der landesherrlichen Gerichts- und Verwaltungsorganisation europaweit eine starke Beschränkung der traditionellen dörflichen Selbstverwaltung und Autonomie erkannt, die nicht ohne Widerstand seitens der bäuerlichen Bevölkerung durchgesetzt wurde.413 Diese Analyse bestätigt sich im staatsorganisatorischen Aufbau, den Althusius für die kleineren Gebietskörperschaften vorsieht. Durch die festgelegte Vorgehensweise, den Staatsaufbau von unten nach oben zu verfolgen, fällt die Beschneidung der »alten Rechte« zunächst nicht sonderlich ins Auge. Die kurz gehaltenen Ausführungen zu den kleineren Gebietskörperschaften erweisen zudem, dass gestalterische Politik nach des Autors 413  Rösener

1993, 102; 203  ff.



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Gewichtung erst auf den höheren Stufen der Gemeinwesen stattfindet, wenn jene auch zum Grundgegenstand der Politikwissenschaft gehören. Es unterstreicht, dass der Verfasser der Politica angesichts der betonten Wichtigkeit des primären Wirtschaftssektors einer agrarisch ausgerichteten Gesellschaft, vor allem auf das zukunftsträchtige Entwicklungspotential urbanen Lebens des sekundären und tertiären Sektors abzielt. a) Die kleineren Gebietskörperschaften Das »reformatorische Gemeindeprinzip« stellt sich organisatorisch für die kleineren Gebietskörperschaften wie folgt dar:414 Ein Weiler (vicus, V  30– 34) beherbergt Personengruppen um zehn Mitglieder. Den Bürgern (cives) steht ein gewählter Leiter vor (ex consensu vicinorum electus). Dem gewählten Vorsteher steht das Recht zu, die Anwohner zu ermahnen, sie zusammenzurufen und sie anzuhalten, ihren gemeinschaftlichen Obliegenheiten nachzukommen (V  34). Ein Satzungsrecht des vicus wird nicht thematisiert. Das Verhältnis zu den vorstehenden Einlassungen in §§ 22–27 bestimmt sich durch den Vorrang der spezielleren Regeln. Insbesondere die Bestimmung, wonach auch mehrere Personen Herrschaftsgewalt ausüben können, ist für den Weiler ob der Überschaubarkeit der anfallenden Geschäfte nicht angezeigt. Ein Dorf (pagus, V  35–37) besteht aus mindestens zwei Weilern. Den Dorfbewohnern steht wiederum ein Höchster, Ausgezeichneter der ihren vor. Eine Wahl findet keine Erwähnung; es ist daher auf die allgemeinen Regeln zurückzugreifen und davon auszugehen, dass der „Herausragendste“ in Übereinstimmung aller bestimmt bzw. gewählt wird und die Geschäfte führt. Über die Aufnahme in die bzw. den Abzug aus der Dorfgemeinschaft, über die Stellung von Dorfbewohnern, die keine Mitglieder der Gemeinde sind, ferner über das Verhältnis von Grundherr und Dorfgenossen sowie über die innere Ordnung von grundherrschaftlichen und genossenschaft­ lichen Verfassungselementen werden keine weiteren Ausführungen angestellt, obwohl sich bereits seit dem 12. und 13. Jahrhundert kleinräumige Herrschaftsbezirke mit einer eigenen umfassenden Dorforganisation feststellen lassen.415 Althusius bleibt demnach in seiner sehr kurzen Darstellung weit hinter den Gegebenheiten zurück. Den Bürgern einer Kleinstadt (oppidum, V 38–39) steht ein Präfekt vor, dessen Kompetenzen sich entsprechend der Größe der Gemeinde von denen der Bürgermeister der kleineren unterscheidet. In nicht abschließender Weise 414  Zum Gemeindeprinzip und den gesellschaftspolitischen Auswirkungen vgl.: Schilling 1998, 147–149. 415  Rösener 1993, 207–210.

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(„nec non“) stehen jenem folgende Kompetenzen zu: die Einwohner zusammenzurufen und Vorschläge zu unterbreiten; die Stimmen bei Versammlungen zu zählen; Beratungen zu schließen; öffentliche Beschlüsse zu veranlassen und auszuführen; die örtlichen Angelegenheiten zu leiten und zu verwalten. Festzuhalten bleibt demnach, dass die »Beratung der Gemeinen« (consulatio communi) alleiniges Willensbildungsorgan der Kleinstadt ist. Auf Festlegungen, wer zu den Einwohnern (oppidani) bzw. den Gemeinen (communi) zählt, wird verzichtet. Ebenfalls wird auf die Frage, ob und wie diese Gemeinden in die Staatsverwaltung eingebunden sind, an dieser Stelle nicht eingegangen. Im Rahmen eines als vertikale Gewaltenteilung zu bezeichnenden dezentralen Staatsaufbaus von unten nach oben liegt darin ein antiabsolutistischer Zug. Es gilt das Prinzip der Universalität, d. h. der Allzuständigkeit der jeweiligen Gemeinden für alle örtlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung. Auf eine eingehende Darstellung des Selbstverwaltungsrechts sowie der Handlungsformen der kleineren Gemeinden ist im Gegensatz zur Großstadt verzichtet worden. Allerdings sind in einem Erst-recht-Schluss die Ausführungen zur Großstadt entsprechend heranzuziehen. Insbesondere wenn im 6. Kapitel die Betrachtung über die civitas inmitten steht, beschränken sich die angestellten Überlegungen nicht allein auf die Großstadt in engerem Sinne. Über die bedeutungsgleiche Verwendung von civitas und universitas (V 8, 38) sind die Aussagen – unter den nötigen Abwandlungen hinsichtlich der Größe der Gemeinde und der Menge an Aufgaben (V 51) – ebenfalls auf die kleineren Kommunen anzuwenden. Im Hinblick auf die Kompetenzen des Bürgermeisters als einzigem Organ auf dieser Stufe erhält die Bürgerversammlung besonderes Gewicht. Der autokratischen Stellung des Gemeindevorstehers korrespondiert die demokratische gemeinsame Beratung (in consulatione commune) der Einwohner (oppidani) aus der die späterhin auszuführenden öffentlichen Beschlüsse (decreta publica) resultieren. Nur indirekt ist von einem städtischen Senatskollegium die Rede. Die Ausübung der Jurisdiktionsgewalt eines kleinstädtischen Senats untersteht dem Vorbehalt des Provinzmagistraten, der sie wiederum vom höchsten Magistraten übertragen bekommt (VI 48; XXI 3). b) Die Großstadt Das Mitteleuropa des 17. Jahrhunderts ist ganz überwiegend ländlich geprägt. Circa 80% der Bevölkerung lebten in Dörfern, unter Einbeziehung der Kleinstädte mit landwirtschafttreibenden »Ackerbürgern« sogar noch mehr, ein Zustand, der für Deutschland bis in das 18. Jahrhundert hinein andauerte.416 Trotz dieses zahlenmäßigen Übergewichts räumt Althusius der 416  Press

1991, 70; Geißler 2006, 25.



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Grundverfassung der Großstadt (universitas urbana) gegenüber den kleineren Gebietskörperschaften besonderen Raum ein. Dieser Umstand liegt zum einen darin begründet, dass der Autor in Regionen lebte, die eine überdurchschnittlich hohe Städtedichte aufwiesen, und er somit der wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung der Urbanisierung Rechnung trägt. Zum anderen befasst er sich eingehender mit der Organisationsstruktur der Städte, weil dort überhaupt erst von einem gewissen Organisationsgrad gesprochen werden kann. Vor allem aber liegt die Entscheidung darüber, ob die Verbindung von Weilern, Dörfern und Kleinstädten den Status einer Großstadt erhält, in der Entscheidungsmacht des höchsten Magistrats (V  42). Schon aus diesem Konstitutionsverhältnis heraus ist die eingehende Beschäftigung mit der Großstadt vonnöten. Erstmals in diesem Zusammenhang wird der höchste Magistrat überhaupt erwähnt. Der Status einer Großstadt bestimmt sich nicht allein faktisch aus Herkommen und Tradition, sondern ist eine rechtliche Angelegenheit. Er wird im Gegensatz zu den ländlichen Gebietskörperschaften rechtlich fixiert (civitatis jus). Allgemeine Voraussetzungen zum Status einer Großstadt sind Anforderungen an öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur, Einwohnerzahl, Lage und Größe sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wobei Althusius paraphrasierend auf Ausführungen zur »besten Stadt« in der Politik des Aristoteles zurückgreift (V  41–47). Der aristotelische Polis-Gedanke vergegenwärtigt sich in Anforderungen wie der nach der Lage, wonach gleichermaßen „sowohl bürgerschaftlich-politische als auch häuslich-alltägliche Geschäfte“ (tam quoad civilia, quam domestica & quotidiana negotia, V  43) zu betreiben möglich sein soll. Die Bezugnahme der aristotelischen Analogie von »bester Stadt« und »bester Verfassung« wirft zugleich ein Schlaglicht auf die Regierung. Feudale Abhängigkeitsverhältnisse werden nicht beschrieben, wie sie auch bei den Weilern und Dörfern keine Erwähnung finden. Die Großstadt zeichnet sich neben einer „vita urbana“ durch technische Versorgungseinrichtungen (functiones mechanicas) und als Wissenschaftsstandort aus (studia colentes). Sie unterscheidet sich dadurch deutlich von den durch ländliche Arbeit geprägten kleinen Gebietskörperschaften. Durch den Umstand, dass der Status einer Großstadt von einem Hoheitsakt des höchsten Magistrats abhängt und die Städte zugleich Glieder der consociatio univeralis major sind, sind sie Bestandteil der Staatsorganisa­ tion und -verwaltung nicht allein in staatstheoretischem, sondern in staatsrechtlichem Sinne. Als solcher Bestandteil gehört die Großstadt zur sozietalen Administration. Vorbehaltlich der näheren Ausgestaltung unterliegt sie der Eingriffsmöglichkeit des höchsten Magistrats und führt dessen Hoheitsgewalt als mittelbare Staatsverwaltung aus (vgl. XXXII  92–94). Mit dieser Funktion einher geht das dezentrale Moment, welches sich indessen im

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Vergleich zu den kleinen Gemeinden nur in eingeschränkterem Maße als Element der vertikalen Gewaltenteilung entfalten kann. Die Darlegung da­ rüber, »ob, wann und wie«, und die Ausführungen über den Inhalt dessen, »was« in den Aufgabenbereich einer Großstadt fällt, erfolgt in ausführlicher Weise. Man kann daher für die Politica von einer eingehenden Darstellung des »kommunalen Selbstverwaltungsrechts« sprechen. Das Recht, die eigenen Angelegenheiten selbstverantwortlich zu regeln, begegnet bereits bei den Berufsgenossenschaften (IV  16). Bei den politischen Verbänden stellt sich unterdessen die Frage, ob es eine institutionelle Garantie auf Rechtssubjektivität der Großstädte gibt, bei deren Verletzung der Großstadt bzw. deren Organen Rechtsbehelfe oder gar ein Widerstandsrecht zukommen. Schließlich können die örtlichen Aufgaben nur dann eigenverantwortlich wahrgenommen werden, wenn es überhaupt kommunale Rechtssubjekte gibt. Eine »individuelle« Garantie einer bestimmten Großstadt bleibt außer Betracht. Staatsorganisatorisch ist in der Politica vorgesehen, dass die civitas urbana lediglich generell als Rechtssubjekt, nicht hingegen eine bestimmte Stadt garantiert wird. Nichtsdestotrotz dürfen sie ihre autochthonen Rechte gegen Angriffe verteidigen (s. XXXVIII  16, 21, 54, 76, 110, 133, u. ö.). Mit dem magistralen Konstitutionsakt stellt sich zugleich die Stellung als „freie Stadt“ (libera civitas) ein, da ihr Bestimmungsmerkmal die unmittelbare Anerkenntnis des höchsten Magistrats als Oberherrn voraussetzt (VI  2). Es zeigt sich, wie nah die politische Theorie der Politica an die tatsächlichen Zustände geführt wird. Die universitas urbana bildet sich aus der Bürgerschaft (civium unitas oder civitas), dem praefectus und dem Senat (senatus collegium). Die beiden Hauptorgane werden in unterschiedlicher Weise gewählt. Das zweite Hauptorgan besteht aus ordentlichen und außerordentlichen Senatoren. Den weiterhin genannten Beisitzern (adsessores, V  50) und Gesandten (deputati, V  65) kommt keine Organqualität zu, sondern sie sind kommunale »Beamte« (vgl. XIV  10). Zur effektiven Ausübung der hoheitlichen Aufgaben sieht Althusius demnach die Dienstherrnfähigkeit der Kommunen vor. Obwohl für alle Symbioten gleichermaßen die Teilnahme in den Drei Gemeinschaften als Sollensvorschrift ausgestaltet ist, erkennt Althusius dennoch die praktische Notwendigkeit an, sich bei der Ausführung von öffentlichen Aufgaben spezieller Angehöriger des öffentlichen Dienstes zu bedienen. Diese sind keine »Diener«, sondern Amtmänner, die gewohnheitsmäßig oder satzungsrechtlich fixierte Pflichten zu erfüllen haben. Von Beamten im modernen Sinne kann man indessen noch nicht sprechen, da es an einem einheitlichen Anstellungsverhältnis fehlt; vielmehr bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach der jeweiligen Aufgabe, die der Magistrat verteilt. Der Autor stellt daher die Notwendigkeit heraus, dass die Amtsträger „unmittelbar von ihm und nicht von anderen abhängen“ (XXXII  88). Zur Erfüllung



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der ihnen übertragenen Aufgaben ist es erforderlich, dass sie „keinem anderen als allein ihm verpflichtet sind“. Im Hinblick auf das »wie« prägt sich die Eigenverantwortlichkeit in verschiedenen Hoheiten aus. Die Stadtverwaltung verfügt über ein modales Element. Soweit das »Was« inmitten steht, geht es um ein aufgabenbezogenes Element der Stadtverwaltung. Es beginnen sich einzelne Ressorts herauszubilden. Aus der Benennung verschiedener »Ordnungsämter« ist auf einen Kernbestand von kommunalen Aufgaben zurückzuschließen. Dazu zählen unter anderem der Schatzmeister, Eintreiber öffentlicher Abgaben, Seepräfektur, untere Richter, Zollaufsicht, Warenmarktaufsicht, Münzwesenaufsicht (V  69), u. a. m. Der Bürgermeister (magister civium), der auch Präfekt, Haupt, Vorsteher, Verwalter, Konsul genannt wird, ist Mitglied des Senats (V  50) und zumindest in freien Städten dessen Präses (V  51; VI  49). Darüber hinaus ist er selbständiges Willensbildungsorgan. Er darf Anträge in den Senatssitzungen stellen. Somit hat er eine politische und eine verwaltende Position inne. Der Bürgermeister ist mit allgemeinem Auftrag (cum mandati generali) eingesetzt. Er verfügt in einigen Bereichen über eine allgemeine und freie Herrschaftsgewalt (V  25, 49). Er vertritt die Kommune nach außen (V  25, 53). Bestellung und Ausübung seines Amtes vollziehen sich in rechtsförmiger Art und Weise. Die Bürger sind daher »nur« verpflichtet, „gesetzmäßigen Beschlüssen“ (decretis legitimis, V  50) des Bürgermeisters zu folgen. Die Leitung seiner Geschäfte unterliegt der Gemeinwohlbindung (V  22). Danach kann die ihm zustehende generalis & libera potestas niemals »legibus solutus« sein. Der von ihm zu leistende Eid bindet ihn an certos articulos, an genau festgelegte Bestimmungen seines Amtes. Des Weiteren stehen ihm als Senatspräses verschiedene Kompetenzen in Bezug auf die Senatssitzungen zu (enumerative Aufzählung in V  53). Schließlich hat der Gemeindevorsteher die »Behördenleitung« inne (V  53). Im Gegensatz zu den niederen Kommunen kommt dem Bürgermeister keine Alleinentscheidungsbefugnis mehr zu. Vielmehr sind seine Kompetenzen in abschließender Weise reglementiert (V  53 und 64). Der Senat ist das weitere Hauptorgan der (Groß-)Stadt. Sofern ein solcher in kleineren Städten existiert, nimmt in Durchbrechung des Selbstverwaltungsprinzips der Präfekt bzw. dessen Vertreter, nicht der Bürgermeister der Kommune den Präsidiumsvorsitz im Senat ein (VI  48). Als Kollegialorgan ist es den berufsgenossenschaftlichen Kollegien nachgebildet. Der Senat trägt auch den Namen Konsistorium (V  60).417 Diese Bezeichnung weckt 417  Vgl. zum reformatorischen Gemeindeprinzip als gesellschaftspolitisches Modell organisierten Handelns: Schilling 1998, 147–149. Willoweit zählt den Kirchen-

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Assoziationen zur Staatslehre Calvins und der konkreten Ausgestaltung dieses Organs in Genf, allerdings ohne dass die Textstelle beides in Bezug nimmt.418 Der Senat besitzt ein eigenes Verwaltungs- und Geschäftsordnungsrecht, auf das sich die Mitglieder eidlich verpflichten (vgl. V  52). Ob man bei diesem Gremium von einem legislativen Organ, gar von einem frühneuzeitlichen Parlament sprechen kann ist fraglich. Zwar stehen dem Senat Rechtsetzungsbefugnisse zu (VI  51; XVIII  68), doch zeichnet sich die Legislative in einem Locke’schen Sinne gerade dadurch aus, dass diese zwar formelle Gesetze erlässt, sie aber nicht selbst vollzieht.419 Zudem führt das Kollegium judikative Aufgaben aus. Eine strikte Gewaltenteilung liegt nicht vor. Richtig bleibt, dass der Senat wichtige »Parlamentsfunktionen« wahrnimmt. Dennoch ist es als Hauptverwaltungsorgan dem exekutiven Bereich zuzuordnen. „In den Händen des Senatskollegiums liegt daher die Vollmacht, die Geschäfte der Körperschaft zu führen und über all das rechtlich zu erkennen und zu urteilen, was für diese wesentlich ist“. Der politischen Willensbildung des Senats unterliegt demnach „das Recht, einen Gerichtsstand zu haben, die Verwaltung der öffentlichen, bürgerlichen und kirchlichen Angelegenheiten, die Sorge für die Verteilung der politischen Aufgaben und Pflichten, das Betreiben sowie die Art, Aufsicht und Bewirtschaftung der öffentlichen Einkünfte, das Recht Gesetze zu erlassen, die die eigene Ordnung und Unabhängigkeit betreffen, die Sorge für die öffent­ lichen Dinge, die Strafen gegen Delinquenten, die Zensur der Sitten, die Bewachung der Stadt usw.“ (VI  51). Zu den Kernkompetenzen gehört jedenfalls die Ernennung des Schatzmeisters, der Steuereintreiber, der Gewerbeaufsicht, der unteren Richter sowie einiger weiterer officiarii (V  69). Das Senatskollegium ist Garant für und Wächter über die Verwirklichung der Gemeinschaft der Tätigkeiten (VI  29). Zur Optimierung der Willensbildung bei schwierigen Angelegenheiten ist die Bildung von Ausschüssen vorgesehen (prius in collegio minori, postea in majori, V  65). Die Zahl der Senatoren bestimmt sich, der Regelung zu den Bürgermeistern entsprechend, nach der Größe der Kommune und der Menge der Aufgaben. Ihnen stehen im Gegensatz zu den übrigen Bürgern nicht näher bezeichnete Privilegien zu (V  59). Dem einzelnen Senatsmitglied steht indesrat zu den frühesten „Fachbehörden“, ders. 1997, 115. Man denke etwa auch an die Organisationsstruktur des Jesuitenordens. 418  Anders hingegen die Textstelle zum gleichnamigen Konsistorium als rein kirchlichem Kollegium, wo auf Calvins Institutio und die Genfer Kirchenordnung Bezug genommen wird (VIII  11, 14, 21, 24). 419  Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, II  § 143 (291). Daher ist es verfehlt, heutzutage von Gemeinderäten als Gemeindeparlamenten zu sprechen, da sie dem Bereich der Exekutive zuzuordnen sind. Vgl. für Bayern etwa Bayerischer Verfassungsgerichtshof, in: BayVBl. 1984, 621  ff.; Lissack 1997, 113.



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sen kein Antragsrecht zu. Seine Stellung berechtigt und verpflichtet ihn zur Teilnahme an den Senatssitzungen und zur Abgabe seiner Stimme. „[D]ie Senatoren tragen nach Darlegung des Gegenstandes und Befragung durch den Konsul oder Präses ihre Voten in der Reihenfolge der Fragen vor“. Darunter fällt auch die „Freiheit und die Möglichkeit“ zur Kundgabe einer abweichenden Meinung, was insoweit bemerkenswert ist, da es als erstrebenswert angesehen wird, zu einstimmigen Ergebnissen zu kommen (V  63– 64). Die Stellung des einzelnen Senatsmitglieds unterscheidet sich danach, ob er seine Aufgabe als ordentlicher oder außerordentlicher Senator wahrnimmt (V  61). Zu den ordentlichen Senatsmitgliedern zählt derjenige, der „zu festgesetzten und angekündigten Zeiten über alle im Gemeinwesen anfallenden Angelegenheiten entscheiden und beschließen“ muss. Anderseits kommt den außerordentlichen Senatoren im etwaigen Bedarfsfall eine unterstützende Funktion zu, die sich gegebenenfalls in einem vollen Stimmrecht niederschlägt. Die Mitglieder des Senats werden gewählt. Althusius wird 1610, also zur Abfassungszeit der zweiten Ausgabe der Politica, selbst Mitglied des Rates der Stadt Emden, 1617 Mitglied des Konsistoriums. Die Wahl der Senatoren gestaltet sich nach örtlichem Gewohnheitsrecht, wobei die Politica mehrere verschiedene Wahlarten nennt. Dem Senat kommen diejenigen Kompetenzen (potestas) zu, die sich durch die von den jeweiligen ihn einsetzenden Institutionen eingeräumten Privilegien näher bestimmen, je nach Status durch eine übergeordnete Instanz oder die Körperschaft selbst (V  68). Sie lassen sich in negativer Abgrenzung zu den Kompetenzen des Bürgermeisters bestimmen. In gewisser Hinsicht besteht ein Kontrollrecht des Senats über den Bürgermeister. Es liegt im Ermessen des Senatskollegiums, ob es sich mit den Vorträgen und Anträgen des Bürgermeisters befasst (V  59). Darin ist eine Stärkung des kollektiven gegenüber dem autokratischen Moment in der Kommunalverfassung zu erblicken. Soweit Städte wiederum einen Oberherrn anerkennen, steht die Einbindung in die übergeordnete Staatsorganisation und -verwaltung inmitten. Der Senat übt in diesem Fall mittelbar staatliche Hoheitsgewalt (potestas) aus, „deren Umfang sich nach den Privilegien bemisst, die er von seinem Oberherrn … erhalten hat.“ (V  68, 1. Alt.). Diese mittelbare Ausübung von Staatsgewalt stärkt wiederum den Aufbau der consociatio universalis major von unten nach oben. Als Element der Dezentralisation dient es gleichzeitig der vertikalen Gewaltenteilung. Den Gemeinden, insbesondere den Städten steht das Recht zu, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der „festgelegten Bestimmungen“ und „Privilegien“ selbst zu ordnen und zu verwalten (V  23, 68; VI  43). Zur inhaltlichen Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung zählen als

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»Gemeindehoheiten« zu bezeichnende Rechte wie die Gebietshoheit (V  15– 18, VI  41), die Personalhoheit, die Finanz- und Abgabenhoheit (arg. e V  69; VI  24; vgl. auch XIII  5, 15), die Organisationshoheit (V  25, 59, 61  ff., 69; insbes. VI  17–27) und die Rechtsetzungshoheit (V  22, 26, 49, 50; VII  26). Die Gebietshoheit (jus territorii) bedeutet, ein der Stadt eigenes Recht, von Regalien und anderen öffentlichen Rechten mit Jurisdiktions- und Befehlsgewalt Gebrauch zu machen (VI  41). Auf ihrem Gebiet übt demnach jede Stadt allein die Herrschaftsgewalt aus, auch wenn es sich um Reichsoder Provinzrecht handelt. Die Rechte einer Stadt (jura civitatis) strahlen auf die umliegenden kleineren Gemeinden und nehmen diese in ihren Geltungsbereich auf (VI  39). Eine Ausnahme bilden provinzangehörige, unfreie Städte, die nicht aufgrund eigenen Rechts (suo proprio jure habere, VI  41), sondern aufgrund des Zugeständnisses des Oberen der Provinz entsprechenden Anteil an der Jurisdiktionsgewalt haben (VI  48). Durchbrochen wird diese kommunale Gebietshoheit, sofern Städte als Lehen vergeben werden können (XXXVII  44). Eine Veräußerung von Städten und Gemeinden aus dem Gesamtverband bleibt jedenfalls außer Betracht (XXXVII  51). Die Hoheitsgewalt der Gebietskörperschaft bezieht sich auf „genau bestimmte Orte, innerhalb deren Grenzen an ihren Rechten Anteil genommen und gegeben wird“ (V  8). Demnach erstreckt sich die Hoheitsgewalt nicht allein auf die Mitglieder, nunmehr auch Bürger genannt (V  12), sondern auf jeden, der sich im Gebiet aufhält (V  18). Sie greift weitreichend in alle Lebensbereiche des Bürgers ein: „Hierzu zähle ich auch Fragen der Disziplin und fester, mit allgemeiner Zustimmung gebilligter Regeln für das äußere Verhalten, die festlegen, was für jedes Lebensalter, Geschlecht, für jede Abkunft und jeden Stand der Menschen geziemend und angemessen ist.“ (VI  43 a. E.)

Die Finanz- und Abgabenhoheit sieht vor, dass die Kommune „aufgrund öffentlicher Bedürfnisse, von Schulden, der Errichtung oder Erneuerung öffentlicher Bauwerke sich selbst Steuern oder Abgaben auferlegen kann“ (VI  24). Sie braucht darüber dem höheren Magistrat keine Rechenschaft abzulegen (VI  24; VI  43; XIII  5, 15). Zur Organisationshoheit gehört ferner die Festlegung über Abstimmungsverfahren und Organisationsstruktur: „Ebenso das Stimmrecht bei der Behandlung gemeinsamer Angelegenheiten der Gemeinschaft, desgleichen die Art und Form der gemeinsamen Leitung, durch die eine Stadt von dem mit Zustimmung der Bürger eingesetzten Magistrat gemäß den von ihr gebilligten Gesetzen regiert und verwaltet wird.“ (VI  44) (Hervorheb. P.  K.)

Die politischen Geschäfte der Stadt werden nicht allein durch einen engen Kreis von Bürgermeistern und Senatoren, sondern durch eine Vielzahl an Personen besorgt, die allesamt mit der Wahrnehmung öffentlicher Ange-



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legenheiten betraut sind. Um die komplexen Aufgaben effektiver erledigen zu können, ist eine arbeitsteilige Stadtverwaltung vonnöten (vgl. XXIX  44). Zum »politischen Personal« der Stadt zählt Althusius neben den Präfekten und Senatoren vor allem Kuratoren für Straßen, Häfen, Gebäude, Mauern und andere öffentliche Sachen und Tätigkeiten, wie Richter, Ratgeber, Syndici, Zensoren, Schatzmeister, Getreideädilen und Wächter (VI  30). Mit der Personalhoheit hängt die Dienstherrnfähigkeit zusammen. Die Ausführungen der Politica zum kommunalen Verfassungsrecht belegen den Auf- und Ausbau von Ämter- und Behördenstrukturen bis in die kleinsten Herrschaftseinheiten. Alle Ressorts werden vom Senatskollegium in eigener Regie personell besetzt. Zur Steigerung effizienten Verwaltungshandelns empfiehlt Al­ thusius die Stadt – ähnlich wie die Provinzen in Distrikte und den Staat in Kreise (VIII  71) – in Stadtbezirke einzuteilen (VI  7). c) Die Verwaltung der Provinz Die Provinzialadministration als eigenständiger Untersuchungsgegenstand findet sich nicht in der Erstausgabe der Politica von 1603. In der zweiten Auflage von 1610 ist ein zweites Kapitel über die Verwaltung der Provinz in das Werk eingegangen, was auf Althusius’ zwischenzeitliche Erfahrungen als Syndikus in Emden zurückgeführt wird.420 Methodisch soll die provincia die Ergänzung zur universitas abbilden (V  7). Beide gelten als gleichwertige partikulare Gemeinschaften, wobei die Darstellung zur consociatio provincialis im Lichte des alle Provinzen einenden „gemeinsamen Bandes des Reiches“ erfolgt (VI  14). Wenn die universitas als „eine durch feste Gesetze gebildete Gemeinschaft von Ehegatten, Familien und Kollegien, die an demselben Ort wohnen“ (V  8) bezeichnet ist, fragt sich, was jene organisatorisch charakterisiert. „Die Provinz umfasst innerhalb ihres Territoriums unter der Gemeinschaft und Verwaltung ein und desselben Rechts mehrere gesellig vereinte und miteinander verbundene Dörfer, feste Plätze, Bollwerke und Städte.“ (VII  1) Ist damit zum einen der nächsthöhere territoriale Bestand festgestellt, der die universitas der Städte und Dörfer mit umschließt, sind zum anderen in personeller Hinsicht die Landstände der Provinzbewohner die Glieder der Provinz (VIII  2). Eine Provinz setzt sich mindestens aus zwei universitates zusammen und ist selbst Teil eines größeren, ebenfalls mindestens zwei Provinzen umfassenden Gemeinwesens. In den Ausführungen über die Provinz findet ein (doppelter) Perspektivenwechsel statt. Verweise auf spätere Ausführungen (etwa VII  57, 64; VIII  38, 68, u. ö.) zeigen an, dass der Autor von einer konstruktiven zu einer kritischen Darstellungsweise übergeht. Es fällt ins Auge, dass die 420  Antholz

1954, 141.

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Betrachtungen über die Provinz unter dem Blickwinkel der Einbindung in ein Imperium erfolgen („communi quodam vinculo imperii“, VI  14).421 Der »Verweis nach unten« wäre in einer konstruktiven Vorgehensweise methodisch unzulässig gewesen. Der Grund für den Wechsel liegt darin, dass einzelne Themen „in der universalen Gemeinschaft ungleich umfassender und bedeutsamer sind“ und deshalb dort „ausführlicher behandelt werden“. Diese Argumentationsstrategie ist aus der Analogie von Individuum und Polis in der platonischen Politeia bekannt und vom Autor an anderer Stelle bereits aufgegriffen worden.422 „So wie der Mensch ein Mikrokosmos genannt wird, ebenso verhält es sich mit einer Stadt oder einem kleinen Gemeinwesen, in dem die gemeinschaftlichen, auf die Stadt bezogenen Geschäfte in fast derselben Weise betrieben werden wie in einem Reich und einer Provinz. Platon, De re publica, lib. 2“ (VI  16). Der Verwaltung der Provinz kommen zwei Aufgaben zu: zum einen die „Pflege und Erhaltung eines frommen Lebens“, zum anderen die Verwirklichung eines gerechtes Lebens. Die Zweiteilung wird durch die beiden Tafeln des Dekalogs vorgegeben. Dementsprechend nehmen geistlicher und welt­ licher Stand unter dem einenden Regiment eines Präfekten ihre Aufgaben wahr. Althusius definiert für die Provinzen erstmals, was er unter administratio verstanden wissen will. Danach ist Verwaltung usus & praxis des provinzialen Rechts (VIII  1), die sich in eine interne Verwaltung in Bezug auf die Führung (VIII  50–92) sowie in eine externe Verwaltung in Bezug auf die Glieder der Provinz (VIII  2–49) bezieht. Die Verwaltung der provinzialen Angelegenheiten ist ihr vom Reich anvertraut und übertragen („a  regno demandata“). Es handelt sich also im Unterschied zu den Kommunen nicht um originäre, sondern um eine abgeleitete Handlungsmacht. Als Mitglied eines größeren Staatsverbandes werden ihr zusätzlich »von oben« Kompetenzen zugewiesen. Sie sind dann gekorene, nicht geborene Kompetenzträger mit je unterschiedlichen Administrationskreisen (Provinzverwaltung – Auftragsverwaltung). Als universitas ist die Provinz Körperschaft des öffentlichen Rechts (VIII  1). Diese anfängliche Klarstellung ist notwendig, da die partikulare Gemeinschaft in Kapitel 5 als universitas vel provincia (V  7) erscheint. Mithin käme eine sich ausschließende Stellung in Betracht, mit der Folge, dass die allgemeinen Ausführungen zur universitas als persona repraesentata nicht auf die Provinz anzuwenden sind. Wenn man das vel (und auch) als nebenordnende Konjunktion versteht, so sind die staatstheoretischen Überlegungen zu den universitates, also den kommunalen Gebietskörperschaften, 421  Janssen übersetzt die Textstelle VI  14 indikativisch: „obwohl sie … verbunden sind“; Althusius formuliert dagegen konjunktivisch: „quamvis … conjuncta sit“. 422  Platon, Der Staat (1991), 368b-369b, 77–78.



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zum Verständnis der Provinzen hilfsweise heranzuziehen. Die beiden Kapitel über die Provinz sind von der Darstellung politischer Zustände, zumal denen des deutschen Reichs, und von staatstheoretischen Ausführungen gekennzeichnet. Als Körperschaft ist die Provinz auf handelnde Organe angewiesen. Diese sind der Präfekt und die Landstände. Der Präses hat mehrere Amtsträger und Räte an seiner Seite (VIII  67). Sie stellen den provinzialen Magistrat, im deutschen Staatsrecht den so genannten „Regierstand“ dar (VIII  50). Dem Präses stehen bei der Amtsausübung weitere Amtsträger und Räte zur Seite, ohne dass »Kollegialität« zum Leitgedanken des – vielmehr monarchischen – Provinzamtes gehörte (VIII  67). Es zeigt sich hieran, wie weit die staatstheoretische »Empfehlung«, ein Magistratskollegium zu bilden, von der Darstellung der Allgemeinen Staatslehre in den beiden Provinzkapiteln auseinandergehen (VII  40). Einzelne Präfekten werden nach Auskunft des Autors in den meisten Gegenden Europas „comites“, Grafen genannt. Mit der Etablierung der Grafschaften ist der Versuch unternommen worden, seitens des König- und Kaisertums gegen den Stammesadel, die Herrschaft als Lehnsherrschaft unter einem Primat zusammenzuhalten. Bezweckt war, die Territorialherrschaft nicht nach Hausmachtinteressen aufteilen und damit dem Einflussbereich des könig- und kaiserlichen Oberherrn entziehen zu lassen, um letztlich seiner Herrschaft überhaupt inneren Halt und Festigkeit zu verleihen.423 Vor diesem Hintergrund ist die Verleihung der Regalien und territorialen Herrschaftsrechte an die Provinzpräfekten durch den höchsten Magistrat zu bewerten. Am deutlichsten tritt dies bei der „Inanspruchnahme und Ausübung der ordentlichen Gerichtsbarkeit“ zutage, die als staatliche Aufgabe von den autonomen provinzialen Verwaltungsangelegenheiten ausgenommen ist (VIII  2). Die Ausformung der provinzialen Herrschaften als Territorialgewalten bedeutet auf der anderen Seite ein Gegengewicht zu einem etwaigen monarchischen System auf Reichsebene. In Art. VIII  § 1 IPO (Instrumentum Pacis Osnabrucense) wird 1648 diese Bestimmung zugunsten der Reichsstände nachgezeichnet werden. Mit ebensolcher Intention wird in Art. VIII  § 2 IPO das reichsständische Stimmrecht sowie das reichsstädtische Mitentscheidungsrecht in den Reichsangelegenheiten festgeschrieben werden.424 Die Politica nimmt also wichtige Regelungen des Westfälischen Friedens vorweg. Nachdem Althusius zunächst Stellung und Aufgaben der Landstände dargelegt hat, folgen aus dem Lichte dieser bevorzugten Reihenfolge die Aussagen über den Provinzpräfekten. Seine Stellung ist die eines Oberherrn sowohl über den geistlichen wie über den weltlichen Stand. Ihm ist die Verwaltung über die Provinz und alle provinzialen Angelegenheiten (admi423  Fleckenstein 424  Nach

1988, 90  f., 116  f.; Fuhrmann 1978, 116  f. Willoweit 1997, 146.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

nistratio provinciae & omnium provincialium) anvertraut. Diese Stellung rührt im Gegensatz zu den kommunalen Gebietskörperschaften nicht »von unten«, also den Provinzbewohnern her, sondern »von oben«. Die administrative Leitung ist „vom Reich“ her verliehen, „unter dem sie Provinz und auch dessen Glied ist“ (a regno, sub quo est provincia, vel cujus est membrú, VIII  50). Demnach werden die Provinzbewohner einer Führung unterstellt, der sie nicht unmittelbar zugestimmt haben. Nur über eine indirekte Legitimationskette gerät Althusius nicht zu seinen vorherigen Einlassungen über die Souveränität in Widerspruch. Über das Verhältnis zwischen Präfekt und den subordinati werden keine näheren Ausführungen gemacht. In nicht abschließender Aufzählung ist der Präfekt „in schwierigen, die ganze Provinz betreffenden Angelegenheiten“ gehalten, nicht ohne vorherige Übereinstimmung und Versammlung der Stände zu handeln. Solcherart sind jedenfalls Angelegenheiten von Krieg und Frieden, Auferlegung von Abgaben, Erlass allgemeiner Gesetze und Dekrete. Beispielhaft verweist der Autor auf die belgischen Provinzen. Die Oberherrschaft des Präfekten ruht wesentlich auf dem Wohlverhalten gegenüber den Ordnungen und Ständen. Mehrere Provinzen können unter eine Verwaltung gestellt werden (VIII  51), ohne dass dadurch ein neuer Konsoziationentyp entsteht. Sprachlich wird die Zusammenfassung in der Bezeichnung des Präfekten als Herzog, Fürst, Mark- oder Landgraf ausgedrückt. Allerdings stellen zu großen Fürstentümern zusammengefasste Gebiete den Ausnahmefall dar, was politischer Realität entsprach.425 Für das Gebiet des Deutschen Reiches gibt der Autor so viele Provinzen an, „wie es Grafschaften, Fürstentümer, Markgrafschaften, Bischofssitze und Abteien hat“ (VIII  76). Die Provinz wird, der Einteilung in Stadtbezirke (VI  7) und Reichskreise (XXXIII  93  ff.) vergleichbar, zur Steigerung der Verwaltungseffizienz in Landkreise, sog. „Distrikte“ unterteilt (VIII  71), die wiederum von der Einteilung in Kirchenbezirke zu unterscheiden ist (VIII  8  ff., 33). Organisatorisch ist die Provinz durch ein Nebeneinander von Präfekt und Landständen charakterisiert, welche sich beide in weitestgehend überschneidenden Tätigkeitsfeldern den allgemeinen Aufgaben der Provinz widmen. Entsprechend den Ausführungen zu den Kommunen sind die membra provinciae nicht deren ansässige Bewohner, sondern „ihre Ordnungen und Stände“ (VIII  2), welche wiederum als majora collegia Aufbau und Struktur den so genannten „bürgerlichen“ Gesellschaften entnehmen. Die in einer Provinz Lebenden werden nicht als eine homogene Gesellschaft, sondern vielmehr als eine pluralistisch gegliederte betrachtet. Die Zugehörigkeit zu einer Ordnung, zu einem Stand bestimmt sich präpolitisch nach der ausge425  Jedin

2004, 76.



§ 9 Sozietale Staatlichkeit

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übten Tätigkeit (Gewerbe und Beruf) oder nach Art und Verschiedenheit der Lebensweise. Im politischen Verband der Provinzen werden den Landständen als den Kollegien der consociatio civilis neben ihren gesellschaftlichen Funktionen zudem politische Aufgaben überantwortet. Ob ihrer erprobten Funktionsfähigkeit und -tüchtigkeit treten sie als Glieder der Provinz auf. Sie verfügen über eine Verwaltungsorganisation eigener Art. Ihre Zuständigkeiten erstrecken sich auf sämtliche Lebensbereiche ihrer Angehörigen, einzig das öffentliche Jurisdiktionsrecht bleibt einer exklusiven Prärogative vorbehalten (VIII  2). Im politischen System der Politica liegen die Stände demnach auf „geistlichen und bürgerlichen“ Gebieten im Wettstreit mit den politischen Herrschaften und deren Organisationsstruktur. Formal hat der Präfekt die Oberhoheit über die alle Lebensbereiche erfassenden geistlich-kirchlichen und weltlich-politischen Stände inne (VIII  50). Auf den territorialen Bereich begrenzt, stehen ihm zur Erfüllung seiner Pflichten Souveränitäts- und Fürstenrechte (jura majestatis et pricipis) zu, was kein Eigentumsrecht an der Provinz begründet. Zu den Aufgaben des Präfekten gehört in ganz allgemein gehaltener Formulierung, „auf die geistlichen und weltlichen Geschäfte sorgsam Acht zu haben“ (VIII  56 und ff.). Zu den Obliegenheiten des Präses hinsichtlich der geistlichen Aufgaben zählt die „Oberaufsicht, die Sorge und Autorität über die Diener der Kirche und ihre Aufgaben“ (VIII  58). Diese haben sie im Übrigen in eigener Verantwortung nach bestimmter, an Calvins Institutio und an die Genfer Kirchenordnung angelehnter Weise einzurichten und auszuüben.426 Weiterhin achtet der Präfekt hinsichtlich der „spirituellen“ Angelegenheiten darauf, dass „nichts fehlt oder entgegensteht“. Problematisch wird dies für den Fall, dass der Präfekt einem anderen religiösen Bekenntnis angehört. Vorgesehen ist dann, dass anstelle des Präfekten „die Diener der Kirche“ selbst für Abhilfe sorgen (VIII  39). Darin kann man die Anbahnung einer laizistischen Trennung von Staat und Kirche erkennen. Einerseits werden die Ansprüche der konfligierenden Konfessionen gegenüber der Landesherrschaft gestärkt, zumal der nicht vom Augsburger Religionsfrieden erfassten calvinistischen Konfession, andererseits Handlungsspielraum für die Politik gewonnen. Wenn auch Staat, Gesellschaft und Kirche personell und organisatorisch auf das Engste miteinander verbunden bleiben (z. B. VIII  24), liegt darin zumindest die Ablehnung des Grundsatzes, dass sich die Religionszugehörigkeit der Untertanen nach der des Herrschers richtet (»Ubi unus dominus, ibi una religio«; »cujus regio – eius religio«). 426  Zu eng Miegge, der – neben dem Begriff der communicatio – auch Calvins Genfer Kirchenordnung als kopiertes „Modell der kirchlichen Ordnung“ bei Althusius hinstellt, ders. 2010, 148.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Im Hinblick auf die weltlichen Angelegenheiten sind die Aufgaben des Provinzpräfekten im Umfang ebenfalls recht übersichtlich auf eine Leitungs- und Koordinierungsfunktion festgelegt. Dies liegt darin begründet, dass sich nach der althusischen Staatslehre die weltlichen Stände bereits sämtlicher Lebensbereiche in einem präpolitischen Stadium annehmen und als politische Aufgaben begleiten. Jenem bleibt übrig, zu überwachen, dass jeder Bewohner einem Stand angehört und jeder Stand in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich bleibt („in ihrer Pflicht halten, VIII  50; VIII  56  ff.). Im Rahmen der mittelbaren Staatsverwaltung kommt dem Präses die besonders gewichtige Ausübung des Jurisdiktionsrechts zu. Diese, unter staatlichem Vorbehalt stehende Teilgewalt, nimmt daher eine herausragende Stellung im Aufgabenspektrum des Provinzpräfekten ein. Dazu zählt „die Justiz in rechter Weise zu verwalten“, provinziale Gerichte einzurichten und über Belohnung und Bestrafung der eidgebundenen Untertanen zu entscheiden, wobei der Präfekt – wiederum einschränkend – stets auf den Rat Dritter verwiesen wird (VIII  61). Der Ausbau einer funktionstüchtigen Justiz, von Gerichten und nachgeordneten »Vollzugsbehörden« ist vordringlich politische Aufgabe, um Rechtseinheit und -sicherheit zu etablieren. Wesentlicher Bestandteil seiner Aufgabe wird demnach sein, „Klagen der Stände und einzelner Untertanen anzuhören“. Das Gelingen dieses Unternehmens entscheidet maßgeblich über Ansehen und Stabilität der Provinzialherrschaft. „Hierzu“ ist der Präses verpflichtet, Landtage der Provinzstände (conventus provincialis ordinum provinciae) einzuberufen (VIII  64– 70). Den Landständen dagegen kommt kein Selbsteinberufungsrecht zu. Der Präses hat dabei die Befugnis, die Agenda festzulegen und Vorschläge zu unterbreiten. Die Einschätzungsprärogative bezieht sich auf alle die Provinz betreffenden Angelegenheiten. Anlass zu einer Einberufung besteht insbesondere bei der Einführung und Erhöhung von Steuern und Abgaben, Fragen von Krieg und Frieden, dem Erlass allgemeiner Gesetze und Dekrete, da sie nachhaltig in die Rechtssphäre der Stände eingreifen. Es unterstreicht die starke Stellung der Landstände; wenn sie auch an der Einsetzung des Präfekten nicht beteiligt sind, so ist von einer Mitregierung zu sprechen. Landtagsbeschlüsse sind vom Provinzpräfekten „zu bestätigen“ und mit „Autorität und Kraft eines geltenden Gesetzes“ auszustatten sowie letztlich deren „Ausführung anzuordnen“ (VIII  65). Der Landtag (conventus provincialis) wird als eigenständiges Kollegialorgan bezeichnet, das einer eigenen Geschäftsordnung unterliegt. Unter den Landtagsmitgliedern besteht Gleichrangigkeit. Jedem Stand, gleichviel, ob groß oder klein, kommt nur eine Stimme zu. Der Präfekt beruft den Landtag ein, leitet und entlässt ihn, hat jedoch keine Vorherrschaft über die Kurien. Auch ihm steht lediglich eine Stimme zu, die sich gegebenenfalls zu einem Vetorecht entfalten kann. Das Beschlussverfahren sieht zunächst getrennte Beratungen in den als Kurien



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ausgebildeten einzelnen Landständen vor. Auch wenn der Beschluss des Landtages nicht immer einheitlich gefasst werden kann, so sprechen die Kurien stets mit einheitlicher Stimme. Sofern weltliche Angelegenheiten inmitten stehen gilt das Mehrheitsprinzip nach der Quod-omnes-tangit-Regel, von deren Anwendung Religionsangelegenheiten und Angelegenheiten, die nur einzelne Stände betreffen ausdrücklich ausgenommen werden. Die Vertreter der Landstände auf den Landtagen sind gegenüber ihrem Stand zur Rechenschaft verpflichtet. So wird gewährleistet, dass die »politischen Standesvertreter« ihren Standesgenossen verantwortlich bleiben. Seine formale Führungsposition spiegelt sich indessen nicht in den materiellen Kompetenzen des Provinzpräfekten wider, die er mit den Ständen teilt (VIII  31  f.; 50 a. E.). Gar in einem offenen Widerspruch scheinen sich die Aussagen zur Leitung der kirchlich-geistlichen Angelegenheiten und Aufgaben zu befinden. Der Präfekt steht sowohl als Privat- auch als Amtsperson unter der Sittenzensur des kirchlichen Standes. Heißt es in § 50, dass der Präfekt Oberherr der geistlichen Angelegenheiten ist (VIII  50, 58), steht dem an anderer Stelle gegenüber, dass deren Führung „nicht zum Bereich des weltlichen Magistrats“, sondern dem eines geistlichen Kollegiums gehört (VIII  31). Die Religion betreffende Angelegenheiten werden als Betätigungsfeld der Provinzadministration weitgehend ausgenommen, da sie in den Verantwortungsbereich der Kirchengremien gelegt wird. Die Einflussnahmemöglichkeiten des Provinzpräfekten bei der Bestellung der Anwärter kirchlicher Kollegien reduziert sich auf einen Zustimmungsvorbehalt (VIII  18–22). Bezüglich der Sittenzensur und Sozialdisziplinierung ist er auf die Einsetzung der Inquisitoren sowie auf ein Informationsrecht (VIII  24) beschränkt. Schließlich wird der Präfekt zu einem bloßen Exekutivorgan der Kirchengremien (Vertreibungspflicht gegenüber häretisch eingestuften Personen, VIII  17; Einberufungspflicht für erforderlich gehaltene Provinzialsynoden, VIII  39). Der Provinzialmagistrat wird selbst der kirchlichen Leitung „unterworfen“ (subjectus est, VIII  32). Die ihm obliegende „Oberaufsicht“ über die Diener der Kirche und ihre Aufgaben verwandelt sich unter der Hand zu einer Gewährleistungspflicht gegenüber den kirchlichen Institutionen; echte Mitwirkungs- und Kontrollrechte bei den Beratungen und Beschlüssen stehen ihm nicht zu. Auseinandersetzungen über religiöse Streitfragen finden zwar in aller Öffentlichkeit zwischen den Gremien der Kirche(n) auf Konventen und Synoden statt (VIII  33, 36, 39). Konsequenterweise wird daher eine Beteiligungsregel am Provinzregiment vorgelegt, die besagt, dass der Präfekt jedoch „in schwierigen, die ganze Provinz betreffenden Angelegenheiten“ „nichts ohne die Zusammenkunft und Zustimmung der Stände“ unternimmt (VIII  50). Der Autor legt an dieser Stelle seiner Darlegung eine Institutionenlehre zugrunde, die die Rezeption der Politica für den katholischen und auch lutherischen Leserkreis erschwert

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

und die politische Provinzlehre als unannehmbare Lehre eines Kirchenregiments calvinistischer Prägung erscheinen lassen.427 Althusius erblickt in der grundsätzlichen Aufgabenverteilung von geist­ lichen und weltlichen Angelegenheiten indessen die größte Chance auf eine angemessene und friedliche Konfliktlösung unter den Konfessionen, indem politische Entscheidungsträger weitgehend von direkter Einflussnahme auf kirchliche Angelegenheiten ausgenommen sind. Umgekehrt gilt diese Forderung wohl nur eingeschränkt. Das konfessionelle Konfliktpotential wird als Teil der provinzialen Wirklichkeit akzeptiert, allerdings in entpolitisierter Weise. „Größere Fragen und Differenzen“, „Häresie“, „Verirrung in der rechten christlichen Lehre“ und „Schisma“ sind für den Politiklehrer allein über den Diskurs in den Kirchengemeinden der Provinzen zu entscheiden und nicht in den weltlichen Bereich zu tragen. „Vertreibung“ aus dem Territorium stellt eine Ultima ratio dar. In dieser Folge sieht er durch konfessionelle Konflikte und Kirchenspaltungen »nur« die „Einheit und Eintracht der Kirchengemeinden“, nicht das provinziale Gemeinwesen als ganzes bedroht (VIII  39). Die benannte Kompetenzbeschneidung des Präses wird durch einen Gewinn an Handlungsspielraum aufgewogen, der sich dadurch ergibt, dass er selbst nicht als Konfliktpartei handlungsunfähig wird. 4. Einbindung der Staatsorganisationen und -verwaltungen Der Staat bildet die „universale, öffentliche und größere Gemeinschaft“ der althusischen Konsoziationenlehre ab. Durch das Attribut universal besitzt sie gegenüber den anderen Gemeinschaften ein Alleinstellungsmerkmal. Sie ist jedoch nicht größte, sondern lediglich komparativ größere Gemeinschaft. In dieser Welt sind größere Gemeinschaften denkbar (Christenheit, Menschheit). Eingedenk der bereits in den propädeutischen Erläuterungen zur consociatio überschrittenen Grenzen einzelner Gemeinschaftsarten, in dem grundsätzlich alle Symbioten erfasst werden, greift Althusius am anderen Ende den konsozietalen Wachstumstrieb erneut auf. Durch die Beschreibung von Zusammenschlüssen, Inkorporationen und Bündnissen zwischen einzelnen Staaten zu Verteidigungs- oder Wirtschaftszwecken werden die Grenzen der consociatio universalis major immer weiter gezogen, ohne jedoch die größte consociatio, den »Weltstaat« zu denken. Der Staat ist mithin nicht vorläufige Entwicklungsstufe in seiner Konsoziationenlehre, sondern Endstadium. Der Staat ist organologisch als universale größere Gemeinschaft aus den kleineren partikularen Familien, Städten und Provinzen erwachsen. Staaten 427  Vgl.

Antholz 1954, 78  f.



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gehen aus diesen hervor (IX  3 a. E.). Sie „gab es ihrer Natur nach eher“, wobei offen bleiben kann, ob unter „Natur“ existentia oder essentia der Gemeinschaft zu verstehen ist. Diese These von der Vorzeitigkeit vertritt Althusius nicht konsequent. So bescheinigt er der provinzialen Verwaltung, dass sie der des Reiches „nachgebildet“ sei (VIII  71; s. a VII  64). Entstehungslehre und historisch-genealogische Deutung des politischen Gemeinwesens treten nebeneinander. Althusius entfernt sich von Aristoteles’ Politikbegriff. Nach der Lehre des Stagiriten dient das Haus gerade nicht als Modell für die Polis, der Hausvater ist nicht für den Staatsmann (Politik I  1). Die gegenteilige Ansicht dient gerade der absolutistischen Rechtfertigung, dass sich königliche Gewalt als landesväterliche Regierung erweist, wobei sich Althusius ebenfalls dieses Vokabulars bedient (Vater, Haus-Verwalter). Aristoteles wendet sich gegen die platonische Einheitslehre, in dem er unterschiedlichen Gemeinschaften, unterschiedliche Zwecke zuweist. Obwohl die aristotelische Stadt um des Überlebens willen entsteht, so ist diese Genese indessen vom Sinn der Stadt zu trennen, der im »guten Leben« besteht. Beide Ansichten macht sich Althusius zu Eigen. Er bestimmt das Verhältnis der Vielzahl (Gemeinschaften) zur Einheit (Staat) nicht wie Aristoteles (vgl. XXXIX  84). Für diesen ist der Staat „denn auch von Natur ursprünglicher als das Haus oder jeder Einzelne von uns. Denn das Ganze muss ursprünglicher sein als der Teil.“ (Politik I  2) Für Althusius ist es diesbezüglich „gleichgültig ob dieses Erste in der Ordnung dem Zusammengesetzten voransteht oder aus ihm entstanden ist“ (XXXIX  84). Aristotelische Züge trägt die Politica, wenn sie den verschiedenen Gemeinschaften nach den Umständen bestimmte Zwecke zuordnet, platonisch ist sie dagegen, wenn alle Gemeinschaften trotz ihrer Verschiedenheit einem einheit­ lichen Gemeinschaftsziel verpflichtet sind, ebenso, wenn sie die Ökonomie in den Politikbegriff einbezieht. Glieder des Reiches sind den übrigen politischen Gemeinschaften entsprechend die Städte, Provinzen und Regionen (IX  5). Damit ist zugleich das Territorium definiert, so dass auch auf staatlicher Ebene nicht von einem Personenverband, sondern von einem Territorialstaat ausgegangen wird. Eine Sonderstellung nehmen reichsfreie Städte sowie Provinzen ein, die nur mittelbar dem Reich angegliedert sind. Auch den Staat begreift Althusius als eine juristische Person. Er spricht unter anderem von der „Person des ganzen Volkes“, die durch eingesetzte Amtsträger repräsentiert werde (etwa XVIII  12). Althusius entwickelt die aus der Kanonistik rührende Korporationenlehre der persona ficta zur „realen Gesamtpersönlichkeit“ (O. v. Gierke) des Staates weiter.428 Er bezieht sich auf die einschlägigen Ausführungen zur persona ficta repraesentata bei Bartolus, Baldus und 428  Eingehender

Ottmann 2004, 79–80.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

anderen Glossatoren und Kommentatoren (V  27). Der deutsche Rechts­ gelehrte weist frühzeitig darauf hin, dass „eine Körperschaft (universitas, P.  K.) von der Bezeichnung als Person genau genommen nicht umfasst“ werde, „obwohl sie, gesetzmäßig einberufen und versammelt, die Stelle einer Person einnimmt.“ (V  9). Das Feld war wesentlich durch den mittelalterlichen Juristen Azo bestellt, der durch die Gegenüberstellung von universitas und singuli, das Kollektiv (universitas) von seinen Mitgliedern (singuli) derart zu scheiden wusste, dass der Herrscher über den Einzelnen, zugleich unter allen stand. So konnte der Herrscher für Azo zugleich souverän und der Körperschaft unterworfen sein.429 Für Althusius kommt es nicht mehr auf die Herrschersouveränität an, sondern auf die Klärung, wie die Körperschaft souverän bleiben kann, während die Ausübung der Souveränitätsrechte einem höchsten Magistraten überlassen wird. Althusius stuft die Herrschersouveränität im Sinne der potestas constituens zur Organsouveränität, der potestas constituta herab. Fest steht, dass „[k]raft der Einsetzung und des höchsten Eigentumsrechts“ nicht die Amtsträger, sondern „die Untertanen und Glieder des Reichs in ihrer Gesamtheit Herren“ sind (XVIII  14, Hervorheb., P.  K.). Althusius schwankt in der Bezeichnung erheblich zwischen der universitas (Glieder des Reichs) und den singuli (Untertanen) als den alleinigen Souveränitätsträgern. Hier nun soll es nach seinem Dafürhalten auf ihre Gesamtheit ankommen. Sind die Einwohner des Reichs „außerhalb dieser Einsetzung und kraft der durch das Volk übertragenen und gebilligten Verwaltung“ Untertanen, stehen die „Glieder des Reichs“ niemals in einem Unterordnungsverhältnis. Es sind nach seiner Lehre letztlich Menschen, nicht Städte oder Provinzen, die sich „durch eigene Zustimmung und freiwillig einer fremden Herrschaft“ unterstellen und ihre Rechte einem anderen übertragen (XVIII  18). Der Staat besitzt eine eigene Staatsverwaltung, die sich von den Verwaltungen der kleineren Gebietskörperschaften durch die Begrenztheit „gewisser spezieller Aufgaben“ abhebt (vgl. XXI  3). Sie gliedert sich in den obersten bzw. die obersten Magistrate, in mittlere und untere Magistrate. Die mittleren und unteren Magistrate sind nicht unbedingt personengleich mit den Provinzpräfekten bzw. Stadtoberen, können es aber sein (vgl. XXXVII  25, XXXII  92  ff.). Sofern sie mittlere oder untere staatliche Magistrate sind, unterliegen sie gänzlich einem Weisungsrecht und leiten ihre Handlungskompetenz vom höchsten bzw. höheren Magistraten als ihren Dienstherrn ab (XXXVII  25, 71, 93). Staatsverwaltungstätigkeit erstreckt sich auf den Gesamtkörper und auf seine Glieder und Teile. Entsprechend trägt der oberste Magistrat Verantwortung für beide Bereiche (XXVIII  1). In den Gliederungen wird sie über die politischen Gemeinschaften in gewis429  Ottmann

2004, 80.



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sen Bereichen mittelbar und über »Mittel- und Unterbehörden« unmittelbar wahrgenommen und ausgeübt (vgl. XXIX  44). Diese „königlichen Amtsträger“ sind im Unterschied zu den Amtsträgern des Reichs Behörden, „die niemanden sonst als allein ihm (dem obersten Magistrat, P.  K.) ergeben und verpflichtet sind“ (XXXII  44; XXXVII  71). Der Dienstherrenfähigkeit des obersten Magistrats korrespondiert eine Fürsorgepflicht gegenüber „den Amtsträgern des Reichs und seinen eigenen Leuten“ (XXXVII  62  f.). Die vorgesehene Alimentation erstreckt sich auf den Lebensunterhalt, Wohnung, Kleidung und Entlohnung (XXXVII  23, 11). Ihm obliegt die Dienstaufsicht und das Disziplinarrecht über sämtliche im öffentlichen Dienst stehenden Amtspersonen, das heißt auch der dem Reich, nicht alleine seinem Amt unterstellten Amtswalter (XXXVII  62, 76 i. V. m. XXXII  39  ff.). Stufen

Verwaltungsstruktur

Organe

Universale Konsoziation (Reiche, Fürstentümer)

Staatsverwaltung (magistral, sozietal)

Oberster Magistrat; Ephoren; Reichstag

Provinzen

Provinzverwaltung (autonom, Auftragsverwaltung)

Präfektur; Landtag

Kommunen (Städte, Dörfer, Weiler)

Selbstverwaltung (autonom)

Präses; Senatskollegium (Städte)

Kollegien (Stände, Zünfte, Gilden)

Organisationsstruktur eigener Art

Präses; Berufskollegium

Althusius entwirft eine Ordnung, in der kommunale Ratsverfassung, provinziale Territorialverfassung und universale Staatsverfassung aufeinander abgestimmt handeln können müssen (vgl. etwa XXIX  44). Das politische System muss wegen der zentrifugalen und -petalen Kräfte der Teileinheiten in der Ausübung von Hoheitsgewalt in eine Balance gebracht werden. Vertikale und horizontale Verwaltungsstrukturen stehen in Konkurrenz: Amtsträger des Magistrats versus Amtsträger des Reichs (vgl. XXXII  44–47), staatliche untere, mittlere, höchste Magistrate untereinander und gegeneinander (sic! vgl. XXXII  93), staatliche gegen kommunale oder provinziale Behörden, schließlich Ephoren gegen den obersten Magistrat. Nachdem den Kommunen und Provinzen eigene Kompetenzen zugewiesen sind, die sie über je eigene Administrationseinheiten ausüben, stellt sich die Frage, ob der Staat mit den ihm zukommenden Aufgaben nunmehr lediglich neben die übrigen Hoheitsgewalten tritt, oder vielmehr eine Stellung oberhalb einnimmt. Legt man die intendierte Vorgehensweise des Staatsaufbaus von unten nach oben zugrunde, ergibt sich ein gewisses Über- / Unterordnungsverhältnis zwischen Kommunen, Provinzen und Staat. Andererseits zeigt

322

2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

sich eine äquivalente Gleichordnung, wenn man auf die abgrenzbaren Aufgabenbereiche abzielt. Theoretisch gibt es nur eine einzige Hoheitsgewalt, die verschiedenen Kompetenzträgern nach Sacherwägungen zugeordnet wird. Praktisch geraten diese Träger bei der Ausübung ihrer Befugnisse in Konflikt miteinander. Zur Veranschaulichung der »magistralen« Staatsverwaltung als Bestandteil der sozietalen Staatsverwaltung wird ein längerer Abschnitt aus Kapitel 32 wiedergegeben, der die typische Handschrift des Autors trägt: §  92   „In jedem Gemeinwesen gibt es (so sagt Bodin) drei Ordnungen von Magistraten. Die Höchsten, die nur der Herrschaft des obersten Magistrats unterstehen, die Mittleren, die zwar durch die Weisungen der Oberen verpflichtet werden, doch den Untertanen ordnungsgemäß befehlen, und die Untersten, die durch die Gesetze ihrer oberen Magistrate in Schranken gehalten werden und die keine Befehlsgewalt haben außer über Private.“ §  93   „Von denen, die zum obersten Stand gezählt werden, gibt es zwei Arten: Einmal die, die allen Magistraten Befehle erteilen können und allein die Befehlsgewalt des obersten Magistrats anerkennen. Zum anderen diejenigen, die zwar der Befehlsgewalt allein des obersten Magistrats verpflichtet sind, aber nicht all den Übrigen befehlen können, die dem mittleren und untersten Rang angehören, sondern nur denen, die zum Bereich ihrer Jurisdiktion und Amtsgewalt zählen. Von der ersteren Art gibt es nur sehr wenige, denn durch die langdauernde Übung der Verwaltung hat sich herausgestellt, dass nichts gefährlicher ist, als wenn ein Einzelner unter den Magistraten herausragt, der mit Recht allen Übrigen, sowohl Privaten als auch anderen Magistraten befehlen kann und nur einen einzigen Schritt vom obersten Magistrat entfernt ist. […]“ §  94   „Ob es aber angemessen ist, auf Dauer gestellte oder zeitlich befristete mittlere Magistrate zu haben, dazu äußert sich ausführlich Bodin, De republica, lib. 4, c. 4. Er zieht die auf Dauer Gestellten den zeitlich befristeten vor, wobei er zwischen Einherrschaft (monarchia) und Vielherrschaft (polyarchia) unterscheidet. In jener seien die Ersteren, in dieser die Letzteren zuzulassen. Es ist hier nicht notwendig, dazu Stellung zu nehmen. Die Frage muss, wie ich meine, dem klugen Ermessen und Urteil des obersten Magistrats nach den jeweiligen Umständen der Person und Amtsgewalt, des Amtes sowie der Zeit und des Ortes überlassen bleiben, jedoch so, dass eine Absetzung in gutem Einvernehmen und ohne Ehrkränkung geschieht, und, sofern Letzteres doch der Fall zu sein scheint, den Betreffenden gestattet wird, gewisse Ehren und Befreiungen zu genießen.“

Soweit (untere und mittlere) Magistratsstellen Hoheitsgewalt ausüben, muss also unterschieden werden, ob sie als kommunale bzw. provinziale Selbstverwaltungskörperschaften oder als mittelbare Staatsverwaltung (z. B. Brückenbau als Präses; Rechtsprechung als unterer Magistrat) tätig werden. Um das Banale nicht zu vergessen: Das pflichtgemäße Ermessen des obersten Magistrats bezieht sich nur auf die »magistrale« Verwaltung (XXXVII



§ 10 Zur Repräsentation

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25; XXXII  97; XI  37). Sie erstreckt sich selbstverständlich nicht auf die Verwaltungsstruktur und -organisation etwa der Selbstverwaltungskörperschaften oder der Ephoren, die der sozietalen Administration angehören. Diese Verwaltungen sind trotz der anti-zentralistischen Zielrichtung und der politischen Gleichwertigkeit in die consociatio universalis major derart eingebunden, dass es organisatorische und verwaltungsmäßige Abhängigkeiten gibt, die in gewissen Grenzen eine Überordnung des Staates erfordert und zulässt (z. B. XXXVII  25: Es empfiehlt sich auch, einige untere Magistrate zu haben. Denn sie tragen zur besseren, sorgfältigeren und zuverlässigeren Verwaltung einzelne Teile des Gemeinwesens bei“).

§ 10 Zur Repräsentation Um Repräsentation als einen Leitgedanken des Werks bewerten zu können, muss das Wort nicht unbedingt zum gängigen Begriffsbestand der Politica zählen. Zu untersuchen ist vielmehr, ob sie dem Wesen nach ein prägendes Merkmal der althusischen Staatslehre ist. Hasso Hofmann unterscheidet für die Politica die Repräsentation in der Soziallehre von der Repräsentation in der Rechtslehre und kommt zu dem Ergebnis, dass Althusius kein »durchbuchstabiertes Prinzip« vorlegt.430 Diesem Resultat ist – vorbehaltlich der folgenden Untersuchung – zuzustimmen. Repräsentation steht für Althusius in einem Spannungsgefüge zwischen dem propagierten Selbstregierungsrecht des Volkes einerseits („Denn das Naturrecht und Gott als Schöpfer der Natur und des Rechts hat jedem Volk die volle und freie Fähigkeit gegeben, sich selbst zu regieren“, XVIII  59), andererseits besteht er darauf, dass es sich unmöglich selbst regieren kann (V  54 a. E.; XVIII  10; u. ö.). Der Autor richtet sich zugleich gegen extreme Identität wie gegen extreme Repräsentation. Zur »Notwendigkeit« der Vertretung gelangt er allerdings schon durch Zweckmäßigkeitserwägungen (etwa XVIII  56; vgl. auch XVIII  60).431 „Da es für das gemeine Volk schwierig wurde zusammenzukommen und dies für das gesamte Volk wegen der großen Menge der Menschen gewiss noch schwieriger war, ging durch den Zwang der Verhältnisse die Verwaltung auf den Senat über“ (XVIII  10). „Denn es wäre sehr schwierig … die Stimmen aller Bürger und Gliederungen eines Gemeinwesens von den Einzelnen einzuholen.“ (XVIII  56) Danach repräsentiert der Senat das gesamte Volk. Carl Schmitt bestimmt genauer, dass bei einem Repräsentanten, der allein aus praktischen Gründen – „weil unmöglich alle 430  Hofmann

1988, 536. bewertet Wyduckel die Repräsentation bei Althusius als entbehr­ liches, nicht „prinzipiell unverzichtbares staatstheoretisches Bauelement“, ders. 1988, 478. 431  Deshalb

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Wähler immer und zu gleicher Zeit an einem Ort zusammenkommen können“, so Schmitt – die Interessen anderer wahrnimmt, keine eigentliche Repräsentation vorhanden ist.432 Vielmehr muss die politische Einheit als Ganzes repräsentiert werden. Dieses Kriterium unterliegt keiner pragmatischen Betrachtungsweise, sondern berührt die Frage nach der Souveränität. Zunächst scheint Althusius auf eine vormundschaftliche Stellvertretung abzustellen. Danach nehmen die hoheitlichen Amtsträger „in ähnlicher Weise“ wie ein Vormund die Rechte an den Sachen und der Person des Mündels in Anspruch.433 Mit dem Vormund-Mündel-Vergleich assoziiert man leicht einen »bevormundenden« Obrigkeitsstaat gegenüber »unmündigen« Untertanen. Althusius charakterisiert die Symbioten indes als Bürger, die aus dem häuslich-privaten Bereich heraustreten und sich öffentlich-politischen Angelegenheiten widmen (vgl. IV  3). Immer wieder kommt der Autor darauf zurück, dass die Bürger nicht von der Regierung ferngehalten, sondern beteiligt werden müssen (XVII  60 für die Form der öffentlichen Versammlung; XXVII  34; XXXIII  30; u. ö.). Einem strengen Paternalismus erteilt er wiederholt eine Absage. Unter Mündel verstehen sich daher nicht die einzelnen Bürger und Reichsbewohner, sondern das Volk, welches seine Rechte ohne handlungsfähige Organe nicht selbst wahrnehmen kann. „[N]icht jedoch die Einzelnen [,] stehen daher Mündeln oder Minderjährigen gleich“ (XVIII  11). Eine Vormundschaft im römisch-rechtlichen Sinne kommt weder aufgrund natürlichen Erbrechts, noch mittels testamentarischer Verfügung in Betracht; schließlich würde es für eine »magistratische Vormundsbestellung« an einem (gerichtlichen) Beschlussorgan fehlen.434 Die Einsetzung der „Vormünder“ ist bei Althusius dem „Mündel“ in eigener Verantwortung vorbehalten. Althusius bekräftigt vielmehr, dass „die Untertanen und Glieder des Reichs in ihrer Gesamtheit Herren“ der Vormünder bleiben (XVIII  11–14). Die Vormundschaft nicht zurechnungsfähiger Personen bzw. die Stellvertretung von Abwesenden, d. h. des Volkes, ist eingebettet in eine Konsens- und Zustimmungstheorie. Die repräsentative Vertretung ist danach eine zustimmungswürdige Forderung der rechten Vernunft (vgl. XVII  60; XXXIII  30). Dagegen unterwirft Althusius eine förmliche Vormundschaftsbestellung gerade nicht einem zustimmungsbedürftigen Rechtsakt des vereinten Volkes; erst recht stellte dieser Vormundschaftsantrag keine historisch-faktische Handlung dar. Die Analogie zum Rechtsinstitut der Vormundschaft richtet sich daher an keinen einschlägig versierten, sondern an einen juristisch laienhaften Leserkreis, die verdeutlichen soll, dass trotz der übernommenen 432  Schmitt

1993, 213. bezieht diese Stelle nicht auch auf die Ephoren, sondern lediglich auf den obersten Magistrat, ders. 1988, 526. So gelangt er diesbezüglich zu einer „quasi vormundschaftlichen Vertretung“. 434  Vgl. Kaser 1989, 287–290; Söllner 1996, 45  f., 83. 433  Hofmann



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Verpflichtung zur Personen- und Vermögensfürsorge die Rechts- und Geschäftsfähigkeit, d. h. das Souveränitätsrecht des Volkes am Gemeinwesen „ähnlich“ unberührt bleibt wie in einem Vormundschaftsverhältnis (vgl. gegen Barclay XVIII  92  ff.; XVII  60). Die Ausführungen richten sich ­vornehmlich gegen die eingeführte Vormund-Mündel-Analogie Barclays, fallen indes hinter die eigentliche Repräsentationsidee des Althusius zurück (XVIII  11  ff.; XXIV  45). Zentral wird für den politischen Denker – unabhängig von der Frage der Gewaltenteilung und der Demokratie – die Repräsentation des „einen einzigen Willens und einer einzigen Herrschaftsgewalt“ des populus in corpus unum (XXXIX  34, 84).435 Für Althusius hat der Staat seine Einheit in der »Person« des Souveräns. Während für Hobbes erst die Repräsentation des Souveräns die Einheit bewirkt, liegen für Althusius dagegen zwei Stufen vor: die Bewusstheit der Identität eines Volkes als einer politischen Einheit sowie die Repräsentation durch die Leiter, durch die die politische Einheit dargestellt (repräsentiert) wird. Der deutsche Denker trennt zwischen Herstellung und Darstellung der Einheit des Volkes (etwa XVIII  10, 15 „Vor der Übernahme der Amtstätigkeit und nachdem sie beendet ist, steht ein derartiger Verwalter und Leiter den übrigen Privatleuten gleich.“). Zuerst begegnet die Vorstellung von der Gemeinschaft als »Person« als eine Folge der Geltung des symbiotischen Rechts. „Aufgrund des besagten symbiotischen Rechts stellt eine Gemeinschaft in der Regel eine einzige Person dar“ (ut consociatio haec saepe unam personam repraesentet, II  12).436 Ob damit eine juristische oder repräsentierte Person oder ein mystisch-magischer Körper gemeint ist, bleibt noch offen.437 Die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau wird von Althusius angesichts der Gottesebenbildlichkeit des Menschen (als Mann und Frau schuf er ihn, Gen 1) auch als eine Person, ein Leib und ein Fleisch bezeichnet (II  44). Als transzendent-magischer Leib ist auch die Bezeichnung der Kirchengemeinde als „corpus mysticum“ zu verstehen (VIII  6). Das Magistratskollegium, welches der Autor dem Kollegium der Berufsgenossen gleich stellt, betrachtet er ebenfalls als einen „Körper“ (corpus unum, IV  10, 24). Der Vereinigung von Personen ver435  Somit erfüllte die Repräsentation bei Althusius das entscheidende Kriterium nach der Ansicht Schmitts 1993, 213. Für Duso stellt die gubernatio nicht den Willen der Regierten, sondern des Regierenden dar, eine Repräsentation findet deshalb nicht statt, ders. 2002, 23  f. 436  Widersprüchlich insoweit Koch, die keine Repräsentation auf den untersten Konsoziationenstufen feststellen kann, andererseits aber bei den Kollegien ohne weiteres „das Repräsentationsprinzip“ Anwendung finden lässt (dies. 2005, 127  f.). 437  Franziskus Suárez bedient sich in De legibus ac Deo Legislatore nahezu zeitgleich (1612) der Ausdrücke persona ficta und corpus mysticum (De leg III, c. 2, 4), ohne dass Althusius auf die Schrift des Jesuiten zurückgreift.

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schiedener Kollegien bleibt die Bezeichnung als „Körperschaft“ (universitas) vorenthalten.438 Sie bilden vielmehr „eine Art Körper“ (quoddam corpus, IV  25). Die Vereinigung einzelner Personen aller (politischen wie unpolitischen) Kollegien zur Schaffung der universalen Körperschaft »Staat« ist auf diesem Wege ausgeschlossen. Der Terminus „Körperschaft“ ist einem originär öffentlich-rechtlichen Legitimationsbereich vorbehalten, er ist eine „rechtliche und politische Schlüsselkategorie“ (Wyduckel).439 Allein die Verbindung privater Gemeinschaften zum Zwecke der Begründung einer rechtlich verfassten Ordnung (Politeuma) bildet eine Körperschaft, die auch corpus consociatum und politica consociatio genannt wird (V  2). Nach der angewandten Ausklammerungsmethode gilt diese Aussage zu Beginn des Kapitels 5 allgemein für alle öffentlichen Gemeinschaften, d. h. für Kommunen, Provinzen und Staaten. Sonach haben alle öffentlichen Gemeinschaften körperschaftlichen Status. Wenn die Verbindung „mehrerer privater Gemeinschaften“ eine Körperschaft heißt, so fragt sich, ob die spätere Definition der universalen consociatio eine abweichende Beurteilung erfordert. Diese ist nämlich „teils privat … teils öffentlich begründet“ (partim ex privata … partim ex publica constituta, IX  3). Die Einbeziehung der öffentlichen Gründungsgemeinschaften schadet der Kennzeichnung als Körperschaft jedoch nicht. Die Definition bezieht sich auf die Gesellschaft im allgemeinen (societas vitae mista), nicht auf den Staat im engeren Sinne („universalis vocatur“) (IX  3).440 Nach dem Grundsatz das Gleiches Gleiches hervorbringt, kann die Verbindung von Körperschaften nur selbst wieder eine Körperschaft sein, denn die Mitglieder des Staates sind Städte, Provinzen und Regionen (IX  5; vgl. auch VI  14).441 Die als Körperschaft beschriebene öffentliche Gemeinschaft erscheint in „partikularer oder universaler Art“ (V  6), erstere wiederum als Körperschaft (in einem engeren Sinne), die untechnisch als civitas bezeichnet werden kann (V  8), oder als Provinz (V  7). „Die Körperschaft wird in Dig. 46.1.2 eine repräsentierte Person (persona repraesentata) genannt, die die betreffenden Menschen als Gesamtheit, nicht aber als Einzelne umfasst.“ (V  9) Althusius macht sich die einschlägige Lehre des Nicolaus Losaeus zu Eigen, wonach sie zwar schwerlich als »eine Person« vorgestellt bzw. bezeichnet werden kann, aber unter bestimmten Bedingungen an ihre Stelle tritt (vicem personae sustineat, V  9). 438  Zum Körperschaftsbegriff bei Althusius s. a. Krawietz 1976, Sp. 1101  ff. (1118). 439  Wyduckel 2003, XIX. 440  Siehe zur unbekannten Figur der juristischen Person sowie zur Scheidung von societas und universitas im römischen Recht: Kaser 1989, 85–88. 441  Eine Region besteht zumindest für das deutsche Reich aus der Verbindung verschiedener benachbarter Provinzen, die sich zu zehn Reichskreisen zusammengefasst haben, XXXIII  94.



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Sie ist mithin (noch) nicht vertretene Person, sondern bloß vorgestellte Person.442 Die universitas gilt dem Autor dann als fiktive repräsentierte Person (persona ficta repraesentata), wenn sie rechtmäßig einberufen und versammelt ist (V  27; vgl. XVII  55–61; XXXIII).443 Die als repräsentierte Person verstandene Gesamtheit kann wiederum durch einen Teil der Gesamtheit repräsentiert und vertreten werden. Diese politische Repräsentation erfolgt auf kommunaler Ebene (vgl. aber V  68, 1. Alt.; VI  48) durch ein von der Gesamtheit der Bürger eingesetztes Senatskollegium (V  55, 52, 60, 66, 25).444 In den Kommunen eigenen Angelegenheiten repräsentiert es regelmäßig die Stadt und die Bürger (V  55; vgl. VI  43). In den laufenden Angelegenheiten repräsentiert der Bürgermeister (als Mitglied und Vorsitzender des Senats) die städtische Bürgergemeinde (V  52, 25). Die Repräsentation umfasst die rechtliche Vertretung der Gemeinschaft nach außen: „Das vom Senatskollegium Beschlossene wird der gesamten körperschaftlichen Gemeinschaft zugerechnet, die ja von diesem Kollegium repräsentiert wird“ (VI  50). Dem Innenverhältnis zwischen Repräsentanten und Repräsentierten liegt keine Vormundschaft zugrunde. Das Kollegium als Repräsentationsorgan hat grundsätzlich keine so große Macht, Autorität und Jurisdiktionsgewalt wie die Bürgergemeinde (civium unitas) selbst, als welche Althusius die die „Körperschaft der in derselben Stadt wohnenden, durch dasselbe Gemeinschafts- und Herrschaftsrecht verbundenen Bürger“ bezeichnet (V  48). Dieser Vorbehalt begegnet auf staatlicher Ebene als Volkssouveränität und wird als solche »Legalitätsreserve« ausdrücklich wiederholt (XVIII  26, 70, 93, 101; XXXIII  20, 28).445 Er ist dem Leitgedanken der Repräsentation wesentlich und auf kommunaler Stufe allenfalls konventional, d. h. durch vertragliche Vereinbarung bzw. nur in gesetzlicher Form abdingbar (V  56). Auf der nächsthöheren Organisationsstufe der partikularen Gemeinschaften spricht der politische Denker von der Körperschaft der Provinz (VII  1), die eine Verbindung von Körperschaften i. e. S.  ist (VI  14). Eine Repräsen442  So

auch Hofmann 1988, 515 / 516 m. w. N. zur Adaption Losaeus’. zu den Repräsentationsbegriffen »Körperschaft« und »Person«: Hofmann 1974, 132  ff. 444  Vgl. zur Repräsentation in kirchlichen Angelegenheiten VIII  6–39 (insb. 6, 10, 11). Die sog. Parochien decken sich nicht mit den politischen Grenzen der Gemeinden (VIII  9). Die zu bildenden Kirchensenate unterscheiden sich demnach von den kommunalen politischen Senaten. 445  Dies sieht Hofmann m. E. nicht. Er geht von einer feudal-altständischen, „absorptiven Repräsentation“ aus, weil die kommunale „Legalitätsreserve“ für die provinzialen und staatlichen Deputierten der Stände und ihre Versammlungen an den entsprechenden Stellen späterer Kapitel nicht wiederholt würde, ders. 1988, 527, 530. Ebenso Duso, der dem Volk eine Realität abspricht, die „jeglicher Konstitution überlegen wäre, und über sie hinausgehen würde“, ders. 2002, 26. 443  Vgl.

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tation dieser universitas findet abweichend von den Kommunen statt: Hier repräsentieren die Stände gemeinsam mit dem Provinzpräfekten die provinziale Körperschaft (VIII  5, 66). Für Otto Brunner stellen die Stände „das ‚Volk‘ in politischem Sinn, die ‚Nation‘ der Königreiche, das ‚Landvolk‘ der Länder dar, mit denen der Herrscher gemeinsam handelt, mit denen zusammen er das Ganze von Reich oder Land darstellt. Für beide, Herrscher und Stände, gilt das Recht“.446 Was Otto Brunner für den Ständestaat des Mittelalters feststellt, gilt auch für den Verwaltungsstaat der Politica. Brunner spricht insoweit von einer Kontinuität der inneren Geschichte Europas. Verwaltungsstaat und Ständestaat stehen nicht konträr gegenüber, sondern greifen ineinander über. Die „Ordnungen und Stände“ (ordines & status) bilden in der Vorstellungswelt des frühneuzeitlichen Autors in authentischer Weise die „große Verschiedenheit der Menschen, die in ihrer Lebensweise und Tätigkeit voneinander abweichen“ ab (VIII  3). Er sieht es zugleich als notwendig an, dass in den ständischen Gliederungen den Provinzbewohnern „ein gewisses Maß an Freiheit bewahrt“ bleibt. Begründet wird die Einrichtung der Stände zunächst nicht als Strukturelement der Repräsentation, sondern vielmehr damit, dass ein einzelner ohne Arbeitsteilung die mannigfachen Aufgaben einer Provinz nicht erfüllen kann (vgl. auch XVII  60; XXXIII  20). Die Stände stellen in pragmatischer Manier des Autors „aus jedem Bereich erfahrene“ „Sachkenner“ (periti) bereit. Die ständische Ordnung geht für die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung mit einer Repräsentation nach dem (anerkannten) ausgeübten Gewerbe oder Beruf einher. Hinzu kommt, dass Klerus und Adel aufgrund der „Verschiedenheit ihrer Lebensweise“ eigene Ordnungen bzw. größere Kollegien bilden und damit überrepräsentiert sind (vgl. auch XXXIII  77). Im Landtag (conventus provincialis) versammeln sich alle Stände, d. h. Geistlichkeit, Adel und der „Stand der Städte und gemeinen Landbewohner“, um über die Provinz betreffende Angelegenheiten zu beraten und zu beschließen (VIII  64  ff.). Al­ thusius tritt deutlich für eine breite, dreigliedrige ständische Repräsentation ein (VIII  40). Der Grund für die Anerkenntnis des dritten Standes scheint dabei weniger in einem demokratischen Repräsentations- und Legitima­ tionsverständnis, als eher im ungenutzten Sachverstand des überwiegenden Teils der Land- und Stadtbevölkerung bei der Bewältigung der provinzialen Aufgaben zu liegen. Gleichwohl fallen hier deutlich die politischen Erfahrungen des Autors aus der Republik der Vereinigten Niederlanden ins Gewicht (s. a. XXXIII  130  ff.). Der jeweilige Stand wird durch so genannte Deputierte repräsentiert (VIII  49). Die jeweiligen Deputierten bilden wiederum ein Kollegium, das „von diesem Stand beauftragt und instruiert [wird], … Beschlüsse zu fassen“ (VIII  49; vgl. 6, 10  f. für das Kirchenkollegium; 446  Brunner

1984, 80.



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s. a. XXXIII  11 bzw. 89). Es handelt sich demzufolge um ein »gebundenes Mandat«. Dagegen steht den Leitern ein „freies Ermessen“ (arbitrium) im Sinne es »freien Mandats« zu (I  18). Das arbitrium bedeutet keine Willkür, sondern bewegt sich als ein pflichtgemäßes Ermessen in den Grenzen, „weder in gottloser noch ungerechter Weise“ zu gebieten (ebd.). Die Beauftragten stellen eher Abgeordnete als ständische Deputierte dar. Ihre Beauftragung und Instruktion vollzieht sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Kollegien, d. h. es gilt insbesondere das Mehrheitsprinzip (V  62 i. V. m. IV  24  ff.). Jeder Stand hat nur eine Stimme im Landtag, so dass eine Abbildung der tatsächlichen sozialen Zusammensetzung der Provinz (Überhang der Landbewohner) ausbleibt. Sofern der geistliche Stand in Form der Presbyterkollegien die Kirchengemeinden repräsentiert (VIII  10  f.), werden die Provinzbewohner auf den – vom Landtag zu unterscheidenden – Konventen der Provinzialsynoden zudem als Gläubige repräsentiert. Eine janusköpfige Stellung kommt dem Provinzpräfekten zu. Heißt es einerseits, er nimmt „gleichsam den Platz“ des obersten Magistrats ein (cujus quasi vices gerit, VIII  55; vgl. auch XXXIX  84: „Die mittleren Magistrate repräsentieren den obersten Magistrat.“), der ihn einsetzt, so widerspricht dem andererseits das politiktheoretische Desiderat der Wahl durch ein Wahlmännerkollegium (VII  40).447 Jedenfalls ist der Präfekt ein Repräsentant, der – sofern sich seine Stellung aus der »besten Wahl« ergibt – die demokratischere Legitimation innehat. Bei der Darstellung des Staates verzichtet der Autor auf die ausdrückliche Kennzeichnung als Körperschaft (universitas). Stattdessen spricht er vom „Volk in einem Körper“ oder schlicht von einem „Körper“, den er bisweilen mittels der überkommenen Körpermetaphorik veranschaulicht (XX  6; u. ö.). Ebenso wird auf eine Wiederholung des Ausdrucks persona repraesentata verzichtet, die Bezeichnung als „Person“ hingegen weiterhin verwendet (z. B. XVIII  12; XIX  98). Es gilt auch hier der Grundsatz, dass Gleiches aus Gleichem folgt. Sofern also der Staat die Verbindung von Städten, Pro447  Hofmann erkennt nur auf die „alte Lehre der doppelten Repräsentation“, die den Dualismus des Deutschen Reichs wiederspiegelt, ders. 1988, 522  ff., 536  f. Dass sie als „Folie“ erkennbar ist, bleibt unbestritten, jedoch entwickelt Althusius sie fort und verknüpft neue Inhalte (Souveränität, Rechtsstaatlichkeit, Herrschaftskontrolle, Widerstand) mit ihr, was Hofmann nicht auf das Verständnis der Repräsentation durchschlagen lässt. Er stellt sein Bild von einer Repräsentativverfassung einer altständischen Verfassung gegenüber und gesteht Althusius keinen Bedeutungswandel zu bzw. das Bemühen darum, die feudal-ständische Verfassung (im Sinne einer Repräsentativverfassung) neu aufzuladen. Die Alternative einer Wahl des Provinzpräfekten durch ein Wahlmännergremium sieht Hofmann nicht. Für ihn leiten die Provinzpräfekten „in jedem Fall“ ihre Amtsgewalt vom Reich ab, ebd., 529, 534. Vgl. auch Podlech 1984, 517, der zumindest von einer „Sonderstellung“ des Althusius in der altständischen Repräsentation ausgeht.

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vinzen und Regionen ist, die selbst universitates sind, muss der Staat ebenfalls eine Körperschaft sein. Die Überschrift zu § 26 weist dem obersten Magistrat die Repräsentation der Gemeinschaft zu (Consociationem repraesentat magistratus), nach der Überschrift zu § 57 repräsentieren die Ephoren das Volk (Ephori … repraesentant populi; vgl. auch XVIII  92). Althusius beabsichtigt jedoch nicht, in zwei verschiedene Wesenheiten (von Gemeinschaft einerseits und Volk andererseits) zu unterscheiden. Aus den Inhalten ergibt sich, dass von ein und demselben Objekt ausgegangen wird und sich insbesondere die Aussagen in § 26 auf die Repräsentation durch die Verwalter und Leiter allgemein beziehen. Allgemein „verkörpern“ die Verwalter die „Person des ganzen Volks“ und repräsentieren sie (XVIII  11, 12, 26; XXVIII  18, 19; XXXVIII  58).448 Das Handeln dieser Verwalter wird als das der Körperschaft angesehen und ihr zugerechnet.449 In dem, was sie im Namen des Gemeinwesens tun, vertreten sie seine Stelle (XVIII  11, 26). Es findet eine Vertretungsrepräsentation statt. Eine Identitätsrepräsentation räumt der Politiklehrer ausdrücklich den Ephoren ein, die mehrfach für diese „Repräsentanten“ bestätigt und ausgeführt wird (XVIII  48, 56  f., 73; XIX  26; XXXVIII  35; u. ö.).450 Das ephorale Kollegialorgan beschließt mit Stimmenmehrheit und als solches repräsentiert es bei der Wahl des obersten Magistrats den „größeren und besseren Teil des Volks“ (XVIII  62).451 Unter Volk (populus) verstehen sich an dieser Stelle die Stimmen aller Gliederungen (XVIII  14, 56). Wenn Althusius hier von „Bürgern und Gliederungen“ (Hervorheb. P.  K.) spricht, sind darunter die Bürger in den Gliederungen zu verstehen, d. h. die bürgerschaftliche Stimmenrepräsentation durch die ständischen Deputierten.452 Passiv „[g]ewählt und eingesetzt werden diese Ephoren unter Zustimmung des ganzen Volks je nach Aufbau und Gewohnheit des Reichs tribus-, zenturien- oder kurienweise oder einzeln Mann für Mann oder durch das Los.“ (XVIII  59) Das aktive Wahlrecht sieht vor, dass „[d]ies … mit den Stimmen des gesamten Volks [geschieht], die nach Zenturien, Tribus oder Kollegien eingeteilt sind oder wie gesagt Mann für Mann nach Köpfen oder Stimmen der Einzelnen oder auch durch das Los.“ (ebd.)453 448  Anders

Hofmann 1988, 526  f. Rausch 1968, IX  f. 450  s. a. Podlech 1984, 517. 451  Für Koch ist es dagegen „gewagt, die valentior pars mit Althusius’ Ephoren zu vergleichen“, dies. 2005, 168. Sie übersieht, dass Althusius den „valentior pars“ des Marsilius kennt und diesen Terminus bewusst verwendet, dies. 2005, 168, 107, 167. Auf die Analogie über die von beiden Denkern genannten deutschen Kurfürsten muss daher nicht abgestellt werden; ebd., 126 (Fn.  135), 168. 452  So auch das Untersuchungsergebnis für Repräsentation von Kroeschell 1981, 194 gegen die Ansicht O. Brunners. 453  Für Hasso Hofmann gilt dieses Verfahren lediglich als „Not- und Grenzfall“, ders. 1988, 539. 449  Vgl.



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Es wird auf der Ebene des staatlichen Wächterkollegiums ein gänzlich anderes Repräsentationsverfahren vorgelegt, als es noch in der Provinzlehre dargestellt wurde. Das im Zusammenhang der Staatsorganisationslehre vorgesehene Verfahren modifiziert nochmals das theoretische Modell aus Kapitel 7. Dort schon war von einer Wahl der Provinzmagistrate, die ja zugleich so genannte besondere Ephoren sind, durch ein Wahlmännergremium die Rede (VII  40). Konnte man dort allenfalls von einer indirekten Legitimation und damit von einer (nur) eingeschränkten Repräsentation der Provinzbewohner sprechen, so stehen nunmehr weitere Optionen zur Verfügung, die es ermöglichen, aus einer Repräsentativverfassung des Gemeinwesens eine authentischen Repräsentation der stimmberechtigten Bürger zu machen. Bei der Wahl nach den „Stimmen der Einzelnen“ sowie nach dem Los befürwortet der politische Denker nämlich eine direktdemokratische Repräsentation (vgl. auch XXXII  44; XXXIII  89). Für Hasso Hofmann legitimiert sich dagegen Repräsentation in der Politica nicht durch die „kausale Ra­ tionalität der Wahl, sondern nur durch die final rationale Verantwortung für eine Aufgabe.“454 Er spricht deshalb von einer „absorptiven Repräsentation“ durch die (in einem feudalen Sinne verstandenen) Stände. Aufgrund der Systematik der Darstellung sind die Ausführungen zur Ephorenwahl jedoch auf die so genannten allgemeinen und besonderen Ephoren zu beziehen, mithin also auch auf die (reichsunmittelbaren) Provinzmagistrate. Die direkte und / oder indirekte Einsetzung der Verwalter und Leiter führt auf staatlicher Ebene neben der Vergegenwärtigung „eines einzigen Willens und einer einzigen Herrschaftsgewalt“ zu einer autorisierten Stellvertretung. Das Volk übertragt „all sein Handeln auf sie, so dass, was sie tun, das ganze Volk zu tun scheint“ (XVIII  56). Die Amtsträger handeln „im Namen des Gemeinwesens“ mit Wirkung für und gegen die Stellvertretenen. In allen rechtserheblichen Handlungen sind diese dem Gemeinwohl verpflichtet, auch wenn sie ständische, d. h. partikulare Interessen vertreten (XVIII  6, 7; u. ö.). Der Blick ist schließlich auf die Universalversammlungen zu richten. Die mitunter erwähnten ökumenischen Versammlungen (concilia oecumenica) sind für den Autor „zum Reich gehörende“ Versammlungen und sind gleichbedeutend mit den universalen Versammlungen des einschlägigen Kapitels 33. Es ist zu erinnern, dass die universitas dann als persona ficta repraesentata gilt, sofern sie versammelt ist (V  9, 27). „Diese Versammlungen und Komitien sind eine Art Zusammenfassung (epitome, P.  K.) des Gemeinwesens oder Reichs. Vor sie werden alle öffentlichen Angelegenheiten des Gemeinwesens gebracht und von seinen Gliedern erörtert, geprüft und ent454  Hofmann

1988, 530.

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schieden.“ (XVII  57)455 „Die universale Versammlung ist der Konvent der einzelnen sowie der gesamten Glieder und Stände des Reichs. Sie wird zur Beratung und Beschlussfassung über gemeinsame Angelegenheiten und das gemeinsame Wohl der universalen Gemeinschaft einberufen, um Unzuträglichkeiten von ihr abzuwenden und ihre Vorteile zu mehren und zu fördern.“ (XXXIII  1) Althusius widmet den universalen Versammlungen ein eigenes Kapitel ab der zweiten Ausgabe 1610 „Die universalen Versammlungen der universalen Gemeinschaft“ (XXXIII  De conciliis universalibus consociationis universalis). Die allgemeinen Versammlungen finden aber auch außerhalb dieses Kapitels Erwähnung (z. B. XV  2; XVII  55  ff.; XXIV  42; XXVII  44; XXXI  43; XXXII  78; u. ö.). Dieter Wyduckel bewertet die Repräsentation aufgrund der vorherrschenden pragmatischen Argumentation des Autors als »prinzipiell verzichtbares Bauelement«; die Reichsversammlungen spielen für ihn deshalb keine zentrale Rolle in der Politica.456 Hasso Hofmann zieht sie nicht ernstlich in Erwägung.457 Festzuhalten gilt, dass Althusius die Reichsversammlung, die auch als Senat betitelt wird, als eine pragmatische Notwendigkeit darstellt. „Da es für das gemeine Volk schwierig wurde zusammenzukommen und dies für das gesamte Volk wegen der großen Menge der Menschen gewiss noch schwieriger war, ging durch den Zwang der Verhältnisse die Verwaltung auf den Senat über“ (XVIII  10). Darüber hinaus sind die Versammlungen von zentraler Bedeutung für die innere Struktur der universalen consociatio (XVII  55–61; XXXIII). Die „Personen“, die diese Komitien abhalten und die Versammlung bilden, sind die oberste Magistratsverwaltung und die Reichsbewohner (XXXIII  4, vgl. auch 11). Auf den Versammlungen findet die Kommunikation zwischen den Konsoziationen, zwischen »staatlicher und gesellschaftlicher« Ebene statt, werden die Fundamentalgesetze des Staates bestätigt oder geändert, auf ihnen wird der oberste Magistrat in seine Amtsrechte und -pflichten eingeführt, dort hat er Rechenschaft über seine Regierung abzulegen (IX  24; XVII  56, 60; XXVII  43  f., 49; XXXIII  3, 30; u. ö.). Die Versammlungen behandeln alle Angelegenheiten, die das Reich in seiner Gesamtheit, einen oder mehrere Stände oder die Untertanen betreffen (XXVII  43; XXXIII  3; u. ö.).458 Sofern die Versammlung als (Appellations-)Gericht fungiert (XXXIII  15, 16; XXVII  49), sprechen die Rich455  Nach Georges kann epitomē „kurzer Auszug“ heißen, aber auch die Bedeutung von „Inbegriff“ annehmen: Georges-LDHW Bd. 1, S.  2439. 456  Wyduckel 1988, 478; ders. 2003, XXII  mit Verweis auf Hofmann a. a. O. 457  Hofmann 1988, 513–542 (537). 458  Historisch ist ein Stimmrecht der Städte auf den Reichstagen nur ein Recht der Beratung, nicht der Mitentscheidung, Rabe 1989, 438 (differenzierter Willoweit 1997, 146). Althusius schildert die historischen Gegebenheiten im Deutschen Reich: XXXIII  63  ff.



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ter des so genannten Senats Recht „im Namen des Gemeinwesens“ (XVI  9; XXIX  58). Von den Richtern heißt es, dass sie vom ganzen Volk eingesetzte Männer sind, die zumindest nach französischer sowie nach deutscher Gerichtsordnung „alle Stände und Ordnungen des Reichs repräsentieren“ (XVI  10; XXIX  60). Die Versammlung ist ein Abbild „aller Reichsbewohner“ (omnes regnicolae, XXXIII  4, 10). Die Beschlüsse und Abschiede erwachsen nach dem Durchlaufen eines geordneten Verfahrens in bindender Rechtskraft; als „öffentlicher Befehl“ gelten sie als förmliches Gesetz (XXXIII 5–10; u. ö.). Da auf den universalen Konventen die Stände zusammentreten, kann man die Reichsversammlung als ein Repräsentativorgan bezeichnen. Althusius selbst spricht nicht von repraesentatio, stattdessen von einer „Art Zusammenfassung des Gemeinwesens“ (XVII  57) oder auch von einem „Inbegriff“ (XXXIII  1) (epitoma, übers. v. Janssen). Eine Kennzeichnung der Reichsversammlungen als Verfassungsorgan rechtfertigt sich schon daher, dass sie organisatorisch und funktionell ihre Grundlage in der Verfassung, d. h. den leges fundamentales der universalen Konsoziation haben. In der Kontrolle und Mitbestimmung durch die Konvente liegt ein weiteres gewaltenteiliges Moment des Werks ausformuliert vor. „[I]n den Komitien des Volks wird ein Abbild der Demokratie sichtbar“, das ein Element der Mischverfassung bedeutet (XXVII  44; XXIV  42; u. ö.). Davon bleibt die Repräsentation des Volkes durch die Ephoren (aristokratisches Element) und Magistrate (monarchisches Element) im Übrigen jedoch unberührt.459 „Die besagten Stände repräsentieren gewissermaßen die Aristokratie, die Versammlungen aber die Demokratie und das Oberhaupt, mag es nun eine einzige Person oder mögen es mehrere anstelle des einen sein, die Monarchie.“ (XXXIX  9) Es ist der Ansicht Wyduckels, die Repräsentation sei ein „verzichtbares Bauelement“ der althusischen Staatslehre, schon deshalb nicht zu folgen, da die Versammlungen auf Staats- und Landesebene ebenso wie die Senatssitzungen der Städte eine zentrale Bedeutung für die Herstellung legitimer Handlungsfähigkeit aller beteiligter Konsoziationen einnehmen, in denen die Symbioten vergegenwärtigt sind. Ebensolches gilt für die suprakonsozietalen Verbindungen, die nur durch einen entsprechenden Konvent ihren Wirkungskreis erweitern (XXXIII  122  ff.; XVII  40). Zuzustimmen ist dagegen Winters, der in den Versammlungen gewiss keine montesquieusche Gewaltenteilung oder gar einen modernen Parlamentarismus erblickt, indes die in den Versammlungen stattfindende gegenseitige Kontrolle hervorhebt.460 Nach den Untersuchungen Schuberts zu den Reichstagen 459  Carl Schmitt betont die „Mischung und Relativierung“ aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Form- und Strukturelementen für die staats­ theoretische und geschichtliche Bedeutung der sog. „Repräsentativverfassung“, ders. 1993, 216  ff. 460  Winters 1995, 44, (39 für Landtage).

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in der Staatslehre der frühen Neuzeit gehört Althusius zweifelsohne zu den lautstarken Befürwortern der Deutschen Reichtage.461 Bedeutsam ist, dass für das politischen Denken des Autors die ordentlichen wie die außerordentlichen Zusammenkünfte stets die Freiheit des Volkes abbilden (XVII  60; XXXIII  30; u. ö.). Die Freiheit eines Volkes lässt sich an den universalen Versammlungen messen. Sie stellen politische Forderungen ersten Ranges an die führenden Eliten dar. Folgerichtig schützt der Staatslehrer die Versammlungen in umfassender Weise gegen tyrannische Angriffe: „Wer die öffentlichen Konvente des Reichs und Beratungen auf üble Weise hemmt oder hindert oder die Stimmen derer, die entsandt werden, anwirbt, einengt, beschränkt und nötigt, damit sie das, was gemein ist, nicht zum Ausdruck bringen wagen, wollen oder können“, gegen den ist das Widerstandsrecht anwendbar (XXXVIII  20). Ob der – zumal feudale – „Ständestaat ein Repräsentativsystem“ darstellt (Boldt 1994, 180  f.), soll anhand der Politica nicht beantwortet werden. Zu beachten gilt insbesondere, dass eine Repräsentativverfassung nicht gleichbedeutend mit Repräsentation zu sehen ist, die Althusius zumindest zur Integration und Kontrolle dient.462 Umgekehrt treten in der politischen Lehre des Rechtsgelehrten und Ratssyndikus die herrschaftsunterworfenen Symbioten durch Repräsentation vielfach in Erscheinung. Herstellung und Darstellung der Repräsentation werden bei ihm unterschieden. Die Symbioten haben mittels der ständischen Gliederungen über ihre Deputierten in den Versammlungen am aktiven Regiment teil. Sie werden von den Ephoren bei der Wahl des obersten Magistrats repräsentiert. Im Bereich der Gesetzgebung gilt das Gesetz als ein „öffentlicher Befehl des Volkes“ (X  4). Die Rechtsprechung des obersten Appellationsgerichts erfolgt „in nomine regni“ (XXIX  58). Das Repräsentativsystem tritt besonders deutlich unter einer demokratischer Regierungsform hervor, in der die administratio explizit „mit Zustimmung und auf Befehl des Volkes“ ausgeübt wird, obwohl lediglich „einige von ihnen“ herrschen (XXXIX  57, 58 a. E.; 13, 14). Die Beteiligung der Staatsbürger (regnicolae) dient dabei der Integration und Identität des herrschaftsunterworfenen Volks. In den Beratungen, in Rechtsprechung und Gesetzgebung, im grundsätzlichen Zustimmungserfordernis zu allgemeinen und besonderen Herrschaftsakten tritt die »Repräsentativverfassung« der Politica in Erscheinung. Sie repräsentiert die politische Einheit sowohl angesichts der obersten Regierungsbehörde als auch und gerade angesichts des populus in corpus unum. Nach alledem bedeutet repraesentare für den 461  Schubert

1966, 408  ff. Rausch 1968, VIII, XIII, der herausstellt, dass Art und Weise des Zustandekommens der Repräsentation (Wahl, Ernennung, Erbfolge – Einstimmigkeit, Mehrheitsbeschluss – zeitliche Begrenztheit, freies, gebundenes oder imperatives Mandat, u. ä.) keine Wesenselemente der Repräsentation sind. 462  Vgl.



§ 10 Zur Repräsentation

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Autor der Politica durchaus schon eine rechtlich autorisierte Ausübung von Herrschaft durch Organe, die von den Herrschaftsunterworfenen bestellt werden und von denen Rechenschaft abverlangt werden darf (vgl. IX  24; XVII  60).463 Ihre Macht leitet sich unterdessen mehr indirekt als direkt vom Volk ab, wobei die Repräsentanten stets dem Interesse des Gemeinwohls verpflichtet sind. Die Organe erhalten sich nur bedingt abhängig vom Willen des Volks (weder extreme Identität noch extreme Repräsentation). Sie vergegenwärtigen gleichwohl „einen einzigen Willen und eine einzige Herrschaftsgewalt“ (XXXIX  34, 84).464 Solange sie ihre Funktionen in verfassungsmäßiger Weise vollziehen, handeln sie (ohne imperativen Auftrag) nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. I  18). Als Kreationsorgan betätigt sich das Ephorenkollegium bei der Wahl der Regierungsbehörde (XIX  26  ff.). Diese Funktion, die es „im Namen der Gemeinschaft des Volks“ ausübt, setzt sich insbesondere in der Kontrolle über die Gesetzmäßigkeit des Regierungshandelns fort. In indirekter, aber ununterbrochener Legitimationskette leiten die obersten Magistrate ihre Repräsentationsstellung von den Ephoren ab. Aus diesem Recht repräsentieren die obersten Magistrate das Volk (IX  24; XIX  98; XX  6). Das Ephorenkollegium steht insofern „über dem obersten Magistrat“ (XVIII  73; XXXVIII  35; u. ö.). Folgerichtig gilt diese Hierarchie auch für die bindenden Voten der universalen Versammlungen gegenüber der Magistratur (XXXIII  20, 28). Hofmann unterscheidet hier zwischen einer Identitätsrepräsentation der Ephoren und der bloßen Vertretungsrepräsentation des obersten Herrschers.465 Damit ist zugleich die Absage an absolutistische Machtstaatstheorien unterstrichen. Die Parole der Politica lautet: Der Herrscher repräsentiert das Volk, nicht umgekehrt (IX  24; XVIII  92; u. ö.). Dagegen verliert ein Gewaltherrscher seine Stellung als Repräsentant und hört auf, das Volk bzw. den Willen zum Gemeinwohl zu vergegenwärtigen (XVIII  41, 94  f.). Aus konkurrierenden Repräsentationsrechten ergeben sich Beschränkungen für beide Verfassungsorgane. Wenn die Ausübung des »Rechts zur Repräsentation« durch den obersten Magistrat mit der Ausübung der Repräsentation durch die Ephoren dagegen kollidiert, dann ist auf der Grundlage dieses Über- / Unterordnungsverhältnisses die nur scheinbar widerstreitende Repräsentation des „einen einzigen Willens und der einzigen Herrschaftsgewalt“ zur optimalen Entfaltung zu bringen. Dies wird auf den Universalversammlungen in einem kommunikativen Prozess zwischen den Repräsentanten erreicht. Im Widerstandsverfahren findet die repräsentative Macht der Ephoren ihren höchsten Ausdruck 463  Anders

Hofmann 1988, 530. geht von einer „willensunfähigen universitas“ aus (1988, 524). Richtig dagegen ist, mit Althusius von einer handlungsunfähigen universitas auszugehen (vgl. etwa IX  18; XVIII  56). Ebenso wie Hofmann: Duso 2002, 23  ff. m. w. N. 465  Hofmann 1988, 527. 464  Hofmann

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gegenüber der Gewalt des Tyrannen. In diesem Sinne ist die Repräsentation ihrem Wesen und ihrer Bedeutung nach als ein Leitgedanke des Werks zu bewerten. Sie ist – entgegen der Ansicht Wyduckels – als ein »prinzipiell unverzichtbares staatstheoretisches Bauelement« der Politica zu behandeln, auch wenn sie als Prinzip nicht durchbuchstabiert vorliegt.

§ 11 Staat und Administration Der Ausdruck administratio begleitet und prägt den Begriff der staat­ lichen Rechtsgemeinschaft (communio juris) in unvergleichbarer Weise. Er kennzeichnet ein ganz wesentliches Merkmal der althusischen Politiklehre. Danach ist Politik – überspitzt gesagt – die Wissenschaft von der Verwaltung des Staates. Bereits die Bürgermeister und die kommunalen Senatoren »verwalten« die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (V  25, 39, 49, 52 u. ö.) und sind „eidlich auf die vorgeschriebenen Bestimmungen der Verwaltung“ verpflichtet. Doch erst die Ebene der Provinzen erhält ein eigens ausgewiesenes Kapitel über die administratio. Für die provinziale Verwaltung wird die Unterteilung wie folgt formuliert: „Die Verwaltung ist doppelter Art; sie bezieht sich einmal auf die Glieder der Provinz, zum anderen auf ihren Präses“ (VIII  1). Die Darstellung der anschließenden Staatsverwaltung nimmt über zwei Drittel der gesamten Politica ein. Die Einordnung und Entwicklung des vielschichtigen Schlüsselbegriffs Administration zeigt sich deutlich an dem der Darstellung vorangestellten Schema politicae. Die Lehre der Administration spiegelt die in den Kapiteln 9–17 entwickelten allgemeinen und besonderen Souveränitätsrechte der universalen Konsoziation wider und gibt Handlungsanweisungen zu ihrer Umsetzung (vgl. IX  27 a. E., 29, 31; X  vor 1, 2; XI  vor 1; XVIII  vor 1.) Gliederungsbuchstabe B des Schemas, der die Kapitel 18–27 und 39 umfasst, behandelt allgemein „Die universale Verwaltung des symbiotischen Rechts“. Gliederungsbuchstabe C (d. h. Kap. 28–37) behandelt im Besonderen „Die Art der Verwaltung“. In den Kapiteln 18–27 entwickelt Althusius die staatsorganisatorischen Grundstrukturen seiner Administrationslehre, d. h. die Verwaltungsorganisation sowie die Verwaltungsfunktionen und eine Regierungslehre. Gliederungsbuchstabe C ist Bestandteil der administratio des Teils B, genauer des Verfassungsorgans oberster Magistrat. Wegen des beigemessenen Bedeutungsgehalts im Gesamtkonzept seiner Lehre und des großen Anwendungsbereichs der magistralen Aufgaben in der Praxis breitet der Autor diesen Untersuchungsgegenstand ausführlich aus. Der programmatische Kurs der Politica wird von der praktische Philosophie ausgehend fortgesetzt: Nach den Teilbereichen der Konsoziationenlehre (»Politische Soziologie«) und der Allgemeinen Staatslehre wird das Werk nunmehr auf die Darlegung einer Staats- und Verwaltungsrechtslehre gesteuert.



§ 11 Staat und Administration

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Die althusische administratio bezieht sich stets auf das symbiotische Recht, sie firmiert auch unter „Verwaltung der Gerechtigkeit“ (administratio justitiae) (XVIII  vor 1; XXIX  2  ff.; s. a. Schema politicae A & B). Die „Verwaltung des universalen Rechts“ unterliegt stets der politischen Grund­ entscheidung. Das Recht darf dabei nicht mit der Summe der Gesetze verwechselt werden, da ansonsten Recht mit politischer Macht in eins fielen. Der Macht wird gerade das Recht entgegengesetzt, so dass die Gesetze der Macht Einhalt gebieten: „Denn Macht, die durch Gesetze umgrenzt ist, schlägt nicht zum Verderben der Untertanen aus, sie entartet nicht, noch wird sie zur Tyrannis.“ (XVIII  31) Alles staatliche Handeln muss „im Einklang mit den Gesetzen“ stehen (XVIII  32, 35  f.), die Amtsträger sind zur Rechenschaft verpflichtet (IX  24; XVIII  39; XXIV  38; u. ö.). Überschreiten diese die festgesetzten Grenzen, werden die Amtsträger „zu Privatleuten“, denen gegenüber die Gehorsamspflicht endet (XVIII  41, 43; 94  f.; XIX  69; XX  21; u. ö.). In einer von Althusius angenommenen kontingenten Welt kommt es zu Spannungen und Diskrepanzen zwischen dem politisch Gebotenen und dem bestehenden Recht. In diesem Gefüge hat sich die „Verwaltung des symbiotischen Rechts“ nach einer politischen, d. h. symbiotischkonsozietalen Programmatik zu bewegen. Gemäß der Legaldefinition in Kapitel 8 ist die administratio die praktische Handhabung (usus & praxis) des Rechts, welches als »symbiotisches Recht« bereits ohne institutionelle Verankerung auf vorstaatlicher Ebene besteht und zwischen den Symbioten eo ipso gilt. Die Administration ist typisches Kennzeichen des institutionellen Ordnungsgefüges althusischer Politik- und Staatsvorstellung. Es handelt sich um ein rechtliches und staatliches Phänomen, das Althusius (neben anderen) fest im politischen Denken am Beginn der Neuzeit verankert. Jede rechtmäßige staatliche Tätigkeit fällt unter den Begriff der administratio und muss sich an ihm messen lassen. „Die Glieder der universalen Gemeinschaft aber übertragen die Herrschaftsgewalt (potestas, P.  K.) nur zur Verwaltung und Leitung des universalen Gemeinwesens und seiner Rechte nach gerechten Gesetzen. Das Eigentum und die Oberhoheit dieser Rechte haben die Verwalter und Leiter jedoch keineswegs, diese verbleiben vielmehr beim politischen Gemeinschaftskörper“ (XVIII  28  f.). Hier werden zwei Prinzi­ pien moderner Staatlichkeit zementiert. Die Politica bewegt sich in den Entwicklungs- und Traditionslinien von Demokratieprinzip und mehr noch: von Rechtsstaatlichkeit. In der Diktion des Bonner Grundgesetzes könnte man daher – cum grano salis – vorstehende Passage wie folgt formulieren: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird durch besondere Organe ausgeübt und ist an Recht und Gesetz gebunden.« Für den Gegenstandsbereich der universalen Konsoziation wird die Bezeichnung administratio in Relation zum Eigentumsbegriff am Gemeinwesen, d. h. zur Souveränität gestellt („Nam & regni proprietas est populi, & administratio regis“, IX  4).

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Daraus abzuleiten ist, dass sich die althusische administratio im Spiegel der Volkssouveränität entwickelt und diese ins Werk setzt. Begleitende Vorstellungen zum Administrationsbegriff sind demnach zum einen das Recht (jus) bzw. die Rechtsgemeinschaft, zum anderen die Souveränität (XXI  2). Administration bedeutet demnach stets beschränkte Gewalt. „Sie (die öffentlichen Amtsträger, P.  K.) werden mit der erforderlichen Herrschaftsgewalt und Autorität ausgestattet und darauf durch Treueid verpflichtet.“ (XVIII  3, Hervorheb. P.  K.) Die »Verwaltung der Souveränität« übt nach althusischer Doktrin der Herrscher aus (IX  4; XIX  1; u. ö.). Über seine Ausübung ist er den ephoralen Ordnungen und Ständen rechenschaftspflichtig (IX  24; XVIII  39; u. ö.). Die Administration ist nur dann eine eigene Angelegenheit  des Volks im Sinne einer »Selbstverwaltung«, wenn das Gemeinwesen als »Volksherrschaft«, d. h. als demokratischer Staat eingerichtet ist (vgl. XXXIX  57  ff.). Einmal mehr verwendet der Autor einen Ausdruck in einem engeren und einem weiteren Sinne (vgl. IX  4, 29).466 Dies gilt insbesondere für das Verständnis der Verwaltungsrechtslehre des Teils C (Kap. 28–36). Im allgemeinen, weiteren Sinn des Wortes ist Administration „das Band, das das Gemeinwesen zusammenhält“ (XVIII  2). Sie besteht darin, die „verschiedenen Gemeinschaftstätigkeiten“ „durch bestimmte öffentliche Amtsträger“ auf das Gemeinwohl hin zu lenken (XVIII  2). Der Begriff Administration kann daher von Althusius mehrdeutig verwendet werden, mal als Regierung und Verwaltung im engeren Sinne (vgl. XXV  4), mal als öffentlicher Dienst (vgl. XIV  2  f.), mal als Judikative (vgl. XXIX  29  ff.). Der Autor definiert administratio als „die zweckmäßige und angemessene praktische Handhabung des Rechts … im Allgemeinen wie im Besonderen“ (VIII  1). Verwaltung in allgemeinem Sinne bedeutet soviel wie Leitung und Lenkung des Gemeinwesens nach symbiotischen Rechtsgrundsätzen zur Verwirklichung der Staatszwecke (IX  29). Sie ist eine »Dienstleistung« am Gemeinwesen. Die so verstandene Staatsverwaltung, und darin erhebt die Politica einen modernen Monopolanspruch, ist allzuständig. Sie erstreckt sich auf private Angelegenheiten und das gesellschaftliche Leben ebenso wie sie in wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge reglementierend eingreift. Die Administration i. e. S., d. h. die Regierung durch den höchsten Magistrat und die ihm nachgeordneten Stellen, nimmt ihre Arbeit erst auf, wenn sie dazu bestellt worden ist. Zur Administration des symbiotischen Rechts im weiteren Sinne zählt daher die Einsetzung der Regierung und, als actus contrarius, ihre Absetzung. Einsetzung und Absetzung des obersten Magistrats werden durch die Ephoren in eigenständiger Ausübung übertragener souveräner Hoheitsgewalt besorgt. Darin zeigt sich ein gewaltenteiliger 466  Vgl.

Ingravalle 2010, 107–121.



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Aspekt von Herrschaftsausübung. Die Ephoren sind zur Administration im weiteren Sinne berechtigt und verpflichtet (XVIII  48  ff.; s. a. Kap. 38). Ihre administrativen Aufgaben sind zu Gunsten der Regierung in fünf Aufgabenbereichen bestimmt, wobei die Beschreibung mit einer den jeweiligen Aufgaben entsprechenden umrisshaften Genauigkeit erfolgt (XVIII  63  ff.). „Denn ihnen ist nur eine besondere und eingeschränkte Herrschafts- und Verwaltungsbefugnis (specialis & restricta potestas & administratio, P.  K.) gegeben.“ (XVIII  70) Vor allen anderen gewaltenteiligen Aspekten gewährleisten ihre Kompetenzen der Gemeinschaft eine rechtmäßige Wahrnehmung der Regierungsgewalt. Bei der Erfüllung und Ausübung dieser begrenzten Einzelaufgaben sind die Ephoren selbst an die Einhaltung von Recht und Gesetz gebunden (XVIII  1–47; u. ö.). Beispielhaft beschrieben ist dies für die Einsetzung des obersten Magistrats nach festgelegten Bestimmungen (XVIII  51, 64) im Kapitel über Die Übertragung der Herrschaft sowie für die Absetzung (XVIII  84  ff., 88) im Kapitel über Die Tyrannis und ihre Gegenmittel (Kap. 38). Im engeren Sinne obliegt die administratio dem obersten Magistrat (XIX  1). Sie nimmt die Bedeutung von »Regierung« (gubernatio und imperium) und – in gewaltenteiliger Hinsicht – von exekutiver Gewalt an (s. etwa XXV  4; XXVII  44; XXXVII  79).467 Unter der Verwaltung „im Besonderen“ (vgl. VIII  1) ist die Verwaltung im organisatorischen Sinne zu verstehen, die sich aus der Gesamtheit der Verwaltungseinrichtungen, deren Trägern und Organen zusammensetzt und den man späterhin in der Staatstheorie als den Bereich der inneren Verwaltung einer »guten Polizey« bezeichnet. Althusius unterwirft sie bestimmten Grundsätzen, die er in einer politischen Klugheitslehre darlegt (Kap. 21–27). Er spricht insoweit von „Ordnung, Regel und Norm dieser Verwaltung“ (XXI  5  ff.). Die magistrale Regierungstätigkeit wird erneut als recht- und gesetzmäßige Verwaltung charakterisiert und insbesondere an die Kenntnis des Dekalogs gebunden (XXI  10, 15). Der Dekalog enthält die „Regel des Lebens“ (XXI  16). Er gilt dem Autor als ein Vorbild des „Gehorchens und Regierens“ (XXI  16; s. a. I  11; XVIII  22), nimmt aber lediglich einen anteiligen Raum in der politischen Klugheitslehre der Politica ein. In den Kapiteln 28–37 wird ein Kernbestand staatlicher Verwaltungstätigkeit beschrieben, der an die staat­ lichen Funktionen geknüpft ist. Staatliche Funktionen sind die Gesetzgebung, die Gesetzesanwendung und -ausübung und die Rechtsprechung. Unter dem Gliederungsbuchstaben C des der Darstellung vorangestellten Schemas entfächert und beschreibt der politische Denker die magistrale Verantwortung 467  Wie Duso allein auf die Herrschaft als gubernatio abzustellen, heißt zu verkennen, dass Althusius mit majestas, administratio und gubernatio mitunter Verschiedenes bezeichnet. Vgl. Duso 2002, 22  ff., ders. 2010, 73  ff. Zu eng daher der Ansatz bei Ingravalle 2010, 107  ff.

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und legt dazugehörige Kompetenzen fest. „Usus & praxis“ des (symbiotischen) Rechts stellen besondere Anforderungen, insofern sie durch öffent­ liche Stellen ausgeübt werden (XXI  3, 5). Der Autor befasst sich sodann eingehend mit den Einzelheiten des Verwaltungsrechts. Bei der Beschreibung, die nahezu die Hälfte aller Seiten des Werkes füllt, werden rechtsstaatliche Leitlinien öffentlichen Handelns erkennbar, die auf die Ebene der Verfassungs- und Allgemeinen Staatslehre zurückstrahlen (Bsp. Souveränität, Individualgüterrechtsschutz, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Prinzip der Verhältnismäßigkeit und Übermaßverbot, Rechtsweg und öffentliches Gehör). Der althusische Administrationsbegriff eröffnet sich hinsichtlich seines Inhalts und Umfangs sowie der Einordnung in die Gesamtkonzeption einem verständlicheren Zugang, wenn das Werk – unter Zuhilfenahme der Schema politicae – gleichsam »dreidimensional« gelesen wird. Durch das »analoge Medium« Buch und einem »linearen Lesen« der numerischen Kapitelabfolge ersten Grades (1, 2, 3, …) wird das Verständnis der verschiedenen Darstellungsebenen und -tiefen erschwert. Lässt man dagegen die »Untiefen« zwischen einzelnen Kapiteln und / oder Paragraphen außer Acht, erliest sich die Politica nach einer gedanklichen (alpha-)numerischen Gliederung (1, 2, 2.1, 2.2, 3.1., 3.1.1., … oder A, I, 1, a), aa), (1) …) in ihren verschiedenen Darstellungsdimensionen und -zusammenhängen. Für die Einordnung der Administration in das Gesamtkonzept ergibt sich damit folgende Paragraphenkette: IX 27 a. E., 29; XVIII vor 1, 1; XXI vor 1; XXVIII vor 1, 1. Von dort aus entwickelt sich die Verwaltung in den besagten »Untiefen« weiter. Arten der Verwaltung Universal-öffentliche Verwaltung (IX  27 a. E., 29 i. V. m. XVIII  vor 1, 1, XXI  vor 1, XXVIII  vor 1, 1) Öffentliche Angelegenheiten (XXVIII  2, 3) Staatskirchenverwaltung (XXVIII  4  ff.)

Partikular-private Verwaltung (XXVIII  1 i. V. m. XXXVII  98–115)

Öffentliche Güter (XXVIII  2 i. V. m. XXXVII  1–78; XVII)

Bürgerschaftliche Verwaltung (XXIX)

Die Staatsverwaltung umfasst sowohl alle öffentlich(-rechtlichen) Angelegenheiten, in Sonderheit die Sorge um die öffentlichen Güter, als auch die „private Verwaltung“, d. h. die Zivilrechtsordnung zum Schutz privater



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Rechtsgüter (XXVIII  1, 2; XVIII-XXXVII). Sie erstreckt sich auf das gesamte Territorium, wirkt demnach auch in die Provinzen und die Kommunen hinein. Zu den öffentlichen und rechtlich regelungsfähigen und -bedürftigen Angelegenheiten gehören die genuin politisch-weltlichen, aber auch die kirchlichen Aufgaben. Die den verschiedenen Wesenheiten der Konsoziationen nachfolgenden Aufgaben (Heil der Seele – Heil des Körpers) machen geteilte Verwaltungsarten erforderlich, ohne dass eine laizistische Trennung von Staat und Kirche vollzogen wird (XXI  5 i. V. m. XXVIII  3; IX  27 a. E.-45). Die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten ist eine öffentliche Aufgabe so gut wie die bürgerschaftliche Administration. Die Doppeladministration findet sich entsprechend auf provinzialer wie auf staatlicher Stufe unter der Vorherrschaft eines weltlichen Präfekten (vgl. VIII  50; IX  35  f.; XXVIII  5). Innerhalb der kirchlichen Verwaltung wird nochmals unterteilt: „eine, die dem obersten Magistrat, eine, die den kirchlichen Dienern zukommt. Jede von beiden befiehlt und gehorcht der je anderen“ (XXVIII  5). Man kann einerseits von einer Konfessionalisierung des Staates sprechen, wie sie historisch in den landesherrlichen Kirchenregimentern ihren Ausdruck gefunden hat. Doch lässt sich andererseits parallel dazu eine „Säkularisierung des Herrschaftsdenkens“ (Willoweit 1997, 134) feststellen. Schließlich hat der oberste Magistrat zu Lasten der Kirche einen eigenen Verwaltungsbereich in kirchlichen Angelegenheiten! Religion ist nicht nur eine Sache der persönlichen Glaubensentscheidung (XXVIII  63), sondern eine Frage des Staatsinteresses und der Staatsräson (XXVIII  65; IX  42  ff.). Althusius bemüht sich angesichts der Konfessionenzersplitterung um eine weltlich-kirchliche Geschlossenheit, ohne die Politica zum Pamphlet für einen Konfessionsstaat werden zu lassen. Als eigenständiger Administrationsbereich gehört „die Einführung des Reichs Gottes in die politische Ordnung“ zu den Staatszielen der consociatio universalis (vgl. XXVIII  4; IX  31  ff.). Als Ausdruck althusischer Sittenlehre richtet sich diese Zielbestimmung auch an die Rechtsnormen und Institu­ tionen der staatlichen Symbiose. Selbstverständlich steht der Regierung keine schrankenlose Kirchenverwaltung zu. Der oberste Magistrat unternimmt „nichts ohne die Zustimmung und den Rat der Kirchenpersonen“ (XXVIII  5). Gleichwohl „lenkt und leitet“ er die kirchlichen Amtsträger. Mittels der magistralen kirchlichen Verwaltung weist der oberste Magistrat sie an, indem seine Verwaltung „ihnen die Pflichten ihres Amtes auferlegt“. Es dürfen Kirchengüter zu weltlichen Zwecken eingezogen werden (XXXVII  59; XIII  16).468 Dann allerdings muss die öffentliche Hand den Schaden erstatten (ebd.). Auch in 468  Dagegen Koch 2005, 285  f., die annimmt, Althusius „verliere über den Umgang mit Kirchengut kein Wort“.

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diesem Administrationsbereich schreibt der Autor eine gewisse gewaltenteilige Angewiesenheit der kirchlichen und magistralen Verwaltungen fest: „Jede von beiden befiehlt und gehorcht der je anderen, und jede von beiden unterstützt die andere bei der getrennt aufgetragenen Leitung“ (XXVIII  5, 46). Damit ist eine zentrifugale Kraft durch diese Kirchenordnung eingedämmt. Eine Regierung durch die „Kirchenpersonen“ steht nicht an. Teilweise nimmt die Kirchenverwaltung sogar den Charakter der Auftragsverwaltung an, insofern sie verpflichtet ist, das zu besorgen, „was der Magis­trat ihnen aufgrund des Wortes Gottes aufträgt“ (XXVIII  5). Auf der anderen Seite ist dieser nicht nur Dienstherr, sondern für bestimmte Bereiche, den sittlichen Lebenswandel und das ewige Heil betreffend, „unterwirft sich der oberste Magistrat der Verwaltung und Amtsgewalt der Kirchenpersonen“ (XXVIII  5). Die magistrale kirchliche Verwaltung dient neben Bewahrung und Weitergabe der Religion allgemein zur „sittlichen Bildung und Lebensweise der Bürger und zur Kenntnis der freien Künste“ (vgl. IX  38). In den kirchlichen wie in den weltlichen Angelegenheiten wird die Rechtmäßigkeit der Herrschaftsausübung nunmehr wesentliche Legitimitätsbedingung von Herrschaft überhaupt dargestellt.469 Gerechte Herrschaftsausübung unterliegt zwei Erfordernissen: der Gemeinwohlorientierung und der Gesetzesbindung (XVIII 32 ff.; 94; XXIV48, 49; XXVIII 2; u. ö.). Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stellt sich als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsstaatsprinzips dar. Die Übertragung der potestas erfolgt nämlich „nur zur Verwaltung und Leitung des universalen Gemeinschaftskörpers und seiner Rechte nach gerechten Gesetzen.“ (XVIII 28) Soweit der Magistrat bei der administratio „an die bürgerlichen Gesetze des Reichs und an die der Souveränität (majestas)“ gebunden ist, erfüllt die Regierungslehre der Politica ganz die Kriterien neuzeitlicher politischer Theorie (XXIV 48). Überdies eröffnet sie damit gegen absolutistische Machtstaatstheorien den Blick für eine über ihre Zeit hinausgehende alternative Staatsentwicklung. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Regierung wird gegen jeden Absolutheitsanspruch immer wieder aufs Neue beschworen (XVIII 93–95; u. ö.). Allerdings bereitet die Bindung „an die Gesetze des Dekalogs“ Schwierigkeiten. Henning Ottmann wendet in seiner Geschichte des politischen Denkens gegen die These Gierkes, Althusius habe eine rein innerweltliche, rational begründete Politik entworfen, ein, dass „[s]chon die im Titel der Politica genannten exempla sacra … eine andere Sprache sprechen“ (Ottmann 2006, 93). Ottmann scheint auf einen gegen die Entwicklungstendenzen neuzeitlicher politischer Philosophie gerichteten Anachronismus abzustellen, wenn er bei Althusius den Dekalog zum politischen Gesetz gemacht sieht. Die „geistlichen Beispiele“ bedeuten indessen nicht zwangsläufig Zeugnisse des Glaubens. Häufig 469  s. a.

Wyduckel 2003, XXV.



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sind sie gerade »biblische Tatsachenberichte«, häufig sind sie in ihrem allgemeingültigen Gehalt lediglich „dargestellt“ (illustrata). Insbesondere § 41 des Kapitels 21 darf nicht so verstanden werden, dass der Dekalog in Gänze als anwendbares Recht gilt. Hier ist den differenzierenden Überlegungen zu folgen, die Althusius zum „allgemeinen Gesetz“ und zum von diesem zwingend unterscheidbaren „besonderen Recht“ anstellt.470 Für dieses besteht der Doktor beider Rechte ausdrücklich auf der „Veränderbarkeit des Rechts“ und der „Möglichkeit und Notwendigkeit gerechten Wandels“ (XXI 32; X 8). Auch der Ungläubige kann „im politischen Leben … gerecht, unschuldig und aufrecht genannt werden“ (XXI 41). Althusius wirbt nicht für die Theokratie. Schon seine Souveränitätslehre, danach Gott nur mittelbar Einsetzender ist (XIX  69), hätte die Weichen anders stellen müssen. Es ist darauf hinzuweisen, dass den „ca. 2000 Bibelzitaten“ (Ottmann 2004, 95) in der Politica ungezählte Schriftbelege ebenfalls in den so genannten klassischen Werken neuzeitlicher politischer Theorie Leviathan oder Zwei Abhandlungen über die Regierung gegenüberstehen, ohne dass den Autoren dieser Umstand vorgehalten wird.471 Es ist zu erinnern, dass der Titel des Leviathan fortführend lautet: oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Der dritte Teil handelt „Vom christlichen Staat“, der vierte gar „Vom Reich der Finsternis“. Was sagt vor diesem Vergleich der althusische Buchnamen Politik. Methodisch dargestellt und an geistlichen und weltlichen Beispielen erläutert schon aus? Das Argument der mengenmäßigen Verwendung verkennt darüber hinaus den (zeitlichen) Begründungszusammenhang. Es geht Althusius nach eigener vorwörtlicher Aussage darum, einen von theologischem Ballast befreiten wissenschaftlichen Politikbegriff zu etablieren, der es ermöglichen soll, über die Konfessionsproblematik hinaus, das Gemeinwesen zu verstehen.472 Dies ist durchaus als eine Ansage des Wissenschaftlers Althusius gegen den politischen Calvinismus zu verstehen.473 Selbstverständlich müssen die „einschlägigen“ Implikationen des »Buchs der Bücher« eine tragende Rolle spielen, gilt es doch die einseitige theologische Interpretationshoheit zu brechen, wie sie im Grunde auch in Hobbes’ Ausspruch »auctoritas, non veritas facit legem« begegnet. Der Verfasser der Politica arbeitet je nach Begründungszusammenhang mit den Zeugnissen des Glaubens, den Tatsachenberichten und den Dichtungen, d. h. den religiösen, den allgemeingültigen und originellen Inhalten der Hl. Schrift. 470  Vgl. etwa XXI  32: „… kann das besondere Recht unmöglich ein und dieselbe Anordnung des allgemeinen Rechts schlechthin in allem und für alles vorsehen“. 471  Ebenso im Vergleich zu Rousseau: Wyduckel 1988, 491. 472  Vgl. Wyduckel 1988, 489  ff. 473  Vgl. Llanque 2008, 180  f.

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Althusius selbst sieht sich diesbezüglich in der Defensive und erkennt die Achillesferse seiner Politiklehre. Die Kritik aufgreifend bzw. antizipierend begründet er daher die Geltung der „Lehre des Dekalogs“ in politicis bereits im Vorwort von 1610 in überarbeiteter Form (Vorwort 1614, 13  f.; XXI  41). Seine Gesellschafts- und Staatslehre muss im Gegensatz zu anderen modernen Lehren in Bezug auf das mosaische Gesetz gerade nicht schweigen. Diese Beredsamkeit sieht er als Stärke seiner politischen Theorie, da es ihm seiner Ansicht nach gelungen ist, eine „Homogenität“ (homogeneias, XXI  41) zwischen dem zweiten Teil des Dekalogs und dem symbiotischem Recht aufzuweisen. Dieses symbiotische Recht ist nicht mit dem Dekalog identisch, dessen zweite Tafel, die „Pflichten, die dem Nächsten gegenüber zu leisten sind, enthalten“. Vielmehr ist der politische Gehalt als symbiotisches Recht ableitbar, das sich als Übereinkunft vernunftbegabter Menschen darstellt. Es besteht beiderseits ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit, der zu Übereinstimmungen führt. Althusius beharrt nachdrücklich darauf, dass „das rein Theologische und Politische sich nicht vermischen“. Er arbeitet die Überschneidungen heraus, die zwischen natürlichem, bürgerlichem und göttlichem Gesetz bestehen. Diese Überschneidungen werden auch Homogenität genannt, die sich auf ein „Prinzip“ zurückführen lassen, danach „das Gerechte erschlossen und Recht gesprochen wird“ (XXI  32, vgl. auch 33). Für Althusius ist die zweite Tafel der mosaischen Gebote genuin politisch (XXI  24 u. ö). Schon bevor Moses sie am Sinai niedergeschrieben hat waren sie Gesetz, da „Vernunft von der Natur der Dinge ausgegangen [war], die zum rechten Handeln antreibt und vom Vergehen abhält“ (XXI  19). Als moralische (natürliche) Gesetze gelten sie auch »bei den Heiden« (XXI  19, 20, 29). „[A]llen Menschen ist dieses Gesetz insofern vorgeschrieben, als es mit dem allen Völkern gemeinsamen Naturgesetz übereinstimmt“ (XXI  29). Sofern also vom politischen Gesetz des Dekalogs gesprochen wird, bezieht sich die Rede »nur« auf die einschlägige zweite Tafel. Es sind die Pflichten, die „dem Nächsten aus Liebe zu leisten oder zu unterlassen“ sind (XIX  28, u. ö., Hervorheb. P.  K.). Damit sie aus Gesetz auch von demjenigen erzwingbar sind, der nicht über die gewissenhafte „Erkenntnis und Neigung“ verfügt, bedarf es einer konkretisierenden Positivierung in Form staatlicher Gesetze. Die politischen Gesetze werden „nicht aus Liebe zur Tugend … sondern aus Furcht vor Strafe“ befolgt (XXI  31). Zu beachten ist überdies die Verortung der Problematik im Werk. Nicht am Anfang, wie für Verfechter einer reinen »politischen Theologie« erwartbar, sondern in der Mitte der Politica, genauer im Zusammenhang mit den „Requisiten“ (s. Schema) der Regierungslehre, legt sich der Autor die Frage vor, nach welchen Maßstäben das Gemeinwesen zu verwalten ist (XXI  5 a. E., 6). Althusius redet von den „Bestandteilen vollkommener Erkenntnis“ (XXI  11). Im Rahmen der theoretischen politischen Klugheit wird der Ma-



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gistrat zwingend darauf verpflichtet, die Natur des Volks, das Wesen des Reichs sowie der Herrschaftsarten und eben „die Regel des Lebens und Regierens“ notwendig zu kennen (XXI  15). Die Regel ist der „Wille Gottes“, der allgemeines Gesetz und gemeinschaftliches Versprechen genannt wird (XIX  16  ff.). Zu den Regeln der politischen Klugheit werden jedoch auch Verstellung, Täuschung, Misstrauen und Bestechung gehören. Wie aber wäre dieser Bestandteil politischer Klugheit mit einem Gottesstaat vereinbar, in dem einzig der Dekalog das politische Gesetz ausmachte? Mit gleicher Verkennung der systematischen Stellung könnte man aufgrund des anschließenden Kapitels über das Wesen und Eigenart des Volks die ganze Souveränitätslehre ad absurdum führen. Es handelt sich indes nach kritischer Lesart um einen besonderen Wissensbestand des Herrschers, der die Grundannahmen politischer Ordnung unberührt lässt. Mit Blick auf Kapitel 18 wird zudem deutlich, dass die Politica auch keiner Hierokratie das Wort redet. Richtig ist, dass den „Kirchenpersonen“ wichtige Aufgaben in der Erziehung und Bildung überantwortet werden, sie dazu sogar häusliche Visitationen durchführen sollen, die den Lebenswandel der Gemeindemitglieder überwachen (VIII  17). Doch stehen in der Politica noch nicht einmal zwei gleichrangige Regimenter nebeneinander. Althusius votiert für die eindeutige Vorrangstellung des weltlichen Regiments über das kirchliche. So wenig einer Theokratie der Weg bereitet wird, so wenig kann von einer Priesterherrschaft gesprochen werden. Die „Regel des Lebens“ wird einer genaueren Betrachtung unterzogen. Der vernunftbegabte Symbiot ist teilhaftig an der Offenbarung insoweit, als das „allgemeine Gesetz … seiner Natur nach allen Menschen von Gott eingepflanzt“ ist. Aufgrund seines „Erkenntnisvermögens“ und seiner „Vernunft“, bald aufgrund seiner „eingeborenen Neigung“ und „durch einen verborgenen Instinkt“ „erkennt und versteht der Mensch das Recht und die anzuwendenden Mittel“. M. a. W. schadet die vom Glauben erleuchtete Erkenntnis der innerweltlichen Dichotomie von Befehl und Gehorsam nicht, ist aber andererseits kein »Credo« der althusischen Politiklehre. Althusius versucht sich in den Kapiteln 21 und 22 an dem Gegenstand, den Hobbes in Vom Bürger zum selben Themenbereich untersucht.474 Für den Verfasser der Politica bedarf es eines besonderen Rechts, d. h. besonderer bürgerlicher Gesetze, die die „einem bestimmten Gemeinwesen angepasste Anwendung des allgemeinen natürlichen Rechts“ darstellen. Um mit Hobbes zu sprechen, verpflichtet das allgemeine Gesetz lediglich „in foro interno“, vor dem Gewissen. Althusius stellt für das allgemeine Recht fest: „es lehrt nur, lenkt hin und klagt die Menschen an.“ (XXI  31) Vor dem Hintergrund des unterschiedlichen individuellen Erkenntnisvermögens („Denn das Recht ist 474  Hobbes,

Vom Bürger IV; XVI  10 (insb. 260); XXVII  8 (insb. 283).

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nicht allen in gleicher Weise ins Herz geschrieben, seine Kenntnis wird vielmehr einigen umfassender und reichlicher, anderen in geringerem Maße zuteil“, XXI  21) sorgt die innerstaatliche Geltungsanordnung unbeschadet der individuellen Erkenntnisleistung für eine Gleichheit vor dem Gesetz (vgl. IX  8, 12). Es ist nun Aufgabe des Magistrats, das allgemeine, moralische und göttliche Recht den Gegebenheiten und Erfordernissen des konkreten Staats „besonders“ anzupassen (XXI  30, 32  f.; u. ö.). Inwieweit Abweichungen vom unveränderlichen Naturrecht legitim sind, stellt der Autor in den §§ 32 und 33 des 21. Kapitels vor. Eine Übereinstimmung muss insoweit bestehen bleiben, als Prinzip, Gegenstand und Ziel gemeinsam bleiben (vgl. auch X  8). „Die Übereinstimmung des besonderen mit dem allgemeinen Recht besteht in der analogen Ableitung (analogica deductione) aus dessen Prinzip, dem Gegenstand, um den es geht, und dem Ziel, das beiden Rechten gemeinsam ist. Das Prinzip ist die richtige und sichere Grundlage beider Rechte, auf [die] sie sich stützen und aus der das Gerechte erschlossen und Recht gesprochen wird. Der Gegenstand, um den es geht, ist dieselbe Rechtssache und derselbe Anspruch, für die beide Rechte gelten und auf beide zutreffen. Das Ziel beider ist die Gerechtigkeit und Frömmigkeit oder Heilung und die gleiche Billigkeit und das gemeinsame Beste in der menschlichen Gesellschaft.“ (XXI  32, Hervorheb. P.  K.)

Althusius beschließt diesen Abschnitt mit einer zeitgenössischen, theologisch bedingten Untersuchung zu den „besonderen jüdischen Gesetzen“ und ihrer etwaigen weiterbestehenden Geltung (XXI  34-XXII). Er stellt sie neben die besonderen Gesetze „bei den Römern und bei anderen Völkern und … bei den Deutschen“, wobei dem römischen Recht eine Sonderstellung eingeräumt ist, da sich „die allermeisten Gemeinwesen Europas heute“ der römischen Kodifikationen bedienen (XXI  33 a. E.). Es zeigt sich durch die differenzierte und kontextuelle Einordnung, dass die Politica keine theokratische Administration propagiert, sondern sich vielmehr an der Ablösung des (Natur-)Rechts von der Theologie beteiligt.475 1. Die Regierungslehre Umfangreicherer Bestandteil der althusischen Politikwissenschaft ist eine wenig originelle Regierungslehre. Sie steht in der Tradition antiker technēund phronēsis-Vorstellung, die er modifiziert. Technisches Wissen (Gewusst, wie) und politische Klugheit (Sich-Verstehen-auf) bedeuten für die Regierung des höchsten Magistrats die Einsicht in die richtige Auswahl der Verwaltungsmittel (XXI  10). Gut aristotelisch bekennt Althusius zunächst, dass 475  Malandrino dagegen äußert, dass Althusius’ „Definition der Politik und der Vertragslehre absolut nichts mit der modernen Naturrechtslehre im Sinne der Achse Hobbes-Rousseau zu tun haben kann“, ders. 2010, 18.



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es einem Magistrat nur zum Vorteil gereichen kann, wenn „er selbst einmal eine Zeit lang einem fremden Befehl gehorcht hat.“ (XXIII  19  f., Aristoteles, Politik III, 4 [1277b10]). Auf diese Weise werden die (Er)kenntnis über das und die Erfahrungen im Volk eng zusammengeführt zur politischen Klugheit. Es macht den obersten Magistrat urteilsfähiger und unabhängiger von den Urteilen seiner Ratgeber (XXIII  32  ff.). Volk ist nicht gleich Volk, deshalb erfordern bestimmte charakteristische Zuschreibungen bestimmte Herrschaftsformen und -stile (XXIII  12, 20; auch XXIII  3; u. ö.). Trotz dieser Unterscheidungen gibt es aufgrund ihrer Subordination allen Untertanen gemeinsame Einstellungen und Stimmungen gegenüber der Obrigkeit, die es über „Kundschafter“ zu erfahren gilt, die „Augen und Ohren ihrer Magistrate“ sind (XXIII  33). Dies kann im Offenen durch Befragung oder im Geheimen durch Bespitzelung geschehen (vgl. XXX  30). Als „ehrenvoll“ gilt es, durch häufige Versammlungen, auf denen freies Beschwerderecht gegeben ist, von diesen Stimmungen zu erfahren (XXIII  33; VIII  63  ff.; XXXIII  10  ff. [15]). Einen »höfischen Machiavellismus« verwirft der politische Denker in diesen Kapiteln auf das Schärfste. Höflinge unterwandern die Stellung des Magistrats, engen ihn in seiner Handlungsfähigkeit ein und schaden dem Ansehen von Politik überhaupt. Sie stellen neben Einstellung und Haltung der Untertanen eine ernsthafte Bedrohung für die politische Stabilität dar (XXIII  40–65). Regierungslehre = politische Klugheitslehre Polit. Einsicht

Kenntnis (Theorie) (XXI–XXV)

Allg. & bes. Gesetz (XXI, XXII)

Erfahrung (Praxis) (XXVI)

Wesen des Volks (XXIII)

Herrschaftsarten/ Reg.stile

Wohlwollend (XXIV)

Autoritär (XXV)

Arten von Klugheit (XXVII)

eigene

fremde

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Dass mit der Politica keine Theokratie unter säkularisiertem Schleier auftritt, zeigt sich ein weiteres Mal eindrucksvoll in dem auf Wohlwollen ausgerichteten Regierungsstil. „Besänftigung“ erreicht der Magistrat durch Wohltaten. „Was wäre denn mit Geld nicht käuflich?“, fragt der politische Lehrer rhetorisch. „Geld bringt Verschwiegenes ans Licht, so dass, wenn die Ehefrau bestechlich ist, auch Geheimnisse verraten werden. Eine derartige Wohltätigkeit ist in Wahrheit Bestechung. Dadurch werden auf arglistige Weise Herzen oder Mühen anderer Menschen gefügig und geneigt gemacht.“ (XXIV  29) Daran wird deutlich, wie weit sich Althusius in seiner politischen Klugheitslehre mitunter von der christlichen Moral und einem aristotelischen Tugendbegriff entfernt. Machiavellistische Herrschertugenden, Taktieren und Geheimhaltung gehören ebenso zum Panel althusischer Verwaltungsmethoden wie Verrat ein erlaubtes Mittel zur Durchsetzung von Staatsinteressen ist (vgl. auch XXX  31). Mildtätigkeit wandelt sich von einem Selbstzweck zum Mittel, welches der jeweiligen Situation gemäß einzusetzen ist. Die Regierungslehre gibt eingehenden Aufschluss über Subjekt und Objekt der Herrschaft. Boteros Definition der Staatsräson als die „Kenntnis der Mittel, eine Herrschaft zu gründen, zu bewahren und zu vergrößern“ schwingt beständig mit.476 Der oberste Magistrat ist Chef der Regierung, bei ihm ist „die gesamte Handlungs- und Entscheidungsmacht“ angesiedelt (XXV  11; u. ö.).477 Zu den Wissensvermittlern und »Informanten«, mit denen der höchste Magistrat Umgang und Gespräch zu pflegen hat, rechnen vorzüglich Theologen, Juristen, Philosophen und Historiker, weiterhin Naturforscher, Kaufleute, Soldaten, Reisende sowie Boten und andere, „die zahlreiche Gegenden durchzogen und große Erfahrungen gesammelt haben“ (XXI  12). Herrschaftswissen zeichnet sich demnach zuerst durch eine Anhäufung und Verfügbarkeit von Wissensbeständen aus traditionellen Wissens- und Erfahrungsgebieten aus. Es ist zu Anfang kein Geheimwissen, sondern rein auf Verständnis und Verständlichkeit angelegt. Die Regierungslehre vermittelt das Sonderwissen über die Zusammenhänge von „angeborenen, natürlichen und beständigen“ Grundhaltungen und veränderbaren Einstellungen. Grundvoraussetzung politischer Einsicht und Klugheit ist die Kenntnis der »unveränderlichen« „Natur der Herrschaft“ einerseits sowie der „erworbenen, akzidentiellen und veränderlichen“ „Praxis der Verwaltung“ andererseits. In einer kontingenten Welt ist Herrschaft stets Wechselfällen ausgesetzt, auf die es angemessen zu reagieren gilt (XXIV  1  f.). Als unveränderbar, gleichsam natürlich gilt, dass Herrschaft „den Untertanen ihrem Wesen nach verhasst ist“ (XXIV  1, 3  ff.). Diese Grundeinstellung 476  Botero, 477  Anders

Della ragion di stato I, 1. Koch 2005, 124  ff.



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wird mit der Einsicht in die „Praxis der Verwaltung“ zusammen zur Doppelnatur einer janusköpfigen Herrschaft erklärt. Es wird zur Aufgabe des Magistrats gehören, die Einstellungen der Herrschaftsunterworfenen den Gegebenheiten und Erfordernissen entsprechend zu verändern und gegebenenfalls zu modifizieren bzw. zu manipulieren. Das Wissen um diese „akzidentielle und veränderliche“ Herrschaft umfasst die Steuerungs- und Einwirkungsmöglichkeiten der Verwaltung, betrifft aber ebenso das eigene Verhalten des Magistrats. Innerhalb der Regierungslehre bilden die Kapitel 24 und 25 wiederum eine Einheit. Vor dem Hintergrund des Wesens der Herrschaft werden aus Sichtweise der Herrschaftsunterworfenen zwei unterschiedliche Regierungsstile beleuchtet. Althusius geht dabei davon aus, dass den Untertanen Herrschaft „ihrem Wesen nach verhasst ist“, d. h. gerade nicht ihre Notwendigkeit und Nützlichkeit erkennen (XXIV  3–7). Als Gründe dafür gibt er zum einen die Sitten der Herrscher an, die ihren größten Verfall im Tyrannen finden, zum anderen das Wesen des Volks, dem es „seiner Natur nach schwer fällt zu gehorchen“. Dafür nennt der politische Lehrer wiederum zwei Ursachen: das Freiheitsbestreben der Untertanen, die Gehorsam und Unterordnung „als eine Art Knechtschaft“ ansehen. Sie glauben, dass die Freiheit „ihnen rechtmäßig zustehe“ (XXV  65). Die zweite Ursache stellt auf eine anthropologische Grundhybris ab, danach jedermann sich für geeignet hält, nicht nur sich selbst, sondern das gesamte Gemeinwesen regieren zu können (XXV  65). Gegen den ersten Grund pflanzt der Autor – neben der institutionalisierten Amtskontrolle – die typisch neostoizistische Aufforderungen an den Magistrat ein, sich selbst zu beherrschen und den Verlockungen der Macht zu widerstehen. Der höchste Magistrat nimmt in jeder Hinsicht eine Vorbildfunktion ein (s. a. XXIII  31; XXX  29). Mit Blick auf das Volk steht ihm anschließend zu Gebote, einen den Umständen entsprechenden wohlwollenden oder autoritären Regierungsstil abwechselnd anwenden zu können. Beide Führungsstile gelten als Akzidenzien des Wesens von Herrschaft und wirken verändernd auf die Einstellung zur Herrschaft ein. Innerhalb der Politica vollzieht sich ein Paradigmenwechsel insoweit, als die Regierungslehre keinen »Idealstaat“ fortschreibt. Sie stellt – darin der Lehre Machiavellis ähnlich – vielmehr auf tatsächliche Herrschaftskonstellationen ab, wonach eine neue Herrschaft durch Gewalt (sic!) oder „rechtmäßig erworben“ wurde (XXIV  8  ff.). Die milde, gemäßigte Regierungsweise erhält den Vorzug vor einem autoritären Regiment (XXIV  15  ff.; vgl. auch XXXVII  82), d. h. sie soll den größeren Anteil ausmachen. Eine gemäßigte, auf Ausgleich bedachte und vermittelnde Stellung nimmt der oberste Magistrat bei Konflikten unter den Ständen bzw. den Magnaten des Reichs ein (XXXI  71; XXXVII  65). Eine derartige Leitung und Verwaltung beeinflusst die Einstellung der Untertanen

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

nachhaltig. Sie erscheint ihnen angenehm und lobenswert. Althusius zitiert Senecas stoische Schrift Über die Milde. Die Mildtätigkeit, die der althusische Magistrat walten lassen soll, ist jedoch nicht mehr diejenige, die der angeführte Gewährsmann Seneca im Schilde führte. Sie ist gegebenenfalls mit Methoden der Arcanpolitik zu durchsetzen. Althusius greift auf Lipsius’ neu-stoizistische Politik und dessen Lehre von der prudentia mixta zurück, einer Mischung aus cleverem Kalkül und gerechtfertigtem Betrug (Lipsius, Politik XIV, 13  f.). Allerdings macht er sich diese für seine Staatsklugheit nicht gänzlich zu Eigen. Es begegnen weitere Ansätze moderner Regierungslehren aus den Schriften Ammiratos (Dissertationes politicae, zit. als Discursus), der zwischen guter und schlechter Staatsräson unterscheidet, Boteros Della ragion di stato und Clapmarius’ De arcanis Rerumpublicarum.478 In diesem Zusammenhang tauchen moralisch zweifelhafte Aussagen auf wie die folgende: „wenn das Recht verletzt werden muss …, dann um des Herrschens willen“ (XXIII  58). Aufhorchen muss man schließlich auch, wenn Althusius neben der maßvollen Verwaltung von der „angenehmen“ (jucundus) Regierung spricht, wonach die Untertanen durch öffentliche Lustbarkeiten und Zerstreuungen von ihren Sorgen abgelenkt werden sollen (XXIV  31). Gleichwohl ist es nicht angezeigt, von einer Geheimlehre im Sinne der arcana imperii bei Althusius zu sprechen. Er sieht keine Notwendigkeit, eine solche innerhalb bzw. anstelle einer Regierungslehre zu etablieren. Sie würde ein unbotmäßiges und unverhältnismäßiges Mittel zugunsten der Verfolgung von besonderen Staatsinteressen auf Kosten des Gemeinwohls darstellen. Umgekehrt wird angesichts des Regierungsstils eine der arcana imperii geradezu gegenläufige Partizipation der Untertanen damit begründet, dass sie dann bereitwiller gehorchen (XXIV  41). Das bedeutet wiederum nicht, dass der Magistrat „jedes Gerede auch des untersten Volks aufzunehmen sucht“ (XXV  50). Der autoritäre Führungsstil besteht in „Bewunderung und Furcht“, die „die Menschen mehr in ihrer Pflicht hält als Waffen und Strafen“ (XXV  3, 2). Er ist auf Kontinuität und Erhaltung des status quo angelegt, stellt aber im Notfall die richtige Regierungsweise dar. Drei Gründe werden für die Hebung des Ansehens des Magistrate benannt: Tatkraft, Glück und Sittsamkeit. Auch der alternative Führungsstil steht unter dem Verdikt der Verhältnismäßigkeit. „Ehrerbietung [darf man] nicht durch Zwangsherrschaft zu erreichen suchen“ (XXIV  21). Strafen sind angemessen zu verhängen, Waffengewalt ist maßvoll und nicht ohne vorherige Beratung einzusetzen. Autorität kennzeichnet das Alleinstellungsmerkmal des obersten Magistrats insbesondere innerhalb der Führungsschicht. Gerade weil er zur effektiven 478  Ammirato, Discorsi XVII. Althusius zitiert das Werk hier als De politia constituenda (XXIV 13), abweichend aber auch De politia bene / recte instituenda.



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Regierung und Verwaltung auf die Übertragung von Aufgaben und Zuständigkeiten angewiesen ist (s. XXIV  14), erfordert die Führungsaufgabe gegenüber den nachgeordneten Herrschaftsausübenden eine praktizierte Würdenstellung. Besonders eindringlich ist diese Passage in direkter Ansprache an den höchsten Staatsdiener („a te“) formuliert. Bei aller Mediatisierung, die mit der ständischen Mitbestimmung und einer arbeitsteiligen Adminis­ trationsorganisation einhergeht, will Althusius nicht auf einen starken Magistrat verzichten. Bei der Ausgestaltung der Herrschaftsorganisation entwickelt Althusius daher eine Affinität zum römischen Diktatorenamt. In den Schlüsselqualifikationen bestehen deutliche Übereinstimmungen zu den Anforderungen an einen Heerführer (vgl. XXXV  29  ff.). Große Herrschaftsgewalt soll allerdings nur von kurzer Dauer sein, da ansonsten die Gefahr eines Putsches zu groß sei (XXV  12  f.; vgl. auch XXXIX  40). Zumal für ein demokratisch eingerichtetes Gemeinwesen setzt der Autor neben der zeit­ lichen Beschränkung der regulären Magistrate zusätzlich in Notzeiten auf eine Zusammenziehung größter Herrschaftsgewalt in einer Person (XXXIX 69, 72). Gewissenhaft und konsequent hat er die seiner Amtsführung zur Verfügung stehenden Machtmittel Geld, Waffen und Bündnisse zu gebrauchen. Mit nüchternem Blick erkennt der Autor dem Geld wiederum eine entscheidende Rolle im autoritären Politikstil zu: „Alles nämlich ist durch Geld käuflich, ob man Soldaten oder Bundesgenossen zu haben wünscht oder Feinde oder auch Städte zugrunde richten will.“ (XXV  17; vgl. auch XXXV  52) Entgegen der Intention Ciceros beruft Althusius sich zur Untermauerung auf dessen Rede gegen Verres, in der der römische Jurist gerade umgekehrt mit diesem Argument der Anklage gegen den betrügerischen Verres reüssiert. Geld dient nicht allein der anerkannten Erleichterung des Austauschs von Waren (Aristoteles, Thomas), mit Geld werden Menschen zu käuflichen Waren gemacht. Der Käuflichkeit setzt Althusius andernorts den Appell an die Beständigkeit und Tugendhaftigkeit entgegen. Sein und Sollen sind in der Regierungslehre aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet. Politische Klugheit darf mit der Bestechlichkeit der Menschen rechnen, wenn es auch der Sittenlehre widerspricht. Die Regierungslehre der Politica bleibt unterdessen auf den „glücklichen Erfolg“ (felix successus) angewiesen. Machiavelli verband fortuna mit der virtù zu einem Begriffspaar, wonach sie „zwar zur Hälfte Herrin über unsere Taten ist, daß sie aber die andere Hälfte oder beinahe so viel unserer Entscheidung überlässt.“ (Vom Fürst XXV, 193). Auch Althusius nimmt eine Gewichtung des Kräfteverhältnisses vor. Der glückliche Erfolg ist „vor allem“ (ante omnia) für eine unangefochtene Machtstellung nötig. Auf ihn darf man nur hoffen, wird er doch außerhalb menschlicher Einflussnahme „durch göttliche Fügung beschieden“. Was der Magistrat gleichwohl wissen kann und tun soll ist, seine Regierung durch „innere und äußere Tugend“ zu prä-

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gen (XXV 25–48). Autorität vermittelt er nicht zuletzt durch Selbstdisziplin im Bemühen um Tugendhaftigkeit, die über den Beamtenstab in seiner ­unmittelbaren Umgebung in immer größer werdenden Kreisen ausstrahlt (XXV 7). Althusius widersetzt sich allerdings einer neostoizistischen Tendenz, eine fehlende Amtskontrolle durch eine Moralisierung der Herrscherpersönlichkeit zu ersetzen (vgl. auch Vorwort 1603, 17 f.). Eine reine »Politik der Milde« oder eine »Politik der Moral« kann keine passende Antwort auf den aufziehenden Absolutismus darstellen. Stattdessen sind Machtteilung und -kontrolle die Mittel der Wahl, die mit einem Widerstandsrecht als Ultima ratio abschließen. Die innere Selbstdisziplinierung verbindet sich mit der äußeren Kontrolle durch die Ephoren zu einer Politik der Beschränkung und Mäßigung. Althusius baut ein kurzes Brevier in seine Klugheitslehre ein, das im Hinblick auf die direkten Ansprache an den obersten Magistrat („a te“) als ein belehrender Fürstenspiegel bewertbar ist und unter anderem Anleitungen zu Sprache, Auftreten und Körperhaltung enthält. Darüber hinaus ist die althusische Regierungslehre eine Handlungsanleitung der Macht. Einschüchterung, Misstrauen, Bestechung, Täuschung und Betrug kommen auf einer Stufe neben den ethischen Tugenden der Frömmigkeit (pietas), Tapferkeit (fortitudo) und Besonnenheit (modestia) zu stehen. Diese wiederum bilden einen Annex zum autoritären Führungsstil und wandeln sich mithin von ihrem Selbstzweck zu einem Mittel im Einsatz politischer Führungsstärke. Wie weit die althusischen Magistrate von den Philosophenkönigen entfernt sind, zeigt sich in ihrer Charakterisierung, wonach „auch sie nur Menschen und menschlichen Schwächen unterworfen sind. Denn kein Mensch verfügt über eine solche Begabung, Weisheit und Tugend, dass er alles, was die Praxis des Gemeinwesens erfordert, weiß, sieht und erkennt und an jedem Ort und zu jeder Zeit wissend ist“ (XXV  63; XXXVIII  4). Althusius geriert sich mitunter als advocatus diaboli und tritt als Anwalt des Principe auf, ohne Machiavelli beim Namen zu nennen. Autorität dient dem Ruhm und umgekehrt. Deshalb nähert Althusius, wie Janssen mit Bezug auf Carney in seiner Übersetzung richtig bemerkt, die Ehrerbietung (reverentia) der Autorität (autoritas) an.479 Autorität bedeutet „Bewunderung und Furcht“; die Ehrerbietung entwickelt sich zum »Ruf«, der sich als wechselnd einsetzbares Technikmittel zeigt. Die Autorität leidet unter einer „eher matt[en] und kraftlos[en]“ Herrschaft (XXV  50  f.), die nicht mit der milden Herrschaftsart verwechselt werden darf. Das Denken in Alternativen führt den Autor zur vergleichenden Abwägung: „Schlimm ist es, einen Herrscher zu haben, unter dem niemand etwas erlaubt ist, noch schlimmer aber, einen Herrscher, der jedem alles erlaubt“ (XXV  50). Deutlich tritt ein Realismus zutage, der aus der Staats- und Gesellschaftslehre 479  Janssen

Fn.  1 zu XXV.



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fortgeschrieben wird. Dort galt: alles Tun und Trachten in der Konsoziation ist im Spiegel der Nützlichkiet und Notwendigkeit zu reflektieren; was in der Regierungslehre zählt, ist der tatsächliche Erfolg. Den Erfolg beweist der Magistrat „in der Tat“ (XXIV  33  f.). Die Tat- und Schlagkraft (strenuitas) des Magistrats gerät ins Wanken durch „schlechte Sitten“, indem er „sich selbst zuerst verachtet“ und daran anschließend „die Untertanen und Auswärtigen [ein] verächtliches und niederdrückendes Urteil über den Magistrat und seine Stellung“ fällen. Der Erfolg einer Regierung ist also von einer Innen- wie von einer Außenperspektive abhängig (XXV  51, 49). Kapitel 26 ist der praktischen Klugheitslehre gewidmet. Unter Praxis ist die „Erfahrung der Dinge“ zu verstehen, „die man durch eigene Wagnisse und Beispiele kennen gelernt hat“ (XXVI  1). Ihr räumt der Autor gegenüber der Unterweisung den Vorrang zu, sie fördert „reine Erkenntnis“ und macht den gewichtigeren Bestandteil „vollkommener Erkenntnis“ aus (XXI  11). Sie bestimmt die „Fähigkeit zur Auswahl dessen, was bei der Verwaltung des Gemeinwesens zu tun und zu unterlassen ist“ (XXI  10). Es ist das »machiavellistischste« Stück der Politica insgesamt, wiederum ohne Ma­ chiavelli zu zitieren. Althusius empfiehlt – ganz gegen die Grundhaltung in der Konsoziationenlehre  –, „nicht zu großes Vertrauen auf Freundschaft oder Verwandtschaft“ zu setzen (XXVI  3). Der Magistrat muss ständig auf der Hut sein, Gefahrenlagen antizipieren, sich gegebenenfalls gegen die eigene Überzeugung der „Zeit und Gelegenheit (tempus & occasio) an[zu]passen, ohne auf Glück und Zufall zu setzen“ (XXVI  3, Einfüg. P.  K.). Das Urteilsvermögen soll ihm helfen, „Ehrenhaftes, Nützliches und Gutes von Unehrenhaftem, Unnützem, Unerlaubtem und Schädlichem zu trennen“ (XXVI  5). Das beworbene Unterscheidungsvermögen entspricht ganz Ciceros Lehre aus De officiis, dem Konflikt zwischen Sittlichkeit und Nutzen.480 Alles Ehrenhafte ist auch immer das Nützliche und umgekehrt. Ein Konflikt zwischen Moral und Nutzen ergibt sich nicht. Nun vollzieht der frühneuzeitliche Politiklehrer aber eine bemerkenswerte Kehrtwende, indem diesem Urteils- und Unterscheidungsvermögen ein „bestimmtes Maß an Misstrauen und Täuschung hinzuzusetzen“ ist (XXVI  5). Die Beherrschung dieser Mittel wird für den Magistrat als notwendig bezeichnet, „[d]enn man versteht nicht zu regieren, wenn man sich nicht zu verstellen weiß“ (XXVI  9). Dort, wo das Fell des Löwen dem Magistrat nichts nutzt, zieht er das des Fuchses über (XXVI  10). Ciceros und Aristoteles’ Schriften werden zur Veredelung der Regierungslehre gebraucht, auch Platon wird wieder herangezogen, ohne allerdings auf seine »edle Lüge« zurückzugreifen (s. XXI  6, 10, 17 [hier a. E. auch 7. Brief Platons]; XXIII  31). An keiner Stelle der Politica 480  Cicero wird in Kap. 26 nicht direkt zitiert, dagegen paraphrasiert Althusius u. a. aus Lipsius’ „Politica, lib. 4. c. 14 ex Cic. refert.“ (XXVI  9).

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»emanzipiert« sich die Politik jedoch so deutlich von der Moral wie in den Kapiteln der Regierungslehre. Althusius führt Autoren der Staatsräsonlehre (Botero, Lipsius), des Neo-Stoizismus (Lipsius, Ammirato) und der Arcanpolitk (Clapmarius) an, wenn er auch darum bemüht ist, die Spitzen zu kappen. So spricht er davon, dass nur ein „besonnenes Misstrauen“ zu loben sei. Jedenfalls ist der Anschein des Misstrauens zu vermeiden (XXVI  7). Um seine Pläne wirkungsvoll umzusetzen, ist es notwendig, auch wider Willen und mit Bedauern in vielem täuschen zu müssen. Unter „Täuschung ist das Verschweigen des gegenwärtig nach Ort und Zeit Bekannten und Gewussten“ zu verstehen. Sie wird mit Ammirato eine „hervorragende Kunst, mit anderen sein Spiel zu treiben“ genannt (XXVI  8). „Am besten“ hat sie so zu geschehen, „dass sie nicht völlig offensichtlich ist“. Charakteristisch wiederum ist der Einbau des Übermaßverbots, das zumindest den „großen Betrug“ des Lipsius verbietet (vgl. auch XXXI  30  f.).481 In diesem Zusammenhang stehen weiterhin die Geheimhaltungspflicht der Räte – „Geheimhaltung ist nämlich die Seele des Rats“ (XXVII  54)  –, aber auch die Kundschafter als „Augen und Ohren ihrer Magistrate“, die Staatsgeheimnisse sowie die Anlegung „geheimer Bücher“, in denen der Magistrat seine Herrschaft „wie in einem Spiegel betrachten“ kann (XXVI  12). Althusius betreibt zu diesen Administrationsmitteln keinen allzu großen Rechtfertigungsaufwand. Allzu klar ist für ihn, dass die Verfolgung des Allgemeinwohls die Anwendung dieser „Requisiten“ rechtfertigt. Schuldhaft ist ein solches Vorgehen nach der Ansicht der Juristen nicht, da eine gute Absicht (bonus dolus) dahintersteht (XXVI  10 a. E.; vgl. auch XXX  31). Als „ehrenhafte Täuschung“ (simulationes honestae) erregt sie auch moralisch keinen Anstoß beim deutschen Staatslehrer. Keinesfalls soll die politische Klugheitslehre aber dazu dienen, absolutistische Machtansprüche zu verschleiern. Keinesfalls wird der Anspruch aufgegeben, dass der Magistrat eine Vorbildfunktion für das tugendhafte Leben der Bürger einnimmt (XXIII  31). Die Regierungslehre beschließt mit bedeutsamen Aussagen in Kapitel 27. Regierung und Verwaltung bedürfen einer Organisationsstruktur, die dem Magistrat an der Spitze fachkundige Berater zur Seite stellt. Hier gilt wiederum Kommunikation als Losung für erfolgreiche Regierungsarbeit: „Am besten ist es, wenn der Herrscher die Meinung vieler hört, denn zur Nachforschung und Urteilsbildung sind mehrere eher imstande als einzelne.“ (XXVII  53) Indem die Regierung auf verschiedene Mitteilungswege ange481  Lipsius unterscheidet in seiner prudentia mixta den kleinen (Misstrauen und Geheimhaltung), mittleren (bewusste Täuschung) und großen Betrug (Wortbruch und Ungerechtigkeit): ders., Politica IV 13–14; vgl. Oestreich 1989, 184  f.; Llanque 2008, 194.



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wiesen ist, fügt sie sich in die stattfindende Kommunikationen in Staat und Gesellschaft ein (vgl. VIII  3; IX  24; XVII  60; XXIII  36; XXVII  53; XXIX  40; XXXIII  20). Durch die Berater verfügt der Herrscher gleichsam über eine »geliehene« Klugheit. Bestand und Sicherheit des Staates hängen maßgeblich von der Qualität der Ratgeber ab: Ein schlechter Herrscher und gute Ratgeber sind für das Gemeinwesen besser als schlechte Ratgeber und ein guter Herrscher (XXVII  31  f.). Freier Sinn und Verschwiegenheit, Treue und Klugheit sind die Anforderungen an die Kandidaten, die zugleich eine positiv formulierte Absage an Höflinge und Schmeichler darstellen. Die Berater werden näherhin in „Prinzipale“ und „Administrale“ unterschieden. Zum höheren Dienst zählen die Vorsteher und Senatoren, zu den letzteren zählen Sekretäre, Schreiber und weitere Mitarbeiter (XXVII  48). Bevorzugungen und Günstlingswirtschaft sind unter allen Umständen zu vermeiden, da sie Abhängigkeiten schaffen und Handlungsspielräume einschränken. Stattdessen gilt die Freiheit der Rede und des Urteils als ein hohes Gut, auf welches der Magistrat bei der Geschäftsverteilung mit Gleichbehandlung reagieren soll. Die Ratgeber sind in zu Konsultationen eingerichteten Gremien organisiert, denen selbst keine Befehls- oder Jurisdiktionsgewalt zukommen. Entscheidungen des Magistrats sind immer erst nach eingehenden Beratungen zu treffen. Sie sollen sich auf die Meinung vieler stützen, was für eine ausgewogene Urteilskraft sorgt und der öffentlichen Akzeptanz der zu treffenden Entscheidungen dient. Neben denen, die bloße Informationen aus den Provinzen beschaffen, gehören ausgewählte Ratgeber zum engeren Führungskreis der Verantwortungsträger. Sie sind in speziell ausgewiesenen Ressorts tätig, was die Ausbildung einer ausdifferenzierten Bürokratie begünstigt. Zum Grundbestand zählen der Hofrat, Finanz- und Militärrat und weitere Ressorts (XXVII  46–48, exemplarisch dargestellt für Belgien). Sie arbeiten dem Magistrat zu, der auf diese Weise gegenüber den Ständen auf den allgemeinen Reichsversammlungen einen strukturellen Informationsvorsprung innehat. Ihre Beratungen unterliegen einer Geschäftsordnung: Vorschlag, Anfrage, Prüfung und Beschluss liegen im alleinigen Verantwortungsbereich des Magistrats. Den Ressorts dagegen kommt kein Initiativrecht zu, sondern eine umfassende Beratungspflicht (XXVII  41). Den Ratschlägen wird eine gewisse Bindungswirkung beigemessen, die Althusius damit begründet, dass die Willensbildung in einem aristokratischen oder demokratischen Gemeinwesen nicht mehr allein im Belieben eines Einzelnen steht (XXVII  55). An den Verhandlungen muss der Magistrat teilnehmen (XXVII 64). Für die Regierungsvorhaben besteht eine sachliche Diskontinuität, d. h. mit der Beendigung des Herrscheramts (i. d. R. durch Tod) ist das Vorhaben erledigt (XXVII  55). Die Ratgeber sollen ausdrücklich auch dem „gemeinen Volk“ entstammen, nicht allein aus dem Adel oder dem Klerus (XXVII  34). Dabei ist

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zudem auf eine proportionale Auswahl aus den Ständen und den Provinzen zu achten (XXVII  35). Grundsätzlich soll schon der bloße Anschein vermieden werden, der oberste Magistrat setze sich bevorzugt für einseitige Belange des Adels oder des gemeinen Volks ein (XXXVII  72). Diese Durchlässigkeit auf der personellen Verwaltungsebene der universalen consociatio stellt die Integrationskraft des politischen Systems unter Beweis. Da das „gemeine Volk“ an der Kommunikation über das Gemeinwesen beteiligt wird, stärkt sie die demokratische Seite des »Kommunikationsstaates«. Entscheidend für die Auswahl ist nach der Tugendhaftigkeit vor allem die Tauglichkeit, d. h. die Befähigung zur Besorgung der jeweiligen Aufgabe. Die Ratgeber müssen sich einem »Qualifikationstest« unterziehen (XXVII 10–26, 27) und sind der Treue gegenüber dem Gemeinwesen verpflichtet. Deshalb dürfen sie nicht befangen, aber auch nicht »Diener zweier Herren« sein und über keine eigene Herrschafts- und Befehlsgewalt verfügen (XXVII 33, 6). Gleich einer »Verbeamtung« werden sie vereidigt und stehen deshalb – über das allgemeine Folgeleistungsversprechen als Bürger hinausgehend – in einem besonderen Gewaltverhältnis (XXVII  30, 73). Sie erhalten für ihre Tätigkeit „eine Belohnung“. Diese wird wegen des treusorgenden ­Bemühens unabhängig vom Erfolgseintritt geschuldet; Fehlverhalten wird mit »dienstrechtlicher« Strafe sanktioniert. Die Ratgeber und Beamten stehen unter ständiger Bewährung (XXVII  73, u. ö.). Nach dem Dafürhalten des Autors bilden die Ratgeber ebenso wie die Repräsentanten der Reichsstände das aristokratische Element in der favorisierten Mischverfassung (XXVII  44). Als Bindeglied zwischen Regierungslehre und Staatsorganisationsrecht fungiert das der Politica angehängte Kapitel 39 Über die Arten des obersten Magistrats. Schematisch ist es in den Begründungszusammenhang zur Einsetzung, Regierung und Amt des obersten Magistrats verortet (s. Schema politicae; XXXIX  vor 1), systematisch kommt dem Kapitel die Funktion einer schließenden Klammer zu. Hier arbeitet Althusius – gegen die Einwände insbesondere Henning Arnisaeus’, Bartholomäus Keckermanns und des Herborner Kollegen Philipp Hoen zur ersten Ausgabe 1603 – in der Ausgabe von 1610 heraus, dass die Souveränität unabhängig von der Regierung als Organisationsform zu betrachten ist: „Die Souveränitätsrechte (jura majestatis) kommen bei allen Arten der Magistrate und in allen Herrschaftsformen stets dem Volke zu“ (XXXIX  3). Das jus majestatis bleibt unveräußerlich und unteilbar (XXXIX  3, 36, u. ö.). Hobbes ähnlich lässt er monarchische und polyarchische Herrschaftsformen zu. Wie dieser lässt er eine klare Präferenz für die monarchische Regierungsform erkennen, obzwar beide Denker auch Nachteile benennen (XXXIX  30, 32, 41).482 Althusius 482  Hobbes,

Leviathan, Kap. 19, 147.



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hält sich an die »herrschende Meinung«, die „die Monarchie für besser und nützlicher als die anderen Arten“ hält. Kurzerhand zählt er Thomas Morus unter Bezugnahme auf die Utopia („lib. 1, c. 2“) so gut wie den Stagiriten unter Verweis auf dessen Politik („lib. 8, c. 10“) zu den Befürwortern der Königsherrschaft. In der Monarchie stellt sich die Herrschaft als politischer Wille augenscheinlich einheitlich dar. Wird die Ausübung der Regierungsgewalt (potestas imperandi) dagegen von einer Personenmehrheit wahrgenommen ist sie unter diesen Bedingungen gleichermaßen Stimme und Wille eines einzigen (polyarchisch strukturierten) Magistrats (XXXIX  12, 14, 34; vgl. auch XVIII  21). Kommt es seinem Gegenspieler Bodin unter Vernachlässigung der Staatsform entscheidend auf die „Regierungsart“ an, lehnt Althusius diese Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes entschieden ab. Sein Verständnis von Politikwissenschaft verbietet es ihm, die auf umfassende Darlegung und Erkenntnis angelegte Allgemeine Staatslehre zu amputieren und die Regierungsarten losgelöst vom Gemeinwesen zu betrachten: Die Politikwissenschaft (ars politica) müsse allgemeingültig sein; sie solle, unabhängig von je eigenen Gesetzen der unterschiedenen Konsoziationen, „für alle besonderen Umstände, Orte, Zeiten und Völker immer und überall passen und auf sie angewendet werden können“ (XXXIX  85). Für Althusius ist die Staatsform immer politie, die es von einer Organisationsform „popularis“ allerdings zu trennen gilt. Sein Verständnis von Republik unterscheidet sich von dem des französischen Antagonisten. Das aus demokratischen (Komi­ tien), aristokratischen (Ephoren) und monarchischen oder polyarchischen (Summus Magistratus) Elementen gemischt zusammengesetzte Gemeinwesen entwickelt sich in der Regierungslehre fort: „Denn aus dem Vorangehenden und meiner ganzen politischen Lehre ergibt sich, dass ich keine Art des Magistrats anerkenne, die frei von jener Mischung ist.“ (XXXIX  23). Der Blick wird nunmehr auf die Regierungsarten des obersten Magistrats gerichtet. Der status des Gemeinwesens folgt der Art des obersten Magis­ trats (vgl. XXXIX  85). Dabei kommen Reinformen in der Realität nicht vor, sie verbannt der Autor mit der platonischen Politeia ins Reich der Utopie (XXXIX  23). Sie sind der Fehlbarkeit der menschlichen Natur und dem gesellschaftlichem Leben unangemessen (ebd.). Dagegen existieren Mischungen, die sich im Übrigen nach dem vorwaltenden Moment bestimmen. Das Wesen der Monarchie bestimmt sich danach, ob der oberste Magistrat „durch den Willen und die Herrschaftsgewalt eines Einzelnen“ die Herrschaftsgewalt ausübt (XXXIX  6), das Wesen der Aristokratie danach, „dass mehreren Amtskollegen (socii, P.  K.) als Gleiche mit der gleichen Herrschaftsgewalt“ ausgestattet sind (XXXIX  47), und schließlich in der Demokratie, „dass die Angehörigen des Volks (populares, P.  K.) abwechselnd herrschen und gehorchen“ (XXXIX  61). Das Deutsche wie das Französi-

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sche Reich werden nach dieser Grundlegung im Hinblick auf die Regierungsform vom Autor als Monarchien bezeichnet, da das monarchische Moment trotz anderer Elemente (Reichsversammlung, Parlamente) das vorherrschende darstellt (XXXIX  8  f.). Sofern sich der Blick auf die mittlere, provinziale und reichstädtische Stufe eines Gemeinwesens richtet, kann dort etwa aufgrund einer Abhängigkeit der Magistrate vom Volk ein demokratischer Status festgestellt werden, so dass innerhalb der Stufen eines staat­ lichen Gemeinwesens unterschiedlichen Organisationsformen vorliegen können (XXXIX  10). „Wenn aber von den Provinzen, größeren Städten und Herrschaftsbereichen gesagt wird, dass auch sie mitunter aristokratisch, monarchisch oder demokratisch regiert werden, so geschieht dies mit weniger Berechtigung. Denn dies kann man nur für die symbiotische universale Gemeinschaft eines Reichs oder Gemeinwesens gelten lassen“ (XXXIX  84). Der Staat (status) der universalen consociatio bestimmt und benennt sich daher allein nach der Regierungsform des obersten Magistrats (XXXIX  84). Selbst unter einer monarchischen Regierungsform besteht Althusius gegen den Schotten Barclay und andere darauf, dass der Alleinherrscher im Hinblick auf Beschlüsse in wichtigen Angelegenheiten auf die erklärte Zustimmung der Ephoren angewiesen bleiben muss (XXXIX  7). Hier entfaltet die Politie als Staatsform ihre Ausstrahlungswirkung umgekehrt auf die monarchische Regierungsform (vgl. XXXIX  85  f.). Den polyarchischen Formen der Aristokratie und Demokratie gemein ist die „zwischen mehreren vereinbarte abwechselnde Herrschaft“ (XXXIX  32). Die Abwechselung (vicissitudo) ist allerdings verschieden ausgestaltet. Während sie in der Aristokratie darin besteht, dass die politische Macht unter den Aristokraten, d. h. unter „wenigen adligen oder reichen Optimaten“ aufgeteilt und die eine Herrschaftsgewalt »abwechselnd« in diesem oder jenem Ressort ausgeübt wird, tritt in der Demokratie hinzu, dass sich zudem ein Wechsel zwischen den Herrschaftsausübenden und den Herrschaftsunterworfenen vollzieht (XXXIX 61). Im Notstand wandelt sich der polyarchische Status dahingehend, dass die Regierungsgeschäfte faktisch monarchisch – Althusius befürwortet einen auf Zeit eingesetzten Diktator – ausgeübt werden (XXXIX  40  f., 72). Die polyarchische Regierungsform bleibt – unbeachtet eines schleichenden Verfassungswandels – davon zunächst unberührt (XXXIX  40  f.). Verfassungswandel ist eine politische Realität, auf die sich jede Regierungsform auf gesetzlichem Weg absichern sollte, zu verhindern ist er nicht (XXXIX  66, 75–82; XXIV  2, 7 a. E.). Eine Kreislauftheorie wird von Althusius dagegen nicht entwickelt. „Der demokratische Status ist dort gegeben, wo das Volk die oberste Herrschaftsgewalt (summa potestas, P.  K.) hat, das nach erfolgter Beratung die Souveränitätsrechte ausübt.“ (XXXIX  21). Die Regierung wird „mit



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Zustimmung und auf Befehl des Volkes“ ausgeübt (XXXIX  58 a. E.). Dies geschieht in Wahlen und Abstimmungen. Danach wird „über alles“ oder eingeschränkt „über das meiste, größte und wichtigste“ abgestimmt (XXXIX  64). Dazu werden die Stimmen aller jeweils in den aus der römischen Antike überkommenen Einteilungskategorien zenturien-, tribus- oder kurienweise gesammelt (XXXIX  57, 68). Zumindest für die Wahl der Magistrate erweitern sich die Optionen noch um den traditionalen Legitima­ tionstypus „Brauch der Väter“ und den rationalen Legitimationstypus „nach dem Gesetz eines jeden Gemeinwesens“. Als demokratietheoretisch (popularis) gilt die Ämterbesetzung durch das Los (per sortem, XXXIX  63), so dass schließlich vier Modi zur Verfügung stehen. Zur Frage, ob die antiken Einteilungen, die bereits zu ihrer Zeit keine der Realität entsprechende Abbildung der zahlenmäßigen Verhältnisse der erfassten Bürger darstellten, ohne Änderungen übernommen werden sollen, gibt Althusius nunmehr den Hinweis, dass die Bürger „entsprechend ihrer Anzahl“ erfasst werden (XXXIX  64).483 Während es keine Differenzierungen oder Einschränkung für die Wählenden („von allen gewählt“) gibt, kommt für den Autor nur eine indirekte, repräsentative Demokratie in Betracht. Auch in der Volksherrschaft regieren nur „einige“. Aristokratie und Demokratie nähern sich einander an; Althusius’ „Mischverfassung“ gibt sich erneut zu erkennen: die ratio gubernandi soll in der Demokratie als aristokratisch gesetzlich festgeschrieben werden (XXXIX  74). Unter „Einigen“ versteht sich eine Personenvielheit; diese nehmen in der Demokratie ihre Aufgaben zeitlich befristet wahr (XXXIX  57, 58 a. E., 69). Personelle Diskontinuität besteht weiterhin darin, „dass dasselbe Magistratsamt nur einmal bekleidet werden kann, oder nur ganz selten und für wenige Jahre“ (XXXIX  64). Wählbar ist jedermann, aus „jedem Stand der Bürger“ unabhängig von Sachkunde und Fähigkeit (XXXIX  63). In der politischen Klugheitslehre stellt die Bestimmung durch das Los eine Unwägbarkeit dar, da der Magistrat für Althusius über bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten und eigene Erfahrung verfügen soll. Aus diesem Grunde nehmen die Berater, die keiner demokratischen Wahl durch das Volk unterliegen, eine besonders wichtige Stellung gegenüber „den Unwissenden und Unerfahrenen“ ein (XXXIX  63). Unter Rückgriff auf Aristoteles sieht Althusius das demokratietheoretisch reinste Verfahren bei der Stellenbesetzung trotz des entwickelten Anforderungsprofils durchaus für eingeschränkt anwendbar, so dass sich „wenigstens diejenigen, die keiner Erfahrung oder Fertigkeit bedürfen“ durch das Los bestimmen lassen (XXXIX  63). Auf diese Weise können hohe demokratische Legitimation und Legitimation kraft Kompetenz nebeneinander treten. 483  Fredouille 1999, 116 (Kurien), 216 (Tribus), 237 (Zenturie); Söllner 1996, 23  f.; Christ 1994, 17, 37.

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Der demokratischen Regierungsweise steht Althusius allerdings skeptisch gegenüber. Seine Vorbehalte äußern sich jedoch aufgrund der gemischten Staatsverfassung grundsätzlich nicht so stark wie diejenigen von Hobbes. Auf theoretischer Ebene sieht sich die Demokratie einer Widersprüchlichkeit ausgesetzt „weil nicht alle gleichzeitig selbst befehlen und gehorchen könnten.“ (XXXIX  60) Der politische Denker macht sich diese Ansicht nicht zu Eigen. Er löst den Widerspruch vielmehr unter Verweis auf das Bedingungsgefüge des Wechsels: „Dabei herrschen sie in der Weise und unter der Bedingung, dass sie zu bestimmten Zeiten auch gehorchen, und sie gehorchen unter der Bedingung, dass sie im Wechsel auch herrschen“. Althusius betont, dass in dieser Abwechselung die für die Demokratie erforderliche „Gleichheit der Würden und Freiheit“ besteht. Gerade gegen eine einebnende Gleichheit (aequalitas) erhob er jedoch zuvor den Einwand, ungerecht zu sein (VI  47). Denn „gäbe [es] keine Abstufung der Tüchtigkeit, keine der Verdienste“, so folgert der politische Denker für die Herrschaftsordnung, „dass gerade die Gleichheit höchste Ungleichheit wäre“ (I  37). Althusius’ Lehre von der aequabilitas setzt sich auch unter demokratischen Bedingungen durch und verhindert die Totalität des Staats- bzw. Gemeinwohls auf Kosten der individuellen Würde. Letztlich erlangt der althusische Symbiot seine (menschliche) Würde nicht dadurch, dass er einem sittlichen Gemeinschaftskörper unterworfen ist. Sie muss allerdings unter allen Regierungsformen zum Ausdruck kommen. Für Rousseaus Lehre von der aliénation totale ist hier kein Raum. Freiheit und Würde einerseits, Volksherrschaft als Herrschaft der Masse andererseits, das passt für Althusius nicht recht zusammen. Freiheit und Würde sind personalisierte Rechte, sie sind nicht massentauglich. Lediglich als „Freiheit des Volkes“ erkennt er eine entpersonalisierte Freiheit an. Das antike Argument, das Volk verfolge seine Eigeninteressen anstelle des Allgemeinwohls, feiert Wiederkehr (XXIII  27, 34; u. ö.). Auf der praktischen Ebene ist die Demokratie anfälliger für die Instabilität der politischen Ordnung, die zum einen im demokratischen Magistrat begründet ist (Wandel zu Aristokratie, Ochlokratie und Tyrannei, XXXIX  69, 75, 78–81), zum anderen in einem zu starken Freiheitsbestreben des Volks liegt (Anarchie, XXXIX  81  f.). Der Vorbehalt reicht sogar soweit, dass das Verderben des Staates zu befürchten steht, wenn ein monarchischer oder aristokratischer Magistrat „das Gemeinwesen nach dem Urteil des Volks regiert“ (XXV  50; u. ö.).



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2. Die Ausgestaltung sozietaler Rechtsstaatlichkeit Carl J. Friedrich sieht in Althusius einen „Theoretiker des Verfassungsstaats, d. h. des auf einer Verfassung spezifischer Art beruhenden Rechtsstaates“.484 Zugleich charakterisiert Friedrich den Autor als »Staatsund Gemeinschaftsabsolutist«.485 Diesen prägnanten, scheinbar widersprüchlichen Einschätzungen ist zuzustimmen. Althusius’ Konsoziationenbund beruht auf den nomokratischen Staatsvorstellungen Platons und Aristoteles’ (X  8; XVIII  31, 36). Der Administrationsstaat der Politica nimmt in der Regelungsdichte seiner Aufgaben konkrete Gestalt an. In nahezu allen Lebensbereichen erfolgt eine administrative Penetration aufgrund der spezifischen Anforderungen eines auf die Bedürfnisse der consociatio ausgerichteten symbiotischen Lebens. Das symbiotische Recht durchformt alle Verhaltensweisen in Rechte und Pflichten und trifft die Symbioten gleichermaßen wie den Staat. Insoweit ist auf einen »Gemeinschaftsabsolutismus« zu erkennen, der aber keinesfalls ein »Gemeinschaftstotalitarismus« ist. In dieser der administratio juris universalis gemäßen Verfahrensstruktur leuchtet der Idealtypus rationaler Herrschaft Webers auf.486 Die in der Ausprägung der »Souveränität als Verfahren« bestehende Gefahr, dass der „Souverän“ durch Bürokratie zum „Dilettanten“ wird (Max Weber), ist für Althusius noch unrealistisch.487 Für den neuzeitlichen Denker gewährleisten Verfahrensstrukturen Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und Effektivität durch Aufgabenteilung. Alle „einzelnen Tätigkeiten der universalen Gemeinschaft [sind] auf dieses Recht hin auszurichten und an ihm zu messen“ (X  2). Die althusische Sittenlehre als Teil der praktischen Philosophie verpflichtet die consociatio in ihrer staatlichen Ausformung darauf, Rechtsnormen und Institutionen parallel zu den Tugenden der handelnden Symbioten auszugestalten. Hier liegt der Ursprung einer politisch implizierten Rechtsstaatlichkeit. Besonders deutlich zeigt sich dies dort, wo der Rechts- und Gesetzesstaat der Politica nach sozialstaatlichen Leitgedanken, die Leistungsfähigkeit und -bedürftigkeit des einzelnen Symbioten berücksichtigend, tätig werden soll (XI  19, 27, 30  ff.; 35; XV  7; XXIX  13; XXXVII  38, 83  ff.; XXXVIII  38; 83–91; u. ö.) Der Sozialstaat ist nicht erst auf die Erfahrungen von Industrialisierung und Urbanisierung des 19. Jahrhunderts gegründet, sondern 484  Friedrich

1975, 9. Kritisch: Duso 2010, 81. 1975, 94. 486  Siehe zur Wechselwirkung von Bürokratie und rationaler Herrschaft: Max Weber, Bürokratie, 256. Kritisch zur Anwendbarkeit des Weber’schen Macht- und Herrschaftsbegriffs in seiner Althusius-Forschung: Duso 2002, 15  ff. m. w. N. 487  Weber, Bürokratie, 248. 485  Ders.

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bereits für Althusius liegt auf diesem Feld eine Aufgabe staatlicher Daseinsfürsorge. Für den »Rechtsstaat« verwendet der vormalige Lehrstuhlinhaber den Ausdruck „communio juris“. Die „Gemeinschaft des Rechts“ ist eines der drei tragenden Prinzipien althusischer Staatslehre, die er in der Drei-Gemeinschaftenlehre ausformt. Sie stellt die überzeitliche Antwort auf das je gegenwärtige Bedürfnis nach Rechtssicherheit und einem gerechten Zusammenleben in der symbiotischen Gemeinschaft der Menschen dar. Unter der »Rechtsgemeinschaft« subsumieren sich „gute Gesetzlichkeit und gute Ordnung“ (Eunomia und Eutaxia) als Folgewirkung und Frucht, die grundsätzlich in allen Konsoziationen, von der Ehe bis zum Staat verfolgt werden (I  10; IX  15; u. ö.).488 Der Rechtsstaat, als Ausprägung der communio juris auf staatlicher Konsoziationenstufe, bleibt dabei keineswegs nur ein allgemeiner Leitgedanke und Sammelbegriff, sondern wird vielmehr in verschiedenen Ausformungen entfaltet. Die Spannung, die sich dadurch ergibt, dass der Staat einerseits Recht erlässt und anwendet, andererseits selbst an das von ihm erlassene Recht gebunden sein soll, ist eine der großen Herausforderungen der zeitgenössischen Staatslehre (IX  19  ff.; XVIII  69; u. ö.). „Aber, wendet Bodin ein, die Herrschaftsgewalt des Königs werde wertlos ebenso wie künftig der Königsname, wenn eine Bindung an Weisungen durch Versammlungen (comitia) oder das Volk bestehe … Das leugnen wir und widerlegen diese Auffassung Bodins mit entsprechenden Gründen“ (IX  19  ff.). Althusius bezieht in dieser Diskussion also klar Stellung: „Es ist weder absurd, noch widerspricht es der Natur, dass der König als der Höhere sich auch einem Geringeren unterstellt. So kann sich ein Höherer oder Gleichgestellter durchaus der Jurisdiktion eines anderen unterwerfen“ (XVIII  98). Sein Rechtsstaat grenzt sich vom absolutistischen Machtstaat dadurch ab, dass er nicht allein die Beziehungen der Symbioten untereinander, sondern vielmehr das Rechtsverhältnis von Staatsgewalt und Bürgern und insbesondere den innerstaatlichen Bereich der Administration rechtsförmig regelt (vgl. XXIX  29). Aus Untertanen werden Bürger. Einer der Zentralbegriffe der symbiotischen Rechtslehre ist „das Gesetz“ (I  11, 19; X  8; Kap. 10; Kap. 21 u. 22; Kap. 29). Das Gesetz steht über dem Herrscher, er ist daran gebunden (IX  21; XVIII  35, 36 [Überschrift]; XIX  51; XXIV  48 [Überschrift]; u. ö.). Insoweit ist von den Anfängen formeller Rechtsstaatlichkeit zu sprechen, die erst im 19. Jahrhundert in Deutschland zur vollen Entfaltung gelangt. Danach darf der Herrscher zum 488  Die gute Ordnung (εύταξία) unterscheidet sich von der guten Gesetzlichkeit (εύνομία) dadurch, dass jene aus sich selbst heraus überzeitliche Lebens- und Ordnungsregeln, eine „Wohlgeordnetheit des Lebens“, diese »nur« gesetzte nomoi späterer Zeit sind. S.  Böckenförde 2002, 33  ff. (37) und Ottmann 2001b, 19.



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einen nicht willkürlich in die Freiheits- und Eigentumsrechte der Bürger eingreifen (vgl. X  6; XII  2; XXXVII  39  ff.; u. ö.), sondern benötigt eine gesetzliche Ermächtigung. Zum anderen werden die Gesetze nur mit Zustimmung der universalen Versammlung erlassen (XVIII  68; für die Landtage VIII  50, 65). Beide Merkmale des formellen Rechtsstaats finden sich in der Politica deutlich ausgeprägt. Hinzu tritt, dass es Althusius aufgrund seiner Sittenlehre als eine konsozietal-staatliche Aufgabe erscheint, sozialgestalterisch tätig zu werden. Für alle Bereiche staatlicher Hoheitsausübung gilt es daher zusätzlich zur formellen Rechtsstaatlichkeit auch in materiellinhaltlicher Hinsicht, Anforderungen aus dem symbiotischen Rechtsstaatsgebot zu erfüllen (etwa XV  7, 11). Zur Veranschaulichung wird der umfassende legislative Bereich herausgegriffen: „Desgleichen ist es erforderlich, Gesetze zur Sorge für hilfsbedürftige Personen, Waisen, Witwen, Arme, Blinde, geistig und körperlich Kranke, Stumme, Taube, Alte usw. zu erlassen … Für diese sind ein fester Platz und sichere Einkünfte vorzusehen, nämlich für Hospize, Kranken-, Waisen- und Armenhäuser sowie Altersheime (gerontocomia, P.  K.), die sich auf festgesetzte jährliche Einnahmen stützen können“ (XXIX  13; für die Exekutive XXXVII  83–91; u. ö.). Die materielle, d. h. die sozial-inhaltliche Gerechtigkeit ergänzt die formelle Gerechtigkeit. Mit der konsozietalen Rechtsstaatlichkeit der Politica wird der soziale Rechtsstaat avant la lettre postuliert. Neben rechtsstaatlich Gebotenem kommt häufig auch »nur« politisch Wünschenswertes zu stehen, etwa, dass das Gemeinwesen über viele wohlhabende Bürger verfügt und politische Maßnahmen zur Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands ergriffen werden. Ausgestaltet liegt die sozietale Rechtstaatlichkeit zum einen in Form des Schutzes individueller Rechtsgüter vor (IX  43, 45; V  71–84; X  6; XI  27, 35, 38; XVI  12  f., 17; XXXVII  99  ff.; u. ö.). Sie kennzeichnen die Grundrechte des Symbioten und wurden hier bereits behandelt. Des Weiteren ist die sozietale Rechtsstaatlichkeit in der Rechtsbindung der staatlichen Organe, dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Administration, dem (behördlich-exekutiven, gerichtlichen, widerstandsrechtlichen) Rechtsschutz, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder schließlich in der Gewaltenteilung ausgeprägt. In Kapitel 29 werden die sozietale Gesetzgebung und Gesetzesausfühung näher erhellt. Die Aufgabe der administratio justitiae wird in zwei Relationen gesehen. Zum einen ist ihr Aufgabenbereich eröffnet, sofern auf einer Seite des Rechtsverhältnisses notwendig der hoheitliche Magistrat, auf der anderen Seite ein Bürger Beteiligte sind. Typisch ist also ein Über- / Unterordnungsverhältnis. Der Verwaltung obliegt es (gewaltenteilig) darüber zu wachen, „ob das Volk das, was es dem Magistrat schuldet, auch leistet und umgekehrt, ob der Magistrat dem Volk das zukommen lässt, was er ihm schuldet“ (XXIX  29). Gewiss ist mit dieser Regelung die administ-

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ratio als reine Exekutive angesprochen, soweit die Einhaltung der Staatsbürgerpflichten vornehmlich aus Kapitel 20 durchgesetzt werden können. Bemerkenswert ist indes, dass die administratio justitiae die Erfüllung der Magistratspflichten überwacht. Hier tritt die administratio dem obersten Magistrat gegenüber in ein Oppositionsverhältnis. Sinnvoll ist der Regelungsgehalt dann, wenn man den Magistrat nicht ebenso als Exekutivorgan, sondern als Gesetzgeber versteht, der von der exekutiven administratio zum Erlass gerechter und nützlicher Gesetze aufgefordert werden kann. Sinnvoll wäre der Regelungsgehalt auch dann, wenn man hier den Magistrat als Exekutive, die administratio justitiae hingegen als Judikative begreift, die kontrolliert, „ob der Magistrat dem Volk das zukommen lässt, was er ihm schuldet.“ a) Die Rechtsbindung der staatlichen Organe Kernaussage des althusischen Rechtsstaats bildet die Bindung aller staatlichen Organe, d. h. des höchsten Magistrats und seiner ihm nachgeordneten Behörden sowie der Ephoren, als auch den Organen auf kommunaler und provinzialer Ebene (IX  21; XVIII  31  f.; u. ö.). Die niederen Hoheitsträger sind an ihr eigenes, kommunales bzw. provinziales und an das höherrangige Recht (Jurisdiktionsvorbehalt), die Organe der Staatsebene an staatliches Recht gebunden.489 Sofern die staatliche Gesetzgebungstätigkeit inmitten steht, ergibt sich eine Festlegung für die (unteren) Organe aus Kap. 10 §§ 3 u. 4: „Mit der Verkündung (des Gesetzes, P.  K.) wird es als Richtschnur und Norm für alles gerechte Handeln in der universalen Symbiose öffentlich anerkannt und angenommen.“ „Dieses Gesetz und Recht aber ist den Einzelnen wie sämtlichen Gliedern des Reichs als Regel für das, was man zu tun und zu lassen hat um einer gerechten Lebensführung und der Erhaltung der universalen Gemeinschaft willen vorgeschrieben.“ Die Selbstbindung der staatlichen Organe ergibt sich aus der Übertragung der potestas „nur zur Verwaltung und Leitung des universalen Gemeinschaftskörpers und seiner Rechte (jura) nach gerechten Gesetzen (justas leges).“(XVIII  28, Hinzufüg. P.  K.; s. a. IX  21; XVIII  10; XXIX  1; u. ö.). „Das zweite Erfordernis besteht darin, dass die Verwalter den Gesetzen entsprechend regieren und diese als ihnen übergeordnet anerkennen müssen“ (XVIII  35; u. ö.). „Der Magistrat aber wird gerechte Gesetze erlassen, weil die Gerechtigkeit ein Gesetz, wirksam, unverletzlich und unantastbar macht.“ (XXIX  5) Er ist bei Erlass und Anwendung von Gesetzen insbesondere an die verfassungsrecht489  Die Rechtsbindung des kommunalen Satzungsgebers findet sich etwa in Kap. 5 §§ 1, 8, 23 u. 68 und Kap. 6 §§ 41–43, die Rechtsbindung provinzialer Herrschaftsgewalt in Kap. 7 §§ 3, 11  ff., Kap. 8 §§ 53  ff. und Kap. 9 § 27 u. ö.



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lichen Fundamentalgesetze gebunden (vgl. XXIV  48; XXIX  9; XXXVIII  6). Die Ephoren schließlich „sollen … das Recht der Gemeinschaft … zur Geltung bringen“ (XVIII  48). Die Rechtsbindung gilt nicht allein für den „Legislator“ (XXIX  4), sondern für den gesamten Bereich der Exekutive: „Die Gesetze müssen sorgfältig und genau ausgeführt werden.“ (XXIX  13 a. E.). Die Bindung der Verwaltung i. e. S.  besteht zusätzlich zu den geschriebenen Gesetzen auch hinsichtlich des ungeschriebenen Gewohnheitsrechts und althergebrachter Gebräuche (XXIX  8; V  56, 66; VI  5; VII  26  f.; VIII  57). Der Umstand, dass es einen Vorrang der „Gemeinschaft des Rechts“ gegenüber den Gemeinschaften der Güter und Leistungen gibt (I  10), hat Auswirkungen auf deren formelle und inhaltliche Ausgestaltung. Die „Gemeinschaft des Rechts“ schreibt die „Art und Weise sowie das Maß“ der Gemeinschaft von Gütern und Leistungen vor (I  10). „Den für die Gemeinschaft von Sachen, Diensten, Leistungen und Tätigkeiten maßgeblichen Gesetzen entsprechend werden die Vorrechte und Belastungen unter den Symbioten den Bedürfnissen und der Natur der jeweiligen Gemeinschaft gemäß zuerkannt und verteilt.“ (I  20) Damit führt Althusius bereits im ersten Kapitel seines Werks einen Sozialstaatsgedanken und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Exekutive ein. Der Autor bindet durch diese Leitlinien die ausführende Staatsverwaltung an die Regelungen des symbiotischen Rechts und insbesondere an die Regelungen des Gesetzgebers. „Der Schutz der Untertanen umfasst die rechtmäßige Verteidigung gegen Ungerechtigkeit und zugefügte Gewalt. Hierdurch wird ihnen Sicherheit gegen absichtliche Verletzungen, gegen Gewalt und Unrecht gewährt, die gleich ob sie dem Körper, dem Leumund oder dem persönlichen Gut zugefügt wurden, mit erlaubten Mitteln bestraft und ausgeglichen werden.“ (I  17)

Da das symbiotische Recht selbst wiederum den Leitgedanken der Autarkie, der guten Gesetzlichkeit und der guten Ordnung unterworfen ist, spiegeln sich die Prinzipien des symbiotischen Rechts in der Gesetzgebung und damit in den beiden anderen Gemeinschaften wider. „Symbiotisches Recht“, „Gemeinschaft des Rechts“ und „Gesetz der symbiotischen Gemeinschaft“ werden synonym verwendet (I  10). Der Vorrang sozietaler Rechtsstaatlichkeit setzt sich fort in einer »Wesentlichkeitstheorie«. Wesentliche Bereiche des Verhältnisses von Konsoziation und Symbioten muss der oberste Magistrat vor die universalen Reichsversammlungen bringen und dort verhandeln lassen (XXXIII  3; XV  2; XVII  56–60; 67  f.; 83; XXVII  43; vgl. schon für die Provinzebene VIII  5, 50 a. E.). Althusius zählt die Bereiche, die Angelegenheiten „von Gewicht und Schwierigkeit“ betreffen, deklaratorisch auf (s. o.). Der Staatsdenker begründet seine »Wesentlichkeitstheorie« damit, dass „es gerecht [ist], dass das, was alle angeht, auch von allen behandelt wird, und das, was die Möglichkeiten, Kräfte, Hilfsmittel und Anstrengun-

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gen aller erfordert, auch mit Zustimmung eben dieser ins Werk gesetzt wird.“ (XVII  60). Diese Idee wird sich zum modernen Parlamentsvorbehalt entwickeln. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit konkretisiert sich nun im Hinblick auf die Amtsausübung des höchsten Magistrats in den Grundsätzen des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes. Der erste Grundsatz bringt die Bindung des Magistrats an die bestehenden Gesetze zum Ausdruck. „Den … Gesetzen entsprechend“ (I  20; u. ö.) muss sich das Verwaltungshandeln vollziehen. Der Magistrat darf keine Maßnahmen treffen, die bestehenden bzw. symbiotischen Gesetzen widersprechen. Die Verletzung dieses Grundsatzes führt bei schwerwiegenden Eingriffen in letzter Konsequenz zum Widerstandsrecht gegen die unrechtmäßig handelnde Regierung. Es tritt der zweite Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes hinzu: „Besondere (im Gegensatz zum „allgemeinen und beständigen Gesetz“ [I  11], P.  K.) sind die jeder Gemeinschaft eigenen Gesetze, durch die sie regiert wird. Diese Gesetze sind in den einzelnen Gemeinschaften verschieden, je nachdem, wie es ihre Eigenart erfordert.“ (I  19) „Den für die Gemeinschaft von Sachen, Diensten, Leistungen und Tätigkeiten maßgeblichen Gesetzen entsprechend werden die Vorrechte und Belastungen … zuerkannt und verteilt.“ (I  20)

Die Verwaltung im engeren Sinne sowie die „Zensur“ führen die Gesetze „sorgfältig und genau“ und „ohne irgendwelchen Rücksichtnahmen“ aus (XXIX  13, 15, 26). Die Verwaltung handelt gemäß der „ausgleichenden und austeilenden Gerechtigkeit“, als Gewährsmänner dienen Aristoteles, Cicero und Augustinus. Die administratio zeigt sich als öffentlich-rechtliche Eingriffsverwaltung, sofern sie in Rechte eingreift, so dass „das Volk das, was es dem Magistrat schuldet, auch leistet“. Andererseits übernimmt sie eine gewaltenteilige Zuständigkeit dafür, „ob der Magistrat dem Volk das zukommen lässt, was er ihm schuldet.“ Damit ist der Anwendungsbereich der Leistungsverwaltung eröffnet. Ein Eingriff in die Rechtsgüter der Untertanen geschieht im althusischen Staat „durch den Erlass von Gesetzen“ (XXX  16; u. ö.). Korrespondierend dazu, dass der Staat nicht schrankenlos in die Rechte seiner Bürger eingreifen darf, gewährt die althusische Rechtsordnung keine schrankenlosen Rechtsgüter. Die Bürger sind zur Teilhabe an den Gemeinschaften der Sachen und Dienstleistungen, etwa zu Steuerleistung und Wehrdienst verpflichtet. Die Handlungsformen des verwaltenden Magistrats sind demnach darin zu erblicken, „Vorrechte zuzuerkennen“ und „Belastungen zu verteilen“, was im Sinne einer frühmodernen »Leistungsund Eingriffsverwaltung« geschieht. Jeder Magistrat darf erst dann tätig werden, wenn die für den jeweiligen Aufgabenbereich maßgeblichen Gesetze ein Tätigwerden vorsehen. In jeder Gemeinschaftsart (in singulis speciebus consociationis) gibt es eigene Gesetze, nach denen sich bestimmt, wann die Leiter für den jeweiligen Aufgabenbereich (Sachen, Dienste, Leistungen



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und Tätigkeiten) ermächtigt werden. Innerhalb der rechtmäßigen Amtsausübung steht der magistralen Regierung allerdings ein pflichtgemäßes Ermessen zu (vgl. I  18; XI  37). Diesen Handlungs- und Beurteilungsspielraum behauptet sie auch gegenüber den Optimaten (XVIII  81). Zwangsläufig berührt die althusische Schrift das Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Hier stellt sich die Frage, ob die Gesetzgebung, an welche die gesamte administratio gebunden ist, nach demokratischen Grundsätzen erfolgt. Sofern Althusius die Gesetze als „öffentlichen Befehl des Volkes“ (X  4) kennzeichnet, „befiehlt das Volk jedem Bürger“ (IX  18). Danach scheint eine demokratische Gesetzgebung vorzuliegen. Fraglich ist, ob die universalen Versammlungen als demokratischer Gesetzgeber in Betracht kommen. „Denn wäre das Volk befragt worden, hätte es ganz gewiss geantwortet, dass es eine solche (schrankenlose, P.  K.) Gewalt zu seinem eigenen Verderben nicht einräume“ (XIX  33). Nicht weniger als fünf Gründe benennt der Autor, weshalb Reichsversammlungen zum Grundbestand von Staatlichkeit überhaupt gehören: Zunächst gilt der Rechtsgrundsatz: Was alle betrifft, muss von allen verhandelt werden. Die Zustimmung ist das Verfahren der Rechtfertigung von Herrschaft. Sie geht vom römischen Recht aus, wird über das Mittelalter, hier insbesondere durch die politischen Lehren von Ockham, Oresme und Cusanus in ihrem demokratischen Potential tradiert, und nunmehr am Beginn der Neuzeit gegen eine Herrschaft »legibus solutus« in Stellung gebracht.490 Althusius betont immer wieder, dass das Volk „bei der Behandlung öffentlicher Angelegenheiten nicht ausgeschlossen ist.“ (XVII  60) Des Weiteren wird das Argument der Menge, die (aristotelische) Summierungstheorie gegen einen expertokratischen Politikbegriff wiederholt. Danach ist das Urteil vieler besser, als die Einschätzung weniger (ebd.; VIII  3; XXIX  40; XXVII  53; XXXIII  20; Verweise auf Aristoteles’ Politik III  11). Sodann erklärt der Autor das Volk zum Experten in eigener Sache und macht es in „bestimmten Fragen“ zum Teilnehmer an den Reichsversammlungen. Weiterhin erkennt Althusius in den Reichsversammlungen eine Garantie der Freiheit gegenüber staatlicher Herrschaft: Es „bleibt dem Volk auf diese Weise eine gewisse Freiheit, und diejenigen, denen die öffentliche Verwaltung obliegt, werden so genötigt, Rechenschaft über ihre Tätigkeit zu geben und das Volk bzw. die universale Gemeinschaft, von denen sie eingesetzt sind, als ihren Herrn anzuerkennen“ (XVII  60; IX  24). Schließlich gelten die Versammlungen als geeigneter Ort, um sich gegen „große Macht“ Gehör zu verschaffen und zu organisieren. Dieses Argument richtet sich weniger gegen staatliche, als vielmehr gegen »außerstaatliche« wirtschaftliche, soziale und politische Machtzirkel 490  Ottmann 2004, 79; 290  ff. mit Verweisen auf die Anwendung des Grundsatzes in einem „frühen ›Parlamentarismus‹“ in der mittelalterlichen Regierungspraxis.

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(XVIII  89). Die so genannten Komitien machen demnach politische und gesellschaftliche Kräfte transparent und kontrollierbar. In ihnen wird das Volk repräsentiert und findet der innerstaatliche Informationsaustausch ebenso wie die kommunikative Rückbindung zwischen Regierenden (Staat) und Regierten (Ständegesellschaft) statt, wobei die sozialen Gliederungen initiativ tätig werden können. Deshalb stellt Althusius die Konvente unter den besonderen Schutz des Widerstandsrechts (XXXVIII  20). Repräsenta­ tion und Legitimation finden in den Reichsversammlungen ihren prozesshaften Ausdruck. Sie werden als regelmäßig tagendes Gremium etabliert, bei den Konventen der Staatenverbindungen wechselt der Vorsitz sogar wochenweise (XXXIII  122). Die Reichsversammlung stellt ein Verfassungs­ organ dar, dem eine Allzuständigkeit attestiert wird: „Vor sie werden alle öffentlichen Angelegenheiten des Gemeinwesens gebracht und von seinen Gliedern erörtert, geprüft und entschieden.“ (XVII  57; XVII  55 i. V. m. XVI  vor 1, 1 a. E.; XI  1, 3) Es besteht ein Versammlungsvorbehalt für „bedeutsame und schwierige Angelegenheiten“, „insbesondere für solche, die das ganze Reich oder Gemeinwesen oder dessen Glieder, die Fundamentalgesetze, die Souveränitätsrechte, die Auferlegung von Steuern und Abgaben und andere Punkte betreffen, die eine Beratung und Zustimmung des ganzen Gemeinwesens erfordern.“ (XVII  56). Dies setzt wiederum eine Einschätzungsprärogative der Glieder voraus. Damit erklärt der Autor ein Kontrollund Initiativrecht. Die Reichsversammlung ist stets dann einzuberufen, wenn „schwierige Angelegenheiten von großer Bedeutung“ anstehen. Unter dem Versammlungsvorbehalt stehen konkrete Fragen zur Ausübung des Gottesdienstes und Abschaffung des Götzendienstes, Gesetzesbeschlüsse, die Entscheidung über Krieg und Frieden und die Erhebung außerordent­ licher Steuern. Jedoch sind nach einer Art Generalklausel Versammlungen auch dann einzuberufen, wenn Angelegenheiten eines oder mehrerer Stände, das gesamte Reich betreffende Belange oder das Wohl der Untertanen zur Debatte stehen, schließlich auf Antrag der Ephoren (XXVII  43). Bei Amtsantritt, d. h. auf der konstituierenden Sitzung der Reichsversammlung, auf der der neue Magistrat gewählt, vereidigt und eingesetzt wird, hat der oberste Magistrat sein »Regierungsprogramm« daran auszurichten, was die Stände „unter seinem Vorgänger änderungsbedürftig“ und „was unter seiner Herrschaft in nutzbringender Weise zu veranlassen ist“ (XXVII  44). Es gilt schon als Kennzeichen tyrannischer Regierungsweise, nur unbedeutende Dinge vor die Versammlung zu bringen, die gewichtigeren Staatsgeschäfte jedoch vorzuenthalten (XXVII  44). Der Konventsvorbehalt bedeutet eine starke Beschneidung der Kompetenzen des Magistrats. Andererseits bieten die Reichsversammlungen dem obersten Magistrat die Gelegenheit, seinen engeren Beraterstab an der Wirklichkeit zu messen (XXVII  49). Der Kommunikationsstaat äußert sich hier



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als machtbegrenzendes, gewaltenteiliges Institutionengefüge, das den Teilnehmern Recht auf Gehör und damit politische Einflussnahme verschafft. Die Möglichkeit, öffentliche Versammlungen abzuhalten, gilt als hohes Allgemeingut und ist Prüfstein jeder Regierung. Eine Hemmung oder Behinderung, ja jegliche Einflussnahme auf die Stimmenabgabe kann zum Widerstandsrecht führen (XXXVIII  20). Hier paraphrasiert Althusius Cicero: In einem freien Gemeinwesen muss es auch ein freies Wort geben! (sic! XXXVIII  20; vgl. auch XXVII  57). Offen bleibt indessen, wer darüber letztlich zu entscheiden hat, ob eine „schwierige Angelegenheit von großer Bedeutung“ vorliegt. Althusius eröffnet hier nicht den Rechtsweg, sondern vertraut auf die überzeugende Kraft des Diskurses zwischen den Antagonisten. Einmal mehr tritt die große Bedeutung der Rolle der communicatio zutage. Neben den Reichsversammlungen aller Stände erkennt die Politica das Bedürfnis der Untertanen an, sich selbst zu versammeln (etwa XVIII  123; XXIII  33, 38). Das Versammlungsrecht drückt auch heute eines Verständnis für »unmittelbare Demokratie« aus, und ist Äußerung gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung (vgl. BVerfGE 69, 315 / 342  f.).491 Öffentliche Meinungsbildung und Meinungskundgabe tragen wesentlich zum Gelingen von Gemeinschaft bei. Das als eine Freiheit begriffene Recht, sich zu versammeln, wird jedoch auch in der Politica nicht schrankenlos gewährt (XXIII  38). Einschränkend gilt, dass Zusammenkünfte und Versammlungen „offenkundig und bekannt“ sein müssen, um Konspirationen und Umstürzen vorzubeugen. Das Gemeinwesen muss sich gegen subversive Kräfte schützen. Es ist wehrhaft ausgestattet; dabei sind die Mittel nicht immer mit den rechtstaatlichen Garantien des Personen- und Vermögensschutzes vereinbar. Der Verfasser der Politica sieht sich nicht daran gehindert, intolerant gegenüber „müßig Lebenden“ zu sein. Diese Intoleranz entspringt seinem strengen Arbeitsethos, das jeden als »asozial« bzw. »asymbiotisch« bezeichnet, der nur in den Genuss der Früchte des Gemeinwesens kommt und kommen will, ohne einen Beitrag zu den Drei Gemeinschaften zu leisten. Ihnen droht vom höchsten Magistrat eine »Säuberungsaktion«. Sie werden in den Krieg geschickt, „um so den Bodensatz übler Menschen zu bereinigen und den Körper des Gemeinwesens von den schlechten Substanzen zu befreien“ (XXXVII  97; XXX  11).

491  Zitiert

nach Band und Seitenzahl der amtlichen Entscheidungssammlung.

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b) Administrative Kompetenzen vs. absolute Gewalt Des Menschen Schranken sind Vernunft, Gesetz und Herrschaft (I  39). Herrschaft selbst unterliegt wiederum den Bedingungen politischer Macht. Die althusische Administration ist eine auf den Begriff gebrachte Herrschaftsbeschränkung. Legitime Herrschaft in der Politica äußert sich in legislativer, exekutiver und judikativer Gewalt. Nachdem schon die Konstituierung zum populus in corpus unum ein selbstschöpferischer Akt des Rechts war, ist der Vollzug aller legitimer Herrschaftsgewalt an Recht und Gesetz gebunden: „Denn zuerst hat sich das Volk zu einer Art Körper mit festen Gesetzen zusammengeschlossen. Es hat sich im Hinblick auf die Gemeinschaft notwendige und nützliche Rechte gegeben und sodann ihre Verwaltung … den von ihm gewählten Amtsträgern und Leitern anvertraut, diesen zur Ausführung ihrer Aufgabe die notwendigen Machtbefugnisse übertragen, sie hierfür mit dem Schwert gerüstet und sich ihrer Regierung und Fürsorge anvertraut“ (XVIII  10, Hervorheb. P.  K.). Anschließend wird die Aussage dahingehend konkretisiert, dass „[j]ede Herrschaftsgewalt … an die Gesetze, an Recht und Gerechtigkeit (aequitas, P.  K.) gebunden“ ist (XVIII  106 [Überschrift]; XIX  35). Der Administration werden sodann Kompetenzen eingeräumt. Bei Überschreitung der Kompetenzgrenzen folgen Konsequenzen. Vorsorglich ist die Politik darauf angelegt, jedes Glied in seinen Grenzen zu halten (XVIII  113; u. ö.). Die wechselseitige Ausbalancierung führt zu einem Zustand der Homöostase. „Bei der Verwaltung der Gerechtigkeit ist als Regel stets zu beachten, dass Mäßigung waltet, so dass jedem Glied des Gemeinwesens das ihm zukommende Recht belassen, nicht gemindert oder zum Nachteil eines anderen Glieds gemehrt wird. Die Herrschaftsgewalt des Königs darf nicht in der Weise ausgedehnt werden, dass die Freiheit des Volks unterdrückt wird; auch darf der Einfluss der Stände und Ordnungen nicht so erweitert werden, dass der König verachtet und das gemeine Volk verletzt wird. Schließlich darf dem Volk keine so große Ungebundenheit eingeräumt werden, das die Würde des Herrschers geschädigt und der Zustand des Gemeinwesens gestört wird.“ (XXIX  2)

Die Schranken politischer Macht werden im Teil B (Kap. 18–27) allgemein ausgeführt, in Teil C (Kap. 28–37) erscheinen die Schranken als Aufgaben. Die Verwaltungslehre ist in der Politica deshalb vergleichsweise stark repräsentiert, weil sie das Bollwerk gegen einen Absolutismus ausmacht. Der rechtsförmigen Einsetzung der Amtsträger korrespondiert die gerechte Ausübung der ihnen übertragenen Kompetenzen. Herrschaftsausübung ist dann rechtmäßig, wenn sie sich in den Grenzen gerechter Gesetze vollzieht (XVIII  32–46). Althusius paraphrasiert Fernandus Vásquez, dass ungeachtet der Fülle der Herrschaftsgewalt ein gerechter Herrscher „nichts gegen das Recht tun oder über es verfügen kann“ (XVIII  46). Darin sind



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die Grundprinzipien heutigen Verwaltungsrechts erkennbar, wonach der Vorrang (kein Handeln ohne gesetzliche Grundlage) und der Vorbehalt des Gesetzes (kein Handeln gegen bestehende gesetzliche Regelung) die Exekutive auf Rechtmäßigkeit verpflichten.492 Aufgrund der Fehlbarkeit des Menschen verneint Althusius ein Philosophenkönigtum, aber er bejaht, „dass ein Gemeinwesen durch genau bestimmte und gute Gesetze regiert wird, um Verwirrung und Umsturz zu vermeiden“ (IX  15). Die administrativen Kompetenzen der Ephoren ergeben sich nach einem Prinzip begrenzter Ermächtigung (XVIII  63  ff.).493 Die Ephoren wiederum schränken die magistrale Administrationstätigkeit ein und überwachen die Einhaltung der gesetzten Grenzen (XVIII  48, 54, 63; u. ö.). Administrative Eingriffe in die Rechtssphäre des Einzelnen, die dem obersten Magistrat legitim zustehen, werden nicht schrankenlos gewährt, sondern sind je nach betroffenem Rechtsgut an bestimmte Voraussetzungen gebunden (XXXVII 102–104 [Leben, Körper], 105 a. E. – 106 [Ehre, guter Ruf]; 112–115; XXXVII  111–115 u. XXX  16 [Eigentum]; u. ö.). Legitime pönale Maßnahmen seitens des Staates gegen die Täter sind an die Voraussetzungen eines Gesetzesverstoßes gebunden (contra leges Decalogi vel regni, XXXVII 103  f.; wegen einer begangenen Übeltat, XXXVII  105; aufgrund schuldhaften Delikts, XXXVII  112). Wie kompetente Administration unter den Bedingungen der Politica vollzogen wird, soll anhand eines Beispiels erhellt werden: Genießt beispielsweise das Eigentum des Einzelnen grundsätzlich den Schutz der Rechtsordnung, stellt mithin eine Schranke für administratives Handeln auf, steht dem mitunter ein staatliches, übergeordnetes Interesse entgegen. Die Administration ist – unter den ihr selbst gesetzten Grenzen – berechtigt und verpflichtet, das symbiotische Recht gegebenenfalls einzuschränken. Über die »gewöhnliche« Verpflichtung des Eigentums hinaus, die sich in der Teilhabe an den drei symbiotischen Gemeinschaften, insbesondere in der Gemeinschaft der Sachen zeigt, kann es in enteignender Weise dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet werden. Die Eigentumsbestimmung, wonach sein Gebrauch stets zugleich dem Allgemeinwohl dienen soll, hat noch keinen enteignenden Charakter (XX  7). Die Enteignung ist erst die vollständige oder teilweise Entziehung dieser Rechtsposition aus der Verfügungsgewalt des Einzelnen. Der Staat darf „das Vermögen seiner Untertanen in Verwaltung nehmen, es entäußern oder für sich selbst beanspruchen“ (XXXVII  115). Die Enteignung stellt sich dann als ein hoheitlicher 492  Vgl. Zippelius 1999, 299, der allerdings nur hinsichtlich des zweiten Grundsatzes von einer gedanklichen Vorvaterschaft bei Althusius ausgeht. 493  Koch dagegen geht davon aus, dass die Ephoren mit dem Magistrat zusammen die Regierungsverantwortung tragen, dies. 2005, 124  ff. Das Bedingungsverhältnis ist jedoch komplexerer Art.

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Rechtsakt dar, der sogar dann legitim ist, „auch wenn der Eigentümer dies nicht will“ (XXXVII  115). Nach Althusius’ aequabilitas-Lehre darf jedoch kein Bürger auf dem »Altar des Gemeinwohls geopfert« werden. Weil die Enteignung ein schwerwiegender Eingriff in die Rechtssphäre der Bürger ist, werden besondere Bedingungen an sie gestellt. In diesem Fall müssen daher übergeordnete Interessen des öffentlichen Wohls bzw. eine besondere Notlage (necessitas & salus Reip.) gegeben sein. Althusius argumentiert zum einen mit dem Topos, dass das Gemeinwohl dem privaten Nutzen vorgehe, zum anderen, dass der private im gemeinen Vorteil aufgehe. „Der Grund dafür ist, dass der öffentliche Nutzen dem privaten vorgeht … Wenn es um den öffentlichen Nutzen geht, geht es auch um den privaten Nutzen dessen, dem etwas genommen wird. Und wenn etwas im Interesse vieler liegt und alle als Gesamtheit angeht, kommt es mehr auf die Ansicht des größeren Teils an als auf die eines Einzigen oder nur weniger“ (XXXVII  115).

Die Quod-omnes-tangit-Regel und das Mehrheitsprinzip werden hier abgeändert angewandt. Bislang vertrat der Autor die Ansicht, dass sich die Mehrheit dann nicht durchsetzt, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die alle als Einzelne oder überhaupt nur Einzelne betreffen (IV  20 u. ö.). Danach gäbe es keinen Mehrheitsentscheid über eine Enteignung, sondern jeder einzelne kann widersprechen, ohne sich einer etwaigen Mehrheit unterwerfen zu müssen. Schon in religiösen Fragen wurde jedoch die Mehrheitsregel außer kraft gesetzt (vgl. VIII  28, 70). Dort argumentierte Althusius indes nicht naheliegender Weise mit dem Gewissensvorbehalt des Einzelnen. Ganz im Gegenteil, das Kirchenregiment regiert über die Gläubigen (und Ungläubigen) als weitgehend autonomes Gremium nach Grundsätzen, die nicht einem Mehrheitsentscheid zugänglich sind. Hier nun wird die Quod-omnes-tangit-Regel geradezu rousseauistisch als die volonté générale gedeutet: „In einer öffentlichen Gemeinschaft (consociatio) werden alle darin übereinstimmen, was im öffentlichen Interesse liegt.“ (XXXVII 115) Diese Deutung lässt einen totalitären Zug erkennen, der dem Werk sonst fremd ist. Althusius verweist zumindest gegen die ganz herrschende Meinung auf die Rechtsansicht Pruckmanns, der dafür eintritt, dass dem – zumal zustimmenden – Geschädigten ein Restitutionsanspruch zustehen müsse (XXXVII  115). Administrative Aufgaben und Kompetenzen der höchsten Magistratur werden in den folgenden Politikbereichen dargestellt:494

494  Vgl. die Entsprechung in der Provinzialverwaltung VII  12–64 mit Verweisen auf XXXII  (§ 57) und XVII  (§ 64).



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Bürgerschaftliche Verwaltung der Gerechtigkeit (XXIX  1) Allgemeines Recht (X  2 i. V. m. XXIX  3) = Maßnahmen zur Erhaltung von Gerechtigkeit, Frieden, Ruhe und Disziplin

Besondere Rechte (XI  1–17 i. V. m. XXIX  3, XXXII  vor 1) = Maßnahmen für ein soziales Leben

• Gesetzgebung i. w. S.; Gesetzmäßigkeit der Vw, Rechtsprechung (XXIX  4–60)

• Wirtschafts- und Handelsverkehrs­ ordnung (XI  4–12 i. V. m. XXXII vor  1  ff.)

• Zensur (nicht gerichtlich durchsetzbar; keine Straf­würdigkeit) (XXX)

• Münzwesen (XI  13–15 i. V. m. XXXII  vor 1, 31)

• Eintracht und Ruhe (XXXI)

• Sprache (XI  16  f. i. V. m. XXXII  vor 1, 32–34) • Ämter, Dienste (XI  17  ff., XII-XIV  i. V. m. XXXII  vor 1, 35–61) und Privilegien (XV  i. V. m. XXXII  vor 1, 82  ff.) • Öffentliche Sicherheit (XVI  vor 1–4, 12–15 i. V. m. XXXII  vor 1, 85  ff.) • Öffentliche Versammlungen (XVII  55–61 i. V. m. XXXII  vor 1, XXXIII) • Wehr- und Kriegswesen (XVI  vor 1, 4, 16–18 i. V. m. XXXII  vor 1, XXXIV-XXXVI)

Schließlich rundet die Darlegung der „besonderen Verwaltung“ die Verwaltungslehre ab. Als die administratio particularis (XXVIII  1) bezeichnet der Autor den Anwendungsbereich der Verwaltung, in dem der Staat in Beziehung zu „Personen und Güter der einzelnen Untertanen“ tritt. Diese „gegen Gewalt und Unrecht“ (repressiv) zu verteidigen und (präventiv) zu schützen, erfordert eine umfassende judikative, exekutive und legislative Tätigkeit. Die von der Verwaltung abverlangte Begegnungsweise gegenüber den Symbioten steht in gewissem Kontrast zu den Ausführungen in der Regierungslehre über das Wesen des Volks, der darin begründet liegt, dass hier die Privatpersonen und deren Vermögen (personae & res privatae) in das Blickfeld staatlicher Leistungs- und Eingriffsverwaltung rücken (vgl. etwa XXXVII  80, 82). Eigentümlich ist eine zweite Art der „Gesetzesausführung“. Sie betrifft Die Zensur (Kap. 30) der Sittengesetze und richtet sich besonders an den

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entsprechenden Äußerungen der populären Lipsius’schen Politik aus. Es handelt sich dabei nicht um eine Magistratur nach dem Vorbild der römischantiken Zensoren, um die Konsuln von der Schätzung ihrer Bürger zu entlasten. Auch ist darunter noch nicht die literarische Zensur des 19. Jahrhunderts zu verstehen, die sich auf das Medium einer zu prüfenden und beurteilenden Äußerung fokussiert (s. aber XXX  9). Die althusische censura ist gleichwohl ein Herrschaftsinstrument zur Bewertung und Kontrolle aller sittlichen Lebensäußerungen der Symbioten. Zur „Verwaltung der Gerechtigkeit“ als erster Art der Gesetzesausführung (prima legum exsecutionis specie), tritt ergänzend die Zensur als „Untersuchung und Rüge derjenigen Sitten und Ausschweifungen“ hinzu, „die durch Gesetze zwar nicht gehindert und bestraft werden, jedoch die Herzen der Untertanen verderben oder ihre Güter unnütz verbrauchen.“ (XXX  1) Sie steht unter der Kuratel des höchsten Magistrats und ist gewöhnlich, jedoch nicht zwingend den kirchlichen Kollegien überantwortet (vgl. XXX  4, 29).495 Bei einem eingeleiteten Untersuchungsverfahren wird nicht auf die vorherrschende Sittenmoral, also weder auf besonders laxe noch sittenstrenge Auffassungen abgestellt. Das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ist auf die Zensoren übertragen. Ausdrücklich bemerkt wird, dass der oberste Magistrat selbst der Sittenzensur unterliegt (XXVIII  5; XXX  4; XXXVIII  4; für die mittleren Magistrate VIII  32; u. ö.). Von einer eigenständigen Zensurgewalt im Sinne einer »gewaltenteiligen« Wahrnehmung dieser Aufgabe kann nicht gesprochen werden, da es sich um keine rechtsförmige Gewalt im eigent­ lichen Sinne handelt. Gleichwohl ist sie ein stark wirkungsmächtiger Faktor in der Symbiose. Die Zensur dient der Sozialdisziplinierung und appelliert an Sitte und Sittlichkeit. Sogar über die Sozialdisziplin „bei den Chinesen“ erfährt der Leser etwas (XXX  11). Dem erzwingbaren und gerichtlich durchsetzbaren Gehorsam entsprechen der ständegesellschaftliche Anpassungsdruck und die einschneidende Sanktion der „Rüge“ (notatio censurae). Die obrigkeitlich erwünschte Verhaltensmodifikation erfolgt durch Bloßstellung und Beschämung, gegebenenfalls durch Verhängung einer Geld- oder Zuchthausstrafe (XXX  24  ff.). Auch bei der Durchsetzung der Sittenstrenge ist das rechte Maß walten zu lassen (XXX  28). Es scheint unter Umständen der Übergang zur ordentlichen Gerichtsbarkeit möglich zu sein (vgl. XXX  4). Reichtum und Armut, übertriebenes Geldstreben und arbeitsscheuer Müßiggang sind keine Straftaten, politisch für Althusius jedoch höchst unerwünscht. Die Arbeitsmoral des Symbioten wird von beiden Seiten gleichermaßen bedroht, von Armut ebenso wie vom Reichtum (XXX  17, 19; u. ö.). 495  Dies übersieht m. E. Bianchin 2010, 123–134, die sehr stark auf den Kompetenzzuwachs des Staates zu Lasten der kirchlichen Jurisdiktion abstellt.



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Die Zensoren überwachen die Emsigkeit und den Fleiß der Bürger, auf das jeder ehrbar seinen Lebensunterhalt verdient und seinen Geschäften nachgeht. Neben die Ethik tritt also das Arbeitsethos. Sofern Reden und Publikationen zensiert werden, kommt die Gewissensfreiheit, die Althusius andernorts befürwortet, nunmehr in arge Bedrängnis (XXX  9, 15). Gerade ein guter Leumund und die unbefleckte Ehre gelten dem Autor andernorts als Ausdruck hoher Tugenden, die er sogar als subjektive Rechtsgüter unter den Schutz der Rechtsordnung stellt. Umso schwerer wiegt es, wenn unter der Aufsicht der Zensoren die Angesehenheit dieser Güter als Druckmittel gegen den eigentlichen Rechtsinhaber verwendet werden kann. Die Politica trägt in Kapitel 30 Züge einer totalitären Sozialutopie. Die universale Konsoziation zeigt sich dann als Überwachungs- und Bevormundungsstaat, der sein Auge bis in die Gemächer und auf die Esstische seiner Untertanen richtet (XXX  20  f.). Nicht umsonst weist Althusius auf die Verwandtschaft der Zensoren zu den Spionen des Magistrats hin (XXX  30). Die Verwaltung im engeren Sinne sowie die „Zensur“ führen die Gesetze „sorgfältig und genau“ und „ohne irgendwelchen Rücksichtnahmen“ aus (XXIX  13, 15, 26) und verfahren entsprechend der „ausgleichenden und austeilenden Gerechtigkeit“. Bei der Würdigung der Zensur gilt es, ihre Stellung im Gesamtkonzept zu beachten. Sie stellt lediglich einen kleinen Ausschnitt der weltlich-administrativen Aufgaben dar, was sich im Darstellungsumfang niederschlägt. Ihre Ausführungen nehmen den verhältnismäßig geringsten Raum (10 Seiten) bei der Behandlung der weltlichen Administration ein. c) Gesetzgebung Gemäß ihren Aufgabengebieten hat die Administration eine entsprechende Gesetzgebungstätigkeit auszuüben (XXIX  3  ff.; XVIII  21; XXI  30; u. ö.). Der Erlass von Gesetzen ist Teil der „Verwaltung der Gerechtigkeit“ (Überschrift zu XXIX). Die Gesetzgebung erstreckt sich sowohl auf die sog. kirchliche Verwaltung (vgl. XXVIII  27  f., 48, 50; u. ö.) als auch auf die bürgerschaftlich-weltliche Verwaltung. Für Carl  J. Friedrich teilt Althusius mit Hobbes die Ansicht, dass der Staat seinen Wert in der Rechtsschöpfung und der Auslegung des Rechts erhält.496 Emsig verfolgt Althusius die Rechtsvereinheitlichung im Staatsgebiet, sowohl was die Kodifikation als auch die Anwendung anbelangt. Gesetze müssen gerecht, sicher und fest und als politisches Steuerungsmittel erster Wahl „nützlich“ sein. „Der Erlass und die Ausführung der Gesetze sind in besonderer Weise Aufgabe des Magistrats“ (XXIX  4). »Allein der Wille des Herrschers bringt das Gesetz hervor« (XIX  59). Althusius bezeichnet den obersten Magistrat ausdrücklich 496  Friedrich

1975, 78 / 79.

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als „legislator“ (XXIX  4).497 Diese Aussage ist ein Zugeständnis an die Position Barclays. Doch der wesentliche Unterschied zur Staatslehre des Schotten besteht darin, dass der Wille des Herrschers „erst dann zum Gesetz [wird], wenn es vom Volk angenommen ist“ (XIX  59). Der consensus soll – ganz dem kommunikativen Ideal verpflichtet – sich bereits vor dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahren abzeichnen, indem der Gesetzgeber „den Willen derer in Erfahrung bringt, die sich an die Gesetze halten müssen“ (XXIX  4). Alte Gesetze und Gebräuche sind beizubehalten und behutsam in neue Gesetze anzupassen (XXIX  4, 8). Der Wille des Herrschers ist demnach nicht Gesetz. Allerdings ist die Gesetzgebung ein (innerweltlicher) Willensbildungsprozeß. Eine Lösung der Macht vom Recht, von den Ständen und dem »Willen des Volkes«, wie sie Bodin in seiner absolutistischen Souveränitätslehre verfolgt, wird in der Politica ausgeschlossen. „Neue Gesetze“ sind an die „alten Rechte des Volks“ anzupassen. Maßvoll soll die Gesetzgebung zudem in Umfang und Ausmaß sein (vgl. z. B. XXIII  20). Weder eine »Gesetzesinflation« noch eine dauerhafte »Gesetzesreformitis« diene dem Gemeinwohl (XXIX  8). Während die Gesetzesausführung und -anwendung dem obersten Magis­ trat allein obliegt (XVIII  81), ist beim Erlass von Gesetzen eine zwingende Beteiligung der „Optimaten und Stände“ vorgeschrieben (XXIX  4; XVIII  68; XXVII  43; vgl. auch VI  51 [Senatskollegium]; VIII  50 a. E., 64  f. [Landtag]). Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist die Gesetzgebungstätigkeit des Verfassungsgesetzgebers von der des einfachen Gesetzgebers zu unterscheiden. Kap. 10 richtet sich in besonderer Weise an den Verfassungsgesetzgeber, wohingegen die einfache Gesetzgebung vornehmlicher Gegenstand des Kapitels 29 ist. In Kapitel 10 weist Althusius darauf hin, dass einfache Gesetze »Auslegungen« des moralischen Gesetzes des Dekalogs sind. Auslegung bedeutet dabei eine gesetzgeberische Leistung, die darin besteht, die göttlichen Gesetze „den ganz verschiedenen Gegebenheiten von Ort, Zeit, Sache und Person entsprechend dem Gemeinwesen [anzupassen].“ Bei dieser rechtsschöpferischen Aufgabe wird ein Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen sich die Gesetzgebungstätigkeit halten muss. „Gesetze dieser Art können aufgrund der Umstände in gewissen Punkten vom moralischen Gesetz abweichen, indem ihnen etwas hinzugefügt oder weggenommen wird, Dig. 1.1.6; doch dürfen sie dem Naturrecht oder der moralischen Billigkeit nicht gänzlich entgegengesetzt sein.“ (X  8; XXI  32–33). Ausführlich geht der Autor darauf nochmals in Kapitel 21 über Das Gesetz, dem gemäß die Verwaltung einzurichten ist ein. „Dieses besondere Gesetz wird aufgrund des allgemeinen Gesetzes je nachdem, wie es der Nutzen, die Bedingungen, 497  Koch schätzt die Verschränkung der Gewalten offenbar anders ein. Für sie kommt die „legislative Funktion“ den „Ephoren oder Gott“ zu, dies. 2005, 126.



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die Natur und andere Umstände des Orts erfordern, vom Magistrat aufgesetzt und erlassen, um die besonderen Mittel, den Weg und die Art und Weise anzuzeigen, die es den Menschen eines bestimmten Gemeinwesens möglich macht, die natürliche Billigkeit zu erweisen, zu beachten und zu pflegen. Das besondere Recht ist also nichts anderes als die einem bestimmten Gemeinwesen angepasste Anwendung des allgemeinen natürlichen Rechts“ (XXI  30). Die Fundamentalgesetze, die geschriebenes Verfassungsrecht der universalen Konsoziation beinhalten, stellen keine moralischen Gesetze dar. Sie sind demnach selbst schon „besondere Gesetze“, haben aber einen besonderen Rang neben dem Dekalog (vgl. XIX  14; XXXVIII  32) und stehen über den einfachen bürgerlichen Gesetzen (vgl. XXIV  49; u. ö.). Änderungen der Fundamentalgesetze unterliegen einem besonders strengen Verfahren. Änderungen des »Verfassungsrechts« sind „nur aufgrund ihrer (der Ephoren, P.  K.) ausdrücklichen freien Entscheidung, ihres Willens und ihrer Entschließung“ rechtmäßig (XXIX  9 i. V. m. XIX  49). Beim Erlass von einfachen bürgerlichen Gesetzen, sogar von untergesetzlichen „Verordnungen“ und „Dekreten“ ist die Zustimmung (approbatio) der Ephoren und Stände ebenfalls erforderlicher Verfahrensbestandteil. Eine constitutio des Magistrats entfaltet sonst keine Rechtswirksamkeit und ist nichtig (non valet) (XVIII  68; XXIX  4; s. a. VIII  65). Das nähere Verfahren zum Erlass von constitutiones und decreta ist im Kapitel über Die universalen Versammlungen ausgeführt (Kap. 33). Mit der öffentlichen Verkündung werden sie im gesamten Staatsgebiet verbindlich (XXXIII  10; X  3; XVII  60; IX  24; u. ö.). Nachdem das Gesetz den „öffentliche Befehl des Volkes“ bezeichnet, bedarf es mit Blick auf eine Gesetzgebung gemäß den Geboten der zweiten Tafel des Dekalogs folglich eines besonderen innerweltlichen Umsetzungsaktes, damit „das Volk jedem Bürger befiehlt“ (X  4; IX  18). Die vormals göttlichen Gesetze werden innerweltlich konventionalisiert zu „Vertrag, Verpflichtung, Versprechen und Übereinkunft“ der Glieder untereinander, der vom Bund (foedus) mit Gott und dem Religionsvertrag zu unterscheiden ist (X  3; XXVIII  15–24; XXXVIII  33). Als weltliches „allgemeines Souveränitätsrecht“ bezeichnet der Autor das, was als von konkreter Staatlichkeit losgelöste Rechtsstaatsprinzipien zu verstehen ist (X  2). Althusius fasst drei Rechtskreise zusammen, deren Schutz die Gesetzgebung besonders verpflichtet ist und die sich nach einer Auslegung lege artis dem Dekalog entnehmen lassen: Die Unverletzlichkeit des Lebens, des Körpers und der Freiheit zuerst, sodann der Schutz der Ehre und Würde des Einzelnen, schließlich das Recht auf Eigentum (X  6, vgl. VII  10; XXXVII  99–115). Legislative Eingriffe in die Schutzbereiche sind nur dann gerechtfertigt, wenn ein besonderes Souveränitätsrecht dazu ermächtigt, wie dies regelmä-

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ßig bei der Erhebung von Steuern und Abgaben, der Pflicht zu persönlichen Dienstleistungen, oder in Form von Geldstrafe und Gefangenschaft als Folge unerlaubten Handelns der Fall ist (vgl. XV  2). Die bürgerlichen Gesetze sind vernunftgemäße Auslegung und Anwendung dieser Rechtsquelle, als die sich der Dekalog darstellt (X  8, 9; XI  2; u. ö.). Althusius öffnet so das (Natur-)Recht des Dekalogs dem staatlichen Zugriff. Die Kompetenz, über den Inhalt des (theologischen) Naturrechts zu bestimmen („über den wahren und unverfälschten Sinn des Gesetzes … Auskunft zu geben“, X  9) ist Ausfluss der politischen Souveränität, die auf den Versammlungen des Reichs (oder der Provinz, vgl. VIII  65, 58) wahrgenommen wird. Erst diejenigen bürgerliche Gesetze, die diesem Naturrecht zuwiderlaufen, sind tyrannische Gesetze, gegen die Widerstand erlaubt und geboten ist (IX  21; u. ö.). Für verschiedene Politikfelder und Staatsaufgaben wird die Gesetzgebungstätigkeit inhaltlich konkretisiert. An erster Stelle rangiert eine recht­ liche Ordnung der Binnenwirtschaft und des Exports, wozu die Zulässigkeit staatlicher Monopole gehört, gefolgt von den Regelungen über die innere Sicherheit und Infrastruktur. Das Bündniswesen steht sowohl im engen Zusammenhang mit dem politisch verfolgten Wirtschaftswachstum als auch mit dem Wehr- und Kriegswesen. Ein weiteres Kodifikationsfeld ist schließlich die staatliche Sozialgesetzgebung. d) Rechtsschutz durch Jurisdiktion Der Schutz des Rechts ist staatlich-konsozietale Aufgabe. Sie umfasst sowohl den Schutz von Rechtsgütern durch Recht und Gesetz als auch vor rechtswidrig angewandtem Recht. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleistet in der staatlichen Symbiose im Besonderen die Jurisdictio. Ihre programmatische Ausrichtung findet sich bereits im Propädeutikum des Anfangskapitels der Politica: „Der Schutz der Untertanen umfasst die rechtmäßige Verteidigung gegen Ungerechtigkeit und zugefügte Gewalt. Hierdurch wird ihnen Sicherheit gegen absichtliche Verletzungen, gegen Gewalt und Unrecht gewährt, die gleich ob sie dem Körper, dem Leumund oder dem persönlichen Gut zugefügt wurden, mit erlaubten Mitteln bestraft und ausgeglichen werden.“ (I  17)

Die Bedeutung des Worts Jurisdictio ist auf den jeweiligen Zusammenhang zu beziehen (s. IV  16; VI  40–43, 48; VIII  2, 53, 57, 61; X  11; XIII  4; XVI  8  ff.; XVIII  30, 65  ff., 98; XIX  21; XXIX  29–60; XXXII  50, 93; XXXIII  15  f.; XXXVIII  9, 93; XXXIX  39; u. ö.). Bald bezeichnet sie Strafverfolgung und Justiz, bald Revisionsinstanz. In einem weiten Verständnis heißt Jurisdiktionsgewalt Gesetzesherrschaft und der Vorrang staatlicher



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Gesetze in der Normenhierarchie der universalen Konsoziation. Im Zusammenhang der Administrationslehre bedeutet Jurisdiktion „Rechtsverwaltung“ und „Rechtspflege“. Sie steht für Althusius in untrennbarer Verbindung mit der Souveränität des Gemeinwesens. „Freiheit von Jurisdiktion“ meint das Fehlen einer Rechtsordnung schlechthin. Emphatisch formuliert der Politiklehrer: „Das höchste Recht der universalen Jurisdiktion ist Gestalt, Substanz und Wesen der Souveränität bzw. jenes höheren Zustands, von dem wir sagten, dass, wenn er verfällt oder entrissen wird, jene Souveränität vernichtet wird“ (IX  15: Atque hoc supremum jurisdictionis universalis jus, est forma & substantialis essentia majestatis, seu majoris status, quem diximus, quo sublato, vel adempto, majestas illa concidit.) Das Gemeinschaftsversprechen bewirkt, dass „Untergeordnete und Höhergestellte durch eine Art Gleichheit des Rechts (juris quaedam aequabilitas) miteinander verbunden“ sind (IX  8, 12). Sie ist gesamtkonsozietale Aufgabe und wird als Ausfluss der Souveränität entsprechend einheitlich unter Vorbehalt der universalen Konsoziation gestellt (IV  16; VI  42, 48; VIII  2, 53–55; IX  15; X  3  f.; XVI  8  f.; XVII  41 [bei Bündnissen]; XXIX  40, 42, 46; XXXII  33, 36, 50; XXXIX  84  f.; u. ö.). Althusius kann daher mit Recht sagen, dass „die gesamte bürgerliche höchste Jurisdiktion … beim Gemeinwesen selbst“ liegt (XIX  21). Der Ausdruck nimmt im besonderen Kontext der Politica die Bedeutung von „Rechtsprechung“ an. Als Conditio sine qua non der unteilbaren Souveränität gestaltet er die Verankerung der Jurisdiktion auf der universalen Ebene aus. „Wenn aber eine Aufteilung der Jurisdiktion im Verhältnis des einem jeden zugewiesenen Territoriums vorgenommen wird, dann, so meine ich, bilden sich hier zwei separate und getrennte Arten der Herrschaftsgewalt.“ (XXXIX  39) Mit anderen Worten muss die einheitliche Jurisdiktionsgewalt »von oben« verliehen werden. Sofern die Territorien Bundesgenossen sind, üben sie auch Bundesrecht aus. Das Recht, das sie setzen, muss sich dieser universalen Jurisdiktionsgewalt unterordnen und beugen. Die Einheit der Rechtsordnung und -pflege wird als notwendige Klammer eines föderalen Staatsaufbaus betont. In der universalen Konsozia­ tion, in den Provinzen und den kommunalen Gebietskörperschaften soll demnach einheitliches Recht gesprochen werden, was den historischen Gegebenheiten um 1600 noch in keiner Weise entsprach. Es mangelte noch an allgemein anerkannten und verbindlichen (weltlichen) Kodifikationen.498 Althusius rückt nicht zuletzt deshalb neben dem Sachsenspiegel beständig die Goldene Bulle und weitere Wahlkapitulationen ins Blickfeld, weil sie durch ihre Schriftlichkeit für die erstrebte Rechtseinheit und -sicherheit sorgten. Die rechtsvereinheitlichende Gesetzgebung seitens der universalen 498  Willoweit 1997, 105, 118  ff.; Boldt 1994, 162; vgl. auch Kroeschell 2001, 68–72.

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Körperschaft wird durch eine effektive Rechtsprechung als Desiderat des erforderlichen Gewaltmonopols ergänzt (IX  15). Jedem Symbiot (und nicht nur jedem Mitglied) der universalen Konsozia­ tion, der (bzw. das) in seinen Rechten verletzt wird, steht neben bzw. nach der außergerichtlichen Streitschlichtung (etwa XVII  40) der Weg zu den Gerichten offen (XXIX  57). Dieser Gerichtsweg betrifft zunächst privatrechtliche „Streitigkeiten und Auseinandersetzungen der Untertanen“. Darunter ist die Zivil- ebenso gut wie die Strafgerichtsbarkeit zu zählen (XXIX  36–38). Zugleich ist aber auch eine gerichtliche Kontrolle der öffentlichen Verwaltung gegeben. Zur effektiven Durchsetzbarkeit gibt es in den Kommunen (V  56, 66; VI  43, 40  f.), in den Provinzen (VIII  2, 57, 61  f.) und im Staat (XVI  8–11; XXVII  48  f.; XXVIII  29; XXIX  43  ff., 57  ff.; XXXIII  15  f., 111) entsprechende Gerichte (judicium; dicasteria). Sie alle sichern die Einheit der Rechtsordnung und sind an die universale Jurisdiktionsgewalt gebunden (VI  42; VIII  2). Rechtliches Gehör finden die  Reichsbewohner zudem auf den entsprechenden Versammlungen (XXXIII  10, 15  f.; IV  16; V  66; u. ö.). Für das staatliche Rechtswesen ergibt sich folgende Organisations- und Organstruktur: Als Ausfluss des Jurisdiktionsvorbehalts wählt der oberste Magistrat die magistralen Richter unmittelbar oder mittelbar aus (XXIX  40; XXXII  50). Die Richter stammen aus den verschiedenen Ständen und Regionen. Ausdrücklich sind neben Angehörigen des Adels und des Klerus auch Gemeine zum richterlichen Gremium zugelassen (XXX  50). Auf diese Weise wird die richterliche Unabhängigkeit gestärkt. Mittlere Magistrate der Provinzen und die Präsiden der Kurien üben die rechtsprechende Gewalt „im Namen ihres Oberherrn“ aus (XXIX  42). Ausdruck der konsozietalen Rechtsstaatlichkeit ist, dass jedermann den Anspruch auf rechtliches Gehör und ein gerichtliches Verfahren hat, sofern er sich in den vom Staat verbürgten Rechtsgütern verletzt oder durch ein gerichtliches Urteil beschwert fühlt (XXIX  29, 37, 38, 57). Der höchste Magistrat wird dem Staatsaufbau entsprechend flächendeckend Gerichte in den Städten und Provinzen einrichten. Die Anzahl der Gerichte richtet sich nach der Bevölkerungszahl der in der betreffenden Region Lebenden (VIII  62; XXIX  40  f.). Als Grund für die Schaffung der „Gerichte höherer und niedere Instanz“ gibt Althusius an erster Stelle die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden an. „[E]s [soll] nicht an Richtern fehlen …, die Streitigkeiten schlichten und kontroverse Fälle entscheiden, damit Ungerechtigkeit, Lug und Trug oder Straflosigkeit vermieden und Ruhe und Frieden der menschlichen Gesellschaft und des Gemeinwesens mit allen nur erdenklichen, zur Verfügung stehenden und bereitgehaltenen Mitteln bewahrt werden.“ (XXIX  43) Althusius erkennt in der Rechtssicherheit eine wesentliche Bedingung für die Integration des Staates in die Gesellschaft. Die ständische (Berufs-)Gerichtsbarkeit bleibt



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parallel in Geltung (IV  16, 6). Über die Gerichte wirkt der Staat in die Gliedstaaten hinein, was den Anspruch des Staates abrundet, eine einheit­ liche Rechtsordnung zu stiften (vgl. IX  14; X  4; I  17). Die Gerichte in den Städten werden mit „mittleren und unteren“ Richtern besetzt. Es gibt Einzelrichter und für schwierigere Fälle Richterkollegien. Darin zeigt sich eine weitere Facette des Kommunikationsstaats, der Rechtsfindung und Rechtsprechung kommunikabel ausgestaltet, sie einer Mehrheit von Sachkennern überantwortet und die Korrigierbarkeit (ab altero corrigi potest) über jedweden Absolutismus stellt. Davon ist auch die eigenständige Gerichtsbarkeit in kirchlichen Angelegenheiten nicht ausgenommen. Rechtsstaatliche Grundsätze schlagen auch in diesem Bereich durch (vgl. XXVIII  28  f., 58; XXX  28). Eine „Spaltung der Rechtsordnung“ (Heckel 2001, 42) soll gerade vermieden werden. Richter können unmittelbar vom höchsten Magistrat eingesetzt sein oder von den Städten in der ihnen zustehenden Autonomie. Demnach bezeichnen sie sich als „königliche“ bzw. „munizipale“ Richter. Aufgrund des Jurisdiktionsvorbehalts werden die städtischen Richter dennoch nur „mit Genehmigung des Oberherrn oder anderer Magistrate mittlerer Instanz bestellt“ (XXIX  46; VIII  2). Für die Provinzebene gilt eine entsprechende Struktur der Justiz, ohne dass Althusius Näheres dazu ausführt (vgl. VIII  61  f.; XXIX  44; XXXII  92  ff.). Eine ununterbrochene Legitimationskette bindet die eingesetzten Richter stets an die Volkssouveränität zurück. Sie „bedienen sich wirksam der Autorität dessen, der über diese verfügt.“ (XXIX  44) Letztlich liegt „die gesamte bürgerliche höchste Jurisdiktion … beim Gemeinwesen selbst“ (XIX  21). Eine derart ausgeübte Judikative ist Schlüsselstein der gesamten Souveränitätslehre: „Das höchste Recht der universalen Jurisdiktion stellt die Form und den wesentlichen Gehalt der Souveränität bzw. jenes höheren Status dar“ (IX  15). Die Judikative sichert den Bestand des Staates auf eine dieser Teilgewalt zukommenden Weise. Für den Rechtsgelehrten Althusius gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen zu den bestimmenden Organisationsgrundsätzen der rechtsprechenden Gewalt. Die Öffentlichkeit dient zum einen der Kontrolle und zum anderen der Unabhängigkeit der Richter vor staatlicher oder privater Einflussnahme (XXIX  49, 40; XXXII  33). Überdies dient die Öffentlichkeit einem effektiven Schutz der gewährleisteten Rechtsgüter. Einer „Geheimjustiz der Administrativgerichte“ (Hufen 1998, 600) wird damit vorgebeugt. Ein weiterer rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsatz findet sich in § 46, wonach die Richter „unvoreingenommen und ohne jedes Vorurteil“ untersuchen und entscheiden (s. a. XXIX  31). Eine obrigkeitsstaatliche Weisungsgebundenheit scheidet damit aus, die Richter der Politica sind »unabhängig«. Unbeschadet der Instrumente zur Sicherung einer unabhängigen Justiz ist sogar eine Begrenzung der Prozesskosten sowie Sanktionen bei

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nachlässiger rechtlicher Untersuchung vorgesehen (XXIX  47–56). Es gilt das Schuldprinzip (XVI  8; XXXVII  103–112; u. ö.). Rechtsstaatliche Strafrechtsgrundsätze bilden ferner, dass keine Strafe ohne Gesetz verhängt wird (nulla poena sine lege, vgl. XXVIII  58) und, dass kein Verbrechen ohne Strafe bleiben darf (nullum crimen sine lege, XXIX  42, 18). (Zur Strafrechtspolitik vgl. X  11; zur „exemplarischen“, d. h. nicht systematischen Todesstrafe: XXXI  26). Die Richter fällen demgemäß ihr Urteil „im Namen des Reichs“ (XXIX  58), das sie repräsentieren (vgl. XXIX  60; XVI  10). Den krönenden Abschluss bildet das höchste Reichsgericht. Althusius nennt die französischen und das englische Parlamente als beispielhafte Gerichte und höchste Gerichtshöfe (XXIX  41, 60; XVI  10; vgl. vornehmlich für das englische Parlament XVII  61 a. E.; u. ö.), die deutliche Unterschiede zur Staatsrechtspraxis des Deutschen Reichs aufweisen. Vor der historischen Handlungsunfähigkeit des Reichskammergerichts überrascht daher die Nennung des Kammergerichts in Speyer (XVI  9  f.; XXIX  60).499 Zur rechtlichen Untersuchung und Verteidigung befugt sind vom Volk und dem höchsten Magistrat (a toto populo ejusq; summo magistratu) mit deren Hoheitsgewalt (potestas) ausgestattete Männer. Für das deutsche Kammergericht weist Althusius, die Unabhängigkeit der Richter unterstreichend, auf die von Nicolaus Cisner 1570 herausgegebenen Visitationsabschiede des kaiserlichen Kammergerichts hin. Darin heißt es, dass die Richter alle Stände und Ordnungen des Reichs repräsentieren (XVI  10). Die althusische Judikative läuft auf dieses tribunal superius zu, das sich insbesondere gegen das historische jus de non appellando der Territorialherrschaften richtet. Als eine »Superrevisionsinstanz« reiht es sich in den mehrstufigen Instanzenzug ein, d. h. jeder kann, wenn er sich durch eine „rechtswidrig ergangene richter­ liche Entscheidung beschwert“ glaubt, sich mit einer „Appellation“ von den unteren oder mittleren Gerichten an das oberste Gericht wenden (XXIX  41, 57  f.). Damit wird zugleich ein rechtsstaatlicher Anspruch auf rechtliches Gehör verbürgt. Der Gerichtshof ist ein aus „allen Ständen und Ordnungen des Reichs“ zusammengesetzte Spruchkammer, die das „schlechte Urteil“ erörtert und prüft. Ihr Urteil ist »Gesetz«, da keine weitere Berufung mehr möglich ist (XXIX  57). Es gibt Angelegenheiten, für die nur der Gerichtshof zuständig erklärt wird (vgl. XVI 8–11). Dann nimmt er seine Aufgaben nicht als Instanzengericht wahr. Als besondere Ausprägung des Souveränitätsrechts erscheint das Appellationsgericht, an das sich einzelne Glieder des Reichs, d. h. Provinzen und Reichsstädte wenden können. Dieses Gericht ist dann der Wahrer der staatsrechtlichen Einheit (XXIX 58). Als jus majestatis speciale stellt es sich 499  Heckel 2001, 92  ff.; Moeller 1999, 157  f.; Schilling 1998, 400  f.; Willoweit 1997, 130  ff.; Rabe 1989, 435; Vierhaus 1984, 124.; Zeeden 1976, 61  ff.



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deshalb dar, da es zum Schutz und zur Verteidigung der Unverbrüchlichen der Gemeinschaftsrechtsordnung dient. Es richtet sich unter den gegebenen Umständen sogar gegen die Obrigkeit (XVI 17, sechster Grund) und betont die Anerkenntnis der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung als eigenständige Teilgewalt. Das Gemeinschaftsglied, das sich durch das Verhalten eines „mittelbaren Magistrat[en] oder ein einflussreiches Glied[es] des Gemeinwesens“ in seinen Rechten verletzt sieht, kann vor dem Appellationsgericht sein Recht einklagen (XVI 8). Dieses Recht wird sogar explizit „den Untertanen“ zu­ gestanden, die sich durch einen mittleren Magistraten „mit Gewalt zu ­ungewohnten Leistungen, zu Spann- oder Frondiensten“ gezwungen sehen (XX 21; vgl. auch XXXVII 82, 118). Die Gerichtsbarkeit wird „im Namen des Gemeinwesens“ ausgeübt. Damit bricht »Bundesrecht« unter Zustimmung aller staatsangehörigen Glieder das provinziale »Landesrecht«. Sie stellt keine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten oder Kompetenzen der Gliedstaaten dar. Sind sie auch in ihrer Gesamtheit »Herren der Verträge« (vgl. XIX 49), so unterwirft sich das einzelne Mitglied der Rechtsprechungskompetenz des Gesamtverbandes. Es kommt somit gegebenenfalls zu einer die bestehende Ordnung abändernden Rückkoppelung gesamtstaatlicher Grundsätze in den Territorien. Für eine gewaltenteilige Judikative spricht alsdann die richterliche Überprüfbarkeit der Handlungen des obersten Magistrats, wie sie sich im Kapitel 38 über das Widerstandsrecht als probates rechtsstaatliches Kontrollmittel ausgestaltet findet (XXXVIII  57). Der oberste Magistrat als die Spitze der Exekutive kann selbst vor dem höchsten Gericht angeklagt werden.500 Schließlich ist das den Ephoren eingeräumte Schwertrecht Ausdruck einer rechtsprechenden Kompetenz (XVIII  65  f.; XXXVIII  93, 57), die in der universalen Konsoziation gewaltenteilig organisiert ist (s. a. Überschrift zu XXXVIII  93). Doch bereits in der Auseinandersetzung mit den Vertretern des Absolutismus weist Althusius auf einen politiktheoretischen Meinungsstreit hin: Zu unterscheiden ist zwischen Verbindlichkeit und Vollzug von bürgerlichen Gesetzen (IX  21  f.; XIX  58; XXIV  49). Der Autor der Politica schließt sich der Meinung an, dass hinsichtlich eines Strafvollzugs zugunsten des Herrschers eine Hemmung eintritt (ebd.). „Und insoweit ist der oberste Magistrat von den Strafgesetzen entbunden, da das Volk, obwohl es ihn eingesetzt hat, doch nicht über die Macht verfügt, ihn zu verurteilen oder zu bestrafen, sondern allein die Optimaten“, die als Repräsentanten des Volks handeln (XXXVIII  66). Als rechtsprechende Herrschaftsausübung zeigt sich die Jurisdictio als gewichtiger Teil des konsozietalen Gewaltmonopols. Der politische Verband 500  Vgl. etwa für den deutschsprachigen Raum das Trauerspiel Carolus Stuardus von Andreas Gryphius (erschienen 1657 u. 1663).

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muss demnach über „hinreichend umfassende, ausschließliche und volle Gewalt im Innern“ verfügen „sowie besondere Fähigkeiten und Kräfte, durch die sie (die universale Gemeinschaft und politische Körperschaft, P.  K.) aufrechterhalten wird und auf die sie sich stützt, so dass sie keinen anderen Oberherrn anerkennt, dem sie etwas schuldet oder von dem sie etwas erwartet, über das sie nicht selbst verfügt“ (IX  15). Zum weiten Jurisdiktionsbegriff gehört außerdem „notwendig, dass ein Gemeinwesen durch genau bestimmte und gute Gesetze regiert wird“. Dieses Gewaltmonopol, das sich aus der Souveränität ableitet und „die Form und den wesentlichen Gehalt der Souveränität“ ausmacht, sieht Althusius für das Deutsche Reich ebenso gegeben an wie für Frankreich, Spanien, England, Polen und mehrere andere Reiche („Tale est  …“). Die heutigen geschichtlichen Darstellungen zeichnen dagegen ein anderes Bild von den Zuständen des Deutschen Reichs. Allgemein wird angenommen, dass sich das Reich im fraglichen Zeitraum durch die Verfassungskämpfe, den Streit um die Auslegung des Augsburger Religionsfriedens, die Lähmung der Reichsorgane, die Türkengefahr, die Nachfolgefrage Rudolfs II. viel eher in einer Staatskrise befand, wenn auch zugleich betont wird, dass das Reich trotz der inneren Machtkämpfe als Einheit niemals in Frage gestellt wurde.501 Althusius bezieht seine Einschätzung, dass das Gewaltmonopol beim Staate „ist“, auf die Allgemeinen Staatslehren der Zeit um 1600, die sich in den von ihm zitierten Schriften von Covarruvias, Molina, Botero sowie M. Peregrinus und Cravetta finden. e) Gewaltenteilung Als allgemeiner Grundsatz gilt, dass die (noch unspezifizierte) administratio generell in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet ist, „so dass jedem Glied des Gemeinwesens das ihm zukommende Recht belassen, nicht gemindert oder zum Nachteil eines anderen Glieds gemehrt wird.“ (XXIX  2) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit, den Althusius schon als Verteilungsgerechtigkeit (justitia distributiva) auf die Drei Gemeinschaften anwendet (XI  19; XV  7; VI  47; IX  43; u. ö.), ergänzt wesensmäßig die althusische Administrationslehre. Er ist essentieller Leitgedanke moderner Rechtsstaatlichkeit geworden. Angemessen zu geben und verhältnismäßig zu nehmen, entspricht dabei dem kommunikativen Grundcharakter symbiotischen Zu501  Heckel 2001, 96–122; Schilling 1998, 371–419; Willoweit 1997, 130–132; knapper und differenzierend Boldt 1994, 247–288; Press 1991, 161–195; differenzierender auch Rabe 1989, 420–440; Zeeden 1976, 47–78; vgl. Zeeden zu den europäischen Staaten Spanien, Frankreich, England und Polen in: Ders. 1999, 83–238; überblicksartig für europäische Staaten Schulze 1995, 49–64.



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sammenlebens. Bei der Erhebung von Abgaben und Steuern (XI  19, 37; XXIV  30; u. ö.) ist er genau so zu beachten wie er sich in einer gemäßigten Regierungsweise (XXIV) und einer maßvollen Strafgerichtsbarkeit (XXIV  23) wiederfindet. Die Beachtung einer verhältnismäßigen und angemessenen Belastung der Bürger nimmt eine gewichtige Bedeutung für die Einschätzung einer tyrannischen Regierung ein (vgl. etwa XXXVIII  19). Als fest verankertes Prinzip gilt es umgekehrt auch für etwaige Widerstandsmaßnahmen. Diese Aussagen allein sind schwerlich als eine Proklamation der Gewaltenteilung zu verstehen. Doch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anknüpfend beugen die sich gegenseitig begrenzenden und kontrollierenden Staatsorgane einem Machtmissbrauch vor und sichern die Freiheit des Gemeinwesens (IX  19, 27; XVI  11; XVIII  48, 54, 63, 68, 70, 72, 83, 91, 99, 113; XXIX  22, 39, 44; u. ö.). Die Vorstellung, dass die ­potestas lediglich geteilt ausgeübt wird, gehört zu den politiktheoretischen Grundaussagen der Politica (s. a. XVI  10; XVIII  65; XXIX  2). Geteilt wird dabei nicht das jus majestatis, dieses ist für den Staatsdenker unteilbar. Die Teilung zielt auf die Ausübung der Macht durch vertikale Organisationsstrukturen und verschiedene administratores in verschiedenen Funktionsbereichen des staatlichen Gemeinwesens (IX  19; XVIII  21; u. ö.). „Denn nichts ist der Erhaltung der Souveränität dienlicher als eine durch andere veranlasste Mäßigung der Herrschaftsgewalt, die so in ihren Grenzen gehalten wird. Denn große Macht kann sich ohne eine Art Beschränkung und Mäßigung, die anderen anvertraut ist, nicht in ihren Grenzen halten“ (XVIII  65).

Diese aus der Ephorenlehre stammende allgemeine Aussage enthält den Grundsatz der Gewaltenteilung. Althusius wird daher zu Recht zu den „Vorvätern dieses Gedankens“ gerechnet.502 Vornehmlich gegen Bodins und Barclays Staatslehren positioniert der Herborner Rechtsgelehrte seine Souveränitätsdoktrin und Administrationslehre, in denen eine absolutistische Konzentration der staatlichen Macht und die damit einhergehende Gefahr des Missbrauchs von vornherein verhindert werden soll. Althusius unterscheidet bereits frühzeitig zwischen einer höchsten Gewalt (Souveränität) und davon abhängenden „anderen“ Gewalten (IX  24 a. E.). In der Gesamtkonzeption eines auf verhältnismäßige „Mitteilung“ von Sachen, Leistungen und Rechten angelegten Gemeinwesens bildet schließlich eine »Mit-Teilung der Gewalt« die der symbiotisch-konsozialen Herrschaft angemessene Konsequenz. Der Grundgedanke einer „gemäßigten, auf Gegenseitigkeit beruhenden Regierungsweise“ tritt in organisatorischer und funktionaler Hinsicht auf (XVIII  113). Gleich, ob vertikale, horizontale, personale oder funktionale Teilung, stets bleiben die Teilungen aufeinander bezogen. Gegen ein strikt gewaltenteiliges Handeln spricht unterdessen, dass Rechtsprechungs502  Zippelius

1999, 299; ders. 1971, 99.

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organ und Legislative, exekutive Administration und legislative Kompetenz durchaus organisatorisch-strukturell und funktionell vermengt sind (vgl. XXXIII  15; XVII  56, 60). Eine strenge Abtrennung der Gewalten stellte indessen eine Kontraindikation dar und behinderte die Kommunikation.503 Denn die „unteilbaren Souveränitätsrechte“ machen es bei einer Ausübung durch mehrere Personen erforderlich, „dass diese sich bei der Ausübung dieser Rechte im gegenseitigen Einvernehmen und Einverständnis wie ein Einziger verhalten.“ (XXXIX  18) Die Teilung der Gewaltenausübung insbesondere bei einer aristokratischen und demokratischen Magistratsregierung gelingt demnach nur in einer auf Kooperation angelegten Organisationsstruktur (vgl. Kap. 39). In den polyarchisch strukturierten Regierungen „besitzen alle zusammen gleichzeitig eine einzige oberste Herrschaftsgewalt, die mehreren gemeinsam, aber nicht den Einzelnen zukommt.“ (XXXIX  33) Ausüben kann „jeder einzelne Amtskollege (socius, P.  K.)“ diese Macht „allen Untertanen als Einzelnen“ gegenüber. Die Judikative etwa wird „nach einem gemeinsamen und einstimmigen Votum“, alternativ durch die Zustimmung des größeren Teils (vel majori parte) auf dafür geeignete Personen übertragen, die diese Aufgabe „angemessen wahrnehmen“ können (XXXIX 39). Solcherart vollzieht sich die „Ausübung und Praxis der gemeinsamen Jurisdiktion … durch einen Beauftragten gemeinschaftlich und ungeteilt“ (XXXIX  39). Aber auch in der Monarchie gilt der Grundsatz, dass sie nicht „frei von jener Mischung ist“ (XXXIX  23). Die Teilung der Hoheitsgewalt dient dem Staatsdenker der arbeitsteiligen, d. h. effektiven Erfüllung der vielfältigen staatlichen Aufgaben. „Eine Herrschaftsgewalt, die von mehreren ausgeübt wird, und Angelegenheiten, die im Gemeinwesen von vielen gemeinschaftlich besorgt werden, lassen sich so nämlich leichter durchführen und erledigen.“ (XVIII  72; vgl. auch XXXII  58) Die Vorkehrungen gegen Machtmissbrauch sind bereits in den Grundstrukturen der universalen Konsoziation und den Staatsfunktionen angelegt. Gewaltenteilung entfaltet sich als Prinzip nicht nur funktional (Exekutive, Legislative, Judikative) und organisatorisch (Magistrat – Ephorat) auf staatlicher Ebene, sondern findet bereits auf der kommunalen Ebene im Sinne einer vertikalen Gewaltenteilung statt. Sie befördert die subsidiäre Aufgabenwahrnehmung durch höherrangige Konsoziationenstufen, da alle ört­ lichen Angelegenheiten zuvörderst durch die Kommunen in eigener Verantwortung wahrgenommen werden. Dort ist indessen die horizontale Gewaltenteilung weniger strikt durchgeführt. Der kommunale Senat nimmt legis503  Anders Koch, die die „Kompetenzvermischung“ als „problematisch“ ansieht, andererseits aber die im Raum stehende Problematik nicht erläutert, dies. 2005, 124  ff.



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lative (V  64  f.; XVIII  68) und judikative (V  66) Aufgaben gleichermaßen wahr. Schließt man den Bürgermeister als Senatspräses in die Betrachtung ein, übt er mitunter exekutive, legislative und judikative Herrschaftsgewalt in Personalunion aus. Die starke Stellung des Bürgermeisters gewährt ihm einen weiten Handlungs- und Ermessensspielraum: „Wenn aber die Wichtigkeit der Sache es erfordert und eine größere Zahl vom richtigen Weg abzuweichen scheint, so lässt er (d. i. der Bürgermeister, P.  K.) die nicht zustimmenden Voten prüfen und gewichten und die Sache von Neuem erörtern.“ (V  64) Besonderes Augenmerk fällt auf die ephoralen Stände, die mit dem Magistrat gemeinsam die höchste Macht teilen. „Die gegenseitige Zurechtweisung, Kritik und Aufsicht zwischen dem König und den Ständen bzw. den Ephoren erhält den Zustand des Reichs sicher und unversehrt und bewahrt es vor allen Unzuträglichkeiten, Übeln und Gefahren“ (XVIII  91). Nicht allein, dass höchster Magistrat und Ephorat sich in den umrissenen Aufgabenbereichen gegenseitig kontrollieren, die Gewaltenteilung wird von Al­ thusius auch zwischen den Ephoren durchdekliniert. Er befürwortet die Verzahnung und Vernetzung der besonderen (Reichs-)Ephoren mit den allgemeinen Ephoren des Gemeinwesens. Sie sollen sich „wiederum untereinander … auf feste Art und Weise zusammenschließen, so dass sie voneinander abhängen“ (XVIII  113; vgl. auch IV  24, 30). Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass „jeder Stand innerhalb seiner Grenzen gehalten“ wird. Diese Strukturen fördern „eine gemäßigte, auf Gegenseitigkeit beruhende Regierungsweise des Gemeinwesens, wie sie von den Philosophen … sehr gerühmt wird“ (XVIII  113). Dementsprechend ist innerhalb der Magistratur, d. h. in den dem Magis­ trat nachgeordneten Behörden eine arbeitsteilige und gleichsam gewaltenteilige Aufgabenwahrnehmung vorgesehen (vgl. XXXII  47; u. ö.). Althusius geht hierbei ganz offenbar von einer dispositiven Teilbarkeit aus: „So kommt es, dass dem obersten Magistrat die allgemeine Verwaltung der Souveränitätsrechte, wie man sagt, bald ganz, bald zur Hälfte, bald zu einem Drittel übergeben ist, je nachdem, wie dies vertraglich ausgemacht oder jeweils üblich ist.“ (XIX  48) Für eine gewaltenteilige Judikative ­beispielsweise spricht, dass der Magistrat „in Ausführung seines Amtes“ (ad  muneribus sui expeditionis), „andere Richter“ mit der erforderlichen Jurisdiktionsgewalt (cum jurisdictione & potestate necessaria) einsetzt (XXIX  39). Die Übertragung von judikativer Herrschaftsgewalt steht also nicht in seinem Belieben, sondern stellt eine Amtspflicht dar. Der höchste Magistrat soll zwar ebenfalls, soweit es ihm möglich ist (quantum fieri potest), in eigener Person Rechtskenntnisse erwerben und urteilsfähig werden (XXIX  30). Doch die Jurisdiktion kommt nicht allein auf seinen Schultern zu liegen. Damit allein wäre nämlich überhaupt kein Rechtsstaat im

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von Althusius angestrebten Sinne zu machen (vgl. IX  21, 24; XVIII  98). Schließlich muss sich der oberste Magistrat gegebenenfalls selbst vor Gericht verantworten. Für dieses höchste Gericht gilt, dass die Richter „vom ganzen Volk und seinem obersten Magistrat“ eingesetzt werden (XVI  9; Ernennung durch die Stände: ebd. 10). Unter Verweis auf die Sammlung der Visitations-Abschiede des Kayserlichen Cammer-Gerichts spricht der Autor sogar davon, „dass die Richter alle Stände und Ordnungen des Reichs repräsentieren“ (XVI  10). Damit wird eine klare gewaltenteilige Organisa­ tionsstruktur für die Judikative ausgesagt (vgl. für die Judikative XXIX  22, 39  f., 44; für die Exekutive und Legislative XXVII; XXXII  36  ff.; u. ö.). Die Administration des obersten Magistrats beugt sich also nicht allein vor dem Recht, sondern auch vor den Richtern. „Die Bedingungen und Gesetze der Unterordnung“ werden ebenso wie die Bestimmungen über „Maß, Form und Ziel“ der administrativen Hoheitsgewalt festgelegt und in öffentlich verkündeten Urkunden und Dokumenten niedergelegt (XIX  30; X  3; u. ö.). »Jedermann« nimmt somit an der »Kontrolle« teil. Der Autor legt die Gewalten- und Aufgabenteilung in der Administra­ tionslehre für den Regierungs- und Verwaltungsapparat ausführlich dar: „Eine Minderung und Einschränkung der Herrschaftsgewalt geschieht durch deren Teilung sowie durch Einsetzung eines Amtsgenossen mit gleicher oder größerer Amtsgewalt.“ (XXV  14) Damit ist ein strukturelles Hindernis gegen „Machtanmaßung“ und „usurpierte Herrschaftsgewalt“ gegenüber dem obersten Herrscheramt in die Verwaltungsorganisation eingebaut (XXV  14). Gewaltenteilung bedeutet für den Emder Politiker immer auch Arbeitsteilung und eine Steigerung der Verwaltungseffizienz sowie die überzeugende und einzig legitime Behauptung des staatlichen Anspruchs auf das Gewaltmonopol gegenüber den Ständen (vgl. XVIII  72). Findet sich bei Althusius keine Gewaltenteilung im Montesquieu’schen Sinne, so gelangt er in seinem System gleichwohl zur gegenseitigen Kontrolle der Machthaber.504 Wolfgang Reinhard spricht bei Althusius einschränkend von einer „Vorstufe“ der Gewaltenteilung. Althusius unterdessen sieht, dass „die übrigen Gewalten von der höchsten Gewalt abhängen“, womit die gewaltenteilige Ausübung der unteilbaren Souveränität ausgesagt ist (IX  24 a. E.). Die Gewaltenteilung stellt deshalb ein tragendes Organisationsprinzip der Politica dar und wird vom Autor entsprechend ausgeformt. Diese Teilung hat sogar eine gewisse demokratische Funktion insofern, als sie das demokratische Element in der Administration gegen Gewichts504  So Winters 1995, 44; Achterberg 1988, 498  f.; Reinhard 2003, 308. Deut­ licher für eine Gewaltenteilung bei Althusius: Zippelius 1971, 99; Scupin 1965, 12; Friedrich 1975, 134. Der Verfasser der Politica zitiert den „Vorläufer“ (Höffe 1999a, 105) der Gewaltenteilung Donato Giannotti (XXXIII  121).



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verschiebungen absichert (XIX  21; XXIX  2). Während er die „Mischung und Symmetrie im Gemeinwesen“ darlegt, wirbt der Autor für diese demokratische Funktion: „Auch ist es besser, dem gemeinen Volk einen kleinen Anteil an der Herrschaft zu geben, als das ganze Gemeinwesen äußerster Gefahr auszusetzen.“ (XXIV  42) Von einer Gewaltenteilung besondere Art ist auf staatlicher Ebene in den kirchlichen Angelegenheiten die Rede. „Jede von beiden befiehlt und gehorcht der je anderen, und jede von beiden unterstützt die andere bei der getrennt aufgetragenen Leitung“, die sich einmal auf das Heil der Seele, einmal auf das Heil des Körpers bezieht (XXVIII  5; I  14; IX  28). Kommunikatives Leitbild ist der Konsens mit den kirchlichen Gremien (XXVII  6; u. ö.). „So trägt in geistlichen und bürgerlichen Angelegenheiten jeder Stand bzw. jede Ordnung im wechselseitigen Umgang für die Aufgaben und das Recht der jeweils anderen Sorge, mit Ausnahme der Inanspruchnahme und Ausübung der ordentlichen Jurisdiktion.“ (Hervorheb. P.  K., VIII  2) Als weiteres rechtsstaatliches Merkmal ist die zeitliche Begrenzbarkeit der Amtsgewalt hervorzuheben (V  25 a. E.; XVIII  102, 104; XIX  21; u. ö.). Die Zeitlichkeit weltlicher Herrschaftsausübung bedeutet indessen nicht, dass die Herrschaftsorgane nur für einen im Voraus bestimmten Zeitraum konstituiert werden und die Organwalter sich nach Ablauf der bemessenen Zeit einer neuen Wahl stellen müssen. Die grundsätzliche Abberufbarkeit dient jedoch wiederum der Kontrolle und der Vermeidung von Machtmissbrauch, die zudem durch Kollegialität im Ephorat und in den magistralen Ämtern und Ressorts gestärkt wird.505 3. Bewehrte Administration Als eigenständiger Administrationsbereich wird das Wehr- und Kriegswesen in den Kapiteln 34–36 auf knapp 80 Seiten behandelt. Im Vergleich zu den Ausführungen über Reichsversammlungen auf rund 60 Seiten (Kap. 33) nimmt die Beschreibung des Wehr- und Kriegswesens keinen überrepräsentativen Platz ein. Gegen die Wiedertäufer übernimmt Althusius die Position Vermiglis, wonach es auch Christen erlaubt sei, Krieg zu führen (XXXV  6). „Gott selbst befiehlt“ Unrecht vorzubeugen und abzuwehren und die Täter zu verfolgen und zu bestrafen (XXXIV  4). Das Recht des Einzelnen, sich und seine Rechtsgüter zu verteidigen, wird in doppelter Weise auf die Staaten übertragen. Der Staat schützt seine Bürger und deren Rechtsgüter, der Staat schützt überdies seinen eigenen Bestand, seine Einrichtungen und seine Rechtsgüter. Daher gehört es zum präventiven Aufgabenbereich der 505  Söllner

1996, 31  f.

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Regierung, „kampfbereite Waffen stets zur Hand“ zu haben. In Friedenszeiten (Kap. 34) besteht „die Sorge um die Waffen“ in der Unterweisung zur Wehrtüchtigkeit der Bürger und der Aushebung von Soldaten. Dazu kommen die Ausstattung mit finanziellen Mitteln, der Bau von Wehranlagen sowie die Bereitstellung von Kriegsgerät und Bevorratung von Lebensmitteln (XXXIV  2, 12, 38 a. E. u. ff.). Althusius verspricht sich von der Einübung militärischer Disziplin zudem eine Steigerung der Tugendhaftigkeit des Bürgers (XXXIV  5). Söldnern steht er misstrauisch gegenüber, da es bei ihnen an Einsatzbereitschaft für das Vaterland fehlt und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich bezahlte „auswärtige Soldaten“ gegen das Land wenden (XXXIV  3, 6  f.; XXXV  66  f.). Auch in Friedenszeiten hat der oberste Magistrat ein stehendes Heer zur Verfügung. Die Grundstruktur des Heeres besteht in einem dem obersten Magistrat verantwortlichen General, der als summus dux im Kriegs- oder Verteidigungsfall an seiner statt die Befehlsgewalt ausübt. Dem sog. Generalpräfekt sind weitere (Provinz-) Präfekten unterstellt (XXXIV  28  ff.; XXXV  28, 38). Hieran zeigt sich, dass Truppenkontingente provinzialer oder großer kommunaler Herrschaft in die Befehlsstruktur des Reiches eingegliedert werden. Auf diese Weise wird eine von ihnen ausgehende potentielle Gefahr strukturell eingehegt. Andererseits bieten diese Wehrverbände im Widerstandsfall effektiven Schutz vor dem Staat bzw. dem tyrannischen obersten Magistrat (XXXV  9; XXXVIII  52, 76, 110). Die stehende Kampfbereitschaft dient sowohl dem Einsatz in zivilen Notlagen als auch zur Abschreckung (XXXIV  1; XXXVI  60). Angesichts der vormaligen Kampfkraft der türkischen Armee, mit der sich die europäischen Staaten konfrontiert sehen, verweist der Autor argumentativ auf die einschlägigen Stellen im 29 Bände umfassenden Werk Theodor Zwingers Theatrum humanae vitae (XXXIV  38). Das Wehrwesen entwickelt sich notwendig aus fürsorgender Rechtsstaatlichkeit. Es bewahrt Rechtsprechung, Gesetze, Religion des Gemeinwesens ebenso wie den Besitz und das Vermögen der Bürger (XXXIV  3, 4). Neben militärischen übernimmt das Heer polizeiliche Aufgaben der Strafverfolgung. Das Wehr- und Kriegswesen der Politica bildet ein typisches Anwendungsfeld für Bündnisse, zu denen Althusius stets auch strategische Überlegungen anstellt (XXXIV  26, 49; u. ö.). Den Ausführungen zum Wehr- und Kriegswesen steht keine Friedensklage, jedoch ein Friedensappell voran. Ziel jeder kriegerischen Auseinandersetzung ist es, den Frieden möglichst zu erhalten oder schnellstmöglich zu erlangen (XXXV  1). Krieg ist der mit Waffengewalt zur Entscheidung gebrachte Konflikt zweier Völker (populi), die keinem gemeinsamen Magistrat unterstehen (XXXV  2). Der Bürgerkrieg fällt formal daher nicht unter das Kriegsrecht. Gleichwohl gesteht der Autor unter bestimmten Gegebenheiten einem unteren Magistrat das Kriegsrecht zu: gegen den tyrannischen obers-



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ten Magistrat (XXXV  9, 2. Alternative) und im Verteidigungsfall gegen äußere Angriffe (1. Alternative). Der Krieg ist letztes Mittel, „wenn zuvor alle anderen Abhilfen fehlgeschlagen sind“ (XXXV  8). Lebensnerv und Lebensgeist des Krieges ist das Geld, es beherrscht „Geist und Raum“ (domina animorum & locorum, XXXV  18; XXXIV  39). Erneut zeigt sich des Autors ambivalentes Verhältnis zum Geld. Der Verfasser der Politica ist offensichtlich nicht unbeeindruckt von der Macht des Geldes. Politisch eingesetzt ist es legitimes Mittel zur Durchsetzung von Interessen, gleichwohl dem Autor Geldstreben ein Greuel ist (vgl. etwa XXX  7, 17). Nicht Geld um des Geldes willen, sondern dessen Funktionalität lässt es eine entscheidende Rolle einnehmen. Politische Handlungsmacht lässt sich mit Geld potenzieren (XXV  17; XXXIV  39; XXXV  52). Die Politica handelt von den gerechten Kriegsgründen (XXXV  4  ff.), der obligatorischen förmlichen Kriegserklärung beim Strafkrieg (XXXV  17, 90), der Kriegsführung (XXXIV  49; XXXV  11; XXXVI) und vom Friedensschluss (XXXVI  59–67). Als gerechte Kriegsgründe firmieren in verschiedenen Kapiteln abwechselnd in nicht übereinstimmender Weise fünf oder sieben Anlässe und Argumente (XXXV  5; XVI  17), die der Autor auf zwei Gründe zurückführt: Verteidigung von Rechtspositionen und Bestrafung. Nur die Verteidigung schließt den Bündnisfall ein (XXXV  6). Der Bestrafungskrieg ist nur dann erlaubt, wenn vorausgehende Verhandlungen ergebnislos verlaufen sind (XXXV  6). Im Hinblick auf das Widerstandsrecht der Politica fällt auf, dass Althusius den Aufstand (rebellio) nunmehr in Kapitel 35 zu einem Kriegsgrund zählt (XXXV  5). Ein Aufstand ist „die Empörung der vereinigten Menge gegen den Magistrat“ (XXXI  11). In Kapitel 31 deutete der Autor als eine Ursache für den Aufstand, die Ausbeutung der Untertanen durch den tyrannischen Magistrat. Zunächst stand dem Magistrat die „Beseitigung der Ursachen“ zu Gebote, indes das »Kriegsrecht« erst als Ultima ratio galt (XXXI  11 i. V. m. 10, 72–74). Damit stünden zwei unvereinbare Rechts­ positionen gegenüber. Beide Parteien können jeweils für sich das Recht ins Feld führen und der Gegenseite jeweils ein Unrecht vorwerfen. Allerdings kann eine Rebellion tatbestandlich nur von Bürgern des eigenen Staates veranstaltet werden (XXXI). Es fehlt mithin am Fremdheitsbezug in der Kriegsdefinition („weder Bewohner einer Provinz des Reichs noch mit dem Reich durch ein Bündnis verbunden“, XXXV  2). Es handelt sich schließlich um einen Bürgerkrieg, der sich schon in den formalen Voraussetzungen vom eigentlichen Völkerkrieg unterscheidet. Einen Bürgerkrieg „darf man nicht grausam führen, sondern als Auseinandersetzung zwischen Bürgern, die alsbald wieder zu versöhnen sind“ (XXXVI  45). Ein derartiges »Kriegs-

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recht« wird ausnahmsweise auch einem „unteren Magistrat gegen den tyrannischen obersten Magistrat zugestanden (XXXV  9, 2. Alt.; XXXVI  45). Es unterliegt dann den speziellen Bestimmungen des Widerstandsrechts. Es versteht sich, dass Althusius die Ausübung des Widerstands deutlich von einem Aufstand oder einem Umsturz trennt (XXXVIII  34, 86). Der Verfasser der Politica macht sich an dieser Stelle teilweise die Ansicht Ayalas, dem Berater der spanischen Armeen in den aufständischen Gebieten der Niederlande, zu eigen, der in den Niederlanden von einem Aufstand, nicht von einem Krieg ausging. Ein Aufstand unterliegt einem anderen Reglement als ein Krieg. Insbesondere hätte Ayala bei der Annahme eines (gerechten) Krieges ungewollt die Souveränität der aufständischen Niederlande zugestanden. Althusius nun stellt den Aufstand kurzerhand unter das Kriegsrecht und nimmt den Widerspruch in Kauf. Die bei Althusius zitierten Balthasar Ayala und Albericus Gentilis verfolgen beide die Absicht, einen Krieg unabhängig von seinen »gerechten Gründen« zu rechtfertigen.506 Schließlich kann die Frage, ob (beiderseits) gerechte Gründe vorliegen, wegen der Souveränität der beteiligten Parteien gar nicht erörtert werden. Es bleibt übrig, allein auf die förmliche Kriegserklärung abzustellen und demnach einen von beiden Seiten gerechten Krieg anzunehmen. Althusius enthält sich – anders als bei inneren Unruhen (vgl. XXXI  4  ff.) – folgerichtig einer einseitigen Schuldzuweisung. Eine suprakonsozietale Gerichtsbarkeit, an die sich die Konfliktparteien gleich dem innerstaatlichen Appellationsgericht rechtssuchend wenden können, steht dem Autor der Politica nicht im Sinn, schon eher ein Schiedsspruch (XXXIII  127; XVII  40). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Konfliktparteien Mitglieder desselben Bündnisses sind. Die Forderung nach einer solchen Gerichtsbarkeit ist aber deshalb entbehrlich, weil Althusius die souveränen Beteiligten in die Pflicht nimmt. Wenn auch der kriegerische Konflikt mit den Waffen entschieden wird, so liegt es stets auch im Interesse der obsiegenden Partei, Friedensbedingungen nicht einseitig zu diktieren, sondern auszuhandeln, auf deren Grundlage eine zukünftige friedliche Völkergemeinschaft aufgebaut werden kann. Unter souveränen, nicht konföderierten universalen Konsoziationen kann es keine andere Unterordnung mehr geben. Die Verantwortung für die Ursachen und Folgen ihres eigenen Handelns wird nicht an einen Dritten, etwa ein »neutrales« Gericht abgegeben. Der Autor der Politica setzt auf Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der beteiligten consociationes. Beide Seiten haben so eine Chance, zu »ihrem Recht« zu kommen, ohne dass das Recht des einen, das des anderen ausschließt. Die Entscheidung darüber, wann ein Krieg gerecht ist, rückt damit in den Hintergrund. Unabhängig vom Rechtfertigungsgrund des Krieges gilt das jus in bello auf beiden Seiten. Die 506  Ottmann

2006, 127.



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rechtmäßigen Grundlagen eines Krieges sind in einem Plenum darzulegen und zu prüfen (XXXV  4; u. ö.). Erst ein Konsens der Stände mit dem obersten Magistrat, als dem Oberbefehlshaber, kann zum Eintritt in den Krieg berechtigen und diesen durch einen Friedensschluss beenden (XXXV  5, 7; XXXVI  59). Krieg steht daher niemals im Belieben des Herrschers. Zu prüfen ist vorab insbesondere, ob das Unrecht-dulden dem Krieg vorzuziehen ist (XXXV  11). Unheil und Gefahren eines Krieges sollen sich klar vor Augen geführt werden (XXXV  12–16). Hervorgehoben werden Maßnahmen zur Einhegung und Vermeidung der mit dem Krieg einhergehenden Gewalt und Verrohung. Sie sind Ausfluss der Unterwerfung des Kriegs unter das Recht. Allerdings sind das Verbot eines Vernichtungskriegs und das Verbot von Grausamkeit Sollbestimmungen und stellen eher Forderungen der Moral als des Rechts dar. Es wird Zurückhaltung von den Soldaten gefordert gegenüber den Nicht-Kombattanten. Raub, Plünderungen, Vergewaltigungen sind verboten (XXXVI  13; 57) Das Niederreißen von Dörfern und Städten ist gegen „die Alten“ abzulehnen, zumindest sind „Gesandte der Feinde, Kinder, Säuglinge und Frauen gänzlich zu verschonen“ ebenso Bauern, Kaufleute und Fremde (XXXVI 40; 44). Eine Tötung ist nur dann erlaubt, wenn sich der Gegner nicht ergibt bzw. sich nicht in ein Obhutsverhältnis begeben hat (XXXVI 42). Unter diesen Bedingungen ist die Tötung grundsätzlich erlaubt, doch „[i]n unseren heutigen Kriegen geschieht dies nicht mehr“. Der Tötung von Gefangenen ist ein Austausch und die Zahlung von Lösegeld vorzuziehen (XXXVI 43). Die Gefangennahme großer Menschenmengen sowie eines Königs, selbst eines gottlosen und ungläubigen, ist verboten (XXXVI 44). Wie Grotius bezieht sich Althusius häufig auf die Schrift De iure belli (1598) von Albericus Gentilis, daneben zitiert er aus weiteren zeitgenössischen Veröffentlichungen. Dagegen findet die grotianische Kampfschrift Mare liberum von 1609 keine Erwähnung. Man kann von einer Humanisierung kriegerischer Auseinandersetzungen durch die rechtliche Regulierung des Krieges sprechen. Hochmütige Siegermentalität und ein Diktat drangsalierender Bedingungen sind zu vermeiden (XXXVI 61 ff.). Für den Friedensvertragsschluss bemerkt der Autor eine besondere Schwierigkeit, die sich aus unterschiedlichen politischen Systemen ergibt, insofern auf der einen Seite ein besiegter Herrscher mit „Untertanen“ auf der anderen Seite Friedensbedingungen aushandeln muss. Erbitterung und Kränkung sowie der als Zumutung empfundene Umstand, überhaupt mit Untertanen in vertragliche Beziehungen zu treten, lassen auf Seiten eines besiegten Monarchen den Frieden gefährlich unbeständig werden. Al­ thusius führt unter anderem Philipp II. als Beispiel eines solchen Herrschers an (XXXVI 62). Angesichts solcher subjektiver – unter Umständen auch kollektiver – Emotionalität kann die Einhaltung des Friedensvertrages nur unter Stellung von starken Bürgen gelingen (vgl. XVII 48).

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Klarstellend betont der Autor, dass das Kriegsrecht den obersten Magis­ trat nicht zum Eigentümer der besetzten und unterworfenen Gebiete macht. Da er für das Gemeinwesen ein fremdes Geschäft führt, vergrößert sich das Staatsgebiet (XXXVI  69).

§ 12 Die Ordnung der Wirtschaft und des Handels 1. Zwischen Herrschaftsordnung und ständischer Freiheit Zu den die Ausgangslage des beginnenden 17. Jahrhunderts prägenden Strukturen gehört die Gliederung der Bevölkerung in Stände.507 Die zwischen Beharrung und Wandel befindliche Ständeordnung stellt in der Politica eine der wichtigsten Säulen für Herrschaft einerseits und Freiheit ­andererseits dar (etwa XXXII  85; Kap. XXXVIII). Um Johannes Althusius gleichsam als einen „Theoretiker des Ständestaats“ (Boldt 1994, 187) kennzeichnen zu können, bedarf es aber zumindest einer konkretisierenden Erläuterung. Die althusische Ordnung der Herrschaft weist nämlich den Ständen in der universalen Konsoziation einen nur beschränkten Wirkungsraum ein (etwa XIX  5). Dabei geht der deutsche Gelehrte nicht soweit wie der Jesuit Johannes Beccaria oder der Theologe und Philosoph Bartholomäus Keckermann, die keine bzw. nur in sehr stark eingeschränktem Maße die (ephoralen) Stände anerkennen (XXXVIII  112–123). Schließlich sind für Althusius die Ephoren die Garanten gegen politische Gewaltherrschaft. Gleichwohl ist es nach althusischer Lehre geradezu Aufgabe der politischen Ordnung, das Volk vor einem übermächtigen Einfluss der Stände zu schützen: „Die Herrschaftsgewalt des Königs darf nicht in der Weise ausgedehnt werden, dass die Freiheit des Volks (populi libertas, P.  K.) unterdrückt wird; auch darf der Einfluss der Stände und Ordnungen nicht so erweitert werden, dass der König verachtet und das gemeine Volk (plebs, P.  K.) verletzt wird. Die Freiheit für das Volk (popularis licentia, P.  K.) darf nicht so sehr gestattet werden, dass die Würde des Herrschers geschädigt und der Zustand des Gemeinwesens gestört wird.“ (XXIX  2, Hervorheb. P.  K.)

Der sog. „Theoretiker des Ständestaats“ macht also deutlich, dass durch eine unkontrollierte Erweiterung des Machtposition der „Stände und Ordnungen … das gemeine Volk verletzt“ und der „Zustand des Gemeinwesens gestört“ werden kann. Angesichts der verwirrend anmutenden Vielfalt der Stände (vgl. IV  30; VIII  4, 40  ff., 65; XXXII  56  ff., 92; XVIII  113) bietet das wenige Jahrzehnte vor der Erstauflage der Politica erschienene Ständebuch (1568) ei507  Statt

vieler Press 1991, 51–75; Rabe 1989, 419–430.



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nen zeitgenössischen Überblick. Als „die eigentliche Beschreibung aller Stände auf Erden“ sind darin über 114 Stände von Jost Amman illustriert und mit Versen von Hans Sachs versehen.508 Als literarisches Gemeinschaftswerk begibt es sich näher an die soziale Wirklichkeit als die schematischen Einteilungen des Politiklehrers (IV  30; XXXII  57). Es fällt auf, dass den „Ordnungen und Ständen“ in der Politica kein eigenes Kapitel gewidmet ist. Allein Kap. 18 Über die Ephoren und deren Aufgabe und Arten stellt auf einen gewissen Ausschnitt ständischer Wirksamkeit ab. Die Behandlung erfolgt mit Bedacht. Wenn die Stände die in alle Lebensbereiche eingreifenden und bestimmenden Autoritäten waren, finden sie sich angesichts der Behandlung in der Politica nunmehr in ein politisches Gemeinschaftskonzept ein- und untergeordnet (vgl. auch Kap. 4). Althusius versteht die Stände zunächst als für den Symbioten notwendige und nützliche Ordnungseinheiten in einer von mannigfachen Anforderungen geprägten und die Kräfte des einzelnen überfordernden Welt. Auf die fünf Bücher Mose führt er Herkommen und Notwendigkeit einer ständischen Ordnung zurück. „Der Grund für die Errichtung der Stände ist ihre Notwendigkeit und ihr Nutzen, wie Jethro, der Schwiegervater Moses’, erklärt, 2. Mos. 18, 17 u. ff. Denn niemand ist der Leitung öffentlicher Angelegenheiten und den ganz unterschiedlichen und vielfältigen Aufgaben einer Provinz gewachsen, wenn er nicht für einen Teil seiner Last aus jedem Bereich erfahrene, weise und tapfere Menschen hinzuzieht, 2. Mos. 18 u. 5. Mos 1, 13 u. ff.; 2. Chron. 19; 4. Mos. 11.“ (VIII 3). Diese Aussagen richten sich gegen fürstliche Alleinherrschaft und absoluten Machtanspruch einerseits, verweigern sich andererseits aber konkret einer Volksherrschaft bzw. einer aristokratischen Führung (VIII 52: „nicht gut von mehreren, schon gar nicht von allen“; s. a. VII 40 „die große Zahl“). Es zielt auf die Beteiligungsbedürftigkeit in „jedem Bereich“ politischer Herrschaft. Das Argument des Sachverstands, der in den Ständen aufgehoben ist, unterstreicht Althusius’ pragmatische Denkweise. Die Ausführungen über die consociatio civilis, jenen das städtische Leben prägenden korporativen Einungen, werden unter den nötigen Abwandlungen für die alternativ als majora collegia bezeichneten Stände und Ordnungen für anwendbar erklärt (VIII 68, 70). Seine Darstellung über die bürgerliche Gemeinschaft in Kapitel 4 beschließt der Autor mit einem entsprechenden Anknüpfungspunkt (IV 30). Über Organisationsstruktur und -grad der Land- und Reichsstände erfährt der Leser mehr in der »politischen Lehre der Provinz« sowie an den einschlägigen Stellen über das Reich. Ein Gutteil der Sozialisation findet in den genossenschaftlich verfassten Einungen statt. In ihnen verwirklicht sich 508  Amman 2006, 7. Althusius subsumiert viele der dort genannten Stände unter „private Tätigkeiten“, nicht unter den Begriff der Stände, vgl. II  28, 32 und IV 24.

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die Sorge um den jeweils anderen Symbioten über familiäre Bande und verwandtschaftliche Grenzen hinaus (VIII  2). Neben die sozialisatorischen, d. h. integrierenden und differenzierenden Aufgaben treten nächstens die Aggregation, Integration und schließlich die Artikulation von Interessen als politisch bedeutsamere Funktionen dieser Einrichtungen. In den als „größere Kollegien“ bezeichneten Ordnungen und Ständen bündeln und äußern sich die Belange ihrer Angehörigen. In ihrer Gesamtheit »repräsentieren« die Stände somit das gesamte Spektrum der in einem Gemeinwesen vorhandenen Bedingungen und Möglichkeiten. „Es (d. i. das Standeskollegium, P.  K.) wird von diesem Stand beauftragt und instruiert, seine ganz besonderen Belange im provinzialen Gemeinschaftsleben wahrzunehmen“ (VIII  49). Zur Verfolgung ihrer je eigenen Partikularinteressen, die sich zudem entsprechend der Größe der (politischen) Gemeinschaftskörper verallgemeinern, sind sie allesamt dem Gemeinwohl verpflichtet: „Ihnen ist das Wohl des Gemeinwesens anvertraut“ (VIII  5). Umso wichtiger ist für den Staatslehrer die Unterordnung in eine politische Gesamtverantwortung. Althusius räumt dem Anspruch auf »alte Rechte« der Stände in seiner Lehre wenig Raum ein (vgl. XXIX  4, 8). „Ein gewisses Maß an Freiheit“ (vestigia quaedam libertatis) muss den Provinzbewohnern (sic!) angesichts der Angleichung bewahrt bleiben; im Übrigen achten „alle zusammen wie auch die Einzelnen“ darauf, „an der Sorge für das Gemeinwesen beteiligt zu werden“, um diese Freiheit zu bewahren (VIII  3). Die Stände befinden sich demnach in einem Spannungsfeld von Verwirklichung des Eigen- und Gefolgschaftsinteresse einerseits, der Allgemeinwohlorientierung andererseits. Als gesellschaftliche Ordnungseinheiten konkurrieren sie mit dem politischen „Regierstand“ darum, auf welche Art und Weise und durch wen das Gemeinwohl verfolgt wird. Aufgrund des pluralistischen Ständewesens (vgl. XVIII  113; IV  24–30) ergibt sich für Althusius eine doppelte Subsidiarität. Die Politik greift dort subsidiär ein, wo sie ihre Interessen tangiert sieht, die Stände wirken immer dort subsidiär, wo die Politik (noch) keinen Regelungsbedarf sieht. Mehrfach wird betont, dass „Grundlage“ politischer Herrschaft das „Einvernehmen“ der Magistrate mit den Ständen ist. Aus den Ständen erwächst daraus zum einen ein Gegengewicht zur politischen Klasse. Aus ihnen rekrutieren sich zum anderen die »sachverständigen« Wahlmänner ebenso wie das »geeignete« Personal für die öffentlichen Ämter und Dienste, Magistrat und Ephorat. Die ständischen Ordnungen tragen daher in Anlage und Tätigkeit selbst genuin politischen Charakter, den es in einer Politiklehre zu verdeutlichen gilt. Gegen den Auf- und Ausbau landesherrschaftlicher Machtstellung und einer sich ausdifferenzierenden Adelsschicht sucht Althusius insbesondere dem städtischen Bürgertum eine neue, auf Beteiligung angelegte Interessenvertretung in den althergebrachten Ständestrukturen zu verschaffen. Damit



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einher geht die Trennung von wirtschaftlicher Macht und politischer Führerschaft. In den Ständen liegt zugleich die Gefahr der Verkrustung wie auch die Chance zu sozialem Aufstieg, so dass sich statische und dynamische Elemente, Beharrung und Wandel in ihnen widerspiegeln. 2. Die politische Ordnung der Wirtschaft und des Handels In den Ständen wird das für „hinlänglichen Lebensunterhalt“ Notwendige und Nützliche erwirtschaftet (VIII  45  ff.; IX  12, 15; XI  3, 7; V  76, 78; IV; II  16–36; u. ö.). Wirtschafts- und Sozialordnung sind in den Ständen auf das Engste miteinander verwoben (vgl. VII  20; VIII  2, 40). Für die Politik besteht also angesichts ihres angegebenen Ziels (I  3, 30) ein vitales Interesse insbesondere an der wirtschaftlichen Funktion der Stände, die auch unter den Bedingungen der Politica sich weitgehend selbst organisieren (IV  4; II  35; VI  12, 19, VII  20, 62; IX  9; XI  3  ff.; XVI  4, 12; XVII  23; XXIII  24; XXIX  11; XXXII  6  f., 20  f., 56  ff., 61  ff.; XXXVII  64; XXXVIII  25; u. ö.). „Ohne Handelsverkehr können wir in diesem gesellschaftlichen Leben nicht angemessen auskommen.“ (XI  5) Politisch müssen folglich die Stände in die Drei-Gemeinschaftenlehre der Güter, Leistungen und Rechte eingebunden werden (I  6  ff.). In einem gewissen Sinn können die beiden Gemeinschaften der Güter und Leistungen als »die Wirtschaft« der universalen Konsoziation gelten, die von der dritten Gemeinschaft der Rechtsordnung angeleitet werden (I  10). Der symbiotische Staat nimmt für sich in Anspruch, ordnend und gestaltend einzugreifen, zumal für Althusius eine Selbstregulierung gerade auch im Wirtschaftsprozess nicht funktionieren kann (vgl. I  35, 36; VII  15, 29; XI  5  ff.; XXI  7; XXIII  27, 34) und schwächere Bevölkerungsgruppen und Regionen abgehängt zu werden drohen (XXXII  74; XXXVII  38; 83  ff.). Das verfolgte „Wohl der Gemeinschaft“ ist immer auch mit wirtschaftlichem Wohlstand verbunden (XVIII  31; XX  7; XXI  3; XXXII  4, 9; u. ö.). „Der Magistrat muss nach allem dafür Sorge tragen, dass alle Teile seines Herrschaftsbereichs zur Genüge mit reichen Besitztümern versehen und möglichst viele Häuser wohlhabend und begütert sind.“ (XXXII  13) Der traditionelle Ort des Wirtschaftens ist der Oikos und nicht die Polis (vgl. II 44; III 42). Unter der Sammelbezeichnung »Wirtschaft und Handel« sollen hier die Wirtschaftsbereiche des ersten bis dritten Sektors, insbesondere die Landwirtschaft, das Handwerk, das Gewerbe und der Handel verstanden werden (vgl. II 15 ff.). Der Staatslehrer sieht die Notwendigkeit, Wirtschaft und Handel nicht allein dem privaten Bereich zuzuordnen und aus der Politiklehre auszuklammern, sondern seine Wechselwirkungen mit dem öffentlichen Bereich zu beleuchten (vgl. IV 3). Insbesondere dem sekundären

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und tertiären Sektor in den Wirtschaftsmetropolen hat der Autor sich verschrieben (V 40, 43, 71–84). Die Ökonomie stellt zwar eine „fremde Ernte“ dar. Da „in der Praxis aber alle Wissenschaften verbunden sind“, ist das Verhältnis von Oeconomia & Politica dennoch Untersuchungsgegenstand des Werks (III 42; Vorwort 1603, 19; Vorwort 1610, 14). „Im Übrigen wird in den folgenden Kapiteln an den entsprechenden Stellen zur Sprache kommen, in welcher Weise diese privaten Tätigkeiten der öffentlichen symbiotischen Gemeinschaft und der Provinz zugute kommen.“ (II 36; VII 27) „Denn ein guter Bürger darf seinen eigenen privaten Vorteil dem öffentlichen Nutzen und den Notwendigkeiten des Gemeinwesens nicht vorziehen.“ (XV 13; XXXVII 115; u. ö.) Weil jedoch tatsächlich „das Volk gewinnsüchtig [ist] und … stets die eigenen und privaten Vorteile dem öffentlichen Nutzen vor[zieht)“ ist ein staatliches Gegensteuern erforderlich (XXIII 34). Neben den Kooperationsformen aufgrund affektualer Bindung und der politischen Herrschaftsordnung verfügt die consociatio also über eine dritte wirkungsmächtige Steuerungsgröße: die Wirtschaftsordnung. Die Politica bildet die enge Verbundenheit von Wirtschafts- und Sozialordnung realistisch ab (II  16  ff.; IV  12  ff., 24–30; XXXI  2). Dabei herrscht keine kastenförmige Trennung der Stände und Zünfte, sondern trotz erkennbar hierarchischer Struktur stehen die Kollegien allesamt in Wechselwirkung miteinander (IV  30; u. ö). Schnittmengen wirtschaftlicher und politischer Interessen sind – im Hinblick auf die Nachbildung der Magistratskollegien – erwünscht. Zur Erleichterung der Arbeit und zur Produktivitätssteigerung empfiehlt der Autor eine arbeitsteilige Organisationsstruktur: „Die handwerklichen Tätigkeiten sind indessen so miteinander verbunden, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Daher kann die eine kaum ohne das Mitwirken der anderen ausgeübt werden“ (II  27). „So bedarf der Bauer des Handwerkers, Baumeisters, Müllers, Schusters, Schneiders und anderer, und diese bedürfen wiederum der Hilfe und der Gemeinschaft des Bauern.“ (VI  32; vgl. auch I  7 a. E.; II  34; VII  15; VIII  41  ff.; IX  9; XVIII  72; u. ö.). Der Gedanke, dass „das, an dem viele teilnehmen, im Gemeinwesen leichter vonstatten [geht]“ ist auch ein politisch angewandtes Prinzip z. B. in der Gewaltenteilung (XXIX  44; XVIII  72; XXXII  58). Systematisch gehört die Ordnung der Wirtschaft und des Handels zur „bürgerschaftlichen Verwaltung der Gerechtigkeit“ (XXXII  vor 1  ff.). Sie ist Gegenstand des besonderen Souveränitätsrechts (IX  4–12) und bildet die Mittel und Maßnahmen „für ein zuträgliches soziales Leben“ ab (XI  1–12 i. V. m. XXIX  3, XXXII  vor 1  ff.). Die Ordnung der Wirtschaft ist keine eigentliche Frage der politischen Legitimation. Gleichwohl steuert und lenkt der Staat in indirekter Weise auch die »freien«, d. h. vor allem ständischen Kräfte des Marktes (vgl. I  10; XXXII  1  ff.). Wirtschaftliche Macht tangiert immer auch politische Herrschaft. Fragen des „Handelsverkehrs und der



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unbeschadeten Zufuhr von Lebensmitteln“ sind anerkannter Grund und Gegenstand von Reichsversammlungen (XXXIII  3). Für Althusius war es bereits eine historische Tatsache, dass reiche Kaufleute wie die Fugger und Welser über die Kreditvergabe maßgeblichen Einfluss auf die Politik des Kaisers und anderer Herrscher, und damit auf das Gemeinwesen überhaupt nehmen konnten. So warnt Althusius vor der Bedrohung für das Gemeinwesen durch die wirtschaftliche „Macht eines Privaten“ (XVII  23), auf die der Staat adäquat mit der Errichtung eines Monopols reagieren kann und sie unter Beobachtung stellt (XXXII  20  ff., 77). Nicht Reichtum der einzelnen, erst recht nicht die Anhäufung von Geld, sondern allgemeiner Wohlstand ist als konsozietales Staatsziel ausgegeben (I  3  ff.; IX  9; XXXII  4, 13; u. ö.) Althusius bringt die Bedeutung wirtschaftlichen Erfolgs und Wohlstands für die Legitimität des politischen Systems eindrucksvoll zur Geltung (etwa IX  9; XI  21; XVII  1–24; XXV  16, 21; XXIV  20; XXX  18  f.; XXXII  1, 13, 63  ff., 74; XXXVII  3  ff.; u. ö.). „[D]er sicherste Schatz eines Herrschers liegt in den Schatzkästen seiner Untertanen“ (XXX  19; XXXII  1, 13; u. ö.). Die von mehreren ausgeübte Herrschaftsgewalt korrespondiert mit der arbeitsteiligen Ordnung der Wirtschaft und des Handels und leistet seinen Beitrag zur politischen Stabilität (II  36; VI  32; IX  9; XI  7; XVIII  72; XXIV  31; u. ö.). Neben dem Adel als dem Wehrstand übernimmt der „Stand der Städte und Landbewohner“ eine politische Aufgabe für das Gemeinwesen (VIII  45–48; XVI  13  ff.; XXXII  13; u. ö.): „Aufgabe dieses Standes ist es dafür zu sorgen, dass es an nichts Notwendigem und Nützlichem fehlt und all das, was für ein friedliches weltliches Zusammenleben ganz unentbehrlich ist, bereitgestellt wird.“ (VIII  46) Für den sozialen Frieden ist es notwendig, Armut und Reichtum in der Gesellschaft nicht ungehindert auseinandertreiben zu lassen, sondern für eine Angleichung der Lebensverhältnisse zu sorgen (XXIII  15; XXX  19; XXXI  41; XXXII  13). Umstürzlerische Bestrebungen an beiden Enden gefährden den Bestand des Staates (etwa XXIII  15, 22; XXXI  16, 23). Der Wirtschaft wird demnach eine befriedende Funktion beigemessen: „Durch Handelsgeschäfte stiftet man zudem Frieden und Eintracht unter den Nachbarn“ (XI  7; XXXII  4). Der Waren- und Dienstleistungsverkehr steht nicht zuletzt deshalb unter besonderer staatlicher Kuratel (XXXII  1  ff.; XVI  4, 12  ff.; XVII  23; vgl. auch XVII  28). Der Staat seinerseits schafft die notwendige Infrastruktur (VI  24; VII  59; XIII  2; XVI  15; XXXII  3  ff.; V  82; XXXVII  26  ff.; u. ö.) und verfolgt eine kluge Wirtschaftspolitik, d. h. zunächst durch Gesetze zum Vertragsrecht und Handelsverkehr und dem Auf- und Ausbau einer Gerichtsbarkeit (etwa XI  5, 8–12; XVI  4; Kap. XXXII  u. XXXVII). „Die Aufsicht über und die Sorge für den Handelsverkehr erstreckt sich auf die jeweiligen Waren und Personen, den Ort und die Zeit, die Art und Weise sowie die Form der Handelsgeschäfte, wie es dem Nutzen, den Notwendig-

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keiten und den ehrbaren Sitten des Reichs entspricht.“ (XXXII  1) Die politische Ordnung der Wirtschaft und des Handels der Politica umfasst insbesondere die Berufs- und Gewerbeaufsicht (XXXII  1, 9, 61, 63, 76; V  18 a. E., 69; VI  30, 43), Bewirtschaftungsmaßnahmen (VI  51; XIII  16; XVII  23; XXXII  6, 7, 20), den Im- und Export (II  35; V  75  ff.; VII  62; XII  16; XVI  15; XXIX  12; XXXII  3, 6  f.; u. ö.), die Preisregelung und -überwachung (IX  10; XII  16; XIII  5  f.; XXVIII  54; XXXII  3, 14  ff., 27, die Agrarpolitik (XXXII  65, 67; vgl. II  17), eine Raumordnungs- und Siedlungspolitik (V  43; 70  ff.; XVII  24 a. E.  ff.; XXIV  13 [Kolonien]; XXXVI  68; XXXVII  97), die Förderung der Wirtschaft in strukturschwachen Regionen (XXXII  13, 66  f.; XXIX  12; II  35; u. ö.), den Großhandel (XXXII  13), das Lebensmittelrecht (XXXII  26), die Lotterie (XIII  11) und die Enteignung (XXXVII  111  ff.). Über die öffentliche Daseinsfürsorge (VI  19–27; VII  59; XIII  2; XVI  12– 15; XVII  1  ff.; XXXII  86; XXXVII  26  ff.; u. ö.) und die Infrastrukturmaßnahmen (Bau und Befestigung von Straßen, Brücken, Gebäuden usf.; XIII  2; XVI  15; XXXII  3  ff.; XXXVII  26  ff.) ermöglicht und steuert das politische Gemeinwesen zugleich immer auch den Wirtschaftsprozess: „Desgleichen ist auf die Instandhaltung der öffentlichen Wege zu achten, damit sie eben, gangbar, zweckmäßig, hinreichend bekannt und entsprechend abgegrenzt sind, so dass auf ihnen alles zu Fuß, zu Pferde und mit dem Wagen leicht importiert und exportiert werden kann“ (XVI  15)

Die öffentlichen Einrichtungen und Güter gewährleisten die Grundvoraussetzung für privates Wirtschaften bereits auf kommunaler und provinzialer Stufe (VI  19–24; VII  59, 62, 64). Der Provinzmagistrat soll dafür sorgen, dass die Provinz „ertragreich und fruchtbar ist und allerorts bebaut wird, auch mit exotischen oder fremdartigen Pflanzen, Bäumen und Samen, die von anderswoher geholt sind. Desgleichen soll jede Provinz keinen Mangel an nützlichen Tieren haben und über die verschiedenen notwendigen und nützlichen Handwerksstätten verfügen“ (XXXII  67). In der politischen Geschichte der Neuzeit erweist sich als ein bedeutsames Kennzeichen des Handels, dass es häufig „Schrittmacher der Rechtsentwicklung“ (Canaris 1995, 7) war und politischen Einigungen (bis auf die heutige Zeit, bspw. in der EWG) im Hinblick auf Rechtsvereinheitlichungen vorausliegt (vgl. V 20). Begründet wird dies mit den praktischen Bedürfnissen des Handelsverkehrs, die eher als im allgemeinen Rechtsverkehr hervortreten und daher auch eher nach Lösungen verlangen. Historisch ist erst 1794 im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) die erste umfassende Regelungen für das Handels- und Gewerberecht im deutschen Raum enthalten. Die Eigentumsordnung der Politica kann in der Tradition dieser Kodifikationsbemühungen und Rechtsentwicklung gesehen werden, die poli-



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zeilichen, gar militärischen Schutz genießt (VII 10; X 6; XVI 3 a. E., 4, 14; XXIV 35; XXXIV 4; XXXVII 99 ff., 107 ff.; XXXVIII 25). Für die politiktheoretische Schrift des Althusius lässt sich feststellen, dass sich die angestrebte Rechtsvereinheitlichung im Staatsgebiet insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft vollziehen muss: „Es ist notwendig, auch Gesetze über den Handelsverkehr zu erlassen, den Warenaustausch, die Geschäfte des Volks, über das Maß der erlaubten Zinsen, desgleichen auch über Maße, Gewichte, gerechte öffentliche Waagen, den Münzwert und vieles mehr. All dies kann ohne feste gesetzliche Regelung nicht ohne Streit und Zwietracht oder Betrug und Täuschung bewerkstelligt und durchgeführt werden, solange ein Versehen leicht möglich ist und keine sichere Festlegung darüber gibt, was die Natur der Geschäfte im Handelsverkehr unter den Menschen erfordert.“ (XXIX  11)

Verzerrungen und Fehlentwicklung wie einer allgemeinen Teuerung (IX  10; XXVIII  54; XXXII  3, 20, 26, 65) und (Getreide-)Spekulationsgewinnen (XXXII  27) wirksam entgegenzutreten, gehört zu den ordnungspoli­ tischen Aufgaben der universalen Konsoziation. Monopole sind nur als staatliche erlaubt, und dann nur unter engen Voraussetzungen (XVII  23; XXXII  20  ff.). Ebenso dient die Erhebung von Zöllen dem Schutz der Binnenwirtschaft (XII  16). Die propädeutische Autarkie der Gemeinschaft des Rechts gewinnt nunmehr die ökonomische Bedeutung einer Unabhängigkeit von importierten Waren und ausländischer Wertschöpfung (XXXII  71; VIII  48; I  10; u. ö.). Die Gewährleistung des freien Waren- und Fernhandelsverkehrs steht unter besonderem Schutz der Verteidigungsgemeinschaft im Rahmen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (XVI  12  ff.). Im Bereich der staatlichen Fürsorgepflicht in Bezug auf die öffentlichen Güter ist er gehalten, den Bestand zu vermehren und zu erweitern (XVII  2). Dabei soll die Wertschöpfung Motivationsgrundlage wirtschaftlichen Denkens sein: „Vor allem aber und ganz besonders muss der Magistrat darauf Acht haben, dass nichts von dem, was die Provinz darbietet oder die eigene Erde hervorbringt, roh, unbearbeitet und ungestaltet exportiert wird, sondern vielmehr zunächst von verschiedenen Handwerkern mit ihren unterschied­ lichen Künsten zu mannigfachem notwendigem Gebrauch bearbeitet und umgeformt wird.“ (XXXII  70) Insoweit tritt der Staat jedoch nicht als wirtschaftender Konkurrent auf – der sog. Kameralismus ist noch kein Thema für den Politiklehrer (XXXII  9; vgl. aber XIV  4  ff.; XXVII  47)  –, sondern als Schutzmacht einer expansionswilligen Binnenwirtschaft (vgl. XVII  24 a. E. ff.). Deutlich zeigt sich in der Politica auch, dass ein aristotelisches, auf das Haus abstellendes Ökonomie-Verständnis nicht mehr angemessen ist. Trotz des engen Geflechts von Wirtschafts- und Sozialordnung löst sich das Wirtschafts- und Berufsleben aus dem häuslichen Bereich zum ortsübergreifen-

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

den Handel mit Waren und Dienstleistungen im nationalen und internationalen Raum (XI  14). Nach Vitoria tritt Althusius für ein Handels- und Besuchsrecht aller Völker ein, dem auch Grotius folgen wird (vgl. XI  14; XVII  28; XXV  21; XXXII  4; u. ö.). Dem grenzüberschreitende Handel wird zugleich eine gemeinschafts- und friedenstiftende Funktion beigemessen (XVII  28, 31). Das wirtschaftspolitische Interesse am „freien Handel“ macht sogar vor der religio orthodoxa nicht Halt: Der Geschäftsverkehr mit Juden, „Türken und anderen Ungläubigen“ ist explizit gestattet (XXVIII  53; XXXII  4). „Die Kaufleute sind daher gleichsam die Füße des politischen Körpers, die für die Übrigen das Notwendige herbeischaffen und mit Fremden Gemeinschaft stiften.“ (II  35; vgl. auch XXI  12)

Dem hohen Stellenwert gemäß schreibt Althusius dem Gemeinwesen das Recht und die Pflicht zu, gegen denjenigen, „die den Handelsverkehr im Gebiet des Gemeinschaftskörpers gefährden, unmöglich machen oder beschränken“, präventive oder repressive Maßnahmen zu ergreifen (XVI 4, 13, 15). Bei einer Behinderung oder Beseitigung des Handels- und Warenverkehrs kann der Tatbestand der Tyrannis erfüllt sein (XXXVIII 18). Erinnert man, dass Althusius in der Propädeutik unter dem »angemessenen und guten Leben« das entbehrungsfreie Leben bar von materiellen Sorgen versteht, dass überdies das Wohl des Einzelnen nicht im kontemplativen Leben, sondern die Wohlfahrt der allermeisten in der vita activa des berufstätigen Genossen liegt, dass ferner zur gelungenen Lebensgemeinschaft die „Anstrengungen und Mühen vieler Menschen erforderlich“ sind, so trägt die Allgemeine Staatslehre deutlich wahrnehmbare utilitaristische Züge. Man spürt den Geist des calvinistischen Wirtschafts- und Arbeitsethos wehen (vgl. XXX 6; 11 ff.; XXXII 68; XXXVII 97). Unter diesem Arbeitsethos korrespondiert ein »gerechter Lohn« mit einem „redlichen Gewinn“: „Der Arbeitende ist seines Lohnes und seiner Nahrung wert“ (III 40; II 35; „bei gebührendem Lohn“ XIV 1). Dies deklaratorisch festzustellen, ist Ausdruck althusischer Gerechtigkeitsvorstellung. Diese politische Überzeugung richtet sich gegen die ökonomischen Kräfte eines gänzlich frei agierenden Marktes. Sofern von Haushaltsgrundsätzen bei der Verwaltung der öffentlichen Güter gesprochen werden kann, gilt Sparsamkeit als Prinzip bei der Erfüllung der öffentlichen Daseinsfürsorge (XI  21; XII  12, XXIV  35, 37; XXX  22; XXXII  80; XXXVII  4  ff.). Luxus und Prunksucht seitens des obersten Magistrats werden daher konsequent verurteilt (XVIII  54, 86; XIX  56; XXX  7, 15 a. E.  ff.; XXXI  18; u. ö.). Schließlich dient er den Symbioten als Vorbild. Die administrative Bewirtschaftung öffentlicher Güter unterliegt überdies der Effizienz und der Nachhaltigkeit (XVIII  43; XXIX  10; XXXVII  4  ff., 59; u. ö.). Eine Verletzung dieser Grundsätze kann



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zur Einschätzung einer tyrannischen Regierungsweise führen (XXXVIII  18, 23) Der öffentliche Haushaltsgrundsatz der Nachhaltigkeit bezeugt die zukunftsorientierte Sorge und Verantwortung für die Nachkommen (vgl. II  44, 46; III  37; XIX  56; XXXVIII  34). Der Autor widmet seine Aufmerksamkeit schließlich auf das Bedingungsgefüge von Steuerlast und Wirtschaftskraft (XI  38; Kap. XII  und XIII). Das Steuer- und Abgabenrecht als Teil der Gemeinschaften der Sachen und Leistungen dient in erster Linie der Ausstattung des Staates mit sächlichen und finanziellen Mitteln und stellt sich als Eingriff in die Rechte der Einzelnen dar (XI  23  ff.). Das Eigentums- und Erbrecht sind staatlich gewährleistet. Die steuerliche Abgabenlast darf daher nicht erdrückend wirken und muss die individuelle Leistungsfähigkeit angemessen berücksichtigen (XI  27  ff., 37  ff.; u. ö.). Die existentielle wirtschaftliche Grundlage der Familien darf durch Abgabenforderungen des insoweit sozialen Rechtsstaats nicht gefährdet werden. Eine Besteuerung ist stets subsidiär anzuwendendes Herrschaftshandeln bei zureichendem Grund (XI  26; XIII  15; XXIV  30; XXXII  78  ff.). Der höchste Magistrat ist stets auf die Zustimmung der Stände angewiesen, wenn er Steuern oder Abgaben erheben will (XVII  56; XXVII  43; XXXII  78; u. ö.). Über die dem Allgemeingebrauch dienenden (ad usos publicos, XII  11) öffentliche Güter sollen die Steuereinkünfte wiederum den Symbioten dienen (XII  11; u. ö.). Die Steuern entstehen also nicht als beliebige Verfügungsmasse der Obrigkeit, sondern gehören zum (öffentlich-rechtlichen) Eigentum der Steuerzahler (XII  12; XXIV  30).

2. Abschnitt

Tyrannislehre und Widerstandsrecht Im ersten Teil ist deutlich geworden, dass die Politiklehre des Althusius keine bloße »monarchomachische« Kampfschrift ist, sondern systematische Darstellung der Forschungs- und Lehrarbeit eines Rechtsgelehrten und ­Politikers, eine „alle Fragen der Politik behandelnde, originelle Gesamtdoktrin“ (Ottmann 2006, 93). Das Attribut »monarchomachisch« kann sich hauptsächlich an das außergewöhnliche Kapitel 38 des Werks heften, denn darin handelt die Politica von Tyrannocid und Widerstandsrecht. Außergewöhnlich ist das Kapitel schon alleine deshalb, weil es sich systematisch nicht in das Schema politicae einordnen lässt. »Monarchomachisch« kann es unterdessen aus der Sicht des Autors nicht sein, denn, so gibt er im Abschlusskapitel zu Protokoll:

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

„Ich konnte mich aber nicht dazu veranlasst sehen, die Ursachen für die Zerstörung der Gemeinschaft bzw. den Umsturz des Gemeinwesens gesondert zu behandeln, wie das alle Politiklehrer tun. … Dass aber einer jeden Art von Gemeinschaft folgerichtig die ihr zuwiderlaufenden Mängel beigegeben sind, in ihr zum Ausdruck kommen und anhand von Vorschriften deutlich werden, wie wir dies an geeigneter Stelle dargelegt haben, das ist der Politikwissenschaft nicht fremd. Aber Regeln über Fehler, Schwächen und Mängel einer Gemeinschaft oder über ein schlechtes symbiotisches Zusammenleben darzulegen, das ist etwas ganz anderes als die Politik, die wir lehren. Die Politikwissenschaft wäre dann eine doppelte, eine gute symbiotische und eine schlechte, wobei die beiderseitigen Ziele einander entgegenstünden.“ (XXXIX  83)509

Behandelt die Politica die Aufgabe des Schutzes konsozietaler Kommunikationsgemeinschaften durch den Staat, stellt sie sich weiterhin der legitimatorischen Aufgabe eines Schutzes vor der gewalttätigen Staatsmacht. So steht für Althusius’ politisches Denken die »kommunikative Macht« der »kommunikationslosen Gewalt« gegenüber (Hannah Arendt). Die eingangs dieser Untersuchung erwähnte »Entmachtung des Staates« relativiert in der vorliegenden politischen Theorie jedoch nicht ihre zweitrangige Stellung. Althusius spiegelt daher die Möglichkeiten eines Widerstands gegen tyrannische Staatsmacht am Ideal der zuvor dargestellten „rectae & justae administratio“ (XXXVIII  vor 1).510 Das Kapitel über die Gewaltherrschaft und den Widerstand stellt sich mithin als eine Erläuterung (illustremus) des Wesens richtiger und gerechter Staatsverwaltung dar. In diesem Lichte kommt Kapitel 38 eine besondere Stellung im Gesamtwerk zu. Es ist integraler Bestandteil und wissenschaftliche Reflexion einer komplexen Politikund Staatslehre. In ihm finden sich alle Grundannahmen der althusischen Sozial- und Staatslehre versammelt. Die potestas des Staates entsteht unter den Vorgaben des symbiotischen Rechts, sie ist stets begrenzte Macht. Eine gänzliche Entmachtung der obersten Verwaltungsbehörde konzentriert sich auf ein streng legitimationsbedürftiges und rechtsförmiges Widerstandsrecht, das für die Wiederherstellung begrenzter Staatsgewalt in einem wohlgeordneten Gemeinwesen eintritt. Die Möglichkeit und Befugnis zur Entmachtung ist komplementärer Bestandteil zur plenitudo potestatis, die niemals dem obersten Herrscher zusteht (vgl. etwa § 9).

509  Signifikant für Koch ist, dass sie im Rahmen der Untersuchung zur „civitas defecta“ Althusius „hinsichtlich möglicher Fehlentwicklungen relativ schweigsam“ findet, dies. 2005, 300. 510  Im Folgenden sind die Paragraphen ohne Kapitelangaben solche des 38. Kapitels (Bsp. § 9 = Kap. 38, § 9).



§ 13 Von der Tyrannislehre zum Widerstandsrecht

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§ 13 Von der Tyrannislehre zum Widerstandsrecht Tyrannis und Widerstand sind zwei klassische Themen der politischen Theoriengeschichte, die fundamentale Fragen politischer Ordnung berühren. Als Gegenstand des politischen Denkens im 17. Jahrhundert werden sie nicht nur von der politischen Theorie, sondern auch in der Literatur behandelt.511 Die Thematik wird unter den politischen Denkern in ganz Europa vor dem Hintergrund des Strukturwandels von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft im aufkommenden Absolutismus kontrovers diskutiert.512 Im so genannten konfessionellen Zeitalter, insbesondere am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges, der sich am ständischen Aufstand gegen die Monarchie in Böhmen entzündete und sich schließlich zu einem europäischen Krieg ausweitete, erlangt das Thema Widerstand und Widerstandsrecht politische Aktualität.513 „Nahezu überall traf der Wille zum Fürstenstaat, zur Ausbildung einer straffen monarchischen Gewalt, auf den Widerstand der Stände, die nach Beschränkung der Herrschaft strebten, nach Freiheit im Sinne der Unantastbarkeit überkommener Privilegien, teilweise auch nach aristokratischer Mitregierung, selten jedoch nach eigener Machtübernahme im werdenden staatlichen Gesamtverband.“514 Beide Begriffsfelder, zu denen der Tyrannenbegriff sowie das Problem des Tyrannocids ebenso gehören wie die Fragen nach dem ob, von wem und wann Widerstand ausgeübt werden darf, haben im Laufe der politischen 511  So für die deutsche Literatur etwa in den Werken Andreas Gryphius’ Leo Armenius. Oder Fürstenmord (ersch. 1650), Catharina von Georgien (ersch. 1657), Papinianus (1659) und besonders in dem kurz nach der Hinrichtung Karls I. von England am 30. Januar 1649 entstandenen Trauerspiel Ermordete Majestat. Oder Carolus Stuardus (1657 u. 1663), weiterhin in Daniel Caspar von Lohensteins Trauerspielen Agrippina (1665), Cleopatra (1661), Sophonisbe (1680) oder Arminius (1689 / 90) und Christian Weises Bäurischer Machiavellus (1681) und den Volksaufstand in Neapel 1647 behandelnden Masaniello (1683). Nicht zuletzt gibt Hans Jakob Christoph Grimmelshausen in seinem 1668 erschienen Simplicissimus Teutsch beredte Auskunft über die politische Lage in Deutschland. Auch im europäischen Ausland werden zu dieser Zeit die Themen Usurpation und Widerstand, Staatsräson, absolute Herrschaft und ständische Gesellschaft literarisch behandelt. Beispiele bilden: William Shakespeares Hamlet (entst. um 1600), Richard II. (Urauff. 1595), Der Sturm (Urauff. 1611); Pierre Corneilles Horace (Urauff. 1640), Cinna (Urauff. 1642), Heraklius (Urauff. 1646); Jean Racines Britannicus (Urauff. 1669); Pedro Calderón de la Barcas Der Richter von Zalamea (entst. um 1640) sowie Baltasar Gracians El político (ersch. 1640). 512  Reinhard 1999, 226–239; Mandrou 1999, 26–36; Vogler 1996, 26–30; Link 1979, 193–201; Reibstein 1972, 166–189. Absolutistische Herrschaft setzte sich in den deutschen Gebieten auf andere Weise als in Spanien oder Frankreich durch, was nicht zuletzt die »Spielart« des aufgeklärten Absolutismus in Deutschland bzw. Preußen deutlich macht, vgl. Duchhardt 1992, 36–54; Vierhaus 1984, 147  ff. 513  Schilling 1998, 414  ff.; Heckel 2001, 9–17, 33–66. 514  Heckel 2001, 11.

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2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Theoriengeschichte verschiedene Deutungen erfahren. Die ersten Tyrannen sind populäre Herrscher, oftmals aber auch Usurpatoren und Gewaltherren, deren Herrschaft vorläufig keine eindeutige Gestalt hat.515 Sophokles’ ΟΙΔΙΠΟΥΣ ΤΥΡΑΝΝΟΣ (nach 429 v. Chr.  ?) gibt beredtes Zeugnis davon, dass mit Tyrann zunächst nur Alleinherrscher gemeint ist; so wird denn auch das Werk König Ödipus übersetzt.516 Mit dem Dialog Hieron (360 v. Chr.?), in dem Xenophon den Tyrannen Hieron ein Gespräch mit dem Dichter Simonides führen lässt, und den Novellen in den Historien des Herodot sind weitere Beschreibungen der Tyrannengestalt auf uns gekommen.517 Sie tragen ihren Teil zur Fassung des Phänomens bei, das Platon und Aristoteles in ihren Werken als das Gegenteil guter und gerechter Herrschaft kennzeichnen und für das sich bei Cicero schon Aussagen zur Zulässigkeit des Tyrannenmordes finden.518 Eine Lehre vom Widerstandsrecht kennt die griechische und römische Antike indessen nicht.519 Mit dem aufstrebenden Christentum setzt eine Auseinandersetzung mit dem weltlichen Tyrannisproblem ein, zu deren Lösung die christlichen Lehrer neben dem Gedanken der Duldung und des Martyriums bei schwerwiegenden Verstößen gegen die – zunehmend positivierte – göttliche Ordnung ein Widerstandsrecht anerkennen.520 Für das Widerstandsrecht im christlichen Staatsdenken der Spätantike und des Mittelalters gehört zum bestimmenden Merkmal die Auseinandersetzung um die Auslegung von Röm 13,1–7, einem Schriftbeleg, der einem Widerstand gegenüber offen ist.521 515  Ottmann

2001a, 71; Schoenstedt 1938, 26  f. Ottmann 2001a, 70, 196. 517  Zum Dialog Hieron vgl. Ottmann 2001b, 231  f. Herodot, Die Bücher der Geschichte I, 29–32; III, 39  ff.; V, 67  f., 92. 518  Nach der Staatsformenlehre Platons zeichnet sich die Tyrannis als die (Allein-)Herrschaft des Wahnsinns und der Begierde und ohne Gesetz aus: Gorgias 469 St. (64), 510 St. (137  f.), Der Staat (1993) IX, insb. 573 St. (355  f.), 578–579 St. (363–366), 587–588 St. (379–382), Gesetze 709–712 St. (122–126), Politikos 301– 303 St. (99–104); s. Ottmann 2001b, 59  ff., 64, 80. Zum „guten Tyrannen“ bei Platon in den Gesetzen 710 St. (122): Deibel 2000, 35 / 36. Für Aristoteles insbesondere: Politik IV, 10; V, 10–12; dazu: Ottmann 2001b, 201  ff.; Höffe 1999b, 271  f. Für Cicero: Über die Gesetze I, 42 (237); De officiis III, 19 (237); Über den Staat II, 46–48 (81  f.) (angedeutet). Zur angeblich erstmaligen (sic!) Ergänzung der staatsrechtlichen Erfassung des Phänomens »Tyrann« um eine moralische Komponente durch Cicero: Spörl 1972, 97 / 98 mit dem Verweis auf Büchner 1962, 116  ff. Zu Über den Staat II, 46: Ottmann 2002, 105. 519  Vgl. Münkler 1995, 691–696; Mandt 1990, 651 ff.; dies. 1974, 66 ff.; Schmude 1987, 3981. Zur Typologie der griechischen Tyrannis vgl. Demandt 1995, 163–189. 520  Zum Widerstandsrecht bei den Kirchenvätern: Spindelböck 1994, 34–58. 521  Zum Verhältnis Christ und staatliche Ordnung siehe zudem insb.: 1 Petr 2,13  f.; Mt 22,21 = Mk 12,13 = Lk 20,20; Tit 3,1; Spr 24,21; beachte dgg.: Apg 5,29; 1 Kor 2,8. Zur Bewertung der Schriftbelege: Spindelböck 1994, 14–33. 516  Vgl.



§ 13 Von der Tyrannislehre zum Widerstandsrecht

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Auch eine Exegese von Offb 13 lässt in Vers 10 einen passiven Widerstand bis zum Martyrium ebenso zu wie einen aktiven Widerstand nach Vers  7: 7 Und

es wurde ihm (dem Tier, P.  K.) erlaubt, mit den Heiligen zu kämpfen und sie zu besiegen.

10 Wer

zur Gefangenschaft bestimmt ist, geht in die Gefangenschaft. Wer mit dem Schwert getötet werden soll, wird mit dem Schwert getötet. Hier muß sich die Standhaftigkeit und die Glaubenstreue der Heiligen bewähren. (Offb 13, 7, 10, Text nach der Einheitsübersetzung 1978)

Nach den mit Schärfe vorgetragenen Aussagen des Johannes von Salis­ bury in seinem Werk Policraticus (1159) zur Tyrannentötung, erfährt das Widerstandsrecht eine rechtliche Präzision durch Thomas v. Aquin, der in Anknüpfung an Aristoteles den Tyrannenbegriff verdeutlicht.522 Ein individuelles Recht auf Widerstand kennt er nicht. Sowohl einem Partikularinteresse als auch einem bloßen persönlichen Dafürhalten als Grundlage für den Widerstand erteilt Thomas eine Absage. Vielmehr dienen die Orientierung am Gemeinwohl sowie ein allgemeiner Beschluss als Kriterien zur rechtmäßigen Ausübung.523 Wilhelm von Ockham kennzeichnet den Tyrannen in seinem Werk Brevi(ca. 1340) in zwei zu unterscheidenden Argumentationslinien (für das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt) zum einen als Zerstörer der evangelischen Freiheit, zum anderen als eigennützigen Herrscher und Zerstörer des Gemeinwohls.524 So entwickelt er ein Widerstandsrecht aus der Freiheitsbehauptung und der Gemeinwohlverpflichtung, das bereits eine förmliche Heilung des principatus tyrannici loquium de principatu tyrannico

522  Johannes von Salisbury, Policraticus III, 15 Zeile 11  f. (230). Miethke 1991, 74  f. übersetzt: „Den Tyrannen zu töten ist nicht nur erlaubt, sondern billig und gerecht“; Spörl 1975, 100  ff.; Reibstein 1972, 130–133. Thomas v. Aquin, In quattuor libros sententiarum, lib. II, dist. 44, quaest. 2, art. 2: „dictum est autem, quod praelatio potest a deo non esse dupliciter: vel quantum ad modum acquirendi ­praelationem, vel quantum ad usum praelationis. quantum ad primum contingit ­dupliciter: aut propter defectum in ipso modo acquirendi, quia scilicet per violentiam vel per simoniam, vel aliquo illicito modo acquirit. … sed secundus defectus impedit jus praelationis: qui enim per violentiam dominium surripit non efficitur vere praelatus vel dominus; … abusus autem praelationis potest esse dupliciter:  …“. Zur Unterscheidung, die von Bartolus von Sassoferrato und Colluccio Salutati sowie dem Schüler Bartolus’ Baldus degli Ubaldi weiter ausgebaut wurde und der Stellung Thomas v. Aquins zum Tyrannenmord: Schoenstedt 1938, 26–56. 523  Mandt 1974, 68–70; Schoenstedt 1938, 44  ff. Eingehender: Spindelböck 1994, 74–92; Reibstein 1972, 133–143. 524  Mertens 2003, 224–226; Miethke 1991, 120; ders. 1993, 414 zur „neuen“ naturrechtlichen Begründung des Widerstandsrechtes; Spörl 1975, 107  ff.

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et usurpati durch eine nachträgliche Zustimmung der subditi diskutiert.525 Neben dem Franziskanermönch spricht auch Marsilius von Padua in seinem Ludwig dem Bayern gewidmeten Werk Defensor Pacis (1324) dem Volk ein Widerstandsrecht zu.526 Der Theologe John Wyclif behauptet in seinen Schriften, dass nicht nur der tyrannus ex defectu tituli von jedermann getötet werden dürfe, sondern ebenso der in der Ausübung seiner ursprünglich legitimen Herrschaft zum Tyrannen sich wandelnde tyrannus quoad exercitium; Wyclif vertritt eine Ansicht, die auf dem Konstanzer Konzil (1414–1418) im Dekret Quilibet tyrannus (1415) als häretisch verurteilt wird: „Der Satz: ‚Jeder beliebige Tyrann kann und soll erlaubterweise und verdientermaßen von jedem Vasallen oder Untergebenen getötet werden – sogar mittels Tücke und Schmeicheleien oder Speichelleckereien  –, wobei dieser Tat kein abgelegter Treueid oder ein mit dem Herrscher geschlossenes Bündnis entgegen­ stünden, und ohne das Erwarten des Urteils oder des Befehls eines Richters,‘ sei ‚irrig bezüglich des Glaubens und der Sitten. Das Konzil verwirft und verurteilt ihn als häretisch, ärgerniserregend, aufrührerisch und als Betrug, Täuschung, ­Lüge, Verrat und Meineid führend. Überdies erklärt, entscheidet und definiert es, daß jene, die hartnäckig dieser überaus gefährlichen Lehre beipflichten, Häretiker sind  …‘.“527

Eine weitere Quelle des Rechts auf Widerstand bildet das auf gegenseitiger Treuepflicht gegründete deutsche Lehnrecht, nach dem das Recht zum Widerstand aus einer Pflichtverletzung des Herrschers und Herrn entspringt. Das germanische Rechtsdenken unterscheidet sich vom römischen Rechtsdenken durch dieses Treueverhältnis, wobei die Treue qualitativ etwas anderes bedeutet als Gehorsam.528 Die fides reicht über den Gehorsam hinaus 525  Wilhelm

von Ockham, Breviloquium IV, 11. von Padua, Defensor Pacis I, 8,3 (37–38); 15,2 (85); 18,2  f. (121  f.) Lüddecke 2001, 115 spricht nicht von einem Widerstandsrecht, sondern von einer „Befugnis zur Maßregelung und Absetzung der Regierung“, die „beachtliches republikanisches Potential“ erkennen lässt. Gegen ein Widerstandsrecht bei Marsilius wohl: Mertens 2003, 224; ebenso Miethke 1993, 405: Marsilius biete im Defensor Pacis keine Lösung zum Widerstandsrecht an; Rausch 1986, 164 erwähnt einen Einfluss Marsilius’ auf Althusius. Spörl 1975, 108 sieht Marsilius’ Gedanken über Volkssouveränität und Widerstandsrecht wiederum von Manegold von Lautenbach beeinflusst. 527  Dekret zitiert nach Spindelböck 1994, 93; Quin 1999, 585; Spindelböck 1994, 93–95; Reibstein 1972, 152. 528  Willoweit 1997, 35; Bosl 1996, 705, 777, 825; Fleckenstein 1988, 23, 106  ff. (113) mit dem Verweis auf das vorlehnrechtliche germanische Recht; Brunner 1984, 17–19; Fuhrmann 1978, 46; Spörl 1975, 92  f.; Wolzendorff 1968, 61  ff.; Dennert 1968, XLIII; Kern 1954, 145–174, zum Begriff der Treue und seinem Verhältnis zum Gehorsam (157); Gierke 1868, 96  ff. für die Zeit vor 800. Auf dieses Recht germanischen Ursprungs rekurriert Althusius etwa in VIII  57. 526  Marsilius



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und fordert ein Verhalten zugunsten des Herrn auch ohne dessen ausdrücklichen Befehl, umgekehrt schränkt sie den Herrn auch ein. Die Treue bewegt sich „im Rahmen des ‚rechtlich und sittlich Zumutbaren‘ (Mitteis)“, die Herr und Untertan zugleich verpflichtet.529 Der parforceartige Aufriss mag verdeutlichen, dass zu Beginn der Neuzeit die Themen Tyrannis und Widerstand bereits in verschiedenen Lehren und Ansätzen ausdifferenziert vorliegen.530 Neue Impulse setzen ein mit Niccolò Machiavellis von occasione, necessità und qualità de tempi geprägtem „entmoralisierten“ Herrschaftsverständnis sowie den reformatorischen Auffassungen zum Widerstand.531 In den Jahrzehnten vor der Erstausgabe der Politica 1603 leistet Calvin im vierten Buch seiner Institutio (1536) einen wichtigen Beitrag zum Widerstandsdiskurs, der nachhaltig auf das politische Denken der Zeit wirkte: „Denn wenn auch die Züchtigung einer zügellosen Herrschaft Gottes Rache ist, so sollen wir deshalb doch nicht gleich meinen, solche göttliche Rache sei uns aufgetragen – denn wir haben keine andere Weisung, als zu gehorchen und zu leiden. Dabei rede ich aber stets von amtlosen Leuten. Anders steht nun die Sache, wo Volksbehörden (‚populares magistratus‘) eingesetzt sind, um die Willkür der Könige zu mäßigen; von dieser Art waren z. B. vorzeiten die ‚Ephoren‘, die den lakedämonischen Königen, oder die Volkstribunen, die den römischen Konsuln, oder auch die ‚Demarchen‘, die dem Senat der Athener gegenübergestellt waren; diese Gewalt besitzen, wie die Dinge heute liegen, vielleicht auch die drei Stände in den einzelnen Königreichen, wenn sie ihre wichtigsten Versammlungen halten. Wo das also so ist, da verbiete ich diesen Männern nicht etwa, der wilden Ungebundenheit der Könige pflichtgemäß entgegenzutreten, nein, ich behaupte geradezu: wenn sie Königen, die maßlos wüten und das niedrige Volk quälen, durch die Finger sehen, so ist solch ihr absichtliches Übersehen immerhin nicht frei von schändlicher Treulosigkeit, denn sie verraten ja in schnödem Betrug die Freiheit des Volkes, zu deren Hüter sie, wie sie wohl wissen, durch Gottes Anordnung eingesetzt sind.“ (Hervorheb. P.  K.)532 529  Brunner

1984, 17. historischen Abriss zur Tyrannis- und Widerstandslehre bieten etwa: Quilisch 1999, 19–50; Münkler 1995, 691–696; Mandt 1990, 651–706. 531  Siehe zur „Emanzipation des Tyrannen“ und den Qualitäten des »neuen Fürsten« der Discorsi wie des Principe: Sternberger 1984, 159–193. Zu den reformatorischen Auffassungen zum Widerstand Martin Luthers, Huldrych Zwinglis, Philipp Melanchthons, Johannes Calvins und weiteren sog. Monarchomachen: Ludwig Cardauns, Die Lehre vom Widerstandsrecht des Volks gegen die rechtmäßige Obrigkeit im Luthertum und im Calvinismus des 16. Jahrhunderts, Darmstadt 1973, dem Arthur Kaufmann in seinem Vorwort über die beabsichtigte historische Studie hinaus problemgeschichtlichen Wertgehalt beimisst. Zum Obrigkeitsverständnis und Widerstandsrecht bei Thomas Müntzer: Quilisch 1999, 34–50, 127–191. 532  Calvin, Unterricht in der christlichen Religion IV 20, 31. Zu den Ambivalenzen in der Stellung Calvins zum Widerstand: Cardauns 1973, 41–46. Zum Verhältnis 530  Einen

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Seine eigentlich politische Ausrichtung hat das Widerstandsrecht in den Streit- und Kampfschriften protestantischer, calvinistischer wie katholischer so genannter „Monarchomachen“ des ausgehenden 16. Jahrhunderts erhalten.533 In Anknüpfung an Calvins, im Kontext breiter reformatorischer Bestrebung entwickeltem Widerstandsrecht, haben folgende drei Abhandlungen besondere Bedeutung erlangt: François Hotmans Franco-Gallia (1573), De Jure magistratuum in subditos (frz. 1574, lat. 1608) von Théodore de Bèze sowie der wohl bekannteste Traktat Vindiciae contra tyrannos (1574, publiziert 1579), der unter dem Pseudonym Stephanus Junius Brutus erschienen ist. Als calvinistische Monarchomachen sind vornehmlich sie in die Geschichte des politischen Denkens eingegangen.534 Anzufügen sind ebenso die Untersuchung des Schotten George Buchanan De jure regni apud Scotos (1579) oder die katholischen Monarchomachen Rossaeus und Salamonius, die Althusius neben den französischen politischen Schriftstellern zitiert (z. B. XX  21; XXXVIII  35  f.; 109; u. ö.). Mit dem Beitrag in der Politica erreicht die Diskussion um das Widerstandsrecht im Ständestaat des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts „Höhepunkt und Abschluß“.535 Mit der protestantischen Union (1608) und der katholischen Liga (1609) finden sich zur Abfassungszeit der Ausgaben von 1610 und 1614 zwei historische „Organisationen des konfessionellen Widerstandsrechts“ (Heckel 2001, 117). In der Erstausgabe wird das Thema Tyrannis sowie die Voraussetzungen und Modi ihrer Beseitigung noch innerhalb des Kapitels 14 erörtert, welches die Ephoren und deren Aufgaben behandelt. Eine erst in der zweiten Auflage der Politica von 1610, die den niederländischen Ständen in ihrem Freiheitskampf gegen Philipp II. von Spanien gewidmet ist, hinzukommende Erweiterung ist das Kapitel 38 De tyrannide ejusque remediis, Über Tyrannei und deren Heil-

Calvin – Althusius unter dem Blickwinkel der politischen Theologie: Eßer 1988, 167–186; Winters 1963, 37–60. 533  Die Bezeichnung »Monarchomachen« stammt vom Schotten William Barclay für eine „durchaus in sich politisch unterschiedliche Gruppe von Politikern und Theoretikern“, Bermbach 1985, 111. Ausführlicher zur katholischen Widerstandsrechtslehre insb. der spanischen Jesuiten: Quin 1999, 238–333; 572–620. Einen Überblick über die für die Politica relevanten monarchomachischen Schriften findet sich in: Winters 1963, 79–119. 534  Statt vieler: Bermbach 1985, 107–124; Ottmann 2006, 90–93. Zum Verhältnis Althusius – Monarchomachen: Wyduckel 2002, 133–164. In der Réveille-Matin des François von Hotman ist 1574 erstmalig in französischer Sprache der Discours de la Servitude volontaire von Etienne de La Boétie erschienen, der in seiner „psychologischen Studie“ der Frage nachgeht, „warum der weitaus größte Teil der Menschheit sich freiwillig tyrannischem Zwange beugt“ (Cardauns 1973, 33). 535  Winters 1988, 544.



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mittel.536 Dieses Kapitel ist nahezu unverändert in die hier zugrundegelegte dritte Ausgabe von 1614 gelangt.537 Im Kapitel 38 der Neuausgabe „sammeln sich die Ideen und Ideale seiner Staatsphilosophie brennpunktartig“.538 Die Ausführungen in Kapitel 113 De abusu potestatis publicae (Buch I, 5. Teil: Über die Vergehen), in Althusius’ zweitem Hauptwerk Dicaeologicae (Herborn 1617), dem Entwurf einer Allgemeinen Rechtslehre, liegt bereits vollumfänglich und ausführlicher in seiner Politica vor.539 Die Tyrannis (I) wird dort neben den anderen Tatbeständen Judicis actiones iniquae (II), Crimen reperundarum (III), Sportularum & vectigalis novi vel illicti exactio (IV) an erster Stelle aufgeführt. Es ist mit den Untersuchungen von Heinz Antholz davon auszugehen, dass die jeweiligen überarbeiteten Ausgaben maßgebliche Impulse aus Al­ thusius’ seit 1604 ausgeübter Tätigkeit als Ratssyndikus in Emden erhalten haben.540 Antholz weist darauf hin, dass die Erweiterungen der althusischen Staats- und Soziallehre um sieben Kapitel in der Ausgabe von 1610, und darin besonders der Beitrag über die Tyrannei und deren Heilmittel, den Stempel der praktischen Politik und der besonderen Zustände der ostfriesischen Situation um 1609 tragen.541 Auf die Frage, ob die „machiavellistischen Praktiken“ des Emder Syndikus (1604–1638) die Politica der 2. (1610) und 3. Ausgabe (1614) des Gelehrten Althusius bloßstellen, wird hier nicht eingegangen.542 Jedoch geht auch Antholz davon aus, dass das Kapitel über „Die Tyrannis und ihre Beseitigung“ – er kennzeichnet es als „das revolutionärste Kapitel seines Lehrbuches“ – keine völlig neue Bearbeitung erfahren hat.543 Es handelt sich vielmehr um eine erweiterte Darlegung und 536  Remedium kann auch „Beseitigung (eines Übels)“ bedeuten. Da in der Überschrift jedoch das Wort im Plural verwendet wird, bietet sich die von Heinrich Janssen gewählte Übersetzung Heilmittel an. 537  Vgl. auch Winters 1988, 548  f. 538  Antholz 1954, 143. 539  Krawietz betont die Gleichrangigkeit der beiden Hauptwerke, ders. 1988, 392  ff. 540  Antholz 1988, 67–88; ders. 1954, 63  ff., 71  f., 76  ff., 104, 140  ff. Stark einschränkend zu den dortigen Thesen: v. Friedeburg 2002, 305. Wie Antholz dagegen: Scattola 2002, 214. 541  Antholz 1954, 99  ff. (125). 542  Letztens vorsichtiger in dieser Richtung: Antholz 1988, 87  f. 543  Antholz 1954, 143; i. E. ebenso Winters 1988, 554. Scattola erkennt im Übergang von der ersten zur dritten Auflage eine Vertiefung der eigenen Thesen Althusius’ und die Befreiung von „fremden Elementen“ der Lehren Bodins’ und Lipsius’, ders. 2002, 231. Nach hier vertretener Ansicht führt der Ausdruck »revolutionär« zumindest in die Irre. Das Widerstandsrecht ist auf Wiederherstellung des status quo ante gerichtet, also vielmehr restaurativ bzw. konservativ. Revolution dagegen ist gerichtet auf die Überwindung der bestehenden Verfassungs- und Gesellschaftsord-

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Ausführung dessen, was bereits in Kapitel 14 der Erstausgabe angelegt war. Allerdings sucht man in dieser noch vergebens nach Definitionen der Arbeitsbegriffe »Tyrannei und Tyrann«, wie sie nunmehr zu Beginn des Kapitels in den §§ 1–27 gegeben werden. Die Tyrannis gefährdet das Ziel des menschlichen Zusammenlebens, was sich im Propädeutikum formuliert findet: „Das Ziel des symbiotischen politischen Zusammenlebens der Menschen ist eine fromme (sancta), gerechte, angemessene und glückliche Lebensgemeinschaft“ (I  3). Insofern die Tyrannis diese »Staats- und Gesellschaftsziele« in näher zu bestimmender Weise beeinträchtigt, die Erreichung gar unmöglich macht oder den Bestand gefährdet und zerstört, steht die Politik in der Pflicht. Es gilt, das Gemeinwesen (consociatio) unbedingt als eine fromme, gerechte, angemessene und glückliche Lebensform aufrechtzuerhalten und zu bewahren. Es fällt ins Auge, dass sich Kapitel 38 von der im Übrigen angewandten ramistischen Methode weitgehend ausnimmt, was auch an der fehlenden Einordnung in das dem Vorwort nachgestellte dichotomische Schema politicae ablesbar ist. Im Vorwort der Ausgabe von 1610 kündigt Althusius für diese Ausgabe an, dass sie „ein neues, von der früheren Darstellung in Form, Methode und Umfang verschiedenes politisches Werk“ darstellt (Vorwort 1610, 13). Dies kann darin begründet liegen, dass der Autor, der seit 1604 Syndikus der Stadt Emden ist, „sein Problembewußtsein über die ramistische Methode obsiegen läßt“.544 Die thematische Bündelung in einem einzigen, neu eingefügten Kapitel entbehrt jedoch nicht gänzlich methodischer Darstellungs- und Vorgehensweise.545 Ist in den vorherigen Kapiteln von der guten und gerechten Einrichtung des Gemeinwesens lege artis die Rede, finden sich am Ende des Werks die Ausführungen zur politischen Pathologie, über „das Gegenteil einer richtigen und gerechten Regierung (administratio)“  (vgl. XXIX  83).546 Insbesondere korrespondiert Kapitel 38 mit den dichotomischen Ausführungen zum obersten Magistrat (Kap. 19–27) sowie den Ephoren (Kap. 18). Auf diese Weise wird die Methode gleichsam inkorporiert. Auch für die Tyrannis führt der Autor die bekannte Zweiteinungen mit der Intention, diese zu ändern (vgl. § 86). Bertram in seinen Ausführungen zur Unterscheidung von Widerstand und Revolution, erblickt in Althusius’ ­Politica eine „erste gründliche theoretische Begründung“ des Widerstandsrechts neben denen der Monarchomachen, ders. 1964, 25. 544  So Winters 1988, 550 Fn.  21. 545  Scattola bemerkt einen Wandel in der Methode, ders. 2002, 233. 546  Weinacht, der die Beziehung Althusius’ zur aristotelischen Lehre untersucht, bezeichnet so diesen Bestandteil der Politica und rechnet ihn neben Gemeinschaftsund Regierungslehre zum konventionellen Gegenstandskatalog des von Aristoteles begründeten (literarischen) Gattungsbegriffs der Politik; Weinacht 1988, 448; s. a. Ottmann 2001b, 172.



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lung fort (prior – posterior) und untergliedert diese wiederum (generalis – specialis). Es kommt unterdessen zu systematisch-methodischen Spannungen in Bezug auf das gesamte Werk, die sich innerhalb des Tyranniskapitels thematisch aus dem Verhältnis zwischen Recht und Sprache ergeben. Sofern sich die Ausführungen direkt auf die oberste Magistratsbehörde beziehen, mithin die Staatsebene betreffen, bedeutet dies nicht, dass sie keine Gültigkeit für die Provinzen und deren Präfekten besitzen. Kurzerhand erklärt der Verfasser die Tyrannislehre auch für seine „politische Lehre von der Provinz“ für anwendbar, wobei es sich im Rahmen der gegenseitigen Schutzgemeinschaft nur um einen subsidiären Tatbestand handeln kann (VIII  91; XX  21; 78 a. E.).547 Über das letztinstanzliche Appellationsgericht der universalen consociatio kann ein tyrannischer Provinzmagistrat zur Einhaltung der gesetzmäßigen Ordnung verurteilt werden. Dass Althusius die Tyrannis- und Widerstandslehre indes für die staatliche Ebene ausformuliert, liegt nicht allein in einer Darstellungsökonomie begründet, die auf Wiederholungen verzichten will. Dann hätte er seine Überlegungen bereits auf der Provinzebene angestellt. Der Verweis, dass die provinziale Verwaltung „der des Reichs und der universalen Gemeinschaft nachgebildet“ sei, bedeutet, dass es sich bei der Darstellung des Gegenstandes weniger um Allgemeine Staatslehre als vielmehr um ein Lehrstück der politischen Theorie handelt. Der Autor konnte noch nicht auf reichhaltige Erfahrungen mit der sich in den deutschen Territorien entwickelnden absolutistischen Herrschaft zurückgreifen. Ihm mögen vielmehr die so genannte Pariser Bluthochzeit (1572) und die Fremdherrschaft Philipps. II  von Spanien über die Niederlande vor Augen gestanden haben. Dagegen stellt ein tyrannisches Stadtregiment kein Thema für den Autor dar. Aufgrund der betonten genetischen Verwandtschaft innerhalb der Konsoziationenlehre ist eine »kommunale Tyrannis« zumindest denkbar, überschreitet jedoch offensichtlich nicht die Schwelle jener politischen Strafbarkeit, wie sie auf höherer Ebene gegeben ist. Durch die gemeindlichen Beteiligungs- und Kontrollrechte kann dort schneller reagiert werden. 1. Klassifizierungen von Tyrannentypen Der rechtmäßige Herrscher bestimmt nach freiem Ermessen, ob die Untertanen ihre Gehorsamspflicht erfüllen. Diese Ermessensfreiheit stellt indes kein Willkür dar, sondern wird dadurch begrenzt, dass er weder „in gottloser noch ungerechter Weise“ gebietet (I  18). Die Ausführungen, die Althusius in Kapitel 38 zum Tyrannen macht, lassen auf den ersten Blick die 547  Soweit nicht anders gekennzeichnet sind im Folgenden die Paragraphen ohne Angabe des Kapitels solche aus Kapitel 38.

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überkommene Unterscheidung zwischen einem tyrannus absque titulo, dem Usurpator, der sich gegen Recht und Gesetz die Herrschaft anmaßt, von einem tyrannus exercitio vermissen.548 Die Differenzierung bedeutet einen qualitativen Unterschied. Dieser ist auf legitime Weise in das Herrscheramt gelangt, entwickelt sich jedoch während seiner Amtszeit zum Gewaltherrscher. Hier wie dort spricht Althusius zunächst noch unspezifisch von tyrannischer Herrschaft, Missbrauch der Staatsgewalt oder schlicht von Tyrannei oder vom Tyrannen (Vorworte 1603 und 1610; XVIII  18, 31, 55, 63, 84  f., 124; XX  21; §§ 1–26; u. ö.). Die Unterscheidung ist jedoch nicht zuletzt im Hinblick auf einen etwaigen Widerstand und den Kreis der Ausübungsberechtigten von Bedeutung. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass der Autor der Politica den tyrannus absque titulo, den Usurpator, nicht als Tyrannen im eigentlichen Sinne versteht. a) Der Usurpator Den Usurpator kennzeichnet, dass er nicht durch Wahl oder Thronfolge in sein Amt kommt, vielmehr durch (Waffen-)Gewalt und „frevelhafte oder schimpfliche Kunstgriffe“ die Herrschaft an sich reißt. Mit Rücksicht auf die adaptierten Methoden der Arcanpolitik in der althusischen Regierungslehre entsteht nunmehr eine eigentümliche Spannung. Althusius argumentiert »sophistisch«, wenn er „Kunstgriffe“ bei der ausgeübten Regierungstätigkeit anerkennt, bei der Erlangung der Regierungsmacht dagegen als tyrannisch ablehnt. Es ist daher vornehmlich auf die verbrecherische Gewalt (vis, scelus) und die fehlende Wahl (sine ullo electionis) abzustellen. Ausgenommen ist derjenige, der mittels eines »gerechten Krieges« an die Regierungsmacht gelangt (§ 27). Als »öffentlicher Feind« (hostis regni), dem kein rechtlich geschützter Status gebührt, ist der tyrannus absque titulo nicht in die Ausführungen zur regelrechten Tyrannislehre mit einzubeziehen. Er „ist kein Tyrann im eigent548  Über die Einführung der unterschiedlichen Benennungen zwischen tyrannus exercitio / tyrannus quantum ad usum praelationis / tyrannus ex parte exercitii / tyrannus regiminis / usf. und tyrannus absque titulo / tyrannus quantum ad modum adquirendi praelationis / tyrannus ex defectu tituli / tyrannus usurpatoris / usf. besteht Uneinigkeit. Für Augustinus: Quilisch 1999, 21 / 22 ohne Quellenbeleg, dafür mit einem Verweis auf Spörl 1972, 98; für Cicero: Spörl ebd., 97 / 98, der seine Ansicht wiederum auf ein eigenwilliges Verständnis der Untersuchungen Büchners Der Tyrann und sein Gegenbild in Ciceros »Staat« stützt; für Thomas v. Aquin und Bartolus: Maier 1994, 35; ebenso Schoenstedt 1938, 38 und Spindelböck 1994, 77 Fn.  304; für Baldus: Link 1979, 94. Bereits Aristoteles unterscheidet zwischen Usurpatoren und »gewählten« Tyrannen (Politik IV, 10). Nach hier vertretener Ansicht spricht jedoch oben angeführte Textstelle für Thomas v. Aquin. Entscheidend ist hier zunächst nur, dass unterschieden wird.



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lichen Sinne“ (Überschrift zu § 27). Dementsprechend ist auch kein Widerstand im strengen Sinne zu leisten; dieser ist nämlich dem tyrannus exercitio vorbehalten (vgl. § 56).549 Nach dieser Klarstellung beleuchtet Althusius das Schicksal des Usurpatoren deshalb nur kurz in § 68: „Indes dürfen und müssen alle, sowohl die vaterlandsliebenden Optimaten als auch die Privaten, einem Tyrannen Widerstand leisten, der ohne Rechtstitel in das Reich eindringt“. Adressaten sind alle, gleichviel ob Privatperson oder Ephor (§§ 65, 68). Es bedarf keines amtlichen Befehls, vielmehr genügt der eigene Beschluss, die entsprechende Willensbildung. Die Entscheidung zur Anwendung von Widerstand (im untechnischen weiteren Sinne), die sich zur Pflicht verdichtet (possunt & debent) findet sich demnach im pflichtgemäßen Ermessen der öffent­ lichen Meinung. Die Einschaltung besonderer rechtlicher und moralischer Autoritäten als Willens- und Entscheidungsträger ist nicht vorgesehen, ein öffentliches Untersuchungsverfahren ist in dieser Situation entbehrlich. Reibstein hebt diesen Umstand besonders hervor: „Dies ist bei Althusius eine interessante Bekundung des im deutschen Genossenschaftsrecht geltenden Prinzips, daß der einzelne nicht bevormundet unter der Gemeinschaft, sondern vollberechtigt in ihr steht, sie konstituiert, ohne deshalb von ihr absorbiert zu werden und ohne ihr eine Existenz zu verleihen, die prinzipiell von den individuellen Gemeinschaftern und ihrem Wechsel unabhängig wäre.“550 Wie weit dieser »uneigentliche« Widerstand gehen kann, ist aus den Überschriften zu §§ 27 und 68 am Beginn des Kapitels zu entnehmen: „Überschrift § 27. Ein Tyrann ohne Rechtstitel … kann auch von Privaten abgesetzt werden“, „Überschrift § 68. Ein Tyrann, der ohne Rechtstitel in das Reich eindringt, darf von jedem, auch von einem Privatmann, getötet werden.“ Der Usurpator darf getötet werden; die Ermordung Caesars führt Althusius als geschichtliches Beispiel der Beseitigung eines tyrannus absque titulo an (§ 68 a. E.).551 Überrascht nicht so sehr das Ergebnis – das Recht zur Tötung des Usurpators entspricht gängiger Überzeugung  –, so ist die knappe Begründung zumindest bemerkenswert. Die Stellungnahmen zur Tötung eines Usurpators nehmen beispielsweise in den Ausführungen der 549  Cinna führte im römischen Bürgerkrieg um die Jahrhundertwende v. Chr. die Erklärung zum »öffentlichen Feind« (hostis publicus) in die Politik ein (Ottmann 2002, 74). Zum hostis: Schulten 1913, 2515–2516. Im antiken Rom liegt der Erklärung ein förmlicher Senatsbeschluss zugrunde, Dahlheim 1992b, 119. Zum hostis vgl. auch Schmitt 1996, 29  f. 550  Reibstein 1972, 169. Zu diesem Verhältnis ebenso: Brunner 1984, 19  f. 551  Nach den Untersuchungen Canforas ist es „gewagt Caesar als einen Mann zu beschreiben, der es von Anfang an bis zur Übernahme der Diktatur auf Lebenszeit (…) auf die Eroberung des regnum abgesehen hatte“, Canfora 2001, 146.

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von Althusius mitunter zitierten spanischen Jesuiten Mariana, Molina, Suárez und Vásquez sowie des Gründers der Schule von Salamanca, des Dominikaners Francisco Vitoria und seines Schülers Dominicus Soto breiteren Raum ein.552 Dass Althusius „omnes & singuli“, „patriae amantes“, „optimates & privati“ ohne Einschränkungen zur Entscheidung beruft, ist nicht selbstverständlich, da selbst sein Widersacher Bodin näher auf die Bedingungen der Tötung des Usurpators eingeht.553 Für den Untertanen christlichen Glaubens ergibt sich überdies ein Konflikt zwischen der Untragbarkeit des widerrechtlichen Status der Usurpatoren einerseits, andererseits des Paulus-Gebots in Röm 13, der Obrigkeit untertan zu sein. Zur Zinsperikope und der Möglichkeit eines Widerstandsrechts liegen zwei Auslegungstraditionen vor.554 Sehen die einen im Zeugnis des Apostels die prinzipielle Verneinung jeden Rechts auf Widerstand (so etwa Hobbes und Kant), erkennen etwa Augustinus, Thomas v. Aquin, Luther, Calvin und Suárez auf eine Vereinbarkeit von Widerstandsrecht und Röm 13.555 552  Quin 1999, 582–620, mit zahlreichen Quellenbelegen zu den angegebenen Autoren, aber einer – bei Zugrundelegung seiner Ausführungen – anzweifelbaren Zusammenfassung, wonach ohne Autorisierung einer übergeordneten Instanz auch ein Usurpator nicht getötet werden darf. Zum Widerstandsrecht der genannten spanischen Spätscholastiker s. a.: Bermbach 1985, 154, 157. Eingehender zu Mariana und dessen Widerstandslehre, Schmitz 2000, 96–119 (113  ff.). 553  Bodin, Sechs Bücher über den Staat II, 5, Rn.  1607 (362). Die Ausführungen zum tyrannus exercitio finden sich: Bodin, ebd. Rn.  1608  ff. (363). 554  Dazu: Spindelböck 1994, 25–32. 555  Hobbes, Vom Bürger z. B. V (128, 129): „Diese Unterwerfung des Willens aller unter den Willen eines Menschen oder einer Versammlung erfolgt dann, wenn jeder sich jedem der übrigen durch Vertrag verpflichtet, dem Willen dieses einen, dem er sich unterworfen hat, sei es ein Mensch oder eine Versammlung, k e i n e n W i d e r s t a n d zu leisten; d. h. er verweigert jenem nicht den Gebrauch seiner Mittel und Kräfte gegen irgendwelche andere (da angenommen wird, daß er sich das R e c h t d e r S e l b s t v e r t e i d i g u n g gegen Gewalt vorbehält)“; XXI  (190) (gesperrte Hervorheb. P.  K.); Leviathan z. B. Kap. 17 (134  f.); Kap. 30 (255  f.). Vgl. zum verbleibenden Selbstverteidigungsrecht auch: Vom Bürger II, 94. Kant – dessen „übermächtiger Einfluß“ die Widerstandslehre „für nahezu anderthalb Jahrhunderte … aus der deutschen Staatsrechtswissenschaft“ verdrängte (Link 1979, 200)  –, in Metaphysik der Sitten, 125–126 (=  Rn.  319–323 Akad. Ausg. = Weischedel-Ausg. Bd. 8, 438 [A 174, 175 B 204, 205]) äußert sich dazu aus der Sicht der rechtlichen Wirkungen aus der Natur des „bürgerlichen Vereins“: „… und das ist die Bedeutung des Satzes. » A l l e O b r i g k e i t i s t v o n G o t t , « welcher nicht einen Geschichtsgrund der bürgerlichen Verfassung, sondern eine Idee als praktisches Vernunftprincip aussagt: der jetzt bestehenden gesetzgebenden Gewalt gehorchen zu sollen, ihr Ursprung mag sein, welcher er wolle. Hieraus folgt nun der Satz: der Herrscher im Staat hat gegen den Unterthan lauter Rechte und keine (Zwangs-) Pflichten. – Ferner, wenn das Organ des Herrschers, der Regent, auch d e n G e s e t z e n z u w i d e r verführe, z. B. mit Auflagen, Recrutirungen u. dergl. wider das



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Durch seine Untat wird der Usurpator nicht einmal mehr als Gleicher unter Gleichen, sondern als aus der menschlichen (Rechts-)Gemeinschaft ausgeschlossen betrachtet. Seine Tötung muss vor keinem Gericht verantwortet werden.556 Althusius problematisiert die Frage im Hinblick auf den Usurpator erst gar nicht, da nur die rechtmäßige Obrigkeit in Röm 13 gemeint ist (IX 21; u. ö.).557 Demnach handeln die symbiotici auch nicht als Untertanen, da eine Obrigkeit gar nicht besteht. Schließlich habe es „noch keinen christlichen Magistrat“ bei Abfassung der Apostelworte gegeben (§ 99). Einem „unfrommen Befehl“ darf kein „unfrommer Gehorsam“ folgen (§ 100). Ein Thema, das Althusius lediglich streift, welches indessen bereits bei den von ihm zitierten spanischen Spätscholastikern sowie Bodin thematisiert wurde, ist die Frage nach dem Usurpator, in dem ein fähiger Herrscher steckt, dem jedoch wegen der Art der Herrschaftserlangung die Ausübung jeglichen Staatsamtes zu versagen ist. Besteht die Möglichkeit einer nachträglichen Heilung dieses Mangels, wie sie bei Ockham vorgesehen ist oder später auch von Locke in den Zwei Abhandlungen über die Regierung diskutiert wird?558 Althusius anerkennt den Fall, dass der tyrannus ab initio Gesetz der Gleichheit in Vertheilung der Staatslasten, so darf der Unthertan dieser Ungerechtigkeit zwar Beschwerden (gravamina), aber k e i n e n W i d e r s t a n d entgegensetzen“ (gesperrte Hervorheb. P.  K.). Gegen ein Widerstandsrecht auch in Über den Gemeinspruch (89 = Weischedel-Ausg. Bd. 11, 156 [A 255]): „Und dieses Verbot ist u n b e d i n g t , sodass, es mag auch jene Macht oder ihr Agent, das Staatsoberhaupt, sogar den ursprünglichen Vertrag verletzt und sich dadurch des Rechts, Gesetzgeber zu sein, nach dem Begriff des Untertans verlustig gemacht haben, indem sie die Regierung bevollmächtigt, durchaus gewalttätig (tyrannisch) zu verfahren, dennoch dem Untertan k e i n W i d e r s t a n d , als Gegengewalt, erlaubt bleibt.“ (gesperrte Hervorheb. P.  K.). Augustinus beantwortet die Frage, „[o]b und in welchen Fällen von Rechts wegen getötet werden darf“ mit folgenden Ausnahmen: „Doch hat Gottes gebietender Wille selbst einige Ausnahmen von jener Anordnung, keinen Menschen zu töten, verfügt. Es versteht sich nämlich, daß wenn Gott selbst töten heißt, sei es durch Erlass eines Gesetzes, sei es zu bestimmter Zeit durch ausdrücklichen an eine Person gerichteten Befehl, solch ein Ausnahmefall vorliegt“, Vom Gottesstaat I, 21; s. a.: IV, 4. Zur Frage eines Widerstandsrechts bei Augustinus: Spindelböck 1994, 49–54. Zu Thomas s. Schoenstedt 1938, 19. Zu Luther s. Cardauns 1973, 1–5. Zu Calvin vgl. Cardauns 1973, 45. Zu Suárez s. Rommen 1962, 222  f., 224–234. 556  Bereits im antiken Rom ist die Tötung des »hostis publicus« straflos, Dahlheim 1992b, 119. 557  s. a. I  18. Das Argument greift Althusius in XXXVIII  31 wieder auf: „[…] Röm. 13 [4]: Die Obrigkeit ist ein Diener dir zum Guten. Fehlt diese Bedingung, so ist das Volk nicht mehr zum Gehorsam verpflichtet.“ Der bei Bartolus (Commentarii, Digest IV, 4,38) zitierte Satz begegnet bereits bei Aristoteles, Nikomachische Ethik I, 4 (1096a11–16), wohl in Bezug auf Platon: „Denn da beide uns lieb sind, so dürfen wir es verantworten, die Wahrheit vorzuziehen“. 558  Ockham, Breviloquium IV, 11; Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, 2. Abh. §  198 a. E. i. V. m. §  149 und 1. Abh. §  64.

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durch eine nachträgliche Anerkennung (approbatio) zum princeps legitimus werden kann (vgl. § 64). Diese Legitimationsmöglichkeit steht dem Gemeinwesen zu, für das nach allgemeinen Regeln die Ephoren handeln: „[N]isi optimatum consensu, talis qui ab initio erat tyrannus, postea approbetur, & pro magistratu recipiatur. Nam populus ex tyranno legitimum principem facere potest  …“ (§ 68).

Nähere Bestimmungen dazu, ob dieses nachträgliche »Zum-legitimenHerrscher-machen« in dem regulären Verfahren nach den Ausführungen des Kapitels 18 sowie Kapitel 19, also per Wahl zu geschehen hat, oder, ob die Einsetzung auf anderem Wege stattfindet, werden indessen nicht getroffen. Nach einer wörtlichen Auslegung von § 68 ist ein „Widerstand“ gegen den tyrannus absque titulo, der „einen solchen (Titel, P.  K.) angenommen hat“ und damit zum legitimen Magistrat wird, unverzüglich einzustellen (vgl. auch § 64). Die von Althusius bestätigte nachträgliche Legitimation des Usurpators »durch das Volk« steht in Einklang mit den bisherigen Grundsätzen der Staatslehre. Ist es zum einen vornehmste Pflicht der Ephoren den höchsten Magistrat zu wählen (XVIII  64), haben sie zum anderen diesen unter gegebenen Umständen aus dem Amt zu entsetzen (XVIII  84 und §§ 29  ff.) und bis zur Neubesetzung eine Interimsregierung zu bilden (XVIII  63, 86). Es zeigt sich einmal mehr, dass die Repräsentation einen prinzipiellen Leitgedanken der Staatslehre darstellt. Althusius verweist auf die einschlägigen Stellen in den Schriften Farinaccius’, Gigas’, Junius Brutus’ und Bodins.559 Letzterer führt aus: „Ist es erlaubt, ohne wirklichen Prozeß oder auch nur den Schein eines solchen, den Tyrann im von mir beschriebenen Sinn etwa auch dann zu töten, wenn er nach gewaltsamer oder durch Manipulation herbeigeführter Übernahme der souveränen Macht sich durch die Ständeversammlung wählen läßt? Dieser feierliche Akt könnte ja als Absegnung einer dem Volk (sic! P.  K.) annehmbar erscheinenden Tyrannis erscheinen! Ich bin aber trotzdem der Meinung, daß (auch in diesem Fall) die Tötung des Tyrannen (d. i. hier: des Usurpators, P.  K.), und zwar im Wege der Gewaltanwendung erlaubt ist, es sei denn, der Tyrann wäre bereit, abzutreten, die Machtinstrumente aus den Händen zu geben, die Macht dem Volk [sic! P.  K.] zu übertragen und sich seinem Urteil zu stellen.“560

Althusius dagegen ist weniger eindeutig. Da er allerdings auf dieses Kapitel (II, 5) bei Bodin verweist, macht er sich dessen Position zu Eigen, obwohl sie nicht stimmig zu seiner Ansicht passt. Im Hinblick auf den eigentlichen Tyrannen nimmt Althusius allerdings gegen Bodin wieder eine Gegenposition ein (§ 124  ff.). 559  Prosperus Farinaccius, De crimine laesae majestatis (1610); Hieronymus Gigas, Tractatus de crimine laesae majestatis (1557). 560  Bodin, Sechs Bücher über den Staat II, 5, Rn.  1607 (362). Die Ausführungen zum tyrannus exercitio finden sich: Bodin, ebd. Rn.  1608  ff. (363).



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b) Der Tyrann Gegen einen engen Tyrannenbegriff des Reichspublizisten Arnisaeus, den dieser in seiner Doctrina politica (II  7, 9) vertritt, kennzeichnet Althusius das Wesen eines Gewaltherrschers nicht allein durch die Verfolgung seines privaten Vorteils zu Lasten des Gemeinwohls (§§ 131  ff., 77). Wer Tyrann ist, bestimmt sich in erster Linie danach, was die Tyrannei kennzeichnet: „Die Tyrannis ist das Gegenteil einer gerechten und rechtmäßigen Herrschaft. Sie tritt ein, wenn die festgelegten Grundlagen und das einigende Band der umfassendsten Lebensgemeinschaft hartnäckig, beharrlich und unheilbar entgegen der versprochenen Treue und des geleisteten Eides vom Herrscher beeinträchtigt und mißachtet werden“(§ 1).561

Demzufolge ist ein Tyrann, „wer beginnt, durch den Bruch der Treue und des Eides die Bande und Grundlagen des Staates zu zerstören und aufzulösen“ (§ 3). Dies ist der tyrannus exercitio, der rechtmäßige Amtsinhaber, der beginnt auf unrechtmäßige Weise seine Herrschaft auszuüben und zum Tyrannen entartet und im Grundcharakter immer noch im Tyrannisbild der antiken Denker wurzelt.562 Geht Althusius in Kapitel 14 der ersten Ausgabe der Politica, in der Definitionen und Erscheinungsformen von Tyrann und Tyrannis noch fehlen, bei der Beantwortung der Frage, welchem Herrscher gegenüber der Widerstand auszuüben ist, schon von der überkommenen Unterscheidung in tyrannus absque titulo und tyrannus exercitio aus, stellt er dort fest, dass jener, der sich ohne jede Rechtsgrundlage, gegen Recht und Gesetz die Herrschaft anmaßt, de jure kein Tyrann ist. Indes gilt es zu bedenken, dass sich der Tyrann mit den Schriften Machiavellis in der politischen Theorie emanzipiert hat.563 Althusius hingegen denkt nicht aus der Sicht des nuovo principe, sondern er sieht den tyrannischen Herrscher vom 561  Übersetzung

von Winters 1988, 550. Herodot, Die Bücher der Geschichte I, 29–32; III, 39  ff., V, 67  f.; V, 92; Platon, Der Staat IX; Aristoteles, Politik IV, 10; V, 10–11. 563  Auf diesen Umstand der Emanzipierung des Tyrannen weist insbesondere Dolf Sternberger in Drei Wurzeln der Politik hin. Sternberger übersetzt Machiavelli, Discorsi I, 25: „…  derjenige, welcher eine absolute Gewalt (una potestà assoluta – ganz wie zuvor!) errichten will, la quale degli autori è chiamata tirannide, das, was die (antiken) Autoren Tyrannis genannt haben, muß alles neu machen  …“ und führt dazu aus: „Da haben wir das entscheidende Wort. Der neue Fürst ist niemand anderes als der alte Tyrann …“ (Sternberger 1984, 167). In der Übersetzung Zorns 1977, 78 wird diese Stelle entschärft wiedergegeben: „Wer aber ein Regiment der Willkür ausüben will, das die Schriftsteller Tyrannis nennen, muß alles Bestehende von Grund auf umstürzen“. Zu Ähnlichkeit und Unterschied des »alten Tyrannen« und des »neuen Fürsten«, insbesondere in den Discorsi: Sternberger 1984, 159–193. Zur begrifflichen Ausrüstung seiner Lehre vom politischen Handeln: Kersting 1998, 86  ff. 562  Vgl.

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Blickwinkel der symbiotici seiner universalen Lebensgemeinschaft her.564 Trotz dieses gravierenden Unterschieds führt Althusius den Florentiner gar als Autorität dafür an, dass mittels Hilfstruppen Widerstand gegen den Tyrannen ausgeübt werden darf (§ 62). Die Nennung Machiavellis ist doppelt bemerkenswert: zum einen, wegen der genannten unterschiedlichen Blickwinkel, zum anderen, weil die Ausführungen in Discorsi II, 20 gerade vor der Gefahr einer Verwendung von Hilfstruppen warnen! Der althusische Gewaltherrscher erfährt als Störer der administratio juris universalis symbiotici eine eigentümliche Prägung. In den Definitionsmerkmalen von „Treue“ und „Eid“ finden sich schon Rechtsgründe für den Widerstand. Darin unterscheidet sich die neuzeitliche Definition vom antiken Denken, dem ein Widerstandsrecht fremd ist. 2. Dynamische Tatbestände der Gewaltherrschaft Gewaltherrschaft ist keine Strafe Gottes für einen (bzw. den postlapsarischen) sündhaften Zustand, der deswegen zu ertragen wäre (XIX  59). Zur rechtssicheren Erfassung des Phänomens und der Anwendung von Widerstand als Rechtsfolge untergliedert Althusius den Begriff der Tyrannis, der nicht an eine bestimmte Regierungsform gebunden ist (§ 3), nach ramistischer Methode folgendermaßen: „Es gibt zwei Arten der Tyrannis, bzw. tyrannischer Verwaltung des Staates: Eine besteht in der Aufhebung der Fundamentalgesetze der Herrschaft, die andere in einer der Frömmigkeit und Gerechtigkeit entgegengesetzten Verwaltung der Geschäfte des Gemeinschaftskörpers.“ (§ 5)565 „Die eine Art der Tyrannis liegt dann vor, wenn der oberste Magistrat erstens die Fundamentalgesetze des Reichs verletzt, ändert oder aufhebt, besonders diejenigen, die die wahre Religion betreffen.“ (§ 6) „Wenn er zweitens dem Gemeinschaftskörper nicht die Treue hält und die Heiligkeit des Eides missachtet, die Ordnungen und Stände des Reichs beseitigt oder sie an der Ausübung ihres Amtes hindert. (…) Die andere Art der Tyrannis ist entweder allgemeiner oder besonderer Art“ (§ 7) „Die allgemeine Tyrannis setzt sich in allem in Gegensatz zur universalen Gemeinschaft.“ (§ 8) „Die besondere Tyrannis richtet sich gegen Teile 564  Zu Ähnlichkeiten der beiden politischen Denker im Hinblick auf die Staatsräson: Friedrich 1961, 74–84 (76  f.); ders. 1932, lviii, lxxvi–lxxvii, sowie zur augenfälligen Annäherung protestantischer Ethik und dem virtù-Konzept Machiavellis (XXVIII  11), lxxxiii. Reinhard stellt trotz bestehender prinzipieller Unterschiede der beiden Staatslehren fest, dass Althusius’ „politische Klugheit sich durchaus der Ratschläge Machiavellis … zu bedienen weiß“, ders. 2003, 308 / 309. Friedrich 1975, 31 weiß zu berichten, dass Althusius „in einem Handstreich“ in den Besitz eines Exemplares des Principe gelangt ist. 565  Übersetzung von Hüllen 1998, 1614.



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und Bereiche der Verwaltung, nämlich die der Geschäfte, der Güter des Gemeinschaftskörpers oder des Rechts Privater“ (§ 10) (Hervorheb. P.  K.).

a) Die Lehre von den Tatbeständen Als Grundtypen der Tyrannis sind demnach die Verfassungsverletzung und der von Reibstein so bezeichnete „Despotismus“ zu erkennen.566 Hauptfälle des Verfassungsbruchs stellen die Verletzung, Änderung oder Aufhebung der leges fundamentales dar, „zumal derjenigen, welche die wahre Religion betreffen“ (§ 6).567 Hinzu kommen der Treuebruch gegenüber der Allgemeinheit und die Aufhebung oder Behinderung der (Land-)Stände und der verfassungsmäßigen Grundordnung (ordines & status regni) (§ 7). Die beiden Erscheinungsformen des ersten Grundtypus sind in historischer Sicht geradezu auf die Europa-Politik Spaniens unter Philipp II. zugeschnitten, die der Emder Ratssyndikus bereits im Vorwort der zweiten Auflage auf das Schärfste attackiert.568 Im Abstraktionsgrad des ersten Grundtypus erweist sich Althusius als politischer Denker, nicht als schlichter Pamphletist, der die Offenheit des geschichtlichen Fortgangs in einer typisierenden Darstellungsweise der tyrannis exercitio angemessen berücksichtigt. Im Hinblick auf die »despotische« Lenkung und Verwaltung der Staatsangelegenheiten differenziert der Verfasser die tyrannis generalis (§§ 8–9) von der tyrannis specialis (§§ 10–25). Jene, die Staat und Kirche untergräbt, da sie die absolute Herrschaftsgewalt beansprucht, ist inhaltlich nicht deutlich vom ersten Grundtypus zu scheiden. Althusius nützt die tyrannis generalis vielmehr dazu, sie mit einer assoziativen Begleitvorstellung von absoluter Macht und der Fülle der Amtsgewalt (absoluta potestate, seu plenitudine potestatis) zu belegen, einer Wahlverwandtschaft von absolutistischer Staatslehre und tyrannischer Staatspraxis, die wiederholt in der Politica begegnet (Vorwort 1603, 21; XVIII  18; XIX  35  f.; gegen Bodin: „Eine absolute, höchste und von allen Gesetzen losgelöste Gewalt aber wird Tyrannis genannt“, IX  21). Der Autor zitiert erneut den »Räuberbandenvergleich« des Augustinus (Vom Gottesstaat IV, 4) und nennt im Folgenden u. a. Nebukadnezar, Nero, Caligula und Domitian als Beispiele historischer Tyrannen, die die „Schranken und Banden“ der menschlichen Gemeinschaft 566  Mandt hingegen lässt eine Ablösung des »Tyrannis«-Begriffs durch die Begriffe »Despotie« und »Despotismus« erst mit der französischen Aufklärung beginnen und verweist auf Montesquieus Esprit des Lois (1748) und Rousseaus Contrat social (1762), dies. 1974, 85  ff. 567  Zur begrifflichen Unterscheidung von Verfassung und »leges fundamentales« s. a. Schmitt 2003, 53–44; s. a.: Mohnhaupt 1990, 852. 568  Vgl. Zeeden 1999, 96–130 zur spanischen Europapolitik im Allgemeinen und gegenüber den Niederlanden im Besonderen.

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„wegreißen und zerschmettern“, aber auch Maria Stuart, Christian II. von Dänemark und Heinrich III. von Frankreich (§ 45).569 Die Eingangsdefinitionen von Tyrannis und Tyrann enthalten den Inbegriff aller Voraussetzungen der Strafbarkeit von tyrannischer Herrschaft. Grundlage und Ausgangspunkt einer Tatbestandsbildung »Gewaltherrschaft« sind die zu schützenden Rechtsgüter. Für den Bereich der tyrannis specialis sind dies folgende drei: die öffentliche Verwaltung (administratio negotiorum), die Güter der universalen Gemeinschaft, d. i. das öffentliche Eigentum und das Recht der Privatpersonen (privatorum jus). Die Verletzung dieser Rechtsgüter stellt die tatbestandliche Verwirklichung der tyrannis specialis dar, die im Folgenden in vielfacher Hinsicht mit Beispielen versehen oder abgewandelt wird, ohne dass sich eine qualitative Änderung mit eigenständigem Unwertgehalt ergäbe. Vielmehr droht eine „kasuistische Zerfaserung“ (Reibstein 1972, 173) und eine positivistische Verdoppelung des Bestehenden. Auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung sind in den §§ 11–20 folgende Tatbestände aufgeführt: – Verhinderung der freien Religionsausübung in den Provinzen des Reiches und Zwang der Untergebenen zum Götzendienst (§ 11) – Einrichtung von Kneipen, Bordellen, Spielhöllen und anderen unehrenhaften Lastern zur Sittenverderbnis sowie Vernachlässigung und Abschaffung von sittlichen Bildungsanstalten, Schulen, Sportanlagen und literarischen Spiele (ludos literarios) (§ 12)570 – Unterdrückung von geistlichen und weltlichen Persönlichkeiten durch List, Betrug und Verleumdung oder Gewalt und Herabsetzung in Ansehen und Würde (§ 13) – Vernachlässigung ordentlicher Gerichtsbarkeit (justitiam in poenis & praemiis tribuendis administrare) (§ 14) – Vernachlässigung der Amtspflichten durch Lebensstil (Üppigkeit, Wollust, Geiz, Feigheit oder Grausamkeit) (§ 15; vgl. aber §§ 4, 96, 107) – mangelhafter Schutz der Untertanen vor Gewalt und Unrecht (§ 16) 569  Signifikant für Koch in diesem Zusammenhang der civitas defecta: „Signifikant in diesem Zusammenhang ist, daß in Althusius’ Beschreibung der Spielarten der speziellen Tyrannis die augustinische ‚Räuberbande‘ wieder angeführt wird (PMD, XXXVIII, 14). Daraus lässt sich schließen, daß Althusius ein ‚Gemeinwesen‘, welches zur ‚Räuberbande‘ wird, immer noch als ein Gemeinwesen ansieht. Dies bedeutet also nicht notwendig den Untergang der Gemeinschaft.“, dies. 2005, 304, 321. 570  Siehe Daunicht 2001, 226–231; Mohr / Kohlschmidt 2001, 189–191; vgl. auch Bauer 2001, 100–105, Art. Spiele, Mittelalterliche weltliche, insbesondere S.  103 zum Fortleben in der konfessionellen und politischen Agitation. Vgl. auch: Bomke 1988, 784–793.



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– Störung der öffentlichen Eintracht und Ruhe durch Begünstigung von Parteiungen und Schismata (§ 17) – Verhinderung freien Handels (§ 18) – Ausbeutung mittels übermäßiger Steuern und Abgaben (§ 19) – Verbot oder Verhinderung von Ständeversammlungen und Beeinträchtigung einer ungehinderten Beratung und Beschlussfassung (§ 20) – Nicht zuletzt kennzeichnet eine tyrannische Verwaltung, „wer seiner Ehefrau, den Bedienten (servis), den Schmeichlern und anderen ruchlosen Menschen höchste Willkür gestattet, wenn sie Verbrechen begehen“ (§ 20).571

Keine geringere Autorität als Aristoteles führt der Verfasser zum letzten Tatbestand an („Aristot. lib.5. c.11. polit.“). Jener führt in seiner Politik aus: „Was ferner in der vollendeten Demokratie geschieht, ist alles auch tyrannisch, die Frauenherrschaft im Haus, damit sie über die Männer berichten, und zu demselben Zweck die Großzügigkeit den Sklaven gegenüber. Denn Sklaven und Frauen geben dem Tyrannen nichts zu fürchten, und wenn es ihnen gut geht, werden sie zwangsläufig sowohl der Tyrannis wie auch der Demokratie gegenüber loyal sein. Denn auch das Volk will Alleinherrscher sein. Darum wird auch der Schmeichler bei beiden geschätzt, in der Demokratie der Volksführer (…) und bei den Tyrannen diejenigen, die sich demütig und eben als Schmeichler benehmen. Darum liebt die Tyrannis auch die schlechten Menschen“ (1313b32–1314a4).

Auf dem Gebiet des öffentlichen Eigentums kennzeichnet die Gewaltherrschaft folgende drei Tatbestände: – Veräußerung von öffentlichen Gütern, Befestigungen, Dörfern, Städten oder Provinzen (§ 21) – Bereicherung auf Kosten des Gemeinwohls (qua multis adimit, ut paucos locupet) (§ 22; vgl. XII  12; u. ö.) – Aneignung und Verschwendung öffentlicher Güter (§ 23) 571  An den von Aristoteles übernommenen Ausführungen überrascht (nur), dass Althusius servos nennt. Sind damit höfische Diener gemeint oder leibeigene Knechte? Althusius kennt die Versklavung von Kriegsgefangen (XXXVI  43). Zur Ablehnung des Sklavenstatus vgl. XVIII  15: „Die Verwalter ihrerseits sind gleichsam Herren, Vormunde und Prokuratoren der einzelnen Untertanen. Sie sollen diese dennoch nicht als Diener oder Knechte (non servorum, aut mancipiorum) betrachten, sondern als ihre eigenen Brüder“. Die Untertanen sind keine Leibeigenen des Magistrats (Überschrift XX  9). Es gehört schließlich zum Merkmal tyrannischer Regierungsweise „aus freien Menschen Sklaven“ zu machen (XXXVIII  25). Historisch war die Leibeigenschaft im Reich – besonders in Schwaben – verbreitet, freie Bauern die Ausnahme. Zur sozialen Stellung der (Ehe-)Frau: Press 1991, 54  f.; Rabe 1989, 46  ff. weist darauf hin, dass der rechtliche Spielraum der Frauen des Zeitalters „beträchtlich größer“ war, als gemeinhin im Bürgertum des 19. und frühen 20. Jh.s; Schilling 1998, 363  f., betont die Aufwertung der Stellung der Frau durch die einsetzende Marienverehrung in dieser Zeit.

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Im Bereich der privaten Rechte (§§ 24–25) greift Althusius wiederum auf Aristoteles zurück, welcher in dem angeführten Kapitel (Aristot. lib.5. c.11. polit.) „machiavellistische“ Ratschläge zur Erhaltung der Tyrannis (sic!) erteilt.572 Althusius zeigt auf, mit welchen Verhaltensweisen der Gewaltherrscher versucht, den Untertanen Wille und Möglichkeit zum Widerstand zu nehmen. Er verhält sich kleinmütig und schürt Misstrauen, er entmutigt und unterdrückt die Redlichen, schwächt und demütigt die Untertanen und reibt sie gegeneinander auf. Schon Bartolus kennt die verschleierten und heim­ lichen (velatus et tacitus) sowie die offenen, ungenierten und augenscheinlichen (apertus et manifestus) Mittel aus dem Handbuch des Tyrannen.573 Der Autor der Politica belegt seine Tatbestände mit objektiven, d. h. deskriptiven und / oder normativen sowie subjektiven Merkmalen (z. B. arglistig, unsittlich, hinterlistig). Gerade die wertausfüllungsbedürftigen (z. B. Sittenverderbnis, Unterdrückung, Vernachlässigung) sowie die subjektiven Merkmale bergen indessen die Gefahr in sich, dass die zur Entscheidung berufenen Ephoren nicht zu einer einheitlichen Beurteilung der Lage kommen. Diese aus dem Verhältnis von Recht und Sprache erwachsene Schwierigkeit soll hier als hermeneutisches Problem bezeichnet werden.574 Die Ausführungen zur tyrannis specialis sind gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Erscheinungsformen, ohne dass stets qualitative Änderungen mit eigenständigem Unwertgehalt erkennbar sind. Hier droht vielmehr in textstrategischer und inhaltlicher Hinsicht eine „kasuistische Zerfaserung“ (Reibstein) und eine positivistische Verdoppelung. Zusätzlich stellt sich das Problem der Lücken ein, der Unvollständigkeit aufgrund unpositivierter Tatbestände. Das begrifflich-systematische Denken erweist sich als undurchführbar, zunächst im Hinblick auf die sprachliche Unschärfe, zum anderen aus prinzipiellen Gründen. Sowohl die hermeneutische als auch die systematische Schwierigkeit erkennt Althusius als vornehmlich juristisches Problem. In seinem Vorwort schreibt er die Lösung allein der Politik zu. Diese weist einen interessegeleiteten Weg in die „soziale Wirklichkeit“ (PoliticaWolf Vorwort 1603, 108): 572  Aristoteles,

Politik V, 11 (1313a17–1313a30). De tyranno V, 198  ff. Bartolus unterscheidet in seiner Abhandlung für den Bereich des Staates den tyrannus ex defectu tituli (Kap. VI) von dem tyrannus ex parte exercitii (Kap. VIII): „Item quem esse tyrannum manifestum contingit quandoque ex defectu tituli, quandoque ex parte exercitii. Item eodem modo tyrannus velatus est quandoque propter titulum, quandoque propter defectum tituli. De quolibet ergo videamus“ (De tyranno V, 185). Bartolus folgend Coluccio Salutati in De Tyranno (1400). Siehe zum Widerstandsrecht bei Bartolus auch: Reibstein 1972, 143–148. 574  Vgl. Rüthers 1999, 92  ff. zum hermeneutischen Problem der Juristen. Vgl. von Rüthers zu Althusius‘ Staatslehre, insb. zum Widerstandsrecht auch: ders. 1988, 53  ff. 573  Bartolus,



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„Wenn aber ein Jurist politische Grundsätze und Regeln behandeln will und sich ein Urteil zutraut über das, wodurch die Gemeinschaft gebaut, erhalten und geschützt wird, was den Staat kräftiger und erfolgreicher, seine Macht stärker und ihre Formen fester gestalten oder wenn er von dem spricht, was dem politischen Ganzen schädlich oder gefährlich sein könnte, so maßt er sich eine Befugnis an, die ihm nicht zusteht“.

In diesem Sinne stellt der politische Denker die Entwicklungsbedürftigkeit in der Fortbildung der Tyrannisbegriffe heraus und formuliert eine Kritik der Rechtstheorie: „Der Jurist kann demnach die Kenntnis dieser Dinge nicht mit den Mitteln der Jurisprudenz selber gewinnen, vielmehr muß er sie aus anderen Disziplinen erfahren.“575 Dem Problem der Lücken seiner Tyrannislehre begegnet Althusius, indem er in seinen Ausgangsdefinitionen auf allgemeine Ordnungsbegriffe zurückgreift, die „(nur) der Politiker … richtig lehren“ kann.576 Die tatbestandliche Kasuistik der tyrannis specialis ist demnach nicht als abschließend zu betrachten, erst recht nicht müssen alle Merkmale erfüllt sein, bevor der Weg zum Widerstand eröffnet ist. Es handelt sich vielmehr um Paradigmata, die eine Entscheidungsfindung erleichtern sollen. b) Dynamik eines Phänomens Tyrannei besitzt demnach kein festes Datum.577 Gewaltherrschaft kann gemäßigt sein oder menschenverachtend; keinesfalls aber ist sie schrankenlose Gewalt- und Schreckensherrschaft, alle Lebensbereiche erfassender »viehischer« Terror.578 Nach der hier betrachteten Abgrenzung ist sie diejenige Herrschaft, die sich erst währenddessen zu einer tyrannischen entwickelt und als solche zeigt. Es handelt sich also nicht um ein statisches Gebilde, sondern vielmehr um einen fortschreitenden Prozess. Wann nun die Grenze von einem strengen Regiment zur Tyrannis überschritten ist, wann mit anderen Worten Widerstand erlaubt ist, bedarf der Ausführung in einer Staatstheorie. Nach althusischer Doktrin kommt die Entscheidungskompetenz über die Feststellung, ob der dynamische Tatbestand durch die Art und 575  Politica-Wolf, 576  Ebd.

Vorwort 1603, 108.

577  Ausführlichere Darstellung zur Tyrannis in der politischen Theorie bei: Reibstein 1972, 125–189, Mandt 1974, 66–101 im Rahmen ihrer Untersuchung von Tyrannislehre und Widerstandsrecht in der deutschen politischen Theorie des 19. Jh.s. Vgl. zu den Epochen des Tyrannenbegriffs und des Tyrannenmordproblems auch: Schoenstedt 1938, 25–35, der den Tyrannenbegriff von jeher aus dem Verständnis von Freiheit begreifen will. 578  Vgl. Willoweit 1997, 121; Rabe 1989, 70 zu den begrenzten Machtmitteln selbst bedeutender Landesherren; Vierhaus 1984, 58; für den Absolutismus: Duchhardt 1992, 169  f.

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Weise der Herrschaftsausübung erfüllt ist, allein den Ephoren zu.579 Diese Kompetenz orientiert sich an festgelegten Richtlinien. So, wie nicht jeder unliebige Summus magistratus zum Tyrannen „gemacht“ werden darf (§ 4), stehen auch die Widerstandsmaßnahmen nicht im Belieben der Ephoren. Erforderlich ist eine – dem kommunikativen Grundcharakter seiner Staatslehre entsprechende – Untersuchung (exsecutio, causa cognata) auf einer Versammlung und einem Generalkonvent aller Stände (§§ 57, 108, 124). Die umfangreiche Kasuistik – Reibstein spricht gar einer gewissen Beliebigkeit das Wort – ist aber nicht unbedingt geeignet, den Trägern des Widerstandsrechtes Entscheidungshilfen zu geben.580 Vielmehr verleitet die Katalogisierung von Missbrauchstatbeständen auf der anderen Seite, diese als Kodifizierung „natürlicher Rechte“ im rechtspositivistischen Sinne anzuerkennen. Reibstein erkennt darin einen Widerspruch, da sie die von ihm angenommene „naturrechtliche Betrachtungsweise“ in das Licht „subjektiver Willkür“ rückt. Er führt dazu aus: „Diese Auffassung war für die Lehre vom natürlichen Recht deshalb gefährlich, weil sie nicht mehr und nicht weniger als sein eigentliches Wesen negierte: Nicht mehr die recta ratio und die iusta causa standen im Mittelpunkt des Interesses, sondern formulierte Texte, die nun den Anspruch erhoben … Gesetz zu sein“.581 Dem Argument der „naturrechtlichen Betrachtungsweise“ will van Eikema Hommes nicht folgen.582 Der dem traditionellen Naturrechtsverständnis innewohnende ­Dualismus von per se – entweder als jus divinum oder qua Vernunft als dic­tamen rectae rationis – geltendem Naturrecht und positivem Recht sei von Althusius überwunden worden.583 Für den Autor „fungiert“ – so van Eikema Hommes – „das Naturrecht … als das Ganze der materiellen Rechtsprinzipien, die nur in einer positiv-rechtlichen Form zu geltendem Recht werden können, während umgekehrt das positive Recht nur als geltendes Recht auftreten kann, wenn es auf dem Naturrecht aufgebaut wird“.584 Dieser Ansicht kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Althusius besteht ausdrücklich auf einem Unterschied und der Unterscheidbarkeit von gött­ 579  Dies gilt jedenfalls für die Ebene des Staates. Für tyrannische Herrschaftsausübung auf niederen Systemeinheiten, wie in den Provinzen, anerkennt Althusius (zumindest für das Reich) andere Maßnahmen, so bspw. das Entsetzungsrecht des deutschen Kaisers gegenüber ihm direkt unterstellten Amtsträgern: VIII  88–92; XVIII  90–92. 580  Reibstein 1972, 173 formuliert, die „kasuistische Zerfaserung“ vermag den verschiedensten Richtungen und Interessen irgendetwas zu bieten. 581  Reibstein ebd. 582  Van Eikema Hommes 1988, 371–390. 583  Siehe statt vieler zur fehlenden Unterscheidung von jus divinum et naturale, lex divina et naturalis, lex moralis, jus gentium, lex communis: I  11; IX  21; XX  19, 30; XXI  19  ff., u. ö. Vgl. auch Link 1979, 21, 203; Feuerherdt 1962, 130–137. 584  Van Eikema Hommes 1988, 371.



§ 13 Von der Tyrannislehre zum Widerstandsrecht

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lichem Natur- und positiviertem Recht: „Zu unterscheiden ist dasjenige von ihm, was mit dem allgemeinen Recht übereinstimmt, und das, was davon abweicht.“ (XXI  32) Wie bereits aufgezeigt, steht Althusius in Verbindung mit der hobbesianischen Emanzipation von einem theologischen Naturrecht und ist selbst an der Säkularisierung desselben beteiligt.585 3. Heterogene Widerstandsrechte Der Widerstand, den Althusius vor Augen hat, ist dementsprechend kein homogenes Recht. Er ist als „Akt der Jurisdiktion … im Namen des Reichs“ der jeweiligen Situation anzupassen. Stets ist das geringere Mittel auszuschöpfen, bevor die nächsthöhere Stufe betreten werden darf (§§ 59, 62). Der Widerstand muss den Verfehlungen, die er korrigieren soll, in Ausmaß und Dauer entsprechen. Weil die Tyrannis kein statisches Phänomen ist, müssen die anzuwendenden »Heilmittel« verhältnismäßig »dosiert« sein. Ein solcherart verstandener dynamischer Widerstand erweist sich demnach als heterogen, sowohl in Ursprung und Begründung als auch in den ihm zugrundeliegenden Anlässen sowie in seiner Ausübung. Um diese Vielheit angemessen deutlich zu machen, bietet sich die Rede von Widerstandsrechten an. Bei dem vorliegenden jus resistendi handelt es sich um einen Widerstand der Verhältnismäßigkeit. Sie begegnet als ein Leitgedanke der gesamten Sozial- und Staatslehre konsequenterweise auch hier. Ob Einrichtung, ob Ausstattung der drei Kommunikationsgemeinschaften in den Konsoziationen (I  20, 21; u. ö.), ob die individuelle Leistungspflicht der Symbioten (XI  19; u. ö.) oder die Teilhabe an der Regierungsverantwortung der Ephoren (XVIII  63  ff.) in Frage stehen, stets geht es dem Autor der Politica um eine der Situation angemessene Antwort. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dient zugleich der Disziplinierung widerständischer Eingriffe (§§ 61, 62), bestimmt und regelt die Kompetenzen der Ephoren. Der in den Ausführungen zum Widerstandsrecht maßgebliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein wesentliches Element des modernen Rechtsstaatsprinzips geworden.586 In der Institutionalisierung dieses Grundsatzes bei Althusius liegt bereits ein rechtsstaatlicher Impetus, gleichsam eine Vorstufe, die in der Dichotomie von widerstehen „müssen“ und „können“ (resistere posse & debere) ihre Anwendung findet. Widerstand ist danach nur zulässig, wenn er – im Hinblick auf die angestrebte „Heilung“ – geeignet, erforderlich und angemessen ist. Wenn der Vorbehalt der Recht- und Gesetzmäßigkeit von Regierung und Verwaltung, wie Althusius ihn insbesondere für die Staats585  Zur

Beteiligung Althusius’: Oestreich 1969, 175. 2001, 236  ff.; Zippelius 1994, 145, der das Prinzip als konsensfähige Grundlage von Gerechtigkeit begreift; ders. 1991, 95  f. 586  Maurer

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geschäfte (negotii publici) in den Kapiteln 21–27 bzw. 28–33 entwickelt, nicht mehr greift, m. a. W. die Tyrannei beginnt, dann bestimmt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die vorzunehmenden Widerstandshandlungen. Geeignet sind dabei nur diejenigen Handlungen, mit deren Vornahme die erstrebte Heilung gefördert werden kann; als Beispiel kann das Beschwerderecht der Ephoren bei Missachtung eines von ihnen der obersten Behörde gegebenen Rats dienen (XVIII  82). Erforderlich ist eine Widerstandshandlung dann, wenn keine andere, gleich wirksame, aber den Status des Summus magistratus und die Rechte des Gemeinwesens weniger einschneidende Maßnahme zur Verfügung steht. Angemessen ist das Widerstandsmittel schließlich, wenn es im angemessenen Verhältnis zum erstrebten Erfolg steht. Nicht für jedes Vergehen des obersten Magistrats ist mit einer Entsetzung zu drohen, oder gar ein Vollzug derselben angezeigt. Gegenüber dem Prinzip, nicht unbotmäßig zu handeln, proklamiert Althusius zugleich ein »Untermaßverbot«. Dies äußert sich in einer Widerstandspflicht und beinhaltet, dass die Träger der Widerstandsrechte gegebenenfalls tätig werden müssen, da sie zum Schutz des Gemeinwohls verpflichtet sind (optimates seu ephori resistere teneantur) (XVIII  50, 88; XX  21; XXXV  8; §§ 27, 46; u. ö.). Schon verhindern, nicht erst absetzen – erst Worte, dann Taten, diese Reihenfolge legt Althusius seiner Widerstandslehre zugrunde. Die Entfernung „aus ihrer Mitte“, der Tyrannocid, bedeutet ein letztes anzuwendendes Mittel, „wenn die Tyrannis nicht heilbar ist“ (§ 29). In der öffentlichen Untersuchung (exsecutio) ist stets zu prüfen, ob nicht ein Aufstand, eine Konspiration oder Verschwörung vorliegen. Die Beurteilung darüber richtet sich dabei aus der Sicht des höchsten Magistrats nach den Bestimmungen des Kapitels 31 (6  ff.). Hier liegt ein Rechtsbruch nicht auf der Seite des Magistrats. Legitimerweise schützt der Staat seine Institutionen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Einschätzung wird nicht von einem unvoreingenommenen Beobachter erfolgen, sondern von den streitenden Parteien. Eine Abgrenzung wird im Einzelfall schwierig sein, da die jeweilige Partei ein Recht für sich in Anspruch nehmen wird.

§ 14 Inhalte legitimen Widerstands Dass Widerstand nicht allein im politiktheoretischen Diskurs, sondern in Form von bäuerlichen und bürgerlichen Aufständen und kriegerischen Auseinandersetzungen stattfand, davon legt nicht nur die deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert beredtes Zeugnis ab.587 Im so genannten großen Bauern587  Reinhard 1999, 226–239; Moeller 1999, 90–101; Schilling 1998, 131–191; Press 1991, 130–135; Rabe 1989, 190–204.



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krieg von 1524 / 25 erhoben sich die Bauern weniger gegen übermäßige Fronen und Abgaben an ihre Grundherren, als vielmehr gegen Eingriffe der Landesherren in ihre »alten Rechte« wie dörfliche Selbstverwaltung und Nutzungsrechte an Wäldern, Wiesen und Gewässern.588 Oftmals waren die Forderungen der Bauern verbunden mit der Beseitigung der ungerecht empfundenen Leibeigenschaft sowie der politischen Mitbestimmung auf territorialer Ebene. Dazu führten sie nicht länger nur althergebrachte Rechte an, sondern bezogen sich im Zuge der Reformation nunmehr auch auf das Evangelium. Die Anhäufungen politischer und gesellschaftlicher Konflikte um die Jahrhundertwende in den Reichs- und Landstädten wie Lübeck (1598–1605), Rostock (1573, 1584), Danzig (1604–1607), Essen (1600), Aachen (1592–1614) und Emden (1595–1610) waren Ausdruck des Widerstands gegen den Übergang von genossenschaftlich begründetem Städterepublikanismus zum herrschaftlich bestimmten Obrigkeits- und Souveränitätsmodell des aufstrebenden Territorialismus.589 Die deutschen Verhältnisse zeigen einen Teilausschnitt der in ganz Europa stattfindenden Wandlungen. Zu nennen sind hier vor allem der Widerstand der Niederlande gegen Phi­ lipp II. von Spanien, deren Führern der Nordprovinz Friesland Althusius die zweite (und dritte) Ausgabe seiner Politica widmet, und der Widerstand der böhmischen Stände gegen Kaiser Matthias (1557–1619, Kaiser seit 1612) wegen dauerhafter Verletzung ihrer im Majestätsbrief verbürgten Rechte, der in Folge des so genannten (zweiten) Prager Fenstersturzes am 23. Mai 1618 gemeinhin als Auftakt des Dreißigjährigen Krieg bezeichnet wird. Die Frage, der nun der Autor der Politica nachgeht, lautet: Gibt es einen legitimen Widerstand? 1. Die 12 Gründe für ein Recht auf Widerstand Widerstand ist der Januskopf der Tyrannei. Nachdem Althusius das Wesen der Gewaltherrschaft (tyrannidis natura) in den §§ 1–27 dargelegt hat, schreitet er fort, seine Lehre vom Widerstand zu entwickeln. Seine »resistentia« ist nicht bloß faktischer Art, vielmehr bemüht er sich um eine rechtfertigende Grundlegung. Althusius bewegt sich nun auf stark umkämpftem Boden. Philosophen, Theologen und Juristen diskutieren neben Politikwissenschaftlern kontrovers die Legitimation des Widerstands. 588  Kriegserfahrene Adlige wie Götz von Berlichingen beteiligten sich auf der Seite der Bauern und übernahmen ihre Führung, Moeller 1999, 96. 589  Schilling 1998, 379–381. Gleichsam als „Organisation des Widerstandsrechtes“ gilt Heckel der Schmalkadische Bund (27.2.1531 offiziell gegründet), der von »protestantischen« Territorien und Städten gegen die katholische Politik des Kaisers geschlossen wurde und der im Schmalkadischen Krieg (1546 / 47) zerbrach; Heckel 2001, 35  ff.; Moeller 1999, 132–135.

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Althusius widmet sich dem Begründungskomplex eines Rechts auf Widerstand in den §§ 28–45 und fügt in der Ausgabe von 1614 zwölf Beweisgründe an, die dem Zusatz im Werktitel entsprechend mit Beispielen aus der Hl. Schrift sowie mit Beiträgen weltlicher Autoren gestützt werden.590 In den beiden Folgeauflagen des Werkes von 1603 erachtet der Autor eine Erweiterung der Begründung für notwendig. Gibt er anfänglich nur acht Gründe an, so erhöht sich die Zahl der rationes für die Ausgaben von 1610 und 1614 um jeweils zwei auf insgesamt zwölf. Sie werden im Folgenden größtenteils in der erläuternden Übersetzung von Peter Jochen Winters widergegeben:591 „Im Herrschaftsvertrag zwischen Herrscher und Volk beziehungsweise dem politischen Ganzen verpflichtet sich der Herrscher bedingungslos, gerecht und gottesfürchtig zu regieren gemäß dem Dekalog und den Gesetzen des Staates. Das Volk ist jedoch nur unter der Bedingung zum Gehorsam verpflichtet, daß der Herrscher tatsächlich gerecht und gottesfürchtig regiert. Fehlt diese Voraussetzung, dann ist das Volk nicht zum Gehorsam verpflichtet.“ (§ 31)

Spannungsreich ist der Umstand, dass Althusius im Zusammenhang mit dem Folgeleistungsversprechen zunächst den Gehorsam auch gegenüber dem „gottlosen und frevelhaften“ Magistrat einfordert (XX 11; vgl. auch § 99 f.). Der Widerspruch löst sich, indem man auf die Trennung von Privatsphäre und politischem Fehlverhalten abstellt. „Denn persönliche Laster heben sein Amt nicht auf“ (XX 11; §§ 4, 96, 107). Dagegen „[d]arf man gottlosen Weisungen des Magistrats keinen Gehorsam leisten“ (XX 12; u. ö.; §§ 99 f.). „Dem Herrscher wurde im Herrschaftsvertrag nicht unumschränkte Gewalt übertragen, sondern eine Herrschaftsgewalt, der bestimmte, nicht zu überschreitende Grenzen gesetzt sind. Überschreitet der Herrscher diese Grenzen, dann muss man ihm keinen Gehorsam schulden.“ (§ 32) „‚Der dritte Grund ist der, daß die Verpflichtung Gott gegenüber, die um vieles stärker und älter ist als der spätere Vertrag zwischen Volk und Herrscher, wenn nicht ausdrücklich, so doch gewiß stillschweigend von geheimen Vorbehalten ausgenommen ist. Damit aber Gott, der für beide Parteien, nämlich Herrscher und Volk, Oberer und Herr ist, Gehorsam erwiesen wird, ist dem tyrannischen Herrscher … Widerstand zu leisten, weil er Gott bekriegen will; Widerstand erfolgt aus Frömmigkeit, als Dienst gegenüber Gott und Gerechtigkeit, aus Nächstenliebe, zur Bewahrung der Herrschaft unter uns und in unserem Reich und schließlich zur Begründung einer bürgerlichen Gesellschaft unter den Menschen heute und in Zukunft. Wer so Widerstand übt, kann nicht als Aufrührer bezeichnet werden, weil er Gott gibt, was Gottes ist und was er Gott versprochen hat. Er leistet Wider590  Dass in § 30 der hier zugrunde gelegten Ausgabe von 1614 nur von rationes decem die Rede ist, obwohl zwölf Gründe angeführt werden, ist wohl auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen. 591  Winters (für die Ausgabe von 1603) 1988, 551–553. In runden Klammern stehen Anmerkungen, die der Verfasser zum besseren Verständnis ergänzt.



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stand, um dem Herrscher zu verweigern, was ihm auch keineswegs geschuldet wird und er ihm auch nicht versprochen hat.‘“ (§§ 33–34) „Wenn die Ephoren im Namen des Volkes das Recht haben, einen Herrscher zu wählen und einzusetzen, so haben sie ebenso das Recht, ihn abzusetzen. ‚Daraus ergibt sich, daß die Macht des Herrschers nicht gleichzusetzen ist mit der des Volkes, das diese seinen Ephoren übertrug, sondern ungleich geringer.‘“ (§ 35) „Zwischen Herrscher und Volk bestehen keine stärkeren gegenseitigen Verpflichtungen als zwischen Eltern und Kindern, Mann und Frau, Lehnsherrn und Lehnsmann. In jedem Fall ist jenen, die sonst gehorchen müssen, das Recht gegeben, ihre Oberen, wenn sie verräterisch, gemein und gottlos handeln, zu ermahnen und sie an ihrem Tun zu hindern.“ (§ 36) „Der fünfte ([1614] sechste, P.  K.) Grund ist der, daß der Tyrann, der gegen den mit dem Volk eingegangen Vertrag [pactum] verstößt und die Grundfesten des Staates einreißt, ‚ipso iure‘ alle Macht verliert und ein Privater wird. Gegen diesen, wenn er Gewalt anwendet, darf man sich wehren und wenn er das Leben, die Güter und das Recht des Volkes tyrannisch angreift, darf sich jeder Beliebige, auch ein Privater, wehren und darf die Gefahr abwenden und beseitigen. Denn die Verteidigung gegen Gewalt ist jedem vom Naturrecht [jus naturale] erlaubt.“ (§ 37) „Der sechste ([1614] siebente, P.  K.) Grund ist der, daß das Volk und der Herrscher in gleicher Weise als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dafür zu sorgen, daß der Dekalog im Staat beachtet wird. Jeder haftet für den anderen.“ (§ 38) „Durch den Herrschaftsvertrag ist dem Herrscher die Verwaltung eines fremden Gutes zum Nutzen des Auftraggebers – also des Volkes – übertragen worden. Aus der Natur des Auftragsvertrages folgt, daß der Auftraggeber berechtigt ist, dem Verwalter die Verwaltung zu entziehen, wenn dieser das Gut zum Schaden des Auftraggebers verwaltet.“ (§§ 39–40)

Der in die Ausgabe von 1610 eingefügte neunte Grund § 41 enthält nach Ansicht von Antholz keine neuen Gesichtspunkte, sondern dient eher der Rechtfertigung des Vorgehens gegen Enno III. im Jahre 1609 in Emden. Dieser Meinung schließt sich Winters an.592 Der zehnte Grund ist, dass Widerstand gegen einen offenkundig ungerecht handelnden und öffentlich auftretenden Magistrat nach Ansicht des Autors in der einschlägigen Fachliteratur zulässig ist. (§ 42) „Wollte man ein Recht zur Abwehr von Tyrannen verneinen, so bejahte man die Unbeschränktheit der Machtbefugnisse eines Tyrannen.“ (§ 43) „Der achte (zwölfte, P.  K.) Grund für das Widerstandsrecht ergebe sich aus den ‚Exempla sacra und profana‘.“(§§ 44–45)

Beispiele können niemals Gründe sein, daher muss es genauer heißen, dass Althusius hier auf die normative Kraft des Faktischen abstellt: Widerstand ist eine historische Tatsache, die er an biblischen und historischen 592  Antholz

1954, 144; Winters 1988, 551  ff.

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Beispielen veranschaulicht. So erwähnt der Verfasser der Politica aus der jüngeren Vergangenheit in § 45 etwa Maria Stuart oder Heinrich III. von Frankreich und Philipp II. von Spanien, der 1581 von den belgischen Ständen wegen Tyrannei zum Feind (hostis) Belgiens erklärt wurde und nach ihrem Recht in den belgischen Provinzen als Privatmann (privatus) galt. 2. Gruppierungen und materieller Gehalt Die 12 Gründe, die Althusius anführt, können zu mehreren Argumentationsgruppen zusammengefasst werden. a) Wesen der Verträge Eine erste Argumentationslinie erwächst aus dem Wesen der Verträge (§§ 31, 32  ff., 37–40), von denen Althusius das pactum und einen Auftragsvertrag (contractus mandati) nennt sowie auf den Religionsvertrag abstellt. Diese als juristischer Argumentationsstrang zu bezeichnende Paragraphenkette stellt maßgeblich auf das Synallagma des Vertrages ab. Man beachte, dass der Rechtsgelehrte abwechselnd von pactum (§§ 31, 33, 37), contractus (§§ 31, 36, 39; Überschrift zu § 40), aber auch von conventio (§ 40) spricht. Grundlage ist die zweiseitig verpflichtende Verbindung zwischen Volk und Herrscher. Es ist bereits darauf verwiesen, dass die Zweiseitigkeit des pactums (promittendi & debendi, § 38) ebenso wie die des Auftragsvertrages kein Gegenseitigkeitsverhältnis begründet. Dieses würde nämlich voraussetzen, dass sich jede Partei gerade deshalb verpflichten will, damit sich auch die andere verpflichtet. Der oberste Magistrat geht dieses pactum bzw. den contractus mandati nicht deshalb ein, damit er Gehorsam erlangt. Die Unterscheidung zwischen Gegen- und Zweiseitigkeit hat Auswirkungen auf die Folgen einer »Leistungsstörung«. Althusius hebt deshalb nochmals hervor, dass „der Magistrat ohne Vorbehalt“, dagegen das Volk gegenüber dem Magistrat „nur bedingt zum Gehorsam“ verpflichtet ist (§ 31; XX  3). Das Synallagma bedeutet, dass die zweiseitigen Verpflichtungen, also gerechte und fromme Regierung einerseits, gerechter und frommer Gehorsam andererseits, sich in ihrer Entstehung (genetisch), aber auch und gerade in Durchsetzung und Fortbestand (funktionell) einander bedingen. Bei einem Gewaltherrscher ohne den Titel einer Wahl oder Erbnachfolge scheitert eine Verpflichtung bereits auf genetischer Ebene. Er will sich gerade nicht binden. Für den tyrannus exercitio besteht dagegen auf funktioneller Ebene eine Störung. Für ihn gilt das asymmetrische Verhältnis aus § 31. Die Annahme, dass der Regierung ein Mandat zugrunde liegt, erinnert an die demokratischen und repräsentativen Elemente seiner Staatslehre. Die



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Verdoppelung der Pflichten durch pactum und contractus kann jedoch für die Begründung eines Widerstandsrechts keinen neuen argumentativen Beitrag leisten. Die direkte Folge einer Verletzung ist der Mandatsentzug, wie Althusius schreibt: „Quando igitur mandatarius fines mandati excedit, non illi obligatus est mandator“. Ein (politischer) Widerstand erweist sich überdies als ungeeignet, den Auftragnehmer zur Erfüllung seiner Auftragspflichten anzuhalten. Die adäquate Reaktion bei einem Fehlschlagen sind Auflösung der vertraglichen Bindungen und gegebenenfalls Schadenersatz. Die Störung des Grundsatzes pacta sunt servanda – auf den Althusius etwa in Kap. 9 § 18, Kap. 19 § 6 und Kap. 39 § 8 zurückgreift – führt nun zur berechtigten Aufkündigung der Gehorsamspflicht des Volkes bzw. zum Entzug des Mandats im Auftragsverhältnis (§ 36). Einen Transfer von dieser Entlassung aus der Gehorsamspflicht zum (aktiven) Widerstandsrecht leistet das Wesen der Verträge dagegen nicht. Aus dem gestörten Vertragsverhältnis kann kein anderes Recht erwachsen, als dasjenige, was zur Auflösung berechtigt. „[P]opulus amplius non est obligatus ad obedientiam“ ist die Schlussfolgerung aus der Störung dieser Verträge. Deshalb kann sich nur ein Recht zur Verweigerung des Gehorsams (passiv), nicht aber ein Widerstandsrecht (aktiv) daraus ergeben, sofern der Widerstand ein mehr gegenüber der bloßen Gehorsamsverweigerung darstellt. Mit der Losung »Ohne Leistung keine Gegenleistung« ist also noch kein Staat zu machen, erst recht lässt sich damit kein Recht auf Widerstand begründen. Die „Grundlagen und Bande der universalen Gemeinschaft“ (fundamenta & vincula, § 1  ff.) weisen darüber hinaus. Bemerkenswert ist, dass Althusius trotz der erklärten Absicht, die Politik insbesondere vom Einfluss der Jurisprudenz zu lösen, das synallagmatische Wesen der Verträge als Geltungsgrund des Widerstandsrechts in den benannten Paragraphen derartig betont. Karl-Wilhelm Dahm erklärt das althusische Widerstandsrecht gar zur „logischen Weiterentwicklung des Herrschaftsvertrages auf Gegen­ seitigkeit“.593 Die zweiseitige Verpflichtung sowohl aus dem pactum als auch aus einem gesonderten Auftragsvertrag, die Hobbes später konsequent verneinen wird, kann nach hier vertretener Ansicht lediglich eine vordergründige Geltungsgrundlage eines Rechts auf Widerstand sein.594 Besonders anschaulich wird die verfehlte Annahme Dahms in den §§ 39 und 40. Der Zweck des Mandatsvertrages wird von Althusius dahingehend beschrieben, dass die Verwaltung auf den Magistrat übertragen wird, um dem Gemeinwesen zu nützen, nicht zu schaden. „Entfällt diese Bedingung, dann entfällt 593  Dahm 1988, 38. Dagegen behandelt Gierke 1958, 305  ff. die Widerstandsproblematik im Rahmen der Idee des Rechtsstaates, nimmt aber auf die Volkssouveränität Bezug. 594  Hobbes, Leviathan, Kap. 18 (137).

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auch die Verpflichtung, und es ist gerecht, demjenigen (Magistrat, P.  K.), der seine Treue nicht einhält, diese auch nicht zu wahren“ (§ 40). Von einem Widerstandsrecht ist keine Rede. In Umkehrung müsste Dahm wegen der behaupteten Gegenseitigkeit geradezu von einem »Recht auf Tyrannis« sprechen, da „demjenigen (Volk, P.  K.), der seine Treue nicht einhält, diese auch nicht zu wahren“ ist. Als ein weiteres Argument führt der Autor den Religionsvertrag an (33  f., 38). Dieses pactum religiosum ist älter, „vorzüglicher und ehrwürdiger“ als das nachfolgende pactum zwischen dem Volk und dem Magistrat. Daher bleibt die Verpflichtung (obligatio) aus der älteren Verbindung bestehen, die ebenfalls eine gerechte und fromme Regierung gegenüber Gott beinhaltet. Da Volk und Magistrat als Gesamtschuldner haften, ergibt sich aus dem Religionsvertrag ein Anspruch im Innenverhältnis des Schuldners (Volk) gegenüber dem Mitschuldner (Magistrat) auf Erfüllung. Beinhaltet dieses Innenverhältnis aber ein »vertragliches« Widerstandsrecht? Als notwendig erweist sich eine Klarstellung in Bezug auf den Umstand, dass bei »Vertragsbruch« „der andere frei wird“ (§ 31). Im Zusammenhang mit dem Treue- und Folgeleistungsgelöbnis nach der Wahl ging Althusius bereits in Kapitel 20 darauf ein. Bei der Darstellung des contractus (sic!) heißt es, dass bei Verletzung der Treuepflichten „der Vertrag ipso jure aufgelöst“ ist (XX 21). Ein Unrecht liegt nicht vor, da eine gesetzmäßige Verurteilung des tyrannischen Magistrat „mit eigener Stimme“ geschieht (XX 21). Dies entspricht zunächst dem oben Dargelegten. Althusius führt die Stelle im Hinblick auf einen Bruch der Treue und der Folgeleistung seitens des Volks jedoch so aus, danach der oberste Magistrat „derart treulose[n] Aufrührer[n] … nicht mehr als seine Untertanen behandel[t] und … ihnen das nicht zu halten [braucht], was er versprochen hat.“ (XX 21) Die Berechtigung, „die Widersetzlichkeit, Auflehnung und Unbotmäßigkeit selbst mit kriegerischen Mitteln und Waffengewalt [zu] ahnden“ stellt indessen »kein Recht auf Tyrannis« dar (XX 19). Gewaltherrschaft korreliert demnach aus dem Wesen der Verträge niemals mit einem Recht auf Widerstand. b) Naturrecht „Durch das Naturrecht aber ist die Verteidigung gegen diejenigen, die Gewalt anwenden, gestattet“ (§ 37). Althusius führt das Naturrecht (jus naturalis) ins Feld, nach dem es jedermann zugestanden ist, sich gegen Gewalt zu verteidigen.595 Unabhängig vom Bestehen einer vertraglichen 595  Der unter anderem von Reibstein 1972, 166–168 behauptete Einfluss der christlich bzw. jesuitisch geprägten spanischen Naturrechtslehre auf Althusius begegnen Bedenken. Siehe auch: Friedrich 1975, 74  ff.; 96  ff. So sind nach Auffassung



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Bindung, verliert der Tyrann „durch das Recht selbst“ alle Herrschaftsgewalt (ebd.). Es kann für ihn kein Recht im Unrecht geben. Dieses Naturrecht begründet allerdings ein Selbstverteidigungsrecht, das es begrifflich und inhaltlich von einem Widerstandsrecht zu unterscheiden gilt (XIX  39, 69). Gemein ist beiden die Unveräußerlichkeit. Das Recht auf Selbstverteidigung steht jedermann gegen den Usurpator zu, aber auch gegen den tyrannus exercitio zu: „[J]eder, auch ein Privatmann, darf den, der das Leben oder die Güter und das Recht des Volkes auf tyrannische Weise antastet, abwehren, die Gefahr beseitigen und abwenden“ (§§ 37, 32, 67, 107). Das Selbstverteidigungsrecht ist die Befugnis, sich selbst, d. h. sein Leben und seine Gesundheit gegen äußere Gewalteinwirkung zu sichern und zu schützen. Eigentum und Besitz werden indessen lediglich als objektive Rechtsgüter geschützt („die Güter und das Recht des Volkes“). Der Autor kollektiviert das subjektive Abwehrrecht im Zuge eines Erst-recht-Schlusses. „Was daher dem einzelnen Menschen von Natur aus angeboren ist, … das darf ganzen Provinzen und gerühmten Gemeinwesen nicht genommen werden“. Das »kollektive Selbstverteidigungsrecht« unterscheidet sich vom »individuellen« im Schutzbereich seiner Rechtsgüter, das den Inbegriff des kollektiven Rechtsguts, d. h. öffentliche Güter, Sicherheit und Ordnung, Dienstleistungen und Rechtsordnungen schützt (vgl. schon II  12 a. E.; XXXVII  79). Wollte Althusius die Summe aller naturrechtlich verbürgten subjektiven Selbstverteidigungsrechte als das eine Widerstandsrecht verstanden wissen, so ist einzuwenden, dass für die Feststellung des Widerstandsfalles alle einzelnen „Privatrechtsgüter“ verletzt sein müssten. Dies ist jedoch, wie noch auszuführen sein wird, nach seinen eigenen Bedingungen nicht erforderlich und widerspräche zudem seiner auf Vorbeugung ausgerichteten Machtkontrolle. Die Abwehr jeglicher öffentliche Gefahrenlagen und die Strafverfolgung gehören zur „natürlichen Ordnung“ und stellen im Vorfeld bereits eine staatliche Aufgabe dar (I  17; XXXIV  4; u. ö.). Schließlich ist es erlaubt, „wenn keine Möglichkeit besteht, Zugang zu einem Richter zu erhalten, … selbst Recht zu sprechen“ (§ 41). Das Versagen der Jurisdiktionsgewalt mündet nicht in einen »Krieg aller gegen alle«. Vielmehr wandelt sich die rechtsprechende Gewalt von einer übertragenen von Wolf die häufigen Zitate „rein dialektisch“ zu verstehen; für Wolf erscheint der von Althusius verwandte Begriff des Naturrechts „noch durchaus mittelalterlich gedacht und hat bei ihm nur korrektive oder lückenfüllende Funktion“; Wolf 1963, 190, 215; vgl. auch Malandrino 2010, 18. Eher für eine „moderne“ Naturrechtslehre bei Althusius hinwiederum Friedrich 1961, 78  ff., der auf die wissenschaftliche Herausbildung einer »ratio administrationis« und der damit verbundenen „Amtsräson“ bei Althusius hinweist. Auch Bloch rechnet in Naturrecht und menschliche Würde Althusius zu den Begründern eines „rationalistischen Naturrechts“, Bloch 1977, 59–67, 69, 341. Leo Strauss erwähnt Althusius in seinen Werken Über Tyrannis (1948) und Naturrecht und Geschichte (1953) nicht.

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staatlichen zu einer originär konsozietalen Aufgabe symbiotischen Rechts zurück. Einen naturrechtlichen Zug trägt ebenso das Argument aus § 36. Die Obliegenheit (die keine Verpflichtung aus Vertrag bedeutet), im Verhältnis zwischen Symbioten auf Grausamkeit und Drohung zu verzichten, wie sie nach Ansicht des Autors in den ursprünglichen sozialen Instituten von Ehe und Familie, aber auch im kollegialen Genossenschaftswesen begegnet, ist geprägt durch Schutz und Trutz, die Sorge um Wohl und Wehe (vgl. schon III 40 f.). Schon dort ist die Tyrannis der auf „Freundschaft, Liebe, Treue und Geduld“ beruhende zwischenmenschlichen Verbindung entgegengesetzt (II 43, 45; III 40; XVIII 105). Verkehrt sich diese Einbindung unter „Grausamkeit und Drohung“ in sein Gegenteil, ergeben sich Widerstandsrechte. c) Das Wort Gottes Für die §§ 33–34 stellt Winters auf ein föderaltheologisches Argument ab.596 Der Bundesgedanke als Element des Widerstandsrechts wird auch von Quilisch hervorgehoben: „Er (der religiöse Bund, P.  K.) bleibt für das von Althusius in diesem Zusammenhang behandelte Widerstandsrecht gegen pflichtwidrig handelnde Herrscher von entscheidender Bedeutung. Denn wenn er von Volkssouveränität spricht, ist es die Souveränität Gottes, die sich in seinem Volk, in seiner Gemeinde widerspiegelt. (…) Denn das Volk ist Gottes Volk, es soll auch nach den Gesetzen Gottes regiert werden. Dabei hat es als Volk nicht nur das politische Recht, sondern als Gemeinde Gottes auch die religiöse Pflicht, den von Gott gewollten Zustand wiederherzustellen“.597 Die Konfliktlage zwischen dem staatsrechtlichen Grundsatz, dass nichtige Rechtsbefehle keine Verpflichtungswirkung entfalten und dem paulinischen Naturrechtsgebot, der Obrigkeit untertan zu sein, löst Althusius für den Usurpator wie oben gezeigt. In den §§ 32, 33, 34 und 38 entfaltet die Verpflichtung, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, seine unmittelbare Geltung gegenüber dem tyrannus exercitio. „[M]an gehorcht (einem gottlosen Befehl, P.  K.) nicht straflos“ (§§ 32, 38; XXVIII  19, 24). Er spricht von „causa & obligatio“, von Verbindung und Verpflichtung gegenüber Gott aus dem pactum religiosum (§ 33; XXVIII  18, 23). Verletzt der Magistrat den Religionsvertrag, so wird das Volk als Mitschuldner gegen596  Winters 1988, 552; ders. 1963, 227  f. Oestreich 1969, 163 sieht Althusius am Ende einer konservativen Entwicklungslinie des Bundesgedankens. Duso dagegen verkennt das Argument, soweit er als „einzige Sicherheit“ für das pactum religiosum den Glauben an Gott sieht, ders. 2002. 25. 597  Quilisch 1999, 230 / 231.



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über dem Magistrat (teilweise) frei, nicht jedoch gegenüber dem Gläubiger (XXVIII  24). Hier steht also eine Widerstandspflicht im Raum, die sich vor jedermanns Gewissen ergibt (§ 32; vgl. XXI  30  ff.). Neben dem Mandat verweist Althusius in den §§ 31, 33, 34, 39 und 40 immer auch auf das Amt als Diener Gottes (minister Dei). Widerstand ist als Wahrung des göttlichen Willens legitimiert. Schließlich greift Althusius auf den Taufbund zurück: als Christen haben die Leiter „bei der Taufe Gott etwas anderes versprochen“. Hier gilt die allgemeine Berufung (vocatio generalis) auf das Taufversprechen „als Grund dafür, den Verwaltern den Gehorsam zu verweigern“ (XVIII  43). d) Souveränität und Repräsentation „Grundlage und Ausgangspunkt“ der Widerstandslehre ist nach Ansicht Wolzendorffs die „Volkssouveränitätstheorie“.598 Eigentümlicherweise greift Althusius in der Aufzählung der 12 Gründe nur indirekt auf die Souveränität zurück. Souveränität erfordert und gewährleistet eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern der Verwaltung. Neben Begründung und Ausübung ist stets auch die Verteidigung der Souveränität genannt (I  1; IX  1; XXXI  1; u. ö.). Damit ist bereits auf eine grundsätzliche Schutzbedürftigkeit hingewiesen, die schließlich in der Befürwortung eines Widerstandsrechts gipfelt. Die Souveränität findet sich als Geltungsgrundlage eines Rechts auf Widerstand in § 35. Dort heißt es, dass die Ephoren „ebenso verdientermaßen das Recht der Absetzung haben“ (vgl. auch § 47). Widerstand ist spiegelbildlich zur Einsetzung des obersten Magistrats ebenso eine Repräsentationsaufgabe, die das Volk an seine Vertreter abgibt: „Die Ephori sind Behörden, denen vom Volk die Aufgabe gestellt ist, in seinem Namen die Rechte des politischen Ganzen gegenüber dem Inhaber der höchsten Gewalt zu vertreten; sei es mit Rat oder Tat“.599 Sofern die Verfassung des Gemeinwesens keine Ephoren kennt, nimmt das Volk sein Recht selbst wahr (vgl. §§ 43, 57). Das Volk verwirkt sein Eigentumsrecht auch unter einer Gewaltherrschaft nicht durch Zeitablauf. Die faktische Tyrannis kann niemals normative Kraft entfalten, daher behält das Volk „das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ (XVIII  124). Selbst dem in einem Krieg unterworfenen Volk billigt der Autor – unbeschadet der Rechtmäßigkeit eines strengen Regiments – die Inanspruchnahme des Souveränitätsrechts gegen den Tyrannen zu (ebd.; XIX  32). Das Widerstandsrecht entwickelt sich für Althusius nicht aus demjenigen Teil des jus majestatis, das es sich 598  Sehr

kritisch zum „leichtfertigen“ Wolzendorff Winters 1995, 30. XVIII  48 (137).

599  Politica-Wolf

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vorbehält (XVIII  70, 83; XIX  90; § 75), sondern es gründet auf dem Recht, das das Volk den Ephoren übertragen hat. Dem relativ geringen Umfang entsprechend ist der Reflexionsgrad über »das Recht zum Widerstand« kein origineller, der inhaltliche Gehalt ist dabei nicht durch neue Erkenntnisse gekennzeichnet.600 Andere politische Denker haben auf dem Gebiet der Begründung eines Widerstandsrechts wertvolle Vorarbeit geleistet, deren Althusius sich bedient. So fügt er zur Abstützung seiner eigenen Ausführungen unter anderem Textbelege aus den Werken Stephanus Junius Brutus’ De Vindiciae contra tyrannos (1574, gedruckt 1579), François Hotmans De jure regni Galliae (1585) sowie aus den Schriften Lambertus Danaeus’, Dominicus Sotos und Fernando Vásquez, was ihm nicht zuletzt den Ruf einbrachte, den Monarchomachen nahezustehen, gar der deutsche Vertreter zu sein.601 Althusius scheint sich gemein mit den zitierten Pamphletisten zu machen, wenn er sich als Fürsprecher an die Leser wendet: „Wir (sic! P.  K.) sagen ja auch nicht, dass man einen tyrannischen Herrscher sofort töten müsse“ (§ 78). Der Autor der Politica überführt Barclay gerade mit dessen eigenem Werk eines fundamentalen Widerspruchs: „dass nämlich ein Tyrann zu Recht von seinem Thron abgesetzt werden könne. Zu Unrecht nennt er daher die, die dies vertreten, Monarchomachen.“ (§ 106) Reibstein formuliert zusammenfassend: „Nicht die Darstellung des materiellen Rechts interessiert ALTHUSIUS in erster Linie – eine Vertiefung dieses Themas würde ihn ja in die theologischen Auseinandersetzungen verwickeln, die er unbedingt vermeiden möchte  –, sondern er betrachtet es als einen wesentlichen Bestandteil der Staatslehre, daß sie die notwendige und rechtlich unanfechtbare Reaktion gegen Tyrannis in die geordneten Bahnen einer Prozedur lenkt, soweit das gegenüber einer solchen mutwilligen Zerreißung der zwischen Bürger und Obrigkeit bestehenden Rechtsbande überhaupt möglich ist.“602

600  Dennoch

unterkomplex dargestellt bei: Hohberger 2008, 92–95. zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden in systematisch-theoretischer Hinsicht: Wyduckel 2002, 133–164 (insb. 138–147), nach dem Althusius die Lehren der Monarchomachen „modifiziert“, „verarbeitet“, „erweitert“, „fortbildet“. Dreitzel dagegen zählt Althusius zu den Monarchomachen, ders. 1991, 529 ff. 602  Reibstein 1972, 168. 601  Eingehender



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§ 15 Bedingungen des Widerstandsrechts 1. Bedingungen und Modalitäten Nachdem Althusius die rechtstheoretische Grundlegung behandelt hat, widmet er sich den für die politische Praxis bedeutsameren Fragen zu Umstand, Verfahren, Ausmaß und Dauer des Widerstands. Der Widerstand (resistentia) stellt gemeinsam mit der Entmachtung (exauctoratio) die beiden »Wirkstoffe« der althusischen Arznei gegen die Tyrannis dar, auf die der Autor ab den §§ 28  ff. eingeht: Bei einer wortlautgetreuen Auslegung des § 28 wäre die eigentliche Entmachtung des Tyrannen vom übrigen Widerstand zu trennen. Genau besehen umfasst der Widerstand (im weiteren Sinne) jedoch auch die Entmachtung. Gleichsam als letztes Mittel steht sie in Form der Absetzung oder gar Tötung in herausgehobener Position. Zentrale Stelle für die Modalitäten des Widerstandes ist § 46, wo Althusius die entscheidenden Bedingungen und Umstände in vier leitenden Fragestellungen zusammenfasst: „Damit die Ephoren dieses Recht aber in richtiger Weise ausüben, müssen sie folgende Voraussetzungen beachten: Erstens, welche Optimaten bzw. Ephoren einem Tyrannen Widerstand leisten können und müssen, zweitens, wann und drittens, wie sie dazu befugt sind, viertens, inwieweit und wie lange.“ (§ 46)

In kasuistischer Methode entwickelt der Autor im folgenden Kriterienbündel, anhand derer bestimmt werden kann, wann der geeignete Zeitpunkt ist (Quando §§ 56–60), welche die geeigneten Mittel sind (Quomodo §§ 61–62) und wie umfangreich, d. h. wieweit und wie lange Widerstand zu leisten ist (Quousque & quandiu § 63). Die Kriterien sollen – gleichsam als »Vademecum« – die Entscheidungsträger befähigen, die Lage sachgerecht einschätzen sowie Ausmaß und Tragweite der Gegenmittel beurteilen zu können. a) Wann Widerstand erlaubt und angebracht ist In seiner formalen Bedingtheit wirft die Ausübung des Widerstandsrechts ein Schlaglicht auf moderne Rechtsstaatlichkeit voraus: Sie ist an die förm­ liche Feststellung des Widerstandsfall gebunden.603 Der zuvor beschriebene Tatbestand »Tyrannei« muss durch die Lebenswirklichkeit gegeben sein. Erst 603  Vgl. das 1968 in das Bonner Grundgesetz eingefügte Kapitel X  a, welches in Art. 115 a Abs. 1 GG mit der förmlichen Feststellung des Verteidigungsfalls den so genannten äußeren Notstand regelt, der durch einen drohenden Angriff von außen bedingt ist.

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wenn alle Kriterien erfüllt sind, darf »mit Recht« Widerstand ausgeübt werden. Für Althusius müssen dazu drei Bedingungen gleichzeitig vorliegen: Die Tyrannis muss untersucht und als solche gekennzeichnet sein (tyrannis nota); es ist unter den Optimaten ein Konsens auf breiter gesellschaft­ licher Grundlage über die Beurteilung der Lage herzustellen („förmliche Untersuchung“, §§ 57, 108, 124). Mangelt es in einem Gemeinwesen am ephoralen Verfassungsorgan nimmt das Volk diese Aufgabe in eigener Verantwortung durch die Einsetzung öffentlicher Ankläger und Verteidiger wahr (§ 57; s. a. § 108). Dazu ist „eine Versammlung und ein[en] Generalkonvent (concilium & generalem omnium ordinum populi conventum, P. K.) ein[zu]berufen“, auf dem die Verhaltensweisen des Tyrannen „einer Prüfung zu unterziehen und darüber zu urteilen“ ist (§ 57). Eine Einstimmigkeit ist auf dieser Versammlung nicht erforderlich. Die Verfahrensgerechtigkeit wird also über eine kommunikative Prozedur gewährleistet, die wiederum über den Repräsentationsgedanken bzw. die Volkssouveränität abgesichert ist. Es genügt die Zustimmung „wenigstens“ eines großen Teils der Ephoren (§ 53). Die Mehrheitsregel wird bereits für das reguläre Abstimmungsverfahren der Ephoren in Kapitel 18 angewendet (XVIII  63). Problematisch ist indessen, dass auch einzelne Ephoren, sei es in den ihnen anvertrauten Territorien, sei es in den ihnen anvertrauten Bereichen der staatlichen Verwaltung (§§ 50, 53) zur Widerstandsleistung verpflichtet sind. Historisches Beispiel bilden die „Fremdherrschaft“ Österreichs in der Schweiz sowie Spaniens über die Niederlande (§§ 52, 54). Es handelt sich hier um einen Unterfall des Widerstandsrechts. Der Mehrheitsentscheid der Ephoren nach § 53 wird suspendiert, ebenso die Prüfung durch den „Generalkonvent aller Stände des Volkes“ nach § 57 (für die Usurpation eigens bestätigt in § 55). Für den Fall, dass sich die Tyrannis lediglich auf einen (Teil-)Bereich auswirkt, so gestattet Althusius entsprechend „einem Teil des Reichs oder einzelnen Ephoren … sich der Unterwerfung durch einen tyrannischen Magistrat zu entziehen und sich zu verteidigen.“ (§ 53) Solange jedoch durch den „rechtmäßigen Konvent der Bürger“ kein Konsens aller bzw. der Mehrheit zustande kommt, so können sie sich zwar „guten Gewissens der Herrschaft des Tyrannen entziehen“, allerdings dürfen sie „ihm jedoch die Herrschaftsgewalt nicht völlig aberkennen.“ Mit anderen Worten entzogen sich die Schweizer nach dem Urteil des Autors zu Recht der Herrschaftsgewalt des Herzogs von Österreich, „dem sie die Herrschaftsgewalt im Übrigen aber nicht absprachen.“ (§ 54) Entsprechendes gilt für die abtrünnigen Provinzen der Niederlande von den Spaniern (ebd.). Weitere Bedingung ist, dass die Tyrannis bereits einen gewissen Festigkeitsgrad besitzt (tyrannis obfirmata). Eine einmalige oder die gelegentliche Machtüberschreitung genügt noch nicht, was Reibstein als „Staatsräson im



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alten Sinne“ bezeichnet.604 Insbesondere ist der private Lebenswandel des obersten Magistrats nicht Gegenstand der öffentlichen Untersuchung: „Denn der verbrecherische Lebenswandel (scelerata vita, P.  K.) des Herrschers nimmt ihm nicht die königliche Würde“ (§ 4; vgl. auch §§ 96, 107; XX  14, 11). Diese Scheidung stellt einen Affront gegen die philosophischen und theologischen Anforderungen an das überkommene Herrscherbild dar, den Althusius besonders deutlich im Vorwort zur ersten Ausgabe aussprach.605 Ebenso scheidet die Beurteilung als Tyrannis aus, sofern er „nur in einem Teil seines Amtes“ fehlbar gehandelt hat. Denn, so begründet Althusius die Beschränkung, „[m]an muss bedenken, dass auch er nur ein Mensch ist.“ (§ 4) Von einer tyrannis obfirmata ist erst dann auszugehen, wenn der Magistrat trotz mehrmaliger Ermahnung und Erinnerung an seine eigentlichen Aufgaben nicht von seiner tyrannischen Herrschaftsweise ablässt und keine Änderungen eingetreten sind, die eine Besserung erwarten lassen. Weniger eingreifende Mittel sind bei erwartbarem Erfolg stärkeren Mitteln zu vorzuziehen. Erinnerung und Ermahnung bilden nach der Beratungsfunktion (XVIII  65–67) und dem Beschwerderecht (XVIII  82) die Stufe nächsthöherer Einflussnahme der Ephoren auf das Verhalten des Summus magistratus und sind Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips. „Denn nichts ist der Erhaltung des Reichsrechts dienlicher als eine durch andere veranlasste Mäßigung der Herrschaftsgewalt, die so in ihren Grenzen gehalten wird.“ (XVIII  65 a. E.) Schließlich müssen alle anderen Möglichkeiten der Zurückdrängung und Eindämmung wiederholt versucht und vollends ausgeschöpft sein, bevor zum Widerstand geschritten werden kann (alia remedia). Nur bei Gefahr im Verzug ist ein sofortiges Handeln statthaft (§ 60). Die Anwendung der Heilmittel darf nämlich nicht zuletzt gefährlicher als die Krankheit werden, m. a. W. zum Schutze des Gemeinwohls ist die restriktive Anwendung wegen der Gefahr der Verschlimmerung der Zustände angezeigt. Hier hebt sich Althusius deutlich von Lipsius und anderen ab, die gerade mit der Folgenabschätzung gegen ein Widerstandsrecht argumentieren (§§ 70, 84). Insbesondere das dritte Kriterium der vergeblichen Ausschöpfung anderer friedlicher Mittel ist Ausdruck des oben ausgeführten Grundsatzes, verhältnismäßig zu reagieren. Es unterstreicht zugleich den Stellenwert, den Althusius dem Widerstand einerseits und der Würdenstellung der obersten Regierungsbehörde andererseits beimisst. Das Recht auf Widerstand ist ein scharfes Schwert, das es in der Hand derjenigen, die es führen, zur rechten Handhabung anzuleiten gilt. Der Widerstand darf keinen pönalen Charakter annehmen, die Strafe überlässt Althusius an dieser Stelle Gottes Gerichts604  Reibstein 605  Vgl.

1971, 170 / 171. Behnen 1984, 417  ff.

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barkeit (vgl. § 82).606 Die legitime resistentia gegen die tyrannische, indes vormalig rechtmäßige Regierung stellt einen gerechtfertigten, jedennoch schweren Eingriff in die verfassungsgemäße Stellung der Regierung dar. Um das Ansehen des Amtes nicht nachhaltig zu beschädigen sind hohe Hürden auf dem Weg zum Widerstand einzurichten. b) Arten des Widerstands Grundsätzlich ist der althusische Widerstand durch einen defensiven Wesenszug geprägt (§ 61). Seine Widerstandslehre trägt den Charakter des Reagierens – nicht den des vorauseilenden Aktionismus – und bindet diese Reaktionen in ein geordnetes Verfahren ein. Um Fehlentwicklungen bereits schon von vornherein zu vermeiden, stattet der Autor das Ephorenkollegium mit weitreichenden Einwirkungsbefugnissen im Sinne einer eingeschränkten Mitregierung aus (XVIII  66  ff.). In welcher Weise nun einer Gewaltherrschaft zu begegnen ist, bestimmt sich maßgeblich nach diesem defensiven Grundtenor. Der Widerstand mit Worten ist der Protest. Er ist immer dann angezeigt, wenn der Tyrann seinerseits mit Worten den Gottesdienst entweiht, d. h. die Religionsausübung verletzt oder die rechtliche und tatsächliche Substanz der Respublica verletzt und zerstört (substantia & essentia, § 91). Werden die gläubigen Untertanen indessen genötigt, gegen Gottes Gebote zu handeln, dann ist der Protest obsolet. Vielmehr legt Althusius den »Exodus« nahe: „In diesem Fall werden sie an einen anderen Ort fliehen und den Gehorsam nicht durch Widerstand, sondern durch Flucht verweigern.“ (§ 67). Der Widerstand der Tat bedeutet die Anwendung von physischer Gewalt und den Griff zu den Waffen. Er ist angezeigt, wenn die Tyrannei mit bewaffneter Hand und äußerer Gewalt ausgeübt wird, bzw. wenn sie derart weit fortgeschritten ist, dass sie ohne Anwendung von Gewalt nicht mehr zerschlagen, aufgehalten oder in Schranken gehalten werden kann. Ferner kann zu diesem Zweck eine Streitmacht aufgestellt werden, die sich aus Konföderierten, befreundeten Staaten und anderen (vel aliis) rekrutieren. Noch ist von keiner Tötung des Tyrannen die Rede. Als Ultima ratio steht sie für den Widerstand im engeren Sinne nicht zur Disposition. Im besonders gelagerten Widerstandsfall „ist es dem Volk gestattet, die frühere Form der Verfassung seines Gemeinwesens zu ändern, abzuschaffen und eine neue zu begründen“ (§ 76; XX  20; vgl. auch IX  17 a. E.). Das Widerstandsrecht ist also nicht unbedingt auf die Wiederherstellung des 606  Der Vollständigkeit halber sei auf die Ladung vor die universale Versammlung verwiesen.



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früheren Zustandes gerichtet (§ 63), sondern kann – unter dem Bruch der vormaligen Bundestreue – zu einer neuen universalen consociatio bzw. zu neuen Staatenverbindungen führen.607 Dieses Absonderungsrecht nach § 76 stellt eine legitime Ausnahme vom fundamentalgesetzlich verbürgten Recht der Erbfolge nach § 69 dar, danach das „gesetzlich bestimmte Recht der betreffenden Personen gewählt zu werden … später gegen deren Willen (der Thronprätendenten, P.  K.) durch das Volk nicht entzogen und einem anderen übertragen werden“ kann (XIX  74). Selbst unter den Bedingungen des Ausnahmezustands haben für den Rechtsgelehrten Vereinbarungen gewöhnlich Bestand. Die Thronnachfolge steht nämlich trotz der vorliegenden Tyrannis „aufgrund des Reichsfundamentalgesetzes der Familie und den Nachkommen des Abgesetzten vertraglich und vereinbarungsgemäß zu und ist ihr geschuldet“ (§ 69). c) Ausmaß und Dauer des Widerstands Der Widerstand ist erst zu beenden, wenn die Bedrohung für das Gemeinwesen vorüber ist. Damit die vormaligen Verhältnisse wiederhergestellt werden können, ist sogar soweit zu gehen – wenn es auf die oben beschriebene Weise unmöglich geworden ist, sich gegen die Gewalt zu verteidigen  –, den Tyrannen zu töten (interficere). In Kapitel 18 paraphrasiert Al­ thusius aus den römischen Digesten, wonach die Tötung eines Tyrannen kein Verbrechen darstellt.608 Eigens hervorgehoben wird, dass die Familie des Tyrannen zu schonen ist (§ 69). Dies gilt ebenso für die Familie des Usurpators. Althusius lehnt eine Sippenhaft ab und erklärt ausdrücklich, dass den Familien das Recht unbenommen bleibt, die Nachfolge im Reich anzustreben (vgl. schon XIX  74). Mit der Tötung des Gewaltherrschers verbunden ist zugleich die Befugnis der Optimaten, jemand anderen an dessen Stelle zu setzen. Absicht dieser Einsetzungskompetenz ohne Wahlverfahren ist die Stabilisierung der Lage, den Ausnahmezustand schnellstmöglich zu beenden und die bislang vernachlässigten Staatsgeschäfte wieder einem geordneten Gang zuzuführen. Ob es sich bei der Substitution indessen nur um eine Interimsregierung handelt oder ob sie die nach Kapitel 18 § 64 vorgesehene Wahl 607  Koch will allein unter Verweis auf IX  17 ein sog. „Regenwurmprinzip“ erkennen, das die „Auflösung der föderalen Struktur“ ohne „Untergang des gesamten Gemeinwesens“ erlaube, dies. 2005, 296. 608  Carney bemerkt in seiner Übersetzung von Politica Kap. XVIII  § 85 (S.  107 Fn.  45) (d. i. bei Janssen §  84), dass besagte Stelle in der Gesetzessammlung nicht eigentlich vom Tyrannen handelt, sondern von „anyone who comes foreward ‚to destroy the fatherland‘“.

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des Summus magistratus durch die Ephoren namens und im Auftrag des Volkes ersetzt, führt Althusius nicht näher aus. Zu beenden ist der Widerstand der Ephoren ferner in dem Fall, dass das Gemeinwesen der Änderung seiner Gesetze in ordnungsgemäßer Weise zustimmt. Nach dem Grundsatz »Dem Zustimmenden geschieht kein Unrecht« (volenti non fit injuria) ist dem nunmehr legitimen Herrscher nicht länger zu widerstehen. Das Recht der Zustimmung in die Änderung der gesetzlichen Grundlagen rührt aus der Souveränität des Volkes. Da sich auf diese alle Staatsgewalt zurückführen lässt, ist der Widerstand unverzüglich aufzugeben. Über den Repräsentationsgedanken liegt es in der Hand der Ephoren im Namen der Respublica eine solche nachträgliche Zustimmung zu erteilen. 2. Formalismus und Positivismus Die Umschreibung bestimmter Voraussetzungen des Widerstands spiegelt eine allgemein feststellbare Entwicklung zunehmender Verrechtlichung des öffentlichen Lebens wider, die durch die Mediatisierungsfunktion des Rechts in der konfessionellen Spaltung begünstigt wird.609 Die Fixierung untermauert die Verantwortung jeglicher Herrschaft vor den Beherrschten und lässt bei einem Missbrauch der Herrschaftsmacht berechenbare Konsequenzen erfolgen. Die angestrebte Rechtssicherheit dient dem Erhalt des Staates und seiner Institutionen ebenso wie der Bewahrung der Bedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Geschützt werden das Leben und Wohlergehen der Untertanen, öffentliche wie private Güter, der Austausch von Waren und Dienstleistungen und die souveränen Rechte des Volkes (§ 37). Die Überantwortung des Widerstandes in die Hände der Ephoren stellt dabei keine Klausel des Volkes dar. Die aufgabenteilige Übernahme bedeutet die konsequente Fortführung des repräsentativen politischen Modells und mit ihr die Möglichkeit geordneter und effektiver Rechtsausübung. Die Souveränität des Volkes wird nach der Lehre des Althusius nochmals gefestigt. Der dem Widerstandsrecht innewohnende Formalismus sichert das Gemeinwohlinteresse aus Sicht des Volkes mithin nach zwei Seiten: vor der tyrannischen Herrschaft des Summus magistratus sowie vor einer willkürlichen Ausübung der Hoheitsrechte der Ephoren. Das Widerstandsrecht gehört mithin zur institutionalisierten Volkssouveränität. Die Einbindung des Ephorats in eine prozedurale Disziplin stellt dabei eine Kontrolle der Kontrolleure dar. Vorgeschobene Gründe, um einen unliebsamen Herrscher wegen eigener Machtinteressen loszuwerden, werden durch diesen »Filter« ausgesondert. Unterlassener Widerstand führt zu einer 609  Heckel

2001, 26, 44; Press 1991, 73, 81.



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Durchbrechung der Repräsentationsidee, wonach sich die Untertanen ihrem Optimaten im Widerstand anschließen müssen, nicht jedoch in seiner Unterlassung (§§ 48, 79). Die Mechanismen leisten allerdings einem gewissen Positivismus Vorschub, der in Widerspruch zum althusischen Politikbegriff steht. Grundanliegen seiner Politica ist ja gerade die Entkoppelung von ihr wesensfremden u. a. juristischen Konzepten. Textstrategisch problematisch ist vor diesem Hintergrund, dass der Autor durch die Positivierung der Tyrannei in mannigfache Tatbestände einen juristischen Syllogismus intendiert, der auf der Seite der Rechtsfolgen, also der Anwendung von Widerstand, keine Entsprechung findet und hinter der komplexen Dynamik der Phänomene zurückbleibt. Der positivierten Aufspaltung von Tyrannisbegriffen (prior – posterior, generalis – specialis, usf.) werden keine komplementären Widerstandsbegriffe gegenübergestellt. Die Funktionsgebundenheit seiner juristischen Tatbestandslehre in der Doktrin vom Tyrannen droht den Primat der Politik zu vernebeln. Der eingangs beschriebenen Notwendigkeit, von der Kontingenz der Lebenssachverhalte auszugehen, begegnet nun im paradoxen Umschlag eine zunehmend eindimensionale Entscheidungslogik. In den einschlägigen Paragraphen seiner Rechtslehre (Dicaeologica Buch I, 5. Teil, [I  Tyrannis]) handelt Althusius den Gegenstandsbereich entsprechend kurz ab. Das Widerstandsrecht darf sich jedoch nicht zu einem Katalysator der Machtausübung und des Interessenschutzes der Ephoren verwenden lassen. Der politische Denker entwickelt seine Doktrin vom Widerstand dagegen weitgehend ohne juristische Kasuistik, als eine politische Willensentscheidung. Dem berühmten – zwischen Naturrecht und Rechtspositivismus stehenden – Hobbes’schen Diktum „sed authoritas, non veritas, facit legem“, steuert Althusius zugespitzt in folgender Form entgegen: »circumstantia, non veritas, facit legem«.610 Der Autor der Politica bestimmt am neuralgischen Punkt der Rechtsanwendung eine Interpretation nach den jeweiligen Umständen: „Die Befugnis, das Gesetz auszulegen und zu erklären, ist das Mittel das es ermöglicht, Zweifelnden über den wahren und unverfälschten Sinn des Gesetzes seiner Eigenart und der Natur des Sachverhalts entsprechend in verschiedenartiger Erwägung der Dinge, Personen, der Zeit, des Ortes und anderer Umstände Aus610  Hobbes, Leviathan, Kap. 26, 212. Vgl. zur Übersetzung aus dem Englischen auch die Übersetzung der abweichenden lat. Version (ersch. 1668) von J. P. Mayer, dass. 1970 (rub), 234 / 235. Seit Carl Schmitt gilt vielen dieses Diktum als Inbegriff dezisionistischen oder rechtspositivistischen Denkens, Schmitt 1990, 44; ders. 1982, 68  ff., 82; Kersting 1996, 73; Mayer-Tasch 1965, 80; eingehender zum Diktum: Höffe 1996b, 235–256 und ders. 1994, 130–138, wo Höffe der Vereinnahmung als Grunddevise für den Rechts- und Staatspositivismus widerspricht.

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kunft zu geben und so das festgesetzte Recht dem Verständnis der Menschen anzupassen“ (X  9).

Schon bevor der oberste Magistrat sich zum Gewaltherrscher entwickelt, kommt ihm weder die auctoritas zu, die Gesetze allein zu erlassen noch sie auszulegen (X  3  ff.). Erst recht gilt dies im Widerstandsfall. Die Interpretationshoheit, ob der oberste Magistrat die maßgeblichen Gesetze bricht, wird dabei im Austausch der Meinungen und Rechtsansichten errungen. Dabei befürwortet Althusius für die Feststellung des Widerstandsfalls und die Auswahl der Widerstandsmittel eine politische Entscheidung, die sich nicht unbedingt mit der sittlichen Vernunft deckt. Reibstein formuliert: „Die Staatslehre hört auch in diesem Bereich auf, an erster Stelle Moralphilosophie und Jurisprudenz zu sein, sie wird Politik im modernen Sinne. Die Vernunft, mit der sie vorgeht, ist wesentlich die richtige Abschätzung eigener und fremder Interessen, d. h. eines Sachverhaltes, für den das Ethische nur Grenze, nicht wie in der alten Moralphilosophie Grundlage und Lebenselement des Rechtlichen ist“.611 Nach den Untersuchungen Hella Mandts über Tyrannislehre und Widerstandsrecht tritt Althusius in seiner Politica einer „Entpolitisierung“ des Tyrannenbegriffs entgegen, einer dauerhaften „politischen Neutralisierung des Tyrannis-Begriffs und mit ihm der Lehre vom Widerstandsrecht“.612 Die Modalitäten des Widerstands sind durch ein hohes Maß an modern anmutender Diskursivität und Transparenz gekennzeichnet. Die Auseinandersetzung mit und über tyrannische Herrschaft ist maßgeblich durch ein Miteinander-Reden und -Handeln geprägt, das geradezu an einen Arendt’schen Politikbegriff denken lässt.613 So steht für ihr politisches Denken die »kommunikative Macht« der »kommunikationslosen Gewalt« gegenüber.614 Zentrales Element der politischen Gemeinschaften in der althusischen Staats- und Soziallehre ist die Kommunikation in diesem Sinne. Kommunikation bedeutet und gewährleistet für Althusius „Beschränkung und Mäßigung großer Macht“ (XVIII  65). Carney überschreibt in seiner Übersetzung des Werks ins Englische die Kapitel X–XVII  mit „Secular Communication“ „Secular and political communion in the universal realm is the process by which the necessary and convenient means for carrying on a common life of justice together are communicated among the members of the realm“ (X  1). Folge dieses Grundanliegens ist, dass zur Ausstattung 611  Reibstein

1972, 174. 1974, 74, 82. Eine „Emigration der Politik aus der Staatsrechtslehre“, in der die Politik als Lehre vom „Nützlichen“ dem Recht gegenübertritt, stellt Christoph Link erst für Grotius fest, ders. 1979, 63. 613  Arendt, Vita activa, 249 / 250. 614  Dies. 1971, 37  ff., 45. 612  Mandt



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der Ephoren »kommunikative Machtmittel« zählen wie der Widerstand mit Worten in der Ermahnung, Warnung und Drohung, die Versammlungen und Konvente, der erforderliche Mehrheitskonsens, nicht zuletzt die Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. XVIII  63  ff.) Innerhalb des politischen Kommunikationsprozesses ist stets eine Folgenabschätzung vorzunehmen (§§ 70  ff.) Der Widerstand darf keinesfalls zu einer Verschlechterung der Lebensumstände oder gar zu einem Bürgerkrieg führen. Das bedeutet für den Verfasser jedoch nicht, gegenüber den zu erwartenden Übeln etwa eines Rechtsverfahrens gegen den Tyrannen, die Tyrannis als das geringere Übel zu ertragen. Althusius erteilt den Ansichten von Lipsius und Gentilis eine klare Absage (§§ 70, 84).615 Existentielle öffentliche Güter der Gemeinschaft (bona necessaria), zu denen er insbesondere Frieden, Sittlichkeit und die Rechtsordnung, aber auch die Religionsfreiheit („religio, libertas, cultus Dei“) zählt, sind keinesfalls aufzugeben (§§ 3, 70, 84). Schließlich erfolgt der Widerstand immer auch im Hinblick auf die Verantwortung für die nachkommenden Generationen (§§ 34, 70).

§ 16 Die Akteure des Widerstands Die Frage nach den Akteuren des Widerstands betrifft die althusischen Grundannahmen politischer Ordnung in prägnanter Weise. Althusius greift in der Frage der Machtkontrolle zum einen auf den Wissensbestand des politischen Denkens der Antike zurück (wobei er mitunter politische Umstände und Autoren zeitlich falsch einordnet, XVIII  110: Xenophon und Aristoteles für das Römische Reich). Ausgebaut wird der antike Gedanke der Machtkontrolle in der Politica um die Prinzipien der Volkssouveränität und der Repräsentation. Diese kristallisieren sich im Kapitel über das Widerstandsrecht besonders heraus. Gegen Souveränitätsvorbehalte und absolutistische Tendenzen anderer Staatslehren verweist er zudem auf zahlreiche Gemeinwesen in Europa, wonach die von ihm so bezeichneten Ephoren und Optimaten zeitgenössischer politischer Verfassungswirklichkeit entsprechen (XVIII  110  f.; u. ö.). Dem Verfasser der Politica liegt daran, dass die Kompetenzen dieser schon bestehenden Institutionen als Organe gegenüber der Regierung im engeren Sinne staatstheoretisch und verfassungspolitisch anerkannt werden (§§ 71–75, 85–134). 615  Vgl. Lipsius, Politicorum VI, 5, 567–575. Lipsius tritt besonders in seinen Schriften De constantia (1584) und Politicorum seu civilis doctrinae (1589) gegen die monarchomachische Tyrannenmordlehre und deren Volksouveränitätsgedanken auf; er bekennt sich zur monarchischen Staatsform und einem gemäßigten Absolutismus: vgl. die Untersuchungen Oestreichs 1969, 35–79 (45  ff.); ders. 1989, 39–41, 137–142, 152  ff., 170–188, wobei Oestreich davon ausgeht, dass Althusius bei Lipsius „geplündert“ hat, a. a. O. 212; Schwan 1991, 173  ff.

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Den Ephoren wird eine exklusive Garantenstellung bei der Ausübung eines Widerstands eingeräumt, die es allein ihnen ermöglicht, präventive und repressive Maßnahmen gegen den tyrannischen Summus magistratus zu ergreifen (§§ 28, 45). Über die gesamte Politica verteilt spricht er abwechselnd von Magnaten, Primaten oder Optimaten und Ephoren; teils werden die Bezeichnungen gleichbedeutend verwendet, teils ergibt sich aus dem Kontext eine unterschiedliche Bedeutung. Im einschlägigen Kapitel 38 sind unter den Ephoren und Optimaten die so genannten allgemeinen und besonderen Ephoren zu verstehen.616 Der Kreis der berechtigten und verpflichteten besonderen Ephoren konkretisiert sich nach der Lage in den ihnen überantworteten Territorien und Aufgabengebieten (§§ 47, 50, 51, 61). Das Widerstandsrecht ist beschränkt auf Aufgabengebiet und Territorium (§ 101; Ausnahme für Usurpation in § 55). Allesamt können sie nach der förm­ lichen Feststellung des Widerstandsfalls „durch den rechtmäßigen Konvent der Bürger“ auf eine gesellschaftliche Zustimmung bauen, so dass sich der Widerstand durch eine größtmögliche Legitimität auszeichnet (§ 54). Danach sind die Optimaten zwar die entscheidenden Handlungsträger, jedoch sind sie auf den breiten gesellschaftlichen Rückhalt angewiesen. Ohne den „Generalkonvent aller Stände des Volkes“, zu dessen Einberufung sie verpflichtet sind, können sie Widerstandshandlungen nicht selbst legitimieren (§ 57). Aufgrund des Repräsentationsgedankens können allein die Ephoren legitime Akteure des Widerstandsrechts sein. Sie üben ihre Schutzfunktion über die verfassungsmäßige Ordnung „im Namen des Volkes“ aus (§§ 30, 35, 47; XVIII  62, 92). „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ – auch nach dieser Schmitt’schen Formel liegt die Souveränität beim Volk, das im Generalkonvent vergegenwärtigt ist (§ 57).617 Eine Ausnahme gilt bei „Gefahr in Verzug“ (periculum in mora, § 60). Die Einberufung zur Versammlung, eine förmliche Prüfung und Beurteilung können nicht mehr rechtzeitig zur Abwehr oder Verhinderung der Gefahren durchgeführt werden; hier ist die sofortige Ergreifung geeigneter Maßnahmen angezeigt. Das Schwertrecht (jus gladii) der Ephoren folgt der Prüfung und dem Urteil dieses conciliums. Die Repräsentanten des Volks erhalten damit ein Recht, das den Repräsentierten aus verschiedenen Gründen nicht zugestanden wird. Allgemein gilt der pragmatische Einwand gegenüber der Masse so vieler Menschen, wie er auch für die indirekte Wahl des obersten Magistrats angeführt wird. Doch darauf stellt Althusius in der Widerstandslehre nicht ab, ebenso bleiben die Vorbehalte aus dem Kapitel Über das Wesen 616  Von Friedeburg stellt allerdings fest, dass etwa in § 66 „der Begriff ‚optimates‘ breiter ausgelegt werden kann“ als der Begriff der Ephoren, ders. 2002, 302. 617  Schmitt 1990, 11.



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des Volkes (Kap. 23) unerwähnt. Das Hauptargument in Kapitel 38 bildet die fehlende Verpflichtungswirkung aus dem pactum religiosum, wonach die Einzelnen aus dem Bündnis mit Gott nicht verpflichtet sind. Unter dem jus gladii ist nicht das jüdische oder altrömische Recht über Leben und Tod, oder das überkommene Vorrecht des freien Mannes auf Waffen, sondern das staatspolitische (Notstands-)Recht zur Gerichtsbarkeit über hochverräterische Handlungen des obersten Magistrats zu verstehen (vgl. § 66). Althu­sius fügt ein pragmatisches Argument hinzu: es fehlt der Bevölkerung an Erfahrung im Umgang mit Waffen (§ 65). Ein »Recht zum Schwert« für jedermann leistet Aufruhr, Tumult und Bürgerkrieg Vorschub, was es unbedingt zu vermeiden gilt (XXXI  73; XVIII  60; u. ö.). Althusius ist selbst im Notstand ein strenger Verfechter des Gewaltmonopols der staatlichen Organe, ausgenommen bei der Verteidigung gegen einen Usurpator (§ 68). „Es ist nämlich nicht Aufgabe des Rechts, einzelnen Menschen zu erlauben, was … nur öffentlich durch die Obrigkeit (magistratus, P.  K.) getan werden darf.“ (§ 65) Der Autor argumentiert schließlich ökonomisch: eine arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung durch den Wehr- und Nährstand sichert den Bestand der Volkswirtschaft (vgl. VIII  41  ff.). Die Gefahr einer Verschlimmerung der Zustände ist zu groß, als dass man einem eigenständigen Waffengang der Bevölkerung zustimmen könnte. Daher gehört die Entwaffnung zu den allgemeinen Maßnahmen der Friedenssicherung und Vermeidung von Aufständen (XXXI  29  ff.). Obwohl das politische System des Althusius zwei Organe von Verfassungsrang kennt, ist seine Widerstandslehre auf eine Krise der magistralen Gewalt ausgerichtet, die dem obersten Magistrat bzw., sofern dieser Kollegialorgan ist, der höchsten Regierungsbehörde zugewiesen ist. Die Widerstandslehre regelt also nicht allein die Tyrannis einer monarchischen Regierung; die Bezeichnung der Lehre als „monarchomachisch“ wäre daher noch nicht einmal zutreffend. Der politische Denker gestaltet die Gewaltherrschaft als einen Tatbestand aus, der lediglich vom (monarchischen oder polyarchischen) obersten Magistrat erfüllt werden kann. Das schließt jedoch nicht aus, dass auch den Ephoren Fehlverhalten vorgeworfen werden kann (vgl. XVIII  41). Der Autor richtet an verschiedenen Stellen seiner Staats- und Regierungslehre seinen Blick auf mittlere Magistrate, die in tyrannischer Weise in ihren Territorien regieren (§§ 78, 124, 134; VIII  91; XVIII  42, 55, 91; XX  21; XXVIII  19; XXXVII  63). Auf die Frage wird bereits auf der Provinzebene eingegangen, wenn der politische Denker „den Ständen“ die Befugnis zuteilt, den Präses der Provinz „zurechtzuweisen, wenn er seine Amtsgewalt missbraucht“ (VIII  5). Auf dieser Ebene konkurriert mit der ständischen Befugnis das Recht des obersten Magistrats, einen reichsunmittelbaren Präfekten im Falle des tyrannischen Herrschaftsmissbrauchs kraft seiner Oberhoheit abzusetzen (VIII  55, 91). In dieser Hinsicht unterliegt der

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Ephor in seiner Funktion als mittlerer bzw. unterer Magistrat der Gerichtsbarkeit des obersten Magistrats bzw. des ihm übergeordneten Staates (§§ 78, 110; VIII  55; XVIII  91; XX  21). Gegebenenfalls hat sich der vom Magis­ trat Angeklagte vor der allgemeinen Bundesversammlung zu verantworten (§ 124 e. E.). Subsidiären Rechtsschutz gewährt hier also die höhere intakte Organisationseinheit. Für diesen Fall wird die Bundestreue zwischen den Gliedern des Reichsverbands aktuell, zu deren Einhaltung nun die Ausübung des Bundeszwangs erlaubt und geboten ist (vgl. IX  7). Althusius sieht ebenso die Möglichkeit für die Untertanen, aus dem Territorium zu fliehen und sich einem anderen (mittleren) Magistrat zu unterstellen, sofern keine Abhilfe geschaffen werden kann (§§ 52, 67, 79; VIII  92). Dieses Abzugsrecht legitimiert sich dadurch, dass die Untertanen einem ungerechten Befehl keinen (ungerechten) Gehorsam schulden (§§ 41–43; XVIII  41). Ein tyrannisches Ephoratskollegium kennt Althusius dagegen nicht, allenfalls ein sanktionsloses vorwerfbares Unterlassen ihrer Schutzfunktion (§ 38; vgl. XVIII  41, 123, 124 a. E.; XXVIII  19). Fraglich ist die Ineinssetzung von Kurfürstenstand und Ephoren. Unzweifelhaft bilden jene für das deutsche Reich die allgemeinen Ephoren (XVIII  52, 76, 110; u. ö.). Althusius selbst weist im Hinblick auf die Wahl des Summus magistratus durch die Wächter auf die Goldene Bulle Karls IV. (1356) hin (XIV  9; XVIII  52; 57; u. ö.), in der erstmals und endgültig die Modalitäten der Königswahl und die Rechtsstellung der Kurfürsten geregelt wurden. Doch wird zugleich auf Ephoren etwa in den persischen, griechischen und römischen Reichen (XVIII  53; u. ö.) sowie zahlreichen anderen europäischen Gemeinwesen hingewiesen, die sich in Stellung, Funktion und Bedeutung von den deutschen Kurfürsten unterscheiden. Bei dieser Gleichung finden überdies die weiteren Ephoren (Herzöge, Fürsten, Markgrafen, Grafen, Kastellane, Reichsadlige, Reichsstädte, u. a.) keine Berücksichtigung, die jedoch auch zu den Optimaten und Ephoren zählen (XIV  6; XVIII  111, 114–122). Aus diesem Grunde stellt weiterhin die Ineinssetzung von Ephoren und »Ständen« eine unzulässige Vereinfachung dar (vgl. XIV  9).618 Zwar weist der Autor auf die gelegentliche synonyme Verwendung von Ephoren und Ständen in Kapitel 18 hin (XVIII  49; 113), doch betont diese Annahme das Ausscheiden des Adels „als eigentlicher Basis des politischen Ständewesens“ (Rabe 1989, 435  f.) aus den Ständen mancher Territorien zu einseitig. Das Hauptargument liegt jedoch darin, dass nach der Herrschaftslehre eine Wahl der Ephoren erforderlich ist (XVIII  3, 25, 47 a. E., 48). Wenn die Ephoren identisch mit den Ständen wären, wäre 618  So aber bspw. Hohberger 2008, 93; Winters 1995, 41: „Der Begriff ‚Ephori‘ meint die Stände des Reiches, die Reichsstände“; konkretisierender Reinhard 2003, 308, ebenso Wyduckel 2002, 144: „Althusius meint hier keineswegs nur die Reichsstände“.



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auch die Unterscheidung der Aufgabe der Wählenden und der Amtsträger überflüssig (XVIII  5, 6). Richtig ist allerdings, dass unter dem Blickwinkel der Gewaltenkontrolle und -teilung Ephoren und Stände auf derselben Seite nebeneinander stehen (vgl. etwa für Kap. 38 §§ 53  f., 80, 124). „Diese gegenseitige Beobachtung, Überwachung und Zensur zwischen dem Inhaber der höchsten Gewalt und den Ephoren, dem Herrscher und den Ständen, erhält den Staat bei guter Ordnung und beugt jeder Gefahr, jedem Übel und allem Schaden vor“.619 Die Ephoren beraten die Stände auf den universalen Versammlungen, können also nicht mit diesen identisch sein (XVIII  67). Der Ständebegriff ist ungeeignet, um ein institutionalisiertes Kollegium wie das des Ephorats näher zu erklären. So müsste sich die Annahme, die Ephoren seien »die Stände«, auf den so genannten „Wehrstand“, d. h. wiederum auf den Adel konkretisieren lassen (vgl. VIII  41). Schließlich sind die Ephoren bei der förmlichen Feststellung der Tyrannis dazu verpflichtet, ­einen „Generalkonvent aller Stände des Volkes“ einzuberufen (§ 57; vgl. XVIII  67), was hinreichend unterstreicht, dass die Ephoren eben nicht »die Stände« sind. Ein weiterer allgemeiner Einwand tritt hinzu: Wenn Althusius unter den Ephoren und Optimaten die Stände verstanden wissen will, wa­ rum verwendet er dann die Begrifflichkeiten ordo & status nicht? Althusius favorisiert unbeschadet der gesellschaftspolitischen Funktionen der Stände vielmehr eine elitäre Schicht, die die (von den Ständen) autorisierte Ausübung des Widerstands übernimmt. Als solche ist der Ausdruck „tribus ephoris“ (§ 53) zu lesen. Bereits in Kapitel 18 definiert Althusius die Funktionen der »Hüter der Verfassung«: „Die Ephoren sind Obrigkeiten, denen vom Volk die Aufgabe gestellt ist, in seinem Namen die Rechte des politischen Ganzen gegenüber dem Herrscher zu vertreten, sei es mit Rat oder durch Tat. Sie wachen darüber, daß beim Anordnen, Verbieten und Strafen, vor allem aber in allen den Staat gefährdenden Angelegenheiten kein Amtsträger die Grenzen seiner öffentlichen Stellung überschreitet. Vor allem achten sie darauf, daß der Inhaber der höchsten Gewalt nicht durch private Neigungen und Abneigungen, durch Tun oder Unterlassen dem politischen Ganzen Schaden zufügt“ (XVIII  48).620 Die Pflichten werden in Ausführung des organisationsrechtlichen Teils der Politica konkretisiert (XVIII  81): „Diese lassen sich in fünf Grundsätzen zusammenfassen. Ihre erste Pflicht ist, im Namen des Volkes den Summus Magistratus zu wählen. Die zweite ist, innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnis als Hüter der Freiheit des Volkes und jener Rechte, die es dem Inhaber der höchsten Gewalt nicht übertragen, vielmehr sich vorbehalten hat, zu wirken. Die dritte Pflicht fordert, im Falle der Untauglichkeit des 619  Politica-Wolf

620  Übersetzung

XVIII  92 (140). nach Winters 1995, 42.

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‚Summus Magistratus‘ oder wenn er vorübergehend an der Regierung behindert sein sollte, ein Kuratorium zu bilden, das die Regierung führt, bis ein neuer ‚Summus Magistratus‘ gewählt ist. Ihre vierte Pflicht verlangt, daß sie einen zum Tyrannen gewordenen Inhaber der höchsten Gewalt absetzen. Die fünfte Pflicht endlich gebietet ihnen, den ‚Summus Magistratus‘ zu verteidigen und seine Rechte zu schützen. Wenn alle Ephoren gemeinsam oder ein einzelner von ihnen diese Pflichten verabsäumt, ist Abberufung die Folge“ (XVIII  63).

Janssen übersetzt den letzten Satz in einem gänzlich anderen, aber zutreffenden Sinn: „Zur Durchführung dieser Aufgaben wird ihnen sowohl das Ganze als auch das Einzelne anvertraut, damit sie ihre Amtspflichten in der rechten Weise wahrnehmen können“ (XVIII  63). Ist im 18. Kapitel der Ausgabe von 1614 zunächst noch weitgehend unspezifisch von der Absetzung eines tyrannus exercitio die Rede, wird diese „vierte Pflicht“ im Hinblick auf das Widerstandsrecht wenig später um weitere Handlungsoptionen angereichert, wie „zu widerstehen“, „zu verhindern“, „den Mißbrauch abzustellen“, schließlich sich „zu verweigern“.621 Es handelt sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Ausfüllung der politische Denker in Kapitel 38 unternimmt. Unter dem Begriff des remedium, was »Beseitigung«, aber auch »Heilmittel« und »Arznei« bedeutet, entwickelt Althusius eine Lehre vom Widerstand, die Rechtfertigung und Ausübung umfasst. Das remedium beruht auf „resistentia & exauctoratione“ (§ 28), einem präventiven Widerstand und einer repressiven Entsetzung aus dem Amt. Wie verhält es sich, wenn die Ephoren ihrer Widerstandspflicht nicht nachkommen? Gibt es subsidiär einen Volkswiderstand wegen unterlassener Hilfeleistung seitens der Ephoren? Nimmt dann das souveräne Volk in direkter Weise sein Recht auf Wiederherstellung der Staatsordnung wahr? Darauf bleibt die Widerstandslehre eine Antwort schuldig. An zwei Stellen spricht Althusius davon, dass es keine Ephoren gibt (§§ 43, 57). Für diesen, bereits in Kapitel 18 angesprochen Fall, sieht der politische Denker vor, dass das Volk „tribus-, kurien- oder zenturienweise befragt und versammelt“ wird (XVIII  123). Die Einteilung wirft ein Schlaglicht auf die vom Autor erdachte Nachfolge der Ständegesellschaft. Die Herrschaftsgewalt der Ephoren wird dann direkt durch das souveräne Volk wahrgenommen, das bezüglich der förmlichen Untersuchung „öffentliche gerichtliche Ankläger und Verteidiger“ bestellt (§§ 43, 57). Der Fall, dass „die Aufgabe der Ephoren und Wächter beim ganzen Volk liegt“ ist nach der Darstellung im Abschlusskapitel bei einer aristokratischen und demokratischen Regierungsweise gegeben (XXXIX  52, 58; vgl. auch §§ 43, 57). Eine besondere Behandlung erfahren im Spiegel der Kommunalverfassungslehre die Städte (vgl. §§ 16, 21, 133). Dürfen sich Städte gegen einen 621  Begrifflich

sehr differenzierend: v. Friedeburg 2002, 301  ff.



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tyrannischen Magistraten erheben? Das Problem ergibt sich daraus, dass es grundsätzlich einzelnen Teilen des Reichs verwehrt ist, ohne Mehrheitsentscheid Widerstand auszuüben (§ 53). Sind demnach Städte einem gewaltsamen Übergriff schutz- und wehrlos ausgeliefert? Althusius beantwortet die Frage nach einem Widerstandsrecht der Städte gegen die Ansicht Barclays differenziert und greift zurück auf die Unterscheidung von reichsmittelbaren und -unmittelbaren Städten. Der reichsunmittelbaren Stadt fehlt zwar der formale Status eines besonderen Ephors, jedoch hat sie schließlich die „Rechte von Fürsten mit Territorien“, die den anderen Städten nicht zustehen (VI  2, 42). Sofern es sich um eine zum Herrschaftsbereich einer Provinz zugehörige Stadt, d. h. um eine so genannte mittelbare Stadt handelt, darf sie sich gegen die Gewaltherrschaft ihres Provinzfürsten nach den allgemeinen Bestimmungen an den obersten Magistrat wenden und Anklage erheben (§ 110; VIII  91). Sofern sich eine mittelbare Stadt gegen die Gewaltherrschaft des obersten Magistrats richten will, ist sie zuallererst auf ihren unmittelbaren Provinzfürsten, der stets Ephor ist, angewiesen (vgl. aber XXXV  9: unmittelbares Kriegsrecht). Sollte dieser keinen effektiven Schutz gewähren können, so können sie sich aus eigenem Recht „einem anderen, Mächtigeren unterstellen“ (§ 110). Handelt es sich um eine reichsunmittelbare Stadt, die sich gegen die Tyrannis des obersten Magistrats zur Wehr setzen will, so darf sie Widerstand gegen ihn ausüben (§§ 110, 54, 76). Der Fall, dass eine reichsunmittelbare Stadt durch einen Provinzfürsten bedroht wird, ist nicht eigens geregelt. Sie stellt nach allgemeinen Grundsätzen jedoch eine Usurpation dar, gegen die die Stadt und ihre Bürger jedenfalls vorgehen dürfen (XXXV  9). Ein Widerstandsrecht von Gemeinden und Dörfern wird lediglich zustimmend aus der Schweizer Geschichte referiert (§ 52). In welcher Weise die Untertanen – Althusius bezeichnet sie hier in Abgrenzung zu den „öffentlichen Personen“ als „Private“ – am Widerstand teilhaben, darauf wird in den §§ 65  ff. eingegangen. „Diese sollen sich vielmehr ruhig verhalten, das Unrecht erdulden und das Joch des Tyrannen ertragen“ (§ 65) bis sie von ihren jeweiligen Ephoren gegenteilige Befehle erhalten bzw. zu den Waffen gerufen werden (§§ 48, 62, 67).622 Die Aussa622  Schief ist daher die Beurteilung Bauers, wenn er entgegen seiner eigenen Übersetzung der benannten Textstelle, Althusius als einen „der größten Vorkämpfer rechtsstaatlicher Demokratie in Deutschland, [der] bisher überhaupt unübersetzt geblieben ist“ bezeichnet und dieses Desiderat sarkastisch als „für deutsche ‚Demokratie‘ und deutschen ‚Liberalismus‘ typisch findet. Bauer weiter: „Die großen Vertreter des Widerstandsgedankens hat man uns unterschlagen, weil man sich Untertanen, nicht Staatsbürger wünschte“. Althusius ist nicht „[d]er bedeutendste ‚Monarchenfeind‘ auf deutschem Boden“ (Bauer 1965, 100  f.), im Gegenteil, er anerkennt (ausdrücklich etwa im 1614 hinzugefügten Kapitel 39 § 8) die Monarchie als legitime Regierungsform.

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ge in Kapitel 18, wonach angesichts eines tyrannischen Herrschers „jedem erlaubt ist, ihm Widerstand zu leisten“ wird relativiert (XVIII  95). »Aktiv« in den Widerstand greifen die Untertanen also nur dann ein, wenn sie dazu von den Ephoren angehalten werden. Dieser Widerstand gegen einen tyrannus exercitio unterliegt im Gegensatz zum Widerstand gegen einen Usurpator gänzlich der Befehlsgewalt der Ephoren (§§ 48, 67, 68, 124). Diese Befehlsgewalt greift legitimerweise in alle Lebensbereiche der Untertanen ein (Hilfe, Geld und Rat, § 49). Ein eigenes Recht zum (bewaffneten) Widerstand gegen den tyrannus exercitio steht ihnen nicht zu (§§ 65, 67). Peter-Jochen Winters vertritt in seinen Untersuchungen die Ansicht, Althusius gestehe den Einzelnen einen passiven Widerstand zu.623 Es ist zu erinnern, dass der Unterordnungseid, den die Ephoren im Namen des Volkes gegenüber dem Magistraten leisten, sich nicht nur auf Besitz oder Güter beschränkt, sondern auf die ganze Person erstreckt (XX  2). Außerdem verlangen die Paulinischen Briefe (Röm 13, 1 Petr 2,18, Eph 6,5 und 1 Tim 6,1) unbedingten Gehorsam. Wie kann es vor diesem Hintergrund ein Recht auf Gehorsamsverweigerung geben? Eine Tyrannis löst „das Band der Verpflichtung“ auf (§§ 31, 40). Sofern Althusius vom „freien Wort in einem freien Gemeinwesen“ spricht (§ 20; vgl. auch XXVII  57), meint er damit nicht, dass den Untertanen ein »Widerstand des Wortes« gegenüber einem »Widerstand der Tat« als einem unbewaffneten, friedlichen Versammlungsund Demonstrationsrecht zusteht. Das „freie Wort“ bezieht sich allein auf die Versammlung der Stände, auf der die Tyrannis geprüft und beurteilt wird (§§ 57, 108, 124). Gehorsam schulden die Untertanen nach der propädeutischen Definition lediglich dem „weder in gottloser noch ungerechter Weise gebietenden Vorgesetzten“ (I  18). Es handelt sich also stets um einen »bedingten Gehorsam« (§§ 31, 97). In den §§ 99 und 100 nimmt der politische Denker eine Textauslegung vor, wonach sich die Schriftbelege historisch auf den nichtchristlichen Herrscher beziehen. Dann verweist er wiederum teleologisch darauf, dass nur gerechten Befehlen Gehorsam geschuldet ist. Bei Verstößen gegen den Dekalog und die Fundamentalgesetze „kann ihm (dem obersten Magistrat, P.  K.) jeder den Gehorsam verweigern.“ (§ 32; XVIII  95) „Wo kein Richter ist, darf jeder für sich Recht sprechen“ (Überschrift zu § 41; s. a. § 102). Problematisch ist allerdings die Feststellung eines solchen Verstoßes. Letztlich ist der Verstoß gegen ein Gebot des Dekalogs eine Gewissensentscheidung jedes einzelnen Untertanen. Bei einem Verstoß gegen die Fundamentalgesetze bzw. „der übrigen Gesetze …, auf die der oberste Ma623  So bspw. Winters 1995, 48; ders. 1988, 547. Sehr differenzierte Gegenüberstellung der Widerstandsrechte von Ephoren und Untertanen, bis in begriffliche Feinheiten: v. Friedeburg 2002, 299–306.



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gistrat bei seiner Amtseinführung einen Eid geschworen hat“ (§ 2) wird ihnen dagegen das Urteilsvermögen fehlen. Entscheidungserheblich ist das Ergebnis der förmlichen Untersuchung der Generalversammlung. Danach erst kann einem ungerechten Befehl der Gehorsam verweigert werden (§ 100, Überschrift zu § 39). Eine ungerechtfertigte Befolgung hat zur Konsequenz, dass der Befolgende sich (vor Gott) strafbar macht (§ 32; vgl. auch XXVIII  19). Althusius stellt den »Wächtervorbehalt«, wonach dem Volk selbst kein Widerstandsrecht zukommt, als ein Zugeständnis an die absolutistischen Staatslehren dar. Er spricht „insoweit“ (eatenus) von einem princeps legibus solutus, da das Volk „nicht über die Macht verfügt, ihn zu verurteilen oder zu bestrafen, sondern allein die Optimaten“ (§ 66). Die Privatleute sind deswegen jedoch nicht gezwungen „Diener der Tyrannis zu werden“; sie werden „an einen anderen Ort fliehen und den Gehorsam nicht durch Widerstand, sondern durch Flucht verweigern.“ (§ 67; vgl. auch § 79  f.) Dieser »Exodus«-Gedanke wird bei Pufendorf und Thomasius wieder begegnen. Dieser schreibt in seiner Rechtsgelahrheit (1709) im dritten Buch zu den „Pflichten derer die in der Republic leben“: „Ja wenn sie (die Regierung, P.  K.) auch den Unterthanen das größte Unrecht anthäte / ein jeder lieber das Land raeumen / oder alles elend ausstehen muß / als daß er wider einen zwar harten Regenten / aber der doch der Vater des Vaterlandes ist / die Waffen ergreifen wolte“ (Hervorh. P.  K.).624 Lipsius und der in Oxford lehrende Italiener Albericus Gentilis erwägen die Erduldung einer Tyrannis gegenüber den Nachteilen eines Strafgerichts (vindiciae) über den Gewaltherrscher als „weniger schlimm“. Dagegen gewichtet der Verfasser der Politica anders (§§ 70, 84). Althusius betont die allgemeinen Rechtsgüter „Frieden, Tugend, Ordnung und Gesetz“ (§ 3) sowie Religion und Freiheit (§§ 70, 84), aber auch die Verantwortung für die nachkommende Generation (§§ 70, 107) in besonderer Weise. Im Fall der Bedrohung von Leib und Leben, durch die Zufügung offensichtlichen Unrechts von Seiten des Magistrats ist die (bewaffnete) Verteidigung im Sinne der unmittelbaren Selbstverteidigung gestattet (§ 67). Sofern „in casu vitae“ in diesem Paragraphen mit Leben und Gesundheit zu übersetzen ist, stellt sich die Frage, ob „in casu necessitatis“ bedeuten soll, dass ebenfalls Eigentum und Besitz unter das Selbstverteidigungsrecht fallen sollen. Dies ist jedoch abzulehnen. In casu necessitatis ist zu verstehen als Notlage, die aus einer aktuellen Ermangelung effektiven obrigkeitlichen Schutzes entsteht und in der ein Zuwarten ohne Vermeidung von unwiederbringlichen Nachteilen nicht länger zumutbar ist. „Wenn aber ein Privatmann durch den Magistrat offensichtlich mit Gewalt angegriffen wird, dann 624  Thomasius,

Rechtsgelahrheit, III. Buch, VI. Hauptstück, § 119 (491).

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ist ihm im Fall einer Notlage und der Verteidigung seines Lebens Widerstand erlaubt.“ (§ 67) Das Selbstverteidigungsrecht gilt somit nur subsidiär. Da sich der Private neben dem Naturrecht auch auf „königliche Verordnungen“ berufen kann, richtet sich das benannte Selbstverteidigungsrecht gegen Übergriffe von unteren Magistraten.625 In § 37 wird das naturrechtliche Selbstverteidigungsrecht zumindest gegen den Usurpator, in undeutlicher Weise auch gegen den tyrannischen obersten Magistrat für anwendbar erklärt. Selbstverteidigung (defensio) und Widerstandsrecht (jus resistendi) sind begrifflich und inhaltlich zu unterscheiden. Das Recht auf Selbstverteidigung steht als Naturrecht jedermann zu. Es kann mithin in einer Notlage auch gegen den tyrannus exercitio ausgeübt werden. Es teilt den defensiven Charakter mit dem Widerstandsrecht, unterscheidet sich aber hinsichtlich des Schutzbereichs der Rechtsgüter. Für die Ebene der Provinz erwähnt der Autor das Recht der Untertanen, „sich einem anderen zu unterstellen“, wenn sie „von der Hilfe ihres Herrschers enttäuscht werden“ (VIII  92; § 79, Hervorheb. P.  K.). Damit ist neben der Flucht in eine andere Provinz ein einseitiges Lossagungsrecht bei Verbleiben im Territorium ausgesprochen. Bei genauerer Betrachtung richtet sich dieses Recht jedoch nicht gegen tyrannischen Machtmissbrauch eines rechtmäßigen Herrschers. Vielmehr ist der Fall berührt, dass der Provinzpräfekt die Wahrnehmung seiner Schutzpflichten gegenüber den Untertanen pflichtwidrig unterlässt und von seiner ihm eingeräumten Macht pflichtwidrig keinen Gebrauch macht. „Wenn der Präses der Provinz in Notzeiten seine Untertanen aber nicht schützt oder sich weigert, ihnen zu Hilfe zu kommen, dann  …“, darunter könnte man sogar einen tyrannischen Angriff des höchsten Magistrats gegen die unter dem Schutz eines Präfekten stehenden Provinzbewohner subsumieren. Die Untertanen sehen sich in diesem Fall mithin drei Mächten gegenübergestellt: Zunächst der Gewalt, die die Notsituation verursacht (illegitimer Angriff / Überfall, Naturgewalt), sodann der Herrschaftsmacht des Präfekten, der diese nicht zur präventiven Gefahrenabwehr bzw. zur Folgenbeseitigung der Notlage nutzt, und schließlich die (faktische) Macht des „anderen“, dem sich die Untertanen unterstellen können. Es entsteht trotz der Lossagung kein herrschaftsfreier Raum. Im Zeitpunkt der Lossagung besteht de facto eine Macht, die die Chance auf Schutz und Verteidigung weit mehr bietet, als der rechtmäßige, aber untätige Herrscher. Stellt man das Unterlassen dem Tun gleich, ist der untätige Provinzfürst unter Umständen ein tyrannus exercitio durch Unterlassung. Die Untertanen „unterstellen“ sich diesem „anderen“, dessen Machtposition nicht erst dadurch entsteht, sondern sich durch die Unterstellenden legitimiert. Fraglich ist, ob die Lossagung ein aktives Widerstandsrecht der Un625  So

auch v. Friedeburg 2002, 304.



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tertanen darstellt. „Die Verpflichtung der Untertanen gegen den Souverän dauert nur so lange, wie er sie auf Grund seiner Macht schützen kann, nicht länger“.626 Dieser dem Leviathan entnommene Satz begründet nach richtiger Ansicht für die Untertanen des Hobbes’schen Staates kein Widerstandsrecht, da gerade „Zweck des Gehorsams … Schutz“ ist.627 Die Beziehung der Untertanen zu ihrem Präses in der Politica ist dagegen – abgesehen von unterschiedlichen Souveränitätsmodellen – keine bloße Zweckgemeinschaft, kein auf ein Minimum beschränktes Sozialverhältnis, sondern eine auf optimale Bedingungen abzielende Wertegemeinschaft. Die unerfüllte Voraussetzung, dass Macht im Zustand guter und gerechter Herrschaft monopolisiert ist, führt für die beiden Werke zu einer unterschiedlichen Bewertung. Ist die Gehorsamspflicht der einen schlichtweg beendet, da die »Geschäftsgrundlage« wegfällt und ihnen wieder das prästaatliche Naturrecht zusteht, stellt sich die Lage für die Symbioten dagegen als ein krisenüberdauerndes Gestaltungsrecht, als ein subsidiäres Widerstandsrecht auf provinzialer Ebene dar. Mit den Ausnahmen von der Grundverhaltensregel ist die Grenze der Erduldung für die Untertanen überschritten. Die Gehorsamspflicht gegenüber der ephoralen Obrigkeit besteht allerdings weiterhin. Als Beleg führt Althusius nicht die Petrinische Klausel an, die mit guten Gründen zu einer Aufkündigung des Gehorsams führen könnte.628 Vielmehr verweist er auf Mt 23 und 2 Chr 11, 13 und 14, die durch den aufgenötigten Wegzug der Menschen dem Gemeinwesen einen kommenden Untergang vorhersagen. In der Darlegung über die Teilhabe der Untertanen am Widerstand kollidiert das Souveränitätsprinzip mit dem Repräsentationsgedanken und dem Interesse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Den Ordnungsvorstellungen ist zu optimaler Wirksamkeit zu verhelfen. Dies gelingt Althusius durch die abstrakte Abwägung zwischen einer starken Volkssouveränität einerseits sowie der Staatsräson und dem Gewaltmonopol andererseits. Birgt eine einseitige Gewichtung für eine eigenständige Teilhabe des Volkes die Gefahr des Aufruhrs (causa majoris tumultus [§ 65]), gar des Bürgerkriegs und somit eine existenzielle Bedrohung für das Gemeinwesen in sich, so höhlt auf der anderen Seite ein alleiniges Abstellen auf den repräsentativen Status der Ephoren die Volkssouveränität zu Gunsten der Staatsräson als Selbstzweck aus (vgl. XVIII  124). Die Entscheidung, die Althusius zwischen den Ordnungsvorstellungen von majestas populi und der Repräsentation durch die Ephoren trifft, fällt zugunsten des übergeordneten Interesses am Bestand der Sicherheit und Ordnung der universalen consociatio. 626  Hobbes, 627  Ebd. 628  So

Leviathan, Kap. 21, 171.

aber: Dahm 1988, 39.

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Es stellt sich zuletzt die Frage nach der Verortung des Widerstandsrechts im politischen System des Johannes Althusius. Die Verfassung, in die der Staatstheoretiker das Gemeinwesen zu bringen beabsichtigt, stiftet die rechtlichen Grundlagen desselben. Positivistisch gewendet ist sie erster und letzter Grund staatlicher Ordnung. Das Widerstandsrecht stellt sich nunmehr als Strukturproblem dieses Verfassungsstaates dar. Der Widerstandsfall betrifft den der Verfassung entgegengesetzten Zustand der staatlichen Unordnung, wenn die Staatsgewalt in (verfassungs-)unrechtmäßiger Weise missbraucht wird. Ein verfassungsrechtliches Recht auf Widerstand kann also ohne innere Widersprüchlichkeit nicht Teil der ordnungsstiftenden Verfassung sein, auch wenn das Widerstandsrecht gerade auf eine Wiederherstellung dieser Verfasstheit abzielt.629 Carl Schmitt äußert apodiktisch zum Versuch, einen unnormierbaren Ausnahmezustand zu normieren, dass er: „höchstens als Fall äußerster Not, Gefährdung der Existenz des Staates oder dergleichen bezeichnet, nicht aber tatbestandsmäßig umschrieben“ werden kann.630 Althusius sieht das Problem und betont, dass dieser Widerspruch „der Politikwissenschaft nicht fremd“ ist (XXXIX  83). Seine Tyrannislehre geht bar jeder schematischen Einordnung (s. Schema politicae cap. 38), er habe „dies an geeigneter Stelle dargelegt“ (XXXIX  83). Die „Ursachen für die Zerstörung der Gemeinschaft“ sind jeder Gemeinschaft „beigegeben“ und „kommen in ihr zum Ausdruck“. Wie Böckenförde feststellt, lebt der Staat von Voraussetzungen, die er selber nicht garantieren kann.631 Althu­sius spricht insoweit von „affectus“, das Janssen mit »Loyalität« übersetzt, der zumindest vom „besseren oder größeren Teil“ der Bevölkerung gegenüber dem Gemeinwesen aufgebracht werden müsse (XXXIX  71). Verfassung und Widerstandsrecht haben beide eine ordnungsstiftende Funktion, indessen zu verschiedenen Zeiten. Ein Verfassungsrecht auf Widerstand ist daher aus methodischer Sicht unzulässig. Gesteht man dennoch ein Recht auf Widerstand zu, so muss sein Geltungsgrund außerhalb der Verfassungsordnung liegen, gleichsam auf der Geltungsebene der Verfassung. In diesem Sinne ist es ein Recht außerhalb der gesetzlichen staatlichen Ordnung, m. a. W. überpositives Recht. Das derart verstandene Recht – ähnlich den Menschenrechten – wird in der staatstheoretischen Literatur der Zeit durchaus als Schwächung der Staatsgewalt betrachtet. Diese Einschätzung teilt Althusius aus politikwissenschaftlichen Erwägungen nicht und weist derartige Befürchtungen in den §§ 71–75 des 38. Kapitels zurück. 629  Zur Kritik an einer Positivierung des Widerstandsrechts: Nagler 1991, 122– 124; Quilisch 1999, 11  ff. mit weiteren Nachweisen aus der (rechtswissenschaftlichen) Literatur über die Unnormierbarkeit eines Widerstandsrechtes insb. in Art. 20 IV GG. 630  Schmitt 1990, 12. 631  Böckenförde, in: ders. 1976, 60.



§ 16 Die Akteure des Widerstands

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Gewaltherrschaft zerstört die existentiellen Grundlagen der Konsoziationenlehre, in dem sie die drei Kommunikationsgemeinschaften der Sachen, Dienste und Rechte »außer Fassung« bringt. Das symbiotische Recht steht daher auf der Seite der consociatio als Gesellschaft, so wie schon das symbiotische Recht auf der Seite der Ehefrau gegen ihren tyrannischen Ehemann stand (vgl. XXXVIII  78, 88  ff.). Es zeigt sich als eine von staatlichem Zwang unabhängige »autonome Gewalt«. Der tyrannische Staat löst sich von seinen Existenzbedingungen, die im symbiotischen Recht liegen. Als ein Sonderrecht der Konsoziationen tritt das symbiotische Recht in Opposition zum Unrecht des Staates, als das es sich im Spiegel der symbiotischen Rechtsordnung zeigt. Der rechtsförmige Charakter der Ausführungen zum politischen Widerstandsrecht in Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen überrascht angesichts der im Vorwort ausgegebenen Losung, die Politik von ihr wesensfremden Disziplinen und Methoden zu befreien. Die althusische Doktrin vom Widerstand versteht sich vor diesem Hintergrund keinesfalls als Revolutionstheorie; und auch der „revolutionäre“ Charakter, den Antholz insbesondere dem Kapitel 38 der Politica zuschreibt, weicht dem Eindruck einer Einhegung dessen, was an Dynamik im Widerstandsfall freigesetzt werden kann. Vielmehr stellt sich Althusius als »konservativer Neuerer« dar, sofern er Sicherheit durch Verfahren gewährleisten will. Als »Neuerer« fungiert er, wenn der oberste weltliche Herrscher in eine verfahrensmäßige Disziplin eingebunden wird. Das geordnete Widerstandsverfahren, welches sich an den Prinzipien von Verhältnismäßigkeit, Repräsentation und symbiotischer Ordnung bildet, soll verhindern helfen, dass das Gemeinwesen nachhaltig aus seiner konsozietalen Verfassung gerät. Gleichzeitig wohnt der verfahrensmäßigen Erfassung des Phänomens eine mathematisch anmutende Rationalisierung, eine starke Schematisierung, nicht zuletzt eine Optimierung der bestmöglichen Kosten-Nutzen-Kalkulation inne.632 Das von Althusius vorgestellte Widerstandsverfahren beabsichtigt, politische Entscheidungsfindungen methodisch zu lenken und politische Handlungsabläufe zu steuern. Diese Rationalisierung der Politik charakterisiert die Politica als typisches Zeugnis der Neuzeit. Gegen die Gefahr einer eigenen Logik sich verselbständigender Abläufe bietet der Autor das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der Pluralität der Widerstandsträger im Kollegium der Ephoren auf. 632  In diesem Sinne stand der Ausbau der Verwaltung im Mittelpunkt der politischen Organisation Deutschlands um 1600. Der Prozess von Bürokratisierung und Rationalisierung ist jedoch noch an die fürstlichen Höfe gebunden, der Ausbau von Zentral- und Lokalbehörden verstärkte zwar den verstärkten Zugriff des jeweiligen Landesherren, darf jedoch aufgrund der „relativ schwachen Kommunikationsmöglichkeiten nicht überschätzt werden“: Press 1991, 116, 119.

460

2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

In seiner Widerstandslehre verbürgt der Gelehrte sich für die Stärke seiner Herrschafts- und Gesellschaftsordnung. Darin bietet das Widerstandsrecht eine zusätzliche Säule der politischen Ordnung. In seiner bloßen Anerkennung liegt bereits eine disziplinierende Funktion gegenüber dem Summus magistratus, die auf der anderen Seite die Träger dieses Rechts in ihrer Stellung stärkt. Die wesentliche politische Funktion des Widerstandsrechts, das Althusius’ Lehre nach dem Dafürhalten Otfried Höffes für die Rechts- und Staatsphilosophie der Neuzeit urbar macht, liegt in der präventiven Wirkung gegenüber allen Versuchen, Grundannahmen politischer Ordnung außer Kraft zu setzen.633

§ 17 Schließende Mitteilungen über Politik, Staat und Gesellschaft In der communicatio, in der Mitteilung und Gewährung entsteht Gemeinschaft. Diese Aussage ist eine Grundannahme und Grunderfahrung menschlichen Denkens und Handelns. Johannes Althusius markiert die Kommunikation als zentrale Bedingung menschlicher Gemeinschaften. Bislang nehmen in der Forschungslitertur zur Politica die Kommunikation und ihre konstitutionelle Bedeutung für Staat und Gesellschaft allerdings nicht den Raum ein, der ihnen gebührt. Nach der Lehre des Staatsdenkers bezieht sich diese Mitteilung und Gewährung im Kern auf eine Gemeinschaft der Sachen, Dienstleistungen und Rechte. Als ausgearbeitete sog. Drei-Gemeinschaftenlehre stellt sie eine überzeitlich gültige Konzeption dar, in der sozialontologische Grundannahmen für jede Gemeinschaftsart aufgestellt sind. Althusius leitet daraus eine deontologische Form der Ethik ab, die auf die (wechselseitige) Erfüllung der Kommunikationspflichten durch die Symbioten und die Konsoziationen gleichermaßen ausgerichtet ist. Die Kommunikationenlehre erhebt einen normativen Anspruch an die Politik. Die drei Kommunikationsgemeinschaften sind Ursache und Wirkung der konsozietalen Vergesellschaftung und Verstaatlichung der Sym­ bioten zugleich. Im Titel der vorliegenden Untersuchungen »Staat und Kommunikation in der Politik des Johannes Althusius« wird durch die Konjunktion „und“, als das anreihende und zugleich ausschließende Element der Politiklehre, auf diesen wechselseitigen Bedingungszusammenhang abgestellt. Aufgabe der Politik stellt es dar, diese Kommunikationsgemeinschaften im allzumenschlichen Kampf um Kommunikationsanteile für den Auf- und Ausbau, schließlich für den Erhalt von Staat und Gesellschaft zu verwirkli633  Höffe

1994, 33.



§ 17 Schließende Mitteilungen über Politik, Staat und Gesellschaft 

461

chen. Dazu ist es zunächst erforderlich, einen Wortschatz des Politischen zu etablieren, da Sprache im Allgemeinen, im konfessionellen Zeitalter aber im Besonderen, Missverständnissen ausgesetzt ist. Nicht »wahr und falsch«, sondern »notwendig und nützlich« sollen die neuen politischen Begriffe sein. Althusius definiert daher grundlegende Vokabeln: Symbiot und Symbiose, Konsoziation und symbiotisches Recht, Souveränität und Administration, Ephoren und Summus Magistratus und viele andere mehr. Das dem Werk vorangestellte Schema der Politik veranschaulicht dabei die methodische Vorgehens- und Denkweise des Autors: dem einführenden, propädeutischen Kapitel über Gegenstand und Aufgabe der Politik(wissen­ schaft) folgt zunächst die Darlegung einer Gesellschaftslehre, die das poli­ tische Kommunikationsmodell des ersten Kapitels konkretisiert und ent­ faltet. Die Allgemeine Staatslehre beinhaltet – einem Aufbau von unten nach oben folgend  –, nach einer Kommunalverfassungs- und einer Provinzlehre, eine Lehre von der Souveränität (jus majestatis) und eine Staatsverfassungslehre, daran anschließend eine Staatsrechtslehre, die in die Darstellung der Staatsorganisation und einer Regierungslehre mündet. Um redundante Wiederholungen zu vermeiden, verfolgt Althusius eine Darstellungsökonomie der Ausklammerung. Aussagen, die Allgemeingültigkeit beanspruchen werden gleichsam vor die Klammer gezogen. Verbindendes Amalgam zwischen allen konsozietalen Gebilden sind die drei Kommunikationsgemeinschaften. Die Organisationstrukturen der Konsoziationen und die Verfahrensweisen innerhalb und zwischen den Konsoziationen werden darauf ausgerichtet. Dem strengen systema begegnet diese Untersuchung mit einer dynamischen, d. h. nicht die Kapitelfolge einhaltenden Interpretation. Sie gewichtet Ebenen und unterscheidet innerhalb der Ebenen nochmals verschiedene Stufen. Es versteht sich, dass das Kapitel über die allgemeine Souveränität (Kap. 9) politiktheoretisch nicht gleichwertig gehaltvoll und bedeutsam ist wie das Kapitel über die Gemeinschaft der Verwandten (Kap. 3). Deshalb wird etwa das kulturhistorisch so wirksame Thema der Sittenzensur, das ein eigenes Kapitel 30 einnimmt, entsprechend der Stellung im Schema in das Gesamtkonzept untergeordnet. Es zeigt in politiktheoretischer Hinsicht nur einen kleinen Ausschnitt aus der Praxis der Administration, wenn auch die soziale Wirklichkeit anders ausgesehen hat. Andererseits werden die für die Politische Theorie der Neuzeit so fundamental wichtigen (normativen) Themen Anthropologie, Bürgerrechte und Menschenwürde, Repräsentation oder auch die Ordnung der Wirtschaft und des Handels untersucht, obwohl sie vom Autor nicht im Schema systematisch ausgewiesen wurden. Im Wege von teleologischen Reduktionen lassen sie sich zu legitimen Untersuchungsgegenständen verdichten. Die communicatio ermöglicht es so durchaus, den Symbioten als ein zur Initiative fähiges Individuum zu erkennen.

462

2. Teil: Staatstheorie und politische Kommunikation

Die vorliegende monographische Untersuchung zur Politica kennzeichnet das Werk in Abgrenzung zu theologischen, philosophischen und juristischen Politiken als eine eigenständige politikwissenschaftliche Überzeugungsleistung des Autors für den Nutzen und die Notwendigkeit eines kommunikativ ausgerichteten Staates (consociatio universalis major) gegen absolutistische Machtstaatslehren und Territorialisierungstendenzen. Das Gesetz der Herrschaft und die Herrschaft des Gesetzes bedingen eine Administration der Gerechtigkeit (administratio justitiae) aufgrund freiwilliger Zustimmung. Althusius setzt in der Folge den quantitativen Schwerpunkt auf die institutionelle Ausgestaltung dieser administratio justitiae. Das anfängliche »Lehrbuch für den Politikstudenten« entwickelt sich zum »Handbuch der Verwaltung« fort. Diese mengenmäßige Gewichtung spiegeln die vorliegenden Untersuchungen angemessen wieder. Sie versuchen zugleich aufzuweisen, dass Althusius die (ideale) consociatio universalis major und seine mate­ riell-staatlichen (realen) Aufgaben durch eine ihr gemäße formelle Verwaltungsarchitektur zu verwirklichen sucht. In diesem Bemühen ist das Werk des Autors als eine originelle Leistung der Politikwissenschaft in der frühen Neuzeit zu charakterisieren. Es ist in seinen Grundannahmen eine umfassende und zusammenhängende Gesamtdokrin, deren Schlüssigkeit einer kritischen Prüfung weitestgehend standhält. Spannungsreich bleibt das Souveränitätsmodell, das zwischen seinsmäßiger Souveränität, d. h. der wirklichen Existenz des konkreten Gesamtszustandes politischer Einheit und Ordnung, und normativer Rechtsordnung, d. h. der gedachten Existenz der communio juris des symbiotischen Rechts in Form des allgemeinen (generale) und des besonderen (speciale) Souveränitätsrechts unterscheidet. Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive werden einige Forschungsbereiche in dieser Untersuchung nur marginal behandelt. Insoweit nimmt etwa die Ordnung der Wirtschaft und des Handels nur eine gewisse Bedeutung in der Politica ein. Es geht Althusius nicht um eine dem zeitgenössischen Horizont entsprechende empirisch-historische Darstellung der Ökonomie, sondern – reduktionistisch – lediglich um die Sekanten der politischen Ordnung (s. Kap. 30; III  42). Insbesondere aber wendet sich die Untersuchung gegen einen präjudiziellen Forschungsansatz, indem sie es vermeidet, in der Politica eine bloß vorläufige christliche, dezidiert calvinistische Ordnung wiederzufinden. Gegen das Übergewicht der calvinistischen Forschungsperspektive – auch wenn sie die historisch naheliegendste ist – versucht die vorliegende politikwissenschaftliche Arbeit durch Wortlautargumente, textstrategische Überlegungen, teleologische und bisweilen historische Argumentationslinien, den Leser von einer diesseitigen Verankerung des althusischen Staats- und Gesellschaftsaufbaus im politischen Denken zu überzeugen. Man nehme den Autor bei der Vorstellung seines Programms



§ 17 Schließende Mitteilungen über Politik, Staat und Gesellschaft 

463

in den beiden Vorworten ernst, wonach er die Theologie, demnach auch die calvinistische in die Schranken weist. Weltanschaulich sicher nicht neutral, ist die Politica unterdessen keinesfalls ein Produkt calvinistischer Orthodoxie. Althusius fordert mit seinem Werk das Politische für die Politikwissenschaft ein, um die Politik aus den theologischen, philosophischen und juristischen Fängen zu befreien! Dass die Politica rezeptionsgeschichtlich so wenig in Erscheinung tritt, liegt allerdings, so schwer es dem Verfasser dieser Untersuchung fällt, dann wohl doch im unergründlichen Ratschluss Gottes begründet. Die derzeit rege Althusiusforschung wird auch auf diesem Arbeitsfeld hoffentlich mit neuen Erkenntnissen überzeugen.

Synopse der Kapitelüberschriften Index capitum politicae 1610 (1 Seite à 33 Zeilen [mind.])

Pagum

 1

De generalibus politicae

1–9

8–15

 2

De privata domestica consociatione

9–22

De consociatione propinquorum

16–28

 3

De consociatione propinquorum

22–34

 4

De consociatione collegarum

29–35

 4

De consociatione collegarum

34–42

 5

De consociatione universitatis

35–54

 5

De consociatione universitas ejusque causis

42–57

 6

De civitatis speciebus & civium communicatione

57–70

 7

De juris provincialis communione

71–90

 8

De juris provincialis administratione

91–113

Index capitum politicae 1603 (1 Seite à 32 Zeilen)

Pagum

 1

De generalibus politicae

1–8

 2

De consociatione conjugali

 3

 6

De legibus fundamentalibus regni & jure majestatis ecclesiastico

54–65

 9

De jure majestatis ecclesiastico

114–133

 7

De jure majestatis regni ad disciplinam publicam externam pertinente

66–76

10

De lege ejusque exsecu­ tione

133–138

 8

De jure majestatis regni ad socialis vitae commoda compatanda & incommoda avertenda pertinente cuius species quatuor explicantur

76–88

11

De speciali jure seculari majestatis

138–142

 9

De collazione regni ordinaria

88–94

12

De collazione [membrorum] regni ordinaria

142–155

10

De collazione regni extraordinaria

95–98

13

De collatione [membrorum] regni extraordinaria

155–160

11

De muneribus personalibus regni

99–116

14

De muneribus personalibus regni

160–162



Synopse der Kapitelüberschriften Index capitum politicae 1603 (1 Seite à 32 Zeilen)

Pagum

12

De concessione ­privilegiorum in regno

116–121

13

De defensione Reipub. & 121–132 bonis illius & comitiis

465

Index capitum politicae 1610 (1 Seite à 33 Zeilen [mind.])

Pagum

15

De concessione privile­ giorum in regno [in universali consociatione]

162–166

16

De protectione universalis consociationis

167–174

17

De cura bonorum corporis 174–192 cosociati & comitiis

14

De Ephoris Reipub. eorumque officio & speciebus

132–167

18

De ephoris eorumque officio & speciebus

15

De regni commissione

167–196

19

De regni commissione

223–252

20

De promissione ­ bsequiorum & homagio o

252–262

16

De Lege ad quam suscepta administratio Repub. instituenda

196–216

21

De lege, ad quam Reip.  administratio est instituenda

262–287

17

Quatenus Magistratus legem propriam Judaeorum in usum revocare & in administratione Reipub. sequi possit

216–240

22

De usu legis propriae judaeorum [Quatenus magistrates legem propriam Judaeorum in usum revocare & in administratione Reipubl. sequi possit]

287–307

18

De natura & affectione populi

240–251

23

De natura & affectione populi

307–317

19

De affectione regni duplici ingenerata & conciliata accidentaria benevola

251–269

24

De natura & affectione regni duplici [ingenerata naturali conciliata accidentaria, benevola]

317–356

20

De affectione regni conciliata reverenti

270–284

25

De auctoritate summi magistratus

357–379

21

De usu, experientia & delectu magistratus

284–285

26

De usu, experientia & delectu summi magistarus

379–383

22

De consiliariis ­magistratus

286–299

27

De consiliariis summi magistratus

383–401

23

De administratione ecclesiastica

300–317

28

De administratione ecclesiastica

402–431

24

De sanctione legum & administratione justitiae

317–333

29

De sanctione legum & administratione justitiae

431–450

(Fortsetzung nächste Seite)

466

Synopse der Kapitelüberschriften

(Fortsetzung) Index capitum politicae 1610 (1 Seite à 33 Zeilen [mind.])

Pagum

30

De censura

450–459

341–352

31

De studio concordiae conservandae

459–476

De procurandis mediis ad 352–372 vitae socialis commoditates necessariis

32

De procurandis mediis ad vitae socialis commoditates necessariis [De administratione mediorum ad vitae socialis commoditates necessariorum]

476–509

33

De conciliis universalibus [universalis consociationes]

509–555

Index capitum politicae 1603 (1 Seite à 32 Zeilen)

Pagum

25

De censura

333–341

26

De studio concordiae conservandae

27

28

De cura & tractione armorum tempore pacis

372–392

34

De cura & tractione armo- 555–573 rum tempore pacis

29

De cura & administra­ tione armorum tempore belli & primum de belli susceptione

392–419

35

De cura & administratione 573–600 armorum tempore belli [De cura & administra­ tione armorum tempore belli & primum de belli susceptione]

30

De gestione & administratione belli

419–433

36

De gestione belli [De gestione & administratione belli]

600–617

31

De administratione civili rerum publicarum & privatarum

434–456

37

De administratione civili rerum publicarum & privatarum

617–650

38

De tyrannide ejusque remediis

650–691

39

De speciebus summi magistratus

692–715

32

De speciebus summi magistratus

456–469

Fundstellenverzeichnis Die römischen Ziffern bezeichnen die Kapitel der Politica, in der jeweiligen linken Spalte finden sich die §§ des Kapitels, in der jeweiligen rechte Spalte die den §§ entsprechenden Hinweise auf die Seitenzahlen in diesem Buch. I 1 2 3 4 5 6 6 ff. 7 8 9 10

10 ff. 10–20 11 11–12 11–18 12 13 14 15 17 18 19

44, 437 39, 62, 73, 80, 87, 91, 92, 255, 267 49, 54, 85, 92, 185, 292, 397, 412 45, 49, 54, 57, 80, 92, 183, 185, 253, 255 67, 81, 82, 114, 293 67, 73, 80, 87, 94, 257, 281 397 66, 68, 69, 71, 91, 94, 95, 275, 398 68, 94, 275, 276 68, 91, 96, 275, 276 65, 69, 80, 81, 88, 101, 121, 123, 130, 143, 162, 164, 180, 256, 277, 293, 362, 365, 397, 398, 401 275 276 87, 175, 339, 362, 366, 426 175 178 87, 112, 175, 176, 177, 179, 186, 192, 253, 267, 293 175, 184, 185, 190, 292, 293 100, 188, 389 276 55, 95, 283, 365, 378, 381, 435 301, 329, 335, 367, 413, 417, 454 65, 84, 85, 86, 102, 362, 366

19 f. 19 ff. 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 3 ff. 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 45 46

277 164 93, 95, 101, 186, 365, 366, 427 65, 78, 83, 84, 86, 102, 259, 293, 427 69, 70, 99, 101, 185 86 44, 56, 67, 188 44, 45, 58, 70, 185, 292 20, 46, 49, 55, 179, 183, 242 61, 63, 70, 87, 119, 223, 253, 254 58, 67, 188 58, 61, 73, 75, 78, 87, 91, 255, 256, 263, 266 399 44, 49, 58, 185, 270, 289, 292, 397 62, 80, 92, 257 46, 80, 119, 267 49, 67, 111, 188, 257, 258 70, 101, 179, 180, 181, 253, 254 20, 50, 93, 186, 188, 193, 253, 254, 258, 397 63, 64, 184, 397 51, 70, 175, 183, 184, 188, 253, 280, 360 57, 59, 175, 178, 188, 203, 258 52, 59, 175, 192, 370 175 177 276

468 II 1 2 3 4 5 6 6–9 7 10 11 12 13 14 15 15 ff. 16 16 ff. 16–36 17 18–28 19 20 27 28 32 33 34 35 36 37 39 43 44 45 45 f. 46 III 1–38 4 ff.

Fundstellenverzeichnis

66, 104 71, 73, 95, 103, 104, 105, 223, 259, 260 93, 105, 259 72, 260 73, 80, 259, 275 69, 80, 82, 84, 259 276 81 276 70, 71, 95 325, 435 104, 187 71, 92, 104 276 397 97 398 106, 397 400 276 95 92 95, 189, 398 395 395 136 95, 398 95, 397, 400, 402 61, 65, 398, 399 104 73 436 95, 101, 325, 397, 403 55, 259, 436 276 71, 92, 95, 104, 177, 178, 276, 403 104 105

16 20 34–37 37 38–41 39 39–41 40 40 f. 42 IV 1 2 3 4 6 7 8 9 10 12 12 ff. 12–14 13 14 15 16 16 f. 17 17–27 18 20 22 23 24 24 ff. 24–30

175 178, 260 276 95, 177, 276, 403 276 177, 260 104, 260 105, 179, 402, 436 436 27, 105, 106, 296, 397, 398, 462

62, 71, 177 73, 112, 260, 263 73, 79, 107, 114, 178, 324, 397 108, 397 70, 112, 113, 114, 175, 178, 381 114 110, 276 111, 276 111, 325 73, 111, 260 398 276 111 111, 113 114 70, 111, 112, 167, 178, 306, 378, 379, 380, 381 276 111, 112 116 113 78, 113, 372 70, 114 55, 92, 109, 178, 198, 260 107, 108, 109, 205, 208, 325, 387, 395 329 224, 396, 398

25 29 30 50–92 V vor 1 1 1–2 1–6 2 3 4 5 6–7 7 8 9 9–10 10 11 12 14 15 15–18 16 18 20 22 22–27 23 23–25 24 25

Fundstellenverzeichnis 108, 326 108 63, 74, 107, 108, 109, 216, 387, 394, 395, 398 208

66, 71, 80, 103, 118, 119, 262, 296 66, 72, 81, 104, 114, 118, 261, 293, 296, 364 297 117 104, 118, 181, 262, 326 112, 117, 176, 299 65, 66, 81, 84, 93, 96, 103, 115, 123, 153, 293, 297 69, 81, 82, 86, 101, 114, 261, 293 279 296, 297, 311, 312, 326 72, 82, 118, 261, 297, 298, 304, 310, 311, 326, 364 74, 118, 266, 298, 320, 326, 331 298 72, 73, 120, 229, 299 279 73, 81, 82, 114, 261, 298, 310 81, 277 277 310 73, 278 279, 310, 400 92, 278, 279, 400 198, 201, 278, 280, 293, 301, 307, 310 303 82, 201, 299, 301, 309, 364 301 201, 302 278, 301, 302, 307, 310, 327, 389

26 27 28 29–39 30–34 34 35–37 36 38 38 f. 39 40 41–47 42 43 45 48 49 50 51 51 f. 52 53 54 55 56 59 60 61 61 ff. 62 63 f. 64 64 f. 65 66 68 69 70

469 198, 201, 263, 301, 310 118, 261, 298, 299, 320, 327, 331 299, 302 302 303 189, 198, 200, 303 303 189, 200 304 303 189, 336 398 305 261, 262, 290, 301, 305 305, 398, 400 336 120, 261, 279, 327 198, 200, 201, 262, 307, 310, 336 198, 201, 293, 306, 307, 310 198, 289, 301, 302, 304, 307 227 308, 327, 336 198, 307 198, 199, 323 74, 153, 301, 327 84, 85, 201, 262, 299, 302, 327, 365, 380 308, 309, 310 198, 200, 307, 327 309 310 329 309 76, 78, 307, 387 387 306, 308 84, 200, 327, 365, 380, 387 201, 299, 302, 309, 327, 364 198, 307, 308, 310, 400 63, 300

470 70 ff. 70–84 71 71–84 73 74 75 ff. 76 78 80 82 84 VI 1–13 2 2 ff. 3–5 4 5 6 7 8 9–10 12 14 15 16 17 17–27 18 19 19–24 19–27 20 22 23 24 26–27 27 28

Fundstellenverzeichnis 400 262 279 295, 300, 363, 398 279 279 400 397 397 294 399 297

299 262, 288, 290, 299, 300, 306, 453 262 262 288 84, 262, 365 300 115, 215, 311, 314 100, 300 300 397 76, 122, 126, 166, 167, 311, 312, 326, 327 82, 115, 116, 120 59, 60, 191, 312 73, 117, 276 276, 310 117 117, 141, 397 400 400 117 117 280 117, 293, 310, 399 117 117 92, 115, 293

28–38 29 30 32 34 35 36 39 39–52 40 40 f. 40–43 41 41 f. 41–43 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 VII 1 2 3 3 ff. 6 7 8 8 ff. 9 10

276 308 198, 311, 400 65, 95, 189, 398, 399 116, 280 65, 74, 92, 101, 116 116 82, 116, 279, 310 276 57, 115, 167, 278 380 378 116, 227, 262, 269, 310 300 364 262, 379, 380, 453 74, 108, 153, 167, 261, 278, 284, 295, 299, 309, 310, 327, 380, 400 200, 201, 310 116 51, 92 51, 71, 156, 184, 280, 360, 384 73, 77, 167, 200, 211, 227, 262, 301, 304, 307, 310, 327, 378, 379 307 76, 153, 301, 327 70, 308, 376, 400 63, 200, 201, 205 74, 76, 122, 262, 311, 327 75, 90, 122, 263 62, 70, 82, 94, 96, 101, 121, 123, 276, 364 276 124 33 75, 92, 100 276 55, 71, 75 55, 75, 95, 282, 377, 401

11 11 ff. 12 12–57 13 14 14 ff. 15 16–17 17 18 19 20 22 24 26 26 f. 27 28 29 30 31 32 36 37 39 40 41 55 57 57–64 58 58–64 59 60 61 62 63 64

Fundstellenverzeichnis 92, 125, 262 364 74, 75, 100, 166, 167, 214, 262, 284 121 52, 92, 97, 203 70, 281 294 50, 52, 93, 186, 189, 397, 398 294 294 61, 70 52, 62, 75, 97 98, 106, 228, 397 70, 214 98 215, 310 365 398 74, 97, 203 397 111, 176, 207 55, 71 203, 294 232 188, 231, 232 203 75, 78, 203, 204, 207, 209, 228, 264, 291, 313, 329, 331, 395 209, 294 55 123, 311 167, 276 70, 125 166 125, 284, 295, 399, 400 125 95, 125 125, 397, 400 75, 125 94, 125, 276, 311, 319, 400

VIII 1 2 2–49 3 4 5 6 6–39 7 8 8 ff. 9 9 ff. 10 10 f. 11 14 16 17 18 18–22 21 22 23 24 24 ff. 25 26 28 31 31 f. 32 33 33 ff. 35 36

471

312, 336, 338, 339 72, 74, 108, 217, 221, 311, 313, 314, 315, 378, 379, 380, 381, 389, 396, 397 312 55, 56, 65, 78, 92, 93, 152, 186, 190, 208, 210, 293, 328, 355, 367, 395, 396 394 70, 153, 202, 207, 212, 217, 221, 328, 365, 396, 449 62, 116, 131, 210, 213, 294, 325, 327, 328 135, 216, 327 135 100 314 213, 327 213 213, 327 328, 329 308, 327 133, 134, 210, 294, 308 131, 210, 213, 294 317, 345 133, 134, 210 317 79, 214, 263, 308 210 131, 248, 294 133, 134, 308, 315, 317 282 131, 294 294 114, 213, 372 317 317 210, 317, 374 214, 314, 317 213 230, 248 214, 317

472 38 39 40 40–49 40 ff. 41 41 ff. 45 45 f. 45 ff. 45–48 46 48 49 50

50–92 51 52 53 53 ff. 53–55 55 56 56 ff. 57 58 61 61 f. 62 63 ff. 64 f. 64 ff. 64–70 65 65 ff.

Fundstellenverzeichnis 311 134, 135, 315, 317, 318 63, 75, 153, 206, 230, 231, 328, 397 216 394 166, 451 398, 449 216 166 397 121, 399 399 123, 206, 293, 401 121, 208, 216, 217, 227, 328, 396 76, 125, 167, 203, 206, 207, 208, 210, 211, 214, 215, 216, 217, 291, 313, 314, 315, 316, 317, 341, 363, 365, 376 312 205, 314 93, 152, 181, 186, 187, 203, 209, 395 71, 77, 211, 291, 378 364 210, 379 161, 207, 208, 211, 329, 449, 450 98, 315 316 85, 210, 240, 263, 264, 365, 378, 380, 408 205, 315, 378 70, 167, 316, 378 380, 381 380 347 376 217, 328 212, 316 212, 316, 363, 377, 378, 394 216

66 67 68 69 70 71 76 77–87 84 88 88–91 88–92 89 91 92 IX 1 1–2 2 3

3 ff. 4 4–12 5 6 7 7 ff. 8 9 10 10 f. 11

63, 216, 328 113, 207, 210, 224, 263, 313 202, 311 207, 210 114, 202, 213, 372 140, 215, 231, 311, 314, 319 314 202 209 77, 204, 209 211 426 223 77, 209, 413, 449, 453 450, 456

47, 94, 149, 167, 195, 264, 265, 276, 279, 437 185 92, 94, 123, 142, 264, 277, 293 22, 47, 64, 66, 76, 105, 126, 128, 129, 143, 146, 147, 148, 154, 228, 265, 266, 285, 286, 319, 326 276 67, 147, 286, 337, 338 398 72, 76, 128, 154, 167, 226, 228, 265, 266, 267, 280, 290, 319, 326 129, 275 77, 78, 79, 126, 155, 156, 265, 266, 268, 276, 450 167 51, 76, 79, 156, 266, 275, 346, 379 397, 398, 399 188, 400, 401 269 67, 167, 232, 289

12 13 13–15 14 15 16 17 18 19 19 ff. 21 21 f. 22 23 24 25 26 27 27–45 28 29 31 31 ff. 31–45 32 33 35 f. 37 38 38–40 39 41 42

Fundstellenverzeichnis 51, 76, 144, 190, 277, 346, 379, 397 139, 142, 279 166 142, 289, 381 128, 139, 143, 144, 155, 157, 162, 277, 293, 362, 371, 379, 380, 381, 384, 397 149, 155, 171, 195, 236 150, 155, 172, 195, 268, 442, 443 144, 149, 150, 174, 335, 367, 377, 433 139, 140, 158, 162, 170, 190, 385 362 160, 194, 362, 364, 378, 388, 417, 421, 426 383 193 149, 158 124, 157, 158, 159, 161, 170, 240, 332, 335, 337, 338, 355, 367, 377, 385, 388 105, 147, 176, 179 147 160, 161, 171, 208, 336, 340, 341, 364, 385 135, 341 389 336, 338, 340 86, 163, 336 341 248 131, 248 164, 171 341 135 294, 342 294 57, 231 94, 124, 134, 135, 250 132, 136

42 ff. 43 45 X vor 1 1 2 3 3 f. 3 ff. 3–4 4

473 341 93, 132, 134, 295, 363, 384 33, 93, 130, 132, 136, 137, 295, 363

9 11

336 164, 171, 446 85, 171, 336, 361, 373, 377 265, 267, 277, 377, 388 379 446 364 83, 164, 165, 171, 266, 277, 334, 367, 377, 381 55, 82, 93, 95, 282, 363, 377, 401 86, 99, 276, 283 46, 57, 59, 83, 86, 88, 130, 165, 192, 277, 283, 343, 346, 361, 362, 376, 378 165, 378, 446 284, 378, 382

XI vor 1 1 1–12 1–17 2 3 3 ff. 4 4–12 5 5 ff. 5–12 7 8–12 13–15 14 16 16 f.

336 166, 368 398 373 165, 167, 171, 378 166, 170, 281, 368, 397 397 166, 170 373 168, 397, 399 397 166 129, 168, 397, 399 399 373 402 166 373

6 7 8

474

Fundstellenverzeichnis

17 ff. 17–20 17–22 18 f. 19 20 21 23 23 ff. 26 27 27 ff. 33 ff. 35 35–39 37 37 ff. 38

276, 373 276 166 276 167, 361, 384, 385, 427 69 399, 402 96 403 403 167, 361, 363 403 361 361, 363 167 323, 367, 385 403 363, 403

XII 2 11 12 16 17

166, 363 403 402, 403, 423 400, 401 166

XIII 2 4 5 5 f. 11 15 16

399, 400 167, 378 166, 167, 310 400 400 166, 310, 403 134, 341, 400

XIV 1 2 4 ff. 6 6 ff. 9 10

97, 402 166, 190 401 450 231 450 306

XV 2 7 8 11 12 13 14

97, 332, 365, 378 97, 167, 293, 361, 363, 384 58 58, 363 97, 204 203, 398 166, 204

XVI vor 1 vor 1–4 1 2 3 4 5 5–11 8 8 f. 8 ff. 8–11 9 9 f. 10 11 12 12 f. 12 ff. 12–15 13 13 f. 13 ff. 14 15 16–18 17

96, 170, 368, 373 373 166, 168, 368 94, 96, 190 401 373, 397, 399, 401, 402 242 168 382, 383 379 378 168, 380, 382 333 382 162, 333, 382, 385, 388 297, 385 397 363 295, 399, 401 168, 373, 400 295, 402 283 399 168, 401 295, 399, 400, 402 168, 373 93, 169, 295, 363, 383, 391

XVII 1 1 ff. 1–24 2

96, 168 400 399 96, 401

3 14 15 23 24

Fundstellenverzeichnis

61 67 f. 70 83

168 96 93, 96, 116, 267 188, 397, 399, 400, 401 96, 116, 269, 270, 276, 400, 401 157, 270, 271, 291 292 157, 271 119, 172, 272, 276 92, 272, 273, 276, 278, 284, 399, 402 270, 272 271 271, 402 271 276 272 150, 272, 273, 297, 333, 380, 392 157, 268, 273, 274, 379 237, 270, 393 268 368 332 272, 327, 332, 373 172, 332, 368, 386, 403 365 332, 333, 368 297 152, 226, 240, 324, 325, 328, 332, 334, 335, 355, 366, 367, 377, 386 162, 382 365 327 365

XVIII vor 1 1 1–47 2

164, 336, 337, 340 340 228, 339 190, 338

25 25–54 26 27 28 29 30 31 32 33 33–40 40 41 48 54 55 55 ff. 55–61 56 56–60 57 59 60

3 4 5 6 7 8 9 10 11 11 ff. 11–13 11–14 12 14 15 16 16 f. 17 18 20 21 22 22–24 23 24 25 26 26 f. 28 28 f. 28–46 29 30 31 31 f. 32 32 ff.

475 226, 228, 232, 338, 450 192 233, 451 219, 331, 451 181, 192, 203, 224, 235, 331 148, 196 150, 153, 185, 194 147, 149, 185, 196, 232, 236, 238, 323, 325, 332, 364, 370 153, 223, 228, 324, 330 325 176 324 152, 221, 319, 329, 330 153, 320, 330 170, 237, 283, 325, 423 93, 181, 185, 186, 197, 232 190 152, 181, 232 51, 59, 73, 88, 90, 128, 181, 182, 185, 195, 197, 254, 320, 414, 421 84, 182, 195, 196, 226 182, 187, 245, 255, 270, 357, 375, 385 84, 175, 179, 182, 188, 254, 339 253 187 187 58, 99, 190, 192, 203, 225, 235, 236, 237, 450 223, 236, 327, 330 150 150, 342, 364 337 239 139, 149, 150, 236 150, 155, 378 337, 361, 397, 414 364 61, 337 342

476 32–46 35 35 f. 36 38 39 40 41 42 42 f. 43 44 f. 46 47

Fundstellenverzeichnis

370 362, 364 192, 337 361, 362 183 337, 338 179 335, 337, 449, 450 449 226 337, 402, 437 196 370 50, 178, 219, 225, 226, 235, 239, 450 48 223, 225, 232, 330, 365, 371, 385, 437, 450, 451 48–124 220, 228 221, 224, 450 49 50 220, 428 51 339 52 229, 230, 450 52 f. 233 53 450 220, 224, 371, 385, 402 54 55 226, 414, 449 152, 221, 222, 226, 228, 232, 56 323, 331, 335 330 56 f. 57 130, 153, 223, 229, 249, 330, 450 226 58 86, 184, 196, 197, 226, 228, 59 229, 233, 235, 236, 323, 330 152, 230, 232, 323, 449 60 224, 330, 448 62 221, 225, 371, 385, 414, 418, 63 440, 452 339, 371, 427, 447 63 ff. 64 224, 225, 339, 418, 443 221, 225, 385, 441, 446 65 65 f. 383 65 ff. 378

65–67 65–85 66 66 ff. 67 68 69 70 71 72

441 225 225 442 221, 451 221, 225, 308, 377, 385 157, 162, 208, 222, 362 219, 222, 223, 339, 385, 438 222 189, 221, 385, 386, 388, 398, 399 73 153, 223, 224, 330, 335 74 223 222 75 76 229, 450 77 224 79 225 80 162, 210 219, 222, 367, 376, 451 81 428, 441 82 150, 151, 385, 438 83 29, 225, 418, 443 84 84 f. 414 339 84 ff. 443 85 86 402, 418 86 f. 225 88 225, 339, 428 89 206, 225, 368 90 203, 221, 222 90–92 426 223, 385, 387, 449, 450 91 176, 330, 335, 448, 451 92 92 ff. 239, 325 92–106 162, 241 149, 236, 327 93 93–95 342 342 94 94 f. 335, 337 95 454 96 182, 221, 238 98 162, 378, 388



Fundstellenverzeichnis

99 100 f. 101 102 104

385 223 34, 239, 240, 248, 327 220, 237, 389 140, 149, 155, 237, 239, 257, 389 105, 179, 436 105 106 105, 164, 370 108 229 108 f. 224 230 109 109 ff. 221 203, 219, 222, 229, 230, 233, 110 235, 447, 450 110 f. 447 111 223, 224, 231, 235, 262, 450 111 f. 208, 222 112 161, 207, 210, 211, 212, 214, 224, 291 29, 108, 206, 217, 224, 370, 113 385, 387, 394, 396, 450 114–122 450 220, 369, 450, 452 123 149, 169, 173, 220, 226, 270, 124 414, 437, 450, 457 XIX 1 2 3 4 5 6 7 9 10 11 12 13 14 15 16 ff. 18

80, 338, 339 143, 149, 155 150, 151 237 124, 194, 222, 242, 394 174, 237, 238, 433 237 240 63, 180 89, 197 149 176, 240 174, 237, 377 238, 239 345 240

19 21 23 24 ff. 25 26 26 f. 26 ff. 27 28 29 30 32 33 35 35 f. 36 38 38 f. 39 39 ff. 39–46 48 49 49–55 51 51–69 56 58 59 68 f. 69 70 71 72 73 74 75 76

477 149 53, 178, 181, 237, 240, 378, 379, 381, 389 174, 179, 238 225 181 330 221 335 230, 241 241, 344 88, 241, 242 174, 241, 388 169, 437 88, 240, 367 240, 370 421 63 241 174 135, 173, 241, 435 173 241 236, 240, 387 172, 173, 238, 264, 267, 377, 383 173 362 162, 241 402, 403 160, 240, 383 226, 375, 376, 420 225 20, 84, 193, 236, 242, 252, 337, 343, 435 206, 243 243 150, 243 111, 232, 243 85, 201, 443 85, 244 245, 279, 291

478 77 78 78–91 87 90 90 f. 91 92 97 98 101 103 f. 104 XX 1 2 3 5 6 7 9 11 12 13 14 16 18 19 20 21

Fundstellenverzeichnis 176, 245 111 245 33, 134, 135, 246 244, 245, 438 232 243, 245 242 195, 242 195, 242, 246, 329, 335 246 247 181

30

239 191, 454 432 239 329, 335 98, 276, 371, 397 283, 423 196, 430, 441 430 195 196, 441 195 276 169, 426, 434 150, 442 239, 337, 383, 410, 413, 414, 428, 434, 449, 450 426

XXI vor 1 2 3 5 5 ff. 6 7

340 338 29, 304, 320, 340, 397 239, 340, 341, 344 339 344, 353 31, 38, 45, 52, 138, 397

9 10 11 12 12 ff. 13 14 15 16 17 18 19 19 ff. 20 21 22 24 26 28 29 30 30 ff. 31 32 32 f. 32–33 33 34 41

35, 38, 46 339, 346, 353 344, 353 44, 348, 402 294 43 44 339, 345 89, 339 353 81, 87, 89 83, 87, 88, 344 426 50, 83, 89, 344 21, 50, 249, 346 83 344 89 50 83, 88, 89, 344 82, 88, 346, 375, 377 437 21, 84, 87, 344, 345 83, 86, 343, 344, 427 346 376 86, 87, 344, 346 346 57, 83, 130, 343, 344

XXIII 3 12 14 15 19 f. 20 21–37 22 24 25 27

60, 347 347 60 52, 152, 153, 399 347 347, 376 151 182, 399 397 151 152, 360, 397



Fundstellenverzeichnis

31 32 ff. 33 34 36 38 40–65 58

349, 353, 354 347 52, 347, 369 152, 360, 397, 398 152, 355 369 347 350

XXIV 1 1 f. 2 3 3 ff. 3–7 5 6 7 8 ff. 10 13 14 15 ff. 16 18 20 21 23 30 31 33 f. 35 36 37 38 40 41 42 43 43–45 45

348 348 358 186, 193 348 349 188 151 188, 358 349 240 188, 350, 400 351 349 50 191 399 350 385 385, 403 350, 399 353 401, 402 96 150, 402 195, 240, 337 245 52, 226, 350 67, 184, 332, 333, 389 29 176 325

48 49

479 342, 362, 365 84, 160, 161, 173, 342, 377, 383

XXV 2 3 4 7 11 12 12 f. 14 16 17 20 f. 20–22 21 25–48 49 50 50 f. 51 63 65

141, 350 350 338, 339 352 348 67, 237 351 388 399 351, 391 269 271 399, 402 352 353 152, 350, 352, 360 352 353 294, 352 52, 151, 152, 186, 349

XXVI 1 3 5 7 8 9 10 12

353 353 353 52, 354 354 353 353, 354 354

XXVII 1 6 6 ff. 6–9 8 10–26

340 356, 389 231 206 294 356

480 27 30 31 f. 33 34 35 41 43 43 f. 44 46–48 47 48 48 f. 49 53 54 55 57 64 68 73 XXVIII vor 1 1 2 3 4 4 ff. 5 6 7 11 12 15 15–24 17 f. 18 19 20–24

Fundstellenverzeichnis 156, 356 156, 356 355 156, 356 52, 206, 294, 324, 355 356 355 156, 332, 365, 368, 376, 403 332 332, 333, 339, 356, 368 355 401 355 380 216, 284, 332, 368 152, 354, 355, 367 354 355 284, 369, 454 284, 355 156 356

340 242, 320, 340, 341, 373 340, 341, 342 340, 341 32, 341 340 133, 134, 250, 341, 342, 374, 389 135 249, 250 420 33, 137 135, 247 247, 377 249 242, 249, 330, 436 226, 330, 436, 449, 450, 455 249

21 22 23 24 25 27 27 f. 28 f. 29 29 ff. 30 32 33 33–36 39 44 46 48 49 50 51 52 53 53–55 54 57 58 59 60 62 62–66 63 63 f. 65 66

210 197, 210, 247 210, 249, 436 436, 437 294 133 375 381 380 214 213 135, 247 282, 294 131, 294 33 133, 134 133, 134, 342 106, 133, 135, 248, 375 50 18, 250, 375 131 94, 132, 134, 136 136, 402 136 136, 400, 401 134, 136 135, 136, 381, 382 133 132, 136 93, 135 33 134, 135, 284, 341 250 132, 136, 248, 284, 341 18, 33, 93, 135, 137

XXIX 1 2 2 ff. 3 3 ff.

143, 162, 364, 373 26, 370, 384, 385, 389, 394 337 170, 373, 398 375

4 4–60 5 7 8 9 10 11 12 13 15 18 19 22 23 24 26 29 29–60 30 31 36–38 37 38 39 39 f. 40 40 f. 41 42 43 43 ff. 44 46 49 57 57 f. 57 ff. 58 60

Fundstellenverzeichnis 365, 375, 376, 377, 396 373 50, 364 32, 130 365, 376, 396 173, 174, 365, 377 402 166, 167, 397, 401 400 100, 116, 293, 361, 363, 365, 366, 375 366, 375 382 53, 61 385, 388 139 204 366, 375 362, 363, 380 378 387 381 380 380 380 385, 387 388 152, 355, 367, 379, 380, 381 380 382 213, 379, 380, 382 213, 380 380 213, 311, 321, 381, 385, 388, 398 379, 381 283, 381 283, 380, 382 382 380 333, 334, 382 333, 382

481

XXX 1 2 4 6 7 9 11 11 ff. 13 15 15 ff. 16 17 18 f. 19 20 20 f. 22 23 24 ff. 25–28 27 28 29 30 31 50

374 250 374 402 402 374, 375 62, 279, 369, 374 402 61 62, 375 402 283, 366, 371 374 399 70, 183, 374, 399 133 375 402 215 374 133 61 210, 213, 374, 381 349, 374 295, 347, 375 348, 354 380

XXXI 1 2 3 4 4 ff. 5 6 ff. 10 11 12 16 18

287, 437 50, 293, 398 269 53 392 53 428 53, 391 391 53 293, 399 402

482

Fundstellenverzeichnis

23 26 29 ff. 30 f. 32 32–34 41 43 70 71 71 ff. 72–74 73 75 ff. 77

399 382 449 354 346 373 399 332 169 53, 349 169 391 168, 283, 449 269 271

XXXII vor 1 1 1 ff. 1–30 3 3 ff. 4 6 6 f. 7 9 13 14 ff. 20 20 f. 20 ff. 26 27 31 32–34 33 34 35–61 36 36 ff. 37

166, 170, 373 399, 400 399 166 400, 401 399, 400 397, 399, 402 400 397, 400 400 397, 400, 401 58, 397, 399, 400 400 400, 401 397 399, 401 400, 401 400, 401 373 166 379, 381 139 166, 373 379 388 294

39 ff. 44 44–47 45 47 48 50 56 ff. 57 58 61 61 ff. 63 63 ff. 65 66 f. 67 69 70 71 72 74 76 77 78 78 ff. 80 82 ff. 82–84 83 85 85 ff. 86 88 89 92 92 ff. 92–94 93 94 95 97

321 321, 331 321 235 161, 387 106, 250 378, 379, 380 394, 397 395 386, 398 400 397 110, 400 399 400, 401 400 60, 400 60 401 115, 121, 401 106 397, 399 400 399 97, 166, 332, 403 403 402 373 166 294 109, 110, 394 373 400 306 78, 205, 235, 247 161, 200, 322, 394 381 166, 305 161, 321, 322, 378 211, 322 67 323



Fundstellenverzeichnis

XXXIII 1 3 4 5–10 6 ff. 10 10 ff. 11 15 15 f. 16 20

332, 333 33, 212, 332, 365, 399 332, 333 333 224 333, 377, 380 347 329, 332 283, 332, 347, 386 378, 380 332 152, 221, 327, 328, 335, 355, 367 23 33 30 24 28 223, 327, 335 30 33, 182, 229, 235, 269, 324, 332, 334 221 67 77 328 89 329, 331 93 ff. 234, 314 94 72, 76, 234, 265, 326 380 111 121 388 368 122 122–128 274 122 ff. 333 124–127 273 223, 269, 274 125 127 392 130 ff. 328 XXXIV 1 2 3 4 5 6 f. 12

390 390 390 389, 390, 401, 435 390 390 390

483

26 28 ff. 38 39 49

390 390 390 391 390, 391

XXXV 1 2 4 4 ff. 5 6 7 8 9 11 12–16 17 18 28 29 ff. 38 52 66 f. 90

283, 390 390, 391 393 391 391, 393 389, 391 393 391, 428 390, 391, 392, 453 391, 393 393 391 391 390 351 390 351, 391 390 391

XXXVI 13 40 42 43 44 45 57 59 59–67 60 61 ff. 62 69

393 393 393 393, 423 393 391, 392 393 393 391 390 393 237, 393 394

484 XXXVII 1 1 ff. 1–78 2 3 ff. 4 ff. 11 17 23 25 26 ff. 38 38 ff. 39 ff. 44 45 46 48 48–50 51 54 59 61 62 62 f. 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 76 77 79 80

Fundstellenverzeichnis

149 277 340 96 399 402 321 166 321 301, 320, 323 399, 400 116, 293, 361, 397 293 363 310 204 97 209, 242 149 310 97 341, 402 96 321 321 226, 449 172, 397 349 25 25 25, 53, 58, 77, 200, 212, 235, 359, 363, 376, 387, 395, 400, 402 50 395 320, 321 206, 356 321 172 277, 339, 435 373

283, 349, 373, 383 82 361, 397 83 ff. 83–91 116, 363 53, 320 93 369, 400, 402 97 98 ff. 295 98–115 340 99 ff. 363, 401 99–100 282 99–115 377 134, 282 100 101 168, 282, 295 102–104 371 103 f. 282, 371 103–112 382 70 104 105 294, 295, 371 105–106 282, 371 107 ff. 401 107–110 283 107–115 149 111 ff. 400 111–115 371 371 112 112–115 371 115 71, 186, 371, 372, 398 118 383 XXXVIII 404 vor 1 1 419 1 ff. 433 414 1–26 1–27 412, 429 2 455 220, 419, 420, 447, 455 3 196, 352, 374, 422, 430, 441 4 420 5 6 136, 137, 173, 174, 249, 365, 420, 421 217, 420, 421 7 8 136, 249, 420

8–9 9 10 10–25 11 11–20 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 21 ff. 22 23 24 f. 25 27 28 28 ff. 28–45 29 29 ff. 30 31 32 32 ff. 32–34 33 33 f. 33–34 34 35 35 f. 36 37

Fundstellenverzeichnis 421 378, 404 421 421 33, 136, 137, 422 422 294, 422 422 422 422 127, 306, 422, 452 109, 110, 423 402, 403, 423 95, 385, 423 284, 334, 368, 369, 423, 454 124, 127, 296, 306, 423, 452 277 423 403, 423 424 397, 401, 423 414, 415, 428 439, 448, 452 439 430 428 418 430, 448 417, 430, 432, 434, 437, 454 377, 430, 435, 436, 437, 454, 455 432 436 377, 432, 436, 437 249, 434 431, 436 195, 210, 392, 403, 437, 447 223, 330, 335, 431, 437, 448 410 174, 177, 431, 432, 433, 436 127, 431, 432, 434, 435, 444, 456

37–40 38 39 39 f. 39–40 40 41 41–43 42 43 44–45 45 46 47 48 49 50 51 52 53 53 f. 54 55 56 56–60 57 58 59 60 61 61–62 62 63 64 65 65 ff. 66 67 68

485 432 293, 361, 431, 432, 434, 436, 450 432, 455 433 431, 437 432, 434, 454 431, 435, 454 450 431 220, 431, 437, 452 431 422, 448 428, 439 437, 448 445, 453, 454 454 440, 448 448 390, 440, 450, 453 224, 440, 451, 453 451 224, 306, 440, 448, 453 160, 247, 440, 448 415 439 162, 220, 224, 383, 426, 437, 440, 448, 451, 452, 454 330 427 162, 441, 448 427, 442, 448 439 270, 420, 427, 453 439, 443 418 248, 249, 415, 449, 453, 454, 457 453 160, 161, 383, 449, 455 435, 442, 450, 453, 454, 455, 456 415, 418, 449, 454

486 69 70 70 ff. 71–75 71 ff. 73 74 74 f. 75 76

Fundstellenverzeichnis

240, 244, 245, 443 441, 447, 455 447 222, 447, 458 224 162, 224 222 222 438 79, 150, 268, 306, 390, 442, 443, 453 76–80 269 77 419 77 f. 176 78 89, 413, 438, 449, 450, 459 270, 445, 450, 456 79 79 f. 455 451 80 210 81 82 442 83–91 293, 361 441, 447, 455 84 85 181 85–134 447 392, 412 86 176 87 88 ff. 459 442 91 221, 225, 378, 383 93 422, 430, 441 96 454 97 417 99 430 99 f. 99–100 454 100 417, 455 448 101 102 454 438 106 71, 422, 430, 435, 441, 455 107 426, 440, 454 108 109 410 110 270, 306, 390, 450, 453

127 111 112–123 394 123 69, 129, 185, 188, 220, 224 426, 440, 449, 450, 451, 454 124 124 ff. 418 124–130 162 125 220, 222 128 245 129 264 157, 159, 183, 198 130 131 102, 143, 162, 293 131 ff. 419 132 268 124, 296, 306, 452 133 449 134 XXXIX vor 1 2 3 6 7 7–9 8 8 f. 9 10 12 13 14 15 16 18 18 f. 21 23 30 32 33 34

356 224 212, 213, 356 357 358 224 83, 161, 224, 237, 433, 453 358 333 205, 207, 208, 209, 216, 358 357 334 208, 334, 357 56 140 386 150 358 27, 41, 56, 69, 106, 129, 141, 185, 205, 212, 224, 289, 357, 386 356 356, 358 386 325, 335, 357

36 39 40 40 f. 41 47 48 48–51 50 51 52 53 55 57 57 ff. 58 60 61 63 64

Fundstellenverzeichnis 150, 170, 356 242, 378, 379, 386 351 358 356 67, 357 246 245 245, 246 243 220, 452 150 287 287, 334, 359 246, 338 114, 209, 220, 334, 359, 452 360 51, 281, 357, 358 204, 235, 359 359

66 68 69 71 72 74 75 75–82 77 78–81 81 f. 83 84

84 f. 85 85 f. 86

487 358 233 351, 359, 360 458 351, 358 204, 207, 209, 235, 359 360 358 287 360 360 27, 404, 458 27, 105, 123, 138, 181, 194, 207, 208, 210, 212, 252, 253, 259, 265, 266, 319, 325, 329, 335, 358 379 19, 48, 357 358 46

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Personen- und Sachregister Abbé Sieyès  189 Absetzung  225, 240, 245, 322, 338 f., 408, 437, 439, 452 Absolutismus  31, 206, 352, 361, 370, 381, 383, 405, 425, 447 Abstimmung  76, 78, 111, 113 f., 145, 178, 204, 213, 227, 234 f., 310, 359, 440 Achterberg, N.  221, 388 Administratio justitiae  337, 363, 374, 462 Administration  9, 12, 124, 146, 148, 192, 196, 204, 207, 261, 271, 283 f., 289, 305, 311 f., 317, 321, 323, 336–342, 346, 351, 354, 361, 363, 370 f., 373, 375, 379, 384–389, 435, 461 f., 464 ff. Adorno, Th.  41 Aequabilitas  88, 156, 164, 280, 370 Aequalitas  51, 71, 184, 281, 360 Aequitas  88, 156, 164, 280, 370 Alciatus, A.  118 Allgemeine Staatslehre  23, 28, 119, 123, 137 ff., 146, 169, 189, 197, 199, 209, 234, 236, 285, 313, 336, 340, 357, 384, 402, 413, 461 Allzuständigkeit  304, 368 Amman, J.  395 Ammirato, Sc.  32, 34, 350, 354 Anarchie  187, 243, 253, 360 Andreae, V.  22, 106 Animal sociale  28, 49, 55, 180 Antholz, H. W.  15, 26, 28, 34, 94, 123, 145, 166, 311, 318, 411, 431, 459 Anthropologie  35, 49 f., 56, 61, 179, 461 Appellationsgericht  168, 297, 334, 382 f., 392, 413

Arbeitsethos  58, 61, 369, 375, 402 Arcanpolitik  35, 139, 350, 354, 414 Arendt, H.  57, 107, 404, 446 Aristoteles  18, 22, 34 ff., 39, 49, 56 f., 60, 67, 86, 91, 99, 105, 128, 165, 183, 185, 189, 218, 231, 240, 257 f., 286 ff., 305, 319, 347, 351, 353, 359, 361, 366 f., 406 f., 412, 414, 417, 419, 423 f., 447 Arnisaeus, H.  162, 356, 419 Augsburger Religionsfriede  202, 246, 315, 384 Augustinus  18, 29, 87, 145, 147, 153, 179 f., 184, 288, 366, 414, 416 f., 421 Autarkie  85, 89, 102, 114, 121, 123, 125 f., 130, 138, 143, 162, 194, 232, 292 f., 297, 365, 401 Autonomie  34, 79, 89, 111 f., 121 f., 126, 133, 285, 302, 381 Ayala, B.  392 Azo  320 Bacon, F.  20, 36, 47 Baldus de Ubaldis  118, 319, 407, 414 Barclay, W.  30, 42, 127, 162, 195, 210, 241, 242, 245, 247, 249, 288, 325, 358, 376, 385, 410, 438, 453 Bartholomäusnacht  136, 241 Bartolus v. Sassoferrato  118, 145, 201, 286, 298, 319, 407, 414, 417, 424 Baruzzi, A.  156 Bauer, F.  453 Bauer, W. M.  422 Beamte  90, 97 f., 207, 235, 306, 352, 356 Beccaria, J.  162, 394 Behnen, M.  441

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Personen- und Sachregister

Beitritt  270, 274 Bekenntnis  18, 21, 33, 58, 86, 132, 134–137, 246, 315 Bekenntnisfreiheit  93, 132, 135, 284, 295, 300 Bellarmin, R.  30 Benrath, G. A.  28, 40 Beratung  25, 43, 114, 199, 207, 213, 227, 304, 316 f., 332, 334, 350, 355, 358, 368, 423, 441 Berg-Schlosser, D.  48 Bermbach, U.  410, 416 Bertram, K. F.  412 Berve, H.  217 Beza, Th.  33, 410 Bianchin, L.  374 Bibel  21 f., 32, 49 siehe auch Hl. Schrift Bildung  44, 55, 57, 59, 97, 131, 164, 184, 231, 248, 250, 282, 294, 342, 345, 422 Bios politikos  56 Bios theoretikos  57 Bloch, E.  87, 145, 435 Böckenförde, E. W.  49, 86 ff., 91, 145, 179, 197, 246, 362, 458 Bodin, J.  11, 17, 30 f., 36 f., 42, 67, 136, 139, 142, 145 f., 153, 157–162, 195, 237, 251 f., 256, 271, 288, 322, 357, 362, 376, 385, 411, 416 f., 418, 421 Boerius, N.  211 Boldt, H.  18, 118, 121, 202, 215, 217, 234, 334, 379, 384, 394 Bomke, W.  422 Bornitz, J.  139, 145, 160 Bosl, K.  110, 114, 118, 233, 408 Botero, G.  32, 34, 45, 288, 300, 348, 350, 354, 384 Brenz, J.  33 Brox, H.  41 Brunner, O.  15, 191, 328, 330, 408 f., 415 Bruno, G.  20

Brutus  410, 418, 438 Bucer, M.  33 Buchanan, G.  410 Büchner, K.  406, 414 Bundesstaat  272 f., 290 ff. Bundestreue  79, 268, 443, 450 Bundeszwang  79, 450 Bündnis  23, 119, 157, 169, 170, 172, 210, 260, 268–274, 278 f., 292, 297, 318, 351, 378 f., 390 ff., 408, 449 Bündnisrecht  170, 210, 269, 271 Bürger  9, 12, 20, 35, 49, 51, 53, 56 f., 59, 61, 69, 71, 73 f., 76 ff., 81, 87, 91, 97, 99, 101, 107, 115 ff., 120, 141, 144 f., 153, 161, 174, 184, 186, 189, 194, 199 ff., 203, 221, 225–232, 253, 255 f., 260 f., 264, 266, 273, 277–281, 284, 294 f., 301 f., 307, 310, 323 f., 327, 330 f., 342, 354, 356, 359, 362 f., 366 f., 372, 374 f., 377, 385, 389 f., 398, 416, 438, 440, 448, 453 Bürgermeister  200, 205, 262, 301, 303 f. 307 ff., 327, 336, 387 Bürgerrecht  73, 81 f., 95, 261, 277–281, 461 Bürokratie  116, 289, 297, 355, 361 Caesar  415 Calderón de la Barca, P.  405 Caligula  421 Calvin, J.  29, 33, 97, 133, 145, 179 f., 210, 218 f., 308, 315, 409 f., 416 f. Calvinismus  135, 343, 409 Campanella, Th.  36, 47 Canaris, C.-W.  400 Canfora, L.  415 Cardauns, L.  409 f., 417 Carney, F.  S.  24, 68 f., 71, 81, 100, 113, 146 f., 241, 352, 443, 446 Cassirer, E.  20, 43 Cassius Dio  250 Castro, P. de  118, 145



Personen- und Sachregister

Christ, Christen  18, 83 f., 108, 115, 132, 136, 178, 203, 389, 406, 437 Christ, K.  234, 359 Christenheit, -tum  129 f., 132, 318, 406 Christian II. von Dänemark  422 Cicero, M. T.  18, 22, 44, 67 f., 91, 99, 147, 153 f., 163, 165, 218, 246, 257, 284, 287 f., 351, 353, 366, 369, 406, 414 Cinna, L. C.  415 Cisner, N.  382 Civitas  59 f., 67, 73 f., 82, 107, 109, 116, 120, 127, 147, 153, 184, 216, 230, 246, 257, 262, 279, 286, 290, 293, 298 f., 302, 304 ff., 310, 326, 404, 422, 464 Clapmarius, A.  139, 350, 354 Collibus, A.  300 Communicatio  17, 25 f., 49, 54, 67 ff., 71, 73, 78, 81, 91, 94, 96, 115, 120, 142, 178, 256, 265 f., 315, 369, 446, 460 f., 464 siehe auch Kommunika­ tion Communicatio juris  67, 81, 142, 178 Communio juris  81, 100, 121, 125, 143, 336, 362, 462 Concilium  272, 440, 448 Conditio humana  19, 55, 63, 255 Consensus  61, 73, 75, 78, 91, 228, 255 ff., 264, 266, 270, 276, 302, 376 Consilium  212 Consociatio civilis  47, 107, 110 ff., 114, 117, 177, 216, 260, 315, 395 Consociatio universalis major  15, 22, 66, 123, 125 f., 128, 143, 148, 153 f., 156, 163, 206, 227, 231, 252, 255, 271, 276, 285, 288, 293, 309, 318, 323, 462 Constitutio  141, 174, 181, 238, 243, 377 Contractus  155, 256 f., 260, 264, 432 ff. Contrahentes  260 f. Contrahentium  73, 260 f., 264

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Conventio mandati  siehe Mandats­ vertrag Corasius, J.  118, 145 Corneille, P.  405 Covarruvias, D.  30, 88, 145, 225, 240, 251, 384 Cravetta, A.  384 Cujacius, J.  118, 158 Cujus regio, ejus religio  315 Dahl, R. A.  287 Dahlheim, W.  415, 417 Dahm, K.-H.  15, 433 f., 457 Danaeus, L.  57, 196, 438 Dante  19 Daunicht, R.  422 Decius, Ph.  118 Deibel, D.  406 Dekalog  21, 32 ff., 55, 83 f., 86 ff., 99, 101, 163 ff., 171, 174, 183, 240, 284, 312, 339, 342–345, 376 ff., 430 f., 454 Demandt, A.  406 Demokratie  16, 25, 128, 159, 189, 212, 216, 224, 230, 245, 325, 333, 337, 357–360, 367, 369, 423, 453 Dennert, J.  408 Denzer, H.  145, 182, 251 Deputierte  204, 216, 327 ff., 334 Derathé, R.  146, 251 Descartes, R.  20 Despotismus  421 Dienst, K.  40 Diktator  237, 351, 358 Diktatur  415 Dionysius Gothofredus  154 Dionysius Lambinus  154 Domitian  421 Donellus, H.  158 Dorf  32, 60 f., 74, 79, 96, 102, 115, 120 f., 126, 189, 213, 227, 230, 254, 260, 262, 264, 269 ff., 276, 291, 297 f., 302 ff., 311, 321, 393, 423, 453

508

Personen- und Sachregister

Drei Gemeinschaften  12, 68  f., 73, 77, 90, 92 ff., 105, 115 f., 122, 177, 267, 275 ff. 285, 299, 306, 369, 384 Drei-Gemeinschaftenlehre  25, 59, 68, 120, 362, 397, 460 Dreißigjähriger Krieg  16, 32, 136, 405, 429 Dreitzel, H.  438, 217 Drosdowski, G.  47 Duarenus, F.  158 Duchhardt, H.  405, 425 Dülmen, R. v.  115 f. Duns Scotus, J.  87, 145, 197 Durantis, J.  118 Duso, G.  50 f., 59, 61, 72, 126, 140 f., 149, 152, 175, 177, 179, 247, 251, 259, 285, 290, 325, 327, 335, 339, 361, 436 Eberlin, J.  47 Ehe  12, 47, 50, 64, 66, 71 f., 77, 95, 101 f., 104 ff., 110, 115, 175 ff., 179 f., 191, 253, 259, 275 f., 296, 362, 423, 436 Eikema Hommes, H. J. v.  80, 82 ff., 86 ff., 119, 169, 251, 426 Einheitsstaat  290 Einsiedler  54, 58 f., 67, 100, 125, 193 Electio  192 f., 204 f., 233, 243, 414 Emmius, U.  63 Enno III.  48, 123, 431 Entmachtung  16 f., 221, 404, 439 Ephoren  19, 98, 103, 114, 147, 150 f., 174, 191, 193 f., 211, 224–237, 239, 241–246, 249, 321, 323 f., 330 f., 333 ff., 338 f., 352, 357 f., 364 f., 368, 371, 376 f., 383, 387, 394 f., 409 f., 412, 418, 424, 426 ff., 431, 437–441, 444 f., 447–454, 457, 459, 461 Ephoren, besondere  222 ff., 227, 235, 262, 331, 448, 453 Epitomē  331 ff. Erasmus von Rotterdam  177

Eremit  54, 57 f., 67, 70, 77, 99 f., 253 Erenbergk, W. v.  211 Ermessen  301, 309, 322, 329, 335, 367, 387, 413, 415 Erstenberger, A.  137 Erziehung  55, 57, 131, 164, 184, 231, 248, 250, 276, 282, 294, 345 Eßer, H. H.  145, 182, 251 Ethik  25, 28, 34 f., 38, 57, 70, 86, 101, 128, 183, 375, 417, 420, 460 Eudämonismus  292 Eunomia  80, 89, 143, 293, 362 Eutaxia  80, 89, 362 Exauctoratio  439, 452 Exekutive  152, 289, 308, 363 ff., 371, 383, 386, 388 Exodus  442, 455 Familie  47, 50, 64, 66, 71 ff., 76 f., 79, 91 f., 95, 98, 101–108, 110 ff., 115, 117, 120 f., 128 f., 154, 175 ff., 180 f., 218, 245, 253, 260, 266, 275 f., 278, 294, 296–299, 311, 318, 403, 436, 443 Farinaccius, P.  418 Fehdewesen  283 Ferdinand I.  241 Feuerherdt, E.  426 Fichte, J. G.  219 Figgis, J. F.  133, 293 Fisch, J.  90 f., 247, 259 Flasch, K.  43 Fleckenstein, J.  245, 313, 408 Föderalismus  23, 42, 62, 300 Foedus  197, 242, 268, 377 Folter  134 Franklin, J.  174 Frau, Frauen  77, 101, 106, 111, 131, 175 ff., 191, 259, 325, 393, 423, 431 Fredouille, J.-C.  359 Freiheit  13, 26, 33, 51, 54, 60 f., 71, 73, 78, 85, 93, 95, 99, 107, 110, 124, 127, 131 f., 135, 151, 165, 175, 177 f., 180–183, 185 f., 191, 201,



Personen- und Sachregister

221, 225, 235, 248 f., 253, 268, 274, 282 ff., 295, 300, 309, 328, 334, 349, 355, 360, 363, 367, 369, 370, 375, 377, 379, 385, 394, 396, 405, 407, 409 f., 413, 425, 447, 451, 455 Freundschaft  49 ff., 55, 65, 92, 179, 228, 257, 259, 273, 275, 353, 436 Friedeburg, R. v.  411, 448, 452, 454, 456 Friedrich, C. J.  15, 24, 28, 30, 34, 38 ff., 43, 56, 62 f., 65, 70, 80, 94, 101, 118, 124, 133, 149, 165, 182, 251, 257, 281, 284 f., 289, 293 f., 361, 375, 388, 420, 434 f. Frömmigkeit  32, 34, 54, 60, 67, 92, 99, 163, 292, 294, 300, 346, 352, 420, 430 Fugger  111, 399 Fuhrmann, H.  313, 408 Fuhrmann, M.  145 Fülle der Amtsgewalt  63, 221, 240, 421 Fundamentalgesetz  11, 119, 137, 142, 161, 172 ff., 238, 241, 243 ff., 248, 267, 272, 274, 288, 332, 365, 368, 377, 420, 443, 454 Fürst, Fürsten  17, 98, 105, 121, 126, 142, 196, 200, 202, 205, 208, 211, 219, 223 f., 226, 229 f., 232 f., 241, 250, 262, 264, 269, 287, 291, 300, 314 f., 330, 352, 405, 409, 419, 450, 453, 456 Fürstenspiegel  44, 48, 352 Gail, A.  118, 211 Galilei, G.  20 Gebietskörperschaft  12, 76 f., 122, 189 f., 268 f., 271, 277 f., 296, 298, 301 ff., 305, 310, 312, 314, 320, 379 Geißler, R.  304 Geld  116, 348, 351, 374, 378, 391, 399, 454 Gemeindehoheiten  116, 310 Gemeineigentum  94 f., 283 Gemeinschaft der Leistungen  68, 94, 98, 111

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Gemeinschaft der Sachen  73, 94, 96, 100, 111, 115 ff., 276, 371, 460 Gemeinschaft des Rechts  67 f., 81, 85, 91, 101 f., 122, 164, 261, 362, 365, 401 Gemeinschaftstrias  17, 69, 79, 91 ff., 122, 129 Gemeinwohl  70 f., 75, 93, 97, 99 ff., 109 f., 152, 185, 203, 239 f., 242, 263, 274 f., 293, 301, 307, 331, 335, 338, 342, 350, 354, 360, 371 f., 376, 396, 407, 419, 423, 428, 441, 444 Generalkonvent  224, 426, 440, 448, 451 Genossenschaft, Berufsgenossenschaft  12, 46, 50, 68, 71 ff., 75, 92, 109–112, 177 f., 259 f., 276, 279 f., 284, 290, 296, 306, 415, 436 Gentilis, A.  118, 162, 176, 392 f., 447, 455 Georges, K. E.  332 Gerechtigkeit  25, 28, 34, 51, 59, 70 f., 74 f., 80 f., 83, 86 f., 92, 99 ff., 125, 153, 163 f., 180, 183 f., 213, 257, 262, 281, 292, 300, 337, 346, 363 f., 366, 370, 373 ff., 384, 398, 402, 420, 427, 430, 440, 462 Gerhard, J.  33 Gerichtsbarkeit  57, 115, 214, 278, 313, 374, 380 f., 383, 392, 399, 422, 449 f. Gesellschaftslehre  21, 36, 62 f., 66, 99, 101, 138, 256, 352, 461 Gesellschaftsvertrag  90 f., 185, 251, 256, 265 Gesetzgeber  40, 145, 192, 364 f., 367, 376, 417 Gesetzgebung  12, 29, 100, 104, 116, 125, 161 f., 165 f., 170, 174, 274, 276, 282, 297, 334, 339, 363 ff., 367, 373, 375–379 Gethmann, C. F.  27 Gewaltenfülle  siehe Fülle der Amtsgewalt Gewaltenkontrolle  219, 451

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Personen- und Sachregister

Gewaltenteilung  12, 111, 220 f., 229, 304, 306, 308 f., 325, 333, 363, 384 ff., 398 Gewaltherrschaft  13, 26, 54, 80, 89, 149, 169, 174, 188, 192, 225, 249, 253, 268, 270, 394, 404, 420, 422 f., 425, 429, 434, 437, 442, 449, 453, 459 Gewaltmonopol  17, 156, 166 f., 194, 282 f., 380, 383 f., 388, 449, 457 Gewissensfreiheit  131, 135, 248 f., 284, 375 Gianotti, D.  388 Gierke, O. v.  16, 24, 139, 142, 144 ff., 182, 251 f., 319, 342, 408, 433 Gigas, H.  418 Gilde  23, 110, 321 Glaube  18, 21 f., 29, 32 f., 37, 83, 88, 124, 131–136, 198, 213, 248, 250, 341 ff., 345, 407 f., 416, 436 Gleichartigkeit  51, 71, 184, 190, 271, 280 f. Gleichheit  51, 60, 70 f., 156, 167, 180, 183 ff., 190, 227, 253, 280 f., 346, 360, 379, 417 Göhler, G.  64, 219 Goldene Bulle  224, 230, 232, 379, 450 Goldene Regel  86, 101, 125 Görtemaker, M.  273 Gottesgnadentum  195, 197, 210, 242, 246 Gottesplan  21, 24 siehe auch Heilsplan und Prädestination Gottesstaat  22, 179, 345 Götz von Berlichingen  429 Gracian, B.  405 Grimmelshausen, H. J. Chr.  405 Großstadt  12, 74, 261 f., 287, 300, 302, 304 ff. Grotius, H.  118 f., 169, 289, 393, 402, 446 Grundmann, H.  280 Gryphius, A.  383, 405 Gubernatio  140, 175, 325, 339 Guiccardini, L.  63

Gute Gesetzlichkeit  80, 88, 102, 138, 162, 194, 362, 365 Gute Ordnung  80, 88, 102, 104, 115, 138, 143, 162, 293, 297, 362, 365, 451 Güter  53, 61, 68 f., 80 f., 85, 90 f., 94 ff., 101 f., 115, 121, 125, 149, 168, 170, 177 f., 191, 232, 242, 255, 269, 272, 275 ff., 280 f., 283 f., 289, 295, 340, 365, 373 ff., 397, 400 ff., 421 ff., 431, 435, 444, 447, 454 Habermas, J.  18 Haendler, G.  210 Hägglund, B.  108, 197 Handel  9, 13, 110, 130, 136, 139, 166, 168, 170, 239, 394, 397–400, 402, 423, 461 f. Handelsverkehr  129, 168, 170, 373, 397–402 Harrington, J.  47 Hartmann, P. C.  234 Heckel, M.  15, 37, 381 f., 384, 405, 410, 429, 444 Hegel, G. W. F.  41, 128, 219 Heil  33 f., 46, 52, 92, 98, 106, 133, 138, 163, 182, 218, 243, 293, 341 ff., 389 Heilsplan  46, 182, 243 siehe auch Prädestination und Gottesplan Heinrich III. von Frankreich  422, 432 Heinrich IV. von Frankreich  134 Heinrichs, H.  40 Herodot  406, 419 Herrschaftsfreiheit  181, 183, 186, 253 Herrschaftsvertrag  90, 148, 161 f., 173 f., 240, 251, 263 f., 267, 270, 281, 430 f., 433 Heuss, A.  217 f. Hexenverbrennung  15, 20, 134 Hierokratie  345 Hieron  406 Hirschberger, J.  145 Hl. Schrift  21 f., 32, 43, 63, 124, 182, 240, 242, 343, 430 siehe auch Bibel



Personen- und Sachregister

Hobbes, Th.  17, 20 f., 26, 28, 32, 35, 40, 53, 55 f., 60, 85, 87, 95, 140 f., 148, 165, 180, 186 f., 190 f., 194, 219, 236–239, 251–254, 257 f., 267, 286, 298, 292, 325, 343, 345 f., 356, 360, 375, 416, 427, 433, 445, 457 Hobe, St.  118, 157 Höchster Magistrat  siehe oberster Magistrat Hoen, Ph.  27, 356 Höffe, O.  15 f., 57, 60, 81, 90 f., 180, 187, 252, 257, 351, 388, 406, 445, 460, 463 Hofmann, H.  112, 118, 121, 145, 150, 207, 217, 223, 227, 233, 243, 252, 259, 323 f., 327, 329–332, 335 Hohberger, St.  24, 26, 35, 49, 66, 90, 122, 131, 146, 201, 251, 266, 268, 274, 285, 287, 290, 293, 438, 450 Hoke, R.  140 Holzhauer, H.  28 Homo de medio  206, 231, 289 Homogenität  84, 129 f., 167, 190, 196, 277, 290, 344 Hostiensis  118 Hostis regni  414 f., 417, 432 Hotman, F.  145, 410, 438 Hufen, F.  381 Hüglin, Th. O.  18, 23, 25, 79, 120, 285, 290 Hüllen, J.  420 Huntington, S. P.  15 Individualität  50, 58, 61, 294 Individuum  59, 61, 73, 284, 312, 461 Ingham, M. B.  197 Ingravalle, F.  17, 32, 338 f. Inquisition  15, 20, 134 Instinkt  46, 50, 83, 258, 267, 345 Islam  132, 136 Isonomia  51, 281 Janssen, H.  15, 28, 46 f., 68 f., 71, 81, 100, 143, 146 f., 154 ff., 192, 234,

511

255, 261, 312, 333, 352, 411, 443, 452, 458 Jaspers, K.  27 Jedin, H.  314 Jellinek, G.  23, 72, 122 Juden, Judentum  15, 22, 83, 132, 136, 177, 182, 402 Judikative  213, 289, 338, 364, 381 ff., 386 ff. Jurisdiktion  12, 72, 111 f., 144, 156 f., 169, 181 f., 211, 272 f., 273, 322, 362, 374, 378 f., 381, 386 f., 389, 427 Jurisdiktionsvorbehalt  255, 364, 380 f., Jurisprudenz  19, 21, 24, 28, 35–38, 119, 425, 433, 446 Jus commune  82, 86 Jus gentium  118 f., 157, 179, 426 Jus gladii  448, 449 Jus majestatis  11, 82, 139 ff., 147, 163 ff., 171 ff., 194 f., 356, 383, 385, 437, 461 Jus regni  11, 76, 80, 82 f., 85, 139–144, 155 f., 162 f., 168, 171 f., 195, 241, 264 Jus resistendi  427, 456 Kant, I.  70, 289, 416 Karl der Große  287 Karl I. von England  405 Karl V.  241, 246 Kaser, M.  118, 234, 256, 324, 326 Kaufmann, A.  409 Keckermann, B.  27, 33, 356, 394 Kepler, J.  20 Kern, F.  145, 408 Kersting, W.  16, 23, 43, 91, 145, 148, 251 f., 419, 445 Kimminich, O.  118, 157 Kirche  22, 32 f., 58, 98, 106, 108 f., 119, 124, 131–134, 137, 145, 242, 246, 248, 268, 315, 317, 341, 421 Kirchengut, Kirchengüter  134, 341

512

Personen- und Sachregister

Kirchenordnung  308, 315, 342 Kirchenverwaltung  32, 133, 341 f. Kirchner, H.  139 f., Klein, A.  64, 219 Klimalehre  60 Klugheitslehre  35, 44, 339, 347 f., 352 ff., 359 Koch, B.  24, 26, 49, 51, 54, 56 f., 79, 112, 119, 126, 146, 179 f., 184, 220 f., 228, 243, 246, 277, 280 f., 298 f., 325, 330, 341, 348, 371, 376, 386, 404, 422, 443 Kohlschmidt, W.  422 Koinonia  49, 91, 131 Kollegium  73, 77, 85, 103, 107 ff., 111–115, 129, 178, 199 f., 205, 208, 210, 213 f., 216, 220 f., 224 f., 228, 261, 278, 298, 304, 308 f., 311, 313, 317, 321, 325, 327 ff., 331, 335, 376, 396, 442, 450 f., 459 Kollektivwohl  70 f., 281 Komitien  247, 331 ff., 357, 368 Kommunalverfassung  199, 201, 300, 309, 452, 461 Kommune  12, 66, 68, 70, 77, 94, 103, 115 ff., 120 f., 123–126, 154, 167, 177, 189, 198 f., 205 f., 221, 231, 234, 260 ff., 264, 268, 285, 290, 297–300, 302, 304, 306 ff., 310, 312, 314, 321, 326 ff., 341, 380, 386 Kommunikation  9, 11, 17 f., 25 ff., 33, 42, 50, 53 f., 61, 71, 78 ff., 90 ff., 95, 97, 100, 121 f., 130, 135, 138, 155, 185, 193, 265, 275 f., 284, 289, 332, 354 ff., 368 f., 381, 386, 392, 404, 427, 446 f., 459 ff. siehe auch Communicatio Kommunikationsgemeinschaft  11, 92, 130, 404, 427, 459 ff. Kommunikationsstaat  17, 25, 356, 368, 381 Kommunismus  59, 94, 106 Kompetenz, -en  12, 35, 75, 106, 111, 116, 125 ff., 135, 137, 152, 163, 166, 170, 211, 220 f., 225, 231, 237,

247 f., 250, 261, 273, 301 ff., 307 ff., 312, 317 f., 320 ff., 339 f., 359, 368, 370 ff., 374, 378, 383, 386, 425 ff., 443, 447 Konfession  15, 17, 22, 32 f., 124, 132, 136 f., 163, 198, 202, 241, 246, 248, 250, 263, 315, 318, 341, 343 Konfessionelle Spaltung  15, 18, 124, 130 ff., 318, 444 Konflikt  19 f., 25, 31 f., 44, 53 f., 93, 101, 117, 135 f., 156, 185 f., 188, 203, 253, 318, 322, 349, 353, 390, 392, 416, 429, 436 Konföderation  157, 172, 268, 271 ff. König, R.  43 Königsheil  242 Königsherrschaft  siehe Monarchie Konrad II.  245 Konsens  29, 33, 73, 76 ff., 95, 112 f., 124, 128, 132, 135 ff., 154 ff., 192 f., 201, 226, 246, 256 ff., 265 f., 276, 283, 285, 293, 324, 389, 393, 440, 440 Konsoziation  9, 11, 17 f., 26 f., 61, 82, 103, 121, 124, 126 f., 129, 131, 133, 136 ff., 140, 179, 189, 214, 246, 260, 265, 268, 279 ff., 283, 288 f., 291 f., 296, 321, 333, 336 f., 353, 365, 375, 377, 379 f., 383, 386, 394, 397, 401, 461 Konsoziationenlehre  9, 11, 15 f., 62, 85, 129, 194 f., 259, 289, 318, 336, 353, 413, 459 Konstitutionalismus  173 f. Kontingenz  23 f., 38 f., 128, 188, 445 Kontraktualismus  256 f., 259 Konvent  144, 213 f., 224, 272 f., 317, 329, 332 ff., 368, 426, 440, 447 f., 451 Kooperation  53, 60, 64, 70, 93, 95, 175, 185 f., 234, 270, 285, 293, 386, 392, 398 Kooptation  12, 268, 274 Kopernikus, N.  20 Körperschaft  12, 70, 72 ff., 76, 82, 85, 157, 200 f., 237 f., 261 ff., 266, 268,



Personen- und Sachregister

270, 276 f., 285, 290, 297 ff., 301, 308 f., 312 f., 320, 326–330, 380, 384 Krawietz, W.  15, 23, 28, 62, 80, 82, 90, 93, 102, 108, 112, 121, 123, 146, 194, 217, 251, 257, 259, 290, 296 f., 326, 411 Krieg  15 f., 19, 21, 32, 53, 96, 136, 168 ff., 186, 209, 214, 217, 241, 252, 289, 314, 316, 368 f., 373, 378, 389–394, 405, 414 f., 423, 429, 435, 437, 447, 449, 453, 457 Kroeschell, K.  202, 233, 269, 330, 379 Kullmann, W.  57 La Boétie, E. de  410 Laktanz, L.  163 Lancellottus, C.  145 Landeshoheit  121, 202, 209 Landstände  74 f., 103, 121, 205, 208 ff., 214 ff., 224, 311, 313 ff. Landtag  121, 206 f., 213, 216 f., 316 f., 321, 328 f., 333, 363, 376 Larenz, K.  40 Lazzarino Del Grosso, M.  51 Lebensgemeinschaft  15, 46 f., 49, 67, 70, 76, 85, 92, 106, 128 f., 148, 150, 185 f., 189, 248, 255, 266, 276, 292, 402, 412, 419 f. Legibus (ab-)solutus  160, 307, 367, 455 Legislative  152, 289, 308, 377, 386, 388 Legislator  325, 365, 376 Lehen  310 Lehnsherrschaft  202, 313 Leibniz, G. W.  139 Leuschner, J.  233 Lex aeterna  87 Lex communis  81 ff., 85, 426 Lex divina  86, 426 Lex fundamentalis  87, 172 ff., 238, 264, 267, 290, 333, 421 Lex perpetua  87

513

Lex propria  81 f., 85 f. Link, Chr.  87, 405, 414, 416, 426, 446 Lipsius, J.  250, 350, 353 f., 374, 411, 441, 447, 455 Lissack, G.  308 Livius, T.  19 Llanque, M.  31, 87, 133, 343, 354 Lloyd, H.  174 Locke, J.  60, 85, 95, 148, 252, 259, 260, 308, 417 Lohenstein, D. C. v.  405 Losaeus, N.  118, 201, 298, 326 f. Lüddecke, D. H.  7, 408 Ludwig der Bayer  408 Luther, M.  29, 33, 86, 97, 108, 180, 210, 409, 416 f. Lykurg  218 Machiavelli, N.  21, 32, 34, 43, 117, 136. 186, 203, 231, 288, 293, 347, 349, 351 ff., 409, 419, 420 Macpherson, C. B.  61, 252 Magistrat, mittlerer  207, 211 ff., 239, 322, 329, 374, 380, 383, 449 f. Magistrat, oberster/höchster  12, 25, 35, 53, 55, 90, 96, 98, 103, 105, 124, 133 ff., 137, 143, 150 ff., 158, 161, 169, 173 f., 178, 182, 191, 195 f., 205–213, 219–223, 225 f., 232 f., 236 ff., 240, 242 f., 247–250, 255, 261, 268, 283 f., 289, 290 f., 299 ff., 304 ff., 313, 320 ff., 324, 329 f., 332, 334 ff., 338 f., 341 f., 346–350, 352, 356 ff., 364 ff., 368 f., 371 f., 374 ff., 380–383, 387 f., 390, 392 ff., 402 f., 412 f., 418, 420, 428, 432, 434, 437, 441, 446, 448 ff., 453 f., 456 Magistrat, unterer  301, 320, 322 f., 390, 392, 450, 456 Magistratsverfassung  205 Magnaten  349, 448 Maier, H.  414 Majestas  11, 82, 128, 139–143, 147, 149, 155, 157, 160, 162–165, 171 ff., 194 f., 211, 274, 315, 339, 342, 356,

514

Personen- und Sachregister

379, 382, 385, 405, 418, 429, 437, 457, 461, 464 Majestas personalis  139 Majestas realis  139 Malandrino, C.  24, 83, 103, 133, 182, 280, 285, 293, 346, 435 Mandatskontrakt  siehe Mandatsvertrag Mandatsvertrag  181, 203, 235, 237 ff., 250, 263, 268, 432 f Mandrou, R.  405 Mandt, H.  406 f., 409, 421, 425, 446 Manegold von Lautenbach  145, 408 Mängelwesen  49 f. Marcus, F.  118 Maria Stuart  422, 432 Mariana, J. de  30, 416 Marsilius von Padua  26, 30, 145, 240, 247, 299, 330, 408 Marx, K.  16 Matthias (Kaiser)  17, 429 Maurer, H.  189, 273, 427 Maximilian II.  241 Mayer, J. P.  445 Mayer-Tasch, P. C.  445 Mehrheitsprinzip  113, 135, 213, 235, 273, 317, 329, 372 Melanchthon, Ph.  33, 210, 409 Menschenrechte  281 f., 284, 458 Menschenwürde  51, 280 f., 283 f., 360, 461 Mertens, D.  145, 407 f. Merzbacher, F.  251 Meteren, E. v.  63 Methode  12, 19, 21, 29, 35, 39 ff., 43, 63, 66, 104, 175, 189, 251, 276, 326, 348, 350, 412, 414, 420, 439, 459 siehe auch System Miegge, M.  49, 91, 94, 98, 133, 179, 182, 315 Miethke, J.  145, 407 f. Mischverfassung  67, 141, 184, 208, 218, 333, 356, 359 Mitregierung  211 f., 215, 316, 405, 442

Mitteis, H.  409 Moeller, B.  234, 382, 428 f. Mohnhaupt, H.  421 Mohr, W.  422 Molina, C.  30, 145, 251, 384, 416 Monarchie  128, 147, 210, 212, 216, 218, 224, 241, 287, 333, 357 f., 386, 405, 453 Monarchomachen  241, 288, 409 f., 412, 438 Mönch  54, 58, 67, 253, 408 Monopol  62, 142, 170, 194, 288, 338, 378, 399, 401 Montanus, P.  63 Montesquieu, C.-L. de S.  146, 388, 421 Moral  21, 34, 44, 86, 100 f., 131, 136, 348, 352 f., 393, 446 Morus, Th.  36, 47, 288, 357 Müller, G.  132 Münch, P.  34 Mündel  176, 324 f. Münkler, H.  16, 406, 409 Müntzer, Th.  409 Mynsinger, J.  118 Mystischer Körper  62, 131, 191, 325 Nächstenliebe  25, 32, 70, 86, 99 ff., 115, 125, 180, 275 f., 430 Nagler, M.  458 Nation,  15 f., 119, 122, 137, 151, 157, 219, 244, 269, 279, 287, 291, 328 Natta, M. A.  145 Naturgesetz  82 f., 87 f., 187, 344 Naturrecht  13, 51, 72, 80, 82–90, 119, 145, 148, 157, 179, 181, 184, 187 f., 196, 198, 219, 229, 236, 252 ff., 283, 323, 346, 376, 378, 426 f., 431, 434 ff., 445, 456 f. Naturzustand  90, 148, 187 f., 252 ff. Nebukadnezar  421 Necessitas  21, 181, 186, 372, 409, 455 Nero  421 Nikolaus von Kues  145, 367



Personen- und Sachregister

Nitschke, P.  17 f., 45, 125, 132, 155, 157 Nutzen, Nützlichkeit  40, 44, 53, 56 ff., 60 f., 67 f., 71 f., 79 f., 85, 88, 91 f., 94, 98, 100 f., 109, 116 f., 131, 136, 155, 175, 181, 183, 185 f., 190, 203, 209, 221, 231, 254 f., 257, 265, 271, 285, 293 f., 349, 353, 372, 376, 395, 398 f., 431, 459, 462 Ockham, W. v.  30, 88, 407 f. Odermatt, K.  33 Oestreich, G.  87, 110, 247, 354, 427, 436, 447 Öffentliche Gewalt  69 f., 89, 91, 178, 187 Öffentliche Güter  94, 96, 125, 149, 170, 242, 280, 295, 340, 401 ff., 423, 435, 447 Öffentlicher Dienst  97 f., 190 f., 198, 306, 321, 338 Öffentlicher Feind  414 f., 417, 432 Ökonomie  105 f., 110, 274, 319, 398, 401, 413, 462 Ong, W.  39 Optimaten  147, 161, 185, 193, 219, 222, 226, 228 f., 240, 246, 285 f., 358, 367, 376, 383, 415, 439, 440, 443, 445, 447 f., 450 f., 455 Oresme, N.  367 Organ,  Organe  12, 45, 178, 202, 204, 214, 217, 219 f., 223, 225, 228, 265, 272, 291, 300 ff., 304, 308, 313, 321, 324, 335, 337, 363 f., 416, 447, 449 Organwalter  45, 161, 201, 205, 301, 389 Ottmann, H.  7, 21, 43, 59, 72, 87, 97, 118, 128, 145, 157, 162, 180, 182 f., 185, 217 f., 240, 265, 319 f., 342 f., 362, 367, 392, 403, 406, 410, 412, 415 Paciscentes  259 f. Pactum  61, 73, 78, 91 f., 155, 174, 237 f., 247, 249, 255–260, 262, 264–268, 275 f., 431–434, 436, 449

515

Pactum religiosum  247, 249, 434, 436, 449 Partizipation  52, 189, 207, 209, 211 f., 225, 236, 350 Paurmeister, T.  211 Pausanias  218 Peregrinus, M. A.  145, 384 Person, juristische  112, 261, 266 f., 298, 319, 326 Persona repraesentata  74, 77, 266, 298, 312, 325 ff., 329 Personenverband  120, 153 f., 278, 288, 296, 319 Petrarca, F.  19 Pezel, Chr.  33 Philipp II. von Spanien  232, 393, 410, 413, 421, 429, 432 Pinellus, A.  145 Platon  18, 36, 59 f., 79, 98, 106, 156, 163, 165, 185, 189, 218, 288, 312, 353, 361, 406, 417, 419 Plenitudo potestatis  17, 162, 197, 404 siehe auch Fülle der Amtsgewalt Plessner, H.  122 Plutarch  19, 22, 67, 81 Podlech, A.  329 f. Poiesis  45 Politeuma  69, 72, 81 f., 114 ff., 261, 277, 293, 296, 299, 326 Politie  22, 62, 64, 67 f., 81, 128, 144, 148, 228, 265, 285 ff., 357 f. Populus in corpus unum  73, 76, 128, 146, 148, 151, 154, 163, 190, 228, 285 f., 290, 325, 334, 370 Potestas constituens  149, 235, 320 Potestas constituta  149, 226, 236, 320 Povero, M.  18, 49, 73, 91 Prädestination  23 f., 46, 54, 98, 182 siehe auch Heilsplan und Gottesplan Press, V.  110, 121, 202, 277, 304, 384, 394, 423, 428, 444, 459 Primaten  448 Promissio  156, 265 f., 465

516

Personen- und Sachregister

Provinz  12, 27, 34, 59, 65 f., 70, 72, 74–79, 94, 103 f., 108, 112, 120–128, 134 f., 138, 140, 142, 144, 153 f., 156, 166 f., 169, 172 f., 177, 181, 195, 199 f., 202–216, 219, 221–224, 226 f., 231, 234 f., 238 f., 242 f., 252, 262–272, 274, 276, 284, 289, 290 f., 294, 296 ff., 304, 310–321, 326–329, 331, 336, 341, 355 f., 358, 365, 372, 378–382, 390 f., 395 f., 398, 400 f., 413, 422 f., 426, 432, 435, 440, 449, 453, 456, 461 Provinzlehre  120, 127, 167, 202, 222, 227, 239, 263 f., 284, 318, 331, 461 Provinzmagistrat  134, 166 f., 200, 207, 209 ff., 214, 227, 239, 263, 291, 304, 313, 316 f., 320, 328 f., 331, 400, 413, 456 Provinzpräfekt  siehe Provinzmagistrat Pruckmann, F.  145, 372 Psychologie  35, 55 f. Pufendorf, S. v.  48, 90, 455 Quaritsch, H.  139 f., 142 f., 145 f., 202 Quilisch, T.  409, 414, 436, 458 Quin, E.  408, 410, 416 Rabe, H.  15, 108–111, 121, 199, 202, 206, 216, 234, 280, 332, 382, 394, 423, 425, 428, 450 Ramus, P.  39 Ratio  21, 178, 237, 359, 426, 435 Rausch, H.  330, 334, 408 Rechenschaftspflicht  209, 240 Rechtsgemeinschaft  68, 73 f., 81, 94, 102, 104, 155, 178, 207, 269, 272, 278, 336, 338, 362 Rechtsgüter  50, 55, 61, 92, 281 ff., 293, 295, 341, 363, 366, 371, 375, 378, 380 f., 389, 422, 435, 455 f. Rechtsordnung  75, 81 f., 84, 89, 100, 111, 115, 117, 121 ff., 125 ff., 142, 165, 167, 171, 174, 209, 240, 252, 254, 256, 263, 270, 274, 277, 283 f.,

295, 298, 301, 340, 366, 371, 375, 379 ff., 383, 397, 435, 447, 459, 462 Rechtssicherheit  174, 183, 239 f., 278, 301, 361 f., 378, 380, 444 Rechtsstaat, -lichkeit  12, 161, 165, 167, 192, 295, 329, 337, 342, 361–365, 367, 377, 380 f., 384, 387, 390, 403, 427, 433, 439 Reformation  15, 47, 429 Regierung  52, 75, 78, 95, 99, 116, 147 ff., 151 f., 158, 161, 173, 175, 189, 191, 196, 210, 213, 215, 220 f., 223 ff., 235 f., 240, 252, 259, 289, 290, 295, 305, 308, 319, 324, 332, 338 f., 341 ff., 346, 348, 350 f., 353 f., 356, 358, 366 f., 369 f., 385, 390, 408, 412, 417, 427, 432, 434, 442, 447, 449, 452, 455 Regierungsform  46, 56, 67, 128, 141, 147, 159, 161, 176, 198, 212, 220, 224, 249, 271, 287, 334, 356, 358, 360, 420, 453 Regierungslehre  12, 22, 31, 52, 56, 60, 82, 139, 141, 151 f., 231, 294, 336, 342, 344, 346–354, 356 f., 373, 412, 414, 449, 461 Regierungsstil  152, 348 ff. Reibstein, E.  88, 405, 407 f., 415, 421 f., 424 ff., 434, 438, 440 f., 446 Reichenkritik  188 Reichskreise  76, 234, 265, 314, 326 Reichsrecht  76, 141 f., 149, 155, 163, 166 f., 171, 241, 249, 280, 441 Reichsversammlung  33, 216, 224, 236, 297, 332 f., 355, 358, 365, 367 ff., 389 f. Reichtum  67, 111, 282, 295, 374, 399 Reinhard, W.  47, 145, 182, 388, 405, 420, 428, 450 Religio orthodoxa  33, 135 f., 247, 250, 402 Religion  11, 21, 32, 57, 124, 131–137, 164, 219, 246 f., 278, 300, 317, 341 f., 390, 409, 420 f., 455 Religionsvertrag  12, 90, 210, 247– 250, 377, 432, 434, 436



Personen- und Sachregister

Repräsentanten  98, 156, 170, 173, 221, 227, 229, 232, 249, 323, 327, 329 f., 335, 356, 383, 448 Repräsentation  9, 12 f., 121, 190, 201, 218, 220 f., 223, 226 f., 229, 249, 298, 323 ff., 327–336, 368, 418, 437, 440, 444 f., 447 f., 457, 459, 461 Republik  43, 67, 127 f., 147, 151, 157, 215, 265, 287, 328, 357 Resistentia  429, 439, 442, 452 Respublica  22, 64, 67, 106, 128, 139, 147 f., 228, 231, 245 f., 285–288, 442, 444 Rommen, H.  30, 145, 417 Rösener, W.  302 f. Rosenthal, H. v.  145, 211 Rossaeus, G.  410 Rousseau, J. J.  17, 60, 146, 156, 180, 185, 194, 251, 343, 346, 360, 421 Rudolf II.  17, 142, 232, 241, 384 Rudolf III. von Burgund  245 Rüthers, B.  38, 87 f., 118, 424 Saage, R.  23 Sachs, H.  395 Sachsenspiegel  174, 379 Salamonius, M.  410 Salisbury, J. v.  407 Sallust, G.  19 Salutati, C.  407, 424 Scattola, M.  31, 39, 82, 142, 411 f. Schema politicae  27, 336 f., 340, 356, 403, 412, 458 Scheuner, U.  18, 24, 63 Schilling, H.  15, 24, 108 f., 121, 136, 202, 232, 234, 277, 303, 307, 382, 384, 405, 423, 428 f. Schmalkaldischer Bund  429 Schmalkaldischer Krieg  429 Schmidt-Biggemann, W.  131, 195, 198, 202, 213 ff., 236, 247, 250 Schmitt, C.  16, 131, 149, 171, 235, 251, 323 ff., 333, 415, 421, 445, 448, 458

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Schmitz, S.-U.  416 Schmude, J.  406 Schnädelbach, H.  219 Schoenstedt, F.  406 f., 414, 417, 425 Schopenhauer, A.  61 Schubert, F. H.  145, 333 f. Schulten  415 Schulze, H.  384 Schwan, A.  145, 372 Scientia politica  38 f., 42 Scotus, J.  197 Scupin, H. U.  18, 24, 63 f., 146, 157, 177, 251, 388 Seibt, F.  47 Selbstbestimmung  84, 119, 144, 157, 197, 229, 268–271 Selbstverteidigungsrecht  416, 435, 455 f. Selbstverwaltung  126, 200, 269, 290, 299, 302, 304, 306 f., 309, 321 ff., 338, 429 Seneca, L. A.  19, 44, 350 Shakespeare, W.  405 Sibrandus Lubbertus  118 Sicherheit und Ordnung  168, 170, 295, 305, 401, 428, 435, 447 Simler, J.  63 Simonides  406 Sitten  21, 55, 57, 70, 84, 115, 120, 128, 133, 213, 265, 271, 278, 291, 308, 317, 349, 351, 353, 373 f., 400, 408, 416, 422, 424, 461 Sittenlehre  341, 351, 361, 363 Sittlichkeit  44, 54, 60, 128, 131, 133, 282, 353, 374, 447 Societas humana  19, 62, 66, 68, 103, 118, 292, 296 Sokrates  218 Söllner, A.  234, 324, 359, 389 Sophokles  406 Soto, D. de  30, 416, 438 Souveränität  9, 11, 30, 37, 76, 83, 85, 103, 118, 126 f., 139–147, 149–153, 155 f., 158 ff., 162–166, 169,

518

Personen- und Sachregister

171–175, 177, 189–191, 194–197, 210 f., 219, 223, 237 f., 248, 264 f., 269 f., 272 f., 286, 293, 302, 314, 324, 329, 337 f., 340, 342, 356, 361, 378 f., 381, 384 f., 388, 392, 436 f., 44, 448, 461 f. Souveränitätsrecht, allgemeines  165 f., 171, 377, 461 Souveränitätsrecht, besonderes  96, 158, 165–171, 173, 269, 271, 273, 336, 377, 398 Sozialer Rechtsstaat  167, 363, 403 Sozialgesetzgebung  100, 276, 378 Soziallehre  23, 27, 62, 65, 108, 257, 268, 323, 411, 446 Sozialstaat, -lichkeit  293, 361, 365 Soziologie  27, 45, 49, 65, 68, 336 Spindelböck, J.  30, 145, 406 ff., 414, 416 f. Spinoza, B. de  32, 38 Spörl, J.  145, 406 ff., 414 Staatenbund  127, 273, 280, 290 f. Staatengemeinschaft  290 f. Staatenverband  290 f. Staatenverbindung  12, 119, 268, 271 f., 276, 368, 443 Staatenverbund  273, 290 ff. Staatlichkeit  9, 12, 16, 22, 69, 81, 116, 119, 124, 126 f., 148 f., 161, 165, 221, 223, 284 f., 288, 290 f., 293, 329, 337, 361 ff., 365, 367 f., 380, 384, 390, 439 Staatsgewalt  23, 100, 134, 144, 159, 174, 184, 193, 221, 232, 285, 288, 290 f., 309, 337, 362, 404, 414, 444, 458 Staatskirchenregiment  133, 247 Staatskirchenverwaltung  134, 340 siehe auch Kirchenverwaltung Staatsorganisation  12, 139, 192, 220, 236, 297, 305, 309, 318, 331, 356, 461 Staatsräson  18, 45, 131, 139, 196, 250, 341, 348, 350, 354, 405, 420, 440, 457

Staatsverband  140, 268 f., 312 Staatsziel  12, 55, 274, 292 f., 295, 341, 399 Stammen, Th.  7, 48 Stand, Stände  17, 23, 26, 48, 72, 74–77, 98, 107 f., 121 f., 135, 137, 145, 153, 156, 173, 187, 190, 202 f., 207 f., 212, 214–217, 224 f., 241, 246, 262 f., 266, 269, 314–317, 321, 327 f., 331 ff., 368 ff., 376 f., 383, 387 f., 393–398, 403, 405, 409, 420 f., 426, 429, 440, 448, 450 f., 454 Ständestaat  18, 172 f., 202, 217, 328, 334, 394, 410 Status  22, 46, 50, 73, 98, 106, 108, 139, 147 f., 181 f., 187 f., 215, 245, 282, 284, 287, 328, 350, 357 f., 379, 411, 421, 451 Status democraticus  245, 287 Status politiae  22, 46 Stein, W.  116 Steinhagen, H.  183 Stellvertreter  158 f., 208 Stellvertretung  74, 77, 324, 331 Sternberger, D.  179 f., 409, 419 Steuern  95 f., 98, 116, 121, 125, 166 f., 170, 178, 214, 267, 272, 308, 310, 316, 366, 368, 378, 385, 409, 423 Strauss, L.  435 Strohm, Chr.  39 Suárez, F.  30, 145, 251, 325, 416 f. Subordination  180, 301, 347 Subsidiarität  23, 42, 62, 85, 103, 125, 221, 234, 285, 293, 396 Subsidium  103, 115 Summa potestas  139, 143, 147, 358 Summierungstheorie  152, 367 Summus magistratus  220, 223, 242, 301, 357, 426, 428, 441, 444, 448, 450 f., 460 f., siehe auch Magistrat, oberster Superioritas  139, 210 f., 222 Symbiose  9, 11, 18, 25, 27, 43, 46, 49, 67, 70, 73, 79 f., 83 ff., 89, 92, 106,



Personen- und Sachregister

120, 123 f., 138, 142, 259, 268, 281, 292 f., 295, 341, 364, 374, 378, 461 Symbioticus  51, 54 f. Symbiotisches Recht  64, 68 f., 80 ff., 84 ff., 88 f., 101, 116, 118, 254 ff., 337, 344, 361, 365, 371, 459 System, Systema, Systematik  19, 23, 26 f., 45, 62, 95, 108, 115, 120, 123, 143, 183 f., 189, 192, 215 ff., 224, 227, 233, 243, 281, 313, 315, 321, 331, 334, 356, 388, 393, 399, 426, 449, 458, 461 siehe auch Methode Szanto  217 Tacitus, P. C.  19, 114 Taureck, B. H. F.  43 Taxis  143 Teilhabe  68 f., 81, 92, 94, 104 f., 123, 168, 171, 190, 255, 261, 264, 297, 366, 371, 427, 457 Territorialität  120, 129, 277 f., 285, 296, 429, 462 Territorium, -ien  17 f., 76, 120–124, 127, 134, 136, 140, 142, 156, 169, 202, 204, 209 ff., 221, 234, 238, 262 ff., 273, 277 f., 284, 287 f., 291, 295 f., 300, 310 f., 313, 318 f., 321, 341, 379, 382 f., 413, 429, 440, 448 ff., 454, 453, 456 Theokratie  343, 345, 348 Theologen  19, 22, 29, 32, 34 ff., 108, 348, 394, 408, 429 Theologie  19, 20 f., 23 f., 28, 31–35, 38, 44, 52, 106, 124, 132, 135 f., 195, 198, 214, 344, 346, 410, 463 Tholosanus, G.  36, 57, 158, 286 Thomas v. Aquin  18, 29, 87, 180, 197, 288, 407, 414, 416 Thomasius, Chr.  455 Thrasymachos  189 Tönnies, F.  65 Tötung  282, 393, 407, 415 f., 378, 391, 399, 454 Türkenkriege  15

519

Tyrannei  360, 410 ff., 414, 419, 425, 428 f., 432, 439, 442, 445 Tyrannis  183, 187, 195, 218, 286, 337, 339, 402, 405 f., 409 ff., 418 ff. Tyrannis specialis  421 f., 424 f. Tyrannislehre  9, 13, 26, 403, 405, 413 f., 425, 446, 458 Tyrannocid  403, 405, 428 Tyrannus absque tituli  414 f., 418 f. Tyrannus ex defectu tituli  408, 414, 424 Tyrannus exercitio  55, 408, 414 ff., 418, 421, 432, 435 f., 452, 454, 456 Tyrannus quoad exercitium  siehe tyrannus exercitio Ubi unus dominus, ibi una religio  246, 315 Universalität  130, 304 Universitas  108, 114, 261, 297 ff., 301, 304 ff., 311 f., 320, 326 ff., 331, 335, 464 Ursinus, Z.  33 Usurpator  13, 406, 414 ff., 435 f., 443, 449, 454, 456 Utilitarismus, Utilität  20, 281, 292 Utilitas  21, 68, 156, 181 Valle, R. a  118 Vásquez, F.  30, 88, 144 f., 240, 370, 416, 438 Verfassung  66 f., 73, 80, 126, 140, 143 f., 150, 163, 173 f., 185, 202, 216 f., 227, 232, 238, 241, 261, 274, 287, 305, 329, 333, 361, 416, 421, 437, 442, 451, 458 f. Verfassungsvertrag  238, 250, 433 Vergemeinschaftung  50 f., 54, 58, 60 f., 69, 71, 78, 80, 88, 93, 104, 153, 181, 238, 253 ff., 257, 267, 272, 274 Vergesellschaftung  71, 96, 107, 123, 130, 163, 186, 255, 265, 267, 460 Verhältnismäßigkeit  136, 340, 350, 363, 384 f., 427 f., 441, 441, 459

520

Personen- und Sachregister

Versammlung  25, 33, 65, 97, 135, 141, 162, 182, 190, 212, 216 f., 221, 224, 235 f., 278, 284, 297, 304, 314, 324, 327, 331–335, 347, 358, 362 f., 365, 367 ff., 373, 377 f., 380, 389, 399, 409, 416, 418, 423, 426, 440, 442, 447 f., 450 f., 454 f. Versprechen  76 f., 98, 155 f., 192, 259, 265 ff., 275, 277, 301, 345, 377 Vertrag, Verträge  11, 13, 38, 61, 66, 73–76, 78, 80, 85, 90, 91, 100, 116 f., 119, 129, 154 ff., 161, 169, 173, 233, 235, 237–240, 249, 251, 255 f., 258 f., 262–271, 276, 298, 377, 383, 416 f., 430–434, 436 Vertragslehre  12, 35, 90, 148, 156, 187 f., 238, 252, 255, 257, 259, 262, 265, 267, 346 Vertreibung  134, 317 f. Verwaltung  12, 67, 73, 75, 88, 95 f., 109, 122, 124, 126 f., 132 f., 143, 146–150, 152, 162 f., 167, 170, 191 f., 194 ff., 198 f., 207, 209, 233, 236, 245, 247, 249 f., 261, 272, 276, 282, 289, 295, 299, 305, 308 f., 311–314, 319 f., 322 f., 332, 336–342, 348–351, 353 f., 363–367, 370 f., 373–376, 380, 387, 398, 402, 413, 420–423, 427, 431, 433, 437, 440, 459, 462 Verwaltungsorganisation  29, 74, 139, 302, 315, 336, 388 Vierhaus, R.  382, 405, 425 Viroli, M.  43 Vita activa  56 f., 107, 188, 402, 446 Vita contemplativa  56 Vitoria, F.  30, 251, 402, 416 Vogler, G.  405 Völkerrecht  118 f., 157, 160, 179, 181, 254, 268, 271 Volkssouveränität  13, 30, 85, 131, 145 f., 153, 164 f., 189 f., 195 f., 212, 243, 250, 327, 338, 381, 408, 433, 436, 440, 444, 447, 457

Wahl, -en  12, 54, 73, 76, 78, 112 f., 174, 176, 178, 181, 190, 192, 199 f., 202, 204 ff., 207–210, 213 f., 218, 226–229, 232–236, 241–245, 247, 279, 286, 291, 302 f., 309, 324, 329 ff., 334 f., 352, 359, 375, 379, 389, 414, 418, 421, 432, 434, 443, 448, 450 Wahlmänner  200, 205 ff., 227, 229, 329, 331, 396 Wahlverfahren  200, 234, 443 Warnecke, H. J.  28 Weber, M.  71, 101, 361 Weber, W. E. J.  17, 30, 60, 234 Weiler  79, 115, 117, 120, 189, 200, 227, 260, 297 f., 302 f., 305, 321 Weinacht, P. L.  45, 251, 412 Weise, Chr.  405 Welser  111, 399 Welzel, H.  87 Wesenbeck, M.  211 Westfälischer Friede  127, 202, 234, 269, 279, 313 Whitaker, W.  30 Widerstand  13, 109, 127, 137, 169, 174, 192, 225, 249, 253, 284, 294, 302, 329, 378, 404–409, 412, 414 ff., 418 ff., 424 f., 427–431, 433 f., 437–445, 447 f., 452–459 Widerstandsfall  89, 102, 185, 187, 224, 244, 270, 390, 435, 439, 442, 446, 448, 458 f. Widerstandslehre  17, 139, 150, 185, 187, 219 f., 224, 409, 413, 416, 428, 437, 442, 448 f., 452, 460 Widerstandspflicht  428, 437, 452 Widerstandsrecht  9, 13, 17, 21, 26, 30, 54, 63, 79, 127, 145, 161 f., 169, 184, 268 f., 277, 296, 306, 334, 352, 366, 368 f., 383, 391 f., 403–412, 416 f., 420, 424–429, 431, 433–442, 444–448, 452–460 Wille, Willen  20, 34, 37, 51 f., 54, 59, 61, 71, 76, 85 ff., 89, 104, 109 f., 112, 129, 134, 138, 141, 145, 149 f.,



Personen- und Sachregister

152, 154, 163, 166, 173 ff., 177, 180, 182, 186, 188, 192, 197, 208, 216, 219, 227, 229, 232, 236, 240, 245, 250, 258 f., 261, 264–267, 274, 284, 293, 299, 301, 304, 307 f., 325, 331, 335, 345, 355, 357, 375 ff., 405, 415 ff., 424, 437, 443, 445 Willoweit, D.  106, 121, 202, 210, 233 f., 273, 281, 300, 307, 313, 332, 341, 379, 382, 384, 408, 425 Wimmer, B.  159 Winters, P. J.  25, 40, 54, 64, 98, 145, 182, 197, 247, 249, 251, 333, 388, 410 ff., 419, 430 f., 436 f., 450 f., 454 Wirtschaft  9, 13, 108, 110, 139, 168, 239, 394, 397–401, 461 f. Wirtschaftsordnung  95, 110, 178, 398 Wissenschaft  9, 11, 17–24, 26–34, 36–45, 48, 50, 52, 63, 65, 81, 84, 92, 105 f., 110, 119, 129 f., 133, 138, 144, 189, 199 f., 216, 241, 258, 286 ff., 294, 300, 303, 305, 336, 343, 346, 357, 398, 404, 416, 429, 458, 461 ff. Wittgenstein, L.  23 f. Wohlstand  60, 131, 294, 300, 363, 397, 399 Wolf, E.  21, 47, 68 f., 81, 144, 234, 424 f., 435, 437, 451 Wolf, M.  40 Wolzendorff, K.  408, 437 Würde  9, 12, 26, 51, 71, 99, 101, 145, 184 195 f., 277, 280–284, 351, 360, 370, 377, 394, 422, 435, 441

521

Wyclif, J.  408 Wyduckel, D.  15 f., 18, 23 f., 28, 33, 37, 40, 46, 61, 63 f., 72, 135, 141, 146, 172 f., 220, 224, 247, 251, 289, 294, 323, 326, 332 f., 336, 342 f., 410, 438, 450 Xenophon  406, 447 Zasius, U.  118 Zeeden, E. W.  127, 202, 214 ff., 382, 382, 421 Zensur  210, 213, 250, 282, 308, 317, 366, 373 ff., 451, 461 Zippelius, R.  64, 145, 161, 189, 217, 371, 385, 388, 427 Zoon koinonikon  49, 91 Zoon politikon  28, 46 f., 49, 60, 91, 257 Zorn, R.  419 Zunft, Zünfte  23, 77, 108, 110 f., 200, 278, 321, 398 Zustimmung  58 f., 62, 72–79, 88, 90, 96, 112 f., 127, 132, 135, 157, 169, 172, 178, 181 f., 199 f., 204, 207, 210, 214 f., 219 f., 222, 226 ff., 230, 234 f., 237, 240 f., 245 f., 252, 257, 259, 261, 270 ff., 276, 278, 301 f., 310, 317, 320, 324 330, 334, 341, 358 f., 363, 366 ff., 377, 383, 386, 403, 408, 440, 444, 448, 462 Zwierlein, C.  22, 91, 131 Zwinger, Th.  63, 390 Zwingli, H.  409