Sozialpolitische Entscheidungen der Europäischen Union: Modellierung und empirische Analyse kollektiver Entscheidungen des europäischen Verhandlungssystems [1 ed.] 9783428486519, 9783428086511


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Sozialpolitische Entscheidungen der Europäischen Union: Modellierung und empirische Analyse kollektiver Entscheidungen des europäischen Verhandlungssystems [1 ed.]
 9783428486519, 9783428086511

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WILLI SCHNüRPFEIL

Sozialpolitische Entscheidungen der Europäischen Union

Sozialpolitische Schriften Heft 71

Sozialpolitische Entscheidungen der Europäischen Union Modeliierung und empirische Analyse kollektiver Entscheidungen des europäischen Verhandlungssystems

Von Willi Schnorpfeil

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Schnorpfeil, Willi: Sozialpolitische Entscheidungen der Europäischen Union : Modeliierung und empirische Analyse kollektiver Entscheidungen des europäischen Verhandlungssystems I von Willi Schnorpfeil. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Sozialpolitische Schriften ; H. 71) Zug!.: Mannheim, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08651-1 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: W erner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0584-5998 ISBN 3-428-08651-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 S

Vorwort Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bei der Anfertigung dieser Arbeit unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt Angelika Blum, die mir nicht nur ihren Taschenrechner geliehen und die Arbeit Korrektur gelesen hat, sondern die vor allem die Aufgabe gelöst hat, meinen Gemütszustand stabil zu halten. Auf fachlicher Seite bedanke ich mich bei meinem Professor Franz U. Pappi, der mich durch die Art seiner Forschung wesentlich geprägt hat und mit seinem Rat großen Anteil am Gelingen der Arbeit hatte. Außerdem möchte ich mich bei Christian Henning bedanken, mit dem ich gerade in bezug auf den Modellteil der Arbeit anregende Diskussionen führen konnte, und der mir, wenn nötig, beratend zur Seite stand. Marlene Alle und Christian Melbeck kommt der Verdienst zu, das Netz im Mannheimer Zentrum jederzeit stabil gehalten zu haben. Ihre Unterstützung auf technischer Seite läßt sich nicht hoch genug bewerten. Helmut Schaeben danke ich für einige mathematische Tips, die meine Berechnungen bedeutend verkürzt haben. Ich bedanke mich zudem bei Birgit Blum, deren Unterstützung mir sehr hilfreich war, sowie bei Paul Thurner, der sich zuletzt die Mühe gemacht hat, einzelne Kapitel durchzusehen. Außerdem möchte ich Achim Schalter danken, der dann Zeit hatte, als es eng wurde sowie meinen Eltern, die gleichfalls ihren Teil beigetragen haben. Zudem möchte ich dem Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung sowie der Stiftung Volkswagenwerk danken, die diese Forschung ermöglicht und finanziert haben.

Mannheim, Dezember 1995

Willi Schnorpfeil

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung.................................................................................................................. 13 B. Die EU als korporativer Akteur ................................................................................ 17 I. Colemans Theorie des Ressourcenpoolings ..................................................... 18 II. Das Dilemma der Organisation ........................................................................ 21 1. Das Entscheidungsproblem ............................-............................................. 23 2. Das Verteilungsproblem.............................................................................. 25 C. Die Entscheidungsstruktur der EU............................................................................ 29 I. Entstehung der EU ........................................................................................... 30 II. Organe der EU ................................................................................................. 32 1. Die Kommission .......................................................................................... 32 2. Der Ministerrat ............................................................................................ 35 3. Das Europäische Parlament ......................................................................... 38 4. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß .......................................................... 41 5. Der Europäische Gerichtshof (EuGH)......................................................... 42 D. Machtverhältnisse und Entscheidungsverfahren in der EU ...................................... 44 I. Untersuchungsziele .......................................................................................... 44 II. Geschwindigkeit gemeinschaftlicher Entscheidungen ..................................... 47 III. Grundprobleme von Entscheidungsverfahren .................................................. 50 1. Die Art des Verhandlungssystems .............................................................. 51 2. Die Effizienz europäischer Entscheidungen und der Mechanismus der Entscheidungsfindung ........................................................................... 53 3. Die Optimalität von Entscheidungen unter Einstimmigkeit ........................ 55 4. Die Intensität der Präferenzen ..................................................................... 59 IV. Machtindizes .................................................................................................... 60 1. Das Konsultationsverfahren ........................................................................ 64 2. Das Verfahren der Zusammenarbeit ............................................................ 69 a) Koalitionsmöglichkeiten des Ministerrates ............................................ 75 b) Koalitionsmöglichkeiten des EP ............................................................ 76 c) Koalitionsmöglichkeiten der Kommission ............................................. 76 d) Machtindizes im Verfahren der Zusammenarbeit .................................. 77 3. Das Kodezisionsverfahren und seine Auswirkungen auf die Machtverhältnisse in der EU ................................................................. 83 V. Kohärenz der europäischen Fraktionen ............................................................ 92 E. Europäische Sozialpolitik ....................................................................................... 105 I. Grundlagen Europäischer Sozialpolitik ......................................................... 105

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Inhaltsverzeichnis

II. Die Anfänge Europäischer Sozialpolitik ........................................................ 110 III. Europäische Sozialpolitik seit der EEA ......................................................... 114 IV. Europäische Sozialpolitik ab Maastricht.. ...................................................... 119 V. Policies seit der EEA ...................................................................................... 123 F. Verhandlungen zur Nachweisrichtlinie ................................................................... 130 I. Einleitung ....................................................................................................... 130 II. Inhalt des Kommissionsvorschlags ................................................................ 131 III. Schriftlichkeit des Arbeitsvertrages ............................................................... 133 IV. Die Stellungnahme des WSA ......................................................................... 134 V. Die Iuxemburgische Präsidentschaft .............................................................. 135 VI. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments.......................................... 136 VII. Der geänderte Kommissionsvorschlag ........................................................... 137 VIII. Die Richtlinie des Rates ................................................................................. 138 IX. Bewertung ...................................................................................................... 139 G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie ................................................................. 141 I. Einführung ..................................................................................................... 141 II. Arbeitszeitschutz auf EG-Ebene .................................................................... 146 III. Arbeitszeitstandards in den Mitgliedstaaten der EU ...................................... 148 IV. Der Richtlinienentwurf der Kommission ....................................................... 150 1. Die Erwägungen der Kommission ............................................................ 151 2. Die einzelnen Vorschriften ........................................................................ 151 V. Die Stellungnahme des WSA ......................................................................... 153 VI. Die I. Lesung des Europäischen Parlaments .................................................. 154 VII. Der Änderungsvorschlag der Kommission .................................................... 159 VIII. Die Verhandlungen im Rat... .......................................................................... 160 I. Die Ministerratstagungen bis zur Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates ............................................................................. 161 IX. Die 2. Lesung des Europäischen Parlaments .................................................. 164 1. Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament zur 2. Lesung .......... 166 X. Verabschiedung der Arbeitszeitrichtlinie ....................................................... 168 H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie .................................................................... 170 I. Problemzusammenhang ................................................................................. 170 II. Ursprungsland- oder Beschäftigungslandprinzip ........................................... 172 III. Regelungen in den Mitgliedstaaten der EU .................................................... 174 IV. Der Vorschlag der Kommission ..................................................................... 177 V. Die Stellungnahme des WSA ......................................................................... 181 VI. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments .......................................... 182 I. Die Abstimmungen im Plenum ................................................................. 184 VII. Der geänderte Kommissionsvorschlag ........................................................... 188 I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie ............................................................... 190 I. Zusammenhang .............................................................................................. 190 II. Zur Ausgangslage in den Mitgliedstaaten ...................................................... 195

Inhaltsverzeichnis

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III. Die Vredeling-Richtlinie ................................................................................ 201 IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat... ............................ 203 I. Kommissionsvorschlag Europäische Betriebsräte: Verhandlungsverlauf. 204 2. Der erste Kommissionsvorschlag .............................................................. 205 3. Die Stellungnahme des WSA .................................................................... 209 4. Die I. Lesung des Europäischen Parlaments ............................................. 210 a) Die Abstimmungen im Plenum ............................................................ 211 5. Der geänderte Kommissionsvorschlag vom 20. September 1991 ............. 213 6. Die Hauptverhandlungspunkte im Ministerrat .......................................... 214 V. Einrichtung eines Europäischen Ausschusses ................................................ 215 1. Die I. Lesung des Europäischen Parlaments ............................................. 217 a) Die Abstimmungen im Plenum ............................................................ 218 2. Der geänderte Kommissionsvorschlag ...................................................... 219 3. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates .................................................... 220 4. Die 2. Lesung des Europäischen Parlaments ............................................. 221 5. Der überpliifte Vorschlag der Kommission .............................................. 222 6. Verabschiedung der Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten .......... 223 J. Modellteil ................................................................................................................ 224 I. Problemformulierung ..................................................................................... 224 II. Hypothesenformulierung................................................................................ 229 III. Modelle .......................................................................................................... 232 1. Das Coleman-Modell (CM) ...................................................................... 233 2. Der Kern .................................................................................................... 243 3. Die Nash-Bargaining-Solution .................................................................. 249 IV. Auswahl und Beschreibung der Akteure und Issues ...................................... 252 I. Auswahl der Akteure................................................................................. 252 2. Auswahl der Issues .................................................................................... 253 3. Deskriptive Datenanalyse .......................................................................... 255 a) lssuedimensionen der Nachweisrichtlinie ............................................ 256 b) Issuedimensionen der Arbeitszeitrichtlinie .......................................... 259 c) Issuedimensionen der Entsenderichtlinie ............................................. 262 d) lssuedimensionen der Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte .......................................................................................... 267 e) Status-Quo Bewertung der vier Richtlinien ......................................... 273 V. Untersuchungsdesign ..................................................................................... 275 VI. Untersuchungsergebnisse ............................................................................... 278 1. Ergebnisse der Nachweisrichtlinie ............................................................ 278 2. Ergebnisse der Arbeitszeitrichtlinie .......................................................... 283 a) Ergebnisse der Koalitionsentscheidungen nach dem CM .................... 284 b) Ergebnisse der Arbeitszeitrichtlinie: Modellvergleich ......................... 288 3. Ergebnisse der Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern ................. 296 a) Ergebnisse der Koalitionsentscheidungen nach dem CM .................... 297

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Inhaltsverzeichnis

b) Analyse des Kerns der Richtlinie anband der Policydimensionen ....... 301 c) Ergebnisse des Modellvergleichs zur Entsenderichtlinie ..................... 303 4. Ergebnisse der Betriebsratsrichtlinie ......................................................... 307 a) Ergebnisse der Koalitionsentscheidungen nach dem CM .................... 308 b) Ergebnisse des Modellvergleichs zur Betriebsratsrichtlinie ................. 312 K. Fazit ........................................................................................................................ 318 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 321 Anhang: "Minimal - winning" Koalitionen zwischen Kommission, Ministerrat und Europäischem Parlament .................................................................... 342 Sachwortregister .......................................................................................................... 343

Abkürzungsverzeichnis ARC AStV B BDA BRD BVG CD CDA CDU CEEP CG COREPER

csu csv

CVP DC DK DR E EAG EBR ED EEA EGB EGKS EGV EP EuGEI EuGH ETUC EU EUV EWG EWGV

F

FDP GD GR GUE I IRL IS

Regenbogenfraktion im Europäischen Parlament Ausschuß der Ständigen Vertreter in der Gemeinschaft Belgien Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesrepublik Deutschland Besonderes Verhandlungsgremium Centrum-Demokrateme (DK) Christen Demokratisch Appel (NL) Christlich Demokratische Union (BRD) Europäische Zentrale der öffentlichen Wirtschaft Koalition der Linken Ausschuß der Ständigen Vertreter in der Gemeinschaft Christlich Soziale Union (BRD) Chrestlech-Sozial Vollekspartei (Lux) Christelijk Volkspartij (B) Democrazia Cristiana (I) Dänemark Technische Fraktion der Europäischen Rechten Spanien Europäische Atomgemeinschaft Europäischer Betriebsrat Fraktion der Europäischen Demokraten Einheitliche Europäische Akte Europäischer Gewerkschaftsbund Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag der Europäischen Gemeinschaft Europäisches Parlament Europäisches Gericht erster Instanz (Art.l68a EUV) Europäischer Gerichtshof Europäischer Gewerkschaftsbund Europäische Union Vertrag zur Europäischen Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Frankreich Freie Demokratische Partei (BRD) Generaldirektion Griechenland Fraktion der vereinigten Europäischen Linken Italien Irland lodependente Sinistra

12 KFP KVP LDR LSAP LUX NI NL p PASOK PLI PPE PS PSC PSI PSDI PvdA RDE RPR

s

SD SP SPP WSA UDF UK UNICE V

vu

Abkürzungsverzeichnis Kristeligt Folkeparti (DK) Det konservative Folkeparti (DK) Liberale und demokratische Fraktion Letzebuerger Sozialistesch Arbechter Partei (Lux) Luxemburg fraktionslose Abgeordnete im Europäischen Parlament Niederlande Portugal Panellinio Sosialistiko Kenima (GR) Partito Liberale ltaliano (I) Fraktion der Europäischen Volkspartei Parti Sodaliste (B) I Parti Sodaliste (F) Parti Sodal Chretien (B) Partito Socialista ltaliano (I) Partito Socialista Democratico ltaliano (I) Partij van de Arbeid (NL) Fraktion der Sammlungsbewegung der Europäischen Demokraten Rassemblement pour la Republique (F) Sozialistische Fraktion Socialdemokratiet (DK) Sodalistische Partij (B) Socialistisk Folkeparti (DK) Wirtschafts- und Sozialausschuß Union pour la Democratie Francaise (F) Vereinigtes Königreich Union des Confederations de !'Industrie et des Employeurs d'Europe Die Grünen im Europäischen Parlament Volksunie

A. Einleitung Bereits in den achtziger Jahren entwickelte die Europäischen Union (EU) mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) eine Dynamik, die sich in ihren erweiterten inhaltlichen Zuständigkeiten widerspiegelt und die sich in einer wachsenden Attraktivität für andere Nationen, der Gemeinschafe beizutreten, äußert. Durch die EEA wurden auch im Politikfeld der Europäischen Sozialpolitik vertragliche Grundlagen geschaffen, die eine Zunahme der gemeinschaftlichen Gesetzgebung in diesem Bereich initialisierten. Vor allem die Einführung der qualifizierten Mehrheitsregel bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz hat eine schnelle Verwirklichung der Ziele des Sozialen Aktionsprogramms der Kommissan von 1989 im Anschluß an die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte erlaubt. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages zur Europäischen Union am 01.11.1994 erhielt die Gemeinschaft zusätzliche Kompetenzen. Im Politikfeld der Europäischen Sozialpolitik wurde zum einen die Anwendung der qualifizierten Mehrheitsregel in weiteren Bereichen realisiert und zum anderen wurden neue Aufgaben definiert, die jedoch einstimmig beschlossen werden müssen. Kennzeichen der Europäischen Sozialpolitik - wie der Gemeinschaftspolitik insgesamt - ist das Subsidiaritätsprinzip, nach dem die Gemeinschaft nur in den Bereichen tätig werden soll, die nicht adäquat auf der Ebene der Mitgliedstaaten gelöst werden können (Art.3b EUV). Bezüglich der Arbeits- und Sozialpolitik wird in den Maastrichter Protokollen nicht von einer "gemeinsamen", sondern nur von "einer" Politik gesprochen2, so daß dieses Politikfeld prinzipiell in der Zuständigkeit der Einzelstaaten bleibt. Die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten über Entscheidungen zur Europäischen Sozialpolitik gestalten sich äußerst konfliktreich. Dies wurde bereits offensichtlich mit der 1 Im folgenden werden die Begriffe Europäische Union, Union, Europäische Gemeinschaft und Gemeinschaft synonym verwendet. Der offizielle Titel lautet seit dem Vertrag von Maastricht "Europäischen Union". Da diese Arbeit sich inhaltlich aber auch auf die Zeit vor Verabschiedung des Vertrages bezieht, wird weiterhin der Begriff der "Gemeinschaft" verwendet. 2 Wessels, Wolfgang, Maastricht Ergebnisse, Bewertungen und Langzeittrends, in: Integration, 111992, S.5. Der Begriff "einer" Politik kann auch darauf zurückgeführt werden, daß das Vereinigte Königreich nicht mehr an den Beschlüssen zur gemeinschaftlichen Sozialpolitik nach dem Sozialprotokoll des Vertrages zur Europäischen Union beteiligt ist.

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A. Einleitung

Einigung über die europäische Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte, die nur von 11 der 12 Mitgliedstaaten gebilligt wurde, und fand seine Fortsetzung im Ausscheiden Großbritanniens aus der gemeinschaftlichen Sozialpolitik, die mit dem Vertrag zur Europäischen Union beschlossen wurde.3 Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen Fragen der Zentralisierung und De-zentralisierung sowie der Regulierung und De-regulierung der Arbeitsund Sozialpolitik. Dadurch wird das Politikfeld in zwei Dimensionen strukturiert: auf der einen Seite als Konfliktfeld zwischen Kapital und Arbeit und auf der anderen Seite als Konkurrenz zwischen wirtschaftlich starken und wirtschaftlich schwachen Mitgliedstaaten, wobei durch die jeweiligen wirtschaftspolitischen Ideologien und Präferenzen der Mitgliedstaaten zusätzliche Streitpunkte entstehen können.4 Die explizite Analyse der institutionellen Entscheidungsmechanismen und die empirische Untersuchung einzelner Richtlinien dieses Politikfeldes bilden den Schwerpunkt der folgenden Arbeit. Zunächst wird dazu das supranationale Gebilde EU theoretisch beschrieben (Kapitel B), um daraus bereits Implikationen für den Entscheidungsprozeß innerhalb der EU abzuleiten. Theoretische Ansätze zur Erklärung der europäischen Integration und die Konzeptionalisierung der EU als korporativen Akteur im Sinne Colemans verweisen auf die Bedeutung gemeinsamer Interessen der Mitgliedstaaten als Basis des europäischen Verhandlungssystems und Einigungsprozesses. Die theoretische Erklärung der EU als korporativer Akteur legt die Untersuchung von Entscheidungsund Verteilungsproblemen nahe. Dies wird in der Analyse von vier Richtlinien des Politikfelds der Europäischen Sozialpolitik exemplarisch geleistet, um das verwendete theoretische Konzept zu modellieren und ernpirsch zu überprüfen. In den Kapiteln C und D erfolgt eine explizite Darstellung der europäischen Institutionen sowie die Analyse der Entscheidungsverfahren, die im Politikfeld der Europäischen Sozialpolitik angewendet werden. Mit der Berechnung von Machtindizes für die Mitgliedstaaten, die Kommission und das Europäische Parlament werden erstmals analytische Konzepte auf das verbundene Entscheidungssystem der EU angewendet, mit deren Hilfe der Einfluß der verschiedenen Organe systematisch zueinander in Beziehung gesetzt werden kann. Daraus resultieren relative Machtanteile der EU-Organe sowie der Mitgliedstaaten und der Parlamentsfraktionen, die als Einflußwahrscheinlichkeiten auf den Gesetz3 Hrbek, Rudolf, Das Vertragswerk von Maastricht: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Union, Wirtschaftsdienst, Verlag Weltarchiv, 3. März 1992, 72.Jg., S.l31138. 4 Vgl. Tsoukalis, Loukas, The New European Economy. The Politics and Economics of Integration, Oxford University Press, 1991, S.133-157; Beutler, Bengt; Bieber Roland; Pipkom, Jöm und Jochen Streil, Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik-, Nomos Verlag, Baden-Baden, 1987, S.437.

A. Einleitung

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gebungsprozeß der EU angesehen werden können. Gleichzeitig bietet die Analyse die Möglichkeit, das Verfahren der Zusammenarbeit und das mit dem Maastrichter Vertrag neu eingeführte Mitentscheidungsverfahrens systematisch in bezug auf ihre Auswirkungen auf die Machtverhältnisse in der EU zu bewerten. Die institutionelle Analyse der Entscheidungsverfahren dient zwei weiteren Zielen: zum einen werden die Koalitionen definiert, die im späteren Modellteil Grundlage der Analyse sind, zum anderen wird ein institutioneller Machtindex berechnet, der in den späteren emprischen Analysen (Kapitel J) Verwendung findet. Im Anschluß daran wird nach der Darstellung der theoretischen und strukturellen Grundlagen das Politikfeld der Europäischen Sozialpolitik inhaltlich bestimmt (Kapitel E). Forschungsziel der Arbeit ist die empirische Untersuchung einzelner arbeits- und sozialpolitischer Palieies der EU unter Berücksichtigung der besonderen Entscheidungsstrukturen und -prozesse sowie der relevanten Akteure auf der Grundlage des theoretischen Modells. Dazu wird in den Kapiteln F-I zunächst der Verhandlungsverlauf der ausgewählten Fallstudien systematisch unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Parlaments dokumentiert. In diesen Kapiteln wird besonderes Gewicht auf das Abstimmungsverhalten der europäischen Fraktionen im EP gelegt, so daß im Modellteil das Parlament als einheitlicher kollektiver Akteur betrachtet werden kann. Anschließend wird in Kapitel J das Untersuchungsdesign präsentiert und die Analyse der Entscheidungen durchgeführt. Dazu wurden auf der Basis einer standardisierten Befragung von Vertretern der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Europäischen Parlaments (EP) Daten zu vier Richtlinien des Politikfelds erhoben, die mit dem Ziel der Entscheidungsprognose und der von den Verhandlungsakteuren perzipierten Wirkungen analysiert werden. Zudem wird der Mechanismus der Entscheidungsfindung der EU auf der Basis von Tauschund Koalitionsmodellen explizit gemacht. Es wird damit erstmalig auf der Grundlage einer Vollerhebung der am europäischen Entscheidungsprozeß beteiligten Akteure eine Untersuchung des Verhandlungsgeschehens der EU durchgeführt. Zu diesem Zweck werden verschiedene Modelle getestet, die einerseits auf dem politischen Tauschmodell von James S. Coleman basieren und andererseits auf der "Bargaining-Solution" von John Nash. Die Modelle werden zudem mit Konzepten der Koalitionsbildung verbunden, sofern die Richtlinien unter qualifizierter Mehrheit entschieden werden. Dadurch lassen sich Einblicke in das Funktionieren internationaler Verhandlungen im Kontext des Entscheidungssystems der EU gewinnen, die ohne Berücksichtigung der Koalitionen nicht möglich wären. s Alternativ werden auch die Begriffe "Kooperationsverfahren" für das Verfahren der Zusammenarbeit und "Kodezisionsverfahren" für das Mitentscheidungsverfahren verwendet.

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A. Einleitung

Es wird ein handlungstheoretischer Ansatz vertreten, bei dem Akteure (Individuen, Organisationen und/oder Staaten) in bezug auf ihre Interessen, Kontrolle und Alternativen nutzenmaximierend handeln. 6 In dem hier vertretenen public-choice Ansatz wird "any public policy ... "verstanden als" ... always the never fully planned and intended outcome of a series of interac-tionprocesses between a multiplicity of interdependent, but nonetheless relatively autonomous, institutional andlor social actors with divergent, if not contradictory goals, interests and strategies"7 •

6 Vgl. z.B. Coleman, James S., Foundations of Social Theory, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, and London, England, 1990, Kap.1; Lindenberg, Siegwart, Individuelle Effekte, kollektive Phänomene und das Problem der Transformation, in: Eichner, Klaus und Wemer Habermehl (Hrsg.), Probleme der Erklärung sozialen Verhaltens, Hein, Meisenheim, 1977, S.46-84; Emerson, Richard M., PowerDependence-Relations, in: American Journal of Sociology, 27, 1962, S.31-4l. 7 Friedberg, Erhard, Generalized Political Exchange, Organizational Analysis and Public Policy, in: Marin, Bemd (Hrsg.), Generalized Political Exchange, Campus, Frankfurt/Main, 1990, S.186.

B. Die EU als korporativer Akteur Die föderalistischen und funktionalistischen Ansätze zur Erklärung der Europäischen Union waren stark durch die besondere Problematik der Bewältigung gemeinsamer, übergreifender Aufgaben und Interessen geprägt. 1 Diese Sichtweise bleibt bei den transnationalen Ansätzen2 bestehen, die die EU ebenfalls aus gleichgerichteten Interessen erklären, aber die Interdependenz und die Machtansprüche der beteiligten Akteure in verschiedenen Issue-Areas stärker hervorheben 3, und so auf die Segmentierung und Fragmentierung von Staaten hinweisen. Ebenso wird die Entstehung von Regimen in internationalen Beziehungen aus gemeinsamen Interessenkonstellationen und - aus einer individualistischen Perspektive - häufig als Lösung von Kollektivgutproblemen erklärt. 4 Das gleiche theoretische Modell wird in Ansätzen verwendet, die die EU als korporativen Akteur beschreiben. Der Ansatz des korporativen Akteurs hat gegenüber anderen Erklärungsansätzen der EU den Vorteil, die Entscheidungsstruktur zu berücksichtigen, und wird so dem Charakter der EU am

1 Frei, Daniel, lntegrationsprozesse, Theoretische Erkenntnisse und praktische Folgerungen. In: Weidenfeld, Werner (Hrsg.), Die Identität Europas. Carl Hauser Verlag, München, 1985, S.122. 2 Keohane, Robert 0. und Joseph S. Nye, 1983, Power and Interdependence, 2.Aufl., Glenview, Illinois et al., Scott, Forseman and Company; Puchala, Donald J., Domestic Politics and Regional Harmonization in the European Cornmunities, in: World Politics 27, S.496-520. 3 Vgl. Lindberg, Leon N., Political Integration as a Multidimensional Phenomenon Requiring Multivariat Measuring. S.45-127 in: L. N. Lindberg und S. A. Scheingold (Hrsg.), Regional Integration. Theory and Research, Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1971. 4 Vgl. Stein, Artbur A., Coordination and collaboration: regimes in an anarchic world, in: International Organization, 36, 2, Spring 1982, S.299-324; vgl. auch Keohane, Robert 0., 1984: After Hegemony: Cooperation and Discord in the World Political Econorny. Princeton, New Jersey: Princeton University Press, S.65-84; und ders., 1982, The Demand for International Regimes. International Organization 36, 2: 325-355; Keohane erklärt die Entstehung von Regimen zum einen als Kollektivgutproblem und meint damit sozusagen die Angebotsseite der Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Die Nachfrage nach öffentlichen Gütern erklärt er zusätzlich als Problem des Marktversagens aus Gründen zu hoher Informations- und Transaktionskosten. Im folgenden soll der Kollektivguterklärung gefolgt werden, da U.E. über die Interessen der Akteure die Nachfrageseite bereits definiert ist.

2 Schnorpfcil

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B. Die EU als korporativer Akteur

ehesten gerecht. 5 Die spezifischen Probleme korporativer Akteure bei ihrer Entstehung und deren Folgeprobleme werden im nächsten Abschnitt behandelt.6 Vergleicht man die Entscheidungsstruktur der EU mit dem Ansatz des korporativen Akteurs von James Coleman, so werden Parallelen auffällig, die es nahelegen, die EU selbst als korporativen Akteur zu konzeptionalisieren. 7 Hierbei wird zum einen eine theoretische Erklärung versucht, die das Entstehen der EU8 thematisiert, zum anderen aber auch auf strukturelle Probleme hingewiesen, die eng mit der Weiterentwicklung - um nicht zu sagen Integration der EU zusammenhängen. Insofern werden im folgenden zunächst die theoretischen Grundlagen kurz dargestellt, bevor auf die Problemstellung eingegangen wird, die mit der Institutionalisierung von Organisationen zusammenhängt.

I. Colemans Theorie des Ressourcenpoolings Coleman vertritt eine individualistische Theorie zur Erklärung kollektiven Handelns: Personen werden als subjektiv rational und interessegeleitet konzipiert, die in bezug auf vorhandene Alternativen diejenige auswählen, die ihrer Einschätzung nach den höchsten Nutzen verspricht. Korporative Akteure, wie bspw. Organisationen, Verbände, Vereine, oder der Staat, die in modernen Gesellschaften als eigene "Rechtspersonen" behandelt werden und handeln, und nach Coleman ein bestimmendes Phänomen moderner Gesellschaften darstellen, müssen "letztendlich aus Aussagen über Beziehungen zwischen Personen ableitbar sein"9 • Das heißt, korporative Akteure können einerseits selbst als handelnde Einheiten angesehen werden, müssen andererseits jedoch zuletzt auf das Handeln von Personen zurückzuführen sein. Die zentrale theoretische Idee der Konzeption korporativer Akteure liegt darin, daß soziale Verbände nicht als mehr oder minder komplexe Netzwerke bilateraler Austauschbeziehungen - im Sinne eines Marktmodells - interpretiert wer5 Vgl. Schneider, Volker und Raymund Werle, Vom Regime zum korporativen Akteur. Zur institutionellen Dynamik der Europäischen Gemeinschaft, in: Kohler-Koch, Beate, Regime in den internationalen Beziehungen, I. Aufl., Nomos, Baden-Baden, 1989, S.409-434. 6 Vgl. Vanberg, Victor, Colemans Konzeption des korporativen Akteurs- Grundlegung einer Theorie sozialer Verbände, in: Coleman, James S., Macht und Gesellschaftsstruktur, Tübingen, Mohr, 1979, Nachwort, S.93-123. 7 Wie geschehen bei Schneider, Volkerund Raymund Werle. 8 Was bisher kaum versucht worden ist, vgl. Nau, Henry N., From integration to interdependence: gains, losses, and continuing gaps, in: International Organization, 33, I, Winter 1979, S.l42. 9 Vanberg, Victor, 1979, S.96.

I. Colemans Theorie des Ressourcenpoolings

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den 10, sondern als interpersonale Beziehungsgeflechte, die dadurch gekennzeichnet sind, daß mehrere Akteure bestimmte Ressourcen in einen Pool einbringen, der einer gemeinsamen Disposition oder Nutzung unterliegt. 11 "Alle Ressourcen stammen von natürlichen Personen, und korporative Akteure erhalten ihre Ressourcen dadurch, daß natürliche Personen Ressourcen irgendwelcher Art in sie investieren. Indem sie dies tun, stellen diese Personen implizit oder explizit eine Verfassung auf, die man durchaus als einen Gesellschaftsvertrag zwischen ihnen betrachten kann. In diesem Gesellschaftsvertrag verpflichtet sich jede Partei gewisse Rechte und Ressourcen in den korporativen Akteur einzubringen, und sie erhält dafür zweierlei zurück: partielle Kontrolle über die Handlungen des korporativen Akteurs und die Aussicht, aus den Handlungen des korporativen Akteurs größere Vorteile zu ziehen als die, welche sie durch eigene individuelle Handlungen realisieren würde". 12 Zusammengefaßt ist Ressourcenpooling in Situationen sinnvoll, in denen es um die Produktion kollektiver Güter geht, die über reinen Austausch nicht produziert würden 13, und in denen den Akteuren nur aus der Zusammenarbeit der größtmögliche Nutzen entsteht. Die Akteure werden als strategisch interdependent angesehen, da das Erreichen individueller Ziele von der Koordination mit anderen Akteuren abhängt. Die Entstehung von Organisationen und der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages (vgl. Hobbes' Problem der sozialen Ordnung) durch Ressourcenpooling, stellt jedoch im allgemeinen ein "sozialorganisatorisches Problem" dar, das nur unter bestimmten Bedingungen gelöst werden kann. 14 Spieltheoretisch handelt es sich um die Situation sogenannter "mixed-motive" Spiele, deren einfachster Fall im allgemeinen als 2-Personen Gefangenendilemma dargestellt

10 Vgl. Keohane, Robert 0 ., 1982, 1984, der bei der Anwendung der Theorie des Marktversagens implizit marktliehe Austauschbeziehungen unterstellt. Der Unterschied in den Austauschbeziehungen beim Markthandeln und beim Handeln in sozialen Verbänden bedeutet nicht, daß eine andere Handlungsrationalität der Akteure vorliegt, sondern nur, daß der Charakter des Gutes - privat vs. öffentlich - Bedingungen verursacht, die Auswirkungen auf das Handeln der Personen haben. 11 Vgl. Coleman, James S., 1979, original: ders., Power and the Structure of Society, New York, London, 1974b; ders., 1990, Part III: Corporate Action; Vanberg, Victor, 1979, S.98; ausführlicher ders., Markt und Organisation, Mohr Siebeck, Tübingen, 1982. 12 Coleman, James S., Inequality, Sociology, and Moral Philosophy, in: American Journal of Sociology, 80, 1974a, S.757. 13 Olson, Mancur, Die Logik des kollektiven Handelns, 2.Aufl., Mohr Siebeck, Tübingen, 1985; Musgrave, R.A.; Musgrave, P.B. und L. Kulmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, Tübingen, 1984; Vanberg, Victor, Kollektive Güter und kollektives Handeln, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg.30, 1978, S.652-679. 14 Vanberg, Victor, 1978, S.670.

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B. Die EU als korporativer Akteur

wird. 15 Diese Situationen sind dadurch gekennzeichnet, daß individuell rationales Verhalten zu sub-optimalen, d.h. nicht Pareto-optimalen Gesamtergebnissen führt, und daß sie keine Anreize zu kooperativem Verhalten bieten. 16 Nur unter bestimmten Bedingungen, wie der Dauerhaftigkeit der Beziehung 17, Mache 8, dem Angebot selektiver Anreize und/oder kleiner Gruppengröße 19, läßt sich das Problem kollektiver Güter dennoch lösen, so daß die beteiligten Akteure aus dem kooperativen Handeln einen höheren Nutzen realisieren können als aus rein individuellem. 20 Konkret bedeutet das auf die EU bezogen, daß bspw. durch die Zollunion oder das Binnenmarktkonzept Freihandel geschaffen wird, der zum Vorteil aller beteiligter Staaten ist. Diese an sich vorteilhafte Idee wird gefährdet durch individuelle Strategien der Einzelstaaten, die jeder für sich einen höheren Nutzen erzielen können, wenn sie selbst protektionistisch handeln, während sich alle anderen Vertragspartner an die Freihandelsmaxime halten. Da alle Staaten aber diese "free-rider" Strategie21 anwenden werden, ist das Freihandelskonzept insgesamt prekär und kann nur durch bindende Verträge - möglichst mit Sanktionsgewalt, die in der EU hauptsächlich durch den Europäischen Gerichtshof repräsentiert wird22 - gesichert werden. Kontrakttheoretisch 15 Vgl. Kliemt, Hartmut, Antagonistische Kooperation, Freiburg, München, 1986; Elsner, Wolfram, Institutionen und ökonomische Institutionentheorie, in: WiSt, Nr.l, S.5-14. 16 Z.B. Vanberg, Victor, 1978; Junne, Gerd, Spieltheorie in der internationalen Politik. Die beschränkte Rationalität strategischen Denkens. Beeteismann Universitätsverlag, 1972; Olson, Mancur, 1965; Ullmann-Margalit, Edna, The Emergence of Norms, 1977; Coleman, James S., 1990. 17 Axelrod, Robert, The Evolution of Cooperation, Basic Books, New York, 1984. 18 Vgl. Coleman, James S., 1990, S.53f.; Keohane, Robert 0., 1984. 19 Olson, Mancur, 1965; Ullmann-Margalit, Edna, 1977. 20 Während bei privaten Gütern individuelles Verhalten in Form von marktliebem Austausch den höchsten Nutzen bringt, ändert sich die Situation bei öffentlichen Gütern dahingehend, daß nun gemeinsames Zusammenwirken der Akteure ein besseres Ergebnis verspricht. 21 Vgl. Musgrave, R.A. et al.; Olson, Mancur, 1985; Moravcsik, Andrew, 1993, Preferences and Power in the European Community: A Liberal Intergovernmentalist Approach. Journal of Common Market Studies Vol XXXI,No.4: 473-524, hier S.485f.; Garrett, Geoffrey, International Cooperation and institutional choice: the European Community' s internal market, International Organization 46, Spring 1992, S.533-560, hier S.534. 22 Vgl. Weiler, Joseph, The European Community in Change: Exit, Voice and Loyality, Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes I Nr. 109, 1987. "The closure of Selective Exit has no doubt been among the most important dimensions (and with my legal bias I would say the most important dimension) in operationalizing the Common Market - at least as a Customs Union plus as a living reality. Absent this development there is no reason to believe that the EEC would have been more in its actual operation than say the GATT or some other regional free trade area agreements". ebd., S.17; Garrett Geoffrey und Barry R. Weingast, Ideas,

Il. Das Dilemma der Organisation

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stellt die EU daher die Lösung eines gesellschaftlichen Ordnungs- und Kollektivgutproblems zur Lösung sicherheitspolitischer und ökonomischer Interdependenzen dar. "The economic interdependence motivation views the EC as a means of co-ordinating policy to manange flows of goods, services, factors of production, and economic externalities more effectively than unilateral policies".23 Damit bietet sich ein theoretisches Instrumentarium an, welches die Entstehung der EU aus den individuellen Interessen der Gründerstaaten herleitet. Soziale Kollektive, wie in diesem Fall die EU, können nach Coleman dann als korporative Akteure oder Organisationen konzipiert werden, sofern sie ein einheitliches Entscheidungszentrum ausgebildet haben. Es erscheint daher konsequent, auch die Europäische Gemeinschaft mit den entscheidenden Organen Kommission, Europäisches Parlament, Rat und Europäischer Gerichtshof als korporativen Akteur zu bezeichnen. Die Lösung von Kollektivgutproblernen und Externalitäten in Form von organisiertem Handeln ist aber im allgemeinen mit Folgeproblemen verbunden, die auch die EU zunehmend beherrschen. Diese Organisationsprobleme von korporativen Akteuren, die unter dem Begriff das "Dilemma der Organisation" bekannt geworden sind 24, werden im folgenden analysiert.

II. Das Dilemma der Organisation In ihrer Struktur, ihren Funktionen und ihrer Entstehung gleicht die Europäische Union Internationalen Organisationen. Dabei ist die Gemeinschaft mit Problemen konfrontiert, die sich allgemein - in individualistischer Perspektive aus der Entstehung oder Bildung von Organisationen im Sinne von korporativen Akteuren25 erklären lassen. Dieses betrifft zum einen das Problem der Entscheidungstindung innerhalb einer Organisation, zum anderen die Aufteilung des Verteilungsgewinns unter den Mitgliedern der Organisation. Beide

Ioterests and Institutions: Constructing the EC's Interna! Market, Center for German and European Studies, Working Paper 1.2, 1991. 23 Moravcsik, Andrew, 1993, S.484f. 24 Vgl. Vanberg, Victor 1979, S.l07; Co1eman, James S., Control of Collectivities and the Power of a Collectivity to Act, in: Liebermann, Bemhardt (Hrsg.), Socia1 Choice, New York, Gordon and Breach, 1971, S.269-300; s. auch ders., 1990. 25 Zum Begriff vgl. Coleman, James, 1974b und 1990. In Anwendung auf die EU: Schneider, Vo1ker; Werte, Raimund, 1991; Schnorpfeil, Willi, Europäische Sozialpolitik seit der EEA, Arbeitsbericht Nr. 1 des MZES, Mannheim, 1993.

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B. Die EU als korporativer Akteur

Probleme gleichen strukturell der Situation des Gefangenendilemmas und den damit verbundenen Lösungsschwierigkeiten. 26 Grundsätzlich übernimmt die Union die Lösung supranationaler oder grenzüberschreitender Probleme, die nicht adäquat in einzelstaatlicher Regie zu bewältigen sind. Das "pooling" von gemeinsamen Interessen27 der Einzelstaaten verlangt zum einen die Definition dieser Interessen auf europäischer Ebene und zum anderen deren Durchführung. Die Definition gemeinsamer Interessen und die Kompetenzzuweisung an die Gemeinschaft ist vergleichbar mit Verfassungsentscheidungen auf europäischer Ebene, mit denen gleichzeitig ein Verlust nationaler Souveränitat verbunden ist. In Anlehnung an Buchananffullock28 kann argumentiert werden, daß diese Entscheidungen einstimmig getroffen werden sollten, um jedem Akteur die Möglichkeit zu bieten, sein Veto einzulegen und Pareto-optimale Entscheidungen zu verwirklichen. 29 Die Vertragsverhandlungen zwischen den Staats- und Regierungschefs zu den römischen Verträgen (1957), der Einheitlichen Europäischen Akte (1986) als erster großer Vertragserweiterung sowie die letzte Vertragsänderung durch den Maastrichter Vertrag zur Europäischen Union (1992) im Rahmen des Europäischen Rates zeigen, daß es sich in der Tat um Verfassungsentscheidungen handelt, die einstimmig beschlossen worden sind. Das Einstimmigkeitserfordernis kann soweit führen, daß einzelne Staaten nicht bereit sind, alle Entscheidungen zu tragen, wie das Ausscheren Großbritanniens aus der Europäischen Sozialpolitik deutlich macht. 30 Ein weiterer Indikator für die Funktionalität der 26 Die Lösung eines einfachen Gefangenendilemmas führt bekanntlich zu suboptimalen Ergebnissen. Diese können nur überwunden werden, sofern es sich um (unendlich) iterierte Spiele handelt oder indem bindende Verpflichtungen zwischen den Spielern getroffen werden. 27 Coleman, James, 1990; Vanberg, Victor, 1979. 28 Buchanan, James M. und Gordon Tullock, The Calculus of Consent, Ann Arbor, University of Michigan Press, 1962. 29 Zur gleichen Einschätzung kommen Vaubel, Roland, A public choice analysis of European Integration: A Survey, in: European Jounal of Political Economy, Nr.10, 1994, S.233; Leipold, Helmut, Die EG im Spannungsverhältnis zwischen Konsens und Effizienz, in: Gröner, Helmut und Alfred Schüller (Hrsg.), Die europäische Integration als ordnungspolitische Aufgabe, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart et al., 1993, S.41-72. 30 Im Falle freiwilliger Verhandlungssysterne, im Unterschied zu Zwangsverhandlungssysternen, bei denen keine exit-option für ein Mitglied besteht, sind einstimmige Entscheidungen immer auch der Konkurrenz kleinerer Koalitionen bzw. bi- oder multilateraler Abmachungen ausgesetzt. Die erfolgreichen Verhandlungen der EEA werden darauf zurückgeführt, daß Deutschland und Frankreich gedroht haben, andere Mitgliedstaaten vorn Gerneinsamen Markt auszuschließen (Moravcsik, Andrew, Negotiating the Single European Act: National Interests and Conventional Statecraft in the European Cornrnunity, International Organization 45, Winter 1991, S.l9-56). Die EU bietet hier allerdings den Vorteil, einen institutionellen Rahmen mit der Möglichkeit, Sanktionen auszuüben, bereitzustellen, so daß bindende Abmachungen realisert werden können. Während einstimmige Entscheidungen inhaltlich häufig durch das Schnüren von Paketen gelöst werden, können natürlich auch durch den Ein- oder Ausschluß von

II. Das Dilemma der Organisation

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Gemeinschaft zur Lösung supranationaler Aufgaben stellt die Diskussion um das Subsidiaritätsprinzip31 dar, das nunmehr in Art.3b des Vertrages zur Europäischen Union festgeschrieben ist. Hier wird die Ausrichtung der Gemeinschaftspolitikauf europäische Probleme, die nicht in optimaler Weise national zu lösen sind, besonders klar. Als Dilemma der Organisation werden interne Entscheidungs- und Verteilungsprobleme einer Organisation bezeichnet, die zu Konflikten über die Kontrollrechte und über den zu verteilenden Ertrag unter den Vertragspartnern führen können.

1. Das Entscheidungsproblem

Das Entscheidungsproblem besteht darin, daß die Mitglieder einer Organisation, die Ressourcen oder Handlungsrechte auf die Organisation übertragen haben, ein Interesse daran haben, möglichst weitgehend die Verfügungsgewalt über diese Rechte zu behalten, um zu verhindern, daß ihre Mittel gegen ihre Interessen eingesetzt werden. 32 Dieses wird am besten mit der Einstimmigkeitsregel als Abstimmungsmechanismus gewährleistet, die die Mißachtung von Minderheitenmeinungen verhindert. 33 Selbst bei Einstimmigkeit muß jedoch bedacht werden, daß die Mitglieder der Organisation, - im Falle der EU zunächst die Einzelstaaten -, nicht die vollständige Kontrolle über die Ressourcen behalten, die sie in die Organisation eingebracht haben. Während sie vorher alleine über ihre Ressourcen entschieden haben, ist es jetzt nur noch möglich in Verbindung mit den Ressourcen und den Voten der übrigen Mitglieder. 34 Mitgliedern Lösungen erreicht werden. Die aktuelle Diskussion um das Buropa der zwei Geschwindigkeiten zeigt exakt diese Problematik. Die Währungsunion oder das Schengener Abkommen sind weitere Beispiele für den Ausschluß von Mitgliedern aus der Gemeinschaftspolitik. 31 Vgl. zum Beispiel Lecheler, Helmut, Das Subsidiaritätsprinzip. Strukturprinzip einer europäischen Union, Duncker & Humblot, Berlin 1993. 32 Wie es bspw. Michels mit dem "ehernen Gesetz der Oligarchie" am Beispiel von Parteien demonstriert. Vgl. Michels, Robert, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, Stuttgart, 1925. 33 Buchanan, James M. and Gordon Tullock, 1962, S.85-96; dies., Eine allgemeine ökonomische Theorie der Verfassung, in: Widmaier, Hans P., Politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaates, Fischer, Frankfurt, 1974, S.67-87; Wicksell, Knut, Finanztheoretische Untersuchungen, Jena, 1896. 34 Vanberg, Victor, 1979, S.l09; Leipold, Helmut, 1993; Faber, Malte und Friedrich Breyer, Eine ökonomische Analyse konstitutioneller Apekte der europäischen Integration, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft 31, S.213-227; Faifia Medin, J.A. und P. Puy Fraga, A framework for a public choice analysis of the European Community, Economia delle Scelte Pubbliche 2, 1988, S.l41-158; Peirce, William S., Unanimous decisions in a redestributive context: The Council of Ministers of the European Communities,

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B. Die EU als korporativer Akteur

Dieses kann schnell zur Handlungsunfähigkeit der Organisation führen 35 , da mit der Einstimmigkeitsregel im allgemeinen hohe Einigungskosten verbunden sind, die einen effizienten Mitteleinsatz der zusammengelegten Ressourcen unwahrscheinlich erscheinen lassen. 36 Buchananffullock (1962) argumentieren weiter, daß Regeln, die den operationalen Bereich - im Unterschied zum konstitutionellen - betreffen, wie beispielsweise die Entscheidungen über konkrete öffentliche Tätigkeiten, nicht der Einstimmigkeit unterliegen sollten, sondern anderen Abstimmungsregeln, die die Interdependenzkosten einer Entscheidung minimieren. Unter Interdependenzkosten verstehen die Autoren die Abwägung zwischen "externen Kosten", die dem Individuum oder dem Staat daraus entstehen, daß es nicht mehr die vollständige Kontrolle über mehrheitlich abgestimmte Entscheidungen hat, so daß es (er) auch entgegen seinen Interessen überstimmt werden kann, sowie den Entscheidungskosten, die aus seiner Teilnahme an der Organisation einer staatlichen Entscheidung und dem damit verbundenen Entscheidungsaufwand resultieren. 37 Dies kann durchaus dazu führen, daß in unterschiedlichen Teilbereichen oder Politikfeldern unterschiedliche Abstimmungsregeln angewandt werden. 38 Ökonomisch gesehen wird daher eine Regelung sinnvoll, die die Entscheidungs- und die externen Kosten, die aus der Anwendung einer Mehrheitsregel und den damit verbundenen Kosten derjenigen, die überstimmt werden, resultieren, minimiert. 39 Der Operationale Bereich im europäischen Kontext läßt sich als Entscheidungen über einzelne Palieies eines Politikfelds bestimmen, das zuvor einstimmig im Rahmen internationaler Verhandlungen durch den Europäischen Rat definiert worden ist. In der Tat hat die Gemeinschaft bereits zu Anfang in den römischen Verträgen Artikel und in: Vaubel, Roland und Thomas D. Willet (Hrsg.), The political economy of international organization: A public choice approach, Westview, Boulder, CO, S.267-285. 35 Vgl. Coleman, James S., 1971. 36 Buchanan, James M. und Gordon Tullock, 1962; Coleman, James S., 1990, S.352ff.; ders., Collective Decisions and Collective Action, in: Laslett, P.; Runciman, W.G. und Q. Skinner (Hrsg.), Philosophy, Politics and Society, Fourth Series, Oxford, 1972, S.209. Coleman zeigt, daß die Wahrscheinlichkeit bei n Akteuren unter Einstimmigkeit zu einer Einigung zu kommen bei 2 zu 2" liegt. 37 Vgl. Faber, Malte, Einstimmigkeitsregel und Einkommensumverteilung, in: Widmeier, Hans Peter, Politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaates, Fischer, Frankfurt am Main, 1974. 38 Faber (1974) zeigt, daß die Annahmen Buchananffullocks nicht für redistributive Entscheidungen gelten. Da die Akteure aufgrund ihrer Ausgangsverteilung Prognosen über die spätere Umverteilung anstellen können, werden auch im operationalen Bereich, sofern er mit Umverteilungsmaßnahmen verbunden ist, keine anderen als einstimmige Entscheidungen zu erwarten sein. Vgl. auch Kirsch, Guy, Mehrheiten und Minderheiten auf der Suche nach dem einstimmigen Verfassungskonsens, in: Boettcher,ßrik, HerderDorneich, Philipp und Karl-Ernst Schenk (Hrsg.), Neue Politische Okonomie als Ordnungstheorie, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1980, S.30-65. 39 Buchanan, James M. und Gordon Tullock, 1962; Vanberg, Victor, 1979, S.113.

II. Das Dilemma der Organisation

25

Policies festgelegt, die zukünftig nicht einstimmig, sondern mit einfacher (z.B. Art.l28) oder qualifizierter Mehrheit entschieden werden sollten. Erst durch den "Luxemburger Kompromiß" (1965/6) wurde die Relevanz dieser konstitutionellen Entscheidung bewußt, so daß durch die Intervention Frankreichs und die "Politik des leeren Stuhls" durch de Gaulle die Gemeinschaft faktisch zur Einstimmigkeit in allen Politikfeldern zurückkehrte. Damit hatte die Dynamik der Gemeinschaft einen tiefen Rückschlag erlitten. Obwohl die Einstimmigkeitsregel die Gefahr strategischen Abstimmungsverhaltens von Mitgliedern in sich birgt, die ihre Präferenzen verbergen, um ein besseres Ergebnis zu erzielen40, geht man im Falle der EU von- für "insider"völlig transparenten Interessenlagen aus41 , so daß dieses Argument nicht gegen die Anwendung der Einstimmigkeitsregelung spricht. Dennoch wurde mit der EEA der erneute, erfolgreiche Versuch unternommen, die Entscheidungskosten der Gemeinschaft durch die Einführung der qualifizierten Mehrheitsregel in den Politikbereichen, die der Umsetzung des Binnenmarktes dienen, zu senken.42 Gleichzeitig konnten Probleme der Legitimität der Europäischen Gemeinschaft durch die Beteiligung des EP an der Gesetzgebung verringert werden.

2. Das Verteilungsproblem Korporative Akteure müssen neben Entscheidungs- auch Verteilungsprobleme lösen. Das Verteilungsproblem besteht darin, den Ertrag, den die Korporation erbringt, unter den Mitgliedern nach bestimmten Verteilungsregeln aufzuteilen. Der Zusammenhang zwischen individuellem Beitrag und individuellem Ertrag wird im Falle kollektiven Handeins durch Verteilungsmechanismen vermittelt, d.h., wird indirekt durch soziale Arrangements hergestellt, die die Beziehung zwischen Gesamtergebnis und individuellen Anreizen regeln.43 Diese sollten so organisiert sein, daß der Beitrag, den die Mitglieder 40 Bereits Simmel hat auf die strategischen Möglichkeiten hingewiesen, die mit der Einstimmigkeitsregel verbunden sind. Dies kann auch zu einer "Vergewaltigung" der Mehrheit durch die Minderheit führen. Vgl. Simmel, Georg, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, 5.Aufl., Duncker & Humblot, Berlin, 1968, S.l42. 41 Scharpf, Fritz W., Die Politikverflechtungs-Falle: Europäische Integration und deutscher Föderalismus im Vergleich, in: PVS, 26.Jg. 1985, Heft 4, S.337; ebenso Moravcsik, Andrew, 1993, S.498. 42 Die Einführung von Mehrheitsentscheidungen durch die EEA wird als "packagedeal" erklärt, bei dem die südlichen Mitgliedstaaten als potentielle Verlierer durch "side-payments" über die Verdopplung der Strukturfonds entschädigt worden sind. Moravcsik, Andrew, 1991. 43 Vanberg, Victor, 1978, S.671.

26

B. Die EU als korporativer Akteur

leisten, an den Ertrag gekoppelt ist, da nur so ein Anreiz zur Beitragsleistung geschaffen wird.44 Fehlt dieser Zusammenhang, so hat jedes Mitglied Anreize, sich auf Kosten der anderen zu bereichern. Verteilungsprobleme stellen von ihrer Struktur her wiederum ein Kollektivgutproblem dar.4' Entscheidungs- und Verteilungsmechanismen in Organisationen können voneinander getrennt sein, wie es z.B. in Aktiengesellschaften der Fall ist. Sie sind problematisch, wenn sie miteinander verknüpft sind, da dann neben Koordinationsproblemen auch Konflikte zwischen den Verhandlungspartnern über die Verteilung relevant werden. Dies ist im allgemeinen bei den Gesetzesentscheidungen der EU der Fall. Verteilungsfragen spielen keine Rolle in Situationen, die durch eindeutige Gleichgewichtslösungen gekennzeichnet sind (spieltheoretisch z.B. Prisoners Dilemma, Chicken)46 , weil alle Akteure den gleichen Nutzen aus der Kooperation erzielen. In der Praxis häufiger sind jedoch kooperative Lösungen, die sich in der Verteilung von Erträgen und Kosten zwischen den Beteiligten unterscheiden, obwohl alle Beteiligten durch Kooperation mehr gewinnen als durch Nicht-Kooperation.47 Die Kooperation der Akteure wird in diesen Situationen erschwert durch den gleichzeitig zu verhandelnden Verteilungskonflikt. 48 Solche Situationen der "Politikverflechtung" im Mehrebenensystem können nach Scharpf (1985) entweder durch "Problemlösen" oder durch "bargaining" entschieden werden. "Problemlösen" setzt dabei eine gemeinsame Interessendefinition der Akteure voraus, die den Verteilungskonflikt ignoriert, während "bargaining" die Situation des Verteilungskonfliktes in Form eines Nullsummenspiels zwischen den separaten Interessen entscheidet.49 Die Einigung ist im Falle des "bargaining" häufig langwierig und kostspielig und wird in der EU, die für diesen Modus als repräsentativ angesehen werden kann, über Mechanismen wie Paket-Verhandlungen, Log-rolling oder Ausgleichszahlungen 44 Vanberg, Victor, 1979, S.l06; Frey Bruno S. und Beat Gygi, The Political Economy of International Organizations, in: Aussenwirtschaft, 45.Jg., 1990, Heft III, Grüsch: Rüegger, S.371-394; Olson, Mancur, 1965. 45 Vanberg, Victor, 1979, S.106. 46 Vgl. Scharpf, Fritz W., Verhandlungssysteme, Verteilungskonflikte und Pathologien der politischen Steuerung, in: Schrnitt, Manfred G., Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft "Staatstätigkeit", 1988, S.61-87. 47 Ein Beispiel hierfür stellt die spieltheoretische Situation des "battle of the sexes" dar. Garrett, Geoffrey und Barry R. Weingast; kombinieren das Gefangenen-Dilemma mit diesem Szenarium, um ein Beispiel für die Verhandlungssituation der Gemeinschaft zu konstruieren. Vgl. auch Heckathorn, Douglas D und Steven Maser, Bargaining and Constitutional Contracts, in: American Journal of Political Science 31, 1987, S.l49f. 48 Krasner, Stephen D., Global Communications and National Power: Life on the Pareto-Frontier, World Politics 43, April1991 , S.336-366. 49 Groom, A.J.R., No comprornise: problem-solving in a theoretical perspective, in: International Social Sience Journal, 127, 1991, S.77-86.

II. Das Dilemma der Organisation

27

reguliert, die zudem häufig zu Lasten unterrepräsentierter Interessen ausfallen.50 Tollison!Willet (1979) zeigen, wie durch "package-deals" Vorteile für alle Verhandlungspartner erreicht werden können bei gleichzeitiger Lösung der Verteilungsprobleme.51 Dieses Modell scheint insbesondere auf die EU zuzutreffen, bei der bereits die Entstehung der EGKS sowie später auch die Verbindung zwischen EWG und EAG als grundlegende Beispiele der Kombination verschiedener Issues angeführt werden können. 52 Die Suche nach Paketen, die für alle Staaten Vorteile mit (subjektiv) ähnlich bewerteten Erträgen aufweisen, resultiert daher aus der Einstimmigkeitsregel und der Verbindung von Entscheidungs- und Verteilungsproblemen. Gesetze der EU müssen nach dieser Logik so formuliert sein, daß sie allen beteiligten Akteure bei gleichzeitiger Verteilungsgerechtigkeit von Nutzen sind. Wird dieses Gleichgewicht nicht erreicht und fehlt der EU die ausschließliche Regelungskompetenz, so werden in diesen Fällen zwischenstaatliche Vereinbarungen außerhalb der EU angestrebt werden.53 Abschließend läßt sich feststellen, daß durch den Entscheidungs- und Verteilungsmodus die Handlungsfähigkeit des korporativen Akteurs EU stark eingeschränkt ist, so daß die beteiligten Akteure erst jüngst mit der EEA in der Lage waren, die institutionellen Bedingungen hinsichtlich der Entscheidungsregeln zu verändern.54 Einstimmigkeit über eine Verfassungsregel mit der Möglichkeit von Mehrheitswahlrecht erscheint nur dann möglich, wenn die beteiligten Akteure mehrdimensionale, heterogene Präferenzen haben. In diesem Fall können Nachteile, die das Mehrheitswahlrecht in einem Bereich hervorrufen könnte, durch Vorteile in anderen Bereichen ausgeglichen wer50 Vgl. zum oberen Abschnitt Scharpf, Fritz W., 1985, S.341-345; vgl. auch Lowi, Theodore, Four Systems of Policy, Politics and Choice, in: Public Administration Review, Juli-August 1972, S.298-31 0. 51 Tollison, Robert D. und Thomas D. Willet, An econornic theory of mutually advantageous issue linkages in international negotiations, in: International Organization 33, 4, Autumn 1979, S.425-449. ~2 George, Stephen A., S.6f.; Weber, Shlomo und Hans Wiesmeth, Issue Linkage in the European Community, in: Journal of Common Market Studies, Vol.XXIX, No.3, March 1991, S.255-267; Tsoukalis, Loukas, 1991 ; Gasteyer, Curt, Europa zwischen Spaltung und Einigung 1945-1990, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 1991, S.60ff. 53 Weber, Shlomo und Hans Wiesmeth, S.263. ~4 Eine Veränderung der Entscheidungslogik durch institutionelle Reformen, die in der EU stattgefunden haben, kann nur zustande kommen, wenn "alle beteiligten Staaten die entsprechenden Entscheidungen als ihre Interessen fördernd, mindestens mit ihnen vereinbar angesehen haben und daß sich so Einvernehmen eingestellt hat". Hrbek, Rudolf, Nationalstaat und europäische Integration. Die Bedeutung der nationalen Komponente für den EU-Integrationsprozeß, in: Haungs, Peter (Hrsg.), Europäisierung Europas, l.Aufl., Nomos, Baden-Baden, 1989, S.81 -108, hier S.l05.

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B. Die EU als korporativer Akteur

den. 55 Ein Beispiel dieser Art von Tausch über verschiedene Politikfelder oder Policies hinweg stellt die Verabschiedung der EEA dar, bei der das Binnenmarktkonzept und die damit verbundene Einführung der qualifizierten Mehrheitsregelverknüpft wurden mit einer Erhöhung der Strukturfonds zum Vorteil der vermeintlichen Verlierer des Programms. 56 Hervorzuheben sind insbesondere die Art. I OOa zur Realisierung des Binnenmarktes und die Artikel zur Herstellung der Freizügigkeit (Art.49-66). Gleichfalls wurde die qualifizierte Mehrheitsregel in Art.ll8a, Festsetzung von Mindestnormen zur Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer im Bereich der Arbeitsumwelt, und Art.l30q, Umwelt, implementiert. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die qualifizierte Mehrheitsregel auf weitere Bereiche ausgedehnt und zudem die Beteiligungsrechte des Parlaments erweitert. Durch die institutionelle Reform haben die Mitgliedstaaten die Handlungsfähigkeit der EU verbessert, und auf die Einstimmigkeit in operationalen Politikbereichen verzichtet. Die Einführung der qualifizierten Mehrheitsregel im Bereich der Sozialpolitik kann aus den negativen externen Effekten, die mit der Liberalisierung des Binnenmarktes verbunden sein können, erklärt werden. Die Mitgliedstaaten als Anbieter sozial-ökonomischer Güter- wie bspw. Sozialer Sicherheit- stehen vor dem Problem, eine Balance zwischen der Deregulierung der Wirtschaft einerseits und dem Angebot an sozialem Schutz andererseits finden zu müssen, zumal die Regierungen von der Wählerschaft abhängig sind.57 Die Effekte der Verfahrensänderungen der EU, die Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen den Gemeinschaftsorganen und die Auswirkungen auf die kollektiven Entscheidungen im Politikfeld der Europäischen Sozialpolitik bilden den Schwerpunkt dieser Arbeit. Die Untersuchung der Entscheidungs- und Verteilungsprobleme, die bei den Verhandlungen in der EU auftreten, werden anband von Fallstudien analysiert. Da zuvor die Entscheidungsstruktur und -verfahren der EU modelliert werden, wird im folgenden zunächst auf die einzelnen entscheidenden Organe der Union und deren Verhältnis zueinander eingegangen.

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Faber, Malte, 1974; Kirsch, Guy, 1980. Vgl. Garrett, Geoffrey, 1992; Moravcsik, Andrew, 1991. Moravcsik, Andrew, 1993, S.491f.

C. Die Entscheidungsstruktur der EU Das politische System EU wird im wesentlichen durch die Organe Kommission, Rat, Europäisches Parlament, Europäischer Gerichtshof und Wirtschafts- und Sozialausschuß (WSA) konstituiert. Diese Organe stehen in einem dynamischen Entwicklungsprozeß zueinander, was ihre Kompetenzen betrifft. Während es aus den bisherigen Überlegungen möglich erscheint, die Entstehung und innere Organisation des Rates 1 und der Kommission2 zu erklären, die einerseits die intergouvernementale Rationalität und andererseits die Notwendigkeit der Koordination reflektieren, bestehen erhebliche Probleme zur Erklärung der übrigen Institutionen, die doch maßgeblich den institutionellen Charakter der EU prägen. Der EuGH als Sanktionsgewalt trägt sicherlich wesentlich zum Bestand der EU bei; das EP, das bereits in den Gründungsverträgen zur EGKS in der Versammlung angelegt war, hat bedeutende legitimatorische Funktionen und könnte in einer Europäischen Union dazu beitragen, das europäische Demokratiedefizit zu mildern; der WSA führt - ähnlich wie die Wirtschaftsräte in einigen europäischen Staaten3 - dazu, einen Interessenausgleich der organisierten wirtschaftlichen und sozialen Kräfte in korporatistischer Weise zu gewährleisten und sozialen Konsens herzustellen. Dennoch bleibt die Frage bisher offen, aus welchen Motiven die Gründerstaaten der EU gerade diese Organe institutionalisiert haben.

1 Dies betrifft vor allem die Gliindung des Europäischen Rates 1974, die Entwicklung des COREPER, die Beteiligung der Mitgliedstaaten an den Verwaltungsausschüssen zur Implementation europäischer Policies und der Troika zur Koordination der Präsidentschaften. Vgl. Bulmer, Sirnon und Wolfgang Wessels, The European Council. Decision-Making in European Politics, MacMillan Press, London, 1987; Berie, Hermann, Erfolg für den Europäischen Sozialraum, in: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Der EG-Binnenmarkt und die Sozialpolitik, 1989a, S.37-43. 2 Vgl. Schmitt von Sydow, Helmut, Organe der erweiterten Gemeinschaften- Die Kommission, l.Aufl., Nomos, Baden-Baden, 1980; Noel, Emile, Die Organe der Europäischen Gemeinschaft, Amt für amtliche Veröffentlichungen der EU, Luxemburg, 1988. 3 Vgl. Wirtschafts- und Sozialausschuß der Europäischen Gemeinschaften, Die beratende Funktion in Europa. Die beratenden Wirtschafts- und Sozialräte in der Europäischen Gemeinschaft, Nomos, Baden-Baden, 1989

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C. Die Entscheidungsstruktur der EU

I. Entstehung der EU Stephen A. George (1986) bietet eine Erklärung an, die sich aus den politischen Ambitionen der europäischen Föderalisten herleitet: da es unmöglich schien, eine Europäische Union auf direktem Weg durch einen großen Sprung zu erreichen, wollte man dieses Ziel der europäischen Integration durch inkrementale Schritte verfolgen. In den Jahren 1948/49 war es nach Zusammenschluß aller Buropaorganisationen zur "Europäischen Bewegung" dieser nur gelungen, einen Ministerrat und die europäische Beratende Versammlung zu schaffen, die dann die beiden Hauptorgane des Europarates (5.5.1949) werden sollten. Zugleich forderten die europäischen Föderalisten die Schaffung eines Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.4 "Eine solche Struktur des Europarates überließ - auf der Basis des traditionellen Einstimmigkeitsprinzips - dem Ministerkomitee (bestehend aus den Außenministern) alle entscheidenden Kompetenzen und verwies das Parlament auf ausschließlich beratende Funktionen. Das stellte zweifellos einen Sieg der konservativ-nationalstaatliehen Kräfte über die föderativen Ideen dar, wie er sich bereits in den Auseinandersetzungen in Den Haag und im Schoße der Europäischen Bewegung abgezeichnet hatte"5 • Im Europarat wurden erstmals eine Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1953) verabschiedet und eine Europäische Kommission für Menschenrechte sowie ein Europäischer Gerichtshof geschaffen, der "verbindlich und ohne Zustimmung nationalstaatlicher Organe entscheiden" konnte. 6 Im sozialen Bereich wurden die Europäische Sozialcharta ( 1961 ), ein Kodex (1964), eine Konvention (1972) und der Fremdarbeiterstatus (1977) teilweise von den Mitgliedstaaten ratifiziert. Die EGKS, die als erste Stufe einer Europäischen Union anzusehen ist, wurde aus unterschiedlichen Interessen gegründet. Mit dem Auslaufen des Marshallplanes wurde die Frage der zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den europäischen Staaten wichtig. Frankreich hatte ein Interesse an der Kontrolle der deutschen Stahlindustrie, während die USA (und die Bundesrepublik natürlich auch) die Bundesrepublik als gleichberechtigten Staat in Europa sehen wollten.7 Eine Lösung dieses Problems fand sich in der Gestaltung der supranationalen EGKS mit der Hohen Behörde als Exekutivorgan (der ein Beratender Ausschuß zur Seite steht), der gemeinsamen Versammlung als Gasteyer, Curt, 1991, S.3lf. Ebd., S.58. Ebd., S.60. Vgl. Beutler, Sengtet al., 1987, S.3lf.; Janz, Louis, Die Geschichte der europäischen Einigung nach dem zweiten Weltkrieg, in: Weidenfeld, Wemer (Hrsg.), Die Identität Europas, Carl Hanser Verlag, München Wien, 1985, S.80-ll2. 4

I. Entstehung der EU

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parlamentarischem Kontrollorgan und dem Ministerrat als Bindeglied zu den nationalen Regierungen; die Tätigkeit der EGKS überwacht ein Europäischer Gerichtshof. Ziel der EGKS war die "Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes für Kohle, Eisen und Stahl, um im Einklang mit der Gesamtwirtschaft der Mitgliedstaaten zur Steigerung von Beschäftigung, Produktion und Lebenshaltung der Gemeinschaft insgesamt"8, und "zum Fortschritt der Werke des Friedens"9 beizutragen. Daraus werden zwei Dinge ersichtlich: zum einen war die Struktur der EGKS bereits durch den Europarat vorgegeben, die sich in Auseinandersetzungen zwischen Föderalisten und Nationalisten gebildet hatte. Zum anderen entstand diese Struktur dadurch, daß die national wichtigen Organe, - Parlament, Regierung, Gerichtshof -, auf der supranationalen Ebene mit unterschiedlicher Kompetenzverteilung kopiert wurden. Weiterhin muß bedacht werden, daß der EGKS-Vertrag (ab Juli 1952) eine Laufzeit von 50 Jahren hatte und folglich ein begrenztes Unternehmen darstellte. Dadurch war gesichert, daß der Souveränitätsverlust der Einzelstaaten nicht auf Dauer angelegt war. Die EGKS war zuerst ein reiner Zweckverband, der aus den kompatiblen Interessen der Einzelstaaten resultierte und zum Ziel hatte, die deutsche Grundstoffproduktion zur Herstellung von Waffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Bereits 1954/55 wurde die Initiative von der Versammlung und den Reneluxstaaten zur Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ergriffen. Daraufhin konnten sich die Mitgliedstaaten relativ schnell auf die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (als Zollunion) und der Europäischen Atomgemeinschaft einigen; diese Einigung wird als "package-deal" betrachtet, da Frankreich ein starkes Interesse an einer friedlichen Nutzung der Kernenergie hatte, Deutschland hingegen für seine expandierende Industrie mehr an der Gestaltung des Gemeinsamen Marktes interessiert war.10 Die Verträge wurden am 25.3.1957 in Rom unterzeichnet und traten am 1.1.1958 in Kraft. Aus neo-funktionalistischer Sicht würde aus dieser sektoralen Integration die vollständige politische Union und Loyalitätsübertragung auf den supranationalen Akteur zwangsläufig erfolgen. Um diesen Prozeß zu erleichtern und um den Willen zur europäischen Vereinigung zu bekunden, wurden bereits im EGKS-Vertrag die Institutionen angelegt, die später politische Funktionen in einer föderalistischen Union übernehmen sollten. Diese Institutionen hatten 8

Beutler, Bengt et al., 1987, S.62. Läufer, Thomas (Bearb.), EWG-Vertrag, Grundlage der Europäischen Gemeinschaften, Europa Union Verlag, Bonn, 1990, Präambel. 10 Vgl. Beutler, Bengt et al., 1987, S.33. 9

32

C. Die Entscheidungsstruktur der EU

damals zwar keine direkten Funktionen, sollten diese aber Zug um Zug erlangen. Die politischen Ziele der Gründungsväter der EU sind nach dieser Interpretation dafür verantwortlich, Institutionen geschaffen zu haben, die stark genug waren, die späteren strukturellen Probleme der EU zu lösen.

II. Organe der EU Das EU-System heute kann als Verflechtungssystem der oben aufgelisteten Organe beschrieben werden. 11 Das EU-System zeichnet sich durch drei Merkmale und deren Verhältnis zueinander aus: inhaltlich durch die Reichweite seiner Problem- und Aufgabenstellung, konstitutionell durch die rechtliche Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten sowie institutionell durch die Struktur seiner Problemverarbeitung. An diesen Merkmalen läßt sich einerseits der Entwicklungsstand des EU-Systems erkennen, andererseits stellen sie den Rahmen dar für die Betätigungsmöglichkeiten und die Stellung der darin wirkenden Akteure. 12 Zur Abgrenzung der Aufgabenverteilung zwischen den Organen und deren institutioneller Bedeutung werden diese im folgenden kurz beschrieben.

1. Die Kommission 13

Der Kommission der EU werden vier Aufgaben zugewiesen: sie gilt als die Hüterin der Verträge, als das Exekutivorgan der Gemeinschaft (in dieser Funktion auch die Außenvertretung), als der Initiator der Gemeinschaftspolitibk und vertritt das Gemeinschaftsinteresse im Rat. 14 Obwohl häufig Initiativen durch die Mitgliedstaaten motiviert sind, hat die Kommission das Recht, diese Initiativen zu bewerten und in konkrete Vorschläge umzusetzen. Für die Politikformulierung als Ausgangspunkt einer Policy ist vor allem ihre Rolle als Vgl. Scharpf, Fritz W., 1988, 1985. Vgl. dazu Grabitz, Eberhard; Otto Schmuck; Sabine Steppat und Wolfgang Wessets, Direktwahl und Demokratisierung, Eine Funktionanbilanz des Europäischen Parlaments nach der ersten Wahlperiode, Institut für Europäische Politik, Bonn, 1988, S.59-77, insb. S.73. 13 Vgl. zum folgenden Schmitt von Sydow, Helmut. 14 Noel, Emile, 1988, S.13; ders., So funktioniert Europa, Nomos, Baden-Baden, 2.Aufl., 1979; Ludlow, Peter, The European Commission, in: Keohane, Roher 0. und Stanley Hoffmann (Hrsg.), The New European Community. Decisionmaking and Institutional Change, Westview Press, Boulder, 1991, S.85-132; Edwards, Geoffrey und David Spence (Hrsg.), The Commission in Perspective, in: dies. (Hrsg.), The European Commission, Longman, 1994, S.4. 11

12

II. Organe der EU

33

Initiator wesentlich, aber auch ihre Position im Rat kann bei der Ausformulierung einzelner Rechtsakte entscheidend sein. Zunächst soll jedoch die Organisationsstruktur der Kommission beschrieben werden. Die Kommission im engeren Sinne ist ein Kollegialorgan bestehend aus nunmehr 20 einvernehmlich auf 5 Jahre bestellten Mitgliedern der Mitgliedstaaten der EU, die nicht weisungsgebunden sind; die größeren Länder (BRD, E, F, I, UK) stellen jeweils 2 Kommissare. 15 Zur Beschlußfassung reicht eine einfache Mehrheit, obwohl die meisten Beschlüsse einmütig gefaßt werden. 16 Die Kommissionsmitglieder haben also unabhängig von dem Ressort, dem sie vorstehen, gleiches Stimmrecht. Sie werden in ihrer Arbeit unterstützt von ihrem Kabinett - einer Art Ministerbüro -, dem die fachlich spezialisierten Kabinettschefs vorstehen. Diese bereiten die Kommissionssitzungen vor und haben das Recht, unstrittige Fragen zu entscheiden, die dann als sogenannte APunkte von der Kommission ohne Beratung angenommen werden. Umstrittene Fragen hingegen werden zwischen den Kommissaren mündlich entschieden, während sonstige Fragen im schriftlichen Umlaufverfahren durchgesetzt werden, das es jedem Kommissionsmitglied erlaubt, innerhalb von einer Woche Widerspruch einzulegen. Generaldirektoren führen für die Kommissare die insgesamt 23 Generaldirektionen, 2 fachlich spezialisierte Dienste und 6 Querschnittsdienste, in die die Kommission gegliedert ist. Die Generaldirektionen sind nach Ressorts aufgeteilt und stellen sowohl das Exekutivorgan als auch die Vorbereiter für neue Initiativen dar.17 Allerdings hat die EU-Kommission keinen eigenen Verwaltungsapparat innerhalb der Mitgliedstaaten, sondern ist vollständig auf diese angewiesen in der lmplementation der Entscheidungen des Rates. Die Ausarbeitung der Kornmissionsbeschlüsse und Vorschläge an den Rat muß in zwei Phasen unterschieden werden: einmal die Festlegung der politischen Leitlinien und zum anderen die Erarbeitung der praktischen Einzelheiten. Die Leitlinien ihrer Politik entwickelt die Kommission indem sie auf höchster Ebene Gespräche und Konsultationen mit wichtigen Politikern und Verwaltungsbeamten der Mitgliedstaaten, aber auch mit Vertretern privater Interessen führt. 18 Bereits an dieser Stelle wird der starke nationale Einfluß auf die Fortentwicklung und die Agenda der EU deutlich. Faktisch werden unterdessen

15 Die Aufgaben, Kompetenzen und Zusammensetzung der Kommission wird in den Art.155-163 EUV geregelt. Vgl. zur Kommission Beutler, Bengt et al., Die Europäische Union, Rechtsordnung und Politik, Nomos, Baden-Baden, 4.Aufl., 1993, S.l39-145. 16 Noel, Ernile, 1988, S.46. 17 Hitzler, Gerhard (Schrift!.), Europahandbuch, Carl Heymanns Verlag, Köln et al., 1990, S.27. 18 Noel, Ernile, 1988, S.46.

3 Schnorpfcil

34

C. Die Entscheidungsstruktur der EU

auch die Mitgliedstaaten als Initiatoren gemeinschaftlicher Politik anerkanne 9 , wie bspw. die Einführung des Katalysators gezeigt hat. 20 Nachdem die politischen Leitlinien beschlossen sind, beginnt die Ausarbeitung der Vorschläge durch die Kommission bzw. die zuständige Generaldirektion. Hierzu werden in vielen Konsultations- und Sachverständigensitzungen Experten der Mitgliedstaaten und der führenden (im allgemeinen europäischen) Interessenverbände hinzugezogen. In einzelnen Politikfeldern haben sich dazu Ausschüsse fest etabliert, in denen sowohl die Mitgliedstaaten als auch organisierte Interessen repräsentiert sind. Diese Ausschüsse sind fachbereichsspezifisch unterschiedlich besetzt.21 Durch dieses Verfahren wird bereits in der Phase der PolicyFormulierung eine Art Gleichgewichtslösung angestrebt, die einer späteren Ablehnung im Rat vorgreifen soll, so daß entweder Mehrheitsbeschlüsse möglich werden oder einstimmige Entscheidungen durchgehen. Die Kommission wird zudem als funktional angesehen, als ihre Vorschläge von einem neutralen Akteur ausgehen, der nicht systematisch die Interessen eines Mitgliedstaates vertritt. Die Rolle der Kommission als Agenda-Setter entlastet zudem die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten. In diesem Sinne senken die europäischen Institutionen vor allem Transaktionskosten.22 Da die Ausarbeitung der Vorschläge durch Beamte der zuständigen GD in Zusammenarbeit mit nationalen (Verwaltungs-) Experten vorgenommen wird, und bereits in der Vorbereitungsphase Konsens angestrebt wird, entwickelt sich das Phänomen sehr technokratischer Gesetzesvorlagen. Gleichzeitig wird durch das Ressortprinzip, das bei der Kommission und teilweise bei den Mitgliedstaaten zu beobachten ist, eine Fragmentierung und Sektoralisierung der Politik erreicht, die sich durch fehlende Koordination auszeichnet und nicht den ursprünglichen politisch opportunen Zielen der Kommission entspricht. 23 So ist die Phase der Politikformulierung der EU durch "1. joint policy-making, 2. fragmentation and Iack of coordination and 3. bureaucracy and policy-

19 Siedentopf, Heinrich und Christoph Hauschild, The Implementation of Community Legislation by the Member States, in: Siedentopf, Heinrich und Jacques Ziller (Hrsg.), Making European Policies Work. The Implementation of Community Legislation in the Member States, Sage Publications, London, Vol.I, 1988, S.26, Schmitt von Sydow, Helmut, S.l87. 20 Vgl. van den Bos, Jan M.M., Dutch EC Policy Making. A Model-Guided Approach to Coordination and Negotiation, Dissertation, I 991. 21 Vgl. zu den Ausschüssen der EU Schmitt von Sydow, Helmut, S.131- I 86. 22 Moravcsik, Andrew, 1993, S.508, 512f., Garrett, Geoffrey, S.540. 23 Vgl. Siedentopf, Heinrich und Christoph Hauschild, S.27; Bulmer, Simon, The Domestic Structure ofEuropean Community Policy-Making in West Germany, Garland Publishing,lnc., New York & London, 1986; Bulmer, Sirnon and William Patterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, Allen & Unwin, London, 1987.

II. Organe der EU

35

making"24 zu beschreiben. Die Verflechtung der Kommission mit den Mitgliedstaaten wird offensichtlich in Art.162: "Der Rat und die Kommission ziehen einander zu Rate und regeln einvernehmlich die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit". Gleichzeitig ist die Kommission in allen Ratssitzungen und Sitzungen der Ständigen Vertreter sowie der Arbeitsgruppen des Rates anwesend, so daß es den Anschein hat, Vorlage, Verabschiedung und lmplementation der Gesetze würde von den gleichen Abteilungen der Ministerien und der Kommission koordiniert. 25 Dies gilt insbesondere, da die Kommission ihre Vorschläge solange abändern kann, wie der endgültige Beschluß noch nicht gefaßt ist (Art.189a EUV). Die institutionelle Verknüpfung von Rat und Kommission wird also durch ein Netzwerk von Ausschüssen mit möglicherweise persönlichen Verflechtungen gewährleistet, das sowohl die Phase der Politikformulierung als auch die der Implementation umfaßt. Zum einen hat sich faktisch somit eine institutionelle Arena als Folge der Politikverflechtung im europäischen Mehrebenensystem entwickelt, die maßgeblich durch die Erfordernisse der Einstimmigkeitsregel bedingt ist, und die die beteiligten Akteure in ihren Handlungsmöglichkeiten stark begrenzt und zu bestimmtem Verhalten zwingt. Auf der anderen Seite hat die Kommission durch dieses System die Möglichkeit, ihre Vorschläge so zu formulieren, daß gerade eine qualifizierte Mehrheit im Rat erreicht wird.

2. Der Ministerrat Das Generalsekretariat des Ministerrates ist ebenfalls in Generaldirektionen organisiert. "Inhaltlich werden die Ratstagungen (jedoch) vorbereitet auf politischer Ebene durch den Ausschuß der Ständigen Vertreter (AStV) bzw. im Landwirtschaftsbereich durch den Sonderausschuß Landwirtschaft. In diesen Ausschüssen sind die Mitgliedstaaten durch ihren Ständigen Vertreter bzw. dessen Stellvertreter vertreten. Die Ständigen Vertreter sind die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten. Die - wöchentlichen - Tagungen des AStV werden auf fachlicher Ebene vorbereitet durch sachlich spezialisierte Ratsgruppen und Ausschüsse, in denen jeder Mitgliedstaat durch eine Delegation von Fachbeamten aus der Ständigen Vertretung und/oder den betroffenen Fachministerien vertreten ist"26 • Die Ständigen Vertretungen unterstehen als Botschaften den Siedentopf, Heinrich und Christoph Hauschild, S.27. Pag, Sabine, The Relations between the Commission and National Bureaucracies, in: Berlin, D., Pag, S. und C. Bourtenbourg (Hrsg.), The European Administration, Maastricht, EAIP, 1987, S.443-496. 26 Hitzler, Gerhard, S.20. 24

25

36

C. Die Entscheidungsstruktur der EU

Außenministern als den allgemein zuständigen Ministern im Ministerrat, die ihre Befugnisse jedoch auf die Fachminister übertragen können. Der Ausschuß der Ständigen Vertreter (COREPER) ist vertraglich in Art.l51 EUV vorgesehen. Er wurde offiziell 1965 durch den Fusionsvertrag (Art.4) begründet. Er "hat die Aufgabe, die Arbeiten des Rates vorzubereiten und die ihm vom Rat übertragenen Aufträge auszuführen" (Art.151 EUV). Den Vorsitz führt jeweils das Land, welches auch im Rat den Vorsitz innehat. Die Ständigen Vertretungen haben allgemein die Aufgaben, Informationen zwischen der Gemeinschaft und den eigenen Ministerien zu vermitteln, in den Arbeitsgruppen die nationalen Standpunkte zu vertreten und nationale Verhandlungspositionen vorzubereiten.27 Der Ausschuß selbst setzt sich zusammen aus den Ständigen Vertretern der Mitgliedsländer sowie einem Vertreter der Kommission. Er stützt sich bei seiner Arbeit, der Vorbereitung von Ministerentscheidungen, auf eine Vielzahl von Arbeitsgruppen und Ausschüssen, von denen einige ständige Einrichtungen sind. 28 Die Zahl der Ausschüsse schwankt zwischen 10029, 1343re than before at local Ievels, by preference at enterprise or plant Ievel. In our opinion this may become more general and more pronounced in the near future."

I. Einführung

145

anderen Seite wird immer häufiger eine bessere Auslastung der Maschinenlaufzeiten gefordert, wie auch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen flexiblere Arbeitszeiten verlangen (z.B. Ladenschlußgesetz). 14 Dieses kann durch Flexibilisierung der Arbeitszeit und Teilzeitarbeit realisiert werden. Die Betriebszeiten hängen einerseits ab von strukturellen Faktoren eines Landes, wie dessen Produktions- (Anteile Grundstoff-, Investitionsgüter und Verbrauchsgüterindustrie) und Unternehmensstruktur (Großunternehmen haben deutlich längere Betriebszeiten). Anderseits schätzen die befragten Unternehmen die tariflichen und gesetzlichen Regulierungen sowie eine unzureichende Gütemachfrage (Portugal) als Hauptfaktoren der Betriebszeiten ein. Umfragen unter Arbeitnehmern zeigen, daß beim Arbeitsangebot ein erhebliches Flexibilisierungspotential besteht. 1' Dennoch gibt es auch Bereiche im Arbeitszeitschutz, die einer Flexibilisierung weitgehend widerstehen. Dazu zählen beispielsweise Ladenschlußzeiten, Sonntags- und Wochenendarbeit, Arbeit zu unkonventionellen Zeiten oder Nachtarbeit. 16 Arbeitszeitschutz behandelt folglich einen Bereich des Arbeitsrechts, der einerseits möglichst flexible ökonomische Lösungen erlauben soll, andererseits aber auch einen ausreichenden Schutz für die Arbeitnehmer zu gewährleisten hat und dabei auch kulturelle und soziale Gesichtspunkte berücksichtigen muß. Dazu zählen familienpolitische Aspekte, Sonntagsarbeit oder Jugendschutz, aber auch die Organisation der industriellen Beziehungen. 17 Immerhin war der Arbeitszeitschutz als Jugendarbeitsschutz der erste Teilbereich, der sich historisch in den meisten westeuropäischen Staaten im Politikfeld .,Arbeit" entwikkelt hat. Die Grundkonzeption des Arbeitszeitschutzes sieht so aus, daß gesetzliche Mindeststandards definiert werden, die einen ausreichenden Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten. Diese Mindestnormen dürfen nur in Ausnahmefällen 14 Vgl. Hofmann, Claus F. und Stephan Monse, Betriebszeiten. Intelligente Organisation gefragt, in: Bundesarbeitsblatt 1111992, S.S-8; ebenso Berie, Hermann und Claus F. Hofmann, Europäischer SiMenmarkt (IV). Arbeitszeiten in der EG, Bundesarbeitsblatt 411992b, S.18-27. Die Autoren stellen über die Auswertung der Ad-hoc Arbeitsmarktumfrage der EG-Kommission von 1989 (Kommission der EG, 1991a) fest, daß in den EG-Mitgliedstaaten ein erhebliches Flexibilisierungspotential sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch auf Seiten der Arbeitnehmer besteht. Die Ausnahme stellt wohl Großbritannien dar, das bereits jetzt die Flexibilisierungsmöglichkeiten am weitestgehendsten nutzt. 15 Ebd., 4/1992, S.21. 16 Eine Studie der EG-Kommission zeigt, daß in Deutschland nur etwa 10% der Arbeitnehmer bereit wären Nachts oder Sonntags zu arbeiten. Europäische Wirtschaft Nr.47, Ad-hoc Arbeitsmarktumfrage der EG-Kommission 1989, März 1991a. 17 Insbesondere Großbritannien und Dänemark haben erhebliche Schwierigkeiten mit der Einführung gesetzlicher Mindeststandards in Bereichen, die tariflich geregelt werden. Dies bedeutet nämlich einen Eingriff in die Tarifautonomie dieser Länder.

10 Schnorpfeil

146

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

wie Notsituationen, höherer Gewalt oder Tätigkeiten, die saisonabhängig sind, verletzt werden. Kollektivvereinbarungen hingegen wurden im allgemeinen dazu genutzt, diese Mindeststandards günstiger zu gestalten oder in bestimmten Bereichen (wie tägliche und wöchentliche Arbeits- und Ruhezeiten, Mehrarbeit, Nachtarbeit oder Jahresurlaub) so abzuwandeln, daß Abweichungen bei Gewährung von Kompensationen möglich wurden. Vertragliche Regelungen haben dabei den Vorteil, besser auf die Bedürfnisse einzelner Industriesektoren oder Branchen wie auch der Arbeitnehmer zugeschnitten zu sein. Dies macht sich auch im Zuge der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitszeit bemerkbar. Den Tarifpartnern kommt insofern wieder eine höhere Verantwortung zu, als unter stärkerem ökonomischem Druck tarifliche Regelungen auch dazu benutzt werden können, um gesetzliche Mindestnormen durch Ausnahmeregeln zu senken. Dies gilt vor allem, wenn die Gewerkschaften nicht stark genug sind, sich gegen Unternehmensinteressen durchzusetzen, kein ausreichender gewerkschaftlicher Organisationsgrad besteht oder "trade-offs" zwischen Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitszeitschutz entstehen. Die größere Variationsbreite kollektiver Vereinbarungen kann zudem aufgrund der Komplexität die Kontrolle von Arbeitszeitregelungen erschweren. Mit der Individualisierung der Arbeitszeiten kann gleichzeitig eine Schwächung der gewerkschaftlichen Solidarität und Organisationsfähigkeit verbunden sein, die wiederum gesetzliche Mindestregelungen erfordern würde. 18

II. Arbeitszeitschutz auf EG-Ebene Für einen Arbeitszeitschutz auf europäischer Ebene gibt es wenig oder keine ökonomischen Argumente. 19 In polit-ökonomischen Erklärungsansätzen wird auf die verschiedenen Interessen der Kommission, der Minister oder der Interessengruppen verwiesen, deren individuelle Interessenlagen, wie beispielsweise die Ausdehnung ihres Budgets oder ihrer Kompetenzen, die Verringerung des Arbeitsangebots im Zuge von Arbeitszeitrestriktionen oder die Erhöhung der Arbeitskosten durch Sozialdumping in den weniger entwickelten Mitgliedstaaten20, eine gemeinsame Regulierung der Arbeitszeit auf europäiThurman, Joseph E., S.l62f. Vgl. Kapitel E. 20 Bereits bei den Verhandlungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 195617 spielte das Argument der Arbeitskosten eine bedeutende Rolle. Frankreich hatte zu diesem Zeitpunkt die 40-Stunden Woche realisiert und befürchtete Wettbewerbsnachteile in einem freien Markt. In den Vertrag wurde daher zwar der Art.120 (Bezahlte Freizeit) aufgenommen, der aber keine rechtliche Wirkung entfaltet hat. Eine Angleichung der Arbeitszeiten sollte aus diesen Erfahrungen immer wettbewerbspolitisch interpretiert werden. 18

19

II. Arbeitszeitschutz auf EG-Ebene

147

scher Ebene unterstützen. 21 Hinzu kommt ein großer Konsens in der Öffentlichkeit gegenüber europäischen Arbeitszeitregelungen. 22 Auch die Gemeinschaftschartader sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer aus dem Jahre 1989 fordert die Einführung von Mindeststandards in bezug auf die Arbeits- und Ruhezeiten der Arbeitnehmer (Art.7,8). Obwohl mit der Einheitlichen Europäischen Akte die Möglichkeit im Vertrag der Gemeinschaft eröffnet worden ist, Mindeststandards im Bereich der Arbeitsumwelt festzulegen, stellt sich die Frage, warum die Kommission als Initiator gerade die Arbeitszeit als europäischen Regelungsbereich gewählt hat. Die erwähnten polit-ökonomischen Ansätze bleiben dennoch spekulativ, weil die Interessenlage der Akteure nicht bekannt ist, institutionellen Regelungen keine Beachtung geschenkt wird und auch der Einfluß von Interessengruppen auf die europäische Gesetzgebung bislang im Detail kaum untersucht wurde. Während sich für die meisten Teilbereiche europäischer Sozialpolitik entweder ein europäischer Bezug nachweisen läßt, der eine Zentralisierung einzelner Regelungsbereiche sinnvoll erscheinen täße3, oder zumindest politische Teilbereiche reguliert werden, zu denen kein nationales Pendant existiert, wie z.B. die Gleichbehandlungspolitik der Gemeinschafe4 , stellt sich die Situation im Arbeitszeitrecht anders dar. Als Erklärungsansatz verbleibt die These, daß die Gemeinschaft eine soziale Dimension benötigt, um die Deregulierungspolitik durch Binnenmarkt vor den Bürgern zu rechtfertigen. Diese, zugegebenermaßen sehr allgemeine These, wird unterstützt durch die Äußerungen des Europäischen Rates und die Bestrebungen der Gemeinschaft, einen sozialen Dialog zu entwickeln. Gleichzeitig wird diese Auffassung auch nicht von allen Mitgliedstaaten geteilt, wie insbesondere die Haltung Großbritanniens zur Sozialpolitik verdeutlicht. Die Kommission ist dann vor die Aufgabe gestellt, Palieies zu entwickeln, die einen möglichst breiten Konsens zwischen den Mitgliedstaaten erwarten lassen und die gleichzeitig von den Arbeitnehmern wahrgenommen und unterstützt werden. Im Unterschied zum technischen Arbeitsschutz, der vornehmlich zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt wird und der auch nur sektorspezifische Aufmerksamkeit erzeugt, wird der soziale Arbeitsschutz25 von einer großen Zahl Arbeitnehmer wahrgenommen. In den meisten Mitgliedstaaten bestehen zudem Arbeitszeitregelungen, so daß die Verabschiedung europäischer Standards, sofern es sich tatsächlich um MinVgl. Kuhn, Britta, S.l09ff. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Eurobarometer Nr.33, Bd.l, Juni 1990, A 13, S.121. Danach befürworten im EG-Durchschnitt ca. 81% der Befragten EG-Regulierungen der Arbeits- und Erholungszeiten. 23 Vgl. Schnorpfeil, Willi, 1994. 24 Majone, Giandomenico, 1993, S.31. 25 Zum Begriff der sozialen Arbeitsschutzes vgl. Berie, Hermann, 1993. 21

22

148

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

deststandards handelt, nur eine Vereinheitlichung auf höherer Ebene bedeutet. Von der Höhe der Mindestbedingungen und den speziellen Regelungsbereichen hängt es dann ab, welche konkreten Folgen damit für die Mitgliedstaaten verbunden sind. Erst an dieser Stelle kommen Protektionismusargumente ins Spiel. Damit wird die Frage nach dem Niveau einer europäischen Regelung und der Betroffenheit der einzelnen Staaten bedeutsam, da nur auf diese Weise ein Urteil gefällt werden kann, ob die vorgeschlagenen Bestimmungen Vor- oder Nachteile für einzelne Staaten beinhalten. Eine Entscheidung auf kleinstem gemeinsamen Nenner beispielsweise bedeutete letztlich nur die Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die europäische Ebene, ohne substantielle Veränderungen in den Mitgliedstaaten hervorzurufen. 26 Aufgrund der qualifizierten Mehrheitsregel im Ministerrat lassen sich andererseits Koalitionen denken, die das Niveau in einzelnen Staaten erhöhen können, so daß diese langfristig mit einer Erhöhung der Arbeitskosten zu rechnen hätten. Daher soll im folgenden zunächst eine Bestandsaufnahme der Arbeitszeitstandards der Mitgliedstaaten geleistet werden, ehe auf die Vorschläge der Kommission und den Verhandlungsverlauf im einzelnen eingegangen wird. Die Arbeitszeitrichtlinie zählte, gerade aufgrund des Widerstandes Großbritanniens, zu den kontroversesten Richtlinien europäischer Sozialpolitik. Vor allem die Frage, ob der Arbeitszeitschutz der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Bereich der Arbeitsumwelt dient, w~ Gegenstand heftiger Diskussionen 27 , wobei die Argumente der Subsidiarität, als Zuständigkeit der Gemeinschaft, und des Sozialdumpings als Problem der Regulierung eine bedeutende Rolle spielten.

111. Arbeitszeitstandards in den Mitgliedstaaten der EU Vor diesem Hintergrund und den unterschiedlichen gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten der EU hat die Kommission 1990 einen Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dem Ministerrat vorgelegt. Der Richtlinienvorschlag stützt sich auf Art.ll8a EGV. Danach legt der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften fest, die die Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt fördern, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer verstärkt zu schützen. Mit 26 Die Verabschiedung der Richtlinie wäre dann, gemäß der These, eher dem Bereich der symbolischen Politik zuzurechnen. 27 Dies gipfelte unterdessen darin, daß, trotz Verabschiedung der Richtlinie, Großbritannien Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingelegt hat.

43

Portugal

-

lh/5h -

24S.

-2 5 3

3 4 3

5 5

-

5

lO

30 min/4,5h-

-

-

30min/5h 24 S.

11/fag 24S. 24S. 24S.

11/fag 24S. 24 s. -

-

30 min/6h

-

-

Spanien 40 40 9 15min!fag 12/fag 36S. 9 Großbrit. 38,8 Quelle: ILO Conditions of Work Digest ( 1986); lW-Zusammenstellung, 1992.

8

10 10 11

10 11 12

13 12

3

55

44

8 8 8,5

48-46 (2 8 Wochen) 96 (2 W.) 8 8 9 (11) 60

24 S.

48

48 40 48

40 40 38,9

Italien Luxemburg_ Niederlande

-(39) 39

48 48 48

37 39

Deutschland 37,6 Griechenland 40 Irland 39

Dänemark Frankreich

-

-

-

-

-

-

9 h!fag 1 Schicht

-

35 h/Wo. i Schicht

-

max. max. Nacht- Schichtarbeit arbeit Verbot 11 h!fag (Ausn.) 40h/W.

-

-

-

Verbot 1Ausn.) 20-7 Uhr; nur 1 Schicht min. 7Std 22-6 Uhr -

20-7 Uhr

-

24-6 Uhr

-

20-6 Uhr 22-7 Uhr

22-5 Uhr

-

Nationen/ max. Wochen- Wochentägl. max. min. Pausen tägliche wöchtl. min. NachtArbeitszeiten arbeitszeit arbeits- Wochen- Arbeits- ArbeitsRuhe- Ruhe- Jahresarbeit Industrie arbeitszeit zeit zeit zeit zeit zeit urlaub Belgien 37,75 12 40 50 8 24S. 5 20-6 Uhr -

Tabelle 22 Vergleich der Arbeitszeitregelungen und der gesetzlichen Ruhezeiten der EG Staaten

~

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I

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150

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

dem Erlaß von Mindestvorschriften über individuelle Ruhe- und Arbeitszeiten verfolgt die Kommission das Ziel, die in Art.l18a erwähnten Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gegenstand der Richtlinie sind tägliche, wöchentliche und jährliche Mindestruhezeiten und bestimmte Aspekte der Nacht-, Mehr- und Schichtarbeit (Art. I Abs.l). Damit beschränkt sich der Richtlinienvorschlag auf einzelne Aspekte des gesamten Teilbereichs Arbeitszeitschutz. Bezüglich der in den Mitgliedstaaten bestehenden Regelungen gilt es zu unterscheiden zwischen gesetzlichen Mindestnormen und tarifvertragliehen Vereinbarungen. Für diese Untersuchung sind die gesetzlichen Mindestregelungen relevant, da sie den Inhalt der Richtlinie bestimmen. Es existieren in fast allen EG-Staaten - mit Ausnahme Großbritanniens Ausnahmeregelungen zu entweder den täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten oder komplementär zu den täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten.28 In wenigen Staaten gibt es zudem Einschränkungen der Nachtarbeit. Die Ausnahmen beziehen sich entweder auf Wirtschaftsbereiche und Produktionsmethoden, auf Notfall- und Unfallsituationen oder bestimmen Höchstgrenzen der Arbeitszeiten oder Mindestruhezeiten. Die Gewährung von Ausnahmen kann dabei von der Genehmigung zuständiger Behörden, Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern und/oder der Gewährung von Kompensationen abhängen. 29

IV. Der Richtlinienentwurf der Kommission Zu unterscheiden sind einmal die grundsätzlichen Erwägungen, die zu dem Richtlinienvorschlag geführt haben und auf die sich der Vorschlag stützt sowie die einzelnen Artikel, die dann im einzelnen Gegenstand der Verhandlungen sind. Bereits die Erwägungen der Kommission können problematisch sein, da hier die Rechtsgrundlage und folglich die Zuständigkeit der Gemeinschaft für einen Regelungsbereich definiert werden. Die Rechtsgrundlage entscheidet einerseits über die Abstimmungsregel im Ministerrat und andererseits über die Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments. Daher ist die Rechtsgrundlage eines Kommissionsvorschlags häufig der Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen, die im zuletzt vom EuGH entschieden werden müssen. 28 Der Widerstand Großbritanniens gegen die Richtlinie resultiert vor allem daraus, daß 3% aller Arbeitsstunden gegen die Bestimmungen der 48-Stunden Woche der Richtlinie verstoßen hätten. Vgl. Addison, John T. und Stanley W. Siebert, Recent Developments in Social Policy in the New European Union, lndustrial and Labor Relations Review, Vol.48, No.l, October 1994, S.l7. 29 Eine detaillierte Auflistung aller dieser Ausnahmebestimmungen findet sich in: Blanpain, R. und E. Köhler (Hrsg.), Legal und Contractual Limitations to WorkingTime in the European Community Member States, Kluwer, Deventer, 1988.

IV. Der Richtlinienentwurf der Kommission

151

1. Die Erwägungen der Kommission

Der Richtlinienvorschlag stützt sich auf Art.l18a EWGV. Danach legt der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften fest, die die Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt fördern, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer verstärkt zu schützen. Mit dem Erlaß von Mindestvorschriften über individuelle Ruhe- und Arbeitszeiten verfolgt die Kommission das Ziel, die in Art.ll8a erwähnten Arbeitsbedingungen zu verbessern. Der Kommissionsvorschlag stützt sich zudem auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte (Titel I, Ziffer 7, 8), nach der eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer auf dem Wege der Angleichung anzustreben ist, und die sich auf die Aspekte der Arbeitsdauer, der Arbeitszeitgestaltung, der wöchentlichen Ruhezeit und den bezahlten Jahresurlaub beziehen. Weiterhin führt die Kommission zur Begründung des Vorschlags eine Entschließung des EP (vom 15.3.89) zur sozialen Dimension des Binnenmarktes an, in der das EP ebenfalls Mindestvorschriften zur Festlegung von Höchstgrenzen für die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit als unerläßlich erachtet. Die Notwendigkeit der Arbeitszeitgestaltung ergibt sich im Hinblick auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer. In diesem Zusammenhang sind neben den Ruhezeiten auch Regelungen der Nacht- und Schichtarbeit von Bedeutung, die als besonders gesundheitsgefährdend angesehen werden. Daher wird vorgeschlagen, daß die Arbeitnehmer, die Nacht- oder Schichtarbeit leisten, sich regelmäßig einer gesundheitlichen Prüfung unterziehen und gegebenenfalls den Tätigkeitsbereich wechseln können.

2. Die einzelnen Vorschriften In den Artikeln werden die angesprochenen Regelungsbereiche definiert und Mindestnormen vorgeschlagen. Gegenstand der Richtlinie sind tägliche, wöchentliche und jährliche Mindestruhezeiten und bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit (Art.l (1)). In Artikel 2 werden die Begriffe Arbeitszeit, Ruhezeit, Nachtarbeit (7 zusammenhängende Stunden zwischen 20.00 und 9.00 Uhr), Schichtarbeit, Nachtarbeiter und Schichtarbeiter definiert. Folgende Regelungen zur täglichen, wöchentlichen und jährlichen Ruhezeit werden vorgeschlagen (Abschnitt II, Art. 3 ff.): -

tägliche Ruhezeit: mindestens II zusammenhängende Stunden innerhalb von 24 Stunden (Art. 3), wöchentliche Ruhezeit: durchschnittlich 1 Tag (24 Stunden), der sich an die tägliche Ruhezeit anschließen soll (folgt: 35 Stunden) und auf zwei Wochen bezogen wird (Art. 4),

152

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie bezahlter Jahresurlaub, der sich nach den Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten richten soll (Art. 5), die Leistung von Mehrarbeit soll sich nicht auf die Ruhezeiten auswirken (Art. 6).

Bezüglich Nachtarbeit, Schichtarbeit und Arbeitsabläufen schlägt die Kommission die folgenden Regelungen vor (Abschnitt III, Art. 7-11 ): -

-

Nachtarbeit: 8 Stunden pro 24-Stunden Zeitraum bezogen auf zwei Wochen, nicht mehr als eine Vollzeit-Folgeschicht, Einschränkung der Mehrarbeit im Falle von Folgeschichten, Pausenregelung, regelmäßige Untersuchungen von Nachtarbeitern, Umsetzung bei gesundheitlichen Schwierigkeiten, die auf Nachtarbeit zurückzuführen sind, Mitteilung an die Gesundheits- und Sicherheitsbehörde bei regelmäßiger Nachtarbeit, Schutz- und Vorsorgemaßnahmen, Pausenregelung.

Schlußbestimmungen der Richtlinie: In Artikel 12 werden Ausnahmeregelungen definiert, wann von den Bestimmungen der Art. 3,4,7 abgewichen werden darf. Dieses betrifft: 1. Notfallsituationen, 2. den Saisoncharakter von Arbeitsleistungen oder die besonderen Merkmale bestimmter Tätigkeiten oder außergewöhnliche zeitlich befristete Situationen, 3. wenn zwischen Arbeitgebern und Vertretern der Arbeitnehmer auf entsprechenden Ebenen Tarifverträge zur Arbeitszeitgestaltung abgeschlossen wurden. Im ersten Falle müssen zum Ausgleich gleichwertige Ruhezeiten gewährt werden, in den beiden anderen Fällen gleichwertige Ruhezeiten innerhalb eines Ausgleichszeitraums von 6 Monaten. Damit ist im Vergleich zu den bestehenden gesetzlichen Regelungen der Mitgliedstaaten der EU (mit Ausnahme Großbritanniens) festzustellen, daß der Kommissionsvorschlag nur unwesentlich über diese hinausgeht. Im ersten Vorschlag der Kommission finden sich keine Bestimmungen zur täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit, sondern nur zu den Ruhezeiten. Nimmt man die maximalen täglichen Arbeitszeiten der Mitgliedstaaten zur Grundlage, die bereits Mehrarbeit berücksichtigen, so gibt es keinen Staat, der nicht auch automatisch 11 Stunden Ruhezeit gewähren würde. Obwohl also nicht in allen Mitgliedstaaten die tägliche Ruhezeit gesetzlich normiert wird, werden durch die Bestimmungen zur Arbeitszeit implizit die Forderungen der Kommission bereits erfüllt.)(' Ebenso verhält es sich mit der wöchentlichen Ruhezeit, die in

30 Hier könnten höchstens die Bestimmungen zu Ausgleichszeiten relevant werden, welche im Kommissionsvorschlag vorgesehen sind. In besonderen Ausnahmefällen sind nämlich Abweichungen von der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit erlaubt, wobei nicht immer sicher ist, ob gleichzeitig auch äquivalente Ruhezeiten zum Ausgleich

V. Die Stellungnahme des WSA

153

allen Staaten außer Luxemburg und Großbritannien bei mindestens 24 Stunden liegt. Durch die obligatorische Festlegung des Sonntags als Ruhetag ist in der Hälfte der Mitgliedstaaten diese Regel eher restriktiver formuliert. Die Empfehlung, die wöchentliche Ruhezeit im Anschluß an die tägliche Ruhezeit zu leisten, wird außer im Falle von Schichtarbeit sowieso erfüllt. Der Kommissionsvorschlag enthält ebenfalls keine weitergehenden Bestimmungen zum Jahresurlaub. Während die Überstunden in den meisten EU-Staaten auf ein Maximum begrenzt sind, geht auch hier der Vorschlag der Kommission nicht weiter als die maximale tägliche Ruhezeit. Insofern gelten für die Staaten der EU, die Mehrarbeit regulieren, häufig restriktivere Bestimmungen. Fortschritte zeichnen sich ab bezüglich der Normierung der Pausen und der Nachtarbeit. Diese beiden Bereiche waren bislang kaum gesetzlich definiert in den Mitgliedstaaten. Abgesehen von Großbritannien schreibt der Vorschlag der Kommission die bestehenden Regeln der Mitgliedstaaten daher auf einem Niveau fest, welches im wesentlichen bereits von allen Staaten erreicht wird. Dennoch kam es im Laufe der Verhandlungen zu sehr kontroversen Diskussionen, die vor allem die Ausnahmebestimmungen bezüglich der Mindestsätze betreffen. Bevor diese analysiert werden, werden zunächst die Stellungnahmen von WSA und EP aufgeführt.

V. Die Stellungnahme des WSA Auf den Richtlinienvorschlag der Kommission folgten die Stellungnahme des WSA (91 gegen 42 Stimmen bei 20 Enthaltungen)31 und die erste Lesung des Parlaments. Beide Stellungnahmen können insgesamt als positive Wertung des Vorschlags angesehen werden, obwohl sie einige Verbesserungen anregen. Der WSA fordert im einzelnen eine stärkere Begründung der Richtlinie auch durch Normen der ILO, die die Kommission in ihrem Vorschlag nicht erwähnt hatte. Danach sollte die wöchentliche Ruhezeit auf 36 Stunden ausgedehnt, eine Regelung zur Wochenendarbeit eingefügt, Sonntagsarbeit berücksichtigt werden und die Empfehlung des Rates von 1974 über die 40-Stunden Woche Eingang in die Richtlinie finden. Weiterhin fehlt eine explizite Regelung des

gewährt werden müssen. Der Kommissionsvorschlag könnte folglich doch weitergehende Regelungen definieren. 31 Die hohe Zahl an Gegenstimmen läßt darauf schließen, daß die Arbeitgebervertreter im WSA trotzder relativ moderaten Vorschläge der Kommission erhebliche Vorbehalte gegen die Richtlinie hatten.

154

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

Nachtarbeitsverbots für Jugendliche auf EG-Ebene. 32 Spezifische Bereiche wie Heimarbeit oder die Seeschiffahrt sollten expliziten Sonderregelungen (auch durch Tarife) unterworfen werden. In Bezug auf die einzelnen Artikel regt der WSA einige Änderungen an. Als besonders wichtig erscheint einmal die Neudefinition der Nachtarbeit (Vorschlag von 22.00-6.00), die Erhöhung der täglichen Mindestruhezeit von 11 auf 12 Stunden, der Bezugszeitraum der wöchentlichen Ruhezeit sollte von 2 Wochen auf 1 Woche verkürzt (oder tarifvertraglich geregelt) und der Jahresurlaub auf mindestens 4 bezahlte Wochen festgelegt werden. Auch die Bestimmung zur Mehrarbeit erscheint dem WSA als zu weitgehend. Der Bezugszeitraum für die Regelung der Nachtarbeit wird vom WSA als zu lang (2 Wochen) angesehen. Zudem fehlt es nach Auffassung des Ausschusses an der Festlegung einer Höchstarbeitszeit für Nachtarbeiter sowie - im Einklang mit den ILO-Normen - an einer Bestimmung darüber, daß die Normalarbeitszeit von Nachtarbeitern in der Regel unter der von Tagarbeitnehmern liegen sollte. Der WSA regt weiterhin an, die Bestimmungen zur Gesundheitsschutzvorsorge präziser zu fassen. Einen wichtigen Punkt sieht der Ausschuß in den Bestimmungen zu den Ausnahmeregelungen im Richtlinienvorschlag, die restriktiver und exakter formuliert werden sollten, damit hierüber kein Mißbrauch stattfinden kann.

VI. Die 1. Lesung des Europäischen Parlaments Die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments basiert auf dem Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt sowie der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau.33 Aufgrund der Ereignisse im Sozialausschuß lohnt es sich, die Diskussion kurz nachzuzeichnen. Die Christdemokratische Fraktion (PPE) des Europäischen Parlaments stellte den Berichterstatter im Sozialausschuß, der beauftragt war, den Entwurf einer legislativen Entschließung für das Plenum zu erarbeiten, um die Änderungsanträge und Abstimmungen im Plenum möglichst zu verringern und bereits vorab einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Parteien und Frak-

32 Diese Frage wird aber in dem Vorschlag der Kornmission zum Jugendarbeitsschutz thematisiert. 33 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt über den Vorschlag der Kornmission an den Rat für eine Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, A3-0378/90/feil A vorn 20. Dezember 1990; Berichterstatter Herr Adrien Zeller.

VI. Die 1. Lesung des Europäischen Parlaments

155

tionen im Parlament zu sichern.34 In der Begründung des Berichterstatters tauchen keine neuen Schlußfolgerungen auf, die eine Harmonisierung der Arbeitszeiten auf europäischer Ebene rechtfertigen könnten. Gleichzeitig ist sich der Berichterstatter der Schwierigkeiten einer Vereinheitlichung der Arbeitszeitordnungen aufgrund der unterschiedlichen Regelungsstandards und mechanismen sowie der Interessenlagen der Sozialpartner bewußt. 35 Obwohl erkannt wird, daß der Kommissionsvorschlag im Vergleich zu der bestehenden Situation in den Mitgliedstaaten keinerlei Niveauerhöhung in bezug auf die Fragen der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, des bezahlten Jahresurlaubs und der Nachtarbeit leistet, werden von der PPE-Fraktion nur geringe Einschränkungen hinsichtlich der Nachtarbeit und der Ausnahmebestimmungen vorgeschlagen. Nur in diesen Bereichen läßt sich der Kommissionsvorschlag nämlich mit den Argumenten der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer vertreten. Die Sozialistische und Kommunistische Fraktion, die die Mehrheit im Sozialausschuß hatten, waren jedoch anderer Ansicht. Sie veränderten den Vorschlag der Kommission und die Änderungsanträge des Berichterstatters soweit, daß sich die PPE letztlich gar nicht mehr an der Abstimmung im Ausschuß beteiligte und die LDR-Fraktion geschlossen gegen den Entwurf der legislativen Entschließung des Ausschusses votierte. 36 Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich für einen Text, der den Kommissionsvorschlag in wesentlichen Punkten in optimistischer Weise zugunsten der Arbeitnehmer veränderte. 37 Im Ausschuß gab es keine "große Koalition" bei den Abstimmungen zu dieser Richtlinie. Vielmehr zerfielen die Ausschußmitglieder in zwei Gruppen, die jeweils unterschiedliche Grade an Regulierung und Zentralisierung der Arbeitszeiten in der EU forderten. Die konservative und die liberale Fraktion unterstützten den Kommissionsvorschlag trotz oder gerade wegen seiner geringen Reichweite. Die sozialistische und kommunistische Fraktion setzten hingegen weitgehende Änderungen durch, so daß im ganzen 38 Änderungsanträge formuliert worden sind, die zur Abstim34 Dieses ist vor allem im Verfahren der Zusammenarbeit von erheblicher Bedeutung, kann doch das Parlament in seiner 2. Lesung Änderungsanträge oder die Ablehnung eines Gemeinsamen Standpunktes des Rates nur mit absoluter Mehrheit verabschieden. Gleichzeitig hat sich das Parlament in seiner Geschäftsordnung selbst verpflichtet, die Entschließung aus der 1. Lesung als Basis der 2. Lesung zu nehmen und keine Abweichungen davon mehr zuzulassen. 35 Bericht A3-0378/90ffeil B, S.8. 36 Der Entwurf einer legislativen Entschließung wurde mit 15 Stimmen bei 3 Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen. 8 anwesende Mitglieder der EVP und ED Fraktion stimmten nicht mit ab. Die Fraktionen EVP, ED und LDR veröffentlichten Stellungnahmen im Anschluß an den Bericht, um ihre Position als Minderheitenmeinung darzulegen. 37 Ebd.

156

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

mung im Plenum kommen sollten. Im Plenum gab es am 20.2.1991 38 25 Abstimmungen, wobei über die Vielzahl von Änderungsanträgen in Blöcken abgestimmt wurde. Darunter wurden 17 Änderungsanträge namentlich abgestimmt, was die Kontroversität des Ausschußberichtes auch im Plenum anzeigt. Zudem wurde über den endgültigen Entschließungsantrag namentlich abgestimmt. Zu den 38 Änderungsanträgen des Ausschußberichtes wurden im Plenum weitere 88 Änderungsanträge eingereicht. Gut die Hälfte davon war jedoch hinfällig oder wurde zurückgezogen. Die anderen neuen Änderungsanträge wurden im Plenum fast allesamt per Abstimmung abgelehnt, so daß letztlich nur 5 Änderungsanträge aus dem Plenum angenommen worden sind. Damit basiert der Entschließungsantrag des EP zum Kommissionsvorschlag weitgehend auf dem Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten. Tabelle 23

Abstimmungen im Plenum zur Arbeitszeitrichtlinie (1. Lesung) Abstimmung Angenommen Abgelehnt Summe

Elektronisch

15 22 37

Namentlich

24 24 48

Summe

39 46 85

Unter den abgelehnten Anträgen finden sich fast ausschließlich neu eingebrachte Änderungen, während der Großteil der im Ausschuß formulierten Änderungsanträge entweder durch elektronische oder namentliche Abstimmung angenommen wurde. Da viele Änderungen en bloc abgestimmt werden, benötigte das Parlament insgesamt 30 Abstimmungen ehe es den so geänderten Vorschlag mittels elektronischer Abstimmung angenommen hat. Zur Darstellung des Abstimmungsverhaltens der einzelnen Fraktionen bezüglich der namentlichen Abstimmungen wird hier auf die angenommenen und abgelehnten Änderungsanträge im Plenum Bezug genommen werden, um die Koalitionsbildung zwischen den Fraktionen zu untersuchen. Abbildung 10 verdeutlicht die Koalitionsbildung im Plenum. Die eher als links einzustufenden Fraktionen (Kommunisten (CG, GUE), Sozialisten (S) und Grüne (V)) stimmten fast vollständig für die Änderungsanträge des Ausschusses, während die konservativen und liberalen Fraktionen zum größten Teil gegen die Vorschläge eintraten. Die Regenbogenfraktion im Parlament bietet das heterogenste Bild, was sich durch die größte Anzahl an Enthaltungen bemerkbar macht. Obwohl Teile der konservativen und liberalen Fraktionen für die Änderungen stimmten, überrascht der relativ hohe Anteil der Fraktion der Europäischen Demokraten, die die linken Gruppierungen unterstützten, zumal die ED-Fraktion fast ausschließlich aus britischen Konservativen besteht. Die 38

Vgl. Abi. C 72177ff. vom 18.3.1991.

VI. Die 1. Lesung des Europäischen Parlaments

157

Koalition der linken Fraktionen, verstärkt durch die Regenbogenfraktion und einige Abweichler, reichte aus, die Änderungen des Ausschusses auch im Plenum durchzusetzen. In der Sozialpolitik scheint somit eine eindimensionale links-rechts Positionierung der Fraktionen vorzuliegen. 100 75%

li!INein IIIJa c Enthaltung

50% 25%

A C D E G L N P R S V R G R D U D I P D

C

E R

E

E

Fraktion

Abbildung 10: Im Plenum angenommene Änderungsanträge zur Arbeitszeitrichtlinie Im Falle der abgelehnten Änderungsanträge läßt sich eher von einer großen Koalition im Parlament sprechen. Nur die extrem linken Fraktionen und geringe Teile der anderen Fraktionen unterstützten diese Änderungsanträge. Insgesamt bestand in bezug auf die neu eingebrachten Vorschläge jedoch Einverständnis unter den meisten Abgeordneten, diese Bestimmungen nicht anzunehmen.

75%

li!INein II Ja &:!Enthaltung

50% 25% 0%

A c D E G L N p R R G R D u D I p D c E R E E

s

V

Fraktion

Abbildung 11: Im Plenum abgelehnte Änderungsanträge zur Arbeitszeitrichtlinie

158

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

Da es sich zudem überwiegend um Vorschläge aus dem Plenum handelte, die nicht auf dem Ausschußbericht basierten, wird klar, daß der Ausschuß eine bedeutende Filterfunktion im Entscheidungsfindungsprozeß des EP spielt. Änderungsanträge der Fraktionen, die bereits im Ausschuß abgelehnt worden sind, haben nur geringe Chancen im Plenum angenommen zu werden. Die namentliche Abstimmung über den gesamten Entschließungsantrag verdeutlicht eindrucksvoll die Oppositionsstruktur zwischen den linken und rechten Fraktionen im Europäischen Parlament: 100% -n--r-n.......,....,.,.,....,........".,....."........,..,.....,..,.......,....,~ 75%

Ii!! Nein IIIJa CEnthaltung

50% 25%

A C D E G L N P R S V

R G R D U D I P D

C

E

R

E

E

Fraktion

Abbildung 12: Abstimmung über den gesamten Entschließungsantrag zur Arbeitszeitrichtlinie

Während offensichtlich mit Bezug auf einzelne Streitfragen auch unterschiedliche Positionen innerhalb der Fraktionen geäußert wurden, zeigt die Abstimmung über den gesamten Entschließungsantrag ein eindeutiges Bild der Koalitionsbildung bezüglich der Arbeitszeitrichtlinie. Die Koalition der linken Fraktionen war ausreichend, um den Entschließungsantrag durchzusetzen. Die Regenbogenfraktion hat sich vollständig enthalten, und die konservativen Fraktionen haben gegen den Entschließungsantrag gestimmt. Bei einer Zahl von 290 abgegebenen Stimmen wurde die Entschließung mit 157 zu 129 bei 4 Enthaltungen angenommen. Wären alle Abgeordneten anwesend gewesen, hätten die linken Fraktionen mit insgesamt 249 Stimmen und den Enthaltungen von 15 ARC-Abgeordneten keine Mehrheit im EP erreichen können. Die Abwesenheit der Abgeordneten je Fraktion hat in diesem Fall das Abstimmungsergebnis insofern mitbestimmt, als der Entschließungsantrag bei vollständiger Anwesenheit aller Abgeordneten und einem Stimmverhalten entsprechend der obigen Graphik nicht hätte angenommen werden müssen. Während im Ausschuß die Koalition der linken Parteien mit 19 Stimmen gegenüber 16 Stimmen der rechten Fraktionen die Mehrheit hält (unter Enthaltung der Frak-

VII. Der Änderungsvorschlag der Kommission

159

tion ARC), kehrt sich das Verhältnis der Fraktionen im Plenum um. Die d'Hondt'sche Besetzung der Ausschüsse erzeugt somit Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen, die denen des Plenums entgegenstehen können. Dennoch können die Argumente der PPE und LDR Fraktion, im Ausschuß überstimmt worden zu sein, nicht überzeugen, da sie ihre Interessen im Parlament hätten wahrnehmen können.

VII. Der Änderungsvorschlag der Kommission Gewöhnlich berücksichtigt die Kommission einige der Änderungsvorschläge aus den Stellungnahmen des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Europäischen Parlaments und unterbreitet dem Rat einen geänderten Vorschlag, den sie im Rat vertritt und auf dessen Basis der Rat seinen Gemeinsamen Standpunkt verabschiedet. 39 Insgesamt hat die Kommission von 39 Änderungsanträgen des Parlaments 13 wörtlich, sinngemäß oder in Teilen übernommen. In ihrer Rechtfertigung vor dem Europäischen Parlament zu den Artikeländerungen argumentiert die Kommission40, daß sie an ihrem Konzept der Mindestruhezeiten festhalten will und insofern keine Änderungen annimmt, die Höchstarbeitszeiten (von 38 bzw. 35 Wochenstunden) festlegen, da die Definition von maximalen Arbeitszeiten national zweckmäßiger geregelt werden kann und weitgehend geregelt ist. Zudem will die Kommission den Sonntag oder das Wochenende nicht als obligatorischen Ruhetag einführen, da dieses einerseits den Flexibilisierungsbestrebungen der Gemeinschaftsstaaten zuwiderläuft und andererseits nicht unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes zu rechtfertigen ist. Bezüglich der Nachtarbeit wurde vom Parlament ein völliges Verbot vertreten. Die Kommission ist nicht bereit, diese realitätsfremde Sichtweise zu übernehmen und besteht auf ihrem Konzept, über eine Ausdehnung der Definition der Nachtarbeitszeit von 20.00-9.00 Uhr gewisse Mindeststandards hinsichtlich der Nachtarbeit auf eine größere Anzahl Arbeitnehmer auszudehnen. Die allgemeine Einführung der Begrenzung der Nachtarbeit auf 8 Stunden täglich in Verbindung mit entsprechenden Bezugszeiträumen sollte als Gesundheitsschutz ausreichend sein. Die Regelungen zu einem verbesserten Gesundheitsschutz von älteren Arbeitnehmern und Nachtarbeitern werden von

39 Änderung des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (91/C 124/06), Korn (91) 130endg. vom 23. Aprill991. 40 Vgl.. Europäisches Parlament, Verhandlungen des Europäischen Parlaments, 1991b, Nr.3-401, vom 18.2.1991, S.46f.

160

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

der Kommission akzeptiert, ebenso wie der bezahlte Jahresurlaub von 4 Wochen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Kommission einige der Anregungen des Parlaments und des WSA in ihren geänderten Vorschlag übernommen hat. Grundsätzlich nicht berücksichtigt wurden Änderungsanträge, die über den Regelungsbereich dieser Richtlinie hinaus gingen, wie bspw. Jugendarbeitsschutz, Mutterschutz, Sonntagsarbeit, Mindestlohn etc .. Geändert hat sich die tägliche Mindestruhezeit (von 11 auf 12 Stunden), der Anspruch auf Jahresurlaub (von 3 auf 4 Wochen) und die Gesundheitsschutzvorschriften wurden präzisiert. Insgesamt sind die veränderten Artikel durch die Stellungnahmen von WSA und EP konkretisiert word~n. ohne wesentliche Wirkungen auf den Geltungsbereich der Richtlinie entfaltet zu haben. Insbesondere die weitgehenden Änderungsvorschläge des EP wurden schlichtweg ignoriert. Dies bedeutet - unabhängig vom Inhalt der Änderungsanträge - eine ziemliche Mißachtung seitens der Kommission, obwohl sie selbst 31 Änderungen des EP aufzählt, die sie ganz oder teilweise in ihren geänderten Vorschlag übernehmen wollte. Daraus wird ersichtlich, daß die Übernahme von Änderungen des EP durch die Kommission nicht ohne Rücksicht auf deren Qualität bewertet werden können. In einzelnen Punkten, vor allem Jahresurlaub und wöchentliche Ruhezeit geht der Richtlinienvorschlag jetzt aber über die Ausgangsbedingungen in den Mitgliedstaaten hinaus.

VIII. Die Verhandlungen im Rat Die eigentlichen Verhandlungen über einen Vorschlag der Kommission finden jedoch im Ministerrat statt. An den Ministerratsverhandlungen beteiligt sind die Mitgliedstaaten bzw. deren Vertreter, die im allgemeinen die jeweiligen verantwortlichen Ressorts repräsentieren, sowie die Kommission, die ihren Vorschlag verteidigt. Die Kommission kann ihren Vorschlag jederzeit während der Verhandlungen ändern und variabel auf die Ratsdiskussionen reagieren. Gleichzeitig ist die Kommission dem Parlament nur bedingt Rechenschaft schuldig. Das Verhandlungsgeschehen wird im folgenden anband der Pressemitteilungen des Ministerrates und der Berichte der Presseagentur 'Agence Europe' nachvollzogen und konzentriert sich auf die Hauptstreitpunkte.41

41 Die Pressemitteilungen des Ministerrates wurden jeweils im Anschluß an die Ratstagungen veröffentlicht. Die Zeitung "Agence Europe" berichtet auf europäischer Ebene sowohl im Vorfeld als auch kurz nach den Ministerratstagungen über deren Inhalte. Es finden im allgemeinen zwei Tagungen je Präsidentschaft statt.

VIII. Die Verhandlungen im Rat

161

1. Die Ministerratstagungen bis zur Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates

Die Untersuchung startet mit der Ministerratstagung vom 3.12.1991 unter niederländischer Präsidentschaft. Der Richtlinienvorschlag zur Arbeitszeitgestaltung sollte bereits am 14.10.91, dann am 6.11.91 diskutiert werden, wurde aber jeweils verschoben. Der Rat hat bedeutende Veränderungen am Vorschlag der Kommission vorgenommen. Dazu zählen die tägliche Mindestruhezeit (11 statt 12 Stunden), die wöchentliche Ruhezeit (35 statt 36 Stunden), die Definition der maximalen Wochenarbeitszeit, die nicht im Kommissionsvorschlag stand, und die explizite Pausenregelung. Die Verknüpfung der wöchentlichen Ruhezeit mit der Sonntagsregelung stellt zusätzlich einen Aspekt dar, den die Kommission nicht aufgeführt hatte. Am auffalligsten an den ersten Beratungen des Rates erscheint die Einführung eines Artikels zur Definition der maximalen wöchentlichen Arbeitszeit. Während die Richtlinie sonst auf die Ruhezeiten abstellt, wird in diesem Punkt ein anderes Konzept gewählt, zumal die wöchentlichen Ruhezeiten zusätzlich definiert werden. Der Vorschlag, der auf Initiative Frankreichs zurückgeht42, sollte sich zu einem der kritischsten Punkte der Richtlinie entwikkeln. Hier wird deutlich, daß die Kommission die Agenda nicht vollständig kontrolliert, da sie sich gegenüber dem EP noch vehement gegen die Einführung von Höchstarbeitszeiten ausgesprochen hatte. Andererseits war sich die Kommission wohl auch von vornherein über den Widerstand Großbritanniens in dieser Frage bewußt. Die 48-Stunden Woche wurde im übrigen vom EP gefordert, so daß Frankreich sich in diesem Punkt der Unterstützung des Parlaments gewiß sein konnte. Vor allem die britische und irische Delegation hatten starke Vorbehalte gegen die Richtlinie. Dies bezieht sich prinzipiell auf die Notwendigkeit der Richtlinie unter Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip, die Wahl der Rechtsgrundlage43 und speziell auf die maximale wöchentliche Arbeitszeit.44 Einige

42

Interview mit Verantwortlichen der Bundesarbeitsministeriums vom 26.4.1994.

43 Art.ll8a wird als adäquate Rechtsgrundlage angezweifelt, da die Arbeitszeitre-

gulierungen nach britscher Auffassung nicht der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dienen. 44 Dazu sollte man wissen, daß ca. 2.5 Mio. Arbeitnehmer in Großbritannien länger als 48 Wochenstunden arbeiten. Pünktlich zu den Verhandlungen des Ministerrates erscheint eine Stellungnahme der europäischen Arbeitgeber UNICE, die sich gegen die Verabschiedung der Richtlinie aussprechen, da sie die Nachtarbeit auf 8 Stunden begrenzen wolle, die Flexibilisierung von Arbeit behindere, den Sonntag als obligatorischen Ruhetag vorschlage (was nicht stimmt), und Ausnahmen zwar gestatte, aber die II Schnorpfcil

162

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

Delegationen wollten offensichtlich Großbritannien nicht isolieren. Die Bundesrepublik Deutschland hat seit dem ersten Treffen die Position vertreten, Großbritannien nicht in einer Minderheitenposition zu belassen. Sie will dem Vorschlag nur zustimmen, wenn ein Konsens gefunden wird. Die BRD hat daher als Vertreter ihres Standpunktes den Stellvertreter der Ständigen Vertreters geschickt, der kein Stimmrecht im Ministerrat hat. Großbritannien, Irland und die Bundesrepublik bildeten somit eine blockierende Minderheit, so daß keine Abstimmung unter qualifizierter Mehrheit stattfinden konnte. Dieses Verhalten deutet einmal darauf hin, daß die Verhandlungspartner bemüht sind konsensuale Entscheidungen zu treffen, zum anderen stellt sich jedoch die Frage, aus welchem Grund Deutschland Großbritannien und Irland in dieser Weise unterstützt hat. Eine mögliche Erklärung führt dazu, daß die BRD mit Hilfe der Inselstaaten weniger strikte Bedingungen durchsetzen möchte als sie der Kommissionsvorschlag formuliert. Offensichtlich sind noch einige strittige Punkte vorhanden, die die BRD gerne zu ihren Gunsten verändert hätte, und zu denen sie die Koalition mit GB und IRL benutzt. In der Bundesrepublik wurde zeitgleich mit der europäischen Richtlinie zum Arbeitszeitschutz ein neues nationales Arbeitszeitgesetz verhandelt. Daher wollte die Bundesregierung die nationalen Bestimmungen an die Vorgaben der Richtlinie angleichen, sah sich jedoch gleichzeitig dem Druck der nationalen Interessengruppen verstärkt ausgesetzt, da diese das Geschehen auf nationaler und europäischer Ebene genau verfolgen. Insbesondere die Forderungen der Arbeitgeber nach verstärkter Flexibilisierung der Arbeitszeiten spielte daher auch für die Bundesregierung eine bedeutende Rolle bei den Verhandlungen. 45 Die portugiesische Präsidentschaft (1. Halbjahr 1992) hatte einen Kompromißvorschlag ausgearbeitet, der insbesondere zwei Punkte beinhaltet: einmal eine Übergangszeit von 7 Jahren für die Großbritannien bezüglich der Frage der maximalen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden optional zuzulassen, und zum anderen jedem Mitgliedstaat die Entscheidung darüber zu überlassen, ob der Sonntag in die wöchentliche Ruhezeit eingeschlossen werden soll oder nicht. In einer späteren Pressemitteilung war sogar die Rede davon, die Übergangszeit von 7 Jahren zu der Implementationszeit von 3 Jahren zu addieren und auf alle Punkte der Richtlinie auszudehnen. Großbritannien zeigte sich aber auch bei diesem Vorschlag noch nicht "indifferent", da sie sich nicht darauf festlegen lassen wollten, daß die Richtlinie nach 10 Jahren endgültig Kriterien dafür nicht genau definiere. Aus Wettbewerbsgründen sei es nicht sinnvoll, die Jahresarbeitszeit (im Vergleich zu Japan und den USA) weiter einzuschränken. 45 Obwohl das nationale Arbeitszeitgesetz nach Verabschiedung der europäischen Richtlinie verabschiedet wurde, konnten dennoch nicht alle Punkte der Richtlinie implementiert werden, so daß der DGB bereits erwägt hat, Klage gegen die Bundesregierung zu führen. Dies kommt jedoch erst in Betracht, wenn die Zeiträume zur Umsetzung der Richtlinie überschritten sind.

VIII. Die Verhandlungen im Rat

163

bindend werden soll. Die jetzige Lösung besteht darin, diesen Punkt in 10 Jahren neu zu diskutieren. Die Diskussion konzentrierte sich auf den Ausgleichszeitraum für die Berechnung der 48 Stunden Arbeitszeit: 4 Monate betrug der portugiesische Kompromißvorschlag im Unterschied zu 3 Monaten im ersten Vorschlag, während Frankreich einen Ausgleichszeitraum von 6 Monaten forderte, die Bundesrepublik hingegen 12. Es konnte in diesem Punkt keine abschließende Lösung gefunden werden. Nach der portugiesischen Präsidentschaft hat Großbritannien den Vorsitz am 1.7.1992 bis zum 31.12.1992 übernommen. Unter britischer Präsidentschaft wurde nur ein Sozialrat abgehalten, wenn auch nicht verschwiegen werden soll, daß die Mutterschutzrichtlinie nach einer informellen Tagung der Minister im Oktober 1992 dann auf dem Umweltrat verabschiedet werden konnte. 46 Die Arbeitszeitrichtlinie wurde unter britischer Präsidentschaft nicht auf die Agenda gesetzt, obwohl die Kommission darum gebeten hatte. Die dänische Präsidentschaft hielt zwei Sozialräte ab: am 6.4.1993 wurde eine politische Debatte über die Arbeitszeitrichtlinie geführt, während der Beschluß über den Gemeinsamen Standpunkt am 1.6.1993 unter Enthaltung Großbritannien getroffen wurde. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates orientiert sich am ersten Kommissionsvorschlag bezüglich der Ruhezeiten. Er geht über diesen Vorschlag hinaus, indem eine explizite Pausenregelung (Art.4) aufgenommen wurde und die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf maximal 48 Stunden begrenzt wurde. Allerdings hat der Ministerrat weitgehende Ausnahmeregelungen eben in bezug auf die maßgeblichen Artikel vorgesehen, die sich differenzieren nach der Art der Durchsetzung (gesetzlich oder tariflich), dem Erfordernis kompensierender Ausgleichszeiten und den Bereichen, in denen es zu Abweichungen kommen darf. Insgesamt entsteht dadurch der Eindruck, daß mit dem Einverständnis der Sozialpartner in den regulierten Bereichen eine vollständige Flexibilisierung der Arbeitszeiten möglich wird. Bezüglich des jährlichen bezahlten Mindesturlaubs wurde eine Übergangsfrist von 6 Jahren bestimmt, in denen nur maximal 3 Wochen Mindesturlaub gewährt werden müssen. Am auffälligsten verhält es sich aber mit der Höchstarbeitszeit Hier wurden nicht nur weitgehende Abweichungen von dem festgelegten Bezugszeitraum von 4 46 Die Mutterschutzrichtlinie wurde unter Art.ll8a im Verfahren der Zusammenarbeit verabschiedet. Nach der zweiten Lesung des Parlaments bleiben dem Rat nur 3 Monate zur Verabschiedung der Richtlinie. Nachdem die Kommission bestimmte Änderungsanträge des Parlaments übernommen hatte und gleichzeitig darin von der italienischen Delegation unterstützt wurde, konnte der Rat nicht mehr einstimmig zu seinem Gemeinsamen Standpunkt zurückkehren. Die Tatsache, daß die Briten keinen Sozialrat im September oder Oktober halten wollten, hat sicherlich den Zeitdruck auf die Delegationen noch verstärkt. Erst nach einem Kompromißvorschlag der Kommission konnte dann Einvernehmen über die Richtlinie erzielt werden.

164

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

auf bis zu 12 Monate erlaubt, sondern es wurde zudem den Mitgliedstaaten freigestellt, den Artikel nicht anzuwenden, wenn ein Arbeitnehmer selbst damit einverstanden ist. Zudem sollen der Artikel und die zugehörigen Ausnahmebestimmungen innerhalb der nächsten 10 Jahre überprüft und neu verhandelt werden, so daß der Artikellangfristig eventuell ganz entfällt. Damit zeigt sich, daß der Gemeinsame Standpunkt des Rates zur Arbeitszeit nicht wesentlich über die bereits bestehenden Verhältnisse der Mitgliedstaaten hinausgeht.47 Der Rat hat von insgesamt 40 Änderungsvorschlägen des Parlaments 12 (teilweise) übernommen; 9 dieser Vorschläge wurden auch von der Kommission unterstützt, 3 wurden gegen den Willen der Kommission aufgenommen.

IX. Die 2. Lesung des Europäischen Parlaments Das Europäische Parlament hat seine Empfehlung an den Rat mit Bezug auf den Gemeinsamen Standpunkt in zweiter Lesung am 27.10.1993 beschlossen. Federführend war, wie bereits zuvor, der Ausschuß für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt, mitberatend die Ausschüsse für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik sowie der Ausschuß für die Rechte der Frau. Im Sozialausschuß konnte die Empfehlung vor der 2. Lesung im Plenum mit 15 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen werden; Konflikte im Ausschuß zwischen den Fraktionen, wie noch bei der Abstimmung über den ersten Bericht, gab es nicht.48 Die Reaktion der Parlamentsexperten auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates war daher weitestgehend konsensual. Die hängt mit der geforderten absoluten Mehrheit bei Änderungsanträgen zusammenhängen, die nur erreichbar ist, wenn über die Fraktionen hinweg koaliert wird. Maßgeblich war jedoch vor allem, daß das Parlament eingesehen hat, daß gegen einen einstimmigen Beschluß des Rates, der so gut wie keine Rücksicht auf die erste Lesung des Parlaments nimmt, keine Einspruchsmöglichkeiten abgesehen von der grundsätzlichen Ablehnung - bestehen.49 47 Vgl. zu den Inhalten des Gemeinsamen Standpunktes des Rates: Günther, Horst, EG-Arbeitszeitrichtlinie, Gemeinsamer Standpunkt verabschiedet, in: Bundesarbeitsblatt, 10/1993, S.l7-21. 48 s. Empfehlung des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt, A3-0283/93, vom 13. Oktober 1993, S.3. Berichterstatter war Herr Chanterie, der ebenfalls der PPE-Fraktion angehört. Er löste Herrn Zeller ab, der das Parlament verlassen hat. 49 Vgl. die Diskussion im Plenum vom 25.10.1993, in der immer wieder darauf hingewiesen wird, daß die Kommission den Auftrag hat, die qualifizierte Mehrheit im Rat zu nutzen und kein einstimmiges Ergebnis akzeptieren muß. Europäisches Parlament, Verhandlungen des Europäischen Parlaments, 1993a, Nr. 3-437/37ff.

IX. Die 2. Lesung des Europäischen Parlaments

165

Die Änderungen des Parlaments fallen wesentlich moderater aus als in der ersten legislativen Entschließung und beziehen sich stärker auf den Gemeinsamen Standpunkt. Es wird nicht versucht, grundlegende Änderungen vorzunehmen, sondern nur einige Positionen zu korrigieren. Die wesentlichen Punkte, die vom Berichterstatter hervorgehoben werden, betreffen zum einen die Einführung einer Nichtregressionsklausel, ein Bezugszeitraum für die Nachtarbeit und den Hinweis auf die ILO-Konventionen, Teile der Ausnahmeregelungen sowie den Umsetzungszeitraum von 10 Jahren, der als zu lang angesehen wird. 5° In der Aussprache im Plenum am 27.10.1993 besteht der Berichterstatter gegenüber der Kommission vor allem auf drei Änderungsanträge, deren Übernahme die Kommission zusichern soll, bevor über den Entschließungsantrag abgestimmt wird: 1. Der Aufnahme einer Bestimmung, die vorsieht, daß die Richtlinie nicht dazu benutzt werden kann, um bestehenden Schutz in den Mitgliedstaaten abzuschwächen. 2. Ob die Kommission bereit ist, einen Verweis auf die ILO Konventionen Nr.171 und 178 bezüglich der Nachtarbeit zu akzeptieren. 3. Die Position der Kommission hinsichtlich des Schutzes des einzelnen Arbeitnehmers, der bereit ist, mehr als 48 Stunden die Woche zu arbeiten. Die Kommission gesteht dem EP zu, sowohl die Nichtregressionsklausel zu übernehmen als auch auf die ILO-Konvention zu verweisen. 5 1 Im dritten Punkt behält die Kommission ihre ursprüngliche Haltung bei, den Schutz des individuellen Arbeitnehmers zu sichern, indem ein Mitgliedstaat, der diese Regelung anwendet, Rechtsverfahren bereitstellen muß, die es dem Arbeitnehmer erlauben, bei einer Benachteiligung gegebenenfalls zu klagen. Ein Absicherung des Arbeitnehmers durch kollektivvertragliche Regelungen wird seitens der Kommission nicht unterstützt. Obwohl das EP gerade bei den Bezugszeiträumen Chancen hätte, sich durchzusetzen, da es sich in Koalition mit einigen Mitgliedstaaten wußte, die darauf sehr viel Wert legten, ist die Kommission nicht bereit, diese Änderungsanträge in ihren Vorschlag zu übernehmen. Eine Ausnahme bildet die Verkürzung des Ausgleichszeitraumes hinsichtlich der 48-Stunden Woche, bei dem die Kommission in Einklang mit dem Parlament 3 anstelle von 4 Monaten vorschlagen will. Die Ausnahmeregelungen zur 48-Stunden Woche, die im Hinblick auf Großbritannien eingeführt worden sind, ist die Kommission nicht mehr bereit zu verändern. Daher hat die Kommission in den strittigsten Punkten der Richtlinie darauf verzichtet, mit Hilfe des Parlaments und eventuell Vgl. Chanterie, Raphael, Berichterstatter, ebd., S.37. Allerdings behält sich die Kommission das Recht vor, 'ihren Standpunkt je nach Reaktion des Rates zu erwägen.' Kommission, Kommissar Paidraig Flynn, ebd., S.44 50 51

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

166

einer qualifizierten Mehrheit des Rates, einzelne Bestimmungen des Gemeinsamen Standpunktes günstiger zu gestalten. 52

1. Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament zur 2. Lesung Trotz der Einmütigkeit der Empfehlung im Ausschuß für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt betreffend die Arbeitszeitrichtlinie, wurde im Plenum seitens der Sozialistischen Fraktion ein Antrag auf Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates gestellt. Offensichtlich war die Sozialistische Fraktion nicht damit einverstanden, daß große Teile ihrer Änderungen aus der ersten Lesung keine Berücksichtigung gefunden hatten und auch die Änderungsanträge der zweiten Lesung wenig Aussicht auf Erfolg hatten. Damit zog die Sozialistische Fraktion die stärkste Waffe des Parlaments, die es gegen einen Standpunkt des Rates einsetzen kann.

75%

EINein 50%

II Ja

101 Enthaltung 25%

A R

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Fraktion

Abbildung 13: Ablehnungsantrag zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates Der Ablehnungsantrag fand keine Mehrheit im Plenum: 76 Abgeordnete stimmten dafür, aber 262 dagegen und 24 enthielten sich.53 Zwischen der ersten und zweiten Lesung zur Arbeitszeitrichtlinie hatten sich die Fraktionen des EP

52 Speziell befürchtet die Kommission, daß bei einer Änderung des gefundenen Kompromisses weder eine 'qualifizierte Mehrheit für den Gemeinsamen Standpunkt und auch keine Einstimmigkeit dagegen' existiert. Ebd., S.43. 53 Der Anteil der Enthaltungen wird in der Abbildung höher ausgewiesen, da ein Teil der Abgeordneten zwar anwesend war, jedoch keine Stimme abgegeben hat. Dies wird als Enthaltung gewertet.

IX. Die 2. Lesung des Europäischen Parlaments

167

umorganisiert. 54 Daher wird die positive Einstellung der fraktionslosen Abgeordneten zur Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes ebenso wie die der Sozialistischen Fraktion zu einem guten Teil durch ehemalige Abgeordnete von GUE bestimmt. 18 von 45 sozialistischen Abgeordneten der früheren ODEFraktion stimmten für die Ablehnung sowie 3 von 5 fraktionslosen Abgeordneten. Es kann gefolgert werden, daß die Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes im wesentlichen von den extremen linken Parteien und Fraktionen betrieben wurde, wie auch bereits die erste Lesung gezeigt hat. Erstaunlich ist allerdings das Verhalten der ARC Fraktion, die sich während der ersten Lesung komplett enthalten hatte. Die ablehnende Haltung der ARC-Fraktion läßt sich daher weniger aus inhaltlichen Gesichtspunkten erklären als aus einer Obstruktionspolitik gegenüber dem Rat. Insgesamt waren die gemäßigten, die konservativen und rechten Fraktionen jedoch für eine Annahme des Gemeinsamen Standpunktes, obwohl kaum Änderungsvorschläge des Parlamentes aus der ersten und zweiten Lesung im Rat Anerkennung gefunden haben. Betrachtet man die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen zu speziellen Änderungsanträgen des EP, die sich auf die Hinweise zu den ILO Konventionen 171 und 178 (3) sowie die Nichtregressionsvorschrift (27) beziehen, zeigt sich eine interessante Verteilung des Stimmverhaltens der Fraktionen im EP:

A

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Fraktion

Abbildung 14: Abstimmung zu den Änderungsanträgen 3 und 27 Obwohl in beiden namentlichen Abstimmungen deutlich mehr als die erforderlichen 260 Stimmen zur Annahme der Änderungen erreicht wurden55 , 54 Die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken (GUE) und die Fraktion der Europäischen Demokraten (ED) haben sich aufgelöst. Während die Abgeordneten der ED Fraktion geschlossen in die Christdemokratische Fraktion (PPE) gewechselt sind, hat sich die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken aufgeteilt: 20 Mitglieder sind zu den Sozialisten gewechselt, 8 blieben fraktionslos und ein Abgeordneter schloß sich der Fraktion der Grünen im EP an. 55 Die Ergebnisse der Abstimmungen waren wie folgt: Än.~erungsantrag 3 (LDR): abgegebene Stimmen 350, Ja 300; Nein 47, Enthaltungen 3; Anderungsantrag 27 (S): abgegebene Stimmen 354, Ja 319, Nein 20, Enthaltungen 15. In der Graphik werden

168

G. Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie

stimmten die Fraktionen nicht mehr geschlossen ab. Nur die Sozialistische und die Liberale Fraktion, die die Anträge auf namentliche Abstimmung gestellt haben, waren fast vollständig positiv eingestellt, während in den übrigen Fraktionen eine Reihe abweichender Meinungen zum Ausdruck kamen. Das positive Votum wird erreicht durch eine große Koalition zwischen Sozialisten Christdemokraten und Liberalen, die die größten Fraktionen des EP ausmachen. Das Ergebnis deutet darauf hin, daß bei den zweiten Lesungen im Parlament eine andere Abstimmungslogik fungiert als bei den ersten Lesungen. Sind die ersten Lesungen geprägt durch die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen politischen Richtungen im Parlament, so kommt in der zweiten Lesung der Konflikt mit den Organen Rat und Kommission stärker zu Geltung. Dies hat eine Fragmentierung der Fraktionen der zur Folge. Die Akzeptanz des Gemeinsamen Standpunktes im Parlament rührte vor allem aus der Einsicht, daß eine ablehnende Haltung des EP zum Scheitern der Richtlinie insgesamt geführt hätte. So aber wurden wenigstens minimale Standards im Bereich der Ruhezeiten, der Nachtarbeit und des bezahlten Jahresurlaubs gesichert, die auch in Großbritannien, wo es keine Regelungen der Arbeitszeiten gibt, in einem angemessenen Zeitraum umgesetzt werden müssen. Es war klar, daß bei einer Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates nicht die notwendige Einstimmigkeit im Rat existierte, um die Richtlinie in dieser Fassung gegen das EP zu beschließen. Vielmehr benötigten die Ratsmitglieder die Unterstützung des Parlaments, um Großbritannien mit einer Abstimmung unter qualifizierter Mehrheit drohen zu können.

X. Verabschiedung der Arbeitszeitrichtlinie Die Richtlinie 93/104/EWG des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung wurde am 23.11.1993 endgültig vom Rat angenommen. Sie unterscheidet sich nur geringfügig von dem Gemeinsamen Standpunkt. Es wurden zwei Änderungsanträge des Europäischen Parlamentes in die Richtlinie aufgenommen. Diese betreffen einmal die Filmproduktion als zusätzlichen Ausnahmebereich der Richtlinie und zum zweiten die Möglichkeit, Abweichungen von den Art.3,4,5,8,16 durch Tarifverträge oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf geeigneter kollektiver Ebene zuzulassen. Die dem EP gegenüber der Kommission wichtigen Änderungen zur Nichtregression und der Beachtung der ILO Konventionen fanden nicht die Zustimmung des Rates. Die Kommission hat ihren überprüften Vorschlag demnach entweder nicht vor dem Rat verteidigt oder konnte gegen die einwiederum die Enthaltungen höher ausgewiesen, da anwesende Mitglieder, die nicht abgestimmt haben, zu den Enthaltungen gezählt wurden.

X. Verabschiedung der Arbeitszeitrichtlinie

169

stimmige Entscheidung des Rates nicht vorgehen. Die maßgeblichen Änderungen des EP hatten folglich keinen Einfluß auf die Ratsentscheidung. Durch die erreichte Einstimmigkeit bei der Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunkts, die offensichtlich von allen Staaten als bindend angesehen wurde, konnte die Kommission im Verein mit dem Parlament auch nicht ihr strategisches Potential ausspielen, welches eventuell zu einer Änderung der Richtlinie geführt hätte. Eine abschließende Bewertung der Richtlinie wird nach der Auswertung der empirischen Daten vorgenommen. Dabei wird u.a. eine Erklärung dafür angeboten, warum Großbritannien, das gegen die Richtlinie eingestellt war, letztlich doch die einstimmige Ratsentscheidung - durch Enthaltung - getragen hat. Zudem wird noch auf das Verhalten der Bundesrepublik zurückzukommen sein, die es während der Verhandlungen versäumte, bereits eine Entscheidung über den Gemeinsamen Standpunkt des Rates mit qualifizierter Mehrheit zu treffen. Zuvor werden jedoch die beiden anderen Fallbeispiele vorgestellt.

H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie I. Problemzusammenhang Im Rahmen der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung im Binnenmarkt wird erwartet, daß es gleichfalls zur einer Steigerung der Entsendungen von Arbeitnehmern in andere Mitgliedstaaten der EG kommen wird, da die Mobilität des Faktors Arbeit steigen wird. Davon betroffen sind Beschäftigungen durch Subunternehmer im Rahmen von Werkverträgen, wie beispielsweise Baukolonnen, Leiharbeitunternehmen oder vorübergehende Tätigkeiten in einer ausländischen Niederlassung des Arbeitgebers. 1 Aufgrund der bestehenden Unterschiede in den Lohn- und Lohnnebenkosten und den Arbeitsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten wird befürchtet, daß es zu Wettbewerbsverfalschungen und sozialem Dumping durch die Entsendung von Arbeitnehmern komme. Durch den grenzüberschreitenden Tatbestand im Rahmen der Entsendung von Arbeitnehmern kann durchaus von einem europäischen Problem gesprochen werden, welches eine supranationale Lösung erfordert. 2 Dafür spricht auch, daß diese Fragen bislang durch das Übereinkommen von Rom geregelt werden, welches ebenfalls ein internationales Abkommen darstellt. 3 1 BMA, 1989, Rdnr. 539a: "Die Abgrenzung von erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen und erlaubnisfreien Werkverträgen (z.B. Montagearbeiten, Subunternehmerarbeiten) kann in der Praxis Schwierigkeiten bereiten, zumal mitunter Schein-Werkverträge abgeschlossen werden, um die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu umgehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 8.11.78, DB 1979 S.851) unterscheiden sich Werkverträge einerseits und Arbeitnehmerüberlassungsverträge andererseits dadurch, daß der Unternehmer bei Werkverträgen die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen HandJungen nach eigenen betrieblichen Vorstellungen organisiert, während er bei Arbeitnehmerüberlassungsverträgen dem Dritten nur die Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, wobei dieser die Arbeitskräfte nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb einsetzt und seine Betriebszwecke mit den überlassenen Arbeitnehmern wie mit eigenen Arbeitnehmern verfolgt". 2 Vgl. Schnorpfeil, Willi, 1994. 3 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung arn 19. Juni in Rom, Abi. L 26611 vom 9.10.1980. Dieses Übereinkommen ist 1991 im Anschluß an die Unterzeichnung durch einen Achten Mitgliedstaat in Kraft getreten. In der Bundesrepublik werden die Fragen zur Entsendung von Arbeitnehmern im internationalen Arbeitsrecht geregelt. "Dieses wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 1.9.1986 in den Artikeln 27 bis 34 des Einfüh-

I. Problemzusammenhang

171

Bei der Entsendung von Arbeitnehmern handelt es sich prinzipiell um Fragen der Dienstleistungsfreiheit, die im EUV in den Art.59-61 behandelt werden und bereits 1969 weitgehend umgesetzt waren. Als Dienstleistungen gelten gemäß Art.60 insbesondere a) gewerbliche, b) kaufmännische, c) handwerkliche und d) freiberufliche Tätigkeiten. Gleichzeitig bestimmt Art.60, daß der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeiten vorübergehend in dem Staat ausüben kann, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. Damit stellt sich die Frage, ob ein Mitgliedstaat, im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung, die die Entsendung von Arbeitnehmern erfordert, den entsandten Arbeitnehmern die gleichen Bedingungen vorschreiben kann, die für die nationalen Arbeitskräfte gelten. Auslöser des Richtlinienvorschlags der Kommission war der Rechtsfall Rush Portuguesa. Die portugiesische Baufirma hatte im Rahmen eines Subunternehmervertrages einen Auftrag in Frankreich angenommen, zu dem sie portugiesische Arbeitnehmer beschäftigte. Das französische Nationale Einwanderungsamt (Office National d'Immigration (ONI)) kam jedoch zu dem Schluß, daß ausländische Arbeitnehmer nach dem Code du Travail einerseits eine Arbeitserlaubnis benötigten und andererseits nur das ONI berechtigt sei, ausländische Arbeitnehmer anzuwerben. Daher wurde dem Unternehmen die Zahlung eines Sonderbeitrags auferlegt. Zu diesem Zeitpunkt galten für Portugal noch die Übergangsbestimmungen zur Freizügigkeit, die erst 1992 vollständig gewährt wurde. Der Beschluß wurde jedoch mit der Begründung angefochten, daß es sich bei einem Subunternehmervertrag um eine Dienstleistung handele, zu der die Freizügigkeit bereits am 1.1.1986 in Kraft getreten sei. Der Konflikt wurde dem EuGH zur Lösung übergeben. Dieser kam einmal zu dem Schluß, daß es sich in der Tat um eine Frage der Dienstleistungsfreiheit (Art.59,60) handelt. Zum anderen war an dem Urteil jedoch bedeutsam, daß der Gerichtshof gleichzeitig feststellte, daß das Gastland berechtigt sei, seine Rechtsvorschriften oder die von den Tarifpartnern geschlossenen Tarifverträge, rungsgesetzes zum BGB verankert" (Berie, Hermann, 1993, S.73). Hier besteht zunächst die Wahlmöglichkeit zwischen den Vertragsparteien, welches nationale Arbeitsrecht gelten soll. Ohne eine solche Vereinbarung gilt für vorübergehende Entsendungen (bis zu einem Jahr) automatisch das Recht des Staates, in dem das Arbeitsverhältnis seinen Schwerpunkt hat. Bereits 1980 wurde ein Übereinkommen zwischen 8 Mitgliedstaaten der EG getroffen, welches Kollisionsregelungen für grenzüberschreitende Tatbestände enthält und auch die vorübergehende Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland regelt. Diese sind durch eine Schutzvorschrift davor gesichert, daß ihnen der Schutz des zwingenden Rechts am Arbeitsort hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz entzogen werden kann. Insofern besteht in dieser Beziehung - auch nach Ansicht der BDA - kein neuer Regelungsbedarf. Zu der Regelung der Entsendung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten, die ebenfalls im Kommissionsvorschlag angesprochen wird, hat wiederum die EG rechtlich keine Handlungsermächtigung.

172

H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, auf alle Personen auszudehnen, die auf seinem Hoheitsgebiet einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen.4 Dadurch hat der EuGH den Mitgliedstaaten prinzipiell ermöglicht, die Dienstleistungsfreiheit durch die nationale Definition der Arbeitsbedingungen einzuschränken. Die Entsenderichtlinie verfolgt in diesem Zusammenhang das Ziel, eine einheitliche europäische Regelung zu definieren, die dann letztlich auch die Dienstleistungsfreiheit in diesem Bereich einheitlich, wenn auch reguliert, gewährleistet. Damit wird erstens versucht, Rechtssicherheit im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs bezüglich der Festlegung der Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, indem eine Liste zwingender Bestimmungen festgelegt wird. Zweitens zielt der Vorschlag der Kommission darauf ab, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und die Arbeitnehmer vor Ausbeutung durch "soziales Dumping" zu schützen.5

II. Ursprungsland- oder Beschäftigungslandprinzip In diesem Zusammenhang gilt es zu klären, welche Lohn- und Arbeitsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer gelten sollen: die des Beschäftigungslandes oder die des Ursprungslandes. Orientiert man sich an dem Prinzip des Beschäftigungslandes, so sind gleiche Bedingungen für die Arbeitnehmer an einer Arbeitsstelle sichergestellt. Demgegenüber muß jedoch bedacht werden, daß die Staaten mit komparativen Vorteilen im Bereich der Lohn- und Arbeitsbedingungen dann wenig Chancen hätten, um international wettbewerbsfahig zu bleiben. Die Angleichung der Arbeitsbedingungen im Falle von Entsendungen unterliegt damit dem gleichen Argument wie die Angleichung der Arbeitsbedingungen in der EG generell. Aber bereits die Diskussion um das Sozi4 Rechtssache C-113/89, Übersetzung des Urteils vom 27.3.1990 (unveröffentlicht). Eine ähnliche Auffassung hatte der Gerichtshof bereits 1982 in dem Urteil Seco SA gegen EVI, C-62 & 63/81, Sammlung 1982, S.224, vertreten, als er feststellte, daß das Gemeinschaftsrecht es den Mitgliedstaaten nicht verwehre, ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern abgeschlossenen Tarifverträge über die Mindestlöhne zur Anwendung zu bringen. "In einer Reihe von Urteilssprüchen hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Gleichbehandlung, die in Wirklichkeit eine Diskriminierung gegenüber Unternehmen mit Sitz im Ausland und eine Beschneidung ihrer Dienstleistungsfreiheit darstellt, durch Art.59 des EWG-Vertrages ausgeschlossen wird. Es sind nur Einschränkungen zulässig, die im öffentlichen Interesse liegen und auf jeden Fall auf alle Unternehmen angewandt werden müssen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat Dienstleistungen erbringen." Vgl. Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt, A3-0161192, S.20. 5 Zur Diskussion dieser Punkte siehe den folgenden Abschnitt.

II. Ursprungsland- oder Beschäftigungslandprinzip

173

aldumping aufgrund niedriger Arbeitskosten hat ergeben, daß es zumindest keine ökonomische Rechtfertigung für eine Harmonisierung der Arbeitsbedingungen auf europäischer Ebene gibt. Der Richtlinienvorschlag in bezug auf die Entsendung von Arbeitnehmern würde sich folglich nur als protektionistische Schranke zu Lasten der Mitgliedstaaten mit relativ niedrigem Arbeitskostenniveau auswirken. Dennoch stellt sich die Frage, ob das Argument niedriger Arbeitskosten im Falle von Botsendungen greift. Unterschiede in den Arbeitskosten zwischen den EU-Staaten müssen im Verhältnis zur Produktivität betrachtet werden.6 Im Falle der Entsendung von Arbeitnehmern wird jedoch genau dieser Zusammenhang gestört, da die entsandten Arbeitnehmer nunmehr in einem produktiveren Umfeld tätig werden, welches auch die höheren Löhne des Gastlandes rechtfertigen könnte. 7 Unter Wettbewerbsaspekten sollte dem Sitzlandprinzip (Ursprungsland) der Vorrang eingeräumt werden, da sich grenzüberschreitende Dienstleistungen prinzipiell nicht von grenzüberschreitenden Warenlieferungen unterscheiden, bei denen auch die Arbeits- und Sozialbestimmungen des Sitzlandes und nicht die des Importlandes zur Anwendung kommen. 8 Der Sachverständigenrat plädiert dennoch für das Produktionsstandortprinzip (Beschäftigungsland) aus der Befürchtung heraus, daß ansonsten gespaltene Arbeitsmärkte entstehen könnten, die zu sozialen Spannungen in einzelnen Arbeitsmarktsegmenten führen könnten. Auch könnte das Territorialitätsprinzip im Bereich der Arbeitsund Sozialgesetzgebung unterlaufen werden, indem einerseits Regelungen anderer Länder zur Anwendung kommen und andererseits möglicherweise Sitzverlagerungen von Unternehmen zur Ausnutzung günstigerer Arbeits- und Sozialstandards folgen könnten. 9 Die Möglichkeit, daß an ein und derselben Arbeitsstelle Lohn- und Gehaltsunterschiede allein aufgrund der Nationalität bestehen, wird als ernste Gefahrdung des sozialen Friedens betrachtet. Dennoch spielt sicherlich die Bedrohung heimischer Arbeitsmärkte eine bedeutende Rolle bei dieser Argumentation. Die EU-Staaten reagieren auf grenzüberschreitenden Konflikte sehr sensibel, wie auch das Beispiel der Massenentlassungsrichtlinie zeigt. Als weitere Befürchtung wird geäußert, daß entsandte Arbeitnehmer im Rahmen von Sub-Sub-Unternehmerverträgen eventuell gar keinen rechtlichen 6 Im Verhältnis zu ihrer Produktivität haben die südlichen Länder tendenziell immer noch zu hohe Löhne. Vgl. Kuhn, Britta, S.llOf. 7 Ebenso Kuhn, Britta, S.ll2, die jedoch bezweifelt, daß beispielsweise ein portugiesischer Arbeitnehmer nach kurzer Zeit ebenso produktiv arbeitet wie sein deutscher Kollege. 8 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Weichenstellung für die neunziger Jahre, Jahresgutachten 1989/90, Metzler Poeschel Stuttgart, S.198, Rn.465. 9 Ebd.

174

H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

Schutz mehr genießen würden, "wenn nämlich Arbeitskräfte von einem Mitgliedstaat in einen anderen weiterentsandt werden". 10 Obwohl das liberal-ökonomische Argument der Benachteiligung von Staaten mit niedrigen Arbeitskosten stichhaltig ist, steht die Kommission vor dem Problem, die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen zu müssen, der geurteilt hat, daß Einzelstaaten die Arbeitsbedingungen entsandter Arbeitnehmer autonom festlegen können. Daher zielt der Richtlinienvorschlag auch darauf ab, eine gewisse Harmonisierung und Koordinierung dieser Problematik in den EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, die letztlich eine Gleichbehandlung auf einem Mindeststandard erlaubt. Die Definition der Höhe der Mindeststandards wird dann entscheidend sein für die Wettbewerbsfähigkeit der "Niedriglohnländer". In den meisten Fällen werden die Mindestlöhne immer noch unter den Durchschnittslöhnen liegen, ebenso wie die Lohnnebenkosten die Beiträge zur Sozialversicherung - nicht gezahlt werden müßten. Damit stellen sich aber schon inhaltliche Probleme des Richtlinienvorschlags, die in den Verhandlungen noch geklärt werden müssen.

111. Regelungen in den Mitgliedstaaten der EU Es wird allgemein anerkannt, daß die Liberalisierung des Binnenmarktes zu einer Zunahme grenzüberschreitender Entsendungen führen wird, obwohl bislang wenig statistische Daten über das Ausmaß, die Richtung und die Wirtschaftssektoren verfügbar sind. 11 Die Kommission unterscheidet drei mögliche Fälle der Entsendung von Arbeitnehmern: 1. die Entsendung von Arbeitnehmern in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen einer vertraglichen Abmachung, 2. die Entsendung von Arbeitnehmern durch ein Leiharbeitunternehmen zwecks Erbringung einer Arbeitsleistung für ein anderes Unternehmen in einem der Mitgliedstaaten, 3. die Entsendung eines Arbeitnehmers in eine firmeneigene Niederlassung oder in ein anderes Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat. Ein Diskussionspunkt ist die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen von Leiharbeitunternehmen, da diese Form der Arbeitnehmerüberlassung nicht 10 Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt, S.2lf. 11 Das Problem der Entsendungen konzentriert sich aber auf den Bausektor. Daher wurde von der deutschen Präsidentschaft im Rahmen der Verhandlungen der Entsenderichtlinie im zweiten Halbjahr 1994 vorgeschlagen, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf diesen Sektor zu beschränken. Die Argumente der Autoren, die hinter dem Richtlinienvorschlag protektionistische Strategien vermuten, werden dadurch nur gestärkt.

III. Regelungen in den Mitgliedstaaten der EU

175

in allen Mitgliedstaaten gleich geregelt ist. Die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung konstituiert Vertragsverhältnisse zwischen drei Parteien: zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer, zwischen dem Verleiher und dem Entleiher sowie zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer. 12 Durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern haben Unternehmen die Möglichkeit, eine numerische Flexibilität des Personaleinsatzes zu erreichen, ohne hohe Rekrutierungs- und Qualifikationskosten tragen sowie Kündigungsschutzregeln beachten zu müssen. Es Jassen sich drei Ländergruppen unterscheiden 13: in Spanien, Griechenland und Italien ist die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich verboten, in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und der Bundesrepublik wird die Zulässigkeil durch Zweckbegrenzungen und/oder zeitliche Begrenzungen eingeschränkt, während in Großbritannien, Irland, Luxemburg, Portugal und Dänemark keine substantiellen Beschränkungen hinsichtlich der Leiharbeit bestehen.14 In der Bundesrepublik gilt mit Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung das Territorialitätsprinzip (Produktionsstandortprinzip). 15 Ausländische Verleihunternehmen können nur eine Verleiherlaubnis für den deutschen Arbeitsmarkt erhalten, wenn sie ihren Sitz in einem EUMitgliedstaat haben. Für sie gelten die gleichen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie für deutsche Verleihunternehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen zur Zeitarbeit in den EG-Mitgliedstaaten wird deutlich, daß in diesem Bereich keine völlige Dienstleistungsfreiheit gewährleistet ist. Somit wird dieser Markt nicht nur durch die einzelstaatlichen Vorschriften bezüglich des Arbeitsentgelts und der Arbeitsbedingungen reguliert, sondern auch durch die unterschiedlichen Vorschriften zur Zulässigkeil von Leiharbeitunternehmen. Ein weiterer kritischer Punkt der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern könnte sich durch Einbezug firmeninterner Entsendungen in den Geltungsbereich der Richtlinie ergeben. Der Konzernverleih wird nach

12 Vgl. Dragendorf, R.; Heering W. und G. lohn, Beschäftigungsförderung durch Flexibilisierung. Dynamik befristeter Beschäftigungsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt, New York, 1988, S.29ff. 13 s. Walwei, Ulrich; Konle-Seidl, Regina; Ullmann, Hans, Atypische Beschäftigungsformen und Arbeitszeiten im EG-Vergleich, in: Walwei, Ulrich und Heinz Werner (Hrsg.), Beschäftigungsaspekte und soziale Fragen des EG-Arbeitsmarktes, BeitrAB 142, 1991, S.45. 14 Das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verfolgt mehrere Ziele: neben der sicherstellung eines sozialen Mindestschutzes der Leiharbeitnehmer soll einer Aushöhlung des staatlichen Arbeitsvermittlungsmonopols vorgebeugt werden und unserlöse Verleiher sollen vom Markt ferngehalten werden. 15 V gl. Marschall, Dieter, Fremdpersonaleinsatz in den Betrieben - aus der Sicht des Gesetzgebers, in: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zum Thema Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag, Köln, 1987, S.13ff; S.83ff.

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H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

deutschem Recht nicht als Arbeitnehmerüberlassung definiert. 16 Ein Konzernverleih ist auch grenzüberschreitend zulässig, sofern die Voraussetzungen des Konzernbegriffs nach § 18 Aktiengesetz vorliegen! 7 Allerdings sind Portugal und die Bundesrepublik die einzigen EU-Staaten, die über ein Konzernrecht verfügen. Demnach wird auf den Konzernverleih das deutsche Recht (Beschäftigungsland) angewendet. Mit dem Tatbestand der firmeninternen Entsendung wird unter Umständen in geltendes Konzernrecht eingegriffen, so daß noch nicht geklärt ist, wie dieser Punkt in der Richtlinie behandelt wird. 18 In internationalem Zusammenhang erweist sich die Unterscheidung von Werkverträgen und dem Tatbestand der Arbeitnehmerüberlassung als besonders problematisch. So sind Fälle im Bausektor aufgetreten, nach denen niederländische Firmen britische Arbeitnehmer illegal in die Bundesrepublik vermittelt haben, indem die britischen Arbeitnehmer sich einen Nachweis für ihre "Selbständigkeit", eine sogenannte I 0 I-Bescheinigung nach europäischem Recht, besorgen mußten, um dann in der BRD als Werkunternehmer aufzutreten. Illegal an dieser Konstruktion ist die niederländische Vermittlung, die ein Dreiecksverhältnis konstituiert und folglich Arbeitnehmerüberlassung bedeutet. Da die britischen Arbeitnehmer selbst für Steuern und Sozialabgaben verantwortlich sind, ist deren Beschäftigung wesentlich günstiger als die einheimischer Arbeitnehmer. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob in diesem Fall tatsächlich ein Werkvertrag oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt. 19 Die Problematik an sich resultiert jedoch aus den unterschiedlichen Lohngefallen zwischen den Mitgliedstaaten und macht sich besonders im Bausektor bemerkbar. Daher wurde in späteren Verhandlungen des Ministerrates auch in Erwägung gezogen, die Entsenderichtlinie nur auf diese Branche zu beschränken. ZusammengefaSt läßt sich aus den bestehenden Regelungen der Mitgliedstaaten zur Organisation der Leiharbeit folgern, daß es nur schwer möglich sein wird, eine Harmonisierung in diesem Bereich zu verwirklichen. Damit ist davon auszugehen, daß der Bereich der Leiharbeit vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen wird. Ebenso ist die Behandlung der Konzernregelung fraglich. Dadurch wird sich die Richtlinie auf die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen von vertraglichen Abmachungen oder Subunternehmerverträgen beschränken.

Marschall, Dieter,, in: Fachtagung der BDA, S.lS. Ders., S.l02. 18 Vgl. Interview mit dem BMA von 26.4.1994. 19 Vgl. Frankfurter Rundschau vom 10.8.1994, S.ll. Zur Abgrenzungsproblematik von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung s. Pfuhlmann, Herbert, Fremdpersonaleinsatz in Betrieben - aus der Sicht der Arbeitsverwaltung, in: Fachtagung der BDA, S.24ff. 16 17

IV. Der Vorschlag der Kommission

177

IV. Der Vorschlag der Kommission20 Der Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 28. Juni 1991 stützt sich auf Art.57 Abs.2 und Art.66. Art.57 erlaubt die Verabschiedung von Richtlinien zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen und Zeugnissen, Abs.2 die Verabschiedung von "Richtlinien zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten". Art.66, Entsprechende Anwendung von Vorschriften des Niederlassungsrechts, erlaubt die Anwendung der Mehrheitsreget des Art.57 auch auf Dienstleistungen, die in Kapitel 3 des Vertrages in den Art.59-66 geregelt sind. Folglich wird die Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern im Verfahren der Zusammenarbeit (Art.189c EUV) verhandelt, der die qualifizierte Mehrheitsregel im Ministerrat, bei gleichzeitiger Beteiligung des Europäischen Parlaments, ermöglicht. Aufgrund des Maastrichter Vertrages zur Europäischen Union, der am 01.11.1993 in Kraft getreten ist, wird dieser Artikel jetzt im Kodezisionsverfahren entschieden. 21 Die Entsenderichtlinie stellt damit die einzige sozialpolitische Richtlinie dar, die diesem Verfahren unterworfen ist. Die Rechtsgrundlage der Richtlinie wird von verschiedenen Seiten in ihrer Rechtmäßigkeit angezweifelt, da sich Art.57 auf Selbständige bezieht, die Richtlinie jedoch vornehmlich die Arbeitsbedingungen entsandter Arbeitnehmer regulieren soll.22 Insofern werden auch andere mögliche Rechtsgrundlagen - wie beispielsweise Art.lOOa, Art.235 23 oder Art.118a- diskutiert. 24 Ein Vorwurf an die Kommission lautet in diesem Zusammenhang, daß sie den Art.57/66 nur als Rechtsgrundlage gewählt hat, um die qualifizierte Mehrheit des Rates in dieser Frage zu ermöglichen. In ihren Erwägungen führt die Kommission aus, daß für die Erbringung von Dienstleistungen ab Ende der Übergangszeit keine Einschränkungen aufgrund 20 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (91/C 225/05), KOM(9l) 230endg. vom 28. Juni 1991. 21 Die Machtverhältnisse zwischen den Organen verändern sich dadurch zwar nur wenig, jedoch hat dieses Verfahren Auswirkungen auf die Bildung möglicher Koalitionen (s.unten Ergebnisse der Entsenderichtlinie). 22 Betrachtet man die sozialen Bestimmungen der Richtlinie aber in Zusammenhang mit der Frage der Arbeitnehmerüberlassung, so sind Art.57/66 als Rechtsgrundlage angebracht. Vgl. Hecker, Friedrich, Zur Frage einer Neuregelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, in: Arbeit und Recht I, S.20. 23 Stellungnahme des Ausschusse für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik für den Ausschuß für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt, A30l6l/92, S.29. 24 Der Ausschuß für Recht und Bürgerrechte des EP bestätigte allerdings die gewählte Rechtsgrundlage der Kommission, s. Stellungnahme dess., A3-0l6l/92, S.32. 12 Schnorpfeil

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H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes mehr erlaubt seien. Voraussetzung für einen grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr sei allerdings ein "Klima fairen Wettbewerbs", das sich nur durch die Wahrung von Rechten der Arbeitnehmer herstellen lasse. Gleichzeitig sei es notwendig, im Zuge der Transnationalisierung der Arbeitsverhältnisse Rechtssicherheit bezüglich des anwendbaren Rechts herzustellen. Da die Gemeinschaft die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre Gesetze oder die von den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Verträge auf alle Arbeitnehmer, die auch nur kurzfristig in ihrem Hoheitsgebiet tätig sind, auszudehnen, ist davon auszugehen, daß durch die Richtlinie zwar Mindestbestimmungen definiert werden sollen, jedoch auch stärkere Bestimmungen einzelstaatlich durchgeführt werden können. Diese Tendenz wird unterstützt durch den Verweis der Kommission auf die Richtlinien 71/305/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge25 , zuletzt geändert durch die Richtlinie 89/440/EWG26, und die Richtlinie 90/531/EWG betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor27, die entweder eine Überprüfung der Bieter ermöglichen oder durch die die anwendbaren Arbeitsbedingungen festgelegt werden können. Damit werden bestimmte Marktsegmente reguliert und der freie Wettbewerb eingeschränkt. Die Kommission verweist in ihren Erwägungen zudem auf das Übereinkommen von Rom vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht, welches am 1.4.1991 in Kraft getreten ist. Danach gilt grundsätzlich die freie Rechtswahl zwischen den Parteien über das anwendbare Recht. Findet keine explizite Rechtswahl statt, so gilt das Recht des Staates in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Art.3). In Art.6 Abs.1 wird festgelegt, daß die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen darf, daß dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, also das Recht des Ursprungslandes. Art.7 bestimmt den allgemeinen Grundsatz, nach dem den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden kann, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt.28 In Art.20 wird bestimmt, daß das GemeinAbi. L 185/5 vom 16.8.1971. 26 Abi. L 21011 vom 21.7.1989. 27 Abl.L297/l vom29.10.1990. 28 Vgl. Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt, A3-0161192, Berichterstatter: Papayannakis, Mihail, S.24; Berie, Hermann, S.73. 25

IV. Der Vorschlag der Kommission

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schaftsrecht dann Vorrang hat, wenn es explizitere Bestimmungen zur Verfügung stellt. Damit widerspräche eine gemeinschaftliche Regelung bezüglich der Entsendung von Arbeitnehmern nicht dem Übereinkommen von Rom, sondern bedeutete eine Koordinierung der Thematik innerhalb der EU-Staaten. Der Richtlinienvorschlag zielt darauf ab, aufgrund der bestehenden Unterschiede in den Arbeitsrechten den Mitgliedstaaten, einen Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz im Rahmen von Entsendungen festzulegen, wobei jedoch Ausnahmen in bezug auf die Mindestlohnsätze und den Mindesturlaub vorgesehen werden sollen, um die "Stabilität von Arbeitsverhältnissen" nicht zu behindern. Sie gilt gleichermaßen für Entsendungen aus Drittstaaten, läßt aber die Bestimmungen über die Einreise, den Aufenthalt und die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten unberührt. Ebenso sollen die einzelstaatlichen Bestimmungen zu Leiharbeitunternehmen nicht durch die Richtlinie reguliert werden. Zusammengefaßt sollen durch die Richtlinie Mindestbestimmungen der Arbeitsbedingungen für zeitweise entsandte Arbeitnehmer festgelegt werden, unabhängig davon, ob das entsendende Unternehmen seinen Sitz in einem der Mitgliedstaaten oder in einem Drittstaat hat. Die Tätigkeit von Leiharbeitunternehmen wird ebenso in einzelstaatlicher Regie belassen, wie auch die Möglichkeit höhere als die Mindestbestimmungen der Richtlinie umzusetzen. Damit weist der Vorschlag starke protektionistische Tendenzen auf, ohne auf eine Harmonisierung hinzuwirken oder die Dienstleistungsfreiheit von Leiharbeitunternehmen innerhalb der EU anzustreben. Die Arbeitnehmerüberlassung durch Leiharbeitunternehmen bleibt ein national geregelter Bereich. Folglich werden sich die Bestimmungen der Richtlinie auf Entsendungen durch Subunternehmen oder innerhalb von Konzernen beziehen. Zu den Artikeln im einzelnen: Der Richtlinienvorschlag hat nur fünf Artikel, von denen Art.4 und 5 die üblichen Schlußbestimmungen angeben. In den Art. I und 2 werden die Unternehmen abgegrenzt, für die diese Richtlinie gelten soll. Dazu zählen alle Unternehmen, die im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des EWG-Vertrages tätig sind, unabhängig davon, in welchem Staat sie ansässig sind. Folglich sind auch Unternehmen aus Drittstaaten von der Richtlinie betroffen. Entsendungen können im Rahmen von Werk- und Dienstleistungsverträgen stattfinden, über Leiharbeitunternehmen oder durch die Zuweisung zu einer Niederlassung oder einem anderen Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat. Art.3 legt das Beschäftigungslandprinzip fest. Danach'•sollen die Arbeitsbedingungen des Arbeitsortes, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird, gelten. Voraussetzung dafür ist, daß die Arbeitsbedingungen in Rechts- und Verwaltungsvorschriften, tarifvertragliehen Vereinbarungen oder Schiedssprüchen enthalten sind, die für die Tätigkeit und das gesamte Gewerbe gelten und eine erga-omnes-Wirkung haben und/oder

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H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

rechtsverbindlich sind. Die Arbeitsbedingungen beziehen sich auf die Aspekte der 1.

2. 3. 4.

5. 6. 7.

maximalen Tages- und Wochenarbeitszeit, Ruhezeiten, Sonntagsarbeit und Nachtarbeit, den bezahlten Mindesturlaub, die Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze und Vergütungen, aber ohne die Vergünstigungen im Rahmen von betrieblichen Systemen, die Bedingungen für die Entleihung von Arbeitskräften, insbesondere die Überlassung von Arbeitskräften durch Leiharbeituntemehmen, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz, den Schutz besonderer Personengruppen (Schwangere, Jugendliche, Kinder, sonstige), die Gleichbehandlung von Mann und Frau und (Nicht-) Diskriminierungaufgrund anderer Merkmale.

Die Bestimmungen über den bezahlen Mindesturlaub und den Mindestlohn sollen nicht gelten, wenn die Entsendung weniger als 3 Monate in einem Bezugszeitraum von einem Jahr ab Beginn der Entsendung beträgt. War die eine Arbeitsstelle zuvor ebenfalls mit einem entsandten Arbeitnehmer besetzt, so wird dieser Zeitraum berücksichtigt. Betrachtet man die aufgeführten Arbeitsbedingungen, so stellt sich die Frage, ob nicht bereits Richtlinien innerhalb der Europäischen Gemeinschaft verabschiedet worden sind, die diese Aspekte regulieren. So definiert die Arbeitszeitrichtlinie29, die allerdings zum Zeitpunkt des ersten Kommissionsvorschlags noch in der Diskussion war, bereits Mindeststandards zu den Punkten 1. und 2., die Rahmenrichtlinie zum Gesundheitsschutz und Sicherheit der Arbeitnehmer sowie die Richtlinie zum Gesundheitsschutz und der Sicherheit von Arbeitnehmern in atypischen Arbeitsverhältnissen regeln den Punkt 5., während der Schutz besonderer Personengruppen durch eine Reihe von Richtlinien (Mutterschutzrichtlinie, Jugendarbeitsschutzrichtlinie) weitgehend abgedeckt wird. Die Gleichbehandlungsproblematik (7.) wird ebenfalls durch einige Richtlinien sowie nationale Bestimmungen, die die Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion etc. verbieten, reguliert. Punkt 4., die Bedingungen für die Entleihung von Arbeitskräften, wiederum wird durch die Richtlinienvorschläge der Kommission zu den atypischen Arbeitsverhältnissen geregelt. Zudem besteht hier das Problem, daß die Tätigkeit von Leiharbeitunternehmen nicht europäisiert werden soll. Insofern ist dieser Punkt als redundant einzustufen. Es bleibt als zentraler Aspekt der Richtlinie die Frage der Mindestentlohnung. Hier stellen sich zwei Probleme: zum einen existieren nicht in allen Mitgliedstaaten Mindestlöhne, so daß eine adäquate und vergleichbare Definition einer Mindestentlohnung unter Berücksichtigung der industriellen Beziehungen 29 Richtlinie des Rates 93/104/EWG vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung.

V. Die Stellungnahme des WSA

181

und vertraglichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten gefunden werden muß. Insbesondere der Geltungsbereich von Tarifverträgen und deren erga-omnes Wirkung stellen ein Problem dar, da dieser Rechtsbegriff nicht in allen Mitgliedstaaten existiert. Zum zweiten stellt sich das Problem, ob die Lohnnebenkosten als Teil des Gesamtlohnes bei der Definition eines Mindestlohnsatzes berücksichtigt werden sollen. Die Ausnahmebestimmung des Art.3 Abs.2 erlaubt zudem, das Problem zu verlagern, wenn eine Entsendung weniger als 3 Monate dauert. Von dem hier festgelegten Zeitraum hängt ab, ob die Richtlinie überhaupt irgendeine Wirkung erzielen kann. Einen gesetzlichen Mindestlohn gibt es in den Niederlanden, in Frankreich, Spanien, Portugal und Luxemburg. In der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark und Italien existieren keine gesetzlichen Mindestlöhne, sondern tarifliche Mindestlöhne in Branchenverträgen. Belgien und Griechenland haben Landestarifverträge mit einem allgemeinen Mindestlohn. In Großbritannien und Irland existieren nur in den Sektoren, die keine Tarifverhandlungen durchführen, Lohnbeiräte (wage councils) oder besondere Ausschüsse (joint labour committees), die für diese Bereiche Mindestlöhne vorschlagen oder festsetzen. In den Staaten, die Mindestlöhne haben, liegen diese im allgemeinen zwischen 40% und 60 % der durchschnittlichen Bruttolöhne. Ihre Anpassung wird von den Parlamenten - meist jährlich - durchgeführt. Dazu können die Sozialpartner gehört, die allgemeine Wirtschaftslage berücksichtigt oder auch eine Indexierung an das Preisniveau festgelegt werden. 30

V. Die Stellungnahme des WSA Der WSA hat seine Stellungnahme zu dem Vorschlag der Kommission am 18.12.1991 mehrheitlich bei zwei Gegenstimmen beschlossen. 31 Darin werden erhebliche Vorbehalte gegen den Vorschlag geäußert. Zum einen betreffen diese Vorbehalte die Erwägungen bezüglich des fairen Wettbewerbs, wie sie bereits oben angeführt worden sind. Zum anderen werden einzelne Artikel des Kommissionsvorschlags angemerkt. Der WSA kritisiert zunächst die Rechtsgrundlage und hier insbesondere die Wahl des Art.57, der auf Selbständige ausgerichtet ist. Durch die Konzentration des Vorschlags auf Arbeitsschutzbestimmungen wäre Art.100a angemessener, auch wenn dadurch eine einstimmi30 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Soziales Europa, Die Regelungen der Arbeitsbedingungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, Bd.l, Beiheft 4/92, S.55ff.; lW-Dossier, Sozialraum Europa, Bd.ll, 1992a, S.l05ff. 31 Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (92/C 49/12).

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H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

ge Entscheidung des Rates notwendig wäre und die Wahl dieses Artikels gleichzeitig eine Harmonisierung bedeutete. Neben einigen Begriffsbestimmungen die Unterscheidung zwischen der Erbringung von Dienstleistungen und der reinen Arbeitskräfteüberlassung geklärt wissen. Bei reinen Arbeitskräfteüberlassungen kann es - seiner Auffassung nach - eher zu Mißbräuchen kommen. Bezüglich Art.3 kritisiert der WSA die Ausnahmeregelung, die durch Art.3 Abs.2 bezüglich des Mindestlohnes und urlaubs geboten wird. Dazu besteht aus Sicht des Ausschusses keine Notwendigkeit; vielmehr werde eine Chance zur Umgehung der Richtlinie eröffnet. Besondere Schwierigkeiten können zudem aus der Durchführung der Richtlinien entstehen, da jeweils mindestens zwei Staaten beteiligt sind. Da der Vorschlag der Kommission keine Durchführungsbestimmungen festlegt, empfiehlt der WSA, diese Verfahren noch zu entwickeln. Gleichzeitig sollten andere Richtlinien, die ebenfalls grenzüberschreitende Wirkungen regulieren (Massenentlassungen, Zahlungsunfähigkeit von Arbeitgebern), in bezug auf die Frage von Entsendungen überprüft werden. 32 Insgesamt entsteht der Eindruck, als hätte der Ausschuß große Vorbehalte gegen die Verabschiedung des Kommissionsvorschlags in der jetzigen Form, da zu viele Fragen ungeklärt sind. Die Idee einer Vereinheitlichung der Problematik wird jedoch grundsätzlich unterstützt.

VI. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments Obwohl der Vorschlag der Kommission bereits im Juni 1991 vorlag, und der WSA seine Stellungnahme im Dezember des gleichen Jahres verabschieden konnte, benötigte das Parlament bis zum Februar 1993 - also mehr als I 1/2 Jahre - bis zur Verabschiedung seiner ersten Stellungnahme. Dies hing vor allem damit zusammen, daß das EP auf seiner Plenartagung am 12., 13. Mai 1992 beschloß, den Entschließungsantrag - nach Annahme der Änderungsanträge an den zuständigen Ausschuß zurückzuweisen. 33 Ein solches Verhalten wird vom EP vor allem dann eingesetzt, wenn die Kommission nicht bereit ist, wesentliche Änderungen in ihren Vorschlag zu übernehmen. Hauptstreitpunkt 32 Dieser Fall wurde beispielsweise im September 1994 aktuell, als ein portugiesisches Subunternehmen, das Arbeitnehmer nach Leipzig entsandt hatte, in Konkurs ging. Die Arbeitnehmer forderten nun von dem Entleiher die Auszahlung der ausstehenden Löhne- durch Hungerstreik. Vgl. Frankfurter Rundschau vom 7. September 1994, S.7. Die Entsenderichtlinie sollte daher den Bezug zu den bereits verabschiedeten Richtlinien über die Zahlungsunfähigkeit von Arbeitgebern 80/987/EWG, Abi. L 283/23 und der Richtlinie über den Nachweis von Arbeitsverhältnissen 91/533/EWG, Abi. L 288/32, herstellen, die Regelungen dieser Situation enthalten. 33 Vgl. Abi. C 1501119 vom 15.6.1990.

VI. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments

183

zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission war Änderungsantrag 24, den die Kommission nicht bereit war zu übernehmen. Der Antrag verlangte die vollständige Streichung des Zeitraums von 3 Monaten, in dem die Richtlinie nicht zur Anwendung kommen soll. Das EP war über alle Fraktionen hinweg - vielleicht mit Ausnahme der Liberalen - der einhelligen Ansicht, daß dieser für die Richtlinie zentrale Artikel gestrichen werden müsse. Da die Kommission in der Aussprache vor der Abstimmung am 13. Mai 1992 nicht willig war, die Position des EP in diesem Punkt zu akzeptieren, sondern weiterhin auf 3 Monaten bestand, beschloß daß Plenum die Rücküberweisung des Gegenstands an den zuständigen Ausschuß. 34 Das Parlament kann einen Vorschlag der Kommission auf diese Weise zumindest einige Zeit blockieren, da der Rat nicht ohne die Stellungnahme des EP über einen Gemeinsamen Standpunkt entscheiden darf. 35 Die Verzögerung der Entschließung hat dann auch fast ein Jahr betragen, ehe der Ausschuß für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt einen neuen Bericht vorlegte, der sich nur unwesentlich vom ersten Bericht unterschied. Insbesondere der strittige Änderungsantrag wurde von den Ausschußmitgliedern aufrechterhalten. Grundlage für die Stellungnahme des Europäischen Parlaments waren die Berichte des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt36 sowie die Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik, die einstimmig bzw. mit großer Mehrheit verabschiedet worden sind. In der zweiten Behandlung des Gegenstands am 10.2.1993 hat das Europäische Parlament insgesamt 31 Änderungen in seiner ersten Stellungnahme im Rahmen des Verfahrens der Zusammenarbeit vorgeschlagen. Insgesamt kann festgestellt werden, daß das Europäische Parlament bemüht war, einige der offenen Fragen, die auch vom WSA angemerkt worden sind, zu lösen. Der Katalog der Arbeitsbedingungen wurde vom Parlament auf Kosten des Wettbewerbs erweitert. Durch die Definition von expliziten Durchführungsvorschritten der Richtlinie und die Klarstellung der Begriffe "ergaomnes" und "ortsüblich" hat der Vorschlag der Kommission an Kontur gewon34 Vgl. Europäisches Parlament, Verhandlungen des Europäischen Parlaments, 1992a, Nr. 3-418/209f. vom 13.5.1992. 35 Die Blockade ist nicht unbeschränkt fortzusetzen. Zum einen 'dürfte von einer Handlungspflicht (innerhalb angemessener Frist) auszugehen sein'. (Vgl. Beutler, Bengt et al., 1994, 5.215, FN 120). Zum anderen legt die Geschäftsordnung des EP selbst bestimmte Fristen fest, die letztlich eine Abstimmung über den Entschließungsantrag vorsehen. (Europäisches Parlament, Geschäftsordnung, Juni 1994, Art.59, 60). Zudem bliebe der Kommission und dem Rat die Möglichkeit eine Untätigkeitsklage gegen das Europäische Parlament nach Art.l75 EUV zu führen. 36 Bericht Nr. A3-0161/92 vom 2. April 1992, Berichterstatter, MdEP Mihail Papayannakis; der Entwurf einer legislativen Entschließung wurde einstimmig angenommen; Zweiter Bericht Nr. A3-0022/93 vom 27. Januar 1993, ebenfalls einstimmig bei 2 Enthaltungen; mitberatend war jeweils der Ausschuß für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik sowie der Ausschuß für Recht und Bürgerrechte.

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H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

nen. 37 Den wichtigsten Punkt stellte die Frage des Bezugszeitraums für die Bedingungen des Mindesturlaubs und des Mindestlohnes dar. Dieser wurde von der Kommission ursprünglich auf drei Monate festgelegt und dann auf Vorschlag des EP auf einen Monat verkürzt: im Plenum hatte sich das EP entschieden, einen Kompromiß in dieser Frage vorzuschlagen, indem auf die völlige Streichung des Artikels verzichtet wird und ein verkürzter Zeitraum von einem Monat angewendet werden soll. Alle Fraktionen hatten sich bereits in der ersten Aussprache dafür ausgesprochen, den Schutz der Arbeitnehmer über die möglichen Verzerrungen von Wettbewerbsbedingungen zu stellen; allerdings war kein Vertreter der Liberalen Fraktion anwesend. 38

1. Die Abstimmungen im Plenum In den Abstimmungen des EP zur Entsenderichtlinie am 10.2.1993 wurden fast alle vorgeschlagenen Änderungsanträge des Ausschusses durch elektronische Abstimmung angenommen. Von den 31 Anträgen wurden nur zwei abgelehnt. Diese betreffen zum einen den Art.3 Abs.1 des Kommissionsvorschlags, der vorsieht, daß ein "Unternehmen dem Arbeitnehmer nicht die Arbeitsbedingungen entzieht, die an dem Ort, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird, für Tätigkeiten der gleichen Art gelten". Der Ausschuß forderte hier eine Formulierung, die im Kern aussagt, daß ein "Unternehmen im Heimatland dem Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen garantiert, die für die gleiche Tätigkeit im Gastland gelten". Diese Änderung hätte eine Angleichung der Arbeitsbedingungen innerhalb der EU auf höchstem Niveau nach sich gezogen und fand realistischer Weise keine Mehrheit im EP. Der zweite abgelehnte Änderungsantrag betrifft den vielzitierten Bezugszeitraum, der im Kommissionsvorschlag bis zur Anwendung der Richtlinie drei Monate vorsah, und vom Ausschuß vollständig gestrichen werden sollte. Das EP hat diesbe37 Die problematischen Dimensionen der Richtlinie ergeben sich aus den Änderungsvorschlägen des EP zunächst in Bezug auf die Definition und Abgrenzung der anwendbaren gültigen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten, die die Arbeitsbedingungen festlegen. Dies können Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Tarifverträge oder Schiedssprüche sein. Schwierig wird die Abgrenzung dieser Bestimmungen, da sie sich einmal auf Branchen, Gewerbe und/oder Regionen beziehen können, dann aber auch allgemeinverbindlich sein können, eine erga-omnes Wirkung besitzen können oder nur auf eine bestimmte Tätigkeit oder ein Gewerbe bezogen sind. Hinzu können Regelungen kommen, in denen "ortsübliche" Bedingungen gelten. Aufgrund dieser Regelungsvielfalt in den Mitgliedstaaten der EG wird vom EP angestrebt, möglichst alle Modelle zu umfassen. Ungeklärt bleibt jedoch wie ein einzelnes Unternehmen die jeweils gültigen Bedingungen kennen soll und darauf seine Berechnungen für z.B. die Entlohnung des Arbeitnehmers gründen soll. 38 Vgl. Europäisches Parlament, Verhandlungen des Europäischen Parlaments, 1992a, Nr. 3-418/116ff. vom 12.5.1992.

VI. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments

185

züglich einen neuen Antrag pet namentlicher Abstimmung verabschiedet, der den Zeitraum auf einen Monat festlegt (Änderungsantrag 32). Es gab neben der erwähnten namentlichen Abstimmung drei weitere, die jede für sich interessant sind und die Kernpunkte der Richtlinie treffen bzw. die Auseinandersetzung des Parlaments mit den übrigen Organen verdeutlichen. Änderungsantrag Nr.33 bezieht sich auf Art.3 Abs.la), der den Anwendungsbereich der Richtlinie u.a. auf tarifvertragliche Vereinbarungen konzentriert, "die für die betreffende Tätigkeit und das betreffende Gewerbe insgesamt gelten und eine erga-omnes-Wirkung haben". Diese Formulierung, die in einigen Mitgliedstaaten rechtsfremd ist, hat vor allem den dänischen Abgeordneten der Sozialistischen Fraktion Probleme bereitet, die darauf verwiesen, daß sich in Dänemark Vereinbarungen und Absprachen häufig nur auf Teile der Arbeitnehmerschaft beziehen, so daß eine Formulierung gefunden werden müßte, die auf "ortsübliche" tarifliche Vereinbarungen und Verträge hinsichtlich der Arbeitsbedingungen abzielt. 39 Der diesbezüglich eingebrachte Änderungsantrag wurde mit 220 Ja-Stimmen gegenüber 26 Nein-Stimmen bei 106 Enthaltungen angenommen. Tabelle 24

Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen zur Entsenderichtlinie40

Abstimmungen im EP Änderung 33 Änderung 32 Rücküberweisung Entschließung 220 339 152 188 Ja Nein 116 26 5 206 50 (18) 36 (10) 90 (18) 148 (106) Enthaltung 394 (368) 394_(352) 394 (362)_ Summe 394(32~Neben den beiden beschriebenen sachbezogenen Änderungsanträgen, kam zum einen ein Rücküberweisungsantrag an den Ausschuß der PPE-Fraktion zur Abstimmung, zum anderen wurde der gesamte Entschließungsantrag mittels namentlicher Abstimmung angenommen. Der Antrag auf Rücküberweisung betrifft exakt die oben genannten beiden Änderungsanträge. Die PPE-Fraktion wollte mit der erneuten Verzögerung die Kommission bewegen, einerseits den Bezugszeitraum ganz aus der Richtlinie zu streichen sowie andererseits den Artikel bezüglich des Anwendungsbereiches im Ausschuß neu überarbeiten. 41

39 Vgl. Europäisches Parlament, Verhandlungen der Europäischen Parlaments, 1993b, Nr. 3-427/225 vom 10.2.1993. 40 Die Werte der Enthaltungen unterscheiden sich zu den Angaben im Abl. C 72/64, da hier sowohl die explizit geäußerten Enthaltungen als auch die nicht abgegebenen Stimmen als Enthaltung gewertet werden. Die tatsächlichen Enthaltungen werden in Klammem angezeigt. 41 Ders., S.223.

H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

186

Die Anwesenheit von ca. 76% der Abgeordneten bedeutet eine vergleichsweise hohe Zahl. Die fehlenden Abgeordneten sind vor allem Frankreich und Italien zuzurechnen, von denen jeweils ca. 45% der Abgeordneten, die sich auf verschiedene Fraktionen verteilen, nicht anwesend waren. Änderungsantrag 33

Änderungsantrag 32

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Abbildung 15: Prozentuale Stimmabgabe nach Fraktionen zur Entsenderichtlinie Sowohl die beiden Änderungsanträge als auch der Entschließungsantrag fanden eine Mehrheit im Parlament, während gegen die Rücküberweisung an den Ausschuß votiert wurde. Das Parlament stimmte weitgehend einhellig für eine Verkürzung des Bezugszeitraumes auf einen Monat (Änderungsantrag 32), hingegen war die Abstimmung über den Geltungsbereich der Richtlinie durch eine fast geschlossene Enthaltung der PPE-Fraktion gekennzeichnet, die ja auch den Rücküberweisungsantrag stellte, um diesen Punkt eingehender zu besprechen. Dies zeigt an, daß die Enthaltungen im EP inhaltlich interpretiert werden müssen. Der gesamte Entschließungsantrag konnte mit 188 zu 116 Stimmen angenommen werden. Hätten sich die Abgeordneten, die sich der Stimme enthalten oder nicht abgestimmt haben, gegen die Entschließung ausgesprochen, so hätte der Vorschlag keine Mehrheit gefunden. Die Fraktionsdisziplin war demnach trotz - bzw. aufgrund - der Enthaltungen hoch.

VI. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments

187

Die prozentualen Angaben zu den vier Abstimmungen (Abbildung 15) weisen die Geschlossenheit der Fraktionen gegenüber den Anträgen aus. Protest gegenüber Änderungsantrag 32 wurde im wesentlich durch Enthaltung geäußert. Generell bestand innerhalb und zwischen den Fraktionen jedoch Einigkeit darüber, den Antrag anzunehmen. Gleiches gilt für Änderungsantrag 33, zu dem nur die beiden rechten Fraktionen DR und RDE eine ablehnende Haltung eingenommen haben. Der eigentliche Konflikt im Parlament bestand hinsichtlich des Rücküberweisungsantrages und der gesamten Entschließung, die eine weitere Verzögerung des Verfahrens gegenüber Kommission und Rat bedeutet hätten.42 Die Christdemokraten und die rechte Fraktion DR sowie die Fraktion ARC stimmten geschlossen für eine Rücküberweisung, während die übrigen Fraktionen insgesamt gegen eine Ablehnung waren. Inhaltlich wurde der Rücküberweisungsantrag der PPE-Fraktion durch den Änderungsantrag 33 begründet, zu dem die Fraktion sich geschlossen enthielt. Die Zustimmung zum Antrag 32 der PPE-Fraktion bedeutet, daß der Kompromiß mit der Kommission von einem Monat akzeptiert wurde. Im Unterschied zur ersten Abstimmung im Plenum im Mai 1992 sind also sowohl die Kommission als auch das EP Konzessionen eingegangen. Gegenstimmen innerhalb der Fraktionen wurden durch Enthaltung geäußert, die in diesem Fall als positive Stimmen anzusehen sind. Bezüglich der Abstimmung über den Entschließungsantrag ist zum einen festzustellen, daß die PPE-Fraktion nicht mehr zu der Kohärenz fand, die beim Ablehnungsantrag gezeigt wurde, da gut I 0% der Abgeordneten dieser Fraktion sich der Stimme enthielten. Auch die ARC-Fraktion war eher für die Fortsetzung des Verfahrens als den Antrag·insgesamt scheitern zu lassen. Die große Zahl an Enthaltungen verteilen sich über alle Fraktionen, so daß das Ergebnis der Abstimmung letztlich den Abgeordneten überlassen worden ist, die eine eindeutige Meinung zu diesem Thema hatten. Bis auf die DR-Fraktion waren allerdings in allen Fraktionen mehr als 10% an Abgeordneten vertreten, die sich nicht der allgemeinen Fraktionsmeinung angeschlossen haben. Immerhin wurde durch die Enthaltungen die überwiegende Meinung in den Fraktionen bestätigt, so daß das Abstimmungsergebnis insgesamt nicht gefährdet worden ist. Dies zeigt, daß selbst in der ersten Lesung Unstimmigkeiten innerhalb der Fraktionen auftreten können, die maßgeblichen Einfluß auf die Abstimmungen haben.

42 Das EP kann einen Entschließungsantrag nur einmal ablehnen. Daraufhin bittet das EP die Kommission ihren Vorschlag zurückzuziehen. Zieht die Kommission ihren Vorschlag nicht zurück, überweist das Parlament den Gegenstand zurück an den zuständigen Ausschuß. 'Dieses Verfahren kann nur einmal angewandt werden. Folglich muß bei einem zweiten Bericht auch über den Entwurf einer legislativen Entschließung abgestimmt werden'. Vgl. Europäisches Parlament, Geschäftsordnung, Juni 1994, Art.59 Abs.3,3 (Hervorhebung vom EP).

188

H. Verhandlungen zur Entsenderichtlinie

Der Richtlinienvorschlag weist insgesamt protektionistische Tendenzen auf, die aus ökonomischer Perspektive die wirtschaftlich schwächeren Staaten tendenziell benachteiligen. Insofern könnte es bereits im EP zu Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedstaaten über die Fraktionsgrenzen hinweg gekommen sein, die die Verhältnisse im Rat widerspiegeln. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Abstimmung über den Änderungsantrag 32, der den Bezugszeitraum definiert und im wesentlichen die Chancen der Staaten mit komparativen Vorteilen bezüglich der Arbeitskosten determiniert, so wird bereits am Abstimmungsverhalten der Fraktionen deutlich, daß im Grunde keine Opposition zu diesem Antrag bestand. Daher läßt sich im Parlament nicht erkennen, daß es in dieser entscheidenden Frage ein Nord-Süd Gefalle gegeben hätte. Nicht einmal die konservativen britischen Abgeordneten, die im allgemeinen konsequent für eine Deregulierungspolitik eintreten, haben sich gegen den Vorschlag ausgesprochen. Das Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament ist offensichtlich von anderen Rationalitäten geprägt als rein wirtschaftlichen. Vielmehr drehte sich die Diskussion darum, den Zeitraum ganz aus der Richtlinie zu streichen, was vor allem gegen eine liberale Position spricht. Die Haltung der Fraktionen wurde maßgeblich durch das Ziel geprägt, "Sozialdumping" in der Gemeinschaft zu verhindern.43

VII. Der geänderte Kommissionsvorschlag Nachdem der Entschließungsantrag im EP angenommen worden ist, konnte die Kommission am 16.6.1993 dem Rat einen geänderten Vorschlag vorgelegen.44 Hier werden die Erwägungen mit Bezug auf Leiharbeitunternehmen klarer formuliert, indem die nationalen Regelungen in diesem Sektor seitens der Gemeinschaft nicht berührt werden sollen. Zudem werden alle bestehenden europäischen und nationalen Bestimmungen bezüglich Drittstaaten aufrechterhalten, so daß durch die Richtlinie keine harmonisierenden Regelungen zu Einreise und Aufenthalt von Arbeitnehmern aus Drittstaaten definiert werden. Übereinkommen europäischer oder nationaler Art, die den Zugang von Dienstleistungserbringern aus Drittstaaten betreffen, werden durch die Richtlinie nicht tangiert. Während mit Bezug auf die Behandlung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten in der Tat die Frage zu stellen ist, ob die EU hier eine Regelungskompetenz besitzt, kann bezüglich der Leiharbeitunternehmen durch die 43 Vgl. Europäisches Parlament, Verhandlungen des Europäischen Parlaments, 1992a, Nr. 3-418/116ff. vom 12.5.1992 und Nr. 3-427/222ff. vom 10.2.1993. 44 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, (91/C 187/07), KOM(93)225endg.

VII. Der geänderte Kommissionsvorschlag

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Richtlinie eine Ungleichbehandlung zwischen den EU-Staaten konstatiert werden. In den Artikeln wird insbesondere Art.3, in dem die Rechtsgrundlagen (oder tarifliche Grundlage oder Schiedssprüche), die die Arbeitsbedingungen regeln, genauer formuliert (Art.3 Abs.4). Insbesondere wird auf den Begriff der erga-omnes Verträge verzichtet, den es nicht in allen Mitgliedstaaten gibt. Der Bezugszeitraum zur Anwendung der Richtlinie auf die Arbeitsbedingungen betreffend die gesetzlichen Feiertage, den bezahlten Mindesturlaub und die Mindestlohnsätze einschließlich der Überstunden und Vergütungen wird von drei Monaten auf einen Monat verringert. Es wird - wie zuvor - "jeder frühere Zeitraum berücksichtigt, in dem die Stelle mit einem entsandten Arbeitnehmer besetzt war", um der Umgehung dieser Bestimmung durch Rotation von Arbeitnehmern zu begegnen. Interessant ist ebenfalls der neue Art.4, der der Durchführung der Richtlinie dient. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Verbindungsbüros einzurichten und die notwendigen Informationen über die Arbeitsbedingungen leicht zugänglich bereitzustellen. Damit wird der Kritik Rechnung getragen, daß die Unternehmen nicht in der Lage seien, alle Arbeitsbedingungen zu kennen und daß keine Durchführungsvorschriften in der Richtlinie enthalten seien (Art.5). Die Kommission hat folglich die entscheidenden Punkte des Parlamentes (Änderungsanträge 32, 33) in ihren geänderten Vorschlag übernommen. Die Verhandlungen des Rates zum Gemeinsamen Standpunkt dauern noch an. Eine eingehende Untersuchung der Interessen und Positionen der Mitgliedstaaten wird im empirischen Teil der Analyse der Ministerratsverhandlungen geboten.

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie I. Zusammenhang Die Einrichtung Europäischer Betriebsräte, wie sie der Kommissionsvorschlag vom 12.12.1990 vorsiehe (geändert am 20.09 .1991 2), steht in engem Zusammenhang mit der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes. Hauptargument für die Notwendigkeit der "Einrichtung Europäischer Betriebsräte zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen" ist die Erkenntnis, daß die nationalen Strukturen zur Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung von Arbeitnehmern in Betrieben nicht (oder nicht mehr) kompatibel sind mit den transnationalen Strukturen von Unternehmen, die sich in zunehmendem Maße in der EG und weltweit entwickeln. Damit geht es im Prinzip um die Sicherung der nationalen Strukturen der Arbeitnehmerbeteiligung auf supranationaler Ebene. Mitbestimmung kann als betriebliche Mitbestimmung, Mitbestimmung in Unternehmen oder als gesamtwirtschaftliche (überbetriebliche) Mitbestimmung verstanden werden. 3 Es existieren drei Grundtypen der Durchsetzung der Arbeitnehmermitbestimmung: a) über die Aushandlung von Tarifverträgen, b) durch die Vertretung der Arbeitnehmer in speziellen Vertretungsorganen und c) die Beteiligung der Arbeitnehmer an Gesellschaftsorganen.4 1 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Einsetzung Europäischer Betriebsräte zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen, Kom(90) 581 endg., in: Abi. C 39/10 vom 15.2.1991. 2 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Einsetzung Europäischer Betriebsräte zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen, Kom(91) 345 endg., in: Abi. C 336/ll vom 31.12.1991. 3 Vgl. Lampert, Heinz, Sozialpolitik, Springer Verlag, Berlin et al., 1980, S.318. 4 Vgl. Kommission, Bulletin der EG, Beilage 8175, Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Struktur der Gesellschaften in der Europäischen Gemeinschaft, S.22ff.. Die Kommission unterscheidet zudem die Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital oder am Gewinn von Unternehmen, z.B. in Form von Arbeitnehmeraktien, wie es in Frankreich gesetzlich vorgeschrieben ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Mitbestimmung im hier verstandenen Sinne, sondern um eine besondere Form der Motivation und Korn-

I. Zusammenhang

191

Während im allgemeinen unter die betriebliche Mitbestimmung die Unterrichtung, Anhörung oder Mitwirkung von Arbeitnehmern bei betrieblichen Entscheidungen mit Bezug auf Fragen der Betriebsordnung, des Lohnsystems, der betrieblichen Arbeitszeit, der Einführung von neuen Technologien etc. gefaßt wird5 , behandelt die Mitbestimmung in Unternehmen das Recht der Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertreter, an Entscheidungen der leitenden Unternehmensorgane teilweise mitzuwirken. Zur gesamtwirtschaftlichen Mitbestimmung zählen Bereiche der Verwaltung der Sozialversicherung, die Beteiligung an Gewerbekammern oder die institutionalisierte Beratung der Parlamente, wie sie etwa in den Wirtschafts- und Sozialräten einiger EG-Staaten praktiziert wird. 6 Die Thematik der Europäischen Betriebsräte behandelt den ersten Aspekt der Mitbestimmung auf gemeinschaftlicher Ebene. Dennoch wird in Verordnungs- und Richtlinienvorschlägen der Kommission auch die Unternehmensmitbestimmung angesprochen, die eng mit der betrieblichen Mitbestimmung verknüpft ist. 7 Vor allem aufgrundder unterschiedlichen Organisatimunikation (vgl. Fitzroy, Felix R. und Kornelius Kraft, Formen der ArbeitnehmerArbeitgeberkooperation und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensleistung und Entlohnung, in: dies. (Hrsg.), Mitarbeiterbeteiligung und Mitbestimmung im Unternehmen, Frankfurt, New York, 1987, S.179f.), so daß diese Thematik im weiteren nicht mehr betrachtet werden soll. s Vgl. für die BRD, Betriebsverfassungsgesetz; Aufhauser, Rudolf et al., Einführung in das Arbeits- und Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn, 1992, S.81 f. 6 Vgl. WSA, Die Wirtschafts- und Sozialräte in den Mitgliedstaaten der EG. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß kann nach der oben vorgestellten Systematik als gesamtwirtschaftliche Form der Mitbestimmung gesellschaftlicher Interessen interpretiert werden. Vgl. auch Kommission, Beilage 8175. 7 Beim Zusammenschluß von Unternehmungen unterschiedlichen nationalen Rechts werden auch Mitbestimmungsfragen relevant, die bislang in der EU nur unzureichend gelöst werden konnten. Die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts in der EG dient dem Ziel, die Bildung europäischer Großunternehmen und damit die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im Weltmarkt zu fördern. Bislang ist jedoch die grenzüberschreitende Fusion von Kapitalgesellschaften in der EG praktisch ausgeschlossen. Zur Angleichung des Gesellschaftsrechts innerhalb der Gemeinschaft hat die Kommission bis 1990 insgesamt 13 Richtlinienvorschläge unterbreitet, von denen der Rat 9 verabschiedet hat. Vor allem an der Problematik der Mitbestimmung sind jedoch bislang alle Versuche gescheitert, grenzüberschreitende Fusionen von Aktiengesellschaften oder die Europäische Aktiengesellschaft selbst einzuführen. Da Mitbestimmungsfragen im EU-Kontext von Fragen der betrieblichen Mitbestimmung getrennt verhandelt werden, soll auf diese Thematik nicht weiter eingegangen werden. Vgl. zur Mitbestimmung auf europäischer Ebene: Däubler, Wolfgang, Grenzüberschreitende Fusionen von Aktiengesellschaften - ein neues Stück Deregulierung? in: Breit, Ernst (Hrsg.), Europäischer Binnenmarkt: Wirtschafts- oder Sozialraum? Europa Union Verlag, Bonn, 1988, S.18ff.; Figge, Jutta; Kolvenbach, Walter, Gesellschaftsrecht und Mitbestimmung, in: Birk, Rolf (Hrsg.), Die soziale Dimension des Europäischen Binnenmarktes, Nomos, Baden-Baden, 1990, S.87; Lutter, Marcus, Europäisches Gesellschaftsrecht, Walter de Gruyter, Berlin New York, 1979, Troberg, Peter, Niederlassungsrecht, Artikel 54, in: von der Groeben, Hans; Thiesing, Jochen; Ehlermann, Claus-Dieter (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Nomos, Baden-Baden, 4.Aufl.,

192

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

on der industriellen Beziehungen in den Mitgliedstaaten der EG zwischen den Sozialpartnern, die zu unterschiedlichen kollektiven Arbeitsbeziehungen geführt haben, überlappen teilweise die Bereiche Betriebs- und Unternehmensverfassung (verstanden als Gesellschaftsstruktur und Mitbestimmung). Der Vorschlag zu den Europäischen Betriebsräten versucht Infor-mations- und Anhörungsrechte in gemeinschaftsweit, das heißt europäischen, Unternehmen und Unternehmensgruppen zu etablieren. Daher sind die Bestrebungen der Gemeinschaft in diesem Bereich eher vergleichbar den OECD Guidelines for Multinational Enterprises (1976) und der ILO Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policies (1977), die beide Verhaltensregeln für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer von Multinationalen Unternehmen definieren. Sie sind allerdings als völkerrechtliche "soft laws" für Regierungen und Unternehmen nicht verbindlich. 8 Der Kommissionsvorschlag knüpft zugleich inhaltlich an Richtlinien an, die bereits in Zusammenhang mit der Europäisierung der Wirtschaft und damit des Arbeitsrechts von der EG vorgeschlagen oder verabschiedet worden sind. Es handelt sich dabei einmal um die Richtlinie 75/129/EWG des Rates vom 17.2.1975 zur "Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen"9 und zum zweiten um die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14.2.1977 "zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang 1991, S.983ff.; auch G1eichmann, Kar!, Europäisches Untemehmensrecht, in: von der Groeben, Hans; Thiesing, Jochen; Eh1ermann, Claus-Dieter (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Band 4, 4.Aufl., Nomos, Baden-Baden, 1991, Anhang C, S.6328ff.; Lutter, Marcus, Buropa und das Untemehmensrecht, Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes I Nr.l18; Nagels, Karlheinz; Sorge Amt, Industrielle Demokratie in Europa, Frankfurt a.M., New York, 1977; Scherl, Hermann, Arbeitnehmermitbestimmung in der Europäischen Gemeinschaft, Perspektiven einer Ang1eichung durch eine europäische Sozialpolitik, in: Kleinhenz, Gerhard, Soziale Integration in Buropa I, Duncker & Humb1ot, Berlin, 1993; Pipkom, Jöm, Der Einfluß der Europäischen Gemeinschaft auf das Unternehmens- und Betriebsverfassungsrecht, in: Schwarze, Jürgen (Hrsg.), Integrationsrecht, Nomos, Baden-Baden, 1985; Prosi, Gerhard, Mitbestimmung, Mitverantwortung und volksswirtschaftliche Effizienz, in: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. (Hrsg.), Mitbestimmung in Europa, 1981, S.69-87. 8 Vgl. Pipkom, Jöm, Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer als Gegenstand gemeinschaftlicher Rechtsentwicklung, in: Lichtenberg, Hagen (Hrsg.), Sozialpolitik in der EG, Nomos, Baden-Baden, 1986, S.l98; Blanpain, Roger, Guidelines for Multinational Enterprises, in: ders. (Hrsg.), Comparative Labour Law and Industrial relations in Industrial Market Econornies, Vol.l, Kluwer Law and Taxation Publishers, Deventer, 1990, S.337-352. 9 Abi. L 48/29 vom 22.2.1975; Diese Richtlinie wurde 1992 durch die Richtlinie 92/56/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 zur Änderung der Richtlinie 75/129/EWG zur Ang1eichung der Rechtsvor~chriften über Massenentlassungen ergänzt (Abi. L 245/3 vom 26.8.1992). Ein neuer Anderungsvorsch1ag der Kommission (Kom(92) 127 endg.) liegt bereits vor.

I. Zusammenhang

193

von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen"10; beide wurden einstimmig unter Art. I 00 EGV, der die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsieht, verabschiedet. In diesen Richtlinien werden Verfahren zur Anhörung und Unterrichtung der Vertreter der von Maßnahmen dieser Art (Entlassung, Betriebsübergang) betroffenen Arbeitnehmer zwingend vorgeschrieben, so daß mit diesen Richtlinien erstmals in internationalem Zusammenhang Informations- und Konsultationsrechte und -pflichten definiert wurden. In der Massenentlassungsrichtlinie definiert Teil II, Art.2 das Konsultationsverfahren, in dem der Arbeitgeber, der beabsichtigt, Massenentlassungen vorzunehmen, verpflichtet wird, die Arbeitnehmervertreter zu konsultieren, um die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder einzuschränken sowie ihre Folgen zu mildem, zu prüfen. Dazu sind den Arbeitnehmervertretern und der zuständigen Behörde (Art.3) -

die Gtiinde der Entlassung, die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und der Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, schriftlich mitzuteilen.

Zu der Massenentlassungsrichtlinie kam es, weil ein multinationales Unternehmen Massenentlassungen in den Mitgliedstaat verlagerte, der den geringsten Kündigungsschutz vorschrieb. Aufgrund des grenzüberschreitenden Tatbestands wird in dieser Frage ein Fall unmittelbarer Europäischer Sozialpolitik gesehen 11 , der im Kontext des Binnenmarktes sozial virulent wurde. 12 Diese Richtlinie wurde 1992 überarbeitet, so daß nunmehr auch die Entscheidungszentralen multinationaler Unternehmungen von der Informations- und Konsultationspflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern im Falle von beabsichtigten Massenentlassungen einbezogen sind (Art.2 Abs.4 ). 13 Die Richtlinie 77/187/EWG zur Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen definiert ebenfalls Informations- und Konsultationsrechte und -pflichten. Die Richtlinie regelt den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder Verschmelzung innerhalb Abi. L 61/26 vom 5.3.1977. Berie, Hermann, 1993, S.48f.. Europäische Sozialpolitik bezeichnet dabei "Internationale Sozialpolitik", deren Maßnahmen von den Gemeinschaftsorganen vorbereitet, erlassen und durchgeführt werden (S.32). Unmittelbare Europäische Sozialpolitik meint zusätzlich Bereiche der Sozialpolitik, die nicht ausschließlich in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten belassen werden sollen - aufgrund der vertraglichen Bestimmungen, der Rechtsprechung des EuGH oder der Beschlüsse des Rates. 12 Vgl. Blanpain, Roger und Elisabeth Klein, S.159, Rn.258. 13 Die Informations-, Konsultations- und Meldepflichten bestehen ungeachtet der Tatsache, ob die Entscheidung über die Massenentlassungen von dem Arbeitgeber oder dem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. 10 11

13 Schnc>rpfeil

194

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

des territorialen Geltungsbereiches des Vertrages (Art. I Abs.l und 2). Ziel der Richtlinie ist es, im Falle von Änderungen der Unternehmensstruktur aufgrund von Inhaberwechseln, den einzelnen Arbeitnehmer in seiner wirtschaftlichen und sozialen Situation zu schützen. Gleichzeitig sollen "bestehende Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten, die unmittelbare Auswirkungen auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes haben können, verringert werden".14 Die Bestimmungen dieser Richtlinie finden nicht nur auf nationale sondern auch auf europäische Tatbestände Anwendung. Folglich handelt es sich ebenfalls um einen Bereich Europäischer Sozialpolitik. Vertreter der Arbeitnehmer sind nach dieser Richtlinie explizit keine Mitglieder von Leitungs- oder Verwaltungsorganen eines Unternehmens, die Mitbestimmungsrechte ausüben. In Teil III, Art.6 werden die Bestimmungen zur Information und Konsultation festgelegt. Danach sind Veräußerer und Erwerbereines Unternehmens verpflichtet, die Arbeitnehmervertreter über a) den Grund für den Übergang, b) die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und c) die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu informieren.

Werden Maßnahmen hinsichtlich der jeweiligen Arbeitnehmer in Betracht gezogen, so sind die Vertreter der Arbeitnehmer rechtzeitig zu konsultieren, um eine Übereinkunft anzustreben. 15 Neben diesen beiden Richtlinien sind noch die Rahmenrichtlinien 16 im Be-

reich des Arbeitsschutzes zu erwähnen, die ebenfalls Pflichten der Arbeitgeber zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer bezüglich Maßnahmen betreffend die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer vorsehen.17 Neben der Pflicht zur Unterrichtung der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter (Art.lO der Richtlinie 891391/EWG) haben die Arbeitnehmer auch Anhörungs- und Beteiligungsrechte, Art.ll(l): "Die Arbeitgeber hören die Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter an und ermöglichen deren Beteiligung bei allen

14 Vgl. Begründung des Richtlinienvorschlags, abgedruckt in RdA 1975, S.124-128. 15 Der gleiche Wortlaut findet sich auch in Art.6 der sogenannten Vredeling-

Richtlinie, die weiter unten diskutiert wird. 16 Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (Abi. L 183/1 vom 29.6.1989) sowie die Richtlinie 88/642/EWG des Rates vom 16. Dezember 1988 zur Änderung der Richtlinie 80/1107/EWG zum Schutz der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische, physikalische und biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Abi. L 356174 vom 24.12.1988). 17 Berie, Hermann, 1993, S.72; Nielsen, Ruth; Szyszczak, Erika, The Social Dimension ofthe European Community, 1991, S.157ff.

II. Zur Ausgangslage in den Mitgliedstaaten

195

Fragen betreffend die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Dies beinhaltet: -

die Anhörung der Arbeitnehmer, das Recht der Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter, Vorschläge zu unterbreiten, die ausgewogene Beteiligung nach den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken."

Im Vergleich zu den vorher genannten Richtlinien werden von den Arbeitsschutzrichtlinien jedoch keine Situationen internationalen Charakters berücksichtigt, da sie sich auf den Betrieb konzentrieren und auf die nationalen Rechtsvorschriften beziehen. 18 Obwohl in den angesprochenen Richtlinien der EG Arbeitnehmerrechte mit Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung definiert werden, werden die nationalen Vertretungsstrukturen beibehalten. Dieses kann insbesondere dann problematisch werden, wenn Entscheidungen gefällt werden, die internationale Auswirkungen haben bzw. wenn die Entscheidungszentrale eines Unternehmens außerhalb des Mitgliedstaates des betroffenen Unternehmens liegt. Aus diesem Grund versucht die Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte allgemeine Informations- und Konsultationsrechte in internationalem Zusammenhang zu definieren, indem europäische Arbeitnehmervertretungsstrukturen in multinationalen Unternehmungen eingerichtet werden sollen. Dies ist strukturell dem deutschen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat vergleichbar.

II. Zur Ausgangslage in den Mitgliedstaaten Die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten können klassifiziert werden in das römisch-germanische, das anglo-irische und das nordische. Damit verbunden sind bestimmte Regelungsmechanismen, die auch die industriellen Beziehungen strukturieren. Das römisch-germanische System gilt in 9 der 12 EG-Staaten (Ausnahmen sind Großbritannien, Irland und Dänemark) und ist im wesentlichen durch geschriebene gesetzliche Grundlagen und durch die gesetzliche Sicherung der öffentlichen Ordnung gekennzeichnet. 19

18 Vgl. Biagi, Marco, From Conflict to Participation in Safety: lndustrial Relations and the Working Environment in Europe 1992, in: The International Journal of Comparative Labour Law and Industrial Relations, Vol.6, 1990, Issue 2. 19 Vgl. Berie, Hermann und Claus F. Hoffmann, Europäischer Binnenmarkt (III), Arbeitsbedingungen in der EG, Bundesarbeitsblatt, 2/1992, S.6f.

196

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie Tabelle 25 Mitbestimmung in den Mitgliedstaaten der EU Innerbetrieblich

Auf Leitungsebene

Land Grund Gesetzliche Regelung -typ''

Befugnisse''

SyGesetzliche Regelung stem''

B

2

ja: Unternehmensrat ab 100 Arbeitnehmern, daneben''

U, B, bei soziaJen Angelegenheiten und Leistungen auch E

moni- nein: (Ausnahme: stisch Staatsbahnen)

DK

2

nein: (tarifvertraglicher Kooperationsausschuß ab 35 Arbeitnehmern)

U, B, bei Perso- duali- ~a: ab 35 Arbeitnehmern nal- und Sozial- stisch (fakultativ) 1/3 der fragen auch E Aufsichtsräte

D

I

ja: Betriebsrat ab 5 Arbeitnehmem

U, B,Ebis zu echter Mitbestimmung

lnem: (Tanfvertrag)

duali- ~a: paritätische Montanstisch mitbestimmung; Kapitalgesellschaft ab 2000 Arbeitnehmer 1/2 der Aufsichtsräte'', ab 500 Arbeitnehmer 1/3 der Aufsichtsräte ,m.om-,nem stisch

E

1

ja: bis 50 Arbeitnehmer Personaldelegation, ab 50 Arbeitnehmer Betriebsrat

U,B

F

I 3 2

ja: ab II Arbeitnehmer Personaldelegation, ab 50 Arbeitnehmem Betriebsrat und (fakultativ) Gewerkschaftsdelegation

U, BE (soziale und kulturelle Angelegenheiten)

nein

(i.a.) im Leitungsorgan 2 Armoni- beitnehmervertreter bestisch ratend (in Staatsunternehmen 1/3 Arbeitnehmer)

IRL 1 (3)

nein: vereinzelt Betriebsräte (freiwillig) oder Shop-Stewarts (s. UK)

moni- nein: (ja für einige halbstisch staatliche Unternehmen: 1/3 Arbeitnehmer im Leitungsorgan

I

3

·a: ab 16 Arbeitnehmern betriebliche Gewerkschaftsvertretungen

moni- nein: (in staatlichen Unstisch teenehmen Arbeitnehmerbeteiligung möglich)

L

1 2

moni- a: ab 1000 Arbeitnehstisch mem 113 Arbeitnehmer im Leitungsorgan

NL

I

ja: ab 15 Arbeitnehmern PerU, B, E (Persosonaldelegation, ab 150 Arnal- und Arbeitsbeitnehmem Gern. Ausschüsse schutzfragen) u, z. T.B, E ja: ab 35 Arbeitnehmern (sozialen Fragen) Unternehmensräte

p

I

ja: keine Mindestzahl, Arbeiter- U, z. T. B, E ausschüsse (sozialen Einrichtungen)

moni- nein: (in öffentlichen stisch Unternehmen möglich)

UK

I (3)

nein: (Shop-Stewards: gewählte lgewerkschaftl. Vertrauensleute)

moni- nein stisch

Quelle: Berie, Hermann und Claus Hoffmann, 1992, S.l6.

duali- ~a: ab I 00 Arbeitnehmer stisch und 20 Mio. Kapital Kooptationssystem

II. Zur Ausgangslage in den Mitgliedstaaten

197

a) In monistischen Systemen existiert nur ein Leitungs- oder Verwaltungsorgan, während dualistische Systeme durch ein Verwaltungsorgan und ein Aufsichtsorgan geknnzeichnet sind. b) Die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bestehen in der Regel darin, über betriebliche Maßnahmen unterrichtet zu werden (U), beratend tätig zu sein (B) und in bestimmten, meist in sozialen Fragen mitentscheiden zu können (E). c) Belgien kennt drei Organe: neben dem Unternehmensrat den Sicherheits- und Gesundheitsausschuß und die Gewerkschaftsdelegation. d) Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, der der Arbeitgeberseite angehört. e) Zur innerbetrieblichen Beteiligung der Arbeitnehmer sind drei Grundtypen zu unterscheiden, die jedoch keineswegs nur in reiner Form vorliegen: 1. Reine Arbeitnehmervertretungen, die von allen Arbeitnehmern gewählt werden. 2. Gemischte Arbeitnehmervertretungen, denen neben den von allen Arbeitnehmern gewählten Belegschaftsvertretern auch der Arbeitgeber oder seine Stellvertreter angehören. 3. Gewerkschaftliche Vertretungen im Betrieb oder Unternehmen mit Doppelfunktion: Interessenvertretung für die Gewerkschaft und ihre Mitglieder als auch für alle Beschäftigten des Betriebes. Zur eigentlichen Mitbestimmung, d.h. der Beteiligung der Arbeitnehmer an den Entscheidungen der Unternehmensorgane ist zu beachten, daß weder die Rechtsformen der Unternehmen noch ihre Organe in den einzelnen Ländern ohne weiteres vergleichbar sind. Zu unterscheiden sind vor allem die zwei Arten von Entscheidungsorganen der Unternehmen: Das in den meisten Mitgliedstaaten praktizierte "monistische" System, d.h., es gibt nur ein einziges Leitungsorgan (Vorstand), während im "dualistischen" System, das in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert wird, neben dem Leitungsorgan noch ein Überwachungsorgan (Aufsichtsrat) fungiert. Die Arbeitsbedingungen werden in diesen Staaten im allgemeinen durch einen gesetzlichen Rahmen reguliert, der sich auf die Gebiete Beschäftigungsvertrag, Mindestschutzvorschriften, besondere Personengruppen, Tarifverhandlungen und Koalitionsrecht sowie die Strukturen der betrieblichen Arbeitnehmervertretung erstreckt. 20 Das anglo-irische System leitet sich von der Tradition des ungeschriebenen Rechts her, so daß der Staat weitgehend darauf verzichtete, in die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern einzugreifen. Erst seit den achtziger Jahren schränkte der Staat das freiwillige System der Tarifverhandlungen ein. Bis auf selektive gesetzliche Regelungen (vor allem im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz) werden die Löhne und Arbeitsbedingungen tarifvertraglich festgelegt. Insbesondere existieren in beiden Ländern keine gesetzlich vorgesehenen Gremien, die die Arbeitnehmerschaft eines Unternehmens vertreten. Das nordischen System gilt in Dänemark und den anderen skandinavischen Staaten und basiert in bezug auf die sozialen Beziehungen im wesentlichen auf Tarifverträgen. Gesetzliche Bestimmungen gibt es nur vereinzelt, jedoch sind das Recht auf Arbeit und die Koalitionsfreiheit verfassungsrechtlich festgelegt. Mit Ausnahme von Gesundheits- und Sicherheitsausschüssen ist die Arbeitnehmervertretung in Dänemark nicht geregelt. 20 Italien bildet hier eine Ausnahme, da gesetzliche Regelungen für kollektive Beziehungen selten sind.

198

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

Einen synoptischen Überblick über die unterschiedlichen Mitbestimmungsregelungen der Mitgliedstaaten der EG bietet Tabelle 25. Während in allen EGStaaten, mit Ausnahme Großbritanniens und Italiens, mindestens eine Form der betrieblichen Mitbestimmung gegeben ist, die sich allerdings erheblich in den Befugnissen unterscheiden können, ist die Unternehmensmitbestimmung nicht in allen EG-Staaten verwirklicht; so beispielsweise nicht in Belgien, Griechenland und Großbritannien. 21 Dies hängt unter anderem mit den ideologischen Vorstellungen und dem Organisationsgrad der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zusammen. Die Unternehmensmitbestimmung ist ein sehr umstrittener Bereich, da einerseits die gewerkschaftliche Mitverantwortung für wirtschaftliche, Unternehmerische Entscheidungen deren "Klassenbewußtsein" korrumpieren könnte. 22 Andererseits wird mit der Beteiligung der Arbeitnehmer und/oder Gewerkschaften an den Leitungsorganen von Unternehmen ein Eingriff in die Eigentums- und Verfügungsrechte der Kapitaleigner vorgenommen, da die Arbeitnehmervertreter nicht die wirtschaftliche Verantwortung für die Unternehmensentscheidungen tragen und tendenziell andere Interessen verfolgen, die nicht ausschließlich an wirtschaftlichen Kriterien orientiert sind. 23 Zu den Staaten, in denen die Arbeitnehmerbewegungen im Rahmen des privatwirtschaftliehen Systems Mitbestimmung erreichen wollen, zählen die Bundesrepublik, Luxemburg, die Niederlande, der flämische Teil Belgiens, Skandinavien, Österreich und die Schweiz. In anderen Staaten wird von den Gewerkschaftsbewegungen die Auffassung vertreten, die Demokratisierung der Wirtschaft sei nur durch die Umgestaltung der Gesellschaft zu verwirklichen. Dies ist in Italien, Frankreich und im wallonischen Teil Belgiens der Fall. Hingegen sind die britischen und irischen Gewerkschaften weniger aus ideologischen Motiven gegen eine institutionalisierte Form der Mitbestimmung eingestellt, als vielmehr aus der Befürchtung heraus, daß sich ihre Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebern bei Tarifverhandlungen verschlechtem könnte.24

21 Vgl. Kolvenbach, Walter; Hanau, Peter, Handbook on European Employee CoManagement, Loseblattausgabe, Deventer 1988. Kommission der EG, 1992a, S.l15ff.. Zur Unternehmensmitbestimmung vgl. Figge, Jutta, 1992. 22 Vgl. Lange, Peter; Pipkorn, Jörn, 1986, S.196. 23 Vgl. Wickenkamp, Rolf, Unternehmensrechte und Verfügungsrechte. Die paritätische Aufsichtsratsbesetzung nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 im Licht der ökonomischen Theorie der property rights, Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, Untersuchungen 54, 1976; Vaubel, Roland, Sozialpolitik für mündige Bürger, Nomos, Baden-Baden, 1990, S.63f.; Prosi, Gerhard, Mitbestimmung, Mitverantwortung und volksswirtschaftliche Effizienz, in: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. (Hrsg.), Mitbestimmung in Europa, 1981, S.69-87. 24 Pipkom, Jörn, Der Einfluß der Europäischen Gemeinschaft auf das Unternehmens- und Betriebsverfassungsrecht, in: Schwarze, Jürgen (Hrsg.), lntegrationsrecht, Nomos, Baden-Baden, 1985, S.35f.

II. Zur Ausgangslage in den Mitgliedstaaten

199

Die innerbetriebliche Mitbestimmung kann in unterschiedlichen Grundtypen als reine Arbeitnehmervertretungen, als paritätische Vertretungsorgane mit Beteiligung der Arbeitgeber oder auch unter Beteiligung der Gewerkschaften organisiert sein. Acht der Mitgliedstaaten (Belgien, Frankreich, Griechenland (fakultativ), Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Spanien) verfügen über gesetzlich vorgeschriebene Betriebsratssysteme, während in Dänemark, Italien, Irland und Großbritannien die Bildung von Betriebsräten auf Tarifverträgen beruht. Der gewerkschaftliche Einfluß auf die Besetzung und Politik der verschiedenen Gremien ist sehr unterschiedlich, ebenso wie die Unabhängigkeit der "Räte" vom Arbeitgeber nicht überall gegeben ist. So existieren beispielsweise paritätisch besetzte "Räte" oder solche, in denen der Arbeitgeber den Vorsitz führt. Die Kompetenzen der Betriebsräte in den EGStaaten sind ebenfalls sehr unterschiedlich geregelt. Es können personale, soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten voneinander differenziert werden, bei denen sich die Kompetenzen der Betriebsräte auf Unterrichtung, Konsultation und Mitwirkung erstrecken können. 25 Im allgemeinen sind die Befugnisse der Betriebsräte auf den Betrieb, das heißt eine bestimmte Unternehmenseinheit beschränkt. Nur in den Niederlanden, Frankreich, der Bundesrepublik und Luxemburg ist auch die Bildung von Betriebsräten für Unternehmensgruppen vorgesehen. In Belgien hat der Betriebsrat zudem Anspruch auf Informationen über einen multinationalen Konzern insgesamt. 26 Dazu zählen grundlegende Informationen über die wirtschaftliche Lage, die Organisation und das Konzept des Unternehmens, sowie regelmäßige Informationen über die Kostenstruktur. Der Betriebsrat hat beratende Befugnisse in bezug auf die Arbeitsorganisation und Produktivität und in sozialen Angelegenheiten27 • Ein Mitentscheidungsrecht besteht in sozialen Angelegenheiten, sofern es sich um Bereiche der sozialen Sicherheit, der Terminfestlegung, des Jahresurlaubs, der Arbeitszeit etc. handelt. 28 In den Niederlanden können in Unternehmen mit mehreren Betrieben und Betriebsräten zur Erleichterung der Koordination Gruppenbetriebsräte und ein Zentralbetriebsrat gebildet werden. Ähnlich verhält es sich in Frankreich. Dort sind in Unternehmen mit mehreren abgrenzbaren Betrieben Einzelbetriebsräte und ein Gesamtbetriebsrat zu bilden. Auf Konzernebene ist ein KonzernbeVgl. lW-Dossier, S.8lff. Vgl. Kommission, Zusammenfassung der vergleichenden Studie über die RegeJung der Arbeitsbedingungen in den Mitgliedstaaten, 1989, S.ll. 27 Zu den sozialen Angelegenheiten zählen: Überwachung der Arbeitsnormen, Berufsbildung und Umschulung, strukturelle Veränderungen, Kriterien für Entlassung und Einstellung, Einstufung der Tätigkeiten, soziale Wiedereingliederung behinderter Arbeitnehmer, Sprachgebrauch, Festsetzung von Geldbußen, neue Technologien. 28 Kommission, 1989, S.l2. 25

26

200

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

triebsrat vorgeschrieben. 29 Im deutschen Recht wird zwischen Betrieb und Unternehmen unterschieden. Weil die Tätigkeit des Betriebsrates auf den Betrieb beschränkt ist, wichtige Entscheidungen jedoch auf Unternehmensebene getroffen werden, ist ein Gesamtbetriebsrat zu bilden, wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen. Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für die Behandlung von übergreifenden Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen. 30 Je zentralistischer ein Unternehmen organisiert ist, desto größer werden die Befugnisse des Gesamtbetriebsrats. Der Gesamtbetriebsrat ist beispielsweise zuständig für: die Festlegung einer unternehmenseinheitlichen Gratifikationsordnung, die Verwaltung einer Sozialeinrichtung für das gesamte Unternehmen, Personalplanungsmaßnahmen, Festsetzung des 65. Lebensjahres als Altersgrenze, Fragen der Arbeitszeit, wenn eine einheitliche Regelung aufgrund der Produktionsbedingungen erforderlich ist, Vereinbarung eines Interessenausgleichs und Aufstellung eines Sozialplans nach Stillegung aller Betriebe des Unternehmens. 31 Während der Gesamtbetriebsrat zwingend vorgeschrieben ist, kann für einen Konzern 32 ein Konzernbetriebsrat aus den (Gesamt-) Betriebsräten gebildet werden. 33 Der Konzernbetriebsrat ist zuständig für Angelegenheiten, die den Konzern insgesamt betreffen. Wenn dies auch nicht allzu oft zutrifft, zählen dazu sicher die Einrichtung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, die sich auf den gesamten Konzern erstrecken, in Ausnahmefällen auch Fragen der Personalpolitik und wirtschaftliche Entscheidungen bei Betriebsänderungen. Der Gesamtbetriebsrat kann eigene Zuständigkeiten auf den Konzernbetriebsrat übertragen. 34 Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß in fast allen Staaten der Gemeinschaft Formen der Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene existieren. Bei den obligatorischen Systemen der Mitbestimmung werden breitere Arbeitnehmerschichten erfaßt als bei den freiwilligen. Die Mitbestimmungssysteme variieren nach den Mechanismen, den Kompetenzen der beteiligten Gremien und der Zahl der erfaßten Arbeitnehmer. Nur in Frankreich, den Niederlanden, der Bundesrepublik und Portugal gibt es übergreifende Gesamt- oder Konzernbetriebsräte, die einen Interessenausgleich zwischen den einzelnen Betrieben ermöglichen können bzw. die mit der entscheidenden Unternehmensebene kommunizieren. Von den Ebenen der Mitbestimmung sind die Mitbestimmungsgegenstände zu trennen. Üblich ist die Unterscheidung in soziale und 29

Figge, Jutta, S.84. Aufbauser, Rudolf et al., S.80. 31 BMA, 1989, S.325. 32 Ein Konzern ist in der Regel die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter der einheitlichen Leitung eines herrschenden Unternehmens. 33 §§ 54ff. Betriebsverfassungsgesetz. 34 BMA, 1989, S.326. 30

III. Die Vredeling-Richtlinie

201

wirtschaftliche Angelegenheiten, die in etwa der betrieblichen Mitbestimmung und der Unternehmensmitbestimmung entspricht. Nur im Falle multinationaler oder komplexer Unternehmen werden auch soziale Angelegenheiten auf Unternehmensebene angesprochen, ohne daß damit eine Leitungsfunktion verbunden sein müßte. 35

111. Die Vredeling-Richtlinie Die Vredeling-Richtlinie zur "Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer von Unternehmen mit komplexer, insbesondere transnationaler Struktur" ist der direkte Vorläufer der hier diskutierten Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte. Die Kommission legte den Vorschlag dem Rat am 01.10.1980 vor. 36 Der Vorschlag gründete sich auf Art.lOO EWGV, da zum Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auf eine Rechtsangleichung hinsichtlich der Anhörungsrechte in multinationalen und komplexen Unternehmen hingewirkt werden sollte. Er versteht sich gleichzeitig als eine Fortführung der Richtlinien zu Massenentlassungen und zur Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei Unternehmensübergängen und steht in Zusammenhang mit dem Vorschlag zur Europäischen Aktiengesellschaft, obwohl in der Vredeling-Richtlinie keine Mitbestimmungsrechte definiert werden. Inhaltlich behandelt der Vorschlag Anhörungsrechte von Arbeitnehmern in Unternehmen mit komplexer oder transnationaler Struktur. Diese Unterscheidung ist insofern von großer Bedeutung, als sowohl die Rechte von Arbeitnehmern in multinationalen Unternehmen (Teil II) als auch die Rechte von Arbeitnehmern in nationalen, aber komplexen Unternehmen (Teil III) geregelt werden.37 In dem Vorschlag wird vorgesehen, daß zunächst die Entscheidungszentralen transnationaler Unternehmen die Pflicht haben, die Leiter oder Leitungsorgane ihrer Tochterunternehmen zu unterrichten, die dann diese Informationen an die Vertreter der Arbeitnehmer ihrer Betriebe weiterleiten. Im Unterschied zu dem neuen Richtlinienentwurf der Europäischen Betriebsräte wird in dem ursprünglichen Vorschlag also zunächst kein neues Gremium gebildet, welches bestimmte Rechte erhält, sondern die alten nationalen Strukturen werden beibehalten. Die Grundidee dieses Vorschlags bestand darin, prinzipiell keine 35 Vgl. Figge, Jutta, 5.99. 36 Abi. C 297 vom 15.11.1980. 37 Da man vermeiden wollte, daß transnationale Unternehmungen unter Umständen strengeren Anforderungen als rein nationale Unternehmen unterworfen wären, mußte die Richtlinie auch auf nationale Unternehmen ausgedehnt werden, vgl. Pipkorn, Jörn, 1985, 5.55; zur Vredeling Richtlinie vgl. DeVos, Ton, Multinational Corporations in Democratic Host Countries. U.5. Multinationals and the Vredeling Proposal, Dartmouth, Aldershot, 1989, Grabitz, Eberhard et al., 1988, Kap. F.

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I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

neuen Vertretungsorgane zu begründen, sondern regulativ auf die Entscheidungszentralen der Unternehmen einzuwirken und die nationalen Strukturen bestehen zu lassen. Gewerkschaften, Unternehmerverbände aber auch WSA und EP übten heftige Kritik an dem Vorschlag der Kommission. Die Kritik bezog sich einmal darauf, daß den nationalen industriellen Beziehungen zu wenig Berücksichtigung geschenkt werde und die nationalen Gepflogenheiten, wie auch das Selbstverständnis der Gewerkschaften, nationale Regelungen günstiger erscheinen lasse. 38 Wirtschaftsverbände und Unternehmen aus Nicht-EG-Staaten opponierten gegen die Verschlechterung der Bedingungen für ausländische Investoren, während die europäischen Unternehmensverbände eine Verschlechterung ihrer Weltmarktposition sahen. Inhaltlich wurde die Ausgestaltung des Informations- und Konsultationsverfahrens kritisiert, weil zum einen die Frage der Vertraulichkeit von Informationen ungenügend geklärt sei, zum zweiten die Richtlinie nicht dazu führen dürfe, daß Mitentscheidungsrechte der Arbeitnehmer begründet würden, und zum dritten die Berücksichtigung nationaler Unternehmungen einen Eingriff in die nationalen industriellen Beziehungen bedeute und sich daher nicht rechtfertigen lasse. Die Durchsetzbarkeil der Richtlinie gegenüber Unternehmen aus Drittstaaten war ein weiterer Punkt, der nicht geklärt war. Die Kommission sah sich aufgrund dieser Diskussionen gezwungen, einen geänderten Vorschlag am 13.7.1983 39 neu im Rat einzubringen, der jedoch ebenfalls starke Kritik auf sich zog. Die Informationsrechte der Arbeitnehmer, vor allem bezüglich vertraulicher Informationen, wurden beschränkt und die (gewerkschaftlichen) Möglichkeiten, Unternehmensentscheidungen hinauszuzögern, eingeschränkt. Die Richtlinie sollte keine Mitentscheidungsrechte definieren. Tendenzunternehmen wurden auf Wunsch des Parlaments vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen. Damit wurden wesentliche Kritikpunkte des ersten Vorschlags beseitigt.40 Als Extrempositionen vertrat die britische Regierung dennoch die Auffassung, daß Beziehungen zwischen den Sozialpartnern auf freiwilliger Basis und nicht durch gesetzliche Normierungen geregelt werden dürften, während die Bundesrepublik ihrerseits zu bedenken gab, daß ihr Mitbestimmungsrecht einer substantiellen Mitwirkung der Arbeitnehmer durch den Vorschlag gefährdet sei. Zuletzt war Großbritannien aber der einzige Mitgliedstaat, der 1983 im Ministerrat den Entwurf völlig ablehnte. Die Bundesrepublik, Dänemark und Kolvenbach, Walter, S.93. Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, Kommission, Bulletin der EG, Beilage 2/83. 40 Vgl. Pipkom, Jöm, 1985, S.57. 38

39

IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat

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Belgien äußerten sich eher besorgt, daß durch den Vorschlag ihre weitergehenden Bestimmungen beeinträchtigt würden, die Niederlande äußerte sich mit Vorbehalten eher zustimmend, Griechenland, Italien und Frankreich traten für die Annahme des Vorschlags ein und Irland konnte sich noch nicht abschließend festlegen. 41 Aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses im Rat wurde der Vorschlag der Kommission jedoch zurückgewiesen und erst 1990 durch den EBR-Vorschlag ersetzt.

IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat Im Anschluß an die Vredeling-Richtlinie wurde 1990 von der Kommission ein Vorschlag über die "Einsetzung Europäischer Betriebsräte zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen" dem Rat vorgelegt. Dieser Vorschlag wurde 1991 geändert, und nachdem dann immer noch keine Einigung im Rat erzielt werden konnte, von der Kommission - nach der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages unter dem neuen Sozialprotokoll - den europäischen Sozialpartnern zur Beratung vorgelegt. Die beteiligten Sozialpartner konnten sich 1994 nicht auf eine gemeinsame Vorlage einigen, so daß die Kommission den - wenig veränderten Vorschlag - im April 1994 erneut dem Ministerrat zugeleitet hat. Damit galt gemäß Art.2 des Abkommens über die Sozialpolitik die qualifizierte MehrheitsregeL Ohne Großbritannien konnte der Vorschlag sehr schnell einer Einigung zugeführt werden, obwohl zuvor die Ansicht vertreten wurde, daß auch ohne die Briten weiterhin große Probleme bei der Verabschiedung der Richtlinie auftreten würden, da auch andere Staaten noch Vorbehalte hatten.42 Unter der erleichterten Entscheidungsregel konnten sich diese Staaten jedoch nicht durchsetzen. Aus diesem Grund sollen hier einmal im Detail der Richtlinienvorschlag und die Hauptstreitpunkte des Vorschlags zum EBR herausgearbeitet werden. Der EBR verfolgt ein grundsätzlich anderes Konzept als die früheren Vorschläge zur Unterrichtung und Anhörung, da mit ihm prinzipiell ein Arbeitnehmervertretungsorgan auf höherer Ebene eingeführt wird, während zuvor die existierenden Strukturen dazu genutzt werden sollten, die internationale betriebliche Vertretung zu gewährleisten.

Kolvenbach, Walter, S.93f. Diese Ansicht vertritt z.B. Streeck, der bezweifelt, daß der Vorschlag Realisierungschancen hat. Vgl. Streeck, Wolfgang, European Social Policy after Maastricht: The 'Social Dialog' and 'Subsidiarity', Economic and lndustrial Democracy, Vol.l5, 1994, S.l51-177. 41

42

204

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

1. Kommissionsvorschlag Europäische Betriebsräte: Verhandlungsverlauf Tabelle 26 Verhandlungsverlauf der EBR - Richtlinie

Daten 12.12.1990 31.03.1991 25.06.1991 10.07.1991 29.09.1991 03.12.1991 30.04. + 25.06.1992 03.12.1992 06.04. + 01.06.1993 12.10.1993

Ol.ll.l993 18.1l.l993

30.03.1994 19.04.1994 27.04.1994 04.05.1994 03.06.1994 22.06.1994 18.07.1994 15.09.1994 20.09.1994 22.09.1994

Verhandlungsstadien Kommissionsvorschlag Stellungnahme des WSA EP - Ausschußbericht EP - Stellungnahme (Konsultation) Geänderter Kommissionsvorschlag Ratsverhandlung unter niederländischer Präsidentschaft keine Behandlung im Rat unter portugiesischer Präsidentschaft keine Behandlung im Rat unter britischer Präsidentschaft Verhandlungen im Rat unter dänischer Präsidentschaft Verhandlung im Rat unter belgiseher Präsidentschaft führt zu weitgehender Übereinstimmung, scheitert aber am Veto Großbritanniens Ratifizierung des Vertrages zur Europäischen Union Kommission legt Art.2 des Sozialprotokolls zugrunde und übermittelt gemäß Art.3, 4 ein Konsultationsdokument an die Sozialpartner. Diese haben 6 Wochen Zeit, um zu der Ausrichtung einer Gemeinschaftsaktion Stellung zu nehmen Die Sozialpartner kommen zu keiner Einigung Behandlung des neuen Vorschlags der Kommission im Rat unter griechischer Präsidentschaft. Kommission legt dem Rat offiziell einen neuen Vorschlag vor. I. Lesung des EP Geänderter Vorschlag der Kommission Behandlung im Rat unter griechischer Präsidentschaft Gemeinsamer Standpunkt des Rates unter deutscher Präsidentschaft 2. Lesung des EP Überprüfter Vorschlag der Kommission Verabschiedung der Richtlinie unter deutscher Präsidentschaft

Der Richtlinienvorschlag der Kommission wurde zuerst am 12.12.1990 dem Rat übermittelt. Der Vorschlag gründet sich auf Art.100 EGV und wird folglich einstimmig im Konsultationsverfahren behandelt. Die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments wurde am 10.07.1991 verabschiedet und ein geänderter Kommissionsvorschlag am 20.09.1991 dem Rat zugeleitet. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß hat seine Stellungnahme am 31.03.1991 mit 93 Ja-Stimmen, 63 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen verabschiedet.43 Nachdem im Ministerrat keine Einigung über den Entwurf erzielt 43 Es ist davon auszugehen, daß vor allem die Arbeitgebervertreter im WSA gegen den Vorschlag gestimmt haben.

IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat

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werden konnte, wurde von der Kommission am l. November 1993 das neue Konsultationsverfahren zwischen den Sozialpartnern eingeleitet, das in Art.3 Abs.2,3 des Sozialprotokolls des Vertrages zur Europäischen Union vorgeschrieben wird. Danach hatten die europäischen Sozialpartner die Möglichkeit, gemeinsam eine Stellungnahme bezüglich der Europäischen Betriebsräte zu erarbeiten, die erst einmal nur die grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft zwischen den Sozialpartnern beinhaltet. Daraufhin können die Sozialpartner innerhalb eines Zeitraumes von 9 Monaten "das Kind austragen", ehe die Kommission ihr Vorschlagsrecht gegenüber dem Rat wahrnimmt. Da die Sozialpartner keine Einigung erzielen konnten, hat die Kommission dem Rat im April 1994 einen geänderten Vorschlag vorgelegt. An dieser Richtlinie ist vor allem der zeitliche Ablauf erstaunlich, betrug doch der Zeitraum zwischen dem ersten Kommissionsvorschlag vom Dezember 1990 und der endgültigen Verabschiedung im September 1994 nur ca. 4 Jahre, obwohl zuvor die Vredeling-Richtlinie in 10 Jahren keine Einigung fand. Zudem haben sowohl die portugiesische als auch die britische Präsidentschaft den Vorschlag nicht behandelt, was wohl vor allem aus ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Richtlinie zu erklären ist, so daß die Richtlinie im Prinzip in nur 3 Jahren verabschiedete worden ist. Vor allem in der Endphase lagen zwischen der 2. Lesung des EP und der Verabschiedung im Rat nur 7 Tage. Dies zeigt den Stellenwert, den vor allem die Bundesrepublik der Verabschiedung der Richtlinie zugemessen hat, da sie die Richtlinie ihrer Präsidentschaft zurechnen wollte. Ohne die Unterstützung der übrigen Mitgliedstaaten wäre dieses allerdings nicht möglich gewesen.

2. Der erste Kommissionsvorschlag

In ihrer Begründung führt die Kommission weitgehend ähnliche Erwägungen an wie bereits bei der Vredeling-Richtlinie. Art.17 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte fordert die Weiterentwicklung der "Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in geeigneter Weise, unter Berücksichtigung der in den verschiedenen Mitgliedstaaten herrschenden Gepflogenheiten. Dies gilt insbesondere für Unternehmen und Unternehmenszusammenschlüsse mit Betriebsstätten bzw. Unternehmen in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft". Durch den Binnenmarkt und die zunehmende internationale Verflechtung von Unternehmen wird eine Veränderung der Unternehmensstrukturen erwartet, die stärker transnationalen Charakter hat. Aus diesem Grund müssen auch die Vertretungsstrukturen der Arbeitnehmer an diese Situation angepaßt werden, um zu verhindern, daß Ungleichbehandlungen zwischen Arbeitnehmern eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe

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I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

mit verschiedenen Niederlassungen in den Mitgliedstaaten der EU auftreten. Die Erwägungen der Kommission verweisen zudem auf die Massenentlassungsrichtlinie und die Richtlinie zur Wahrung der Ansprüche beim Übergang von Unternehmen, die ebenfalls die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertreter vorsehen. Beide Richtlinien beschränken sich jedoch auf Situationen, in denen die Entscheidungszentrale eines Unternehmens innerhalb· des gleichen Mitgliedstaates liegt. Der Vorschlag der Kommission ist darauf ausgerichtet, "sicherzustellen, daß die Beschäftigten gemeinschaftsweit operierender Unternehmen oder Unternehmensgruppen immer dann, wenn Entscheidungen, die sich voraussichtlich auf sie auswirken, außerhalb des Mitgliedstaates ergehen, in dem sie beschäftigt sind, in angemessener Weise unterrichtet und konsultiert werden". Dazu muß grundsätzlich ein Europäischer Betriebsrat eingesetzt werden, unabhängig davon, ob sich die Entscheidungszentrale des "herrschenden Unternehmens" innerhalb oder außerhalb der EU befindet. Art, Zusammensetzung, Zuständigkeiten, Arbeitsweise, Verfahren und finanzielle Ressourcen des EBR werden von den Sozialpartnern durch Vereinbarung festgelegt. Kommt eine solche nicht zustande, so gelangen bestimmte Mindestvorschriften zur Anwendung. Wenn sich die Arbeitnehmervertreter einstimmig gegen die Einsetzung eines EBR aussprechen, so können alternative Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung durch die Sozialpartner beschlossen werden, die ebenfalls gewisse Grundvoraussetzungen erfüllen müssen. Der EBR wird einmal jährlich von dem Unternehmen oder dem herrschenden Unternehmen über alle relevanten Daten unterrichtet, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren können. Trifft ein Unternehmen Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, so ist der EBR rechtzeitig zu informieren und um seine Stellungnahme zu ersuchen. Insgesamt unterscheiden sich die Erwägungsgründe nicht wesentlich von denen zur Vredeling-Richtlinie. Der Entwicklung transnationaler Unternehmen soll eine adäquate Struktur der Arbeitnehmervertretung gegenüber gestellt werden, die in der Lage ist, Informations- und Anhörungsrechte der Arbeitnehmer zu sichern. Im Unterschied zum ursprünglichen Vorschlag wird nunmehr die Einsetzung eines EBR für Unternehmen oder Unternehmensgruppen, die bestimmten Kriterien genügen, grundsätzlich vorgeschrieben. Damit ist der neue Vorschlag zentralistischer als der alte, der zunächst nur die Information der bestehenden Vertretungen regulativ absichern wollte. Hingegen soll durch den EBR jetzt ein Gremium internationaler Art eingesetzt werden, welches zuvor nur optional möglich war. Zu den Artikeln im einzelnen: Der Richtlinienvorschlag gliedert sich in fünf Teile und einen Anhang. Teil I definiert die allgemeinen Bestimmungen, Teil II die EBR-Vereinbarung, Teil III den Fall der fehlenden Vereinbarung, Teil IV

IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat

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regelt sonstige Bestimmungen und Teil V die Schlußvorschriften. Im Anhang werden die Mindestvorschriften für den EBR aufgeführt. Art.2 definiert die Begriffe: Als "Gemeinschaftsweit operierendes Unternehmen (Unternehmensgruppe)" gelten Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten innerhalb der Gemeinschaft und mindestens zwei Betrieben (Unternehmen) in verschiedenen Mitgliedstaaten mit ihrerseits jeweils mindestens 100 Beschäftigten. Eine Unternehmensgruppe bedeutet eine Gruppe bestehend aus einem herrschenden Unternehmen und von diesem kontrollierten Unternehmen (Art.2c). Zu den Arbeitnehmervertretern zählen im ersten Vorschlag alle Vertreter der Arbeitnehmer nach den üblichen Praktiken, die nicht den Leitungs- oder Verwaltungsorganen des Unternehmens angehören. Dieser Passus wurde im geänderten Vorschlag nicht mehr aufgeführt. Die Definition eines herrschenden Unternehmens wird in Art.3 bereitgestellt. Danach gilt als herrschendes Unternehmen eines, welches a) über die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder der Gesellschafter eines anderen Unternehmens (kontrolliertes Unternehmen) verfügt; oder b) berechtigt ist, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsiehtsorgans zu ernennen oder abzuberufen und gleichzeitig Aktionär oder Gesellschafter dieses Unternehmens ist; oder c) berechtigt ist, auf ein Unternehmen, dessen Aktionär oder Gesellschafter er ist, einen beherrschen Einfluß aufgrund eines mit diesem Unternehmen geschlossenen Vertrages oder aufgrund einer Satzungsbestimmung dieses Unternehmens auszuüben,... ; oder d) Aktionär oder Gesellschafter eines Unternehmens ist und über die Stimmenmehrheit in den entsprechenden Organen verfügt. In Art.4 wird die Pflicht für gemeinschaftsweit operierende Unternehmen oder Unternehmensgruppen festgelegt, einen EBR einzusetzen. Diese Pflicht obliegt der zentralen Leitung dieser Unternehmen (-sgruppen). Es werden gleichfalls Regeln für multinationale Unternehmen aufgestellt, deren Sitz außerhalb des Territoriums der EG liegt. In diesem Falle repräsentiert die Zweigstelle mit dem höchsten Arbeitnehmeranteil innerhalb der EG das Unternehmen. Es ist gängige internationale Praxis, Zwang auf multinationale Unternehmen auszuüben, indem man die Zweigstellen mit Forderungen angeht.44 Die Art.5 und 6 regeln die EBR-Vereinbarung. Die Leitung des (herrschenden) Unternehmens und ein besonderes Verhandlungsgremium legen die Satzung des EBR fest. Das besondere Verhandlungsgremium besteht aus einem Arbeitnehmervertreter der Betriebe (Unternehmen) des Unternehmens eines jeden Mitgliedstaates, in dem dieses ansässig ist, sowie fünf weiteren Vertretern, die proportional zu der Beschäftigtenanzahl in den Niederlassungen bestellt werden. Die Wahlmodalitäten für das Verhandlungsgremium folgen nationalen Regeln, die Kosten der Verhandlungen zwischen Unternehmensleitung und 44

Vgl. Pipkorn, Jörn, 1986.

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I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

Verhandlungsgremium zur Einsetzung eines EBR trägt das Unternehmen. Das Verhandlungsgremium kann einstimmig beschließen, vom Antrag auf Einsetzung eines EBR abzusehen. Die Unternehmensleitung und das Verhandlungsgremium legen folgende Inhalte für den EBR fest: a) Art, Zusammensetzung des EBR, Anzahl der Mitglieder, Sitzverteilung und Verfahren der Bestellung der Mitglieder durch Ernennung oder Wahl sowie Dauer ihres Mandats; b) Aufgaben und Befugnisse des EBR; c) Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung des EBR; d) Ort, Häufigkeit und Dauer der Zusammenkünfte des EBR; e) dem EBR bereitzustellende finanzielle und materielle Hilfsquellen. Wird von der Einsetzung eines EBR abgesehen, so müssen bestimmte Mindestvorschriften bezüglich Unterrichtung und Anhörung, die im Anhang definiert sind, sichergestellt werden. Dies gilt auch für den Fall, daß keine Vereinbarung zwischen Unternehmensleitung und Verhandlungsgremium zustande kommt oder ein gemeinsamer Beschluß zur Anwendung von Mindestvorschriften gefaßt wird. Die Mindestvorschriften richten sich nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaates, in dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (Art.7). In Art.8 werden sonstige Bestimmungen festgelegt, die den Umgang mit vertraulichen Informationen regeln. Dies ist ein sehr sensitiver und wichtiger Punkt, da hier die Qualität der Informationspflicht des Unternehmens bestimmt wird. In Art.9 werden Schutzbestimmungen für die Arbeitnehmervertreter definiert, die in dem EBR vertreten sind. Diesen dürfen keine Nachteile aus ihrer Tätigkeit erwachsen. Teil V, Schlußvorschriften, regelt in den Art.l0-12 die Durchführung der Richtlinie und das Anwendungsgebiet Insbesondere sollen bestehende Anhörungs- und Unterrichtungsrechte unberührt bleiben, die Richtlinien 75/129/ EWG und 77/187/EWG nicht angetastet werden und günstigere Vorschriften erlaubt sein. Für die Umsetzung der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verantwortlich. In dem Anhang der Richtlinie werden die Mindestvorschriften festgelegt, die zur Anwendung kommen sollen, wenn eine Vereinbarung über einen EBR nicht zustande kommt. Die Mindestvorschriften nehmen Bezug auf die Gegenstandsbereiche, die in Art.6 beschrieben werden. Dort werden die Zuständigkeiten, die Zusammensetzung, die Häufigkeit des Zusammentretens (mindestens einmal jährlich) und die Informationspflicht des Unternehmens gegenüber dem EBR geregelt. Sofern Unternehmensentscheidungen schwerwiegende Folgen für die Belange der Arbeitnehmer des Unternehmens haben können, besteht ein Informations- und Konsultationsrecht des EBR. Dazu kann der EBR einmal eine Sondersitzung einberufen. Die endgültige Entscheidung liegt auf jeden Fall beim Unternehmen. Der EBR hat wiederum die Pflicht, die Arbeitnehmer auf Betriebsebene zu informieren. Die Kosten für den EBR trägt das Unter-

IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat

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nehmen. Die Mindestvorschriften bedeuten gleichzeitig, daß in jedem Fall ein EBR eingesetzt wird, auch wenn es zu keiner Vereinbarung zwischen Unternehmensleitung und Verhandlungsgremium kommt (Art.7). Was geschieht, wenn das Verhandlungsgremium auf die Einsetzung eines EBR verzichtet, ist noch nicht klar: erstens gilt es zu klären, ob diese Option erlaubt werden soll, und zweitens, wenn es möglich wäre, mit welcher Entscheidungsregel das Verhandlungsgremium darüber abzustimmen hätte.4s

3. Die Stellungnahme des WSA

Der Wirtschafts- und Sozialausschuß begrüßt den erneuten Vorschlag der Kommission zur Einrichtung Europäischer Betriebsräte und verweist dabei auf seine Initiativstellungnahme vom 18.10.198946 , obwohl ein Drittel der Ausschußmitglieder gegen die Stellungnahme gestimmt haben. Angesichts der Zunahme grenzüberschreitender Großunternehmen in denachtzigerJahrenwird die Richtlinie als besonders dringlich angesehen (Ziffer 1.3). So ist die Zahl gemeinschaftlicher Zusammenschlüsse zwischen 1983/84 und 1988/89 unter den 1000 größten Industrieunternehmen von nur 29 auf 197 gestiegen.47 Die Konzeption des Kommissionsvorschlags und die Einführung von Mindestvorschriften wird grundsätzlich unterstützt. Allerdings sollte der Europäische Betriebsrat die Kompetenzen der nationalen Arbeitnehmervertretungsstrukturen - ganz im Sinne des Subsidiaritätsprinzips - in keiner Weise einschränken (Ziffer 1.6). Bezogen auf die einzelnen Artikel des Kommissionsvorschlags schlägt der WSA eine Erweiterung der Information und Konsultation um die Mitwirkung der Arbeitnehmer vor, die auch in der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte in Art.l7 angestrebt wird. Kritisch wird die Definition des gemeinschaftsweiten Unternehmens und der gemeinschaftsweiten Unternehmensgruppe angesehen, da der Vorschlag von I 000 Arbeitnehmern in mindestens zwei Mitgliedstaaten sowie 100 Beschäftigten in einem Mitgliedstaat als zu rigide angesehen wird, da beispielsweise der Bedarf in einem Unternehmen, welches jeweils 100 Beschäftigte in 9 Mitgliedstaaten hat als höher eingeschätzt wird. Der WSA übernimmt somit Vorstellungen der Gewerkschaften, die die Definitionsschwellen senken möchten.48 Zudem sollen Arbeitnehmer4s In der Diskussion sind die Einstimmigkeit, eine 75%-Regel oder die 213Mehrheit. 46 Abi. C 329 vom 30.12.1989. 47 Neunzehnter Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik. 48 Vgl. Stellungnahme des DGB sowie des EGB, in: Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Europäische Betriebsräte, 4.Aufl., 1993, S.25ff, 28f.; Eine ausführliche Darstellung der

14 SchDorpfeil

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I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

vertreter, die in Leitungsorganen eines Unternehmens tätig sind, auch die Möglichkeit haben, im EBR vertreten zu sein. Ein flexibler Verhandlungsansatz zur Gestaltung eines EBR nach den Gegebenheiten eines Unternehmens wird vom WSA ausdrücklich unterstützt, wobei nach der Auffassung des Ausschusses die Beschäftigten eines Mitgliedstaates und nicht die eines Unternehmens berücksichtigt werden sollten. Auch dies bedeutet eine Flexibilisierung der Beschäftigtenschwelle. Im Großen und Ganzen vertritt der WSA daher eine sehr gewerkschaftsnahe Position, die darauf ausgerichtet ist, die Arbeitnehmerrechte zu stärken.

4. Die 1. Lesung des Europäischen Parlaments

Der Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt zum Vorschlag der Kommission wurde am 25. Juni 1991 vorgelegt. Der Entwurf einer legislativen Entschließung des Ausschusses wurde mit 15 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Die Ausschußmitglieder unterstützten die Änderungsvorschläge des Berichts demnach weitgehend einhellig. Die Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik hingegen fand nicht die Zustimmung aller Ausschußmitglieder, da 15 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen zu verzeichnen waren. Die Spezialisierung der Abgeordneten auf bestimmte Ausschüsse läßt folglich auch auf unterschiedliche Präferenzen der Beteiligten schließen. Die Hauptpunkte des Parlaments gegenüber dem Kommissionsvorschlag, die als Kompromiß zwischen der Sozialistischen und der Christdemokratischen Fraktion im Sozialausschuß ausgehandelt worden sind, werden vom Berichterstatter Herrn Menrad im Plenum erläutert. Dabei geht es vor allem um die Senkung der Definitionsschwelle von 1000 auf 500 Beschäftigte in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen sowie mindestens 100 Arbeitnehmern in einem Mitgliedstaat und nicht in einem Betrieb oder Unternehmen eines Mitgliedstaates. Weiterhin möchte das EP die Mitwirkung der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Unternehmens oder Unternehmensgruppe festschreiben. Dies wird verbunden mit einem Konsultationsverfahren, bei dem der EBR die Möglichkeit haben soll, rechtzeitig mindestens 30 Tage vor dem Ergehen eines endgültigen Beschlusses - eine Stellungnahme abzugeben und in Gesprächen mit der Unternehmensleitung unterschiedlichen Positionen und Erfahrungen mit Europäischen Betriebsräten bietet Deppe, Joachim (Hrsg,), Euro Betriebsräte, Internationale Mitbestimmung - Konsequenzen für Unternehmen und Gewerkschaften; Gabler, Wiesbaden, 1992; Van Rens, P.J.G.M., Dutch Trade Union Federation (FNV) and the EU Works Council, in Pedler, R.H. und Van Schendelen, M.P.C.M., 1994, S.283-302.

IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat

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eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Dies bei Vorschlägen, die schwerwiegende Folgen für die Arbeitnehmer haben können. Damit geht das EP wesentlich über die Mindestvorschriften des Kommissionsvorschlags hinaus, der lediglich ein jährliches Treffen vorsieht. Ein weiterer Punkt des EP stellt die Rechtsgrundlage dar. Das Parlament fordert hier den Art.118a, der das Kooperationsverfahren vorschreibt, und steht damit im Einklang mit den Bewertungen des Rechtsausschusses, der bereits zu der Vredeling-Richtlinie den Bezug auf Art.l18a unterstützt hat. Im Detail fallen weitere Änderungen auf, die große Unterschiede zum Kommissionsvorschlag bedeuten. So fordert das EP die geheime Wahl der Arbeitnehmervertreter in das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) und den EBR. Der Kommissionsvorschlag sieht hier die Ernennung von Arbeitnehmervertretern nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vor, und möchte daher nicht in die bestehenden Regelungsverfahren in den Mitgliedstaaten eingreifen. Der Vorschlag des Parlaments würde hingegen die Einführung von Wahlverfahren für die betroffenen Unternehmen vorschreiben. Des weiteren will das EP ein Schlichtungs- oder Konzertierungsverfahren einrichten, um Konflikte zwischen den Arbeitnehmervertretern und der Unternehmensleitung zu lösen. Während des Verfahrens sollen eventuelle Entscheidungen ausgesetzt werden können. Der EBR soll sich mindestens viermal jährlich treffen oder zumindest schriftlich unterrichtet werden und zudem die Möglichkeit haben, Sondersitzungen mit 2/3-Mehrheit einzuberufen. Die Vertraulichkeit der Information, die einen sehr heiklen Punkt der Richtlinie darstellt, soll nach Auffassung der Parlamentarier als "angemessenes Stillschweigen" definiert werden, was eine wesentlich weichere Formulierung bedeutet als sie der Kommissionsvorschlag vorsieht. Insgesamt gehen die Änderungsanträge des EP damit weit über den Kommissionsvorschlag hinaus, da sie die Rechte der Arbeitnehmer wesentlich stärken. Die Fraktionen ED und DR des EP können sich mit dem Bericht des Ausschusses nicht identifizieren. Während beide Fraktionen den ursprünglichen Vorschlag der Kommission unterstützt hätten, wollen sie die Änderungen des Parlaments nicht mittragen. Die ED-Fraktion will jedoch zumindest nicht gegen den Vorschlag stimmen, sondern sich enthalten, während die rechte Fraktion eine negative Haltung einzunehmen gedenkt. Den eher links orientierten Fraktionen gehen die Änderungsvorschläge des Ausschusses nicht weit genug. Sie fordern vor allem eine weitere Senkung der Beschäftigtenschwellen.

a) Die Abstimmungen im Plenum Im Plenum wurden seitens der Sozialistischen Fraktion 6 namentliche Abstimmungen gefordert, die Fraktion der Grünen brachte einen Vorschlag zur

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I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

namentlichen Abstimmung, während über den gesamten Entschließungsantrag auf Antrag der ED-Fraktion namentlich abgestimmt werden mußte. Dadurch wurden 50 von 58 Änderungsanträgen mittels namentlicher Abstimmung entschieden. Sowohl die namentlichen Abstimmungen, die von der Sozialistischen Fraktion beantragt wurden als auch die Abstimmung über den Entschließungsantrag wurden mit deutlicher Mehrheit angenommen. Der von der Fraktion der Grünen eingebrachte Änderungsantrag wurde hingegen fast geschlossen abgelehnt. Anband der prozentualen Verteilung der Stimmen der Fraktionen in bezug auf die Änderungsanträge zeigt sich eine weitgehende Geschlossenheit der Fraktionen. Nur die Fraktionen der Rechten stimmten gegen die Änderungen des EP oder enthielten sich der Stimme. Insgesamt ist eine linksrechts Verteilung festzustellen, wobei die linken Fraktionen Verbesserungen des Vorschlags forderten und die rechten Fraktionen die Änderungen des Parlaments schwächen wollten.

75% r:aNein IIIJa 8 Enthaltun~

50% 25%

AC D E G L N P R S V

R G R D U D I P D

C

E R

E E

Fraktion

Abbildung 16: Abstimmung über den gesamten Entschließungsantrag Die große Koalition zwischen den gemäßigten Fraktionen der Sozialisten und der Christdemokraten haben jedoch den Ausgang der Abstimmung bestimmt, so daß der Kompromiß der im Ausschuß verhandelt worden ist, im Plenum angenommen werden konnte. Nicht einmal die Fraktion der Europäischen Demokraten, die die konservativen britischen Abgeordneten vereint, hat gegen die Richtlinie und gegen die Änderungen des EP gestimmt. Damit haben sich die britischen europäischen Abgeordneten gegen die Position ihrer Regierung zu dem Vorschlag der Kommission entschieden. Eine Koordination der nationalen Regierungen mit den Abgeordneten des EP kann folglich für diesen Fall ausgeschlossen werden. Dies mag allerdings auch damit zusammenhängen, daß dem EP im Verfahren der Konsultation wenig Einfluß zugemessen wird, so

IV. Der Richtlinienvorschlag zum Europäischen Betriebsrat

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daß auch das Abstimmungsverhalten der europäischen Abgeordneten keine große Relevanz für die Entscheidung im Rat hat. Obwohl die Kommission dem Parlament mitgeteilt hatte, nur einige der vorgeschlagenen Änderungen übernehmen zu können oder zu wollen, hat das EP dem gesamten Entschließungsantrag zugestimmt. Eine andere Strategie hätte darin bestanden, den Bericht an den Ausschuß zurück zu überweisen, um das Verfahren zu verzögern, und zu versuchen seine Forderungen gegenüber der Kommission durchzusetzen. Die europäischen Abgeordneten haben sich jedoch anders entschieden, einerseits um die Richtlinie, die im Prinzip befürwortet wird, nicht weiter aufzuhalten und sicher auch in dem Bewußtsein, daß das EP im Konsultationsverfahren letztlich keine Möglichkeit hat, seine Positionen durchzusetzen.

5. Der geänderte Kommissionsvorschlag vom 20. September 1991

Die Kommission war nicht bereit, die zugrunde gelegte Rechtsgrundlage zu verändern, da der Vorschlag sich nicht auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bezieht. Es wurde ebenfalls abgelehnt, die Definitionsschwelle von 1000 Arbeitnehmern auf 500 zu senken. Allerdings hat die Kommission einige wichtige Positionen des EP in ihren neuen Vorschlag übernommen. Dazu zählt zum einen, daß neben der Unterrichtung und Anhörung nun auch die Mitwirkung der Arbeitnehmer aufgezählt wird. Des weiteren wird die Schwelle insofern angepaßt, als nunmehr 100 Beschäftigte je Mitgliedstaat und nicht je Betrieb oder Unternehmen die Richtlinie zur Anwendung kommen lassen soll. Arbeitnehmervertreter in Leitungsorganen eines Unternehmens sollen ebenfalls die Chance haben, in den EBR gewählt zu werden. Zudem legt die Kommission ausdrücklich fest, daß die Arbeitnehmervertreter in das BVG gewählt werden müssen. Eine Ernennung, wie zuvor, ist nicht mehr vorgesehen. Bezüglich der Geheimhaltung von Informationen und der Vertraulichkeit mitgeteilter Information bleibt die Kommission bei ihrem ursprünglichen Standpunkt und legt nur zusätzlich fest, daß ein Unternehmen Informationen nur dann berechtigt ist nicht preiszugeben, wenn deren Offenlegung nach objektiven Kriterien die Interessen des betroffenen Unternehmens beeinträchtigen würde. Ein Schieds-, Schlichtungs- oder Konzertierungsverfahren wird nicht vorgesehen. Da die Kommission keine Verfahren vorsieht, die die Mitwirkung der Arbeitnehmer betreffen, sondern ausschließlich Informations- und Konsultationsrechte definiert, muß davon ausgegangen werden, daß die Kommission den Einbezug der Mitwirkungsrechte in die Erwägungen des geänderten Vorschlags selbst nicht intensiv angestrebt hat, sondern nur deren Möglichkeit ansprechen wollte. Der EBR soll nach den Vorstellungen der

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Kommission einmal jährlich zusammentreten und zudem rechtzeitig in den Fällen konsultiert werden, die schwerwiegende Folgen für die Belange der Arbeitnehmer haben können. Die endgültige Entscheidung liegt weiterhin ausschließlich bei der Unternehmensführung und kann nicht durch den EBR ausgesetzt werden. Somit hat die Kommission einige der Standpunkte des Europäischen Parlaments übernommen, ohne jedoch von der Grundkonzeption ihres Vorschlags abzuweichen. Eine wesentliche Änderung bedeutet die Forderung nach einer Wahl der Vertreter zum BVG und zum EBR. Dies greift unmittelbar in die einzelstaatlichen Gepflogenheiten einiger Mitgliedstaaten ein. Die Aufnahme des Begriffs der Mitwirkung der Arbeitnehmer muß als Option angesehen werden, die jedoch den Verhandlungspartnern im BVG ohnehin gegeben war.

6. Die Hauptverhandlungspunkte im Ministerrat

Zwischen Dezember 1991 und Oktober 1993 wurden in den Ratsverhandlungen die Hauptpunkte der Richtlinie thematisiert, die die grundlegenden Definitionen betrafen und somit auf den Geltungsbereich der Richtlinie abstellten. Dies gilt sowohl für die Definition der gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen als auch der Definition des herrschenden Unternehmens. Zudem wurde versucht einen flexiblen Rahmen zu schaffen, der die Aushandlung einer Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern begünstigt, indem einerseits die Abstimmungsregel im BVG nicht mehr die Einstimmigkeit erfordern sollte, und andererseits die Möglichkeit eröffnet wurde, mit Zustimmung des BVG ganz von der Einrichtung eines EBR abzusehen. Zudem wurde der Zeitraum, innerhalb dessen die Verhandlungspartner einen Abschluß erreichen müssen, von einem Jahr auf drei Jahre verlängert. Die Behandlung vertraulicher Informationen und die Möglichkeit der Geheimhaltung von Informationen stellte einen weiteren Konfliktpunkt dar. Es ging einerseits um den Schutz von Betriebsgeheimnissen und andererseits um eine relevante Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter im EBR. Hier die richtige Balance zu finden, bedeutete einen zentralen Punkt der Verhandlungen. Eine Ausnahmeforderung für die kommerzielle Seeschiffahrt wurde seitens der griechischen und der dänischen Delegation eingebracht. Da dieser Sektor einen bedeutenden Teil der griechischen Industrie ausmacht, hat Griechenland es bislang immer verstanden, seine Zustimmung zu einzelnen Richtlinien von der Gewährung dieser Ausnahme abhängig zu machen.

V. Einrichtung eines Europäischen Ausschusses

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Insgesamt konnte jedoch kein Konsens in der Frage des EBR erzielt werden. Dieses war von vornherein klar, da das Vereinigte Königreich grundsätzlich gegen den Vorschlag eingestellt war und auf keinen Fall zustimmen wollte. Die Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten wäre daher ebenso am Veto Großbritanniens gescheitert wie zuvor die Vredeling-Richtlinie, wenn nicht mit der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages das neue Verfahren unter dem Sozialprotokoll hätte eingeleitet werden können. Man kann an der Arbeit des Rates dennoch ersehen, daß die Mitgliedstaaten den Entwurf weitgehend akzeptiert hatten und soweit vorstrukturieren wollten, daß den Sozialpartnern nicht mehr allzu viele Handlungs- und Änderungsmöglichkeiten verblieben, da auch die Sozialpartner sich bewußt sind, daß der Rat die letzte Entscheidung über die Richtlinie treffen würde.

V. Einrichtung eines Europäischen Ausschusses Am 1.11.1993 begann mit der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages ein neues Kapitel in der Entwicklung der Europäischen Sozialpolitik. Da die Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte am Veto Großbritanniens scheiterte, entschloß sich die Kommission am 8. Februar 1994, gemäß Art.3 Abs.3 des Abkommens über die Sozialpolitik, die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene zum Inhalt des in Aussicht genommenen Vorschlags und zur Rechtsgrundlage, auf die sich der Vorschlag stützen könnte, anzuhören. Die Sozialpartner haben der Kommission zum Ende der gesetzten Frist (30. März 1994) ihre Stellungnahme mitgeteilt, die beinhaltete, daß es ihnen nicht gelungen ist, zu einer Einigung über die Einleitung des Verfahrens gemäß Art.4 des Abkommens über die Sozialpolitik zu gelangen. Die Kommission hat insgesamt 24 Europäische Verbände angehört. Darunter waren sowohl Stimmen zu hören, die eine Einrichtung Europäischer Betriebsräte gänzlich ablehnten als auch solche, die eine gesetzliche Einführung gegenüber der freien Aushandlung bevorzugten. Vor allem der EGB sah in den Verhandlungen mit der UNICE und dem CEEP keine Möglichkeit, weiterreichende Bestimmungen durchzusetzen als sie der Kompromißtext des Rates bereits vorgesehen hatte. Der Text der dänischen Präsidentschaft, der den Konsens der meisten Mitgliedstaaten gefunden hatte, wurde als Maßstab genommen, an dem sich die Verhandlungen orientierten. Da die Arbeitgeber allgemein flexiblere Regelungen anstrebten als der letzte Verhandlungstext vorsah49, konnte der EGB die Verhandlungen auf europäischer Ebene scheitern lassen.

49 So wurden von den Arbeitgebern vor allem eine Erhöhung der Beschäftigungschwellen gefordert. Zudem sollten die Mindestvorschriften günstiger gestaltet werden,

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I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

Der neue Vorschlag der Kornmission einer "Richtlinie des Rates über die Einrichtung eines Europäischen Ausschusses oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen" bezieht sich nur auf die 11 Mitgliedstaaten, die dem Abkommen über die Sozialpolitik beigetreten sind. Unternehmen mit Sitz in Großbritannien fallen dann unter den Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn sie den Bestimmungen entsprechen, die für Multinationale Unternehmungen gelten. Der Kornmissionsvorschlag unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten vom zuletzt geänderten Vorschlag der Kommission und greift sowohl Anregungen aus den Verhandlungen der Sozialpartner als auch aus den Verhandlungen des Rates auf. Die Mitwirkung der Arbeitnehmer wird jetzt nicht mehr erwähnt, vielmehr beschränkt sich der Vorschlag ausschließlich auf die Unterrichtung und Anhörung. Die Definitionsschwellen für Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen bleiben bestehen. Zudem wird der Begriff des "herrschenden Unternehmens" nach festgelegten Kriterien definiert. Die Vermutung für einen beherrschenden Einfluß gilt bis zum Beweis des Gegenteils als gegeben (Art.3). Maßgebend für die Feststellung, ob ein Unternehmen ein "herrschendes Unternehmen" ist, ist das einzelstaatliche Recht, dem das Unternehmen unterliegt (Art.3 Abs.6,1). In Bezug auf das BVG schlägt die Kommission vor, daß die Arbeitnehmervertreter sowohl gewählt als auch benannt werden können und kehrt somit zu ihrer ursprünglichen Position zurück. Das BVG kann jetzt mit 2/3-Mehrheit von der Einsetzung eines Europäischen Ausschusses oder eines anderen Unterrichtungs- und Anhörungsverfahrens absehen. Entscheidungen innerhalb des BVG zur Einrichtung eines Ausschusses oder anderen Verfahrens können hingegen mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Die Verhandlungsdauer bis zur Anwendung der Mindestvorschriften wird von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht. Bezüglich der vertraulichen Informationen wird vorgeschrieben, daß die Mitglieder des BVG, des Ausschusses oder hinzugezogene Sachverständige diese nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen. Die zentrale Leitung eines Unternehmens muß keine Informationen weiterleiten, die dem Unternehmen ernsthaft schaden können. Damit besteht ein gewisser Schutz hinsichtlich der Geheimhaltung von Informationen. Beide Bedingungen werden mit einem Rechtsanspruch versehen, nach dem Beschwerde eingelegt werden kann, falls die Bestimmungen verletzt werden oder Informationen vorenthalten. In den Mindestvorschriften wird die Größe des Europäischen Ausschusses wie zuvor - auf mindestens 3 und höchstens 30 Mitglieder festgelegt. Der so daß die Verhandlungsposition der Arbeitnehmervertreter im BVG gegenüber der Unternehmensleitung geschwächt würde.

V. Einrichtung eines Europäischen Ausschusses

217

Ausschuß soll mindestens einmal jährlich zusammenkommen. Treten außergewöhnliche Umstände ein, die Auswirkungen auf die Beschäftigungslage des Unternehmens haben, so hat der Vorstand des Ausschusses das Recht auf Unterrichtung und Anhörung. Mit dieser Regelung werden bestimmte Funktionen des Ausschusses auf wenige Personen konzentriert und die Handlungsfähigkeit des Ausschusses und des Unternehmens erhöht. Die Kosten des Ausschusses und des BVG gehen zu Lasten der zentralen Leitung des Unternehmens. Mit diesem Varschlag ist die Kommission in einigen Bereichen zu ihrem ersten Vorschlag zurückgekehrt. Es wurde vor allem ein flexiblerer Verhandlungsrahmen geschaffen, indem die Verhandlungsdauer zwischen BVG und Unternehmensleitung verlängert worden ist und die Abstimmungsregeln im BVG erleichtert worden sind. Durch die Bestimmungen zur Vertraulichkeit von Informationen und der Möglichkeit der Geheimhaltung von Informationen wurde wesentlichen Forderungen der Arbeitgeberseite nachgegeben. Dadurch, daß im Falle außergewöhnlicher Umständen nur der Vorstand des Ausschusses informiert und angehört werden muß, hat sich die Flexibilität der Mindestbestimmungen weiter erhöht. Die Häufigkeit der Sitzungen des EBR werden damit auf einmal jährlich beschränkt und gleichzeitig die Rechtzeitigkelt der Informationen gesichert. Ein weiterer wichtiger Punkt der Richtlinie besagt, daß die Vereinbarung zwischen dem BVG und der Unternehmensleitung zur Einrichtung eines Europäischen Ausschusses oder eines anderen Informations- und Konsultationssystems nicht den Mindestbedingungen der Richtlinie entsprechen muß. Die Verhandlungspartner haben somit die Alternative, auch unter den subsidiären Bedingungen liegende Regelungen zu treffen. Allerdings wird die Verhandlungsposition der Arbeitnehmervertreter im allgemeinen durch die Mindestbestimmungen determiniert werden.

1. Die 1. Lesung des Europäischen Parlaments

Da der neue Vorschlag der Kommission im Verfahren der Zusammenarbeit (unter 11 Mitgliedstaaten) verabschiedet wird, hat das EP jetzt größere Einflußmöglichkeiten als im Konsultationsverfahren zuvor. Dennoch wurden vom Ausschuß für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt in diesem Stadium der Verhandlungen Änderungen vorgeschlagen, die nicht so weit gingen wie die Änderungen der Stellungnahme aus dem ersten Verfahren. Die parlamentarischen Diskussionen konzentrierten sich vor allem auf drei Punkte: erstens sollte die Beschäftigungsschwelle für Unternehmen und Unternehmensgruppen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, auf 500

218

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

Arbeitnehmer gesenkt werden. Zweitens sollten die Arbeitnehmervertreter des BVG in geheimer Wahl bestimmt werden. Der dritte Punkt betrifft die subsidiären Bestimmungen des Anhangs. Diese sollten in jedem Fall für die Vereinbarung gelten, die zwischen BVG und Unternehmensleitung ausgehandelt würde, so daß mindestens die Regelungen des Anhangs zum Tragen kämen. Gleichzeitig sollten, nach Auffassung des EP, die Mindestbestimmungen des Anhangs der Richtlinie nicht nur eine Pflicht zur Unterrichtung definieren, sondern auch die Anhörung des Europäischen Ausschusses beinhalten. Die Verhandlungen zwischen BVG und zentraler Leitung wurden auf 1 1/2 Jahre vorgeschlagen, um den Verhandlungsprozeß zu beschleunigen.

a) Die Abstimmungen im Plenum Im Plenum wurden vor allem zwei Fragen diskutiert, die zu einem Kompromiß zwischen der Sozialistischen und der Christdemokratischen Fraktion führten. Bei der ersten Frage handelte es sich um die Definitionsschwellen für gemeinschaftsweit operierende Unternehmen und Unternehmensgruppen. Der Ausschußbericht sieht vor, daß Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten in mehr als einem der zwölf Mitgliedstaaten der EU (Änderungsantrag 3), oder Unternehmen und Unternehmensgruppen mit über 500 Beschäftigten in mehr als einem der elf Mitgliedstaaten von der Richtlinie erfaßt werden sollen. Dadurch versuchte der Ausschuß implizit den Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf Großbritannien auszudehnen, indem den Unternehmen, die ihren Sitz oder Filialen in diesem Staat haben, günstigere Bestimmungen angeboten werden. Dieser Änderungsantrag sorgte für Auseinandersetzungen im Plenum, die zu einer namentlichen Abstimmung führten. Die Sozialistische Fraktion forderte eine Schwelle von 500 Arbeitnehmern, die sich nur auf die 11 Mitgliedstaaten beziehen sollte. Der zweite Änderungsantrag betrifft die Forderung nach geheimer Abstimmung bei der Wahl zum BVG. Hierzu wurde von den beiden größten Fraktionen des EP ein Kompromißtext erarbeitet, der vorsieht, daß gewöhnlich die einzelstaatlichen Verfahren der Mitgliedstaaten Geltung haben, und nur in den Staaten, in denen keine Arbeitnehmervertretungen existieren, eine geheime Wahl eingeführt werden soll. Betrachtet man die Ergebnisse der Abstimmungen, so sind die Fraktionen mit dem ausgehandelten Kompromiß hinsichtlich der geheimen Wahl weitgehend einverstanden. Das Abstimmungsergebnis von 189 Ja-Stimmen zu 5 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung spricht für sich (Änderungsantrag 38). Anders verhält es sich bei dem Punkt der Beschäftigungsschwellen (Änderungsantrag 30). Hier kam es zwischen der Sozialistischen und der Christde-

V. Einrichtung eines Europäischen Ausschusses

219

mokratischen Fraktion zu einer Kampfabstimmung. Es handelte sich um eine äußerst knappe Entscheidung von 79 zu 88 Stimmen, wobei der Änderungsantrag vor allem durch die Stimmen der Sozialistischen Fraktion abgelehnt wurde. Betrachtet man gleichzeitig die hohe Zahl von Abgeordneten (64), die bei diesem Antrag nicht abgestimmt haben, so zeigt sich, daß die Abstimmung leicht hätte anders ausgehen können. 30 Enthaltungen seitens der sozialistischen Fraktion, 16 der PPE-Fraktion und 10 der Fraktion LDR hätten jeweils das Abstimmungsergebnis in eine andere Richtung bewegen können. Die faktischen Enthaltungen der Abgeordneten aller Fraktionen weisen auf eine vergleichsweise hohe Fraktionsdisziplin im Europäischen Parlament hin. Die namentliche Abstimmung zum gesamten Entschließungsantrag wurde dann mit 210 Ja-Stimmen gegenüber I Nein-Stimme bei 2 Enthaltungen fast einstimmig angenommen. Obwohl die Kommission angekündigt hatte, die zentralen Punkte des Parlaments nicht in ihren geänderten Vorschlag übemehrneo zu können, setzte das EP keine seiner strategischen Alternativen ein, um den Vorschlag zu verzögern und auf diese Weise die Kommission zu einem Einlenken zu bewegen. Der Richtlinienvorschlag zu den Europäischen Ausschüssen wurde als zu bedeutend angesehen, um ihn in einer Alles oder Nichts Strategie gegenüber dem Rat eventuell opfern zu müssen. Dies zeigt die begrenzten Möglichkeiten des Parlaments im Verfahren der Zusammenarbeit, wenn es eine Position vertritt, die jede positive Richtlinienentscheidung gegenüber dem Status-Qua präferiert. Das Parlament ist gegenüber dem Rat und der Kommission nur dann mächtig, wenn es eine Position vertritt, die der Mehrheitsmeinung der Ratsmitglieder entgegengesetzt ist.

2. Der geänderte Kommissionsvorschlag

Der geänderte Kommissionsvorschlag vom 3. Juni 1994 weicht nur in wenigen Aspekten vom ersten Vorschlag ab. Die Kommission übernimmt einen Änderungsvorschlag des EP, in dem eine Geheimhaltung von Information seitens der Unternehmensleitung nur dann erlaubt sein soll, sofern diese [.. ] "nach objektiv begründbaren Merkmalen erhebliche Nachteile verursachen bzw. schaden können" (Art.8,3). Eine Überprüfung der Richtlinie soll gemäß dem geänderten Vorschlag bereits nach fünf Jahren und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, erst nach sieben Jahren stattfinden (Art.l5). Mit Bezug auf die Mindestbestimmungen hatte das EP gefordert, daß der Europäische Ausschuß einmal jährlich sowohl informiert als auch konsultiert werden muß, während die Kommission ursprünglich nur von Information ausgegangen war. Eine neue Formulierung spricht jetzt nur noch von "Sitzung", ohne die genauen Inhalte zu bezeichnen.

220

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

3. Der Gemeinsame Standpunkt des Rates

Der Gerneinsame Standpunkt des Rates vom 18. Juli 1994 birgt einige Überraschungen. Zunächst wird der Europäische Ausschuß wieder umbenannt in Europäischen Betriebsrat, eine Formulierung, die der Sache näherkommt und die auch vom EP bemerkt worden war. 5° Die Definitionsschwelle bleibt bei 1000 Beschäftigten in mindestens zwei Mitgliedstaaten der EU der 11, jedoch wird die Anzahl Beschäftigter pro Mitgliedstaat (im Falle von Betrieben eines Unternehmens) bzw. pro Unternehmen (im Falle von Unternehmen einer Unternehmensgruppe) von 100 auf 150 Arbeitnehmer erhöht. Diese Variante war in den Ratsverhandlungen zwar schon andiskutiert worden, jedoch wurde sie offenbar weder von der Kornmission noch vom EP unterstützt. Ausgenommen von der Richtlinie werden die Handelsmarine und Tendenzschutzunternehmen. Damit wird einer griechischen und einer deutschen Forderung nach Ausnahmeregelungen in bestimmten Sektoren entsprochen.51 Bezüglich der Arbeitnehmervertreter im BVG wurde vorn Rat bestimmt, daß sowohl deren Wahl wie deren Benennung nach einzelstaatlichen Gepflogenheiten möglich sein soll. Die Verhandlungen zwischen BVG und zentraler Leitung können in einem Zeitraum von 3 Jahren stattfinden. Der Vorschlag der Kommission wurde demnach noch flexibler gestaltet. Auch die Mindestbestimrnungen des Anhangs bleiben eine subsidiäre Regelung. Die Verhandlungspartner im BVG und der zentralen Leitung können günstigere Verfahren als die des Anhangs der Richtlinie vereinbaren. Eine Entscheidung im BVG wird mit einfacher Mehrheit positiv getroffen, die Ablehnung der Einrichtung eines EBR verlangt eine 2/3-Mehrheit. Bezüglich der Geheimhaltung von Informationen folgt der Rat dem Vorschlag des Parlaments, "objektive Kriterien" als Maßgabe für die Zurückhaltung von Informationen vorzusehen. Dies bedeutet eine leichte Verschlechterung der Arbeitgeberposition. Insgesamt hat der Ministerrat den geänderten Kommissionsvorschlag in seiner Struktur weitgehend übernommen. Große Änderungen bedeuten die Heraufsetzung der Schwellenwerte und die Einführung der Ausnahmebestimmungen für die Seeschiffahrt und Tendenzschutzunternehmen. Da diese Forderungen allesamt schon während der Verhandlungen zum ersten Vorschlag diskutiert worden sind, verwundert es nicht, sie hier erneut zu finden.

50 MdEP Kuhn, S, Europäisches Parlament, Verhandlungen des Europäischen Parlaments, 1994c, Nr.3-448/124 vom 3.5.94. 51 In den Interviews mit dem BMA bzw mit den Mitarbeitern der Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten wurde dieses Dreieck häufig als "package-deal" zwischen den drei beteiligten Nationen aufgeführt, der eine einstimmige Entscheidung ermöglichte.

V. Einrichtung eines Europäischen Ausschusses

221

4. Die 2. Lesung des Europäischen Parlaments

Das EP ist im wesentlichen bei seinen Änderungsvorschlägen aus der ersten Lesung geblieben.52 Dies betrifft vor allem die Schwellenwerte, die Forderung nach einer Wahl der Arbeitnehmervertreter zum BVG, wenn jetzt auch auf eine geheime Wahl verzichtet wird, und den Zeitraum der Verhandlungen, der weiterhin bei 1 1/2 Jahren liegen soll. Zudem wird für die Arbeitnehmervertreter im EBR und BVG ein besonderer Kündigungsschutz gefordert, der allerdings auch schon Teil des ersten Entschließungsantrags des EP war, aber weder von der Kommission noch vom Rat akzeptiert worden ist. Da in der zweiten Lesung im Verfahren der Zusammenarbeit die absolute Mehrheit der Stimmen notwendig ist, um Änderungen zu verabschieden, war die Anwesenheit bei dieser Lesung höher als bei der ersten Lesung. 53 Beteiligten sich an den Abstimmungen zur ersten Lesung vom 25.7.1994 nur insgesamt 231 Abgeordnete, so waren bei der zweiten Lesung mehr als 400 Abgeordnete anwesend. In der zweiten Lesung gab es keine namentlichen Abstimmungen. Die angenommenen Änderungsanträge erhielten jeweils mehr als 310 Stimmen, obwohl auch oppositionelle Abgeordnete vertreten waren, da nunmehr zu allen Abstimmungen ca. 60 Nein-Stimmen zu verzeichnen waren. Tabelle 27 Elektronische Abstimmungen zur 2. Lesung im Europäischen Parlament

Änderungen durch EA I

2 3 4, 5, 8, 9, 10 en b1oc, 7 14und 11 13, 6 12

Angenommen I Abgelehnt angenommen angenommen angenommen angenommen angenommen abgelehnt abgelehnt

Ja Nein Enthaltungen .r 6 315 67 388 314 65 8 387 402 340 54 8 331 62 7 400 217 226

168 192

15 4

400 422

Die Tabelle 27 gibt Aufschluß über die Relevanz der absoluten Mehrheitsforderung in der zweiten Lesung: beide abgelehnten Änderungsanträge wären bei einer einfachen Mehrheit angenommen worden. Gleichzeitig zeigt die 52 Vgl. Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Untemehmensgruppen, Ausschuß für soziale Angelegenheiten, Beschäftigung und Arbeitsumwelt, Berichterstatter: Winfried Menrad, A4-0002/94 vom 6.9.1994. 53 Vgl. zum folgenden: Europäisches Parlament, Protokoll der Sitzung des Europäischen Parlaments vom Donnerstag, 1994b, 15. September 1994, Abi. C 276/lOff. vom 3.10.1994

222

I. Verhandlungen zur Betriebsratsrichtlinie

Tabelle auch die mobilisierende Wirkung der AbstimmungsregeL Nicht nur, daß wesentlich mehr Abgeordnete anwesend sind, sondern daß bei sehr kritischen Fragen, wie bspw. Änderungsantrag Nr.12 (s.unten), auch mehr Abgeordnete an der Abstimmung teilnehmen. Dies ist ein deutlicher Indikator für den Einfluß institutioneller Regelungen auf das Verhalten der Parlamentarier. Bei den abgelehnten Änderungen handelte es sich einmal darum, die Abstimmungsregel im BVG von einer 2/3-Mehrheit auf eine 3/4-Mehrheit zu erhöhen. Dies hätte die Chancen, von der Einsetzung eines EBR ganz abzusehen, verschlechtert. Zum zweiten bestimmte Änderungsantrag Nr.l2, daß der EBR, gemäß den Mindestbestimmungen, vor einer endgültigen Unternehmensentscheidung unterrichtet werden muß, die die Belange der Arbeitnehmer betrifft. Der Gemeinsame Standpunkt benutzt hier die Formulierung "unverzüglich", die sich eher auf die Durchführung einer Entscheidung als auf die Entscheidung selbst bezieht. Insgesamt wiederholt das EP seine ursprünglichen Vorschläge, setzt aber keine Drohungen ein, um die Kommission zu zwingen, ihre Forderungen zu übernehmen. Ein mögliches Scheitern der Richtlinie, bspw. durch einen Ablehnungsantrag des EP, wurde zu diesem Zeitpunkt von den meisten Beteiligten als ein zu hoher Preis für die Durchsetzung der Änderungsanträge angesehen.

5. Der überprüfte Vorschlag der Kommission

Die Kommission führt in ihren Begründungen ihres überprüften Standpunkt vom 20.09.1994 aus, welche der Änderungen des EP sie zu übernehmen bereit ist. Zum einen handelt es sich um die Senkung der Beschäftigtenschwellen von 150 auf 100 Arbeitnehmer. Arbeitnehmer aus Drittstaaten sollen keine Möglichkeit erhalten, an den Verhandlungen des BVG teilzunehmen. Dies würde eine Ausweitung der Richtlinie über das Hoheitsgebiet der EU hinaus bedeuten, die nicht beabsichtigt sein kann. Die Frist der Verhandlungen zwischen BVG und zentraler Leitung eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe will die Kommission von 3 Jahren auf 2 Jahre verkürzen und damit einen Kompromiß zwischen Rat und EP anstreben. Tendenzschutzunternehmen sollen nur in den Mitgliedstaaten von der Richtlinie ausgenommen werden dürfen, in denen zum Zeitpunkt der Verabschiedung bereits eine Sonderregelung hinsichtlich dieser Unternehmungen besteht. Diese Forderung des EP wird von der Kommission unterstützt und wird in den überprüften Vorschlag übernommen. Bezüglich der Überprüfung der Richtlinie akzeptiert die Kommission den vom Parlament vorgeschlagenen Zeitraum von 5 Jahren. Der Gemeinsame Standpunkt hatte diesen Punkt offengelassen.

V. Einrichtung eines Europäischen Ausschusses

223

6. Verabschiedung der Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten

Der Rat verabschiedete die Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen auf seiner Sitzung am 22. September 1994 einstimmig unter Enthaltung Portugals.54 Die Bestimmungen des Gemeinsamen Standpunktes wurden nur noch in zwei Punkten angepaßt: Ausnahmen für Tendenzschutzunternehmen sind nur in den Mitgliedstaaten möglich, die bereits zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Richtlinie Sonderregelungen vorsahen (Art.8 Abs.3) und eine Überprüfung der Richtlinie findet bereits nach 5 Jahren statt. Weitere Änderungsvorschläge der Kommission und des EP insbesondere zu den Schwellenwerten und den Wahlverfahren wurden nicht mehr berücksichtigt.55 Insgesamt haben die Ergebnisse der Richtlinie starken Kompromißcharakter, da versucht wurde, einer Vielzahl von Forderungen der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner entgegenzukommen. Die Kommission und das EP haben inhaltlich wenig in dieser Richtlinie bewirkt, da sie ihre Hauptpunkte nicht gegenüber dem Rat durchsetzen konnten. Die Änderung der Entscheidungsregel hatte enormen Einfluß auf die Verabschiedung der Richtlinie. Dies verdeutlicht einmal mehr den Wert der qualifizierten Mehrheitsregel, wenn es um die Verabschiedung konfliktärer lssues in europäischem Kontext geht. Die empirische Analyse wird zeigen, nach welchem Muster die Mitgliedstaaten ihre Interessen im Rahmen der Verhandlungen durchsetzen konnten. Zudem wird eine Erklärung dafür angeboten, warum die Kommission und das Parlament sich bei den Entscheidungen unter qualifizierter Mehrheit so wenig durchgesetzt haben.

54 Vgl. Pressemitteilungen des Rates der Europäischen Union der 1784. Tagung des Rates- Arbeit und Sozialfragen -, S.4. ss Vgl. den vollständigen Text der Richtlinie im Anhang.

J. Modellteil Die vorherigen Kapitel dienten im wesentlichen der inhaltlichen Beschreibung der ausgewählten Fallstudien, die in diesem Teil der Arbeit explizit modelliert und analysiert werden. Zur Analyse der Richtlinien wurde eine Befragung der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Europäischen Parlaments durchgeführt. Auf der Basis der erhobenen Daten wird im folgenden ein empirischer Test bereits bestehender Tauschmodelle durchgeführt. Dabei wird der institutionellen Struktur der EU besondere Berücksichtigung geschenkt, indem Koalitionsmodelle bei den Entscheidungen unter qualifizierter Mehrheit angewendet werden, die nicht nur den Entscheidungsausgang, sondern auch die entscheidende Koalition berücksichtigen. Der Schwerpunkt der Auswertungen liegt einerseits auf der Unterscheidung zwischen Richtlinien, die einstimmig bzw. mit qualifizierter Mehrheit entschieden wurden, sowie andererseits auf der Problematik der Nichtentscheidungen, bei denen der Bewertung des Status-Quo eine hohe Bedeutung zukommt. Es werden zunächst die zugrundeliegenden Annahmen spezifiziert, ehe die Modelle und Hypothesen vorgestellt werden. Im Anschluß daran folgt die Beschreibung der Issuedimensionen der Richtlinien. Zuletzt werden die Ergebnisse des Modelltests präsentiert und mit den tatsächlich getroffenen Entscheidungen verglichen.

I. Problemformulierung Die Europäische Union zeichnet sich durch die Anwendung unterschiedlicher Entscheidungsregeln auf verschiedene Policies und in verschiedenen Politikfeldern aus. Dadurch ergeben sich für die Verhandlungspartner jeweils unterschiedliche Verhandlungskontexte, die einen Einfluß auf die letztendlich getroffenen Entscheidungen vermuten lassen. So wird einerseits durch die Einführung der qualifizierten Mehrheitsregel eine Beschleunigung der Beschlußfassung konstatiert, andererseits jedoch häufig die Auffassung vertreten, daß die Mitgliedstaaten dennoch in vielen Fällen bis zur Findung eines Konsens verhandeln und möglichst vermeiden, mit qualifizierter Mehrheit abzustimmen. Die Begründung dafür wird darin gesehen, daß die Mitgliedstaaten die aktuelle Entscheidung auf die Zukunft abdiskontieren und, auf die Gefahr

I. Problemformulierung

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hin zukünftig überstimmt zu werden, lieber den Konsens suchen. Damit wird gleichzeitig ein Zusammenhang oder Stimmentausch zwischen verschiedenen Policies eines Politikfeldes oder sogar über Politikfelder hinweg unterstellt. Vor allem bei den Verhandlungen des Europäischen Rates werden häufig Pakete geschnürt, die unterschiedliche Politikfelder miteinander verknüpfen. Prominentestes Beispiel ist sicherlich die Gründung der EWG, als Frankreich durch die gemeinsame Agrarpolitik vor etwaigen Verlusten durch die Zollunion kompensiert werden sollte! Es sind auch Beispiele innerhalb einzelner Politikfelder bekannt, die eine Form von Seitenzahlungen darstellen. Spanien, beispielsweise, wollte dem Abkommen über die Sozialpolitik beim Vertrag von Maastricht nur zustimmen, wenn ihm im Gegenzug eine Erhöhung der Transfers aus den Strukturfonds zugebilligt würde. 2 Typischerweise entstammen diese Beispiele jedoch aus den intergouvernementalen Verhandlungen des Europäischen Rates, dessen Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen. In diesen Situationen kann es durchaus vorkommen, daß erst durch die Bildung von Koppelgeschäften Pareto-optimale Lösungen konstruiert werden können, die den Konsens der Verhandlungspartner finden. Es gibt kaum Hinweise auf log-rolling oder Tauschprozesse der Mitgliedstaaten zwischen einzelnen Policies eines Politikfeldes. Bekannt geworden ist die Verknüpfung zweier Dossiers im Umweltbereich, als die Verabschiedung der Richtlinie zu Großfeuerungsanlagen an die Verabschiedung der Richtlinie zur Abgasbegrenzung von Kleinwagen 3 verbunden wurde. Dadurch wurde die Bundesrepublik auf Intervention Frankreichs veranlaßt, von ihren hohen Grenzwertforderungen abzuweichen, da ihr grundsätzliches Interesse an der Verabschiedung beider Richtlinien im Vergleich zum Status-Quo sie zu hohen Konzessionen zwang.4 Allerdings konnte die Kleinwagenrichtlinie dann doch nicht fristgerecht verabschiedet werden, da Frankreich seine Position noch einmal veränderte, so daß der "deal" insgesamt fragwürdig erscheint.5 Zwar Vgl. Weber, Shlomo und Hans Wiesmeth, 1991. Vgl. Lange, Peter, S.250f.; Vaubel, Roland, 1993, S.ll5. Richtlinie des Rates vom 18.7.1989 zur Änderung der Richtlinie 70/220/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Ernissionen von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der europäischen Emissionsnormen für Kraftfahrzeuge mit einem Hubraum unter 1.4 Litern (RL 89/458/EWG, Abi. L 226 vom 3.8.1989, geändert durch RL 89/491/EWG, Abi. L 238 vom 15.8.1989). 4 Vgl. Holzinger, Katharina, Umweltpolitische Entscheidungsprozesse in der Europäischen Gemeinschaft- Am Beipiel der PKW-Abgase, Dissertation, Manuskript, 1994, S.333ff.; Bennet, Graham, Dilemmas, Coping with Environmental Problems, Earthscan Publications, London, 1992. 5 Die Richtlinie über Abgasgrenzwerte von Kleinwagen wurde einigen Autoren analysiert. Die Resultate der Richtlinie werden je nach Ansatz entweder dem Einfluß des Europäischen Parlaments zugeschrieben (Tsebelis 1994) oder anband mehr- oder eindimensionaler Modelle ausgewertet. Dabei gehen die Meinungen darüber auseinan15 Schnorpfeil

226

J. Modellteil

wird in der "public-choice" Literatur häufig die Vermutung aufgestellt, daß bestimmte Regulierungen durch Seitenzahlungen kompensiert werden6 , aus den Verhandlungen des Rates sind derartige Prozesse auf der Ebene von Richtlinien oder Verordnungen jedoch nicht bekannt. Im Unterschied zu den Verhandlungen des Europäischen Rates beruhen die Ministerratsbeschlüsse auf Vorschlägen der Kommission, die bereits in der Phase des agenda-settings bemüht ist, durch die Konsultation von Beratenden Ausschüssen "Gleichgewichtsvorschläge" zu konstruieren, die, je nach Abstimmungsregel, die Zustimmung einer ausreichenden Zahl an Mitgliedstaaten finden können. Schon alleine aufgrund dieses institutionellen Prozesses sind übergreifende "package-deals" bei diesen Entscheidungen nicht zu erwarten, da die Kommission im allgemeinen bemüht ist, ressort-spezifische Vorschläge mit relativ eng umgrenzten Inhalten zu unterbreiten. Aufgrund der Gliederung des Rates und der Kommission in einzelne Fachressorts sind zudem Koppelgeschäfte zwischen verschiedenen Politikfeldern nur schwer zu organisieren, da nicht nur auf europäischer Ebene innerhalb der Kommission und des Rates durch negative oder positive Koordination der Abteilungen Absprachen geleistet werden müßten, sondern, durch die Mehrebenenkonstruktion der EU, jeweils auch zwischen den nationalen Ministerien der Mitgliedstaaten koordinierte Strategien entwickelt werden müßten. Dies gilt nicht nur für das Verhältnis von Politikfeldern zueinander, sondern auch mit Bezug auf einzelne Teilbereiche innerhalb eines Politikfeldes. Es ist nur schwer vorstellbar, daß z.B. Gleichbehandlungsfragen gegen Arbeitsschutzbestimmungen aufgerechnet werden können, wenn einerseits verschiedene nationale Abteilungen für die Verhandlungen verantwortlich sind, die andererseits unterschiedliche Klientel zu bedienen haben. Im Bereich der Sozialpolitik weist zudem die relativ große Zahl an nichtverabschiedeten einstimmigen Richtlinien darauf hin, daß hier gerade keine Tauschgeschäfte über verschiedene Policies hinweg getätigt werden, sondern die Richtlinienvorschläge vielmehr im Rat blockiert bleiben. Innerhalb von Politikfeldern wird in der EU versucht, diese Problematik zu bewältigen, indem die Abstimmungsregeln entsprechend geändert werden. Das Sozialprotokoll von Maastricht war vor allem deshalb so umstritten, weil in Bereichen, in denen bislang unter der Einstimmigkeitsregelung keine Fortschritte gemacht worden sind, die qualifizierte Mehrheitsregel eingeführt werden sollte.7 Nur der, welche Tauschebenen für die letztendliche Entscheidung maßgeblich waren. Vgl. Bueno de Mesquita, Bruce und Frans Stokman (Hrsg.), European Community Decision Making, Yale University Press, New Haven and London, 1994. 6 Vgl. Vaubel, Roland, 1993; Kuhn, Britta, S.l34f. 7 So bestand ein Vorschlag des deutschen Arbeitsministeriums darin, die Abstimmungsregel so zu verändern, daß sie zwischen die qualifizierten Mehrheit und der Einstimmigkeit fallen sollte. Dies war genau auf die bestehende Situation zugeschnitten,

I. Problemformulierung

227

durch diesen Schritt konnte die Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte verabschiedet werden, wie auch bei anderen Kommissionsvorschlägen dieses Politikfeldes überlegt wird, Art.2 des Sozialprotokolls als Rechtsgrundlage zu wählen. Für Großbritannien stellt sich damit die Frage, ob es nicht günstiger ist, einer einstimmigen Entscheidung zuzustimmen, bei der es seine Interessen einbringen kann. Falls nämlich die Vorschläge durch den Rat der 11 (bzw. jetzt 14) Mitgliedstaaten verabschiedet würden und Großbritannien sich später durch eine andere Regierung der für den Beitritt zur Sozialpolitik entschließen sollte, hätte das Vereinigte Königreich keinerlei Einfluß auf die Richtlinieninhalte nehmen können. 8 In der europäischen Sozialpolitik können Entscheidungen unter qualifizierter Mehrheit nur unter Art.118a bzw. nach dem Sozialprotokoll Art.2 getroffen werden. Damit wird inhaltlich ein relativ umgrenzter Bereich festgelegt, in dem Mehrheitsentscheidungen möglich sind. Tauschprozesse zwischen den Mitgliedstaaten sind dann schon aufgrundder Interessenlage der Akteure unwahrscheinlich, da davon auszugehen ist, daß die Präferenzen der Mitgliedstaaten über verschiedene Richtlinien eines Teilbereiches nicht sehr stark variieren. Vielmehr steht zu erwarten, daß sich in einem Teilbereich immer die gleichen Mitgliedstaaten in der Minderheitenposition befinden, so daß ein Ausgleich zwischen Gewinnen und Verlusten über die Zeit nicht möglich ist. Gerade diese Verteilung erklärt das Verhalten Großbritanniens in der Sozialpolitik. Aus diesen Gründen wird für die folgende Analyse davon ausgegangen, daß einzelne Richtlinien im Politikfeld der Europäischen Sozialpolitik als singuläre kollektive Entscheidungen betrachtet werden müssen, so daß auf dieser Ebene der Politikgestaltung kein Tausch zwischen Policies angenommen wird. Wenn Tauschprozesse stattfinden, dann innerhalb einer Policy zwischen den Issuedimensionen, die die Inhalte der Richtlinie beschreiben. Von einer kollektiven Entscheidung soll daher genau dann gesprochen werden, wenn folgende Bedingungen gelten9 : I. eine Gruppe von politischen Akteuren wählt aus mindestens zwei Handlungsalternativen eine und nur eine Handlungsalternative aus;

in der vor allem der Widerstand des Vereinigten Königreiches gebrochen werden sollte. Vgl. Schulz, Otto, Überlegungen zur europäischen Sozialpolitik in der Zukunft, Sozialer Fortschritt, 40. Jg, Heft 617, 1991, S.135-140. 8 Vgl. Addison, John T. und Stanley W. Siebert, Social Engineering in the European Community: The Social Charter, Maastricht and Beyond, Institute of Economic Affairs, London, Current Controversies, No.6, 1993, S.29. 9 Zur Definition vgl. Henning, Christian, Politische Tauschmodelle auf der Grundlage des LES- und AIDS-Systems, Arbeitspapier des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung, AB Ill Nr.5, Mannheim 1994, S.3.

228

J. Modellteil

2. jeder der unter 1. genannten Akteure hat eine konsistente Präferenzordnung bezüglich der zur Auswahl stehenden Handlungsalternativen und seine individuelle Entscheidung richtet sich nach dieser Präferenzordnung. Eine politische Entscheidung (E) heißt multidimensional, wenn sie sich in inhaltlich exakt abgrenzbare Teilbereiche (eh) zerlegen läßt. Damit wird unterstellt, daß die individuellen Präferenzen zumindest schwach separabel bezüglich dieser Teilbereiche oder Issues (eh) sind. Unter diesen Annahmen entspricht eine politische Entscheidung der Festlegung bestimmter Positionen auf den relevanten Issuedimensionen. Die politischen Agenten, die für eine kollektive Entscheidung verantwortlich sind, variieren mit Bezug auf die Rechtsgrundlage der ausgewählten Richtlinien. Bei einstimmigen Entscheidungen zählen zunächst nur die Mitgliedstaaten bzw. deren Vertreter als politische Agenten, da die Kommission und das Europäische Parlament - wie die Analyse des Konsultationsverfahrens gezeigt hat- keine Entscheidungsmacht innerhalb dieses Verfahrens haben. Es bleibt der späteren Analyse vorbehalten zu klären, ob diese zuletzt genannten Akteure nicht doch berücksichtigt werden müssen, da sie durch ihre Agendasetting Funktion bzw. die obligatorische Anhörung eventuell informellen Einfluß ausüben können. Im Verfahren der Zusammenarbeit und auch im Kodezisionsverfahren sind sowohl die Vertreter der Mitgliedstaaten als auch die Kommission und das EP als Entscheidungsträger einzukalkulieren. EUEntscheidungen vollziehen sich zum einen in dem institutionellen Rahmen, der durch die Polity beschrieben wird, zum anderen sind sie abhängig von den Präferenzen und der Intensität der Präferenzen der beteiligten Akteure. Während die Polity der EU die institutionellen "constraints" und die Machtverhältnisse der Verhandlungspartner definieren, sind die Interessen und Positionen der politischen Agenten von rechtlichen, politischen und sozio-ökonomischen Bedingungen abhängig, die außerhalb dieser Arbeit liegen. Aus diesem Grund wurden die Interessen oder Präferenzen der Verhandlungspartner in dieser Studie empirisch erhoben, um keine spekulativen Situationen konstruieren zu müssen. In den nachfolgend zu beschreibenden Modellen und der Analyse der Fallstudien werden unterschiedliche institutionelle Arrangements und Regeln adäquat modelliert und der Ausgang der untersuchten Richtlinien prognostiziert. Da bei den beiden verabschiedeten Richtlinien unter qualifizierter Mehrheit das Abstimmungsverhalten der Mitgliedstaaten (beide wurde einstimmig unter Enthaltung von Großbritannien bei der Arbeitszeitrichtlinie bzw. Portugal bei der Betriebsratsrichtlinie verabschiedet) bekannt ist, wird zudem eine Erklärung geliefert, warum die Mitgliedstaaten Entscheidungen unter qualifizierter Mehrheit dennoch einstimmig treffen. Dabei wird darauf verzichtet, Tauschoptionen über die Zeit oder über mehrere Richtlinien hinweg anzunehmen, sondern aus einer rein koalitionstheoretischen Perspektive argumentiert.

II. Hypothesenformulierung

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II. Hypothesenformulierung Vor diesem Hintergrund wurden die oben im einzelnen inhaltlich beschriebenen Fallstudien ausgewählt. Wie die Analyse der Policies des Politikfelds gezeigt hat, sind vor allem Richtlinien als relativ konfliktär im Vergleich zu Verordnungen, Empfehlungen und Entscheidungen einzustufen, da diese schon aufgrund ihrer Definition - in tendenziell subsidiäre Politikbereiche eingreifen, in denen zumindest bereits eine nationale Politik besteht, auch wenn einheitliche europäische Regelungen im gemeinsamen Interesse der Mitgliedstaaten liegen. Im Mittelpunkt der empirischen Untersuchung stehen die Auswirkungen der Entscheidungsregeln und der beteiligten Akteure auf die Verabschiedung europäischer Policies. Anband der vier exemplarischen Richtlinien sollen unterschiedliche Szenarien modelliert werden, die die verschiedenen Entscheidungssituationen in der Europäischen Sozialpolitik widerspiegeln. Bereits die deskriptive Analyse der Richtlinien hat vor allem hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens des Europäischen Parlaments klare Hinweise auf dessen strategische Möglichkeiten innerhalb der Verfahren gegeben, die auch konsequent genutzt wurden. In der nun folgenden empirischen Untersuchung sollen die Positionen und Interessen der Mitgliedstaaten ebenfalls analysiert werden. Die Kriterien für die Auswahl der Richtlinien resultieren zum einen aus der zugrundeliegenden Entscheidungsregel und zum anderen daraus, ob eine Entscheidung über eine Richtlinie im Rat getroffen werden konnte oder nicht. Die Auswahl der Richtlinien wurde nicht alleine analytisch vorgenommen, sondern durch ein Experteninterview mit einem ehemaligen Vertreter der deutschen Delegation in der Arbeitsgruppe "Arbeit und Soziales" des Rates bestätigt. Dadurch wurde gesichert, daß die Richtlinien tatsächlich konfliktären Charakter hatten oder haben. Denn politischer Tausch kann nur angenommen werden, wenn Interessen- und/oder Positionsunterschiede zwischen den formal entscheidenden Akteuren bestehen. Als leitende Hypothese wird angenommen, daß einstimmige Entscheidungen nur dann getroffen werden können, wenn keiner der beteiligten Staaten durch diese Entscheidung benachteiligt wird. Ansonsten wird die Entscheidung im Rat blockiert. Eine Entscheidung unter Einstimmigkeit muß zudem nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner auf jeder Issuedimension bedeuten, da durch Tausch Pareto-Verbesserungen erreicht werden können, die über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinausgehen. Als Nullhypothese kann danach der kleinste gemeinsame Nenner dienen, im Vergleich zu Situationen, in denen Tauschoptionen wahrgenommen werden. Richtlinien, die redistributiven Charakter haben, können unter qualifizierter Mehrheit dann verabschiedet werden, wenn sich im verbundenen System der EU eine ausreichende Mehrheit

230

J. Modellteil

findet, die diese Politik unterstützt. 10 In Bezug auf die qualifizierte Mehrheitsregel erscheint es interessant zu untersuchen, ob im Rat tatsächlich einstimmige Entscheidungen angestrebt werden, so daß mit der Drohung der Anwendung der qualifizierten Mehrheit lediglich das grundsätzliche Einverständnis zu einer Richtlinie "erpreßt" wird. Alternativ könnte die stille Übereinkunft gelten, die häufig dokumentiert ist, keine Mehrheitsabstimmungen durchzuführen aus der Befürchtung heraus, in Zukunft zu den Verlierern zu zählen. 11 Diese Haltung erscheint dann nicht plausibel, wenn systematische Koalitionsbildungen auch langfristig zu erwarten sind. Als Hypothese bezüglich der Richtlinienentscheidungen unter qualifizierter Mehrheit wird angenommen, daß die Mitgliedstaaten die Koalition auswählen werden, die den Bedingungen der individuellen Rationalität und der Koalitionsrationalität genügt. Individuell rational bedeutet, daß die Akteure eine Aufteilung wählen, die für jedes Mitglied eine höhere Auszahlung erbringt als die Auszahlung beim Konfliktpunkt bzw. dem StatusQuo. Koalitionsrational meint, daß eine Koalition diejenige Alternative auswählt, die für ihre Mitglieder den höchsten Gesamtnutzen ergibt. 12 In der Koalitionstheorie wird im allgemeinen von frei transferierbarem Nutzen zwischen den Koalitionsmitgliedern ausgegangen, wobei eine "faire" Aufteilung des Gesamtgewinns angenommen wird, die in Abhängigkeit der Machtverhältnisse der Koalitionsmitglieder oder deren Status-Quo Bewertung verhandelt wird. 13 Verhandlungen innerhalb einer Koalition können folglich als kollektive Entscheidung der Koalitionsmitglieder über die zur Frage stehenden Richtlinien interpretiert werden, wobei der Nutzengewinn der Koalitionsmitglieder aus den Ergebnissen der kollektiven Entscheidung resultiert. 14 10 Sofern es sich um Richtlinien handelt, die zudem einen für die EU neuen Bereich thematisieren, kann gleichzeitig von einem freiwilligen Verhandlungssystem ausgegangen werden, da keiner der Mitgliedstaaten gezwungen werden kann, einem Vorschlag der Kommission zuzustimmen. Besonders plakativ erscheint in diesem Zusammenhang die Reaktion Frankreichs auf das Stocken der Verhandlungen zur Entsenderichtlinie, da Frankreich in diesem Fall durch eine verschärfte nationale Gesetzgebung einseitig seine Status-Quo Position während der Verhandlungen verändert hat. Anders verhält es sich hingegen bei Policies wie der Massenentlassungsrichtlinie oder den Verordnungen zu Freizügigkeit, die im Laufe der Zeit mehrfach verbessert worden sind. In diesen Fällen bestand bereits eine europäische Zuständigkeit, die ein einseitiges nationales Handeln verbot. Der Charakter des Verhandlungssystems muß daher für jeden Einzelfall überprüft werden. II So wurden in den Interviews beide Meinungen vertreten. 12 Eine explizite Definition der Begriffe erfolgt unten Kapitel J.III.2. 13 Als faire Aufteilung des Gesamtgewinns dient beispielsweise die Nash-Lösung in individualistisch-kooperativen Verhandlungsspielen zwischen zwei Personen oder der Shapley-Index, der auch als Wahrscheinlichkeit ftlr eine Gewinnaufteilung interpretiert werden kann. Vgl. Holler, Manfred J. und Gerhard Illing, 1991, S.189ff; 31lff. 14 Im Falle von EU-Richtlinien ergibt sich die besondere Situation, daß auch die Spieler, die nicht in der Gewinnkoalition sind, einen Nutzen durch die Entscheidung der Koalition erzielen, da die Richtlinie für alle Mitgliedstaaten Gültigkeit hat.

II. Hypothesenformulierung

231

Ebenso wie Nicht-Entscheidungen unter Einstimmigkeit durch die Bewertung des Status-Quo determiniert werden, sind Nicht-Entscheidungen unter qualifizierter Mehrheit von der Position des Status-Quo abhängig. Allerdings muß sich jetzt mindestens eine blockierende Minderheit finden, die den StatusQuo gegenüber der Entscheidung präferiert. Systematisiert nach den oben genannten Kriterien der Abstimmungsregel und nach dem Entscheidungsausgang, lassen sich die ausgewählten Richtlinien folgendermaßen einordnen: Tabelle 28 Entscheidungsregel und Stand der Verhandlungen der Fallbeispiele

Verabschiedet einstimmig qualifizierte Mehrheit

Richtlinie zum Nachweis von Arbeitsverhältnissen (Art. I00) Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Art.118a)

Nicht verabschiedet Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte (Art.l 00) Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern (Art.57/66)

Nicht absehbar zum Zeitpunkt der Auswahl der Richtlinien war die Entwicklung der Europäischen Sozialpolitikaufgrund des Maastrichter Vertrages. Dadurch hat sich die Situation ergeben, daß die Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte, die bis zu diesem Zeitpunkt im Rat blockiert war, unter eine vereinfachte Entscheidungsregel gestellt werden konnte, so daß die Richtlinie dann unter dem Verfahren des Sozialprotokolls (Art.2) und unter Ausschluß Großbritanniens verabschiedet wurde. Ebenfalls neu ist, daß die Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern nunmehr im Kodezisionsverfahren entschieden werden muß, womit größere Mitspracherechte des Europäischen Parlaments verbunden sind. Allerdings soll auf diese zuletzt genannte Veränderung keine Rücksicht genommen werden, da die Richtlinie zudem in der erweiterten Gemeinschaft beschlossen werden muß. Da keine Informationen über die neuen Mitgliedstaaten vorliegen, wird bei der späteren Analyse auf die alte Situation Bezug genommen. Die Prüfung der oben gemachten Hypothesen ist mit einigen Problemen verbunden. Zunächst sind Fallstudien generell nicht davor gefeit von Zufällen abhängig zu sein. Wenn also ein Modell eine Entscheidung richtig vorhersagt, so ist damit nichts über die Güte des Modells ausgesagt, ebenso wie eine falsche Vorhersage ein Modell nicht falsifizieren muß. Dieses Problem kann auch in dieser Studie nicht gelöst werden. Vielmehr müßten dazu eine Vielzahl vergleichbarer Studien durchgeführt werden, die einen Modelltest auch nach statistischen Kriterien zulassen. Als Anwendung des Coleman-Modells, welches als politisches Tauschmodell in der Vergangenheit gute Erfolge erzielt

232

J. Modellteil

hae 5, dient diese Studie dazu, dieses Modell einer weiteren Überprüfung zu unterziehen. Die Funktion der Fallstudien unterschiedlicher institutioneller Kontexte besteht darin, zu testen, ob die Modelle in der Lage sind, diesen unterschiedlichen Gegebenheiten in ihrer Operationalisierung und Prognosefähigkeit gerecht zu werden. Durch die operationale Anwendung der Modelle wird der Entscheidungsprozeß der EU modelliert und auf diese Weise die Problematik europäischer Entscheidungen exemplarisch herausgearbeitet. Durch die analytische Betrachtung des europäischen Entscheidungsprozesses wird zudem die institutionelle Struktur der Entscheidungsverfahren und deren Implikationen für das Entscheidungsverhalten der politischen Akteure betrachtet. Anhand empirischer Daten können aufgrund der angegebenen Präferenzstruktur der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Parlaments klare Aussagen über die Entscheidungsfindung der EU getroffen werden.

111. Modelle Die empirische Analyse der ausgewählten kollektiven europäischen Entscheidungen wird im folgenden vor allem durch eine Anwendung des kollektiven Entscheidungsmodells von James S. Coleman (1966, 1973, 1986, 1990) durchgeführt, welches von Henning ( 1994) erweitert wurde. Ergänzt wird die Analyse durch eine Anwendung der Nash Bargaining Solution als axiomatisches Modell zur Bestimmung von Verhandlungsausgängen. Aus der Koalitionstheorie wird desweiteren das Konzept des Kerns als Lösungskonzept auf zwei der vier Richtlinien angewendet, um auf dieser Basis Prognosen der Richtlinien zu ermöglichen. Als Referenz für die Güte der Modelle dient zum einen der Modal, zum anderen der "kleinste gemeinsame Nenner" je lssuedimension, der das niedrigste Niveau einer Entscheidung auf allen Dimensionen definiert. Auf dieser Basis sollten sich unterschiedliche Prognosen und Ergeb15 Vgl. insbesondere die Studie von Pappi, Franz U. und Thomas König, Entscheidungsprozesse in der Arbeits- und Sozialpolitik, FrankfurtJMain, 1995; Pappi, Franz U. und Peter Kappelhoff, Abhängigkeit, Tausch und kollektive Entscheidung in einer Gemeindeelite, Zeitschrift für Soziologie, 13, 1984, S.87-117; Pappi, Franz U. und David Knoke, Political Exchange in the German and American Labor Policy Domain, 1991; Kappe1hoff, Peter, Soziale Tauschsysteme. Strukturelle und dynamische Erweiterungen des Marktmodells, Scientia Nova, Oldenbourg, 1993; König, Thomas, Entscheidungen im Politiknetzwerk, Deutscher Universitätsverlag, 1992; Knoke, David I Pappi, Franz U. I Broadbent, Jeffrey I Tsujinaka, Yutaka, Comparing Policy Networks. Labor Politics in the U.S., Germany and Japan. Cambridge, 1995; Laumann, Edward 0. und David Knoke, The Organizational State, The University of Wisconsin Press, 1987; Marsden, Peter V und Edward 0. Laumann, Collective Action in a Community Elite: Exchange, lnfluence Ressources and Issue Resolution, in: Liebert, R.J. und A.W. Imershein, Power, Paradigms and Community Research, London Bever1y Hills, Sage Publication, 1977.

III.Modelle

233

nisse ergeben, die an den tatsächlich getroffenen Entscheidungen gemessen werden sollen.

I. Das Coleman-Modell (CM)

Ausgehend von einer Kritik am Unmöglichkeitstheorem von Arrow hat James S. Coleman ein Modell entwickele6, welches kollektive Entscheidungen als Ergebnis eines Tauschprozesses von Kontrollressourcen zwischen individuellen Akteuren definiert: " ... individuals in social systems are faced with a sequence of social choices, and can thus exchange their partial control over issues that interest them little for greater control of those that interest them more" 17 • Durch die Verknüpfung verschiedener Issues auf einem gemeinsamen Kontrollmarkt wird die Lösung kollektiver Entscheidungen über ökonomischen Tausch ermöglicht. Das Modell geht von speziellen Annahmen aus, die sich insbesondere in der Annahme einer Cobb-Douglas Nutzenfunktion für die Akteure und eines vollkommenen Marktes niederschlagen. Weitere Voraussetzungen des CM' s sind: 1. die Geschlossenheit des Tauschsystems, 2. die proportionale Ressourcenallokation und 3. die probabilistische Entscheidungsreget

Die Geschlossenheit des Tauschsystems bezieht sich sowohl auf die Akteure, die eine politische Entscheidung treffen als auch auf die Issuedimensionen, die die kollektive Entscheidung definieren. Eine kollektive Entscheidung wird danach von einer Menge von Akteuren (i =1, ... , n) über eine Menge von Ereignissen oder Issuedimensionen G=1, ... , m) getroffen. Die Akteure haben unterschiedliches Interesse an den Issuedimensionen, das sich aufgrund der Geschlossenheit des Systems auf 1 standardisieren läßt. Bezeichnet man das Interesse eines Akteurs i an dem Issue j mit xii so gilt:

L m

(1)

j=l

Xij

=1

Die Akteure besitzen neben ihrem Interesse an den Issues Kontrolle über die Issues, mit der sie in der Lage sind, Einfluß auf die politische Entscheidung bezüglich eines Issues j zu nehmen. Diese Kontrolle summiert sich je Issuedimension zu 1 über alle Akteure. Bezeichnet man die Kontrolle von Akteur i über ein Issue j mit cii so gilt: 16 Coleman, James S., Foundations for a Theory of Collective Decisions, The American Journal of Sociology, Vol.LXXI, No.6, 1966, S.615-627, ders., 1990. 17 Coleman, James S., 1966, S.6l5.

234

I. Modellteil

L n

(2)

Cjj

=1

i=l

Zentrale Verhaltensannahme des Modells ist die proportionale Ressourcenallokation. Danach handelt ein Akteur im Sinne des Modells rational, wenn er bei gegebenem Budget pi, das die Gesamtkontrolle eines Akteurs als Summe seiner bewerteten Ressourcenausstattung bezeichnet, seine Ressourcen proportional zur Stärke seines Interesses in bezug auf die Issues einsetzt. Unter Berücksichtigung des Marktpreises vJ für die Kontrolle über ein Issue j gilt:



(3)

VjCji =XijPi

c 'Ji bezeichnet hier die von Akteur i bei gegebenen Preisen vi nachgefragte Kontrolle über ein Issue j. Coleman geht von einer Cobb-Douglas Nutzenfunktion der Akteure aus. In Abhängigkeit von seinen Interessen und seinen Kontrollressourcen kann der Nutzen U1 eines Akteurs i formal mit folgender Funktion angegeben werden:

II m

(4)

Ui=

Xjj

cji

j=l

Dadurch ergibt sich gerade die proportionale Ressourcenallokation als Bedingung für das Marktgleichgewicht. 18 Das Marktgleichgewicht ergibt sich im CM durch Gleichsetzen von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage. Das Gesamtangebot hängt ab von der Ressourcenausstattung der Akteure und wird durch die C-Matrix gegeben. Bei einem Marktpreis vi für die Kontrolle über ein Issue j ergibt sich als bewertetes Gesamtangebot Si: (5)

sj

=

L n

i=l

cjivj

= vj

Nach der Regel der proportionalen Ressourcenallokation ergibt sich die Gesamtnachfrage Dj wie folgt:

Während mit vJ die Marktpreise der Issues j oder die Tauschverhältnisse zwischen den Issues bezeichnet werden, kennzeichnet p1 die Macht eines Akteurs oder sein Budget, das sich aus seiner Ausgangskontrolle und den Preisen der Ereignisse in dem geschlossenen Tauschsystem herleiten läßt. Pi ergibt sich als: 18

Coleman, James S., 1990, S.682f.

III. Modelle (7)

Pi

=

L

235

m

vkcki

k=l

P; stellt damit die mit den Marktpreisen bewertete Summe der Kontrollausstattung eines Akteurs dar. Setzt man (7) in (6) ein, erhält man als Nachfragefunktion:

Durch das Gleichsetzen von Angebot und Nachfrage erhält man die Bedingung für das Marktgleichgewicht Auf der Makroebene nimmt Coleman an, daß sich der Kontrolltausch auf einem vollkommenen Markt vollzieht. Die Gleichgewichtspreise vi lassen sich bei gegebenen individuellen Nachfragefunktionen und Kontrollausstattungen bis auf ein Skalarprodukt eindeutig bestimmen:

Wenn man zur Matrixschreibweise übergeht, kann v als linker Eigenvektor der Matrix CX, die die Kontrollverflechtungen der Akteure bezeichnet, bestimmt werden, da mit C und X auch W= CX reihenstochastisch ist: (10)

V= V C X= W

Damit läßt sich der relative Wert der Ereignisse bestimmen, die ebenfalls auf 1 normiert sind. Aufgrund von (7) kann somit auch die relative Macht oder das Budget der Akteure bestimmt werden: (11)

p=vC

Mit v hat auch p die Zeilennorm 1. Es ergibt sich weiterhin durch Einsetzen, daß (12)

v=pXund

(13)

p=pXC.

Das CM bezieht sich zunächst auf teilbare private Güter und ist für die Anwendung auf, da kollektive Entscheidungen einerseits Externalitäten besitzen und andererseits unteilbar sind. 19 In der Anwendung auf kollektive Entscheidungen wird die probabilistische Entscheidungsregel herangezogen. Ausgehend von der Kontrollverteilung im Gleichgewicht lassen sich kollektive 19 Vgl. Kappelhoff, Peter, S.103; Henning, Christian, S.l; Stokman, Frans und Reinier Van Oosten, The Exchange of Voting Positions: An Object-Oriented Model of Policy Networks, in: Bueno de Mesquita, Bruce und Frans Stokman, S.l06f.

236

J. Modellteil

Entscheidungen modellieren, wenn man von dichotomen Issuedimensionen ausgeht, die mit + und - gekennzeichnet werden. 20 Die probabilistische Entscheidungsregel besagt nun, daß die Summe der Kontrolle nach dem Tausch derjenigen, die für oder gegen ein Issue eingestellt sind, die Wahrscheinlichkeit dafür angibt, mit der das Issue in der einen oder der anderen Richtung entschieden wird. (14)

cj =

(15)

cj =

L cji

{i ls,i =+}

L cji

{ilsii=-}

mit s,i = sign (Y,i) und X,i = I Y,i I. Ist die Summe der Kontrolle nach dem Tausch von denjenigen, die ein Issue positiv (negativ) bewerten höher als derjenigen, die das Issue negativ (positiv) bewerten, so wird nach der probabilistischen Entscheidungsregel die Annahme (Ablehnung) des Issues vorhergesagt, so daß damit die kollektive Entscheidung feststeht. Coleman konzipiert demnach politische Entscheidungen als Ergebnis von Tauschprozessen auf einem vollkommenen Markt, bei dem, ausgehend von der Kontrollausstattung der Akteure und deren Interessenverteilung mit Bezug auf die zur Diskussion stehenden Issues, eine Gleichgewichtslösung gefunden wird, die in eine politische Entscheidung umgesetzt wird, so daß der Entscheidungsausgang prognostiziert werden kann. Gerade die probabilistische Entscheidungsregel hat große Kritik am CM hervorgerufen, da mit dieser Entscheidungsregel die Annahme der Nutzenmaximierung über die proportionale Ressourcenallokation nicht mehr aufrechterhalten werden kann. 21 Damit einher geht, daß Coleman selbst keine explizite Begründung für die Ableitung der Nutzenfunktion U, im Falle kollektiver Entscheidungen erbracht hat, so daß sich bei kollektiven Entscheidungen der Nutzen ja aus dem Ausgang der Entscheidung und nicht aus der Kontrolle für ein bestimmtes Issues ergibt, was möglicherweise - nach der probabilistischen Entscheidungsregel - gegen die eigene Position entschieden wird. Zudem wird kritisiert, daß die "individuelle Nachfrage nach den jeweiligen Kontrollressourcen [...]allein aus dem Interesse (der Präferenz) der Akteure an den einzelnen Issues abgeleitet wird"22 • Das heißt, im CM werden keine Infor20 Vgl. Coleman, James S., 1986; Pappi, Franz U. und Peter Kappelhoff, 1984; König, Thomas, 1992; Kappe1hoff, Peter, S.106. 21 Ebd.; Stokman, Frans und Reinier Van Oosten; Henning, Christian, S.6. 22 Vgl. Henning, Christian, S.7.

III.Modelle

237

mationen der Akteure über die anderen Akteure und deren Positionen und Kontrollausstattungen berücksichtigt. Nehmen beispielsweise alle Akteure die gleiche Position zu einem Issue ein, so erscheint es wenig rational dennoch Kontrolle nach diesem Issue nachzufragen, da der Entscheidungsausgang bereits durch die Positionen feststeht. Der Preis für ein solches Issue sollte entsprechend gegen Null gehen. Ausgehend von dieser Kritik am CM hat Henning (1994) eine Erweiterung mit dem LES-Grundmodell vorgeschlagen, die diese Kritikpunkte berücksichtigt. Insbesondere wird die Nutzenfunktion der Akteure explizit abgeleitet. Zudem werden in dem Modell die Positionen und Interessen der anderen Akteure für die eigene Kontrollnachfrage in Form von politischen Commitments berücksichtigt.23 Das Modell bedeutet zudem eine Erweiterung als nunmehr nicht mehr nur dichotome lssues sondern auch kontinuierliche Issues analysiert werden können. War im alten CM eine Entscheidung über einen Turm auf: Bauen: Ja/Nein begrenzt, so können nun beispielsweise auch Präferenzen über unterschiedliche Höhen des Turms abgebildet werden. Wie im CM wird ein geschlossenes System vorausgesetzt, welches aus einer Menge von Akteuren oder politischen Agenten i (i=l, ... , n) und aus einer politischen Entscheidung E, die sich in m Issuedimensionen G=l, ..., m) (ei) zerlegen läßt, besteht. Für jeden Akteur i wird eine zweistufige Nutzenfunktion bezüglich der politischen Entscheidung E = (el' ..., ei) angenommen: auf der unteren Stufe werden jeweils "single-peaked preferences"24 unterstellt, so daß angenommen wird, daß die Akteure eine konsistente Präferenz zwischen ihrer eigenen und der kollektiven Entscheidung haben, die sich als Distanz zwischen ihrer angegebenen und der kollektiven Position ergibt: (16)

uiiei)=l-~(yii-eit

23 Der Begriff der Commitments ist auf das Linear Expenditure System (LES) von Stone ( 1952) zurückzuführen. Commitments bedeuten in der Konsumtheorie güterspezifische Parameter, die preis- und einkommensunabhängig sind. Mit den Commitments werden in Bezug auf politische Entscheidungen die Positionen der Systemteilnehmer für die eigene Kontrollnachfrage einkalkuliert. Vgl. Stone, J.R.N., Linear Expenditure Systems and Demand Analysis: An Application to the Pattern of British Demand, Economic Journal, Vol.64, S.5ll-527; Henning, Christian, und Jurek Michalek, Innovatives Verhalten für Nahrungsmittel? - Ableitung und Schätzung eines auf Nahrungsmittel fokussierten kompletten Nachfragesystems unter Berücksichtigung von zeitlichen Präferenzänderungen, Agrarwirtschaft, 41, Heft 11, 1992, S.330-342. 24 Die Haupteigenschaft der individuellen, eingipfligen (ordinalen) Präferenzen besteht darin, daß ein Idealpunkt o ' existiert, so daß der Nutzen eines Akteurs sich verringert, je weiter man sich von dem Idealpunkt entfernt. Ordeshook, Peter, C., A Political Theory Primer, Routledge, New York, London, 1992, S.31f. Vgl. auch Bueno de Mesquita, Bruce und Frans Stokman, 1994; die in ihren Modellen die gleiche Annahme der "single-peaked preference curves" treffen.

238

J. Modellteil

Auf der oberen Stufe werden die einzelnen Issuedimensionen m emer Cobb-Douglas Spezifikation verbunden, so daß gilt: (17)

vi(uJ=

Ii

{uij(ej)tJ

j=l

Wie im CM bezeichnet die Matrix X;J das Interesse der Akteure an den Issues. Die Interessenmatrix wird zeilennormiert, so daß gilt:

L m

(18)

Xjj =1

j=l

Mit Y;J wird die Position eines Akteurs auf der jeweiligen Issuedimension bezeichnet. Wie bereits ausgeführt, werden die Issuedimensionen als stetig angenommen. In Analogie zum CM ist jeder Akteur mit bestimmten Kontrollressourcen C;J ausgestattet, die es ihm erlauben, Einfluß auf die Entscheidung E bzw. die Issues j zu nehmen. In Abweichung zum CM wird für die Entscheidungstindung nicht mehr die probabilistische Entscheidungsregel vorausgesetzt. Die politische Entscheidung soll vielmehr als gewichteter Mittelwert der einzelnen Issuedimensionen abgebildet werden. 25 Als Gewicht dient die Kontrollausstattung C;J der Akteure. Damit wird angenommen, daß gilt: (19)

ej = ! Cijyij• i=l

mit:! Cij = 1 i=l

Dies bedeutet, daß für Verhandlungs- oder Entscheidungssituationen davon ausgegangen wird, daß keine binären Abstimmungen über einzelne (eindimensionale) Policy-Dimensionen und Issues stattfinden26, sondern daß Verhandlungslösungen multidimensionaler Entscheidungen aus der politischen Diskussion zwischen den Verhandlungspartnern resultieren, in der Kompro25 Vgl. Stokman, Frans N. und Jan M.M. Van Den Bos, A Two-Stage Model of Polkymaking with an Empirical Test in the U.S. Energy-Policy Domain, in: Moore, Gwen und J. Allen Whitt, The Political Consequences of Social Networks, Vo1.4, Jai Press Inc., Greenwich, Connecticut, 1992, S.219-254, hier S.235; ebenso Stokman, Frans N. und Reinier Van Oosten, S.l14. Während Stokman/Van den Bos und Stokman/Van Oosten den gewichteten Mittelwert als Entscheidungsregel ihrer Tauschmodelle 'ad hoc'annehmen, zeigt Henning (1995), daß sich der Mittelwert als einzige und eindeutige kooperative Nash-Lösung ergibt, wenn der Shapley/Shubik-Index als nicht-kooperativer Erwartungswert als Konfliktpunkt im Nash-Modell benutzt wird. Vgl. Henning, Christian, The Coleman Model Revisited, 1994, unpublished Paper. 26 Während bei eindimensionalen Entscheidungen der Median gewöhnlich als Lösung herangezogen wird (Black, Duncan, The Theory of Committees and Elections, Kluwer, Bosten et al., 1987, first published in 1958), ist unwahrscheinlich, daß bei multimensionalen ein Median in alle Richtungen existiert, so daß dieses Konzept bei den hier betrachteten Entscheidungen nicht angewendet werden kann. Vgl. Ordeshook, Peter, C., Game Theory and Political Theory, Cambridge University Press, 1986, S.37l.

III.Modelle

239

mißlösungen als gewichteter Mittelwert der Akteure konstruiert werden. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangskontrolle werden unterschiedliche Einflußchancen der Akteure in den Verhandlungen modelliert. Am CM wurde problematisiert, daß die Akteure ihre Kontrolle unabhängig von den Positionen der übrigen Verhandlungspartner einsetzen. In der Erweiterung von Henning wird angenommen, daß jeder Akteur (ego) subjektive Vorstellungen über die Kontroll- und Positionsverteilung der Akteure (alter) besitzt, so daß er einen Erwartungswert YEii bilden kann, der die Entscheidung der übrigen Systemteilnehmer antizipiert. Dabei wird einschränkend davon ausgegangen, daß ein Akteur i keine Tauschprozesse zwischen den übrigen Akteuren k:;ti berücksichtigt, sondern die ursprüngliche Kontroll- und Positionsverteilung zur Berechnung seines Erwartungswertes benutzt. Daraus folgt für den Erwartungswert: (20)

E ~ cki yij = .4.J 1- c.- ykj

IJ

k .. i

Unter diesen Voraussetzungen läßt sich jede Entscheidung e; als Funktion der von Akteur i explizit realisierten Kontrolle auffassen: (21)

ei =Ciiyij +(1-Cji) Yif

Setzt man diese Gleichung (21) in Gleichung (17) ein, so folgt daraus:

TI (1m

(22)

vi(ui)=

j=l

J.lij + J.lij cijrij

=u:(cJ.

r---~

mit: J.lij = (Yii- Yif)

2

u· ist konkav und monoton steigend in Ci, solange 0 < ll :5; l gilt. Restriktiv ist daran die Forderung J.L > 0, da dies bedeutet, daß die Position eines Akteurs nicht mit der erwarteten Entscheidung des Systems zusammenfallen darf, da in diesem Fall die unten abgeleitete LES-Funktion nicht definiert wäre.

Die Nutzenfunktion u· kann als ordinale Nutzenfunktion interpretiert werden, so daß diese Funktion bis auf eine lineare Transformation eindeutig bestimmt ist. Jede lineare Transformation von u· bildet daher die Präferenzen der Akteure eindeutig ab. Daher kann analog folgende Nutzenfunktion gewählt werden, die gerade dem LES~System von Stone entspricht:

240

J. Modellteil

(23) ~ .Uij-1 nut:ur=-0

J

J.l.ij

01 = (oil, ..., oim) kann als Vektor der politischen Comrnitments verstanden werden. Damit wird ausgedrückt, daß die Kontrollnachfrage eines Akteurs von seiner Position bezüglich der einzelnen Issuedimensionen abhängig ist. Je näher ein Akteur mit seiner Position an der kollektiven Position des Systems, das heißt, anderer mächtiger Akteure im System liegt, desto mehr profitiert er von dieser Konstellation. Analog zum CM läßt sich aus der oben abgeleiteten LES-Funktion das Gesamtangebot und die Gesamtnachfrage für Kontrolle bei einem Marktpreis vi ableiten. Für das Gesamtangebot folgt daher: Sj

(24)

=! i= l

(cji- Öji) Vj = vf

Die Gesamtnachfrage bestimmt sich ebenfalls analog dem CM: Dj =

(25)

L n

i=l

(cji -öji) vj =

L n

i=l

xij

pf

Die Marktmacht oder Kaufkraft der Akteure ergibt sich entsprechend als:

pf =

(26)

o

L m

vk (cki -öki)

k=l

Da ~ 0 ist Marktmacht der Akteure i aufgrund der politischen Commitments, bzw. der Position der Akteure nahe der Systemposition, höher als zuvor im CM. P"1 läßt sich darstellen als: (27)

pf

=(Pi-! J=l

Öij Vjl

Danach entspricht P1 der Coleman Macht, die allein auf der Kontrollverteilung beruht; hingegen wird mit P"1 die Macht eines Akteurs ausgedrückt, die zusätzlich aus seiner Position im Gesamtsystem resultiert. Man erhält das Marktgleichgewicht auf der Makroebene durch Gleichsetzen 27 von Angebot und Nachfrage : 27 Die folgenden Ableitungen gelten nur unter Bedingung, daß die für jeden Akteur i und für jede Kontrollressource j gilt: C'1 ~ 0, für die Gleichgewichtspreise v'. Diese Bedingung ist eigentlich restriktiV. da sich 'empirisch zeigt, daß die c' - Matrix in vielen zu negativen Nachfragen führt.

III.Modelle

241

definiert man nun:

(29)

und bezeichnet mit X die Interessenmatrix X11, so folgt aus Gleichung (29): (30)

v0 = v° C0 X

Damit resultiert, da sowohl C 5 als auch X reihenstochastische Matrizen sind, daß die Eigenvektorgleichung immer eine Lösung hat. Die letztendlichen Relativpreise v lassen sich unter Kenntnis der politischen Commitments (Ö11) direkt aus dem Vektor v5 berechnen. Inhaltlich subsumiert die Matrix C5 als Kontrollmatrix sowohl die ursprüngliche Ausgangskontrolle als auch die Kontrolle die zusätzlich aus einer strategisch günstigen Position im System erwächst. Dementsprechend können die politischen Commitments als zusätzliche Ressourcen interpretiert werden, die die Macht der Akteure je nach ihrer Position im System erhöhen. Da die Commitments einkommens- und preisunabhängige Parameter darstellen, sind sie allerdings nicht handelbar (nontradable). Kontrolltausch ist weiterhin auf die ursprünglichen Kontrollressourcen beschränkt. Mit der Erweiterung des CM auf der Grundlage des LES-Tauschsystems können einige der Kritikpunkte, die dem .,linear system of action" von Coleman entgegengebracht wurden, gelöst werden. Insbesondere wird durch die Annahme einer zweistufigen Nutzenfunktion und .,single-peaked preference functions" der Nutzen der Akteure aus einer kollektiven Entscheidung nicht mehr nur aus dem Kontrolltausch abgeleitet, sondern direkt aus der getroffenen Entscheidung. Zudem kann durch die geänderte Entscheidungsregel, die jetzt als gewichteter Mittelwert definiert ist, auf die problematische probabilistische Entscheidungsregel verzichtet werden, so daß gleichzeitig stetige Issuedimensionen angenommen und untersucht werden können. Zur Zeit bereitet vor allem der Einbezug der politischen Commitments in den Kontrolltausch und die Entscheidungs/indung besondere Probleme. Da als Restriktion c·ij ;? 0 angenommen werden muß, ist das Modell in vielen Fällen derzeit nicht direkt lösbar. Eine Alternative bietet sich an, wenn man die politischen Commitments 16 Sclmorpfeil

242

J. Modellteil

ö = 0 setzt, so daß das LES-Modell technisch in das ursprüngliche CM rückführbar ist. Mit dem Verzicht auf die politischen Commitments wird inhaltlich für die Akteure des Systems eine Maxi-Min Strategie unterstellt.28 Die Akteure erwarten von dem System jeweils die schlechteste Alternative und setzten ihre mit den Marktpreisen gewichtete Kontrolle weiterhin proportional zu ihren Interessen ein. Mit der Maxi-Min Strategie wird eine pessimistische Verhaltensstrategie unterstellt, bei der garantiert wird, jeweils das beste aller schlechtesten Ergebnisse zu erreichen.29 Gerade im Fall von internationaler Verhandlungen erscheint die Annahme einer solchen Strategie als angebracht, da die internationalen Verhandlungspartner im allgemeinen auf ihre Souveränität bedacht sein werden und sich nicht durch internationale Regelungen in ihrer Handlungsfreiheit einschränken lassen wollen. In der weiteren Analyse wird das LES-Modell als Entscheidungsmodell eingesetzt, um Koalitionsentscheidungen vorhersagen zu können. Aufgrund der qualifzierten Mehrheitsregel im Ministerrat bei zwei der drei untersuchten Richtlinien konkurrieren Koalitionen unterschiedlicher Zusammensetzung darum, die letztlich gültige Entscheidung zu treffen. Obwohl die Bildung von Koalitionen kooperativer Natur ist, handelt es sich bei der Aufteilung des Koalitionsgewinns um ein KonfliktspieL Insgesamt müssen daher EUEntscheidungen als "mixed-motive" Spiele konzeptionalisiert werden, bei denen zwar eine Pareto-Verbesserung gegenüber dem Status-Quo erreicht wird, die kooperativer Natur ist, jedoch bedeutet die Bestimmung des Punktes auf der Tauschkurve, die die Entscheidung definiert, einen Konflikt zwischen den 30 Verhandlungspartnern. Die Tauschkurve der Edgeworth Box kann technisch auch als Kern eines Spiels definiert werden. Auf der Tauschkurve gibt es keine Verteilung, die durch eine andere Verteilung dominiert wird. Daher sind alle PUnkte auf der Tauschkurve Pareto-optimal.31 Mit dem LES-Modell wird eine Entscheidungsregel angeboten, einen speziellen Punkt auf dieser Tauschkurve zu lokalisieren, die dem Modell des vollkommenen Marktes entspricht, bei dem dieser Punkt aufgrund der atomistischen Struktur und der Vielzahl von Anbietern und Nachfragern durch das Preisverhältnis definiert wird. Da es sich bei EUEntscheidungen um ein "bargaining"-Problem handelt, erscheint die Annahme einer risikoaversen Verhaltensstrategie gerechtfertigt.

Henning, Christian, 1995. Vgl. Rapoport, Anatol, Mathematische Methoden in den Sozialwissenschaften, Physica Verlag, Würzburg, 1980, S.341 ; Ordeshook, Peter C., 1986, S.149ff. 30 Vgl. Scharpf, Fritz W., 1985; Garret, Geoffrey und Barry W. Weingast; Ordeshook, Peter C., 1992, S.263. 31 Coleman, James S., 1990, S.680. 28

29

III. Modelle

243

Mit dem Konzept des Kerns wird ein weiterer Schwerpunkt der empirischen Untersuchung angesprochen. Aufgrund der Koalitionsbildungen Im Falle von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen soll der Kern als Lösungskonzept herangezogen werden, um Pareto-optimale Lösungen zu bestimmen, die die letztendliche Entscheidung ausmachen. In der empirischen Analyse wird das LES-Modell auf jede mögliche "minimal-winning" Koalition angewandt. Das heißt, es gilt eine Auswahl zu treffen unter den Entscheidungen einer jeden Koalition. Zu diesem Zweck wird im folgenden Kapitel das Lösungskonzept des Kerns dargestellt, welches in der empirischen Analyse der Richtlinien zur Anwendung kommt.

2. Der Kern Die Bildung von Koalitionen wird relevant, wenn eine Abstimmungsregel vorgegeben ist, die weniger als die Einstimmigkeit verlangt. Für die EU gilt dies einerseits bezüglich der qualifizierten Mehrheitsregel im Ministerrat und andererseits für die Abstimmungen des Europäischen Parlaments, die die einfache oder die absolute Mehrheit erfordern. Beide Verfahren sind miteinander verknüpft, so daß es sich tendenziell um ein bi-kamerales System handelt; unter Einbezug der Kommission, die ja faktisch ein Vetorecht gegenüber den Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments ausübt, sogar um ein trikamerales System. Der Kern ist ein in der kooperativen N-Personen Spieltheorie lange bekanntes Lösungskonzept, das die Prognose von Entscheidungsausgängen beabsichtigt. Voraussetzung für die sinnvolle Anwendung des Kerns sind Abstimmungsspiele und die Möglichkeit zur Bildung von Koalitionen, wie es im Falle der EU-Entscheidungen durch die qualifizierte Mehrheit gegeben ist. Eine Koalition korrespondiert zu einer Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Spielern, ihre Aktivitäten so zu koordinieren, daß sie eine Aufteilung erreichen, die für die Koalitionsmitglieder von höherem Nutzen ist als unkoordinierte Aktionen bedeuten würden. Mit der Annahme der Koalitionsbildung stellen sich verschiedene Fragen, die sich insbesondere darauf beziehen, welche Koalitionen sich bilden werden bzw. wie innerhalb einer Koalition eine Vereinbarung durchgesetzt werden soll. Dies bedeutet, ob zwischen den Mitgliedern der Koalition bindende Vereinbarungen eingegangen werden können. Im folgenden wird zunächst von dem Konzept der charakteristischen Funktion (von Neumann/Morgenstern) und dem der "minimal-winning coalitions" ausgegangen, wie es von Riker (1962) definiert wurde.

244

J. Modellteil

Bezeichnet man mit N = { 1,2, ... , n} das Set aller relevanten Akteure einer speziellen Situation, und definiert eine Partition von N als das Set C = {C1, C2, ... }, das N in erschöpfende und disjunkte Untermengen teilt, so bedeutet C die Koalitionsstruktur. Im Falle der EU, bei n = 12 Mitgliedstaaten existieren beispielsweise 2" -1 Koalitionen, wenn man die leere Koalition nicht mit berücksichtigt. Die charakteristische Funktion v(C) weist jeder dieser Koalitionen einen Auszahlungsvektor zu. Damit wird die Auflistung aller Nutzen bzw. Auszahlungen angezeigt, die sich jede mögliche Koalition von Spielern sichern kann, wenn sie ihre Strategien rational koordiniert. Die Zuweisung basiert auf der Annahme, daß jede Koalition mit der schlechtesten möglichen strategischen Situation konfrontiert ist, nämlich, daß sich eine Gegenkoalition der Spieler bildet, die nicht in der Koalition enthalten sind. 32 Die charakteristische Funktion reduziert damit das Spiel auf eine Vielzahl hypothetischer 2-Personenspiele zwischen den komplementären Koalitionen.

Formal: wenn u = (u1, u2 , ... , u.) einen Nutzenvektor darstellt, und u; ist i's Auszahlung dann bedeutet die charakteristische Funktion, v(C), einer Koalition C die Menge an Nutzenvektoren, so daß C jedem seiner Mitglieder eine Auszahlung von u•• durch die Annahme einer gemeinsamen Strategie sichern kann. Wenn w; ::::; u'; für alle i E C, dann ist w = (w1, W 2, ... , w.) in v(C). Ein Spiel in Form einer charakteristischen Funktion (v, N, U) ist dann definiert über jede Menge C aus N; und U stellt eine Menge möglicher Nutzenverteilungen dar.

In einem einfachen Spiel ist eine Koalition entweder eine Gewinnkoalition, eine Verlustkoalition oder, wenn Pattsituationen aufgrund der Abstimmungsregel und der Anzahl an Spielern oder qualifizierte Mehrheiten erforderlich sind, eine blockierende Koalition. Eine "minimal-winning" Koalition ist definiert als: w·, als eine Teilmenge von W, der Menge aller Gewinnkoalitionen, ist eine "minimal-winning" Koalition, wenn für alle C in w' und für alle i in C gilt: C {i} gewinnt nicht. Formal: w· = {c E w I für alle i E C, c - {i} ist nicht in

W}.

Für die EU-Entscheidungen im Verfahren der Zusammenarbeit bedeutet das Konzept der "minimal-winning" Koalitionen, daß eine Koalition mindestens die qualifizierte Mehrheit im Ministerrat erreichen muß und dabei gleichzeitig von der Kommission und dem Europäischen Parlament unterstützt wird, da der Rat mit qualifizierter Mehrheit nur entscheiden kann, wenn sowohl Kommission als auch EP zustimmen. Eine weitere wichtige "minimal-winning" Koalition 32 Diese Annahme ist nicht immer unbedingt sinnvoll, wie das Beispiel des Ölkartells aus den 70-er Jahren zeigt, als die geschädigten Staaten nicht geschlossen gegen das Kartell vorgingen. Gerade Rent-seeking Strategien beruhen unter anderem darauf, daß sich keine Opposition aufbaut. Folglich sollte diese Annahme nur auf geschlossene Systeme, die die Möglichkeit von Gegenkoalitionen zulassen, angewendet werden. Für den europäischen Ministerrat kann dies allerdings vermutet werden.

III.Modelle

245

stellt die einstimmige Entscheidung im Ministerrat gegen die Kommission und das Europäische Parlament dar. "Minimal-winning" Koalitionen sind von dem Konzept der kritischen Koalitionen bzw. der Pivot-Spieler zu unterscheiden, das zur Berechnung der Machtindizes angewendet worden ist. Während in kritischen Koalitionen mehr Mitglieder als zur Erreichung der Mehrheit vertreten sein können, sind "minimal-winning" Koalitionen gerade dadurch definiert, daß jedes Mitglied durch seinen Austritt die Koalition zum Scheitern bringen kann. 33 Im folgenden wird unterstellt, daß EU-Entscheidungen immer auf der Grundlage von "minimal-winning" Koalitionen getroffen werden, da die Mitglieder einer Koalition - unter der Annahme der Maxi-Min Strategie - keine Anreize haben, mehr Mitglieder als unbedingt nötig in die Koalition aufzunehmen.34 Aufgrund der Verbundenheit des europäischen Entscheidungssystems als Mehrkammersystem ist darauf hinzuweisen, daß auch die einstimmige Ministerratsentscheidung als "minimal-winning" Koalition definiert ist. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, daß durch die Analyse von Koalitionsentscheidungen der EU auch einstimmige Entscheidungen innerhalb einer Richtlinie als rationale Strategie der Ratsmitglieder angenommen werden können. Aufbauend auf der charakteristischen Funktion fragt die Spieltheorie erstens danach, welche Koalition sich bilden wird und zweitens, wie die Koalitionsgewinne aufgeteilt werden sollen. Es entsteht also innerhalb einer Koalition auch ein Verteilungsproblem, welches prinzipiell den oben beschriebenen Mustern folgt, da die Entscheidungen innerhalb einer einmal feststehenden Koalition einstimmig getroffen werden müssen. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Koalitionen selbst in der Regel prekär sind, da jedes Koalitionsmitglied mit seinem Austritt drohen kann, sollte es in einer anderen Gewinnkoalition einen gleichen oder höheren Nutzen erzielen können. Die Koalitionsbildung hängt folglich sowohl vom Gesamtgewinn wie auch dessen Verteilung unter den Koalitionsmitgliedern ab. Dadurch tritt neben die individuelle Rationalität, die kollektive Rationalität. Während individuelle Rationalität bedeutet, daß sich ein Spieler nur dann einer Koalition anschließen wird, wenn seine Auszahlungen höher sind als das Ergebnis, das er alleine erzielen kann, 33 Laver/Schofield unterscheiden dementsprechend auch zwischen "minimalwinning"- und "minimum-winning"-Koalitionen. Laver, Michael und Norman Schofield, Multiparty Govemment. The Politics of Coalition Formation in Europe, Oxford University Press, 1990, S.94. 34 Dies bedeutet gleichzeitig die Annahme eine hierarchischen Bargaining-Prozesses bei dem zunächst die "minimal-winning" Koalition nach "policy-blinden" Kriterien ausgewählt wird, ehe innerhalb der Koalition eine Entscheidung ("policy-seeking") getroffen wird. Vgl. Laver, Michael und Norman Schofield, S.137ff.; Grofman, Bernard, A Dynarnic Model of Protocoalition Formation in Ideological n-space, in: Behavioural Science, 27, 1982, S.77-90.

246

J. Modellteil

besagt die kollektive Rationalität, daß keine Teilgruppe von Spielern Auszahlungen akzeptieren wird, die geringer sind als die, die sie erzielen könnten, schlössen sie sich zu einer Koalition zusammen. Formal bedeutet individuelle Rationalität, daß ein Spieler in einer Koalition mindestens soviel erhalten muß, wie ihm bereits die charakteristische Funktion zuweist, sollte er alleine spielen, das ist v( {i }). Daher wird er nur eine Aufteilung des Koalitionsgewinns akzeptieren, die folgende Ungleichung erfüllt: x, ~ v({i})

(1)

In ähnlicher Weise wird eine Gruppe von Spielern keine geringeren Auszahlungen akzeptieren als sie sich selbst sichern kann. Diese Bedingung definiert die Gruppenrationalität oder Pareto-Optimalität der Auszahlungen: l:,"'N x, = v(N)

(2)

Gleichzeitig wird man erwarten können, daß eine Gruppe von Spielern nicht weniger akzeptiert als sie erhalten könnte, wenn sie sich nicht zu einer Gruppe formieren würden. Damit wird die kollektive Rationalität der Koalitionsbildung angesprochen. Formal: (3)

l:, .. c x, ~ v(C), für alle C in N

Die Menge der Auszahlungen, die der individuellen und kollektiven Rationalität genügen, werden Imputationen genannt. Sie konstituieren den Kern eines Spiels. Der Kern eines Spiels ist identisch mit der Kontraktkurve der Edgeworth-Box. 35 Alternativ kann der Kern eines Spiels auch als die Menge der nicht-dominierten Imputationen bezeichnet werden. Der Kern eines Spiels in Form einer charakteristischen Funktion ist definiert als die Menge der nicht dominierten Auszahlungsvektoren in X. 36 1. Stellt X die Menge aller möglichen Auszahlungen dar, so korrespondiert zu X eine Menge von Nutzenvektoren, die die Auszahlung eines jeden Spielers i (i = 1, 2, ... , n) mit Bezug auf jede spezifische Auszahlung bezeichnen. u = (u,, u2, ... , u.) sei ein spezifischer Vektor in X. 2. Eine Koalition C präferiert u gegenüber u' wenn, und nur wenn u, > u·, für alle i in

c.

3. Eine Koalition C sei definiert als effektiv für u aus X, wenn die Mitglieder von C ihre Aktivitäten derartig koordinieren, daß jedes Mitglied i von C wenigstens eine Auszahlung von u, erhält. v(C) bezeichnet die Menge an Auszahlungsvektoren für die C effektiv ist. 4. u dominiert u', wenn wenigstens eine Koalition existiert, die für u effektiv ist und die u gegenüber u' präferiert. 35 Shubik, Martin, Edgeworth Market Games, in: Tucker A.W. und R.D. Luce (Hrsg.), Contributions to the Theory of Games, Vol.4, Princeton, NJ,: Princeton University Press, 1956. 36 Vgl. zum Folgenden: Ordeshook, Peter C., 1992, S.268; ders., 1986, S.340ff.; Zagare, Frank C., S.74ff.; Rapoport, Anatol, 1980, S.267f.

III. Modelle

247

Der Kern eines kooperativen n- Personenspiels stellt dann die Menge aller nicht dominierten Elemente von X dar. v'(C) bezeichnet dann die Menge der Auszahlungen, von denen man sich nicht wegbewegen kann, ohne daß sich alle Mitglieder von C gleichzeitig besser stellen. Daher gilt: ein Nutzen n - Tupel ist im Kern eines Spiels, wenn, und nur wenn, es in v'(C) ist für alle Koalitionen C. Der Kern eines Spiels stellt daher die Schnittmenge aller nicht dominierten Auszahlungsvektoren aller Koalitionen C dar. Im Unterschied zu der Definition der strikten Dominanz, die in Punkt 2 angegeben wird, wird im folgenden von einer weicheren Dominanzrelation ausgegangen: eine Koalition C präferiert u gegenüber u' , wenn für u1 2: u'1 gilt und für mindestens ein~> u't, mit i,k = (1, 2, ... ,n) e C. Politische Entscheidungen, die auf der Grundlage von "minimal-winning" Koalitionen getroffen werden, sind immer durch die Konkurrenz anderer Koalitionen gefaludet. Stellt sich nur ein Mitglied einer Koalition in einer anderen Koalition besser, während die übrigen Koalitionsmitglieder indifferent sind, so reicht dieses aus, um die Koalition zum scheitern zu bringen. Die Koalition ist nicht Pareto-optimal, da sich wenigstens ein Mitglied der Koalition in einer anderen Koalition besser stellen kann. Durch die Annahme der zweistufigen Nutzenfunktion für die Akteure besteht zudem nicht die Voraussetzung frei transferierbaren Nutzens. Die Akteure leiten ihren Nutzen unmittelbar aus ihren idealen Policy-Positionen im Vergleich zu den Issuepositionen, die eine Koalition - unter der Annahme einer bestimmten Entscheidungsregel treffen kann, ab. Mit der Bildung einer Koalition wird auch die Entscheidung der Koalition auf die Issuepositionen festgelegt, die die Verteilungsfragen zwischen den Koalitionspartnern thematisieren. Durch die "weichere" Dominanzrelation wird zudem der Kern des Spiels verkleinert. Da es im folgenden um die empirische Prognose von politischen Entscheidungen geht, erscheint diese Einschränkung gerechtfertigt, um möglichst kleine Kerne als Lösungen voraussagen zu können. Koalitionstheorien in der spieltheoretischen Anwendung lassen sich in zwei Klassen unterteilen: zum einen in theoretische Ansätze, die alleine auf die Macht der Akteure abstellen, die als erklärende Variable benutzt wird und zum anderen in Ansätze, die explizit die Policy-Position der Akteure mitberücksichtigen. 37 Zum ersten der beiden Ansätze zählt beispielsweise die Berechnung von Machtindizes, die eine a priori Wahrscheinlichkeit für die langfristige Durchsetzung der Akteure bei politischen Entscheidungen vorhersagt. 38 In diese Klasse fallen auch Theorien, die sich auf die Koalitionsgröße beziehen. 37 Vgl. van Deemen, A.M.A., Coalition Formation in Centralized Policy Games, Journal ofTheoretical Politics, 3(2), 1991, S.139. 38 Vgl. Kapitel D.

248

J. Modellteil

Das Konzept der "minimal-winning" Koalitionen oder das "size-principle" von Riker39 wären hier zu nennen. Neben diesen eher strukturalistischen und "policy-blinden" Theorien existieren Ansätze, die explizit die Policy Position der Akteure als Variable der Koalitionsbildung einkalkulieren.40 Mit diesen Ansätzen wird unterstellt, daß die Koalitionsbildung zwischen konkurrierenden Parteien oder Akteuren in Abhängigkeit ihrer ideologischen Nähe besser prognostiziert werden kann als alleine durch die jeweilige Machtkonstellation. Im allgemeinen leisten policy-orientierte Theorien bes-sere Vorhersagen als nur machtorientierte Theorien.41 Besondere Probleme entstehen jedoch, wenn die Koalitionsbildung aufgrund von multidimensionalen Positionen vorausgesagt werden soll. Die Ansätze von van Deemen und de Swann bspw. nehmen eine ordinale, eindimensionale rechts-links Verteilung der Parteien an, so daß es leicht fallt, ideologisch nahestehende Parteien miteinander zu verbinden. Im Falle multidimensionaler Entscheidungen hingegen werden die Positionen der Akteure durch einen n-dimensionalen Raum der Issuedimensionen definiert, wobei es unwahrscheinlich ist, daß die Akteure sich über alle Issuedimensionen auf einer gemeinsamen Skala ordinal verorten lassen, die für die Koalitionsbildung erklärend sein könnte.42 Aus diesem Grund wird das Konzept des Kerns in der hier vorgestellten Anwendung in zweierlei Hinsicht überprüft: zum einen wird für die Richtlinien, die mit qualifizierter Mehrheit entschieden wurden oder werden, für jede "minimal-winning" Koalition ein LES-Modell berechnet, welches jede Koalition mit einer eindeutigen Entscheidung verbindet. Da es im System der EU insgesamt 136 "minimal-winning" Koalitionen gibt, werden folglich 136 Modelle berechnet. Jeder Koalition und jedem Mitglied außerhalb der Koalitionen43 kann dann ein Nutzenvektor zugeschrieben werden, der unmittelbar aus der getroffenen Entscheidung und seinen eigenen Policy-Positionen resulRiker, William H., 1962. Van Deemen, A.M.A.; de Swann, Abram, Coalition Theories and Cabinet Formations, Elsevier Scientific Publishing Company, Amsterdam, 1973; Axelrod, Robert, Conflict of Interest, Markham, Chicago, 1970; McKelvey, Richard D. and Peter C. Ordeshook, Competitive Coalition Theory, in: Ordeshook, Peter C. (Hrsg.), Game Theory and Political Theory, New York, New York University Press, 1978, S.l-39. 41 Van Deemen, A.M.A., S.l40. 42 Vgl. räumliche Modelle der Parteienkonkurrenz von Pappi Vgl. Pappi, Franz U., Räumliche Modelle der Parteienkonkurrenz: Die Bedeutung ideologischer Dimensionen, in: Falter, Jürgen W., Rattinger, Hans und Klaus G. Troitzsch (Hrsg), Wahlen und politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, Peter Lang, Frankfurt, 1989, S.5-28. 43 Da die Entscheidungen für alle Mitgliedstaaten der EU Gültigkeit haben, entsteht natürlich auch für die Akteure, die nicht in einer Koalition sind, ein Nutzen aus der Entscheidung der Koalition. 39

40

III.Modelle

249

tiert. Das Konzept des Kerns wird auf diese Koalitionsentscheidungen angewendet, da nur eine Entscheidung einer Koalition im Kern liegt, die nicht durch die Entscheidung einer anderen Koalition dominiert wird. Diese Prüfung der Koalitionsentscheidungen dient vor allem dazu, diejenigen Koalitionen und Nutzenvektoren zu eleminieren, die keine Pareto-Optimalität der Koalitionen gewährleisten. Die möglichen Lösungen der Richtlinien werden damit auf den Kern des Spiels als Schnittmenge aller nicht dominierten Nutzenvektoren44 beschränkt. Zum anderen werden für eine der untersuchten Richtlinien (Entsenderichtlinie) auf der Grundlage der diskreten Issuedimensionen alle Kombinationsmöglichkeiten der Issuemerkmale konstruiert. Jede Kombinationsmöglichkeit läßt sich über die Nutzenfunktion der Akteure in individuelle Nutzen umrechnen. Der Kern des Spiels resultiert sich dann als Schnittmenge aller nicht-dominierten (intern und extern stabilen) Nutzen n-Tupel, sofern ein Kern existiert. Dadurch wird eventuell der Lösungsraum der politischen Entscheidungen soweit eingeschränkt, daß eine Prognose der Entscheidung möglich wird. Dieses Lösungskonzept konnte nur für eine der Richtlinien angewendet werden, da die Zahl an Merkmalskombinationen mit der Zahl der Issuesdimensionen und -kategorien zu groß wird. Die Anzahl möglicher Auszahlungsvektoren steigt mit der Anzahl der Issues enorm an, so daß beispielsweise im Falle von 11 Issues einer politischen Entscheidung, mit durchschnittlich 4 diskreten Optionen, mehr als 2,3 Mio. mögliche Auszahlungsvektoren resultieren. Bevor auf die empirischen Daten und die Auswertung im einzelnen eingegangen wird, wird zunächst mit der "Nash-Bargaining-Solution" ein weiteres Konzept der n-Personen Spieltheorie vorgestellt, welches ebenfalls an den empirischen Daten getestet wird.

3. Die Nash-Bargaining-Solution45

Die Nash-Bargaining-Solution stellt ein axiomatisches Modell zur Bestimmung von Verhandlungsausgängen dar.46 Es geht einerseits darum, tatsächliche Verhandlungen zu modellieren, andererseits werden bestimmte Eigenschaften 44 Die in diesem Szenario gleichzeitig die Koalitionen bedeuten, da die Entscheidungen durch die Koalitionen bestimmt werden. 45 Nash, John F.; vgl. Luce, Duncan R. und Howard Raiffa, Gamesand Decisions, John Wiley and Sons, New York, 1957; Harsanyi, John C., 1977. 46 Holler, Manfred J. und Gerhard Illing, S.l9lf.; zu den axiomatischen "bargaining" Modellen zählt beispielsweise auch die Kalai-Smorodinsky-Lösung, die jedoch nur für 2-Personen Spiele definiert ist. Kalai E. und M. Smorodinsky.

250

J. Modellteil

(z.B. Fairneß, Gerechtigkeit, Effizienz) vorgegeben, die eine Verhandlungslösung haben sollte. Verhandlungen können als Prozeß charakterisiert werden, in dem eine Lösung auf der Tauschkurve bestimmt werden soll. Insofern handelt es bei Verhandlungen um "mixed-motive" Spiele. In der Spieltheorie werden axiomatische Modelle von solchen unterschieden, die eher auf den Verhandlungsprozeß und das eingehen von Konzessionen abstellen. Eine weitere Kategorie stellen Modelle dar, die sich mit den Taktiken und Strategien der Verhandelnden beschäftigen.47 Harsanyi hat gezeigt, daß sich das "Concession" -Modell von Zeuthen (1930), das Verhandlungen als Sequenz von gegenseitigen Konzessionen beschreibt, auf die Nash Bargaining Solution zurückführen läßt.48 Verhandlungen werden danach als das Eingehen von Konzessionen angesehen, wobei jeweils derjenige Spieler, der im Vergleich zu seinem Konfliktpunkt, der durch den Status-Quo definiert wird, mehr zu verlieren hat, die nächste Konzession eingeht. Nash hat fünf Bedingungen aufgestellt, die eine Verhandlungslösung erfüllen sollte49 : I. Individual Rationality: Jeder Spieler präferiert die Lösung der Verhandlungen

2.

3.

4.

5.

gegenüber seinem Konfliktpunkt Wenn u·. den Nutzen eines Spielers bei Erreichen der Verhandlungslösung bezeichnet, und u... den Nutzen eines Spielers, der ihm aus dem Konfliktpunkt bzw. dem Status-Quo e~ächst, so muß gelten: u·i Mean Std Dev Min Max Akteure .810 .914 Belgien 89 .868 .019 .024 111 .942 .849 .977 Deutschland .034 .448 .701 Dänemark 72 .554 .964 111 .919 .017 .894 Frankreich .034 .761 89 .681 .595 Griechenland 72 .732 .092 .416 .807 Irland .892 lll .829 .026 .773 Italien .030 .687 .815 Luxemburg 41 .739 .983 .015 .906 Niederlande 89 .949 .015 .798 .885 Portugal 89 .851 .813 Spanien 102 .720 .028 .631 .072 .225 .550 Großbritannien lll .446 .933 .016 .748 135 .918 Kommission .874 .031 .653 135 .791 EuroEäisches Parlament a) N gibt die absolute Mitgliedsschaft der Akteure in den 136 "minimal-winning" Koalitionen an. Die Durchschnittswerte beziehen sich hingegen auf alle 136 Koalitionen, da ein Akteur jede Koalition mit bestimmten Nutzen verbindet, selbst wenn er nicht für die Entscheidung verantwortlich ist. Betrachtet man die mittleren Nutzen, die die Mitglieder der Koalitionen von den Koalitionsentscheidungen erwarten, so zeigt sich, daß vor allem Großbritannien und Dänemark den geringsten Nutzen aus den Koalitionsentscheidungen zu erwarten haben, während die Bundesrepublik, Frankreich, die Niederlande und die Kommission die höchsten Nutzenerwartungen haben, unabhängig davon, welche Koalition entscheidet. Der Entscheidungsausgang der Richtlinie korrespondiert daher am ehesten mit den Positionen und Interessen dieser genannten vier Akteure. Anhand der Minima und Maxima zeigt sich zugleich, daß durchaus Unterschiede für die einzelnen Staaten bestehen, welche Koalition letztlich die Entscheidung trifft. Entsprechend können sich die Nutzen der Mitgliedstaaten in Abhängigkeit zu der jeweiligen Koalition erheblich verändern, so daß von Konflikten zwischen den Mitgliedstaaten über die Wahl der Koalition auszugehen ist. Die Nutzenerwartungen lassen kein eindeutiges Nord-Süd Gefälle für die Gemeinschaftsstaaten erkennen. Vielmehr scheinen Dänemark und Großbritannien und vielleicht Griechenland die Staaten zu sein, die am stärksten gegen die Richtlinie ausgerichtet waren. Daher sieht es so aus, als wären vor allem unterschiedliche Traditionen der Arbeitsrechtsgesetzgebung - gesetzlich definierte Mindeststandards im Unterschied zu kollektivvertragliehen Regelungenausschlaggebend für die Konfliktstruktur im Politikfeld der europäischen Sozialpolitik.

288

J. Modellteil

b) Ergebnisse der Arbeitszeitrichtlinie: Modellvergleich Im folgenden werden verschiedene Modellvarianten gegenübergestellt, die eine Prognose der Richtlinie erlauben sollen. Dabei handelt es sich einerseits um einfache Maßzahlen wie den Modal und den Mittelwert, andererseits werden zwei Varianten des CMs beschrieben sowie Ergebnisse der kooperativen Nash-Lösung. Da nicht alle Entscheidungen des CMs vorgestellt werden können, wird nur die Entscheidung der einstimmigen Ministerratskoalition als Prognose benutzt. Diese Wahl erscheint gerechtfertigt, da die Richtlinie- nach den Angaben des Rates - im Ministerrat einstimmig entschieden worden ist. Tabelle 43 Ergebnisse des Modellvergleichs zur Arbeitszeitrichtlinie

Nr Issues

Issue Modal Mean CM 1•> CM t> Nash VerbandPreise 14 lungserAkteure gebnis 1. Stunden Nachtarbeit .046 .385 .610 .698 .655 .615 .385 2. Tägliche Ruhezeit .064 .917 .887 .894 .826 .917 .917 3. Wöchentliche Ruhezeit .068 .729 .716 .735 .660 .729 .729 4. Max. Wöchtl. Arbeitszeit .226 .706 .752 .713 .701 .706 .706 5. Bezahlter Jahresurlaub .071 .800 .743 .790 .808 .800 .800 6. Maximale Nachtarbeitszeit .043 .333 .405 .356 .360 .333 .333 7. Sonntagsarbeit .077 0 .214 .106 .112 .012 0 8. Ausnahmeregelungen .057 .500 .357 .298 .172 .500 0 9. Ausnahme Verkehrssektor .051 .5 I 1 .643 .633 .861 .500 1.000 10. Ausgleich 48h Woche .221 - .402 .505 .587 .400 .500 11. Ebene der Sozialpartner .076 .400 .529 .506 .481 .417 .400 a) Lösung des Colernan-Modells über alle 14 Akteure. Die Kontrollverteilung des Shapley/Shubik-Index reflektiert die Entscheidungsregel im Verfahren der Zusammenarbeit. b) Ergebnis der einstimmigen Ministerratsentscheidung ohne Kornmission und Parlament. Die Kontrollverteilung des Shapley/Shubik-Index wurde über die Mitgliedstaaten auf 1 normiert. Daher haben die Mitgliedstaaten gewichtete Kontrolle über die Issues. Zum Vergleich wird weiterhin eine Lösung des CMs angeboten, die alle 14 Akteure umfaßt. Der Entscheidungsmechanismus im Verfahren der Zusammenarbeit wird in diesem Modell durch die Kontrollverteilung anhand des Shapley/Shubik-Index abgebildet. Dieser Vergleich erscheint angebracht, da dieses Modell die einfachere Variante gegenüber den komplexeren Koalitionsvergleichen darstellt. Im Rahmen eines Modelltests haben beide Varianten ihre Berechtigung. Es wird erwartet, daß das Koalitionsmodell eine bessere Prognose liefert als die einfache Anwendung des CMs (Tabelle 43). Die beiden Issues mit den höchsten relativen Preisen sind die Frage der maximalen Arbeitszeit und die Ausgleichszeiträume zur 48-Stunden Woche.

VI. Untersuchungsergebnisse

289

Diese Thematik wurde erst auf Vorschlag Frankreichs in die Richtlinie aufgenommen und entwickelte sich zu den Hauptstreitpunkten der Verhandlungen. Im Unterschied dazu haben die übrigen Issues nur geringes Gewicht und entwickelten nur eine vergleichsweise niedrige Kontrollnachfrage. Vergleicht man das Verhandlungsergebnis mit den Resultaten der einzelnen Maßzahlen der Modelle, so hat es den Anschein als lieferten die kooperative Nash-Lösung und der Modal die besten Vorhersagen. In fast allen Issues stimmen diese beiden Modelle mit den Werten des Verhandlungsergebnisses überein. Die Werte des Modal stellen nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner dar, sondern sind dem ersten Kommissionsvorschlag - mit Ausnahme der 48Stunden Woche, die erst später von der Kommission aufgegriffen worden ist, vergleichbar. Da die Nash-Lösung nahe an dem Verhandlungsergebnis liegt, könnte man schließen, daß die Mitgliedstaaten eine kooperative und weitgehend Pareto-optimale Lösung bezüglich der Entscheidung zur Arbeitszeitrichtlinie gefunden haben. In einem wichtigen Punkt entsprechen die Nash-Lösung und der Modal jedoch nicht dem Verhandlungsergebnis: in der Frage der "Ausnahmeregelungen". Die Richtlinie bestimmt eine Reihe von Ausnahmebestimmungen, die sich auf fast alle aufgeführten Issues beziehen. Durch diese Ausnahmen wird es möglich, von wesentlichen Mindeststandards der Richtlinie abzuweichen. Zwar ist dies im allgemeinen nur unter Zustimmung der Sozialpartner oder des Gesetzgebers der Mitgliedstaaten möglich, jedoch können dadurch die Bestimmungen der Richtlinie in weiten Teilen außer Kraft gesetzt werden. Der europäische Gesetzgeber hat auf diesem Wege eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten durchgesetzt, die insbesondere eine flexiblere Handhabung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und der Nachtarbeit sowie der dazugehörigen Bezugszeiträume und Ausgleichszeiten ermöglicht. Durch diese Ausnahmen, die einen großen Teil der Richtlinie einnehmen, können wesentliche Standards der Richtlinie - mit dem Einverständnis der Sozialpartner oder der zuständigen Behörden - gesenkt werden. Das Parlament wünschte bei Issue, daß wenigstens die Behörden keine Möglichkeit haben sollten, die Mindeststandards zu senken. Zudem sollte die sozialpartnerschaftliehe Ebene keine individuellen Abweichungen erlauben können. Auf der Ebene der einzelnen Issues wurde die Anzahl der Stunden, die als Nachtarbeit zählen, von 24.00 -5.00 Uhr festgesetzt. Dies entspricht einem Wert von .385, ein Ergebnis, welches alleine durch den Modal prognostiziert wird. Schwieriger ist die Einschätzung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten. Der Ministerrat hat hier 11 Stunden bzw. 35 Stunden beschlossen. Betrachtet man die zulässigen Ausnahmen von diesen Bestimmungen, tendiert das Verhandlungsergebnis eher nach unten, gewährt also im Prinzip geringere 19 Schnorpfeil

290

J. Modellteil

Ruhezeiten für bestimmte Teile der Arbeitnehmerschaft Dies wird mit Bezug auf die wöchentlichen Ruhezeiten offensichtlich, zu denen es in Art.S Abs.3 der Richtlinie heißt: "Wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände dies rechtfertigen, kann eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewählt werden." Die wöchentliche Höchstarbeitszeit wurde auf 48 Stunden festgesetzt. Der Modal, das Nash-Modell und die beiden Varianten des CMs liefern hier ähnlich gute Vorhersagen, während der Mittelwert stärkere Abweichungen auf diesem lssue zeigt. Ähnlich verhält es sich in bezug auf den "Bezahlten Jahresurlaub". Die Richtlinie bestimmt hier 4 Wochen bezahlten Jahresurlaub, von denen keine Ausnahmen möglich sind. Hier wird nur die Übergangszeit bis zur Umsetzung der Richtlinie von 3 auf 6 Jahre erweitert, in der mindestens 3 Wochen bezahlter Urlaub gewährt werden müssen. Diese Regelung kommt der griechischen Gesetzgebung entgegen, die dadurch eine längere Anpassungszeit erhält. Die "Maximale Nachtarbeitszeit" wird wiederum von Ausnahmebestimmungen berührt. Hier gelten annähernd die gleichen Ausnahmen, die auch für die Ruhezeiten in Frage kommen. Damit kann die maximale Nachtarbeitszeit über 8 Stunden hinaus verlängert werden, wenn eine der in der Richtlinie aufgeführten Ausnahmen angewendet wird. Das gleiche gilt für den Sonntag als obligatorischen Ruhetag. Grundsätzlich wird der Sonntag als Tag für die wöchentliche Ruhezeit vorgesehen, die Ausnahmen ermöglichen aber auch hier Abweichungen. Betrachtet man das Issue der "Ausnahmeregelungen", so fällt einerseits das Bemühen des Rates auf, Ausnahmen nur unter Einhaltung von entsprechenden Ausgleichszeiten zuzulassen. Andererseits wird dieses Ziel dadurch konterkariert, daß nur "ein angemessener Schutz" gefordert wird, sofern die "Gewährung solcher Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist"66 • Damit tendieren die Bestimmungen der Richtlinie gegen einen Wert von 0, der von keinem der Modelle exakt vorhergesagt wird. Das CM der einstimmigen Koalition des Rates (CM 2) gibt hier die beste Prognose ab. Der Verkehrssektor wurde grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen und nicht wie andere Sektoren in Form von Abweichungen berücksichtigt. Das CM der einstimmigen Entscheidung (CM 2) weist auch bei diesem Issue am deutlichsten in die Richtung der letztendlichen Entscheidung, während die anderen Modelle eher die Behandlung diese Sektors als Ausnahmekategorie vorhergesagt hätten. Bei den Bezugszeiträumen und den Abweichungen von der 48-Stunden Woche ist in der Richtlinie ein Bezugszeitraum von 4 Monaten (Art.l6,2) vorgesehen. Dieser kann durch tarifliche Vereinbarungen oder gesetzliche Regelungen auf zunächst 6 Monate ausgedehnt werden (Art.17,4 Abs.l) und, 66

Art. l7 der Arbeitszeitrichtlinie.

VI. Untersuchungsergebnisse

291

sofern objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Gründe dies rechtfertigen, mit dem Einverständnis der Sozialpartner sogar bis zu 12 Monaten erweitert werden. Hinzu kommt, daß es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, die 48-Stunden Woche gar nicht anzuwenden, wenn ein Arbeitnehmer sich individuell bereit erklärt hat, länger zu arbeiten (Art.l8,l.b)i)). Damit wurde einer Forderung Großbritanniens nachgegeben, die darauf hinausläuft, die Bestimmungen des Artikels gänzlich außer Kraft zu setzen. Obwohl die Frage der "Ebene kollektiver Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern" bis zuletzt einen Streitpunkt vor allem zwischen Frankreich und Deutschland darstellte, hat dieses Issue im Gesamtkontext der Richtlinie nur einen geringen Wert. Die Auseinandersetzung drehte sich vor allem um die Frage, ob Abweichungen von der Richtlinie durch die Sozialpartner auf Branchenebene oder auf Betriebs- und Unternehmensebene getroffen werden können. Die deutsche Delegation präferierte hier die Betriebs- und Unternehmensebene, Frankreich wollte die Branchenebene. Ein Wert von .4 spiegelt die Betriebs- und Unternehmensebene wider, während .6 der Branchenebene entspricht. Als Verhandlungsergebnis wurde .3 gesetzt, da bezüglich der 48Stunden Woche Ausnahmen sogar auf individueller Ebene vereinbart werden können. Für die übrigen Issues gilt jedoch .4 als Verhandlungsergebnis. Bezüglich dieses Issues liefern der Modal und die Nash-Lösung die besten Vorhersagen. Das CM 2 tendiert eher in die richtige Richtung als das CM 1. Der Mittelwert ist am weitesten entfernt von der tatsächlichen Verhandlungslösung. Damit läßt sich zusammenfassen: ohne Berücksichtigung der Abweichungen liefern der Modal und die Nash-Bargaining-Solution die besten Vorhersagen der Verhandlungen. Kalkuliert man die Möglichkeit von Abweichungen in das Ergebnis ein, so kommt das CM 2 der einstimmigen Ministerratskoalition dem Ergebnis am nächsten. Nur das Issue der "Stunden Nachtarbeit" wird vom CM 2 nicht korrekt prognostiziert. Der Vergleich der kooperativen Nash-Lösung mit den übrigen Modellen zeigt, daß diese Lösung dem Modal und auch dem Verhandlungsergebnis am nächsten kommt. Das kritische Issue stellt wie beim Modus die Frage nach den "Ausnahmeregelungen" dar. Insgesamt deutet die kooperative und Paretooptimale Lösung ein Verhandlungsergebnis an, welches der getroffenen Entscheidung sehr gut entspricht, ohne allerdings die Vielzahl an Abweichungsmöglichkeiten zu reflektieren. In der Interpretation scheint daher das auf Coleman basierende Modell CM 2 die Richtlinieninhalte besser auszudrücken, da mit diesem Modell implizit die Abweichungen wiedergegeben werden. Eine Pareto-optimale Lösung hingegen hätte darin bestanden, insbesondere auf die Ausnahmen, welche Abweichungen ohne die Gewährung von Ausgleichszeiten erlauben, zu verzichten. Gleiches gilt für die für Ausgleichszeiträume zur 48Stunden Woche, die nach diesem Modell bei ca. 4 Monaten liegen müßten.

292

J. Modellteil

Das Nash-Modell simuliert eine Lösung, die zwischen allen 14 Akteuren gefunden werden muß. Eine Analyse der Entscheidung auf der Basis nur der 12 Mitgliedstaaten mit dem Nash-Modell ergibt jedoch annähernd identische Werte. Daher kann sich die kooperative Lösung sowohl auf alle beteiligten Akteure beziehen als auch auf den Ministerrat alleine. Aus diesen Ergebnissen kann nicht gefolgert werden, ob die Gemeinschaft in der Kooperation aller Organe oder nur der Mitgliedstaaten ihre Entscheidung getroffen hat. Die Nash-Lösung simuliert eine Entscheidung, die dem Kommissionsvorschlag am besten entspricht. Die Aufgabe der Kommission besteht darin, kooperative Vorschläge zu unterbreiten, die neutral hinsichtlich der Positionen der Mitgliedstaaten sind. Erst in den Verhandlungen werden die Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund deren Präferenzstruktur und Machtverhältnisse ausgetragen. Insofern können dem Nash-Modell gute Prognosequalitäten hinsichtlich der Ausarbeitung des Kommissionsvorschlags zugeschrieben werden. Die Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten werden jedoch durch das Tauschmodell der einstimmigen Lösung besser angegeben. Beide Verfahren haben daher Relevanz für unterschiedliche institutionelle Arrangements. Der Verhandlungsprozeß zwischen den Mitgliedstaaten ist durch Verteilungskonflikte gekennzeichnet, die im Nash-Modell nicht in der Deutlichkeit zum Ausdruck kommen, wie im CM 2. Gerade die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, selbst neue Issues auf die Agenda zu setzen hat, die Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie maßgeblich determiniert. Diese Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten werden durch das Tauschmodell und die Berücksichtigung der Koalitionsbildung gut abgebildet. Die Bewertung der Modelle hängt an der Frage der Ausnahmebestimmungen: ohne deren Berücksichtigung liefern das Nash-Modell ebenso wie der Modus die besten Prognosen. Korrigiert man das Verhandlungsergebnis um die möglichen Abweichungen, so erscheint die Prognose des CM 2 angemessener, weil dessen Resultate die Richtung andeuten, in der Ausnahmen gewährt werden können. Für das erste Issue, die Frage der Stunden, die als Nacharbeit gewertet werden, konnte keines der Modelle eine korrekte Vorhersage anbieten. Das CM 2 erscheint in seinen Ergebnissen besser als das CM 1, in dem alle 14 Akteure enthalten sind, wobei die Abstimmungsregel des Kooperationsverfahrens durch die Kontrollverteilung operationalisiert worden ist. Eine Untersuchung auf der Basis der "minimal-winning" Koalitionen scheint daher sinnvoll für die Analyse von europäischen Entscheidungen im Verfahren der Zusammenarbeit. Aus dieser Perspektive gewinnt das Kodezisionsverfahren an Bedeutung, da in diesem Verfahren der Rat keine Möglichkeit mehr hat, sich einstimmig gegen das Parlament und die Kommission zu entscheiden. Obwohl die Machtverhältnisse des Rates nicht sehr stark durch das Kodezisionsverfahren tangiert

VI. Untersuchungsergebnisse

293

werden (dies gilt nur für den Shapley/Shubik- und den Banzhaf-lndex), steht dennoch zu erwarten, daß die Konflikte im Rat selbst zunehmen werden, da die einstimmige Ministerratskoalition in diesem Verfahren keine "minimalwinning" Koalition mehr darstellt. Während im Kooperationsverfahren die Möglichkeit besteht, intergouvernemental zu entscheiden, sofern die einstimmige Koalition nicht dominiert wird, fällt im Kodezisionsverfahren diese Alternative weg. Die Konsequenz wird sein, daß bei jeder Entscheidung das Parlament und die Kommission beteiligt sein werden, einzelne Mitgliedstaaten hingegen zu den Verlierern zählen werden. Mit der Richtlinie sowie den Modellvorhersagen sind bestimmte Nutzen der Akteure verbunden, die je nach Modell variieren. Dies gibt weiteren Aufschluß über die Angemessenheil der Modelle. Tabelle 44

Nutzen der Akteure aus der Entscheidung zur Arbeitszeitrichtlinie

Akteure I Modell Belgien Deutschland Dänemark Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Spanien Großbritannien Kommission EuroEäisches Parlament a), b) s. Tabelle 43

CM 1•> CM t> CM-Mean .874 .969 .592 .920 .706 .773 .831 .739 .945 .869 .743 .467 .913 .777

.810 .924 .701 .901 .727 .758 .799 .687 .936 .885 .813 .550 .749 .652

~1362

.886 .957 .557 .921 .682 .757 .825 .734 .951 .851 .720 .464 .918 .788

Nash Verhandlungs- Statusergebnis Quo ~142 .924 .936 .598 .936 .789 .641 .893 .786 .989 .875 .727 .344 .890 .811

.784 1.000 .672 .916 .237 .260 .809 .696 .999 .891 .815 .256 .180 259

.500 .333 .025 .500 .200 .952 .125 .200 .200 .667 .164 1.000 .500 .250

Von dem Verhandlungsergebnis in seiner "reinen" Form, ohne die Berücksichtigung von Ausnahmen bei den einzelnen Issues, hätte die Bundesrepublik ihren höchsten Nutzen erreicht, da das Ergebnis exakt ihren Positionen und Interessen entspricht. Gegenüber den anderen Modellen haben auch die Niederlande, Portugal und Spanien höhere Nutzen zu verzeichnen. Vor allem Großbritannien, Griechenland, Irland, die Kommission und das Parlament zählen in dieser Version zu den Verlierern. Unter der Berücksichtigung der Ausnahmebestimmungen, die durch das Modell CM 2 repräsentiert werden, steigen vor allem Dänemark und Großbritannien in ihren Nutzenwerten. Dies läßt einen ähnlichen Einfluß dieser beiden Staaten vermuten, wie er bereits im Falle der Nachweisrichtlinie gezeigt werden konnte. Beide Staaten haben auf einigen Issues vergleichbare extreme Positionen eingenommen, die nur schwer im Rat

294

J. Modellteil

durchzusetzen waren. Je nach Modell gibt es unterschiedliche Gewinner und Verlierer, so daß von der Höhe der Nutzen kein Modell ein anderes dominiert. Es läßt sich zeigen, daß die Lösung des CM 2 Modells nicht Pareto-optimal ist, da es eine Nash-Lösung gibt, die dieses Ergebnis dominiert, wenn die CM 2 Werte als Status-Quo verwendet werden. Die Lösung CM-Mean spiegelt den durchschnittlichen Nutzen wider, den die Verhandlungspartner aus den Lösungen der 136 "minimal-winning" Koalitionen zu erwarten haben. In dieser Spalte wird vor allem der Einfluß der Kommission und des Europäischen Parlaments sichtbar, die Mitglieder in 135 Koalitionen sind. Diese beiden Akteure verlieren im Durchschnitt gegenüber der Koalition des Ministerrates. Eine intergouvernementale Orientierung der Mitgliedstaaten geht demnach im Prinzip auf Kosten der Kommission und des Europäischen Parlaments. Ein Vergleich der Werte des Status-Quo zeigt, daß vor allem Irland und Großbritannien gegen die Richtlinie eingestellt waren. Beide Staaten konnten sich in keinem Modell so durchsetzen, daß sie eine Lösung gegenüber dem Status-Quo präferiert hätten. Es kann daraus geschlossen werden, daß diese Richtlinie nur über die qualifizierte Mehrheitsregel verabschiedet werden konnte. Großbritannien hatte zudem ein Interesse daran, die Richtlinie mit der einstimmigen Koalition des Ministerrates zu entscheiden, da diese Koalition mit dem höchsten Nutzen für das Vereinigte Königreich verbunden ist. Abschließend läßt sich zusammenfassen: alle Koalitionsentscheidungen, die durch die 136 "minimal-winning" Koalitionen getroffen werden konnten, sind im Kern, so daß keine Entscheidung dominiert wird. Jede der Koalitionen hätte die Richtlinie verabschieden können. Die Nash-Solution und der Modal prognostizieren ein Verhandlungsergebnis, welches relativ nahe an der tatsächlich getroffenen Entscheidung liegt, wenn man von den vielfältigen Ausnahmebestimmungen absieht; dies entspricht dem Kommissionsvorschlag. Durch die einstimmige Ministerratskoalition werden hingegen die Ausnahmen berücksichtigt, allerdings wird die Definition der Nachtarbeitszeit falsch prognostiziert. Dabei gilt es zu berücksichtigen, daß auch keine der anderen Koalitionen, ebensowenig wie das Nash-Modell, eine richtige Prognose auf diesem Issue liefert. Vielmehr bedeutet die einstimmige Entscheidung die größte Annäherung an den tatsächlichen Wert, da sie die geringste Anzahl Stunden aller Koalitionen ausweist. Mit dem Koalitionsmodell konnte gezeigt werden, daß es auch innerhalb der Entscheidung einer Richtlinie sinnvoll ist, den Ministerrat als Koalition zu definieren. Damit ist man nicht mehr darauf angewiesen, die Konsenssuche des Rates auf langfristige Nutzenerwartungen und Tauschannahmen zu stützen. Zudem wurde gezeigt, daß selbst die Staaten, die gegen die Verabschiedung einer Richtlinie sind, Anreize haben, sich an den Koalitionen zu beteiligen, da

VI. Untersuchungsergebnisse

295

sie eine Entscheidung nur mit der Hilfe anderer Staaten oder des Parlaments blockieren können, um den Status-Quo aufrechtzuerhalten. Im Falle der Arbeitszeitrichtlinie wurde keine der 136 Koalitionen durch eine blockierende Minderheit dominiert, so daß die Richtlinie in jedem Fall hätte verabschiedet werden können. Daher kann höchstens die Auswahl der einstimmigen Koalition als Indiz für die Konsenssuche der Mitgliedstaaten gewertet werden. Dies ist im Falle des Kodezisionsverfahrens nicht mehr möglich, da in dieser Situation genau diese Koalition nicht mehr existiert. Das Kodezisionsverfahren wird daher größere Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten aufwerfen, da qualifizierte Mehrheiten die Benachteiligung von einzelnen Mitgliedstaaten bedeuten werden. Im Kodezisionsverfahren kann keine Koalition gegen die Organe Kommission und Parlament geschlossen werden. Mit der Arbeitszeitrichtlinie wurde ein flexibler Rahmen der Regulierung der Arbeitszeiten verabschiedet, der weitgehend die Interessen der Mitgliedstaaten berücksichtigt. Es wurden gesetzliche Mindeststandards definiert, von denen durch Vereinbarungen der Sozialpartner oder auf behördliche Genehmigung Abweichungen erlaubt sind, die Arbeitszeitmodelle erlauben, die den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten der Mitgliedstaaten angepaßt sind. Die Arbeitnehmer werden weitgehend dadurch geschützt, daß diese Abweichungen im Normalfall mit gleichwertigen Ausgleichszeiten verbunden sein müssen. Ein echter Mindeststandard wurde nur mit dem bezahlten Jahresurlaub von 4 Wochen gesetzt, von dem - nach einer Übergangszeit - keine Ausnahmen möglich sind. Insofern kann bei dieser Richtlinie nicht davon gesprochen werden, daß protektionistische Strategien der wirtschaftlich stärkeren Staaten Motiv für die Verabschiedung der Richtlinie war. Die Verteilung der Interessen der Mitgliedstaaten gibt zudem keinen Hinweis auf ein deutliches Nord-Süd Gefalle. Die Positionen der Mitgliedstaat lassen sich eher aus den unterschiedlichen nationalen Bestimmungen ableiten, die maßgeblich die Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten beeinflussen. Aus den Auseinandersetzungen des Rates mit dem Europäischen Parlament wurde zudem deutlich, daß der Rat wesentliche Forderungen des Parlaments nicht akzeptiert hat. Dazu gehört insbesondere die Forderung einer Nicht-Regressionsklausel, die es den Mitgliedstaaten verbieten sollte, nationale Standards auf der Grundlage der europäischen Richtlinie zu senken. Da der Rat nicht bereit war, diesen Punkt zu übernehmen, kann geschlossen werden, daß die Mitgliedstaaten sich nicht in ihrer Handlungsfreiheit bezüglich der Flexibilisierung der Arbeitszeit einschränken wollten. Im internationalen Kontext kann diese Richtlinie daher auch als Strategie der Arbeitsminister verstanden werden, gegenüber nationalen Interessengruppen an Freiheitsgraden zu gewinnen. Die eigentlichen Konfliktpunkte der Richtlinie gingen nicht von dem Vorschlag der Kommission aus, sondern resultierten aus der Forderung Frankreichs

296

J. Modellteil

nach der 48-Stunden Woche. Durch diesen Artikel wurde das gesamte Konzept der Richtlinie unterlaufen, das sich komplementär zu den bestehenden nationalen Regulierungen der Arbeitszeiten auf die Regulierung der Ruhezeiten konzentrierte. Obwohl sich Frankreich vordergründig durchgesetzt hat, sind die Ausnahmebestimmungen der Richtlinie zu diesem Artikel derartig weit gefaßt, daß hier nicht von einem wirklichen Mindeststandard gesprochen werden kann. Vor allem wurde Großbritannien die Möglichkeit zugestanden, diesen Artikel nicht anzuwenden, sofern sich ein Arbeitnehmer individuell entscheidet, mehr als 48-Stunden arbeiten zu wollen. Zudem muß der Artikel vor Ablauf von 7 Jahren nach lokrafttreten der Richtlinie neu verhandelt werden. Frankreich konnte sich letztlich nicht gegen die Mitgliedstaaten durchsetzen, die keine maximale Arbeitszeit gefordert hatten.

3. Ergebnisse der Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern

Die Entsenderichtlinie wird ebenso wie die Arbeitszeitrichtlinie unter qualifizierter Mehrheit entschieden. Nach dem Vertrag von Maastricht wird die Richtlinie nunmehr im Kodezisionsverfahren verabschiedet. Da die Erhebung jedoch zu einem Zeitpunkt stattfand als der Vertrag noch nicht in Kraft war und zudem die Entscheidung jetzt von 15 Mitgliedstaaten getroffen werden muß, wird im folgenden weiterhin vom Kooperationsverfahren ausgegangen. Die Prognose, die auf der Grundlage der für 12 Mitgliedstaaten erhobenen Daten möglich ist, kann sich daher nur auf eine Entscheidung beziehen, die die neu in die Gemeinschaft eingetretenen Mitgliedstaaten noch nicht berücksichtigt. Außerdem konnten neuere Entwicklungen, wie der Vorschlag der deutschen Präsidentschaft, die Richtlinie auf den Bausektor zu beschränken, nicht im Fragebogen vorgesehen werden. Im Unterschied zum Fragebogen werden in der Analyse vier der erhobenen Issues nicht berücksichtigt. Dies hängt damit zusammen, daß die ersten drei Issues zur Arbeitszeit, zum Urlaub und zum Mindestlohn, die die Arbeitsbedingungen darstellen und auf entsendete Arbeitnehmer angewendet werden sollen, ebensowenig strittig waren wie die Frage nach den Kumulierungsvorschriften. Vielmehr werden diese Aspekte der Richtlinie durch andere Issues abgedeckt, so daß aufgrund der Annahme der Separabilität der Issues auf diese Streitpunkte verzichtet wurde. Bezüglich der angesprochenen Arbeitsbedingungen für entsendete Arbeitnehmer ist bemerkenswert, daß kein Mitgliedstaat die Option in Betracht gezogen hat, europäische Mindeststandards auf die Arbeitsbedingungen anzuwenden. Vielmehr befaßt sich der Richtlinienvorschlag gerade mit der Angleichung der genannten Arbeitsbedingungen für entsendete Arbeitnehmer auf das "ortsübliche" Niveau. Diese protektionistische

VI. Untersuchungsergebnisse

297

Haltung, die dem Schutz heimischer Arbeitsmärkte dient, wird gleichzeitig durch die Rechtsprechung des EuGH unterstützt, der eine Angleichung der Arbeitsbedingungen nicht als Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit ansieht.

a) Ergebnisse der Koalitionsentscheidungen nach dem CM Ausgangspunkt für die Berechnung des CM waren wiederum die 136 möglichen "minimal-winning" Koalitionen. Im Unterschied zur Arbeitszeitrichtlinie werden im Falle der Entsenderichtlinie 56 Koalitionen dominiert, so daß nur 80 Koalitionen bzw. Nutzenvektoren den Kern der Entscheidung definieren. Ein Vergleich der durchschnittlichen Mitgliedschaft der Mitgliedstaaten gibt Hinweise auf die Konfliktstruktur zwischen den Mitgliedstaaten. Tabelle 45 Mitgliedschaft in den dominierten Koalitionen

Akteure

Belgien Deutschland Dänemark Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Spanien Großbritannien Kommission Europäisches Parlament

durchschnittliche Mitgliedschaft in minimal-winning Koalitionen (n = 136) .654 .816 .529 .816 .654 .529 .816 .301 .654 .654 .750 .816 .993 .993

durchschnittliche Differenz Mitgliedschaft in dominierten Koalitionen (n =56)

.607 .839 .446 .929

.500

-.047 -.023 .083 -.113 .154

1.000 1.000

-.059 -.056 .083 .047 .125 -.130 -.007 -.007

.411 .875 .357 .571 .607 .625 .946

.118

Naturgemäß sind die Staaten mit größerem Stimmengewicht häufiger Mitglieder in "minimal-winning" Koalitionen als die Staaten mit geringerem Gewicht. Die Anteile der Mitgliedstaaten an den dominierten Koalitionen stellen einen Indikator dafür dar, welche Koalitionszusammensetzungen Ergebnisse implizieren, die dominiert werden. So sind Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und Großbritannien überdurchschnittlich häufig Mitglieder von dominierten Koalitionen. Offensichtlich werden von diesen Staaten Positionen vertreten, die Entscheidungen zur Folge haben, die

298

J. Modellteil

nur von geringem Nutzen für ihre Mitglieder sind. Auffällig ist insbesondere die häufige Mitgliedschaft von Frankreich und Großbritannien. Diese beiden Staaten sind in 53 der 56 Koalitionen gemeinsam Mitglied. Ihre konträren Positionen definieren die Hauptkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten bezüglich der Entsenderichtlinie. Einmal erweist sich die Konkurrenz zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich als bestimmend für die Verhandlungen der Europäischen Union im Bereich der Sozialpolitik. Die Werte für die Kommission und das Europäische Parlament zeigen, daß die einstimmige Koalition des Rates nicht dominiert wird. Auf der Basis dieser Koalition kann also auch für die Entsenderichtlinie eine mögliche Prognose des Verhandlungsergebnisses getroffen werden. Tabelle 46 Entscheidungsausgänge der 80 nicht dominierten Koalitionen zur Entsenderichtlinie

Nr. Issues 4.a. Bezugszeitraum 4.b. Anrechnung anderer Arbeitszeiten 5. Leiharbeitunternehmen 6. Innerstaatliche Botsendungen 7. Behandlung von Drittstaaten 8. Netto- oder Bruttolöhne 10. Gültige Rechtsgrundlage 11. Durchführungsvorschriften

N

80 80 80 80 80 80 80 80

Mean

.155 .538 .189 .353

.233 .610 .170

.523

Std Dev .026

.158 .119

.098 .075

.044 .056 .037

Min

.112

.031

0 .173 .042

.528 .056 .449

Max .217 .876

.322 .564

.353

.877 .309 .586

Bereits bei der inhaltlichen Beschreibung des Kommissionsvorschlags und der Verhandlungen des EP und des Rates wurde deutlich, daß der Bezugszeitraum den Hauptstreitpunkt der Richtlinie darstellt. Ein kurzer Bezugszeitraum bedeutet die unmittelbare Anwendung der Richtlinie auf entsendete Arbeitnehmer, während ein langer Bezugszeitraum die Richtlinie tendenziell außer Kraft setzt. Der Bezugszeitraum variiert über alle Koalitionen hinweg zwischen 1.3 Monaten und 2.6 Monaten bei einem Durchschnittswert von 1.8 Monaten. Damit kann keine Koalition einen Bezugszeitraum von 3 Monaten oder mehr realisieren, wie die Kommission in ihrem ersten Vorschlag formuliert hatte. Ebensowenig erscheint es möglich keinen Bezugszeitraum durchzusetzen. Die Anrechnung von Arbeitszeiten anderer Arbeitnehmer eines Unternehmens, die bereits den Arbeitsplatz besetzt hatten, auf den ein weiterer Arbeitnehmer entsendet werden soll, ist nicht endgültig entschieden. Da es sich um ein dichotomes Issue handelt, wird diese Frage je nach Koalition in unterschiedlicher Weise entschieden werden. Die Thematik der Leiharbeitunternehmen stellt ebenfalls ein dichotomes Issue dar. Grundsätzlich schließt der Kommissionsvorschlag Regelungen zu Leiharbeitunternehmen aus, da diese Frage in den Bereich der Dienstleistungsfreiheit fällt. Dennoch hätte die Möglichkeit be-

VI. Untersuchungsergebnisse

299

standen, mit der Richtlinie auch die Tätigkeit von Leiharbeitunternehmen in grenzüberschreitendem Kontext zu thematisieren. Die Entscheidungen der Koalitionen sind jedoch relativ eindeutig: geringe Werte nahe bei "0" zeigen an, daß diese Frage nicht zur Diskussion steht. Mit dem Issue der innerstaatlichen Entsendungen wird eine Thematik angesprochen, die prinzipiell keinen grenzüberschreitenden Charakter hat, sondern für Entsendungen von Arbeitnehmern innerhalb eines Staates Relevanz entwickeln kann, wenn große Preisund Einkommensdifferenzen innerhalb eines Landes bestehen. In der Tendenz weisen die Koalitionsentscheidungen jedoch auf einen Ausschluß dieser Frage aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie hin. Botsendungen aus Drittstaaten, die nicht der Europäischen Union angehören, können sowohl national geregelt werden als auch einer europäischen Regelung unterliegen. Bei der bestehenden Öffnung der Grenzen kann diese Frage auch grenzüberschreitend relevant werden. Die Koalitionsentscheidungen liegen hier zwischen einer einheitlichen europäischen Regelung und dem Verbleib der Kompetenzen in nationaler Hand. Dieses Issue entscheidet sich je nach Koalition. Bei der Berechnung der Mindestlöhne, die einem entsandten Arbeitnehmer gezahlt werden müssen, stellt sich die Frage, welche Berechnungsgrundlage gewählt wird, da der entsandte Arbeitnehmer im Entsendeland nicht sozialversicherungspflichtig ist. In Abhängigkeit der Berechnungsgrundlage ergeben sich unterschiedlich hohe Löhne, die dem Arbeitnehmer gezahlt werden müssen. Die Mitglieder der Koalitionen haben sich im Durchschnitt entschieden auf den Nettolohn Bezug zu nehmen. Es ist nicht klar, ob auch Sonderleistungen der Arbeitgeber bezahlt werden müssen. Als Rechtsgrundlage wird eine Regelung angestrebt, die sich auf die "ortsüblichen" tariflichen oder gesetzlichen Bedingungen bezieht. Damit werden auch Unternehmen eingeschlossen, die nicht Mitglied der Arbeitgeberverbände sind und eventuell keinen tariflichen Bestimmungen unterliegen. Eine mögliche nationale oder europäische Regelung, die einheitliche Mindeststandards für entsandte Arbeitnehmer vorsähe, wird von keiner Koalition angestrebt. Die Durchführungsvorschriften für die Umsetzung der Richtlinie fallen eindeutig den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten zu. Weder der Kommission noch den Sozialpartnern wird die Aufgabe übertragen, die für die Durchführung notwendigen Informationen über die jeweils herrschenden Arbeitsbedingungen bereitzustellen. Schon anband dieser ersten aggregierten Auswertung zeigen sich eindeutige Tendenzen in der Entscheidung der Richtlinie. Die Issues der Leiharbeitunternehmen, der innerstaatlichen Botsendungen und der Durchführungsvorschriften weisen die geringsten Probleme auf. Selbst in der konfliktären Frage des Bezugszeitraums scheint sich ein Kompromiß anzudeuten, der zwischen einem und drei Monaten liegt.

300

J. Modellteil

Welche Nutzenerwartungen verbinden die Mitgliedstaaten und die anderen Organe der EU nun mit diesen Koalitionsentscheidungen? Tabelle 47 Nutzenprofil der Verhandlungspartner aus den 80 Koalitionsentscheidungen

N'> Akteure Mean Std Dev Min Belgien 55 .840 .022 .784 Deutschland 64 .845 .037 .745 Dänemark 47 .792 .049 .696 Frankreich .828 59 .032 .766 Griechenland 61 .595 .049 .433 Irland 49 .743 .026 .594 Italien 62 .820 .044 .736 Luxemburg 21 .742 .056 .424 Niederlande 57 .839 .030 .785 Portugal .384 .053 .213 55 Spanien 67 .851 .029 .792 Großbritannien 58 .278 .173 0 Kommission 79 .889 .017 .794 Euro2äisches Parlament 79 .843 .023 .797 a) N gibt die absolute Mitgliedschaft der Akteure in den nicht-dominierten an. Die Durchschnittswerte beziehen sich auf alle 80 Koalitionen

Max

.872 .915 .917 .900 .668 .789 .911 .813 .906 .455 .906 .413 .912 .897

Koalition

Die Staaten mit den geringsten Nutzenerwartungen aus der Verabschiedung der Richtlinie sind Großbritannien, Portugal und Griechenland. Bereits an dieser Verteilung wird deutlich, daß die Richtlinie von diesen Staaten als protektionistisch angesehen wird. Aus ihrer Opposition gegen die Richtlinie resultieren relativ niedrige Nutzen. Das Stimmengewicht dieser drei Staaten reicht auch nicht aus, die Entscheidung zu verhindern, zumal sie nicht in allen Koalitionen vertreten sind. Die nördlichen Mitgliedstaaten profitieren am meisten von der Richtlinie. Sie werden unterstützt von der Kommission und dem Parlament, die ebenfalls relativ hohe Nutzenerwartungen mit der Verabschiedung der Richtlinie verbinden. Insofern spiegelt sich an den Nutzenprofilen der Verhandlungsakteure die Konfliktstruktur der Richtlinie. Die Minima und Maxima deuten an, daß durchaus noch Konfliktpotential zwischen den Mitgliedstaaten besteht, da je nach Koalition die Interessen eines Staates besser repräsentiert werden. Da die Standardabweichung für die meisten Staaten relativ geringe Werte aufweist, kann der Mittelwert als gute Prognose für die Nutzenerwartungen der Mitgliedstaaten angesehen werden. Vor allem Großbritannien, Portugal und Griechenland wird jedoch daran gelegen sein, eine Koalitionsentscheidung herbeizuführen, die ihren Interessen am besten entspricht.

VI. Untersuchungsergebnisse

301

b) Analyse des Kerns der Richtlinie anhand der Policydimensionen Der Kern einer Entscheidung besteht in den nicht dominierten Auszahlungsvektoren als Schnittmenge aller Koalitionen. In der vorherigen Analyse wurde jeder Koalition durch die Entscheidungsregel des CM exakt ein Auszahlungsvektor zugeordnet, so daß nur insgesamt 136 Nutzenvektoren der Koalitionen einander gegenübergestellt werden mußten. Nimmt man die einzelnen Merkmalskategorien der Issuedimensionen als diskrete Optionen an, so läßt sich aus den resultierenden Merkmalskombinationen der Nutzen eines jeden Akteurs innerhalb einer jeden Koalition berechnen, den die Akteure mit den unterschiedlichen Kombinationen verbinden. Das Lösungskonzept des Kerns versucht nun, die nicht dominierten Nutzenvektoren zu bestimmen, um auf dieser Basis eine Prognose des Entscheidungsausgangs zu ermöglichen. Dabei wird keine Aussage darüber getroffen, welche Koalition die Entscheidung trifft, da für den Fall, daß ein Kern existiert, diese Imputationen von keiner Koalition dominiert werden. Aus den 8 lssues der Entsenderichtlinie ergeben sich insgesamt 5184 verschiedene Merkmalskombinationen als kartesisches Produkt aus den Kategorien. Wendet man die oben definierte "weiche" Dominanzrelation an, so zeigt sich, daß der Kern leer ist. Wenn demnach eine Imputation eine andere dominiert, indem sich alle Koalitionsteilnehmer mindestens ebensogut stellen und einer stellt sich besser, läßt sich mit diesem Konzept keine stabile Lösungsmenge für diese Richtlinie prognostizieren. Dies kann als Indiz dafür gelten, daß auf der Grundlage der diskreten Optionen eine Lösung der Richtlinie nur schwer herbeizuführen ist. Wendet man hingegen die strikte Dominanzrelation an, die fordert, daß eine Imputation nur dann dominiert wird, wenn sich alle Koalitionsmitglieder besser stellen (u·i > u"), dann verbleiben 1924 Lösungsvektoren im Kern bzw. in V, dem Set der V-Solution. 67 1924 Kombinationen aus 5184 geben keinen Hinweis auf die tatsächliche Lösung der Entscheidung. Man könnte allerdings so verfahren, daß man die Lösung einschränkt, indem für jedes Issue das Merkmal 67 Aufgrund technischer Restriktionen handelt es sich bei diesem Ergebnis nicht um den Kern, sondern faktisch um die "V-Solution" von von Neumann, John und Oskar Morgenstern (Theory of Games and Economic Behavior, 3rd. ed., Princeton University Press, Princton, 1953). Dies hängt damit zusammen, daß zwar die dominierten Nutzenvektoren eliminiert worden sind, jedoch kein Test durchgeführt werden konnte, ob diese Vektoren ihrerseits nicht wiederum andere Vektoren im Kern dominieren. Die Elemente eines Kern haben die Eigenschaft der internen und externen Stabilität in dem Sinne, daß keine Auszahlung im Kern durch eine andere im Kern dominiert wird (interne Stabilität) und keine Auszahlung, die nicht im Kern ist, eine der Auszahlungen innerhalb des Kerns dominiert (externe Stabilität). Die V-Solution ist schwächer definiert, indem die externe Stabilität lediglich fordert, daß alle Auszahlungen, die nicht in V sind durch eine der Auszahlungen in V dominiert werden. Vgl. Ordeshook, Peter, C., 1992, S.289.

302

J. Modellteil

gewählt wird, welches die höchste Häufigkeit innerhalb der 1924 Möglichkeiten aufweist. Tabelle 48 Häufigkeit der Lösungen im Set V Nr. 4.a.

Issues Bezugszeitraum

4.b.

Anrechnung anderer Arbeitszeiten

5.

Leiharbeitunternehmen

6.

Innerstaatliche Entsendungen

7.

Behandlung von Drittstaaten

8.

Netto- oder Bruttolöhne

10.

Gültige Rechtsgrundlage

11.

Durchführungsvorschriften

Merkmale Häufigkeiten 0 553 .083 734 .250 637 0 997 1 927 0 1150 774 1 0 614 .5 674 1.0 636 0 973 .5 771 1.0 180 510 .25 .50 579 .75 518 1.00 317 0 790 .25 774 1.00 360 0 543 .5 776 605 1.0

Prozent 28.7 38.1 33.1 51.8 48.2 59.8 40.2 31.9 35.0 33.1 50.6 40.1 9.4 26.5 30.1 26.9 16.5 41.1 40.2 18.7 28.2 40.3 31.4

Demnach wird die Häufigkeit eines Merkmals als Wahrscheinlichkeit interpretiert, von den Verhandlungspartnern als Lösung angenommen zu werden. Dies entspricht der Entscheidungsregel im ursprünglichen Coleman-Modell. Der weiteren Alternative, die Prozentzahlen direkt als Wahrscheinlichkeit einer Merkmalskombination zu benutzen, und das Verhandlungsergebnis als über die Wahrscheinlichkeiten der Merkmale gewichtetes Mittel zu prognostizieren, wird hier nicht gefolgt. Die Kombination der häufigsten Merkmale ergibt Nutzenauszahlungen für die Akteure, die in jedem Fall nicht dominiert werden. Obwohl teilweise die ausgezählten Häufigkeiten nicht sehr stark variieren, sollen die Prozentanteile dennoch als Wahrscheinlichkeit für eine Entscheidung betrachtet werden (Tabelle 48). Danach resultiert aus dieser Lösung eine Entscheidung für die Entsenderichtlinie, mit folgenden Merkmalen: es wird ein Bezugszeitraum von 1 Monat festgelegt, wobei Arbeitszeiten anderer Arbeitnehmer angerechnet werden. Leiharbeitunternehmen werden nicht von der Richtlinie erfaßt, so daß die nationalen Regelungen maßgeblich für die Behand-

VI. Untersuchungsergebnisse

303

lung dieser Unternehmen bleiben. Innerstaatliche Entsendungen werden ebenfalls vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen. Hingegen wird es eine europäische Regelung zu Entsendungen aus Drittstaaten geben. Bezüglich der Mindestlöhne wird auf das Bruttoeinkommen ohne den Einbezug von Sozialversicherungsbeiträgen abgestellt. Als Rechtsgrundlage wird mit knapper Mehrheit auf die bestehenden gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen verwiesen. Der Bezug auf "ortsübliche" Bedingungen wird daher schwer sein, in die Richtlinie zu implementieren. Es gibt ein deutlicheres Votum dafür, daß die notwendigen Informationen von den national zuständigen Behörden bereitgestellt werden. Damit hat die Lösung große Ähnlichkeit mit dem geänderten zweiten Kommissionsvorschlag, der fast exakt übernommen wird. Dadurch, daß aufgrund der diskreten Optionen kein Tausch zwischen den Issuepositionen der Akteure angenommen wird, können keine Kompromißlösungen prognostiziert werden. Konzessionen werden vermutlich am ehesten bei den Issues auftreten, bei denen die Häufigkeiten nicht sehr stark voneinander abweichen. Diese Lösungen werden durch die Tauschmodelle, die im folgenden untersucht werden, besser dargestellt.

c) Ergebnisse des Modellvergleichs zur Entsenderichtlinie Im folgenden sollen die unterschiedlichen Ergebnisse der Modelle einander gegenübergestellt werden. Neben dem CM wird die diskrete Lösung des Kerns, der Modal, der sich bereits bei den beiden anderen Richtlinien als sehr stabil erwiesen hat, sowie die Nash-Lösung präsentiert. Das CM-Modell wird in vier Varianten auftreten: erstens wird wie bei der Arbeitszeitrichtlinie ein Modell CM 1 berechnet, welches alle 14 Akteure berücksichtigt und den Entscheidungsmechanismus der EU alleine über die Kontrollverteilung abbildet. Zum zweiten wird die einstimmige Ministerratslösung (CM 2) präsentiert, die die konsensuale intergouvernementale Lösung bedeutet, bei der Kommission und Parlament tendenziell benachteiligt werden. Zum dritten wird eine Koalition aus den 80 nicht dominierten Koalitionen ausgewählt (CM 3), die nicht Großbritannien, Griechenland und Portugal enthält. Dadurch, daß diese Staaten Extrempositionen einnehmen, wird es interessant sein zu untersuchen, welche Resultate eine Entscheidung haben wird, die ohne diese drei getroffen wird. Zum Vergleich wird desweiteren eine Koalition ausgewählt, die nicht Dänemark, Deutschland und Frankreich enthält. Dadurch wird auf eine Entscheidung abgestellt, die vermutlich die geringsten protektionistischen Tendenzen aufweist.

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J. Modellteil

Nimmt man den Modal als Maßstab zur Prognose der Entscheidung (Tabelle 49), so wird es keinen Bezugszeitraum geben und die Arbeitszeiten von anderen Arbeitnehmern werden komplett angerechnet. Leiharbeitunternehmen finden keine Berücksichtigung in der Richtlinie. Während innerstaatliche Entsendungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden, wird Entsendungen aus Drittstaaten in die Richtlinie eingeschlossen, um eine allgemeine europäische Regelung zu finden. Tabelle 49

Modellvergleich zur Entsenderichtlinie

Nr. Issues

Modal V-So- CM CM CM CM Nash Issue Preise lution 1') 2b) 3') 4d) 4.a. Bezugszeitraum 0 .083 .150 .133 .114 .172 .083 .449 0 .614 .671 .236 .581 .484 .036 4.b. Anrechnung an. Arbeitszeiten 0 0 .224 .034 .055 0 .216 .300 5. Leiharbeitunternehmen 0 6. Innerstaatliche Entsendungen .50 .500 .343 .287 .173 .343 .274 .040 7. Behandlung von Drittstaaten 0 .251 .309 .042 .331 .193 .101 0 8. Netto- oder Bruttolöhne .75 .500 .641 .877 .530 .039 .589 .090 0 .166 .157 .065 .251 .096 .155 10. Gültige Rechtsgrundlage 0 11. Durchführungsvorschriften .50 .500 .521 .535 .452 .522 .500 .073 a) Coleman-Modell mit allen 14 Akteuren, die Kontrollverteilung nach Shapley/Shubik im Verfahren der Zusammenarbeit reflektiert das Entscheidungsverfahren. b) Einstimmige Ministerratskoalition, nach Shapley/Shubik gewichtete Kontrollverteilung. c) Koalition ohne Großbritannien, Portugal und Griechenland. d) Koalition ohne Dänemark, Deutschland und Frankreich. Bezüglich der Berechnungsgrundlage wird auf die Bruttolöhne ohne Sozialversicherungsabgaben abgestellt werden. Als gültige Rechtsgrundlage für die Anwendung der Richtlinie gibt es eine Tendenz zu den nationalen und tariflichen Bestimmungen. Der ,.ortsübliche" Charakter wird somit nicht voll zur Anwendung kommen. Die Durchführung der Richtlinie und das Bereitstellen von Informationen wird von den nationalen Behörden übernommen. Die anderen Modelle weisen in eine vergleichbare Richtung. Allerdings scheint bei den meisten Issues noch Verhandlungsspielraum zu sein, da die Tausch- und Koalitionsmodelle die Positionen nicht derartig klar herausstellen wie der Modal. Dies gilt insbesondere für das kritische Issue der Richtlinie, den Bezugszeitraum. Alle Modelle sagen hier einen Zeitraum von mindestens einem Monat vorher, jedoch nicht mehr als 2 Monate. Das Nash-Modell gibt exakt einen Monat als Prognose an. Von den übrigen Issues sind die Frage der Anrechnung von Arbeitszeiten anderer Arbeitnehmer sowie die Berechnungsgrundlage der Mindestlöhne noch nicht eindeutig entschieden. Folgt man dem einstimmigen Modell (CM 2), so weist diese Variante eher darauf hin, daß Arbeitszeiten anderer Arbeitnehmer nicht angerechnet werden. Bezüglich der

VI. Untersuchungsergebnisse

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Lohnfrage wird auf die Bruttolöhne ohne Sozialversicherungsbeiträge abgestellt werden. Als gültige Rechtsgrundlage werden nach diesem Modell "ortsübliche" Bedingungen auf entsandte Arbeitnehmer angewendet werden. Der neuen Situation in der EU entspricht das Modell CM 3 vielleicht am besten, da mit den neuen Mitgliedstaaten eine protektionistische Mehrheit gegen Großbritannien, Portugal und Griechenland entstehen könnte, die die Macht hat, sich im Rat mit qualifizierter Mehrheit durchzusetzen. Durch die Gewichtsverschiebung in der Union könnte man daher ein Ergebnis vorhersehen, welches in weiten Teilen dem Modus entspricht. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise sich die neuen Mitgliedstaaten entscheiden werden. Die Paretooptimale und kooperative Nash-Lösung weist gegenüber dem Modal nur Abweichungen bei den Issues der Anrechnung anderer Arbeitszeiten auf und bei der Frage der innerstaatlichen Entsendungen. Zudem wird ein Bezugszeitraum von 1 Monat prognostiziert. Diese Lösung entspricht weitgehend dem geänderten Kommissionsvorschlag, der daher die Interessenverteilung der Mitgliedstaaten gut abbildet. Insofern läßt sich davon ausgehen, daß die Richtlinie gemäß den Vorstellungen der Kommission verabschiedet wird. Wiederum fällt auf, daß die Nash-Lösung die Agenda der Kommission als kooperativen und neutralen Ansatz erstaunlich gut wiedergibt. Anband der lssue-Preise, die dem CM 1 entnommen sind, zeigt sich einmal mehr die Bedeutung des zentralen Issues des Bezugszeitraumes, das von allen Mitgliedstaaten in dieser Weise gesehen wird. Das nächstwichtigste Issue stellt dann die Frage der Rechtsgrundlage dar. Da Regelung der Löhne erst an vierter Stelle folgt, kann man ersehen, daß es sich hier eher um eine technische Frage handelt, die weniger politischen Konfliktstoff beinhaltet als beispielsweise die Regelung der Entsendungen aus Drittstaaten. Damit wird klar, daß die Verhandlungen sich zunächst auf die politisch problematischen Fragen konzentrieren und die eher technischen Fragen zurückgestellt werden. Betrachtet man die Nutzen, die die Mitgliedstaaten, die Kommission und das Europäische Parlament mit den unterschiedlichen Modellen und Entscheidungen verbinden, wird die Bedeutung der Koalitionen erneut klar. Da die hier betrachteten Koalitionen nicht dominiert werden, liegt einiger Konfliktstoff in der Wahl der Koalition, die die Entscheidung endgültig trifft. Daher erscheint die Annahme, daß auch in diesem Fall die einstimmige Koalition des Ministerrates gewählt wird, nicht unplausibel. Die Nutzenprofile der Akteure zeigen vor allem bei der Entscheidung nach dem Modal die diametral unterschiedlichen Interessen von Dänemark, Frankreich und den Niederlanden auf der einen Seite und Portugal, Griechenland und dem Vereinigten Königreich auf der anderen Seite (vgl. Tabelle 50). Aus diesem Grunde wird die Richtlinie vermutlich nicht so entschieden, wie es der Modal und auch die Lösung der V-Solution vorhersagen, die dem Kommissi20 Schnorpfeil

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J. Modellteil

onsvorschlag sehr ähnlich sind. Gerade, wenn die Positionen und Interessen der Verhandlungspartner sehr unterschiedlich sind und keine ausreichende Mehrheit im Rat gegeben ist, versagt der Modal als Prognose. Eine Kompromißlösung, die den Interessen aller Mitgliedstaaten entspricht, wird daher um so wahrscheinlicher. Die Werte des Status-Quo belegen, daß Griechenland die Richtlinie immer noch gegenüber dem Status-Quo bevorzugt. Hingegen stellt Irland einen weiteren Staat dar, der den Status-Quo jeder Koalitionsentscheidung vorzieht. Die drei Staaten, die den Status-Quo bevorzugen, haben jedoch nicht genügend Stimmenanteile, um die Richtlinie insgesamt zu blockieren, da das Parlament und die Kommission für die Richtlinie stimmen. Tabelle 50

Nutzen der Akteure aus der Entscheidung zur Entsenderichtlinie Akteure I Modell Belgien Deutschland Dänemark Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Spanien Großbritannien Kommission Euro[!äisches Parlament

Modal .858 .917 1.000 1.000 .044 .256 .841 .047 1.000 .001 .888 0 .806 .652

V-

Solution .833 .947 .957 .933 .121 .362 .862 .121 .944 .018 .905 .007 .913 .772

CM 1 CM2 CM3 CM4 Nash StatusQuo .847 .859 .870 .825 .908 .333 .844 .838 .915 .788 .872 .100 .787 .730 .895 .749 .862 .020 .829 .828 .900 .793 .894 .500 .609 .614 .433 .643 .604 .143 .756 .732 .723 .758 .750 .952 .821 .811 . .911 .791 .860 .200 .778 .791 .635 .763 .772 .118 .845 .859 .902 .801 .913 .133 .397 .407 .245 .448 .312 .500 .849 .835 .906 .848 .892 .116 .362 .398 0 .394 .223 1.000 .878 .794 .912 .877 .868 .100 .844 .830 .846 .844 .894 .167

Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage der Mitgliedstaaten wird die Richtlinie äußerst konfliktär verhandelt. Dies hängt auch damit zusammen, daß es eine Vielzahl von möglichen Koalitionen gibt, die gleich gut in dem Sinne sind, daß sie nicht dominiert werden. Andererseits existieren eine Reihe von Koalitionen, die als Alternative ausscheiden, da ihre Auszahlungsmengen nicht im Kern liegen. Bei den Verhandlungen dieser Richtlinie kommt es also auch darauf an, die Koalitionen zu sondieren, die nicht der individuellen und kollektiven Rationalität entsprechen. Nicht jede "minimal-winning" Koalition ist in der Lage, eine Entscheidung hervorzubringen, die für ihre Mitglieder unter den getroffenen Annahmen als rational anzusehen ist. Zudem muß überprüft werden, ob die einstimmige Koalition diesen Kriterien ebenfalls genügt, da die intergouvernementale Ausrichtung der Gemeinschaft eine Präferenz für die Wahl dieser Koalition zu bedeuten scheint. Aus dieser Perspektive werden die schwierigen Verhandlungen im Ministerrat verständlich.

VI. Untersuchungsergebnisse

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Die Position des Parlaments, gerade hinsichtlich des Bezugszeitraums der Richtlinie war durch seine Strategie der Rücküberweisung des Kommissionsvorschlags an den Ausschuß offensichtlich, so daß die Mitgliedstaaten, die gegen die Richtlinie sind, versuchen müssen, eine Koalition zur Entscheidung zu bewegen, die ihren "minimalen" Interessen am besten entspricht. Da dies nicht unbedingt die gleichen Koalitionen sein müssen, besteht auch zwischen diesen Mitgliedstaaten ein gewisses KonfliktpotentiaL Aufgrund dieser Analyse spricht vieles dafür, daß auch diese Richtlinie bis zur einstimmigen Verabschiedung im Ministerrat verhandelt wird. Allein durch die neuen Mitgliedstaaten und die Verhandlung der Richtlinie im Kodezisionsverfahren ergibt sich eine neue strategische Situation, da in diesem Fall genau diese Koalition nicht mehr existiert. In Abhängigkeit der Interessenlage der neuen Mitgliedstaaten Schweden, Finnland und Österreich wird sich die Verabschiedung der Richtlinie leichter oder problematischer gestalten. Auf jeden Fall wird durch das neue Verfahren eine Situation institutionalisiert, in der einzelne Mitgliedstaaten überstimmt werden müssen, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Erst durch die Analyse dieses Verfahrens wird sich zeigen, ob die Verhandlungspartner tatsächlich eine kooperative und vielleicht langfristige Strategie verfolgen, die dem Nash-Modell entspricht, oder ob die Mitgliedstaaten tatsächlich von der Möglichkeit qualifizierter Mehrheitsabstimmungen Gebrauch machen. Bei allen drei Richtlinien hat sich bisher gezeigt, daß vor allem das Vereinigte Königreich und Irland der Entwicklung einer europäischen Sozialpolitik am wenigsten offen gegenüberstehen. Andere Mitgliedstaaten wie Dänemark, Portugal oder Griechenland sind eher fallspezifisch einzuordnen. Grundsätzlich befürwortet wird die Sozialpolitik von den Gründerstaaten der Gemeinschaft, die die ähnlichsten Arbeitsrechtssysteme und Standards in der Gemeinschaft haben. Die systematische Benachteiligung des Vereinigten Königreiches hat zu dessen Ausscheiden aus der Sozialpolitik mit dem Vertrag zur EU geführt. Die Auswirkung dieser Entwicklung auf die Verabschiedung der Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte wird im nächsten Abschnitt untersucht.

4. Ergebnisse der Betriebsratsrichtlinie

Die Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte wurde allgemein von den Akteuren als die bedeutendste Richtlinie des Politikfelds angesehen. Es spricht einiges dafür, daß die Änderungen im Bereich der Sozialpolitik, die durch das Sozialprotokoll erfolgt sind, auch in der Absicht vorgenommen wurden, genau diese Richtlinie zu verabschieden. Wie der Verhandlungsverlauf der Richtlinie sowie der Vredeling-Richtlinie gezeigt hat, war es nicht möglich,

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J. Modellteil

eine einstimmige Entscheidung bezüglich der Europäischen Betriebsräte herbeizuführen. Unter dem neuen Verfahren gelang die Verabschiedung der Richtlinie dann in kurzer Zeit, wobei sicherlich auch die Bundestagswahl 1994 in der Bundesrepublik ein bestimmender Faktor für den Zeitplan der Richtlinie war, die noch unter deutscher Präsidentschaft verabschiedet werden konnte. 68 Im folgenden wird zunächst - wie bei den anderen beiden Richtlinien unter qualifizierter Mehrheitsregel - auf die Koalitionsbildung eingegangen. Die Phase, in der für die Richtlinie noch Art.100 als Rechtsgrundlage vorgesehen war, wird im Teil "Modellvergleich" behandelt. Es war aus technischen Gründen nicht möglich, das Lösungskonzept des Kerns auf diese Entscheidung anzuwenden, da bei 16 Issues 9.953.280 verschiedene Merkmalskombinationen bzw. Nutzenvektoren resultieren, die für alle 111 Koalitionen69 und zudem gegeneinander getestet werden müssen. Bei der Analyse wurden zudem die beiden Issues "Vertraulichkeit von Informationen" und "Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit" ausgenommen, die sich als unstrittig erwiesen haben.

a) Ergebnisse der Koalitionsentscheidungen nach dem CM In der Gemeinschaft der 11 Mitgliedstaaten gibt es nur noch die Möglichkeit zu 111 "minimal-winning" Koalitionen. In der Anwendung des CMs als Entscheidungsregel für diese Koalitionen und der anschließenden Beurteilung dieser Koalitionsentscheidungen und resultierenden Auszahlungen durch das Lösungskonzept des Kerns verbleiben 93 Entscheidungsmöglichkeiten im Kern, die nicht durch andere Koalitionen dominiert werden. Überdurchschnittlich häufig sind die Bundesrepublik, Irland, Italien und Spanien in den dominierten Koalitionen vertreten. Italien und Spanien gehören sogar jeder dieser 68 Einer der befragten Akteure bemerkte während des Interviews, daß die Verabschiedung der Richtlinie minutiös zwischen den Präsidentschaften und Mitgliedstaaten abgesprochen war und der Zeitplan auch eingehalten werden konnte. Dies hing auch damit zusammen, daß die Richtlinierunhalte während der Phase, in der die Richtlinie noch einstimmig verhandelt werden mußte, weitgehend abgesprochen waren zwischen den Befürwortem. 69 Aufgrund des Ausscheidens Großbritanniens aus diesem Verfahren verringert sich die Zahl an "mirumal-winrung" Koalitionen auf 111. J~ntsprechend verändern sich auch die Machtverhältnisse in der Sozialpolitik mit der Anderung der institutionellen Bedingungen. Eine qualifizierte Mehrheit besteht jetzt bei 44 aus 66 Stimmen. Der Shapley/Shubik-Index weist den Akteuren folgende Machtverteilung zu: Mitgliedstaaten mit 10 Stimmen im Rat haben einen Wert von 0,089; Spanien mit 8 Stimmen einen Wert von 0,0741; 5-Stirnmen Staaten haben Werte von 0,0449; 3-Stimmen Staaten von 0,0317 und Luxemburg einen Wert von 0,016. Die Kommission steigert ihren Machtanteil auf 0,2278 und das Parlament steigert seinen anteil auf 0,172 % der Macht im System.

VI. Untersuchungsergebnisse

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Koalitionen an. Dies läßt auf Interessenunterschiede zwischen diesen vier Staaten schließen, die dazu führen, daß Entscheidungen anderer Koalitionen mit höherem Nutzen für ihre Mitglieder verbunden sind. Tabelle 51

Entscheidungsausgänge der 93 nicht dominierten Koalitionen Nr. Issues 1. Verhandlungsraum l.a. Dauer der Verhandlungen 3. Geheimhaltung von Informationen 4. Häufigkeit der Sitzungen 5. Rechtzeitigkeil der Information 6. Grad der Mitwirkung 7. Kosten des EBR 9. Abstimmungsregel im BVG 10. Ausnahme Seeschiffahrt 11. Ausnahme Tendenzschutz 12. Unternehmensgröße 13. Herrschendes Unternehmen 14. Proportionalität BVG 15. Proportionalität EBR 16. Einleitung der Verhandlungen 17. Multinationale Unternehmen

N 93 93 93 93 93 93 93 93 93 93 93 93 93 93 93 93

Mean StdDev .626 .028 .804 .047 .765 .089 .142 .071 .471 .018 .511 .022 .377 .106 .646 .039 .484 .150 .192 .155 .014 .220 .520 .052 .575 .082 .554 .081 .600 .054 .048 .035

Min .562 .601 .538 0 .447 .435 .081

.555

.233 0 .195 .309 .368 .363 .484 0

Max .743 .980 .865 .269

.500

.568 .803 .725 .774 .451 .312 .628 1.000 1.000 .701 .110

Das wichtigste Issue der Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte stellt ohne Zweifel der Verhandlungsraum dar. Durch die Vorgabe der Mindestvorschriften, welches Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren eingerichtet werden muß, wird ein Mindeststandard definiert, der die Strategiemöglichkeiten zwischen dem Besonderen Verhandlungsgremium und der Untenehmensleitung begrenzt. So kann sich das Besondere Verhandlungsgremium immer auf die Anwendung der Mindestvorschriften zurückziehen, wenn sich die Unternehmensleitung zu keinen weitergehenden Regelungen bereit erklären sollte. Nur wenn das BVG freiwillig davon absieht, die Mindestvorschriften anzuwenden, können auch schwächere Formen der Unterrichtung und/oder Anhörung gewählt werden. Im Durchschnitt bedeutet die Zahl von .626 als Lösung für den Verhandlungsraum eine Einigung, die auf die Aushandlung einer EHR-Vereinbarung, der Annahme eines anderen Informations- und Konsultationssystems oder der Anwendung der Mindestvorschriften hinausläuft. Dies entspricht der letztlich getroffenen Entscheidung, abgesehen von der Möglichkeit, die Einrichtung eines Unterrichtungs- und Anhörungsverfahrens ganz abzulehnen. Die Dauer der Verhandlungen zwischen BVG und Unternehmensleitung wird auf ca. 2,5 Jahre festgelegt, so daß der Forderung des Parlaments, die Dauer auf ein Jahr zu beschränken, vermutlich nicht nachgekommen wird. Interessant ist, daß

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J. Modellteil

nach diesen Ergebnissen die Koalitionen eher dahin tendieren, keine Geheimhaltung von Informationen durch die Unternehmensleitung zuzulassen, sondern eher der Einrichtung von erzwingbaren Informationsrechten der Arbeitnehmer bzw. des EBR zustimmen. Die Häufigkeit der Sitzungen des EBR wird bei etwas mehr als einem Jahr liegen und nur Informations- und Konsultationsrechte beinhalten, wobei die Unternehmensleitung verpflichtet wird, den EBR vor wichtigen Entscheidungen, die die Arbeitnehmer betreffen, zu informieren. Der Grad der Mitwirkung scheint für alle Koalitionen unstrittig zu sein. Kein klares Bild ergibt sich hinsichtlich der Finanzierung Sachverständiger, die der EBR konsultieren kann, durch die Unternehmensleitung. In diesem Punkt wird vermutlich eine Kompromißlösung entwickelt werden, die von der die Entscheidung treffenden Koalition abhängig ist. Betrachtet man das Issue der Abstimmungsregel im BVG, mit der von der Einrichtung eines Informationsund Konsultationssystems abgesehen werden kann, wird im Durchschnitt eine 2/3-Mehrheit gewählt werden. Die einstimmige Entscheidungsregel wird von keiner der Koalitionen präferiert. Ausnahmeregelungen wurden in zwei Bereichen gefordert: der Seeschiffahrt und in bezug auf Tendenzschutzunternehmen. Während die Ausnahme von Tendenzschutzunternehmen eindeutig erscheint, ist die Seeschiffahrt noch strittig zwischen den Koalitionen. Neben dem Verhandlungsraum wurde auch das Issue der Definition der Unternehmensgröße im Rat heftig diskutiert. Die Koalitionsergebnisse lassen auf eine Unternehmensgröße schließen, die für ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe insgesamt bei 1000 Arbeitnehmern in mindestens zwei Mitgliedstaaten liegt und dessen oder deren Betriebe oder Unternehmen ca. 250 Mitarbeiter in mindestens zwei Mitgliedstaaten haben müssen. Bei diesem Issue scheint daher der Kommissionsvorschlag von 1000/100 nicht zu verwirklichen. In der Definition des herrschenden Unternehmens wird vermutlich ein Kompromiß angestrebt werden, der zwischen der reinen Vermutung und der exakten Anwendung vordefinierter Kriterien liegen wird. Hier handelt es sich um ein eher technisches Issue, welches vor allem Definitionsprobleme hervorrufen wird, ohne daß tatsächlich große inhaltliche Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Tendenziell wird sich die Proportionalität des BVG und des EBR an der Anzahl der Mitgliedstaaten, in dem ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe angesiedelt ist, orientieren. Die Vertretung der einzelnen Betriebe und Unternehmen wird der Vertretung der Mitgliedstaaten untergeordnet. Bei den verbleibenden beiden Issues der Einleitung der Verhandlungen zeigt sich großes Einvernehmen insofern, als alle Koalitionen die Einleitung der Verhandlungen sowohl auf Antrag der Unternehmensleitung als auch durch die Arbeitnehmervertreter befürworten. Der Einbezug multinationaler Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU, ist ebenso unstrittig. Wie die Minima und

VI. Untersuchungsergebnisse

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Maxima ausweisen, besteht dennoch in einigen Punkten noch einiger Spielraum, je nachdem welche Koalition die Entscheidung der Richtlinie tragen wird. Insgesamt läßt sich jedoch bereits anband dieser Auswertung konstatieren, daß der Kommissionsvorschlag in verschiedenen Punkten Änderungen erfahrt, die die Mitglieder der Koalitionen durchsetzen können. Dies betrifft die Ausnahmeregelungen, die Dauer der Verhandlungen und die Unternehmensgröße. Gerade die Verhandlungsdauer zwischen BVG und zentraler Leitung wie auch die Unternehmensgrößen waren ein besonderes Anliegen des Europäischen Parlaments. Das EP forderte eine kürzere Dauer und eine geringere Größe der Unternehmen. Beides wird nicht durchsetzbar sein. Tabelle 52 Nutzenprofil der Verhandlungspartner aus den 93 Koalitionsentscheidungen

Akteure N') Mean Std Dev Min Max Belgien 61 .773 .035 .695 .978 Deutschland 70 .887 .043 .799 .959 Dänemark 48 .691 .037 .613 .790 Frankreich 79 .798 .021 .737 .900 Griechenland 60 .645 .036 .566 .710 Irland 47 .567 .041 .495 .710 Italien 69 .653 .069 .434 .806 Luxemburg 32 .636 .033 .544 .698 Niederlande 60 .803 .028 .722 .931 Portugal 63 .577 .078 .437 .727 Spanien 62 .678 .121 .348 .818 Kommission 92 .856 .038 .523 .891 Europäisches Parlament 92 .723 .057 .223 .773 a) N gibt die Anzahl der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Parlaments in den verschiedenen Koalitionen an. Die Nutzenauszahlungen wurden jedoch aus allen 93 Koalitionen berechnet. Dementsprechend weist auch das Nutzenprofil des EP den geringsten Wert bei den Minima auf. Am wenigsten versprechen sich Irland und Portugal durchschnittlich von der Verabschiedung der Richtlinie, während die Niederlande, die Bundesrepublik und die Kommission mit der Richtlinie im Mittel die höchsten Nutzenerwartungen verbinden. Spanien fällt auf durch die hohe Streuung seiner Nutzenwerte über die verschiedenen Koalitionen hinweg. Je nach Koalitionsentscheidung profitieren die Akteure in unterschiedlicher Weise von dem verabschiedeten Ergebnis. Daher stellt sich die Frage, welche Koalition letztendlich die Entscheidung tragen wird. Obwohl es einfach erscheinen mag, die vermutlichen Opponenten der Richtlinie (Portugal, Spanien und Irland) von der Entscheidung auszuschließen, sollte bedacht werden, daß alle Koalitionen im Kern liegen, so daß keine eine andere dominiert. Es läßt sich daher keine konkrete Entscheidung aus dieser Analyse ableiten.

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J. Modellteil

Wie bereits im Falle der Arbeitszeitrichtlinie wurde auch diese Richtlinie einstimmig im Ministerrat verabschiedet. Portugal hat sich zwar der Stimme enthalten, die Entscheidung jedoch insgesamt mitgetragen. Daher ist es wahrscheinlich, daß die Entscheidung vor allem gegen die Forderungen des Europäischen Parlaments und der Kommission getroffen wurde. Der intergouvernementale Charakter des Verhandlungssystems der EU hat offensichtlich auch in diesem Fall die Auswahl der Koalition bestimmt, die für die Entscheidung verantwortlich zeichnete. Welche Resultate und Nutzen mit dieser konkreten Koalition verbunden sind, wird im nächsten Abschnitt geklärt.

b) Ergebnisse des Modellvergleichs zur Betriebsratsrichtlinie Der Modellvergleich bezieht sich im folgenden nicht alleine auf die Ergebnisse der Entscheidung unter qualifizierter Mehrheit, sondern gibt auch die hypothetischen Werte einer einstimmigen Entscheidung wieder. Obwohl die Richtlinie, solange sie unter Art. I 00 verhandelt worden ist, keiner Entscheidung zugeführt werden konnte, weil mindestens Großbritannien sein Veto eingelegt hae0 , lassen sich die Modelle auch für eine hypothetische Entscheidung berechnen. Damit kann gezeigt werden, welches Ergebnis entstanden wäre, wenn Großbritannien die Möglichkeit erhalten hätte, seine Position auch einzubringen. Es werden im folgenden neben dem Modal fünf unterschiedliche Varianten betrachtet, die sich auf Ergebnisse beziehen, die zum einen aus unterschiedlichen Operationalisierungen des CMs resultieren und zum anderen aus Berechnungen der Nash-Lösung. Das CM wird für drei Szenarien eingesetzt: CM 1 beschreibt eine einstimmige Verhandlungslösung zwischen den 12 Mitgliedstaaten, ohne die Berücksichtigung von Kommission und Parlament. Die Kontrollanteile der Akteure werden in diesem Szenario gleich gewichtet. CM 2 gibt eine Lösung wieder, in der die 13 Akteure der Gemeinschaft der 11 Mitgliedstaaten einbezogen werden. Dieses Ergebnis nimmt keine Rücksicht auf die Koalitionsmöglichkeiten; das Verfahren der Zusammenarbeit wird alleine 70 Aus der Verabschiedung der Richtlinie in der EU der 11 Mitgliedstaaten folgt nur, daß sich keine blockierende Minderheit zusammenfinden konnte. Unter Einstimmigkeit hätten jedoch durchaus auch andere Staaten Grund gehabt, ihr Veto gegen die Richtlinie einzulegen. Es ist daher davon auszugehen, daß die Mitgliedstaaten, die ebenfalls gegen die Richtlinie eingestellt waren, sich in der öffentlichen Diskussion zurückgehalten haben, da sie die Gewißheit hatten, daß Großbritannien die Verabschiedung der Richtlinie verhindem würde. Andererseits spricht wiederum die Tatsache, daß das Sozialprotokoll durch alle 11 Mitgliedstaaten angenommen worden ist, dafür, daß auch diese Mitgliedstaaten die Entscheidung unterstützen wollten. Ob dazu auf höherer Ebene andere Ausgleichszahlungen (wie beispielsweise über die Strukturfonds) notwendig waren, läßt sich nur vermuten.

VI. Untersuchungsergebnisse

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durch die Kontrollverteilung zwischen den Akteuren operationalisiert. Im Modell CM 3 wird die einstimmige Ministerratsentscheidung aufgezeigt. Diese Lösung repräsentiert die Koalition des Rates, die vermutlich - nach den Veröffentlichungen des Rates - die Entscheidung getroffen hat. Die gewichtete Kontrollverteilung zwischen den 13 Verhandlungsteilnehmern findet in diese Analyse Eingang. Tabelle 53

ModeUvergleich zur Betriebsratsrichtlinie Nr. Issues

Modal

CM

CM CM Nash Nash Ergeh 2b) 1d) 3') 2') -nis 1. Verhandlungsraum .75 .806 .645 .742 .807 .750 .750 l.a. Dauer der Verhandlungen 1.00 .930 .830 .980 .967 1.000 1.000 3. Geheimhaltung von Information 1.00 .472 .713 .538 .511 .565 .500 4. Häufigkeit der Sitzungen 0 .197 .156 .253 .249 .110 .250 5. Rechtzeitigkeit der Information .50 .472 .470 .462 .500 .500 .500 6. Grad der Mitwirkung .50 .468 .507 .435 .500 .500 .500 7. Kosten des EBR .0 .680 .460 .803 .667 .485 .750 9. Abstimmungsregel im BVG .75 .639 .641 .637 .563 .660 .667 10. Ausnahme Seeschiffahrt 0 1.00 .252 .445 .393 .120 .159 11. Ausnahme Tendenzschutz 1.00 .333 .206 .275 .397 .150 0 12. Unternehmensgröße .25 .322 .231 .312 .251 .250 .500 13. Herrschendes Unternehmen 0/.5 .269 .481 .309 .173 .327 .500 14. Proportionalität BVG 1.00 1.000 .689 1.000 1.()()() .944 1.000 1.00 1.()()() .669 1.000 1.()()() .940 1.000 15. Proportionalität EBR 16. Einleitung der Verhandlungen .5 .643 .609 .647 .501 .500 .500 17. Multinationale Unternehmen 0 .087 .054 .094 .087 .060 0 a) Simulation der einstimmigen Verhandlungslösung zwischen den 12 Mitgliedstaaten nach demCM. b) Coleman-Modell über die 13 Akteure der 11-er Gemeinschaft. Das Entscheidungsverfahren wird ausschließlich über die Kontrollverteilung abgebildet. c) CM-Lösung der einstimmigen Ministerratskoalition der 11 Mitgliedstaaten. d) Nash-Lösung zwischen 14 Mitgliedstaaten. e) Nash-Lösung zwischen 13 Mitgliedstaaten. t•)

Die beiden Nash-Modelle geben wie zuvor eine kooperative Lösung zwischen den 14 (Nash 1) bzw. 13 (Nash 2) Akteuren an. Als Status-Quo werden die Minima des einstimmigen CM-Modells bzw. der Koalitionsmodelle verwendet. Unter Verwendung der erhobenen Status-Quo Werte hat das NashModell keine Lösung. Dies bedeutet, daß der Kommissionsvorschlag unter Einstimmigkeit nicht verabschiedet werden konnte. Insofern entspricht das Ergebnis dem tatsächlichen Verhandlungsverlauf, der in der Tat keine Entscheidung hervorbrachte. Gleiches gilt im übrigen für den Vergleich der individuellen Nutzenauszahlungen, die das CM I prognostiziert, mit dem Status-Quo. Auch hier kann keine Verabschiedung der Richtlinie vorhergesagt werden.

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Der Vergleich der verschiedenen Spalten zeigt, daß alle Modelle relativ ähnliche Ergebnisse prognostizieren. Nur der Modal fallt in seiner Aussagekraft etwas ab, da vor allem bei den Ausnahmebestimmungen hinsichtlich der Seeschiffahrt und der Tendenzschutzunternehmen Positionen vertreten worden sind, die ein anderes Ergebnis nach diesem Maß erwarten ließen. Da die meisten der Mitgliedstaaten - und vor allem die Gegner - diesen beiden Issues kein Interesse beimaßen, wurden hier andere Beschlüsse getroffen als durch reine Häufigkeit der Nennungen der Merkmalskategorien zu erwarten war. Zudem fällt auf, daß das CM 2 Modell im Vergleich zu den anderen Modellen einige Abweichungen aufweist, die vor allem auf den Einfluß von Kommission und Parlament zurückzuführen sind. Beide Akteure haben in diesem Modell mit zusammen ca. 35% ein relativ hohes Gewicht, welches die Ergebnisse nachdrücklich beeinflußt. Dies gilt vor allem für die Definition des Verhandlungsraumes, dem mit einem Relativpreis von .25 wichtigsten Issue der Richtlinie, bei dem sich deutliche Unterschiede zeigen. Aber auch bei den anderen Issues fallen Differenzen auf, die dieses Modell als nicht sehr zuverlässig erscheinen lassen. In entgegengesetzter Richtung unterscheidet sich die erste ColemanLösung von den anderen Modellen auf dem Issue des Verhandlungsraumes. Großbritannien legte sehr viel Wert auf die Gestaltung eines möglichst freiwilligen Verhandlungssystems zwischen der zentralen Leitung eines Unternehmen und dem BVG. Dies wird durch die höheren Werte auf diesem Issue belegt, die sich auch im Modell Nash 1 zeigen. Allerdings hätte der Einfluß Großbritanniens nicht ausgereicht, die völlige Freiwilligkeit durchzusetzen. Bei der Dauer der Verhandlungen, die auf drei Jahre angesetzt worden ist, leisten alle Modelle vergleichbare Prognosen. Das einfache CM (CM 2) liefert hier die schlechteste Annäherung, ebenso wie beim Verhandlungsraum. Damit fällt dieses Modell bei zwei wesentlichen Issues von den anderen Modellen ab. Dies hängt mit dem Einfluß des EP und der Kommission zusammen, welche in diesem Modell relativ hohe Machtanteile halten, die bei der einstimmigen Ministerratsentscheidung (CM 3) nicht ins Gewicht fallen. Der Geheimhaltung von Informationen durch die Unternehmensleitung stehen die Mitgliedstaaten grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings müssen auf nationaler Ebene Verfahren vorgesehen werden, damit die Arbeitnehmervertreter Rechtsbehelfe einlegen können, falls die Unternehmensleitung sich auf die Vertraulichkeit von Informationen beruft. Damit werden den Arbeitnehmern Mittel an die Hand gegeben, um bestimmte Informationen zu erhalten. Die Informationen sind daher zwar erzwingbar, jedoch stellt sich die Frage, ob auf dem Rechtsweg gesichert werden kann, daß die Unternehmensentscheidung bis zum Urteil ausgesetzt wird. Aus diesem Grund und durch die mögliche unterschiedliche nationale Handhabung handelt es sich bei diesem Issue nur um ein bedingtes Recht der Arbeitnehmervertreter. Dies spiegeln im Prinzip alle Modelle, bis auf den Modal, wider. Die Häufigkeit der Sitzungen des EBR wurde nach den Min-

VI. Untersuchungsergebnisse

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destvorschriften auf 1 Jahr festgelegt, wobei im Falle besonderer Umstände der Vorstand des EBR zusätzlich informiert werden muß. Folglich wurde zu diesem Issue ein Kompromiß formuliert, der die Kosten des Unternehmens, Sitzungen des EBR zu organisieren und zu finanzieren, senkt, indem bei Bedarf eine Delegation des EBR unterrichtet und gehört werden muß. Diese Kompromißlösung wird vor allem durch das CM der einstimmigen Ministerratsentscheidung repräsentiert und auch durch das Nash-Modell unter Einstimmigkeit, welches die Interessen und Positionen Großbritanniens berücksichtigt. Das CM 3 liefert zudem eine gute Vorhersage bezüglich des Issues der "Kosten des EBR", welche der gefundenen Lösung recht nahe kommt. Die Richtlinie sieht vor, daß ein Unternehmen die Finanzierung eines externen Experten tragen muß, ansonsten aber keine Sachverständigen zu finanzieren hat. Nach der Prognose der anderen Modelle hätte für dieses Issue eine größere Beteiligung eines Unternehmens erwartet werden können. Bezüglich der Abstimmungsregel des BVG einigte man sich im Rat auf eine 2/3-Mehrheit. Alle Modelle bis auf das Nash I-Modell zeigen hier ähnliche Ergebnisse, obwohl der häufigste genannte Wert .75 war. Die Ausnahmeregelungen wurden bereits mehrfach angesprochen. Beide Ausnahmen wurden in die Richtlinie aufgenommen. Da es sich um dichotomisierte lssues handelt, deuten Werte, die kleiner sind als .5, an, daß die Ausnahmen Berücksichtigung finden. Allerdings weist das Nash-Modell am deutlichsten in die angegebene Richtung. Die Unternehmensgröße war ein weiterer wichtiger Punkt der Richtlinie. Bei diesem Issue liefert das CM 3 die beste Annäherung, da sich die Gemeinschaft auf eine Größe von 1000/150 geeinigt hat; dies entspräche einem Wert von .5. Keines der Modelle war in der Lage, den Wert exakt zu prognostizieren. Bezüglich des "herrschenden Unternehmens" weisen alle Modelle Werte zwischen .3 und .481 auf. Da dieses Issue als Index konstruiert worden ist, können Werte zwischen .3 und .5 als gute Vorhersage betrachtet werden. Insofern leisten alle Modelle (bis auf Nash 1) zu diesem Issue plausible Beschreibungen. Die Proportionalität des BVG und des EBR wird ebenfalls gut prognostiziert, das CM 2 fällt auch bei diesem relativ unstrittigen Punkt etwas ab, ebenso wie bei der Frage der Einleitung der Verhandlungen. Der Einbezug außereuropäischer multinationaler Unternehmen wird hingegen von allen Modellen vorhergesagt. Damit läßt sich zusammenfassen: von den betrachteten Modellen erweist sich das CM 3, das die einstimmige, gewichtete Ministerratsentscheidung repräsentiert, als die beste Vorhersage des Verhandlungsergebnisses. Das CM 2, welches die Entscheidungsregel im Verfahren der Zusammenarbeit nur über die Kontrollverteilung operationalisiert, erweist sich mit dem Modal als schlechteste Prognose. Während im CM 2 den Organen Kommission und

J. Modellteil

316

Parlament ein zu großer Einfluß beigemessen wird, hat der Modal als Prognose Mängel, da mit diesem Maß die Interessen der Akteure nicht berücksichtigt werden. Das Koalitionsmodell CM 3 reflektiert daher die institutionelle Entscheidungssituation am besten. Insofern kann dieses Modell dann als Prognose herangezogen werden, wenn die einstimmige Koalition des Rates nicht durch andere Koalitionen dominiert wird. Die kooperative Nash-Lösung gibt ebenfalls eine gute Annäherung an das tatsächliche Verhandlungsergebnis. Da diese Lösung stark durch die verwendeten Status-Quo Werte aus den Coleman Modellen bestimmt wird, sind die Ergebnisse in diesem Fall denen der CM 3 Lösung relativ ähnlich. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß das Parlament und die Kommission aus der einstimmigen Ministerratskoalition niedrige Status-Quo Werte erhalten, die den Einfluß dieser beiden Akteure auch bei Nash-Lösung beschränken. Insofern wird in dieser Lösung die institutionelle Möglichkeit des Rates, diese beiden Organe zu überstimmen, einkalkuliert. Der Unterschied zwischen dem Modell CM 3 und der Nash-Lösung deutet an, daß die Mitgliedstaaten nicht unbedingt daran interessiert sind, Pareto-optimale Lösungen zu verabschieden, sondern in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen, soweit dieses durch die anderen Akteure zugelassen wird. Tabelle 54

Nutzen der Akteure aus der Entscheidung zur Betriebsratsrichtlinie Akteure I Modell

Modal CM 1') CM 2•l CM 3') Nash Nash Ergeh- Status2') I •l nis Quo

Belgien .998 Deutschland .I 58 .315 Dänemark Frankreich .895 Griechenland .299 Irland .097 .344 Italien Luxemburg .777 Niederlande .956 Portugal .4I5 Spanien .360 .750 Großbritannien .401 Kommission .212 Euro2äisches Parlament a), b), c), d), e) s. Tabelle 53.

.947 .862 .809 .868 .658 .742 .775 .695 .9I9 .751 .745 .806 .515 .228

.826 .893 .738 .8I2 .664 .612 .708 .673 .848 .642 .733

.978 .880 .790 .900 .649 .710 .806 .698 .931 .727 .768

.884 .686

.523 .223

.948 .863 .810 .870 .695 .743 .776 .698 .920 .752 .752 .768 .523 .227

.974 .957 .8I I .895 .712 .705 .737 .722 .944 .7IO .682

.985 .944 .744 .912 .683 .736 .772 .712 .920 .510 .226

.749 .516

.521 .193

.I I I .020 .022 .200 .500 .909 .133 .111 .IOO .909 .909

1.000

.100 .080

Betrachtet man die mit den Entscheidungen verbundenen Auszahlungen (Tabelle 54), zeigt sich die Prognosequalität der Modelle erneut. Beim Modal ergeben sich die niedrigsten Nutzenauszahlungen für die Akteure. Belgien, Frankreich und die Niederlande nehmen Positionen ein, die denen des Modal relativ ähnlich sind. Es können dann Unterschiede zum Modal auftreten, wenn

VI. Untersuchungsergebnisse

317

diese Staaten den entsprechenden Positionen kein oder nur ein geringes Interesse entgegengebracht haben. Die Stärke der Präferenzen spielt also auch bei der Nutzenbewertung eine Rolle. Dies wird besonders deutlich am Beispiel der Bundesrepublik, die dem Tendenzschutz hohes Interesse gewidmet hat. Durch die Prognose des Modal auf diesem Issue verliert Deutschland erheblich gegenüber den anderen Modellen. Die Nutzenwerte für Großbritannien sind beträchtlich in den Modellen, in denen dieser Staat berücksichtigt wurde. Dies hängt damit zusammen, daß das Vereinigte Königreich vor allem den Verhandlungsraum hoch bewertete und dort auch seinen Einfluß durchsetzen konnte. Allerdings reicht der Auszahlungswert für Großbritannien nicht aus, den Status-Quo zu übersteigen. In den Modellen, die auf die Einstimmigkeit des Ministerrates abstellen (CM 1, CM 3 und Nash 1), haben insbesondere die Kommission und das EP vergleichsweise geringe Nutzenwerte zu verzeichnen. Damit wird klar, daß der Rat in diesen Modellen seine Entscheidung auf Kosten der anderen Organe trifft. Im Vergleich zum tatsächlichen Verhandlungsergebnis fallen vor allem die niedrigen Werte von Griechenland, Portugal und Spanien auf. Es hat den Anschein, als hätten sich die übrigen Mitgliedstaaten vor allem gegen diese Staaten durchgesetzt. Wenn es richtig ist, daß die Zustimmung dieser Staaten zum Sozialprotokoll mit einer Erhöhung der Strukturfonds "erkauft" worden ist, wird deren geringer Einfluß auf diese Entscheidung eher verständlich. Sie konnten sich offensichtlich nicht in dem Maße durchsetzen, wie es eigentlich ihrer Macht im System entsprochen hätte. Hingegen kommt die Entscheidung über die Richtlinie vor allem Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden entgegen. Dieses waren zugleich die größten Befürworter der Richtlinie. In diesen Staaten hatten sich zudem bereits Europäische Betriebsräte auf freiwilliger Basis etabliert. Während Griechenland durch die Ausnahmebestimmung über die Seeschiffahrt entschädigt worden ist, konnte Irland seinen Nutzen erhöhen, indem das Issue der Unternehmensgröße von 100 auf 150 festgelegt worden ist. Der von den Befragten geäußerte Tausch zwischen Griechenland, Irland und Deutschland bezüglich den Ausnahmen zur Seeschiffahrt und den Tendenzschutzunternehmen einerseits sowie der Unternehmensgröße andererseits zeigt sich an der Höhe der Auszahlungen, die diese Mitgliedstaaten erhalten. Dieses Ergebnis wird zugleich von den Modellen recht gut prognostiziert. Insofern können die Modelle, die die Koalitionsbildung in der Gemeinschaft berücksichtigen, als gute Instrumente zur Prognose der Richtlinie zur Einsetzung Europäischer Betriebsräte betrachtet werden. Die Modelle, die diesen Aspekt nicht umsetzen, geben im Ganzen gesehen schlechtere Vorhersagen ab.

K. Fazit Die Analyse der Entscheidungsverfahren der Europäischen Union hat ergeben, daß sowohl das Europäische Parlament als auch die Kommission einen beträchtlichen Machtanteil, verstanden als a priori Abstimmungsmacht, besitzen. Demnach verfügen die beiden supranationalen Organe der EU, je nach Machtindex, über ca. 35% der Macht im System. Die großen europäischen Fraktionen sind damit als mächtiger einzuschätzen als die Mitgliedstaaten mit geringem Stimmengewicht im Rat. Dies wird sich durch die Erweiterung der Gemeinschaft und die Vergrößerung des Rates weiter zugunsten der Parlamentsfraktionen auswirken. Anhand der analysierten namentlichen Abstimmungen im Europäischen Parlament ließ sich zudem zeigen, daß die Fraktionen zumindest im Politikfeld der Europäischen Sozialpolitik mit großer Geschlossenheit auftreten. Die europäischen Parlamentarier können demnach nicht den nationalen Regierungsparteien im Ministerrat zugerechnet werden. Das Europäische Parlament konstituiert ein eigenes Abstimmungsforum, dessen Logik durch die institutionellen Regelungen und Verfahren der Europäischen Union geprägt wird. Dies macht sich besonders bei den unterschiedlichen Mehrheitserfordernissen in den 1. und 2. Lesungen bemerkbar, in denen die fraktioneile Kohärenz tendenziell gegenüber der Opposition zum Rat und zur Kommission geopfert wird. Dabei ist vor allem auffällig, daß die europäischen Parlamentarier im allgemeinen nicht gegen die eigene Fraktion stimmen, sondern ihren Protest durch Enthaltung oder Nicht-Abstimmen äußern. Die Auswertungen der einzelnen Richtlinien haben gezeigt, daß das Parlament seine gesamten strategischen Möglichkeiten nutzt, um seine Interessen gegenüber Rat und Kommission durchzusetzen. Die Analyse der Machtindizes bezüglich des Kooperations- und des Kodezisionsverfahrens hat zudem Einblicke in die Koalitionsmöglichkeiten zwischen Rat, Kommission und Parlament geboten. Es hat sich gezeigt, daß der Rat im Kooperationsverfahren einstimmig gegen die Kommission und das Parlament entscheiden kann. Dieses führt dazu, daß die Entscheidungen der Europäischen Union einen intergouvernementalen Charakter erhalten, da der Rat diese Koalition gegenüber anderen Koalitionen mit qualifizierter Mehrheit präferiert. Dies gilt jedoch nur, solange die einstimmige Koalition nicht dominiert wird. Dadurch, daß die Kommission und das Parlament im allgemeinen "europäische" Positionen vertreten, die eine einstimmige Entscheidung des Rates immer noch gegenüber einer "Nicht-Entscheidung" präferieren, können

K. Fazit

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sich zudem keine blockierenden Minderheiten zwischen Parlament und Mitgliedstaaten bilden. Die integrierende Wirkung des Kooperationsverfahrens besteht folglich darin, Entscheidungen zu produzieren, an denen im allgemeinen alle Mitgliedstaaten beteiligt sind, während das Parlament und die Kommission diejenigen sind, die am meisten gegenüber ihrer Idealposition verlieren. Gleichzeitig sichert das Kooperationsverfahren das Zustandekommen von Entscheidungen generell, da Vetopositionen, die einen erheblichen Einfluß auf die Verabschiedung einzelner Policies haben, vermieden werden. Zudem wird die Entscheidungsgeschwindigkeit beschleunigt. Im Kodezisionsverfahren gelten andere Spielregeln, da der Ministerrat sich nicht mehr einstimmig gegen das Parlament entscheiden kann. Dies hat einerseits Auswirkungen auf die Machtverteilung zwischen den Organen, andererseits zwingt das Verfahren zu Koalitionsbildungen, denen jeweils das EP und die Kommission angehören und die immer einzelne Mitgliedstaaten als Verlierer ausweisen. Daher werden durch das Kodezisionsverfahren die Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten zunehmen. Nur in dem Fall, daß Einigungskosten keine Rolle spielen und keine dominierende Koalition besteht, kann erwartet werden, daß die beteiligten Akteure eine kooperative Lösung anstreben. Dies wird durch die Einrichtung der Vermittlungsausschüsse unterstützt. In jedem Fall haben die supranationalen Organe Kommission und Parlament Vorteile durch das Kodezisionsverfahren. Die empirische Auswertung der einzelnen Richtlinien hat ergeben, daß das Tauschmodell von Coleman die besten Prognosen liefert, wenn gleichzeitig die Koalitionsbildung im Entscheidungssystem der EU mitberücksichtigt wird. In diesem Falle legen die Ergebnisse nahe, die EU als Konfliktspiel zwischen verschiedenen, nicht-dominierten "minimal-winning" Koalitionen zu konzeptionalisieren. Dies gilt für alle drei untersuchten Richtlinien, die unter qualifizierter Mehrheit entschieden wurden. Die Ergebnisse des Nash-Modells spiegelten die Position der Kommission. Damit konnte gezeigt werden, daß die Kommission ihrer Aufgabe als Agenda-Setter insofern gerecht wird, als sie Vorschläge unterbreitet, die tendenziell kooperative und Pareto-optimale Lösungen definieren. Gleichzeitig sprechen die Ergebnisse für das NashModell, das in der Lage ist, genau diese Situation abzubilden. Im Falle einstimmiger Entscheidungen und Nicht-Entscheidungen wurde vor allem die Status-Quo Position der Mitgliedstaaten relevant. Mitgliedstaaten, die keine Verbesserung gegenüber dem Status-Quo durch eine Richtlinie erwarten konnten, haben die Entscheidung durch ihre Vetoposition blockiert. An diesem Ergebnis bestätigt sich, daß Richtlinien dieses Politikfelds als Entscheidungen in einem freien Verhandlungssystem operationalisiert werden müssen, da kein Verhandlungspartner gezwungen werden kann, einer Entscheidung zuzustimmen. Zudem wurde deutlich, daß im Falle von einstimmi-

320

K. Fazit

gen Entscheidungen die gewichteten Modelle eine bessere Prognose lieferten als die ungewichteten. Machtunterschiede zwischen den Staaten spielen offensichtlich auch bei Einstimmigkeit eine Rolle. Die Vetopositionen der Mitgliedstaaten wurden dann eher issue-spezifisch eingesetzt. Die Modeliierung einstimmiger Entscheidungen verlangt daher nicht nur die genaue Spezifikation der Interessen (Präferenzen), sondern auch der Kontrolle der Akteure je Issuedimension. Insgesamt hat die Analyse des Entscheidungssystems der Europäischen Union die Bedeutung von Institutionen und Verfahren offengelegt. Treibende Kraft der Integration der Gemeinschaft sind die gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten. In internationalen Verhandlungssystemen lassen sich Entscheidungen nur auf dieser Basis treffen. Selbst die qualifizierte Mehrheitsregel als besonderes Merkmal der Europäischen Union funktioniert nur solange, wie ein positiver Nutzen für alle Beteiligten damit verbunden ist. Bereits bei der Untersuchung der Integrationstheorien wurde klar, daß internationale Verhandlungssysteme nur auf der Grundlage gemeinsamer Interessen funktionieren, gleichzeitig jedoch immer prekär sind, da das Abweichen einzelner Verhandlungspartner nicht sanktioniert werden kann. Die EU hat demgegenüber durch die größere Institutionalisierung Vorteile. Aufgrund der speziellen Entscheidungsmechanismen innerhalb der EU bietet sich eine tauschtheoretische Analyse der Gemeinschaftsentscheidungen an, da auf diese Weise sowohl das Entscheidungs- als auch das Verteilungsproblem untersucht werden kann. Obwohl hier argumentiert wurde, daß sich die Verhandlungen der EU auf Einzelentscheidungen konzentrieren, bleibt es weiteren Studien überlassen, mehrstufige Modelle anzuwenden, die auch den Tausch über verschiedene Richtlinien oder gar Politikfelder hinweg thematisieren.

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Sachwortregister Abkommen über die Sozialpolitik s. Sozialprotokoll Ablehnungsantrag 166, 222 Abstimmung namentliche 95, 97-104, 156, 158,167,185,211,218,318 Abstimmungsmacht 45, 65, 66, 72, 253,318 Abstimmungsregel 24, 45, 51, 53, 61, 65,88, 117,222,226,231,243, 261,267 Abstimmungsspiel 243, 277 Abstimmungsverhalten 15, 45, 46, 80, 99,100,103,104,166,188,213 strategisches 25 Agenda-Setter 34, 67, 68, 83, 319 agenda-setting 74, 226 Agent 228, 237, 253 Akteur 16, 32 kollektiver 15, 252, 253, 254 korporativer 17-28 Allokationseffizienz 106 Arbeitsgruppe des Rates 35, 36, 254 Arbeitskosten 108, 109, 114, 146, 148, 173, 174, 188 Arbeitsrecht 122, 135, 144, 192, 281 Arbeitsschutz 114, 115, 117, 142, 181, 194 sozialer 114,120,147 technischer 113, 118, 123, 147 Arbeitsschutzrichtlinie 114, 195 Arbeitsumwelt 28,115,117,120, 147 Arbeitsverhältnis 130, 132, 136, 176, 256 atypisches 130, 133, 142 Arbeitsvertrag 133, 134 Arbeitszeit 114, 141, 143, 144 maximale s. Höchstarbeitszeit Arbeitszeitrichtlinie 141-169, 259262,288-296 Arbeitszeitschutz 145, 146 Arbeitszeitstandards 148-150 Artike1118a 28,115,117,130,148

Ausgleichszeitraum 163, 165, 260, 286,290 Ausschuß der Ständigen Vertreter s. COREPER

Banzhaf-Index 61, 64, 65, 68, 81, 89 Bargaining Solution s. Nash BargaiDing Solution Beschäftigungslandprinzip 172-174 Besonderes Verhandlungsgremium 207,269,309,314 Betriebsrat 196, 199 Betriebsratsrichtlinie 190-223, 267273,312-317 Bezugszeitraum 184, 185, 188, 263, 266,298,302,304 Binnenmarkt 20, 25, 28, 83, 107, 115, 147 blocking power 75, 83, 87

Charakteristische Funktion 243 Cobb-Douglas Nutzenfunktion 233, 234, 238 Coleman-Modell 233-237 Comrnitments politische 237, 240, 241 conditional agenda-setting power 74 conditional blocking power 75 COREPER 35, 36 critical defection 62

Demokratiedefizit 39 Dienstleistungsfreiheit 171, 172, 175, 264, 297 Dilemma der Organisation 21-28 Dimension soziale 105, 116, 147, 151 Direktwahl 38, 39

344

Sachwortregister

Ebene kollektiver Vereinbarungen 152,168,260,261,286,289,291 Effizienz 51,53 Einheitliche Europäische Akte 13, 25, 114 Einstimmigkeit 23-25, 27, 54-60, 275,278,283,288,312 Entscheidung kollektive 56, 227, 230, 233, 241, 253 Entscheidungsgeschwindigkeit 45, 47-50,126, 319 Entscheidungskosten 24, 25, 47, 53 Entscheidungsproblem 23-25 Entscheidungsregel 27, 45, 47, 49, 122,123,125,127,209,223,231, 242,275,276,284,288,310 probabilistisch 233, 235, 236 Entscheidungsstruktur 18, 29-43 Entscheidungsverfahren 44 Entsenderichtlinie 170-189, 262-267, 296-307 erga-omnes 179,181, 183, 185, 189, 264 Europäische Sozialpolitik 105-129 Europäischer Ausschuß 215 Europäischer Betriebsrat s. Betriebsratsrichtlinie Europäischer Gerichtshof 42, 43 Europäischer Sozialfonds 110, 121 Europäisches Parlament 38-41, 76, 78, 79,81,89,92 externe Kosten 24, 53 Flexibilisierung 144, 162, 163, 289, 295 fractional critical defection 62 Fraktion 79, 89, 92 Fraktionszwang 45, 99, 102 Geänderter Kommissionsvorschlag Arbeitszeitrichtlinie 159-160 Entsenderichtlinie 188-189 Europäischer Ausschuß 219 Europäischer Betriebsrat 213, 214 Nachweisrichtlinie 137, 138 Geheimhaltung von Informationen 213,214,216,220,268, 271,310, 314

Gemeinsamer Standpunkt 69, 73, 75, 84,100 Arbeitszeitrichtlinie 163 Europäischer Ausschuß 220 Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte 13, 14, 116, 131, 139,147,151,205,209 Gesundheitsschutz 13, 28, 83, 142, 148,155,159,180,194,263 Gewinnkoalition 61, 67, 73, 80, 244 Gleichbehandlung 110, 111, 118, 120, 180,263 Gruppenrationalität 246 Güter kollektive s. Kollektivgut öffentliche s. Kollektivgut private 235 Harmonisierung 105, 107, 108, 109, 116,155,173,282 Höchstarbeitszeit 154, 159, 161, 163, 289,290 Imputation 246, 285, 301 Information und Konsultation 114, 190,194,203,209 Informationsrechte 202, 271, 310 Integration 48, 92, 95, 105, 109, 320 europäische 14, 18, 30, 52 soziale 105, 111 Interdependenzkosten 24, 53 Interessengewichtung 254, 258, 261, 271 Issuedimension 227, 228, 233, 236, 248,253,255,256,259,262,267 Issueposition 247, 257,261, 265, 270 Jahresurlaub 141, 146, 151, 160, 168, 260,286,290,295 Johnston-Index 61, 62, 64, 65, 68, 81, 83,89 Kaldor-Kriterium 56, 57 Kern 242,243-249,284, 294,297, 301,308 Koalition blockierende 244 kritische 62, 64, 76, 80, 245

Sachwortregister minimal-winning 243, 244, 247, 248,277,284,285,297,308 verwundbare 61, 63, 64, 75, 76, 80 Koalitionsauszahlung 65 Kodezisionsverfahren 83-91, 120, 177,228,292,295,319 Kollektivgut 17, 19, 21, 26, 55 Kommission 32-35, 66, 67, 68, 73, 76, 77,81,83,89,96 Kommissionsvorschlag Arbeitszeitrichtlinie 150--153 Entsenderichtlinie 177-181 Europäischer Ausschuß 215-217 Europäischer Betriebsrat 205-209 Nachweisrichtlinie 131-133 Kompromiß 58, 59, 86, 137, 162, 184, 210,218,222,239,299,315 Konfliktpunkt 58, 230, 250 Konfliktspiel 242, 319 Konsens 34,50,60,67, 123,147, 224, 225, 285, 294, 295, 303 s. auch Einstimmigkeit Konsultationsverfahren 45, 50,64-69, 130, 204, 228 Kontrolle 16, 19, 233, 236, 239, 241, 255,276,288,320 Kontrolltausch 235, 241, 279 Konzernverleih 175 Konzession 58, 60, 129, 187, 225, 250,303 Kooperation 26, 55 Kooperationsverfahren 69-83, 100, 151, 177,211 Koppelgeschäft 26, 27, 31, 55, 57, 59, 225,226 Legitimität 25, 38 Leiharbeitunternehmen 170, 174, 179, 263,266,298,302,304 LES-Funktion 239, 240 LES-Modell 237, 242, 248 LES-System 239, 241 log-rolling 26, 59, 225 Lohnnebenkosten I 08, 170, 174, 181, 264 Luxemburger Kompromiß 25, 50,66 Maastrichter Vertrag s. Vertrag zur Europäischen Union

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Macht 44, 60, 234, 240, 241 relative 60, 235 Machtindizes 60--64 Machtverhältnisse 44-91 Machtverteilung 65, 68, 81, 89, 275, 319 Massenentlassungsrichtlinie 112, 173, 193,206 Maxi-Min Strategie 242,245, 251 Mehrebenensystem 26, 35, 92, 226 Mehrheitsregel 24, 54, 64 qualifizierte 13, 25, 28, 47, 50, 115,117,120,148,177,203,223, 242,274,294,308,320 s. auch Kooperations- und Kodezisionsverfahren Mindestruhezeit 150, 154, 159, 290 Ministerrat 35-37,48, 50, 65, 75, 81, 89 Mitbestimmung 121, 122, 190, 196 Mitentscheidungsverfahren s. Kodezisionsverfahren Mitwirkung 190, 199, 209, 268, 272, 310 multidimensional 228, 238, 248, 253 Mutterschutzrichtlinie 142, 163 Nachweis schriftlicher 131, 132, 256, 257, 279 Nachweis von Arbeitsverhältnissen s. Nachweisrichtlinie Nachweisrichtlinie 130--40, 256-59, 274,278-283 Nash Bargaining Solution 232, 249252,276,284,291,319 Nichtentscheidung 50, 51 , 126, 224 .package-deal s. Koppelgeschäft Pareto-Kriterium 56 Pareto-optimal 22, 58, 225, 242, 243, 246,250,251,275,278,284,319 Permutation 63 Pivot 63,68 Polkies sozialpolitische 117, 118, 123129 Policy 15,24,46,103 Policy-Position 58, 60, 247, 248 s. auch Issueposition

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Sachwortregister

Politikformulierung 34, 35, 42 Präferenz 72, 73, 227, 228, 236, 237, 239 eingipflig 67, 237, 241 Präferenzintensität 59--60 s. auch Interessengewichtung Preise 234, 237, 277, 279, 288, 305 Produktionsstandortprinzip 173, 175 Protokoll über die Sozialpolitik s. Sozialprotokoll Rationalität individuelle 245 kollektive 245 Rechtzeitigkeit von Information 206, 217,268,272 Regelverfahren s. Konsultationsverfahren Ressourcenallokation proportionale 233, 234, 236, 251 Ressourcenpooling 18 Richtlinie 14, 47, 49, 124, 126, 229 Rücküberweisung 183, 185, 307 Schutz sozialer 120, 122 Seeschiffahrt 214, 220, 256, 258, 269, 310,314,317 Shapley/Shubik-Index 61, 63, 65, 68, 79,81,89,255,276,279,288,304 Sicherheit s. Gesundheitsschutz soziale 28, 105, 107, 120, 138 Sitzlandprinzip 173 Sonntagsarbeit 153, 180, 260, 286 Sozialcharta s. Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte Sozialdumping 107-109, 115, 146, 170, 172, 173, 188 Sozialer Dialog 116 Soziales Aktionsprogramm 13, 111, 113, 114, 116, 117 Sozialpartner 116, 120, 121, 131, 147, 168,202,215,289 Sozialpolitik internationale 118 Sozialprotokoll 119-123,203, 205, 215,226,231,275,307,317 Spiel 55, 242, 244, 246, 250 einfach 58, 244 iteriert 58

kooperativ 43, 55, 243, 247, 284 mixed-motive 19, 242, 250 N-Personen- 243, 247 Nullsummen- 26 Positivsummen- 53, 55 Zweipersonen- 58, 244 Spieltheorie 55, 243, 249 Status-Quo 51, 53, 55, 56, 58, 59, 67, 74,219,224,225,230,250,273, 277,279,282,294,306,313,316, 317,319 Stellungnahme 65,70 Stellungnahme des EP Arbeitszeitrichtlinie I. Lesung 154-159 Arbeitszeitrichtlinie 2. Lesung 164-168 Entsenderichtlinie 1. Lesung 182188 Europäische Betriebsräte I. Lesung 210-213 Europäischer Ausschuß 1. Lesung 217-219 Europäischer Ausschuß 2. Lesung 221 Nachweisrichtlinie 13fr137 Stellungnahme des WSA Arbeitszeitrichtlinie 153-154 Entsenderichtlinie 181 Europäische Betriebsräte 209 Nachweisrichtlinie 130, 134 Stimmenanteil 65, 67, 76, 78, 91, 306 Stimmentausch 59, 225 Subsidiaritätsprinzip 23, 47, 106, 122, 135,140,161,209,267,282 System verbundenes 77,80 Tausch 28,60,227,233,236,259, 317 politischer 229, 275 Tauschmodell 15, 224, 231, 252, 276, 281,282,292,303,319 Tauschoption 60, 229 Tauschsystem 233, 241 Tendenzschutzunternehmen 220, 222, 269,310,314,317 Territorialitätsprinzip 107, 173, 175 Übereinkommen von Rom 170, 178

Sachwortregister Überprüfter Kommissionsvorschlag Arbeitszeitrichtlinie 165, 168 Europäischer Ausschuß 222 Unternehmen gemeinschaftsweit operierende 190,207,209,210,216,218,220, 269,271,272,310,315 herrschende 112,207,216,269 komplexe 201 multinationale 111, 192, 201, 270, 310 Unternehmensgruppe s. Unternehmen Unterrichtung und Anhörung 120, 192,201,205,208,213,216,223, 267, 309 s. auch Information und Konsultation Ursprungslandprinzip s. Beschäftigungslandprinzip Verfahren der Kooperation s. Kooperationsverfahren Verfahren der Mitentscheidung s. Kodezisionsverfahren Verfahren der Zusammenarbeit s. Kooperationsverfahren Verfassungsentscheidung 22 Verfassungsregel 27 Verhandlungsdauer 50, 130, 216, 311

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Verhandlungsraum 267, 271, 309, 314,317 Verhandlungssystem 51-59, 255, 312, 320 freiwilliges 51, 53, 57, 314 Zwangs- 51, 52, 55, 58 Verkehrssektor 260, 286, 290 Vermittlungsausschuß 84, 85, 87 Verordnung 47, 49, 124, 126 Verteilungsproblem 25-28, 57, 107, 245,320 Vertrag zur Europäischen Union 22, 28,39,83,119 Vertragsverletzungsverfahren 43 Vertraulichkeit von Information 202, 211,217,267,271,308,314 Veto 22, 56,215,312 Vetoposition 77, 84, 90, 275, 278, 283,285,319 Vetorecht 40, 53, 85, 90, 243, 251 Vredeling-Richtlinie 201-203 V-Solution 301, 305 Wirtschafts- und Sozialausschuß 38, 41,130,134,153,181,202,204, 209 Wohlfahrtstheorie 56