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German Pages [340] Year 1977
Joachim Track Sprachkritische Untersuchungen
JOACHIM TRACK
Sprachkritische Untersuchungen zum christlichen Reden von Gott
V A N D E N H O E C K & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N
Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink Band 37
ClP-Kurztitelaufnahme Track,
der Deutschen
Bibliothek
Joachim
Sprachkritische Untersuchungen zum christlichen Reden von G o t t . -
l . A u f l . - G ö t t i n g e n : Vanden-
hoeck und Ruprecht, 1977. (Forschungen
zur systematischen
und
ökume-
nischen Theologie ; Bd. 37) ISBN 3 - 5 2 5 - 5 6 2 4 4 - 6
© Vandcnhoeck & Ruprccht, Güttingen 1977 — Piinted in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstcllung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 1974 vom der Theologischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen—Nürnberg als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck wurde die Arbeit geringfügig verändert und mit einigen Ergänzungen zur zwischenzeitlich erschienenen Literatur versehen. Danken möchte ich an erster Stelle meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor D. Wilfried Joest, der meinen Weg mit persönlicher Anteilnahme, unermüdlicher Geduld und wissenschaftlichem Rat begleitet hat. Danken möchte ich auch dem Korreferenten, Herrn Professor Dr. Friedrich Mildenberger, für mannigfache Beratung und Ermutigung. Ferner habe ich dem Herausgeber, Herrn Professor D. Dr. Edmund Schlink D. D., für die freundliche Aufnahme dieser Arbeit in die Forschungsreihe und Herrn Verleger Dr. Arnd Ruprecht für sein Entgegenkommen zu danken. Die Drucklegung der Arbeit wurde durch einen namhaften Zuschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglicht. Dafür vielen Dank! Gewidmet ist dieses Buch meiner Frau als bescheidenes Zeichen des Dankes für ihr Verständnis, ihre Kritik und ihren Rat bei der Entstehung dieser Arbeit. Neuendettelsau, im Oktober 1976
Joachim Track
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Inhalt
Vorwort
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Einleitung: Die gegenwärtige Situation des Redens von Gott und unsere Absicht
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Kapitel 1: Die analytische Philosophie — ein Überblick 1. Einführende Vorbemerkungen zur Eigenart von Sprache a) Zu Wesen und Funktion von Sprache b) Zur Theorie des Zeichens und zur Theorie der Kommunikation c) Arten und Stufen von Sprache
23 28
2. Zur „Analytischen Philosophie" a) Motive zur Entstehung und gemeinsame Kennzeichen b) Sprachkritik als Erbe der Vernunftkritik
30 30 34
3. Vorläufer und Begründer der Analytischen Philosophie a) Die Vorläufer b) Die Begründer
41 41 50
4. Die formalsprachliche Richtung a) Wittgenstein I b) Rudolf Carnap Exkurs: Charles Morris
57 58 66 73
5. Die umgangssprachliche Richtung a) Wittgenstein II b) J o h n L. Austin Exkurs: Die Linguistik
76 77 89 95
6. Ausblick a) Der pragmatische Rationalismus b) Die konstruktivistische Position c) Die Vermittlung zwischen Hermeneutik und Sprachanalyse .
16 16
99 101 103 106
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Kapitel 2: Unsere Fragestellung und sprachkritischen Voraussetzungen 1. Der bisherige Dialog zwischen analytischer Philosophie und Theologie und die offenen Fragen a) Die philosophische Ausgangslage b) Die Grundlinien des Dialogs und die zu klärenden Fragen
..
109 109 116
2. Unsere sprachkritische Position a) Sprache als transzendentale Bedingung der Möglichkeit . . . . b) Verständigung c) Wahrheit, Begründung, Rechtfertigung
126 126 134 146
3. Unser „sprachkritisches Handwerkszeug" a) Die linguistischen Grundtermini b) Die Redeweisen
156 156 163
Kapitel 3:
Feldanalyse
1. Zur Klassifizierung des christlichen Redens von Gott a) Vorbemerkungen b) Klassen und Sprachstufen des christlichen Redens von Gott (erlaubt überzugehen zu der Aussage) x e' (ist nicht) weiblich). Alle analytisch wahren Aussagen sind in Kants Sinn ,,a priori wahr". Zur Feststellung ihrer Wahrheit bedarf es keiner empirischen Überprüfung. Die formal-analytisch-wahren Sätze und die materialanalytisch-wahren Sätze sind in Kants Terminologie „synthetische Urteile a priori". Es werden Aussagen über Gegenstände und Sachverhalte der Wirklichkeit gemacht (Autos, Väter usw.), deren Wahrheit nicht durch empirische Überprüfung sichergestellt werden muß. Die synthetisch-wahren Sätze treten im Zusammenhang von Arithmetik und Geometrie auf. Da solche Sätze im Rahmen des Redens von Gott nicht vorkommen, können wir uns hier die teilweise recht komplizierte Erläuterung dieser Sätze ersparen. 85 Die empirischen Aussagen können wir grob unterscheiden in singulare Aussagen und in generelle Aussagen. Die singularen Aussagen, auch Existenzsätze genannt, können in zweifacher Form auftreten: Entweder als „Es-gibt-Sätze" mit genauer Raum- und Zeitangabe (Es gibt in Erlangen gegenwärtig eine Fortunastraße) oder als nicht genauer gekennzeichnete „Es-gibt-Sätze" (Es gibt einen weißen Raben). Die Sätze mit genauer Kennzeichnung sind aufgrund vereinbarter Überprüfungskriterien verifizierbar und falsifizierbar. (Ausnahme: Raum und Zeitangaben, die sich prinzipiell oder faktisch der Nachprüfung entziehen; Beispiel: Es gibt im Bereich des Andromedanebels einen Stern, auf dem Rosen blühen). Die Sätze in der allgemeinen Form sind nicht falsififcierbar, nur verifizierbar. Man kann jemanden, der behauptet: „es gibt einen weißen Raben" endlos viele schwarze Raben zeigen und hat damit seine Behauptung doch nicht widerlegt (falsifiziert). Die empirisch generellen Aussagen lassen sich hinsichtlich ihrer Reichweite und ihres Ortes innerhalb von Theorien und Theoriezusammenhängen 85
Vgl. dazu P. Lorenzen—O. Schwemmer, a.a.O., S. 163ff.
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unterscheiden. In Theorien und Theoriezusammenhängen können wir grundlegende und abgeleitete Aussagen unterscheiden. Abgeleitete Aussagen sind in einem Begründungszusammenhang auf grundlegende Aussagen zurückführbar. Von der Reichweite empirisch genereller Aussagen hängt ihre Verifizierbarkeit oder Falsifizierbarkeit ab. Dabei ist es gut, die Reichweite in erkenntnislogischem Sinn von der Reichweite im zeitlichen Sinn abzuheben. In erkenntnislogischem Sinn ist zu unterscheiden zwischen Aussagen von beschränkter Reichweite (Es wird über eine zum Zeitpunkt t erfaßbare und überprüfbare Menge von Gegenständen/Sachverhalten eine Aussage gemacht; z.B.: alle westlichen Industrienationen haben gegenwärtig mit der Inflation zu kämpfen) und von unbeschränkter Reichweite (über eine zum Zeitpunkt t nicht abschließbar erfaßbare und überprüfbare Menge von Gegenständen/Sachverhalten wird eine Aussage gemacht; z. B. Behauptung der Gültigkeit des Fallgesetzes zum Zeipunkt t). In zeitlicher Hinsicht kann ebenfalls zwischen beschränkter und unbeschränkter Reichweite unterschieden werden (Aussagen sind gültig für bestimmte Zeitpunkte — für alle Zeitpunkte). Die nomothetischen Aussagen der Naturwissenschaften („Naturgesetze" = Verlaufsgesetze) werden in der Regel als empirisch generelle Aussagen mit unbeschränkter erkenntnislogischer und zeitlicher Reichweite verwendet. Diese Aussagen können nicht verifiziert, sondern nur falsifiziert werden, da es weder möglich ist anzugeben, wieviele endliche Beobachtungssätze zu einem Zeitpunkt t notwendig sind, um die Wahrheit oder auch nur die Wahrscheinlichkeit solcher genereller Sätze zu sichern, noch wieviele endliche Beobachtungssätze zu verschiedenen Zeitpunkten nötig sind, um dies zu erreichen. 8 6 Verifizierte Existenzaussagen und verifizierte generelle Aussagen stellen wirkliche Sachverhalte im Unterschied zu möglichen Sachverhalten dar. Darum kann das Kriterium „wahr" in Bezug auf empirische Aussagen dieser Art mit dem Kriterium „wirklich" synonym (gleichbedeutend) gesetzt werden. Bei nomothetischen Aussagen, die bisher nicht falsifiziert worden sind, sprechen wir hingegen von „bewährten" Aussagen. J e größer der Allgemeinheitsgrad einer Aussage wird, desto geringer wird ihr Prüfbarkeitsgrad. Aussagen über das „Ganze der Wirklichkeit", die „Welt", die „Natur" und auch „den Menschen" drohen aufgrund ihres universellen Charakters sich sowohl der Verifizierung als der Falsifizierung zu entziehen. 8 7 Metaphysische Aussagen dieser Art sind meist nicht mehr direkt verifizierbar oder falsifizierbar. Sie können aber ihre Brauchbarkeit, wenn nicht an, so doch bei der Erfahrung erweisen, in96
Vgl. W. Raddatz, Theorie der Theoriebildung, S. 95ff. G. Sauter, Grundzüge, S. 317ff., nennt solche Sätze „universelle Sätze" (genauer: universelle empirische Aussagen). 87
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d e m sie d i e e i n z e l n e n E r f a h r u n g e n integrieren u n d G e s a m t p e r s p e k t i v e n darstellen, die k o n k r e t e E r f a h r u n g s v e r h a l t e n u n d k o n k r e t e Erfahrungsv o r h a b e n b e s t i m m e n u n d b e e i n f l u s s e n . Sie n ä h e r n sich hier — i n s o f e r n es sich u m v e r s t ä n d l i c h e S ä t z e h a n d e l t — d e m S t a t u s v o n material-analyt i s c h e n W a h r h e i t e n , d e r e n Wahrheit j a a u c h n i c h t d u r c h R ü c k g r i f f a u f d i e E r f a h r u n g f e s t g e s t e l l t w i r d , über d e r e n B r a u c h b a r k e i t j e d o c h in B e z u g auf d i e v o r a u s g e s e t z t e n P r ä d i k a t o r e n r e g e l n ( A u f g l i e d e r u n g d e r Wirklichkeit) d i s k u t i e r t w e r d e n k a n n . Ü b e r d i e Wahrheit komplexer
Aussagen
wird in e i n e m D i a l o g e n t s c h i e d e n ,
der n a c h v e r e i n b a r t e n R e g e l n a b l ä u f t . Z u d i e s e n v e r e i n b a r t e n R e g e l u n g e n g e h ö r t u n t e r a n d e r e m eine R e g e l u n g d e s D i a l o g v e r l a u f e s u n d d i e Regel u n g e n d e r z u g e l a s s e n e n l o g i s c h e n S c h l u ß f o l g e r u n g e n . A u s s a g e n , d i e sich i m D i a l o g als w a h r e r w e i s e n lassen ( d i a l o g - d e f i n i t e w a h r e A u s s a g e n ) 8 8 m ö g e n begründete
Aussagen
heißen.89
88
Elementaraussagen, die analytisch, synthetisch oder empirisch (aufgrund von Überprüfung) wahr oder falsch sind, sollen „wahrheitsdefinit" heißen. Sie können entweder wahrheitsdefinit wahr oder falsch sein. Dialogdefinit sollen die zusammengesetzten (komplexen) Aussagen heißen, für die geregelt ist, wie sie in einem Dialog anzugreifen und zu verteidigen sind. Vgl. P. Lorenzen- O. Schwemmer, a.a.O., S. 43ff. 89 Solche Regeln für einen Dialogverlauf können z.B. lauten (Regel für Dialoge mit Verwendung von Negation, Konjunktion und Adjunktion): „Anfangsregel: Der Proponent beginnt mit der Behauptung einer These. Die Dialogpartner sind anschließend abwechselnd am Zug. Allgemeine Dialogregel: Jeder Dialogpartner greift die im vorhergehenden Zug des anderen gesetzte Aussage an oder verteidigt sich gegen den im vorhergehenden Zug erfolgten Angriff des anderen. Gewinnregel: Der Proponent hat gewonnen, wenn er eine angegriffene Primaussage verteidigt hat oder wenn der Opponent eine angegriffene Primaussage nicht verteidigt." (P. Lorenzen—O. Schwemmer, a.a.O., S. 49; vgl. dort ff. auch die verschiedenen möglichen Fassungen für Dialogregeln.). Eine eigenartige Verwendung des Ausdrucks „Dialogregeln" sowie des Ausdrucks „dialogdefinit", die von unserer Verwendung völlig verschieden ist, findet sich bei G. Sauter, Grundzüge einer Wissenschaftstheorie der Theologie, S. 321ff. Dort heißt es in der „Tabelle der eigens definierten Begriffe": Dialogregel: Formulierung einer abgeschlossenen Gesprächsleistung innerhalb eines begrenzten, wiederholbaren Dialogs. Sie legt entscheidbare Argumentationen fest, auf die man sich in neuen Gesprächsverläufen berufen kann. Die mit ihrer Hilfe begründeten Aussagen nennen wir „dialogdefinit." DialogTegeln sind in diesem Verhältnis „nicht bloß formale Spielregeln, die gewährleisten sollen, daß ein Gespräch ordentlich geführt wird"(!). Bei Sauter handelt es sich im strengen Sinn nicht um Regeln (Handlungsanweisungen), sondern er meint Aussagen, die als Ergebnis eines materialen Dialogs gewonnen wurden und nun in neuen Dialogen als nicht anzugreifende und nicht mehr zu verteidigende Primaussagen zu stehen kommen. Nach unserem Verständnis handelt es sich um wahrheitsdefinit wahre Aussagen (!), denn nur solche brauchen in einem Dialog nicht mehr eigens verteidigt werden. Nun sei es niemand benommen, seine eigene Begrifflichkeit zu verwenden. Es wäre bloße Beckmesserei, darum schon Sauter zu kritisieren (auch wenn er sich in der Verwendung des Ausdrucks „dialogdefinit" gelegentlich auf Lorenzen bezieht). Es sei jedoch darauf aufmerksam 151
3. D i e o b i g e n A u s f ü h r u n g e n z e i g e n , w i e w e i t allein Sprachkritik vor der Festlegung einzelner Überprüfungsverfahren d e n R a h m e n der Überprüfung b e s t i m m t . O f f e n b l e i b t n u n n o c h das P r o b l e m , w e r als k o m p e t e n t angesehen wird, b e s t i m m t e Prüfungsverfahren anzusetzen und durchzuführen. A n d e r s g e f r a g t : Wie w i r d e i n K o n s e n s u s über P r ü f u n g s k o m p e t e n z u n d P r ü f u n g s v e r f a h r e n erreicht, d e r sich v o n willkürlicher F e s t s e t z u n g (z. B. als P r ü f u n g s v e r f a h r e n ist n u r d i e B e o b a c h t u n g z u g e l a s s e n ) u n t e r s c h e i d e t . D i e a l l g e m e i n e A n t w o r t l a u t e t hier: J e d e r V e r n ü n f t i g e u n d S a c h k u n d i g e ist als k o m p e t e n t a n z u s e h e n . 9 0 A l s „ v e r n ü n f t i g " wird ein M e n s c h verstangemacht, daß solcher Sprachgebrauch folgende Problematik zu verdecken droht: Sauter unterscheidet drei Arten von Theoriebildung: empirische Theoriebildung, axiomatischen Ansatz und kommunikative Konstitution wissenschaftlicher Theorien (a.a.O., S. 303ff.). Alle drei Ansätze können nicht völlig voneinander getrennt werden, nur je nach Akzentuierung können die Theorien aufgrund dieser Unterscheidung klassifiziert werden. Eine kommunikative Konstitution unterscheidet sich nun von einer empirischen Konstitution wissenschaftlicher Theorien dadurch, „daß sie sprachliche Sachverhalte an sich bereits als elementare Basis der Theoriebildung gelten läßt, ohne grundsätzlich eine Bestätigung in außersprachlich beobachtbaren, .gegenständlichen' Gegebenheiten zu verlangen" (a.a.O., S. 306). Theologische Theoriebildung wird dieser Art von Theoriebildung zugerechnet. Sie beruht auf „Dialogregeln" im Sauterschen Verständnis. Wir kommen nun solche Dialogregeln zustande? Sauter unterscheidet hier zwischen Begründung, die sich auf Dialogregeln beruft und „Legitimation" solcher Dialogregeln. Er verweist darauf, daß solche Dialogregeln im Kanon vorgegeben sind und Interpretationsregeln (als zweite Klasse solcher Dialogregeln) in Bekenntnissen, Lehramtsentscheidungen der Kirche. Allerdings will er sich auf diese Dialogregeln nicht schlicht als positiv Vorgegebenes und Unhinterfragbares stützen, sondern diese Dialogregeln werden jeweils im Dialog in der Kirche, im „Konsensus" der Kirche legitimiert (a.a.O., S. 321). „Wie aber diese Legitimation zu geschehen hat, kann nur im Rahmen einer Dialogführung dargestellt werden. Aus diesem Zirkel kann die Theologie nicht heraustreten . . . Diese (sc. Legitimität) kann nur als Bewährung von Aussagen beschrieben werden, und sie geschieht im Dialog" (a.a.O., S. 329). Wir wollen nun Sauter weder bestreiten, daß es einen Zirkel der Begründung gibt (gemessen am Maßstab absoluter Evidenz), für theologische Aussagen wie für alle Aussagen. Auch bestreiten wir nicht das Element der Vereinbarung bei religiösen Äußerungen und theologischen Aussagen. Aber solche Einsicht kann doch nicht der Endpunkt der Überlegungen sein, wie der Begriff „Dialogregeln" bei Sauter es suggeriert, sondern hier fangen die Fragen erst an. Mit „Dialogregeln" ist noch nichts darüber ausgesagt, welcher Art der Dialog war, in dem sie herausgebildet wurden. War es ein willkürlicher Dialog (Gruppenmeinung) oder ein von Willkür unterschiedener Dialog? Welche Verfahrensregeln wollen beachtet sein? Welche Kriterien müssen solche Dialogregeln erfüllen? Wie ist das Verhältnis von Autorität der Tradition und Konsensus der Kirche genauer zu bestimmen? Und: Dialogregeln haben die grammatische Form universeller Sätze (bei Sauter): Wie ist die „Bewährung" in Bezug zur Wirklichkeit zu denken? Der Hinweis auf die pragmatische Dimension theologischer Aussagen, so zutreffend er ist, löst kein Problem, sondern weist nur den Ort der Problemlösungen an! 90 Vgl. W. Kamiah—P. Lorenzen, LP, S. 118ff. 152
den, der dem Gesprächspartner und den besprochenen Gegenständen aufgeschlossen ist (gutwillig) und sich nicht in seinem Reden durch bloße Emotionen und durch bloße Traditionen und Gewohnheiten bestimmen läßt. Im übrigen soll der Vernünftige „normalsinnig" sein, also fähig zu Wahrnehmungen und zu logischem Denken. Die Sachkunde als zweites Merkmal ergibt sich aus der Differenzierung unserer Erkenntnis. Prinzipiell soll es jedem möglich sein, die geeigneten Prüfungsverfahren zu entwickeln und durchzuführen. Faktisch wird sich dies jedoch auf die jeweils mit den einzelnen Gebieten befaßten Sachkundigen beschränken (z. B. Erstellung von Kriterien für die Beurteilung von Quellen und deren Überprüfung durch den Historiker). Diese allgemeine Antwort ist jedoch unbefriedigend. Wer bestimmt, wann einer frei von Emotionen ist, aufgeschlossen gegenüber dem Gegenstand? Hier schleicht sich ein Zirkel ein, der das Willkürelement nur an einen anderen Platz zu verschieben droht. Soll die Position des „modifizierten Nominalismus" und des dialogischen Wahrheitsbegriffs nicht hier am Ende doch in willkürliche Festsetzungen ausarten, dann ist es erforderlich, Kriterien anzugeben für die Beratungssituationen, in denen über die Prüfungsverfahren entschieden wird. Ob einer „vernünftig" und „sachkundig" ist, das kann sich nur in der Beratungssituation selbst erweisen. Es darf nicht vorher „festgelegt" werden. Ein vernünftiger und sachkundiger Konsensus kann nur in der Beratungssituation hergestellt, nicht von außen beurteilt werden. 9 1 Sprachkritik kann dazu aufzeigen, unter welchen Bedingungen ein Konsensus hergestellt werden kann, der nicht bloß Ausdruck der faktischen Meinung einer Gruppe oder einzelner Mächtiger in der Beratungssituation oder Ausdruck einer hergestellten Gruppenmeinung von Leuten ist, die sich in Beratungssituationen vereinbart haben. Nicht allgemeine Aussagen über die Vemünftigkeit, sondern konkrete Verfahrensregeln für eine Beratungssituation lassen hier den Schritt über bloße Willkür hinaus zu. Ein faktischer Konsensus, in dem die Prüfungskriterien festgelegt werden, aufgrund derer empirische Sätze als wahr beurteilt werden können, kann nur dann als nicht willkürlicher Konsensus angesehen werden, wenn in der Beratungssituation folgende Regeln beachtet wurden (Regeln für eine „Ideale Beratungssituation"). 9 2 Erstens muß die Verständlichkeit 91
Vgl. die Kritik von J. Habermas an dieser Konzeption: „Wir können die Richtigkeit einer Handlung nicht extern beurteilen, wir müssen uns ihrer als Teilnehmer einer Interaktion vergewissern, oder, wenn der eingespielte Konsensus zerbricht, versuchen, unter den Teilnehmern selbsteine diskursive Verständigung herbeizuführen" (J. Habermas, Theorie der kommunikativen Kompetenz, a.a.O., S. 134). Vgl. auch die Kritik von K. Lorenz, der die Ausführungen von Habermas aufnimmt und weiterführt, Der Dialogische Wahrheitsbegriff, bes. S. 115ff. 92 J. Habermas nennt diese Situation die „ideale Sprechsituation": „Die ideale Sprechsituation ist dadurch charakterisiert, daß jeder Konsensus, der unter ihren
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aller verwendeten Äußerungen sichergestellt sein. Zweitens muß Redegleichheit herrschen. Jeder Teilnehmer an der Beratungssituation muß die gleichen Chancen zur Rede in allen Formen (kritische Rückfrage, Behauptung usw.) haben. Niemand darf sich unkritisch auf Autorität berufen oder Autorität beanspruchen. Drittens muß Aufrichtigkeit herrschen. Die Zustimmung der Redenden darf nicht vorgetäuscht oder erschlichen werden. Die Sätze, die ein Anredender den Angeredeten auffordert anzunehmen, muß der Anredende auch selbst annehmen. Viertens ist zu fordern, daß die eingeführten Wörter und Sätze nicht nur für die Beratenden verständlich sind, und die Begründung für die Fesdegungen von Prüfungsverfahren nicht nur für die Gruppe der jeweils faktisch Beratenden gelten sollen. Es ist zu fordern, daß alle verwendeten Äußerungen auch allgemein „lehrbar" sind. 93 Die Gründe sollen solange als gute Gründe gelten, solange sie im Dialog und zwar prinzipiell im Dialog mit jedermann verteidigbar sind. Auch wenn sich die Beratungssituation faktisch immer auf einen beschränkten Kreis bezieht, soll sie jedoch so angelegt sein, daß jeder in sie eintreten kann. (Forderungen der Transsubjektivität). Diese Forderungen sind natürlich ideale Richtlinien, die in faktischen Beratungssituationen nie voll erreicht werden. Doch sie sind die Regeln, auf die sich jeder Gesprächsteilnehmer, dort wo er ihre Verletzung erkennt, berufen kann. Von daher hat jeder ein Instrument und ein Recht, gegen Willkür aufzutreten. Von Rechtfertigung wollen wir im Zusammenhang von Handlungen sprechen, die als Befolgung bestimmter Normen verstanden werden. 94 Handlungen können bestimmten Zwecken dienen. Sie sind dann die Mittel zur Erreichung eines Zwecks. Wird nach der Begründung von Handlungen gefragt, so kann als Grund angegeben werden, daß sie das geeignete Mittel zur Erreichung eines Zweckes sind. Fragt man nun weiter nach der Begründung der Zwecke selbst (Begründung zweiter Stufe), so stößt man auf Normen. Durch sie können Zwecke ihrerseits begründet werden. Normen sind Vorschriften, die „etwas" (Handlungen, Zwecke) für bestimmte Menschen zu bestimmter Zeit gebieten. Diese Normen können nun ihrerseits gerechtfertigt werden, indem man sie auf Basisnormen zuBedingungen erzielt werden kann, per se als wahrer Konsensus gelten darf. Der Vorgriff auf die ideale Sprechsituation ist Gewähr dafür, daß wir mit einem faktisch erzielten Konsensus den Anspruch des wahren Konsensus verbinden dürfen; zugleich ist dieser Vorgriff ein kritischer Mafistab, an dem jeder faktisch erzielte Konsensus auch in Frage gestellt und daraufhin überprüft werden kann, ob er ein zureichender Indikator für wirkliche Verständigung ist" (J. Habermas, a.a.O., S. 136). Vgl. zum Ganzen P. Lorenzen—O. Schwemmer, a.a.O., S. 129ff. 93 O. Schwemmer, a.a.O., S. 116, nennt diese Forderung das „Vernunftprinzip". 94 Vgl. P. Lorenzen-O. Schwemmer, a.a.O., S. HOff.
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rückführt, das heißt auf solche Normen, die alle Zeit für jedermann gelten sollen. Wie können nun diese Basisnormen ihrerseits gerechtfertigt werden? Dies kann nur wieder in Beratungssituationen geschehen, in denen die Basisnormen, die die Beratenden leiten, in einem ersten Schritt festgestellt werden. In einem zweiten Schritt wird dann überprüft, ob sie miteinander verträglich sind. Ist dies nicht der Fall, dann gilt es, einen Beschluß über die gemeinsam vertretbaren Basisnormen herbeizuführen. Dabei stellen sich Fragen nach den berechtigten Bedürfnissen der Gesprächsteilnehmer, die in den Basisnormen ihren Niederschlag finden. Über solche berechtigten Bedürfnisse kann wiederum nicht von außen entschieden werden. Was als berechtigtes Bedürfnis anzusehen ist, muß in gemeinsamer Beratung geklärt werden. Um hier den Konsensus vor reiner Willkür zu bewahren, gelten für diese Beratungssituationen die gleichen Bedingungen wie für die Beratung über die Prüfungsverfahren. Hinzu kommt noch eine Forderung, die speziell für die Beratung ethischer Fragen gilt, aber sich auch aus der Position des „modifizierten Nominalism u s " ergibt. Es sollen in der Konfliktsituation nicht nur die Bedürfnisse und Interessen der Gruppe, die faktisch berät, mitbedacht werden, sondern solche Normen entwickelt werden, die möglichst die Interessen und Bedürfnisse aller befriedigen. Diese Forderung wollen wir die Grundnorm nennen, die die Entfaltung aller weiteren Normen (Basisnormen und Normen) bestimmt. 9 5 Gewiß dies sei abschließend gesagt, gibt die Festlegung der Kriterien für die Beratungssituation weder für Fragen der Prüfung und der Wahrheit, noch für Fragen der Rechtfertigung einen Maßstab, der die richtigen Entscheidungen garantiert. Es können erstens Abweichungen von der „idealen Beratungssituation" auftreten, die nicht bemerkt werden. Es ist zweitens nicht gesagt, ob selbst dann, wenn alle Kriterien beachtet würden — was faktisch selten der Fall sein wird — die inhaltlich getroffenen Entscheidungen gerechtfertigt sind. Wir haben weder für die „Wahrheit an sich" noch für „Rechtfertigung an sich" eine neutrale Kontrollinstanz. Es wird also immer ein Willkürelement geben oder besser ein Entscheidungselement. Aber gerade in jener Differenz zu bloßer Willkür, die durch jene Kriterien gegeben ist, liegt die Ermöglichung humaner, gemeinsamer Lebensgestaltung. Dieses Verständnis von Wahrheit, Begründung und Rechtfertigung schließt niemand aus, sondern lädt jedermann ein, sich an der Beratung zu beteiligen.
O. Schwemmer spricht hier vom „praktischen Vernunftprinzip" (a.a.O., S. 118). Beide Vernunftprinzipien zusammenfassend spricht er vom „Prinzip der Transsubjektivität". 95
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3. Unser ,,sprachkritisches
Handwerkszeug"
Nachdem wir nun Rechenschaft abgelegt haben über unsere sprachkritischen Voraussetzungen und die Kriterien, die wir an die Untersuchung des Redens von Gott herantragen wollen, bedarf es entsprechend unserem Fragekatalog einer Entfaltung unseres „Handwerkszeugs" oder vornehmer: unserer Analyseinstrumente. Wir haben schon bei der Darstellung der sprachkritischen Position Vorgriff auf einiges genommen. Dies war unvermeidlich. Eine schrittweise Rekonstruktion wäre zu aufwendig und in unserem Rahmen unangebracht. Doch soll die fehlende Einführung nun nachgeholt werden. Wir gehen so vor, daß wir zunächst einige linguistische Grundtermini einführen, von denen wir vermuten, daß sie linguistische „Universalien" bezeichnen, die in jeder Sprache vorkommen. Zumindest lassen sie sich nach unserer Auffassung in jede Sprache einführen. 9 6 Im zweiten Abschnitt versuchen wir dann eine Klassifizierung der Redeweisen. a) Die linguistischen
Grundtermini91
Die fundamentale sprachliche Handlung ist die Prädikation. Die sprachlichen Schemata, die zur Prädikation verwendet werden, bezeichnen wir als Prädikatoren. Prädikatoren sind Wörter (Schemata), die in der Lehrund Lernsituation einem Gegenstand zu- oder abgesprochen werden. Im Fall des Zusprechens möge von Beispielen, im Falle des Absprechens von Gegenbeispielen die Rede sein. Prädikatoren sind Wörter wie Buch, Haus, gehen, liegen, groß, rot (Dies ist ein Buch, dies ist gehen usw.). Die in unserer Oberflächengrammatik gegebene Unterscheidung zwischen Hauptwort und Dingwort wird zunächst übergangen. Mit Hilfe der Prädikatoren lernen wir die Gegenstände voneinander unterscheiden, wir konstituieren sie als bestimmte Gegenstände durch unsere sprachliche artikulierte Unterscheidung. Ein Prädikator vergegenwärtigt keinen bestimmten konkreten Gegenstand, sondern bestimmt Gegenstände näher (Dies ist ein Mensch, dies ist eine Eiche). Für einen Prädikator gibt es 9« Vgl. K. Lorenz, Sprachkritik, S. 20. 97 Die Darstellung der Grundbegriffe folgt im wesentlichen den Einführungen dieser Termini bei W. Kamiah—P. Lorenzen, LP; O. Schwmmer—P. Lorenzen, a.a.O., K. Lorenz, Sprachkritik, S. 149ff. (Ausnahme: Leitbegriffe). Es kommt uns hier nicht darauf an, „Eigenes" zu erfinden, sondern die für die Analyse brauchbaren sprachlichen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Unsere eigene Leistung besteht hier in dem Bemühen um knappe und übersichtliche Darstellung. — Für den Theologen, der sich hier fragt, ob sich der sprachkritische Aufwand lohnt, kann nur auf die vielfältigen Beispiele in der Theologie hingewiesen werden, in denen Problemlösungen schon durch ungenauen Sprachgebrauch verhindert werden (vgl. z.B. Anm. 89).
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also nicht nur ein Beispiel, sondern immer mindestens zwei (Was nicht heißen muß, daß man in der faktischen Situation immer zwei oder mehrere solche Gegenstände aufweisen können müßte). Die Prädikation ist eine erste Stufe der Situationsdistanzierung. Aufgrund der Prädikation erschließen wir uns eine erste Aufgliederung der Wirklichkeit, die wir über die konkrete Lehr- und Lernsituation hinaus, in der wir uns die Prädikation angeeignet haben, verwenden können. Die Prädikatoren können nun ihrerseits wieder unterschieden werden in Eigenprädikatoren, Apprädikatoren, Art- und Gattungsprädikatoren. 9 8 Unter Eigenprädikatoren verstehen wir die Prädikatoren, die eigenständig und eindeutig einen Gegenstand bezeichnen. Unter „Gegenstand" werden hier Dinge und Handlungen verstanden. (Beispiele für Eigenprädikatoren: Haus, Eiche, stehen, liegen; Gegenbeispiele: groß, rot). Unter Apprädikatoren verstehen wir Prädikatoren, durch die vergleichende Unterscheidungen getroffen werden (rot, grün, groß, klein, langsam). Apprädikatoren können mit Eigenprädikatoren verbunden werden (großes Haus, langsames Auto). Art- und Gattungsprädikatoren können aufgrund von Prädikatorenregeln eingeführt werden. Solche Prädikatorenregeln erlauben es, wie wir bereits dargestellt haben, zwischen einzelnen Prädikationen Beziehungen herzustellen. Mit ihrer Hilfe wird geregelt, von welchen Prädikationen ich jeweils zu anderen Prädikationen übergehen darf oder nicht. Anders formuliert: Prädikatorenregeln sind Transformationsregeln, die die zulässigen und nicht zulässigen Übergänge von Aussagen zu weiteren Aussagen regeln. (Beispiel: x e Vater x ¿weiblich; x e Hund =» x eMensch). Artprädikatoren mögen nun die Prädikatoren heißen, unter die Eigenprädikatoren subordiniert werden können (Beispiel: x e Käfer => x e Insekt; x e Wespe => x e Insekt. Die Eigenprädikatoren sind hier Käfer und Wespe; als Artprädikator wurde Insekt verwendet. Gattungsprädikatoren sollen die Prädikatoren heißen, unter die Artprädikatoren subordiniert werden können (Beispiel: x e Insekt x e Tier). Wie schon aus diesen Beispielen ersichtlich wird, kann die Einteilung jeweils noch verfeinert werden, indem etwa die Käfer in verschiedene Käferarten unterteilt werden usw. Wir sprechen, um nicht unnötig viele Unterscheidungen für Prädikatoren einführen zu müssen, von „Klassen". Darauf kommen wir später noch zurück. Die Einteilung in Art- und Gattungsprädikatoren stellt gegenüber den Eigenprädikatoren und den Apprädikatoren einen weiteren Schritt der Situationsdistanzierung dar. J e t z t werden bereits vorgenommene Prädikationen situationsunabhängig klassifiziert. Schließlich können wir noch zwischen einstelligen und mehrstelligen Prädikatoren unterscheiden. Im Satz „Hans ist groß" wird „groß" als ein98
P. Lorenzen-O. Schwemmer, a.a.O., S. 21ff. 157
stelliger Prädikator verwendet. Im Satz „Hans ist größer als Fritz" wird „groß" als zweistelliger Prädikator verwendet. Die Prädikatoren erlauben, verschiedene Gegenstände als gleiche zu behandeln. Verschiedene Beispiele können z. B. für „Haus" angegeben werden, und allen wird der gleiche Prädikator „Haus" zugesprochen. Ist dies gelernt, so stellt eine weitere Stufe der sprachlichen Differenzierung die Verwendung von Nominatoren99 dar. Durch die Nominatoren wird nun die Verschiedenheit der bisher als gleich behandelten Gegenstände sprachlich artikuliert. Wir unterscheiden dieses Haus, das alt und verfallen ist, von anderen Häusern. Wir nennen diesen Menschen, der sich von anderen Menschen unterscheidet, mit einem nur für ihn bestimmten sprachlichen Ausdruck. Die Nominatoren können ihrerseits aufgeteilt werden in Eigennamen, Kennzeichnungen und Indikatoren. Die Eigennamen (Beispiele: Picasso, Köln, Rhein, Peter) werden genau einem Gegenstand zugesprochen; sie benennen ihn. Die Eigennamen, wie alle Nominatoren, erlauben eine weitere Situationsdistanzierung. Wir können uns nun ganz bestimmte Gegenstände durch die Verwendung des Eigennamens ins Gedächtnis rufen und über diese Gegenstände reden. Mit Hilfe der Nominatoren können bestimmte Situationen „fingiert" werden, die dann entfaltet werden und über die gesprochen wird. Die Nominatoren erlauben es uns, Geschichten zu erzählen. Die Kennzeichnungen als zweite Gruppe der Nominatoren sind bestimmte Schemaverbindungen (Beispiel: dies Haus, diese umgeknickte Blume, der Vater Alexanders des Großen). Mit Hilfe der Kennzeichnungen wird, wie mit dem Eigennamen, ein ganz bestimmter Gegenstand bezeichnet. Da es jedoch nicht sinnvoll ist, für alle einzelnen Gegenstände Eigennamen einzuführen, etwa für jedes Haus, bedient man sich der Form, aus der sich die Eigennamen entwickelt haben. Die Kennzeichnung markiert aufgrund der Gleichbehandlung (Zusprechen des Prädikators „Haus") spezielle Verschiedenheit (Kennzeichnung: „dieses Haus"). Wir können dabei zwei Arten von Kennzeichnungen unterscheiden: situationsabhängige Kennzeichnungen und situationsunabhängige Kennzeichnungen. Die situationsabhängige Kennzeichnung besteht aus einem hinweisenden Ausdruck und einem Eigenprädikator (dieses Haus, diese Leiter, dieses Zimmer usw.). Welchen Gegenstand sie genau bezeichnet, kann nur aus der Redesituation (Kontext) genau bestimmt werden. Die situationsunabhängige Kennzeichnung besteht aus einer Verbindung von hinweisenden Ausdrücken, Prädikatoren und einem Eigennamen (Beispiel: der berühmte Königsberger Philosoph; der Vater Friedrichs des Großen; der zurückgetretene deutsche Bundeskanzler). Die situationsunabhängige Kennzeichnung unterscheidet sich vom Eigen99
K. Lorenz, a.a.O., S. 187ff.
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namen darin, daß in der Redeverwendungssituation bereits bei der Kennzeichnung eine erste Unterscheidung des bezeichnenden Gegenstandes angegeben wird. Der Name Immanuel Kant sagt dem, der ihn nicht kennt, nur, daß hier ein konkreter Gegenstand bezeichnet werden soll. Die Kennzeichnung „der berühmte Königsberger Philosoph" gibt uns schon Aufschluß über ihn. Oder der Eigenname Philipp kann (aufgrund unseres begrenzten Vorrats an Eigennamen) einen Menschen oder auch einen Hund bezeichnen. Die Kennzeichnung, der Vater Alexanders des Großen, gibt hier wieder näheren Aufschluß. Wir haben schon von hinweisenden Ausdrücken gesprochen. Solche hinweisenden Ausdrücke, die in der Situation einen Bezug zum Bezeichneten herstellen, sollen Indikatoren heißen. 1 0 0 (Beispiele: dies, jener, hier, jetzt, ich du). Diese Indikatoren sind situationsabhängig. Nur in der Redesituation wird deutlich, welchen Gegenstand sie bezeichnen. Wir können innerhalb der Indikatoren unterscheiden zwischen Indikatoren, die einen prädikativen Anteil haben, und Indikatoren, die frei von prädikativen Anteilen sind (Demonstratoren). Indikatoren wie „ich" oder „jetzt", machen deutlich, daß von einem Menschen geredet werden soll oder von einer bestimmten Stunde. Allein die Demonstratoren „dies", „diese", machen noch nicht deutlich, um welche Art von Gegenstand es gehen soll. Mit den Kennzeichnungen und Indikatoren haben wir Ausdrücke kennengelernt, deren Bedeutung nur in der Redesituation eindeutig bestimmt wird. Diese Ausdrücke, die erst im Zusammenhang mit Prädikatoren oder Eigennamen eine vollständige Bedeutung erhalten, wollen wir synkategorematische Ausdrücke nennen. 1 0 1 Zu den synkategorematischen Ausdrücken gehören neben den situationsbedingten Kennzeichnungen und den Indikatoren die logischen Partikel und die Präpositionen. Die logischen Partikel können unterschieden werden in Negator, Junktoren und Quantoren. Den Negator haben wir schon im Zusammenhang von Zusprechen und Absprechen kennengelernt. Für das Zusprechen haben wir die Seins kopula „ist" verwendet. Sie beschreibt einen Zustand (Dies ist ein Haus; dies ist gelb usw.). Zum Absprechen verwenden wir den Negator „nicht". (Dies ist kein (nicht ein) Haus, dies ist nicht gelb.) Die Junktoren dienen dazu, elementare Aussagen zu verknüpfen. Wir können elementare Aussagen mit „ u n d " verknüpfen (Konjunktion). Wir können sie mit „oder" verknüpfen. Dabei handelt es sich um eine Diskunktion, wenn „oder" ausschließend (im Sinne von entweder-oder) gebraucht wird (Beispiel: Er ist 100
W. Kamiah—P. Lorenzen, LP, S. 11 Off.; P. Lorenzen-O. Schwemmer, a.a.O., S. 29f. 10' F. Kambartel, Theo-logisches, ZEE 15, 1971, S. 33. Kambartel führt diesen Terminus im Rückgriff auf die mittelalterliche Logik ein, die die logischen Partikel als „Synkategoremata" bezeichnet hatte.
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entweder schon angekommen oder noch unterwegs). Um eine Adjunktion handelt es sich, wenn „oder" nicht ausschließend gebraucht wird (Beispiel: er ißt zum Nachtisch Käse oder Obst; dies schließt nicht aus, daß er Käse und Obst ißt). Wir können elementare Aussagen schließlich einander auf verschiedene Weise unterordnen bzw. zuordnen (wenn-dann, genau dann, wenn usw.). 102 Als Quantoren stehen uns zur Verfügung die Ausdrücke „alle", „einige", „es gibt mindestens ein". Aufgabe der Logik ist es, zu klären, wann eine Verknüpfung von elementaren Aussagen aufgrund von Verknüpfung zu neuen wahren oder falschen Aussagen führt (Wahrheitstafeln, Kalkülisierung, da unabhängig davon, welche Bedeutung die nicht logischen Ausdrücke haben, geklärt wird, zu welchen weiteren Aussagen man übergehen kann). Dies geschieht in der Junktoren- und Quantorenlogik. 103 Als Präpositionen bezeichnen wir Ausdrücke wie oben, unten, innen, außen, in, von, für, zu. 104 In unserer Gebrauchssprache gibt es darüber hinaus noch Wendungen, die nur über den Kontext verständlich werden. Heideggers Terminus „in der Welt sein" ist nicht durch isolierte Einführung von „in", „der" „Welt" und „sein" verständlich zu machen, sondern muß als Wendung begriffen werden, die durch Festlegung ihrer Intension in einem Kontext verständlich wird. Die bisher eingeführten Ausdrücke genügen, um unsere Verständigung in der Alltagssprache sicherzustellen. Für die wissenschaftliche Arbeit bedarf es noch einiger Präzisierungen. Die Wissenschaften arbeiten, so sagt man umgangssprachlich, mit „Begriffen". 105 Diese Rede von Begriffen bedarf der Präzisierung. Beachtet man den Gebrauch dieses Ausdrucks in den Wissenschaften, so stellt man fest daß die Wissenschaftler in zweifachem Sinn von ihren Begriffen reden. Zum einen wird Begriff als ein Ausdruck verwendet, der einen Gegenstand, etwa ein Ding, eine Sache, eine Situation genau bestimmen soll. Als Begriffe werden Ausdrücke bezeichnet wie: Revolution, Gesellschaft, Liebe, die Reformation usw. Genau besehen soll hier der Ausdruck Begriff bedeuten, daß es sich um Prädikatoren handelt, deren Verwendung genau und situationsunabhängig geklärt ist. Es handelt sich also um Prädikatoren, die explizit vereinbart sind. Solche Prädikatoren wollen wir Termini nennen. Eine Terminologie ist ein System explizit vereinbarter Prädikatoren, in dem auch die Beziehungen der einzelnen Termini untereinander geregelt sind. In einer solchen Terminologie können wir Grundbegriffe (= Grundtermini) und abgeleitete Begriffe (= abgeleitete Termini) unterscheiden. Zum anderen redet man von Begriffen, 102 Vgl. P. Lorenzen-O. Schwemmer, a.a.O., S. 42ff. 103 P. Lorenzen-O. Schwemmer, a.a.O., S. 43ff. P. Lorenzen-O. Schwemmer, a.a.O., S. 39. 105 Vgl. w. Kamiah—P. Lorenzen, LP, S. 85.
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indem man auf die Bedeutung bestimmter Ausdrücke (Prädikatoren) abhebt. Man spricht vom „Begriff der Revolution", dem „Begriff des Dreiecks" usw. Verbunden sind mit solcher Redeweise Vorstellungen von einem Begriff als einem gedanklichen Gebilde, einem Bewußtseinsinhalt usw. Was von Bewußtseinsinhalten und „gedanklichen Vorstellungen" zu halten ist, haben wir schon oben entfaltet. Genau besehen bezeichnet diese Art von Verwendung des Ausdrucks Begriff folgendes: Durch die explizite Vereinbarung haben wir die Bedeutung eines Prädikators situationsunabhängig festgelegt. Wir haben seine Extension und seine Intension bestimmt. Nachdem nun so ein Prädikator eingeführt ist, z.B. die Bedeutung von Auto wurde explizit vereinbart, können wir durch Definition festlegen, daß Auto und Kraftwagen synonym sein sollen. Immer wo jemand Auto sagt, kann er anstelle von Auto auch Kraftwagen sagen. Ganz gleich, ob er nun also Auto oder Kraftwagen sagt, es ändert sich nichts an der Bedeutung. Wir können so von einem „Begriff des Autos" reden, unabhängig von der Lautgestalt des Prädikators, der einmal Auto, ein andermal Kraftwagen lauten kann. Der Begriff ist das, was bleibt, wenn die Lautgestalt, in der ein Begriff artikuliert wird, sich ändert. Es handelt sich um eine Abstraktion von der Lautgestalt, die nur dann möglich ist, wenn vorher Lautgestalten eingeführt wurden, von denen man abstrahieren kann. Mit dem Stichwort Abstraktion kommen wir zu einer nächsten Gruppe von Unterscheidungen. Wir haben bisher schon fleißig von Worten wie „Eigenname", „Kennzeichnung", „Begriff" oder auch „Prädikator" Gebrauch gemacht. Was sind das für Wörter? Sie unterscheiden sich von den Wörtern, die wir Prädikatoren genannt haben (Haus, stehen, liegen, groß) dadurch, daß sie nicht verwendet werden, um die begegnende Wirklichkeit aufzugliedern, sondern sie werden gewonnen, indem wir über unsere sprachliche Erschließung reflektieren und uns vergewissern, was wir da getan haben. Solche Ausdrücke entstehen also durch Reflexion über eine Objektsprache. Sie sind Ausdrücke einer Metasprache. Die Objektsprache (z. B. dies ist ein Haus) wird erwähnt, um über sie Aussagen zu machen (z.B. Haus ist ein „Prädikator"). Es handelt sich bei Wörtern wie Begriff, Eigenname, Bedeutung um Metaprädiaktoren. 106 Metaprädika10« Vgl. \V. Kamiah—P. Lorenzen, LP, S. 116ff. Ein „uneigentlicher Gebrauch" des Ausdrucks „wahr" findet sich in Wendungen wie „wahre Freundschaft" „wahre Liebe" Hier wird das Wort „wahr" vergeben aufgrund von „Standards". So bringt eine solche Wendung zum Ausdruck, daß ein bestimmtes Verhältnis dem entspricht, was der Prädikator „Freundschaft" bedeutet. Solche Redewendungen werden b e n u t z t , um (1) hervorzuheben, daß ein bestimmtes Verhältnis dem Standard entspricht. (Vorbildcharakter; da kannst du lernen, was Freundschaft ist; entgegen dem äußeren Anschein handelt es sich um „wahre Freundschaft"):
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Track, Untersuchungen
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toren sind auch die Ausdrücke „wahr" und „wirklich". Sie werden Aussagen zu- oder abgesprochen. Es handelt sich hierbei um dreistellige Metaprädikatoren. Etwas ist für jemand aufgrund von . . . (Kriterien und — gegebenenfalls — Prüfungsverfahren) wahr. (Dreistellige Metaprädikatoren sind übrigens auch Ausdrücke wie „bewährt" und „brauchbar"; sie sind erst als in ihrer Bedeutung geklärt anzusehen, wenn sie in ihren drei Beziehungen geklärt sind. Dies wird in der neueren theologischen Diskussion nicht hinreichend beachtet. Der Übergang vom Metaprädikator „wahr" zum Metaprädikator „bewährt" als Kriterium für theologische Aussagen entschärft das Problem, aber löst es nicht). 1 0 7 Zu den bereits eingeführten Metaprädikatoren müssen für unsere Analyse des Redens von Gott noch zwei Metaprädikatoren eingeführt werden: Klasse und Eigenschaft. Von Eigenschaften sprechen wir aufgrund folgender Überlegung. Apprädikatoren können mit Eigenprädikatoren und mit Nominatoren verbunden sein (diese alte Leiter, gelbes Haus). Nun können wir auch bei Apprädikatoren, nachdem sie einmal eingeführt und ihre Bedeutung explizit vereinbart worden ist, die Lautgestalt durch andere Lautgestalten ersetzen. Wir können vereinbaren, daß etwa „ r o t " und „red" synonym sein sollen, oder daß blaugrün und grünblau synonym sein sollen. Während wir nun bei Eigenprädikatoren von Begriffen sprechen, wenn von der Bedeutung eines Terminus unabhängig von der Lautgestalt die Rede sein soll, wollen wir bei Apprädikatoren in einem solchen Fall von Eigenschaften sprechen. Von Klassen sprechen wir dort, wo eine bestimmte Menge von Gegenständen zusammengefaßt wird. 1 0 8 (So sind die Erlanger, die ein Telephon besitzen, eine ganz bestimmte, endliche Menge. Sie stellen eine Klasse dar.) Interessant wird die Einführung des Metaprädikators „Klasse" jedoch erst aufgrund der Unterscheidung zwischen Extension und Intension. Die Extension bezieht sich, wie dargestellt, auf die Menge von Gegenständen, die durch einer Ausdruck, im Fall von Klassen durch einen Prädikator, bezeichnet wird. Die Intension ist das Regelsystem zum Gebrauch eines Prädikators, das entsteht, wenn der einzelne Prädikator mit (2) jemand zur Annahme des Standards zu bringen (Du stimmst doch zu, daß so Freundschaft aussieht). Vgl. unsere Ausführungen zur ideativen und valuativen Redeweise. 107 Sowohl W. Pannenberg als auch G. Sauter heben in ihren wissenschaftstheoretischen Ansätzen für die Theologie auf dieses Kriterium „bewährt" ab, ohne die dreistellige Relation dieses Metaprädiaktors explizit zu erklären („Etwas ist für jemand aufgrund von . . . bewährt"). Insbesonders die Frage der Kriterien, aufgrund derer das Kriterium „bewährt" seinerseits vergeben werden darf, bleibt offen. 10« W. Kamiah—P. Lorenzen, LP, S. 92ff. Vgl. a. W. K. Essler, Analytische Philosophie I, S. 35ff. und 236ff.
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anderen Prädikatoren in Beziehung gesetzt wird (Prädikatorenregeln). Nun kann man die Beobachtung machen, daß Prädikatoren extensional die gleiche Klasse bedeuten. Die Prädikatoren „Lebewesen mit Herz" und „Lebewesen mit Niere" bezeichnen genau die gleiche endliche Menge von Gegenständen. Sie sind jedoch intensional verschieden. Sie stellen je eine andere sprachliche Unterscheidung dar. Abschließend sei noch auf einige besondere Ausdrücke eingegangen. Wir haben wiederholt von „Gegenständen" geredet. „Gegenstand" war hier ein Ausdruck dafür, daß man „etwas" benennen, unterscheiden usw. kann, ohne daß genauer bestimmt wurde, um was es sich handelt. Gegenstand ist also ein Wort, das eine Stelle offen hält für genauere sprachliche Unterscheidungen. Ein solcher Ausdruck stellt die für uns höchste denkbare Abstraktion von konkreten Unterscheidungen dar. Wir nennen einen solchen Ausdruck Leerprädikator. 109 Wir haben wiederholt von der „Welt" oder „der begegnenden Wirklichkeit" gesprochen. Welt und Wirklichkeit sind jedoch keine Gegenstände, wie dies unsere Oberflächengrammatik vortäuscht. Die Welt ist kein Gegenstand. Sie ist kein bestimmbares, abgrenzbares „Etwas", auch keine bestimmte Menge von Gegenständen. Wir konstituieren ja die Gegenstände als Gegenstände erst in unseren sprachlichen Unterscheidungen. Abgesehen davon, daß nicht überschaubar ist, von welchen Gegenständen die Menschen insgesamt reden, ist auch die sprachliche Aufgliederung immer in Bewegung. Die Funktion, die ein solcher Ausdruck wie „Welt" hat, liegt darin, daß er eine Handlungsanleitung enthält. Wenn jemand sagt „die Welt ist gut", dann gibt er sich die Anleitung: „Alles, was mir begegnet, will ich so verstehen, daß es letztlich für mich gut ist". (Ob das ein sinnvolles Urteil ist, sei dahingestellt). Wenn jemand sagt: „Wir gliedern die Welt auf", so heißt dies: Wir gliedern alles, was uns begegnet, von uns wahrgenommen wird, auf. Es handelt sich also bei Welt, Wirklichkeit, Sein usw. um Leitbegriffe. b) Die
Redeweisen
Die folgende Einteilung der Redeweisen stellt eine Grob einte ilung dar, die wie alle Unterscheidungen differenzierbar und verbesserbar ist. Diese Einteilung erscheint uns jedoch geeignet als Instrument zur Unterscheidung der verschiedenen Weisen, in denen von Gott geredet wird. 1 1 0 109
P. Lorenzen—O. Schwemmer, a.a.O., S. 34. In der Analytischen Philosophie wurden zwar die verschiedenen einzelnen Redeweisen jeweils untersucht, aber eine übersichtliche Gesamtklassifizierung liegt nicht vor. Unser Vorschlag berücksichtigt diese Einzelanalysen, sie korrigierend aufnehmend. 110
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Bereits ausführlich haben wir die deskriptive Redeweise (Aussagen und Aussagenzusammenhänge) im Zusammenhang der Entfaltung des Wahrheitsbegriffs behandelt. Wir können uns hier auf einige zusätzliche Unterscheidungen beschränken. Bei den elementaren Aussagen kann zwischen atomaren und zusammengesetzten elementaren Aussagen unterschieden werden. Ein atomarer elementarer Satz besteht aus Eigenname und einem Prädikator (Hans ist ein Mensch). Ein zusammengesetzter elementarer Satz besteht aus Eigenname und mehreren verbundenen Prädikatoren (Hans ist ein fröhlicher Mensch). Beide Formen können als gleich elementar gelten. Eine Beschränkung auf atomare elementare Sätze, wie Russell sie fordert, ist willkürlich. 111 Jede Aussage stellt einen möglichen Sachverhalt dar, der behauptet, vermutet, bezweifelt, mitgeteilt, berichtet, vorausgesagt wird. Ist die Aussage, die einen Sachverhalt darstellt, aufgrund der Logik, von Definitionen und Prädikatoren oder aufgrund empirischer Überprüfung wahr, sprechen wir von wahren Sachverhalten oder von Tatsachen. Die Überprüfung von Sachverhalten der Vergangenheit, die berichtet werden, oder von Sachverhalten der Gegenwart, deren Überprüfung aus Gründen räumlicher Distanz nicht vorgenommen werden kann, erfolgt erstens nach den Regeln des hermeneutischen Vorgehens, die wir dargestellt haben. Sie muß zweitens, nachdem Verständlichkeit sicher gestellt ist, aufgrund von Kriterien über die Qualität der Berichte erfolgen (Quellenkritik), die die Berichte als zuverlässig, unzuverlässig, vertrauenswürdig usw. einstuft. Ein dritter Schritt wird sich dann um die Erklärung der Sachverhalte als aufgrund unseres Wissens über die Wirklichkeit möglich, notwendig, beweisbar, widerlegbar oder unentscheidbar (mellontische Modalitäten) bemühen. Sie wird sich zu solcher Erklärung auf Verlaufsgesetze berufen, seien es die exakten Verlaufsgesetze der Naturwissenschaften oder Verlaufsgesetze, die menschliches Verhalten charakterisieren. Für Voraussagen, also Aussagen über zukünftige Sachverhalte, wird man sich ebenfalls auf Verlaufsgesetze stützen, die als bewährt gelten. Aufgrund dieser Verlaufsgesetze können prognostische Aussagen als Darstellung möglicher oder notwendiger Sachverhalte immer relativ zu den angenommenen Verlaufsgesetzen bezeichnet werden. Von Wahrheit kann nur bei Sachverhalten der Gegenwart und der Vergangenheit gesprochen werden, insofern sie sich aufgrund der vereinbarten Überprüfungsverfahren als wahr erweisen. Prognostische Aussagen stellen keine wahren Sachverhalte dar. 1 1 2 Für empirische Aus111
Vgl. oben S. 56f. unsere Stellungnahme zu Russell. Vgl. die einleuchtenden Ausführungen über empirische generelle Sätze in den Natur- und Sozialwissenschaften in ihrem synchronen und diachronen Geltungsaspekt bei W. Raddatz, Theorie der Theoriebildung, S. 76ff., und die Ausführungen von 112
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sagen, die Sachverhalte der Gegenwart oder Vergangenheit darstellen, gibt es zwischen wahr und falsch mögliche Abstufungen: Wahrscheinlich, möglicherweise wahr, unentscheidbar. 113 Eine Sonderform der deskriptiven Redeweise stellt die fiktive Redeweise dar. Hier macht man sich zunutze, daß die Sprache uns mit Hilfe der Nominatoren (Eigennamen, Kennzeichnungen und Indikatoren) erlaubt, bestimmte Situationen, Sachverhalte, Dinge oder Handlungen ins Gedächtnis zu rufen. In der fiktiven Rede werden solche bestimmten Situationen, Geschichten fingiert. Alle Dichtung beruht auf solcher Möglichkeit, Geschichten zu erfinden, die zeigen, wie etwas sein oder gewesen sein könnte. Damit helfen sie uns, zu erschließen, was ist, was war oder was kommen kann. „Auch die dichterische Sprache redet von der Wirklichkeit, aber auf einer anderen Ebene als die wissenschaftliche Sprache. Sie zeigt keine Welt, die schon da ist wie die beschreibende oder die didaktische Rede; aber in dem Maße, wie dieser Verweisungsbezug erster Ebene zerstört wird, wird eine andere Macht des Sagens von Welt freigelegt, aber auf einer anderen Ebene von Wirklichkeit." 114 Eine weitere Sonderform ist die ideative Redeweise. Solche Redeweise geht von der Erfahrung aus, daß Weisheit, Liebe, Gerechtigkeit, Besonnenheit und Klugheit, nur um einiges zu nennen, in unserer Lebenswelt, bei anderen Menschen und auch bei uns selbst, immer wieder gepaart sind mit anderen Eigenschaften wie Herrschsucht, Aggression, dem Trieb zur Zerstörung, Unbesonnenheit, Unvernunft. Liebe erscheint oft gebrochen, moralisches Handeln als Wahl zwischen zwei Übeln. Darüber hinaus erfahren wir immer wieder das Scheitern von guter Absicht, von gemeinsamer Beratung und Konfliktbewältigung, weil sich die Teilnehmer der W. Pannenberg zum Begriff „Erklärung", Wissenschaftstheorie und Theologie, S. 136ff. 113 G. Sauter, Grundzüge, S. 236, unterscheidet Reden von Gott (z. B. Doxologie, Homologie und assertorisches Reden) und Reden über Gott als deskriptive Redeweisen („Aussagen machen heißt also, durch sprachliche Gestaltung vergegenständlichen"; a.a.O., S. 236/37). Nach der hier gegebenen Einführung der deskriptiven Redeweise kann so nicht unterschieden werden. In beiden Fällen handelt es sich um objektsprachliche Aussagen in deskriptiver Redeweise. Das Reden von Gott und Reden über Gott in objektsprachlichen Aussagen kann, muß aber nicht, Ausdruck verschiedener objektsprachlicher Reflexionsstufen sein (vgl. unsere Klassifizierung des Redens von Gott in Kap. 3). Homologie und Doxologie wären anderen Redeweisen zuzuordnen. Hinsichtlich der deskriptiven Elemente, die sie enthalten, stellen sie besondere Gattungen der deskriptiven Redeweise dar. Assertorisches Reden bezeichnet keine Redeweise, sondern eine gewisse Einstellung zur Begründbarkeit oder ist Ausdruck des Verhältnisses von Sprecher und Behauptung in bestimmten Redesituationen (vgl. dazu auch Anm. 128). 114
P. Ricoeur, Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, S. 53.
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Forderung entziehen, daß jeder Interessen und Bedürfnisse des anderen zu berücksichtigen habe. Solche Erfahrungen treiben die Menschen dazu, ihre Hoffnung auf eine bessere Welt, auf gelingende Verständigung und gemeinsames Handelns auszudrücken in „Bildern" einer heilen Welt, in der Not, Sorge und Haß überwunden sein werden. Man bedient sich dazu der Beschreibung von Liebe, von Freiheit, von Gerechtigkeit und gemeinschaftlichem Leben in ihrer idealen Form (Man spricht dann von „wahrer Liebe", „wahrer Freiheit", usw.). Solche „Bilder" der Hoffnung haben eine doppelte Funktion. Sie sind Maßstäbe, an denen gegenwärtiges Handeln, Lebensollen und Lebenkönnen gemessen wird. Aus ihnen lassen sich Normen ableiten, die unser Handeln hier und jetzt auf dem Weg zur besseren Zukunft regeln sollen. Sie sind Ausdruck der Hoffnung und Motivation zur Hoffnung zugleich. Durch das Ziel, das dargestellt wird, sollen wir und andere veranlaßt werden, über die Erfahrung von Scheitern, Verfehlung hinaus weiter beharrlich am Ziel festzuhalten. Solche ideativen Bilder, „Ideale" entstehen via eminentiae, durch Überhöhung gegenwärtiger Erfahrung des Gelingens, und via negationis, durch Entgegensetzung zu dem, was bei uns vorläufig, gebrochen ist, einen defizienten Modus aufweist. 1 1 5 Eine weitere Sonderform der deskriptiven Redeweise ist die metaphorische Redeweise. Die Metapher ist schon früh als Mittel des sprachlichen Ausdrucks verwendet worden. Sie dient dazu, eine Situation, einen Sachverhalt, ein Erlebnis anschaulich auszudrücken. 1 1 6 Sie eröffnet durch ihre sprachliche Erschließung der Wirklichkeit neue Bereiche der Erfahrung. In ihr spielen ebenso wie in der ideativen Redeweise stark emotionale Gehalte mit. So vermittelt etwa die Metapher „mit einem Fuß im Grabe stehen" ganz andere emotionale Gehalte als die Metapher" den Lebensabend verbringen". Der Ort der Metapher ist die Wendung, der Satz, die erzählte Geschichte. Metaphern entstehen dadurch, daß in einer Wendung, in einem Satz in einer Geschichte neue, ungewohnte Zuordnungen von Ausdrücken erfolgen. So werden z.B. in der schon erwähnten Metapher „den Lebensabend verbringen" zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen (Leben und Tag) durch die Zuordnung zueinander in Beziehung gebracht. Die Metapher wird dann zu einem zwischen gewöhnlichem und ungewohntem Sprachgebrauch spielenden Ausdruck, der zwei
Iis Vgl. die drei Wege der Gotteserkenntnis, die Dionysius Areopagita entfaltet hat: Via eminentiae, via negationis, via causalitatis (Allgemeinverständlich und knapp dargestellt bei W. Trillhaas, Dogmatik, S. 123). 116
Die Metapher hat ursprünglich eine doppelte Funktion: Sie will das Unanschauliche anschaulich machen und sie bietet eine Möglichkeit, über tabuisierte Gegenstände zu sprechen; vgl. H. Fischer, Glaubensaussage und Sprachstruktur, S. 26 l f f .
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vertraute Phänomene (z. B. Abend eines Tages, Alter eines Lebens) miteinander verbindet, so daß neue Erkenntnis, neues Verstehen ermöglicht wird. Genau gesehen handelt es sich bei der metaphorischen Verwendung eines Wortes oder Ausdrucks darum, daß durch die Zuordnung zu einem anderen Ausdruck (in einer Wendung) oder durch Zuordnung zu mehreren Ausdrücken (in einem Satz oder einer Geschichte) bestimmte Teile der bisher gelernten Bedeutung dieses Ausdrucks herausgegriffen und in neuen Zusammenhängen verwendet werden; z. B. „Lebensabend": der Prädikator „Abend" hat die Intension „Zuendegehen eines Tages", „allmählich dunkel werden" usw. Von dieser Intension wird in der Metapher „Lebensabend" das „Ende, Zuendegehen" eines Tages auf die Situation eines Lebens übertragen, andere Teile der Bedeutung des Wortes Abend werden nicht verwendet; oder: „Achill ist ein Löwe": in dieser Metapher werden aus der Bedeutung des Wortes „Löwe", die mit diesem Wort verbundenen Eigenschaften „mächtig", furchterregend", „tapfer" dem Achill zugesprochen, andere Eigenschaften oder Eigenarten, die ebenfalls mit dem Wort Löwe verbunden sind „ist ein Tier", „frißt rohes Fleisch" usw. werden nicht verwendet. Als Ausdrücke für Metaphern eignen sich insbesonders Prädikatoren (Eigenprädikator: Er ist ein Fuchs; versinken im Leid; Apprädikator: süße Liebe, lebendiger Glaube). Gelegentlich können auch Kennzeichnungen und Eigennamen verwendet werden (Er ist ein kleiner Hitler). Regeln dafür, welche Intensionen eines Ausdrucks weggelassen werden können, welche in gleicher Bedeutung (univok) weiterverwendet werden, lassen sich nicht allgemein aufstellen. Es kann auf die Funktion eines Gegenstandes, auf seine Eigenschaften abgehoben werden. 1 , 7 Der besondere Gewinn der metaphorischen Redeweise liegt zum einem in ihrer Anschaulichkeit und in ihrem entbergenden Charakter. 118 Die ungewohnte Zuordnung erschließt neu die Wirklichkeit, erlaubt Bekanntes in neuem Licht zu sehen, macht auf bisher Ungesehenes aufmerksam. „Metaphorische Rede präzisiert, indem sie mit der Dialektik von Vertrautheit und Verfremdung arbeitet. Sie verfremdet sowohl einen Sachverhalt als auch einen Sprachgebrauch, indem sie ein für die Bezeichnung des Sachverhaltes ungewöhnliches Wort und dieses in einer ungewöhnlichen Bedeutung verwendet. Zugleich geht sie aber davon aus, daß die Verfremdung als solche in die vertraute Welt eingeholt wird, so daß es zu einer Erweiterung der vertrauen Welt kommt." 119 Zum anderen liegt der Gewinn der metaphorischen Redeweise darin, daß sie den Hörer in besonderer Weise am Sprachgeschehen teilnehmen läßt. 117
Vgl. auch J. M. Bochenski, Logik der Religion, S. 133ff. P. Ricouer, a.a.O., S. 47ff. "9 E. Jiingel, Metaphorische Wahrheit, S. 119. 118
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Welche Intensionen etwa von „Löwe" für Achill gelten, muß der Hörer dieser Metapher selbst suchen und entdecken. Er muß nicht nur eine Aussage nachvollziehen, wie dies bei der rein deskriptiven Rede geschieht, die etwas genau feststellt. Bei der metaphorischen Redeweise vollzieht der Hörer ein Sprachgeschehen, indem er den Wortspiel folgt und seinen Sinn erfaßt und bestimmt. Am Wortspiel mitbeteiligt, lernt der Hörer spielerisch, Wirklichkeit neu sprachlich zu erschließen. „Metaphern sind Ereignisse unmittelbaren Lernens. Sie lehren spielend zu lernen." 1 2 0 Insbesonders das Reden von Gott hat — wie wir später noch genauer entfalten werden — metaphorischen Charakter. Unsere Sprache erwächst aus der Begegnung mit Mensch und Welt. Soll nun aber von Gott geredet werden, gilt es Aussagen von dem zu machen, der von Mensch und Welt unterschieden ist und doch in unserer Wirklichkeit wirkt. Das erfordert metaphorische Rede, in der mit unserer aus der Begegnung mit Mensch und Welt gewonnenen Sprache jenes Wirken und Handeln Gottes ausgesagt wird. Die klassische theologische Lehre von der Analogie hat sich diesem Problem gestellt. Da sie jedoch nach unserer Auffassung mehr Unklarheit als Klarheit mit sich bringt, sei vorab zu ihr schon Stellung genommen. Die klassische theologische Lehre von der Analogie hebt zwei Arten von Analogien hervor: die analogia attributionis und die anlogia proportionalitatis. Unter der analogia attributionis werden Analogien folgender Art verstanden: „Die Nahrung ist gesund und der Mensch ist gesund". Aufgrund der Erfahrung, daß die Nahrung als eine der Ursachen für die Gesundheit des Menschen anzusehen ist, wird hier der Gebrauch des Wortes „gesund" erweitert, so daß man von „gesunder Nahrung" spricht. Der Apprädikator „gesund" soll nicht nur zur Beschreibung eines Zustandes (jemand ist gesund), sondern auch zur Charakterisierung der Ursache, die den Zustand „gesund" hervorruft, verwendet werden. In diesem Fall handelt es sich also nicht um eine Metapher. Keine der Intensionen des Ausdrucks „gesund" wird der Nahrung zugesprochen, vielmehr wird ein kausales Beziehungsverhältnis umgangssprachlich ausgedrückt. Es gibt kein sogenanntes „Analogon", d. h. eine bestimmte Menge von Intensionen, die beiden mit einander verglichenen Dingen gleichzeitig zukommt. Hinter der Auffassung von der analogia attributionis steht die neuplatonische These von der Ähnlichkeit der Wirkungen mit ihren Ursachen. Gegen diese These lassen sich hinreichend viele Gegenbeispiele bringen. Soll von Gott als Person, als Herrn und Vater, seinem Handeln und Reden gesprochen werden, ist — aus sprachkritischer Sicht — die erste Frage: Wo liegt bei solcher metaphorischer Rede der „univoke Kern", d. h. die Menge von Intensionen, die in gleicher Weise 120 E. Jüngel, a.a.O., S. 119. 168
für Gott als auch in der üblichen Verwendung dieser Worte für den Menschen gilt? Erst in einem zweiten Schritt stellt sich dann die Frage nach den Gründen: Warum können wir überhaupt von G o t t analog/metaphorisch reden. Da haben dann die „theologischen Gründe" wie: G o t t hat seiner Schöpfung Anteil an seinem Sein gegeben, der Mensch ist das Ebenbild Gottes usw. ihren Platz. 1 2 1 Die analogia proportionalitatis wird in der Regel bestimmt als Verhältnisbeziehung zwischen zwei Gegenständen, die einer weiteren Verhältnisbeziehung zwischen zwei Gegenständen ähnlich ist (Oft angeführtes Beispiel: Das Verhältnis von zwei Brüdern aus einer Familie wird verglichen mit dem Verhältnis von zwei Brüdern aus einer anderen Familie). Auch hier muß man erst sorgfältig untersuchen, ob es sich um eine „Analogie" im Sinne der von uns eingeführten metaphorischen Redeweise handelt. Als erstes muß aufgedeckt werden, daß es sich bei unserem Beispiel um keine metaphorische Redeweise handelt. , Bruder v o n " ist ein zweistelliger Prädikator (man könnte ihn auch Relator nennen), der aufgrund von Beispielen, nämlich Bruderverhältnissen, eingeführt wird. Dabei kann man noch differenzieren zwischen Bruder eines Bruders, Bruder einer Schwester, Bruder eines Halbbruders usw. Die verschiedenen Bruderverhältnisse sind also nichts anderes als Beispiele für den Prädikator „Bruder", genauso wie verschiedene Häuser Beispiele für den Prädikator „Haus" sind. Hier wird von einer Analogie ausgegangen, die wir ,,Wiederkehr des G l e i c h e n " genannt haben. Auf dieser Analogie beruht unsere Möglichkeit, überhaupt sprechen zu können. Um metaphorische Redeweise im engeren Sinn handelt es sich n i c h t . 1 2 2 Allenfalls könnte man nun zweitens eine echte metaphorische Redeweise entdecken, wenn man von einem bestimmten Bruderverhältnis (Kennzeichnung!) ausgeht, das z . B . durch besondere gegenseitige Zuneigung ausgezeichnet ist. Andere Möglichkeiten echt metaphorischer Redeweise ergeben sich, wenn Beispiele für Verhältnisse aus anderen Gattungen auf menschliche Verhältnisse metaphorisch angewendet werden („wie Katz
121 So richtig diese theologische Begründung der Möglichkeit unseres analogen Redens sein mag, so wenig hilfreich ist eine solche Auskunft für die sprachkritische Frage nach der Verständlichkeit des Redens von Gott. Aus sprachkritischer Sicht bedarf es einer Klärung der gemeinsam für Gott und Mensch gültigen Intensionen der verwendeten Ausdrücke „Sein", „Handeln", „Beziehung" „Begegnung". 1 2 2 Jede Prädikation beruht darauf, daß wir im Wort Welt entdecken, Gegenstände (mit-) konstituieren. In der metaphorischen Rede im engeren Sinn ist diese Möglichkeit der Sprache, das Entdecken und Entbergen mit Hilfe der Sprache, die Zusammenschau von Ähnlichem besonders ausgebildet. Umgekehrt erinnern uns die Metaphern an die Eigenart von Sprache. „Metaphern sind Erinnerungen an die durchgängig metaphorische Struktur der menschlichen Sprache" (E. Jüngel, a.a.O., S. 120).
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und Hund"). 1 2 3 In diesem Sinn handelt es sich auch um metaphorische Redeweise, wenn von Gott gesagt wird, wie sich der Mensch zur übrigen Schöpfung verhält, so verhält sich Gott zum Menschen, — wobei dahingestellt sein mag, ob es sich um eine bedeutungsreiche und sinnvolle Metapher handelt. Als zweite Redeweise neben der deskriptiven Redeweise samt ihren Sonderformen möchten wir die emotive Redeweise einführen. Sprache hat, wie wir zu Beginn unserer Arbeit entfaltet haben, eine interjektive Funktion. Durch sprachlichen Ausdruck können wir Erlebnisse unterscheiden und mitteilen. So kann Sprache dazu dienen, Stimmungen, Gefühle, Empfindungen zu verbalisieren. Die emotive Redeweise kann als sprachliche Fortsetzung eines Empfindungsverhaltens angesehen werden, ja an die Stelle nichtsprachlichen Empfindungsverhaltens treten. Sie ermöglicht es, die eigenen Stimmungen, Gefühle, Empfindungen durch die sprachliche Artikulation zu differenzieren. Als dialogische Leistung vermittelt die emotive Redeweise zwischen den Gefühlen, Stimmungen und Empfindungen der Gesprächsteilnehmer. Sie kann Anteilnahme, Mitempfinden, Miterleben hervorrufen. Wir kennen alle die Stimmung von Gruppen beeinflussende, zusammenhaltende Wirkung von Schlachtrufen (von „Deutschland vor, noch ein T o r " bis zu „Ho-Ho- Ho-Chi Minh"). Offensichtlich ist es gerade durch emotive Redeweise gut möglich, den anderen in seinem eigenen Gefühls- und Stimmungsverhalten zu treffen, aufzurütteln, anzustacheln. Propagandisten aller Schattierungen und Werbemanager machen davon fleißig Gebrauch.
123 Ob man die gemeinsamen Eigenschaften, die hier sowohl dem Verhältnis von Menschen als auch dem Verhältnis von Tieren (Katz und Hund) zugesprochen werden, als den univoken Kern bezeichnen will, ist eine Frage der Entscheidung. Man kann einerseits sagen, es werden genau die gleichen Eigenschaften den beiden Verhältnissen zugesprochen (die Metapher ist in ihrem univoken Kern dann die Vereinigungsmenge dieser Eigenschaften). Man kann andererseits sagen, das Verhältnis von Menschen und Tieren kann auch hinsichtlich der analog verwendeten Eigenschaften nie völlig gleich sein (aufgrund des anderen Welt bzw. Umweltbezugs), sodaß sich kein univoker Kern ergibt, sondern die beiden Verhältnissen zugesprochenen Eigenschaften nur einander ähnlich sind (kategoriale Ungleichheit). Um dieses Problem ging es auch im Streit zwischen Thomisten und Skotisten beim Reden von Gott. Kann es bei der totalen kategorialen Ungleichheit zwischen Gott und Mensch/Welt einen univoken Kern geben? Andererseits: Wenn es keinen univoken Kern gibt, ist dann überhaupt analoges Reden sinnvoll? Wir neigen zur skotisitischen Auffassung: Wie gebrochen auch immer von den für Gott und Mensch gemeinsam geltenden Intensionen der verwendeten Ausdrücke geredet werden muß, es muß — soll überhaupt etwas gesagt sein — den Analogaten gemeinsam zukommende Intensionen geben. Zur Frage der Analogie vgl. J. Track, Art. Analogie, TRE Bd. 1.
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Als weitere Redeweise sei die valuative Redeweise g e n a n n t . 1 2 4 Wir haben schon darauf hingewiesen, daß „ w a h r " und „ f a l s c h " Metaprädikatoren sind, die zur Beurteilung von Aussagen verwendet werden. Die Werturteile, die über Menschen, Situationen, Dinge u n d Handlungen gefällt werden, haben nach unserer Auffassung einen ähnlichen Status. Die Prädikatoren „ g u t " und „ s c h ö n " sind ebenfalls dreistellige Metaprädikatoren. Etwas ist für jemand aufgrund von . . . gut oder schön. Im Unterschied zu den Prädikatoren wahr und falsch (in ihrer eigentlichen Verwendung) k ö n n e n die Prädikatoren gut (ethisches Werturteil) u n d schön (ästhetisches Werturteil) nicht nur Aussagen u n d im Falle empirischer Aussagen, den durch sie dargestellten Sachverhalten, sondern auch Dingen, Handlungen, Personen, Werken des Menschen usw. zu- oder abgesprochen werden. Interessant ist n u n die Näherbestimmung der Kriterien, aufgrund deren diese Prädikatoren zu- oder abgesprochen werden. Wie k o m m e n wir dazu, etwas gut zu nennen? Zur Beantwortung dieser — wie die metaethische Diskussion gezeigt hat — sehr schwierigen Frage, erscheint es uns hilfreich, in einem ersten Schritt zu klären, was j e m a n d zum Ausdruck bringen will, wenn er den Prädikator gut zu- oder abspricht. 1. Die Verwendung des Ausdrucks „ g u t " ist nicht b l o ß e r Gefühlsausdruck einer positiven Einstellung zu einer Sache, wie Stevenson meint. 1 2 S Vielmehr wird diese positive Einstellung anhand von „Standards" zum Ausdruck gebracht. Wer den Prädikator gut vergibt, hat zunächst einmal b e s t i m m t e Standards anerkannt, bejaht. 2. Der Prädikator gut wird aufgrund einer empirischen Überprüfung vergeben. Ein Gegenstand erhält den Prädikator gut, weil man erkannt hat, daß er den Standard erfüllt bzw. ihm n a h e k o m m t . 3. Wer das Werturteil gut zu- oder abspricht, will damit andere anregen, dieses Werturteil zu teilen, zumindest andere zu einem eigenen Werturteil provozieren. Beispiel: „Dieses A u t o ist g u t " (ethisches Werturteil). 1. Möglicher Standard, der hinter diesem Urteil steht: „Schnelle, sichere Autos sind g u t " . 2. Empirische Uberprüfung: Dieses A u t o hier ist sicher und schnell. Darum ist es gut. 3. Dialogische Absicht: „Denkst du nicht auch, d a ß dieses A u t o gut ist". Ist dieses Vorgehen beim Zu- oder Absprechen des Prädikators gut erkannt, werden zwei weitere Fragen wichtig: 1. Wie k o m m t einer dazu, bestimmte Standards zu entwickeln oder als seine von ihm anerkannten Standards zu übernehmen? 2. Es gibt offensichtlich unterschiedliche Standards für unterschiedliche Gegenstände in unterschiedlichen Situatio124 Vgl. zum Problem der valuativen Redeweise E. von Savigny, Philosophie der normalen Sprache, S. 169ff., der einen guten Überblick über die Diskussion und die vielfältigen Komponenten der Werturteile gibt. 125
L. Stevenson, Ethics and Language, S. 2 l f . und 206ff.
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nen. (Z. B. „Schnelle, sichere Autos sind g u t " , „rostfreie, scharfe Küchenmesser sind g u t " , „das mutige Eintreten für seine Sache ist gut"). Worin ist es begründet, daß wir in all diesen Fällen auch bei unterschiedlichen Standards den Prädikator gut verwenden? Wieso können wir von guten Autos, guten Küchenmessern, guten Menschen reden? Eine Untersuchung der ersten Frage nach den Gründen für die Annahme oder Übernahme eines Standards zeigt, daß hier zwei Faktoren wirksam sind: eine Zielvorstellung (ein Zweck) u n d eine Erfahrung. So geschieht die Bejahung des Standards „schnelle, sichere Autos sind g u t " etwa von folgenden Zielvorstellungen her: J e m a n d will schnell von einem Ort zum anderen kommen (Zweck: höhere Mobilität). J e m a n d will unbeschädigt diese Mobilität in Anspruch nehmen (Zweck: Lebenserhaltung). J e m a n d macht es Spaß, vorhandene Möglichkeiten auszunützen, Natur und Technik zu beherrschen (Zweck: Lebensgestaltung, Freude). Diese Zwecke, so lehrt nun die Erfahrung (2. Faktor), lassen sich unter anderem durch schnelle, sichere Autos weitgehend einlösen. Standards beruhen auf der Erkenntnis, daß bestimmte Dinge, Handlungen, Situationen, bestimmtes Verhalten bestimmte Zwecke erfüllen. Welche Zwecke aber n u n einer anerkennt und verfolgt, hängt mit seinen Bedürfnissen, Interessen und auch Normen zusammen (vgl. unsere Ausführungen zur Beratungssituation). Einigkeit über Zwecke und damit über das, was „gut' ist, läßt sich in normalen Situationen am leichtesten im Bereich der Zwecke erzielen, die unter dem Oberzweck Lebenserhaltung zusammenzufassen sind. Schwieriger wird es bei Zwecken, die der „Lebensgestaltung" in einer bestimmten geschichtlichen Situation dienen. Hier spielt die geschichtliche, soziale und kulturelle Situation eine Rolle für die Entwicklung unserer Bedürfnisse, Interessen Zwecke und auch Normen. Schließlich ist eine Entscheidungskomponente unübersehbar. Welche Zwecke und Normen einer verfolgt, wie einer seine Zwecke durchsetzt, ob er bereit ist, seine Ziele in Beratung mit anderen und vor allem den Betroffenen zu ändern, liegt immer auch im Bereich individueller Freiheit und Verantwortlichkeit. Der gemeinsame Nenner für die Verwendung des Urteils gut, so können wir n u n die zweite Frage beantworten, liegt darin, daß bestimmte Gegenstände aufgrund unserer Kenntnis (Standard und Einzelüberprüfung) geeignet sind, einen von uns anerkannten Zweck zu erfüllen bzw. ein Handeln oder Verhalten einer von uns anerkannten N o r m entspricht (Element der Bejahung, Element der Eignung bzw. Entsprechung). Schwierigier ist noch die Frage nach den Kriterien, aufgrund deren das Prädikat „ s c h ö n " vergeben wird, zu klären. Hier gibt es erstens keine allgemeinen Standards wie ..schnelle, sichere Autos sind schön", „rote Blumen sind schön". Zweitens ist die Urteilsbildung im ästhetischen Be172
reich nicht von Zwecken abhängig, sondern vom Zweckfreien, Spielerischen zu erschließen. Der Prädikator schön wird immer nur jeweils für eine Ganzheit, etwas Singulares vergeben („dieses Bild ist schön", „dieses Blumenarrangement ist schön"). Offensichtlich geschieht dies nach sehr schwer zu verbalisierenden Kriterien, die einerseits die Form, Struktur (Proportionen, Rhythmus usw.) und andererseits den Inhalt und Gehalt betreffen. Die Maßstäbe hierfür sind sowohl sozial ererbt als auch sozial und kulturell bedingt. Schön ist offensichtlich eine Ganzheit, die uns — in unserem Verstehenshorizont — zeigt, wie Wirklichkeit sein kann und ist (Repräsentanz). Als weitere eigenständige Redeweise sei die präskriptive Redeweise genannt. Sie umfaßt einzelne situationsbedingte Aufforderungen zu Handlungen, zu einem Verhalten. (Imperative; „Schließe die Tür!"). Allgemeine Imperative, die für bestimmte Personengruppen in bestimmter Zeit gelten (Normen), dann Basisnormen und die Grundnorm. In der präskriptiven Rede werden neben der grammatischen Imperativform, das modale Hilfsverb „sollen" sowie die deontischen Modalitäten „erlaubt", „freigestellt", „geboten" und „verboten" verwendet. Die deontischen Modalitäten gelten immer relativ zu einem Normensystem, bzw. einzelnen Normen des Systems. 126 Eine weitere Redeweise ist die „explizit performative Redeweise". Wir haben im Zusammenhang der Darstellung Austins gesehen, daß es sich dabei um Äußerungen handelt, die in der 1. Person Präsens gemacht werden und sprachliche Handlungen darstellen, in denen die artikulierte sprachliche Handlung zugleich mit dem Aussprechen vollzogen wird (Unterschied von „ich schreibe" und „ich verspreche"). Die explizit performativen Äußerungen sind zu unterscheiden von den primär performativen Äußerungen, bei denen sich erst aufgrund der Umstände, des Kontexts herausstellt, ob es sich um eindeutig performative Äußerungen handelt. („Der Hund ist bissig"). 127 Gerade am Beispiel der primär performativen Äußerungen kann auf einen Sachverhalt hingewiesen werden, der für alle Unterscheidungen in Redeweisen gilt. In reiner Form kommen sie in der Sprache selten vor. Es wird nur selten Aussagen (deskriptive Redeweisen) geben, die rein darstellende Funktion haben. In der Redesituation haben Aussagen immer auch als Sprechakte eine illokutionäre Funktion und ziehen perlokutionäre Akte nach sich. Aussagen werden gebraucht, um andere aufmerksam zu machen, etVgl. P. L o r e n z e n - O . Schwemmer, a.a.O., S. 89ff. Wir verzichten hier auf eine nochmalige ausführliche Darstellung der performativen Redeweise; vgl. unsere Darstellung und Stellungnahme zu Austin, oben S. 89ff. 126
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was anzukündigen, etwas zu versprechen, um zu warnen. Sie rufen Erwartungen hervor, verändern Haltungen, führen zu neuen Einsichten. Auch Aussagen haben performative Elemente und umgekehrt haben wir gezeigt, daß selbst explizit performative Äußerungen ein deskriptives Element haben können. Das gleiche gilt für das Verhältnis zu den anderen Redeweisen. Wertende Äußerungen können in Aussagen verborgen sein, emotive Elemente wirksam sein. Die Unterscheidung in Redeweisen ist nur ein Hilfsmittel, das uns erlaubt, jeweilige Akzentuierungen hervorzuheben. Ein sehr schönes Beispiel für die vielfältige Verwendungsweise eines Ausdrucks in unterschiedlicher Redeweise und Situation bieten Bejerholm-Hornig für die Formulierung „Ich glaube an G o t t " . Sie macht sehr gut deutlich, welche Nuancierungen möglich sind: a) b) c) d) e) f) 128
Ich Ich Ich Ich Ich Ich
berichte: ich glaube an Gott behaupte: ich glaube an Gott erkläre: ich glaube an Gott bekenne: ich glaube an Gott rufe als Losung: ich glaube an Gott verspreche: ich glaube an Gott. 1 2 8
J. Bejerholm—G. Hornig, Wort und Handlung, S. 50.
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Kapitel 3: Feldanalyse 1. Zur Klassifizierung a)
des christlichen Redens von Gott
Vorbemerkungen
Gegenstand unserer Untersuchungen ist das christliche Reden von Gott, wie es in der christlichen Tradition vorgegeben ist, und wie es gegenwärtig geschieht. Die außerchristliche Rede von „ G o t t " oder „Göttern", wie sie in philosophischen und religionsphilosophischen Erörterungen vorkommt und in anderen Religionen auftritt, sei außer Acht gelassen. Damit ist nicht gesagt, daß solches außerchristliche Reden und das christliche Reden von Gott nicht Ähnlichkeitsverhältnisse aufweisen könnten. Auch wird nicht die These vertreten, daß durch den Vergleich von Religionen sich nicht ein vertieftes Verständnis des christlichen Redens von Gott, ja notwendige Korrekturen ergeben könnten. Es erscheint uns jedoch aus sachlichen und praktischen Gründen zunächst einmal sinnvoll, uns auf das christliche Reden zu beschränken, um so zu einer ersten Basis gesicherter Verständlichkeit des Redens von Gott zu kommen. Wir vernachlässigen in unserer Untersuchung die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bezeichnungen „Gottes". Wir lassen aufgrund unserer Vorkenntnis der christlichen Tradition einerseits Ubersetzungsprobleme außer Acht (theos = Gott), andererseits auch die verschiedenen Eigennamen und Kennzeichnungen, die für Gott verwendet werden. Wir schließen uns hier der Rede von dem einen Gott an, der mit verschiedenen Namen genannt werden kann (Jahwe, Elohim, „der Herr"). Zu dieser theologischen Vormeinung tritt die sprachkritische Vormeinung, daß die Grundprobleme der Verständlichkeit für alle diese Namen in gleicher Weise gegeben sind. Das Wort Gott ist sozusagen die formale Klammer für Probleme, die in gleicher Weise bei den Worten Jahwe, Elohim usw. auftreten. Damit ist nicht gesagt, daß nicht die unterschiedlichen Namen auch eine unterschiedliche inhaltliche Auslegung des Wortes Gott mit sich bringen können. Dies zeigt die Erforschung insbesonders des Alten Testaments ja ganz deutlich. Es geht uns nur darum, festzustellen, daß die Einführungsprobleme von gleicher Struktur sind. Aufgabe sprachkritischer Untersuchungen kann es nicht sein, die Wahrheit christlichen Redens von Gott zu begründen oder den Sinn christlichen Redens von Gott zu rechtfertigen. Erste Aufgabe von Sprachkritik ist es, 175
festzustellen, unter welchen Bedingungen überhaupt Reden von Gott Verständlichkeit und Wahrheit beanspruchen kann, und welche Möglichkeiten der Rechtfertigung sich anbieten. Es sollen also zunächst die Bedingungen untersucht werden, die sich aus der Eigenart des Redens von Gott für eine Sicherung seiner Verständlichkeit, die Überprüfung seiner Wahrheit und die Beratung seiner Rechtfertigung ergeben. Insofern Sprache transzendentalen Charakter hat, gilt es ja hier zunächst die Grundvoraussetzungen zu klären. Auf dieser Basis sind dann weitere Untersuchungen möglich. Wir behaupten also keineswegs, daß durch Sprachkritik schon alle Probleme des Redens von Gott gelöst werden könnten. Wir fordern allerdings, daß aufgrund des transzendentalen Charakters von Sprache, sprachkritische Untersuchungen die Grundlegung eines begründeten Redens von Gott darstellen. Wir selbst werden in dieser Arbeit über die formalen Bestimmungen der Sprachkritik — und mehr kann sie nicht leisten — hinausgehen, wenn wir gleichsam als Probe aufs Exempel dann in der Objektsprache, nicht mehr über das Reden von Gott redend, sondern von Gott redend, zeigen, wie nach unserer Meinung in der christlichen Glaubensgemeinschaft von Gott zu reden sei (Kapitel 4). Bevor wir jedoch zu solch eigener expliziter Parteinahme kommen, müssen die Rahmenbedingungen geklärt sein. Wir verfahren dazu so, daß wir zunächst das „christliche Reden von G o t t " etwas zu strukturieren versuchen, um einen Einstieg zu finden für die Klärung der Bedingungen für Verständlichkeit, Begründung und Rechtfertigung des Redens von Gott. In einem zweiten Schritt wollen wir dann auf dem Hintergrund der verschiedenen Theorien über das Reden von Gott und in kritischer Auseinandersetzung mit diesen Theorien die Eigenart des Redens von Gott klären. b) Klassen und Sprachstufen
des christlichen Redens von
Gott
„Reden von G o t t " ist als Gegenstand ein ungeheuer weites Feld. Um uns dieses Feld aufzuschließen, versuchen wir eine grobe Strukturierung. Als umfassende Möglichkeit der Unterscheidung bietet sich die Unterscheidung in Sprachstufen an. Es soll zwischen der Objektsprache, dem Reden von Gott oder dem Reden über Gott (deskriptive Redeweise) und der Metasprache, dem Reden über das Reden von Gott, unterschieden werden. Als weitere Unterscheidung bietet sich auf diesem Hintergrund die Unterscheidung in Klassen an, mit deren Hilfe wir jeweils die Objektsprache und die Metasprache (Metasprachenhierarchie) aufgliedern wollen. Als Kriterien, die eine Einteilung in verschiedene Klassen der Objektsprache ermöglichen, wenden wir an: Unterscheidung nach syntaktischer Stellung des Wortes Gott, nach Redeweisen, nach Reichweite und Geltungsbereich 176
und nach Reflexionsstufe. Innerhalb der Metasprache wollen wir zwischen unterschiedlichen grammatischen Aspekten aufgliedern. Nicht berücksichtigt wird in dieser Unterscheidung die literarische Form (Gattungs- und Formenkritik). 1 Dies würde die Gliederung unübersichtlich machen und brächte uns beim ersten Zugang auch keinen Erkenntnisgewinn. So wichtig die der „Redesituation" näher kommende Gattungs- und Formgeschichte ist, hier kann und muß sie außer Acht bleiben, da wir nicht einzelne Sprachspiele auf ihre Eigenart befragen wollen, sondern uns um das Sprachspiel „Reden von Gott" 2 allgemein bemühen. Eine gewisse Beachtung der je konkreten Situation — die Situation als solche wird natürlich Gegenstand der Untersuchung des Sprachspiels ,,Reden von Gott" sein — ergibt sich in der Aufgliederung nach Redeweisen. Wir wollen zu Beginn keine Urteile über die Eigenart des Redens von Gott treffen, sie etwa als mythische oder metaphysische Rede bezeichnen. Unser Gegenstandsbereich soll schlicht all jenes Reden sein, in dem das Wort Gott vorkommt, oder das in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwendung des Wortes Gott steht. Das Reden von Gott im Alten und Neuen Testament soll dabei im Vordergrund der Analyse stehen. a. Objektsprache 1. Klasse: Das Wort Gott wird oberflächengrammatisch als Kennzeichnung oder als Eigenname verwendet (der Gott der Väter, der Gott Israels, der Vater im Himmel, der Herr, Jahwe). Dem Wort Gott werden mehrstellige Prädikatoren der Umgangsspräche zu- oder abgesprochen. Die Reichweite und der Geltungsbereich sind begrenzt. Es geht um ein Handeln Gottes in bestimmten Situationen gegenüber einem begrenzten Kreis von Menschen. 1 Zu den Methoden und Möglichkeiten der Gattungs- und Formenkritik sei exemplarisch auf die Ausführungen von L. Markert, in: Exegese des Alten Testaments, S. 81 ff., verwiesen. 2 Die Rede von „Sprachspiel .Reden von Gott'" stellt zweifellos eine Abstraktion bzw. Generalisierung dar. In Wirklichkeit vollzieht sich das Reden von Gott in unterschiedlichen Sprachspielen. Wir vermuten jedoch, daß diese unterschiedlichen Sprachspiele und die damit verbundenen Lebensformen „Familienähnlichkeiten" aufweisen. Insofern erscheint uns eine solche Generalisierung, wenn man sich der Tatsache der Generalisierung bewußt bleibt, gerechtfertigt.
Daß Wittgensteins Ausdruck „Sprachspiel" problematisch ist, wurde bereits vielfach festgestellt. Die Rede von einem Spiel vermittelt unter anderem den Eindruck, hier handele es sich um Beliebiges. Das ist nicht gemeint, wie auch aus dem Zusammenhang von Sprachspiel und Lebensform hervorgeht. Wir sind bisher auf kein geeignetes Wort gestoßen, durch das das Wort Sprachspiel ersetzt werden könnte. 12 Track, Untersuchungen
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a) Gott handelt an Menschen und spricht zu Menschen. In Berichten und Geschichten wird dieses Handeln erzählt. Die Reaktion der Menschen und ihr weiteres Handeln im Gegenüber zu Gott wird dargestellt ((deskriptive Redeweise). aj Es handelt sich bei den zugesprochenen Prädikatoren um Prädikatoren, die im allgemeinen Menschen zugesprochen werden. a 2 Während man aufgrund der Prädikatoren in aj den Eindruck haben könnte (bei einem unbekannten Text, abgesehen von unserem Vorwissen), der „Gegenstand", der mit dem Eigennamen Gott benannt wird, sei aufgrund der zu- und abgesprochenen Prädikatoren ein „Mensch", wird durch weitere Prädikatoren sofort ersichtlich, daß die in aj gebrauchten Prädikatoren „metaphorisch" gebraucht sind. So erscheint nun Gott als Handelnder bei Natur- und Geschichtsereignissen, deren Eintreten zu den allgemein erwartbaren Möglichkeiten gerechnet wird, deren Bewirkung jedoch nicht in der Macht des Menschen steht (Gott läßt es regnen, Gott entscheidet eine Schlacht). a 3 Gott erscheint als Handelnder und als „Ursache" von Ereignissen, die der üblichen Erwartung widersprechen (Wunder). Die Formel „übliche Erwartung" soll hier anzeigen, daß es sich um singulare Ereignisse handelt, die damals wie heute unser bewährtes Wissen über Abläufe in Natur und Geschichte in Frage stellen. 3 a4 Von Gott wird explizit metaphorisch geredet in Gleichnissen. In erdachten Erzählungen (fiktive Redeweise) wird Gott „bildhaft" eingeführt. b) Gott fordert bestimmte Menschen zu bestimmten Handlungen oder bestimmtem Verhalten auf. Er gibt Handlungsanweisungen oder bestimmt gewisse Handlungen als geboten, erlaubt, freigestellt oder verboten. Diese Aufforderung geschieht durch ihn selbst in besonderen Erscheinungen und Träumen oder durch seine Boten (präskriptive Redeweise). c) Gott vollzieht implizit performative oder explizit performative Akte. Er ist zornig über menschliches Verhalten, segnet, vergibt Schuld. Er warnt, droht und verspricht (verheißt). d) Die Menschen reagieren auf Gottes Handeln und Wollen nicht nur in konkretem Tun, sondern versuchen, die Erfahrung Gottes auch sprachlich zu bewältigen. 3 Vgl. dazu unten S. 193.
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d j Dies geschieht in Wertungen (valuative Redeweise) von Gottes Handeln. d 2 Dies geschieht im Ausdruck der Gefühle, Empfindungen und Stimmungen, die der Mensch angesichts der Erfahrung von Gottes Handeln hat. Solcher Ausdruck dient gleichermaßen der Bewältigung des „Ereignisses" und der sozialen Einbeziehung anderer in die eigene Situation (emotive Redeweise). d 3 Dies geschieht in Bildern, die die erwartete Zukunft, die durch Gottes Handeln heraufgeführt wird, oder die ein Leben in der Nähe Gottes beschreiben (ideative Redeweise). Verbunden ist solches Reden meist mit Bitten und Wünschen für weiteres Handeln Gottes. 4 2. Klasse: Die zweite Klasse stellt gegenüber der ersten Klasse eine Reflexionsstufe innerhalb der Objektsprache dar. Reichweite und Geltungsbereich der Aussagen und Handlungsanweisungen werden erweitert. Von den konkreten Situationen wird teilweise abstrahiert. 5 a) Das konkrete Handeln Gottes gegenüber Menschen und deren antwortendes Verhalten werden in dreifacher Weise generalisiert: a j Aus den einzelnen Handlungen Gottes wird abstrahiert, und das Handeln Gottes gegenüber den Menschen wird dargestellt (Gott gewährt seinem Volk Hilfe, Gott bestraft sein Volk im Ungehorsam, Gott rechtfertigt den Sünder). a 2 Aus den einzelnen Handlungen wird ein „Bild" Gottes gewonnen. Es werden ihm Apprädikatoren zugesprochen und abgesprochen, die seine Eigenart charakterisieren (Gott ist mächtig, Gott ist der Herr, Gott ist der Richter). 4
Eine spezifische Form sprachlicher Bewältigung solcher Erfahrungen mit Hilfe dieser drei Redeweisen ist das Gebet. In ihm werden in der Form des Dialogs die Erfahrung Gottes und die eigene Situation reflektiert. Lobpreis, Anbetung und Bitte sind sprachlicher Ausdruck des Antwortverhaltens. 5 Man könnte hier bereits schon von einer ,.Metasprache" reden, in der vorhergehende Aussagen reflektiert sind. So würde eine Metasprachenhierarchie entstehen, durch jede reflektierende Einbeziehung vorhergehender Äußerungen. Wir halten jedoch solchen Sprachgebrauch nicht für sinnvoll. Als sinnvoller Einschnitt erscheint uns im Rahmen unserer Fragestellung dagegen eine Unterscheidung zwischen Reden von Gott und Reden über Gott einerseits und dem (bewußten) Reden über das Reden von/über Gott andererseits.
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a 3 Die Situation des Menschen angesichts Gottes Handeln wird dargestellt. (Der Mensch ist auf Gott angewiesen, der Mensch wird schuldig, der Mensch ist ungehorsam). a 4 Eine Sonderform solcher Redeweise besteht darin, daß Gott als „Grund" oder „Ursache" von „Handlungen" angesehen wird, die vor oder jenseits unserer erfaßbaren Wirklichkeit liegen. Es wird von Gottes Handeln am Anfang der Wirklichkeit (Schöpfung) oder am Ende des Lebens der einzelnen oder am Ende der Geschichte geredet. Hier ist die Reichweite der Aussagen nicht mehr eingeschränkt wie in den obigen Aussagen. Gottes Handeln wird nicht im Hinblick auf Gruppen (das Volk Israel, die christliche Gemeinde), sondern unbegrenzt für das Ganze in räumlicher und zeitlicher Hinsicht ausgesagt. b) Die Handlungsanweisungen Gottes werden zusammengefaßt. Allgemeine Imperative, die für Gruppen situationsinvariant gelten sollen, werden formuliert („du sollst nicht töten!"). In der Weiterentwicklung der Ethik, die im Wollen Gottes begründet ist, werden explizit die Ziele eines Gott gemäßen Handelns und Normen formuliert. Es wird über deren Anwendung in der Situation reflektiert (apodiktisches und kasuistisches Recht). Neben Verhaltensregeln stehen codifizierte Rechtssatzungen und Regelungen des Kultus. c) Die einzelnen performativen Akte Gottes werden in deskriptiver Beschreibung des Handeln Gottes zusammengefaßt. (Gott ist ein Gott, der seinem Volk immer wieder vergibt, der Segen Gottes ist mit seiner Gemeinde). d) Die einzelnen Erfahrungen Gottes werden entsprechend den drei Redeweisen (valuativ, emotiv, ideativ) zusammengefaßt: in Urteilen über Gott und den Menschen (Gott ist gut, Menschen, die Gott vertrauen und gehorchen, sind gut), in Beschreibungen des Verhältnisses von Gott und Mensch (Gott liebt die Menschen; die angemessene Haltung des Menschen gegenüber Gott ist Demut, Ehrfurcht, Vertrauen, Betroffenheit, Liebe) und in Bildern der Hoffnung von größerer Reichweite, insbesonders auch vom „ E n d e " . 6 6
Theologische Aussagen sind nicht nur solche Aussagen, die explizit das Reden von Gott zum Gegenstand haben (metasprachliche Aussagen). Theologische Aussagen sind auch objektsprachliche Aussagen, die Theologie in thetisch-kritischer Funktion formuliert. (Zur Theologie gehören also alle objektsprachlichen Äußerungen der Klassen 2—4 sowie die metasprachlichen Aussagen). — Von religiösen Aussagen kann in zweifacher Weise sinnvoll geredet werden. In einem engeren Sinn sollen religiöse Aussagen nur die Aussagen der 1. Klasse der Objektsprache heißen. In einem weiteren Sinn kann von religiösen Aussagen für alle vier Klassen der Objektsprache gesprochen werden.
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3. Klasse: Die dritte Klasse stellt gegenüber der zweiten Klasse eine weitere Refelxionsstufe dar. Hier wird nun das Verhältnis der einzelnen Äußerungen untereinander untersucht und zwar sowohl innerhalb der verschiedenen Redeweisen als auch im Gegenüber der Redeweisen. Es kommt zu einer Systematisierung. a) Das Verhältnis der einzelnen Eigenschaften, die Gott zugeschrieben werden, wird geregelt (Gottes Güte—Gottes Zorn, Gottes Gerechtigkeit—Gottes Liebe usw.). Die einzelnen Weisen, des Handelns Gottes werden verglichen und in eine Verhältnisbestimmung gebracht (Gericht und Gnade, Heiligung, Rechtfertigung, Versöhnung). Das Verhältnis des menschlichen Antwortverhaltens auf Gott und damit auch die Situation des Menschen wird bestimmt (Sünde, Freiheit). a j Dies kann so geschehen, daß die jeweiligen Grundbegriffe und die ihren Gebrauch regelnden Grundannahmen (vgl. die Bekenntnisse oder die Aussagen über die „Mitte der Schrift") herausgearbeitet werden und ihr Verhältnis zu abgeleiteten Begriffen geklärt wird. Die Grundannahmen erscheinen als generelle Sätze mit unbegrenzter Reichweite und unbegrenztem Geltungsbereich hinsichtlich der Aussagen über den Menschen und Gottes Handeln am Menschen (Gott hat die Welt versöhnt, die Menschen sind Sünder). Es handelt sich um Aussagen, die für alle und alles gelten. Hinsichüich der Aussagen über Gott werden Existenzaussagen (Es gibt Gott) und Eigenschaftsbestimmungen als Basisaussagen benutzt. Die Systematisierung führt durch explizite Klärung der Begriffe und Regelung der Verhältnisbestimmungen zu Aussagesystemen, zu einer Terminologie. 7 a.2 Neben der Unterscheidung in Grundbegriffe und abgeleitete Begriffe kann es zu unterschiedlichen Arten von Begriffsbildungen kommen, in denen Gott und Gottes Handeln zur Darstellung gebracht wird. Wir können hier zwischen der Formalisierung des Handelns und der Verhaltensweisen und inhaltlicher Abgrenzung einzelner BeWir nehmen damit die Unterscheidungen von J. A. Hutchison, Language and Faith, S. 227, und von A. Jeffner, Theologie und analytische Philosophie, a.a.O., S. 281, korrigierend auf. 7 Eine Untersuchung des Aufbaus einer theologischen Theorie hinsichtlich ihrer Grundannahmen und Grundbegriffe, die die Entfaltung eines theologischen Systems bestimmen (Erklärungstheorie), haben wir in unserer Arbeit „Der theologische Ansatz Paul Tillichs. Eine wissenschaftstheoretische Untersuchung der Prinzipien, Methoden und Erklärungsmodelle der Systematischen Theologie" vorgelegt.
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reiche unterscheiden. Als Formalbegriffe wären etwa anzusehen: Offenbarung, Glauben. Als inhaltliche Unterscheidungen bieten sich an: die Unterscheidung in Zorn, Gnade, Rechtfertigung, Sünde usw. 8 b) In gleicher Weise, wie die Aussagen miteinander verglichen und einander zugeordnet werden, werden die Handlungsanweisungen, allgemeinen Imperative und Normen in ihrem Verhältnis bestimmt. bj Es wird die Verträglichkeit der einzelnen Normen festgestellt. Das Begründungsverhältnis der Normen wird untersucht. Es kann hier zwischen Normen, Basisnormen und der Grundnorm unterschieden werden. Der Wille Gottes wird in einem Normensystem zum Ausdruck gebracht. b 2 Über den Geltungsbereich und die Reichweite der einzelnen Normen wird Rechenschaft abgelegt. Situationsbedingtheit und Situationsbezogenheit von Normen wird deutlich gemacht. Reflexionen über das Verhältnis von Zwecken und Mitteln zur Erreichung von Zielen werden angestellt. Es wird unterschieden, was Gott gebietet, erlaubt, freistellt, verbietet. 4. Klasse: Die vierte Klasse stellt eine weitere Reflexionsstufe dar. Gottes Eigenart wird in Unterscheidung zu anderen „Gegenständen" bestimmt. Dazu 8 G. Sauter, Grundzüge, S. 281, unterscheidet die theologischen Begriffe in: methodisch-normative Begriffe, die die Norm aller anderen Begriffe darstellen und aus denen die Methode abgeleitet wird, topische Begriffe, die einen festen Platz im System theologischer Begriffe haben, und orientierende Begriffe, die zeitweise grundlegend für theologische Theorien werden können. Als Beispiel für normative Begriffe nennt er: Offenbarung, Gnade, Glaube, Hoffnung. Als Beispiele für topische Begriffe gibt er an: Erbsünde, Rechtfertigung, Heiligung, Inspiration, Jungfrauengeburt. Als Beispiel für orientierende Begriffe führt er schließlich an: Zwei-Reiche-Lehre, Gesetz-Evangelium, Willensfreiheit, Enderwartung. Wir müssen gestehen, daß wir erhebliche Schwierigkeiten haben, die Sauterschen Unterscheidungskriterien zu erkennen. Zweifellos ist richtig, daß verschiedene formale und inhaltliche Begriffe zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen theologischen Systemen (vgl. z.B. unseren Verweis in der vorigen Anmerkung) unterschiedliche Funktion haben. Sie werden jeweils als Grundbegriffe oder als abgeleitete Begriffe verwendet. Offensichtlich scheint das auch bei Sauter der Fall zu sein, wenn er Rechtfertigung als topischen Begriff, Gnade aber als Grundbegriff versteht. Eine Unterscheidung theologischer Begriffe sollte nach unserer Auffassung nach Gegenstandsbereich (z. B. G o t t , Gottes Handeln, menschliches Handeln, menschliche Situation) nach Funktion im theologischen System (Grundbegriff, abgeleitete Begriffe) und nach formal und inhaltlich erfolgen. Wobei solche Unterscheidung, wie alle unsere Klassifizierungen, verbesserbar ist.
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bedarf es des Rückgriffs auf das übrige bewährte Wissen oder, wo solche Unterscheidung im Rahmen einer Theorie geschieht, des Rückgriffs auf andere wissenschaftliche Terminologie. Diese vierte Klasse steht im engen Zusammenhang mit der dargestellten dritten Klasse, von der sie meist nur theoretisch, aber nicht im faktischen Vollzug des Redens von Gott unterscheidbar ist. a) Der christliche Gott wird im Unterschied zu anderen „Göttern" dargestellt, bis hin zur Bestreitung der Wirklichkeit anderer Götter. Dies geschieht, indem seine Eigenart von anderen Göttern abgehoben wird (Jahwe ist mächtiger, die anderen Götter sind Nichtse). Dies geschieht, indem sein besonderes Handeln ein seinem Volk, seiner Gemeinde dargestellt wird. Dies geschieht, indem die Weise seiner Offenbarung im Alten und Neuen Testament gegenüber anderen Weisen seines Offenbarseins und seiner Offenbarung abgehoben wird (vorbereitende Offenbarung, letztgültige Offenbarung, natürliche Offenbarung, Offenbarung in den Religionen). b) Von Gott wird geredet, indem sein Unterschied zu Welt und Mensch herausgestellt wird, bzw. in metaphorischer Redeweise das Gemeinsame klargelegt wird. J e nach philosophischem und wissenschaftlichem Reflexionsniveau werden hier Unterscheidungen getroffen (z. B. die kabod Jahwes, die Allmacht Gottes, Gott als das Unbedingte und der Grund des Seins, Gott als ein Du, als personales Gegenüber). c) Die Besonderheit von Gottes Handeln wird gegenüber Geschehen in der Welt und Handeln des Menschen herausgestellt. Auch hier sind die Unterscheidungen vom allgemein philosophischen und wissenschaftlichen Reflexionsniveau (Humanwissenschaften) bestimmt (z. B. Gottes Liebe ist anders als menschliche Liebe). Von dieser Klärung der Besonderheit des Handelns Gottes werden dann auch die entsprechenden anthropologischen Termini zur Beschreibung des Menschseins (christliche Freiheit, christliche Gemeinschaft = Kirche) bestimmt. ß. Metasprache Der Metasprache zugehörig sind alle Aussagen, die über das Reden von Gott und seine Eigenart gemacht werden. Das Reden von Gott wird erwähnt, um es zu untersuchen, es zu beurteilen. Wir unterscheiden hier (in Analogie zu der Unterscheidung Wittgensteins) zwei Klassen nach oberflächengrammatischer und nach tiefengrammatischer Untersuchung des Redens von Gott. 183
1. Klasse: Es kann in einer empirischen Analyse das Reden von Gott untersucht werden. Solche Untersuchung beschränkt sich auf deskriptive Darstellung der Redepraxis und den deskriptiven Vergleich. a) Dies kann geschehen, indem ein „Lexikon" der möglichen Bedeutung des Wortes Gott aufgestellt wird. Welche Extension und welche Intension hat das Wort Gott in den verschiedenen Zeiten seines Gebrauchs (Bedeutungsfeld). „Lexikonregeln", die den Gebrauch des Wortes Gott in verschiedenen Sätzen regeln (seine Anschließbarkeit usw.), können aufgestellt werden. Eine Klassifizierung nach Sätzen, in denen das Wort auftreten kann, kann vorgenommen werden (z. B. Existenzsätze, generelle Sätze; analytische Sätze, empirische Sätze; Klassifizierungen, wie wir sie oben in der Einteilung der Objektsprache vorgenommen haben). b) Dies kann geschehen durch Sprachvergleich. Der Sprachgebrauch im christlichen Reden wird verglichen mit außerchristlichem Reden von Gott oder Göttern. Dadurch wird die Eigenart christlichen Redens kontrastiv hervorgehoben. 2. Klasse: Die tiefengrammatische Analyse fragt nach den Sprachspielen, in denen das Wort vorkommt. Über die Beschreibung des Redens hinaus wird die Situation untersucht. Das Sprachspiel wird verstanden als Widerspiegelung einer Lebensform. Die Eigenart dieser Sprachspiele im Unterschied zu anderen Sprachspielen wird untersucht. Diese zweite Klasse kann wieder theoretisch, oft aber nicht im faktischen Vollzug, von der ersten Klasse metasprachlicher Aussagen unterschieden werden. a) In der Untersuchung des Sprachspiels wird über den oberflächengrammatischen Gebrauch zur syntaktischen Stellung des Wortes Gott Stellung genommen (handelt es sich um einen Eigennamen, Prädikator?). Es wird die Frage der Redeweisen behandelt. Schließlich wird die Eigenart des Redens von Gott hinsichtlich seiner Funktion beim Erfahrungsprozeß und der Situation, in der von Gott geredet wird, von anderen Funktionen und Situationen unseres Redens und Handelns vergleichend abgehoben. b) Uber die Frage nach der Redeverwendungssituation hinaus wird hier über die Einführungsbedingungen des Redens von Gott (Sicherung seiner Verständlichkeit) geredet. 184
c) Schließlich sind Gegenstand metasprachlicher Äußerungen dieser Art die Wahrheitsbedingungen und die Rechtfertigungsmöglichkeiten des Redens von Gott. Aussagen über diese Frage, sowie der damit verbundenen Fragen theologischer Theorienbildung (Theorie des Redens von G o t t im Rahmen theologischer Wissenschaftstheorie), verbinden die theologischen Aussagen mit der allgemeinen Wissenschaftstheorie, die ihrerseits als metasprachliches Reden aufgefaßt werden kann. c)
Folgerungen
Die Klassifizierung des Redens von Gott ermöglicht uns eine erste Antwort auf die Frage, die Sprachkritik zu Beginn stellen muß: die Frage nach der Verständlichkeit des Redens von G o t t . In welcher Weise des Redens von Gott, in welcher Klasse bietet sich ein Ansatzpunkt, um die Verständlichkeit des Wortes G o t t zu sichern, das Wort G o t t einzuführen? Als erste Möglichkeit eines Zugangs bietet sich hier die 1. Klasse des objektsprachlichen Redens an. Hier wird das Wort G o t t aufgrund von Berichten und Erzählungen eingeführt. Eine Untersuchung der Bedeutung des Wortes G o t t muß hier nach der Glaubwürdigkeit von Berichten und Erzählungen sowie der Glaubwürdigkeit der Berichter fragen. Hinter dieser Frage nach Glaubwürdigkeit, die uns zunächst nur A u s k u n f t über die subjektive Ehrlichkeit gibt, ö f f n e t sich die Frage nach der in den Aussagen angesprochenen Wirklichkeit. Läßt sich das Wort G o t t lehren und lernen in einer Lehr- und Lernsituation, in der wir den „Gegenstand", ihn unterscheidend, erfassen lernen? Die Auslegung Gottes durch die verschiedenen Berichte sichert allein noch nicht seine Verständlichkeit, denn man muß fragen: Sind die Intensionen, die den Gebrauch des Wortes G o t t festlegen (z. B. Wer G o t t ist, wird durch den Bericht seines Handelns bestimmt: G o t t ist mächtig, G o t t ist der, der bei seinem V o l k sein wird in Anfechtung und Not, G o t t vergibt Schuld), verständlich? Und: Man kann ja einen Gegenstand fingieren. Über diesen Gegenstand lassen sich dann beliebig viele Aussagen machen. Handelt es sich also um einen fingierten oder wirklichen Gegenstand oder Sachverhalt? Gegenüber der 1. Klasse bringen die beiden weiteren Klassen keine neuen Möglichkeiten der Einführung. Die Generalisierung und Systematisierung mag zwar zur Präzisierung der Intension des Wortes G o t t beitragen, sie setzt jedoch schon die Verstehbarkeit der zu präzisierenden Ausdrücke im Kern voraus. Darüber könnte es sich bei solcher theologischen Theorie j a um eine Art „formale T h e o r i e " handeln. In solcher Theorie werden die Undefinierten Grundbegriffe, hier: G o t t , durch implizite Definition bestimmt (Grundannahmen). Solche Theorien können unabhängig davon, ob den „Gegenständen" Entitäten, den Sachverhalten wirkliche Sachverhalte entsprechen, beliebig entfaltet werden. Erst die se185
mantische Interpretation ordnet sie einem Gegenstandsbereich zu. 9 Bei der Frage der semantischen Interpretation stellen sich dann die gleichen Probleme wie für Aussagen der ersten Klasse. Als zweite Möglichkeit eines Zugangs bieten sich Aussagen der vierten Klasse an. Die Bedeutung des Wortes Gott wird durch Unterscheidung des Wortes Gott und dessen, was Gott ist, von anderen Ausdrücken unserer Sprache und unserer Wirklichkeit eingeführt. Die theologische Tradition hat sich dieser Einführung bevorzugt bedient. Die Bedeutung des Wortes Gott wird auf dem Wege der analogia entis eingeführt. Gottes Sein und sein Personsein werden als Grund unseres Seins und Personseins ausgelegt. Sie stehen zueinander in einer anlogia proportionalitatis (oder attributionis). Via negationis und via emenentiae wird ein Verständnis des Wortes Gott, zumindest ein Vorverständnis gewonnen. Zu fragen wird hier sein: ist die analoge Rede hinreichend klar und eindeutig? Und wieder die alte Frage: Handelt es sich um einen fingierten Gegenstand? An welchem Handeln und Wirken kann Gott unterscheidbar eindeutig eingeführt werden? Die metasprachlichen Aussagen über das Reden von Gott bringen nur eine indirekte Möglichkeit der Einführung und der Sicherung der Verständlichkeit. Durch Bestimmung von syntaktischer Stellung und Redeweise sowie durch das Aufzeigen der Funktion wird der Ort des Wortes Gott in unserer Sprache näher geklärt. Durch die Bestimmung der Situationen, in denen von Gott geredet wird, durch die Bestimmung der Lebensform wird der Ort des Redens von Gott in unserer Lebenwelt näher geklärt. Die Überlegungen zur Redeeinführungssituation zeigen die Bedingungen möglicher Einführung auf. Durch solche Analyse wird zwar Einführung nicht geleistet, aber es können Wege zur Einführung eröffnet werden. 1 0 Metaaussagen erschließen uns nicht die Wirklichkeit.
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Man kann durchaus bei so mancher Weise gegenwärtigen Theologietreibens den Verdacht haben, es handle sich um „formale" Theorien, die unabhängig von semantischer Interpretation entfaltet werden (oder weniger im Fachjargon: ihnen fehlt der Bezug zur Wirklichkeit). Daß sich mit solchen Theorien, so Zeit und Ausdauer vorhanden sind, beliebig lang spielen läßt, ist selbstverständlich. 10 Auch hier wird man den Verdacht nicht los, daß manche Varianten der „modernen Theologie" die Metaaussagen über das Reden von Gott mit der Einführung des Redens von Gott verwechseln. Damit soll nicht der Vorwurf erhoben werden, solche Theologie leiste nicht, was sie leisten könne. Einführungen sind nur in der Objektsprache möglich, und es ist fraglich, wie weit Theologie als Wissenschaft durch „Stilisierung" von Lehr- und Lernsituationen solche Einführung leisten kann. Wenn dies aber so ist, dann muß solche Begrenzung auch explizit deutlich gemacht und zugegeben werden.
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Sie können jedoch dazu beitragen, die Erschließung der Wirklichkeit zu klären, uns unser Vorgehen bewußt zu machen, und uns so bei der Erfahrung anleiten.
2. Die
Nonsenstheorie
Im folgenden bringen wir eine vom sprachkritischen Gesichtspunkt aus geordnete Übersicht der möglichen Theorien über das christlichen Reden von Gott. Wir gehen bei der Einteilung und Aufgliederung der Theorien davon aus, daß die Bedeutung eines Schemas (Unterscheidungs-, Mitteilungszeichen) durch drei Faktoren bestimmt wird: — die syntaktische Stellung — die semantische Vereinbarung seiner Bedeutung (Extension und Intension) — die Redesituation („Sprachspiel"), in der ein Schema verwendet wird (Kontext Redeweise, nichtsprachliche Handlungen, Situation, Lebensform). 1 1 Die allgemeinste Kategorie zur Bestimmung der Bedeutung ist die syntaktische Stellung. J e nachdem, ob es sich um einen Eigennamen, eine Kennzeichnung, einen Prädikator oder um einen synkategorematischen Ausdruck handelt, wird der mögliche Bedeutungsraum eines Wortes grundlegend bestimmt. Alle Näherbestimmungen erfolgen im Rahmen dieser Unterscheidung in linguistische Grundformen. Wir wählen darum für unsere Aufgliederung der Theorien über das Reden von Gott die syntaktische Stellung des Wortes Gott als Kriterium. Die syntaktische Stellung, die dem Wort Gott in den jeweiligen Theorien zugesprochen wird, erlaubt uns, eine möglichst neutrale, die Darstellung der Theorien nicht vorgängig durch subjektive Wertung beeinflussende Grobeinteilung der Theorien vorzunehmen. Bevor wir uns jedoch den einzelnen Theorien zuwenden, die die syntaktische Stellung des Wortes Gott unterschiedlich bestimmen, muß noch auf die grundsätzliche Bestreitung der Sinnhaftigkeit religiösen Redens, auf die Nonenstheorie eingegangen werden. a) Das Grundproblem
des Redens von Gott
Das Wort Gott erscheint oberflächengrammatisch gesehen als Eigenname oder Kennzeichnung in descriptiven Sätzen. Für Eigennamen und Kennzeichnungen bieten sich nun, um ihre Verständlichkeit und Mitteilbarkeit 11
Vgl. unsere Ausführungen zur sprachlichen Analyse oben S. 143ff.
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zu sichern, zwei Weisen der Einführung an. Zum einen kann dieser „Gegenstand" (und genau einen Gegenstand bezeichnen ja Eigennamen und Kennzeichnungen) über deskriptiv-exemplarische Definition oder über präskriptiv-exemplarische Definition eingeführt werden. 12 Durch Hinzeigen oder Vormachen und Herstellen, je nach der Eigenart des Gegenstandes, wird der Gegenstand bestimmt, durch Gegenbeispiele kann er von anderen Gegenständen abgegrenzt werden. Es wird eine Lehr- und Lernsituation entweder stilisiert oder in schwierigen Fällen in die Lehrund Lernsituation selbst zurückgegangen. Zum anderen kann bei „Gegenständen" der Vergangenheit oder komplexeren Gegenständen („die gegenwärtige Wirtschaftslage der Bundesrepublik Deutschland" = Kennzeichnung) so verfahren werden, daß die Bestimmung der Besonderheit mit Hilfe der Bestimmung der Intension erfolgt. Wollen wir etwa verstehen, welchen Gegenstand der Eigenname ,Julius Caesar" bezeichnet, dann können wir uns aufgrund zuverlässiger Quellen ein „Bild" von ihm machen. Er wird in seinem Aussehen, in seiner Eigenart, in seinem Handeln beschrieben. Diese Beschreibung stellt eine bestimmte Kombination von Prädikatoren dar, die wir schon gelernt haben. Auf dem Hintergrund der „Wiederkehr des Gleichen" (z. B. wir wissen, was ein Mensch, was energisches Handeln, Besonnenheit, versöhnlicher Umgang mit besiegten Feinden ist) wird die jeweilige Besonderheit entfaltet. 13 Wird nun das Wort Gott, wie die Oberflächengrammatik den Anschein erweckt, als Eigenname verstanden, dann ergeben sich folgende Schwierigkeiten : 1. Eine deskriptiv-exemplarische oder präskriptiv-exemplarische Einführung scheint nicht möglich, jedenfalls nicht unmittelbar möglich zu sein. Das Grundproblem ist hier: Läßt sich eine Lehr- und Lemsituation herstellen, in der der Gebrauch des Wortes Gott eingeübt werden kann? In der Regel wird hier auf die „religiöse Erfahrung" verwiesen. Doch ein solcher Verweis erweist sich im Dialog mit dem Zweifelnden und bei der Frage nach der Sicherung der Verständlichkeit des eigenen Redens von Gott solange als unzureichend, bis die Eigenart der „religiösen Erfahrung" aufgezeigt und eine Lehr- und Lernsituation „hergestellt" oder aufgewiesen wird. Die erste Schwierigkeit des Redens von Gott liegt darin, daß solche Lehr- und Lernsituation und damit auch die exemplarische Einführung nicht „machbar" erscheinen.
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Zu diesen Definitionen vgl. oben S. 105f., 139f., sowie W. Degen, Ortholexikon. Das so gewonnene „Bild" des Gegenstandes, das in unserer Vorstellung entsteht, bleibt freilich immer ein unvollkommenes Bild. Einen anderen Weg des Zugangs haben wir jedoch nicht. 13
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2. Eine Einführung über bestimmte Prädikatorenkombinationen bietet sich als zweite Möglichkeit an. Vorausgesetzt die Berichte und Berichter sind zuverlässig, könnten ja aus Berichten und Geschichten und zusätzlichen metasprachlichen Überlegungen die Prädikatoren, die Gott zugesprochen werden können, rekonstruiert werden. 14 Doch hier tut sich eine erste Schwierigkeit hinsichtlich der Aussagen von Gottes Handeln auf. Wir haben bei der Klassifizierung der Objektsprache gezeigt, daß die Gott zugesprochenen Prädikatoren als metaphorisch verwendete Prädikatoren anzusehen sind. Dies läßt fragen, welche Intensionen der verwendeten Prädikatoren jeweils univok, also in gleicher Bedeutung, den beiden Analogaten zukommen. Betrachtet man nun die entsprechenden Prädikatoren, die in solchen Berichten und Geschichten zur Beschreibung des Handelns Gottes verwendet werden, so wird zunächst sichtbar, daß die uns sonst übliche Einführung auf der Basis der „Wiederkehr des Gleichen" nicht zur Verfügung steht. Es können weder Art- noch Gattungsprädikatoren als breiteste Basis des Gemeinsamen eingeführt werden, auf deren Hintergrund dann auf die jeweilige Besonderheit abgehoben werden könnte. Das Wort Gott entzieht sich solcher Klassifizierung. (Wenn wir sonst von einem Gegenstand, der mit einem Eigennamen benannt ist, die „Gattung" wissen, etwa er ist ein Mensch, so ist das grundsätzliche „Bild", das wir uns von ihm machen, schon festgelegt, und bestimmte Möglichkeiten der Beschreibung und Nachprüfung sind vorgegeben). Solche Klassifizierung wird zunichte gemacht, da Gott Prädikatoren zugesprochen werden, die nach üblichem Sprachgebrauch nicht einem Gattungsprädikator gleichzeitig zugeordnet werden können.15 Dann macht die Befragung der Prädikatoren, die das Handeln Gottes beschreiben, deutlich, daß man in den Berichten zwar auf konkrete Wirkungen dieses Handelns abhebt, aber nicht erkennbar wird, wie sich das Handeln konkret vollzogen hat und welcher Art die Ursache (der Handelnde) ist. Die Geschichte der Theologie, insbesondere aber die Geschichte des Alten Testaments, zeigt, daß die Verwendung metaphorischen Sprachgebrauchs sich hier immer mehr von konkreten Metaphern auf abstrakte Metaphern hin entwickelt. Wird in der Anfangszeit noch unbefangen anthropomorph von Jahwe geredet, so werden diese Formen der Redeweise, auch wenn man sich Jahwe weiterhin menschenähnlich vorstellt, zurückgedrängt zugunsten undeutlicherer Bilder seiner Gegenwart (kabod, ruah, usw.). Doch ganz gleich, ob konkret oder abstrakt, ob deutlich oder undeutlich, in allen Fällen stellt sich die Frage, wie nun das Handeln 1 4 Hier kommen die objektsprachlichen Aussagen, insbesonders der 1. und 4. Klasse sowie die metasprachlichen Untersuchungen in Frage. 15 Für die Objektsprache haben wir das bei der Darstellung der verschiedenen Aussagen über Gottes Handeln deutlich gezeigt (vgl. 1. Klasse aj— a j , 2. Klasse a^).
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näher bestimmt werden kann. Eine Untersuchung ergibt: man kann nicht erkennen, wie Jahwe „spricht" wie er „eine Schlacht entscheidet", wie er „ b e r u f t " , wie er die „Herzen und Völker lenkt". Die Art und Weise seines Handelns entzieht sich dem fragenden und erkennenden Zugriff. Gott ist auf andere Weise „Ursache" als „innerweltliche Ursachen", mit denen er nicht verrechnet werden kann. 1 6 Dies aber bedeutet, daß sich der mitteilbare Sachverhalt solcher Aussagen auf die Behauptung reduziert: X sei in irgendeiner Weise die Ursache von bestimmten Ereignissen gewesen. 1 7 Der mitteilbare Sachverhalt wird, um es präziser auszudrücken, auf eine formale Relation reduziert (x ->• a). Von den Intensionen des Wortes Handeln oder Ursache bleibt nur als univoke Bestimmung in diesem metaphorischen Gebrauch die formale Eigenschaft, daß etwas irgendwie getan wird, oder daß etwas irgendwie verursacht wird (Abhängigkeitsrelation). Auch der Verweis auf Wunder hilft hier nicht weiter. Wunder sind per definitionem „singulare Ereignisse", bei denen nicht die Ursache im üblichen und bewährten Verständnis von Ursache angegeben werden kann. Völlig undurchsichtig wird es bei protologischen und eschatologischen Aussagen. „Welt" und „Wirklichkeit" sind „Leitbegriffe", die keine Gegenstände bezeichnen. So kann nicht genau bestimmt werden, was hier bewirkt worden ist oder bewirkt wird. Eine Umformung der Leitbegriffe zeigt an, daß „alles, was ist", hier als von Gott geschaffen angesehen wird. Es ist also, wie dies in der theologischen Tradition geschehen ist, eine creatio ex nihilo und eine creatio continua zu unterscheiden. Angesichts der ungeheuren Dimensionen unseres Universums (wieder ein Leitbegriff) droht jedoch die Rede von der Schöpfung ins Grenzenlose zu zerfließen. Vorstellungen von einem Leben nach dem Tode und von dem Ende der Geschichte jenseits der Geschichte reduzieren sich bei genauer sprachkritischer Befragung wieder auf die formalen Eigenschaften als univoker Kern der hier metaphorisch gebrauchten Ausdrücke Leben und Geschichte. 1 8 Befragt man Gottes Handeln nicht im Rahmen einer Ursache-Wirkungsbestimmung, sondern von den Zielen und Ergebnissen seines Handelns 1« Vgl. W. J o e s t , Zeitwende 35, 1964, S. 5 2 2 - 5 3 6 , bes. S. 5 3 3 f . 1 7 Vgl. die Diskussion von A. Flew und D. M. MacKinnon, A. Flew—A. Maclntyre, New Essays, S. 1 7 0 f f . 1 8 Man untersuche die bei Aussagen über das „ E n d e der Welt, das „ n e u e L e b e n " und die „zukünftige Welt G o t t e s " verwendeten Metaphern auf ihren univoken Kern hin ( z . B . „neuer L e i b " , „geistlicher L e i b " , „ A u f e r s t e h u n g " ) . Man wird feststellen, daß man über negative Aussagen, etwa „nicht sterblich", „nicht der Sünde unterw o r f e n " (= Zurückweisung einzelner nicht zu verwendender Intensionen) und über positive Aussagen von der Art: „wir werden auf neue Weise l e b e n " , „ d a s ganze Personsein steht unter dem J a G o t t e s " (= formale Eigenschaften) nicht hinauskommt.
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her und bestimmt von dort aus die Eigenschaften Gottes, so kommt man über Analogien aufgrund formaler Relationen hinaus. Die Metapher „Vater" oder die Metaphern „gütig", „zornig" ermöglichen es, ein „Bild" von Gottes Eigenart hinsichtlich seines „Verhaltens", seiner ,,Motive", seiner „Absichten" zu zeichnen. Werden Apprädikatoren als „Metaphern" verwendet, so ergibt sich als Problem, nicht als prinzipiell unbeseitigbare Schwierigkeit, die Frage der Widerspruchsfreiheit der jeweils verwendeten Metaphern und die Frage nach einem hinreichend eindeutigen Bild. 19 Das offene Problem aber für beide Weisen der metaphorischen Rede von Gott ist: Handelt es sich bei den aufgezeigten formalen Abhängigkeitsrelationen um fingierte Relationen? Handelt es sich bei dem in seinen Eigenschaften näher bestimmten Gegenstand um einen fingierten Gegenstand? Genau bei diesen Fragen setzt nun die Nonsenstheorie ein. b) Erläuterung der
Nonsenstheorie
Einige philosophische und theologische Vertreter der Nonsenstheorie haben wir schon kennengelernt (z.B. A. J . Ayer, P. van Buren). Ihr grundlegender Vorwurf gegenüber dem Reden von Gott lautet: Es handelt sich hier um unverständliches Reden. Theologische Aussagen von Gottes Handeln haben keine mitteilbare und darum überhaupt keine Bedeutung. Ordnet man ihre Einwände, so ergeben sich zwei Argumentationsreihen. 1. Die erste Argumentationsreihe ist am Sinnkriterium orientiert. Aussagen über Gott und von Gott, so sagt man, entziehen sich der Nachprüfung, sie sind weder verifizierbar noch falsifizierbar. Es gelingt nicht, eine irgendwie geartete Beobachtbarkeit von Gottes Handeln aufzuweisen. Ihre klassische Form hat diese Kritik im Gleichnis vom Gärtner gefunden, das Anthony Flew von J . Wisdom übernehmend aufgreift, um zu zeigen, daß religiöse Äußerung und theologische Aussagen kognitiv leer, sinnlos sind: „Es waren einmal zwei Forschungsreisende, die kamen zu einer Lichtung im Dschungel, wo viele Blumen und Kräuter wuchsen. Da sagt der eine: .Irgendein Gärtner schaut wohl zu diesem Stück Land'. Der andere ist nicht einverstanden und erwidert: ,Es gibt keinen Gärtner*. So schlagen 19
Auch Eigenprädikatoren wie „Vater" oder „Herr" werden in metaphorischen Gebrauch zur Kennzeichnung Gottes in der Weise von Apprädikatoren (= traditionell: Relationsbegriffe) verwendet. Es geht ja nicht darum, eine Vaterrelation im biologischen Sinne herzustellen, sondern die Eigenschaften des Vaterseins (gütiger Vater, sorgender Vater) oder des Herrseins (gerechter Herr, mächtiger Herr) als univoken Kern anzugeben. 191
sie ihre Zelte auf und halten Wache. Aber kein Gärtner läßt sich blicken. .Vielleicht ist der Gärtner unsichtbar'. Da errichten sie einen Zaun aus Stacheldraht und setzen ihn unter Strom. Sie patroulliren mit Spürhunden . . . Aber keine Schreie lassen je erkennen, daß irgendein Eindringling einen Schlag bekommen hätte. Keine Bewegung des Drahtes verrät je einen unsichtbaren Kletterer. Nie geben die Spürhunde Laut. Aber noch immer ist der Gläubige nicht überzeugt. ,Es gibt aber einen Gärtner, einen, der unsichtbar, unfühlbar, für einen elektrischen Schock unempfindlich ist, einen, der keinen Geruch hat und kein Geräusch macht, einen, der heimlich kommt, um nach dem Garten zu sehen, den er liebt.' Schließlich verliert der Sektpiker die Geduld und entgegnet: ,Was bleibt denn aber von deiner ursprünglichen Behauptung noch übrig? Wie unterscheidet sich denn, was du einen unsichtbaren, unfühlbaren, ewig unkonstatierbaren Gärtner nennst, von einem imaginären oder von überhaupt keinem Gärtner? ' " 2 0 Flew schließt aus diesem Gleichnis: Aussagen über Gottes Existenz und Gottes Handeln, die nicht durch Sinneswahrnehmung verifizierbar oder falsifizierbar sind, sind nicht aufrecht zu erhalten. Der Gläubige, der die Existenz des Gärtners verficht, muß schrittweise die gewöhnlichen Intensionen, die den Gebrauch des Wortes „existieren" und des Wortes „Handeln" bestimmen, zurücknehmen: Er ist nicht sichtbar, hörbar, man bemerkt sein Handeln nicht, usw. Die Aussage des Gläubigen wird „einen Tod an tausend Einschränkungen (qualifications)" sterben. 2 1 Auch wenn man sich nicht nur auf ein so eingeschränktes Sinnkriterium wie Flew bezieht, sondern die erweiterte Fassung Carnaps zuläßt, daß alle solchen theoretischen Begriffe, die die Formulierung von Prognosen ermöglichen, als sinnvoll anzusehen sind, kommt man hier zu keiner eindeutigen Bestimmung des Wortes Gott. Eine Auffassung religiöser Äußerungen als Hypothesen zur Erklärung der Wirklichkeit muß aus zwei Gründen scheitern. Es handelt sich um Hypothesen von unbegrenzter Reichweite und unbegrenztem Geltungsbereich (Gott schafft die Welt, Gott lenkt Natur und Geschichte). Diese Aussagen sind nicht verifizierbar (als generelle Sätze) und auch nicht zu falsifizieren (da keine unmittelbaren Manifestationen von Gottes Handeln feststellbar sind). Es können keine Voraussagen gemacht werden, aufgrund derer ein bestimmtes Ereignis oder eine Handlung als erwartbar angesehen werden
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A. Flew, Theology and Falsification, in: New Essays, S. 96f. (zitiert nach der Übersetzung bei P. van Buren, Reden von Gott, S. 8f.). 21 A. Flew, a.a.O., S. 97; J. Wisdom gibt der Parabel eine andere Deutung, auf die wir später noch zu sprechen kommen.
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kann. Solchen Hypothesen eignet keine spezifische Erklärungskraft über unser Wissen hinaus, daß in der Natur Regelmäßigkeiten auftreten und in der Geschichte Verlaufsgesetze und Trends sichtbar werden. 2 2 Die Einsicht in diese Regelmäßigkeiten haben wir aber nicht aufgrund religiöser Hypothesen gewonnen, sondern aufgrund von Erfahrung in unserer Welt, die zu Hypothesen über den Natur- und Geschichtsverlauf generalisiert wird. 2 3 Auch der Verweis auf Wunder als spezielle Weisen der Manifestation von Gottes Handeln hilft nicht weiter. Wunder stellen, wie gesagt, will man ihr Geschehensein unterstellen, singulare Ereignisse dar. 2 4 Sie sind singulare Ereignisse, insofern sie sich gerade der üblichen Nachprüfung der Ursache entziehen. Wir haben für ihre Ursache keine Erklärung, ihr Eintreten widerspricht unserem bewährten Wissen über den Natur- und Geschichtsverlauf. Möglichkeiten der Erforschung der Ursache gibt es aufgrund ihrer Nichtwiederholbarkeit nicht. Sagt man nun „Gott sei die Ursache", so hat man keine neue „Erklärung" gefunden, sondern dasselbe gesagt, wie wenn man sagt: „Wunder haben eine nicht erklärbare, eine unbekannte Ursache". Damit ist aber die Existenz Gottes nicht verstehbar eingeführt. Man kann sich zwar etwas als Urheber ausdenken, aber daraus ergibt sich noch kein Wissen über die Ursache, etwa: wie Gott Wunder bewirkt oder wann oder warum er Wunder tut (Solche Aussagen sind erst im Rahmen weitere Reflexionen über Gottes Handeln und von weiteren Erfahrungen Gottes her zu entfalten). Ganz abgesehen davon, daß Theologie von solcher Einführung Gottes über Wunder allein aus theologischen Gründen Abstand nehmen wird, bringen solche Aussagen am Sinnkriterium gemessen keine Erkenntnis des Gegenstandes „Gott". Es handelt sich um tautologische Umformungen von Sätzen. 2 5
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Vgl. unsere Darstellung der Einwände von J. A. Ayer, oben S. 112f. Zur Eigenart von religiösen Hypothesen vgl. J. M. Bochenski, Logik der Religion, S. 127ff. 24 Zum Problem des Wunders vgl. P. Novell Smith, Miracles und T. Mac Pherson, The Argument of Design. 25 Ausführlich wird in der englischen Diskussion auch das Problem der Gottesbeweise behandelt. Vgl. die Diskussionsbeiträge von J. N. Findlay, G. E. Hughes und C. A. Rainer in: New Essays, S. 47ff., und den Beitrag von N. Malcolm, Anselm's Ontological Arguments. Diese Diskussion führt einerseits nicht über die Argumentationen Kants hinaus, daß die Existenz Gottes sich nicht notwendig aus dem Denken des höchsten Wesens ergibt (unzulässiger Schluß vom Denken auf das Sein; Findlay). Andererseits wird K. Barths Einsicht wieder aufgenommen, daß nach der Selbstoffenbarung Gottes vom Standpunkt des Glaubens aus ein „Beweis" Gottes in philosophischer Reflexion möglich ist. Die Behauptung der Existenz Gottes gehört zu diesem Sprachspiel (Malcolm). 23
13 T r a c k , U n t e r s u c h u n g e n
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Für religiöse Erfahrungen aber, die nicht von vorneherein geleugnet werden können, stellt sich die Frage, welche empirischen Aussagen sich aus ihnen ergeben. „Wir leugnen nicht a priori, daß der Mystiker imstande ist, Wahrheiten mittels seiner eigenen, speziellen Methoden zu entdecken. Wir möchten aber die Propositionen hören, die seine Entdeckungen verkörpern, um festzustellen, ob sie durch unsere empirischen Beobachtungen bestätigt oder widerlegt werden können". 2 6 Solange sich keine empirisch nachprüfbaren Aussagen ergeben, bleibt die Berufung auf religiöse Erfahrungen dunkel. Religiöse Erfahrungen können uns dann keine andere Auskunft geben, als daß jemand eine solche Erfahrung gemacht hat. „Now an experience of a distinctively ,mental' kind, a feeling-state or an image cannot of itself yield us any information about anything than the experience. We could never know from such experiences that they had the character of messages from the divine, unless we already possessed a prior knowledge of the divine and of the way in which messages from it were to be identified." 2 7 Es bleibt offen, was die Quelle der „religiösen Erfahrung" ist. Ist es ein Handeln Gottes, eine Gestimmtheit, ein religiöses Gefühl? „Indem so ein Mystiker seine Vision beschreibt, teilt er uns gar nichts über die Außenwelt mit; er macht uns indirekte Mitteilung über seine eigene Geistesverfassung." 28 2. Die zweite Argumentationsreihe besteht aus logischen Einwänden gegenüber den Eigenschaften, die Gott und seinem Handeln zugesprochen werden. Da ist zunächst die grundlegende Schwierigkeit analoger Rede von Gott. Die Theologen sagen von Gott, daß er immer „mehr" sei als alle analoge Rede von ihm auszusagen vermag. Das Zusprechen von metaphorischen Ausdrücken aus unserer Weltwirklichkeit kann Gott in seiner Andersartigkeit, in seiner Transzendenz nicht hinreichend beschreiben. Zwar ist es uns möglich, von Gott analog zu sprechen, da Gott als der Grund der Wirklichkeit die Wirklichkeit nicht als etwas ihm völlig Fremdes geschaffen hat. Im Akt der Schöpfung teilt sich der Grund der Schöpfung seiner Schöpfung mit. Gott schafft den Menschen nach seinem „Bilde". Aber solche Analogie hat ihre Grenze im Anderssein Gottes. Gott ist nicht nur unendlich im Gegenüber zu unserer Endlichkeit (Beschreibung via negationis), er ist nicht nur allmächtig im Vergleich zu innerweltlicher Macht, sondern er ist jenseits von dem Gegensatzpaar endlich-unendlich jenseits unserer Vorstellungen von Macht und Allmacht. Er transzendiert all unsere aus Raum und Zeit gewonnenen Vor26
J. A. Ayer, Sprache, Wahrheit und Logik, S. 157. A. Maclntyre, Visions, in: New Essays, S. 258. 28 J. A. Ayer, a.a.O., S. 158. 27
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Stellungen und Begriffe radikal. 29 Solche Ausführungen lassen die Frage stellen, ob hier überhaupt noch sinnvoll von einem metaphorischen Gebrauch geredet werden kann. Wenn alles Bestimmte im Nebel der radikalen Unvorstellbarkeit, im Nebel radikaler Transzendenz verschwindet, muß man sich fragen, ob denn überhaupt noch etwas von Gott ausgesagt wird oder im Grunde nichts. 30 Sollte man nicht hier tatsächlich schweigen über das, wovon man nicht reden kann? Dann gibt es die Schwierigkeit, die aus der Unvereinbarkeit der Gott zugesprochenen Eigenschaften entsteht. Zwei Punkte sind hier in der Diskussion immer wieder hervorgehoben worden. 31 Es wird Gottes Allmacht behauptet und zugleich seine Allgüte. Die Rede von der Allmacht kennzeichnet Gott als letzte Ursache allen Geschehens, sei es, daß er es bewirkt, sei es, daß er es zuläßt. Wie aber läßt sich solche Rede mit seiner Kennzeichnung als allgütig vereinbaren? Wir erfahren tagtäglich Katastrophen, Leid und das Wirken des Bösen in der Welt. Wenn Gott einerlei, ob nun Gutes oder Böses in der Welt geschieht, als allmächtig und allgütig bezeichnet wird, dann entleert sich entweder der Begriff der Allmacht oder der Begriff des Allguten. Beides ist unvereinbar. Eine Logik aber, die Position und Negation zugleich für ein- und denselben Sachverhalt zuläßt, führt dazu, daß Beliebiges behauptet werden kann. Verständlichkeit kann nur so gesichert werden, daß man zwischen Absprechen und Zusprechen entscheidet. 29
Die Problematik von radikaler Transzendenz Gottes und univokem Kern analogen Redens von Gott war, wie schon erwähnt, in der Scholastik Gegenstand ausführlicher Diskussion. Während in einer vom neuplatonischen Seinverständnis herkommenden Interpretation Gottes die Möglichkeit eines eindeutig univoken Kerns der Analogie hervorgehoben wurde (Duns Skotus), lehnt die vom aristotelischen Seinsverständnis herkommende Interpretation jede kategoriale Gleichheit im Analogiebegriff ab. (Thomas). Einen dialektischen Mittelweg zwischen beiden Positionen versucht Tillich in seiner Rede von Gott als Sein-Selbst und als Grund und Abgrund des Seins zu gehen (vgl. unsere oben angezeigte Arbeit). 30 „You are in fact in an insoluble dilemma. If you assert existence and causality of God in the same sense in which you assert them of finite beings, you are rendering God incapable of fulfulling the very function for whose performance you alleged him to be necessary. But if you assert existence and causality of God in an altogether different sense f r o m that in which you assert them of finite beings, you are making statements about God to which you can, ex hypothesi, assign no intelligible content. God therefore is either useless or unthinkable; this would seem to be the conclusion of the matter.") E. L. Mascall, Existence and Analyogy, S. 87 (zitiert nach Ferré, Language, Logic and God, S. 68). 31 Zur Diskussion der logischen Probleme der göttlichen Eigenschaftslehre, die in der englischen Diskussion einen breiteren Raum einnimmt, vgl. besonders: J . L. Mackie, Evil and Omnipotence.
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Verschärft wird dieses Problem noch durch die Rede vom Bösen (Teufel) als eigenständiger Macht gegenüber Gott. Selbst wenn Gott nur im Modus des Zulassens Ursache wäre, bleibt hier die Frage, ob solches Zulassen vereinbar ist mit seiner Güte. Gibt es keinen Weg, das Böse und das Übel in dieser Welt auszuschalten? 3 2 Ist ein Gott, der solches zuläßt, allmächtig und allgütig? Auch eine Argumentation, die darauf hinweist, daß die Möglichkeit des Leides von Gott zugelassen ist, um uns zur Besinnung zu bringen, und die Möglichkeit zur Sünde, um unsere freie Entscheidung zwischen Gott und dem Bösen zu ermöglichen, ist nicht stichhaltig. Gibt es nicht, so kann man fragen, andere Wege, die Gott in seiner Güte hier hätte gehen können, um uns zum J a zu Gott, zu einem Leben in der Geborgenheit der Nähe Gottes zu führen? Ist nicht eine Freiheit denkbar, in der der Mensch ganz und ungeteilt J a zu Gott sagt, vom Guten erfüllt ist? 3 3 Ebenso erscheint eine Rede von der Allmacht Gottes und der Freiheit des Menschen unvereinbar. Versteht man das Wirken Gottes so, daß er alles Geschehen in der Wirklichkeit bestimmt, dann ist kein Ort für die menschliche Freiheit als ein Vermögen auf der Basis von Gründen sich für ein Verhalten, ein Handeln zu entscheiden. Wie eingeschränkt Freiheit immer gedacht werden mag (aufgrund der sozialen, geschichtlichen Situation, der psychischen Konstitution), der Begriff von Freiheit enthält, daß Menschen Bisheriges in kritischer Negation ablehnen können, daß sie ihre vorgegebene Situation transzendieren können. Entweder also entleert sich der Begriff der Allmacht oder Freiheit kann nicht behauptet werden. 3 4 Das Reden von Gott, so ergibt sich abschließend, hat keinen Bezug zur Wirklichkeit. Es können keine Aussagen formuliert werden, die der Prüfung fähig sind. Zudem verwickeln sich die Theologen bei der Beschreibung der Eigenschaften Gottes in Widersprüche. Von daher ist auf ein Reden von Gottes Handeln und von Gott selbst zu verzichten. Es bringt uns keine neue Erkenntnis über unsere Wirklichkeit und unsere Situation, sondern nur Scheinprobleme. c)
Stellungnahme
Am Maßstab eines Sinnkriteriums gemessen, das nur solche empirischen Sätze zuläßt, die auf Beobachtbares entweder direkt oder über eine Vgl. die Anfragen von J . L. Mackie, a.a.O., und von A. Flew, New Essays, S. 144ff. 3 3 If God has made men such that in their free choices they sometimes prefer what is good and sometimes what is evil, why could he not have made men such that they always freely choose the g o o d ? " J . L. Mackie, a.a.O., S. 2 0 9 . 3 4 Vgl. A. Flew, a.a.O. 32
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Kette von Aussagen zurückgeführt werden können, ist in der Tat ein Reden von Gottes Handeln sinnlos. Gott kann nicht über Beobachtung oder Prognosen eingeführt werden. Religiöse Hypothesen über Gottes allgemeines Wirken in Natur und Geschichte sind von solchem Allgemeinheitsgrad, daß sie nicht mehr direkt falsifiziert werden können. Aussagen über den Beginn unserer Wirklichkeit vor aller Zeit, und über das Ende der Geschichte nach aller Zeit, entziehen sich prinzipiell empirischer Nachprüfung. Allgemeine Aussagen über Gottes Handeln in Natur und Geschichte reduzieren sich bei sprachkritischer Betrachtung auf die Behauptung von Abhängigkeitsrelationen (formale Relationen). Auf diesem Weg ist keine die Verständlichkeit des Redens von Gott sichernde Einführung möglich. Insoweit kann der Nonsenstheorie zugestimmt werden. Fragivürdig ist die Nonsenstheorie aus vier Gründen: 1. Das Sinnkriterium hat sich, wie die weitere Diskussion gezeigt hat, und wie wir ausführlich dargestellt haben, selbst als fragwürdig erwiesen. Weder der Maßstab „Rückführung auf Beobachtbares" noch der Maßstab „Ermöglichung von Prognosen im Rahmen nomothetischer Aussagen" (Erklärung) 35 sind allein geeignete Kriterien zur Klassifizierung von sinnvollen und sinnlosen Aussagen. Das „Sinnkriterium" muß in zweifacher Weise erweitert werden: a) Beobachtbares oder Sinnesdaten können nicht sichere Basis unserer Erkenntnis sein. Die Sicherung unserer Erkenntnis beginnt mit der Sicherung der Verständlichkeit. Kriterium ist also erstens die Einführungsmöglichkeit in einer Lehr- und Lemsituation. Es muß eine Lehr- und Lernsituation aufgezeigt werden, in der zumindest die Chance einer Einführung besteht. Erst dann können zweitens Fragen, ob man so sprachlich aufgliedern sollte, ob Aussagen wahr sind, behandelt werden. Die Frage der Prüfungsverfahren ist nicht ein für allemal entschieden (etwa, daß nur das Experiment der Naturwissenschaften zugelassen sein soll), sondern muß gemeinsam vereinbart werden. Dabei will gerade das „gemeinsam" beachtet sein zur Abwehr bloßer Willkür, b) Über Sätze und Begriffe wird nicht nur in einzelnen Nachprüfungsakten entschieden, sondern alle synthetisch-apriorischen Sätze sind im Prozeß der Erfahrung, an ihrer Brauchbarkeit für die Erfahrung, zu bewähren. Das gilt von den schlichten Unterscheidungen, die wir am Anfang der Einführung von Worten treffen bis hin zum Ge3S
Die wiederholt vom kritischen Rationalismus aufgestellte Forderung, daß „Erklärung" im Rahmen genereller Hypothesen die allein geeignete Weise der Erschließung der Wirklichkeit sei, ist inzwischen in ihrer Problematik sowohl hinsichtlich der zeitlichen Implikationen (synchron, diachron) als auch hinsichtlich der Interpretation der „Randbedingungen" aufgedeckt worden. 197
brauch metaphysischer Begriffe und metaphysischer Theorien. 3 6 Wir stimmen allerdings der Formulierung eines Sinnkriteriums insofern zu, als Aussagen (deskriptive Redeweise) nur dann als sinnvoll anzusehen sind, wenn es eine jeweils näher zu bestimmende Weise ihrer Prüfung in oder bei der Erfahrung gibt. 2. Die Nonsenstheorie vermag nicht die geschichtliche Wirkung religiöser Äußerungen zu erklären. Wenn alles Nonsens wäre, wäre es doch sehr erstaunlich, daß solcher Nonsens solche geschichtliche Wirkung erzielt hat. Neben die Bestreitung des kognitiven Gehaltes religiöser Äußerungen muß zumindest eine Analyse weiterer Funktionen religiöser Rede treten. Ob in der Tat kein kognitiver Gehalt vorliegt, muß sich an einer Überprüfung auf der Basis der obigen Erweiterung des Sinnkriteriums zeigen. 3. Das Bild, das hier von der religiösen Erfahrung gezeigt wird, ist schlicht eine Karrikatur. Es kann doch nicht darum gehen, daß durch „religiöse Erfahrung" Sachverhalte entdeckt werden, die dann, wenn sie einmal entdeckt sind, auch beobachtet werden können. Genau das fordert aber Ayer. Eine sinnvolle Frage kann hier nur sein: Haben die Unterscheidungen und die Aussagen, die aufgrund religiöser Erfahrungen gemacht werden, eine Chance auf verständliche Einführung und auf Prüfbarkeit? Anders formuliert: Gibt es einen öffentlichen Zugang zu solchem Reden, oder handelt es sich um völlig private Sprache und private Erfahrung, die gegen jeden Irrtumsangriff geschützt sind und darin dann auch beliebig sind? 4. Die aufgezeigten logischen Probleme treten in der Tat bei einer auf Mißverständnissen beruhenden Auslegung Gottes und der Lehre der göttlichen Eigenschaften auf. Gottes Handeln und menschliche Freiheit sind jedoch nicht notwendig sich ausschließende Bestimmungen. Die Fragen der Theodizee (Allmacht und Güte) sind keine Probleme, die logisch prinzipiell unlösbar sind. Allerdings treten hier Fragen nach dem „Warum" von Gottes Handeln auf, die von uns nicht abschließend beantwortbar sind. 3 7 36
Auf das Problem der Überprüfung der „religiösen Hypothesen" die formal der Klasse der metaphysischen Hypothesen (hinsichtlich ihres erkenntnistheoretischen Status) zugeordnet werden müssen, gehen wir noch ausfuhrlich in diesem Kapitel ein. 37 Eine ausführliche Darstellung solcher Möglichkeit einer logisch widerspruchsfreien Rede von Gott würde hier den Rahmen unserer Untersuchung sprengen. Es ist auf dieser Stufe der Reflexion auch nicht erforderlich, solche Probleme ausführlich zu behandeln, da wir erst einmal fragen, wie überhaupt Verständlichkeit gesichert werden kann, d. h. wo und wie sich Gott kenntlich macht. Die explizite Eigenschaftslehre (Objektsprache 3. Klasse) stellt sich erst als Problem, wenn die Verständlichkeit des Redens von Gott grundlegend gesichert ist. Es ist jedoch beabsichtigt, das
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Muß die Nonsenstheorie als zu grob zurückgewiesen werden, so kann sie doch, auch wenn sie keine hinreichende Erklärungshypothese für das Reden von Gott darstellt, eine zweifache Funktion haben: Sie zeigt uns, wie das Reden von Gott nicht eingeführt, nicht verständlich gemacht werden kann. Aussagen über Gottes Wirken in der Natur, Gottes Lenken der Geschichte oder über Gottes Handeln am Beginn und zum Ende der Welt können dort, wo es um den kognitiven Gehalt religiöser Äußerungen geht, nicht am Beginn des Redens von Gott stehen. Sie ermöglichen uns kein Verständnis von Gottes Handeln, kommen für die Lehr- und Lernsituation nicht in Frage. 38 Eine Auffassung von „religiöser Erfahrung", wie die in dieser Theorie dargestellte, erledigt sich von selbst. Schließlich ermahnen die aufgezeigten logischen Widersprüche zu einem sorgfältigeren Gebrauch „metaphorischer Begriffe", zu sorgfältigerer Darstellung der „Eigenschaften" Gottes. Die Nonsenstheorie macht uns auf grundsätzliche Aporien des Redens von Gott aufmerksam. Theologie spricht von Gottes Handeln und von seiner Offenbarung. Gott hat sich in der Geschichte kenntlich gemacht, aber dies ist uns nicht so vorgegeben, daß wir es vorweisen könnten. Gott läßt sich weder mit der Geschichte noch mit der Natur gleichsetzen. Er entzieht sich in seiner Freiheit und seiner Transzendenz, das wurde zutreffend gesehen, immer wieder unserem zupackenden, auch sprachlich zupackendem Zugriff. Religiöse Äußerungen und theologische Aussagen, insofern sie überhaupt kognitiven Gehalt haben, stehen in der Spannung daß Gottes Handeln in der Welt sich kundtut und doch dieses Handeln sich nicht unvermittelt zeigen läßt. „In der Sprache der theologischen Dogmatik gesagt, besteht eine Spannung zwischen Christologie und Eschatologie, eine Inkongruenz von Offenbarung und Geschichte: die in Jesus Christus verheißene Wahrheit ist in der Welt noch nicht so zur Geltung gekommen, daß jedermann jederzeit allein mit ihr rechnet". 3 9 Diese Situation fordert den Theologen auf, will er kognitiv sinnvoll von Gott Problem in einem Aufsatz zu behandeln. Gemeinsam mit W. Joest sollen Alternativvorschläge zur Lösung der „Paradoxien" des christlichen Redens von Gott dargestellt werden. 3 8 Von daher erscheint eine Praxis, die im Religionsunterricht der 1. Klasse der Grundschule mit dem Schöpfungsbericht einsetzt, sehr fragwürdig. Solche Praxis leistet nicht die Einfuhrung, die erwartet wird, sondern bringt die Problematik mit sich, daß Kinder gleich einer Mischform aus (überholten) wissenschaftlichen Hypothesen und religiösen Hypothesen begegnen. Vgl. auch unsere Hinweise zum Reden von Gott am Schluß dieser Arbeit. G. Sauter, Grundzüge, S. 2 3 3 / 2 3 4 . Zu den sehr schön herausgearbeiteten „Aporien" des Redens von Gott, die nicht gelöst werden können, aber aufgezeigt werden müssen, vgl. G. Sauter, a.a.O., S. 2 2 9 f „ 233f., 241ff. 39
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reden, den Ort und den Weg zu zeigen, der Gottes Handeln und Gottes Gegenwart uns kenntlich macht. Solange dies nicht geschehen ist oder geschehen kann, bleiben Aussagen über Gott unverständlich und ungedeckt. 4 0
3. Das Wort Gott als a)
Pseudokennzeichnung
Erläuterung
Diese Auffassung stimmt mit der Nonsenstheorie darin überein, daß das Wort Gott — gemessen am Sinnkriterium — auch in einer weiten Fassung ein leeres Wort ist. Die oberflächengrammatische Form der deskriptiven Redeweise weist auf keinen empirisch erfaßbaren Gegenstand hin. Es handelt sich vielmehr hier um die Fingierung eines Gegenstandes. Es ist ja die Eigenart unserer Sprache, daß sie fingierte Kennzeichnungen und fingierte Eigennamen zuläßt. Unter Verwendung dieser fingierten Kennzeichnung und Eigennamen lassen sich beliebig viele grammatisch richtige und sinnvolle Sätze bilden. Auf der Möglichkeit der Fingierung von Personen und Situationen beruht weithin die Dichtung. Anders jedoch als die Nonsenstheorie lehnen die folgenden Konzeptionen solche fiktive Redeweise nicht als sinnlos ab. Vielmehr wird gezeigt, daß solches Reden von Gott ganz bestimmte Funktionen hat. 4 1 Diese Funktionen des Wortes Gott die sich in den Sprachspielen christlichen Redens von Gott zeigen, wollen sie erst untersuchen, bevor ein Urteil über Sinn und Unsinn des Redens von Gott abgegeben wird. Ein Überblick über diese Untersuchungen ergibt, daß alle aufgrund der verschiedenen Redeweisen denkbaren Funktionen menschlichen Redens zur Auslegung der „religiösen Sprachspiele" herangezogen und für die Funktion „religiöser Sprachspiele" geltend gemacht wurden. Wir verschaffen uns einen Uberblick, indem wir diese verschiedenen Darstellungen aufgrund unserer Unterscheidung der Redeweisen ordnen. Eine erste Auslegung, die der Nonsenstheorie sehr nahekommt, geht davon aus, daß es sich um pseudo-deskriptive Redeweise handelt, in der
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Gerade jene Aporie, daß wir Gott nicht „aufweisen" können, fordert den Theologen heraus, dem „Ort" nachzuspüren, an dem sich Gott kenntlich machen, vermitteln will (vgl. a. F. Mildenberger, Theorie der Theologie, S. 46ff.). 41 F. Ferré spricht hier von einer funktionalen oder interpretischen Analyse. Die Betonung liegt auf der Wirkung solchen Redens von Gott auf Sprecher und Hörer (pragmatische Dimension). Vom Antwortverhalten des Glaubenden im Sprachspiel soll ein Zugang zum Verständnis des Wortes Gott gewonnen werden.
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pseudo-empirische Leerformeln verwendet werden. 4 2 Die Aussagen von Gottes Handeln in Natur und Geschichte zeigen an, daß es sich hier um primitive Formen menschlicher Weltbewältigung und in einem weiterentwickelten Stadium um Formen primitiver Wissenschaft handelt. In frühen Kulturformen ist es üblich, alltägliche Situationen, aber insbesonders die menschliche Grundsituation (Geburt, Verhältnis zur Gemeinschaft, Tod) und undurchschaute Ursache-Wirkungszusammenhänge durch den Rückgriff auf transzendente, personale Mächte, die Götter, zu erklären. Alles Fernliegende und Unbekannte wird in Analogie zum Näherliegenden und Bekannten zu verstehen versucht. 4 3 Mensch und Welt werden als von personifizierten übermenschlichen Wesensheiten bestimmt gedacht. Diese Wesensheiten sind soziale Handlungspartner, die spürbar reagierend in den Lauf von Natur und Geschichte eingreifen. Sie walten über Leben und Tod, Krankheit und Gesundheit, über Glück und Leid der Gemeinschaft. In fortgeschrittenen Religionen, wie auch im Christentum, wird von solcher Rede von unmittelbaren Eingriffen und unmittelbarer Lenkung von Natur und Geschichte Abstand genommen. Die primitive Form der Welterklärung wird durch wissenschaftliche Welterklärung verdrängt. Doch wird das Reden von Gottes Handeln mit der wissenschaftlichen Erklärung insofern verbunden, als Gott nun als Garant der Regelmäßigkeiten des Naturgeschehens (Treue Gottes) und als letzter Grund allen Seins aufgefaßt wird. 4 4 Funktion solcher Leerformeln ist es, dem Menschen in seiner Welt und in seiner Gemeinschaft Sicherheit zu geben. Die Unsicherheit des Fremden, des Unerklärbaren wird überspielt. Unabwendbare Ereignisse im Leben der Gemeinschaft und der Geschichte werden als von Gott bestimmt hingenommen und in der Hoffnung auf Gottes Güte und Weisheit und im Vertrauen auf seinen unerforschlichen Ratschluß bewältigt. Eng zusammen mit dieser Auslegung steht eine Auslegung der präskriptiven Redeweise in den Religionen. Hier handelt es sich um primitive Formen 42
Diese Einschätzung religiösen Redens, die ja weit verbreitet ist, hat in besonderer Schärfe E. Topitsch vertreten. E. Topitsch, Vom Ursprung und Ende der Metaphysik; Über Leerformeln — Zur Pragmatik des Sprachgebrauchs in Philosophie und politischer Theorie, Vom Mythos zur Philosophie, Werthafte Voraussetzungen menschlicher Weltinterpretation. 43 Nach Topitsch gibt es vier Grundmodelle solcher Einordnung des Fremden ins Bekannte. Es wird biomorph (Deutung als Lebewesen) und soziomorph (Deutung als Sozialgebilde wie Familie, Sippe oder Stamm) oder technomorph (Deutung als übermenschliche Werktüchtigkeit) oder ekstatisch-kathartisch (Deutung im Sinn eines Mythos vom Fall der Welt aus göttlichem Ursprung) gedeutet. Vgl. H. Fischer, Glaubensaussage und Sprachstruktur, S. 298f. 44 Vgl. z. B. W.Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, S. 34ff.
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der Ethik. Es werden pseudo-normative Leerformeln*s verwendet. Gott erscheint als die unbestrittene normsetzende Größe. Sein Wille ist in Natur und Geschichte bestimmend. Darum müssen sich alle menschlichen Zwecke und Normen an diesem Willen Gottes ausweisen. Durch den Bezug auf Gott erhalten Normen ihre Einsichtigkeit und ihren verpflichtenden Charakter. In der Rede von dem Willen und dem Befehlen eines transzendenten Gegenübers spiegelt sich eine hierarchische Gesellschaftsform, in der der Herrscher, der Stammesführer, der König befiehlt, was recht und gut ist. Solche Begründung von Normen und Verhaltensweisen durch den Willen eines transzendenten Gegenübers kann eine dreifache Funktion haben: Erstens kann sie der Sanktionierung der Herrschergewalt und bestimmter Gesellschaftsordnungen dienen. Der König erscheint als das Organ Gottes oder als seine jeweilige leibliche Inkarnation. Die Begründung von Normen im Willen Gottes kann zweitens, wie dies in Israel geschehen ist, zur kritischen Instanz gegenüber dem König und den herrschenden Schichten werden. Die prophetische Kritik an Königtum und Oberschicht, an sozialer Fehlhaltung und nicht zuletzt an von vorneherein als sozial ungerecht erkannten Gesellschaftsstrukturen und Gesellschaftsformen beruft sich als Instanz auf Jahwes Willen.46 Allein eine Umkehr zu Gott und Gottes Vergebung kann den „Rest" retten. Drittens gibt solche Berufung dem einzelnen Sicherheit in seinem Verhalten. Das Verhalten und das Handeln sind begründet in Normen, die ihrerseits nicht wieder auf ihre Rechtfertigung hinterfragt zu werden brauchen. Dies kann positiv ausgelegt werden, indem darauf verwiesen wird, daß Leben des einzelnen und Leben der Gemeinschaft nur gelingen kann, wenn sie von grundliegenden Orientierungen des Handelns her geleitet wurden und gemeinsam anerkannte Normen in der Gemeinschaft wirksam sind. Dies kann negativ ausgelegt werden, indem man das Moment der Autorität in dieser Art von Normenbegründung heraushebt. Hier geht es nicht um die Annahme von Normen auf der Basis gemeinsamer Beratung, sondern um unkritische Auslieferung an Autorität. 47 Auch in den Fortentwicklungen und Differenzierungen, wie sie gegenwärtige christliche Ethik kennzeichnet, bleibt doch die Berufung auf Gott die Begründung der Ethik und in der Bejahung solcher Berufung auf Gott bringt man zum Ausdruck, daß man nicht mehr bereit ist, seine Normen zu revidieren. Eine zweite Auslegung faßt das religiöse Reden als emotive Redeweise auf und hebt deren performativen Charakter hervor. Das Reden von Gott, so wird hier argumentiert, ist Ausdruck von bestimmtem Gestimmtsein, 4S
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E. Topitsch, Vom Ursprung und Ende der Metaphysik, S. 2 8 4 . Vgl. G. Wanke, KuD 18, 1 9 7 2 . S. 1 - 1 7 . Vgl. P. Lorenzen—O. Schwemmer, a.a.O., S. l l f .
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von Gefühlen und Einstellungen. Um sich in seiner Lebenswelt zurechtzufinden, bedarf der Mensch nicht nur eines Wissens, das ihm seine Umwelt verfügbar und sein Geschick planbar macht. Er muß Vorgegebenes, Unabänderliches, Leid und Bedrohung, die ihm widerfahren, verarbeiten und bewältigen. Er muß zu seiner Grundsituation ein Verhältnis gewinnen. Er muß seinen Ort in der Lebenswelt finden und sein Geschick auch annehmen. Solche Verarbeitung zeigt sich in seinem Gestimmtsein, äußert sich in Gefühlen und Einstellungen. Angst und Unsicherheit oder Erfahrungen des Geborgenseins und Gehaltenseins können unseren Umgang mit Mensch und Welt bestimmen. Zweifel, Enttäuschung, Resignation, die den Lebenswillen und die Lebenskraft lähmen oder in unberechenbare Aggression umschlagen, stehen Erfahrungen des Angenommenseins in der Gemeinschaft und dem Annehmen des eigenen Geschicks gegenüber, die Sicherheit geben und Mut zum Leben und Besonnenheit ermöglichen. R. M. Hare hat in der Auseinandersetzung mit der Auslegung des Gleichnisses vom Gärtner bei Flew auf diese Dimension aufmerksam gemacht. Er gibt Flew zu, daß er auf dem von ihm abgegrenzten Feld „completely victorious" ist. Aber damit verfehlt Flew gerade die Dimension, in der religiöses Reden seinen Ort und seine Funktion hat. Nur von einer allgemeinen Analyse des religiösen Redens her kann verstanden werden, was das Christentum ist. 48 Hare versucht diese von Flew nicht berücksichtigte Dimension an einem Gegengleichnis aufzuzeigen. 4 9 Ein offensichtlich geisteskranker Student ist davon überzeugt, daß ihn alle Professoren ermorden wollen. Seine Freunde wollen ihn von dieser Uberzeugung abbringen und machen ihn mit den ehrwürdigsten und freundlichsten Professoren bekannt. Sie zeigen ihm, daß keiner ihn umbringen will, alle sehr freundlich und herzlich zu ihm sind. Aber bei jedem ist die Antwort des Geisteskranken: , J a , aber das war doch nur seine teuflische List; in Wirklichkeit konspiriert er die ganze Zeit gegen mich wie auch die anderen; ich weiß es, ich sage es e u c h . " s o Hare zeigt damit, daß es nicht allein auf Fakten, einzelne empirische Fakten ankommt, sondern auch auf deren Interpretation von Grundeinstellungen her. Es kommt darauf an, welchen „ b l i k " einer hat. 5 1 Der „blik" bestimmt, was einer als Beweismaterial, was einer als wahr und wirklich gelten läßt. Er ist 48
Hare beginnt seinen Diskussionsbeitrag (Antwort auf Flew): „I wish to make it clear that I shall not try to defend Christianity in particular, but religion in general — not because I do not believe in Christianity, but because you cannot understand what Christianity is, until you have understood what religion is" (R. M. Hare, Theology and Falsification, in: New Essays, S. 99). « R. M. Hare, a.a.O., S. 99f. so R . M . Hare, a.a.O., S. 100. SI Hare verknüpft mit seinem Gegengleichnis und seiner Auslegung der religiösen Erfahrung als „blik" an J. Wisdom an. Wisdom hatte in seiner Stellungnahme zum
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nicht unabhängig von der Erfahrung gewonnen. Wir unterscheiden zwischen dem Geisteskranken und dem Normalen nach ihrem angemessenen Umgang mit der Wirklichkeit. Er ist jedoch nicht direkt aus der Erfahrung ableitbar. Vielfach ist im Leben ein „blik" wirksam. Das beginnt schon damit, daß wir uns in ein Auto setzen, ohne zu wissen, wie ein Motor, wie Bremsen usw. genau funktionieren, und doch vertrauen wir auf seine Sicherheit. Wir haben gelernt, hier zu vertrauen. „Es war Hume, der uns lehrte, daß unser ganzer Umgang mit der Welt von unserem „blik" abhängt; die Unterschiede zwischen diesen „bliks" auf (über) die Welt können nicht durch die Beobachtung dessen, was in der Welt geschieht, beseitigt werden." 52 Hume hat uns am Beispiel der Kausalität gezeigt, daß das Vertrauen in sie aufgrund unserer empirischen Erfahrungen nicht völlig gerechtfertigt werden kann (vgl. unsere Feststellungen über die Verlaufsgesetze). Dennoch müssen wir, wenn wir uns überhaupt in unserer Lebenswelt zurechtfinden wollen, auf die Gültigkeit unserer Kausalerklärungen vertrauen, „bliks" sind notwendig, ohne sie ist „keine Erklärung möglich". 53 Es kommt alles darauf an, daß wir den richtigen, den angemessenen „blik" haben. Religion wird nun im Rahmen dieses Konzepts interpretiert. Religiöser „blik" ist ein „blik", in dem es um Grundentscheidungen des Menschen geht. Ein religiöser „blik" ist für jemanden das letze Kriterium, an dem sich für ihn entscheidet, wie seine Welt beschaffen ist. Es handelt sich um keine empirische Hypothese, die man zu Prognosen benützen könnte, es geht um grundlegende Denk- und Verhaltensweisen. Gott wird verstanden als Gegenstand der Verehrung und Anbetung. Mit solcher Verehrung sind bestimmte Erwartungen und Verhaltensweisen verbunden. Nachdem aber nun die direkte kausale Verknüpfung zwischen Gottes Handeln und dem Eintreten von Ereignissen (z. B. Regen, Dürre) aufgrund anderer Erklärungen des Geschehens in der Welt (Naturwissenschaften) zurückgedrängt wurde, bleibt als Funktion der Religion, daß sie eine Grundeinstellung darstellt, die ihren „theoretischen" Ausdruck im Reden von Gott und ihren „praktischen" Ausdruck in einer bestimmten Lebensweise findet. 5 4 Gärtnergleichnis hervorgehoben, daß ein Unterschied darin liegt, ob man den „Garten" durch die Hand eines Gärtners geordnet sieht oder nicht. Es liegt immer auch eine Entscheidung vor, eine Geisteshaltung, die in solcher Beurteilung sichtbar wird. Solche Entscheidungen bestimmen unseren Umgang mit der Wirklichkeit. (Vgl. unsere Darstellung der Position Wisdoms oben S. 119f. und J. A. Martin, Philosophische Sprachprüfung, S. 116ff.). S3 52 R. M. Hare, a.a.O., S. 101. R. M. Hare, a.a.O., S. 101. 54 „Now Christian believe that God created the world out of chaos, or out of nothing, in the sense of no thing. What I am now going to say I say very tentatively.
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W. Zuurdeeg greift diese Analyse auf und zeigt, daß es in religiösen Sprachspielen um grundlegende Überzeugungen geht, in denen unsere Einsichten in den „Sinn des Lebens" zum Ausdruck kommen. 5 5 Überzeugungen sind Ausdruck dafür, was für uns letztlich wahr ist. Sie leiten und bestimmen all unser Reden und Handeln und sind die Basis unserer Begründungen und Entscheidungen. Zur Überzeugung gehört etwas „Überzeugendes". Es muß ihm die Macht innewohnen, zu „überwältigen und einzuschüchtern". Diese Macht vermittelt sich im religiösen Sprachspiel durch die Zeugen. In ihrer Ergriffenheit von der Überzeugung teilt sich etwas mit von der Macht einer Überzeugung. Gerade die religiöse Sprache, in der es ja nicht um diese oder jene Überzeugung geht, sondern um unsere Grundüberzeugungen, ist gekennzeichnet durch ihren Überzeugungsheischenden Charakter. Sie ist einzigartig in der Tiefe ihres Ausdrucks. „Die theologische Sprache handelt vom totalen Engagement eines Menschen." 5 6 Als Ausdruck dieses Engagements wird sie mißreißend, verändert den anderen, hat performativen Charakter. Gerade die Tiefe des Ausdrucks religiöser Sprachspiele hat auch W. Kaufmann besonders hervorgehoben. Er geht davon aus, daß religiöse Äußerungen keinen kognitiven Gehalt haben. Gott ist kein „existierender Gegenstand", über den man wissenschaftlich reflektieren könnte. Die Größe des religiösen Sprachspiels liegt in seiner Ausdrucksform, in seiner Redeweise. Gerade die Bilder der Religion, ihre dichterische Sprache und die Form der personalen Anrede eines Gegenübers erlauben eine ungeheure Intensität des Ausdrucks. „Die Vorstellung von Göttern kommt dem Verlangen, das über die Dingwelt hinausstrebt, entgegen. Sie ermöglicht eine Sprache, in der sich übermenschliche Liebe und Dankbarkeit, Verzweiflung und Schmerz ausdrücken lassen. Ein volles Herz, so voll, wie es wohl keines irdischen Dinges wegen wäre, kann sich dem Göttlichen zuwenden und Leidenschaften aussprechen, die über menschliche Beziehungen hinauszugehen scheinen. Im Gebet läßt sich eine Intensität der Hingabe erreichen, die kaum je in einem Gespräch von Mensch zu Mensch möglich wäre. Die Einsamkeit hört auf, stumm zu sein, und gewinnt eine neue Dimension. Leidenschaftliche Gefühle, die der Mensch It is possible that this is our way of expressing the truth that without belief in a divine order — a belief expressed in other terms b y means of worshipping assent to principles for discriminating between fact and illusion — there could be n o belief in matters of facts or in real objects? Certainly it is salutary to recognize that even our belief in socalled hard facts rest in end on a faith, a commitment, which is not in or to facts, but in that without which there would not be any f a c t s " (R. M. Hare, Religion and Morals, S. 192). 55 W. Zuurdeeg, Analytical Philosophy, S. 56. 56 W. Zuurdeeg, a.a.O.; W. Hordern, Speaking of God, S. 69ff.
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im Gespräch mit anderen zurückhält, brechen hervor als Jubel, Dank, Klage und Anklage, die auf einmal Gehör finden. Was zuvor im Keim erstickt war und dahinwelkte, ehe es sich entfalten konnte, gelangt nunmehr zur Blüte." 57 Es kommt nicht darauf an, ob die Geschichten, die die Religion erzählt, wahr sind oder widerspruchsfrei. Solche Frage nach der Wahrheit und Widerspruchsfreiheit, um die sich die Dogmatiker allenthalben in den Religionen bemühen, vergegenständlicht das Göttliche und tötet darin gerade seine Eigenart. „Es ist die Erbsünde der Religion, das Göttliche zu vergegenständlichen und Dogmen, Sakramente und Riten für endgültig zu halten." 58 Den performativen Charakter des religiösen Sprachspiels hebt D. M. Evans besonders hervor. 59 Er unterscheidet innerhalb performativer Äußerungen in einer Modifikation von Austins Detailanalysen fünf Arten von performativen Äußerungen. In Sprachakten geht es, über die implizit und explizit performativen Akte des Drohens, Versprechens, Mahnens usw. hinaus, auch immer um Wertungen und die Herstellung von Beziehungen, das Hervorrufen von Reaktionen (perlokutionär). Es gibt performative Akte, in denen eine Bedeutung und Beziehung konstituiert wird (konstativ). Andere Akte sind Anordnungen und Befehle (kommissiv). Äußerungen können bestimmte Handlungsweisen, Handlungszüge in Bewegung setzen (exzitiv). Schließlich können Äußerungen bindende Beziehungen zum Ausdruck bringen (behabitativ) und Beziehungen anerkennen (verdiktiv). 60 In der religiösen Sprache spielt nun gerade das Moment der Beziehung eine besondere Rolle. In der Rede von Gott geht der Mensch bestimmte Beziehungen ein, erkennt sie an. Das Handeln wird begründet in Aussagen, in denen sich der Sprecher zu einer Lebensweise, zu einem Verhalten bekennt (Self-involvement). Es werden Gefühle zum Ausdruck gebracht und Einstellungen, die in solchen performativen Akten als verpflichtend für das eigene Handeln und Reden übernommen werden. Evans illustriert dies ausführlich am biblischen Schöpfungsbegriff. Israel ist durch Gottes Wort als Volk
57
W. Kaufmann, Religion und Philosophie, S. 469. W. Kaufmann, a.a.O., S. 472. 59 D. M. Evans, The Logic of Self-Involvement. 60 Wir halten die weite Verwendung des Ausdrucks „performativ" nicht für sinnvoll. Äußerungen bezeichnen in der Regel etwas, haben eine Bedeutung für Hörer und Sprecher. Selbst eine rein darstellende Aussage kann die unterschiedlichsten Wirkungen hervorrufen. Im weitesten Sinn sind also alle Aussagen performativ. Man sagt dann mit einem solchen Wort nicht mehr, als daß eben Äußerungen Äußerungen sind. Nach unserer Auffassung sollte man nur von performativen Äußerungen sprechen, wenn man auf einen illokutionären Akt abhebt. Die Einteilungen von Sprache kann man natürlich beliebig differenzieren. 58
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konstituiert und mit ihm einen Bund eingegangen, der beide Seiten in einzigartiger Weise verpflichtet und bindet. Die Schöpfung wird von diesem Bund her interpretiert. In der Schöpfung, die durch das göttliche Wort erfolgt, geht Gott einen Bund mit der Welt ein. Er verpflichtet sich gegenüber der Welt und verpflichtet die Geschöpfe auf sich. Im Bekenntnis zum Schöpfer wird diese Bindung an Gott ausgedrückt und anerkannt. Es impliziert eine Anschauung von Mensch und Wirklichkeit.61 Eine besondere Variante der Inanspruchnahme dieser Redeweise stellt die „Platzhalterworttheorie" von H. Fischer dar. 62 Er übernimmt die Kritik, daß es sich beim Reden von Gott, betrachtet man es als deskriptive Redeweise, um den Gebrauch von Leerformeln handelt. Es kommt nun alles darauf an, diese Leerformeln, die in den jeweiligen Kulturen und Religionen entstanden und Ausdruck eines Weltverständnisses mit hohem emotionalem Gehalt sind, als Leerformeln zu durchschauen. Denn wird diese Eigenart religiöser Ausdrücke nicht durchschaut, dann kann es sein, daß diese Formeln gerade in kritischen Situationen sich in der Tat als Leer formein erweisen, keine Orientierung zu bieten vermögen. „Mag man in soziologischer Betrachtung auch geneigt sein, der ,musica di vocabuli' eine emotional stabilisierende Funktion zuzuschreiben, so lassen die unreflektiert geduldeten oder gar ängstlich verteidigten Formeln den Menschen gerade in den Situationen, in denen sie ihre Stichhaltigkeit bewähren müßten, im Stich." 63 Darüber hinaus lassen sich diese Leerformeln mit unterschiedlichen Gehalten füllen und können so zum Zwecke von Manipulationen verwendet werden. „Mit der formal akzeptierten und wegen des Eindrucks der ewigen Wahrheit vertrauenerweckenden Leerformel lassen sich nicht nur vor aller Augen fremde Inhalte in das Bewußtsein des Menschen einschleusen, sondern können diese Inhalte auch mit dem Schein höchster Legitimität verankert werden." 6 4 Schließlich können Leerformeln zum Verwischen von bestehenden Gegensätzen, die ausgetragen werden sollten oder doch zumindest in ihrer Unvereinbarkeit erkannt werden sollten, beitragen. 65 Fischer verweist dazu als 61
Den Gesamtkomplex von performativen Äußerungen, die ein Individuum zum Ausdruck bringt und bekennt, nennt Evans eine „Anschauung". Vgl. J. A. Martin, Philosophische Sprachprüfung, S. 140. 62 H. Fischer, Glaubensaussage und Sprachstruktur, bes. S. 307ff. « H. Fischer, a.a.O., S. 307. « H. Fischer, a.a.O., S. 308. 65 „Es ist auch überall schnell Einigkeit darüber zu erzielen, daß der Christ zu tun habe, was ihm ,nach Gottes Willen aufgetragen' ist. Das ist aber eine Einigkeit in einer Sache, über die es gar keinen Dissens geben kann, weil diese Aussage ohne Inhalt ist. Wendet man sich konkreten Problemen, wie etwa der Rassenfrage oder der Kriegsdienstfrage zu, wird deutlich, daß die in Bekenntnissen und Erklärungen 207
Beispiel auf die Basisformel des oekumenischen Rats. Es wird eine einigende Formel gefunden. Es wird aber die Intension der auftretenden Worte nicht geklärt. So brechen, sobald man sich konkreten Fragen zuwendet, die Differenzen wieder auf. 6 6 Gegenüber diesen Leerformeln hebt Fischer solche Worte ab, die „bewußt formal und ohne konkreten Inhalt sein wollen, damit sie individuell gefüllt werden können." 6 7 Solche Worte und Ausdrücke sind keine Scheinaussagen und Leerformeln, sondern Platzhalter für Inhalte, die jeder in sie hineinlegen kann und die es in großer Variationsbreite gibt. Fischer nennt als Beispiele die Formulierungen im Gottesdienstgebet: unsere Nöte, Sorgen, Bedrängnisse, Leiden, Enttäuschungen, Ängste, usw. Er verweist auf Formulierungen aus Psalmen: „Sieh an meinen Jammer und mein Elend und vergib mir alle meine Sünden" oder „Sie haben meinen Schritten ein Netz gestellt". Solche Platzhalter haben die Funktion, auf bestimmte Problemfelder aufmerksam zu machen und dem einzelnen, der von persönlichen Problemen bedrängt wird, Impulse zu geben, um seine Situation zu verbalisieren und dadurch zu verarbeiten. Durch den Verzicht auf Leerformeln können unnötige Scheinprobleme vermieden werden und anstelle einer wortreichen, aber inhaltsleeren Rede von Gott tritt ein Reden, das den Wirklichkeitsbezug wiederherstellt. „Das bedeutet, daß in der Verkündigung allen Pseudo-Subjekten, Pseudo-Entitäten, Hypostasierungen und Leerformeln entschlossen der Abschied zu geben und der Versuch zu wagen ist, Gottes Wirklichkeit operational als einen Vorgang im Horizont menschlichen Lebens und möglichen Begreifens auszusagen." 6 8 Es kommt nach Fischer darauf an, „die Vorgänge und Lebensrealitäten zu nennen und zu ihnen hinzuführen, für die Worte wie ,Gott', .Gnade' und .Erlösung' stehen." 6 9 Eine dritte Auffassung ordnet das Reden von Gott vornehmlich der valuativen Redeweise zu, wobei hier, wie für alle unsere Unterscheidungen, gilt, daß es sich nicht um ausschließlich Zuordnung, sondern jeweils um besondere Akzentsetzungen handelt. R. Braithwaite stimmt Hare darin zu, daß es in der Religion um eine bestimmte Sehweise der festgestellte Einigkeit des Geistes nicht besteht, und die Gegensätze durch Prestigeformeln nur zugedeckt werden" (H. Fischer, a.a.O., S. 310/311). 66 Die Basisformel lautet: „Der ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und Heiligen Geistes." — Fischer hebt hervor, daß „Gott", „gemäß der Heiligen Schrift", „Heiland" usw. inhaltlich unbestimmt und darum in dieser Formel bedeutungsleer sind. «? H. Fischer, a.a.O., S. 311. « H. Fischer, a.a.O., S. 319. «« H. Fischer, a.a.O., S. 319.
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Wirklichkeit geht. Er kritisiert j e d o c h an Hares These die Allgemeinh e i t . 7 0 Religiöse Überzeugungen zielen nach seiner Auffassung besonders auf die ethische Einstellung. Religiöse Äußerungen werden gebraucht, um eine bestimmte ethische Einstellung kundzutun, eine Zustimmungserklärung abzugeben. Um diese Auffassung zu stützen, entwickelt er zunächst eine Theorie über die Eigenart „ethischer Aussagen". Eine ethische Aussage oder, wie man auch formulieren kann, „eine moralische Behauptung", ist keine verifizierbare Aussage, sondern sie wird verwendet, um eine Einstellung des Menschen auszudrücken. Im Urteil über ein Handeln werden einerseits Gefühle zum Ausdruck gebracht, andererseits aber auch die Absicht bekundet, so oder so zu handeln bzw. nicht zu handeln. Eine Auffassung der Urteile allein als Ausdruck eines Gefühls ist zu kurz. Die Bedeutung einer Aussage wird durch die Art und Weise ihres Gebrauchs ersichtlich und der „primäre Gebrauch einer moralischen Behauptung (besteht) darin, daß sie die Intention des Sprechers zum Ausdruck bringt, auf eine ganz bestimmte, in der Behauptung spezifierte Art und Weise zu handeln." 7 1 Religiöse Äußerungen haben hier eine zweifache Sonderstellung: 1. In religiösen Äußerungen treten j a nicht nur explizit formulierte ethische Normen auf, dann wäre sie der präskriptiven Redeweise zuzurechnen, sondern die moralischen Behauptungen finden in Aussagen über G o t t und in Geschichten von dem Handeln Gottes und der Menschen ihren Ausdruck. Man muß also die Wertungen und Handlungsabsichten, die mit dem Aufstellen solcher Behauptungen über G o t t und dem Erzählen solcher Geschichten (z. B. dem Erzählen des Geschicks J e s u ) verbunden sind, herausarbeiten. Die Bedeutung dieser religiösen Aussagen wird aus der Beobachtung der Lebensform gewonnen. „Die Methode zur Ermittlung der Intentionen, die eine Menge religiöser Behauptungen in sich vereinigt und folglich der Bedeutung dieser Behauptungen, besteht im Auffinden der Verhaltensprinzipien, die ein Sprecher in diesen Behauptungen impliziert sieht. Diese können sowohl durch Befragung des Sprechers als auch durch Beobachtung seines Verhaltens festgestellt werden, wobei sich die beiden Tests gegenseitig ergänzen." 7 2 2. In den religiösen Aussagen geht es nicht um einzelne Handlungsanweisungen oder Normen, sondern Religion als Lebensform impliziert 7 0 R. Braithwaite, An Empiristic's View of the Nature o f Religious Belief (deutsch: I. U. Dalferth, Sprachlogik des Glaubens, S. 1 6 7 - 1 8 9 ) . 71 R. Braithwaite, a.a.O. (zitiert nach der Übersetzung bei I. U. Dalferth, a.a.O., S. 174). 72 R. Braithwaite, a.a.O. (zitiert nach der Übersetzung bei I. U. Dalferth, a.a.O., S. 178).
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Track, Untersuchungen
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grundlegende Einstellungen. Es geht um grundlegende Urteile über das, was gut ist und notwendig zu tun ist. Es geht um grundsätzliche Überzeugungen und nicht allein um bloße Forderungen, die etwas gebieten. Zu solchem grundsätzlichen Überzeugtsein gehört nicht nur äußeres Befolgen von Regeln, sondern auch die innere Bereitschaft zu solchem moralischen Handeln. Es geht auch um ein „inneres Verhalten". Das Engagement im Handeln ist mit einer ethischen Grundeinstellung verbunden und in ihr gegründet. Die einzelnen Religionen unterscheiden sich nun untereinander durch die Geschichten, die sie erzählen, und die Geschichte der jeweiligen Lebensformen, die sich aus einer bestimmten Weise des Redens von Gott ergeben hat. 7 3 Diese Geschichten, die die Religionen erzählen, brauchen nicht als Geschichten über empirisch zugängliche Geschehnisse angesehen werden. „Der Bezug auf die Geschichte ist keine Behauptung der Geschichte im Sinne einer empirischen Tatsache: er ist ein Erzählen der Geschichte oder ein Anspielen auf die Geschichte, so wie man die Geschichte eines Romans, den man gut kennt, erzählen oder auf sie anspielen kann." 7 4 Daß ethische Aussagen an solchen Geschichten orientiert sind, kann sich für den einzelnen als Hilfe erweisen, indem sie ihm Raum für die Interpretation einer Lebensform eröffnen. Er kann diese Geschichten zu seiner eigenen Geschichte in Beziehung setzen und durch Interpretation der Geschichten von seinem Erfahrungshorizont her einen Zugang finden. Dies ist eine leichtere Weise des Zugangs, als wenn uns bloße moralische Forderungen gegenüberstehen würden. Gerade diese letzten Ausführungen, die bei Braithwaite mehr angedeutet als ausgeführt sind, weisen uns auf die Interpretation der religiösen Sprache hin, die wir nun abschließend behandeln wollen: das Reden von Gott als ideative Redeweise zu verstehen. Solche Interpretation ist nicht neu. Das eindrücklichste Zeugnis einer solchen Intepretation findet sich schon bei Feuerbach. 7 5 „Im Verhältnis zu den sinnlichen Gegenständen ist das Bewußtsein des Gegenstandes wohl unterscheidbar vom Selbstbewußtsein; aber bei dem religiösen Gegenstand fällt das 73 „Ein moralischer Glaube ist eine Intention, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten: ein religiöser Glaube ist eine Intention, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten (moralischer Glaube), zusammen mit der Vergegenwärtigung bestimmter Geschichten, die mit der Intention im Geist des Gläubigen verknüpft sind." (R. Braithwaite, a.a.O.; zitiert nach der Übersetzung bei I. U. Dalferth, a.a.O., S. 187). 74 R. Braithwaite, a.a.O. (zitiert nach der Übersetzung bei I. U. Dalferth, a.a.O., S. 182). 75 Zu früheren Auffassungen der Religion als „ideativer Redeweise" vgl. W. Trillhaas, NZSTh 2, 1960, S. 2 4 8 - 2 6 1 , und H.-M. Barth, Atheismus und Orthodoxie.
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Bewußtsein mit dem Selbstbewußtsein unmittelbar zusammen . . . Und hier gilt ohne alle Einschränkung der Satz: der Gegenstand des Menschen ist nichts Anderes als sein gegenständliches Wesen selbst . . . Das Bewußtsein Gottes ist das Selbstbewußtsein des Menschen, die Erkenntnis Gottes die Selbsterkenntnis des Menschen . . . Gott ist das offenbare Innere, das ausgesprochene Selbst des Menschen; die Religion die feierliche Enthüllung der verborgenen Schätze des Menschen, das Eingeständnis seiner innersten Gedanken, das öffentliche Bekenntnis seiner Liebesgeheimnisse." 76 In der Diskussion mit der Analytischen Philosophie ist es T. Blackstone, der religiöses Reden als ideatives Reden hervorhebt. 7 7 Religiöse Äußerungen haben keine kognitive Bedeutung. Beim Wort genommen beziehen sie sich nicht auf nachprüfbare Tatsachen. Aber Religion hat ihre Funktion darin, daß sie auf Ideale ausgerichtet ist, Ideale herausarbeitet und die Gültigkeit bestimmter Ideale behauptet. Mit solchem Streben nach Idealen und der Behauptung ihrer Gültigkeit ist jedoch nicht ihre Existenz gegeben. Wir erkennen nicht einen existierenden Gott, wir sehen aber in den Bestimmungen Gottes ein Idealbild. Die Meinungen über die Funktionen solcher ideativen Redeweise von Gott oder Göttern sind bekanntlich sehr geteilt. Feuerbach wirft dieser Weise ideativer Rede vor, daß sie das „Wirkliche zum Unwirklichen" und das „Unwirkliche zum Wirklichen" mache. In der Formulierung der Wünsche, in Erwartungen, die den Menschen über bisherige positive und negative Erfahrungen hinaustragen, zeigt sich die schöpferische Phantasie des Menschen. Solche Formulierung ermöglicht ihm neue Ziele, schafft Mut und Vertrauen, auf die Zukunft zuzugehen und eine bessere Welt zu gestalten. Aber durch die Projektion in eine transzendente Wirklichkeit wird dieser Aufbruch in die falsche Richtung geleitet und verliert seine Stoßkraft. Die Religion wird zum Alibi, die Konflikte in bloße transzendente Wunschbilder zu verlagern. 78 Der Mensch entflieht nur aus seinen Konflikten in eine transzendente Welt. Solches Reden von Gott lähmt ihn letztendlich in seinem schöpferischen Gestalten der Welt. Von hier aus ist nicht mehr weit zu Marxens These über die Religion. Religion als Ausdruck des Elends, als Seufzer und Protest der bedrängten Kreatur. Religion als der Trost der Ohnmächtigen. 79 Verschärft wird dies bei Lenin, 76
L. Feuerbach, Das Wesen des Christentums, S. 50f. T. Blackstone, The Problems 78 L. Feuerbach, a.a.O., S. 324f. 79 „Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser 77
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wo Religion zum Instrument der Mächtigen wird, zum Opium fürs Volk. 8 0 Auf der anderen Seite findet sich Bejahung gerade dieser Redeweise, dieser Art ideativer Rede. Das Reden von Gott wird als der Stachel angesehen, der den Menschen nicht zur Ruhe kommen läßt. Der Mensch auch in all seinen Wunschbildern wird immer wieder in Frage gestellt. „Das utopisch statuierte Ende der Geschichte in jenen Formeln der Harmonie der Menschheit und der Natur wird von der christlichen Eschatologie überholt und in ihrer Vorläufigkeit und Relativität aufgedeckt. Wenn diese Utopien aber überholbar werden, so werden sie variabel und praktikabel für die Phantasie der Liebe, die schöpferisch darauf aus ist, wie es besser gehen könnte. Die christliche Zuversicht muß die Kraft finden zu einem Bildersturm der utopischen Hoffnungsbilder, und zwar nicht aus Resignation, sondern um des wahren Elends der Welt und der Zukunft Gottes willen . . . Damit wird die eschatologische Hoffnung zur geschichtlichen Triebkraft für schöpferische Utopien der Liebe zum leidenden Menschen und seiner ungelungenen Welt der unbekannten, doch verheißenen Zukunft Gottes entgegen." 81 Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusion über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist" (K. Marx, Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie, Einleitung, MEGA 1,1, S. 607). 80 Vgl. Peter Ehlen, Der Atheismus im dialektischen Materialismus, S. 204ff. 81 J . Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 334. Wir wollen hier Moltmann nicht unterstellen, daß für ihn das religiöse Reden zur Klasse der ideativen Redeweise gehöre. Von solcher Behauptung unterscheidet ihn seine (manchmal recht unkritisch scheinende) Rede von einem transzendenten Gegenüber und seine Erwartung der A n k u n f t des Reiches Gottes. Moltmann bedient sich jedoch an obiger Stelle und auch sonst in seiner Theologie der Hoffnung bevorzugt einer Bildersprache, die als ideativ bezeichnet werden kann. Mit solchen Bildern der Hoffnung legt er Gott aus und transzendiert die Bilder zugleich durch ihre Anwendung auf Gott. Der eigentliche Kern der Auseinandersetzung zwischen Christen und Marxisten scheint mir gerade an diesem Punkt des christlichen Glaubens, der Auslegung Gottes als transzendentem Gegenüber und den damit verbundenen Aussagen vom Wirken Gottes zu liegen. Das Handeln Gottes, sein Gnadenhandeln ist umstritten. Wie sich das Christentum auf die marxistischen Forderungen der Beachtung der sozialen Dimension menschlicher Existenz und der Notwendigkeit konkreter Weltgestaltung eingelassen hat, so hat sich der Marxismus umgekehrt auch christlichen Einsichten in die Grundsituation des Menschen als Angewiesener, als Scheiternder, als transzendierendes Wesen geöffnet. Die Wege trennen sich jedoch dort, wo als Ziel der Hoffnung ein eschatologisches Reich Gottes und als Grund der Hoffnung Gottes Handeln am Menschen (sola gratia) angesehen wird. In welcher Weise auch immer marxistische Bilder der Vollkommenheit (z. B. bei Bloch) ideativ überhöht sein mögen, man erwartet die Herbeiführung solcher Ziele durch den Menschen für den Menschen. (Vgl. J . M. Lochman, EvK 5, 1972, S. 1 3 6 - 1 4 1 ) .
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Eine Variante der Auffassung religiösen Redens als einer ideativen Redeweise stellt die Konzeption von H. M. Barth dar, der im bewußten Rückgriff auf Feuerbach Glaube als Projektion versteht. 8 2 „Glaube vollzieht sich im menschlichen Bewußtsein, ohne in der vorfindlichen Wirklichkeit eine bewußtseinstranszendente Entsprechung haben zu müssen." 8 3 Barth nimmt die Kritik an mangelnden Möglichkeiten empirischer Verifikation und Falsifikation eines theistischen Redens von Gott auf. Er will die Situation des Verlustes der Transzendenz annehmen, ja er sieht in dieser Situation geradezu eine Chance, den Glauben von falschen Bildern zu befreien. 8 4 Es geht darum, die Fähigkeit des Menschen, seine Situation zu transzendieren, nicht zu einem Fluchtmanöver in eine jenseitige Welt, zu einem magischen Verhältnis zu einem transzendenten Gegenüber werden zu lassen, sondern sie als Möglichkeit anzusehen, „Vorfindliches in der Vorstellung zu überhöhen und zu entschränken . . . und dadurch auch wiederum Vorfindliches zu verändern." 8 5 Christlicher Glaube ist auf Jesus bezogen, der zum Gegenstand von Projektionen wird. In der Predigt der Gemeinde, die sich auf Jesus beruft, entsteht der Glaube an Christus. Von der Projektion Jesu zum Christus her deutet und bewältigt der Glaube Wirklichkeit. Er verändert Wirklichkeit in Übernahme dieser Projektion. 8 6 b)
Stellungnahme
Der erste Eindruck, den diese Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen der Funktion religiöser Sprachspiele hinterläßt, ist der Eindruck, daß jede dieser Theorien ein Stück weit die Eigenart und auch die Problematik religiöser Sprachspiele herausstellt. J e auf ihre Weise gelingt es diesen Theorien, die Funktion religiösen Redens zu erhellen. Die Betrachtung des reli«2 Vgl. H.-M. Barth, NZSTh 12, 1970, S. 3 6 3 - 3 8 2 ; Theorie des Redens von Gott. 83 So Barth in Darstellung einer These Feuerbachs, die er übernimmt; Glaube als Projektion, S. 369. 84 Der Theismus gehört nach Barths Auffassung nicht notwendig zum Christentum, ist vielmehr eine geschichtliche Auslegungsform. Gerade diese Bindung an eine Auslegungsform gilt es zu überwinden, um heute zu einem angemessenen Verständnis Gottes zu kommen. Gott könnte dann „metatheistisch" verstanden werden als Projektion, die sich aus der Erfahrung der Unverfügbarkeit des Glaubenkönnens und aus der Erfahrung der neuen Wirklichkeit im Glauben an Jesus ergibt. Gott wäre der Name für diese Projektion. 85 H.-M. Barth, a.a.O., S. 381. 86 Durch ein phänomenologisches Verständnis von Glaube als Projektion, das den Glauben nicht in die Ecke von „Illusion" und „Fiktion" stellen darf, sondern auf das Phänomen des Transzendierens abhebt (= ideative Redweise), ohne mit den Schwierigkeiten des Theismus belastet zu sein, soll gerade die Entscheidung für bestimmte inhaltliche Projektionen frei werden.
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giösen Sprachspiels unter pragmatischem Aspekt erweist sich als wesentlich fruchtbarer. Wir haben schon im vorigen Abschnitt herausgestellt, daß, gemessen am Sinnkriterium des logischen Empirismus, in der Tat sich Reden von Gott als inhaltsleer erweisen kann. Insoweit ist die Rede von Leerformeln berechtigt, auch wenn sie sprachkritisch ungenau ist. Es handelt sich nicht schlechterdings um Leerformeln oder um Leerprädikatoren. Es wird hier nicht nur eine Stelle freigelassen, in die jeder Beliebiges einsetzen kann, sondern es ist die formale Relation immer auch schon mit ausgesagt (Abhängigkeitsrelation, Kausalrelation usw.). Es läßt sich auch nicht bestreiten, daß christliches Reden von Gott teilweise die Funktion primitiver Wissenschaft erfüllt hat. Wie zurückhaltend und reflektiert sich auch die Verfasser der Schöpfungsgeschichten gegenüber Vorstellungen und mythischem Sprachmaterial der religiösen Umwelt verhalten, sie schaffen in ihren Schöpfungsberichten eine Verbindung von wissenschaftlicher und religiöser Welterklärung, die wir so — gerade wegen des „wissenschaftlichen" Teils — nicht mehr nachvollziehen können. Doch bevor man hier das Kind mit dem Bade ausschüttet — und darin ist Topitsch nicht nur auf diesem Gebiet ein Meister —, wird man sorgfältiger analysieren müssen. Religiöse Hypothesen, so zeigt doch der Schöpfungsbericht ganz deutlich, sind mehr als bloß primitive Wissenschaft. Sie sind nicht allein Erklärung, die im Fortgang der Wissenschaft durch bewährtere Theorien ersetzt werden kann und muß, sie umfassen, wie Evans deutlich gemacht hat, Wertungen des Ganzen der Wirklichkeit, sind Ausdruck eines Verhältnisses zur Wirklichkeit. 8 7 Religiöse Hypothesen, dies zeigt uns Hare, haben den Status umfassender Theorien, die Erfahrung erst ermöglichen. 8 8 Es kann also nicht darum gehen, solche „ L e e r f o r m e l n " ersatzlos zu streichen. Was heißt hier „Leerformeln", wenn es um grundlegende Orientierungen geht? Gegenüber solch groben Einschätzungen muß nun wirklich das „Auch-Du-Argum e n t " ins Spiel gebracht werden, mit dem man dem anderen bei seinen eigenen Grundentscheidungen, bei seinem „ b l i k " , der Erfahrung ermöglicht und Gegebenes und Erlebtes interpretiert, behaftet. 8 9 Das ist noch keine Rechtfertigung für das Reden von Gott und die damit verbundenen 8 7 Vgl. a. J . M. Bochenski, Logik der Religion, S. 127. Religiöse Hypothesen beruhen nach Bochenski auf der gesamten Erfahrung und schließen ästhetische und moralische Wertungen ein. 8 8 W. Pannenberg hebt diesen Status religiöser Hypothesen hervor; vgl. Wissenschaftstheorie und Theologie, S. 344. 8 9 Vgl. W. Barthley, Flucht ins Engagement, S. 9 7 f f . Barthley wendet dieses Argument aber kritisch einer apologetischen Theologie gegenüber an, die den anderen bei seinen Vorentscheidungen behaftet, jedoch nicht mehr über die Vorentscheidungen selbst diskutieren will.
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Wertungen und Lebensweisen. Hierüber wird noch zu reden sein, wenn nicht nur formal über die Eigenart des religiösen Sprachspiels, sondern inhaltlich geredet wird. Sprachkritik kann jedoch hier zusammen mit Erkenntniskritik deutlich machen, daß nicht allein schon die Form hinreichender Grund einer Ablehnung sein kann. Auch die Theorie von Fischer bringt in zweifacher Hinsicht zutreffend die Eigenart religiöser Sprachspiele zum Ausdruck. Religiöse Sprache stellt Sprachformen und Sprachmaterial bereit, das es dem einzelnen ermöglicht, seine Probleme und seine Situation zu formulieren. Sprachliche Unterscheidungen werden angeboten, die dem Individuum erlauben, sich seiner Situation bewußt zu werden und sie zu verbalisieren, als erster Schritt zur Bewältigung. Religiöse Sprache läßt hier Raum für das individuelle Geschick und bettet es doch in die Erfahrungen der Gemeinschaft ein. Sicher ist dort, wo religiöse Ausdrücke wie Gott, Gnade und Vergebung nicht mehr als Hilfe zur Verbalisierung der menschlichen Grundsituation allgemein menschlicher und persönlicher Erfahrungen "sich anbieten, ein Wirklichkeitsverlust religiösen Sprechens eingetreten, der diese Worte zu leeren Hülsen macht, die auch dann nicht gefüllter werden, wenn man pathetisch und wortreich über sie spricht. Nicht das Reden über das Reden von Gott, nicht feine Unterscheidungen von Gott und Welt, sondern allein der Gebrauch des Wortes in konkretem Bezug auf unsere Situation, der Gebrauch zur Auslegung unserer Situation hier und heute, machen das Wort Gott zu einem bedeutsamen Wort. Bevor man sich jedoch auf die Theorie der Leerformeln einläßt, muß ein Zweifaches geprüft werden. Was unterscheidet religiöse Formeln von Formeln wie „unsere Nöte", „unsere Ängste", „unser Leid"? Beachtet Fischer hier die ideative Funktion nicht zu wenig? Es muß erst geklärt werden, welche Implikationen die Rede zu einem transzendenten Gegenüber hat, bevor man hier zu einem Urteil kommt, ö f f n e t die Rede von Gott nicht gerade eine Dimension, zu der unser Sprechen sonst nicht findet? Es sei an die Ausführungen Kaufmanns über die Intensität dieser Redeweise erinnert. Gibt es nicht Grundworte, die zum Kristallisationspunkt von Erfahrungen werden, nicht bloß diese Erfahrungen widerspiegelnd, sondern sie zugleich transzendierend? In Paul Tillichs Reden vom Symbol „ G o t t " ist dies ein Element des Symbolbegriffs. Grunderfahrungen, die den Menschen unbedingt betreffen, Grundeinstellungen verbinden sich mit Grundworten. Wo solche Grundworte gebraucht werden, werden diese Erfahrungen der eigenen Geschichte und der Gemeinschaft jeweils erinnert, bewußt gemacht und in ihrem Charakter als uns bestimmende Erfahrungen verdeutlicht. Sie stellen uns in den Zusammenhang unserer eigenen Geschichte und eröffnen als ideative Ausdrücke über konkrete Situationen hinaus Interpretationsmöglichkeiten. Solche Thesen müssen zumindest erst sorgfältig ge215
prüft werden, bevor man zur Urteilsbildung über das Reden von Gott kommt. Damit kommen wir zum zweiten Einwand gegen Fischer. Niemand will bestreiten, daß das Reden von Gott gegenwärtig von einem Wirklichkeitsverlust bedroht ist. Bevor jedoch das Reden von einem transzendenten Gegenüber samt vergangenen Weltbildern als theistisch zum alten Eisen geworfen wird, bedürfte es erst einer Analyse, warum solcher Bedeutungsverlust eingetreten ist. Liegt es daran, daß niemand mehr jene Denkbewegung nachzuvollziehen vermag, weil bewährtere Erklärungen von Natur und Geschichte sie heute ersetzen? Konkurriert das Reden von Gott mit diesen Erklärungen, und wenn ja, wo? Liegt es an bestimmtem Verständnis oder Mißverständnis der Rede von transzendentem Gegenüber, daß diese nicht mehr zum „Bereich des immanent Diskutablen" gehört? Liegt es daran, daß ein verstehbar einführbares Wort „ G o t t " heute nicht mehr in Lehr- und Lernsituationen eingeführt wird? Die faktische Situation des „Totalverlustes der Transzendenz" will erst analysiert sein, bevor Schlüsse gezogen werden. 9 0 Wer darauf abhebt, daß das Wort Gott benutzt wird, um unbegründete Normen zu autorisieren, sie nicht in Frage stellen zu lassen, wird sich seinerseits nach der Begründung seiner Normen befragen lassen müssen. Daß Grundnormen nicht mehr begründbar sind, wird auf allen Seiten zugegeben. „Denn da das Moralprinzip zusammen mit dem Vernunftprinzip überhaupt erst festlegt, wie allgemeine Sätze für eine Begründung von Handlungen, Zwecken und Normen benutzt werden sollen, stehen nicht schon vor Aufstellung dieser Prinzipien allgemeine Sätze zur Verfügung, auf die wir uns dann — auf vierter Stufe gründend — in bestimmter, d. h. geregelter, Weise beziehen könnten. Jemanden zur Befolgung des Ver90
Es geht uns hier nicht darum, eine Auslegung des christlichen Redens von Gott als ideative Redeweise von vorneherein als „unsachgemäß" abzuweisen. Bevor jedoch Thesen über das „immanent Diskutable" und „unser Weltverständnis" einerseits und über den Theismus andererseits aufgestellt werden, bedarf es erst sorgfältiger Prüfung. Es muß geklärt werden, ob der Bedeutungsverlust des Redens von Gott notwendige Folge eines „säkularen Bewußtseins" ist, ob das Ausgehen von dem „immanent Diskutablen" ein sinnvolles Kriterium ist. Liegt der Bedeutungsverlust an einem nicht mehr zu hinterfragenden (und warum nicht?) Selbstverständnis des heutigen Menschen oder liegt er daran, daß faktisch eine Verkündigungs- und Glaubenspraxis die Einführung des Wortes Gott verhindert? Was meint Theismus? Daß christliches Reden von Gott auch dort, wo es von einem transzendenten Gegenüber redet, nicht schlicht Theismus im philosophischen Sinn sein kann, da das Kreuz alle solche Vorstellungen durchkreuzt, dürfte sich ja herumgesprochen haben. Es muß zuerst genau geklärt werden, ob die Rede vom transzendenten Gegenüber eine dem christlichen Reden von Gott wesensgemäße oder nur zufällig geschichtlich anhaftende Form ist. Erst wenn hier Gründe aufgezeigt werden, die man beurteilen kann, wird aus solcher Konzeption mehr als nur ein Hinweis.
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nunftprinzips wie des Moralprinzips zu bewegen, können wir nur dadurch versuchen, daß wir eben mit ihm diese Prinzipien gemeinsam zu befolgen versuchen." 9 1 Nicht also durch den Gebrauch des Wortes Gott wird hier anstelle von Begründung willkürliche Entscheidung gestellt. In allen Fällen handelt es sich um vorhergehende Grundentscheidung. Die Besonderheit einer Begründung von Ethik durch das Reden von Gott ist nicht hier, sondern auf anderer Ebene zu suchen. Sprachkritik wird hier prüfen müssen, inwieweit das Reden von Gott als dem Herren, dem wir Gehorsam schuldig sind, anstelle der Rede von einer Grundentscheidung oder verbunden mit der Rede von Grundentscheidungen eine andere Verhaltensweise (bei gleichen Grundnormen) impliziert. Es muß erst geklärt werden, welche Funktion das Reden von Gott als Motivation zur Annahme der Grundnormen in sich birgt. Dann kann über die besondere Eigenart religiöser Ethik entschieden werden. Hinsichtlich der Frage aber, ob das Reden von Gott vertröstet oder gerade zum Kampf gegen Ungerechtigkeit und Leid und für eine bessere Welt befähigt, lassen sich für beide Thesen gute Gründe und geschichtliche Beispiele anführen. Hier ist auf sprachkritischer Ebene keine Entscheidung möglich. Fassen wir unsere Anfragen systematisierend zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: 1. Alle diese Theorien können als Teilerklärungen der Funktionen religiöser Sprachspiele angesehen werden. Sie zeigen in mehr oder weniger gelungener Weise den Ort und die Wirkungen religiöser Rede auf. 2. Grundlegendes Verdienst dieser Theorien ist der Aufweis, daß es in religiösen Sprachspielen nicht um die Behauptung einzelner empirischer Sachverhalte, sondern um eine grundlegende Perspektive auf die Wirklichkeit und um grundlegende ethische Einstellungen geht, die nicht unabhängig von persönlicher Einstellung (verpflichtender Charakter) zum Ausdruck gebracht werden können. Es geht um unsere Grunderfahrungen, Grundentscheidungen und Grundeinsichten. Anders formuliert: Im religiösen Sprachspiel drückt sich eine Daseins- und Handlungsorientierung aus. 3. Auch wenn sich eine Analyse unter dem Aspekt „Pseudokennzeichnung' und „nichtdescriptive Redeweise" als fruchtbarer erweist als eine Analyse, die religiöses Reden mit der Elle eines empiristischen Sinnkriteriums mißt, bleibt doch problematisch, daß man sich auf dieses Sinnkriterium unkritisch einläßt (vgl. unsere kritischen Anfragen an 91
P. Lorenzen-O. Schwemmer, S. 120/121. 217
dieses Kriterium im vorigen Abschnitt). Es befriedigt nicht, wenn aufgezeigt wird: das religiöse Sprachspiel ist Ausdruck einer Lebensform. Im religiösen Sprachspiel werden grundlegende Erfahrungen und Einsichten zum Ausdruck gebracht, das religiöse Sprachspiel hat diese und jene Wirkungen. Ist es damit schon, um mit Wittgenstein zu fragen, ein klares Sprachspiel? Ist die Bedeutung geklärt durch den Verweis auf die Wirkungen? Zu allgemein wird hier der „Gebrauch" beschrieben. Indem man den kognitiven Charakter religiöser Äußerungen preisgibt, entzieht man sich dem Bemühen um eine Lehr- und Lernsituation, in der solche Worte wie Gott und Vergebung verständlich eingeführt werden. Indem man den kognitiven Charakter preisgibt, begibt man sich auch jeglicher Nachprüfungsmöglichkeiten für die Bewährung religiöser Aussagen. 4. Es genügt nicht, zu zeigen, daß es im religiösen Sprachspiel um eine Daseins- und Handlungsorientierung geht, daß hier emotive, performative, valuative und ideative Redeweisen vorherrschen. Es bedarf der Reflexion der besonderen Form des religiösen Redens. Daseins- und Handlungsorientierungen können ohne den Gebrauch des Wortes Gott formuliert werden. Performativ, ideativ usw. kann man reden, ohne das Wort Gott zu verwenden. Weder die Theorien, die die Verwendung des Wortes Gott positiv beurteilen, noch die, die negative Auswirkungen befürchten und das Wort Gott aus unserem Sprachgebrauch entfernen möchten, bieten eine hinreichende Analyse dieser besonderen Form. Hier rächt sich das unkritische Einlassen auf das Sinnkriterium des logischen Empirismus. Man übernimmt als selbstverständlich, daß man nicht mehr „theistisch" reden kann, ohne sorgfältig Eigenart und Funktion solcher Rede zu untersuchen. Die Hinweise auf die besondere Funktion der Rede von Gott bei einer Daseins- und Handlungsorientierung in solchen Redeweisen sind dürftig. Wo man positiv Stellung nimmt, kommt man nicht über das „Auch-duArgument" hinaus. Dieses Argument ist zwar hilfreich, um billige Vorurteile über das religiöse Sprachspiel abzuwehren, aber es reicht nicht hin, um die Eigenart der Rede von Gott zu erklären. Daß das Wort Gott mit einem „blik" zu tun hat, daß ethische Einstellungen mit dem Wort Gott zu tun haben, sagt uns doch nichts, ob diese Einstellungen als Ausdruck religiösen Lebens besonders qualifiziert sind. Kann man, nachdem man die religiöse Sprache in ihrer Bedeutung interpretiert hat, nicht schlicht die besondere Form des Religiösen, d. h. des Bezugs auf Gott weglassen? Ist die Interpretation nicht klarer als die fiktive Redeweise? Nur Ansätze von Argumenten sind hier zu erkennen: Intensität des Ausdrucks, psychologische Hilfestellung der Geschichten. Und umgekehrt machen es sich die kritischen Thesen: Autoritätsbindung, Nichtrevidierbarkeit, Leerformel, zu leicht. 218
5. Auffällig ist vor allem in der englischen Diskussion die formale Betrachtungsweise. Damit, daß geklärt ist, daß es in den Religionen um eine Daseins- und Handlungsorientierung geht und bestimmte Redeweisen vorherrschen, ist nur ein erster Schritt getan. Es gilt zu klären, um welche Daseins- und Handlungsorientierung es sich handelt. Dann kann und muß in eine Diskussion dieser bestimmten Daseins- und Handlungsorientierung eingetreten werden. Welche Gründe, welche Erfahrungen und welche Entscheidungen bestimmen uns, so zu reden und zu handeln?
4. Das Wort Gott als synkategorematischer a)
Ausdruck
Erläuterung
Synkategorematische Ausdrücke, so hatten wir eingeführt, sind Ausdrücke, die nur in einem komplexen Wortverband sinnvoll gebraucht werden können. Sie erhalten erst in der Zuordnung zu anderen Wörtern ihre bestimmte Bedeutung. Wir haben dazu als Beispiel auf Heideggers Ausdruck „in der Welt sein" hingewiesen, dessen Verständlichkeit nicht durch isolierte Einführung in den Gebrauch von „in", „der", „Welt", „sein" gesichert werden kann, sondern der ganze Ausdruck stellt eine „Wendung" dar, die im Kontext in ihrer Bedeutung näher bestimmt wird. 9 2 Um einen solchen Ausdruck handelt es sich nach der folgenden Theorie auch beim Wort Gott. Explizit hat diese Theorie F. Kambartel formuliert, implizit bestimmt sie schon immer — meist als Teileinführung — das christliche Reden von G o t t . 9 3 Beim Wort Gott handelt es sich nach dieser Auffassung um ein Wort, das erst aus dem Kontext in seiner Bedeutung erkannt wird. In anderer Formulierung könnte man auch von einem „Synsemantikon" sprechen, das im Gegensatz zu einem „Autosemantikon" erst seine Bedeutung erhält durch die Redewendung, in der es gebraucht wird. 9 4 F. Kambartel geht davon aus, daß gerade ein christliches Reden von Gott von einem Gebrauch des Wortes Gott als Eigenname oder Prädikator Abstand nehmen muß. Solches Verständnis des Wortes Gott, das ein Verständnis Gottes oder von Göttern als transzendente, überirdische Mächte einschließt, ist heidnisch. 9S Kambartel schließt sich hier der Kri92
Vgl. unsere Einführung des Terminus „Synkategorematischer Ausdruck", oben S. 159f. » F. Kambartel, ZEE 15, 1971, S. 3 2 - 3 5 . 94 Vgl. den Hinweis P. Lorenzens, der von G. Ebeling aufgenommen wurde (G. Ebeling, Gott und Wort, jetzt in: Wort und Glaube II, S. 416). « F. Kambartel, a.a.O., S. 32.
219
tik der Analytischen Philosophie an, daß es sich bei solcher Redeweise um Fingierungen (Pseudokennzeichnungen) handelt, die Ausdruck menschlicher Projektionen sind und keine Wirklichkeit für sich in Anspruch nehmen können. Sie sind für uns mit dem Weltbild der Antike vergangen. Soll das christliche Reden von Gott nicht als heidnisch verstanden werden, dann gilt es, einen Weg zu finden, dieses Wort weder als Eigennamen noch als Prädikator einzuführen. Kambartel zeigt diesen Weg, indem er Formulierungen wie „Leben in G o t t " oder „Leben in der Liebe" als prädikative Ausdrücke auffaßt, als Prädikatoren, die bestimmter Lebensweise, bestimmtem Verhalten zugeordnet werden können. Das Wort Gott ist als synkategorematischer Ausdruck zu verstehen, durch den in dieser Wendung „Leben in G o t t " das „Leben" in bestimmter Weise qualifiziert wird. Es geht nicht um Leben schlechthin, sondern um eine bestimmte Art des Lebens. „,Leben in Gott' eine Verwendung als Prädikator zu geben, heißt zu bestimmen, wann für ein Leben (bzw. einen Lebensabschnitt als zeitlich begrenzten Handlungszusammenhang einer Person) x der Satz ,x e Leben in Gott' gelten soll." 9 6 Solches „Leben in G o t t " bestimmt Kambartel näher von der Grundnorm, die die konstruktivistische Position bestimmt (dem Prinzip der Transsubjektivität) und den damit verbundenen Erfahrungen, Haltungen und Hoffnungen. Die Grundnorm der Transsubjektivität weist eine enge Verwandtschaft zum Liebesgebot auf, da sie Beratungssituationen fordert, an denen alle gleichberechtigt teilnehmen können und in denen Ziele, Zwecke und Normen vereinbart werden, die die Interessen und Bedürfnisse aller berücksichtigen. Hat man sich auf solche Grundnorm eingelassen, so erkennt man, daß das Gelingen solcher Beratung, das vernünftige Handeln, in der Regel der Mitwirkung anderer bedarf. Solche Mitwirkung ist aber weder durch Handeln noch durch Argumentieren erzwingbar (vgl. unsere Ausführungen zur Frage der „Begründbarkeit" von Grundnormen). Als Weg bietet sich allein an, daß man mit solchem vernünftigen Handeln beginnt, in der Hoffnung, daß andere sich auf diesen Weg mit einlassen. „Das vernünftige Leben läßt sich daher in der Regel nicht ohne Vorleistungen (Opfer) realisieren. Dabei sei von vornherein nur an .sinnvolle' Opfer gedacht, an Vorleistungen heißt das, bei denen nicht von vornherein praktisch ausgeschlossen werden kann, daß die für eine Verwirklichung von Vernunft nötige Mitwirkung anderer Menschen sich einstellt." 9 7 Von einem .Leben im Glauben' kann auf diesem Hintergrund gesprochen werden als von einem Leben, das durch Vertrauen auf den hinreichenden guten Willen der anderen zur Mitwirkung in solchen Beratungssituationen und der eigenen Bereitschaft gekenn«« F. Kambartel, a.a.O., S. 34. 9 7 F. Kambartel, a.a.O., S. 33.
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zeichnet ist, die dafür erforderlichen sinnvollen Opfer zu bringen. „Nur wenn hinreichend viele ein Leben im Glauben wagen, ist eine für alle bessere Welt erreichbar." 98 So ein Leben im Glauben kann entsagungsvoll sein, da es in der Regel nicht dazu führt, daß die subjektiven Bedürfnisse und das subjektive Glück als das höchste Gut angesehen und durchgesetzt werden. Es gilt ja, das eigene Meinen und die eigenen Bedürfnisse in eine Beratungssituation einzubringen, mit der Absicht, sie in der Beratung zu korrigieren und in Rücksicht auf andere zu verändern. Das Leben im Glauben kann also bedeuten, daß es nicht die Erfüllung des subjektiv höchsten Gutes (Glück) mit sich bringt. Ein solches Leben, das auf die Durchsetzung'der eigenen Interessen verzichtet und den Weg der Beratung mit anderen als das anzustrebende Ziel ansieht, soll ein „Leben im Frieden" heißen. Dieses Leben in Frieden wird anstelle der Durchsetzung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse (subjektives Glück) nun als höchstes Ziel angesehen. „Friede" erscheint als höchstes Gut. Auf dem Hintergrund dieser Einführungen kann nun auch der Ausdruck „Leben in Gott" näher bestimmt werden: „Nach dem Gesagten läßt sich ,x e Leben in Gott' durch ,x e Leben im Glauben im Vertrauen auf die Erlangung des Friedens' definieren. Entsprechend kann dann von ,Zweifel (an Gott)' die Rede sein, wenn eine das Vertrauen auf die Erlangung des Friedens aufhebende Reflexion auf die Möglichkeit stattfindet, daß ein Leben im Glauben nicht nur mißlingt, sondern sich auch subjektiv picht lohnt." 9 9 Von dieser Rekonstruktion von „Leben im Glauben", „Leben im Vertrauen" und „Leben in Gott" lassen sich dann auch weitere theologische Grundworte wie Gnade und Auferstehung einführen. Kambartel bietet folgendes System von definierten Begriffen an 100 : 1. Leben im Glauben = Df. Leben im Vertrauen auf den hinreichenden guten Willen der anderen, an den notwendigen gemeinsamen Bemühungen um ein vernünftiges Leben mitzuwirken. 2. Friede = Leben im Glauben, für das der Glaube bereits auch das subjektiv höchste Gut ist. 3. Leben in Gott = Leben im Glauben im Vertrauen auf die Erlangung des Friedens (= Leben im Glauben und in der Hoffnung) 4. Angewiesenheit auf Gnade = Tatsache, daß das Gelingen eines Lebens im Glauben und der Friede durch eigenes Handeln allein nicht erzwingbar sind.
»8 F. Kambartel, a.a.O., S. 34. F. Kambartel, a.a.O., S. 34. h» F. Kambartel, a.a.O., S. 34/35.
99
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5. Karfreitag (entmythologisiert) = Reflexion auf den Tod als die äußerste Möglichkeit des Verlustes subjektiver Güter wegen eines Lebens im Glauben. 6. Auferstehung (im Zusammenhang mit „der neue Mensch") = Einkehr des Friedens in ein Leben im Glauben. 7. Zeugnis = Bekundung, daß das Leben im Glauben dem Bekundenden den Frieden gebracht hat. 8. Bekenntnis = Bekundung, daß der Bekundende zu einem Leben im Glauben bereit ist. 9. Verkündigung = Zeugnis und Bekenntnis. 10. Zuspruch = Aufforderung zum Leben im Glauben mit Argumenten und Verkündigung. In ähnlicher Weise wie Kambartel geht Paul M. van Buren vor. 1 0 1 Er bemüht sich nicht um eine Einführung des Wortes Gott — wir haben seine Skepsis gegenüber allem Reden von Gottes Handeln in einem theistischen Sinn oben aufgezeigt — und er verwendet auch nicht die syntaktischen Kategorien, um das Wort Gott näher zu bestimmen. Doch seine Rekonstruktionen von Worten wie Auferstehung (Ostern) oder Christologie sind von derselben Art (in formaler Hinsicht) wie Kambartels Rekonstruktion. Anders als Kambartel, der seine Rekonstruktionen von der Seite der Ethik her einsetzt, sucht van Buren seinen Einsatz bei der „Christologie", beim historischen Jesus. „Der christliche Glaube und die Sprache, deren er sich bedient, haben zu tun mit einem Menschen der Geschichte, namens Jesus von Nazareth". 1 0 2 Aufgabe ist es nun, den Sinn dieser Geschichte zu erfassen. Solche Erfassung des Sinnes „versucht nicht von ,Gott' als ,in der Geschichte Handelndem' zu reden und läßt doch ,menschlicher Selbsterkenntnis' Raum. Sie verzichtet auf jenseits der Empirie Liegendes wie etwa Engel, gibt uns aber die Möglichkeit, von dem Phänomen der Liebe von Mensch zu Mensch und vom Unterschied zwischen einem Menschen, der sich fürchtet und einem solchen, der sich nicht fürchtet, zu reden." 1 0 3 Will die Geschichte Jesu erfaßt und verstanden werden, dann gilt es, ein Zweifaches zu tun. Es muß historisch die Eigenart dieser Gestalt erschlossen werden und es muß geklärt werden, warum dieser Mann zum Gegenstand des Glaubens wurde, was es mit der Rede von der Auferstehung als dem Grund dieses Glaubens auf sich hat. Van Buren „rekonstruiert" zunächst die historische Gestalt Jesu. Das grund101 P. in der P. 103 P.
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van Buren, The Secular Meaning of the Gospel (deutsch: Reden von Gott — Sprache der Welt). van Buren, Reden von Gott, S. 103. van Buren, a.a.O., S. 104.
legende Kennzeichen Jesu ist nach van Buren, daß er ein freier Mann war. Er wurde Rabbi, Lehrer genannt, aber er überschritt in seinem Lehren die durch diesen Titel gesetzten Grenzen. Er stützte seine Lehre nicht auf die Autorität der Tradition, sondern verantwortete sein Reden und Handeln selbst, „in der Autorität eigentümlicher Freiheit". 1 0 4 Er war frei von der Sorge um materielle Güter und frei von der Sorge um Rang und Namen. Ja, er wagte sogar an Gottes Stelle zu handeln. „Er überließ es nicht Gott, den Menschen ihre Sünden zu vergeben, sondern tat es selber." 1 0 5 Diese Freiheit von der Sorge um die Sicherung der eigenen Identität war bei ihm verbunden mit der Freiheit für den Nächsten. Er konnte Anteil nehmen am Geschick des Nächsten, ohne Sorge um sich selbst und ohne Schonung seiner selbst. Er fragte nicht, wer der andere war, wo er herkam, er war offen für ihn, seine Leiden und Ängste. Seine Freiheit äußerte sich im Dienst am anderen, im Eintreten für Verachtete und sozial Gemiedene. „So lebte er und wurde dem Tod überliefert, weil er inmitten ängstlicher und auf Abwehr bedachter Menschen gerade dieser Mensch war." 1 0 6 Er starb, weil ein solch ungebundener Mann für ängstliche, Schablonen verhaftete Menschen eine Bedrohung darstellt. Nach seinem Tode ließ er Jünger zurück, die nicht weniger verunsichert und verängstigt waren. So frei der Mensch Jesu selber war, er hat doch nicht genügend Freiheit bewirkt, um sie fähig zu machen, Jesu Leidensweg ohne Kleinmut und Resignation mit anzusehen. Sie waren entmutigt. 1 0 7 Hier setzt nun das Ostergeschehen ein. Weis hier geschehen ist, ist historischer Erforschung unzugänglich. Man kann aber sagen, was geschehen war. Die Jünger erlebten eine „Offenbarungssituation", bekamen einen „neuen „blik". Sie begannen Jesus auf ganz neue Weise zu sehen, Jesu Freiheit wurde an Ostern ansteckend. Die Jünger bekamen Anteil an dieser Freiheit Jesus. Die Geschichte Jesu wurde für sie zu einer Geschichte eines freien Mannes, der sie freigemacht hatte. „Indem sie sagten, Gott habe Jesus auferweckt, wiesen die Jünger darauf hin, daß was ihnen widerfahren war, für ihr Leben und Denken grundlegende Bedeutung hatte: Jesus war als Befreier der Ausgangspunkt geworden, von dem aus sie nun die Welt sahen und in ihr lebten. Wenn sie sagten, daß Jesus der Herr der ganzen Welt sei, drückten sie damit aus, daß ihre neue Perspektive die Gesamtheit des Lebens, der Welt der Geschichte wie auch ihr Verständnis ihrer selbst und anderer einschloss." 108 Auf der Basis dieses
10* P. van Buren, •os p. van Buren, •o« P. van Buren, 107 P. van Buren, 108 P. van Buren,
a.a.O., a.a.O., a.a.O., a.a.O., a.a.O.,
S. S. S. S. S.
115. 115. 116. 117ff. 125.
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grundlegenden Einstiegs zur Erfassung von Glaubensaussagen, die in zwei Grundsätzen besteht, nämlich, daß es in Glaubensaussagen um eine Gesamtperspektive auf unsere Lebenswelt geht, und daß die Norm dieser Perspektive die Geschehnisse sind, die vom Neuen Testament bezeugt werden und deren Kern Leben, Tod und Auferstehung Jesu von Nazareth bilden 1 0 9 , rekonstruiert nun van Buren Ausdrücke wie „Offenbarung", , wahrer G o t t " , „wahrer Mensch", „Gnade". Er verfährt hierzu ähnlich wie Kambartel, indem er diese Ausdrücke — ohne sich dieser Terminologie zu bedienen — als prädikative Ausdrücke für bestimmte Sachverhalte, bestimmte Weisen des Lebens, für bestimmte Erfahrungen auffaßt. Theologische Ausdrücke und Redewendungen zeigen eine Perspektive an und können im Rahmen dieser Perspektive interpretiert werden. Das Wort Gott wird bei van Buren — dort, wo er es überhaupt für interpretationsfähig hält —, wie bei Kambartel zum synkategorematischen Ausdruck. Was das Wort Gott meinen kann, erfahren wir über die im Ostergeschehen zugängliche Kenntnis Jesu. Es drückt in spezifischer Weise aus, daß wir uns solchen „blik" nicht frei wählen können, sondern daß uns solcher „blik" erfaßt. Wir werden angesteckt von der Freiheit Jesu. 1 1 0 Beide, Kambartel und van Buren, sehen sich mit dieser Interpretation als Weiterführer und Vollender der notwendigen Entmythologisierung des religiösen Redens, die von Bultmann begonnen wurde und die bei ihm im Rückzug auf ein „eschatologisches Handeln Gottes" stehen bleibt. 1 1 1 Von daher ergeben sich bestimmte Übereinstimmungen und Verbindungslinien mit einer an der existentialen Interpretation orientierten theologischen Auslegung bzw. einer Auslegung, die analog zu Bultmann verfährt, ohne die philosophischen Implikationen Bultmanns zu teilen.
109 Van Buren stellt folgende zwei Grundsätze zur Interpretation der „Sprache des Glaubens" auf: „1. Glaubensaussagen sind mittels des modifizierten Verifikationsprinzips als Aussagen zu interpretieren, welche eine besondere Weise, die Welt, andere Menschen, sich selbst und die einer solchen Perspektive angemessene Lebenshaltung zu sehen, ausdrücken, beschreiben oder kommentieren. 2. Die Norm der christlichen Perspektive ist die Reihe von Geschehnissen, die vom Neuen Testament bezeugt werden und deren Kern, Leben, Tod und Auferstehung Jesu von Nazareth bilden" (a.a.O., S. 145/146). 110 Vgl. P. van Buren, a.a.O., S. 137, 157, 165, 169. Van Buren verzichtet auf eine explizite Rekonstruktion des Wortes Gott und führt es über verschiedene prädikative Wendungen ein, also als Synsemantikon, ohne es so zu nennen. „Was auch immer ,Gott' bedeutet — als Ziel der menschlichen Existenz, als Wahrheit über Mensch und Welt, als Schlüssel zum Sinn des Lebens — ,er' wird gefunden in Jesus, dem ,Weg, der Wahrheit, und dem Leben'" (a.a.O., S. 137). u i Vgl. R. Bultmanns Auseinandersetzung mit W. Kamiah, KuM I, S. 33f., 40 und 48.
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So findet sich bei G. Ebeling eine synkategorematische Verwendung des Wortes Gott, wenn er darauf verweist, daß das Wort Gott im Zusammenhang bestimmter Erfahrungen des Menschen verstehbar wird. 1 1 2 Der Mensch ist wesenhaft durch seine Sprachlichkeit gekennzeichnet. Sprache eröffnet dem Menschen Welt, ermöglicht ihm Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft zu erfahren. Sprache eröffnet die Gemeinschaft mit dem anderen. Sprache und Personsein bedingen sich gegenseitig. Denn jeder ist gefragt nach seinem Wort, mit dem er für seine Sicht der Wirklichkeit einsteht, mit dem er sein Handeln rechtfertigt und verantwortet. Gerade aber in dieser Frage nach dem Wort, das an der Zeit ist, das Freiheit gewährt,.das Verständigung ermöglicht und unser Reden wahr sein läßt, entdeckt der Mensch, daß er nicht über das rechte Wort verfügt. „Die Wortsituation als die Grundsituation des Menschen läßt dies erkennen: Der Mensch ist letztlich nicht Täter, sondern Empfänger, weil er vom Wort lebt." 113 Das Wort Gott nimmt auf diese Situation und diese Erfahrungen Bezug. Der Sinn des Wortes Gott wird aus dieser Grundsituation deutlich. „Wenn der Sinn des Wortes ,Gott' die Grundsituation des Menschen als Wortsituation ist, dann wird durch das Reden von Gott der Mensch in seiner Sprachlichkeit behaftet. Und zwar nimmt das Wort „ G o t t " darauf Bezug, daß der Mensch in seiner Sprachlichkeit seiner selbst nicht mächtig ist. Er lebt von der Macht eines Wortes, nicht das seine ist, und hungert zugleich nach der Macht eines Wortes, das gleichfalls nicht das seine sein kann". 1 1 4 In diesen Ausführungen Ebelings, die hier nur angedeutet werden konnten, wird das Wort Gott als Qualifizierung einer menschlichen Erfahrung und als Hinweis auf eine menschliche Erfahrung ausgelegt. Auch wenn Ebeling an anderer Stelle durchaus von Gott als „transzendenter Wirklichkeit" reden kann, so erscheint doch hier das Wort, sprachkritisch gesehen, als synkategorematischer Ausdruck in prädikativen Wendungen, die einen bestimmten Sachverhalt bezeichnen. Ein anderes Beispiel synkategorematischer Verwendung des Wortes Gott bietet sich in H. Brauns Konzeption, die heute aufgrund ihrer individualisierenden Auslegung in den Hintergrund getreten ist 1 1 5 : „Bei einem sol-
112
Vgl. G. Ebeling, Profanität und Gheimnis, Gott und Wort. i' 3 G. Ebeling, Gott und Wort, S. 419. G. Ebeling, a.a.O., S. 417/418. HS Es gehört mit zu den erstaunlichsten Phänomenen, daß die Konzeption Brauns, die doch jahrelang die Gemüter erregt hat, so plötzlich in der Versenkung verschwunden ist. Die Entdeckung der politischen und sozialen Dimension des Evangeliums ließen Braun, dessen Terminologie an Kant orientiert war und der den Akzent mehr auf individuelle Erfahrungen legte, in Vergessenheit geraten. Wir erwähnen ihn hier jedoch, weil 15 Track, Untersuchungen
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chen Hören und Lesen kann es geschehen, daß ich gewissensmäßig merke: das und das soll ich tun, das und das soll ich lassen. Ich werde dann sagen: hier liegt ein mich unbedingt angehendes Soll vor, Gott will es. Wenn ich mich mit den neutestamentlichen Texten weiterbeschäftige und dabei wach lebe, werde ich merken: dies ,ich soll' kann ich nicht angemessen tun. Und es kann geschehen, daß mir unter dem Text und wohl nie ganz ohne Zusammenhang mit dem, was Mitmenschen an mir tun und mir sagen, in Scham und Freude klar wird: ich soll trotzdem, obwohl ich so bin, und dies mein Leben gelingt in einer mir selber unfaßlichen Weise, die mich sehr bescheiden und sehr dankbar macht. Ich werde dann sagen: Gott ermächtigt mich. ,Ich soll' und ,ich darf' geschieht, und damit geschieht Gott, im Hören und Tun des Wortes." 116 Dieses sehr eindrückliche Bekenntnis Brauns bietet, auch wenn es die Rede vom transzendenten Handeln Gottes etwas in der Schwebe läßt, Übersetzungen an, die Kambartels logisch durchformulierten Übersetzungen sehr nahe stehen. Diese Beispiele, die auch durch Texte mehr politisch orientierter theologischer Konzeptionen erweitert werden könnten 117 , zeigen, daß es von unterschiedlichen Ansätzen der Auslegung her jeweils möglich ist, das Wort Gott als synkategorematisches Wort einzuführen. In all den auftretenden prädikativen Wendungen wie Leben in Gott, Ermächtigung durch Gott erscheint das Wort Gott als ein Wort, das das sonst übliche Verständnis dieser Prädikatoren wie Leben oder ermächtigen in bestimmter Weise qualifiziert. Es hat eine zweifache Funktion: Es qualifiziert den üblichen Sprachgebrauch und verbindet die unterschiedlichen Wendungen, die im Zusammenhang mit dem Reden von Gott auftauchen (z. B. auf Gott hoffen, Gott dankbar sein, Gottes Macht erfahren usw.). Es hat demonstrative Funktion, indem es uns aufmerksam macht, daß es hier um bestimmte Wortverwendungen geht, und es hat integrierende Funktion, indem es die einzelnen Aussagen verbindet und zuordnet. 118 Es zeigt uns an, daß es hier um eine bestimmte Daseins- und Handlungsorientierung geht. Diese bestimmte Daseins- und Handlungsorientierung kommt von bestimmten Grunderfahrungen her (z. B. des Empfängerseins, des SichVerdankens, des Scheiterns und Schuldigwerdens einerseits und der Erfahsich auch die politisch orientierte Auslegung an der hermeneutischen Methode Brauns orientiert. Insofern war Braun ein (indirekter) Wegbereiter dieser Richtung. 116 H. Braun, Gottes Existenz und meine Geschichtlichkeit im Neuen Testament, S. 407/408. 117 Vgl. etwa den theologischen Ansatz D. Sölles und die verschiedenen Theologien der Revolution. 118 Hier besteht große Nähe zur Auslegung des Wortes Gott bei I. T. Ramsey: das Wort Gott als Integratorwort; vgl. dazu unten Abschnitt b).
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rung des Gelingens, des Ermächtigt- und Befreitwerdens andererseits). Sie drückt sich aus in bestimmten ethischen Einstellungen (z. B. der Befolgung der Grundnorm der Transsubjektivität, dem Vertrauen auf gemeinsames, partnerschaftliches Miteinander, der Bereitschaft zum Verzicht auf die Durchsetzung eigener Interessen). Sie äußert sich in bestimmten Verhältnissen zur Welt (z. B. Auffassung der Welt als Ort geschichtlicher Bewährung, Offenheit für die Zukunft, Erkenntnis der Geschichtlichkeit des Menschen). Diese Daseins- und Handlungsorientierung stellt eine Gesamtperspektive dar, die ihren Grund in geschichtlichen und gegenwärtigen Erfahrungen und Einsichten hat. Sie findet ihren Ausdruck und realisiert sich in einer Lebensform. b)
Stellungnahme
Die Bestimmung des Wortes Gott als synkategorematischer Ausdruck enthebt der Schwierigkeiten, die durch die Behauptung der Existenz und des Wirkens einer transzendenten Macht entstehen. Ein Messen christlicher Aussagen am Maß des Sinnkriteriums wird insofern abgewehrt, als gezeigt wird, daß solches Befragen einem oberflächengrammatischen Mißverständnis des Redens von Gott aufsitzt, das zwar auch immer wieder im Christentum selbst gefördert wurde und noch wird, aber die Sache verfehlt, die im christlichen Reden von Gott gemeint ist. Die Bestimmung des Wortes Gott als synkategorematischer Ausdruck, so wie sie bei Kambartel und van Buren vorliegt, verzichtet auf allgemeines Reden über Gott und die religiösen Äußerungen. Es ist wenig sinnvoll, allgemein über das Wort Gott zu sprechen, sondern es gilt, das christliche Reden von Gott als konkretes Reden beim Wort zu nehmen. Der je geschichtliche Kontext, die geschichtlichen Sprachspiele und Lebensformen entscheiden über den Sinn des Wortes Gott. Dies bedeutet für das Christentum, wie besonders van Buren, sich auf Barth berufend, deutlich macht, daß nach der Geschichte Jesu und der von Jesus ausgehenden Geschichte (Ostern) gefragt werden muß. Von daher kann erfahren werden, was das Wort Gott meint. Diese Konzeption ist kritisch gegenüber jedem unhinterfragbarem Autoritätsanspruch und gegen jede Vertröstung auf ein Jenseits, die aus gegenwärtigen verantworteten Reden und Handeln entläßt. Nicht weil ein transzendenter Gott etwas gesagt hat, ist etwas gültig, sondern weil es in eigenem Nachvollzug, in eigener Erfahrung sich als wirklich und tragend erweist (Braun). Es ist diese Daseins- und Handlungsorientierung, die in der Geschichte wirksam geworden ist und die heute den Menschen betrifft in seiner Situation. Der Mensch ist durch diese Geschichte gefordert und gerufen zur Stellungnahme in eigener kritischer Verantwortung. 227
Die Bestimmung des Wortes Gott als synkategorematischer Ausdruck erlaubt schließlich, eine für jeden verstehbare Bedeutung des Redens von Gott anzugeben. Das Wort Gott und insbesondere die Wendungen, in denen das Wort Gott auftaucht, können in einer für jeden in ihrer Verständlichkeit gesicherten Sprache ausgesagt werden. Es werden keinerlei Vorbedingungen, etwa Preisgabe bewährter Erklärungen der Welt oder ein Sprung in einen Glauben als Bedingung des „Verstehens" gefordert. Das Reden von Gott kann sich nicht in einem nebulosen Wortschwall zurückziehen, der keinerlei Wirkung auf die Lebensform hat. Wer das christliche Reden von Gott als bestimmte Daseins- und Handlungsorientierung verstehbar formuliert, der stellt sich der Diskussion über diese Daseins- und Handlungsorientierung und der kann, wenn er sich zu ihr bekennt, befragt werden nach der eigenen Praxis, nach dem Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit. Diese vier aufgezählten Merkmale geben dieser Theorie über das Reden von Gott ihre Durchschlagskraft. Zudem kann sich diese Theorie darauf berufen daß auch dort, wo an einem Gott als transzendentem Gegenüber festgehalten wurde, immer auch sich verantwortliche Theologie zu zeigen gemüht hat, welche Daseins- und Handlungsorientierung des Menschen vor Gott Bestand hat, Gott gemäß ist und durch Gott ermöglicht wird. Problematisch erscheint uns diese Theorie allerdings in folgender Hinsicht: Christliches Reden von Gott hat von Gott als transzendentem Gegenüber geredet, nicht um sich ein Wunschbild der Vollkommenheit auszudenken, den Einen, der über alles Leid, alles Glück erhaben ist 119 , sondern als Ausdruck der Erfahrung, daß der Mensch sich jene Freiheit und Vergebung, deren er bedarf, jenen Mut und jenen Sinn, der befähigt ist, die Welt umzugestalten, nicht selbst zusprechen kann. Gott ist der Grund der Gnade, der uns solche Annahme und Liebe gewährt und pro
119 Zu Recht protestiert D. Solle, Merkur 27, 1973, S. 392ff., gegen ein Gottesverständnis, das Gott als allmächtigen, jeder Regung und jedem Leid enthobenen Zuschauer versteht. „Der Gott des Glaubens, der brüderliche, und das bedeutet ,the fellow sufferer who Widerstands', war lange genug verdunkelt von dem apathischen Himmelswesen. Der neue Apathiegott gleicht vielleicht eher dem ,Mann, der Lincoln raucht'. Niemand wird ihn zum Weinen bringen, niemand wird ihm Schmerz zufügen können. Er ist unsterblich, weil er kein Mensch ist. Er kommt nicht ans Kreuz, weil er niemanden liebt . . . Am Problem des Leidens reflektiert, gibt es nur zwei: den apathischen Gott, angebetet von Menschen, denen Apathie zum höchsten Glück gemacht worden ist — und den leidenden Gott, angebetet von Menschen, die die Totalität der Endlichkeit unendlich bejahen!" (a.a.O. 4 0 2 / 4 0 3 ) . So Recht Solle hier hat, so fragt sich doch, ob die Rede von einem transzendenten Gegenüber notwendig mit einem solchen Apathiegott verbunden sein muß. Manchmal scheint es, als würde sie dies unterstellen.
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nobis der Gott am Kreuz wird. 1 2 0 Diese Theorie kann solche Aussagen aufnehmen, indem sie darauf aufmerksam macht, daß wir uns die christliche Daseins- und Handlungsorientierung nicht selber gesagt haben. Sie hat sich in einem Prozeß geschichtlicher Erfahrungen in unterschiedlichsten geschichtlichen Gruppen herausgebildet und bewährt. Diese Theorie kann solche Aussagen aufnehmen, indem sie darauf aufmerksam macht, daß wir die Befreiung nicht „machen k ö n n e n " , die Freiheit m u ß uns anstecken. Wir können weder durch Drohung noch durch unermüdliches Argumentieren das vernünftige Handeln herbeizwingen. Ist damit dasselbe gesagt, wie wenn die Tradition vom rechtfertigenden Handeln und von der geschichtlichen Offenbarung Gottes spricht? Ist damit die Aussage von der Auferstehung der Toten abgedeckt? Gewiß, wer hier „ m e h r " sagt oder sagen will, begibt sich in Schwierigkeiten, was die Verstehbarkeit und den Wahrheitsanspruch solcher Aussagen anbelangt. Zumindest diese Anfrage aber muß hier gestellt werden. Es ist ja mindestens grammatikalisch verwunderlich, daß der oberflächengrammatische Gebrauch des Wortes G o t t (als Eigenname und Kennzeichnung) so stark vom tiefengrammatischen Gebrauch (als synkategormeatischem Ausdruck in der Interpretation dieser Theorie) abweicht. Auf jeden Fall erscheint es sinnvoll, wenn diese Theorie als adäquate Auslegung und Bestimmung des Redens von G o t t verstanden wird, auf den mißverständlichen oberflächengrammatischen Gebrauch des Wortes Gott zu verzichten. Hier sind Kambartel und van Buren, die auf solche Ersetzung des Wortes G o t t zustreben, konsequenter als viele Theologen, die ein Verständnis des Wortes Gott als synkategorematischen Ausdruck anstreben und dann doch vor dieser Konsequenz zurückschrecken. Warum sollte man sich aber, wenn man über eine verständliche Rekonstruktion verfügt, einer vagen und in ihrer Verständlichkeit ungesicherten Redeweise bedienen? Allein aus pädagogischen und psychologischen Gründen wäre das Wort G o t t und die damit verbundene Redeweise für solche Leute noch zu verwenden, die diese Daseins- und Handlungsorientierung mit diesem Wort gelernt und ihre Erfahrungen mit diesem Wort verbunden haben.
5. Das Wort Gott als
Nominator
Die christliche Tradition hat auch dort, wo sie nicht einfach mythisches Reden und vergangene Weltbilder übernommen hat, zu zeigen versucht, 120 Vgl z u m Zusammenhang von Gottesverständnis und Kreuz und der davon ausgehenden Infragestellungen eines philosophischen Theismus: E. Jüngel, ZThK 65, 1968, S. 93ff., bes. S. 105ff., und M. Moltmann, Der gekreuzigte Gott, S. 93ff.
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daß das Wort Gott ein Eigenname (oder eine Kennzeichnung) ist für eine transzendente Wirklichkeit, die von Welt und Mensch verschieden ist und beide bestimmt. Gott wird hier verstanden als der Grund unserer Wirklichkeit121, der Welt und Mensch aus dem Nichts geschaffen, ins Sein gerufen hat und als die alles bestimmende Wirklichkeit vn, die unsere Geschichte bestimmt und die ihre Zukunft heraufführt. Gott wird verstanden als Eigenname für ein „Gegenüber" des Menschen, das sich in seinem geschichtlichen Offenbarungshandeln kenntlich macht und von Menschen im Offenbarungsgeschehen erfahren wird. Drei Wege zur Einführung oder Begründung solcher Rede von Gott lassen sich hier — grob typisierend — unterscheiden: die Berufung auf Vertrauen gegenüber dem Zeugnis, Begründung durch religiöse Interpretation der Wirklichkeit und religiöse Erfahrung, Einführung und Begründung vornehmlich durch religiöse Erfahrung (Glauben). Wir stellen zunächst diese Wege dar. a) Einführung
über Vertrauen und
Autorität
Gott entzieht sich unseren Nachprüfungen. Niemand kann auf ihn zeigen „da ist G o t t " , niemand kann sein Handeln und seine Wirkungen eindeutig sichtbar machen. Die Rede von Gottes Schöpfer- und Geschichtshandeln bietet keine Erklärungen des Geschehens in der Welt, die uns zu kontrollierbaren und überprüfbaren Prognosen befähigte. Gemessen am empirischen Sinnkriterium, wir haben es nun schon oft gesagt, ist das Wort Gott ein leeres Wort. Heißt dies, daß solchem Wort überhaupt keine Wirklichkeit entspricht, daß es zumindest aus emstgemeinter descriptiver Redeweise entfernt werden muß ? In der Diskussion mit der Analytischen Philosophie wurden Antworten versucht, die einerseits zugeben, daß Gott hier und jetzt nicht sichtbar ist, und das Wort, gemessen an obigem Sinnkriterium ein leeres Wort ist, und andererseits daran festhalten wollen, daß das Wort Gott eine transzendente Wirklichkeit anzeigt. Erlaubt, so fragt man, die Überprüfung mit Hilfe des Sinnkriteriums und mangelnde Erfahrung Gottes schon den Schluß, daß darum kein Gott sei? Dieser Schluß wird bestritten. B. Mitchell antwortet auf das Gärtnergleichnis bei Flew mit einer anderen Parabel, die gerade den Schluß Flews, daß kein Gott sei, als einen übereilten Schluß entlarven will. 121 P. Tillich bemüht sich gerade, das Verständnis von Gott als Grund des Seins in neuer Weise verständlich zu machen. 122 w, Pannenberg spricht vom Gedanken Gottes „als der seinem Begriff nach alles bestimmenden Wirklichkeit" (Wissenschaftstheorie und Theologie, S. 302 u. ö.).
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„In Kriegszeiten in einem besetzten Land trifft ein Mitglied der Widerstandsbewegung eines Nachts einen Fremden, der ihn tief beeindruckt. Sie verbringen die Nacht zusammen im Gespräch. Der Fremde sagt zu dem Mitglied der Widerstandsbewegung, daß er auf ihrer Seite ist — und in der Tat, er hat in ihr eine (die) führende Position, und er bedrängt das Mitglied, zu ihm Vertrauen (Glauben) zu haben, was auch immer geschehen mag. Das Mitglied der Widerstandsbewegung ist bei diesem Treffen völlig überwältigt von der Aufrichtigkeit und der Solidität (constancy) des Fremden und läßt sich darauf ein, dem Fremden zu vertrauen. Sie treffen nicht mehr in so intimer Weise zusammen. Aber manchmal wird der Fremde gesehen, wie er Mitgliedern der Widerstandsbewegung hilft, und unser Mitglied ist von Dank erfüllt und sagt zu seinen Freunden: ,Er ist auf unserer Seite'. Manchmal wird er in Polizeiuniform gesehen, wie er Patrioten der Besatzungsmacht übergibt. Bei diesen Gelegenheiten murren die Freunde gegen den Fremden, aber unser Mitglied behauptet weiter: ,Er ist auf unserer Seite'. Er glaubt weiter, trotz anderen Anscheins, daß der Fremde ihn nicht getäuscht hat. Manchmal bittet er den Fremden um Hilfe und erhält sie. Dann ist er dankbar. Manchmal bittet er und erhält sie nicht. Dann sagt er, ,Der Fremde weiß, was das Beste ist.' Manchmal sagen seine Freunde erbittert: ,Was könnte er denn tun, damit für dich der Punkt gekommen ist, zuzugeben, daß du falsch liegst und er nicht auf unserer Seite steht?' Aber unser Mitglied verweigert die Antwort. Er will nicht zustimmen, daß der Fremde einem Test ausgesetzt wird. Und manchmal beschweren sich seine Freunde: ,Gut, wenn es der Fall ist, daß er auf unserere Seite ist, wie du meinst, dann ist es umso besser, je eher er auf die andere Seite übergeht.' " I 2 3 Mitchell will mit dieser Parabel zeigen, daß es eine Frage der Entscheidung und des Vertrauens ist, ob man Gott glaubt. Es kann sein, daß die Dinge gegen den Glauben sprechen, aber definitiv läßt sich hier nichts gegen den Glauben vorbringen. Er beruht auf einer Entscheidung, die als Antwort auf eine „personale Präsenz" getroffen wurde. 1 2 4 Solche personale Präsenz muß nicht von allen Gläubigen erfahren werden. Nach J . M. Bochenskis Auffassung hat die Mehrheit der Gläubigen keine direkte Erfahrung von Gott. Sie vertrauen auf das Zeugnis derer, die Gott erfahren haben, den Propheten und Autoren der heiligen Schriften. Die meisten Gläubigen sind Benutzer, aber nicht Autoren von religiösen Sätzen. „Sie beten zu ihm, sie verehren Ihn, aber so, wie sie Ihn kennen, und nichts in ihren Erklärungen gibt Anlaß zu der Annahme, daß sie 123
B. Mitchell, Theology and Falsification, S. 103f. (eigene Übersetzung). 124 Vgl d i e Darstellung der Position Mitchells bei J . A. Martin, Philosophische Sprachprüfung, S. 82f.
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bei einem Akt des Gebetes oder anderen religiösen Handlungen auch nur irgend etwas mehr über Gott wissen, als was sie bereits aus G (sc. Glaubenssätze) kennen." 1 2 5 John Hick 1 2 6 will zeigen, daß es sich bei religiösen Äußerungen um Behauptungen handelt, die prinzipiell verifiziert werden können. Auch wenn hier und jetzt keine eindeutige Verifikation und Falsifikation möglich sind, so wird sich doch am Ende der Geschichte Gott zu seinen Verheißungen bekennen. Die Inhalte der Verheißungen und unser Glauben werden am Ende aller Tage, wenn Gott in seiner Herrlichkeit kommt, in ihrer Wahrheit offenbar werden. Der Glaubende gibt hier und jetzt der Welt eine bestimmte Interpretation und Bedeutsamkeit. So erforscht die Naturwissenschaft die Welt, um sie auf Gesetzmäßigkeiten hin zu interpretieren. Die Charakterisierung der Welt durch Kausalbeziehungen und quantitative Genauigkeit ergibt eine „Ordnung situationsbezogener Bedeutsamkeit". 1 2 7 Die Humanwissenschaften untersuchen den Menschen einerseits auf die Wirkung von Kausalgesetzen und Kausalbeziehungen hin und interpretieren andererseits menschliche Existenz mit Hilfe der Begriffe Freiheit und Verantwortlichkeit (Moral). Auch hier wird eine „Ordnung situationsbezogener Bedeutsamkeit" geschaffen, in der menschliche Existenz wahrgenommen und ausgelegt wird. Die theistische Interpreta-
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J . M. Bochenski, Logik der Religion, S. 64ff. (Zitat S. 66). Bochenski unterscheidet hier zwischen dem Gebrauch des Wortes Gott als Eigenname und als Kennzeichnung. Von einem Gebrauch als Eigennamen sei dann zu reden, wenn die Gläubigen eine direkte Erfahrung von Gott besitzen. Von einer Kennzeichnung sei dann zu reden, wenn Gott den Gläubigen nur bekannt ist durch einige Eigenschaften, die nach den heiligen Schriften auf ihn zutreffen. — Wir halten solche Unterscheidung von Eigenname und Kennzeichnung für wenig sinnvoll. Bei Eigennamen und Kennzeichnung handelt es sich um syntaktische Termini, nicht um Termini, die aufgrund unterschiedlicher Prüfungs- oder Einführungsverfahren unterschieden werden können. Auch von Julius Caesar habe ich keine direkte Erfahrung. Soll man nun sagen, dies sei kein Eigenname? Dann würde sich der Gebrauch von Eigennamen auf jeweils unmittelbar zugängliche Gegenstände beschränken. Eine Abhebung von Kennzeichnung und Eigenname ist, wie wir dargestellt haben, dadurch gegeben, daß die Kennzeichnung schon eine erste „Einordnung" des genau einen Gegenstandes, den sie bezeichnet, darstellt. Wird „ G o t t " als Eigenname gebraucht, kann damit (auch) zum Ausdruck gebracht werden, daß sich Gott jeder „Einordnung" entzieht. Die Rede in Kennzeichnungen von Gott (der Vater, der Herr) dagegen eröffnet schon ein bestimmtes Verständnis von Sein und Willen Gottes. 126 J o h n Hick, Faith and Knowledge; Philosophy of Religion; vgl. a. I. M. Crombie, Theology and Falsification, S. 109ff. Zu weiteren Vertretern der Einführung über Autorität und Vertrauen vgl. F. Ferré, Language, Logic and God, S. 78 (The Logic of Obedience). 127 Vgl d i e Darstellung der Position Hicks bei J . A. Martin, Philosophische Sprachprüfung, S. 92ff.
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tion ist nun eine totale Interpretation der Wirklichkeit. Sie stützt sich auf alle Fakten psychischer, physischer, moralischer, ästhetischer und religiöser Art. Sie verwendet diese Fakten und gibt ihnen ihre Bedeutsamkeit im Rahmen einer Interpretation, die zwar am Empirischen Anhalt hat, aber das Empirische übersteigt. „Die Art, wie der Monotheist Gott durch den Glauben als die unsichtbare Person erfaßt, die ihm in und vermittels seiner Erfahrung der Welt gegenübertritt, ist vom Standpunkt der Erkenntnistheorie . . . eine Interpretation der Welt als Medium göttlicher Gegenwart und Absicht . . . Sein interpretativer Sprung trägt ihn in eine Welt, die durch den Willen eines heiligen, gerechten und liebenden Wesens existiert, das Schöpfer und Erhalter alles Seienden ist." 1 2 8 Solche Interpretation läßt sich nicht in unserer Welt eindeutig verifizieren. „Der gläubige Theist kann nicht erklären, wie er weiß, daß die göttliche Gegenwart durch seine menschliche Erfahrung vermittelt wird. Er stellt lediglich fest, daß er seine Erfahrung in dieser Weise deutet. Er lebt in der Gegenwart Gottes, obwohl er unfähig ist, durch irgendeinen dialektischen Prozeß zu beweisen, daß Gott existiert." 1 2 9 Am Ende der Geschichte wird sich die Wahrheit des Glaubenden erweisen. Darum ist die Eigenart religiösen Glaubens besser als durch die Gleichnisse vom Gärtner und vom Fremden in der Widerstandsbewegung durch ein Gleichnis von zwei Reisenden auf einer Straße zu beschreiben. 1 3 0 Beide gehen denselben Weg. Einer aber glaubt, daß dieser Weg zu einer himmlischen Stadt führt, der andere weiß dagegen nicht, wohin der Weg führt. Beide gehen die Straße zum erstenmal und keiner kann sagen, was sie an der nächsten Straßenbiegung erwartet. Der eine nimmt die glücklichen Momente der Reise als Vorzeichen und Vorgeschmack künftiger Herrlichkeit und die Leiden als Prüfung seiner Geduld und als Schulung seines Charakters. Der andere nimmt beides einfach hin. Er unterlegt seiner Reise keinen Sinn. Wer von den beiden Recht hat, kann erst am Ende des Weges, wenn sie um die letzte Kurve biegen, entschieden werden. „Ihre gegensätzlichen Deutungen bilden echte rivalisierende Behauptungen, aber Behauptungen, deren Behauptungsstatus dadurch gekennzeichnet ist, daß er retrospektiv von einer zukünftigen Entscheidung gewährleistet wird." 1 3 1 Glaube in diesem Sinn, der auch den Glauben an ein Fortleben nach dem Tode einschließt, ist Ausdruck einer Einstellung und Ausdruck 128 J. Hick, Faith and Martin, a.a.O., S. 9 4 ) . 129 J. Hick, a.a.O., S. S. 95). •3° J. Hick, a.a.O., S. 131 J. Hick, a.a.O., S. S. 97).
Knowledge, S. 129 (zitiert nach der Ubersetzung bei J. A. 132 (zitiert nach der Übersetzung bei J. A. Martin, a.a.O., 150ff. 151 (zitiert nach der Übersetzung bei J. A. Martin, a.a.O.,
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konkreter Erwartung. Hoffnung kennzeichnet den Glauben, und diese Hoffnungsgewißheit als Kennzeichnung christlichen Redens von Gott muß wieder deutlich gemacht werden. b) Einführung und Begründung durch religiöse Interpretation Wirklichkeit und religiöse Erfahrung
der
Die Einführung und Begründung des Wortes Gott durch religiöse Interpretation der Wirklichkeit einerseits und durch den Verweis auf religiöse Erfahrung andererseits hat in der Theologie eine lange Tradition, die unter den Stichworten „natürliche Theologie" und „Offenbarungstheologie" verhandelt wurde. In der Diskussion mit der Analytischen Philosophie hat diese Tradition relativ geringe denkerische Bewältigung — sei es in Zustimmung oder Kritik — gefunden. Man befaßt sich mit dem Problem des Gottesbeweises und mit dem Status metaphysischer Aussagen 132 , aber stellt sich nicht explizit den mit den obigen Stichworten aufgezeigten Problemen. Allein in der Konzeption I. T. Ramseys kann man eine gewisse Aufnahme dieser traditionellen Theorie zur Einführung des Redens von Gott sehen. 133 Ramsey geht von der Erfahrung der Wirklichkeit aus und zeigt, wie diese in religiösen Erfahrungssituationen sich öffnet für ein Verständnis der Wirklichkeit Gottes und ein Verständnis der Welt als Gottes Schöpfung. Im einzelnen kann Ramseys Position so charakterisiert werden: Ramsey will, bevor er Urteile über religiöse Äußerungen abgibt, erst genau prüfen, welche Logik und welcher Gebrauch sie auszeichnet. 134 Jedes Reden 132 Besonders F. Ferré hebt die Eigenart religiöser Aussagen als Modelle zur Erschließung der Wirklichkeit als Ganzer hervor. Vgl. F. Ferré, Language, Logic and God, S. 146ff., Die Verwendung von Modellen in Wissenschaft und Theologie, S. 51 ff. Ferré geht davon aus, daß religiöse Aussagen auf „metaphysische Tatsachen" bezogen sind, die unsere Erfahrung leiten und unseren Umgang mit der Welt bestimmen. Er kommt damit der Auffassung Pannenbergs über religiöse Hypothesen als Aussagen über Sinntotalität sehr nahe. — Zur Kritik an Ferré vgl. J . A. Martin, Philosophische Sprachprüfung, S. 156ff., der zu Recht anfragt, inwieweit metaphysische Aussagen und theologische Aussagen gleichgesetzt werden können. 133 Vgl. i. x . Ramsey, Religious Language; Models and Mystery. In deutscher Sprache liegen vor: Philosophische Bemerkungen über Religion und Naturwissenschaft, in: Sprachanalyse und religiöses Sprechen, S. 33ff.; Religiöse Paradoxien, ebenda S. 133ff. Vor allem W. de Pater, Theologische Sprachlogik, stellt Ramseys Position dar und übernimmt sie. 134 „Zu o f t haben die Menschen so gesprochen, als ob der Weg zur Lösung theologischer Probleme über eine große Vertrautheit mit Gott führe, während eine beharrliche und sorgfältige Prüfung der Sprache, in der man über ihn sprach, notwendig war . . . Bevor wir entscheiden, ob gewisse Fragen beantwortbar sind oder nicht, tun wir gut daran, sie zunächst in einen formalen Modus zu übersetzen, so daß ihr wahrer
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über Gott ist nach Ramsey dadurch gekennzeichnet, daß Gott verstanden wird als der, der alles Beobachtbare übersteigt und doch mit unserer Wirklichkeit verbunden ist. Wie kommen wir dazu, solch ein Wort zu verstehen? In welchen Situationen erschließt sich uns dieses Wort und alle anderen theologischen Wörter? Religiöse Situationen, in denen sich solches Reden erschließt, sind nach Ramsey gekennzeichnet durch eine besondere Einsicht und eine vollkommene Verpflichtung (odd discernment, total commitment). Die religiösen Situationen können näher gekennzeichnet werden als Erschließungssituationen (disclosure situations). 1 3 s Wir kennen alle „Erschließungssituationen". Plötzlich wird uns eine Situation klar, ein Zusammenhang wird verstehbar, eine Gemeinschaftsbeziehung wird möglich. Die Umgangssprache drückt dies aus in Redewendungen, wie „der Groschen fällt", „ein Licht geht mir auf", „das Eis bricht". Die gleichen Fakten und die gleichen Situationen erscheinen in einem neuen Licht. Die gleichen Konstellationen bergen plötzlich in sich neue Möglichkeiten. Hier geht es um eine Erkenntnis, die Fakten erfaßt und doch mehr ist als Faktenkenntnis (perceptual and more) 1 3 6 . Solche Erfahrungen können nicht in unbeteiligter Distanz geschehen. Sie verändern den, der diese Erfahrung macht. Es sind seine Erfahrungen, die ihn bestimmen in seinem Umgang mit Mensch und Welt. Die religiöse Erfahrung gehört formal zur Klasse der Erfahrungen in Erschließungssituationen. Sie unterscheidet sich jedoch von profanen Erschließungssituationen, da es hier nicht um Aspekte unserer Wirklichkeit, einzelne Erschließungen von Situationen, sondern um unseren Umgang mit der Wirklichkeit als Ganzer geht. Ramsey zeigt dies an der Eigenart des Wortes Gott (der „Logik" des Wortes Gott) auf. Diese Eigenart des Wortes Gott ist mit der Eigenart des Wortes „ich" zu vergleichen. Nehmen wir an, es war jemand beim Fischen. Nun wird er gefragt, warum er beim Fischen war. Er könnte verschiedene Gründe dafür angeben, warum ihm das Fischen gefällt. Diese Frage nach Gründen kann sich so lange hinziehen, bis man zu dem Punkt kommt, an dem gesagt wird .Fischen gefällt mir eben und es gefällt mir, weil ich nun einmal so bin, wie ich bin'. „Ich bin nun einmal ich". „Ich", das ist ein Wort, mit dem sich ein Mensch in seiner Gesamtheit erfaßt. Dieses „ich" ist nicht deskriptiv beschreibbar. Beschreiben kann ich mich, wie ich mich in verschiedenen Situationen verhalte, welche Auffassungen ich habe, all das bin ich. Aber alle diese Beschreibungen Charakter deutlich werden kann, und manche werden dann zu nicht mehr, aber auch nicht weniger als logischen Fragen der Konsistenz und Kohärenz" (I. T. Ramsey, Hell, zitiert nach der Übersetzung von P. J. Etges, Kritik der analytischen Theologie, S. 102). 135 I. T. Ramsey, Religious Language, S. 13ff. 136 I. T. Ramsey, a.a.O., S. 15.
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geben nicht das wieder, was man mit dem Wort „ich" ausdrücken kann. „Könnten wir unsere Identität beschreiben, so wäre unsere Individualität verschwunden" 1 3 7 . Wer ich bin, das kann nicht beobachtet werden, das enthüllt sich in Erschließungssituationen. Das Wort „ich" fordert zu solcher Erschließung heraus Darum ist auch die Tautologie „ich bin ich" nicht sinnlos. Sie weist genau auf diese Situation hin. Wie nun „ich" das „Integratorwort" der individuellen Erfahrung ist, so ist etwa „Welt" das Integratorwort für meine Erfahrung in der Welt, im Umgang mit der begegnenden Wirklichkeit. 138 Das Wort Gott aber ist nach Ramsey das umfassendste Integratorwort. Das Wort Gott ist das „Schlüsselwort" (apex word), das alles umfaßt und selbst nicht zu hinterfragen ist. Es ist eine „letzte Erklärung". 1 3 9 Dieses Wort enthüllt sich uns in Erschließungssituationen. Es weist uns auf eine Wirklichkeit hin, in der Mensch und Welt gegründet sind. Wir können mit diesem Wort diese Wirklichkeit ansprechen. Wir können die Wirklichkeit, die durch dieses Wort angezeigt wird, aber nie voll erfassen. So wie wir mit dem Wort „ich" auf unsere Identität hinweisen und sich diese unsere Identität dem beschreibenden und reflektierenden Zugriff immer wieder entzieht und all unser Bemühen um Selbsterschließung transzendiert, so können wir auch mit dem Wort Gott nur auf eine Wirklichkeit hinweisen, die wir erfahren und die doch zugleich Geheimnis bleibt. Von daher sind Tautologien wie „Gott ist G o t t " nicht sinnlos, sondern sie weisen uns auf die Dialektik von Erfahrung und Geheimnis hin. 1 4 0 Der Gebrauch dieses Wortes Gott in der Tradition fordert uns auf, „evoziert" uns nach dieser Wirklichkeit selbst zu fragen. Hilfreich bei dieser Frage nach dem Wort und seiner Erschließungssituation können dabei die Beschreibungen Gottes sein. Wird von Gott etwa gesagt, er sei die „erste Ursache", so ist das Wort Ursache als „model" und das Wort „erste" als „qualifier" anzusehen. 1 4 1 Das Wort Ursache ist ein Modell, mit dessen Hilfe Wirklichkeit verstanden wird. Der Qualifikator „erste" weist uns nun in diesem Zusammenhang darauf hin, daß hier Ursache in ganz bestimmter Weise verstanden wird. Der Qualifikator fordert uns auf, anhand von Beispielen zurückzutragen nach Ursachen, bis wir in einer Erschließungssituation jene erste Ursache, Gott selbst, erfahren. Ähnlich steht es mit anderen Modellen wie Vater, König, Herr. Sie alle weisen etwas auf von der Eigenart Gottes und fordern uns heraus, nach der alles
137
I. T. Ramsey, On the Possibility and Purpose of a Metaphysical Theology, S. 166. 138 Vgl. I. T. Ramsey, Religious Language, S. 42—53; den Ausdruck „Integratorwort" übernehmen wir von J. A. Martin, a.a.O., S. 173. 139 I. T. Ramsey, Religious Language, S. 53. I4» I. T. Ramsey, Models and Mystery, S. 60ff. 141 I. T. Ramsey, a.a.O., S. 15ff.
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bestimmenden Macht selbst zu fragen. Sie sind „Enthüllungsmodelle". J e mehr Modelle unserem Sprechen von Gott zugrundeliegen, um so besser. J e d e s dieser Modelle kann uns auf seine Weise empfänglich machen für die Erfahrung Gottes, für jene Erschließungssituation, die uns dann radikal betrifft und herausfordert. Solche theologischen Modelle können nicht direkt falsifiziert oder verifiziert werden. Sie werden in der Erschließungssituation verstehbar und bedeutsam. Man stellt fest, daß sie unsere Lebenserfahrung erhellen. Sie bieten uns die beste „kosmische Landkarte". „Denn die Theologie gründet sich auf Erkenntnis- und Enthüllungssituationen, in denen, um es allgemein zu sagen, die Welt sich im Umkreis einer Gruppe von Ereignissen, die dadurch kosmische Bedeutung erlangen, o f f e n b a r t . " 1 4 2 Die Dinge der Welt verweisen uns auf G o t t . 1 4 3 In der deutschen Theologie wird solche Interpretation des Wortes Gott differenzierter vertreten, allerdings ohne explizite sprachkritische Analyse, wie dies Ramsey versucht. 1 4 4 Zwei Gesichtspunkte vor allem markieren den Unterschied zu Ramsey: Man spricht nicht von einer Erschließungssituation Gottes aufgrund der Welterfahrung, sondern von der aufbrechenden Frage nach Gott, und man ordnet religiöse Erfahrung bestimmten geschichtlichen Traditionen der Erfahrung Gottes zu. Gott hat sich in der Geschichte kenntlich gemacht und will von dort her verstanden sein. Im einzelnen geht man so vor, daß man die Grundsituation des Menschen aufzeigt. Der Mensch ist gekennzeichnet durch seine Freiheit, seine Sprachlichkeit und seine Geschichtlichkeit. Er ist das Wesen, das die Sinnfrage stellen kann und muß. Wird sich der Mensch dieser seiner Grund-
1 4 2 I. T. R a m s e y , a.a.O., S. 5 8 ; (zitiert nach der Übersetzung bei J . A. Martin, a.a.O., S. 176). 1 4 3 Diesen Rückschluß von der Welt auf G o t t hebt im Anschluß an R a m s e y bei der Behandlung der Gottesbeweise besonders Olthesen—C. G. Braun, Hij die is, S. 89, hervor: „ E s ging uns nicht um eine Erklärung Gottes, sondern um eine Erklärung der uns unmittelbar bekannten Dinge. Von diesen Dingen lesen wir ab, wie sie unmöglich auf sich selbst gestellt bestehen können und wie sie verweisen (,qualified model') auf ein geheimnisvolles, transzendentes und unendliches Wesen . . . S o auch . . . bleibt die S c h ö p f u n g für uns der einzige Weg, der zu Gott führt . . . Gott steigt an unserem Horizont auf, weil uns in einem gewissen Augenblick die Welt als S c h ö p f u n g offenkundig wird (,disclosure'). Die Kenntnis von Gott fällt zusammen mit der Kenntnis von Welt, insofern diese auf eine sie transzendendierende Wirklichkeit verweist." (zitiert nach W. A. de Pater, Theologische Sprachlogik, S. 31). 1 4 4 Zur Problematik der „religiösen Interpretation der Wirklichkeit", die wir hier nur kurz streifen, um die Verbindungslinien zwischen der englischen und der deutschen Diskussion herzustellen, vgl. F. Mildenberger, Theologie für die Zeit. J . Track, K u D 20. 1974, S . 106—137. In diesem Aufsatz zeigen wir die historischen Wurzeln dieser Vermittlungsstrategie auf und nehmen zu den gegenwärtigen Formen ausführlich kritisch Stellung.
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Situation und seiner Grundstruktur bewußt, so wird er zur Frage über sich hinaus nach dem Sinn des Ganzen, zur Frage nach Gott, getrieben. Solche Frage tritt auf, wenn der Mensch die Bedingungen der Möglichkeit seiner Sinnerfahrung bedenkt (Frage nach der Struktur). Solche Frage bricht auf im Bemühen um verantwortliche Gestaltung seines Lebens, im Wahrnehmen seiner Freiheit und Sprachlichkeit (Frage nach den Erfahrungen). Solche Strukturanalyse der Sinnerfahrung, die uns zur Frage nach Gott hin öffnet, zeigt W. Pannenberg auf: „Dennoch können Menschen auf den Gedanken eines letzten, alles umgreifenden Ganzen nicht einfach verzichten, weil auch alles einzelne, das wir erfahren, seine bestimmte Bedeutung erst im Zusammenhang des Ganzen hat, dem es angehört. Und in ähnlicher Weise hat jedes begrenzte Ganze seine Bedeutung wiederum nur als Glied eines größeren Ganzen. In jeder Erfahrung einer bestimmten Einzelheit ist daher schon ein Bewußtsein von dem letztumgreifenden Ganzen alles Wirklichen mitgesetzt, wenn auch meist nur unausdriicklich. Doch der Gedanke der alles umgreifenden Totalität greift hinaus über alles jeweils schon Vorhandene, er zielt nicht auf die Totalität des vorhandenen Kosmos, sondern antizipiert als Sinntotalität die noch nicht vorhandene Vollendung alles Wirklichen und die Macht, die solche Vollendung ermöglicht." 145
Auf die Erfahrungen, die wir in der Welt machen, hebt besonders G. Ebeling ab. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß Ebeling die WortSituation des Menschen als Situation des Empfänger-Seins, des SichVerdankens charakterisiert. Wir verdanken uns anderen. Wir verfügen nicht über das rechte Wort. Liebe und Geliebtwerden, Glück sind nicht machbar, sie müssen uns zukommen. Die Bedingtheit unserer Möglichkeiten bedeutet, beschließt in sich die Möglichkeit des Scheiterns. Erfahrungen der Schuld, des Sinnlosen und des Bösen drängen sich neben Erfahrungen des Gelingens auf. Solche Erfahrungen treiben uns zur Frage nach dem Geheimnis der Wirklichkeit, nach dem Gott, der uns verborgen ist und doch so nah als der Grund all unseres Seins, Sollens und Könnens. 1 4 6 In diesen Verstehenshorizont hinein wird dann die christliche Botschaft von Gott als Antwort auf des Menschen Fragen entfaltet. Die christliche Daseins- und Handlungsorientierung wird aufgezeigt als das von Gott geforderte und ermöglichte Selbstverständnis des Menschen. Gott wird ausgelegt als der gegenwärtige und zukünftige Herr, der sich uns im Geschick Christi kenntlich gemacht hat und der seine Zukunft heraufführen wird. G. Ebeling hebt zur Verifikation solches von christlicher Geschichte bestimmten Redens von Gott auf das Wort Gottes ab, das uns gewiß macht 14
« W. Pannenberg, EvK 4, 1971, S. 631. Vgl. G. Ebeling, Profanität und Geheimnis, bes. S. 196ff.
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und befreit. Jesus ist dieses Wort, das Gott uns zuspricht. Jesus hat die Vollmacht, uns Gott konkret tinzusagen. Durch ihn ist ein Wortgeschehen eröffnet, das uns in die Beanspruchung durch Gott stellt und uns Gottes heilbringende, uns von unserer Schuld befreiende Zusage gewährt. Gott selbst ist der, der uns in die Wahrheit bringt und sich darin als unsere Wahrheit erweist. ,,Wort Gottes ist wesenhaft nicht ein solches das den Kontext, in den es eintritt, bloß ergänzt. Vielmehr entscheidet es über ihn. Und das Verborgene, das durch das Wort Gottes in den Kontext hinein angesagt wird, betrifft deshalb nicht irgendetwas an ihm, sondern den Kontext selbst und im ganzen. Es entscheidet über Tod und Leben." 1 4 7 W. Pannenberg dagegen will das Reden von Gott und die damit verbundenen Aussagen als religiöse Hypothesen auffassen. Sie sind als Hypothesen zu verstehen, in denen eine bestimmte Antizipation der Sinntotalität sich ausdrückt. „Theologische Aussagen stellen sich wie philosophische Hypothesen über die Sinntotalität der Erfahrung dar, aber erstens unter dem Gesichtspunkt der alles Gegebene in seiner noch unvollendeten Totaltiät letztlich bestimmenden Wirklichkeit und zweitens im Hinblick darauf, wie sich diese göttliche Wirklichkeit im religiösen Bewußtsein bekundet hat." 1 4 8 Diese Hypothesen sind nun an unserer Erfahrung in unserer Lebenswelt zu bewähren. Es wird danach zu fragen sein, ob sie die Integration leisten, die sie als Aussagen über das Ganze der Wirklichkeit in seiner Geschichte beanspruchen. Es wird danach zu fragen sein, ob sie im Gegenüber zu anderen Sinnantizipationen und im Gespräch mit gegenwärtiger Sinnerfahrung in Philosophie, Wissenschaft und Praxis des Lebens sich bewähren. „Der Gedanke Gottes als der seinem Begriff nach alles bestimmenden Wirklichkeit ist an der erfahrenen Wirklichkeit von Welt und Mensch zu bewähren. Gelingt solche Bewährung, dann ist sie nicht durch eine dem Gottesgedanken äußerliche Instanz erfolgt, sondern das Verfahren erweist sich dann als der Form des ontologischen Gottesbeweises gemäß, als Selbstbeweis Gottes." 1 4 9 c) Einführung
über die religiöse
Erfahrung
Auf religiöse Erfahrung haben die Theorien des Vertrauens implizit und die obige Theorie explizit abgehoben. Religiöse Erfahrung ist die Grundlage der Erkenntnis Gottes. Gott erschließt sich uns in der Welt in geschichtlichen Situationen und bewahrheitet darin unser Reden von Gott. Welcher Art ist diese Erfahrung? Die vorher aufgezeigten Theorien gehen zwar von der Möglichkeit der religiösen Erfahrung aus, zeigen jedoch bis auf Ramw 148 149
G. Ebeling, Gott und Won, S. 427. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, S. 344. W. Pannenberg, a.a.O., S. 302.
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sey nicht, wie diese religiöse Erfahrung näher zu charakterisieren ist. Wenden wir uns also den Theorien zu, die das Wort Gott allein von religiöser Erfahrung oder — religionskritisch wie bei Barth — allein von der Offenbarungserfahrung (besser: der Offenbarung Gottes) her einführen wollen. Wie wird dort religiöse Erfahrung bestimmt? Ramsey hatte die religiöse Erfahrung als Erfahrung in Erschließungssituationen beschrieben. Eine Erfahrung, die man nicht herbeizwingen kann, eine Erfahrung, die uns zuteil wird. Wird sie uns zuteil, so nimmt uns diese Erfahrung in die Pflicht. Anders als durch solche geschenkte und verpflichtende Erfahrung werden wir Gottes nicht gewiß. Die hier zu behandelnden Theorien gehen über diese Bestimmung der religiösen Erfahrung in zweifacher Hinsicht hinaus. Zum einen reden sie nicht nur in neutralen Begriffen, wie „Erschließungssituation", „uns geht etwas" auf" usw., von der religiösen Erfahrung, sondern verstehen religiöse Erfahrung als ein Geschehen, das von Gott ausgeht. Zum anderen wird solcher Erfahrung Gottes ein ganz bestimmter Ort zugewiesen. Sie wird ermöglicht durch Gottes konkretes Handeln in der Geschichte, das sich in besonderer Weise in Jesu Leiden, Sterben und Auferstehung zeigt. H. Farmer bestimmt die religiöse Erfahrung als ein Geschehen zwischen Ich und Du. 1 5 0 Von Buber herkommend, will er die Besonderheit der religiösen Erfahrung in ihrem personalen Charakter sehen. Unser Wissen von Gott ist nicht Ergebnis von Schlußfolgerungen, sondern wir erfahren Gott in der religiösen Erfahrung als ein Du, das uns in Anspruch nimmt, ermächtigt und befreit. So wie der personalen Begegnung Unmittelbarkeit eignet, so eignet auch unserer Begegnung mit Gott Unmittelbarkeit. Gott beglaubigt sich in dieser Erfahrung selbst. Darum dürfen wir von Gott als einer Wirklichkeit sprechen. Dies erlaubt uns, von Gott als dem Vater zu sprechen, denn wir begegnen einer Person, die uns alles gewährt und uns in allem beansprucht. Wir erkennen in dieser Begegnung den Sohn, der sich für die Menschen am Kreuz hingab. Wir begegnen dem Heiligen Geist, der uns auch in den Schichten unseres Seins trifft, die unbewußt sind. Solche Erfahrung Gottes ist eine Erfahrung eigener Art, keiner anderen Art von Erfahrung vergleichbar. „The Christian in his worship is aware of being in relation to a reality which is sui generis, essentially and radically different from any other kind of reality with which it is possible to be in relation." 1 5 1 Diese Besonderheit der Erfahrung erlaubt es uns nicht, Gott in angemessenen Begriffen aus unserer Wirklichkeit auszusagen. Sie erlaubt es uns nicht, Gott ganz zu erfassen. So wie sich schon die menschliche Person dem Zugriff beherrschenden Erkennens entzieht, so entzieht
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H. H. Farmer, Revelation and Religion, isi H. H. Farmer, a.a.O., S. 50.
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sich auch Gott dem Zugriff, wo man ihn in unseren Kategorien festmachen will. Mit diesen Ausführungen Farmers sind die grundlegenden Aussagen zur religiösen Erfahrung, so wie sie in der Diskussion mit der Analytischen Philosophie gesehen sind, vorgegeben. Alle weiteren Versuche, die in dieser Diskussion das Reden von Gott, seinem Handeln und seiner Wirklichkeit durch die Berufung auf die religiöse Erfahrung begründen wollen, stellen nur Differenzierungen einzelner Aussagen von Farmer d a r . 1 5 2 So heben etwa D. Inge und E. P. Dickie hervor, daß das Wort Liebe nicht „ a n a l o g " auf Gott angewendet wird. Da Gott uns das Personsein in seinem Schöpfungshandeln ermöglicht hat und auch die personale Beziehung der Liebe, ist Liebe unter Menschen in ihren höchsten Formen der Liebe Gottes zu uns verwandt: ,, . . . when we say that God is Love we make this affirmation not merely ,analogically' but directly. In other words, love as we know it differs from divine love in degree, but not in k i n d . " 1 5 3 D. M. Baillie hebt hervor, daß die religiöse Erfahrung der einzige Weg der Erkenntnis Gottes ist. ,,God can be known only in a direct personal relationship, an ,I-and-Thou' intercourse, in which He addresses us and we respond to H i m . " 1 5 4 Solche Erfahrung wird öffentlich in der Glaubensgemeinschaft, in der über sie Rechenschaft abgelegt wird. Sie ist bestimmt durch die Erfahrungen Gottes in der Geschichte Israels und der christlichen Kirche, von der her die Auslegung der persönlichen Erfahrung geleitet wird und vor der sich die eigene Erfahrung ausweisen muß. 1 5 5 W. Hordern hebt hervor: „Personale Aussagen werden nur dann verifiziert, wenn wir eine personale Beziehung zu der Person aufnehmen, über die wir die Aussagen m a c h e n . " 1 5 6 Darum bedarf es zur Verifikation des Evangeliums erst seiner Verkündigung und seiner Annahme. Diese Aussagen über die Eigenart der religiösen Erfahrung stehen den Aussagen Karl Barths über die Eigenart der Offenbarung und des christlichen Glaubens sehr nahe und sind auch teilweise direkt von ihm beeinflußt (freilich in einer „Terminologie", die Barth vermutlich weniger gefallen hätte). Barth hebt in gleicher Weise den personalen Charakter der Begegnung von Gott und Mensch hervor. Er unterscheidet die christliche Offenbarung in ihrer Besonderheit von allen anderen „Offenbarungen", von 152 Vgl. a. die Darstellung der verschiedenen Theorien bei F. Ferré, Language, Logic and God, S. 94ff. (The Logic of Encounter). D. Inge, Mysticism in Religion, S. 72 (zitiert nach Ferré, a.a.O., S. 97). D. M. Baillie, God was in Christ, S. 108. 155 Dies betont auch besonders J . M. Crombie, The Possibility of Theological Statements, S. 3 I f f . 's« W. Hordem, Speaking of God, S. 172. ls3
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Track, Untersuchungen
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aller Religion und Philosophie. Er zeigt, daß es sich um ein Geschehen handelt, das von dem dreieinigen Gott ausgeht. Wir brauchen dies hier nicht weiter zu entfalten. Lassen wir statt dessen zum Schluß unserer Feldanalyse Karl Barth selbst zu Wort k o m m e n : „Im Ereignis des Glaubens geht es — es ,geht', es läuft, es passiert da wirklich etwas! — darum, daß das Wort Gottes in der ihm als solchen eigenen lebendigen Macht des Geistes, und so in der nur ihm eigenen Souveränität einen Menschen unter vielen dazu befreit — daß also ein Mensch unter Vielen dazu frei wird, wieder und wieder als dazu Befreiter da sein darf; eben dieses Wort als für die Welt, für die Gemeinde und schließlich für ihn selbst als schlechthin tröstlich und hilfreich, aber auch verbindlich und also undiskutierbar gültig zu bejahen — auf das, was es als Gottes Selbstaussage von seiner Liebe zur Welt, zu seinem Volk und auch zu ihm ausspricht, sein ganzes freudiges Vertrauen zu setzen — ihm vorbehaltlos gehorsam zu werden. Keiner tut das von sich aus. Das tut Einer nur, indem er durch Gottes geistesmächtiges Wort überwunden und durch ihn zu solchem T u n erweckt und neu geschaffen wird. Es ist aber in seiner Herkunft von Gottes freiem Wort und in seiner Ausrichtung auf diese echt und frei sein eigenes Tun. Nicht etwa Gott in ihm, sondern von Gott dazu berufen und ermächtigt, er, dieser kleine Mensch selbst bejaht, vertraut, gehorcht." 1 5 7
d)
Stellungnahme
Soll das Wort Gottes als ein Eigenname oder als eine Kennzeichnung verstanden werden, so steht nur der Rückgriff auf eine Einführung und Begründung dieses Redens durch religiöse Erfahrung zur Verfügung. Wer Gott als ein wirkliches Gegenüber ansieht, das diese Welt geschaffen hat, den Menschen zu bestimmter Daseins- und Handlungsorientierung ruft und verpflichtet, den Menschen befreit und in allem Scheitern und Versagen ermutigt und ermächtigt, neu anzufangen und sich selbst anzunehmen, der muß solches Reden in religiöser Erfahrung begründen. Alle hier vorgestellten Theorien heben in mehr oder weniger deutlicher Weise auf die religiöse Erfahrung ab, mag sie n u n direkt beim Namen genannt sein oder als Erschließungssituation, Bewahrheitung durch G o t t oder Offenbarungsgeschehen bezeichnet werden. Darin erweisen sich diese Theorien als konsequent. Einen anderen Weg, kognitive sinnvolle Aussagen über Gott zu machen, sehen wir nicht. Nur, da liegt eben auch das Problem. Befriedigt der Verweis auf die religiöse Erfahrung? Kann religiöse Erfahrung, wie sie uns hier vorgestellt wird, als ein geklärter Begriff angesehen werden? Hält die Rede von religiöser Erfahrung und die damit gegebene Begründung des Redens von G o t t kritischer Nachfrage stand? Oder noch einen Schritt zurück: Wird durch den Verweis auf solche Erfahrung die Verständlichkeit
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K. Barth, Einführung in die evangelische Theologie, S. 1 1 2 / 1 1 3 . Vgl. a. die kleine Schrift von Barth, Das christliche Verständnis der Offenbarung. In dieser Schrift macht Barth seine Position in außerordentlicher Schärfe und Prägnanz deutlich.
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des Redens von Gott hinreichend gesichert? Verständliche Rede war ja Vorbedingung für jeden sinnvollen Dialog. Wir wollen die einzelnen Theorien daraufhin durchgehen: Sicher ist es von Mitchell in seiner Parabel zutreffend erkannt, daß Glaube in sich ein Moment der Entscheidung und ein Moment des Vertrauens birgt. Wo es um die Grundrichtung unseres Lebens geht, da können wir nicht mehr mit zwingenden, absolut evidenten Gründen, mit allen einleuchtenden Rechtfertigungen argumentieren. Die Annahme von Grundnormen ist eine Sache der Einsicht und damit auch der Entscheidung. Die Perspektive auf die Welt ist als Interpretation an den Fakten orientiert und doch nicht bloß auf Fakten gestützt. Welchen „blik" einer hat, das liegt immer auch ein Stück weit in seiner Entscheidung und liegt daran, wem er vertraut. 1 5 8 Doch wir haben in der Darstellung unserer Kriterien für begründetes Reden und gerechtfertigtes Handeln darauf aufmerksam gemacht, daß zwischen Willkür und blindem Gehorsam einerseits und um gemeinsame Begründung und Rechtfertigung bemühtem Reden und Handeln andererseits unterschieden werden muß. Aufgrund solcher Kriterien muß das Festhalten des Mitglieds der Widerstandsbewegung an seinem Vertrauen zu dem Fremden kritisch beurteilt werden. Gewiß, es ist ein Argument, wenn einer durch eine Begegnung beeindruckt ist. Aber da haben seine Freunde nach unserer Auffassung Recht, wenn kein Punkt angegeben werden kann, an dem nun kenntlich wird, auf welcher Seite er ist, wird ein solches Vertrauen zur Willkür. Auf Gott ausgelegt: Wenn Gott nicht in seinem Handeln kenntlich wird, und alles unter dem Namen Gottes und in seinem Namen geschehen kann und darf, dann wird die Rede vom Handeln Gottes leer, das Vertrauen zu Gott zu willkürlicher Setzung. Was macht es, wenn wir von einem Gott reden, der nicht kenntlich wird? Sollte man solche Rede nicht weglassen? Diese Anfragen sind auch an Bochenskis Ausgangspunkt zu stellen. Wer sagt uns, daß die, die davon sprechen, Gott erfahren zu haben, nicht einer Illusion erlegen sind? Was läßt es als begründet erscheinen, daß die Mehrheit der Glaubenden ihnen vertraut? Zumindest die Gründe dafür müßten angegeben werden. Auch J o h n Hicks Konzeption befriedigt nicht. Sicherlich gehört zum christlichen Glauben die Hoffnung auf die Zukunft Gottes und auf das Kommen seines Reiches in aller Herrlichkeit. Was nützt aber solche Verheißung künftigen Geschehens, das alles in seiner Wahrheit erweisen wird,
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Dabei wird die Rede von Entscheidung noch einmal zu hinterfragen sein auf die Faktoren, die „freie Entscheidung" zumindest mitbestimmen. Freiheit wäre in einem ersten Schritt als Möglichkeit der kritischen Negation (Adorno) zu verstehen, die immer zugleich von dem bedingt ist, was sie kritisch negiert.
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wenn wir hier und jetzt uns ein Urteil über die Wahrheit religiöser Überzeugungen bilden wollen, wie vorläufig und inkompetent dieses Urteil auch immer sein mag. 1 5 9 Wir sind hier und jetzt gefragt, wie wir es mit dem Reden von Gott halten. Bleibt hier nur der Verweis auf zukünftige Wahrheit? Ganz abgesehen davon, daß Jesus hier und jetzt für sich Wahrheit beansprucht hat, kann solche Konzeption nicht befriedigen, weil sie uns hier und jetzt zu nicht nur letztlich, sondern überhaupt unbegründeten Entscheidungen auffordert. Darüber hinaus muß von sprachkritischer Seite aus gefragt werden, was, bei Lichte besehen, eine Rede von eschatologischer Verifizierung, von Erfahrungen nach dem Tode heißen kann. Kann man von „Erfahrungen nach dem T o d e " reden? Verstehbar kann das Wort Erfahrung nur hier und jetzt eingeführt werden. Erfahrung nach dem Tode kann nur metaphorisch gemeint sein. Aber was meint es? Wer nicht schon hier etwas von dem „neuen Leben" erfahren hat, das sich im Kommen des Reiches Gottes realisiert, und von dort her Hoffnung auf ein Leben in einer zukünftigen Welt hat, das die Identität unseres Personseins bewahrt, dem wird solches Reden von der Erfahrung nach dem Tode zum bösen Spiel. 1 6 0 Ramsey ist es gelungen, mit seiner Charakterisierung der religiösen Erfahrung als Erschließungssituation die Eigenart solcher Erfahrung näher zu beschreiben. Es gibt solche Erfahrungen, in denen uns „ein Licht aufgeht". Auch dort, wo Gott erkannt wird, sehen wir alles in neuem Licht. Sehr schön hat Ramsey auch deutlich gemacht, daß man solche Erfahrungen nicht erzwingen kann, sie müssen uns zuteil werden. Sie verpflichten uns, lassen uns nicht in unbeteiligter Distanz. Doch an seiner Konzeption bleibt aus sprachkritischer Sicht zweierlei unbefriedigend. Was wird erschlossen? Daß es sinnvoll ist, Leitbegriffe zu verwenden und dabei auch das Wort Gott als Leitbegriff für Mensch und Welt, sei nicht bestritten. Aber das Wort Gott hätte dann als Leitbegriff keine andere Funktion als das Wort „Wirklichkeit". 161 Ramsey geht es um „mehr", um die Erfahrung 1 5 9 Diesen Einwand erhebt W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von G o t t ? , S. 633, zu Recht gegen Hick. 1 6 0 Vgl. auch die Kritik der A u f f a s s u n g von Hick bei J . A. Martin, a.a.O. S. 98f. 1 6 1 Wirklichkeit können wir als den Leitbegriff verstehen, der für „alles, was i s t " steht. Auch die neuen Argumente, die R a m s e y in seiner posthum veröffentlichten Vorlesung vorgetragen hat (J. T . R a m s e y , Models for Divine Activity) bringen keine hinreichende Klärung. Wenn Ramsey, um einerseits den Subjektivismus zu überwinden und um andererseits sein Reden von Gott als Gegenüber zu begründen, von der „ A k t i v i t ä t " G o t t e s (= Gottes Handeln) ausgeht, so bleiben hier auch die Fragen o f f e n , was der verständliche Kern solch metaphorischen Redens vom Handeln Gottes ist, und wie bei solchem Reden von Gottes Handeln zwischen einer Fiktion und einer sachgemäßen Interpretation einer Erfahrung unterschieden werden kann. (Frage nach der Lehr- und Lernsituation).
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einer transzendenten Macht, die Grundgeheimnis unserer Wirklichkeit ist. Doch kann man sich über dieses „ m e h r " verständigen? Kann hier nicht jeder von sich eine Erschließungssituation behaupten? Wo liegt hier die Unterscheidung zwischen Fiktion und Wirklichkeit? Gewiß wird es jede Theorie der religiösen Erfahrung schwer haben, solche Fragen zu beantworten. Dennoch müssen sie gestellt werden. Ramsey bleibt uns hier Antworten schuldig. Darüber hinaus wird christliches Reden von Gott sich nicht mit dem Verweis auf allgemeine Erschließungssituationen zufrieden geben können. Geht es um eine allgemeine Gottesvorstellung, die beliebig inhaltlich gefüllt werden kann? Christliches Reden von Gott weiß sich gebunden an die Geschichte Gottes mit uns. In welchem Zusammenhang steht gerade diese Geschichte Gottes, in der er sich uns kenntlich macht, mit den j e individuellen Erschließungssituationen? Auch hier bleibt Ramsey eine hinreichende Antwort schuldig. Die Theorien von Pannenberg und Ebeling, die wir hier stellvertretend für die gegenwärtige Gestalt einer großen theologischen Tradition angesprochen haben, erweisen sich als Verstehenshilfe für das Reden von Gott, indem sie in einem ersten Schritt deutlich machen, welchen Ort das Reden von G o t t innerhalb unseres Redens einnimmt. Das Reden von Gott muß in seiner Beziehung zu Antizipationen der Sinntotalität gesehen werden. Theologische Aussagen beziehen sich auf unsere Grunderfahrungen. Ein Verständnis des Wortes G o t t , als Wort, das sich auf die menschlichen Grundfragen als Antwort bezieht, kann damit eröffnet werden. Ob allerdings die Frage nach Gott als eine notwendige Frage aufgewiesen werden kann, erscheint uns zweifelhaft. Andere philosophische Konzeptionen, die die Grundsituation des Menschen in gleicher Weise sehen, verzichten auf diese Frage, und dies muß nicht willkürliche Beschränkung der Reflexion, die sich gegenwärtiger Mode anpaßt, sein. 1 6 2 Geleistet werden kann, daß von der christlichen Botschaft her die Frage nach Gott als eine mögliche Frage und nach dem Verständnis des Glaubens als eine notwendige Frage aufgezeigt wird. Geht es aber dann darum, die christliche Antwort auszulegen, so ist auch die religiöse Interpretation der Wirklichkeit auf konkrete religiöse Erfahrungen in der Geschichte Gottes mit uns angewiesen. Es kann j a nicht darum gehen, von einer alles bestimmenden Wirklichkeit auszugehen, die in ihrem Wollen und Handeln nicht näher gekennzeichnet wird. 162 Vgl. P. Pannenbergs Kritik an solchen philosophischen Positionen in: Wissenschaftstheorie und Theologie, S. 307. Pannenberg spricht davon, daß „die Mode des Tages die Selbstbescheidung einer an dieser Stelle versagenden Reflexion als Fortschritt des Denkens" ausgeben kann. Eine ausführliche Zurückweisung dieses Vorwurfs von Pannenberg bringen wir in dem oben angezeigten Aufsatz zum Problem der religiösen Interpretation der Wirklichkeit.
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Wo solche nähere Kennzeichnung unterbleibt oder wo etwa auf dem Wege der analogia entis all dies, was von der Welt ausgesagt wird, via negationis und via eminentiae noch einmal von Gott ausgesagt wird, da bleibt das Reden von Gott leer oder erbringt bloße „Verdoppelung" unseres Weltwissens. Auf religiöse Erfahrungen gründet sich bestimmtes Reden von Gott. In religiöser Erfahrung bewahrheitet sich unser Glauben an ein transzendentes Gegenüber, dieses transzendente Gegenüber. So sieht es G. Ebeling. W. Pannenberg möchte über solche Weise der Bewahrheitung hinaus kommen, da die „Gegenständlichkeit der unmittelbaren religiösen Erfahrung in dieser ihrer Unmittelbarkeit noch der intersubjektiven Gültigkeit" entbehrt. 1 6 3 Wollen religiöse Äußerungen über Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit als kognitiv sinnvolle Sätze verstanden werden, dann gilt auch für sie, „daß ein Satz nur dann sinnvoll ist, wenn sich angeben läßt, unter welchen Bedingungen er wahr ist." 1 6 4 Pannenberg will darum einen Ort angeben, an dem sich solche Aussagen bewähren können. Wir haben dies oben entfaltet. An dieser Konzeption Pannenbergs erscheint von unserem sprachkritischen Standpunkt aus zutreffend, daß in der Tat nur solche Aussagen (deskriptive Redeweise) sinnvoll sind, die einer — wie auch immer gearteten — Überprüfung zugänglich sind. Aber es bleiben auch hier zwei Fragen. Bevor solche religiösen Hypothesen überprüft werden können, müssen sie verstanden werden. Wie aber wird solches Verstehen — zumindest in seinem Kern — gesichert? Was meint Gnade, Vergebung, Verheißung Gottes? Es bedarf schon vorher einer Auslegung Gottes. 1 6 5 Nach welchen Kriterien erfolgt sie? Pannenberg gibt uns hier, um es vorsichtig zu formulieren, keine hinreichende Auskunft. Dann haben wir schon darauf hingewiesen, daß „bewährt" ein dreistelliger Metaprädikator ist. Aufgrund welcher Kriterien vergibt jemand den Prädikator bewährt? Wie kann hier ein unendlicher 163 w. Pannenberg, a.a.O., S. 303. IM W. Pannenberg, a.a.O., S. 277. 165 Die Bestimmung Gottes als alles bestimmenden Wirklichkeit kann, wie Pannenberg selbst hervorhebt, nur ein erster Schritt sein. „Der Gedanke der alles bestimmenden Wirklichkeit gibt zwar bei weitem noch keine erschöpfende Auskunft über die göttliche Wirklichkeit — es sei im Sinne des biblischen Gottes oder in dem irgendeiner anderen Religion oder Philosophie. Aber es handelt sich bei ihm um eine fundamentale Bedingung sowohl der biblischen als der philosophischen Tradition des Redens von Gott, charakteristisch für den beiderseitigen sogenannten Monotheismus" (Wie wahr ist das Reden von Gott?, S. 631). „Alles bestimmende Wirklichkeit" kann nur eine formale Relation aussagen (vgl. unsere Überlegungen zur Objektsprache). Wir stimmen Pannenberg zu, daß dies der kleinste gemeinsame Nenner des Redens von Gott im christlichen Sinn ist. Aber interessant wird es doch erst, wenn Näherbestimmungen erfolgen. Wie sieht hier der hermeneutische Prozeß aus? Auf welche Basis gesicherter Verständlichkeit können wir hier in der „hermeneutischen Spirale" zurückgreifen?
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Regreß, in dem immer weiter zurückgefragt wird, warum etwas bewährt ist, vernünftig abgebrochen und solcher Abbruch von Willkür unterschieden werden? Auch hier bleiben viele Fragen offen. Den Theorien über religiöse Erfahrung gelingt es sehr zutreffend, den besonderen Charakter der religiösen Erfahrung, insbesonders als Zeugnis einer personalen Begegnung, deutlich zu machen. Christliche Erfahrung Gottes ist die Erfahrung eines Du, das den Menschen betrifft, befreit und zu neuem Leben ermächtigt. Sehr deutlich wird auch die christliche Erfahrung als Erfahrung nicht irgendeines Gottes, sondern als Erfahrung dieses einen Gottes aufgezeigt, der uns in der Geschichte als der Vater, der Sohn und der Geist begegnet. Doch auch hier müssen kritische Anfragen gestellt werden. Die Kommunikation von Personen hat ihren sichtbaren Anhaltspunkt und Ausgangspunkt am öffentlich zugänglichen Verhalten der Person, an ihrer öffentlich zugänglichen Begegnung. Solche Öffentlichkeit ist in der Erfahrung eines göttlichen Du nicht gegeben. So sehr wir auch bei der Begegnung von Mensch zu Mensch den anderen intuitiv in seinem Wesen erfassen, so sehr ist doch solche intuitive Erfassung des anderen und seine Interpretation immer wieder an Fakten gebunden. Für das Reden von Gott als ,,Du" steht uns solche Korrekturmöglichkeit durch konkrete Prüfung der Fakten nicht zur Verfügung. Was aber erlaubt uns dann, hier zwischen Wirklichkeit und Illusion zu unterscheiden? Irgendeine Anwendung, ein angebbares Ereignis oder eine angebbare Erfahrung muß da sein, wenn da wirklich etwas „geht", „läuft", „sich ereignet". Woran weist sich die religiöse Erfahrung aus? Man kann hier, wie Farmer und Barth, auf die Erfahrung der Glaubensgemeinschaft verweisen, vor denen sich eigenes Reden von Gott ausweisen muß. Aber dann gilt es, zu klären, welche gemeinsame Erfahrung hier verbindet. Woher weiß man, „daß ein Gefühl der Befreiung, die Lösung eines seelischen Konflikts oder das Erscheinen neuer Einstellungen gegenüber dem Leben ,ein Erfahren des auferstandenen Christus' oder, um van Burens Terminologie zu übernehmen, ein Erfahren der ,ansteckenden Freiheit' ist, die vom ,Osterereignis' ausstrahlt? " 1 6 6 Wenn religiöse Erfahrung eine Erfahrung sui generis und völlig private Erfahrung ist, dann ist solches Reden vom sprachkritischen Standpunkt aus unannehmbar und unsinnig. Es ist sinnlos, von einem Erlebnis zu reden und dann zu behaupten, man könne dieses Erlebnis aufgrund seiner Besonderheit nicht beschreiben, man könne sich nur auf solches Erlebnis (welches?) einlassen, dann werde man die Wahrheit der Aussagen über Gott erfahren. Woran erkennen sich denn Glaube und Glaube? Woher wissen sie, daß sie dasselbe Erlebnis meinen? Es ist unmöglich, von einer Privatsprache auszugehen, von völlig privaten, inneren Erfahrungen, und diese dann nachträglich in einen öffentlichen 166
J . A. Martin, a.a.O., S. 91.
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Sprachgebrauch einbetten zu wollen. Es sei nur an das Käfergleichnis von Wittgenstein erinnert: Dort heißt es zum Schluß: „Nein, durch dieses Ding in der Schachtel kann ,gekürzt werden', es hebt sich weg, was immer es ist." 1 6 7 Das Ergebnis dieses Durchgangs ist ernüchternd. Das Reden von Gott als Eigennamen für ein transzendentes Gegenüber, als Namen für die alles bestimmende Wirklichkeit ist in religiöser Erfahrung begründet. Aber es gelingt den vorliegenden Theorien nicht, trotz mancher beachtenswerter Hinweise zur Eigenart der religiösen Erfahrung, diese religiöse Erfahrung aus dem Bereich des privaten Sprachgebrauchs, sei es durch Privatsprache eines einzelnen oder einer Gruppe, deren Verständigung untereinander dann nicht gesichert ist, herauszuheben. K. Barth weist hier einen Weg, indem er insbesonders auf das Zeugnis der Schrift und der Gemeinde als Ort verbindlichen Redens von Gott hinweist. Doch auch bei ihm wird das Offenbarungsgeschehen zu einem Ereignis, das sich jeglicher Nachprüfung entzieht. Er fordert gerade die Preisgabe des Beurteilerstandpunkts. Auch Pannenbergs Forderung der Bewährung bleibt im Dunkeln, da der Prädikator „bewährt" nicht mehr hinterfragt wird. Bedeutet dies die Alternative: Entweder Berufung auf nicht hinterfragbare Subjektivität oder Verzicht auf Reden von Gott als Eigenname, der eine Wirklichkeit anzeigt? Diese Alternative befriedigt nicht. Auf der einen Seite gelingt es nicht, das Handeln Gottes an uns anzusagen (Rechtfertigungsgeschehen, extra nos), auf der anderen Seite wird der Glaube in die Ecke von Willkür gestellt. Wir müssen versuchen, über diese Alternative hinauszukommen. Dies wird schwierig. Eine „glatte Lösung" zeigt sich nicht. Doch der Versuch muß gewagt werden. l