Sozialismus, Wirtschaftsrechnung und unternehmerische Funktion 3828205852, 9783828205857

Frontmatter -- Inhaltsverzeichnis -- Vorwort zur deutschen Ausgabe -- 1. Einführung -- 2. Die Funktion des unternehmeris

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German Pages 306 [308] Year 2013

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Sozialismus, Wirtschaftsrechnung und unternehmerische Funktion
 3828205852, 9783828205857

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Jesús Huerta de Soto Sozialismus, Wirtschaftsrechnung und unternehmerische Funktion

Jesús Huerta de Soto

Sozialismus, Wirtschaftsrechnung und unternehmerische Funktion

Übersetzt von Marius Kleinheyer

Lucius & Lucius · Stuttgart · 2013

Anschrift des Autors [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

ISBN 978-3-8282-0585-7 © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2013 Gerokstraße 51 · D-70184 Stuttgart www.luciusverlag.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, ­Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gestaltung: Claudia Rupp, Stuttgart Druck und Bindung: BELTZ Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Sozialismus und die ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das historische Versagen des Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die subjektive Perspektive in der wirtschaftlichen Analyse des Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unsere Definition des Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion des unternehmerischen Handelns und Sozialismus . . . . . . Der Sozialismus als ein intellektueller Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Debatte über die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ludwig von Mises und der Beginn der Debatte über den Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ungerechtfertigte Verschiebung in der Debatte hin zur Statik   . . . Oskar Lange und der Konkurrenzsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der „Marktsozialismus“ – die unmögliche Quadratur des Kreises . . . 1.3 Weitere mögliche Forschungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analyse des sogenannten „Selbstverwaltungssozialismus“ . . . . . . . „Induktive Planung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das heilende Eingeständnis der „wissenschaftlichen Verantwortung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen der Debatte mit Blick auf die zukünftige Entwicklung der Volkswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erneute Bewertung und historische Analyse der verschiedenen Formen des real existierenden Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . Das Formulieren einer Theorie der ethischen Unzulässigkeit des Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entwicklung einer Theorie der Prävention und Demontage des Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



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2 Die Funktion des unternehmerischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Definition des unternehmerischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . Menschliches Handeln: Ziel, Wert, Mittel und Nutzen . . . . . . . . . . . Knappheit, Handlungsplan und Willensakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die subjektive Vorstellung von Zeit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreativität, Überraschung und Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten als subjektives Konzept: der unternehmerische Gewinn . . . . Rationalität und Irrationalität: unternehmerischer Fehler und Verlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



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Inhaltsverzeichnis

Grenznutzen und Zeitpräferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Eigenschaften der unternehmerischen Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmerisches Handeln und Alarmiertheit . . . . . . . . . . . . . . . . Information, Wissen und Unternehmergeist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektives und praktisches statt wissenschaftliches Wissen . . . . . . Privates und verstreutes Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stillschweigendes, nicht artikulierbares Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . Der kreative Charakter der unternehmerischen Funktion . . . . . . . . . Die Schaffung von Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Übermittlung von Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Lerneffekt: Koordination und Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbitrage und Spekulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht, Geld und Wirtschaftsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Allgegenwart der unternehmerischen Funktion . . . . . . . . . . . . . Das wesentliche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerb und unternehmerische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wissensteilung und die „extensive“ Ordnung sozialer Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreativität versus Maximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerung: unser Verständnis von Gesellschaft . . . . . . . . . . . 2.3 Unternehmerische Funktion und das Konzept des Sozialismus . . . . 3 Der Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Definition des Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Sozialismus als ein intellektueller Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Unmöglichkeit des Sozialismus vom Standpunkt der Gesellschaft aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das „statische“ Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das „dynamische Argument“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Unmöglichkeit des Sozialismus vom Standpunkt der Regierung aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Warum die Entwicklung des Computers die Unmöglichkeit des Sozialismus bestätigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Andere theoretische Konsequenzen des Sozialismus . . . . . . . . . . . . Fehlkoordination und soziale Unordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlerhafte Informationen und unverantwortliches Verhalten . . . . . Der Korruptionseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Untergrund oder die Schattenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Fehlen gesellschaftlicher (ökonomischer, technologischer, kultureller) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Prostitution der traditionellen Konzepte von Recht und Gesetz: die moralische Perversion, die der Sozialismus schafft . . . . . . . . Der Sozialismus als „Opium fürs Volk“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



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Inhaltsverzeichnis

Schlussfolgerung: die im Wesentlichen antisoziale Funktion von Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Unterschiedliche Arten von Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der real existierende Sozialismus oder der Typ der sowjetischen Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Demokratischer Sozialismus beziehungsweise Sozialdemokratie . . . Konservativer oder „rechter“ Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialmechanik oder szientistischer Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . Andere Arten von Sozialismus (christliche oder auf Solidarität basierende, syndikalistische Formen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Kritik an den alternativen Konzepten des Sozialismus . . . . . . . . . . . Das traditionelle Konzept und der Prozess, durch den das neue Konzept entwickelt wurde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialismus und Interventionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Unsinnigkeit des „idyllischen“ Sozialismusverständnisses . . . . . Könnte der Begriff Sozialismus eines Tages wieder etabliert sein? . . . 4 Ludwig von Mises und der Anfang der Debatte über die Wirtschaftsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der wesentliche Beitrag von Ludwig von Mises . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wesen und der grundsätzliche Inhalt von Mises’ Beitrag . . . . . 4.3 Das Funktionieren des Sozialismus nach Marx . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Zusätzliche Überlegungen zu Mises’ Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mises’ Widerlegung der Marx’schen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die monetäre Wirtschaftsrechnung von Gewinnen und Verlusten . . . Das praktische Ausreichen der Wirtschaftsrechnung . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsrechnung als ein grundsätzlich ökonomisches (und nicht technisches) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftskonsolidierung und Wirtschaftsrechnung . . . . . . . . . . . . . 4.5 Die ersten sozialistischen Vorschläge für die Lösung des Problems der Wirtschaftsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsrechnung in Tauschgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsrechnung in Arbeitsstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsrechnung in Nutzeneinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Die ungerechtfertigte Änderung der Debatte hin zur Statik: die Argumente der formalen Gleichheit und der sogenannten mathematischen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Das Argument der formellen Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Argumente der formellen Gleichheit, verbessert durch Eugen von Böhm-Bawerk und Friedrich von Wieser . . . . . . . . . Der Beitrag Enrico Barones als Argument der formalen Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII

Inhaltsverzeichnis

5.2

5.3 5.4 5.5

Andere Theoretiker der formalen Gleichheit: Cassel und Lindahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Analyse der mathematischen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Artikel von Fred M. Taylor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Beitrag von H. D. Dickinson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die mathematische Lösung in der deutschen Literatur . . . . . . . . . . . Die „mathematische Lösung“ und die nachteiligen Konsequenzen für die Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Trial-and-Error-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritik an der Trial-and-Error-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die theoretische Unmöglichkeit der Planometrik . . . . . . . . . . . . . . .

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6 Oskar Lange und die „Wettbewerbslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Einführende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Historische Vorgänger der „Wettbewerbslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . Die Beiträge von Eduard Heimann und Karl Polanyi . . . . . . . . . . . . Frühe Kritik von Mises, Hayek und Robbins am „wettbewerblichen Sozialismus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Der Beitrag von Oskar Lange: einführende Betrachtungen . . . . . . . . Das Lange-Breit-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Oskar Lange und sein Modell des „Marktsozialismus“ . . . . . . . . . . . Marktpreise versus „parametrische Preise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langes erster Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langes zweiter Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langes dritter Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langes vierter Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Kritische Analyse von Langes klassischem Modell . . . . . . . . . . . . . . Vorangehende Klarstellung der Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei Interpretationen von Langes Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Analyse der breitesten Interpretation von Langes Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Kommentare zu Langes klassischem Modell . . . . . . . . . . . . 6.6 Die dritte und vierte Phase in Langes wissenschaftlichem Leben . . . Die dritte Phase: die 1940er-Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der vierte Abschnitt vom Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod: das Verlassen des Marktes und die Glorifizierung und Rechtfertigung des stalinistischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . Langes Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7 Abschließende Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Andere „Marktsozialismus“-Theoretiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evan Frank Mottram Durbin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henry Douglas Dickinsons Buch „The Economics of Socialism“ . . .

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Inhaltsverzeichnis

7.2 7.3 7.4 7.5

Der Beitrag von Abba Ptachya Lerner zu der Debatte . . . . . . . . . . . „Marktsozialismus“: die unmögliche Quadratur des Kreises . . . . . . . Maurice H. Dobb und die vollständige Unterdrückung der individuellen Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . In welchem Sinne ist Sozialismus undenkbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Vorwort zur deutschen Ausgabe Es ist mir ein großes Vergnügen, diese dritte Auflage meines Buches Sozialismus, Wirtschaftsrechnung und die unternehmerische Funktion den deutschsprachigen Lesern und Studenten vorzustellen. Vor vier Jahren habe ich verschiedene Beobachtungen in das Vorwort zur zweiten Auflage eingefügt, die heute immer noch Gültigkeit besitzen und deshalb beachtet werden sollten. In der Zeit, die zwischen den verschiedenen Auflagen vergangen ist, wurden außerdem zwei wichtige Meilensteine erreicht. Erstens wurde eine englische Ausgabe des Buches mit dem Titel Socialism, Economic Calculation and Entrepreneurship fertiggestellt und in England und den USA veröffentlicht. Zweitens hat sowohl in Spanien als auch im Rest der Welt eine stetig wachsende Anzahl von Forschern, Studenten und Professoren damit begonnen, ein Interesse dafür zu zeigen, sich in das dynamische Verständnis von Wettbewerb und Marktprozessen zu vertiefen und dieses auf die Theorie der Unmöglichkeit von Sozialismus und ökonomischem Interventionismus zu übertragen. Dieses wachsende Interesse hat die Gründung einer wissenschaftlichen Zeitschrift mit dem Titel Marktprozesse: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftspolitik nötig gemacht.1 Die Zeitschrift ist ein Medium für die Publikation von Forschungsarbeiten insbesondere der neueren Generationen von Wissenschaftlern, die ein Teil von dem sind, was heute im internationalen Maßstab als die im Trend liegende und äußerst produktive Österreichische Schule der Nationalökonomie angesehen wird. Diese Forscher entwickeln ein Paradigma, das in der Lage ist, das bisherige zu ersetzen, welches sich bereits in der Phase der ernsthaften Krise, der Desintegration und des Untergangs befindet. Ich möchte an dieser Stelle den großen Enthusiasmus und den akademischen Geist anerkennen, der Jahr für Jahr von Studenten gezeigt wird, die dieses Buch als ein Textbuch in meinen Bachelorkursen benutzen. Zusammen mit meinen Promotionsstudenten und den Assistenten am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, den ich an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid innehabe, sind sie die größte Motivation für mich, in Spanien die Entwicklung des Forschungsprogramms der Österreichischen Schule fortzusetzen. Schließlich möchte ich dieses Buch Israel Kirzner widmen. Jesús Huerta de Soto

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Formentor, 22. August 2012

Procesos de Mercado: Revista Europea de Economía Política. Interessierte Leser können alle publizierten Ausgaben der Zeitschrift per E-Mail bestellen über [email protected]; siehe ebenfalls www.jesushuertadesoto.com.

1 Einführung In diesem einführenden Kapitel widmen wir uns der Zusammenfassung der wesentlichen Besonderheiten und Neuerungen der Analyse des Sozialismus, die in diesem Buch vorgetragen wird. Wir werden den Inhalt, die Struktur und die Ergebnisse dieses Werks kurz zusammenfassen und bewerten, um so schließlich eine Reihe möglicher Forschungsfragen aufzulisten, die wir – sofern sie die hier vorgeschlagene Analyse anwenden – für interessant und bedeutsam halten und deren Durchführung uns deshalb wichtig erscheint.

1.1 Sozialismus und die ökonomische Analyse Das historische Versagen des Sozialismus Das Scheitern des Sozialismus in den Ländern Osteuropas war ein historisches Ereignis von größter Bedeutung, das die Mehrheit der Ökonomen ohne jeden Zweifel völlig überrascht hat. Damit ist nicht nur gemeint, dass sich die Ökonomie als Wissenschaft der historischen Lage nicht gewachsen zeigte, die sie unfähig war vorherzusehen. Es geht auch darum, und das wiegt sogar schwerer, dass sie versagte, die Menschheit mit den erforderlichen analytischen Instrumenten auszustatten, die es ermöglichen, solche schweren Fehler zu vermeiden.2 Tatsächlich haben Volkswirte oftmals das Gegenteil getan: Sie nutzten ihre wissenschaftliche Aura und das Prestige dafür, sich für solche Wirtschaftspolitiken und Gesellschaftssysteme einzusetzen, die offenbar versagt haben und den unverhältnismäßigen Preis menschlichen Leids bedeuteten. Weit davon entfernt, angesichts dieser Situation ernsthaftes Unbehagen und Verunsicherung zu zeigen, fahren westliche Wirtschaftswissenschaftler so fort, als wäre nichts geschehen.3 Wenn doch einmal ein prominenter Ökonom die unbequeme Frage stellte, warum die professionellen Theoretiker nicht imstande gewesen sind, den Verlauf der Ereignisse adäquat zu untersuchen und frühzeitig vorherzusagen, war die Antwort naiv, oberflächlich und somit unbefriedigend. So hat man beispielsweise von einem „Fehler“ in der Interpretation der statistischen Daten aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks gesprochen, die von der Wissenschaft womöglich ohne ausreichend „kritische Distanz“ akzeptiert worden seien. Zudem erwähnte man die nicht ausreichende theoretische Berücksichtigung der Rolle von

2

Berücksichtigt man, wie wenig die Ökonomie sich überhaupt diesem Thema gewidmet hat, das bis vor Kurzem sogar von fast allen Forschungsprogrammen ausgeschlossen war, dann scheint es sogar relativ unbedeutend, dass die Volkswirtschaftslehre in der Phase des Übergangs der zuvor kollabierten Systeme hin zur Marktwirtschaft ihrer Aufgabe nicht gerecht wurde. Und das, als ihre Hilfe am dringend benötigt war. 3 Dies gilt nicht für führende Ökonomen der osteuropäischen Länder. In den folgenden Kapiteln werden wir die Gelegenheit haben, ihre Reaktionen ausführlich zu behandeln. Darüber hinaus sind sich diese Autoren am ehesten der Mängel der westlichen Volkswirtschaftslehre bewusst. Das ruft bei ihnen oftmals ein seltsames Gefühl der Enttäuschung und Verwirrung hervor, welches ihre arroganten Kollegen im Westen nicht nachvollziehen können.

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Einführung

„Anreizen“ in der Wirtschaft.4 Die angesehensten Vertreter der Volkswirtschaftslehre und die Disziplin insgesamt haben bisher wenig Anstrengung unternommen, ihre Verantwortung einzugestehen. Niemand – oder besser gesagt: fast niemand – hat bislang die Möglichkeit erwogen, dass das Problem aus den Methoden und der Art resultiert könnte, wie man Volkswirtschaft im 20. Jahrhundert betrieben hat – in jenem Jahrhundert, in dem die sozialistischen Systeme bestanden. Darüber hinaus kann man diejenigen Ökonomen an einer Hand abzählen, die sich der unumgänglichen und entscheidenden Aufgabe gestellt haben, den Inhalt der Debatte über die Unmöglichkeit des Sozialismus ans Licht zu bringen und neu zu bewerten. Ludwig von Mises begann diese Debatte im Jahre 1920 und sie wurde in den Jahrzehnten danach weitergeführt.5 Abgesehen von diesen ebenso isolierten wie ehrenwerten Ausnahmen scheint es, als ob die meisten Ökonomen es vorgezogen hätten, ihre Forschung von nun an mit Missachtung all dessen durchzuführen, was bis heute von ihnen selbst oder ihren Vorgängern über den Sozialismus geschrieben worden ist. Wir können jedoch das Kapitel des Sozialismus in der Geschichte nicht ungeschehen machen und so tun, als ob das Scheitern dieses Systems auf die Sozialwissenschaft keinen Einfluss gehabt hätte. In der Tat würde die Ideengeschichte erheblich darunter leiden, wenn die Theoretiker von nun an wieder versuchten, ihre Aufmerksamkeit auf die dringlichsten Probleme der jeweiligen Zeit zu lenken, und dabei die grundlegende Notwendigkeit vergessen würden, die bis heute durchgeführten Analysen des Sozialismus einer vollständigen und kritischen Evaluierung zu unterziehen und dabei eine definitive und wissenschaftliche Widerlegung dieses sozialen Systems hervorzubringen. Auf jeden Fall müssten wir uns der Tatsache stellen, dass die Wirtschaftswissenschaft erneut die große Hoffnung enttäuscht hat, die die Menschen zu Recht in sie gesteckt haben. In Wirklichkeit ist der Sozialismus als ein abstraktes Gedankensystem, das fest in der angeborenen Arroganz und im Hochmut des Menschen verwurzelt ist,6 dazu bestimmt, immer wieder zutage zu treten, sofern nichts dagegen unternommen wird. Um sein Wiedererstarken abzuwenden, müssen wir die einzigartige und vielleicht unwiederholbare historische Gelegenheit, die vor uns liegt, ergreifen, eine gründliche Untersuchung des theoretischen Gewissens durchzuführen, die begangenen Fehler zu begreifen, die benutzten analytischen Werkzeuge vollständig neu abzuschätzen und zu garantieren, dass keine geschichtliche Periode als abgeschlossen gelten kann, bevor wir nicht zu den notwendigen Schlussfolgerungen gekommen sind. Diese sollten dann so definitiv wie möglich formuliert sein. 4

Das waren die einzigen Erklärungen, die Gary Becker nannte, als er auf dem regionalen Treffen der Mont-Pèlerin Society, die vom 3. bis 6. November 1991 in Prag unter dem Titel „In Search of a Transition to a Free Society“ stattfand, seine „Presidential Address“ hielt. 5 Besondere Erwähnung unter diesen Werken verdient dabei Don A. Lavoie: Rivalry and Central Planning. The Socialist Calculation Debate Reconsidered. Cambridge: Cambridge University Press, 1985. Es ist unverzichtbar für alle Forscher auf diesem Gebiet geworden. 6 So lautet die zentrale These, die F. A. Hayek in seinem Buch darlegt: Fatal Conceit. The Errors of Socialism, publiziert als erster Band der Collected Works of F. A. Hayek (London: Routledge, 1989).

Sozialismus und die ökonomische Analyse

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Die subjektive Perspektive in der wirtschaftlichen Analyse des Sozialismus In diesem Buch entwickeln und schlagen wir die grundlegende These vor, dass der Sozialismus nur aus der Perspektive eines tiefen und klaren Verständnisses des menschlichen Handelns und der dadurch in Bewegung gesetzten dynamischen Prozesse sozialer Interaktion analysiert werden kann. Anders ausgedrückt: Die bisherige wirtschaftliche Analyse des Sozialismus hat größtenteils darin versagt, den methodologischen Individualismus und die subjektivistische Sichtweise zufriedenstellend einzubeziehen, die Hayek für die Weiterentwicklung unserer Wissenschaft als wesentlich erachtete. Tatsächlich stellt er klar: „Es ist vermutlich keine Übertreibung zu sagen, dass der große Fortschritt, den die Wirtschaftstheorie während der letzten hundert Jahre verzeichnet hat, ein weiterer Schritt in Richtung der konsistenten Anwendung des Subjektivismus war.“7 Genau das haben wir in unserer Studie des Sozialismus versucht, nämlich sie auf der Grundlage einer radikalen und konsistenten Anwendung des „Subjektivismus“ durchzuführen, d. h., sie auf dem innersten Wesensmerkmal des Menschen zu gründen: auf seiner Fähigkeit, unternehmerisch und kreativ zu handeln. Deshalb bemühten wir uns durchgehend, uns ohne Ausnahme und in allen Kontexten von den Resten des „Objektivismus“ zu befreien, der explizit oder unbewusst noch immer viele Gebiete unserer Wissenschaft durchzieht und sie damit fruchtlos macht sowie ihre zukünftige Entwicklung enorm erschwert. Wir können nie völlig sicher sein, dass der fruchtlose Objektivismus, der unsere Wissenschaft überzieht, nicht auch verstohlen in unsere Analyse hineingekrochen ist (womöglich oder gerade wegen der langen akademischen Irreführung, die jeder Student der Volkswirtschaftslehre in seinem universitären Studium ertragen muss). Dennoch haben wir alles uns Mögliche getan, um mit diesem vorherrschenden repressiven Paradigma zu brechen. Daher waren wir besonders darauf bedacht, nicht den Fehler zu begehen anzunehmen, dass ökonomische Phänomene eine „materielle“, „objektive“ Existenz außerhalb ihrer subjektiven Interpretation und Information hätten, welche die Menschen durch ihr Handeln erschaffen. Deshalb kommen wir dazu, Ökonomie als eine Wissenschaft zu begreifen, die sich ausschließlich mit „spirituellen“ Tatsachen beschäftigt, d. h. mit der subjektiven Information bzw. den Kenntnissen, die Menschen im Prozess der sozialen Interaktion erschaffen.

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F. A. Hayek: The Counter-Revolution of Science. New York: Free Press of Glencoe, 1952, S. 31 (es existiert eine großartiger Neudruck von Liberty Press, Indianapolis, 1979). In Fußnote 24 auf den Seiten 209 – 210 fügt Hayek hinzu, dass der Subjektivismus „has probably been carried out most consistently by L. v. Mises and I believe that most peculiarities of his views which at first strike many readers as strange and unacceptable are due to the fact that in the consistent development of the subjectivist approach he has for a long time moved ahead of his contemporaries. Probably all the characteristic features of his theories, from his theory of money to what he calls his apriorism, his views about mathematical economics in general, and the measurement of economic phenomena in particular, and his criticism of planning all follow directly from his central position.“ (Wie in den übrigen Fußnoten dieses Buches gilt auch hier: Kursive Hervorhebungen wurden hinzugefügt und stehen nicht im Original, sofern kein gegenteiliger Kommentar vorhanden ist. Wo immer möglich, haben wir die direkten Zitate in der Sprache angeführt, in der sie ursprünglich publiziert wurden. Oft wird dennoch auch eine deutsche Übersetzung angeboten.)

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Einführung

Unsere Definition des Sozialismus Unser bereits ausgedrücktes Bestreben, den Subjektivismus bei der Analyse des Sozia­lismus mit der größtmöglichen Strenge und Konsistenz anzuwenden, zeigt sich schon in unserer Definition dieses gesellschaftlichen Systems. Wir haben ja zuvor darauf hingewiesen, dass für uns die innerste und wesentliche Eigenschaft eines jeden Menschen seine Fähigkeit ist, frei und kreativ zu handeln. Von dieser Warte gesehen verstehen wir daher unter Sozialismus jedes System institutioneller Aggression gegen die freie Ausübung menschlicher Handlungen bzw. seiner unternehmerischen Funktion. Später, in Kapitel III, werden wir die Gelegenheit haben, im Detail alle Elemente unserer Definition zu untersuchen, und wir werden ihre klaren und nützlichen komparativen Vorteile gegenüber anderen bisher gebräuchlichen Definitionen prüfen. Im Moment genügt es darauf hinzuweisen, dass die Definition des Sozialismus als die systematische und aggressive Vereitelung von Handlungen – mit anderen Worten: jeder institutionelle Zwang – unserer Analyse notwendigerweise eine weitreichende Relevanz verleiht und sie zu einer vollständigen Theorie des institutionellen Zwangs macht. Außerdem wird klar, dass die Analyse der theoretischen Implikationen systematischer Aggression gegen menschliches Handeln und Interaktion zunächst eine genügend tiefe Kenntnis und ein Verständnis der grundlegenden theoretischen Analyse ungehinderten menschlichen Handelns voraussetzt. In Kapitel  II, dem wir den Titel „Die Funktion des unternehmerischen Handelns“ geben, werden wir uns darauf konzentrieren, das Fundament dafür zu legen. Funktion des unternehmerischen Handelns und Sozialismus Unser Konzept des unternehmerischen Handelns ist sehr umfassend und präzise­ zugleich. Im weiten Sinne halten wir die unternehmerische Funktion und das menschliche Handeln für synonym. Im engen Sinne besteht die Funktion des Unternehmers aus der typisch menschlichen Fähigkeit, Möglichkeiten des Erfolgs in der Umgebung ausfindig zu machen. Handeln ist daher ein typisch unternehmerisches Phänomen und wir werden dessen Komponenten und Charakteristika ausführlich in Kapitel II behandeln. Die auffallendste unter diesen Eigenschaften ist die kreative und koordinierende Fähigkeit des Unternehmers. Tatsächlich generiert jede unternehmerische Handlung neue Informationen von unbewusster, zerstreuter, praktischer und subjektiver Art und veranlasst die beteiligten Akteure, ihr Verhalten oder ihre Disziplin in Bezug auf die Wünsche und Umstände der anderen zu ändern. Auf diese spontane und unbewusste Art werden die Verknüpfungen geschaffen, die das Leben in einer Gesellschaft ermöglichen. Zudem kreiert allein die unternehmerische Funktion die nötigen Informationen für die Wirtschaftsrechnung – verstanden als jede Abschätzung der Ergebnisse unterschiedlicher Handlungsweisen. Sofern wir das Wesen dieses außergewöhnlichen Prozesses sozialer Koordination und der Wirtschaftsrechnung verstehen – eines Prozesses, den allein unternehmerisches Handeln initiieren kann –, dann werden wir durch Vergleichen und Gegenüberstellen die gravierende soziale Störung und die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung verstehen, die notwendigerweise jedem institutionellen

Die Debatte über die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung

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Zwang gegen die unternehmerische Freiheit folgen muss. Das heißt, allein ein korrektes Verständnis des Charakters der Marktprozesse und der Gesellschaft lässt uns klar alle primären und sekundären Implikationen des sozialistischen Systems begreifen. In Kapitel III werden diese Implikationen und ihre jeweiligen Verknüpfungen aus der hier dargelegten Perspektive untersucht. Der Sozialismus als ein intellektueller Irrtum Wenn der Sozialismus in wissenschaftlichen, politischen und philosophischen Zirkeln verteidigt worden ist, dann deshalb, weil man glaubte, der systematische Gebrauch des Zwangs könnte den Prozess sozialer Koordination sehr viel effektiver gestalten. Wir werden die erste Hälfte des dritten Kapitels auf die Widerlegung dieser Idee verwenden und unsere Argumentation dabei von zwei Standpunkten aus entwickeln: dem „statischen“8 und dem „dynamischen“. Diese sind zwar unterschiedlich, aber zugleich komplementär. Unsere Schlussfolgerung lautet, dass der Sozialismus nichts anderes ist als ein intellektueller Irrtum, denn gemäß der Theorie ist es unmöglich, die Gesellschaft durch systematischen Gebrauch des Zwangs und der Kontrolle zu koordinieren. Die zweite Hälfte des dritten Kapitels handelt zum Teil von den sekundären Implikationen unseres Hauptargumentes und tut dies aus einer multidisziplinären Perspektive. Sie enthält außerdem eine Erklärung und Verteidigung unserer Definition des Sozialismus als Gegensatz zu alternativen Konzepten, die in der Vergangenheit gebräuchlich waren. Eine Anatomie der unterschiedlichen historischen Gattungen oder Typen des Sozialismus schließt das Kapitel ab. Trotz jeweils unterschiedlicher Motivation, verschiedener Ausmaße an Intervention und anderer Besonderheiten teilen alle Spielarten des Sozialismus einen gemeinsamen Nenner: Sie alle beruhen mehr oder weniger auf dem systematischen Gebrauch von Aggression gegen die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion.

1.2 Die Debatte über die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung Die oben erwähnte Analyse des Sozialismus zeigt die Notwendigkeit einer Neubewertung der Debatte, die in den 1920er- und 1930er-Jahren zwischen Mises und Hayek einerseits und verschiedenen sozialistischen Theoretikern andererseits über die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus geführt wurde. Erinnern wir uns zunächst daran – wie wir bereits zuvor behaupteten –, dass der 8

Unser „statisches“ Argument hat nichts mit der Gleichgewichtsanalyse oder dem statischem Konzept zu tun, das wir in Kapitel IV – und allgemein im gesamten Buch – vehement kritisieren. Dennoch haben wir keinen besseren Begriff gefunden, um den zerstreuten Charakter derjenigen Information, die hypothetisch bereits erschaffen wurde, von dem dynamischen Argument zu unterscheiden, das sich auf den Prozess bezieht, durch den neue Information generiert wird. Weiter unten zeigen wir, dass beide Argumente gleichsam dynamisch und somit unvereinbar mit der Gleichgewichtstheorie sind. Tatsächlich beziehen sich beide Prozesse auf simultane und nicht unterscheidbare soziale Prozesse, die wir nur aus rein didaktischen Gründen separat behandeln.

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Einführung

historische Untergang des Sozialismus in den Ländern Osteuropas jeden seriösen und achtbaren Wissenschaftler dazu verpflichtet, alles das über den Sozialismus zu überdenken und neu zu bewerten, was in der Theorie bereits von jenen gesagt wurde, die die mit dem Sozialismus zusammenhängenden Probleme am fleißigsten und genauesten studiert hatten. Zweitens ist unser Konzept der unternehmerischen Funktion und des Sozialismus nichts weiter als der logische Endpunkt einer theoretischen Synthese, die in einer frühen Form bereits zu Beginn der Debatte aufkam und sich in ihrem Verlauf allmählich weiterentwickelte und vollendete. Daher ist es notwendig, die Kontroverse zu untersuchen und neu zu bewerten, um klar und vollständig die Implikationen der Analyse zu verstehen, die wir hier durchführen. Schließlich zeigt sich, dass das Paradigma des Mainstreams, das auf der Analyse des Gleichgewichts beruht, darin gescheitert ist, die theoretischen Probleme des Sozialismus zu verstehen. Weil dieses Paradigma auf der newtonschen Mechanik und der Idee eines Gleichgewichts, d. h. auf einer „repetitiven Untätigkeit“, beruht, wird es sogar unmöglich herauszufinden, welches das unumgängliche theoretische Problem ist, das der institutionelle Zwang mit sich bringt. Überdies erhielten die meisten Autoren sekundärer Quellen über diese Debatte und die meisten Experten, die diese Schriften kommentierten, ihre Ausbildung innerhalb des oben genannten Paradigmas. Dieser Umstand erklärt, warum es ihnen unmöglich war, den Inhalt der Herausforderung zu verstehen, die der Ansatz von Mises und Hayek bedeutete. Und er erklärt auch, warum der „Mythos“, die sozialistische Seite hätte den Streit gewonnen, so viele Jahre überlebte. Ludwig von Mises und der Beginn der Debatte über den Sozialismus Es war kein Zufall, dass die Kontroverse im Gefolge von Mises’ Beitrag kurz nach dem Ersten Weltkrieg begann. Tatsächlich konnte nur jemand, der wie Mises eine profunde Kenntnis der Natur und der Implikationen des von menschlichem Handeln gesteuerten Marktprozesses hatte, die ökonomisch-kalkulatorischen Probleme erkennen und verstehen, die der Sozialismus in sich birgt. Der Untersuchung des Inhalts und der Hintergründe des fruchtbaren Beitrags von Mises widmen wir das gesamte vierte Kapitel. Dabei achten wir besonders darauf, Mises in den historischen Kontext zu setzen, in dem er seinen bedeutsamen Beitrag leistete und in dem eine üblicherweise marxistische Konzeption des Sozialismus vorherrschte. Zudem bemühen wir uns zu zeigen, dass Mises’ Analyse des Sozialismus eine klare Anwendung der dynamischen Theorie in der Tradition der Österreichischen Schule ist und daher weder etwas mit der statischen Gleichgewichtsanalyse zu tun hat, noch mit der „reinen Logik der Entscheidung“, die auf derselben aufbaut. Das Kapitel endet mit einer detailliert kritischen Studie der zunächst von sozialistischen Theoretikern vorgeschlagenen „Lösungen“ des Problems der Wirtschaftsrechnung. Diese beinhalteten die Rechnung mit gleichen Arten, mit Arbeitsstunden und mit sogenannten „Nutzeneinheiten“, wobei keine von ihnen das unvermeidbare theoretische Problem lösen konnte, das Mises aufgeworfen hatte.

Die Debatte über die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung

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Die ungerechtfertigte Verschiebung in der Debatte hin zur Statik Die absurde Idee, dass allein die Analyse eines Gleichgewichts, das dem dominierenden Paradigma unterliegt und es prägt, „Theorie“ sei, lenkte die Debatte unvermeidbar in Richtung statischer Probleme. Wie wir in Kapitel V sehen werden, scheiterten Ökonomen daran, Mises’ Herausforderung zu verstehen, oder sie erkannten, dass seine Analyse keine des Gleichgewichts war, und fassten sie eher als praktisch denn als „theoretisch“ auf; oder aber – was am meisten vorkam – sie interpretierten Mises’ Kritik im engen Sinne des Equilibriums und der strikten, „reinen Logik der Entscheidung“. Im letzten Falle verkannten sie, dass Mises selbst von Beginn an eingestanden hatte, dass der Sozialismus aus einer statischen Perspektive überhaupt kein Problem darstellt, und dass sein theoretisches Argument gegen den Sozialismus deshalb ein fundamental dynamisches war, das auf den Prozessen menschlicher Interaktion beruht, die auf dem Markt stattfinden. Aus diesem Grund war der Richtungswechsel in der Debatte hin zum Statischen ebenso irrelevant (denn Statik hatte nichts mit der ursprünglichen theoretischen Kritik zu tun) wie ungerechtfertigt, da diese Ablenkung die theoretische Kontroverse völlig bedeutungslos werden ließ. (Die statische Perspektive hinderte die Ökonomen daran, die Probleme zu erkennen und ihre prinzipielle Unlösbarkeit zu verstehen.) In Kapitel V überprüfen wir zudem die verschiedenen Versuche sozialistischer Ökonomen, eine „mathematische Lösung“ zu finden – angefangen mit den Argumenten der „formalen Ähnlichkeit“ in statischen Begriffen zwischen Markt und Sozialismus bis hin zu den erst zu nehmenderen Beiträgen von Taylor und Dickinson. Zum Schluss werfen wir einen detaillierten Blick auf die „Trial-and-Error-Methode“, die als eine praktische Strategie zur Lösung der entsprechenden Gleichungssysteme aufgefasst wurde. Dieses Kapitel endet mit einer kritischen Analyse der „planomet­ rischen“ Modelle, die auf den Beiträgen der sozialistischen Theoretiker beruhen. Bis zum heutigen Tag wollen Volkswirte diese hartnäckig weiterentwickeln. Oskar Lange und der Konkurrenzsozialismus Die Auffassung, dass es Oskar Lange in theoretischer Hinsicht gelungen sei, Mises’ Argument gegen den Sozialismus zu widerlegen, ist möglicherweise eines der größten Mythen in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre. In der Tat verbreiten sowohl die führenden Lehrbücher als auch fast alle sekundären Quellen der Debatte kategorisch diese mythische und oberflächliche Version. Dieser Mythos wurde ohne eine Begründung oder kritische Analyse an zwei ganze Generationen von Ökonomen weitergegeben. Aus diesem Grunde sehen wir es als notwendig an, eine sorgfältige und kritische Studie der Konkurrenzlösung durchzuführen, die Oskar Lange vorschlägt. Diese Studie erfolgt in Kapitel  VI und ihr Inhalt, ihre Länge und Tiefe machen sie womöglich zum neuartigsten und illustrativsten Teil unseres Bemühens­, die subjektivistische Methodologie auf die ökonomische Analyse des Sozialismus anzuwenden. Es reicht aus, wenn unsere Bemühungen – zusammen mit anderen neuartigen und verwandten Schriften, die wir an passender Stelle zitieren werden – zumindest helfen, den Mythos ein für alle Mal zu zerstreuen, dass Lange Mises’ Argument widerlegt habe.

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Einführung

Der „Marktsozialismus“ – die unmögliche Quadratur des Kreises Das siebte und letzte Kapitel vervollständigt unsere Analyse der „Konkurrenzlösung“, indem es einen Blick auf die Beiträge wirft, die Dickinson, Durbin und Lerner in der Zeit geleistet haben, nachdem Oskar Lange seine Ideen präsentierte. In diesem Kapitel gelangen wir zu dem Schluss, dass Wettbewerb und Sozialismus, ebenso wie kreatives Handeln und Zwang, radikal und fundamental widersprüchliche Konzepte sind. Wie wir sehen werden, wurde eben diese Position von einer ganzen Schule von Sozialisten vertreten, die – angeführt von Dobb – jene Kollegen als Heuchler und Visionäre bezeichnete, die den Marktsozialismus verteidigten. Nach einigen Bemerkungen über die Bedeutung der Unmöglichkeit des Sozialismus schließen wir das Kapitel mit einer kurzen Zusammenfassung unserer wichtigsten Ergebnisse ab.

1.3 Weitere mögliche Forschungsfelder Unsere theoretische Analyse des Sozialismus ist natürlich nicht vollständig abgeschlossen, es bleibt viel Raum für zukünftige Forschung. Tatsächlich betrachten wir unsere Untersuchung als ersten Schritt auf dem Weg in Richtung einer Reihe möglicher Forschungsprojekte, von denen wir glauben, dass sie vielversprechende Resultate erzielen werden, sofern sie der hier entwickelten Methodologie folgen. Unter diesen zukünftigen Forschungsfeldern erscheinen die folgenden besonders bedeutsam:9 Analyse des sogenannten „Selbstverwaltungssozialismus“ Obwohl der Selbstverwaltungs- oder „syndikalistische“ Sozialismus vor allem aufgrund des ökonomischen, sozialen und politischen Kollapses des jugoslawischen Modells heute kein hohes Ansehen genießt, glauben wir, dass eine Anwendung unserer Methode auf diese Sorte Sozialismus vielversprechend sein könnte. Das trifft besonders mit Blick auf die spezifischen Koordinierungsprobleme zu, die dieses Modell auf allen Ebenen aufweist, und auf die Tatsache, dass es oft als ein Mittelweg verteidigt wurde, der die Hindernisse überwinden könne, die man traditionell mit den beiden Konzepten Kapitalismus und Sozialismus assoziierte. „Induktive Planung“ Obgleich heute praktisch ebenso vergessen, glauben wir, dass induktive Planung aus mehreren Gründen ebenfalls untersucht werden sollte. Erstens hatte dieses Modell besonders in den 1960er-Jahren eine große Gruppe von Anhängern, die versuchten, ihre Position mit einer Reihe theoretischer Argumente zu verteidi9

Diese Liste erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie entspricht dem Entwurf eines zweiten, folgenden Bandes über den Sozialismus. Einige der hier dargestellten Aspekte sind zum Teil für den Inhalt dieses Buches ausgearbeitet [damit ist das Werk Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen (Stuttgart: Lucius & Lucius, 2011) von Jesús Huerta de Soto gemeint; Anm. d. Übers.].

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gen. Diese Argumente glichen im Wesentlichen denen des Marktsozialismus und blieben damals praktisch unbeantwortet. Obwohl „induktive Planung“ nicht mehr angewendet wird, scheint es notwendig, sie erneut angemessen zu analysieren, bevor sie endgültig „zu den Akten“ gelegt wird. Zweitens strebten einige Ökonomen aus Osteuropa danach, die induktive Planung als ein Wundermittel für ihre Volkswirtschaften wiederzubeleben, was als Ergebnis des oben beschriebenen Phänomens interpretiert werden kann (die Aufgabe oder das Vergessen einer Reihe theoretischer Positionen, ohne vorherige wissenschaftliche Untersuchungen und Entscheidungen über diese unternommen zu haben). Und schließlich müssen wir drittens hervorheben, dass unsere Analyse des Sozialismus auf die Theorie der induktiven Planung perfekt anwendbar ist, denn die theoretischen Argumente, die die Unmöglichkeit des Sozialismus erklären, sind exakt dieselben, welche auch die induktive Planung an der Erreichung ihrer Ziele hindern. Dasselbe gilt für eine Reihe von Methoden, wie etwa Input-Output-Tabellen. Viele Ökonomen bestehen hartnäckig auf dem Versuch, diese zu benutzen, um (induktive oder andere) Planung durchführbar zu machen.10 Das heilende Eingeständnis der „wissenschaftlichen Verantwortung“ Die andauernde Verbreitung des Mythos (seit beinahe 40 Jahren), dass theoretische Sozialisten die Debatte über die Unmöglichkeit des Sozialismus gewonnen hätten und der Sozialismus als Modell überhaupt kein theoretisches Problem darstelle, ist eine der interessantesten Aspekte der Kontroverse. Besondere Verantwortung für diesen Mythos tragen nicht nur die Gelehrten, welche die Sekundärliteratur der Debatte verfassten. Verantwortlich ist auch die Legion der Ökonomen, die die populäre Meinung in all den Jahren entweder ohne tiefere eigene Nachforschungen übernommen haben oder die ganze Debatte schlicht nicht berücksichtigten, weil sie es für offensichtlich hielten, dass der Sozialismus kein theoretisches Problem darstellte. Mit Blick auf das Problem, das der Sozialismus bereitet, können wir feststellen, dass die meisten Sozialwissenschaftler die Erwartungen nicht erfüllt haben, welche die Menschheit zu Recht in sie gesetzt hatte. Zumindest haben sie in ihrer wichtigen wissenschaftlichen Pflicht versagt, die Menschen vor den großen Gefah­ ren des sozialistischen Ideals zu warnen. Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen einzelnen Theoretikern in Bezug auf ihre Unredlichkeit, Nachlässigkeit oder bloße Unkenntnis. Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, sich der gesunden und lehrreichen Aufgabe zu unterziehen, die Verantwortung verschiedener Wissenschaftler anzuerkennen. Mit Rücksicht auf gewöhnliche Bürger und die Zukunft der Wirtschaftswissenschaft sollte eine derartige Untersuchung jeden

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Das ist etwa der Fall beim szientistischen Ökonomen Wassily Leontief, der auf der ständigen Suche nach neuen „Anwendungen“ für seine „intellektuelle Kreatur“ (Input-Output-Tabellen) nicht zögert, unaufhörlich Pläne für Interventionen und Attacken gegen die Gesellschaft vorzuschlagen. Siehe dazu: Don A. Lavoie: „Leontief and the Critique of Aggregative Planning“, in: National Economic Planning: What is Left? Cambridge Massachussets: Ballinger Publishing, 1985, S. 93 – 124.

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Einführung

Theoretiker ohne Rücksicht auf seinen Namen, sein Ansehen oder sein heutige oder vorübergehende Popularität so darstellen, wie es ihm tatsächlich gebührt.11 Konsequenzen der Debatte mit Blick auf die zukünftige Entwicklung der Volkswirtschaftslehre Die vielleicht kühnste These unserer Arbeit lautet, dass das Scheitern des Sozialismus notwendigerweise eine erhebliche Wirkung auf das vorherrschende Paradigma und die Zukunft der Volkswirtschaftslehre haben wird. Offenbar hat ein entscheidendes Element dieser Wissenschaft versagt, wenn Ökonomen – abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen – nicht fähig waren, ein solch bedeutsames Ereignis vorherzusehen. Der schwere Schlag, den wir einstecken mussten, hat uns heute glücklicherweise in die Position gebracht, die Art und das Ausmaß der theoretischen Kurzsichtigkeit, die das Mainstream-Paradigma bestimmt, korrekt zu bewerten – eine Kurzsichtigkeit, die Ökonomen bis heute daran gehindert hat, die wichtigsten Ereignisse in der gesellschaftlichen Sphäre mit der notwendigen Klarheit einzuschätzen und zu deuten. Überdies müssen wir dabei nicht bei null anfangen, denn viele der neuen analytischen Instrumente haben bereits einen Prozess der Entwicklung und Verbesserung durchlaufen – ausgelöst durch das Bemühen der Österreichischen Schule, ihre Positionen im Verlauf der Debatte über die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus zu erklären, zu verteidigen und zu verfeinern.12 Obwohl wir hier nicht alle betroffenen Felder unserer Disziplin aufzählen und noch viel weniger ihren neuen Inhalt entwickeln können, lassen sich doch einige Beispiele nennen. Vielleicht sollten wir mit der angemessenen Methode unserer Wissenschaft beginnen. Dieselben Faktoren, die den Sozialismus unmöglich machen (nämlich der subjektive, kreative, verstreute und nicht artikulierbare Charakter der Information, die in der Gesellschaft genutzt wird), sind auch dafür verantwortlich, dass das Ideal empirischer Vergleiche und präziser Messung, das Ökonomen bis heute mit Eifer und Naivität vertreten, unerreichbar bleibt. Ganz zu schweigen von den negativen Effekten, die der mathematische Formalismus und die schädliche Versessenheit auf eine Analyse, die auf vollständiger Information und einem Gleichgewicht beruht, auf die Entwicklung unserer Wissenschaft ausüben. Ebenso notwendig ist es, die funktionale Theorie der Preisdetermination fallen zu lassen und durch eine Preistheorie zu ersetzen, die erklärt, wie Preise auf dynamische Weise als das Resultat eines sequenziell sich entwickelnden Prozesses 11

Ein Beispiel dieses Forschungsprogrammes finden wir in Don A. Lavoies faszinierendem Aufsatz „A Critique of the Standard Account of the Socialist Calculation Debate“, in: The Journal of Libertarian Studies: An Interdisciplinary Review, Vol. 5, H. 1 (Winter 1981): S. 41–87. 12 Israel M. Kirzner hat die enorme Bedeutung betont, die diese Debatte als Katalysator für die Entwicklung, Verfeinerung und verbesserte Formulierung der Theorien der Österreichischen Schule hatte. Dies gilt im Allgemeinen ebenso wie im Speziellen für die gründliche Analyse und das Verstehen der Theorie der unternehmerischen Funktion und der dynamischen Prozesse der Kreativität und Entdeckung, die auf dem Markt stattfinden. Siehe: Israel M. Kirzner: „The Economic Calculation Debate: Lessons for the Austrians“, in: The Review of Austrian Economics, Vol. 2. Massachusetts: Lexington Books, 1988, S. 1 – 18.

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entstehen, der durch die Kraft der unternehmerischen Funktion entsteht, d. h. durch die Handlungen der beteiligten Akteure und nicht durch den Schnittpunkt mysteriöser Kurven oder Funktionen, die in Wahrheit nicht existieren. Denn die für die Konstruktion dieser Kurven benötigte Information existiert nicht einmal im Kopf der involvierten Akteure. Außerdem müssen wir die grobe, statische Theorie der „vollständigen“ Konkurrenz und des Monopols aufgeben und erneuern und durch eine Theorie des Wettbewerbs ersetzen, verstanden als ein dynamischer und rein unternehmerischer Prozess der Konkurrenz. Eine solche Theorie lässt die Probleme des Monopols, wie es traditionell verstanden wurde, irrelevant erscheinen. Stattdessen legt sie das Augenmerk auf die institutionellen Hindernisse für die freie Entfaltung der unternehmerischen Funktion in allen Bereichen des Marktes. Die Kapital- und Zinstheorie ist von der subjektivistischen Konzeption ebenfalls erheblich betroffen. Diese Konzeption versteht unter einem Kapitalgut jede Zwischenetappe, die durch den Akteur subjektiv – im jeweiligen Kontext seiner Situation – als eine solche wahrgenommen wird. Die Erfahrung der Vollendung dieser Etappen gibt dem Akteur die subjektive Wahrnehmung des Zeitverlaufs. Kapital erscheint als eine mentale Kategorie in der Berechnung des ökonomischen Akteurs oder in seiner Schätzung des Wertes jeder Zwischenetappe in Marktpreisen. Dieses Konzept erklärt die wichtige Rolle, die die Zeitpräferenz bei der Bestimmung des Zinses spielt. Es verdeutlicht ebenfalls das Fehlen jeder kausalen Beziehung zwischen dem Zins und der Produktivität des Kapitals. Der Glaube an eine solche Beziehung beruht auf drei verschiedenen, dennoch eng verwandten Fehlern: der Analyse des perfekt angepassten Gleichgewichtszustands, der Idee der Produktion als eines punktuellen „Prozesses“, der keine Zeit benötigt, und der Vorstellung von Kapital als einem „Fond“, der unabhängig von der menschlichen Vorstellung existiert und sich selbst reproduziert. Die Theorie des Geldes, Kredits und der Finanzmärkte stellt womöglich die größte theoretische Herausforderung für unsere Wissenschaft im 21. Jahrhundert dar. Tatsächlich würden wir so weit gehen zu behaupten, dass die „theoretische Lücke“ nun geschlossen ist, die durch das Fehlen einer angemessenen Analyse des Sozialismus bestand. Das am wenigsten erschlossene Feld – und zugleich das wichtigste – ist jedoch das des Geldes, wo überall systematischer Zwang, methodologische Fehler und theoretische Unkenntnis herrschen. Die sozialen Beziehungen, in denen Geld eine Rolle spielt, sind jedoch bei Weitem die abstraktesten und am schwersten zu begreifenden.13 Weil die Informationen, die durch diese Beziehungen generiert werden, gewaltig, komplex und verdeckt sind, zählt systematischer Zwang auf diesem Gebiet ohne Zweifel zum Schädlichsten. Die Theorie des Interventionismus im Allgemeinen und der Konjunkturzyklen im Besonderen fügt sich perfekt in unsere 13

„The operation of the money and credit structure has, with language and morals, been one of the spontaneous orders most resistant to efforts at adequate theoretical explanations, and it remains the object of serious disagreement among specialists … The selective processes are interfered with here more than anywhere else: selection by evolution is prevented by government monopolies that make competitive experimentation impossible.“ F. A. Hayek: The Fatal Conceit: The Errors of Socialism. Chicago: The University of Chicago Press, 1989, S. 102 f. J. Huerta de Soto: Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen. Stuttgart: Lucius & Lucius, 2011.

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Einführung

Definition und Analyse des Sozialismus ein. Sie erklärt auf klare Weise die verzerrenden Effekte, die ein systematischer Zwang auf die intra- und intertemporale Koordination des Marktes in allen Bereichen ausübt, besonders in den monetären und fiskalischen. Die Wachstums- und Entwicklungstheorie wurde auf der Grundlage makroökonomischer Aggregate und des Konzepts des Gleichgewichts entwickelt und hat daher den einzigen und echten Protagonisten des ökonomischen Prozesses übersehen: den Menschen mit seinem Scharfsinn und seiner kreativen, unternehmerischen Fähigkeit. Es ist daher von großer Bedeutung, die gesamte Theorie des Wachstums und der Unterentwicklung zu erneuern und alle Elemente zu eliminieren, die institutionellen Zwang rechtfertigen und bis heute die Theorie zerstörerisch und nutzlos werden lassen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Prozesse zu erforschen, die zur Entdeckung von Verbesserungsmöglichkeiten führen, die bislang noch nicht genutzt wurden, weil das dafür unentbehrliche unternehmerische Element fehlte. Etwas Ähnliches könnte über die sogenannte Wohlfahrtsökonomie gesagt werden, die auf der fantastischen, paretianischen Vorstellung der Effizienz beruht. Sie ist irrelevant und nutzlos, denn ihr Funktionieren verlangt nach einer statischen Umgebung vollständiger Information, die in der realen Welt niemals gegeben ist. Effizienz hängt – mehr als von paretianischen Kriterien – von der unternehmerischen Fähigkeit ab, auf spontane Weise solche Störungen zu koordinieren, die in Situationen des Ungleichgewichts gegeben sind. Daher sollte Effizienz auch auf dieser Grundlage definiert werden. Die Theorie der „öffentlichen“ Güter wurde schon immer strikt in Begriffen der Statik und des Gleichgewichtszustands entwickelt. Man nahm daher an, dass die Umstände, die zu einem „gemeinsamen Angebot“ und zur „Nichtrivalität beim Konsum“ führen, gegeben sind und sich nicht ändern würden. Vom Standpunkt der dynamischen Theorie der Unternehmerfunktion aus gesehen stellt jeder Fall eines scheinbaren „öffentlichen“ Gutes allerdings eine klare Gelegenheit für jemanden dar, sie durch die entsprechende unternehmerische Kreativität zu entdecken und zu eliminieren. Aus der dynamischen Sicht sich frei entfaltender unternehmerischer Prozesse tendiert die Menge der „öffentlichen“ Güter dahin, leer zu werden. Auf diese Weise verschwindet eine der pikantesten Rechtfertigungen für systematischen institutionellen Zwang gegen die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion in vielen Bereichen der Gesellschaft. Schließlich erwähnen wir noch die Theorien der „Public-Choice“-Schule und der ökonomischen Analyse der Institutionen. In diesen Bereichen bemüht man sich derzeit, den ungesunden Einfluss des statischen Modells, das auf der Annahme vollständiger Information beruht, abzuwerfen. Dieser Ansatz stellt eine pseudowissenschaftliche Analyse der Normen dar – eine Analyse, die auf identischen methodologischen Bedingungen aufbaut, die einmal benutzt wurden, um den Sozialismus zu rechtfertigen. Diese Annahmen übergehen vollständig die dynamische und evolutionäre Analyse des spontanen sozialen Prozesses, der durch die unternehmerische Funktion generiert und angetrieben wird. Der Versuch, Normen und Regeln aus der Sicht eines Paradigmas zu analysieren, das die Existenz vollständiger Information in Bezug auf Gewinne und Kosten dieser Normen voraussetzt,

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ist offenbar inkonsistent. Denn wenn solche Informationen existierten, wären gar keine Normen und Regeln notwendig (es wäre viel effektiver sie durch einfache Befehle zu ersetzen). Und wenn es etwas gibt, das das evolutionäre Auftreten des Rechts erklärt, dann ist dies genau die unvermeidbare Unwissenheit, in der sich der Mensch ständig befindet. Wir könnten viele andere Forschungsfelder aufzählen (z. B. die Bevölkerungstheorie, die ökonomische Analyse der Steuern und der Umverteilung oder die Ökologie des Marktes), aber wir glauben, dass die obige Übersicht in ausreichender Form die Richtung zeigt, in der sich Volkswirtschaftslehre unserer Meinung nach in Zukunft entwickeln wird, sobald sie die theoretischen und methodologischen Mängel abgelegt hat, die das Versagen des Sozialismus aufgedeckt hat. Wir hoffen, dass daraus eine echte Sozialwissenschaft im Dienste der Menschheit entstehen wird, eine Wissenschaft, die sehr viel weitreichender, produktiver und erklärender ist. Die erneute Bewertung und historische Analyse der verschiedenen Formen des real existierenden Sozialismus Dieses Forschungsgebiet betrifft die Neubewertung der vergleichenden Forschung von Wirtschaftssystemen mit Hilfe derjenigen ökonomischen Analyse, die wir in diesem Buch vorstellen. Der Großteil der bisherigen Forschung wies aufgrund des Fehlens der notwendigen analytischen Instrumente bislang bedeutende Mängel auf. Das Ziel besteht deshalb darin, eine detaillierte Studie durchzuführen, die eine historische Auswertung jeder einzelnen Form des Sozialismus beinhaltet, die in der realen Welt existierten oder immer noch bestehen. Der Zweck einer solchen Studie liegt nicht allein darin, die Theorie zu illustrieren, sondern auch aufzudecken, in welchem Maße die Ereignisse sich entweder nach den Vorhersagen dieser Theorie zu entwickeln scheinen oder nicht. Das Formulieren einer Theorie der ethischen Unzulässigkeit des Sozialismus Es ist erforderlich festzustellen, ob die bisherigen Bemühungen, eine theoretische Basis für die Idee der Gerechtigkeit und ihrer Implikationen zu finden, mit den methodologischen und analytischen Mängeln behaftet sind, die wir kritisieren. Mit anderen Worten sollte man bestrebt sein, die Theorie der Gerechtigkeit zu rekonstruieren und dabei das statische Paradigma der vollständigen Information abzulegen, um stattdessen die kreative und unsichere Realität der menschlichen Handlungen zu berücksichtigen. So könnten wir untersuchen, bis zu welchem Punkt der Sozialismus – neben der Tatsache, dass es sich dabei um einen intellektuellen Irrtum und ein historisch gescheitertes System handelt – ethisch akzeptabel ist oder nicht. Die Entwicklung einer Theorie der Prävention und Demontage des Sozialismus Falls man zu dem Schluss kommt, dass der Sozialismus tatsächlich ethisch unzulässig, ein intellektueller Fehler und zudem ein historisch gescheitertes System ist, dann wird es schließlich notwendig sein, eine taktische und strategische Theorie

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Einführung

über dessen Demontage und Prävention zu entwickeln. Das wird eine Untersuchung der konkreten Schwierigkeiten beinhalten, die sich bei dem Abschaffen jeder Form des Sozialismus ergeben (ob nun „real“, sozialdemokratisch, selbstverwaltet o. Ä.). Zudem wird eine solche Theorie eine Auswertung der Vor- und Nachteile aller verschiedenen Alternativen oder Handlungsweisen in Bezug auf mögliche spezifische Umstände umfassen – besonders mit Blick auf die Frage nach „Gradua­ lismus oder Revolution“. Berücksichtigt man den wiederkehrenden, täuschenden und im Wesentlichen korrupten Charakter der Mechanismen, die das Wiederaufleben des Sozialismus stets begünstigen und somit eine unermüdliche Wachsamkeit erforderlich machen, dann spielt schließlich die Prävention eine bedeutende Rolle – nicht nur in der akademischen Diskussion, sondern auch im Hinblick auf die Verteidigung und Entwicklung der Institutionen, Gebräuche, Prinzipien und Verhaltensmuster, die jede gesunde soziale Ordnung benötigt, die frei von systematischem Zwang ist.

1.4 Schlussfolgerungen Die oben genannten Überlegungen waren notwendig, um unsere Studie des Sozialismus und des institutionellen Zwangs in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Allein ein korrektes Verständnis der allgemeinen Theorie des menschlichen Handelns kann die Konsequenzen erklären, die notwendigerweise auf jeden Versuch folgen werden, die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion gewaltsam zu verhindern. Im Zentrum unserer Analyse steht daher das menschliche Wesen, verstanden als ein handelndes und kreatives Subjekt, das kühn danach strebt, gemäß seiner innersten Natur zu handeln und diese auszudrücken, frei von den Fesseln und Zwängen, die man ihm mit den unterschiedlichsten und völlig ungerechtfertigten Begründungen auferlegen möchte.

2 Die Funktion des unternehmerischen Handelns Es ist unmöglich, das Konzept des Sozialismus zu begreifen, ohne zunächst das Wesen der unternehmerischen Funktion zu verstehen. Daher widmet sich dieses Kapitel der Analyse des Begriffs, der Charakteristika und der grundlegenden Elemente der unternehmerischen Funktion. Unsere Idee des unternehmerischen Handelns ist zugleich umfassend und präzise. Sie ist eng mit der Vorstellung des menschlichen Handelns verknüpft, verstanden einerseits als ein integraler und grundlegend kreativer Bestandteil jedes Menschen, andererseits als ein Bündel von koordinierenden Fähigkeiten, die auf spontane Weise das Entstehen, die Erhaltung und die Entwicklung der Zivilisation möglich machen. Unsere Analyse des unternehmerischen Handelns erlaubt uns schließlich eine ursprüngliche Definition des Sozialismus vorzuschlagen, der als eine „soziale Krankheit“ verstanden wird, deren charakteristischste Symptome weitverbreitete Fehlanpassung und erhebliche Diskoordination zwischen dem individuellen Verhalten und den sozialen Prozessen sind, welche das gesellschaftliche Leben konstituieren.

2.1 Definition des unternehmerischen Handelns In einem allgemeinen und weit gefassten Sinne stimmt die Funktion des unternehmerischen Handelns mit dem menschlichen Handeln an sich überein. In diesem Sinne könnte man sagen, dass unternehmerisches Handeln von jeder Person vollzogen wird, die handelt, um ihre Situation zu verändern und in der Zukunft liegende Ziele zu erreichen. Diese Definition mag auf den ersten Blick als zu weit gefasst erscheinen und stimmt nicht mit dem heutigen Begriff des „Unternehmers“ überein. Es sollte doch beachtet werden, dass diese Definition einer Konzeption von Unternehmertum entspricht, die von der Wirtschaftswissenschaft zunehmend analysiert und weiterentwickelt wird.14 Dieses Konzept stimmt vollkommen mit

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Der bedeutendste Autor für das Konzept der unternehmerischen Funktion, wie es in diesem Buch entwickelt wird, ist Israel M. Kirzner, ehemaliger Professor für Ökonomie an der New York University. Kirzner ist Autor einer Trilogie (Competition and Entrepreneurship, Perception, Opportunity and Profit sowie Discovery and the Capitalist Process [Chicago: University of Chicago Press, 1973, 1979 sowie 1985]), in der er verschiedene Aspekte vertieft und erweitert, die ursprünglich von seinen Lehrern, Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek, entwickelt wurden. Außerdem hat Kirzner ein viertes Buch publiziert (Discovery, Capitalism and Distributive Justice. Oxford: Basil Blackwell, 1989), das er ausschließlich dem Studium der Implikationen widmet, die seine Idee von der unternehmerischen Funktion auf das Gebiet der gesellschaftlichen Ethik hat. Schließlich publizierte Kirzner, als dieses Kapitel bereits geschrieben war, ein weiteres bemerkenswertes Buch (The Meaning of Marketprocess: Essays in the Development of Modern Austrian Economics. London: Routledge,Chapman and Hall, 1992), das seine neuesten Beiträge sowie eine Reihe von vorher publizierten Aufsätzen enthält, die wir so oft wie möglich in Betracht gezogen haben. In Spanien beinhalten neben meinem eigenen Werk unter anderem die folgenden Schriften eine ökonomische Analyse, die auf der unternehmerischen Funktion basiert: José T. Raga: „Proceso Económico y Acción Empresarial“, in Homenaje a Lucas Beltrán. Madrid: Moneda y Crédito, 1982, S. 597 – 619; Pedro Schwartz: Empresa y Libertad. Madrid: Unión Editorial, 1981, insb. Kapitel 3, S. 107 – 148; Juan Marcos de la Fuente: El empresario y su función social. 3. Aufl. Madrid: Fundación Cánovas del Castillo, 1983.

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Die Funktion des unternehmerischen Handelns

der ursprünglichen etymologischen Bedeutung des Terminus „enterprise“ für Unternehmen überein (im Spanischen: „empresa“). Tatsächlich leiten sich sowohl das spanische Wort „empresa“ als auch der französische und englische Ausdruck „entrepreneur“15 etymologisch von dem lateinischen Verb „in prehendo (-endi, -ensum)“ ab, das entdecken, sehen, empfinden, wahrnehmen oder begreifen bedeutet. Darüber hinaus impliziert der lateinische Ausdruck „in prehensa“ deutlich die aktive Handlung und meint ergreifen, nehmen oder die Gelegenheit nutzen. Zusammengefasst ist „empresa“ ein Synonym für Handlung. In Frankreich bezeichnete man mit dem Begriff bereits im Hochmittelalter Menschen, die die Verantwortung für wichtige und üblicherweise kriegsrelevante Projekte trugen oder damit beauftragt waren16, große Kathedralen zu errichten. In Übereinstimmung mit dem Diccionario de la Real Academia Española (Wörterbuch der Königlich-Spanischen Akademie) lautet eine der Bedeutungen von „empresa“: „die anstrengende und schwierige Handlung die mutig begonnen wird“.17 Außerdem bezeichnete man seit dem Mittelalter mit dem Begriff die Insignien bestimmter Ritterorden, die die Verpflichtung bezeugten, unter einem Schwur bestimmte bedeutsame Handlungen durchzuführen.18 Das Verständnis der Unternehmung als einer Handlung ist untrennbar und notwendigerweise mit einer unternehmerischen Einstellung verbunden, die aus dem kontinuierlichen Bestreben besteht, neue Ziele und Mittel zu suchen, zu entdecken, zu kreieren oder zu identifizieren (all das in Übereinstimmung mit der oben erwähnten etymologischen Bedeutung von „in prehendo“).

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Interessanterweise wurde das französische Wort „entrepreneur“ wörtlich ins Englisch übersetzt, dies allerdings verspätet, wie wir aus der englischen Übersetzung von Jean Baptist Says Analyse der Wirtschaftspolitik aus dem Jahr 1821 sehen können. Der Übersetzer, C. R. Prinsep, war verpflichtet, das französische Wort „entrepreneur“ als „adventurer“ zu übersetzen, was zeigt, dass die Überführung der Terminologie noch nicht erfolgt war. Zu diesem Thema siehe zum Beispiel die Seiten 329 und 330 der obigen englischen Edition, die 1971 von Augustus M. Kelley wieder verlegt wurde. John Stuart Mill beklagte das Fehlen eines englischen Ausdrucks, der dem französischen Wort „entrepreneur“ entspricht und führte 1871 aus, dass „es zu bedauern ist, dass dieses Wort – Unternehmer – nicht gewohnt für das englische Ohr ist. Französische Wirtschaftspolitiker haben einen großen Vorteil, da sie in der Lage sind, von ‚les profits de l’entrepreneur‘ zu sprechen.“ (Principles of political economy. Fair Field: Augustus M. Kelley, 1976, Fußnote 406.) Mill bezieht sich hier fast Wort für Wort auf den Titel von Abschnitt 3 des 7. Kapitels von Buch 2 der 16. Ausgabe der Traité d’Èconomie politique von J. B. Say (Genf: Slatkine, 1982, S. 368). 16 Bert F. Hoselitz: „The Early History of Entrepreneurial Theory“, in: Explorations in Entrepreneurial History 3, Nr. 4 (15. April 1956), S. 193 – 220. 17 „Acción ardua y dificultosa que valerosamente se comienza.“ 18 Zum Beispiel lesen wir zu Beginn von Kapitel 2 des ersten Teils von Cervantes’ unsterblichem Werk Don Quijote: „Doch kaum fand er sich auf dem Feld, da überfiel ihn ein so schrecklicher Gedanke, dass er seinem Beginnen beinah ein Ende gesetzt hätte. Ihm war eingefallen, dass er noch nicht zum Ritter geschlagen war und sich nach den Ordensregeln auf einen Kampf mit einem anderen Ritter weder einlassen konnte noch durfte. Und selbst nach seiner Schwertleite hätte er als angehender Ritter blankes Rüstzeug tragen müssen, ohne Zeichen auf dem Schild, bis seine Taten ihn ausgezeichnet hätten.“ (Miguel de Cervantes Saarvedra: Der geistvolle Hilgado Don Quijote von der Mancha. München: Carl Hanser Verlag, 2008.)

Definition des unternehmerischen Handelns

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Menschliches Handeln: Ziel, Wert, Mittel und Nutzen Nachdem wir die unternehmerische Funktion in den Begriffen des menschlichen Handelns definiert haben, müssen wir nun verdeutlichen, was wir darunter verstehen. Menschliches Handeln ist jedes überlegte Verhalten oder Benehmen.19 Jeder handelnde Mensch versucht, bestimmte Ziele zu erreichen, die er für sich als wichtig erkannt hat. Mit Wert beziehen wir uns auf die subjektive und psychologisch mehr oder weniger intensive Wertschätzung, die der Akteur seinem Ziel zuschreibt. Mittel bezeichnet alles, was der Akteur subjektiv für das Erreichen seiner Ziele für angemessen hält. Nutzen nennen wir die subjektive Wertschätzung, die der Akteur seinem Mittel beimisst, abhängig vom Wert des Zieles, das er glaubt durch das Mittel erreichen zu können. In diesem Sinne sind Wert und Nutzen zwei Seiten einer Medaille. Der subjektive Wert, den der Akteur seinem Ziel beimisst, wird auf das Mittel projiziert, das er für das Erreichen des Zieles als geeignet ansieht. Dies geschieht durch das Konzept des Nutzens. Knappheit, Handlungsplan und Willensakt Mittel müssen per definitionem knapp sein. Wenn sie dies nicht wären, würden sie vom Akteur beim Handeln nicht in Betracht gezogen. Mit anderen Worten: Ohne Knappheit gibt es keine menschliche Handlung.20 Ziele und Mittel sind nie gegeben, sondern sind im Gegenteil das Resultat der essenziellen unternehmerischen Handlung, die genau darin besteht, diejenigen Ziele und Mittel zu schaffen, zu entdecken oder wahrzunehmen, die der Akteur in jeder Situation seines Lebens für wichtig erachtet. Glaubt der Handelnde einmal, entdeckt zu haben, welches seine Ziele sind, für die sich der Einsatz der Mittel lohnt, und welche Mittel ihm dafür zur Verfügung stehen, fügt er diese fast immer in einer stillschweigenden Form21

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Zu dem Konzept der menschlichen Handlung und seinen Hauptkomponenten siehe insbesondere Ludwig von Mises: Human Action, A Treatise on Economics. 3. Auflage. Chicago: Henry Regnery Company, 1966, S. 11 – 29 sowie S. 251 – 256. Mises führt aus: „Jeder Akteur ist immer ein Unternehmer und ein Spekulant“, und definiert: „Unternehmer bedeutet ein handelnder Mann in Bezug auf Veränderungen im Markt.“ Vielleicht ist es auch hilfreich, Action and Purpose von Richard Taylor (New Jersey: Humanities Press, 1980) zu lesen, obwohl er aus unserer Sicht nicht in dem Maße, wie er es sollte, betont, dass menschliche Handlung im Wesentlichen darin besteht, neue Ziele und Mittel zu lernen und zu entdecken – sehr viel mehr als darin, effektiv gegebene Mittel voretablierten Zielen zuzuordnen. Tadeusz Kotarbinsky treibt den Fehler in Praxiology, An Introduction to the Sciences of Efficient Action (Warschau: Polish Scientific Publishers, 1965) sogar noch weiter. 20 Ökonomie in diesem Sinne zu definieren als „die Wissenschaft, welche menschliche Handlung unter dem Einfluss der Knappheit analysiert“, ist eine Tautologie, da jede menschliche Handlung Knappheit voraussetzt (Avelino García Villarejo, Javier Salinas Sánchez: Manual de Hacienda pública. Madrid: Editorial Tecnos, 1985, S. 25). Oder, wie es Mises eloquent ausdrückt: „Wo der Mensch nicht durch die ungenügende Menge von vorhandenen Dingen begrenzt wird, erübrigt sich jede Handlung.“ (Human Action, S. 93) 21 Wir werden später erklären, dass die Information, die für die menschliche Handlung am relevantesten ist, sehr schwierig zu artikulieren ist und generell ein stillschweigendes und kein explizites Wesen besitzt.

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Die Funktion des unternehmerischen Handelns

in einen Handlungsplan ein,22 den er daraufhin als Konsequenz eines persönlichen Willensaktes in die Tat umsetzt.23 Die subjektive Vorstellung von Zeit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Jedes menschliche Handeln entfaltet sich immer in der Zeit, jedoch nicht in ihrer determinierten, newtonschen, physikalischen oder analogen Bedeutung, sondern im subjektiven Sinne, also so, wie sie subjektiv durch den Akteur im Kontext jeder Handlung wahrgenommen wird.24 Gemäß diesem subjektiven Verständnis von Zeit nimmt der Akteur dessen Verlauf in dem Maße wahr, wie er handelt, d. h. neue Ziele und Mittel kreiert, entdeckt oder ihrer gewahr wird. Dies wiederum entspricht der Essenz des unternehmerischen Handelns. Auf diese Weise verschmelzen die vergangenen Erfahrungen im Gedächtnis des Handelnden mit seiner simultan entstehenden kreativen Perspektive auf die Zukunft und formen mentale Vorstellungen oder auch Erwartungen. Diese Zukunft ist niemals determiniert, sondern wird vom Handelnden imaginiert und Schritt für Schritt geschaffen. Kreativität, Überraschung und Unsicherheit Die Zukunft ist immer unsicher in dem Sinne, dass sie noch zu erschaffen ist und der Handelnde diesbezüglich nur gewisse Ideen, mentale Vorstellungen oder Erwartungen hat, die er hofft durch seine persönlichen Handlungen oder Interak22

Der Plan ist ein vorausblickendes mentales Bild, das der Akteur aus unterschiedlichen Etappen, Elementen und Umständen zusammensetzt, die einen Einfluss auf seine Handlung haben. Ein Plan besteht daher aus einem persönlichen Arrangement von praktischen Informationen, die der Akteur im Kontext jeder Handlung besitzt und zunehmend entdeckt. In diesem Sinne können wir bestätigen, dass jede Handlung, sobald ein Akteur neue Informationen generiert, einen ständigen Prozess individueller oder persönlicher Planung beinhaltet. Zentrale Planung ist anders und dient, wie wir sehen werden, einer Regierungsbehörde in einem sozialistischen System dazu, so koordiniert wie möglich die Mittel zu organisieren, von denen sie zwingenden Gebrauch machen kann, um die vorgeschlagenen Ziele zu erreichen. Die Zentralplanung versagt, weil die Behörden nicht in der Lage sind, notwendige praktische Informationen zu erhalten. Vorausgesetzt, dass das Planen notwendig für jede menschliche Handlung ist, lautet die Frage also nicht, ob geplant wird oder nicht. Die Frage ist vielmehr, wer planen sollte: der individuelle Akteur, der der Einzige ist, der die notwendigen praktischen Informationen besitzt, oder eine zwingende Behörde, welche die Informationen nicht besitzt (siehe F. A. Hayeks Artikel „The New Confusion about Planning“, in New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas. London: Routledge and Kegan Paul, 1978, S. 232 – 246). Unterschiedliche Arten von Planungen können auch kategorisiert werden als wesentlich, unvollständig, bezeichnend oder individuell. Alle mit Ausnahme von individueller Planung stellen einen epistemologischen Widerspruch dar, der nicht aufgelöst werden kann und den wir „das Planungsparadox“ nennen werden (siehe Kapitel 3, Fußnote 84, und Kapitel 6, Abschnitt c). 23 Gemäß dem Heiligen Thomas von Aquin ist das Ziel Anlass und Objekt des Willens: „Voluntatis autem motivum et obiectum est finis.“ (Summa theologiae, Punkt 1 – 2, Frage 7, Artikel 4, Bd. 4. Madrid: B. A. C., 1954, S. 301. 24 Zu der Idee, dass nur ein subjektives, praktisches und dynamisches Verständnis von Zeit in dem Feld menschlicher Handlungen und ökonomischer Wissenschaften anwendbar ist, siehe Kapitel 4 von Gerald P. O’Driscoll und Mario J. Rizzo: The Economics of Time and Ignorance. Oxford: Basil Blackwell, 1985, S. 52 – 70. Dieses Verständnis von Zeit wurde bereits von Bergson weiterentwickelt: «La durée toute pure est la forme que prend la succession de nos états de conscience quand notre moi se laisse vivre, quand il s’abstient d’etablier une séperation entre l’état present et les états antérieurs.» (Henry Bergson: „Essai sur les Donnés Inmédiates de la Conscience“, in: Oevres. Paris: Presses Universitaires de France, 1959, S. 67.)

Definition des unternehmerischen Handelns

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tionen mit anderen Handelnden umzusetzen. Außerdem ist die Zukunft offen für jedermanns kreative Möglichkeiten und steht daher jedem Einzelnen mit permanenter Unsicherheit gegenüber. Diese Unsicherheit kann durch Verhaltensmuster von einem selbst und anderen (Institutionen) und durch das wachsame Ausüben der Unternehmerfunktion reduziert werden. Trotzdem wird es dem Menschen nicht gelingen, diese Unsicherheit vollkommen auszuschalten. Das offene und unbegrenzte Wesen dieser Unsicherheit erweist sowohl die traditionellen Konzepte von objektiver und subjektiver Wahrscheinlichkeit als auch die Bayes’sche Konzeption der Letzteren als nicht anwendbar für den Bereich der menschlichen Handlung. Dafür sprechen zwei Gründe: Erstens sind sich Handelnde nicht einmal jeder möglichen Handlungsalternative bewusst und zweitens besitzt der Handelnde nur gewisse subjektive Vorstellungen oder Überzeugungen – Mises nennt sie „Fallwahrscheinlichkeiten“ (von einmaligen Ereignissen)25 –, die sich überraschend und auf drastische Weise abändern können und damit die gesamte „Karte“ von Glaubenssätzen und Wissen beeinflussen. Auf diese Weise entdeckt der Handelnde ständig komplett neue Situationen, die er sich vorher nicht einmal vorstellen konnte.26 25

26

Human Action, S. 110 – 118. Die folgende Tabelle veranschaulicht die nach Mises wesentlichen Unterschiede zwischen den Konzepten von Wahrscheinlichkeit – eines anwendbar auf das Feld der Naturwissenschaften und das andere anwendbar auf den Bereich menschlicher Handlungen. Naturwissenschaften

Menschliche Handlungen

Gruppenwahrscheinlichkeit: Das Verhalten der Gruppe ist bekannt, während das Verhalten der individuellen Elemente unbekannt ist.

„Wahrscheinlichkeit“ für einen einzigartigen Fall: Es existiert keine Gruppe. Während einige Tat­ sachen, die das einzigartige Vorkommnis beein­ flussen, bekannt sind, sind es andere nicht. Die Handlung selber erschafft das Vorkommnis.

Es besteht ein versicherbares Risiko für die gesamte Gruppe.

Es besteht ständige unvermeidbare Unsicher­ heit unter dem Umstand der kreativen Natur menschlicher Handlung. Unsicherheit ist nicht versicherbar.

Die Wahrscheinlichkeit kann mathematisch ausgedrückt werden.

Die Wahrscheinlichkeit kann nicht mathematisch ausgedrückt werden.

Die Wahrscheinlichkeit wird durch logische und empirische Untersuchungen bestimmt. Bayes’ Theorem ermöglicht die Schätzung der Gruppen­ wahrscheinlichkeit bei neuen Informationen.

Die Wahrscheinlichkeit kann durch „Verstehen“ und unternehmerische Schätzung entdeckt wer­ den. Jedes neue Teil von Information modifiziert ex novo das gesamte Muster der Erwartungen (Überraschungen).

Forschungsgegenstand für den Naturwissen­ schaftler.

Das Konzept wird typischerweise von einem Handelnden (Unternehmer) oder einem Histo­ riker benutzt.

„Überraschung ist die Verwerfung bzw. der Umsturz von Gedanken, welche aus einer Erfahrung herrührt, die außerhalb der Vorstellungskraft lag, oder eine Erfahrung der Art, die man sich nie vorgestellt und daher nie als möglich oder unmöglich eingeschätzt hat; ein unerwartetes Ereignis.“ (G. L. Shackle: Epistemics and Economics. Cambridge: Cambridge University Press, 1972, S. 422.) Angelsachsen benutzen das Wort „serendipity“ (Spürsinn), um die typisch unternehmerische Fähigkeit zu beschreiben, die darin besteht, Möglichkeiten zu erkennen, die überraschend entstehen, ohne dass sie bewusst gesucht wurden. Das Wort leitet sich ethymologisch von dem arabischen Wort „sarandib“ ab, wie Sri Lanka früher genannt wurde, und Horace Walpole gab ihm seine heutige Bedeutung. Walpole benutzte den Begriff als Erster im 18. Jahrhundert und

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Die Funktion des unternehmerischen Handelns

Kosten als subjektives Konzept: der unternehmerische Gewinn Sobald der Handelnde seinen Wunsch nach einem bestimmten Ziel realisiert und entsprechende Mittel entdeckt und auswählt, durch die er es erreichen kann, verwirft er zugleich die Möglichkeit, andere Ziele zu erreichen. Die anderen Ziele, die er ex ante als weniger wert einschätzt, glaubt er durch den Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Mittel auf eine andere Weise zu erreichen. Der Begriff „Kosten“ soll dazu benutzt werden, anzuzeigen, welchen subjektiven Wert der Handelnde den Zielen zuweist, die er aufgibt, wenn er entscheidet, eine bestimmte Handlungsstrategie einzuschlagen. Mit anderen Worten: Handlung bedeutet immer ein Opfer; der Wert, auf den der Handelnde verzichtet, determiniert seine Kosten, die essenziell auf rein subjektiver Einschätzung beruhen.27 Als Regel festgehalten bedeutet das, dass jeder Mensch handelt, da er subjektiv den Wert des vorgeschlagenen Zieles höher einschätzt als die Kosten, die sie planmäßig bedeuten. Anders ausgedrückt: Sie hoffen, einen unternehmerischen Gewinn28 zu erzielen. Profit ist also der Zugewinn, der durch menschliche Handlung erreicht wird, und stellt den Anreiz dar, der Menschen motiviert zu handeln. Bei Handlungen, die keine Kosten bedeuten, stimmt der subjektive Wert des Ziels mit dem unternehmerischen Gewinn überein. Später wird begründet, warum jedes menschliche Handeln ohne Ausnahme eine rein kreative Komponente beinhaltet, die keine Kosten enthält, und dass genau diese Komponente dazu führt, im weitesten Sinne die Konzepte von menschlichem Handeln und unternehmerischer Funktion zu identifizieren. Unter der Voraussetzung, dass der Wert des Ziels immer einen Gewinn enthält, können im Folgenden zudem Ziel und Gewinn fast synonym gesetzt werden, ohne dabei dauerhaft aufzuhören, den oben angeführten Unterschied zwischen ihnen zu klären. zog seine Inspiration aus den mutigen Entdeckungen, die von den Helden der „Drei Prinzen von Serendip“, einer Geschichte persischen Ursprungs, gemacht wurden. Siehe den Brief von Horace Walpole an Mann vom 28. Januar 1754, in dem Walpole hervorhebt, dass die Helden dieser Geschichte „immer Entdeckungen durch Zufall und Klugheit machen, die sie eigentlich gar nicht gesucht haben“. Er schließt, „dass diese Entdeckungen tatsächlich genau das sind, was ich serendipity nenne“ (Siehe Oxford English Dictionary, 2. Auflage. Oxford: Clarendon Press, 1983). Gregorio Maranón bezieht sich auf die gleiche Idee, indem er aussagt: „Die Kreation eines Genies unterscheidet sich von der eines gewöhnlichen Mannes in der Tatsache, dass das, was er schafft, etwas Unerwartetes und Überraschendes ist.“ („El Greco y Toledo“, in: Obras Completas. Madrid: Espasa Calpe, 1971, S. 421.) 27 Siehe J. M. Buchanan, G. F. Thirlby (Hrsg.): L. S. E. Essays on Cost. New York: New York University Press, 1981, insbesondere S. 14 f. 28 „Profit im weiteren Sinne ist der Gewinn, der aus einer Handlung abgeleitet wird: Er ist die Steigerung der Zufriedenheit (Milderung der Unzufriedenheit), die durch sie erzeugt wird; er ist der Unterschied zwischen einem höheren Wert, der einem Ergebnis zugeordnet wird, und einem niedrigeren Wert, der den Aufwendungen zugeordnet wird, die für das Erreichen gemacht werden mussten. Er ist mit anderen Worten Einnahmen minus Ausgaben. Einen Profit zu erzielen, ist das erstrebte Ziel jeder Handlung.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S. 289.) Nach Mises’ Ansicht legen Verluste, die von einer Firma eingefahren werden, offen, dass diese unangemessenen Gebrauch von knappen Ressourcen macht, die dringend in anderen Produktionslinien gebraucht werden. Johannes Paul II. scheint diese Idee perfekt verstanden zu haben. Er führt aus: „Wenn eine Firma einen Gewinn erzielt, bedeutet dies, dass produktive Faktoren angemessen eingesetzt werden und entsprechende menschliche Bedürfnisse gebührend befriedigt wurden.“ (Siehe Johannes Paul II.: Centesimus Annus. Kapitel 4, Abschnitt 35 [1991].)

Definition des unternehmerischen Handelns

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Rationalität und Irrationalität: unternehmerischer Fehler und Verlust Menschliches Handeln ist per definitionem immer rational29 in dem Sinne, dass der Handelnde ex ante ausnahmslos die Mittel sucht und auswählt, die er am geeignetsten für das Erreichen derjenigen Ziele hält, die er als wertvoll erachtet. Dies ist ohne Zweifel vereinbar mit der Entdeckung des Handelnden ex post, dass er einen unternehmerischen Fehler begangen hat oder, anders ausgedrückt, dass er einen unternehmerischen Verlust erleidet, indem er bestimmte Ziele und Mittel auswählt, ohne dabei die Existenz anderer, für ihn wertvollerer Ziele und Mittel zu beachten. Nichtsdestotrotz kann der außenstehende Beobachter unter Berücksichtigung der aus sich heraus subjektiven Natur von Zielen, Kosten und Mitteln nie objektiv eine Handlung als irrational klassifizieren. Daher können wir im Bereich der Ökonomie festhalten, dass die menschliche Handlung letztendlich als gegeben angesehen werden muss. Es handelt sich um ein axiomatisches Konzept, das keiner Bezugnahme auf andere oder weitergehende Erklärungen bedarf. Der axiomatische Charakter menschlicher Handlung ist offenkundig, da eine Kritik oder ein Zweifel bereits einen unauflösbaren logischen Widerspruch bedeutet, weil diese Kritik nur durch menschliches Handeln ausgedrückt werden kann.30 Grenznutzen und Zeitpräferenz Angesichts dessen, dass Mittel per definitionem knapp sind, wird der Handelnde immer versuchen, zuerst diejenigen Ziele zu erreichen, die er höher bewertet, und dann erst die, die ihm relativ unwichtiger erscheinen. Im Ergebnis wird er jede Einheit von Mitteln, die ihm zur Verfügung steht und im Kontext seiner Handlung gleich austauschbar und relevant ist, in Bezug auf das unwichtigste Ziel bewerten, das er glaubt damit erreichen zu können (Gesetz des Grenznutzens). Unter der Annahme, dass Handlungen mit Blick auf das Erreichen eines bestimmten Ziels vorgenommen werden und alle Handlungen einen bestimmten Zeitraum benötigen und daher von gewisser Dauer sind, wird der Handelnde ceteris paribus außerdem 29

Die Ökonomie ist daher keine Theorie über Wahl oder Entscheidungsfindung (welche ex ante per definitionem immer rational ist), sondern über den gesellschaftlichen Prozess der Koordinierung, die unabhängig von allen involvierten Entscheidungen gut oder schlecht angepasst sein kann, abhängig von dem Bewusstsein, das die verschiedenen Akteure für die Ausübung der unternehmerischen Funktion zeigen. Siehe I. M. Kirzner: The Meaning of the Market Process, S. 201 – 208. Des Weiteren müssen wir betonen, dass der subjektive Charakter der Komponenten menschlicher Handlung (Ziele, Mittel und Kosten) genau das ist, was der Ökonomie nur scheinbar paradoxerweise vollständige Objektivität verleiht in der Form, dass es eine theoretische Wissenschaft ist mit Schlussfolgerungen, die auf jede Art von Handlung anwendbar sind (Praxeologie). 30 Ludwig von Mises: Human Action, S.  19 – 22. Wir glauben, dass Mises ein unnötiges Zugeständnis macht, das atypisch für ihn ist, wenn er schreibt, dass die menschliche Handlung das letztendlich Gegebene bleibt, bis herausgefunden wird, wie die Natur menschliche Gedanken determiniert. Wir stimmen F. A. Hayek zu, dass es unmöglich für das menschliche Hirn ist, sich selber zu erklären (The Sensory Order. Chicago: University of Chicago Press, Midway Reprint, 1976, S. 184 – 191). Und wir stellen fest, dass alle Deterministen in den gleichen unauflöslichen Widerspruch laufen: Weil das Wissen, das sie darüber zu erlangen suchen, wie die außenstehende Welt Gedanken vorherbestimmt, selber vorherbestimmt ist, ist dieses Wissen gemäß ihres eigenen Kriteriums nicht verlässlich. Siehe M. N. Rothbard: Individualism and the Philosophy of Social Sciences. San Francisco: Cato Institute, 1980, S. 5 – 10.

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Die Funktion des unternehmerischen Handelns

versuchen, seine Ziele so schnell wie möglich zu erreichen. Der Handelnde wird also unter ansonsten gleichen Umständen denjenigen Zielen einen höheren Wert beimessen, die näher liegen, und nur dann Handlungen von längerer Dauer vornehmen, wenn er glaubt, damit Ziele mit einem größeren Wert zu erreichen (Gesetz der Zeitpräferenz).31

2.2 Eigenschaften der unternehmerischen Funktion Unternehmerisches Handeln und Alarmiertheit Grundlegend und in einem strengen Sinne besteht die Rolle des Unternehmers darin, Möglichkeiten zum Erreichen von Zielen zu entdecken oder – wenn man so will – einen Gewinn zu erzielen, den die Umwelt bietet, und seine Handlungen auf die Realisierung dieses Gewinns auszurichten. Kirzner hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Ausübung der unternehmerischen Aktivität eine spezielle Alarmiertheit („alertness“) impliziert.32 Darunter versteht er eine beständige Scharfsinnigkeit, die es den Menschen ermöglicht, sich der Dinge und Geschehnissen in seiner Umgebung gewahr zu werden. Wahrscheinlich benutzt Kirzner den englischen Begriff „alertness“, weil der Begriff „entrepreneurship“ (die unternehmerische Funktion) französischen Ursprungs ist und im Englischen nicht unmittelbar die in romanischen Sprachen enthaltene Idee von „prehendo“ mit einschließt. Jedenfalls ist die im Spanischen verwendete Bezeichnung „perspicaz“ (scharfsinnig, wachsam) für die unternehmerische Funktion besser geeignet, weil man diese Bezeichnung – gemäß dem Wörterbuch der Real Academia Española – für den „scharfsinnigen Blick oder das scharfsinnige Voraussehen, das viel erreicht“, verwendet.33 Diese Idee stimmt hervorragend mit der Aktivität eines Unternehmers überein, der sich entscheidet, welche Handlung er ausführt, und die zukünftigen Folgen dieser Handlungen abschätzt. Obwohl „estar alerta“ durchaus auch ein akzeptabler Indikator für die unternehmerische Funktion ist, weil es die Begriffe Aufmerksamkeit und Wachsamkeit einschließt, finden wir den Begriff letztlich nicht ganz so passend wie „perspicaz“ – vielleicht deshalb, weil Ersteres eher für einen statischen Ansatz steht. Gleichzeitig müssen wir auch in Erinnerung behalten, dass eine unglaubliche Ähnlichkeit besteht zwischen der Alarmiertheit, die ein Geschichtswissenschaftler zeigen muss, wenn er wichtige vergangene Gegebenheiten auswählt und interpretiert, und der Alarmiertheit eines Unternehmers, die dieser in Bezug auf Gegebenheiten zeigen muss, von denen er glaubt, dass sie geschehen werden. Mises stellt daher fest, dass Geschichtswissenschaftler und Unternehmer sehr ähnliche Ansätze anwenden. Er geht so weit, den „Unternehmer“ 31

Weder das Gesetz des Grenznutzens noch das der Zeitpräferenz ist ein empirisches oder psychologisches Gesetz. Stattdessen sind beide logische Implikationen des grundsätzlichen Konzepts menschlicher Handlung. Nach Mises ist das Gesetz des Grenznutzens bereits in der Kategorie der Handlung enthalten und „Zeitpräferenz eine kategorische Bedingung menschlicher Handlung“ (Mises: Human Action, S. 124 sowie S. 484). 32 Israel M. Kirzner: Competition and Entrepreneurship, S. 65 und S. 69. 33 „La vista o mirada muy aguda y que alcanza mucho.“

Eigenschaften der unternehmerischen Funktion

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als jemanden zu definieren, der in die Zukunft mit den Augen eines Geschichtswissenschaftlers schaut.34 Information, Wissen und Unternehmergeist Man kann die Natur der unternehmerischen Funktion in ihrer ganzen Tiefe, die sie für die Österreichische Schule besitzt, nicht verstehen, ohne zu begreifen, auf welche Weise der Unternehmer die Informationen oder das Wissen, über das der Akteur verfügt, modifiziert. Einerseits bedeutet das Schaffen, das Wahrnehmen und das Bemerken neuer Mittel und Ziele eine Modifizierung des Wissens des Handelnden in dem Sinne, dass er neue Informationen entdeckt, die vorher nicht existierten. Auf der anderen Seite modifiziert diese Entdeckung die „Landkarte“ oder den Informationskontext, über den das Subjekt als Akteur verfügt. Daraus ergibt sich unmittelbar folgende Frage: Welche Eigenschaften hat die Information oder das relevante Wissen für die Ausübung der unternehmerischen Funktion? Wir untersuchen dabei sechs grundlegende Eigenschaften des unternehmerischen Wissens im Detail: 1. Es handelt sich dabei um ein subjektives Wissen praktischen, nicht wissenschaftlichen Typs. 2. Das Wissen ist privat. 3. Es ist verstreut in den Köpfen der Menschen vorhanden. 4. Vor allem handelt es sich dabei um stillschweigendes, nicht artikulierbares Wissen. 5. Es ist ein Wissen, das ex nihilo durch unternehmerisches Handeln geschaffen wird. 6. Wir haben es mit übertragbarem Wissen zu tun, das größtenteils in unbewusster Weise durch höchst komplizierte soziale Prozesse übermittelt wird und dessen Erforschung Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften ist. Subjektives und praktisches statt wissenschaftliches Wissen Das Wissen, das wir analysieren, ist von höchster Bedeutung für das Ausführen menschlicher Handlungen. Es handelt sich in erster Linie um ein subjektives Wissen, das praktischen, unwissenschaftlichen Charakter hat. Praktisches Wissen ist solches, das nicht auf eine formale Weise dargestellt werden kann. Es ist das einzelne Subjekt, das sich dieses Wissen durch die Praxis, d. h. aus dem ausgeführten menschlichen Handeln in seinem jeweiligen Kontext, aneignet und erlernt. Wie Hayek bemerkt, handelt es sich dabei um relevantes Wissen jeglicher Art innerhalb spezieller Umstände bezüglich subjektiver Koordinaten in Raum und Zeit.35 Wir 34

„Der handelnde Mensch schaut wie mit den Augen eines Historikers in die Zukunft.“ (Human Action, S. 58.) 35 Der Heilige Thomas von Aquin definiert bestimmte Umstände als „accidentia individualia humanorum actuum“ (also die individuellen Zufälle menschlicher Handlungen) und bestätigt, dass neben Raum und Zeit der bedeutendste dieser bestimmten Umstände das Ziel ist, das der Akteur zu erreichen sucht (siehe Summa Theologiae, Teil  I-II, Frage  7, Artikel  1 und 2, Bd.  4. Madrid: B. A. C., 1954, S. 293 f. und S. 301). Wir sollten ebenfalls hervorheben, dass wir Michael Oakeshott den Unterschied zwischen „praktischem Wissen“ und „wissenschaftlichem Wissen“ verdanken (siehe Rationalism in Politics. London: Methuen, 1962). Dieses Buch wurde neu veröffentlicht in einer erweiterten Auflage mit dem Titel Rationalism in Politics and Other Essays (Indianapolis: Liberty Press, 1991); siehe hier insbesondere S. 12 und S. 15. Ebenfalls wichtig ist Oakeshotts On Human Conduct (Oxford: Oxford University Press, 1975; neu veröffentlicht: Oxford: Larendon Paperbacks, 1991, S. 23 ff., S. 36, S. 78 f., S. 119 ff.). Oakeshotts Unterschei-

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Die Funktion des unternehmerischen Handelns

sprechen hier also von einem Wissen über menschlich-konkrete Wertschätzungen. Hierbei handelt es sich sowohl um die von dem einzelnen Akteur angestrebten Ziele als auch um sein Wissen über die Ziele, von denen er glaubt, dass sie auch von anderen Akteuren erstrebt oder verfolgt werden. Gleichzeitig handelt es sich um ein praktisches Wissen hinsichtlich der Mittel, über die der Akteur beim Verfolgen seiner Handlung zu verfügen glaubt. Im Speziellen handelt es sich bei dem Wissen um alle persönlichen oder unpersönlichen Umstände, die der Akteur innerhalb eines konkreten Handlungszusammenhangs als relevant betrachtet.36 dung ähnelt der, die Hayek zwischen „verstreutem Wissen“ und „zentralisiertem Wissen“ trifft, oder derjenigen, die Michael Polanyi zwischen „stillschweigendem Wissen“ und „artikulierbarem Wissen“ macht; und sie erinnert an Mises’ Unterscheidung zwischen Wissen von „einzigartigen Ereignissen“ und Wissen vom Verhalten einer gesamten „Ereignisklasse“. Die folgende Tabelle fasst die unterschiedlichen Ansätze dieser vier Autoren zu den zwei grundsätzlich unterschiedlichen zwei Arten zusammen: Zwei unterschiedliche Arten des WISSENS

Oakeshott

Typ A

Typ B

praktisch (traditionell)

wissenschaftlich (technisch)

Hayek

verstreut

zentralisiert

Polanyi

stillschweigend

artikulierbar

Mises

von „einzigartigen Vorkommnissen“

von „Gruppen“

Ökonomie (ist Wissen vom Typ B in Bezug auf Wissen vom Typ A)

Die Beziehung zwischen diesen beiden Arten des Wissens ist komplex und wurde noch wenig untersucht. Jedes wissenschaftliche Wissen (Typ B) beruht auf einer Grundlage stillschweigenden Wissens, das nicht mit Worten ausgedrückt werden kann (Typ A). Des Weiteren führen wissenschaftliche und technische Fortschritte (Typ B) sofort zu neuem produktiveren und machtvollen praktischen Wissen (Typ A). Genauso führt die Ökonomie zu Wissen vom Typ B (wissenschaftlich) über die Prozesse der Schaffung und Übermittlung von praktischem Wissen (Typ A). Nun ist klar, warum Hayek darauf besteht, dass das hauptsächliche Risiko in der Ökonomie als Wissenschaft in der Gefahr liegt, dass Menschen anfangen zu glauben, dass diejenigen, die sie praktizieren („ökonomische Wissenschaftler“) in irgendeiner Form Zugang zu dem spezifischen Inhalt von praktischem Wissen erlangen können. Dies wurde ebenfalls zu Recht von Oakeshott kritisiert. Für ihn besteht die gefährlichste, übertriebenste und fehlerhafteste Version des Rationalismus in der Behauptung, „dass das, was ich praktisches Wissen genannt habe, eigentlich gar kein Wissen ist, also die Behauptung, dass es kein Wissen gibt, das kein technisches Wissen ist“ (Michael Oakeshott: Rationalism in Politics and Other Essays, S. 15). 36 Siehe insbesondere F. A. Hayeks grundlegende Artikel „Economics and Knowledge“ (1937) und „The Use of Knowledge in Society“ (1945), die in dem Buch Individualism and Economic Order (Chicago: Henry Regnery, 1972, S. 35 – 56, S. 77 – 91) erschienen sind. Es ist wichtig hervorzuheben, dass diese beiden Artikel Hayeks zu den wichtigsten in der gesamten Ökonomie zählen. Dennoch zeigt insbesondere der erste Artikel, dass bei seiner Entstehung noch eine gewisse Unklarheit im Kopf des Autors über die Natur der Ökonomie als Wissenschaft bestand. Es ist in der Tat eine Sache zu behaupten, dass die Ökonomie im Prinzip einen Prozess über die Vermittlung von praktischen Informationen studiert, deren konkreter Inhalt von den Umständen je nach Ort und Zeit abhängig ist. Und es ist eine ganz andere Sache vorzuschlagen, wie es Hayek an einigen Stellen zu tun scheint, dass deshalb die Ökonomie eine Wissenschaft mit gewissem empirischen Inhalt ist. Ganz das Gegenteil ist wahr: Die Tatsache, dass der Wissenschaftler niemals Zugang

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Privates und verstreutes Wissen Praktisches Wissen ist zugleich privat und verstreut. Jeder handelnde Mensch besitzt sozusagen nur ein paar „Atome“ oder „Bits“ der Information, die global auf sozialem Niveau geschaffen und übertragen wird.37 Paradoxerweise besitzt aber nur der Einzelne diese Information, das heißt, nur er kennt und interpretiert sie bewusst. Jeder Mensch, der unternehmerisch handelt, vollzieht dies deshalb auf eine strikt persönliche und nicht wiederholbare Art und Weise. Denn es ist davon auszugehen, dass der Versuch, bestimmte Ziele und Mittel zu erreichen oder zu erhalten, gemäß eines Wissens und einer Sicht der Dinge geschieht, die nur der Einzelne in seiner ganzen Vielfalt und in seinen Nuancen kennt und die sich in identischer Form bei keinem anderen Menschen wiederholen. Aus diesem Grund ist das Wissen, von dem wir hier sprechen, nicht gegeben oder für Abbildung 2.1 irgendjemanden in einer Art Informationsspeicher (wie z. B. Zeitungen, Fachzeitschriften, Bücher, Statistiken oder Computer) verfügbar. Ganz im Gegenteil: Das für menschliches Handeln relevante Wissen ist eindeutig ein unternehmerisches Wissen praktischer, privater Art. Dieses Wissen „befindet“ sich verstreut in den Köpfen von unternehmerisch handelnden Akteuren, aus denen sich die Menschheit zusammensetzt. In Abbildung 2.1 stellen wir ein paar Strichmännchen vor, die uns durch das Buch begleiten werden und den Zweck haben, unsere Analyse grafisch zu illustrieren.38 zu den verstreuten praktischen Informationen erhält, ist genau das, was die Ökonomie im Wesentlichen und unvermeidbar zu einer theoretischen statt empirischen Wissenschaft macht. Es ist eine Wissenschaft, welche die Form, aber nicht den spezifischen Inhalt des unternehmerischen Prozesses behandelt, durch den praktische Informationen geschaffen und übermittelt werden (Prozesse, die als Objekt von Einschätzungen und Forschungen sich auf den Historiker oder auf den Unternehmer beziehen, je nachdem, ob man sich für die Vergangenheit oder für die Zukunft interessiert). Israel M. Kirzner macht in seinem hervorragenden Artikel „Hayek, Knowledge and Market Processes“ (in Perception, Opportunity and Profit, S. 13 – 33) die gleichen kritischen Beob­ achtungen wie Hayek aus einer etwas anderen Perspektive. 37 Thomas Sowell: Knowledge and Decisions. New York: Basic Books, 1980, S. 3 – 44. Wir sollten allerdings erwähnen, dass Sowell unserer Meinung nach immer noch stark von dem neoklassischen Verständnis des Gleichgewichts beeinflusst ist und die Rolle der unternehmerischen Funktion nicht angemessen verstanden hat. Zu diesem Thema siehe: I. M. Kirzner: „Prices, the Communication of Knowledge and the Discovery Process“, in: The Political Economy of Freedom: Essays in Honor of F. A. Hayek. München: Philosophia Verlag, 1984, S. 202 f. 38 Ohne Zweifel war sich Adam Smith, als er das Folgende schrieb, bewusst, dass praktisches Wissen im Prinzip verstreutes Wissen ist: „In welchem Zweig der heimischen Erwerbstätigkeit er sein Kapital anlegen kann und voraussichtlich die größte Wertschätzung erzielt, kann offensichtlich jeder einzelne an seinem Platz viel besser beurteilen, als ein Staatsmann oder Gesetzgeber das für ihn tun könnte.“ (Adam Smith: Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker. Band II. Düsseldorf: Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1999.) Trotzdem drückt Smith die Idee nicht mit ganzer Klarheit aus. (Jeder Einzelne weiß es nicht nur besser, sondern ist der Einzige, der mit

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Mit diesen Strichmännchen wollen wir zwei reelle Menschen aus Fleisch und Blut symbolisieren, welche wir „A“ und „B“ nennen werden. Jeder dieser Menschen „A“ und „B“ besitzen persönliches, exklusives Wissen, also ein Wissen, über das niemand anderes verfügt. Tatsächlich können wir aus unserer Perspektive als Beobachter feststellen, dass das Wissen „existiert“, welches kein Beobachter besitzt und zwischen A und B verstreut ist in dem Sinne, dass „A“ einen Teil und „B“ den anderen hat. Nehmen wir zum Beispiel an, dass „A“ die Information hat, dass er versucht ein Ziel „X“ zu erreichen (repräsentiert durch den Pfeil, der über seinem Kopf in Richtung „X“ zeigt). Um dieses Ziel zu erreichen, verfügt er über bestimmtes praktisches Wissen, welches innerhalb seines Handlungskontextes relevant ist (praktisches Wissen, welches durch den Ring kurzer Striche symbolisiert ist, der den Kopf von „A“ umgibt). Im Fall von „B“ ist es ähnlich, nur dass er ein vollkommen anderes Ziel, „Y“, verfolgt (symbolisiert durch einen Pfeil an seinen Füßen, der auf „Y“ zeigt). Das praktische Wissen, das Akteur „B“ als relevant im Kontext seiner Handlung betrachtet, eine Handlung, die er ausführt um „Y“ zu erreichen, ist ebenfalls durch einen Ring kurzer Striche dargestellt, der seinen Kopf umgibt. Im Falle vieler einfacher Handlungen besitzt ein Akteur individuell die Informationen, die notwendig sind, sein Ziel zu erreichen, ohne dass es nötig ist, andere Akteure einzubeziehen. In solchen Situationen hängt die Frage, ob solche Handlungen stattfinden, an der Wirtschaftsrechnung oder Wertschätzung, die der Akteur vornimmt, indem er direkt den subjektiven Wert seines Zieles gegen die Kosten abwägt, oder den Wert, den er dem zuweist, was er aufgibt, wenn er das ausgewählte Ziel nicht verfolgt. Der Akteur ist dazu in der Lage, diese Art von Entscheidung direkt und in Hinblick auf nur wenige Handlungen zu treffen. Die meisten Handlungen, in die wir eingebunden sind, sind sehr viel komplexer und von der Art, die wir im folgenden beschreiben werden. Stellen wir uns vor, genau wie wir in Figur II-2 gezeigt haben, dass „A“ intensiv danach strebt, das Ziel „X“ zu erreichen. Um das zu tun, benötigt er die Mittel „R“, die ihm nicht zur Verfügung stehen und von denen er nicht weiß, wo und wie er sie bekommen kann. Nehmen wir ebenfalls an, dass „B“ an einem anderen Ort ist und ein ganz anderes Ziel (das Ziel „Y“) verfolgt, welchem er alle Anstrengungen widmet, und dass ihm eine große Menge der Ressource „R“ zur Verfügung steht, die ihm aber nicht nützlich erscheint, sein Ziel zu erreichen, aber die genau die ist, welche „A“ braucht, an sein Ziel „X“ zu gelangen. Tatsächlich sollten wir hervorheben, dass „X“ und „Y“ gegensätzlich sind, so wie in den meisten echten Fällen, also dass Akteure unterschiedliche Ziele verfolgen, mit unterschiedlicher Intensität und mit einem nicht abgestimmten relativen Wissen über diese Ziele und über die Mittel in ihrer Verfügungsmacht (dies erklärt die betrübten Ausdrücke, die wir in die Gesichter unserer Strichmännchen gemalt haben). seinen eigenen Umständen bestens vertraut ist.) Des Weiteren war Smith nicht in der Lage, seine Idee zu ihrem logischen Schluss zu durchdenken in Bezug auf die Unmöglichkeit, einer zentralen Behörde sicher die Kontrolle über die Angelegenheiten der Menschen anzuvertrauen. Es ist sehr schwierig, die Prozesse grafisch zu illustrieren, durch die praktische und verstreute Informationen übermittelt werden. Wir haben uns entschieden, diese Prozesse zu illustrieren, indem wir die anregenden Strichmännchen aus dem Text benutzen. Wir hoffen, dass diese Analyse eine enthusiastische Akzeptanz in der ökonomischen Wissenschaft der Zukunft gewinnt.

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Später werden wir sehen, wie die Ausübung der unternehmerischen Funktion es ermöglicht, dieses unkoordinierte Verhalten zu überwinden. Stillschweigendes, nicht artikulierbares Wissen Praktisches Wissen ist zu einem großen Teil stillschweigendes (verborgenes), nicht artikulierbares Wissen. Das bedeutet, dass der einzelne Akteur zwar weiß, wie bestimmte Handlungen durchzuführen sind („know how“), aber nicht weiß, welches die Elemente oder Teile dessen sind, war er tut, und ob diese korrekt oder falsch sind („know that“).39 Wenn eine Person zum Beispiel Golf spielen lernt, lernt sie nicht die Gesamtheit objektiver, wissenschaftlicher Regeln, die ihr erlauben, die notwendigen Bewegungen als Ergebnis der Anwendung einer Reihe von Formeln der mathematischen Physik auszuüben. Vielmehr besteht der Lernprozess in der Aneignung einer Reihe praktischer Verhaltensregeln. Polanyi zufolge lernt eine Person das Fahrradfahren, indem sie versucht, das Gleichgewicht durch den Gebrauch des Lenkers zu halten, womit sie eine Zentrifugalkraft erzeugt, die sie wiederum dazu befähigt, das Fahrrad aufrecht zu halten. Dies geschieht ohne Kenntnis oder Bewusstsein der physikalischen Gesetze, auf denen die Geschicklichkeit des Lernenden beruht. Im Gegenteil: Der Fahrradfahrer benutzt vielmehr seinen „Gleichgewichtssinn“, der ihm in jedem Moment sagt, wie er sich zu verhalten hat, damit er nicht hinfällt. Polanyi behauptet sogar, dass das stillschweigende Wissen („tacit knowledge“) tatsächlich das vorherrschende Prinzip allen Wissens ist.40 Selbst das im höchsten Maße formalisierte wissenschaftliche Wissen ist stets das Ergebnis einer Intuition oder eines schöpferischen Aktes, die beide nichts anders sind als eine Manifestation stillschweigenden Wissens. Davon abgesehen ist das neue, formalisierte Wissen, das wir aus Formeln, Büchern, Abbildungen, Karten u. Ä. erlangen, vor allem deshalb von so großer Bedeutung, weil es uns dabei hilft, unseren unternehmerisch-praktischen Informationskontext von anderen, ergiebigeren und vielversprechenderen Standpunkten aus zu reorganisieren, was uns neue Möglichkeiten in der Ausübung der kreativen Intuition eröffnet. Die Unmöglichkeit, praktisches Wissen zu formulieren, zeigt sich erstens auf statischem Wege in dem Sinne, dass jede scheinbar formulierte Aussage nur insoweit Informationen enthält, wie sie diese aufgrund einer Gesamtheit vorheriger Überzeugungen und nicht artikulierbarem Wissen interpretiert. Die Unmöglichkeit, praktisches Wissen 39

Dieser Unterschied ist allgemeingültig geworden, seit ihn Gilbert Ryle im Jahr 1949 in seinem bekannten Artikel „Knowing How and Knowing That“ (in: The Concept of Mind. London: Hutchinsons University Library, 1949) aufgezeigt hat. 40 Alle Ökonomen sollten dieses kleine Buch lesen, das ein kleines Juwel der Sozialwissenschaften ist. Michael Polanyi (1891 – 1976), der Bruder von Karl Polanyi (1886 – 1964), war ein Mann weiter Horizonte und in den Bereichen Chemie, Philosophie, Politik, Soziologie und Ökonomie wissenschaftlich tätig. Das Fahrradbeispiel findet sich auf Seite 144 von Knowing and Being. Polanyi führt die Idee einer limitierten Kapazität, menschliche Gedanken zu artikulieren, auf bestimmte Beiträge zurück, die ursprünglich im Feld der Mathematik gemacht wurden, insbesondere auf die Arbeit von Kurt Gödel. Hayek bestätigt, dass „Gödels Theorem ein spezieller Fall eines generellen Prinzips ist, das auf alle bewussten und insbesondere rationalen Prozesse angewendet werden kann, namentlich des Prinzips, dass unter ihren Determinanten immer Regeln sein müssen, die nicht ausgedrückt werden können oder sogar bewusst sind.“

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zu formulieren, zeigt sich zweitens auch auf dynamischem Weg, weil der mentale Prozess, der für ein formales Artikulieren benötigt wird, in sich selbst stillschweigendes und nicht artikulierbares Wissen darstellt.41 Wir müssen betonen, dass jedes stillschweigende Wissen von seiner eigenen Natur her schwierig zu artikulieren ist. Wenn wir eine junge Frau, die sich gerade einen Rock in einer bestimmten Farbe gekauft hat, fragen, warum sie ihn gewählt hat, wird sie wahrscheinlich antworten: „Weil ich ihn mag“, ohne uns eine weitergehende detailliertere Erklärung ihrer Wahl darzulegen. Eine andere Art des nicht artikulierbaren Wissens, die eine essenzielle Rolle in der Entwicklung der Gesellschaft spielt, besteht aus der Gesamtheit von Gewohnheiten, Traditionen, Institutionen und rechtlichen bzw. moralischen Regeln. Diese Gesamtheit ermöglicht erst die Bildung einer Gesellschaft. Menschen lernen diese Regeln und Traditionen zu befolgen, ohne dass sie hierbei imstande wären, detailliert theoretisch zu begründen oder zu artikulieren, welche Aufgabe die Regeln und Institutionen in den verschiedenen Situationen und sozialen Prozessen erfüllen, auf die die Menschen wiederum Einfluss nehmen. Das Gleiche gilt für die Sprache oder die Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung, die der Unternehmer für seine Wirtschaftsrechnung benutzt und die ihn bei seinen Entscheidungen leiten. Bei der Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung handelt es sich um ein Konglomerat von Wissen oder praktischen Techniken, das – im Kontext der Marktwirtschaft verwendet – den Unternehmer bei seinem Handeln leitet und ihm dazu dient, seine Ziele zu erreichen. Der Großteil der Unternehmer wäre allerdings nicht fähig, eine wissenschaftliche Theorie der Buchführung zu formulieren. Und noch weniger wäre er dazu imstande zu erklären, auf welche Weise die Buchhaltung dabei hilft, die komplizierten sozialen Prozesse zu koordinieren, die das gesellschaftliche und ökonomische Leben erst ermöglichen.42 Wir können daraus folgern, dass sich die Ausübung der unternehmerischen Funktion, so wie wir sie definiert haben (die Fähigkeit, Gewinnchancen zu entdecken bzw. wahrzunehmen und sie durch bewusstes Verhalten auszunutzen), sich in stillschweigendem, nicht artikulierbarem Wissen manifestiert. 41

In der gleichen gedanklichen Richtung haben wir einen großen Genuss aus der Lektüre von Roger Penroses wundervollem Buch The Emperor’s New Mind: Concerning Computers Minds and the Laws of Physics gezogen, in dem er im Detail erklärt, wie wichtig selbst für die glänzendsten wissenschaftlichen Köpfe Gedanken sind, die nicht in Worten ausgedrückt werden können. Gregorio Maranón, der brillante spanische Arzt und Schriftsteller, stellte die Idee vor Jahren vor, als er von einer privaten Unterhaltung, die er mit Bergson kurz vor seinem Tod führte, berichtete. Darin hatte der französische Denker gesagt: „Ich bin mir sicher, dass Cajals große Entdeckungen nichts weiter als die objektive Verifikation von Tatsachen war, die sein Gehirn als tatsächliche Realität vorausgesehen haben.“ K. Lorenz versichert, dass „keine wichtige wissenschaftliche Tatsache jemals ‚bewiesen‘ wurde, die nicht vorher einfach und sofort durch die Wahrnehmung intuitiver Gestalt gesehen wurde“. Siehe „The role of Gestalt perception in animal and human behaviours“, in: Aspects of Form. London; L. L. Whyte, 1951, S. 176. 42 Don Lavoie: Rivalry and Central Planing. Cambridge: University Press, 1985. Lavoie fügt hinzu, dass die Entscheidungsfindung, wenn Kosten objektiv, wissenschaftlich und universell aufgestellt werden könnten, im ökonomischen Leben auf den Gehorsam gegenüber einer Reihe vollständig artikulierbarer und spezifischer Regeln begrenzt werden könnte. Nimmt man allerdings an, dass Kosten subjektiv sind und nur durch den Handelnden im Kontext jeder spezifischen Handlung gewusst werden kann, kann die Ausübung der unternehmerischen Funktion weder im Detail artikuliert noch durch irgendein objektives wissenschaftliches Kriterium ersetzt werden (ebd., S. 103 – 104).

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Der kreative Charakter der unternehmerischen Funktion Für unternehmerisches Handeln ist kein Mittel nötig, d. h., dieses setzt keinerlei Kosten voraus und ist im Wesen kreativ.43 Der kreative Charakter unternehmerischen Handelns spiegelt sich in Gewinnen wider, die in gewisser Weise aus dem Nichts resultieren und die aus diesem Grunde als reine unternehmerische Gewinne bezeichnet werden können. Um unternehmerische Gewinne zu erzielen, ist es daher nicht erforderlich, bereits über ein Mittel zu verfügen, sondern es ist notwendig, unternehmerisch gut zu handeln. Diese Tatsache können wir anhand der Situation zeigen, die in Abbildung 2.1 dargestellt ist. Es genügt, die Diskoordination zwischen A und B zu erkennen, damit unmittelbar eine Gelegenheit für reinen unternehmerischen Gewinn entsteht.44 In Abbildung 2.2 wird nun angenommen, dass eine dritte Person C, welche die unternehmerische Funktion ausübt, die inhärente Gewinnmöglichkeit entdeckt, die sich aus der Diskoordination in Abbildung 2.1 ergibt. (Den Umstand, dass sich C dieser Gelegenheit bewusst wird, stellen wir durch eine „leuchtende Glühbirne“ dar. Selbstverständlich kann die unternehmerische Funktion in der Praxis auch durch A oder B ausgeübt werden, auch wenn wir in unserem Falle aus Gründen der Anschauung annehmen, dass sie durch eine dritte Person C durchgeführt wird.) Tatsächlich genügt es, wenn C mit B in Kontakt tritt und ihm zum Beispiel anbietet, für drei Geldeinheiten diejenige Ressource zu kaufen, über die B reichlich verfügt und die praktisch keinen Wert besitzt. B wird darüber sehr erfreut sein, da er sich nicht vorstellen konnte, so viel für seine Ressource zu erhalten. Nach diesem Tausch kann C Person A kontaktieren und ihr die Ressource verkaufen, die diese so dringend für das Erreichen ihrer Ziele benötigt. C könnte A die Ressource zum Beispiel für neun Geldeinheiten verkaufen. (Falls C nicht über Geld verfügt, könnte er jemanden überzeugen, es ihm zeitweise zu leihen.) Als Resultat der Ausübung unternehmerischen Handelns erhält C ex nihilo einen reinen unternehmerischen

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Gemäß der Feststellung des Heiligen Thomas von Aquin, dass etwas zu kreieren bedeutet, etwas aus dem Nichts zu schaffen: „Creare est aliquid ex nihilo facere“ (Summa Theologiae, Teil I, Frage 45, Artikel 1 ff., Band 2. B. A. C., 1948, S. 740). Wir stimmen nicht mit der thomistischen These überein, dass nur Gott in der Lage ist zu kreieren, da Menschen auch ständig kreieren, sobald sie die unternehmerische Funktion ausüben. Von Aquin benutzt den Begriff ex nihilo auf exzessiv materielle Weise, während wir verstehen, dass eine Kreation ex nihilo immer dann stattfindet, wenn jemand etwas verwirklicht, an das er vorher noch nicht einmal gedacht hat (ebd., S. 756). Obwohl er manchmal das Konzept der menschlichen Handlung mit dem von „Arbeit“ verwechselt (s. auch Fußnote 45), scheint Papst Johannes Paul II. unsere Interpretation in seiner Enzyklika Laborem Exercens zu favorisieren, wenn er schreibt: „Indem er diesen Auftrag erfüllt, spiegelt der Mensch und jeder Mensch das Wirken des Weltenschöpfers selber wider.“ (Nummer 4 und 25, 1981) 44 Wir glauben, dass jede menschliche Handlung eine wesentliche kreative Komponente hat und es keinen Grund gibt, zwischen unternehmerischer Kreativität im ökonomischen Bereich und der Kreativität in anderen Sphären (künstlerisch, sozial u. Ä.) zu unterscheiden. Nozick macht fälschlicherweise genau diese Unterscheidung, indem er nicht realisiert, dass das Wesen der Kreativität auf allen Gebieten das gleiche ist und dass das Konzept und die Charakteristika der unternehmerischen Funktion auf alle menschlichen Handlungen anwendbar sind, unabhängig von ihrer Art. Siehe Robert Nozick: The Examined Life. New York: Simon & Schuster, 1989, S. 40.

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Gewinn in Höhe von sechs Geldeinheiten.45 Hier ist es besonders wichtig hervorzuheben, dass die oben beschriebene unternehmerische Handlung drei besonders wichtige Effekte verursacht hat: Erstens hat das unternehmerische Handeln eine neue Information geschaffen, die zuvor nicht existierte; zweitens wurde diese Information auf dem Markt übertragen und verbreitet; drittens hat diese unterneh45

Die Tatsache, dass die unternehmerische Funktion eine eigene Kreativität besitzt und daher der reine unternehmerische Gewinn aus dem Nichts erwächst, kann uns zu der folgenden theologischen Ableitung führen: Wenn wir um des Argumentes willen einmal akzeptieren, dass es ein übergeordnetes Wesen gibt, eines, das alle Dinge aus dem Nichts erschaffen hat, und wenn wir dann annehmen, dass die unternehmerische Funktion daraus besteht, einen reinen unternehmerischen Gewinn ex nihilo zu schaffen, dann scheint es offensichtlich, dass der Mensch sich genau dann Gott angleicht, wenn er die reine unternehmerische Funktion ausübt! Das bedeutet, dass der Mensch mehr noch als ein Homo sapiens ein Homo agens oder ein Homo empresario ist. Er ähnelt Gott stärker, wenn er handelt, also neue Ziele und Mittel entdeckt, als wenn er denkt. Dies könnte sogar der Ausgangspunkt einer neuen Theorie des Glücks sein, ein Theorie, die vorschlagen würde, dass der Mensch am glücklichsten ist, wenn er seinem Schöpfer ähnelt. Mit anderen Worten: Der Grund für das größte Glück des Menschen wäre, seine Ziele zu erkennen und zu erreichen (was wiederum Handlung und die Ausübung der unternehmerischen Funktion beinhaltet). Nichtsdestotrotz begehen wir immer wieder vielfache unternehmerische Fehler, insbesondere in Bezug auf die Wahl der Ziele, die wir verfolgen. (Glücklicherweise ist der Mensch nicht verloren, sondern hat bestimmte Orientierungen wie die Ethik und die Religion, die ihm in diesem Feld helfen.) Ich hoffe, meine Ableitung wird Prof. Kirzner, ein Mann profunder religiöser Überzeugungen, nicht als ein „frevlerischer Gebrauch einer theologischen Metapher“ erscheinen. Wie wir in Fußnote 43 erwähnt haben, scheint Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Laborem Exercens unserer Interpretation zuzuneigen, wenn er bestätigt, dass der Mensch die Handlung des Schöpfers des Universums reflektiert und imitiert, sodass er wirklich mit Gott kooperiert und an dem göttlichen Plan und der Arbeit des Schöpfers teilnimmt. Nichtsdestotrotz scheint Johannes Paul II. das Konzept der „menschlichen Handlung“ mit dem der „Arbeit“ zu verwechseln und führt daher eine nicht existente Dichotomie menschlicher Handlung ein (diejenige, die der „Arbeit“ dem strikten Sinne nach zugeordnet werden kann, und diejenige in Bezug auf „Kapital“). Das wahre gesellschaftliche Thema ist nicht der Widerspruch zwischen „Arbeit“ und „Kapital“, sondern die Frage, ob es legitim ist, systematische institutionelle Aggression oder Gewalt gegen die kreativen Fähigkeiten des Menschen einzusetzen, sowie das Thema, welche Arten von Regeln und Gesetzen die Handlungen leiten sollen. Des Weiteren erkennt der Autor der Enzyklika nicht, dass es keinen Sinn macht (wie er es in Nr. 19 tut), von dem Recht zu sprechen, eine gerechte Belohnung zu erhalten, wenn er sich auf die menschliche Handlung im Allgemeinen bezieht. Denn jeder Akteur besitzt das Recht auf das vollständige Ergebnis seiner unternehmerischen Kreativität (entweder Gewinn oder Verlust). Wenn der Autor sich auf Arbeit im strikten Sinne als einen Produktionsfaktor bezieht, dann ist jede kreative Möglichkeit in Bezug darauf theoretisch ausgerottet. In der Vorbereitung für diese Reflexionen fanden wir einen Artikel von Fernando Moreno mit dem Titel „El Trabajo según Juan Pablo II.“ sehr nützlich. Das Verständnis Johannes Pauls II. von der unternehmerischen Funktion und der kreativen menschlichen Handlung als ein entscheidender Faktor für das Leben in der Gesellschaft oder zumindest seine Worte und seine Artikulation zu diesem Thema haben sich in der späteren Enzyklika Centesimus Annus deutlich verbessert. In ihr drückt er explizit aus, dass der entscheidende Faktor der „Mensch selber ist bzw. sein Wissen“ – sowohl das wissenschaftliche Wissen als auch praktisches Wissen (das notwendig ist, um die Nöte anderer zu erkennen und zu beseitigen). Diese Art von Wissen ermöglicht es Menschen, „ihre Kreativität auszudrücken und ihr Potenzial zu entwickeln“ sowie in das Netzwerk des Wissens und der Interkommunikation einzutauchen, das den Markt und die Gesellschaft konstituiert. Johannes Paul II. schlussfolgert, „die Rolle disziplinierter und kreativer menschlicher Arbeit [wir präferieren „menschliche Handlung“] und – als ein wesentlicher Teil dieser Arbeit – Initiative und unternehmerische Fähigkeit werden immer offensichtlicher entscheidend.“ Ohne einen Zweifel legt die Enzyklika Centesimus Annus offen, dass der Pontifex sein Verständnis von Ökonomie modernisiert hat und einen großen qualitativen Schritt vorwärts aus der wissenschaftlichen Perspektive gemacht hat. So hat er viel der früheren Soziallehre der Kirche als überholt aufgegeben. Seine Analyse übertrifft sogar breite Schichten innerhalb der ökonomischen Wissenschaft selber – Gruppen, die im Mechanismus verhaften blieben und nicht in der Lage waren, in ihre „Modelle“ die wesentliche kreative und dynamische Natur der unternehmerischen Funktion einzufügen.Siehe Michael Novak, The Catholic Ethic and the Spirit of Capitalism (New York: Free Press, 1993).

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Abbildung 2.2

merische Handlung die Marktteilnehmer gelehrt, ihr Verhalten auf das der anderen einzustellen. Diese Konsequenzen der unternehmerischen Funktion sind so bedeutsam, dass es sich lohnt, sie im Einzelnen genau zu untersuchen. Die Schaffung von Information Jeder unternehmerische Akt impliziert die Schaffung von neuer Information ex nihilo. Das Kreieren solcher Information findet im Denken derjenigen Person statt – in unserem Beispiel C –, die zuerst die unternehmerische Funktion ausübt. Wenn C realisiert, dass eine Situation, wie sie zwischen A und B beschrieben wurde, besteht, ist eine neue Information in seinen Gedanken geschaffen worden, über die er vorher nicht verfügte. Sobald C handelt und A und B kontaktiert, entsteht außerdem neue Information in deren Köpfen. Somit realisiert A, dass die Ressource, die er nicht besaß und so dringend benötigte, um sein Ziel zu erreichen, an anderer Stelle am Markt in größerer Menge vorhanden war, als er dachte. Nun kann er die Handlung durchführen, die er zuvor aufgrund des Mangels an der Ressource nicht begonnen hatte. Auf der anderen Seite realisiert B, dass die Ressource, die er reichlich zur Verfügung hatte und die für ihn keinen Wert besaß, von anderen Leuten dringend nachgefragt wird und er sie daher zu einem guten Preis verkaufen kann. Außerdem ist ein Teil der neuen Information, die in Gedanken von C durch dessen unternehmerische Handlung geschaffen wird und dann auf A und B überspringt, in einer komprimierten Form in einer Serie von Preisen oder historischen Tauschverhältnissen zusammengefasst (d. h., B verkaufte für drei Geldeinheiten und A kaufte für neun).

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Die Übermittlung von Information Die unternehmerische Schaffung von Information impliziert deren Übermittlung am Markt. Jemandem etwas zu übermitteln, bedeutet tatsächlich, dass diese Person in ihrem eigenen Kopf den Teil der Information generiert, den wir zuvor geschaffen oder entdeckt haben. Genau genommen wurde im vorherigen Beispiel die Information an B übermittelt, dass seine Ressource wichtig ist und nicht verschwendet werden sollte. An A wurde übermittelt, dass er das Ziel, das er zunächst nicht in Angriff genommen hat, weil ihm die nötigen Ressourcen dazu fehlten, nun weiterverfolgen kann. Tatsächlich übertragen die entsprechenden Preise wie Wellen die Botschaft auf den gesamten Markt, dass die jeweilige Ressource aufbewahrt und wirtschaftlich verwendet werden sollte, da es eine Nachfrage dafür gibt. Die Marktpreise haben in diesem Sinne eine wichtige Transmissionsfunktion, weil sie zu niedrigen Kosten in sequenziellen Wellen über die ganze Gesellschaft bzw. den ganzen Markt hinweg Informationen übermitteln. Zugleich können alle diejenigen, die keine Handlungen unternahmen, weil sie dachten, dass die entsprechende Ressource nicht existierte, sich diese nun verschaffen und ihre Pläne weiterverfolgen. Logischerweise ist die relevante Information immer subjektiv. Sie existiert nicht außerhalb der Personen, die sie entdecken und interpretieren können. So sind es immer die Menschen, die sie kreieren, wahrnehmen und übermitteln. Die falsche Vorstellung, derzufolge Informationen etwas Objektives sind, hat ihren Ursprung in der Tatsache, dass die von Unternehmern geschaffene subjektive Information sich in „objektiven“ Zeichen (Preise, Institutionen, Regeln, „Firmen“) widerspiegelt. Diese „objektiven“ Zeichen werden vom Subjekt in seinem spezifischen Handlungszusammenhang entdeckt und subjektiv interpretiert, wodurch es möglich wird, immer reichere und komplexere neue Informationen zu schaffen. Entgegen diesem Anschein ist die Übermittlung sozialer Information stillschweigend und subjektiv, d. h. unartikuliert und stark komprimiert, weil tatsächlich nur das für eine Koordination des sozialen Prozesses notwendige Minimum subjektiv ermittelt und erfasst wird. Hierdurch wird es Menschen ermöglicht, den größten Nutzen aus der begrenzten Fähigkeit des menschlichen Gehirns zu ziehen, die es erlaubt, konstant neue Informationen zu kreieren, zu entdecken und zu übertragen. Der Lerneffekt: Koordination und Anpassung Zuletzt müssen wir die Aufmerksamkeit darauf richten, wie A und B gelernt haben, ihre Handlungen aufeinander abzustimmen. Als Folge der von Person C unternommenen Handlung verschwendet B die ihr zur Verfügung stehende Ressource nicht, sondern bewahrt sie in ihrem eigenen Interesse. Da Person A nun über die besagte Ressource verfügt, kann sie ihr Ziel erreichen und die Handlungen durchführen, die sie zuvor nicht vollziehen konnte. Beide Personen lernen deshalb auf eine koordinierte Art und Weise zu handeln, das heißt ihr Verhalten auf das der anderen Menschen einzustellen. Überdies lernen sie auf die bestmögliche Art, d. h., ohne dass sie sich dieses Lernprozesses bewusst sind und motu propio. Mit anderen Worten: Sie lernen freiwillig und in einem Zusammenhang mit einem Plan, bei dem jeder seine eigenen Interessen verfolgt. Dies allein ist der Kern des ebenso wunderbaren wie

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einfachen Prozesses, der das Leben in einer Gesellschaft erst ermöglicht.46 Schließlich beobachten wir, dass die Ausübung der unternehmerischen Funktion durch C nicht nur die Koordination der Handlungen von A und B – die vorher nicht existierte – ermöglicht. Sie erlaubt es auch, dass beide eine Wirtschaftsrechnung über ihre Handlung aufstellen und dabei auf Daten und Informationen zurückgreifen, die vorher nicht vorhanden waren und deren jetzige Existenz ihnen erlaubt, ihre jeweiligen Ziele mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit zu erreichen. Zusammengefasst ist es die durch den Prozess unternehmerischen Handelns geschaffene Information, die die Wirtschaftsrechnung aller Akteure ermöglicht. Anders ausgedrückt: Ohne die Ausübung der unternehmerischen Funktion wird die Information nicht geschaffen, die jeder Akteur benötigt, um den Wert verschiedener Handlungsalternativen zu berechnen und abzuschätzen. Das bedeutet: Ohne die unternehmerische Funktion ist keine Wirtschaftsrechnung möglich.47 Diese Beobachtungen konstituieren zugleich die wichtigsten und grundlegendsten Lehren der Sozialwissenschaften und erlauben uns die Schlussfolgerung, dass die unternehmerische Funktion ohne Zweifel die soziale Funktion schlechthin ist, weil erst sie das Zusammenleben in einer Gesellschaft durch die Anpassung und Koordination individuellen Verhaltens ihrer Mitglieder ermöglicht. Ohne die unternehmerische Funktion ist es nicht möglich, die Existenz einer Gesellschaft zu begreifen.48 46

Wie wir sehen werden, wenn wir Arbitrage und Spekulation behandeln, lernen Menschen durch die unternehmerische Funktion, ihr Verhalten selbst an die Umstände anzupassen, die zukünftige Menschen, die noch nicht geboren wurden, haben werden (intertemporale Koordination). Außerdem könnte dieser Prozess auch dann nicht reproduziert werden, wenn Menschen – den Anordnungen eines wohlwollenden Diktators gehorchend oder ihrem eigenen philanthropischen Wunsch, der Menschheit zu helfen, folgend – versuchen würden, willkürlich alle Situationen der sozialen Diskoordination anzupassen, aber dabei davon abzusehen, einen Vorteil durch Gewinne zu suchen. Wenn es keine Gewinne gibt, die als Anreiz dienen, entsteht nicht die praktische Information, die für Menschen notwendig ist, um zu handeln und die Situationen der gesellschaftlichen Fehlanpassungen zu koordinieren. (Dies ist unabhängig von einer möglichen Entscheidung des Akteurs, seinen unternehmerischen Gewinn für karitative Zwecke einzusetzen, sobald er ihn erhält.) Eine Gesellschaft, deren Mitglieder die meiste Zeit dafür verwenden würden, „ganz bewusst dem Nächsten zu helfen“ und nicht die unternehmerische Funktion auszuführen, wäre eine vorkapitalistische Stammesgesellschaft, die nicht dazu in der Lage wäre, auch nur einen Teil der heutigen Weltbevölkerung zu versorgen. Es ist daher theoretisch unmöglich, dass Menschen die Prinzipien der „Solidarität“ und des Altruismus als Orientierung für Handlungen in einer Ordnung nehmen, die auf einer Reihe von abstrakten Beziehungen mit vielen anderen Individuen beruht – Individuen, die man nie näher kennenlernen wird und über die man nur verstreutes Wissen und Signale in Form von Preisen, substantiven Regeln und Institutionen erhält. 47 Der Begriff „Kalkulation“ leitet sich etymologisch von dem lateinischen Ausdruck calx, calcis ab, was auch Kalkkreide bedeutet, die in griechischen und römischen Rechenschulen benutzt wurde. Eine präzisere Definition von Wirtschaftsrechnung erfolgt weiter vorne (im Abschnitt „Gesetz, Geld und Wirtschaftsrechnung“). 48 Kirzner besteht darauf, dass die unternehmerische Funktion die Entdeckung und Eliminierung von Fehlern erlaubt, die in der Gesellschaft entstehen und unbeachtet bleiben. Wir finden dieses Verständnis von „Fehler“ nicht völlig zufriedenstellend, da es eine Bewertung aus der Position eines hypothetisch Allwissenden impliziert, der mit allen Situationen der Fehlanpassung vertraut ist, die in der Gesellschaft entstehen. Aus unserer Sicht hat es nur Sinn, aus subjektiver Blickrichtung von „Fehlern“ zu reden – mit anderen Worten: wenn der Akteur a posteriori realisiert, dass er ein bestimmtes Ziel nicht hätte verfolgen oder bestimmte Mittel nicht hätte nutzen sollen, da er durch sein Handeln Kosten verursacht hat. Er hat auf das Erreichen von Zielen verzichtet, die für ihn einen höheren Wert haben als die, die er erreicht hat (das heißt, er hat einen unternehmerischen Verlust erlitten). Des Weiteren müssen wir daran erinnern, dass die Eliminierung eines Fehlers in Kirchners objektivistischem

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Arbitrage und Spekulation Aus einer temporalen Sicht heraus kann die unternehmerische Funktion auf zwei Arten ausgeübt werden: synchron und diachron. Die erste wird als Arbitrage bezeichnet und meint die unternehmerische Funktion, die in der Gegenwart (verstanden als die zeitliche Gegenwart aus der Sicht des Akteurs)49 zwischen zwei verschiedenen Orten oder Situationen in der Gesellschaft ausgeübt wird. Die zweite Art nennt man Spekulation. Sie meint die Ausübung der unternehmerischen Funktion zwischen zwei unterschiedlichen Zeitpunkten. Man könnte annehmen, dass die Arbitrage nur bereits vorhandene Information entdeckt und überträgt, während bei der Spekulation „neue“ Information geschaffen und übertragen wird. Jedoch ist diese Unterscheidung rein künstlich, denn etwas zu entdecken, was bereits existiert, aber unbekannt ist, ist dasselbe, wie es zu erschaffen. Qualitativ und theoretisch lässt sich daher kein Unterschied zwischen Arbitrage und Spekulation feststellen. Beide Typen der unternehmerischen Funktion (intratemporal im Falle der Arbitrage und intertemporal im Falle der Spekulation) ermöglichen die soziale Koordination und schaffen dieselbe Art von Tendenz hin zur Koordination und Anpassung. Recht, Geld und Wirtschaftsrechnung In unserem grafischen Beispiel hätte C seine unternehmerische Funktion nur schwer ausüben können, wenn andere Personen die Macht gehabt hätten, das Ergebnis mit Gewalt zu erzwingen, oder wenn zum Beispiel A oder B ihn betrogen und es unterlassen hätte, die versprochene Ressource oder das vereinbarte Geld zu übergeben. Das bedeutet, dass das Ausüben der unternehmerischen Funktion und des menschlichen Handelns im Allgemeinen es verlangt, dass die Menschen sich stets bestimmten Regeln oder Verhaltensnormen anpassen; das bedeutet, dass sie sich ans Recht halten. Dieses Recht besteht aus seiner Reihe von Normen, die auf eine evolutive Art und Weise aus Gewohnheiten entstanden sind und verfeinert wurden. Diese bestimmen hauptsächlich die Eigentumsrechte (jeweiliges Eigentum, in hayekscher Terminologie50) und können auf folgende essenzielle Prinzipien zurückgeführt werden: Respekt vor dem Leben, Stabilität der friedlich erworbenen Besitztümer, Übertragung mit Zustimmung und Erfüllung von Versprechen.51 Das Sinne allgemein bei einem Akteur als eine glückliche, weise Entscheidung empfunden wird, die zu signifikanten unternehmerischen Gewinnen führt. Israel M. Kirzner: „Economics and Error“, in: Perception, Opportunity and Profit. Chicago: The University of Chicago Press, 1979, S. 120 – 137. 49 „Die Gegenwart als Dauer ist die Andauer der Umstände und Möglichkeiten, die für das Handeln gegeben sind. Jede Art der Handlung benötigt spezielle Umstände, auf die sie angepasst werden muss in Bezug auf die Ziele, die verfolgt werden. Das Verständnis von Gegenwart ist daher für verschiedene Handlungsfelder unterschiedlich.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S. 101.) 50 F. A. Hayek (S. 12, 1988). 51 „Wir haben nun die drei fundamentalen Gesetze der Natur behandelt: das der Stabilität der Besitztümer, das der Übertragung durch Übereinstimmung und das der Leistung des Versprechens. Von der strikten Befolgung dieser drei Gesetze hängt der Frieden und die Sicherheit in der menschlichen Gesellschaft ab. Es gibt keine Möglichkeit, ein gutes Verhältnis zwischen Menschen zu etablieren, wenn diese Gesetze missachtet werden. Gesellschaft ist absolut notwendig für die Wohlfahrt des Menschen und diese Gesetze sind notwendig für die Unterstützung der Gesellschaft.“ (David Hume: A Treatise of Human Nature, Buch 3, Punkt 2, Abschnitt 6. Oxford: Oxford University Press, 1981, S. 526.)

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Fundament der rechtlichen Normen, die das Leben in einer Gesellschaft ermöglichen, kann im Einzelnen von drei verschiedenen, aber komplementären Sichtweisen aus untersucht werden: der utilitaristischen, der evolutiven und der Theorie der Sozialethik der Eigentumsrechte. Diese Art der Analyse überschreitet aber die Grenzen des Untersuchungsgegenstandes, weshalb wir lediglich darauf hinweisen werden, dass das Recht zwar ein evolutionäres Produkt des unternehmerischen Handelns selbst ist, aber zugleich von niemandem bewusst entworfen wurde. Dieses Recht ermöglicht die Ausübung menschlicher Handlung und auf diese Weise auch die Entstehung und Entwicklung der Zivilisation. Rechtliche und im Allgemeinen alle sozialen Institutionen (Sprache, Geld, Markt u. a.) entstehen aus evolutiven Prozessen. Daran beteiligt sich über die Geschichte hinweg eine Vielzahl von Personen, die jeweils ihren eigenen Anteil an praktischer Information und unternehmerischer Kreativität hinzufügen und so – in Übereinstimmung mit Mengers bekannter Theorie – eine spontane Entstehung von Institutionen ermöglichen.52 Ohne Zweifel sind diese Institutionen das Ergebnis der Interaktion zwischen vielen Menschen, obwohl sie von niemandem bewusst entworfen oder organisiert wurden.53 Weder ein einzelner Mensch noch eine organisierte Gruppe verfügt über die intellektuelle Kapazität, die für das Verständnis der enormen Fülle an praktischer Information notwendig ist, die sich in der allmählichen Bildung, Verfestigung und Weiterentwicklung dieser Institutionen zeigt. Paradoxerweise hätten die wichtigsten Institutionen für das Leben in der Gesellschaft (linguistische, ökonomische, rechtliche und moralische) nicht bewusst durch einzelne Menschen geschaffen werden können, weil diese nicht über die intellektuelle Kapazität verfügen. Stattdessen entstanden diese Institutionen allmählich aus einem unternehmerischen Prozess menschlicher Interaktion und breiteten sich durch die oben beschriebenen unbewussten Mechanismen des Lernens und des Imitierens weiter aus. Außerdem ermöglicht die Entstehung und Verfeinerung der Institutionen über einen Prozess des Feedbacks 52

Wir verstehen unter Institution jedes repetitive Muster oder Handlungsmodell bzw. jede Regel ungeachtet ihrer Sphäre – linguistisch, ökonomisch, rechtlich o. Ä. 53 Carl Menger: Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie insbesondere. Leipzig: Duncker & Humblot, 1883. Menger spricht von „unbeabsichtigten Resultaten“, um die nicht intendierten Konsequenzen individueller Handlungen zu beschreiben. Er drückt aus, dass das soziale Phänomen durch die Tatsache charakterisiert ist, dass es als „die unbeabsichtigte Resultate individueller Interessen verfolgender Bestrebungen der Volksglieder […] die unbeabsichtigten sozialen Resultate individueller Theologischer Faktoren“ (S. 182) entsteht; siehe Lawrence H. Whites Prolog in der englischen Version von Mengers Buch Investigations into the Method of the Social Sciences with special Reference to Economics (New York: New York University Press, 1985, VII – VIII, S. 158), wo wir die Seite 182 der ursprünglichen deutschen Version übersetzt ins Englische gefunden haben; siehe ebenfalls F. A. Hayeks Artikel „Das Ergebnis menschlicher Handlung aber nicht eines menschlichen Entwurfs.“ Studies in Philosophy, Politics and Economics, S. 96 – 105. Zuweilen wird Adam Ferguson als der Erste angesehen, der sich explizit auf diese spontane Art des sozialen Phänomens bezogen hat. Tatsächlich lesen wir auf Seite 187 seines An Essay on the History of Civil Society (London: T. Caddel in the Strand, 1767): „Nationen stolpern über Einrichtungen, die das Ergebnis menschlicher Handlungen sind, aber nicht die Ausführung eines menschlichen Entwurfs.“ Er fügt den berühmten Satz hinzu, der von Kardinal de Retz Oliver Cromwell zugeschrieben wurde, demzufolge ein Mensch niemals größere Höhen erreicht, als wenn er nicht weiß, wo er hingeht. Nichtsdestotrotz folgt Ferguson einer sehr viel älteren Tradition, die von Montesquieu und Bernard de Mandeville über die spanischen Scholastiker des 16. Jahrhunderts bis zu den klassischen Schulen römischen und griechischen Denkens zurückreicht, wie wir zu Beginn des Kapitels 4 sehen werden.

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oder der Rückkopplung den immer reichhaltiger und komplexer werdenden Prozess menschlicher Interaktion. Aus demselben Grund ist der Mensch unfähig gewesen, seine Institutionen bewusst zu gestalten,54 und er ist unfähig, die allgemeine Rolle zu verstehen, die die Institutionen in jedem Moment der Geschichte spielen. Die Institutionen und die Gesellschaftsordnung werden zunehmend abstrakter in dem Sinne, dass es unmöglich ist, die unendliche Vielfalt des partikularen Wissens und der individuellen Ziele zu identifizieren oder zu erkennen, die einzelne Menschen haben, während sie innerhalb ihres Handlungsumfeldes agieren. Die Institutionen wiederum sind starke Signale, denn sie bestehen aus wiederholten Verhaltensmustern oder Bräuchen und leiten menschliche Handlungen. Von all diesen Institutionen ist die vielleicht abstrakteste und daher die am schwierigsten zu verstehende das Geld. Tatsächlich ist das Geld – oder jedes allgemein akzeptierte Tauschmittel – eine der wichtigsten Institutionen für die Existenz und die Entwicklung unserer Zivilisation. Allerdings werden nur sehr wenige Menschen gewahr, auf welche Weise Geld einen exponentiellen Zuwachs der Möglichkeiten sozialer Interaktion und unternehmerischer Kreativität erlaubt und welche Rolle es bei der möglichen Erleichterung der komplexesten und zunehmend schwieriger werdenden Wirtschaftsrechnung spielt, die eine moderne Gesellschaft verlangt.55 54

Wir müssen daher Thomas von Aquins Verständnis von Gesetz ablehnen, der Gesetz definiert als „Rationis ordinatio ad bonum Commune ad eo qui curam communitatis habet promulgata“ (Summa Theologiae, Teil I-II, Frage 90, Artikel 4, Band 6 [1955], S. 42), und es daher fälschlicherweise als ein bewusstes Produkt des menschlichen Verstandes versteht. In diesem Sinne ist der Heilige Thomas von Aquin ein Vorgänger des „falschen Rationalismus“, den Hayek kritisiert. Der Heilige Thomas schlägt vor, dass der Mensch durch den menschlichen Verstand mehr wissen kann, als er eigentlich in der Lage ist. Dieser falsche und unwissenschaftliche Rationalismus kulminiert in der französischen Revolution im Triumph des Utilitarismus und auf dem Gebiet des Gesetzes im Kelsen’schen Positivismus und in den Ansichten eines Thiebauts. Siehe F. A. Hayek: „Kinds of Rationalism“, in: Studies in Philosophy, Politics and Economics, Kapitel 5, S. 82 – 96. Kurz danach kritisierte Hayek die Tatsache, dass Aristoteles, obwohl er nicht wie Plato in das sozialistische Extrem wanderte, weder die Existenz einer spontanen sozialen Ordnung noch die wesentliche Idee der Evolution verstehen konnte und daher die Entwicklung eines naiven szientistischen Trends auslöste, der vieles in der Sozialwissenschaft, wie sich bis heute entwickelt hat, belastet. 55 Tatsächlich bezieht sich Menger in seiner Theorie über den Ursprung des Geldes auf das Geld als eine der wichtigsten und paradigmatischsten Anschauungen seiner Theorie über das Aufkommen, die Entwicklung und die spontane Evolution sozialer Institutionen. Siehe die Seiten 152 ff. der englischen Fassung der Untersuchungen, zitiert in Fußnote 52. Eine andere Institution von ökonomischem Interesse und ein Beispiel ökonomischer Organisation ist die Entität. Im Spanischen wird sie unglücklicherweise empresa genannt, doch sollte sie gemäß dem angelsächsischen Beispiel besser Firma („firm“) genannt werden, um eine Verwechslung mit dem Konzept der menschlichen Handlung oder unternehmerischen Funktion und dem Konzept der Firma zu vermeiden. Firma ist einfach eine andere, relativ wichtige Institution, die im Markt entsteht, weil Akteure feststellen, dass ein gewisses Maß an Organisation hilft, ihre Interessen zu verfolgen. Es scheint eine ganze Schule des ökonomischen Denkens zu geben, die dazu neigt, die Bedeutung von Firmen als Forschungsgegenstand in der Ökonomie zu übertreiben. Die Firma ist schlicht eine von vielen Institutionen, die aus zwischenmenschlichen Beziehungen erwächst, und man kann ihre Evolution nur von einem Standpunkt der Theorie der unternehmerischen Funktion verstehen, die hier vertreten wird. Die Theoretiker von Firmen übersehen nicht nur die subjektive Natur der unternehmerischen Funktion, sondern tendieren auch dazu, ökonomische Forschung zu objektivieren und in unangemessener Weise auf eine Firma zu beschränken. Siehe beispielsweise R. H. Coase, „The Nature of the Firm,“ Economica Nr. 4 (November 1937). Dieser Aufsatz wurde wieder abgedruckt als Kapitel 2 von The Firm, the Market and the Law (Chicago: University of Chicago Press, 1988), 33 – 35. Siehe zudem A. A. Alchian, „Corporate Management and Property Rights,“ in Economic Policy and the Regulations of Corporate Securities (Washing-

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In unserem einführenden Modell von unternehmerischem Handeln sind wir ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Geld existiert und dass A, B und C daher dazu in der Lage sind, die bestimmten Tauschvorgänge im Austausch gegen Geld durchzuführen. Wie Mises schon zeigte, ist Geld sehr wichtig, da es den gemeinsamen Nenner darstellt, der die Wirtschaftsrechnung in Verbindung mit allen Gütern und Dienstleistungen, die Gegenstand des Handels sind, möglich macht. Unter Wirtschaftsrechnung verstehen wir daher jede Schätzung der Ergebnisse von unterschiedlichen Handlungsalternativen in monetären Einheiten. Eine solche Wirtschaftsrechnung wird von jedem Akteur durchgeführt, wenn er die unternehmerische Funktion ausübt. Dies ist einzig und allein durch die Existenz von Geld und der praktischen Information möglich, die konstant durch menschliches Handeln erschaffen und übertragen wird.56 Die Allgegenwart der unternehmerischen Funktion Alle Menschen üben auf eine gewisse Art und mit mehr oder weniger Erfolg die unternehmerische Funktion aus, wenn sie handeln. Das heißt, die unternehmerische Funktion in ihrer reinsten Form ist allgegenwärtig. Zum Beispiel übt ein Arbeiter sie aus, wenn er sich die Frage stellt, ob er die Arbeitsstelle wechseln, ein Angebot annehmen oder ein anderes ablehnen soll. Wenn er sich richtig entscheidet, wird er eine attraktivere Arbeitsstelle finden als die, die er unter anderen Umständen besetzt hätte. Sofern er sich bei seiner Entscheidung irrt, können seine Arbeitskonditionen schlechter sein, als sie es andernfalls gewesen wären. Im ersten Fall wird er einen Unternehmergewinn erzielen, im zweiten Fall einen Verlust erleiden. Ein Kapitalist führt die unternehmerische Funktion ebenfalls kontinuierlich aus, wenn er zum Beispiel entscheidet, einen Manager anstelle eines anderen einzustellen. Oder er analysiert, ob er eines seiner Unternehmern verkaufen soll oder nicht, ob er in einen bestimmten Sektor investieren soll oder ob er in seinem Portfolio eine bestimmte Kombination zwischen Produkten mit fixer und variabler Rendite einbezieht. Schließlich handelt auch der Konsument ständig als Unterton, D. C.: American Enterprise Institute, 1969), 342 ff. Eine detailliert Kritik dieser Denkschule erscheint in Israel M. Kirzner, Competition and Entrepreneurship, 52 ff. Vgl. auch Fußnote 188. 56 Für Ludwig von Mises ist „Wirtschaftsrechnung entweder eine Schätzung des erwarteten Ergebnisses zukünftiger Handlungen oder die Feststellung des Ergebnisses von Handlungen in der Vergangenheit“. Murray N. Rothbard scheint nicht zu verstehen, dass die Wirtschaftsrechnung immer ein Problem der Schaffung und Übertragung verstreuter, exklusiver Informationen bedeutet, ohne die eine Schätzung nicht gemacht werden kann. Seine Beobachtungen über die Wirtschaftsrechnungskontroverse in seinem Werk Ludwig von Mises: Scolar, Creator and Hero (Auburn, Alabama: Ludwig von Mises Institute, 1988, Kapitel 5, S. 35 – 46) machen dies deutlich. Rothbards Position scheint dem fast obsessiven Wunsch zu entspringen, die Unterschiede zwischen Mises und Hayek mehr zu betonen als ihre Gemeinsamkeiten. Es ist wahr, dass – wie Rothbard herausstreicht – Hayeks Ansicht manchmal zu strikt interpretiert wurde, als würde sich dieser nur auf ein Problem konzentrieren, das von der verstreuten Natur existierenden Wissens handelt, und als würden Unsicherheit und die zukünftige Generierung von Wissen – Themen, die insbesondere Mises betonte – kein Problem darstellen. Dennoch glauben wir, dass beide Ansichten einfach miteinander verbunden werden können, da sie eng miteinander in Beziehung stehen. Im nächsten Kapitel werden wir diese beiden Argumente zusammenführen und sie entsprechend als das statische Argument und das dynamische Argument gegen die Möglichkeit sozialistischer Wirtschaftsrechnung präsentieren.

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nehmer, wenn er das Produkt auswählt, das er am liebsten mag, wenn er auf der Suche nach neuen Produkten auf dem Markt ist oder wenn er im Gegenteil entscheidet, keine Zeit bei der Suche nach neuen Gelegenheiten zu verlieren. Daher wird die unternehmerische Funktion im alltäglichen Leben, in allen Handlungen und konkreten Unternehmen, konstant zu einem gewissen Grad und mit mehr oder weniger Erfolg ausgeübt. Sie wird von allen Akteuren, unabhängig von deren Fähigkeiten, auf dem Markt durchgeführt. Daraus ergibt sich, dass in der Praxis die reinen unternehmerischen Gewinne und Verluste beinahe immer vermischt mit anderen ökonomischen Kategorien des Einkommens (Löhnen, Renditen u. a.) auftreten. Nur eine detaillierte historische Untersuchung wird uns erlauben, in jedem Falle genau zu identifizieren, wo solche Profite und Verluste auftreten und wer die unternehmerische Funktion im Kontext der spezifischen Handlungen oder Unternehmungen am besten ausgeführt hat. Das wesentliche Prinzip Von einem theoretischen Standpunkt aus gesehen wirklich von Bedeutung ist nicht, wer die unternehmerische Funktion wirklich ausübt (obwohl in der Praxis genau dies das Wichtigste ist), sondern dass es keine institutionellen oder rechtlichen Restriktionen bei ihrer freien Ausübung gibt. Somit ist jede Person frei, ihre unternehmerischen Fähigkeiten so gut wie möglich zu nutzen, damit neue Informationen zu erschaffen und einen Vorteil aus der exklusiven praktischen Information zu ziehen, die in einer bestimmten Situation entdeckt wurde. Es ist nicht die Aufgabe des Ökonomen, sondern eher die des Psychologen, die angeborene Fähigkeit des Menschen zu untersuchen, die ihn motiviert, in allen Lebensbereichen unternehmerisch zu handeln. An dieser Stelle wollen wir lediglich das folgende wesentliche Prinzip hervorheben: Der Mensch neigt dazu, die Informationen zu entdecken, die ihn interessieren. Wenn Freiheit bei der Verfolgung von Zielen und Interessen besteht, dann dienen ihm diese Ziele dabei als Anreiz57 und erlauben ihm, stets die relevante und praktische Information für das Erreichen seiner gewählten Ziele wahrzunehmen und zu entdecken. Wenn im Gegenteil, aus welchem Grunde auch immer, sich der Spielraum für die Ausübung der Unternehmerfunktion in einem bestimmten Bereich des gesellschaftlichen Lebens eingeschränkt (durch gesetzlichen oder institutionellen Zwang), dann werden die Akteure ihre Möglichkeiten und die Ziele in diesem verbotenen oder beschränkten Bereich gar 57

Gemäß dem Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary (11.  Edition) ist ein Anreiz „etwas, das jemanden zu einer Handlung animiert“ – eine Definition, die mit derjenigen übereinstimmt, die wir für den Gewinn gegeben haben. Der subjektive Gewinn, den ein Akteur mit einer Handlung anstrebt, ist genau der Anreiz, der ihn motiviert zu handeln. Prinzipiell und zugegeben, dass dies nicht der geeignete Platz ist, in größerer Tiefe das psychische Wesen der unternehmerischen Funktion zu erklären, ist festzuhalten: Je stärker ein Akteur seine Ziele ins Auge fasst und je größer die psychische Intensität ist, mit er es verfolgt, desto stärker wird der Einfluss von kreativen Ideen, die relevant sind, um dieses Ziel zu erreichen, und desto einfacher wird der Akteur irrelevante Informationen unterscheiden und ablehnen, die ihn ablenken könnten. Siehe ebenfalls Kapitel 7, Abschnitt „Henry Douglas Dickinsons Buch ‚The Economics of Socialism‘“. In diesem Abschnitt erklären wir zwei unterschiedliche Bedeutungen des Begriffes „Anreiz“ – eine statische und eine dynamische.

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nicht erst in Betracht ziehen. Und weil das Ziel nicht erreichbar ist, wird es auch nicht als Anreiz dienen und der Akteur wird die relevante Information für das Ziel weder wahrnehmen noch entdecken. Außerdem werden sich unter diesen Umständen nicht einmal die betroffenen Akteure des enormen Wertes und der Anzahl der Gelegenheiten bewusst, die nun als Konsequenz der institutionellen Restriktion nicht mehr erreicht werden können.58 Im Strichfigurenschema (Abb. 2.1 und Abb. 2.2) erkennen wir, dass die „unternehmerische Glühbirne“ bei jedem Fall von sozialer Diskoordination aufleuchtet, wenn Freiheit bei der Ausübung der menschlichen Handlungen besteht. Das löst einen Prozess der Schaffung und Übertragung der Information aus, der Raum gibt für die Beseitigung der mangelnden Koordination. Diese Koordination ermöglicht das Leben in der Gesellschaft. Wenn aber die Ausübung der unternehmerischen Funktion in einem bestimmten Bereich verhindert wird, dann wird das Aufleuchten der „unternehmerischen Glühbirne“ unmöglich. Das bedeutet, dass es für den Unternehmer unmöglich ist, eine existierende Situation des Ungleichgewichts zu entdecken, die so für immer unverändert bleibt oder sich sogar verschlimmert. Nun verstehen wir die große Weisheit in der spanischen Redewendung „ojos que no ven, corazón que no siente“ („Was die Augen nicht sehen, kann das Herz nicht fühlen“), was direkt auf unseren Fall anwendbar ist. Wir sehen hier ein Paradoxon: Der Mensch nimmt nicht wahr, was er verliert, wenn die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion unmöglich ist.59 Schließlich machen wir uns erneut bewusst, dass jeder menschliche Akteur einige Fragmente der praktischen Information besitzt, die er bestrebt ist zu entdecken und zu nutzen, um ein Ziel zu erreichen. Trotz der sozialen Bedeutung besitzt nur er diese Information, das heißt, nur er kennt sie und kann sie bewusst interpretieren. Es ist klar, dass wir uns hier nicht auf die veröffentlichte Information aus speziel­ len Magazinen, Büchern, Zeitungen, Computern u. Ä. beziehen. Die einzige für die Gesellschaft relevante Information ist die, der man sich bewusst ist –wenn auch meistens nur auf eine stillschweigende Weise zum jeweiligen Zeitpunkt. Jedes Mal, wenn der Mensch handelt und die unternehmerische Funktion ausübt, tut er dies auf eine persönliche und unwiederholbare Art und Weise. Diese entsteht aus dem Versuch, bestimmte Ziele zu erreichen oder zu einem besonderen Lebensentwurf zu 58

Über viele Jahre haben Studenten in den Ländern Osteuropas, insbesondere in der ehemaligen Sowjetunion, Tausende Stunden damit verbracht, handschriftlich ihre Notizen aus Präsenzbibliotheksbeständen zu kopieren, ohne sich darüber bewusst zu sein, dass Fotokopierer dieser Arbeit viel einfacher und schneller erledigt hätten. Erst als sie den weit verbreiteten Gebrauch dieser Maschinen im Westen und ihre direkte Anwendung im Bereich von Studium und Forschung entdeckten, fingen sie an, ein Bedürfnis für Fotokopierer zu spüren. Solche Fälle sind in verhältnismäßig stärker kontrollierten Gesellschaften offensichtlicher als in denen der westlichen Welt. Wir dürfen deshalb jedoch weder selbstzufrieden werden, noch den Fehler begehen zu glauben, dass westliche Gesellschaften frei von ähnlichen Irrtümern sind, weil das Fehlen anderer systematisch weniger restriktiver Gesellschaften, die als ein vergleichbares Modell dienen könnten, uns davon abhält, uns bewusst zu werden, wie viel im Westen aufgrund des Interventionismus verloren geht. 59 Der Erste, der das grundsätzliche Prinzip formulierte, das wir in diesem Abschnitt analysieren, war Samuel Bailey, als er ausdrückte, dass jede Handlung „exaktes Wissen von Tausenden Einzelheiten voraussetzt, die von niemandem gelernt werden, außer von dem, der ein Interesse hat, sie zu wissen“ (A Defense of Joint-Stock Banks and Country Issues. London: James Ridgeway, 1840, S. 3). Siehe ebenfalls in Kapitel 3 den Abschnitt „Sozialismus als das Opium fürs Volk“.

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gelangen, was beides dem Menschen in den verschiedenen Formen und Umständen nur als Anreiz dient und es ihm erlaubt, bestimmtes Wissen oder Information zu erlangen, die nur er im Zusammenhang mit seinen Zielen und Umständen entdeckt und für niemand anderen in derselben Form reproduzierbar ist.60 Daher ist es von enormer Wichtigkeit, die unternehmerische Funktion nicht zu stören. Sogar die armen Personen – also diejenigen mit dem geringsten sozialen Status und der hinsichtlich des formalen Wissens niedrigsten Ausbildung – werden zumindest einige Elemente des Wissens exklusiv besitzen, die einen entscheidenden Wert im Verlauf der Geschichte haben.61 Dies macht den grundlegend humanistischen Charakter des Konzeptes des Unternehmertums deutlich, das wir hier entwerfen. Daher ist die Ökonomie die humanistische Wissenschaft par excellence. Wettbewerb und unternehmerische Funktion Die unternehmerische Funktion ist per Definition und aus sich heraus immer kompetitiv.62 Das bedeutet: Immer wenn ein Handelnder eine bestimmte Möglichkeit zur Gewinnerzielung entdeckt und zu seinem Vorteil nutzt, verschwindet diese Möglichkeit und kann von niemand anderem mehr entdeckt und genutzt werden. Das heißt aber auch: Wenn der Handelnde die Gewinnmöglichkeit nur teilweise entdeckt oder zwar vollständig entdeckt, aber nur teilweise ausschöpft, dann bleiben die übrigen Anteile potenziell für einen anderen erhalten, der sie entdecken und nutzen kann. Der soziale Prozess ist also kompetitiv in dem Sinne, dass unterschiedliche Akteure bewusst oder unbewusst untereinander darum rivalisieren, vor allen anderen eine Gewinnmöglichkeit zu entdecken und zu nutzen.63 Innerhalb unseres Figurenmodells sollten wir uns die Unternehmerfunktion nicht, wie wir es der Einfachheit halber gemacht haben, als eine einzige Glühbirne vorstellen, sondern als simultanes und sukzessives Aufleuchten vieler verschiedener Glühbirnen. Diese repräsentieren die vielen verschiedenen unternehmerischen Handlungen in Bezug auf Kreativität, Diagnose und Experiment auf die unterschiedlichsten Lösungen für Probleme der sozialen Koordination. Diese Probleme rivalisieren darum, sich durchzusetzen. 60

„Niemand reiste gestern, niemand heute und niemand wird morgen reisen zu Gott auf dem gleichen Weg, auf dem ich reise. Für jeden Menschen sichert die Sonne einen neuen Lichtstrahl und Gott einen jungfräulichen Weg.“ (León Felipe: Prolog für die Obras Completas. Buenos Aires: Losada, 1963, S. 25.) 61 „Jede lebende Person, selbst die bescheidenste, kreiert dadurch, dass sie am Leben ist.“ (Gregorio Maranón: El Greco y Toledo: Obras Completas. Madrid: Espasa Calpe, 1971.) 62 Der Begriff Wettbewerb leitet sich etymologisch ab von dem lateinischen Wort cumpetitio (die Konkurrenz von vielen Ansinnen für die gleiche Sache, die einem Besitzer zugeteilt werden muss), das sich aus zwei Teilen zusammensetzt: cum (mit) und petere (herausfordern, angreifen). Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary (11. Auflage) definiert Wettbewerb als eine Auseinandersetzung zwischen Rivalen. Wettbewerb besteht aus einem dynamischen Prozess der Rivalität und nicht aus dem sogenannten „Modell des perfekten Wettbewerbs“, in dem viele Anbieter die gleiche Sache produzieren und zum gleichen Preis anbieten. Paradoxerweise ist dies eine Situation, in der niemand mit einem anderen im Wettbewerb steht. 63 Siehe Israel M. Kirzner: Competition and Entrepeneurship, S.  12 – 13, und Discovery and the Capitalist Process, S. 130 – 131. Kirzner betont, dass alles, was notwendig ist, um die Wettbewerblichkeit eines gesellschaftlichen Prozesses zu sichern, die Eintrittsfreiheit ist, das heißt die Abwesenheit von legalen oder institutionellen Restriktionen der freien Ausübung der unternehmerischen Funktion auf allen gesellschaftlichen Gebieten.

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Jede unternehmerische Handlung entdeckt, koordiniert und behebt soziale Fehlanpassungen. Durch den kompetitiven Charakter der unternehmerischen Handlung können einmal entdeckte und behobene Unordnungen nicht als solche wiederkehren und von einem anderen entdeckt und behoben werden. Man könnte dem Irrtum verfallen, der soziale Prozess, der durch die unternehmerische Funktion in Gang gehalten wird, könnte an Dynamik verlieren oder gar zum Stillstand kommen, sobald alle Möglichkeiten der sozialen Koordination ausgeschöpft sind. Doch der unternehmerische Prozess der sozialen Koordination hört niemals auf und ist auch nie ausgeschöpft. Dies kommt daher, dass die koordinierenden Handlungen, die in den Abbildungen 2.1 und 2.2 erklärt wurden, aus der Schaffung und Übertragung von neuem Wissen resultieren, das notwendigerweise die Perzeption von Mittel-Ziel-Beziehungen modifiziert. Diese Veränderung wiederum verursacht das Auftauchen unzähliger neuer Fehlanpassungen, die wieder neue Gewinnmöglichkeiten darstellen. Dieser dynamische Prozess verbreitert sich und gelangt niemals zum Stillstand, sondern mündet in eine kontinuierliche Entwicklung von Zivilisation. Mit anderen Worten: Die unternehmerische Funktion ermöglicht nicht nur Leben in der Gesellschaft durch die Koordinierung fehlgeleiteter Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, sondern erlaubt auch die zivilisatorische Entwicklung, indem es zur Schaffung neuen Wissens führt, das sich in fortlaufenden Wellen in der Gesellschaft verbreitet. Zusätzlich sorgt die unternehmerische Funktion dafür, dass die Entwicklung so harmonisch und so menschlich wie möglich unter den gegebenen historischen Umständen vollzogen wird, da jede durch den zivilisatorischen Prozess und die Entstehung neuer Informationen permanent erzeugte Fehlabstimmung wiederum durch die unternehmerische Kraft menschlicher Handlung entdeckt und eliminiert wird.64 Das bedeutet, dass durch die Neigung zur Koordinierung der unvermeidbaren und notwendigen Fehlanpassungen, die unternehmerische Funktion die Gesellschaft vereint und eine harmonische Entwicklung erlaubt.65 64

Der unternehmerische Prozess ermöglicht daher eine Art von ständigem sozialen „Big Bang“, der ein grenzenloses Wachstum von Wissen erlaubt. Laut Frank J. Tipler, Professor für Mathematik und Physik an der Tulane University, ist die Grenze für das Wachstum des Wissens auf der Erde 10 hoch 64 Bits (es wäre daher möglich, die physischen Grenzen des Wachstums, die man bis jetzt sieht, mit 100 Billionen zu multiplizieren). Und es kann mathematisch gezeigt werden, dass eine menschliche Zivilisation, die im Weltraum stationiert wäre, ihr Wissen, ihren Wohlstand und ihre Bevölkerung ohne Grenzen expandieren könnte. Tipler schlussfolgert: „Viel Unsinn wurde von Physikern, die ignorant gegenüber Ökonomie sind, über die physischen Grenzen des ökonomischen Wachstums geschrieben. Eine korrekte Analyse über die physischen Grenzen des Wachstums ist nur möglich, wenn man Hayeks Einsicht teilt, dass das, was ein ökonomisches System produziert, nicht die materiellen Dinge sind, sondern das immaterielle Wissen ist.“ (Frank J. Tipler: „A Liberal Utopia“, in: Especial Symposium on The Fatal Conceit by F. A. Hayek, Humane Studies Review, 6, Nr. 2 [Winter 1988 – 1989], S. 4 – 5; siehe ebenfalls das herausragende Buch von John D. Barrow und Frank J. Tipler: The Anthropic Cosmological Principle. Oxford: Oxford University Press, 1986, S. 658 – 677.) 65 In Abbildung 2.3 finden wir eine ähnliche Situation wie die, die im Text beschrieben wurde. A kann seine Handlung vornehmen, weil die unternehmerische Funktion, die C ausführt, A informiert, dass eine genügende Menge der Ressource R vorhanden ist. Im Folgenden, nachdem A seine Handlung vollzieht, erkennt ein Vierter, D, dass er wiederum sein Ziel Z verfolgen könnte, wenn er die Ressource S zur Verfügung hätte, von er nicht weiß, wo er sie finden soll, aber die beim Händler E verfügbar ist. Ergebnis der Informationen, die in der ersten unternehmerischen Handlung erzeugt wurden, ist eine neue Fehlanpassung zwischen D und E. Dadurch entsteht eine

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Die Wissensteilung und die „extensive“ Ordnung sozialer Kooperation Unter den gegebenen Umständen der begrenzten Kapazität des menschlichen Gehirns, Informationen zu verarbeiten, und des wachsenden Umfangs neuer Informationen ist es klar, dass sich die Wissensteilung kontinuierlich ausbreitet und vertieft. Diese Idee hat ihren Ursprung in dem sperrigen und objektivistischen Konzept der Arbeitsteilung.66 Diese bedeutet schlicht, dass der Prozess der Entwicklung vertikal zunehmend vertieftes, spezialisiertes und detailliertes Wissen einbezieht und für die horizontale Ausbreitung eine ständig wachsende Bevölkerung erfordert. Bevölkerungswachstum ist sowohl Resultat als auch notwendige Ursache für das Fortschreiten von Zivilisation, da die limitierte Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns unfähig wäre, den enormen Umfang praktischer Informationen zu reproduzieren, der nötig wäre, wenn ständig neue Informationen durch den unternehmerischen Prozess geschaffen würden, ohne dass parallel dazu die Bevölkerung wächst. Abbildung 2.3 illustriert den Prozess, durch den praktisches und verstreutes Wissen sich ausbreitet und vertieft. Dieser Prozess, verursacht durch die unternehmerische Funktion, konstituiert den Fortschritt der Gesellschaft.67 Die Nummern in dieser Abbildung dienen der Kennzeichnung unterschiedlicher Menschen. Die Buchstaben repräsentieren das praktische Wissen, das jeder Mensch für spezifische Ziele verwendet. Die leuchtenden Birnen über den Pfeilen im Zentrum der Zeichnung kennzeichnen den unternehmerischen Akt der Entdeckung der Vorteile des Handels und der horizontalen Wissensteilung. Tatsächlich beobachten wir in der zweiten Reihe, dass jede Person nicht mehr länger das Wissen ABCD reproduziert, das von jedem anderen besessen wird. Stattdessen spezialisiert sich Person 2 in AB neue Gewinnmöglichkeit, die nur darauf wartet, von jemandem entdeckt zu werden. Auf diese Weise setzt sich der Prozess fort. 66 Zum „Gesetz der Arbeitsteilung“ und Ricardos allgemeinerem „Gesetz der Assoziierung“ siehe die entsprechenden Anmerkungen, die Mises in Human Action, S. 157 – 165, macht. Siehe ebenfalls Ludwig von Mises: Nationalökonomie: Theorie des Handelns und Wirtschaftens. The International Carl Menger Library, 2. Auflage. München: Philosophia Verlag, 1980, S. 126 – 133 (hier benutzt Mises den Ausdruck „Vergesellschaftungsgesetz“, um sich auf das „Gesetz der Assoziierung zu beziehen“). Wie Robbins (Politics and Economics. London: MacMillan, 1963, S. 141) treffend ausdrückte, verdanken wir es Mises, dass er Ricardos „Gesetz der komparativen Kosten“ als einen speziellen Fall innerhalb des sehr viel breiteren „Gesetzes der Assoziierung“ erkennt, das erklärt, warum eine Kooperation zwischen dem Höchstbegabten und dem am wenigsten Begabten beiden nützt, sobald jeder der beiden die unternehmerische Entdeckung macht, dass er davon profitiert, wenn er sich auf die Aktivität konzentriert, in der er den größten komparativen Vorteil genießt. Nichtsdestotrotz schafft es Mises nicht einmal hier, die objektivistischen Reste, die aus der Zeit von Adam Smith die Theorie der Arbeitsteilung besetzt haben, auszumerzen. Nicht bis zur Seite 709 seines Buches Human Action erwähnt er ausdrücklich die intellektuelle Arbeitsteilung, die wir im Text „Wissensteilung“ oder „Informationsteilung“ genannt haben. 67 Behalten wir in Erinnerung, dass es fast unmöglich für uns ist, selbst die hervorstechendsten Charakteristika des gesellschaftlichen Prozesses, der durch die unternehmerische Funktion angetrieben wird, grafisch zu illustrieren. Es ist ein Prozess, von dem Hayek glaubt, dass er vielleicht der komplexeste des gesamten Universums ist: „Die ausgedehnte Ordnung ist vielleicht die komplexeste Struktur im Universum.“ (The Fatal Conceit, S. 127.) Diese „ausgedehnte Ordnung der gesellschaftlichen Koordination“, die wir in diesem Kapitel beschrieben haben, ist zugleich die Quintessenz einer spontanen, evolutionären, abstrakten und ungeplanten Ordnung. Hayek bezieht sich auf sie als den „Cosmos“ und stellt ihm die bewusste, konstruktivistische oder organisierte Ordnung („Taxis“) gegenüber.

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Abbildung 2.3

und die Personen 3 und 4 konzentrieren sich auf CD. Untereinander handeln sie das Produkt ihrer unternehmerischen Handlung. Die Glühbirnen am Rande zeigen die unternehmerische Schaffung neuer Informationen an, die ein Wachstum vertikaler Wissensteilung auslöst. In der Tat entstehen neue Ideen, weil jeder Handelnde nicht mehr länger jede Information des anderen reproduzieren muss. Außerdem

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benötigt die wachsende Tiefe und Komplexität des Wissens einen Bevölkerungsanstieg, also das Erscheinen neuer Menschen (Nummer 5, 6, 7 und 8), die wiederum neue Informationen schaffen und die Informationen lernen, die ihnen ihre „Eltern“ mitteilen – Informationen, die sie durch Handel in der gesamten Gesellschaft verteilen. Kurzum, es ist unmöglich, wachsendes Wissen in einer steigenden Anzahl von speziellen Feldern zu besitzen, wenn die Zahl der Menschen nicht wächst. Das Haupthindernis für den Fortschritt der Gesellschaft ist mit anderen Worten eine stagnierende Bevölkerung, da sie den Prozess blockiert, bei dem das für die ökonomische Entwicklung notwendige praktische Wissen tiefer und spezialisierter wird.68 Kreativität versus Maximierung Unternehmertum oder menschliches Handeln besteht grundsätzlich nicht aus der optimalen Allokation gegebener Mittel in Bezug auf ebenfalls gegebene Ziele. Stattdessen beinhaltet es – wie wir gerade gesehen haben – das Erkennen, Erschließen und Wahrnehmen von Zielen und Mitteln, also das aktive und kreative Suchen und Entdecken neuer Mittel und Ziele. Daher sollten wir besonders kritisch mit dem sperrigen und engen Verständnis von Ökonomie umgehen, das auf Lionel Robbins zurückgeht und die bekannte Auffassung beinhaltet, dass Ökonomie als Wissenschaft den Einsatz knapper Mittel behandelt, die für unterschiedliche Zwecke der menschlichen Bedürfnisbefriedigung eingesetzt werden können.69 Diese Ansicht unterstellt gegebenes Wissen über Ziele und Mittel und reduziert daher ökonomische Probleme auf technische Fragen einfacher Verteilung, Maximierung und Optimierung. Aus der Robbins’schen Perspektive ist der Mensch eine Maschine oder jedenfalls eine Karikatur seiner selbst, die nur passiv auf Vorfälle reagieren kann. Im Gegensatz dazu wollen wir Mises’ Ansicht in Betracht ziehen, wonach der Mensch – mehr noch als ein Homo sapiens – ein Homo agens oder Homo empre­ sario ist, weil er handelt. Statt einfach gegebene Mittel gemäß gegebenen Zielen zu allozieren, sucht der Mensch eigentlich konstant neue Ziele und Mittel, während er von der Vergangenheit lernt und seine Vorstellungskraft nutzt, um seine Zukunft zu entdecken und zu gestalten.70 Wie Kirzner überzeugend dargestellt hat, tra68

„Genau so, wie wir durch das Anwachsen unserer Anzahl zivilisiert wurden, hat die Zivilisation diesen Anstieg möglich gemacht …“ (F. A. Hayek: The Fatal Conceit, S. 133). Deshalb beruht der Prozess, den wir als einen begeisternden und überraschenden sozialen Big Bang beschrieben haben, auf einem sehr wichtigen Feedback-Phänomen: Es macht eine wachsende Bevölkerung nachhaltig, deren Mitglieder wiederum stärker den Antrieb für zukünftige Entwicklung geben und den sozialen Big Bang ausbreiten, wodurch der Prozess weitergeht. Wir haben damit nach Tausenden von Jahren auf rationale und wissenschaftliche Weise die biblische Anweisung in Genesis 1, 28 erklärt: „Seid fruchtbar und vermehret euch; macht euch die Erde untertan.“ 69 Lionel Robbins: An Essay on the Nature and Significance of Economic Science. London: MacMillan, 1972, S. 16. In seiner Anerkennung für Mises in dem Prolog dieses Buches offenbart Robbins sein fehlerhaftes Verständnis von Mises’ Lehre. 70 Im Ergebnis sieht Mises die Ökonomie als Teil einer sehr viel breiteren und allgemeineren Wissenschaft, eine allgemeine Theorie der menschlichen Handlung oder der unternehmerischen Funktion, die er Praxeologie nennt (siehe Teil 1 von Human Action, S. 11 – 200). Wenn man einen Namen für die neue Wissenschaft braucht, die entsteht, wenn man die Sicht auf die Ökonomie ausweitet, dann lautet – so schreibt Hayek – der angemessenste Begriff „praxeologische Wissen-

Eigenschaften der unternehmerischen Funktion

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gen sogar Handlungen, die einzig auf Optimierung zielen, eine unternehmerische Komponente in sich.71 Der betreffende Handelnde muss sich zunächst darüber bewusst sein, dass die Handlung – sei sie auch noch so automatisch, mechanisch oder reaktiv – von Vorteil ist. Anders gesagt, bedeutet die Robbins´sche Perspektive schlicht einen besonderen, zudem nicht besonders wichtigen Fall innerhalb des Modells von Mises, das sehr viel reichhaltiger und genereller in der Lage ist, soziale Wirklichkeit zufriedenstellend zu erklären. Schlussfolgerung: unser Verständnis von Gesellschaft Abschließend soll Gesellschaft72 als ein Prozess (im Sinne einer dynamischen Struktur) definiert werden: Sie ist spontan und damit nicht von irgendjemandem bewusst geplant; sie ist hoch komplex, weil sie Milliarden von Menschen mit ihrer unendlichen Vielzahl von Zielen, Geschmäckern, Wertschätzungen und praktischem Wissen einschließt; und sie setzt sich zusammen aus menschlicher Interaktion (die grundsätzlich aus Tauschgeschäften besteht, die häufig monetäre Preise beinhalten und immer nach gewissen Regeln und Verhaltensstandards ablaufen). Alle diese menschlichen Interaktionen werden durch die unternehmerische Funktion angetrieben, die ständig Informationen schafft, entdeckt und überliefert, während sie die unterschiedlichen Pläne unterschiedlicher Individuen durch Wettbewerb miteinander koordiniert beziehungsweise aufeinander abstimmt. Dies ermöglicht es Menschen, in einer zunehmend vielfältigen und komplexen Umwelt zu leben.73

schaften“, der jetzt von Ludwig von Mises (The Counter-Revolution of Science. New York: Free Press of Glencoe, 1952, S. 209) klar definiert und ausgiebig gebraucht wird. 71 Israel M. Kirzner: Discovery, Capitalism and Distributive Justice, S. 36 f. Kirzner kritisiert den fehlgeschlagenen Versuch, das Konzept der unternehmerischen Funktion mit dem methodologischen Rahmen des Gleichgewichts im neoklassischen Paradigma zu vereinen. 72 Wir glauben, dass in einem weiten Sinne die Konzepte von „Gesellschaft“ und „Markt“ sich decken und daher die obige Definition von „Gesellschaft“ auch vollständig auf den Markt anwendbar ist. Überdies definiert das Diccionario der Real Academia „Markt“ als eine „Ansammlung von Menschen“ und es scheint daher, dass die Königliche Akademie unsere Ansicht teilt und die Begriffe „Gesellschaft“ und „Markt“ als Synonyme versteht. 73 Die ökonomische Wissenschaft sollte sich genau auf das Studium dieses gesellschaftlichen Prozesses, wie er oben beschrieben ist, konzentrieren. Hayek fühlt, dass der wesentliche Zweck der Ökonomie aus der Analyse besteht, wie eine spontane, soziale Ordnung uns befähigt, aus dem enormen Umfang praktischer Informationen einen Vorteil zu ziehen. Diese Informationen sind nirgendwo in einer konsolidierten Form erhältlich, sondern über die Köpfe von Millionen von Individuen verstreut. Er behauptet, dass es das Ziel der Ökonomie ist, diesen dynamischen Prozess, durch den Informationen entdeckt und übertragen werden, zu studieren – ein Prozess, der die unternehmerische Funktion ständig antreibt und dazu führt, dass individuelle Pläne angepasst und koordiniert werden, und so das Leben in der Gesellschaft möglich macht. Dies – und dies allein – konstituiert das fundamentale ökonomische Problem. Deshalb ist Hayek besonders kritisch gegenüber der Gleichgewichtsanalyse. Er meint, dass ein solcher Fokus frei von wissenschaftlichem Interesse ist, da er auf der Annahme aufbaut, dass alle Informationen gegeben sind und deshalb das fundamentale ökonomische Problem bereits gelöst wurde. Siehe Hayek: „Economics and Knowledge“ und „The Use of Knowledge in Society“, in: Individualism and Economic Order, S. 51 und 91.

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Die Funktion des unternehmerischen Handelns

2.3 Unternehmerische Funktion und das Konzept des Sozialismus Wie wir sehen werden, baut unsere Definition von Sozialismus auf dem Konzept der unternehmerischen Funktion auf. Daher war es nötig, eine relativ detaillierte Analyse der unternehmerischen Funktion auszuarbeiten. Tatsächlich wird im Folgenden Sozialismus definiert als jede institutionelle Restriktion oder Aggression gegen die freie Ausübung menschlicher Handlung oder der unternehmerischen Funktion. Das folgende Kapitel widmet sich einer eingehenden Analyse dieser Definition und allen ihren Implikationen. An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass institutionelle Restriktion oder Aggression häufig aus dem bewussten Wunsch heraus resultiert, den Prozess der sozialen Koordination gemäß bestimmten Zielvorstellungen zu verändern. In manchen Fällen mag der sozialistische institutionelle Angriff aus menschlichen Handlungen aus Traditionen oder der Geschichte herrühren, wie sie zum Beispiel in vorkapitalistischen Gesellschaften, etwa dem Kastensystem, verankert sind. Trotzdem tritt der Sozialismus als modernes Phänomen in seinen unterschiedlichen Ausprägungen auf, um durch das Mittel der institutionellen Gewalt folgende Ziele zu erreichen: die „Verbesserung“ der Gesellschaft, eine Steigerung ihrer Effizienz, ihrer Entwicklung und Funktionsweise sowie die Durchsetzung als „gerecht“ empfundener Absichten. Wir können nun die vorangestellte Definition von Sozialismus komplettieren: Sozialismus ist jede Form institutioneller Beschränkung oder Aggression gegen die freie Ausübung menschlicher Handlung oder der unternehmerischen Funktion, die von gewöhnlichen Menschen, Politikern und Wissenschaftlern legitimiert wird, da sie dazu in der Lage ist, das Funktionieren der Gesellschaft und das Erreichen bestimmter Ziele, die als gut befunden werden, garantieren. Eine tief greifende Analyse des Sozialismus, wie er gerade definiert wurde, erfordert die theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept und seinen Implikationen – eine Analyse, die es uns erlaubt zu klären, ob ein gedanklicher Fehler dem Glauben zugrunde liegt, dass es überhaupt möglich ist, ein System der sozialen Koordination durch institutionelle Gewalt, wie sie im Sozialismus immer vorhanden ist, zu verbessern. Außerdem gefordert ist eine historische oder geschichtlich-interpretative Studie der unterschiedlichen Phasen des Sozialismus, wie er sich in der Wirklichkeit zeigt. Diese Interpretation komplettiert und bereichert die Schlussfolgerungen aus der theoretischen Auseinandersetzung. Schließlich wird es auch notwendig sein, in eine Analyse im Bereich der Theorie der Sozialethik einzusteigen, um zu klären, ob es ethisch zu rechtfertigen ist, in den intimsten und essenziellsten Charakterzug des Menschen einzugreifen: seine Fähigkeit, kreativ zu handeln. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, dienen die nächsten Kapitel dazu, die erste der aufgeworfenen Fragen in extenso zu behandeln. Die notwendige historische und ethische Analyse ist der zukünftigen Forschung überlassen.

3 Der Sozialismus Im vorherigen Kapitel haben wir das Konzept des Unternehmertums analysiert. Dieses Kapitel beginnt mit einer detaillierten Erläuterung der Natur des Sozialismus und der Art, wie er das Zustandekommen koordinierender Tendenzen ausschließt, die für das Leben in der Gesellschaft notwendig sind. Insbesondere werden wir uns den Effekten widmen, die der Sozialismus für den Anreiz zur Generierung von Informationen hat, sowie den widernatürlichen Abweichungen, die er bei der unternehmerischen Funktion hervorruft. Zudem werden wir erklären, warum der Sozialismus als ein intellektueller Fehler angesehen werden muss und ungeachtet der Tatsache, dass er historisch unterschiedliche Ausprägungen erfahren hat, doch immer von gleicher Art ist. Diese wesentlichen Merkmale wollen wir zu isolieren versuchen. Das Kapitel schließt mit einer kritischen Analyse der traditionellen Alternativkonzepte von Sozialismus.

3.1 Die Definition des Sozialismus Wir werden „Sozialismus“ definieren als jedes System institutioneller Aggression gegen die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion. Unter „Aggression“ oder „Zwang“ verstehen wir jede Form physischer Gewalt oder Androhung von physischer Gewalt, die durch andere Personen oder Personengruppen initiiert und gegen einen Handelnden angewendet wird. Die Folge des Zwangs ist, dass der Handelnde, der ansonsten frei seine unternehmerische Funktion wahrgenommen hätte, dazu gezwungen wird, sich anders zu verhalten, als er es sonst getan hätte, um Schlimmeres zu verhindern. Er muss daher sein Verhalten gemäß den Zielen anpassen, die die Person oder Personengruppe wünscht, die den Zwang anwendet.74 Die so definierte Aggression kann als die prototypische inhumane Handlung verstanden werden, da Zwang die Person von der Ausübung ihrer unternehmerischen Funktion abhält. Mit anderen Worten: So wie es im letzten Kapitel nach74

Das Diccionario der Real Academia Española definiert „Zwang“ als „Kraft oder Gewalt, die gebraucht wird, um jemanden zu verpflichten, etwas zu tun“ („la fuerza o violencia que se hace a una persona para que ejecute alguna cosa“). Der Begriff leitet sich ab aus den lateinischen Wörtern cogere, jemanden antreiben, und coactionis, was sich auf Steuereintreibung bezieht. Zu unserem Konzept von Zwang und seinen Effekten auf den Akteur, siehe F. A. Hayek: Die Verfassung der Freiheit. Tübingen: Mohr 1971, S. 27 f. Murray N. Rothbard definiert „Aggression“ folgendermaßen: „Aggression ist definiert als der Anstoß für den Gebrauch oder die Androhung physikalischer Gewalt gegen die Person oder eines Anderen Eigentums.“ (Siehe Murray N. Roth­ bard: Eine neue Freiheit. Berlin: Kopp 1999.) Es gibt drei Arten von Zwang oder Aggression: autistisch, zweiseitig und dreiseitig. Autistische Aggression beinhaltet nur einen Befehl in Bezug auf ein Subjekt – ein Befehl, der das Verhalten des gezwungenen Akteurs verändert, ohne irgendeine Interaktion zwischen ihm und einer anderen Person zu beeinflussen. In Fällen einer zweiseitigen Aggression zwingt eine Regierungsbehörde den Akteur, etwas von ihm gegen seinen Willen zu erhalten; das bedeutet, die Regierungsbehörde erzwingt einen Austausch zwischen ihr und dem gezwungenen Akteur zu ihren Gunsten. Dreiseitiger Zwang bedeutet, dass ein Befehl einer Regierungsbehörde unter Zwang darauf zielt, einen Austausch zwischen zwei unterschiedlichen Akteuren zu erzwingen. Wir verdanken diese Klassifikation Murray N. Rothbard (Power and Market: Government and the Economy. 2nd ed. Menlo Park,California: Institute for Humane Studies, 1970, S. 9, 10).

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Der Sozialismus

vollzogen werden kann, behindert Zwang eine Person, die Ziele zu verfolgen, die sie entdeckt hat, und die Mittel einzusetzen, die sie gemäß ihrer Information für einsetzbar hält und ihr dazu dienen, die Ziele zu erreichen. Aggression ist also ein Übel, da es den Menschen von einer Tätigkeit abhält, die äußerst charakteristisch für ihn und aus seiner eigenen Natur heraus von größtem Nutzen ist. Es gibt zwei Arten von Aggression: systematische oder auch institutionelle sowie unsystematische beziehungsweise nicht institutionelle. Die zweite Art von Zwang ist verstreut, zufällig und schwieriger vorauszusagen. Sie beeinträchtigt die Ausübung der unternehmerischen Funktion in der Weise, dass der Handelnde es mehr oder weniger für wahrscheinlich ansieht, im Kontext einer bestimmten Handlung von einer dritten Partei angegriffen zu werden, sodass ihm sogar die Früchte seiner eigenen unternehmerischen Kreativität entzogen werden. Unsystematische Ausbrüche von Aggression gegen die unternehmerische Funktion können je nach Umständen unterschiedliche Ausmaße annehmen. Institutionelle oder systematische Aggressionen, die im Kern unserer Definition dem Sozialismus entsprechen, bewirken einen sehr viel schädlicheren Einfluss. Tatsächlich ist der institutionelle Zwang durch eine hohe Vorhersagbarkeit, ständige Wiederholung und sein methodisches und organisiertes Wesen gekennzeichnet.75 Die hauptsächliche Folge 75

Natürlich schließen wir in unserem Konzept von systematischer Aggression das Minimum von institutionellem Zwang nicht ein, das notwendig ist, um sich vor den zerstörerischen Folgen nichtinstitutioneller oder asymmetrischer, willkürlicher Aggression zu schützen oder diese auszugleichen. Selbst der nichtinstitutionelle Aggressor wünscht dieses Mindestmaß an institutionellem Zwang außerhalb des Kontexts seiner asymmetrischen Aggression, die ihm erlaubt, friedlich den Vorteil zu genießen. Die Lösung des Problems, das jede Gesellschaft betrifft, wenn sie versucht, die Effekte asymmetrischer oder nichtinstitutioneller Aggression zu vermeiden, liegt in der Entwicklung einer ethischen Theorie der Eigentumsrechte. Diese Theorie würde auf der Idee basieren, dass der Akteur der rechtmäßige Besitzer der Früchte seiner unternehmerischen Kreativität ist, wenn er sie ausgeübt hat, ohne dabei Aggression oder Zwang gegen jemanden anzuwenden. Wir sehen Sozialismus als jede unnötige Ausweitung systematischen Zwangs über das notwendige Minimum hinaus, um die rechtlichen Institutionen aufrecht zu erhalten, welche Eigentumsrechte definieren. Der Staat ist die Organisation, die typischerweise systematischen oder institutionellen Zwang in diesem Sinne nutzt. Staat und Sozialismus werden eng verbundene Konzepte, sobald das Minimum an Zwang überschritten ist, das notwendig ist, um asymmetrische Aggression zu verhindern. Dies ist nicht der Ort, um die unterschiedlichen Argumente zu behandeln, die in der interessanten Debatte innerhalb des Feldes libertärer Theorie vorgebracht werden zwischen denen, die ein strikt limitiertes System von Regierungen bevorzugen, und den Unterstützern eines anarchokapitalistischen Systems. Nichtsdestotrotz sollten wir hervorheben, dass Mitglieder der letzteren Gruppe argumentieren, dass es utopisch ist, von einer Organisation mit einem Gewaltmonopol zu erwarten, dass sie sich selber effektiv limitiert. Und in der Tat haben alle historischen Versuche versagt, Staatsmacht auf das oben genannte Minimum zu begrenzen (aus diesem Grund schlagen anarchokapitalistische Theoretiker ein System von im Wettbewerb miteinander stehenden Organisationen mit freiwilliger Mitgliedschaft vor, die sich des Problems annehmen würden, Eigentumsrechte zu definieren und zu verteidigen sowie Kriminalität zu verhindern und zu bekämpfen). Wenn überdies ein strikt begrenzter Staat zwangsweise durch Steuern finanziert wird, dann könnte der Staat durch den systematischen Angriff auf Bürger und deren Handlungsfreiheit in der Definition und Verteidigung von Eigentumsrechten ebenfalls sozialistisch im strikten Sinne genannt werden. Für ihre Seite argumentieren die Verteidiger limitierter Regierungen, dass selbst die unterschiedlichen privaten Sicherheitsagenturen gezwungen werden, sich über Prinzipien und Organisationen zu verständigen. Daher würde unvermeidbar de facto wieder ein Staat als Ergebnis jedes Prozesses gesellschaftlicher Entwicklung stehen. Zum Inhalt dieser stimulierenden Debatte siehe u. a. die folgenden Werke: David Friedman: Das Räderwerk der Freiheit. Grevenbroich: Lichtschlag, 2003; Murray N. Rothbard: Eine neue Freiheit. Berlin: Kopp, 1999; ders.: Die Ethik der Freiheit. Sankt Augustin: Academia, 2006; Robert Nozick: Anarchie,

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dieser systematischen Aggression gegen die unternehmerische Funktion ist, dass es ihre Ausübung in großem Ausmaß verhindert und entgegengesetzte Abweichungen in allen Bereichen des sozialen Lebens verursacht, in der die Aggression effektiv wirksam ist. Abbildung 3.1 reflektiert die Situation, die typischerweise aus der systematischen Ausübung von Zwang resultiert. Abbildung 3.1

Staat und Utopia. München: Olzog, 2006. Hayek hat keine endgültige Meinung über die Chancen geäußert, dass sich ein anarchokapitalistisches System in der Zukunft entwickeln wird. Gegen die Möglichkeit erwähnt er, dass kein Prozess gesellschaftlicher Entwicklung in der Vergangenheit das Entstehen einer staatenlosen Gesellschaft ermöglicht hat. Er erwähnt daraufhin, dass in jedem Fall der evolutionäre Prozess gesellschaftlicher Entwicklung zu einem Ende gekommen ist und es unmöglich ist, heute zu wissen, ob der Staat in Zukunft verschwinden wird und zu einem traurigen, dunklen, historischen Relikt verkommt oder im Gegenteil in minimaler Form und mit strikt limitierter Macht überleben wird. (Ein langfristiges Überleben eines interventionistischen oder sozialistischen Staates schließt er angesichts der theoretischen Unmöglichkeit beider Modelle aus.) Siehe F. A Hayek: Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus. Tübingen: Mohr, 1996. Johannes Paul II (Centesimus Annus, 5. Kapitel, Abschnitt 48; http://www.vatican. va/edocs/DEU0071/_INDEX.HTM – 4. Juni 2012) hebt hervor, dass es die grundsätzliche Verpflichtung des Staates ist, die Sicherheit individueller Freiheit und Eigentum zu garantieren „so daß der, der arbeitet und produziert, die Früchte seiner Arbeit genießen kann und sich angespornt fühlt, seine Arbeit effizient und redlich zu vollbringen“. Er fügt hinzu, dass der Staat nur unter Bedingungen besonderer Not eingreifen sollte, dass Interventionen zeitlich befristet sein sollten und dass das Subsidiaritätsprinzip in Bezug auf die Zivilgesellschaft respektiert werden sollte. Zum Schluss sollten wir erwähnen, dass in vielen Gesellschaften systematische Aggressionen nicht nur vom Staat direkt ausgeübt werden, sondern in vielen Bereichen in Komplizenschaft mit dem Staat. Diese Art von Aggression wird von Gruppen und Verbänden ausgeübt, die, wie etwa Gewerkschaften, in der Praxis das „Privileg“ genießen, in der Lage zu sein, systematische Gewalt straflos gegen den Rest der Bevölkerung auszuüben.

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Der Sozialismus

Nehmen wir einmal an, die freie menschliche Handlung von C in Beziehung zu A und B ist durch systematische und organisierte Weise verhindert, etwa durch Zwang in einem bestimmten Bereich des sozialen Lebens. Wir veranschaulichen diese Situation mit vertikalen Balken, die C von A und B trennen. Der erwähnte systematische Zwang stellt die Androhung eines empfindlichen Übels dar und macht es für C unmöglich, Gewinnmöglichkeiten zu entdecken und auszunutzen, die er gehabt hätte, wenn er frei mit B und A hätte interagieren können. Es ist dabei sehr wichtig zu verstehen, dass die Aggression nicht nur Handelnde davon abhält, Gewinnmöglichkeiten zu nutzen, sondern dass sie bereits die Entdeckung solcher Möglichkeiten ausschließt.76 Wie im vorherigen Kapitel dargelegt, dient die Aussicht auf einen möglichen Gewinn als Anreiz für den Handelnden, nach solchen Möglichkeiten Ausschau zu halten. Wird also ein bestimmter Bereich des sozialen Lebens durch systematischen Zwang eingeschränkt, stellen sich Akteure auf diese Situation ein und erkennen oder schaffen nicht einmal die latenten Gewinnmöglichkeiten. Dieser Umstand wird in Abbildung 3.1 mit der durchgestrichenen Glühbirne veranschaulicht, die eigentlich das kreative Element der unternehmerischen Funktion darstellt. Wenn die systematische Gewalt einen Angriff auf einen gesellschaftlichen Bereich darstellt und der Akteur folglich seine unternehmerische Funktion in diesem Bereich nicht ausübt, können logischerweise auch keine der typischen Effekte eintreten, die wir vorgehend analysiert haben. Zunächst wird also keine neue Information erzeugt oder zwischen den Handelnden ausgetauscht, außerdem wird die notwendige Anpassung in Fällen sozialer Diskoordination nicht vorgenommen (die zweite der genannten Folgen ist sogar noch besorgniserregender als die erste). Tatsächlich ist Handelnden, die keine Gewinnmöglichkeit erkennen, der Anreiz genommen, entstehende gesellschaftliche Fehlanpassungen zu erkennen. Kurzum: Informationen werden nicht geschaffen und nicht zwischen Akteuren ausgetauscht, Individuen lernen außerdem nicht, ihr Verhalten an Mitmenschen auszurichten. Wir sehen also, dass die Unmöglichkeit des C, seine unternehmerische Funktion auszuüben, das System in einer permanenten Situation der Fehlkoordination hält: A kann sein Ziel Y nicht verfolgen, da ihm die Ressource fehlt, die B wiederum im Überfluss besitzt, für die er aber keinen Nutzen hat. B wiederum, der nicht weiß, dass es A gibt, der die Ressource dringend braucht, verschwendet sie. Unserer Analyse folgend können wir also festhalten, dass das Hauptproblem des Sozialismus, so wie wir ihn definiert haben, in der Verhinderung koordinierender und kreativer Kräfte liegt, die das Leben in Gesellschaft ermöglichen. Bedeutet dies, dass Befürworter des Sozialismus für eine chaotische und unkoordinierte Gesellschaft kämpfen? Das Gegenteil trifft zu. Außer einigen Ausnahmen verteidigen die Unterstützer sozialistischer Ideale ihr System, da sie ausgesprochen oder unausgesprochen annehmen, dass die Ordnung gesellschaftlicher Koordination durch die 76

„Denn wo das Interesse des einzelnen gewaltsam unterdrückt wird, wird es durch ein drückendes System bürokratischer Kontrolle ersetzt, das die Quellen der Initiative und Kreativität versiegen läßt.“ (Johannes Paul II: Centesimus Annus, Kapitel 3 Abschnitt 25.)

Sozialismus als ein intellektueller Fehler

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systematische Aggression, die sie befürworten, nicht nur nicht gestört, sondern im Gegenteil sogar sehr viel effektiver wird, weil der systematische Zwang einer Regierung dient, der unterstellt wird, weitaus besseres Wissen und eine größere Urteilsfähigkeit zu besitzen, als es auf der individuellen Ebene der unterdrückten Akteure überhaupt möglich ist. Aus dieser Perspektive können wir nun die Definition vervollständigen, die wir zu Beginn des Abschnitts angeboten haben: Sozialismus ist jeder systematische oder institutionelle Zwang, der die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich einschränkt und durch eine Regierungsbehörde ausgeübt wird, die für die gesellschaftliche Koordination in diesem Bereich verantwortlich ist. Der folgende Abschnitt betrachtet, in welchem Ausmaß der Sozialismus als ein intellektueller Fehler anzusehen ist oder nicht.

3.2 Sozialismus als ein intellektueller Fehler Im letzten Kapitel haben wir gesehen, dass gesellschaftliches Leben möglich ist, weil Individuen spontan und ohne es zu merken lernen, ihr Verhalten nach den Bedürfnissen anderer auszurichten. Dieser unbewusste Lernprozess entspringt natürlicherweise der Ausübung der unternehmerischen Funktion des Menschen. Indem jede Person mit anderen interagiert, initiiert sie einen Prozess der Koordination, in dem stillschweigendes, praktisches und verstreutes Wissen kontinuierlich geschaffen, entdeckt und zwischen Menschen übertragen wird. Wir wissen, dass Sozialismus hauptsächlich in der institutionellen Aggression gegen die freie Ausübung menschlicher Handlung als unternehmerische Funktion besteht. Die Frage, die der Sozialismus damit aufwirft, ist folgende: Ist es dem gewaltsamen Mechanismus möglich, einen Prozess zu initiieren, der das Verhalten unterschiedlicher Menschen aufeinander abstimmt und koordiniert und der notwendig für das Leben in der Gesellschaft ist? Kann er das außerdem in einem Umfeld, in dem Menschen kontinuierlich neues praktisches Wissen entdecken und kreieren, das den Fortschritt der Zivilisation erlaubt? Der Sozialismus etabliert ein äußerst ambitioniertes Ideal.77 Denn es beinhaltet nicht nur die Überzeugung, dass der Mechanismus gesellschaftlicher Koordination und Anpassung durch eine Regierungsbehörde, die institutionellen Zwang anwendet, angeregt werden kann, sondern auch, dass dieses gewaltsame Vorgehen sogar in einer besseren Koordination mündet. Abbildung 3.2 repräsentiert das Konzept des Sozialismus, wie wir es definiert haben. Auf der unteren Ebene dieser Abbildung finden wir Menschen, die praktisches Wissen besitzen und daher versuchen, frei miteinander zu interagieren, obwohl institutioneller Zwang diese Interaktion in gewissen Gebieten ausschließt. Die77

Ludwig von Mises bestätigte: „Die Idee des Sozialismus ist so grandios wie einfach. Tatsächlich könnten wir sogar sagen, dass dieser eine der großartigsten Erfindungen des menschlichen Geistes ist, so großartig, so gewagt, dass er zurecht die größte Bewunderung erfahren hat. Wenn wir diese Welt vom Barbarismus retten wollen, müssen wir den Sozialismus widerlegen und dürfen ihn nicht unvorsichtig ignorieren.“ (Socialism: An Economic and Sociological Analysis. Indianapolis: Liberty Classics, 1981, S. 41.)

Abbildung 3.2

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Der Sozialismus

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ser Zwang ist durch die vertikalen Balken illustriert, welche die Strichmännchen in jeder Dreiergruppe voneinander separieren. Auf der oberen Ebene findet sich die Regierungsbehörde, die die institutionelle Gewalt auf bestimmte Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausübt.78 Die vertikalen Pfeile, die an den Seiten der Strichmännchen nach oben und nach unten zeigen, illustrieren fehlerhaft angepasste persönliche Pläne – ein typisches Zeichen für gesellschaftliche Diskoordination. Solche Fälle von Diskoordination können nicht durch die unternehmerische Funktion entdeckt und eliminiert werden, da die institutionelle Gewalt Barrieren dagegen gesetzt hat. Die Pfeile, die vom Kopf des regierenden Strichmännchens zu den Menschen auf der unteren Ebene führen, stehen für die erzwungenen Befehle, welche die institutionelle Aggression verdeutlichen, die typisch für den Sozialismus ist. Sie soll den Bürger dazu bringen, auf koordinierte Weise das Ziel F zu verfolgen, das die Regierungsbehörde als „gerecht“ ansieht. Ein Befehl wird definiert als eine spezifische Anweisung oder Regel, die einen expliziten Inhalt aufweist, der Menschen ungeachtet seiner formal rechtlichen Gestalt dazu zwingt, bestimmte Handlungen unter bestimmten Umständen auszuführen, oder es ihnen verbietet. Ein Befehl ist durch die Tatsache gekennzeichnet, dass er Menschen daran hindert, ihre unternehmerische Funktion in einem gegebenen sozialen Umfeld auszuüben. Außerdem stellen Befehle willkürliche Konstruktionen der Regierungsbehörde dar, die institutionelle Gewalt anwendet. Diese Befehle sind dafür gedacht, Handelnde dazu zu zwingen, nicht ihre eigenen Ziele zu verfolgen, sondern die der Autoritäten.79 Sozialismus ist ein intellektueller Fehler, weil es für eine verantwortliche Behörde, die institutionellen Zwang ausübt, theoretisch unmöglich ist, Zugang zu den Informationen zu erlangen, die notwendig sind, um Befehle auszugeben, die die Ge78

Johannes Paul  II. gebraucht die gleiche Terminologie in seiner Enzyklika Centesimus Annus (Kapitel 5, Abschnitt 48), wo er im Kontext seiner Kritik an der „sozialen Hilfe“ oder dem Wohlfahrtsstaat festhält: „Eine übergeordnete Gesellschaft darf nicht in das innere Leben einer untergeordneten Gesellschaft dadurch eingreifen, dass sie diese ihrer Kompetenzen beraubt.“ Der typische Zwang einer höheren Ordnung kann durch eine einzige Person angewendet werden oder, wie es üblicher ist, von einer Gruppe von Personen, die normalerweise auf organisierte, aber nicht notwendigerweise konsistente Art agiert. In beiden Fällen wird Aggression von einer Anzahl von Menschen ausgeübt, die sehr klein ist verglichen mit der insgesamt gezwungenen Bevölkerung, die die gesellschaftliche Gruppe niederer Ordnung ausmacht. 79 F. A. Hayek setzt dem Konzept des Befehls das des substantiven Rechts entgegen. Dieses könnten wir als eine abstrakte Regel definieren, die einen allgemeinen Inhalt hat und für alle Menschen angewendet wird – unabhängig von irgendwelchen besonderen Umständen. Im Gegensatz zu dem, was wir über Befehle gesagt haben, etabliert das Recht einen Rahmen, innerhalb dessen es für jeden Akteur möglich ist, neues Wissen zu kreieren und zu entdecken und die Vorteile zu genießen, da er die Arbeit in Kooperation mit anderen seinem bestimmten Ziel zuführt – unabhängig davon, welches die Ziele sind –, solange er dem Recht folgt. Zudem sind Gesetze im Gegensatz zu Befehlen keine ausgedachten Erzeugnisse des Menschen, sondern eher Ursprung der Gewohnheit. Es handelt sich mit anderen Worten um Institutionen, die sich über eine lange Zeitperiode aufgrund der Beteiligung von vielen Individuen entwickelt haben. Jeder hat durch sein Verhalten seinen kleinen Anteil an Erfahrung und Information beigetragen. Diese klare Unterscheidung zwischen Recht und Befehl wird oft nicht erkannt – ein Ergebnis von Veränderungen in der staatlichen Gesetzgebung, die meistens ausschließlich aus Befehlen entsteht, die in der Form von Gesetzen erlassen werden. Siehe F. A. Hayek: Die Verfassung der Freiheit. Tübingen: Mohr, 1971, Kapitel 10. Später in diesem Kapitel, in Tabelle 3.1, werden wir den Weg darstellen, wie der Sozialismus Recht und Gerechtigkeit korrumpiert und sie mit willkürlichen Befehlen ersetzt.

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sellschaft koordinieren können. Dieses einfache Argument, das wir im Folgenden in einiger Tiefe behandeln werden, kann von zwei unterschiedlichen, aber komplementären Standpunkten aus entwickelt werden: erstens vom Standpunkt der Gruppe von Menschen, die die Gesellschaft darstellen und Zwang erfahren, und zweitens aus der Perspektive der gewaltsamen Organisation, die systematisch die Aggression ausübt. Im Folgenden werden wir das Problem des Sozialismus von diesen beiden Perspektiven her analysieren.

3.3 Die Unmöglichkeit des Sozialismus vom Standpunkt der Gesellschaft aus Das „statische“ Argument Jeder der Menschen, die untereinander agieren und die Gesellschaft ausmachen (die „untere Ebene“ in Abbildung 3.2), besitzt exklusive Teile der praktischen und verstreuten Informationen, die meistens stillschweigend sind und daher nicht artikuliert werden können. Es ist also logisch unmöglich, diese Information auf die Regierungsbehörde zu übertragen (die höhere Ebene in Abbildung 3.2). Das Volumen des gesamten praktischen Wissens, das in verstreuter Form von allen Menschen auf der individuellen Ebene bezogen und verarbeitet wird, ist von solchem Umfang, dass es unvorstellbar ist, dass eine Regierungsbehörde es bewusst erhalten könnte. Und noch sehr viel entscheidender ist, dass die Gesamtheit der Informationen – verstreut in den Köpfen aller Menschen – in einer stillschweigenden, nicht artikulierbaren Form und daher nicht formal ausgedrückt oder explizit einer Regierungsbehörde übertragen werden kann. Wir haben im letzten Kapitel gesehen, dass gesellschaftliche Akteure Informationen erzeugen und übermitteln, die aufgrund ihrer impliziten, dezentralisierten und verstreuten Weise wichtig für das soziale Leben sind. Mit anderen Worten: Sie sind auf unbewusste und unabsichtliche Weise wichtig. Tatsächlich lernen unterschiedliche Akteure, ihr Verhalten in Bezug auf andere zu disziplinieren, ohne dies jedoch explizit zu realisieren und zu merken, dass sie eine Schlüsselrolle in diesem Lernprozess spielen. Sie sind sich nur bewusst, dass sie handeln. Das bedeutet, sie versuchen ihre eigenen Ziele zu erreichen, indem sie die Mittel einsetzen, von denen sie glauben, dass sie ihnen zur Verfügung stehen. Das fragliche Wissen ist also nur für Menschen verfügbar, die in der Gesellschaft handeln. Aus der Natur der Sache heraus kann es nicht an eine zentrale Behörde vermittelt werden, da dieses Wissen wesentlich ist für die gesellschaftliche Koordination unterschiedlicher individueller Verhaltensweisen, die Gesellschaft erst möglich machen. Da es nicht artikuliert und daher nicht einer Regierungsbehörde übertragen werden kann, ist der Glaube, dass ein sozialistisches System funktionieren kann, absurd.80 80

In Hayeks eigenen Worten: „Das bedeutet unter anderem, dass die besondere und in mancher Hinsicht immer einzigartige Kombination von Kenntnissen und Geschicklichkeiten jedes einzelnen – und nicht einmal in erster Linie – Kenntnisse sein werden, die die Betreffenden vollständig aufzeichnen oder einer Behörde mitteilen könnten. Das Wissen, von dem ich spreche, besteht vielmehr in hohem Maße in der Fähigkeit, besondere Umstände aufzufinden, eine Fähigkeit, die

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Das „dynamische Argument“ Sozialismus ist nicht nur unmöglich, weil die Informationen, die Akteure besitzen, ihrem Wesen nach nicht übertragbar sind, sondern auch von einem dynamischen Standpunkt aus gesehen, weil Menschen bei der Ausübung ihrer unternehmerischen Funktion kontinuierlich neue Informationen schaffen und entdecken. Es ist daher umso schwieriger, einer Regierungsbehörde Informationen oder Wissen zu vermitteln, das noch gar nicht geschaffen wurde und erst graduell durch den gesellschaftlichen Prozess selber in dem Maß geschaffen wird, in dem dieser Prozess nicht verfälscht wird. Abbildung  3.3 zeigt die Handelnden, die neue Informationen durch den gesellschaftlichen Prozess schaffen und entdecken. Im Zeitablauf (Zeit verstanden, wie bereits gezeigt, als subjektive Einheit im Sinne Bergsons) erkennen die Akteure, die die unternehmerische Funktion in der Interaktion mit anderen ausführen, kontinuierlich neue Gewinnmöglichkeiten, die sie zu nutzen versuchen. Im Ergebnis verändert sich die Information, die jeder besitzt, kontinuierlich. Dies wird in der Skizze durch die verschiedenen Glühlampen dargestellt, die im Zeitablauf angehen. Es ist deutlich, dass eine Regierungsbehörde unmöglich alle wichtigen Informationen erhalten kann, um die Gesellschaft über Befehle zu koordinieren – nicht nur, weil diese Information verstreut, exklusiv und unartikulierbar vorhanden ist, sondern auch, weil sie sich ständig verändert und ex nihilo im Zeitablauf entsteht, während die Handelnden frei ihre unternehmerische Funktion ausüben. Zudem wäre es unmöglich, einer Regierungsbehörde Informationen zu übermitteln, die jederzeit notwendig sind, um die Gesellschaft zu koordinieren, wenn diese Informationen noch nicht einmal durch einen unternehmerischen Prozess erzeugt wurden und durch Anwendung von institutionellem Zwang auch nie erzeugt werden können. Stellt ein Bauer zum Beispiel bei Tagesanbruch fest, dass sich das Wetter eventuell ändern wird, stellt er seine Pläne im Hinblick auf die Aufgaben um, die er nun verpflichtet ist zu erfüllen, um den Tag zu meistern, obwohl er die Gründe für seine Entscheidung nicht formal artikulieren könnte. Es wäre dem Bauern daher auch nicht möglich, sein Wissen, das ein Produkt langjähriger Erfahrung und Arbeit auf seinem Bauernhof ist, einer hypothetischen Regierungsbehörde (etwa dem Landdie einzelnen nur wirksam nutzen können, wenn ihnen der Markt sagt, welche Art von Gegenständen und Leistungen verlangt werden und wie dringlich.“ (F. A. Hayek: „Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“, in Freiburger Studien. Tübingen: Mohr, 1994, S. 253 – 254.) Auch in F. A. Hayeks Arbeit Recht, Gesetzgebung und Freiheit, dort auf Seite 53 des zweiten Kapitels der ersten Ausgabe, überschrieben mit „Regeln und Ordnung“, lesen wir das Folgende: „Das ist der Kern des Arguments gegen „Eingriffe“ oder „Intervention“ in die marktliche Ordnung. Der Grund, weshalb solche vereinzelten Befehle, die von Mitgliedern der spontanen Ordnung spezifische Handlungen verlangen, diese Ordnung nie verbessern können, sondern stören müssen liegt darin, daß sie einen Teil eines Systems interdependenter Handlungen betreffen, die von Informationen abhängen und auf Zwecke ausgerichtet sind, die beide nur den jeweils handelnden Personen, nicht aber der den Befehl erteilenden Instanz bekannt sind. Die spontane Ordnung entsteht daraus, dass jedes Element all die verschiedenen, auf es einwirkenden Faktoren in ein Gleichgewicht bringt und alle seine verschiedenen Handlungen aufeinander abstimmt – ein Gleichgewicht, das zerstört wird, wenn die eine oder ander Handlung von einem anderen Handelnden aufgrund anderen Wissens und im Dienste anderer Ziele bestimmt wird.“

Abbildung 3.3

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wirtschaftsministerium in der Hauptstadt) mitzuteilen, um dann auf entsprechende Anweisungen zu warten. Das Gleiche lässt sich über jeden anderen sagen, der seine unternehmerische Funktion in einem gegebenen Umfeld ausübt – ob es nun darum geht zu entscheiden, in eine bestimmte Firma oder einen Sektor zu investieren, bestimmte Aktien oder Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen oder bestimmte Leute einzustellen oder nicht, um mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir können also praktische Informationen in dem Sinne als eingekapselt betrachten, dass sie für höhere Autoritäten, die institutionellen Zwang ausüben, nicht erreichbar sind. Vielmehr verändert sich diese Information ständig und erscheint in immer neuen Formen, indem Akteure die Zukunft Schritt für Schritt selber schaffen. Schließlich sei daran erinnert, dass sozialistischer Zwang, je kontinuierlicher und effektiver er ausgeübt wird, umso stärker die freie Verfolgung individueller Ziele verhindert, die nun nicht mehr als Anreiz für Akteure dienen, um die praktischen Informationen zu entdecken oder zu produzieren, die für die Koordinierung der Gesellschaft so wichtig sind. Die Regierung steht nun einem unvermeidbaren Dilemma gegenüber: Sie ist auf die Informationen angewiesen, die der gesellschaftliche Prozess erzeugt, kann sie aber nicht bekommen. Denn wenn die Regierung gewaltsam in den Prozess eingreift, zerstört sie die Fähigkeit der Gesellschaft, diese Information zu erzeugen; greift sie aber nicht ein, erhält sie die Informationen ebenfalls nicht. Zusammenfassend können wir sagen, dass vom Standpunkt des gesellschaftlichen Prozesses der Sozialismus ein intellektueller Fehler ist, da die verantwortliche Regie­rung durch Eingriffe in Form von Befehlen die für die Koordinierung der Gesellschaft notwendigen Informationen nicht erhalten kann. Die folgenden Gründe sind ausschlaggebend: Erstens ist es für die intervenierende Körperschaft unmöglich, den enormen Umfang des praktischen Wissens aufzunehmen, das auf die einzelnen Köpfe verteilt ist. Zweitens kann das notwendige Wissen, das seinem Wesen nach stillschweigend vorhanden ist und nicht artikuliert werden kann, auch keiner Zentralbehörde übermittelt werden. Drittens kann jenes Wissen, das noch nicht entdeckt oder geschaffen wurde und nur durch die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion entstehen kann, nicht übermittelt werden. Viertens verhindert die Ausübung von Zwang den unternehmerischen Prozess, der die Entdeckung und Schaffung von Informationen anregt, die wichtig für die Koordination der Gesellschaft sind.

3.4 Die Unmöglichkeit des Sozialismus vom Standpunkt der Regierung aus Auf der „höheren“ Ebene, wie wir es in unseren Skizzen bezeichnet haben, befin­ den sich die mehr oder weniger organisierten Personen oder Personenkreise, die systematische und institutionelle Aggression gegen die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion richten. Von deren Standpunkt aus können wir eine Reihe von Beobachtungen machen, die sogar, wenn überhaupt möglich, in größerem Maße bestätigen, dass der Sozialismus schlicht ein intellektueller Fehler ist. Neh-

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men wir wie Mises81 zunächst einmal an, dass die Regierung (etwa ein Diktator oder militärischer Anführer, eine Elite, eine Gruppe von Wissenschaftlern oder Intellektuellen, ein Ministerkabinett, eine Gruppe von demokratisch vom „Volk“ gewählten Repräsentanten oder kurzum jede mehr oder wenige komplexe Kombination mit allen oder einzelnen dieser Elemente) mit den größtmöglichen intellektuellen und technischen Möglichkeiten, Erfahrung und Weisheit ausgestattet ist und die besten nur denkbaren menschlichen Absichten mitbringt (wir werden schnell sehen, warum diese Annahmen nicht gerechtfertigt sind). Dennoch können wir unmöglich annehmen, dass die Regierung übermenschliche Fähigkeiten oder die Gabe der Allwissenheit besitzt, also die Fähigkeit, gleichzeitig alle Informationen zu erfassen, zu verarbeiten und zu interpretieren, die verstreut und exklusiv in den Köpfen aller Handelnden in der Gesellschaft vorhanden sind und die diese Menschen ständig ex novo82 erzeugen. Tatsächlich hat die Regierungsautorität, die manchmal auch zentrale Planungsbehörde genannt wird, nur sehr unzureichende, meistens gar keine Vorstellungen von dem Wissen, das verstreut in den Köpfen derjenigen vorhanden ist, die die Adressaten der Anweisungen sind. Es ist also äußerst unwahrscheinlich, dass der Planer weiß, was er wo suchen soll und wo er die Anteile des verstreuten Wissens findet, die im gesellschaftlichen Prozess erzeugt werden – Informationen, die der Planer so dringend benötigt, um den Prozess zu kontrollieren und zu koordinieren. Überdies besteht die Zwang anwendende Institution sehr wahrscheinlich aus Menschen von Fleisch und Blut mit Stärken und Schwächen. Diese Menschen haben, genau wie alle anderen Handelnden auch, ihre eigenen Ziele und Interessen. So beschaffen sie sich zum Beispiel die Informationen und Erfahrungen, die sie brauchen, um an der Macht zu bleiben, und rechtfertigen beziehungsweise rationalisieren ihre Handlungen gegenüber sich und anderen; sie wenden den Zwang 81 82

Ludwig von Mises: Human Action, S. 696. Was ist der gerechte oder mathematische Preis von Sachen? Die spanischen Scholastiker des 16. und 17. Jahrhunderts stellten diese Frage und kamen zu dem Ergebnis, dass der gerechte Preis von so vielen verschiedenen speziellen Umständen abhängt, dass ihn nur Gott weiß. Daraus schlossen sie, dass für menschliche Zwecke der gerechte Preis derjenige Preis ist, der spontan in gesellschaftlichen Prozessen etabliert wird, mit anderen Worten: der Marktpreis. Johannes Paul II. erklärt genau diese Idee in seiner Enzyklika Centesimus Annus (Kapitel 4 Sektion 32), wo er erklärt, dass der gerechte Preis der ist, der „gegenseitig durch freie Verhandlungen vereinbart wurde“. Vielleicht liegt im Fundament des Sozialismus ein versteckter, atavistischer Wunsch des Menschen, wie Gott zu sein oder, genauer ausgedrückt, zu glauben, er sei Gott und daher frei, ein sehr viel größeres Reservoir an Wissen und Information anzuzapfen, als es menschlich möglich ist. Der Jesuit und Kardinal Juan de Lugo (1583 – 1660) schrieb daher, dass „pretium justum mathematicum, licet soli Deo notum“ (Disputationes de Iustitia et Iure. Lyon, 1643, Band  2, D.26 S.4 N.40). Juan de Salas, ebenfalls Jesuit sowie Professor für Philosophie und Theologie an verschiedenen Universitäten in Spanien und Rom, stimmte mit Jan de Lugo überein, wenn er in Bezug auf die Möglichkeit, den gerechten Preis zu wissen, erklärte, dass „quas exacte comprehendere et ponderare Dei est, non hominum“ (Commentarii in Secundam Secundae D. Thomas de Contractibus, Lyon, 1617, Tr. Empt. et Vend.,IV Nummer 6, S. 9); andere interessante Zitate von spanischen Scholastikern finden sich in F. A. Hayeks Arbeit Recht, Gesetzgebung und Freiheit. Für eine großartige Zusammenfassung der wichtigen Beiträge, die spanische Scholastiker aus dem 16. und 17. Jahrhundert zur Ökonomie beitrugen, siehe Murray N. Rothbards Artikel „New light on the prehistory of the Austrian School“ (erschienen in: The Foundations of Modern Austrian Economics. Kansas City: Sheed and Ward, 1976, S. 52 – 74).

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immer geschickter und effektiver an, um die Aggression gegenüber den Bürgern als unvermeidbar oder attraktiv zu verkaufen. Anders ausgedrückt: Obwohl wir zu Beginn dieses Abschnitts angenommen haben, dass Autoritäten ausschließlich gute Absichten verfolgen, sind die gerade erwähnten Anreizmechanismen sehr viel üblicher und haben den Vorrang gegenüber anderen Motiven, insbesondere das Interesse, das notwendige spezifische Wissen zu entdecken, das zu jeder Zeit in der Gesellschaft in verstreuter Form existiert und so wichtig ist, damit die Gesellschaft auf koordinierte Weise durch Befehle funktioniert. Diese eigenartigen Anreize erschweren es den dirigierenden Autoritäten, das Ausmaß ihrer unvermeidbaren Ignoranz zu erkennen, weshalb sie sich sukzessive immer weiter von den gesellschaftlichen Realitäten entfernen, die sie eigentlich zu kontrollieren versuchen. Regierungsbehörden werden zudem unfähig sein, irgendeine Form von Wirtschaftsrechnung83 in dem Sinne aufzustellen, dass sie unabhängig von den Zielen der Behörde (selbst wenn wir annehmen, dass diese äußerst „menschlich“ und „moralisch“ sind) unter keinen Umständen wissen, ob die Kosten höher sind als der subjektive Wert, den sie dem Ziel beimessen. Kosten sind der subjektive Wert, welcher der Handelnde dem zuordnet, was er aufgibt, wenn er für ein bestimmtes Ziel arbeitet. Offensichtlich kann eine Regierung nicht das Wissen oder die Informationen generieren, die benötigt werden, um die eigentlichen Kosten in Bezug auf ihre Werteskala zu ermitteln. Denn das Wissen über die spezifischen Umstände von Zeit und Raum, das notwendig ist, um die Kosten abzuschätzen, ist auf die unterschiedlichen Köpfe der Akteure verteilt, die den sozialen Prozess ausmachen und durch eine Regierung unterdrückt werden (demokratisch gewählt oder nicht), die verantwortlich für den systematischen Zwang in der Gesellschaft ist. Wenn wir Verantwortung als eine Qualität einer Handlung definieren, die von jemandem ausgeführt wird, der sich durch Wirtschaftsrechnung bewusst ist, welche Kosten seine Handlung impliziert, dann können wir schlussfolgern, dass die leitende Autorität – ungeachtet ihrer Struktur, ihrer Selektionsmethode und ihrer Werturteile – unverantwortlich handelt. Denn sie ist unfähig, Kosten einzuschätzen. Es entsteht daher dieses unlösbare Paradox: Je mehr eine Regierungsbehörde auf die Planung oder Kontrolle eines gesellschaftlichen Bereiches besteht, desto weniger wahrscheinlich wird sie ihre Ziele erreichen, weil sie nicht die notwendigen Informationen besitzt, um eine Gesellschaft zu organisieren und zu koordinieren. Vielmehr produziert sie schlimmere Fehlanpassungen und Störungen, weil sie durch die Anwendung 83

1920 machte Mises einen originellen und brillanten Beitrag, als er die Aufmerksamkeit auf die Unmöglichkeit lenkte, eine Wirtschaftsrechnung ohne die verstreute, praktische Information auszuführen, die nur auf dem freien Markt geschaffen wird. Siehe seinen Artikel „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“, veröffentlicht in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 47, S. 86 – 121. Die englische Version dieses Artikels erschien unter dem Titel „Economic Calculation in the Socialist Commomwealth“ in dem von Hayek herausgegebenen Werk Collectivist Economic Planning (Clifton: Augustus M. Kelley, 1975, S.  87 – 130). Mises’ Hauptidee findet sich auf Seite 98 (im Original), wo er schreibt: „Die Verteilung der Verfügungsgewalt über die wirtschaftlichen Güter der arbeitsteilig wirtschaftenden Sozialwirtschaft auf viele Individuen bewirkt eine Art geistige Arbeitsteilung, ohne die Produktionsrechnung und Wirtschaft nicht möglich wären.“ Wir werden das folgende Kapitel dazu nutzen, die Implikationen von Mises’ Argument zu untersuchen und den Staat in der sich daraus ergebenden Debatte zu bewerten.

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von Zwang die unternehmerische Fähigkeit der Menschen einschränkt.84 Es ist also festzuhalten, dass es ein schwerwiegender Fehler ist zu glauben, dass eine Regierung fähig ist, Wirtschaftsrechnung auf gleiche Weise durchzuführen, wie individuelle Unternehmer dazu in der Lage sind. Ganz im Gegenteil: Je höher die Hierarchieebene in einem sozialistischen System, desto mehr für die Wirtschaftsrechnung notwendiges praktisches Wissen geht verloren – bis zu dem Punkt, wo Rechnung absolut unmöglich wird. Die Behörde, die institutionelle Gewalt ausübt, blockiert die Wirtschaftsrechnung genau in dem Maße, wie sie freiem menschlichen Handeln in die Quere kommt.

3.5 Warum die Entwicklung des Computers die Unmöglichkeit des Sozialismus bestätigt Verschiedene Leute ohne ein klares Wissen von der eigenen Natur des Wissens, das entscheidend für das Funktionieren der Gesellschaft ist, haben immer wieder argumentiert, dass die außergewöhnlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Computerwissenschaften den Sozialismus sowohl theoretisch als auch praktisch möglich machen könnten. Bereits ein einfaches theoretisches Argument erlaubt uns zu zeigen, dass die Entwicklung von Computersystemen die immanente Ignoranz des Sozialismus nie beseitigen wird. Unser Argument beruht auf der Annahme, dass die Vorteile im Bereich der Computerentwicklung sowohl der Regierung als auch den unterschiedlichen Akteuren, die sich am gesellschaftlichen Prozess beteiligen, zugutekommen. Wenn dem so ist, dann werden in allen Bereichen, in denen die unternehmerische Funktion ausgeübt wird, die Möglichkeiten, neues praktisches, verstreutes und stillschweigendes Wissen zu schaffen und zu entdecken, durch neue Computeranwendungen signifikant gesteigert. Durch die Ausübung der unternehmerischen Funktion mit Hilfe der Computeranwendungen wird es einen dramatischen Anstieg der Quantität und Qualität der geschaffenen Informationen geben. Diese Informationen werden immer weitreichender und detaillierter – bis zu einem Grad, der für uns aus Sicht des heutigen Wissens unvorstellbar ist. Zudem wird es für eine Regierung logischerweise immer noch unmöglich sein, diese verstreuten Informationen zu erhalten, selbst wenn sie jederzeit die modernsten und leistungsfähigen Computer zur Verfügung hat. Anders gesagt wird das notwendige, im gesellschaftlichen Prozess geschaffene unternehmerische Wissen immer stillschweigend und verstreut und damit nicht auf irgendeine Regierungsbehörde übertragbar sein. Die zukünftige Weiterentwicklung von Computersystemen wird dieses Problem für Regierungsbehörden weiter verkomplizieren. Denn das praktische Wissen, das mit Hilfe dieser Systeme entsteht, wird – 84

„Das Paradox der Planwirtschaft ist, dass sie aufgrund der Abwesenheit der Wirtschaftsrechnung nicht planen kann. Was Planwirtschaft genannt wird, ist eigentlich gar keine Wirtschaft. Es ist ein System, das sich im Dunkeln vorantastet. Es stellt sich nicht die Frage nach der rationalen Wahl der Mittel für die bestmögliche Erreichung der Ziele. Was bewusstes Planen genannt wird, ist genau die Eliminierung bewusster zweckgerichteter Handlung.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S. 700 f.) Zum „Paradox des Planens“ und Konzept der Verantwortung siehe Abschnitt 6 in diesem Kapitel.

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wie es jetzt für das Internet evident ist – zunehmend umfangreicher, komplexer und reichhaltiger.85 Die Entwicklung von Computern und der Computerwissenschaften kann nicht nur das Problem des Sozialismus nicht beseitigen, sondern verschärft es sogar noch, weil Computer es Akteuren ermöglichen, unternehmerisch umfangreichere, immer komplexere und detailliertere praktische Informationen zu erzeugen – Daten, die immer reichhaltiger und profunder sind, als eine Regierung mit ihren eigenen Computern erfassen könnte. Abbildung 3.4 illustriert dieses Argument. Des Weiteren sollte festgehalten werden, dass Maschinen und Computerprogramme niemals in der Lage sein werden, neue praktische Informationen aus dem Nichts zu erzeugen, um neue Gewinnmöglichkeiten zu entdecken und auszunutzen, die bis zu diesem Punkt unentdeckt geblieben sind.86 Die auf einem Computer gespeicherten Informationen sind nicht „bekannt“, also nicht vom menschlichen Geist bewusst erfasst und interpretiert, und können sich auch von sich aus nicht in praktische Informationen verwandeln, die signifikant für einen gesellschaftlichen Standpunkt sind. Die Informationen, die auf CD oder auf irgendeinem anderen digitalen Medium gespeichert sind, sind identisch mit Informationen, die in Büchern, Diagrammen, Karten, Zeitungen oder Zeitschriften enthalten sind. Es sind einfache Mittel, die von einem Akteur in einem entsprechenden Zusammenhang bestimmter Handlungen gebraucht werden, um eigene Ziele zu erreichen. Die gespeicherte Information ist mit anderen Worten nicht die Art von wichtiger Information, die wir bisher mit dem Wort verbunden haben: wesentliches praktisches Wissen, das der Akteur kennt, interpretiert und im Kontext einer bestimmten Handlung benutzt. 85

Es wird immer einen „Rückstand“ oder „qualitativen Sprung“ geben zwischen dem Grad an Komplexität, den die Regierungsbehörde mit ihrer Computerausstattung darstellen kann, und dem, was gesellschaftliche Akteure auf dezentralisierte und spontane Weise kreieren, wenn sie eine ähnliche Ausstattung (oder zumindest aus der gleichen Generation) benutzen. Die Komplexität des Letzteren wird immer sehr viel größer sein. Michael Polanyi erklärte dieses Argument vielleicht besser als jeder andere, als er schrieb: „Unser gesamtes Ausdrucksvermögen ist eigentlich nur ein Werkzeugkasten – ein hervorragend effektives Instrument, um unsere unausgesprochenen Fähigkeiten anzuwenden. Wir zögern daher nicht zu schlussfolgern, dass der stillschweigende persönliche Koeffizient des Wissens auch im Bereich des expliziten Wissens dominiert und daher auf allen Ebenen die Fähigkeit eines Menschen repräsentiert, Wissen anzueignen und zu behalten.“ (Michael Polanyi: The Study of Man, S. 24 f.) Siehe ebenfalls Rothbards Argument, auf das wir uns in Fußnote 334 von Kapital 6 beziehen. 86 Auch Hayek stellt fest, dass es ein logischer Widerspruch ist zu glauben, das menschliche Gehirn werde eines Tages in der Lage sein, sich selber zu erklären, und viel weniger in der Lage sein, generierte Informationen zu reproduzieren. Hayeks Argument, das wir in Kapitel 2, Fußnote 30 darstellten, ist: Eine Ordnung, die aus einem bestimmten konzeptionellen System von Kategorien zusammengesetzt ist, kann einfachere Ordnungen erklären (diejenigen, die ein einfacheres System von Kategorien darstellt); aber es ist logisch unvorstellbar, dass sie dazu taugt, sich selber zu replizieren oder sogar komplexere Ordnungen zu erklären. Siehe dazu F. A. Hayek: Die sensorische Ordnung; siehe ebenfalls das Buch von Roger Penrose: The Emperor´s New Mind, zitiert in Fußnote 41 des letzten Kapitels, Penrose’ Argumente gegen die Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen künstlicher Intelligenz. Und schließlich: Selbst wenn der Entwurf für das Modell künstlicher Intelligenz in der Zukunft erfolgreich wäre (was wir aufgrund der genannten Gründe als unmöglich erachten), würde es schlicht die Schaffung neuer „menschlicher“ Köpfe bedeuten, die in den gesellschaftlichen Prozess eingebunden würden und ihn weiter verkomplizieren und vom sozialistischen Ideal entfernen würden (dieses Argument verdanken wir unserem guten Freund Luis Reig Albiol).

Abbildung 3.4

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Außerdem gibt es offensichtlich keine Möglichkeit, durch einen Computer solche praktische Information zu generieren, die noch gar nicht existiert, denn sie wurde ja noch gar nicht unternehmerisch entdeckt oder kreiert. Computersysteme haben also keinen Nutzen bei der Koordinierung des Prozesses der gesellschaftlichen Anpassung durch Befehle. Die grundsätzlich kreative Natur menschlicher Handlung ist der eigentliche Katalysator, um diesen Prozess zu initiieren und voranzutreiben. Computer können nur die Informationen verarbeiten, die bereits kreiert und artikuliert wurden. Sie sind ohne Zweifel für den Handelnden ein äußerst nützliches Hilfsmittel, können aber keine neuen Gewinnmöglichkeiten entdecken, schaffen oder erkennen und daher nicht unternehmerisch handeln. Computer stehen Akteuren als Hilfsmittel zur Verfügung, aber sie können nicht handeln und werden das auch nie tun. Sie können nur dazu genutzt werden, formalisiertes und objektives Wissen zu verarbeiten. Die Informationen, die auf der gesellschaftlichen Ebene wesentlich sind, können nicht artikuliert werden und sind immer subjektiv. Computer sind daher nicht nur unfähig, neue Informationen zu schaffen. Sie sind auch grundsätzlich nicht in der Lage, Informationen zu verarbeiten, die bereits im gesellschaftlichen Prozess geschaffen worden sind, wenn sie im Wesentlichen nicht ausgedrückt werden können. Am Beispiel von Abbildung 2.2 in Kapitel 2: Nehmen wir an, A und B wären in der Lage, formal zu verbalisieren, welche Ressourcen sie brauchen, um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen, und könnten diese Information sogar auf eine gigantische moderne Datenverarbeitungsplattform übermitteln. Selbst dann ist aber die Handlung, durch die das menschliche Gehirn (von C) bemerkt, dass der eine Ressourcen besitzt, die der andere zum Erreichen seiner Ziele gebrauchen könnte, eine unternehmerische Handlung reiner Kreativität – eine Handlung, die im Wesentlichen subjektiv ist und nicht mit den formalisierten objektiven Mustern gleichgesetzt werden kann, die charakteristisch für eine Maschine sind. Damit ein Computer effektiv Handlungen steuern kann, muss er nicht nur zunächst artikuliertes Wissen erhalten, sondern in irgendeiner Form auch programmieren. Mit anderen Worten: Es ist wichtig, durchgreifende und formalisierte Handlungsanweisungen zu indizieren. Immer wenn beispielsweise eine Person eine gewisse Menge der Ressource R besitzt, wird die Person die Ressource einsetzen, um das Ziel X zu verfolgen. Die formelle Existenz dieser Regel setzt eine vorherige Entdeckung des angemessenen Handlungsverlaufes aus der Sicht des Unternehmers in Bezug auf den Nutzen von Ressource R für die Erreichung des Ziels X voraus. Es wird also deutlich, dass Computersysteme nur vorher entdecktes Wissen auf gegebene Situationen anwenden können; sie können niemals selber neue Informationen in Hinblick auf Situationen schaffen, die noch gar nicht entdeckt wurden und in denen die Schaffung von subjektivem, stillschweigendem und verstreutem Wissen ex novo, die typisch für den gesellschaftlichen Prozess ist, überwiegt. Der Glaube, dass Computer als Werkzeuge den Sozialismus möglich machen können, ist genauso absurd, wie zu glauben, dass in einer weniger entwickelten Gesellschaft die Erfindung von Druckmaschinen und anderen einfacheren Methoden, artikuliertes Wissen zu sammeln und zu verarbeiten, das praktische und subjektive Wissen, das entscheidend für eine Gesellschaft ist, verfügbar machen würde. Das

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Erscheinen von Büchern und anderen Druck-Erzeugnissen bedeutete das genaue Gegenteil: Es machte Gesellschaft reichhaltiger und schwieriger zu kontrollieren. Wenn Regierungen in einer Gesellschaft, in der sich die kontinuierliche Schaffung neuer praktischer Informationen auf ein Minimum reduzieren ließe, die modernsten Computer anwenden könnten, wäre allenfalls vorstellbar, dass das Problem des Sozialismus quantitativ verringert werden könnte. Endgültig gelöst werden könnte es aber niemals. Eine derartige Situation könnte nur durch ein extrem rigides System erreicht werden, das im größtmöglichen Ausmaße die Ausübung der unternehmerischen Funktion gewaltsam verhindern würde, indem Menschen die Benutzung von Computern, Maschinen, Recheninstrumenten und Büchern in jeder Form verboten würde. Nur in dieser hypothetischen Gesellschaft von „versklavten Wilden“ könnte das Problem der Wirtschaftsrechnung weniger komplex erscheinen. Nichtsdestotrotz würde das Problem theoretisch gelöst werden können, da Menschen sogar unter den nachteiligsten Umständen eine angeborene kreative unternehmerische Fähigkeit87 besitzen, die unmöglich zu kontrollieren ist. Schließlich sollte es uns im Lichte der obigen Betrachtungen nicht überraschen, dass insbesondere die qualifiziertesten Computerfachleute, Wissenschaftler und Softwareprogrammierer gleichzeitig auch zu den skeptischsten Profis gehören, wenn es um die Frage geht, ob Computer dazu genutzt werden können, gesellschaftliche Prozesse zu regulieren und zu organisieren. Tatsächlich erkennen sie nicht nur ganz genau das Prinzip der unpräzisen Informationen, die in eine Maschine eingespeist werden und im Gegenzug die Fehler multiplizieren („garbage in, garbage out“). In ihrer täglichen Praxis beobachten sie auch, dass es immer schwieriger wird, das System frei von logischen Fehlern und operationalisierbar zu halten, je mehr sie versuchen, immer umfassendere und komplexere Programme zu entwickeln. Es ist daher unmöglich, einen Prozess von der Komplexität einer Gesellschaft zu programmieren, der die kreativste menschliche Eigenschaft abbildet. Außerdem sind die Computerwissenschaften den Interventionisten nicht zur Hilfe gekommen, wie viele „Sozialingenieure“ naiverweise erhofft und erwartet hatten. Vielmehr sind die aktuellsten Fortentwicklungen in den Computerwissenschaften – verbunden mit der Kenntnisnahme des Bereiches von Institutionen und Wissen – durch theoretische Ökonomen entwickelt worden, darunter insbesondere

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Das Argument, das wir im Text anbieten, legt die Absurdität des Glaubens vieler im Funktionieren der Gesellschaft nicht sehr versierter „Intellektueller“ offen, dass es „offensichtlich“ sei, dass exogene, zwangsweise, institutionelle Interventionen umso notwendiger werden, je komplexer eine Gesellschaft wird. Diese Idee stammt ursprünglich von Benito Mussolini, der sagte: „Wir waren die ersten, die erklärt haben, dass die Freiheit des Individuums um so mehr beschränkt werden muß, je komplizierter die Zivilisation wird.“ (Zitiert nach F. A. Hayek: Der Weg in die Knechtschaft, S. 67). Wie wir allerdings gezeigt haben, entspricht die logisch theoretische Realität genau dem Gegenteil: Wächst der Wohlstand einer Gesellschaft und steigt die Entwicklung der Zivilisation an, wird der Sozialismus sehr viel schwieriger. Je weniger fortgeschritten und primitiver eine Gesellschaft ist, desto vielfältiger sind die Mittel, die der anführenden Autorität zur Verfügung stehen, um die Informationen zu verarbeiten und desto weniger kompliziert erscheint das Problem des Sozialismus (obwohl er von einem logischen und theoretischen Standpunkt immer unmöglich ist, sobald er bei Menschen angewendet wird, die in ihren Handlungen mit angeborenen kreativen Fähigkeiten ausgestattet sind).

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Hayek, dessen Ideen heute als von größter praktischer Bedeutung für die Entwicklung neuer Computersysteme und -programme betrachtet werden.88

3.6 Andere theoretische Konsequenzen des Sozialismus In den vorangegangenen Abschnitten haben wir gezeigt, dass der Sozialismus ein intellektueller Fehler ist, der aus einer „Wissensanmaßung“89 entsteht, die unterstellt, dass Menschen intelligent genug sind, gesellschaftliches Leben zu organisieren. In diesem Abschnitt werden wir die unvermeidbaren Konsequenzen Schritt für Schritt systematisch analysieren, die daraus resultieren, dass der Mensch die logische Unmöglichkeit des Sozialismus übersieht und auf der Errichtung eines institutionellen Systems der Gewalt besteht, das die freie Ausübung menschlicher Handlungen behindert. Fehlkoordination und soziale Unordnung 1.  Wir haben bereits nachgewiesen, dass Unternehmertum gesellschaftliche Fehlanpassungen nicht mehr länger aufdecken kann, wenn seine Ausübung behindert wird. Wenn Zwang dazu benutzt wird, Akteure an der Ausnutzung von Gewinnmöglichkeiten, die jede Form der Fehlanpassung hervorbringt, zu hindern, dann können die Akteure diese Möglichkeiten nicht einmal erkennen und sie bleiben unbemerkt. Zudem wäre es irrelevant, wenn ein Akteur zufälligerweise eine Gewinnmöglichkeit entdecken würde, weil der institutionelle Zwang ihn davon abhalten würde, von der Möglichkeit zu profitieren. Darüber hinaus kann eine für institutionellen Zwang verantwortliche Regierungsbehörde soziales Verhalten durch Befehle und Anweisungen nicht koordinieren. Um das zu tun, müsste sie Zugang zu Informationen erlangen, die sie theoretisch nicht erhalten kann, wenn wir annehmen, dass diese Informationen verteilt in den Köpfen aller vorhanden sind und jeder einen ausschließlichen Zugang zu seinem Anteil hat. 88

Hier sollten wir eine ganze Gruppe von „Computerwissenschaftlern“ erwähnen, die Theoretiker in ihrem Feld in die Beiträge der österreichischen Schule der Ökonomie eingeführt haben. Aktuell haben sie ein ganz neues wissenschaftliches Forschungsprogramm entwickelt, das „Agoric Systems“ genannt wird (ein Begriff, der sich etymologisch von dem griechischen Wort „Markt“ ableitet) und der Theorie der Marktprozesse eine Schlüsselbedeutung für das Erreichen weiterer Fortschritte in den Computerwissenschaften zuweist. Insbesondere sollten wir Mark S. Miller und K. Eric Drexler von der Stanford University erwähnen („Markets and Computation: Agoric Open Systems“, in: The Ecology of Computation. B. A. Hubermann [Ed.]. Amsterdam: North Holland, 1988). Siehe ebenfalls den folgenden Artikel (inklusive aller Quellen, die hier erwähnt werden), der das Programm zusammenfasst: „Hightec hayekians: Some Possible Research Topics in the Economics of Computation“ von Don Lavoie, Howard Baetjer und William Tulloh, publiziert in Market Process 8 (Spring 1990) S. 120 – 146. 89 Dies ist genau der Titel von Hayeks letztem Buch Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus (Tübingen: Mohr, 1996). Hayek selber sagte in Madrid im Interview mit Carlos Rodriguez Braun, dass die Essenz seines Buches sei aufzuzeigen, wie arrogant und prahlerisch es ist zu glauben, man wisse genug, um ein Leben in einer Gesellschaft zu organisieren – ein Leben, das tatsächlich das Ergebnis eines Prozesses ist, der sich aus dem verstreuten Wissen von Millionen von Individuen zusammensetzt. Zu glauben, dass wir diesen Prozess planen könnten, ist vollkommen absurd. Siehe Revista de Occidente, Nr. 58 (März 1986): 124 – 135.

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Gemäß dieser Theorie ist die erste Konsequenz jedes Versuchs, ein sozialistisches System zu etablieren, eine umfassende gesellschaftliche „Fehlkoordination“ oder „Fehlanpassung“. Diese spiegelt sich in den sich systematisch widersprechenden Handlungen vieler Akteure wider, die ihr Verhalten nicht dem der anderen anpassen werden und auch nicht merken, dass sie systematische Fehler in großem Ausmaße begehen. Die Folge: Eine große Anzahl menschlicher Handlungen wird durch die Fehlanpassungen verhindert. Dieses allgemeine Scheitern der Pläne und die Fehlkoordination treffen ins Herz des gesellschaftlichen Lebens und wirken sich sowohl intra- als auch intertemporär aus, d. h., es sind sowohl aktuelle Handlungen als auch die wichtige Koordination zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Handlungen in jedem sozialen Prozess betroffen. Hayek versteht unter „Ordnung“ jeden Prozess, in dem viele unterschiedliche Elemente in einer Weise interagieren, dass das Wissen über einen Teil Aussagen über korrekte Erwartungen in Bezug auf das Ganze erlaubt.90 Diese Definition identifiziert den Sozialismus als einen Produzenten gesellschaftlicher Fehlkoordination. In dem Ausmaße, in dem er die notwendige Anpassung zwischen unkoordiniertem individuellen Verhalten behindert oder sogar blockiert, behindert oder blockiert er auch mögliche Handlungen, die auf ungetrübten Erwartungen in Bezug auf das Verhalten anderer aufgebaut werden. Denn die gesellschaftlichen Fehlanpassungen, die entstehen, wenn die unternehmerische Funktion gestört ist, bestehen weiter und bleiben versteckt. Der Wunsch, eine Gesellschaft durch Zwang und Befehl zu „organisieren“, erzeugt im Wesentlichen Unordnung. Je komplexer eine gesellschaftliche Ordnung im Sinne Hayeks ist, desto deutlicher wird die Unmöglichkeit des sozialistischen Ideals, da eine komplexe Ordnung die Delegation von sehr viel mehr Entscheidungen und Handlungen erfordert, die von Situationen abhängig sind, die der kontrollierten Gesellschaft absolut unbekannt sind. 2.  Paradoxerweise wird die weitverbreitete gesellschaftliche Fehlkoordination sehr häufig zum Anlass genommen, weitere Dosen Sozialismus zu verabreichen oder, mit anderen Worten, institutionelle Aggression, die auf neue Gebiete gesellschaftlichen Lebens losgelassen wird oder sich stärker beziehungsweise durchgreifender einmischt. Das passiert, weil der leitenden Behörde früher oder später bewusst wird, dass der gesellschaftliche Prozess im Allgemeinen nicht funktioniert – wenn sie auch die einzelnen widersprechenden und fehlangepassten Handlungen, die die Interventionen hervorrufen, nicht im Detail verstehen kann. Aufgrund ihrer sehr begrenzten Einschätzungsfähigkeit interpretiert die leitende Behörde diese Situation als das logische Ergebnis „mangelnder Kooperation“ der Bürger, die sich nicht strikt an die Regeln und Anweisungen halten, die so immer umfassender, detaillierter und gewaltsamer werden. Dieser Anstieg des Sozialismus-Levels beeinträchtigt den gesellschaftlichen Prozess durch immer größere Fehlkoordination oder Fehlanpassungen, die wiederum weitere „Dosen“ Sozialismus zur Folge haben. Wir 90

F. A. Hayek: Recht Gesetz und Freiheit: Eine Neufassung der liberalen Grundsätze der Gerechtigkeit und der politischen Ökonomie. Band 1, Tübingen: Mohr, 2003; José Ortega y Gasset: Mirabeau o el Politico. Obras Completas, Band 3. Madrid: Revista de Occidente, 1947, S. 603.

Andere theoretische Konsequenzen des Sozialismus

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können also die eindeutige Tendenz des Sozialismus zum Totalitarismus feststellen, verstanden als ein Regime, in dem die Regierung dazu tendiert, gewaltsam in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einzugreifen.91 In anderen Fällen wird dieser totalitäre Prozess der zunehmenden Steigerung des Zwangs begleitet von ständigen Schocks, plötzlichen Politikwechseln und radikalen Veränderungen der Inhalte von Anweisungen oder deren Anwendungsgebieten – alles in der unnützen Hoffnung, durch asymmetrische Experimente mit neuen Typen und Formen des Sozialismus Lösungen für die besprochenen unlösbaren Aufgaben anzubieten.92 3.  Die erzwungenen intervenierenden Maßnahmen, die der Sozialismus durchführt, haben für die Gesellschaft grundsätzlich genau die gegenteilige Wirkung von dem, was die Regierungsbehörde selber bezweckt. Die Autorität versucht ihre Ziele zu erreichen, indem sie die mit den Zielen verbundenen gesellschaftlichen Sphären durch Zwangsmittel anleitet. Paradoxerweise verhindern diese Befehle die Ausübung menschlicher Handlungen mit besonderer Effektivität. Mit anderen Worten verhindert die Regierung genau dort die Kraft der unternehmerischen Funktion, wo sie am dringendsten gebraucht wird, unter der Berücksichtigung, dass diese Kraft wesentlich für die Koordinierung der fraglichen gesellschaftlichen Sphäre und damit für das Erreichen der Ziele ist. Kurzum: Der notwendige Anpassungsprozess wird nicht ausgelöst und die erwünschten Ziele rücken in weitere Ferne. Je effektiver die Befehle angewendet werden, desto stärker stören sie die Ausübung der unternehmerischen Funktion. Die Anweisungen berücksichtigen nicht nur nicht die notwendigen praktischen Informationen, sondern halten Menschen auch davon ab, sie zu schaffen; und ökonomische Akteure können nicht darauf vertrauen, sie als Orientierung für ihre Kreativität zu nutzen. Theoretiker sind seit Langem mit dem selbstzerstörerischen Effekt vertraut, den der Sozialismus ausübt und der auch als das „Paradox des Planens oder des Interventionismus“ bekannt ist. Erst seit Kurzem sind sie aber in der Lage, dies in den präzisen Begriffen der Theorie des Unternehmertums auszudrücken.93 91 92

Real Academia Española: Diccionario de la Lengua, Eintrag „totalitarismo“ (zweite Bedeutung). Selbst der extrem scharfsinnige Michael Polanyi machte den häufigen Fehler zu glauben, diese Art des Experimentierens mit Planungen sei relativ problemlos aufgrund ihres Unvermögens, praktische Ergebnisse zu erzielen. Dabei übersah er die ernsten Schäden, die der sozialen Koordination zugefügt werden durch Versuche, utopische Programme der Sozialmechanik auszuführen. (Siehe Michael Polanyi: The Logic of Liberty, S. 111.) Diejenigen, die für die Zwangsagenturen verantwortlich sind, sind trotz all Anstrengungen unfähig zu verstehen, dass Sozialmechanik nicht funktioniert oder nur sehr schlecht funktioniert und oft in Heuchelei und Verzweiflung versinkt. Sie führen die unglückliche Abfolge von Ereignissen entweder auf göttliche Bewertung zurück – wie etwa der Graf von Olivares – oder auf „das Fehlen von Kooperationsbereitschaft innerhalb der Gesellschaft selber, beziehungsweise deren schlechte Absichten“ – wie bei Felipe Gonzalez Márquez in der Rede, die er am Tag der Verfassung am 6. Dezember 1991 in der Universität Carlos III in Madrid hielt. 93 Vielleicht der Erste, der das selbstzerstörerische Ergebnis institutioneller Gewalt offenlegte, war Eugen von Böhm-Bawerk in seinem Aufsatz „Macht oder ökonomisches Gesetz?“ (in: Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung 23, Wien, Dezember 1914, 205 – 271). J. R. Mez übersetze diesen Artikel 1931 ins Englische, erschienen unter dem Titel: „Control or Economic Law?“, in: Shorter Classics of Eugen von Böhm-Bawerk. Band 1. South Holland, Illinois: Liber­ tarian Press, 1962, S. 139 – 199. Auf Seite 192 der englischen Fassung dieses Artikels lesen wir, dass „jede Situation, die durch die Mittel der Macht konstruiert wird eigennützige Motive hervorruft und damit ihrer Fortdauer entgegensteht.“

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4.  Obwohl der nachteilige Effekt, den der Sozialismus auf die Erzeugung praktischer Informationen ausübt, in allen gesellschaftlichen Bereichen auftritt, ist er in der ökonomischen Sphäre vielleicht am auffälligsten. Erstens ist zum Beispiel die schlechte Qualität der Güter und Dienstleistungen das typischste Merkmal sozialistischer Fehlkoordination. Und dies hat seinen Ursprung in den fehlenden Anreizen für Akteure im gesellschaftlichen Prozess sowie Mitglieder der leitenden Autoritäten, Informationen zu generieren und die Wünsche der Menschen in Bezug auf die Qualität der Produkte zu entdecken. Zweitens werden in einem sozialistischen System Investitionsentscheidungen aufgrund des Fehlens wichtiger Informationen sowohl quantitativ als auch qualitativ völlig willkürlich getroffen, um wenigstens grobe Wirtschaftskalkulation zu betreiben. Tatsächlich ist es in einer sozialistischen Umgebung unmöglich, die Opportunitätskosten einer Investition zu kennen oder abzuschätzen. Dieses Problem entsteht bereits, wenn eine Regierung ihre Zeitpräferenzrate auf die gesamte Gesellschaft überträgt. Außerdem schließt das Fehlen von Informationen auf Regierungsebene die Berechnung einer auch nur im Ansatz vertrauenswürdigen Abschreibungsrate für Kapitalausstattung aus. Sozialismus fördert daher weitgehende Fehlinvestitionen von Ressourcen und Produktionsfaktoren. Und noch viel schlimmer: Diese Fehlinvestitionen entwickeln aufgrund der plötzlichen Veränderung der Politik eine unregelmäßige zyklische Qualität, die typisch für das System ist und die wir am Ende des letzten Abschnittes behandelt haben. Drittens ermöglicht der Sozialismus das Anwachsen ernster allgemeiner Knappheiten auf allen Ebenen der Gesellschaft, hauptsächlich deshalb, weil institutioneller Zwang die Möglichkeit für die enorme Kraft unternehmerischer Originalität zerstört, systematisch Situationen der Knappheit zu entdecken und neue Wege zu ihrer Vermeidung zu suchen. Zusätzlich führt – wie wir bereits gesehen haben – die Unmöglichkeit, ökonomische Kosten zu berechnen, zu einer Verschwendung großer Teile produktiver Ressourcen in sinnlosen Investitionen, was das Problem der Knappheit sogar noch verschlimmert.94 Zudem geht die Knappheit Hand in Hand mit einem ineffektiven Überschuss an bestimmten Ressourcen, der nicht nur Produktionsfehlern entspringt, sondern auch der Tatsache, dass ökonomische Akteure alle Güter

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János Kornai prägte den Begriff „weiche Budgetrestriktion“, um dieses Merkmal des Sozialismus zu beschreiben, nämlich die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen, die nicht angemessen durch Kostenargumente eingeschränkt ist. Auch wenn dieser Begriff eine gewisse Bedeutung erlangt hat, denken wir, dass er zu sehr auf die offensichtlichsten Manifestationen des grundsätzlichen Problems in industriellen Organisationen fokussiert (die Unmöglichkeit, ohne freie unternehmerische Funktion Informationen zu generieren, die notwendig sind, um Kosten zu kalkulieren). Dies hat viele Wissenschaftler dazu geführt, dieses Problem unpassenderweise zu übersehen und ihm nicht gerecht zu werden. Siehe János Kornai: Economics of Shortage. Amsterdam: North Holland, 1980. In jüngerer Zeit hat Kornai es allerdings geschafft, seine Theorie in den Begriffen der unternehmerischen Funktion auszudrücken, und somit bewiesen, dass er das Wesen des österreichischen Argumentes zur Planwirtschaft verstanden hat (siehe: „The Hungarian Reform Process: Visions, Hopes and Reality“, in: Journal of Economic Literature 24 [Dezember 1986]). Zu diesem Thema siehe ebenfalls die Bücher von Jan Winiecki, insbesondere: The Distorted World of Soviet-Type Economies. London: Routledge, 1991, sowie: Economic Prospects East and West: A view from the East. London: CRCE, 1987.

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und Ressourcen horten, die sie können, da die systematische Knappheit Menschen unfähig macht, von einem adäquaten Angebot von Gütern abhängig zu sein. Schließlich sind Fehler in der Allokation von Ressourcen insbesondere im Falle der Arbeit schwerwiegend. Arbeit tendiert dazu, systematisch falsch genutzt zu werden, woraus ein hohes Maß an Arbeitslosigkeit resultiert, das je nach spezifischem Sozialismustyp mehr oder weniger versteckt wird. In jedem Falle ist eine hohe Arbeitslosigkeit eine der typischsten Folgen institutionellen Zwangs auf die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion im gesellschaftlichen Prozess in Verbindung mit dem Arbeitsmarkt. Fehlerhafte Informationen und unverantwortliches Verhalten Sozialismus ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass er die Schaffung von Informationen verhindert. Er bringt auch einen Prozess hervor, der systematisch falsche Informationen und dadurch weitverbreitetes unverantwortliches Handeln erzeugt. 1.  Es gibt keine Garantie, dass die Regierung, die systematischen Zwang ausübt, dazu in der Lage ist, spezifische Gewinnmöglichkeiten zu erkennen, die im gesellschaftlichen Prozess entstehen. Weil der Autorität die praktischen, für das gezwungene Individuum relevanten Informationen fehlen, können wir uns nicht vorstellen, dass sie dazu in der Lage sein wird, aktuelle gesellschaftliche Fehlanpassungen zu entdecken – außer in einzelnen Fällen oder per Zufall. Falls ein Mitglied einer Regierungsbehörde tatsächlich einmal per Zufall eine Fehlanpassung entdeckt, wird dieser „Fund“ höchst wahrscheinlich durch die eigene Behäbigkeit der Zwangsorganisation versteckt werden, da dessen Beseitigung – außer in einigen wenigen Fällen der Aufdeckung unpopulärer Probleme – „belastende“ Veränderungen und Maßnahmen bedeuten würde. Zur gleichen Zeit wären sich Mitglieder der Regierungsbehörde nicht einmal ihrer schwerwiegenden und unvermeidbaren Ignoranz bewusst. Informationen, die durch Befehle erzeugt werden, werden daher mit Fehlern durchsetzt sein und sind grundsätzlich unverantwortlich. Denn Mitglieder der Regierung erhalten nicht das praktische, verstreute Wissen in Bezug auf die Alternativen, die sie aufgeben, wenn sie sich entscheiden, einem bestimmten Handlungsstrang zu verfolgen. Sie werden also unfähig sein, ihre Alternativen im Entscheidungsprozess abzuschätzen.95 95

Wir erkennen eine Handlung als „verantwortlich“, wenn der Akteur, der sie unternimmt, sowohl die Kosten einbezieht, die er verursacht, als auch andere, die damit verbunden sind und als Ergebnis seiner Handlung entstehen. Kosten sind der subjektive Wert, den der Handelnde dem zurechnet, worauf er zu handeln verzichtet, und können nur richtig von jemandem eingeschätzt werden, der das notwenige subjektive, stillschweigende und praktische Wissen über seine eigenen persönlichen Umstände sowie die anderer Individuen, mit denen er interagiert, besitzt. Wenn diese praktische Information nicht geschaffen oder übermittelt werden kann, weil die freie Ausübung der unternehmerische Funktion nicht erlaubt ist (systematischer Zwang) oder die entsprechenden Eigentumsrechte nicht adäquat definiert und verteidigt werden (asystematischer Zwang), dann kann der Akteur die Kosten nicht abschätzen und neigt dazu, unverantwortlich zu handeln. Zum Konzept der Verantwortlichkeit siehe Garret Hardins Artikel: „An Operational Analysis of Responsibility“, in: Managing the Commons. Garret Hardin und John Baden (Ed.). San Francisco: W. H. Freeman, 1977, S. 67. Die für den Sozialismus typische Unverantwortlichkeit verursacht das Phänomen der „Tragedy of the Commons“ (dt: „Tragik der Allmende“), das

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2.  Die Regierungsbehörde ist durch einen permanenten Schleier der Unwissenheit vom gesellschaftlichen Prozess abgeschnitten, durch den sie nur die ganz offensichtlichen grundsätzlichen Einzelheiten erahnen kann. Diese Tatsache zwingt sie dazu, sich auf ihre eigenen Ziele auf extensive und voluntaristische Weise zu konzentrieren. Voluntaristisch in dem Sinne, dass die Regierungsbehörde erwartet, ihre Ziele durch ihren unterdrückenden Willen zu erreichen. Extensiv in der Form, dass nur diejenigen Parameter, die am einfachsten zu definieren, zu artikulieren und zu übertragen sind, dazu genutzt werden, das Erreichen der Ziele zu bewerten. Mit anderen Worten: Die Regierung konzentriert sich ausschließlich auf statistische und quantitative Parameter, welche die subjektiven und qualitativen Nuancen nicht ausreichend berücksichtigen können. Diese Nuancen sind aber genau der wertvollste und eigenständigste Teil praktischer Informationen, die auf einzelne menschliche Köpfe verteilt sind. Die Verbreitung und der exzessive Gebrauch der Statistik ist daher ein weiteres Merkmal des Sozialismus und es ist nicht überraschend, dass das Wort Statistik etymologisch genau von dem Wort abgeleitet ist, das stellvertretend für die Organisation institutionellen Zwangs steht. 3.  Führt die systematische Schaffung ungenauer Informationen zu weitverbreitetem unverantwortlichen Verhalten und verfolgt die Regierungsbehörde ihre Ziele auf volun­taristische und extensive Art, dann sind die Konsequenzen für die Umwelt tragisch. Als generelle Regel wird die Umwelt genau in den geografischen Gegenden zerstört, wo der Sozialismus am weitesten verbreitet ist (also dort, wo der größte Zwang auf das unternehmerische Handeln ausgeübt wird). Je allgemeiner und weitreichender die gewaltsame Intervention geht, desto größer wird die Zerstörung sein.96 Der Korruptionseffekt Sozialismus hat zur Folge, dass die Kraft der unternehmerischen Funktion, die in jeder menschlichen Handlung steckt, korrumpiert wird. Das Wörterbuch der Königlich-Spanischen Akademie (Diccionario de la Real Academia Española) definiert „korrumpieren“ als „verderben, demoralisieren, schädigen, pervertieren, zerstören oder einwickeln“97 und merkt besonders an, dass diese Zerstörung hauptsächlich sich in einem sozialistischen Regime auf alle gesellschaftlichen Ebenen erstreckt, die es betrifft (siehe M. Rothschild: Bionomics. New York: Henry Holt, 1990, Kapitel 2). 96 Die quasireligiöse Verehrung für Statistiken kommt von Lenin selber, der sagte, man müsse die Statistik „in die Masse tragen, sie volkstümlich machen, damit die Werktätigen allmählich selbst lernen würden, zu verstehen und zu sehen, wie und wieviel man arbeiten muss, wie und wieviel man sich erholen kann“ (W. I. Lenin: Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht. Berlin 1918, zitiert in: L. v. Mises: „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“, veröffentlicht in Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 47, S. 119). Zur Überproduktion von Statistiken, die aufgrund des Interventionismus entsteht, sowie zum großen sozialen Elend und zu den Kosten und Ineffizienzen, die er verursacht, siehe den Artikel von Stephen Gillesie „Are Economic Statistics Overproduced?“, in: Public Choice 67, Nummer 3 (Dezember 1990), S. 227 – 242. Zum Thema Sozialismus und Umwelt siehe T. L. Anderson und D. R. Leal: Free Market Environme­ talism. San Francisco: Pacific Research Institute for Public Policy, 1991. 97 „Echar a perder, depravar, dañar, pudrir, pervertir, estragar o viciar“, Real Academia Española de la Lengua, Diccionario: „corromper“ (dt.: „etwas ruinieren, moralisch verderben, beschädigen, pervertieren oder deformieren“, im Wörderbuch der Königlichen Akademie für die spanische Sprache unter dem Begriff „korrumpieren“).

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auf soziale Institutionen im Sinne von Verhaltensmustern angewandt wird. Korruption gehört zu den typischsten grundlegendsten Konsequenzen des Sozialismus, da dieses System systematisch den Prozess pervertiert, durch den Information geschaffen und in die Gesellschaft übertragen wird. 1.  Erstens machen gezwungene oder verwaltete Menschen schnell die unternehmerische Entdeckung, dass sie eine bessere Chance haben, ihre eigenen Ziele zu erreichen, wenn sie nicht versuchen, die Fehlanpassungen zu entdecken und zu koordinieren, sondern stattdessen ihre Zeit, ihren Aufwand und ihre menschliche Kreativität dafür nutzen, sich auftuende Gewinnmöglichkeiten auszunutzen, um den Entscheidungsprozess der Regierung zu beeinflussen. Daher geht ein beträchtlicher Anteil menschlicher Kreativität – und je intensiver der Sozialismus, desto größer dieser Anteil – dabei verloren, sich neue, effektivere Wege zu überlegen, um den Einfluss auf die Regierung zu erhöhen, mit der berechtigten oder illusorischen Hoffnung, persönliche Vorteile zu erlangen. Sozialismus verhindert nicht nur, dass jedes Mitglied der Gesellschaft sein Verhalten an dem der anderen ausrichtet. Er erzeugt auch einen unumgänglichen Anreiz für unterschiedliche Individuen und Gruppen, Einfluss auf die Regierung zu gewinnen, um über deren Zwangsbefehle persönliche Privilegien und Vorteile auf Kosten der übrigen Gesellschaft zu erhalten. Der spontane und koordinierende gesellschaftliche Prozess ist daher korrumpiert und durch einen Machtkampf ersetzt, in dem systematische Gewalt und Konflikte zwischen unterschiedlichen Individuen und sozialen Gruppen, die um Macht und Einfluss rivalisieren, zum Leitmotiv für gesellschaftliches Leben werden. In einem sozialistischen System verlieren Menschen die Angewohnheit, sich moralisch (also entsprechend den Prinzipien und Gebräuchen) zu verhalten, und verändern schrittweise ihre Persönlichkeit und ihr Verhalten, das zunehmend unmoralisch (also weniger an Prinzipien orientiert) und aggressiv wird.98 2.  Ein anderes Anzeichen für den korrumpierenden Effekt von Sozialismus sehen wir in dem Verhalten solcher Gruppen oder Individuen, die es nicht geschafft haben, Macht zu erhalten und dazu gezwungen sind, einen wesentlichen Teil ihrer unternehmerischen Kreativität dafür einzusetzen, in ihren eigenen Lebensverhält98

Vielleicht war es Hans-Hermann Hoppe, der am besten den korrumpierenden Effekt des Sozialismus beschrieb, als er sagte: „Die Umverteilung der Einkommensmöglichkeiten muss dazu führen, dass immer mehr Menschen Aggression einsetzen, um persönliche Zufriedenheit zu erreichen. Das bedeutet, sie wechseln zunehmend aus nicht aggressiven in aggressive Rollen und verändern als Konsequenz schleichend ihre Persönlichkeit. Diese Veränderung der Charakterstruktur in der moralischen Beschaffenheit einer Gesellschaft führt wiederum zu einer weiteren Abnahme der Investitionshöhe in das Humankapital.“ (A Theory of Socialism and Capitalism. London: Kluwer Academic Publishers, 1989, S. 16 f.) Ein anderes Zeichen des korrumpierenden Effektes des Sozialismus ist das generelle Wachstum in der „gesellschaftlichen Nachfrage“ für Zwangsmaßnahmen des Staates und Regulierungen – ein Wachstum, das sich aus den folgenden Faktoren ergibt: 1. dem Wunsch jeder speziellen Interessengruppe, Privilegien auf Kosten der übrigen Gesellschaft zu erhalten; 2. der unmöglichen, naiven Illusion, dass größere Dosen von Regulierungen dazu in der Lage wären, die allgemeine gesetzliche Unsicherheit zu reduzieren, die überall aufgrund des sich ausweitenden und verstrickten Netzes sich widersprechender Gesetzgebung vorherrscht; 3. der Prostitution der Gewohnheit persönlicher Verantwortung, die subjektiv und unbewusst die Akzeptanz von Staatspaternalismus und Abhängigkeitsgefühlen gegenüber der Autorität bekräftigt.

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nissen die Folgen der gewaltsamen Befehle abzuschwächen oder zu vermeiden, die für sie schädlich sind. Diese korrupte Aktivität ist von defensiver Natur, da sie als „Sicherheitsventil“ dient und eine gewisse Abmilderung des Schadens bedeutet, den der Sozialismus in der Gesellschaft verursacht. Dies kann den positiven Effekt haben, dass es Menschen ermöglicht wird, selbst in den schwersten Fällen sozialistischer Aggression eine minimale Koordinierung sozialer Beziehungen aufrecht zu erhalten. In jedem Falle ist die Korruption oder die pervertierte Abweichung der unternehmerischen Funktion überflüssig und redundant, wie Kirzner bemerkt.99 3.  Mitglieder der Regierung, also derjenigen mehr oder weniger organisierten Gruppe, die systematischen Zwang ausübt, werden dazu neigen, ihre unternehmerischen Fähigkeiten auf pervertierte Art einzusetzen. Ihr Hauptziel wird sein, an der Macht zu bleiben und ihre Zwangsmaßnahmen vor den Akteuren in der Gesellschaft zu rechtfertigen. Details und Charakteristika der korrupten Tätigkeit der Mächtigen werden sich je nach spezifischem Typ des Sozialismus (totalitär, demokratisch, wissenschaftlich o. a.) verändern. An dieser Stelle sollten wir betonen, dass die pervertierten unternehmerischen Aktivitäten derer, die letztendlich die Regierung kontrollieren, die Tendenz haben, Situationen zu schaffen, welche die Macht steigern, ausweiten und gerechtfertigt erscheinen lassen.100 Die Machthaber werden zum Beispiel das Establishment durch Privilegien dazu ermutigen, die Re99

Siehe Israel Kirzner: „The Perils of Regulation: A Market Process Approach“, in: Discovery and the Capitalist Process. Chicago: Chicago University Press, 1985, S. 144 f. In einem sozialistischen Regime ist das „old boys-network“ wichtig, weil Menschen den Zwangsapparat beeinflussen müssen, während sie zumindest scheinbar seine Befehle weiter auszuführen, und weil dieser Apparat willkürlich und beliebig arbeitet. Tatsächlich ist ein System umso interventionistischer, je wichtiger und notwendiger dieses Netzwerk ist und je mehr gesellschaftliche Bereiche es berührt (insbesondere die Bereiche, in denen die Intervention am strengsten ist). 100 Siehe Thomas J. DiLorenzo: „Competition and Political Entrepreneurship: Austrian Insights into Public Choice Theory“, in: The Review of Austrian Economics. Herausgegeben von Murray N. Rothbard und Walter Block. Band 2. Lexington: Lexington Books, 1988, S. 59 – 71. Wir halten die Beiträge der Public-Choice-Schule für äußerst bedeutsam in Bezug auf ihre Analyse des Funktionierens von Bürokratien und politischen Körperschaften in der Verantwortung für die Anwendung institutionellen Zwangs. Dennoch stimmen wir mit DiLorenzo überein, dass die Analysen dieser Schule ernsthaft geschwächt sind durch ihre exzessive Abhängigkeit von der Methodologie der neoklassischen Ökonomie, also durch deren exzessive statische Natur, den Gebrauch formaler Instrumente, die charakteristisch für die ökonomische Analyse des Gleichgewichtes sind, und das Versagen, die dynamische, auf der Theorie des Unternehmertums basierende Analyse vollständig zu akzeptieren. Die Einführung des Konzeptes der unternehmerischen Funktion führt uns zu der Schlussfolgerung, dass institutionelle Aktivität, die in der Ausübung von Zwang besteht, zwangsläufig sehr viel perverser ist, als selbst die Public-Choice-Schule traditionell offengelegt hat. Diese Schule hat allgemein die Fähigkeit der Regierungsbehörde übersehen, unternehmerisch perverse, korrumpierende Handlungen und Strategien zu kreieren, die neu und effektiver sind. Für eine Zusammenfassung der wichtigsten Beiträge der Public Choice Schule in diesem Bereich siehe William Mitchell: The Anatomy of Government Failures. Los Angeles: International Institute of Economic Research, 1979; J. L. Migué und G. Bélanger: „Toward a General Theory of Managerial Discretion“, in Public Choice, 17 (1974) 27 – 43; William Niskanen: Bureaucracy and Representative Government. Chicago: AdineAtherton Press, 1971; Gordon Tullock: The Politics of Bureaucracy. Washington D. C.: Public Affairs Press, 1965; außerdem Ludwig von Mises’ Pionierarbeit: Die Bürokratie. Sankt Augustin: Academia Verlag, 2004. Im Spanischen haben wir die Hauptargumente der genannten Literatur dargestellt in unserem Artikel „Derechos de propriedad y gestión privada de los recursos de la naturaleza“ (in: Cuadernos del Pensiamento Liberal. Madrid: Unión Editorial, Nummer 2, [März 1986] 13 – 30; erneut abgedruckt in Estudios de Economía Política. Madrid: Unión Editorial, 1994, S. 229 – 249).

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gierung zu unterstützen. Zudem werden sozialistische Systeme dazu tendieren, ihre politische Propaganda zu übertreiben. Durch diese möchten sie die Effekte der Befehle auf den gesellschaftlichen Prozess idealisieren, während sie zugleich betonen, dass das Fehlen der Eingriffe negative Folgen für die Gesellschaft nach sich ziehen würde. Der systematische Betrug an der Bevölkerung, die Verfälschung von Fakten und die Produktion falscher Krisen, um die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit zu überzeugen, Strukturen beizubehalten und zu verstärken – all das sind typische Merkmale der korrumpierenden Folgen, die der Sozialismus auf Regierungen und deren Behörden ausübt.101 Zudem werden diese Merkmale charakteristisch für die obersten Entscheidungsgremien, die verantwortlich für institutionelle Aggression sind, sowie die Bürokratien auf der mittleren Stufe, die notwendig sind, um die Anweisungen zu erteilen und ihre Einhaltung zu überwachen. Diese zweitrangigen bürokratischen Organisationen werden immer zur Überexpansion tendieren und dazu, die Unterstützung von Interessengruppen zu erhalten und ein künstliches Bedürfnis nach ihrer Existenz zu erzeugen, indem sie die vorteilhaften Ergebnisse übertreiben, während sie ihre widernatürlichen Folgen systematisch verdecken. Schließlich wird die von sich selbst besessene Natur des Sozialismus augenscheinlich. Nicht nur bürokratische Organisationen haben die Tendenz zu grenzenloser Expansion, sondern auch die sie kontrollierenden Personen versuchen instinktiv, die Makrostrukturen dieser Organisationen zu reproduzieren. Zwei Begründungen lassen sich dafür anführen: Erstens glauben diese Personen instinktiv, dass diese Strukturen es für sie einfacher machen, die Ausübung der Befehle von oben zu überwachen. Und zweitens wiegen solche Strukturen bürokratische Autoritäten in falscher Sicherheit vor echten unternehmerischen Anstrengungen, die immer aus notwendigerweise individualistischen und kreativen Mikroprozessen entstehen.102 Der Untergrund oder die Schattenwirtschaft Eine weitere typische Konsequenz des Sozialismus: Er löst eine gesellschaftliche Reaktion aus, in der unterschiedliche Akteure –  ihre besten Fähigkeiten einsetzend – systematisch den nötigenden Befehlen der Regierungsbehörde nicht Folge leisten, indem sie eine Reihe von Handlungen und Interaktionen vornehmen, die außerhalb dessen liegen, was die Anweisungen eigentlich etablieren wollten. Hinter dem Rücken der Regierung setzt also ein ganzer gesellschaftlicher Prozess ein, 101 Genau

weil der Sozialismus Korruption und Amoralität erzeugt, werden immer die korruptesten, amoralischsten und skrupellosesten Individuen zum Machterhalt tendieren, also diejenigen, die am erfahrensten darin sind, das Gesetz zu brechen, Gewalt auszuüben und erfolgreich Menschen zu betrügen. Die Geschichte hat ein um das andere Mal dieses Prinzip bestätigt und in einer Vielzahl von Kontexten illustriert. 1944 analysierte Hayek dieses Phänomen im Kapitel 10 („Der Triumph der menschlichen Gemeinheit“) seines Werkes Der Weg zur Knechtschaft (München: Olzog, 2003, S. 173 – 194). 102 Jean-François Revel: El Estado megalómano. Madrid: Planeta, 1981. Gemäß Camilo José Cela, dem Gewinner des Literaturnobelpreises 1989, „trennt der Staat die Natur und überspringt Länder, Blut und Sprache. Leviathan hat sein Maul aufgerissen, um die Menschheit aufzufressen. Die tausend Antriebe wimmeln von wurmartigen Dienern. Sie kriechen mit den Würmern, welche die verhängnisvolle Lektion gelernt haben, ihren Herrn zu schützen.“ („El Dragón de Leviathán“, im Juli 1990 vor der UNESCO gehaltener Vortrag, erschienen in: „Los Intellectuales y el Poder“. ABC, Madrid, 10. Juli 1990, S. 4 f.)

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der das Ausmaß deutlich macht, in dem institutionelle Gewalt auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt ist, weil sie sich gegen das Wesen menschlicher Handlungen richtet. Oftmals hat die Regierung daher keine andere Möglichkeit, als ihre Macht auszuüben, während sie neben ihren starren Strukturen die „Schattenwirtschaft“ implizit duldet. Das Aufkommen einer „Schattenwirtschaft“ oder „Untergrundwirtschaft“ ist also ein integraler Bestandteil des Sozialismus. Die grundsätzlichen Charakteristika Korruption und Schattenwirtschaft finden sich sowohl im real existierenden Sozialismus als auch in Mischökonomien. Der einzige Unterschied ist, dass in den Letzteren Korruption und Schattenwirtschaft genau in den Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent sind, in denen der Staat interveniert.103 Das Fehlen gesellschaftlicher (ökonomischer, technologischer, kultureller) Entwicklung 1.  Sozialismus stellt einen Angriff auf die menschliche Kreativität und damit auf die Gesellschaft und die Entwicklung der Zivilisation dar. In dem Ausmaß, in dem die freie Ausübung menschlicher Handlungen gewaltsam durch Zwangsmaßnahmen verhindert wird, sind Akteure nicht in der Lage, Informationen zu erzeugen oder zu entdecken – der Fortschritt der Zivilisation ist blockiert. Anders gesagt: Sozialismus bedeutet die systematische Errichtung von Barrieren für die freie Interaktion, welche die Entwicklung der Gesellschaft blockieren. Dieser Effekt ist auf allen Ebenen der gesellschaftlichen Entwicklung zu spüren, nicht nur in den strikt ökonomischen. Einer der typischsten Charakteristika des Sozialismus ist die Langsamkeit der Innovation und der Implementierung aktueller technologischer Innovationen. In der Konsequenz fallen sozialistische Systeme hinter ihren Wettbewerbern in der Entwicklung und praktischen Anwendung neuer Technologien zurück.104 Dies ist so, obwohl der Sozialismus sich – wie immer in ausufernder Weise – darum bemüht, die technologische Entwicklung der Gesellschaft gewaltsam zu erzwingen, indem er Befehle ausgibt und anmaßende Ministerien, Institute oder Räte schafft, um die zukünftige Entwicklung neuer Technologien zu planen. Nichtsdestotrotz ist bereits die Erschaffung dieser bürokratischen Behörden für die Entwicklung von Innovationen das klarste und offensichtlichste Zeichen, dass das System in Bezug auf Wissenschaft und technologische Entwicklung blockiert ist. Tatsache ist, dass es unmöglich ist, die zukünftige Entwicklung von Wissen zu planen, das noch nicht entstanden ist. Dieses Wissen kann nur in einem Umfeld unternehmerischer Freiheit entstehen, das sich durch Befehle nicht simulieren lässt. 103 Eine

exzellente Zusammenfassung der Theorie über die Schattenwirtschaft und eine Übersicht über die wichtigste Literatur zu diesem Thema erscheint in den Arbeiten von Joaquín Trigo Portela und Carmen Vázquez Arango: La Economía Irregular (Barcelona: Generalitat de Catalunya, 1983) und Barreras a la Creación de Empresas y Economia Irregular (Madrid: Instituto de Estudios Económicos, 1988). Eine herausragende Illustration des theoretischen Arguments, das im Text angeboten wird, allerdings angewandt auf den spezifischen Fall von Peru, findet sich in Hernando de Sotos: El Otro Sendero: La Revolución Informal. Mexico: Editorial Diana, 1987. 104 Des Weiteren hob V. A. Naishul hervor, dass das sozialistische System keine Veränderungen und Innovationen akzeptiert mit der Folge vielfacher, schwerer Fehlanpassungen, die sie in der rigiden Organisation der Volkswirtschaft verursachen. Siehe „The Birthmarks of Developed Socialism“ (Kapitel 5 seines Buches: The Supreme and Last Stage of Socialism. London: CRCE, 1991, S. 26 – 29, insbesondere S. 28: „Hostility to Change“).

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2.  Die obigen Bemerkungen finden auch in anderen Bereichen Anwendung, in denen spontane und konstante gesellschaftliche Entwicklungen oder Evolution stattfinden. Insbesondere beziehen wir uns auf kulturelle, künstlerische und linguistische Bereiche und im Allgemeinen auf alle Bereiche, die in der spontanen Evolution und der Entwicklung gesellschaftlicher Sitten und Gebräuche verwurzelt sind. Kultur ist das spontane Ergebnis eines gesellschaftlichen Prozesses, in dem viele Akteure miteinander interagieren und jeder seinen kleinen Beitrag an Erfahrung, Originalität und Vision einbringt. Wenn Autoritäten in diesem Prozess systematischen Zwang anwenden, behindern und korrumpieren sie ihn, wenn sie ihn nicht sogar ganz anhalten. (Die Regierung wird einmal mehr versuchen, als der „Champion“ kultureller Kraft zu erscheinen, indem sie alle möglichen Formen von Behörden, Ministerien, Räten und Kommissionen etabliert, die damit beauftragt sind, kulturelle „Entwicklung“ durch Befehle anzuregen und zu „fördern“.)105 3.  Die Evolution oder die Entwicklung neuer sozialer Gebräuche ist ebenfalls ein Schlüssel, da diese die Menschen lehren, wie sie sich in Bezug auf neue Umstände, Produkte und Dienstleistungen zu verhalten haben, die im Prozess der gesellschaftlichen Entwicklung entstehen. Es gibt nichts Tragischeres als eine Gesellschaft, die aufgrund institutioneller Aggression gegen die Interaktion ihrer Mitglieder stagniert. Dies stellt einen Angriff auf den Lernprozess dar, der notwendig ist, um sich neuen Herausforderungen zu stellen und das Beste aus neuen Möglichkeiten zu machen, die ständig entstehen.106 Die Prostitution der traditionellen Konzepte von Recht und Gesetz: die moralische Perversion, die der Sozialismus schafft 1.  Im letzten Kapitel haben wir gesehen, dass der gesellschaftliche Prozess, der durch die Kraft der unternehmerischen Funktion vorangetrieben wird, durch einen Rahmen von Gewohnheitsrechten möglich gemacht wird, die ebenfalls aus dieser Funktion entspringen. Diese Verhaltensgewohnheiten bilden die Substanz des privaten Vertrags- und Strafrechts und niemand hat sie absichtsvoll konstruiert. Viel105 Jacques

Garello ist der Autor einer hervorragenden Analyse der zerstörerischen Effekte, die der Sozialismus auf die Kultur ausübt (mit speziellen Verweisen auf Frankreich). Siehe seinen Beitrag: „Cultural Protectionism“, präsentiert auf dem Regionaltreffen der Mont Pèlerin Society in Paris 1984. 106 Ein Beispiel, das grafisch das Argument veranschaulicht, auf das wir uns im Text berufen haben, ist das der schädlichen Effekte, welche die systematische Aggression von Autoritäten gegen die Produktion, die Verteilung und den Konsum von Drogen auf den gesellschaftlichen Prozess ausübt, durch den Menschen lernen, wie sie sich in Verbindung mit Drogen zu verhalten haben. Historisch wurden viele Drogen mit weniger Aggression konfrontiert. Im Ergebnis war die Gesellschaft dann durch den Anpassungsprozess, den die unternehmerische Funktion antreibt, dazu in der Lage, einen große Menge von Information und Erfahrung zu generieren, die den Menschen beibrachte, wie sie sich in Bezug auf diese Substanzen angemessen zu verhalten hatten. Dies passierte in vielen Gesellschaften zum Beispiel im Falle von Drogen wie Wein und Tabak. Ein ähnlicher Prozess ist allerdings bei erst in jüngerer Zeit entdeckten Substanzen unmöglich, die von Anfang an mit einem sehr rigorosen System institutionellen Zwangs konfrontiert worden – einem System, das unabhängig davon, dass es vollständig versagt hat, Individuen davon abgehalten hat zu experimentieren und zu lernen, was das angemessene Verhaltensmuster sein sollte (Guy Sorman: Esperando a los Bárbaros. Barcelona: Seix Barral, 1993, S. 327 – 337).

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mehr stellen sie evolutionäre Institutionen dar, die Ergebnis der praktischen Informationen sind, die viele Akteure innerhalb eines langen Zeitraums eingebracht haben. Aus dieser Perspektive besteht das Gesetz aus einer Reihe substanzieller Normen oder Rechte, die generell (für alle gleichermaßen) und abstrakt gelten (da sie nur einen breiten Rahmen für persönliches Verhalten aufstellen, ohne irgendein konkretes Ergebnis des gesellschaftlichen Prozesses vorauszusagen). Da der Sozialismus auf institutionalisierter systematischer Aggression gegen menschliche Handlungen (durch eine Abfolge nötigender Anweisungen und Befehle) beruht, beinhaltet er auch das Verschwinden des oben genannten traditionellen Konzeptes von Gesetz und dessen Ersatz durch eine verfälschte Form von „Gesetz“. Dieses setzt sich aus einer Reihe von administrativen Anordnungen, Regulierungen und Befehlen zusammen, die vorformulieren, wie sich jeder verhalten sollte. In dem Maße, wie sich der Sozialismus entwickelt und ausbreitet, verschwinden die traditionellen Gesetze als Orientierung für persönliches Verhalten und deren Rolle wird durch Zwangsmittel oder Befehle eingenommen, die von der Regierung ausgehen (ob sie nun demokratisch gewählt ist oder nicht). Auf diese Weise ist die praktische Anwendung von Recht auf die regulären oder irregulären Bereiche begrenzt, die nicht direkt und effektiv durch das sozialistische Regime beeinflusst sind. Zudem tritt eine sehr wichtige zweite Folge auf: Wenn Akteure die Orientierungsmarke des substanziellen Gesetzes verlieren, beginnen sie, ihre Persönlichkeit zu ändern, und vergessen ihre Angewohnheit der Anpassung an generelle abstrakte Regeln. Daher werden die Akteure zunehmend schlecht darin, traditionelle Verhaltensregeln zu assimilieren, und befolgen diese immer weniger. In vielen Fällen ist es überlebensnotwendig, Befehle zu verfolgen, in anderen stellt sich die korrupte oder pervertierte unternehmerische Funktion im Sozialismus als erfolgreich heraus. In Anbetracht dessen gelangt die Bevölkerung tatsächlich zu der Meinung, dass Rechtsverletzungen weniger eine Verletzung von Standards und eine Gefahr für das Leben in der Gesellschaft sind, sondern eher eine begrüßenswerte Manifestation menschlicher Genialität, die es zu fördern gilt. Der Sozialismus verleitet Menschen daher, das Gesetz zu brechen, es seines Inhaltes zu berauben und zu korrumpieren, indem es in der Gesellschaft vollkommen diskreditiert wird. Dies führt dazu, dass Menschen jeglichen Respekt vor dem Gesetz verlieren. 2.  Die Prostitution der Konzeption von Gesetz, die im letzten Abschnitt dargelegt wurde, ist direkt verbunden mit der parallelen Korruption des Gerechtigkeitskonzeptes. Gerechtigkeit im traditionellen Sinne besteht aus der für jeden gleichen Anwendung der substanziellen, abstrakten Verhaltensregeln, die das Zivil- und Strafrecht ausmachen. Es ist daher kein Zufall, dass die Gerechtigkeit mit einer Augenbinde dargestellt wird. Denn sie muss insbesondere blind sein in dem Sinne, dass sie es sich nicht erlauben darf, sich in ihrer Anwendung des Rechts von den Geschenken der Reichen oder den Tränen der Armen beeinflussen zulassen.107 Da der Sozialismus das traditionelle Konzept von Recht systematisch korrumpiert, 107 „Ihr

sollt in der Rechtsprechung kein Unrecht tun. Du sollst weder für einen Geringen noch für einen Großen Partei nehmen; gerecht sollst du deinen Stammesgenossen richten.“ (Lev 19,15)

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verändert er auch die traditionelle Idee von Gerechtigkeit. Tatsächlich besteht Gerechtigkeit im sozialistischen System hauptsächlich aus dem arbiträren Urteil der Regierung, das auf dem mehr oder weniger emotionalen Eindruck ihrer Mitglieder von dem konkreten Endresultat des gesellschaftlichen Prozesses beruht, den sie herleiten und von oben durch nötigende Befehle kühn zu organisieren versuchen. Es wird daher nicht mehr länger menschliches Verhalten bewertet, sondern dessen erwartetes „Ergebnis“ im verfälschten Kontext von „Gerechtigkeit“, dem das Adjektiv sozial hinzugefügt wird, um ihn für diejenigen attraktiver zu machen, die darunter zu leiden haben.108 Aus der gegenteiligen Perspektive der traditionellen Gerechtigkeit gibt es nichts Ungerechteres als das Konzept der sozialen Gerechtigkeit, da es von einer Sicht, einem Eindruck oder einer Einschätzung des „Ergebnisses“ des sozialen Prozesses abhängt – ungeachtet des bestimmten Verhaltens eines Akteurs vom Standpunkt der Regeln traditionellen Gesetzes.109 Die Rolle „So habe denn auch ich euch verächtlich und niedrig gemacht für das ganze Volk, weil ihr meine Wege nicht beachtet und die Person anseht, wenn ihr Weisung gebt.“ (Mal 2,9) 108 Das Wort „sozial“ verändert vollständig seine Bedeutung in Abhängigkeit von dem Begriff, bei dem es angewendet wird (Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie u. Ä.). Andere Begriffe, die ebenfalls dazu benutzt werden, durch eine attraktivere Bedeutung Realität zu verschleiern, sind zum Beispiel die Adjektive „populär“ und „organisch“, die oft dem Begriff Demokratie voranstehen. Amerikaner benutzen den Ausdruck „Wieselwort“, um sich auf alle jene Wörter zu beziehen, die benutzt werden, um Bürger semantisch zu täuschen und ständig sehr attraktiver Wörter (wie zum Beispiel „Gerechtigkeit“ und „Demokratie“) verwenden zu können, allerdings mit Bedeutungen, die denjenigen, die sie traditionell haben, unmittelbar widersprechen. Der Begriff­„Wieselwort“ leitet sich von dem bekannten Satz Shakespeares ab, der sich auf die Fähig­ keit eines Wiesel bezieht, ein Ei auszusaugen, ohne seine Schale zu beschädigen („Ich kann Melancholie aus einem Liede saugen, wie ein Wiesel Eier saugt.“ (William Shakespeare: Wie es euch gefällt. Tübingen: Staufenburgverlag, 2000, 5. Szene). Mehr zu diesem Thema findet sich im Detail in Kapitel 7 von Hayeks Buch: Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus (Tübingen: Mohr, 1996). Ein anderer Begriff, dessen Bedeutung korrumpiert wurde, ist „Solidarität“, der heute als Alibi für staatliche Gewalt benutzt wird, die als legitim gilt, wenn sie angeblich angewendet wird, um den Unterdrückten „zu helfen“. Dennoch bedeutete „Solidarität“ traditionell etwas ganz anderes und bezog sich auf menschliche Interaktionen, die in dem spontanen gesellschaftlichen Prozess entstehen, der durch die unternehmerische Funktion angetrieben wird. Tatsächlich leitet sich „Solidarität“ von dem lateinischen Begriff „solidare“ (sich vereinigen) ab und bedeutet gemäß dem Wörterbuch der Königlichen Akademie der spanischen Sprache: „ausführliches Bekenntnis zu der Unternehmung eines anderen“. Der Markt, so wie wir ihn definiert haben, ist daher der eigentliche Mechanismus der Solidarität zwischen Menschen. In diesem Sinne gibt es nichts Unethischeres zur Solidarität als den Versuch, gewaltsam von oben die Prinzipien der „Solidarität“ zu verordnen, die so kurzsichtig wie einseitig sind. Des Weiteren ist das Problem der permanenten Ignoranz, das die Regulierungsagentur befällt, unvermeidlich von denen geteilt, die unter „Solidarität“ nur die Hilfe für Bedürftige verstehen. Diese Hilfe wird ineffizient und überflüssig sein, wenn sie der Staat anstelle von Individuen anbietet, die daran interessiert sind, freiwillig anderen zu helfen. Es ist sehr erfreulich zu sehen, dass sich Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus Annus nicht nur auf den Markt als eine „Solidaritätskette, die sich progressiv fortsetzt“ (Kapitel 4, Abschnitt 43), bezieht, sondern auch bestätigt: „Wie es scheint, kennt tatsächlich derjenige die Not besser und vermag die anstehenden Bedürfnisse besser zu befriedigen, der ihr am nächsten ist und sich zum Nächsten des Notleidenden macht.“ Daher kritisiert er die soziale Hilfe des Staates: Der Wohlfahrtsstaat, der direkt eingreift und die Gesellschaft ihrer Verantwortung beraubt, löst einen Verlust an menschlicher Energie und das Aufblähen der Staatsapparate aus, die mehr von bürokratischer Logik als von dem Bemühen beherrscht werden, den Empfängern zu dienen; damit einher geht eine ungeheure Ausgabensteigerung.“ (Kapitel 5, Abschnitt 48.) 109 Die beste kritische Abhandlung über das falsche Verständnis von sozialer Gerechtigkeit wurde von F. A. Hayek geschrieben. Siehe „Das Trugbild sozialer Gerechtigkeit“ Teil 2 aus Recht, Gesetz und Freiheit (2003).

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Der Sozialismus

des Richters im traditionellen Gesetz ist rein intellektueller Natur und er kann sich nicht erlauben, seiner emotionalen Veranlagung oder seiner persönlichen Wertschätzungen zu folgen, wenn sein Urteilsspruch Einfluss auf die Beteiligten haben wird. Wenn es so wie im Sozialismus vorkommt, dass die objektive Anwendung des Gesetzes behindert ist und die gesetzliche Entscheidungsfindung aufgrund von mehr oder weniger subjektiven Eindrücken erlaubt ist, dann verschwindet die Rechtssicherheit und die Handelnden werden schnell merken, dass jeder Wunsch gesetzlichen Schutz erhalten kann, wenn nur ein günstiger Eindruck vor dem Richter gemacht werden kann. Konsequenterweise wird ein großer Anreiz zum Prozessieren geschaffen. Zusammen mit der chaotischen Situation, die durch die zunehmend fehlerhaften und sich widersprechenden Ansammlungen von zwingenden Befehlen entsteht, überfordert dies den Richter in einem Ausmaß, dass sein Beruf immer unerträglicher und ineffizienter wird. Der Prozess setzt sich durch einen voranschreitenden Zusammenbruch fort, der erst zu einem Ende kommt, wenn die Gerechtigkeit im traditionellen Sinne gänzlich verschwunden ist und die Richter sich zu normalen Bürokraten im Dienst der Autoritäten verwandelt haben, die in der Verantwortung stehen, die Einhaltung der Befehle zu überwachen. Tabelle 3.1 zeigt die deutlichsten Unterschiede zwischen dem spontanen Prozess, der auf der unternehmerischen Funktion und der freien menschlichen Interaktion gründet, und dem System einer Organisation, die auf Befehlen und institutionellen Zwang (Sozialismus) beruht. In dieser Tabelle sind insbesondere die gegenteiligen Effekte zu beobachten, die die beiden auf das Konzept und die Anwendung von Gesetz und Gerechtigkeit ausüben. Tabelle 3.1 Spontaner Gesellschaftsprozess basierend auf der unternehmerischen Funktion (ungehinderte gesellschaftliche Interaktion)

Sozialismus (systematische institutionelle Aggression gegen die unternehmerische Funktion und menschliche Handlung)

1. Gesellschaftliche Koordination entsteht spontan aufgrund der unternehmerischen Funktion, die ständig gesellschaftliche Fehl­ anpassungen, die als Gewinnmöglichkeiten erscheinen, entdeckt und auslöscht (spontane Ordnung).

1. Es wird versucht, gesellschaftliche Koordina­ tion willkürlich von oben durchzusetzen durch Befehle, Anweisungen und Regulierungen, die von Autoritäten ausgegeben werden (eine organisierte Hierarchie, von griech. hieros = heilig und archein = befehlen).

2. Der Protagonist dieses Prozesses ist der Mensch, der die kreative unternehmerische Funktion ausübt.

2. Protagonisten dieses Prozesses sind der Führer (demokratisch gewählt oder nicht) und der Beamte (die Person, die in Erfüllung der admi­ nistrativen Anordnungen und Regulierungen der Autoritäten handelt).

3. Die Verbindungen der gesellschaftlichen In­ teraktion sind vertraglich. Die involvierten Parteien tauschen Güter und Dienstleistungen entsprechend den materiell-rechtlichen Regeln (Gesetz).

3. Die Verbindungen der gesellschaftlichen In­ teraktion sind hegemonisch, einige Menschen befehlen, andere gehorchen. In einer „sozialen Demokratie“ zwingt eine „Mehrheit“ eine „Minderheit“.

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Spontaner Gesellschaftsprozess basierend auf der unternehmerischen Funktion (ungehinderte gesellschaftliche Interaktion)

Sozialismus (systematische institutionelle Aggression gegen die unternehmerische Funktion und menschliche Handlung)

4. Das traditionelle materiell-rechtliche Ver­ ständnis von Gesetz, verstanden als eine abstrakte, allgemeingültige Regel, herrscht vor und wird auf alle gleich angewendet – unab­ hängig von speziellen Umständen.

4. E s herrschen Befehle und Regulierungen vor. Diese sind ungeachtet ihrer Erscheinung als formelles Recht spezifische konkrete Anwei­ sungen, die Menschen befehligen, in be­ stimmten Situationen bestimmte Verhaltens­ weisen an den Tag zu legen, und sind nicht für alle gleich anwendbar.

5. Die Gesetze und Institutionen, die den ge­ sellschaftlichen Prozess ermöglichen, wurden nicht willkürlich geschaffen, sondern sind aus der Gewohnheit entstanden. Sie umfassen eine enorme Menge praktischer Erfahrung und Informationen, die über viele Generationen hinweg angesammelt wurden.

5. B  efehle und Regulierungen werden absichtlich von organisierten Autoritäten ausgegeben. Sie sind angesichts der unvermeidlichen Igno­ ranz, mit der Autoritäten in Bezug auf die Gesellschaft durchtränkt sind, in hohem Maße fehlerhaft.

6. Der spontane Prozess ermöglicht sozialen Frie­ den, da jeder Akteur innerhalb des rechtlichen Rahmens die Vorteile aus seinem persönlichen Wissen zieht und seine eigenen persönlichen Ziele verfolgt, indem er friedlich mit anderen kooperiert und spontan sein Verhalten an das der anderen anpasst, die andere Ziele verfolgen.

6. E in Ziel muss vorherrschen und durch ein Befehlssystem umgesetzt werden. Dies führt zu unlösbaren, unendlichen sozialen Kon­ flikten und zu Gewalt, die den sozialen Frieden stören.

7. Freiheit wird verstanden als die Abwesenheit von Zwang und Gewalt (sowohl institutionell als auch asymmetrisch).

7. Unter „Freiheit“ wird die Fähigkeit verstan­ den, ein bestimmtes ersehntes Ziel zu jedem Moment zu erreichen (durch einen einfachen Willensakt, einen Befehl oder aus einer Laune heraus).

8. Das traditionelle Verständnis von Gerechtig­ keit herrscht vor und zeigt an, dass das Gesetz in seiner materiell-rechtlichen Form für alle gleich angewendet wird, unabhängig von den konkreten Ergebnissen des sozialen Prozesses. Die einzige Gleichheit, die verfolgt wird, ist die vor dem Gesetz, durchgesetzt von einer Justiz, die blind für spezielle Unterschiede zwischen Menschen ist.

8. Ein falsches Verständnis von „Gerechtigkeit der Ergebnisse“ oder „sozialer Gerechtigkeit“ herrscht vor, d h. Gleichheit der Resultate des gesellschaftlichen Prozesses unabhängig vom Verhalten der Individuen (ob korrekt oder nicht vom Standpunkt des traditionellen Rechts).

9. Abstrakte, ökonomische und kommerzielle Beziehungen dominieren. Falsche Konzepte von Loyalität, „Solidarität“ und Hierarchie spielen keine Rolle. Jeder Akteur diszipliniert sein Verhalten, basierend auf materiell-recht­ lichen Regeln. Er nimmt teil an einer univer­ sellen Gesellschaftsordnung, in der es keine „Freunde“ oder „Feinde“ gibt, keine Menschen, die einem nahe- oder fernstehen, sondern einfach viele Menschen, deren Mehrheit er gar nicht kennt und mit denen er zu beider­ seitigem Vorteil in zunehmend weitreichender und komplexer Weise handelt (korrekte Bedeutung von Solidarität).

9. Das Politische beherrscht das gesellschaftliche Leben und die grundlegenden Verbindungen bestimmen sich aus der Stammeszugehörig­ keit: a) Loyalität zur Gruppe und zum Chef; b) Respekt gegenüber der Hierarchie; c) Hilfe für den „Nächsten“, den man kennt, aber Ignoranz oder sogar Verachtung für die „an­ deren“, mehr oder weniger unbekannten Men­ schen eines anderen Stammes, denen nicht vertraut wird und die als „Feinde“ angesehen werden (falsche und kurzsichtige Bedeutung des Begriffs „Solidarität“).

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Der Sozialismus

3.  Ein anderes typisches Merkmal des Sozialismus ist der Verlust der Anpassung des eigenen Verhaltens an allgemeine Standards, die sich durch Tradition herausgebildet haben und deren wesentliche soziale Rolle nicht durch ein einzelnes Individuum erfasst werden kann. Moralität ist auf allen Ebenen geschwächt und verschwindet sogar; sie wird durch eine Widerspiegelung der mystischen Einstellung der Regierungsbehörde gegenüber gesellschaftlicher Organisation ersetzt. Dieser Mystizismus spiegelt sich auf der individuellen Ebene wider. Auch hier herrscht also das für den Sozialismus typische Wunschdenken vor, Ziele könnten eher durch das Durchsetzen von Befehlen erreicht werden, die ad hoc in den jeweiligen Situationen gegeben werden, als durch die allgemeine Ausübung menschlicher Interaktion, die Gegenstand allgemeiner moralischer und rechtlicher Orientierungslinien ist. Ein führender Vertreter dieser moralischen Perversion, die der Sozialismus begeht, war Lord John Maynard Keynes, einer der herausragendsten Kräfte hinter systematischem Zwang und Interventionismus in der Geld- und Finanzpolitik. Keynes bot die folgende Erklärung für seine „moralische“ Position an: „Wir wiesen jede persönliche Verantwortung, allgemeinen Regeln zu folgen, weit von uns. Wir beanspruchten, jeden einzelnen Fall aufgrund seiner Verdienste zu bewerten, und wir reklamierten für uns die Weisheit, die Erfahrung und die Selbstkontrolle, um erfolgreich zu sein. Dies war ein wichtiger Teil unseres Glaubens, an dem wir aggressiv festhielten. Für die äußere Welt war es das offensichtlichste und gefährlichste Merkmal. Wir leugneten vollkommen gewohnheitsmäßige Moral, Konventionen und traditionelle Weisheit. Wir waren sozusagen im strikten Sinne des Wortes Immoralisten. Wir erkannten keine moralischen Verpflichtungen, keine inneren Grenzen an. Gegenüber dem Himmel beanspruchten wir, unsere eigenen Richter im eigenen Fall zu sein. Was mich angeht, so ist es zu spät für einen Wandel. Ich bin und werde immer ein Immoralist bleiben.“110 Demzufolge erscheint Sozialismus sowohl als ein natürliches Produkt des falschen und übertriebenen Rationalismus der sogenannten Aufklärung als auch als Ergebnis primitivster und atavistischster menschlicher Instinkte und Leidenschaften. Tatsächlich rebellieren naive Rationalisten wie Keynes, Rousseau und so viele andere gegen die Institutionen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die eine gesellschaftliche Ordnung möglich machen. Diese können per definitionem nicht komplett rationalisiert werden und werden unverantwortlicherweise als repressive und hinderliche gesellschaftliche Traditionen verstanden. Das paradoxe Ergebnis dieser „Vergötterung“ des menschlichen Verstandes ist eine Eliminierung moralischer Prinzipien, Regeln und Verhaltensnormen, die Zivilisation ermöglichen, und die unvermeidliche Vernachlässigung des Menschen, der diese wichtigen Orientierungen und Standards neben seinen atavistischen und primitiven Leidenschaften braucht.111 110

Siehe F.  A. Hayek: Law, Legislation and Liberty, Band 1, S.  25 f., wo er aus John Maynard Keynes’ Buch Two Memoires (London, 1949, S. 97 f.) zitiert. Siehe ebenfalls die Arbeit von Robert Skidelsky: John Maynard Keynes: Hopes Betrayed, 1883 – 1920. London: Macmillan, 1983, S. 142 – 143. 111 Siehe F. A. Hayek: Die Verhängnisvolle Anmaßung, Kapitel 1.

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Der Sozialismus als „Opium fürs Volk“ Schließlich hat der Sozialismus die systematische Wirkung, dass er die Bürger daran hindert, die negativen Konsequenzen zu entdecken, die er produziert. Seinem eigenen Wesen entsprechend verhindert der Sozialismus das Entstehen wichtiger Informationen, die nötig sind, um ihn zu kritisieren oder zu eliminieren. Wenn Akteure gewaltsam an der Ausübung ihrer eigenen Handlungen gehindert werden, fehlt ihnen das Bewusstsein für das, was sie in dem nötigenden institutionellen Umfeld, in das ihr Leben eingebettet ist, zu erschaffen versäumen. Wie ein altes Sprichwort sagt: „Was das Auge nicht sieht, kann das Herz nicht begehren.“112 Es entsteht daher eine Fata Morgana und die verschiedenen Akteure identifizieren die nötigenden Behörden mit der Existenz der Güter und Dienstleistungen, die als lebenswichtig betrachtet werden und welche die Behörde bereitstellt. Es kommt den Akteuren nicht einmal der Gedanke, dass das unzulängliche Resultat der Befehle durch freie, unternehmerische menschliche Handlung auf sehr viel kreativere, fruchtbarere und effektivere Weise erreicht werden könnte. Und so breiten sich Selbstzufriedenheit, Zynismus und Resignation aus. Nur die Schattenwirtschaft und das Wissen, was in anderen, weniger sozialistischen Regierungssystemen vorfällt, kann den Mechanismus zivilen Ungehorsams auslösen, um entweder durch gesellschaftliche Entwicklung oder durch Revolution das organisierte institutionelle System von Zwang gegen Menschen auseinanderzubrechen. Außerdem verursacht Sozialismus genau wie jede andere Droge Abhängigkeit und Rigidität. Wie wir gesehen haben, tendieren seine Autoritäten dazu, wachsende Dosen von Zwang zu rechtfertigen, und das System macht es abhängig gewordenen Menschen sehr schwer, wieder zu unternehmerischen Gewohnheiten und Verhaltensmustern zurückzukehren, die nicht auf Zwang basieren.113 Schlussfolgerung: die im Wesentlichen antisoziale Funktion von Sozialismus Wenn wir uns an unsere Definition von Sozialismus vom Ende des letzten Kapitels erinnern, wird offensichtlich, dass nichts antisozialer ist als der Sozialismus selber. Unsere theoretische Analyse hat die Wege offengelegt, wie der Sozialismus im moralischen Bereich die Regeln und Verhaltensregeln korrumpiert, die wichtig für die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Ablaufs sind, indem er das Gesetz diskreditiert und Gesetzesverletzungen fördert (das Konzept, das pervertiert wird) und Gerechtigkeit in seinem traditionellen Sinne verwirft. Im politischen Bereich 112 „Ojos

que no ven, corazón que no siente.“ Miguel de Cervantes (Don Quijote, Kap. 67) benutzt die Form: „Ojos que no ven, corazón que no quiebra.“ 113 Aus dieser Sicht ist die Situation in einer Sozialdemokratie sogar schlimmer als im „real existierenden Sozialismus“, wenn das überhaupt möglich ist. Denn in Ersterer sind die Beispiele und alternativen Situationen, die den Bürgern vielleicht die Augen öffnen, fast nicht existent und die Möglichkeiten, die schädigenden Effekte des demokratischen Sozialismus durch Demagogie und Ad-hoc-Rationalisierungen zu verbergen, fast unermesslich. Da nun das „Paradies“ des real existierenden Sozialismus verloren gegangen ist, liegt das wahre „Opium fürs Volk“ heute in der Sozialdemokratie. Zu diesem Punkt, siehe S. 26 f. unseres Vorwortes zur spanischen Ausgabe von Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Fehler des Sozialismus, Band 1 der Obras Completas von F. A. Hayek.

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Der Sozialismus

tendiert Sozialismus zum Totalitarismus, da systematische Gewalt systematisch bis in die letzten Bereiche der Gesellschaft vordringt, während er Freiheit und persönliche Verantwortung verdrängt. Im materiellen Bereich behindert der Sozialismus weitgehend die Produktion von Gütern und Dienstleistungen und limitiert dadurch wirtschaftliche Entwicklung. Im kulturellen Bereich fesselt er die Kreativität, indem er die Entwicklung und das Lernen neuer Verhaltensregeln verhindert sowie die Entdeckung und Einführung von Innovationen stört. Im Bereich der Wissenschaften ist der Sozialismus schlicht und ergreifend ein intellektueller Fehler. Er entspringt dem Glauben, dass das menschliche Gehirn eine viel größere Kapazität besitzt, als es sie tatsächlich hat, und dass es daher möglich ist, die Informationen zu bekommen, die notwendig sind, um Gesellschaft durch Zwang zu verbessern.114 Kurzum, Sozialismus stellt die antihumane und antisoziale Aktivität per se dar, weil er auf systematischer Gewalt gegen die intimsten Merkmale menschlicher Natur basiert: die Möglichkeit, frei und kreativ zu handeln.

3.7 Unterschiedliche Arten von Sozialismus Wir haben nun die theoretische Definition von Sozialismus erarbeitet und begründet, warum es sich bei diesem System um einen intellektuellen Fehler handelt. Außerdem haben wir die theoretischen Konsequenzen studiert, die er produziert. In diesem Abschnitt wollen wir nun die wichtigsten historischen Ausformungen des Sozialismus betrachten. Im Ansatz wird unsere Analyse mit der realen Welt verbunden sein, indem wir die Analyse dazu nutzen, die hauptsächlichen Unterscheidungskriterien jeder Art von Sozialismus zu interpretieren. Jedes Beispiel, das wir erwähnen, trägt das Merkmal eines sozialistischen Systems. Mit anderen Worten basieren alle auf einer systematischen institutionellen Aggression gegen die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion. Wie wir sehen werden, liegen die Unterschiede in den grundsätzlichen Zielen, die sie verfolgen, und insbesondere im Umfang und in der Tiefe, in der die institutionelle Aggression jeweils ausgeübt wird. Der real existierende Sozialismus oder der Typ der sowjetischen Ökonomie Dieses System ist gekennzeichnet durch den großen Umfang und die Tiefe, in der die institutionelle Aggression ausgeübt wird, sowie insbesondere durch die Tatsache, dass diese Aggression sich immer in dem Versuch äußert, die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion mit Blick auf ökonomische Güter der höheren Ordnung, der materiellen Produktionsfaktoren, zu blockieren. Materielle Produk­ tionsfaktoren (Kapitalgüter und natürliche Ressourcen) sind ökonomische Güter, die nicht direkt menschliche Bedürfnisse befriedigen. Sie bedürfen des Eingriffs 114 In

den Worten von F. A. Hayek selbst: „Von der moralischen Seite her gesehen zerstört der Sozialismus die Basis jeder Moral, persönlichen Freiheit und Verantwortlichkeit. Politisch betrachtet führt er früher oder später zu einer totalitären Regierung. Materiell gesehen behindert er die Bildung von Wohlstand entscheidend, wenn er nicht gar zur Ursache aktueller Armut wird.“ (F. A. Hayek: Wissenschaft und Sozialismus. Tübingen: Mohr Siebeck, 2004, S. 47.)

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anderer Produktionsfaktoren, insbesondere menschlicher Arbeitskraft, damit in einem Produktionsprozess Konsumgüter und Dienstleistung produziert werden können, was immer Zeit in Anspruch nimmt. Aus der Sicht der Theorie der menschlichen Handlung sind materielle Produktionsfaktoren oder höherrangige ökonomische Güter alle Zwischenstufen, die als solche subjektiv von einem Akteur als solche erkannt werden und Teile eines Handlungsprozesses sind, der dem letzten Schritt vorgelagert ist. Wir können daher nun erahnen, welche Auswirkungen institutionelle Aggression haben wird, wenn sie auf Produktionsfaktoren zugreift. Denn eine solche Aggression wird sich mehr oder weniger auf alle menschlichen Handlungen grundlegend auswirken. Diese Art des Sozialismus wurde lange als die reinste Form, als Sozialismus par excellence, bezeichnet. Er ist auch bekannt als real existierender Sozialismus. Für viele Theoretiker und Denker, denen die Theorie der dynamischen Effizienz nicht bekannt ist, repräsentiert er eigentlich die einzige Form von Sozialismus, die existiert. Was sein Motiv betrifft, so ist der real existierende Sozialismus nicht nur leidenschaftlich auf „die Befreiung der Menschheit aus ihren Ketten“ ausgerichtet, sondern auch auf Ergebnisgleichheit, die als das Ideal der „Gerechtigkeit“ angesehen wird. Es ist von großem Interesse, eine umfassende Studie über die Entwicklung und die Merkmale dieses ersten Typus des Sozialismus durchzuführen, der sich gegenwärtig im Zustand deutlichen Niedergangs befindet. Demokratischer Sozialismus beziehungsweise Sozialdemokratie Heutzutage ist dies die populärste Variante des Sozialismus. Historisch entwickelte sie sich als taktische Abweichung vom real existierenden Sozialismus und unterschied sich in dem Sinne, dass sie versuchte, die Ziele, die der Sozialismus vertrat, durch demokratische Mittel, wie sie sich in westlichen Ländern entwickelt haben, zu erreichen. Insbesondere aufgrund der Entwicklung der Sozialdemokratie in Ländern wie Westdeutschland115 haben demokratische Sozialisten später teilweise das Ziel der „Sozialisierung“ der Produktionsfaktoren aufgegeben und damit begonnen, der Anwendung institutioneller Gewalt im fiskalischen Bereich mehr und mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, mit dem Ziel, die Ergebnisse des gesellschaftlichen Prozesses zu nivellieren. Tatsächlich ist die institutionelle Aggression in Sozialdemokratien profund und weitreichend – sowohl in Bezug auf die Anzahl der gesellschaftlichen Bereiche und der beeinträchtigten Prozesse als auch in Bezug auf das Ausmaß des effektiven Zwangs, der auf die Handlungen von Millionen von Menschen ausgeübt wird. Diese Menschen erleben die systematische Enteignung eines großen Teils der Früchte ihrer eigenen unternehmerischen Kreativität durch Steuern und sind durch Befehle und Regulierungen zu verschiedenen Handlungen gezwungen, die sie freiwillig entweder gar nicht oder anders unternommen hätten.

115 Zur

Entstehung und Entwicklung der Sozialdemokratie in Westdeutschland siehe die entsprechenden Kommentare von Hans-Hemann Hoppe in Sozialismus und Kapitalismus, Kapitel 4 (Wien: Schernhammer, 2005).

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Der Sozialismus

Sozialdemokraten verfolgen normalerweise besonders „edle“ Ziele, etwa die „Umverteilung“ von Einkommen und Vermögen oder allgemein ein besseres Funktionieren der Gesellschaft. Das System neigt dazu, die Illusion zu erzeugen, dass eine derartige Aggression kein Problem darstellt, weil ihr vorrangiges Ziel dem „demokratischen“ Ideal entspricht und die institutionelle Aggression letztendlich durch demokratisch gewählte „Repräsentanten“ ausgeübt wird. Auf diese Weise täuscht das System über die Tatsache hinweg, dass die theoretischen Konsequenzen des Sozialismus unverändert auch dann erscheinen, wenn eine Regierung aus demokratisch gewählten Repräsentanten des Volkes besteht. Denn demokratische Wahlen haben keine Auswirkungen auf das grundsätzliche Problem der unveränderbaren Ignoranz, welche die ganze für die Ausübung systematischen Zwangs verantwortliche Regierung umschließt. Ob Aggression in einer demokratischen Kammer entsteht oder nicht, ändert nichts daran, dass sie immer in gewissem Ausmaße menschliche Interaktion, die auf kreativem Unternehmertum basiert, behindert und damit gesellschaftliche Koordination verhindert sowie all jenen Konsequenzen Platz schafft, die wir bereits analysiert haben. Für harmonische soziale Beziehungen ist daher nicht die Frage ausschlaggebend, ob die Gesellschaft demokratisch organisiert ist oder nicht. Entscheidend sind vielmehr Umfang und Tiefe der systematischen Gewalt gegen freie menschliche Interaktion. Aus diesem Grund erklärt Hayek selber, dass er sich selbst nicht als Demokrat betrachtet, wenn das sogenannte „demokratische Ideal“ bedeutet, Repräsentanten die uneingeschränkte Macht institutioneller Aggression zu geben. Er verteidigt ein System, das sich auszeichnet durch die Begrenzung der Staatsmacht und das Misstrauen gegenüber institutioneller Aggression, die typisch für den Staat ist – ein System, das aus einer Reihe von sich selbst ausgleichenden Behörden demokratisch gewählter Repräsentanten besteht. Hayek schlägt für sein politisches System den Namen „Demarchie“ vor.116 Schließlich tritt der „Fata Morgana“-Effekt, der im letzten Abschnitt beschrieben wurde, in jedem demokratischen Sozialismus auf. Da sich das System in gewissem Maß in allen Ländern ausgebreitet hat, in denen der real existierende Sozialismus abwesend ist, gibt es ein vergleichbares gesellschaftliches System, das Bürgern die nachteiligen Konsequenzen sozialdemokratischer institutioneller Aggression verdeutlicht und das – so wie es jetzt mit dem real existierenden Sozialismus geschieht  – die notwendigen Bewegungen stärkt, um ihn zu entblößen und zu reformieren, ob revolutionär oder nicht. Trotzdem werden normalen Menschen 116 Hayek

führt aus: „Obwohl ich fest daran glaube, dass eine Regierung gemäß Prinzipien geführt werden sollte, die durch die Mehrheit der Menschen anerkannt werden, und dies auch tun sollte, wenn sie Freiheit und Frieden schützen möchte, so muss ich doch offen zugeben, dass Demokratie benutzt wird, um einen unbegrenzten Willen der Mehrheit durchzusetzen, so bin ich kein Demokrat und sehe sogar eine solche Regierung als schädlich und auf lange Sicht nicht funk­tionsfähig an.“ (F. A. Hayek: Law, Legislation and Liberty, S. 39.) Desweiteren erklärt Hayek seine Ablehnung des Begriffs „Demokratie“, indem er hervorhebt, dass die griechische Wurzel Kratos sich von dem Verb kratein ableitet, welches die Idee von „roher Gewalt“ oder „Plumpheit“ inkorporiert, die nicht vereinbar ist mit einer demokratischen Regierung, die dem Gesetz unterworfen ist; Gesetz verstanden im materiell-rechtlichen Sinne und gleich angewendet für alle („Isonomie“).

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die schädlichen Folgen eines sozialdemokratischen Aggressor Staates aufgrund der neuesten Fortschritte sowohl in der Theorie117 als auch in der Praxis immer bewusster. (Trotz vieler gegenteiliger Versuche hat es die Sozialdemokratie in der Tat nicht geschafft, unbeeindruckt von dem Versagen des real existierenden Sozialismus zu bleiben.) In mehr und mehr Gesellschaften erzeugen die oben genannten Faktoren einen gewissen Trend hin zu einer Reduktion von systematischem Zwang, wie er der Sozialdemokratie immanent ist, in Fokus und Tiefe. Konservativer oder „rechter“ Sozialismus „Konservativer“ oder „rechter“ Sozialismus kann definiert werden als der Typ, in dem institutionelle Aggression angewendet wird, um den sozialen Status quo und die Privilegien bestimmter Leute und Gruppen zu erhalten. Das grundsätzliche Ziel des rechten Sozialismus ist es, die Dinge so zu bewahren, wie sie sind, indem verhindert wird, dass die freie Ausübung unternehmerischer und kreativer menschlicher Handlungen den bereits etablierten Rahmen gesellschaftlicher Organisation stören. Um dieses Ziel zu erreichen, vertrauen rechtssozialistische Systeme auf institutionelle Aggression auf allen notwendigen Ebenen. In diesem Sinne unterscheiden sich konservativer Sozialismus und demokratischer Sozialismus nur in den Motiven und in den gesellschaftlichen Gruppen, die ihn unterstützen. Konservativer oder rechter Sozialismus ist außerdem durch seinen Paternalismus gekennzeichnet, verstanden als Versuch, das Verhalten der Menschen dadurch einzufrieren, dass ihnen die Rollen als Konsumenten oder Produzenten zugewiesen werden, welche die konservative Regulierungsbehörde als passend erachtet. Überdies versuchen Autoritäten in dieser Art des Sozialismus typischerweise, durch Anweisungen bestimmte Verhaltensweisen vorzuschreiben, die als moralisch oder religiös118 erachtet werden. Militärischer Sozialismus ist eng mit konservativem oder rechtem Sozialismus verbunden. Mises definiert ihn als einen Sozialismus, in dem alle Institutionen darauf ausgelegt sind, einen Krieg zu führen, und in dem die Werteskala, durch die sich der soziale Status und das Einkommen bestimmen, zuvorderst davon abhängt, welche Position eine Person in Bezug auf die Armee einnimmt.119 Sozialismus der 117 Wir

beziehen uns insbesondere auf die Beiträge der Public-Choice-Schule und die Theorie des Interventionismus, entwickelt von der Österreichischen Schule. Siehe die entsprechenden Kommentare und bibliografischen Hinweise in Fußnote 100 dieses Kapitels. Eine detaillierte Zusammenfassung der Gründe, warum bürokratisches Management selbst im demokratischen Rahmen zum Scheitern verurteilt ist, findet sich in unserem Artikel: „Derechos de Propriedad y Gestión Privada de los Recursos de la Naturaleza“, in: Cuadernos del Pensiamento Liberal. Madrid: Unión Editorial, 2 (März 1986) 13 – 30; nochmals veröffentlicht in unseren Lecturas de Economía Política, Band 3. Madrid: Unión Editorial, 1987, S. 25 – 43. 118 Der Theoretiker, der konservativen oder rechten Sozialismus am besten erklärt hat, ist Hans-Hermann Hoppe. Siehe sein Buch: Sozialismus und Kapitalismus, Kapitel 5. Wien: Schernhammer, 2005. 119 Ludwig von Mises: Socialism: An Economic and Sociological Analysis. Indianapolis: Liberty Press, 1981, S. 220 (dies ist J. Kahanes englische Übersetzung von Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus. Jena: Gustav Fischer, 1922). Mises zeigt, dass der militärische Sozialismus in seinem eigenen Bereich nicht mit den Gesellschaften konkurrieren kann, in denen die Ausübung der unternehmerischen Funktion erlaubt ist. Er erklärt, wie das große militärische kommunistische Inkareich sehr leicht von wenigen Spaniern zerstört wurde (S. 222 f.).

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Zünfte oder auch Agrarsozialismus können ebenfalls als Arten des konservativen oder rechten Sozialismus betrachtet werden. In der ersten der beiden Arten versuchen Autoritäten, die Gesellschaft basierend auf Hierarchien von Experten, Managern, Aufpassern, Angestellten und Arbeitern zu organisieren, in der zweiten Art, das Land gewaltsam unter gesellschaftlichen Gruppen aufzuteilen.120 Schließlich ist zu bemerken, dass der Konservativismus eine Philosophie darstellt, die unvereinbar mit Innovation und Kreativität ist, die in der Vergangenheit verwurzelt und misstrauisch gegenüber allem ist, was der Marktprozess eventuell hervorbringt, und die grundsätzlich opportunistisch und ohne allgemeine Prinzipien ist. Er neigt deshalb dazu, die Ausübung institutioneller Gewalt den Ad-hoc-Kriterien eines „weisen und guten“ Anführers anzuvertrauen. Kurzum: Konservatismus ist eine intransparente Doktrin, die nicht nur die Art und Weise, in welcher der gesellschaftliche Prozess durch die unternehmerische Funktion angetrieben wird, übersieht, sondern insbesondere auch das Problem der unvermeidbaren Ignoranz, die alle Anführer betrifft.121 Sozialmechanik oder szientistischer Sozialismus122 Szientistischer Sozialismus ist die Form des Sozialismus, die von Wissenschaftlern und Intellektuellen bevorzugt wird. Sie glauben, dem Rest der Gesellschaft überlegen zu sein, und sehen sich autorisiert, den systematischen Gebrauch von Gewalt auf gesellschaftlicher Ebene zu dirigieren, weil sie artikulierbares Wissen oder Informationen besitzen. Szientistischer Sozialismus ist besonders gefährlich, da er 120 Über Zünfte und agrarischen Sozialismus siehe Ludwig von Mises: Socialism, S. 229 – 232, 236 f. 121 F. A. Hayek: „Why I am not Conservative“, in: The Constitution of Liberty, S. 397 – 411. 122 Die Königliche Akademie der spanischen Sprache erkennt den Begriff „cientismo“ (Szientismus),

den wir hier benutzen, nicht an. Der nahestehendste Begriff, den wir in diesem Wörterbuch finden können, ist „Cientificismo“ in der fünften aufgelisteten Bedeutung: „die Tendenz, wissenschaftlichen oder angeblich wissenschaftlichen Auffassungen übermäßigen Wert beizumessen“. Während Gregorio Maranon gelegentlich auch den Begriff „cientismo“ benutzte, scheint er letztlich den Begriff „cientificismo“ bevorzugt zu haben, den er als „Karikatur von Wissenschaft“ ansieht und als die „exzessive Zurschaustellung einer Wissenschaft, die eigentlich abwesend ist“, definiert. Er schlussfolgert: „Die Krux an der Sache ist, dass der Szientist seinem großen Wissen unkritisch eine übermäßige dogmatische Wichtigkeit zuweist. Er zieht den Vorteil aus seiner Position und führt sowohl seine Zuhörer als auch seine Schüler auf’s Glatteis.“ (Cajal: su tiempo y el Nuestro. Obras Completas, Band 7. Madrid: Espasa Calpe, 1971, Kapitel 32: „La plage del Cientificismo“, S. 360 – 361.) Trotzdem meinen wir, dass der Begriff „cientismo“ präziser ist als „cientificismo“, da Ersterer sich eher auf den Missbrauch einer Wissenschaft per se bezieht als auf eine unangemessene Art, Wissenschaft zu praktizieren („Cientifico“ leitet sich ab vom lateinischen „Scientia“, Wissenschaft, und „facere“, tun). Das Wort „Szientismus“ ist ebenfalls im englischen gebräuchlich („scientism“) und bezeichnet die unangemessene Anwendung von Methoden aus Naturwissenschaften, wie der Physik, Technologie und Mechanik, in den Sozial­ wissenschaften: „die These, dass die Methode der Naturwissenschaften in allen Gebieten der Investigation einschließlich Philosophie und den Sozialwissenschaften benutzt werden sollte.“ (Webster’s Third International Dictionary of the English Language Unabridged. Band 3. Chicago: G & G Merriam, 1981, S. 2033.) Schließlich schreibt Manuel Seco in seinem bekannten Diccionario de Deudas y Dificultades de la Lengua Española (Madrid: Espasa Calpe, 1990, S. 96), dass die Begriffe „ciencismo“ und „ciencista“ beide akzeptabel sind, obwohl wir sie den Begriffen „cien­ tismo“ und „cientista“ unterlegen fühlen, da sich letztere von dem lateinischen Wort „scientia“ (und nicht von dem spanischen „ciencia“) ableiten, das auch die Wurzel für die entsprechenden französischen und englischen Begriffe sind.

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alle anderen Formen des Sozialismus von einem intellektuellen Standpunkt aus legitimiert und dazu tendiert, sowohl den demokratischen Sozialismus als auch den aufgeklärten Despotismus des rechten Sozialismus zu begleiten. Seine Ursprünge liegen in der intellektuellen Tradition des kartesianischen oder konstruktivistischen Rationalismus, demzufolge der Verstand von Intellektuellen zu allem in der Lage ist. Insbesondere steht er hinter jeder bewussten Erfindung aller sozialer Institutionen, die er daher nach Belieben planen oder modifizieren kann. Die Meister dieses „Rationalismus“ erkennen keine Grenzen im Potenzial des menschlichen Verstandes und versuchen – besessen von den beeindruckenden Fortschritten in den Naturwissenschaften, der Technologie und den Ingenieurwissenschaften –, die in diesen Bereichen angewendeten Methoden auf den sozialen Bereich zu übertragen und so eine Art Sozialmechanik zu entwickeln, die Gesellschaft auf eine gerechtere und effizientere Weise organisieren kann. Der größte Fehler, den sozialistische Intellektuelle oder szientistische Sozialingenieure begehen können, ist die Annahme, dass es möglich ist, durch wissenschaftliche Mittel das praktische und verstreute Wissen, das ständig von Akteuren generiert und in den gesellschaftlichen Prozess überliefert wird, zentral zu beobachten, zu formulieren, zu speichern und zu analysieren. Anders ausgedrückt glaubt ein szientistisches Individuum, dass es kraft seines überlegenen Wissens und seiner intellektuellen Position in Bezug auf den Rest der Gesellschaft die oberen Ränge einer sozialistischen Regierungsbehörde besetzen kann und muss. Und es ist davon überzeugt, dass diese Fakten es dazu autorisieren, die Gesellschaft durch Befehle und Regulierungen123 zu koordinieren. 123 Diese

übliche Arroganz des sozialistischen Intellektuellen wird durch ein Legende von Alfonso X., dem Weisen, perfekt illustriert, der „aufgrund seines großen Wissens von den Geisteswissenschaften so anmaßend und arrogant war, dass er so weit ging zu sagen, in Verachtung für die Vorsehung und überragende Weisheit des universellen Schöpfers, dass wenn Gott ihn zu dem Zeitpunkt um Rat gefragt hätte, als die Welt und alles in ihr geschaffen wurde, und er mit Gott gewesen wäre, einige Dinge besser konstruiert worden wären, als sie tatsächlich seien, und andere Dinge niemals entstanden wären oder korrigiert worden wären“. Gemäß der Legende wurde diese Blasphemie des Königs durch einen furchtbaren Blitz und Donner sowie einen Sturm bestraft, der ein Feuer im Schloss von Segovia entfachte, wo der König und sein Hof weilten. Das Feuer hinterließ viele Tote und Verletzte. Der König entkam auf wundersame Weise mit seinem Leben und bereute sofort seinen anmaßenden Stolz. Dieser heftige Sommersturm, der das Feuer im Schloss von Segovia entfachte und beinahe das Leben des Königs kostete, brach am 26. August 1258 aus und ist ein bestätigtes historisches Ereignis. Siehe die herausragende Biografie von Antonio Ballesteros Beretta über Alfonso X El Sabio (Barcelona: Ediciones „El Albir“, 1984, S. 209 – 211), wo wir eine kritische Evaluation aller Versionen dieser Legenden sowie ihre Verbindung mit historischen Tatsachen finden. Obwohl diese Legende apokryph erscheint, manifestierte sich das szientistische Wesen des „weisen“ Königs zweifellos zumindest in den strikten Regulierungen, die er erfolglos einsetzte, um Preise zu kontrollieren und zu fixieren, um einen natürlichen, unvermeidlichen Anstieg zu verhindern, den er durch systematische Abwertung der Währung verursachte. Und es zeigte sich auch in dem Versuch des Königs, Kastilliens traditionelles Erbrecht durch ein „wissenschaftlicheres“ Gesetz, das Siete Partidas, zu ersetzen. All dies brachte seinen Sohn und Nachfolger Sancho gegen ihn auf und verursachte einen Bürgerkrieg, der ihm die letzten Jahre seines Lebens verdarb. Eine andere historische Figur, die das Versagen des szientistischen Konstruktivismus in gesellschaftlichen Belangen perfekt veranschaulicht, ist der Erzherzog von Olivares, der königliche Favorit König Philips IV., der während seiner Regentschaft verantwortlich für das Schicksal des spanischen Reiches war. Die guten Absichten, das Arbeitspensum und die Anstrengungen des Erzherzogs waren so ausufernd wie nutzlos. Tatsächlich war der Hauptfehler des Erzherzogs, dass er „seinem Wesen nach alles organisieren wollte“. Er konnte nicht widerstehen, alle Gebiete des gesellschaftlichen Lebens dominieren zu wollen. Im letzten Abschnitt seiner

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Kartesianischer Rationalismus ist schlicht und ergreifend falscher Rationalismus in dem Maß, wie er sich weigert, die Grenzen des menschlichen Verstandes anzuerkennen.124 Dies bedeutet einen sehr gravierenden intellektuellen Fehler, für den es insbesondere signifikant ist, dass er von jenen stammt, die die beste intellektuelle Ausbildung genießen und daher etwas bescheidener sein sollten, wenn sie ihr eigenes Potenzial bewerten. Der Fehler der Rationalisten besteht in der Annahme, dass die sozialen Gesetze und Institutionen, die den Prozess menschlicher Interaktion ermöglichen, ein Produkt der Menschen sind, das bewusst gesucht, geschaffen und gestaltet wurde. Sie beachten nicht, dass diese Institutionen und Gesetze womöglich das Ergebnis eines evolutionären Prozesses sind, an dem über eine sehr lange Zeitstrecke hinweg Millionen von Menschen teilgenommen haben und zu dem jeder seinen eigenen, kleinen Teil an praktischen Informationen und Erfahrungen beigetragen hat, die im Laufe des gesellschaftlichen Prozesses geschaffen wurden. Genau aus diesem Grund können diese Institutionen nicht aus einem bewussten Akt der Schöpfung des menschlichen Verstandes entstanden sein. Dieser hat nicht die notwendige Fähigkeit, um alle praktischen Informationen und alles Wissen zu besitzen, das solche Institutionen inkorporieren. Hayek hat die Litanei der Fehler, die jeder sozialistische Wissenschaftler begeht, zusammengetragen und auf die folgenden vier Ideen herunter gebrochen: 1. die Idee, dass es unvernünftig ist, einem Handlungsplan zu folgen, den man nicht wissenschaftlich rechtfertigen oder durch empirische Beobachtung bestätigen kann; 2. die Idee, dass es unvernünftig ist, einem Handlungsplan zu folgen, den man (aufgrund seiner traditionellen oder gewöhnungsmäßigen Natur) nicht versteht; 3. die Idee, dass es unvernünftig ist, einen Handlungsplan zu verfolgen, solange das Ziel nicht a priori klar spezifiziert wurde (ein gravierender Fehler, der selbst von Intellektuellen vom Range eines Albert Einstein, Bertrand Russell und John Maynard Keynes begangen wurde); 4. die Idee, die eng mit den vorangehenden verbunden ist, dass es unvernünftig ist, eine Handlung zu beginnen, bevor nicht die Ergebnisse vorher vollständig vorhersehbar sind und zu erwarten ist, dass sie aus einer utilitaristischen Sichtweise vorteilhaft und vollständig zu beobachten sind, sobald die Handlung unternommen wurde.125 Dies sind die vier grundsätzHerrschaft äußerte er seine „tiefe Unzufriedenheit, dass alle versuchten Mittel eine Wirkung hervorriefen, die genau der Gegensatz des Intendierten war“. Trotzdem verstand der Erzherzog nie, dass dies schlicht das natürliche unvermeidbare Ergebnis ist, wenn man versucht, die gesamte Gesellschaft zwangsweise zu kontrollieren und zu organisieren. Daher führte er die desaströse Situation, die er in Spanien hinterließ, nicht auf sein Management zurück, sondern auf den Zorn Gottes über die moralische Verdorbenheit seiner Zeit. Siehe die exzellente Studie von J. H. Elliot: El Conde-Duque de Olivares. Barcelona: Edit. Crítica, 1990, insbesondere S. 296, 388. 124 F. A. Hayek: „Arten des Rationalismus“, in: Freiburger Studien: Gesammelte Aufsätze. Tübingen: Mohr, 1994, S. 75 – 90. 125 F.  A. Hayek: Die Verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus. Tübingen: Mohr 1996, S. 64. Der Utilitarismus beruht auf dem gleichen intellektuellen Fehler wie der Sozialismus. Er beinhaltet die Annahme, dass der utilitaristische Wissenschaftler alle notwendigen Informationen über Kosten und Erlöse zur Verfügung hat, um „objektive“ Entscheidungen zu treffen. Angesichts dessen, dass Informationen nicht zentral verfügbar sind, ist der Utilitarismus als politische oder soziale Philosophie unmöglich. Die einzige Option ist daher, innerhalb des Rahmens von Recht und strukturierten Verhaltensmustern (Moral) zu handeln. Es mag in der Tat paradox

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lichen Fehler, die jeder sozialistische Intellektuelle begeht. Sie entspringen dem fundamentalen Fehler zu glauben, dass der intellektuelle Beobachter dazu in der Lage ist, praktische Informationen zu verstehen, zu analysieren und „wissenschaftlich“ zu verbessern. Zur gleichen Zeit begeht der Sozialingenieur vier weitere Arten von Fehlern, sobald­er glaubt, eine Gefahr oder eine Fehlanpassung im gesellschaftlichen Prozess entdeckt zu haben, und einen Befehl wissenschaftlich rechtfertigt oder empfiehlt, der institutionellen Zwang oder Aggression zur Lösung der Fehlanpassung beinhaltet: 1. Er erkennt nicht die Wahrscheinlichkeit, dass seine Beobachtung in Bezug auf das entdeckte gesellschaftliche Problem fehlerhaft ist, weil er nicht dazu in der Lage ist, alle notwendigen praktischen Informationen in seine Überlegungen einzubeziehen; 2. er übersieht die Tatsache, dass es sehr wahrscheinlich ist, wenn eine solche Fehlanpassung wirklich existiert, dass ein spontaner unternehmerischer Prozess bereits begonnen hat und sie schneller und effektiver eliminieren wird als der vorgeschlagene Befehl; 3. er sieht nicht, dass es, wenn sein Rat befolgt wird und die gesellschaftliche „Reparatur“ durch Zwang ausgeführt wird, sehr wahrscheinlich ist, dass diese Verwirklichung des Sozialismus den notwendigen unternehmerischen Prozess anhalten, stören oder verunmöglichen und daher das Problem, anstatt es zu lösen, durch den sozialmechanischen Befehl weiter verkomplizieren und seine Beseitigung unmöglich machen wird; 4. der sozialistische Intellektuelle übersieht insbesondere, dass sein Verhalten den gesamten Rahmen menschlicher Handlung und unternehmerischer Funktion verändert, indem er ihn – wie wir gesehen haben – überflüssig macht und pervertiert, indem er ihn in Bereiche lenkt, die ihm normalerweise nicht entsprechen (Korruption, der Kauf von Vorteilen von der Regierung, die Schattenwirtschaft u. a.).126 Schließlich sollten wir anfügen, dass Sozialmechanik auf einem unsoliden methodologischen Ansatz ökonomischer und soziologischer Wissenschaft beruht – ein Ansatz, der ausschließlich auf endgültige Gleichgewichtszustände abzielt und von der arroganten Annahme ausgeht, dass alle wichtigen Informationen gegeben und für den Wissenschaftler verfügbar sind. Dieser Ansatz und diese Annahmen durchziehen weite Teile moderner ökonomischer Analyse und machen sie unbrauchbar.127

erscheinen, aber angesichts der unausweichlichen Ignoranz des Menschen gibt es nichts Nützlicheres und Praktischeres, als seine Handlungen auf Prinzipien aufzubauen und seinen naiven, kurzsichtigen Utilitarismus abzulegen. 126 Israel M. Kirzner betonte diese vier Fehler, die Sozialingenieure begehen, wenn sie pseudowissenschaftliche Empfehlungen für Zwang abgeben. Siehe „The Perils of Regulation A Market Process Approach“, in: Discovery and the Capitalist Process, S. 136 – 145. 127 Norman P. Barry: The invisible Hands in Economics and Politics. A Study in the Two Conflicting Explanations of Society: End States and Processes. London: Institute of Economic Affairs, 1988. In den folgenden Kapiteln werden wir die Möglichkeit haben zu sehen, wie es dazu kam, dass die szientistischen Theoretiker mit ihrem tief verwurzelten Fokus auf Gleichgewichte nicht in der Lage waren, Mises’ Argument in Bezug auf die Unmöglichkeit sozialistischer Wirtschaftsrechnung zu verstehen. Außerdem analysieren wir die methodologischen Inkonsistenzen moderner ökonomischer Analyse, die auf Gleichgewichten basiert – eines der wichtigsten Nebenprodukte dieser Kontroverse.

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Andere Arten von Sozialismus (christliche oder auf Solidarität basierende, syndikalistische Formen) Sozialismus basierend auf Christentum oder „Solidarität“ tritt auf, wenn gewisse Ergebnisse des gesellschaftlichen Prozesses von einem moralischen Standpunkt aus als unvorteilhaft beurteilt werden und der systematische institutionelle Gebrauch von Zwang verteidigt wird, um eine derartige Situation der Ungerechtigkeit zu ändern. In diesem Sinne ist christlicher Sozialismus, der auf „heiligem Zwang“ beruht, nichts anderes als andere Arten des Sozialismus, die bereits analysiert wurden. Eigens erwähnt wird er hier nur wegen der eigenen, mehr oder weniger religiösen Grundlage, auf der Menschen ihn rechtfertigen. Auch der christliche Sozialismus beruht auf mangelndem Wissen über das Funktionieren des sozialen Prozesses – der Kraft, die die unternehmerische Funktion antreibt. In den involvierten moralischen Urteilen dominiert eine vage Idee der Solidarität für seinen Nächsten. Sie ist jedoch nicht von dem Wissen begleitet, dass der gesellschaftliche Prozess menschlicher Interaktion die Entwicklung von Zivilisationen ermöglicht – nicht nur für den Nachbarn, sondern auch für diejenigen, die weit weg und unbekannt sind. Und es gibt auch kein Wissen davon, dass dies spontan durch einen Prozess geschieht, in welchem unterschiedliche Menschen kooperieren, indem sie ihre eigenen Ziele verfolgen, obwohl sie sich gar nicht kennen. Schließlich erkennen christliche Sozialisten Zwang nicht als moralisch verwerflich an, wenn er darauf gerichtet ist, moralisch überlegene Ziele zu erreichen. Trotzdem bleibt systematischer Zwang, auch wenn er „heilig“ ist, doch inhuman und repräsentiert den Sozialismus mit allen seinen charakteristischen analytischen Konsequenzen, die wir bereits aufgezeigt haben.128 Syndikalistischer Sozialismus ist eine weitere Variation des Sozialismus. Seine Vertreter versuchen, durch die systematische und institutionelle Ausübung von Zwang eine Gesellschaft zu schaffen, in der die Arbeiter direkt die Produktionsmittel besitzen. Diese Variante, manchmal auch „Selbstverwaltungssozialismus“ genannt, ist insoweit Sozialismus, als sie auf dem umfassenden, systematischen Gebrauch von Zwang beruht und daher alle Merkmale und Konsequenzen reproduziert, die wir in diesem Kapitel bereits erarbeitet haben. Trotzdem folgt aus dem syndikalistischen Sozialismus eine bestimmte Form der Diskoordination, die in anderen Arten des Sozialismus nicht auftaucht, insbesondere, wenn er nicht als eine Umverteilung von Vermögen, sondern als lang dauerndes ökonomisches und soziales System intendiert ist. Theoretiker haben dieses spezifische Merkmal im Detail untersucht. Ihre theoretischen Schussfolgerungen wurden durch die wenigen historischen Fälle gut illustriert, wie zum Beispiel im früheren Jugoslawien, wo versucht wurde, syndikalistischen Sozialismus effektiv in die Praxis umzusetzen.129 128 Eine

besonders wichtige Quelle zum christlichen Sozialismus ist das Buch Religion, Economics and Social Thoughts. Herausgegeben von Walter Block und Irving Haxham. Vancouver, Canada: Frasier Institute, 1989. Siehe ebenfalls Mises, Socialism, S. 223 – 226. 129 Zu dem syndikalistischen Sozialismus im Allgemeinen und dem Versuch, ihn in Jugoslawien anzuwenden, im Besonderen siehe Svetozar Pejovich: „The Case of Self-Management in Yugoslavia“, in: Socialism: Institutional, Philosophical and Economic Issues. Dordrecht: Kluwer Acade-

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3.8 Kritik an den alternativen Konzepten des Sozialismus Das traditionelle Konzept und der Prozess, durch den das neue Konzept entwickelt wurde Sozialismus wurde traditionell definiert als ein System gesellschaftlicher Organisation, das auf dem Staatseigentum an den Produktionsmitteln beruht.130 Diese Bedeutung, die in der Praxis mit der Definition des real existierenden Sozialismus übereinstimmt, war lange die am meisten akzeptierte – aus historischen und aus politischen Gründen. Es ist die Definition, die Mises ursprünglich 1922 in seiner kritischen Abhandlung über den Sozialismus131 benutzte und die nachher sowohl er selber als auch andere Vertreter seiner Schule in der folgenden Debatte um die Unmöglichkeit des Sozialismus als Bezugspunkt gebrauchten. Wir werden die Möglichkeit haben, in folgenden Kapiteln näher auf die Debatte einzugehen. Nichtsdestotrotz war diese Definition von Anfang an nicht zufriedenstellend. Zunächst war sie rein statischer Natur, da sie im Hinblick auf die Existenz oder Nichtexistenz einer bestimmten gesetzlichen Institution (Eigentumsrechte) und eine spezifische ökonomische Kategorie (Produktionsmittel) formuliert wurde. Der Gebrauch dieser Definition benötigte eine Erklärung von Eigentumsrechten a priori­und deren Implikation innerhalb der Ökonomie. Außerdem offenbarte die Debatte um die Unmöglichkeit des Sozialismus, dass die unterschiedlichen beteiligten Wissenschaftler erhebliche Schwierigkeiten hatten, miteinander zu kommunizieren – insbesondere wegen der unterschiedlichen Bedeutungen, die sie implizit im Konzept der Eigentumsrechte ausmachten. Schließlich schien die traditionelle Definition Interventionismus und ökonomische Regulierung auszuschließen, die qualitativ gleichwertige diskoordinierende Effekte hatten, obwohl sie eine Verstaat­ lichung der Produktionsmittel nicht benötigten. Aus all diesen Gründen schien es ratsam, die Suche nach einer Definition von Sozialismus fortzusetzen und eine Lösung zu finden, die ins Herz des Problems vordringt – so frei wie möglich von Vorstellungen, die einfach zu falschen Interpretationen führen könnten und die genau wie der gesellschaftliche Prozess, auf den die Definition angewendet wird, eine besondere dynamische Natur besitzen.

mic Publishers, 1987, S. 239 – 249, sowie die dort zitierte Bibliografie. Siehe ebenfalls E. Furubotn und S. Pejovich: „Property Rights, Economic Decentralization, and the Evolution of the Yugoslavian Firm“, in: Journal of Law and Economics 16 (1973), 275 – 302. 130 Das Diccionario der Königlichen Akademie für die spanische Sprache definiert Sozialismus als das „System gesellschaftlicher und ökonomischer Organisation, das auf dem kollektiven Staatsbesitz und der öffentlichen Verwaltung der Produktionsmittel basiert.“ („Sistema de organización social y económica basado en la propriedad y administración colectiva y estatal de los medios de producción.“) 131 Gemäß Mises „ist dies das Wesen des Sozialismus: Alle Produktionsmittel stehen unter der alleinigen Kontrolle der organisierten Gesellschaft. Das, und das allein, ist Sozialismus. Alle anderen Definitionen sind irreführend.“ (Ludwig von Mises: Socialism, S. 211.) Aus Gründen, die wir im Text behandeln werden, glauben wir, das er einen Fehler machte, als er diese kategorische Aussage tätigte.

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Eine der wichtigsten Konsequenzen der Debatte über die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung war die durch österreichische Ökonomen wie Mises, Hayek und insbesondere Kirzner unternommene Entwicklung und Ausarbeitung einer Theorie der unternehmerischen Funktion, einer Theorie, die den Unternehmer als eine führende kreative Kraft hinter gesellschaftlichen Prozessen darstellt. Die Richtung, die einzuschlagen war, um ein wirklich wissenschaftliches Konzept des Sozialismus zu formulieren, war letztendlich vorgegeben durch die Entdeckung, dass die dem Menschen eingegebene unternehmerische Fähigkeit, ausgedrückt durch seine kreativen Handlungen, genau das ist, was das Leben in der Gesellschaft möglich macht. Denn diese Fähigkeit deckt gesellschaftliche Fehlanpassungen auf und führt zur Schaffung und Übermittlung von Informationen, die für jeden Handelnden wichtig sind, um zu lernen, sein Verhalten an das der anderen anzupassen. Hans-Hermann Hoppe tat den nächsten wichtigen Schritt in dem Prozess hin zu einer Bildung einer passenden Definition von Sozialismus.132 Hoppe deckte als das wesentliche Merkmal des Sozialismus auf, dass dieser auf der institutionalisierten Aggression gegen Eigentumsrechte basiert. Seine Definition ist dynamischer und daher sehr viel operativer als die traditionelle Definition. Sie arbeitet nicht mit der Existenz oder Nichtexistenz von Eigentumsrechten, sondern stattdessen mit der Frage, ob der Zwang oder die physische Gewalt institutionell, also auf organisierte, wiederholende Weise dazu benutzt wird, Eigentumsrechte zu verletzen. Obwohl Hoppes Definition als ein Durchbruch angesehen werden kann, ist sie doch nicht vollständig zufriedenstellend. Denn sie setzt voraussetzt, dass ab initio spezifiziert oder definiert wird, was unter Eigentumsrecht zu verstehen ist. Außerdem erwähnt sie nicht einmal die unternehmerische Funktion als treibende Kraft hinter jedem gesellschaftlichen Prozess. Wenn wir Hoppes Einsicht, dass jeder Sozialismus einen systematischen Gebrauch von Gewalt bedeutet, mit den Beiträgen von Professor Kirzner zur Theorie der unternehmerischen Funktion verbinden, so kommen wir zu der Schlussfolgerung, dass die geeignetste Definition des Sozialismus diejenige ist, die wir in diesem Kapitel gebraucht haben, nämlich die, dass der Sozialismus jede organisierte Form institutioneller Aggression gegen die unternehmerische Funktion menschlicher Handlung ist. Diese Definition bietet den Vorteil universeller Umfasstheit ohne die Notwendigkeit einer detaillierten A-priori-Erklärung des Konzeptes der Eigentumsrechte und was diese enthalten sollten. Es ist offensichtlich, dass menschliche Handlung entweder einen Angriff auf andere Menschen darstellt oder nicht. Und es ist ebenso offenkundig, dass diese Handlung, solange kein solcher Angriff ist und auch nicht aus einer Verteidigung gegen arbiträre oder unsystematische Aggression besteht, zu den persönlichsten und typischsten Charakteristika der Menschen und damit als vollkommen legitim respektiert werden muss. 132 Hans-Hermann

Hoppe: A Theory of Socialism and Capitalism, S. 2. Hoppe bestätigt, dass der Sozialismus keineswegs eine Erfindung des Marxismus des 19. Jahrhunderts, sondern sehr viel älter ist, wenn man darunter den institutionalisierten Eingriff gegen Privateigentum versteht.

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Die Definition von Sozialismus, die hier vorgeschlagen wird, ist mit anderen Worten die passendste, weil sie in Begriffen menschlicher Handlung – die grundsätzlichste und intimste menschliche Eigenschaft – formuliert wurde. Der Sozialismus wird außerdem als institutionalisierter Angriff auf genau die Kräfte verstanden, die das Leben in der Gesellschaft ermöglichen. In diesem Sinne ist die Feststellung, dass nichts antisozialer ist als das sozialistische System selber, nur scheinbar paradox. Einer der größten Vorteile dieser Definition ist, dass sie diese Zustände ans Licht bringt. Ohne Zweifel benötigt der Prozess sozialer Interaktion frei von Aggression die Befolgung einer ganzen Reihe von Regeln, Gesetzen und Verhaltensgewohnheiten. Zusammen bilden sie das substanzielle Gesetz, also den Rahmen, innerhalb dessen menschliche Handlungen friedlich ausgetragen werden können. Nichtsdestotrotz kommt das Gesetz nicht vor der Ausübung menschlicher Handlungen, sondern entsteht durch Gewohnheit aus dem Prozess gesellschaftlicher Interaktion. Gemäß unserer Definition ist der Sozialismus also kein System institutioneller Aggression gegen das evolutionäre Ergebnis der unternehmerischen Funktion (Eigentumsrechte), sondern ein System der Aggression gegen die unternehmerische Funktion menschlicher Handlung selber. Diese Definition des Sozialismus ermöglicht es uns, die Theorie der Gesellschaft direkt mit der Theorie des Rechts und seiner Entstehung, Entwicklung und Evolution zu verbinden. Außerdem lässt es uns vollkommen frei, auf einem theoretischen Level zu fragen, welche Eigentumsrechte aus einem ungezwungenen gesellschaftlichen Prozess entstehen, welche Eigentumsrechte gerecht sind und in welchem Ausmaße Sozialismus ethisch duldbar ist oder nicht. Sozialismus und Interventionismus Ein anderer Vorteil dieser Definition des Sozialismus ist, dass sie auch das gesellschaftliche System des Interventionismus in den Fokus nimmt. Egal ob man den Interventionismus als typische Manifestation des Sozialismus oder, wie es üblicher ist, als ein Zwischensystem zwischen real existierendem Sozialismus und dem freien gesellschaftlichen Prozess133 sieht: Klar ist, dass alle interventionistischen Maßnahmen einen institutionellen Angriff mit Zwangsmitteln auf einen bestimmten gesellschaftlichen Bereich darstellen. Unabhängig vom Grad, der Art und der Motivation ist der Interventionismus vom Standpunkt unserer Definition 133 Dies

ist die zweite Bedeutung, die das Diccionario der Königlichen Akademie der Spanischen Sprache für den Begriff „Interventionismus“ vorschlägt: ein System zwischen Individualismus und Kollektivismus, das dem Staat das Management und die Unterstützung privater Unternehmungen im Leben des Landes anvertraut.“ (“Sistema intermedio entre el individualismo y el colectivismo que confia a la acción del Estado el dirigir y suplir, en la vida del país, la iniciativa privada.“) Wir sehen, dass sich die Autoren dieses Wörterbuchs mit dieser Definition, die auf der „Zwischenstellung“ des Interventionismus basiert, selber widersprechen. Denn sie nehmen eine Position ein, die sehr nah an der ist, die wir im Text benutzt haben und mit der sich die Autoren im gleichen Wörterbuch auf den Sozialismus als „staatliche Regulierung ökonomischer und sozialer Aktivitäten sowie der Verteilung der Güter („regulación por el Estado de las actividades económicas y sociales, y la distribución de los bienes“) beziehen. Die letzte Definition ist im Prinzip sehr ähnlich zu der, die das Wörterbuch für „intervencionismo“ gibt, sodass der Eindruck entsteht, dass die Autoren die beiden Begriffe – „socialismo“ und „interventionismo“ – als Synonyme ansehen.

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daher Sozialismus und produziert unvermeidbar all die diskoordinierenden Effekte, die wir in diesem Kapitel untersucht haben. Die Gleichsetzung der Begriffe Sozialismus und Interventionismus ist weit weg von einer ungerechtfertigten Ausweitung der Bedeutung der Wörter, die sie normalerweise haben, und sogar eine analytische Voraussetzung für die Theorie der gesellschaftlichen Prozesse, die auf der unternehmerischen Funktion basieren. Obwohl die ersten österreichischen Theoretiker, die sich mit dem Interventionismus befassten, diesen zunächst als eine vom Sozialismus verschiedene Kategorie verstanden, begannen die Grenzen zwischen den beiden Konzepten mit dem Fortschritt der Debatte über die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung zu verschwimmen. Diese Entwicklung hat sich bis zum heutigen Tag fortgesetzt, wo es den Vertretern der Theorie der unternehmerischen Funktion klar geworden ist, dass es keine qualitativen Unterschiede zwischen dem Sozialismus und dem Interventionismus gibt134 – wenngleich diese Begriffe zuweilen dazu genutzt werden, unterschiedliche Grade derselben Realität zu beschreiben. Außerdem erlaubt es die vorgeschlagene Definition Wissenschaftlern, eine wichtige Funktion zu erfüllen, nämlich die heute in vielen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen sehr geschickten Versuche aufzudecken, den Interventionismus gegen die natürlichen und unvermeidbaren Effekte zu immunisieren, die durch den ökonomischen, sozialen und politischen Kollaps seines engsten Vorgängers, des „real existierenden Sozialismus“, auf ihn einwirken. Real existierender Sozialismus und Interventionismus sind schlicht und ergreifend zwei unterschiedlich starke Ausprägungen der gleichen zwangsweisen institutionellen Realität und teilen beide den gleichen wesentlichen intellektuellen Fehler und dieselben schädlichen sozialen Konsequenzen.135 134 So

schlussfolgerte zum Beispiel Don Lavoie in Bezug auf den „Interventionismus“ neulich: „Es kann gezeigt werden, dass er aus denselben Gründen selbstzerstörend und irrational ist, aus denen Mises ableitete, dass vollständige Zentralplanung unmöglich ist. Stückweise Eingriffe der Regierung in das Preissystem müssen als genauso hinderlich für den ebenfalls notwendigen Entdeckungsprozess angesehen werden und damit als genauso störend für das Wissen, das er erzeugt. Das Kalkulationsargument könnte daher dazu genutzt werden, viele der kleineren Versagen, die daraus resultieren, dass die Regierung an dem Preissystem herumpfuscht, grundsätzlich in gleicher Weise zu erklären wie es den vollkommenen ökonomischen Ruin erklärt, der unvermeidlich aus der versuchten Abschaffung des Preissystems hervorgeht. Siehe „Introduction“ (1981, S. 5). Kirzner hat bei vielen Gelegenheiten auf die Parallelität zwischen „Sozialismus“ und „Interventionismus“ hingewiesen (1989, Kapitel 6, S. 121 ff.). Wir müssen die Idee kritisieren, die selbst Mises ein zweimal verteidigt hat, dass die Wirtschaftsrechnung in einem interventionistischen System möglich ist, da eine solche Kalkulation genau in den Gebieten unmöglich ist, wo der Interventionismus gegenwärtig ist und falls im allgemeinen einige Kalkulationen möglich sein sollten, dann deshalb, weil das System seine Einmischung nicht auf alle Bereiche der Gesellschaft ausdehnt (in dem Ausmaß, welches typisch für den real existierenden Sozialismus ist). 135 Nichtsdestotrotz geht unsere Definition von Sozialismus nicht so weit wie die von Armen Alchian. Er erklärt, dass „Regierung per definitionem Sozialismus“ ist, und leitet daraus ab, dass zumindest ein Minimum an Sozialismus notwendig ist, um die Marktwirtschaft zu erhalten (Armen Alchian, William R. Allen: University Economics: Elements of Inquiry. 3. Aufl. Belmont, California: Wadsworth Publishing, 1971, S. 627 f.). Zunächst kann, wie wir bereits in Fußnote 75 erklärt haben, eine minimale Existenz institutioneller Gewalt, die notwendig ist, um den isolierten Ausbruch unsystematischen Zwangs zu bekämpfen, nicht Sozialismus genannt werden. Zweitens ist es nicht klar, dass dieses Minimum notwendigerweise durch eine monopolistische Regierungsbehörde bereitgestellt werden muss.

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Die Unsinnigkeit des „idyllischen“ Sozialismusverständnisses Es ist sinn- und zwecklos, den Sozialismus aufgrund von subjektiven, idyllischen Bewertungen zu definieren. Diese Art von Definition, die von Anfang an dominierte, ist nie vollständig verschwunden. Jüngst hat sie sogar neuen Schwung bekommen – ein Nebenprodukt der Demontage des real existierenden Sozialismus und des halsstarrigen Wunsches vieler „Intellektueller“, wenigstens ein idyllisches Konzept von Sozialismus zu retten, das eine populäre Anziehungskraft zu behalten vermag. Es ist daher nicht unüblich, wieder Definitionen zu finden, die Sozialismus mit „sozialer Harmonie“, der „harmonischen Vereinigung von Mensch und Natur“136 oder einfach der „Maximierung der Wohlfahrt der Bevölkerung“137 gleichsetzen. Dies alles sind leere Definitionen, solange sie einen daran hindern zu erfahren, ob der Autor, der sie vorschlägt, versucht, die systematische Ausübung institutionellen Zwangs gegen die freie menschliche Interaktion zu legitimieren. Wir müssen also in jedem Fall feststellen, ob wir es mit einfachem, unverhohlenem Opportunismus mit dem bewussten Ziel institutioneller Aggression hinter einer attraktiven Fassade zu tun haben oder einfach mit einer intellektuellen Konfusion und trüben Ideen. Könnte der Begriff Sozialismus eines Tages wieder etabliert sein? Obwohl es nicht unmöglich ist, so ist es doch zweifelhaft und sehr unwahrscheinlich, dass sich die Bedeutung des Begriffs „Sozialismus“, die auf einem so eklatanten intellektuellen Fehler beruht und aus einer derart verhängnisvollen wissenschaftlichen Anmaßung erwächst, in Zukunft auf eine Weise ändert, die die Restauration des Begriffes und seine Neudefinition basierend auf der Analyse gesellschaftlicher Prozesse und frei von wissenschaftlichen Fehlern erlaubt. Der einzig gangbare Weg, um den Begriff „Sozialismus“ zu erneuern, wäre eine Neudefinition, die auf einem Verständnis von Gesellschaft als spontaner Ordnung, angetrieben durch die angeborene unternehmerische Fähigkeit des Menschen, aufbaut, wie wir es im 136 Siehe

ebenfalls Alec Noves Anmerkungen zu den „idyllischen“ Definitionen in seinem Artikel „Socialism“ (in: The New Palgrave: Dictionary of Economics, Band 4. London: Macmillan Press, 1987, S. 398). Nove schließt mit der traditionellen Definition von Sozialismus, nach der „eine Gesellschaft als sozialistisch angesehen werden kann, wenn der Großteil der Produktionsmittel nicht in privaten Händen liegt, sondern auf irgendeine Weise öffentlich geführt wird, entweder durch den Staat, in Vergemeinschaftung oder als genossenschaftliche Unternehmen.“ Auf Seite  407 seines Artikels offenbart Nove zufällig sein ganzes Unverständnis der dynamischen Theorie der unternehmerischen Funktion, indem er Mises zusammen mit der „Chicago-Utopie“ eingruppiert und den Kapitalismus kritisiert, weil dieser von den Modellen des „perfekten Wettbewerbes“, die man in Lehrbüchern findet, sehr verschieden ist. 137 Das ist die Definition, die Oskar Lange 1942 während seiner „liberalsten“ Phase vorschlug, bevor er sich in späteren Jahren dem kompromissloseren Stalinismus zuwendete. Tatsächlich behauptete Lange in einem Vortrag, den er vor dem „Socialist Club“ an der University of Chicago am 8. Mai 1942 hielt: „Unter einer sozialistischen Gesellschaft verstehe ich eine Gesellschaft, in der ökonomische Aktivitäten, insbesondere die Produktion, so ausgeführt werden, dass die Wohlfahrt der Bevölkerung maximiert wird.“ Er fügte hinzu, dass in seiner Definition „die Betonung eher auf dem Ziel als auf den Mitteln liegt“. Siehe die Vorträge von Oskar Lange über „The Economic Operation of a Socialist Society: I and II“, veröffentlicht von Tadeusz Kowalik in „Oskar Lange’s Lectures on the Economic Operation of a Socialist Society“, wiederveröffentlicht in Contributions to Political Economy Nummer 6 (1987): 3,4.

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letzten Kapitel detailliert beschrieben haben. Dadurch würden Menschen den Sozialismus nicht mehr länger als antisozial verstehen, sondern mit dem Wort jedes zwangsfreie System verbinden, das den Prozess freier menschlicher Interaktion respektiert. „Sozialismus“ würde synonym werden mit Begriffen wie „ökonomischer Liberalismus“ und „Marktökonomie“. Sie transportieren gegenwärtig die Ideen des Respekts vor den spontanen gesellschaftlichen Prozessen und der Minimierung des systematischen Zwangs, den der Staat auf diese anwendet.138 Freilich: Die Ernüchterung angesichts des ständigen intensiven Strebens nach dem sozialistischen Ideal zusammen mit der im Grunde arroganten Natur des Menschen in allen Bereichen, besonders in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, macht es fast unmöglich sich vorzustellen, dass diese begrüßenswerte semantische Entwicklung tatsächlich eines Tages stattfindet.

138 Dies

wäre der Fall bei einem Wort, das rehabilitiert wird und eine wissenschaftlich kohärente Bedeutung erhält in einem Prozess, der die semantische Korruption rückgängig macht, die das Adjektiv sozial hervorruft, sobald es an ein Konzept gebunden wird – wie in Fußnote 108 erklärt.

4 Ludwig von Mises und der Anfang der Debatte über die Wirtschaftsrechnung In diesem und dem folgenden Kapitel schlagen wir vor, die Debatte über die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung in sozialistischen Volkswirtschaften näher zu analysieren. Der wissenschaftliche Rang der an dieser Debatte beteiligten Personen, ihre theoretische Tiefe und der Einfluss, den sie auf die folgende Entwicklung unserer Wissenschaft hatte, machen sie zu einer der entscheidendsten Debatten in der Geschichte des ökonomischen Denkens. Die Kapitel behandeln die wichtigsten Beiträge der Autoren zusammen mit den Phasen und wichtigsten Facetten der Kontroverse. Zudem wird es eine kritische Analyse der am weitesten verbreiteten Darstellung ihres Inhaltes und ihrer Entwicklung (die der Autor für fehlerhaft hält) geben sowie einen Versuch, verschiedene Erklärungsansätze für ihre Vorherrschaft bis in die jüngste Zeit anzubieten. Der erste Abschnitt wird damit beginnen, den historischen Hintergrund der Debatte zu erarbeiten und die wesentlichen Beiträge von Ludwig von Mises im Detail zu studieren.

4.1 Hintergrund Nur ein adäquates Verständnis des Funktionierens der Gesellschaft und des Marktes als einer spontanen Ordnung, die aus der ständigen Interaktion zwischen Millionen von Menschen entsteht, konnte es in der Geschichte des ökonomischen Denkens offensichtlich machen, dass der Sozialismus ein intellektueller Fehler und daher in Theorie und Praxis unmöglich ist. Die Tradition der Sichtweise auf die Gesellschaft, die in den letzten beiden Kapiteln präsentiert wurde, reicht mehr als zweitausend Jahre zurück.139 Ihre Entwicklung über die Jahrhunderte war jedoch sehr anstrengend und lag im ständigen Konflikt mit einem konstruktivistischen Rationalismus, der systematischen Zwang und Gewalt rechtfertigt und an dem sich der menschliche Intellekt fast intuitiv und unveränderlich orientiert. Es führt ein langer Weg vom antiken griechischen „kosmos“, verstanden als natürliche und spontane Ordnung, die unabhängig von dem bewussten Willen des Menschen geschaf­fen wurde, über die anerkannte römische Rechtstradition140 und die uns geschichtlich näheren Beiträge der spanischen Scholastiker, Cantillons, Turgots

139 Eine

sehr gute Übersicht über die Entwicklungen in der Geschichte des Denkens zum Verständnis von Gesellschaft als spontaner Ordnung findet sich in F.  A. Hayeks Artikel „Dr. Bernard Mandeville“, erschienen in: Freiburger Studien: gesammelte Aufsätze. Tübingen: Mohr, 1994, S. 126 – 143. 140 In den letzten zwei Kapiteln versuchten wir, die enge Beziehung offenzulegen zwischen unserem Verständnis der Gesellschaft und dem Gesetz in seinem materiell-rechtlichen Sinne als einem Set von abstrakten Regeln, die auf gleiche Weise bei allen Menschen angewendet werden. Nur der Rahmen, der in diesem Sinne durch Gesetze geschaffen wurde, ermöglicht die Ausübung der unternehmerischen Funktion und menschlicher Handlung und damit die ständige Schaffung und Übertragung verstreuter Informationen, die den Fortschritt der Zivilisation charakterisieren. Es ist daher kein reiner Zufall, dass die führenden klassischen Autoren des römischen Rechts zu der philosophischen Tradition beigetragen haben, die wir hier diskutieren.

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und Mengers bis zu Mises, Hayek und anderen zeitgenössischen klassisch-liberalen Denkern. Dieser Weg ist voll von Rückschritten und in vielen seiner Etappen komplett überflutet von der „schwarzen Welle“ des Szientismus. Die grundsätzliche Idee im Kern unserer Sozialismuskritik ist, dass keine Person die Information oder das Wissen erfassen kann, das notwendig ist, um eine Gesellschaft auf koordinierte Weise durch Befehle zu organisieren. Diese Idee ist eine natürliche Konsequenz aus dem Verständnis der Gesellschaft als einer spontanen Ordnung. Es ist daher nicht überraschend, dass dieses Konzept, obwohl es bis vor Kurzem nicht im Detail ausformuliert war, doch schon längere Zeit zumindest in embryonaler Form verteidigt wurde. So erzählt uns zum Beispiel Cicero, dass Cato das römische Rechtssystem sehr viel überlegener ansah, weil es „niemals einen Menschen auf der Welt gab, der so klug war, alles vorhersehen zu können und […] selbst wenn wir alle Gehirne in dem Kopf eines Menschen konzentrieren können, wäre es doch unmöglich für denjenigen sich um alles zu kümmern ohne die Erfahrung zu haben, die mit der Praxis über eine lange Zeit in der Geschichte kommt.“141 Viele Jahrhunderte später entwickelten Montesquieu und Turgot diese Idee weiter und formulierten eine Sichtweise, die sogar noch direkter mit dem Thema zu tun hat, das uns beschäftigt. Sie empfanden es als widersprüchlich zu denken, dass der Staat sich großen Projekten und gleichzeitig all den kleineren Details widmen

141 „Nostra

autem res publica non unius esset ingenio, sed multorum, nec una hominis vita, sed aliquod constitutum saeculis et aetatibus, nam neque ullum ingenium tantum extitisse dicebat, ut, quem res nulla fugeret, quisquam aliquando fuisset, neque cunta ingenia conlata in unum tantum posse uno tempore providere, ut omnia complecterentur sine rerum usu ac vetustate.“ (Marcus Tullius Cicero: De Re Publica, II, 1 – 2. Cambridge, Massachusetts: The Loeb Classical Library, 1961, S. 111 f.) Dieses Zitat findet sich auch in Bruno Leonis Buch Freedom and the Law (Indianapolis: Liberty Fund, 1991). Leonis Buch ist von allen Standpunkten aus außergewöhnlich, nicht nur, weil es die Parallelität zwischen Markt und dem Gewohnheitsrecht auf der einen Seite und der positivistischen Gesetzgebung und dem Sozialismus auf der anderen Seite offenlegt, sondern auch, weil Leoni der erste Jurist war, der realisierte, dass Mises’ Argument der Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung schlicht „ein spezieller Fall einer generelleren Tatsache ist, dass kein Gesetzgeber in der Lage ist, selber ohne irgendeine Art von fortlaufender Zusammenarbeit mit den betroffen Menschen die Regeln, die das aktuelle Verhalten eines jeden in den zahllosen Beziehungen, die jeder mit jedem hat, zu regieren. Genauso wenig wie öffentliche Meinungsumfragen, Referenden und Beratungen den Gesetzgeber wirklich in die Position versetzen würden, diese Regeln zu determinieren, genauso wenig könnte in einer ähnlichen Prozedur der Direktor einer Planwirtschaft die Gesamtnachfrage und das aggregierte Angebot aller Güter und Dienstleistungen entdecken. Das tatsächliche Verhalten von Menschen besteht darin, sich ständig den wechselnden Umständen anzupassen. Außerdem ist das tatsächliche Verhalten genauso wenig zu verwechseln mit Meinungsäußerungen, die etwa in öffentlichen Meinungsumfragen zutage treten, wie die mündliche Formulierung von Wünschen und Zielen mit der effektiven Marktnachfrage zu verwechseln ist.“ (Bruno Leoni: Freedom and the Law.) Zum Werk von Bruno Leoni, der 1950 die prestigeträchtige Zeitschrift Il Politico gründete, siehe: Omaggio a Bruno Leoni. Herausgegeben von Pasquale Scaramozzino. Mailand: A.Giuffrè, 1969; sowie den Artikel von Peter H. Aranson: „Bruno Leoni in Retrospect“, in: Harvard Journal of Law and Public Policy (Sommer 1988). Leoni war wie Polanyi ein facettenreicher Mann, der in Bereichen wie höhere Bildung, Recht, Betriebswirtschaft, Architektur, Musik und Sprachwissenschaften sehr aktiv war. Er wurde tragischerweise von einem seiner Mieter umgebracht, bei dem er am Abend des 21. Novembers 1967 die Miete abholen wollte. Er wurde 54 Jahre alt.

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kann, die dafür notwendig sind.142 Etwas über ein Jahrhundert später, im Jahre 1854, wiederholte Hermann Heinrich Gossen diese Idee fast wörtlich und es ist sein Verdienst, sie zum ersten Mal mit dem expliziten Ziel zu erwähnen, das kommunistische System zu kritisieren. Gossens Schlussfolgerung: Eine zentrale, von Kommunisten geplante Behörde, die das Ziel verfolgt, durch Zwang die unterschiedlichen Arten von Arbeit und deren Kompensationen zu allozieren, wird bald feststellen, dass diese Aufgabe zu schwierig für eine einzige Person ist.143 Zwanzig Jahre später zeigte ein anderer deutscher Ökonom, Albert Schäffle, Mengers unmittelbarer Vorgänger als Lehrstuhlinhaber an der ökonomischen Fakultät der Universität von Wien, dass es ohne die Imitation des Systems der Preisfindung im Marktprozess unvorstellbar ist, dass eine zentrale Planungsbehörde die Ressourcen einer Gesellschaft in qualitativer wie quantitativer Hinsicht effizient allozieren könnte.144 Am Ende des Jahrhunderts machte Walter Bagehot145 die Beobachtung, dass primitive, unzivilisierte Menschen unfähig waren, selbst die einfachsten Abschätzungen von Kosten und Nutzen aufzustellen. Bagehot schlussfolgerte, dass in allen industriellen Gesellschaften die Buchhaltung in Geldeinheiten notwendig ist, um Produktionskosten zu schätzen.

142 Montesquieu

schreibt in seinem Buch Vom Geist der Gesetze: „C’est dans ces idées que Cicéron disait si bien: ‚Je n’aime point qu’un même peuple soit en même temps le dominateur et le facteur de l’univers.‘ En effect, il faudrait supposer que chaque particulier dans cet État et tout l’État même, eussent toujours la tête pleine de grands projects et cette même tête remplie de petits; ce qui est contradictoire.“ (De L´Esprit de Lois, Teil 4 Buch 20, Kapitel 6, S. 350, Montesquieu, 1843). A. R. J. Turgot, „Éloge de Gournay“ (1759) in Turgot (1844, 275, 288). 143 Herrmann Heinrich Gossen: Entwicklung der Gesetze des Menschlichen Verkehrs und der daraus fliessenden Regeln für Menschliches Handeln. Braunschweig: Friedrich Vieweg und Sohn, 1854, S. 231. „Darum würde denn die vom Kommunisten projecierte Zentralbehörde zur Verteilung der verschiedenen Arbeiten sehr bald die Erfahrung machen, dass sie sich eine Aufgabe gestellt hat, deren Lösung die Kräfte einzelner Menschen weit übersteigt.“ Die dritte deutsche Auflage von Gossens Buch (Berlin: R. L. Praga, 1927) beinhaltet eine lange Einleitung von F. A. Hayek, in der dieser argumentiert, dass Gossen eher der Vorgänger der mathematischen Schule von Walras und Jevons als der Österreichischen Schule im engen Sinne ist. In diesem Licht sollten wir den Brief von Carl Menger and Léon Walras vom 27. Januar 1887 interpretieren. In diesem Brief führt Menger aus, dass er „nur in einigen Punkten, nicht aber in den entscheidenden Fragen zwischen uns Übereinstimmung, beziehungsweise Ähnlichkeit der Auffassung“ herrscht. Siehe William Jaffé: Correspondence of Léon Walras and Related Papers. Amsterdam: North-Holland, 1965, S. 176, Brief Nummer 765. 144 Die Quintessenz des Sozialismus. 18. Aufl. Gotha: F. A. Perthes, 1919, S. 51 – 52 (1. Aufl. 1874). Tatsächlich hing Mengers Nachfolge auf dem wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstuhl von der unerwarteten Ernennung Schäffles zum Handelsminister im Februar 1871 ab – ein Vorkommnis, das die Stelle auf dem Lehrstuhl vakant werden ließ. Zu dem unzweifelhaften Einfluss, den die Deutsche Historische Schule vor Menger (Roscher, Herrmann, Knies) auf einige seiner wichtigsten Beiträge ausübte, siehe Erich W. Streisslers interessanten Artikel: „The Influence of German Economics on the Work of Menger and Marshall“, in: Carl Menger and His Legacy in Economics. Hrsg. von Bruce J. Caldwell. Annual Supplement zu Band 22 der History of Political Economy. Durham: Duke University Press, 1990, S. 31 – 68. Eine detaillierte Kritik zu Schäffles Buch über den Sozialismus findet sich in Edward Stanley Robertsons Artikel: „The Impracticability of Socialism“, in: A Plea for Liberty: An Argument against Socialism and Socialistic Legislation, Consisting of an Introduction by Herbert Spencer and Essays by Various Writers. Hrsg. von Thomas Mackay (Hrsg.). Indianapolis: Liberty Classics, 1981 (ursprünglich publiziert 1891), S. 35 – 79. 145 Walter Bagehot: Economic Studies. London: Longmans Green, 1898, S. 54 – 58 (Neuauflage: Clifton, New Jersey: Kelly, 1973).

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Als Nächstes sollten wir den Beitrag Vilfredo Paretos erwähnen. Unsere Beurteilung seines Einflusses in der späteren Debatte über die sozialistische Wirtschaftsrechnung fällt ambivalent aus. Paretos Einfluss war in dem Ausmaße negativ, in dem er sich auf die mathematische Analyse ökonomischer Gleichgewichte konzentrierte – ein Ansatz, der von Anfang an annimmt, dass immer alle Informationen vorliegen, die für das Erreichen des Gleichgewichtes notwendig sind. Dieser Ansatz gab der Idee Raum, die später Enrico Barone entwickelte und viele andere Ökonomen bis zum Überdruss wiederholten, dass das Problem der Wirtschaftsrechnung in sozia­ listischen Volkswirtschaften genauso mathematisch gelöst werden könnte, wie es von Gleichgewichtsökonomen im Falle der Marktwirtschaft gestellt und gelöst wurde. Trotzdem sind weder Pareto noch Barone komplett verantwortlich für die gerade erwähnte inkorrekte Interpretation, da beide explizit die Aufmerksamkeit auf die Unmöglichkeit lenkten, ein entsprechendes System von Gleichungen ohne die Informationen, die der Markt selber bereitstellt, zu lösen. Insbesondere Pareto ging im Jahr 1897 so weit, in Bezug auf das Lösen von Gleichungssystemen zu versichern: „Als praktische Angelegenheit, also weit über den Einflussbereich algebraischer Analyse hinaus … In diesem Falle wären die Rollen vertauscht. Es wäre nicht mehr länger der Fall, dass die Mathematik der Wirtschaftspolitik zur Hilfe käme, sondern diesmal ist es so, dass die Wirtschaftspolitik der Mathematik zur Hilfe kommt. Mit anderen Worten, wenn alle Gleichungen tatsächlich bekannt wären,“146 Pareto verneint sogar ausdrücklich, dass es möglich ist, die Information zu beziehen, die notwendig für das Formulieren des Gleichungssystems ist, das die Beschreibung eines Gleichgewichtszustandes ermöglichen würde. Gleichzeitig berührt er ein zweites Problem: die algebraische Unmöglichkeit in der Praxis, das Gleichungssystem zu lösen, das formell das Gleichgewicht beschreibt.

146 Aufgrund seiner besonderen Bedeutung geben wir hier den Abschnitt 217 von Kapitel 3 aus Pare-

tos Manuel D’Économie Politique (neu veröffentlicht Genf: Droz, 1966, S. 233 – 234) wieder: „Les conditions que nous avons énumérées pour l’ équilibre économique nous donnent une notion générale de cet équilibre. Pour savoir ce qu’ étaient certains phénomènes nous avons du étudier leur manifestation, pour savoir ce que c’était que l’équilibre économique, nous avons du rechercher comment il était déterminé. Remarqons, d’ailleurs que cette détermination n’ a nullement pour but d’arriver à un calcul numérique des prix. Faisons l’hypothèse la plus favorable à un tel calcul, supposons que nous ayons triomphe de toutes les difficultés pour arriver à connaitre les données du problème, et que nous connaissons les ophélimités de toutes les marchendises pour chaque individu, toutes les circonstances de la production des marchandises, etc. C’ést là déjà une hypothèse absurde, et pourtant elle ne nous donne pas encore la possibilité pratique de résoudre ce problème. Nous avons vu que dans le cas de 100 individus et de 700 marchandises il y aurait 70.699 conditions (en réalité un grand nombre de circonstances, que nous avons jusqu’ici négligées, augmenteraient encore ce nombre), nous aurons donc à résoudre un système de 70.699 équations. Cela dépasse pratiquement la puissance de l’analyse algébrique, et cela la dépasserait encore davantage si l’on prenait en considération le nombre fabuleaux d’équations que donnerait une population de quarante millions d’individus, et quelques milliers de marchandises. Dans ces cas les ròles seraient changés: et ce ne serplus les mathématiques que viendraient en aide à l’économie politique, mais l’economie politique que viendrait en aide aux mathématiques. En autre termes si on pouvait vraiment connaitre toutes ces équations, le seul moyen acceeible aux forces humaines pour les résoudre, ce serait d’observer la solution pratique que donne le marche.“ Es gibt eine englische Übersetzung von Ann S. Schwier mit dem Titel: Manual of Political Economy (New York: Augustu Kelley, 1971). Siehe Abschnitt 171 für eine Übersetzung ins Englische.

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In der Nachfolge Paretos widmete sich Barone in seinem bekannten Artikel von 1908 der Anwendung des Paradigmas, das Pareto dem kollektivistischen Staat empfahl. Barone betont ausdrücklich, dass es – selbst wenn die praktischen Schwierigkeiten, das obige Gleichungssystem zu lösen, beseitigt werden könnten (was theoretisch unmöglich ist) – auf jeden Fall unvorstellbar (und daher wiederum theoretisch unmöglich) wäre, diejenigen Informationen zu erhalten, die notwendig sind, um die technischen Koeffizienten für die Formulierung eines korrespondierenden Systems von Gleichungen festzustellen.147 Trotz dieser klaren (allerdings vereinzelten) Warnungen hatten wir vorher gesagt, dass unsere Beurteilung der Beiträge Paretos und Barones ambivalent ist. Beide haben zwar explizit auf die praktischen Hindernisse bei der Lösung von entsprechenden Gleichungen hingewiesen und erwähnen auch die unüberwindbare theoretische Unmöglichkeit, die Informationen zu beziehen, die für die Beschreibung des Gleichgewichts nötig sind. Indem sie aber ein neues wissenschaftliches Paradigma in der Ökonomie aufgestellt haben, das auf dem Gebrauch mathematischer Methoden beruht, um Gleichgewichtsmodelle zumindest formell zu beschreiben, sind sie unweigerlich dazu gezwungen, zumindest auf formaler Ebene anzunehmen, dass diese Informationen erreichbar sind. Ungeachtet der Vorbehalte, die Pareto und Barone beiläufig äußerten, hat eine sehr große Anzahl von Ökonomen, die das von den beiden aufgestellte Paradigma fortsetzten, noch nicht verstanden, dass die mathematische Gleichgewichtsanalyse höchstens von hermeneutischem oder interpretativem Wert ist. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür nicht im Geringsten, dass das Problem theoretisch gelöst werden kann, dem sich alle Regierungsbehörden gegenübersehen, die versuchen, praktisches Wissen zu generieren, um die Gesellschaft zwangsweise zu planen und zu koordinieren. 147 Enrico

Barone: „Il Ministro della Produzione nello Stato Colletivista“, in: Giornale degli Economisti (Sept. – Okt. 1908), ins Englische übersetzt von F. A. Hayek: „The Ministry of Production in the Collectivist State“, in: Collectivist Economic Planning. F. A. Hayek (Hrsg.). Clifton: Augustus M. Kelley, 1975, Appendix A, S. 245 – 290. Enrico Barone führt insbesondere aus: „Es ist nicht unmöglich, die Gleichgewichtsgleichungen auf dem Papier zu lösen. Es wäre eine außergewöhnliche – eine gigantische – Arbeit, aber sie wäre keine Unmöglichkeit. Aber es ist schlicht unvorstellbar, dass die ökonomische Bestimmung der technischen Koeffizienten a priori gesetzt werden können. Diese ökonomische Variabilität technischer Koeffizienten wird von Kollektivisten sicher nicht beachtet. Dies ist auch der Grund, warum die Gleichgewichtsgleichungen für die maximale kollektive Wohlfahrt nicht auf dem Papier a priori lösbar sind.“ (S. 287 f.) Es ist eigentlich unglaublich, dass nach dieser klaren Aussage Barons zahlreiche Ökonomen, darunter so prominente wie etwa Schumpeter, meinten, dass Barone das Problem gelöst habe, das Mises zur theoretischen Unmöglichkeit des Sozialismus aufgeworfen hat. Die Aussagen dieser irrenden Ökonomen zeigen erstens, dass sie nicht das eigentliche Wesen des Problems erkannt haben, das Mises aufgeworfen hat, zweitens, dass sie weder Barone noch Pareto aufmerksam durchgelesen haben, und drittens, dass die Annahme vollständiger Informationen, die normalerweise dazu benutzt wird, ein formelles Gleichgewicht zu beschreiben, eigentlich eine Illusion ist, die sogar die brillantesten Köpfe verführen kann. Barone (1859 – 1924) lebte ein intensives und sonderbares Leben voller Wechselfälle. Er widmete sich nicht nur mathematischer Ökonomie, sondern auch dem Journalismus und dem Verfassen von Bühnenstücken (wo er hauptsächlich sein extensives Wissen über Militärgeschichte nutzte, das er als Oberst der Geschichtsabteilung erhielt). Damit wirkte er aktiv an der Entwicklung der jungen italienischen Filmindustrie mit. Zu Barone siehe Del Vecchios Artikel: „L’opera scientifica di Enrico Barone“, in: Giornale degli Economisti (November 1925), sowie den Artikel von F. Caffè: „Barone“, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, 1, S. 195 – 196.

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Der erste Artikel, der systematisch das unlösbare ökonomische Problem adressiert, mit dem eine kollektivistische Gesellschaft konfrontiert ist, wurde von dem niederländischen Ökonomen Nicolaas G. Pierson geschrieben.148 Piersons Artikel ist insbesondere deshalb erwähnenswert, weil er schon 1902 geschrieben wurde. Pierson legt dar, dass das Problem des Wertes allgemein – und besonders das Problem, das sich durch jede menschliche Handlung in Hinblick auf die Notwendigkeit stellt, Ziele und Mittel zu erkennen – untrennbar mit der menschlichen Natur verbunden ist. Es wird daher immer existieren und kann nicht durch die Einführung eines sozialistischen Systems vermieden werden. Außerdem erwähnt Pierson das große Hindernis, ohne Preise zu kalkulieren und zu bewerten, und kritisiert die abartigen Pläne zur praktischen Einführung des Kommunismus, die bis zu diesem Zeitpunkt formuliert worden sind – insbesondere die Wirtschaftsrechnung in Arbeitsstunden. Trotz all dieser bedeutenden Beiträge verfügte Pierson lediglich über eine brillante Intuition und konnte das Problem nicht erkennen, das sich durch den verstreuten Charakter praktischer Informationen ergibt, die ständig im Markt generiert und übermittelt werden. Und so wurde das Problem erst in Mises’ monumentalem Beitrag zum ersten Mal beschrieben.149 Kurz vor Mises war es Friedrich Wieser, der ebenfalls das grundsätzliche ökonomische Problem spürte, als er 1914 darlegte, dass in der Ökonomie die verstreuten Handlungen von Millionen von Individuen sehr viel effektiver sind als die Organisation von oben durch eine einzelne Autorität, da Letztere „niemals über die unzähligen Möglichkeiten informiert sein könnte“150. Nach Wieser nahm sich der deutsche Soziologe Max Weber in seinem Opus mag­ num Wirtschaft und Gesellschaft, 1922 posthum nach einer langen Bearbeitungszeit veröffentlicht, des ökonomischen Problems an, das aus dem Versuch erwachsen würde, den Sozialismus in die Praxis umzusetzen. Weber stellt klar, dass die Art der Rechnung, die von gewissen Sozialisten vorgeschlagen wurde, keine rationale Lösung für das Problem darstellt. Er betont insbesondere, dass der Schutz und der effiziente Einsatz von Kapital nur in einer Gesellschaft sichergestellt werden können, die auf den freien Austausch und Gebrauch von Geld aufbaut. Die weitverbreitete Zerstörung ökonomischer Ressourcen, die ein sozialistisches System (zwangsläufig ohne rationale Wirtschaftsrechnung) provozieren würde, würde die Bevölkerungsdichte, die zur Zeit Webers in den am dichtesten bevölkerten Ge148 Nicolaas

G. Pierson: „Het Waardeproblem in een socialistische Maatschappij“, veröffentlicht in der niederländischen Zeitschrift De Economist, 1, (1902), S. 423 – 456. G. Gardiner übersetzte diesen Artikel später ins Englische mit dem Titel „The Problem of Value in the Socialist Community“ (Kapitel 2 aus Collectivist Economic Planning, S. 41 – 85). Pierson (1839 – 1909), der stark von der Österreichischen Schule beeinflusst wurde, war Gouverneur der Zentralbank, Finanzminister und Ministerpräsident von Holland. Siehe die interessante Biografie dieses interessanten holländischen Ökonomen und Staatsmanns von J. G. Van Maarseveen (Rotterdam: Erasmus University, 1981) sowie Arnold Heertjes Artikel: „Nicolaas Gerard Pierson“, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, 3, S. 876. 149 Trotzdem bestätigt Mises, dass Pierson „das Problem im Jahr 1902 klar und vollständig erkannte“ (Socialism, S. 117). Interessanterweise schreibt Mises in Bezug auf Barone an gleicher Stelle: „Barone ist nicht zum Kern des Problems vorgestoßen.“ 150 Siehe Fußnote 200 im folgenden Kapitel.

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genden erreicht wurde, unmöglich machen.151 Wir haben keinen Grund, Weber zu misstrauen, wenn er in einer Fußnote vermerkt, dass er Mises’ wichtigen Artikel erst gelesen habe, als sein Buch in den Druck ging. Schließlich sollten wir den russischen Professor Boris Brutzkus erwähnen, dessen Werk unmittelbar mit den Arbeiten von Weber und Mises in Verbindung steht. In den frühen 1920er-Jahren brachte ihn seine Forschung über die praktischen Probleme, die durch die Etablierung des Kommunismus in Sowjetrussland aufgeworfen wurden, zu einigen Schlussfolgerungen, die denen von Mises und Weber sehr ähnlich sind. Er schrieb sogar ausdrücklich, dass eine Wirtschaftsrechnung in zentralen Planwirtschaften ohne Marktpreise theoretisch unmöglich ist.152 Diese Beiträge sind die wichtigsten und umfassen die Vorgeschichte der Debatte über die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung in sozialistischen Ökonomien. Ihr gemeinsamer Nenner ist der nicht perfekte und intuitive Zugang zu dem wesentlichen Problem, das der Sozialismus aufwirft und das detailliert im letzten Kapitel dargestellt wurde. Es besteht in der theoretischen Unmöglichkeit für zen­ trale Planungsbehörden, praktische Informationen zu erhalten, die wichtig für die Organisation einer Gesellschaft sind. Zudem war keine dieser Publikationen in der Lage, Sozialisten aus ihrer lethargischen Haltung zu erwecken, in der sie sich in reinster marxistischer Tradition üblicherweise darauf beschränkten, das kapitalistische System zu kritisieren, ohne ein Licht auf das grundsätzliche Problem zu wer151 Max Weber: Wirtschaft

und Gesellschaft, Kapitel 2, Punkte 12, 13, 14, S. 53 f. Max Weber schlussfolgert insbesondere: „Sie (die Planwirtschaft) muss dabei ferner im Fall radikaler Durchführung die Herabminderung der formalen rechnungsmäßigen Rationalität in Kauf nehmen, wie sie in diesem Fall der Fortfall der Geld- und Kapitalrechnung unvermeidlich bedingt. Materielle und (im Sinn exakter Rechnung) formale Rationalität fallen eben unvermeidlich weitgehend auseinander: diese grundlegende und letztlich unentrinnbare Irrationalität der Wirtschaft ist eine der Quellen aller ‚sozialen‘ Problematik, vor allem: derjenigen des Sozialismus.“ (S. 60) Weber zitiert sogar den Artikel von Professor Mises und deutet an, dass er ihn erst entdeckt habe, als er das Buch bereits geschrieben hatte und dieses bereits im Druck war. Es scheint daher, das beide Autoren unabhängig voneinander zu ihren Einsichten gekommen sind. Des Weiteren ist es insbesondere Max Weber zu verdanken, dass er als Erster gezeigt hat, dass der Sozialismus Bevölkerungswachstum und Entwicklung verhindert. Weber schreibt: „Es muss die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass die Erhaltung einer bestimmten Bevölkerungsdichte in einer bestimmten Gegend nur auf der Basis einer akkuraten Wirtschaftsrechnung möglich ist. Insoweit dies zutrifft, wird dem möglichen Ausmaß an Sozialisation ein Limit gesetzt durch die Notwendigkeit, ein System effektiver Preise beizubehalten.“ (The Theory of Social and Economic Organization. New York: The Press of Glencourt, 1964, S.  184 – 185). Gemäß unserer Analyse aus Kapitel  3 kann sich die Wissensteilung in einem sozialistischen Regime nicht ausbreiten und vertiefen, da die freie Schaffung und Übertragung neuer praktischer Informationen nicht erlaubt ist. Es ist daher notwendig, eine enorme Menge von Informationen zu reproduzieren. Angesichts der Begrenzung des menschlichen Gehirns besteht nur die Möglichkeit einer reinen Subsistenzwirtschaft mit einer kleinen Bevölkerung. 152 Ursprünglich erschienen Brutzkus’ Beiträge in den Jahren 1921 und 1922 auf russisch in der Zeitschrift Economist. 1928 erschienen sie dann auf Deutsch unter dem Titel: Die Lehren des Marxismus im Lichte der Russischen Revolution (Berlin: H. Sack, 1928) und wurden schließlich ins Englische übersetzt und in Brutzkus’ Buch Economic Planning in Soviet Russia (London: Routledge, 1935) zusammengestellt. Seit Neuestem werden die Beiträge Brutzkus’ sehr positiv bewertet, insbesondere weil er auf angemessene Art historische und theoretische Aspekte des Problems verbindet und die Trennung zwischen Theorie und Praxis vermeidet, die danach die Debatte beherrschte. Siehe Peter J. Boettke: The Political Economy of Soviet Socialism (The Formative Years 1918 – 1928). Dordrecht, Holland: Kluwer Academic Publishers, 1990, S. 30 – 35 und 41 – 42.

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fen, wie der Sozialismus funktionieren soll. Einzig Karl Kautsky, motiviert durch Piersons Artikel, wagte es, die stillschweigende Übereinkunft zwischen den Marxisten zu brechen, und versuchte, die Zukunft einer sozialistischen Organisation zu beschreiben. Das Einzige, was er dabei zeigte, war seine komplette Konfu­sion über das Problem, das Pierson aufzeigte.153 Danach wurden keine Beiträge aus sozialistischer Sicht von größerem Interesse mehr durchgeführt, bis Mises seinen grundsätzlichen Beitrag machte. Die einzige Ausnahme ist Otto Neurath.154 1919 153 Wir

beziehen uns auf eine Vorlesung, die Kautsky am 24. April 1902 in Delft hielt. Die Verschriftlichung erschien auf Englisch 1907 unter dem Titel: The Social Revolution and on the Morrow of the Revolution (London: Twentieth Century Press). Ein Vorläufer von Kautskys Position findet sich in G. Sulzers Arbeit Die Zukunft des Sozialismus, veröffentlicht 1899 in Dresden. 154 Otto Neurath: Durch die Kriegswirtschaft zur Naturalwirtschaft. München: G.  D.  W. Callwey, 1919. Wir müssen uns daran erinnern, dass Otto Neurath für eine kurze Periode Direktor des Bayerischen Zentralwirtschaftsamtes war, derjenigen Behörde, die für Sozialisierungspläne während der Räterepublik bzw. dem sowjetrevolutionären System in Bayern verantwortlich war – einem Regime, das im Frühling 1919 für kurze Zeit die Macht in München innehatte. Als die Revolution scheiterte und Neurath angeklagt wurde, sagte Max Weber zu seiner Verteidigung aus. Neurath starb 1945. Eine ähnliche Idee wie die Otto Neuraths wurde von Otto Bauer in seiner Arbeit Der Weg zum Sozialismus behandelt, die 1919 in Wien durch Ignaz Brand veröffentlicht wurde. In diesem Buch verteidigt Bauer genauso wie Neurath eine Form der sozialistischen Wirtschaftsrechnung, also ohne den Gebrauch von monetären Einheiten. Der spanische Ökonom Juan Martinez-Alier hat vor Kurzem in seinem Buch Ecological Economics die Beiträge von Neurath neu bewertet. Es ist interessant zu bemerken, dass sowohl Neurath als auch Bauer mehr oder weniger regelmäßig ein Seminar von Böhm-Bawerk besuchten, in dem Ludwig von Mises bis zum Jahr 1913 einer der aktivsten Teilnehmer war. Während Neuraths Kommentare eher durch seinen fanatischen marxistischen Eifer als durch seine intellektuelle Beflissenheit charakterisiert waren, hatte Otto Bauer, ebenfalls Marxist, keine andere Wahl, als zuzugeben, dass die marxistische Werttheorie unhaltbar war und Hilferding in seiner „Antwort“ auf Böhm-Bawerk nur seine eigene Unfähigkeit offenbart hat, selbst die Natur des Problems zu erfassen. Zu dieser Zeit entschied sich Mises, eine kritische Analyse über den Sozialismus zu schreiben, die aus seinen Reflexionen und Beobachtungen während des Militärdienstes im Ersten Weltkrieg – zunächst als Artilleriekapitän an der Ostfront (in den Karpaten) und dann beginnend 1917 im Zuge eines Anfalls von Typhus in der Wirtschaftsabteilung des österreichischen Verteidigungsministeriums – entstand. Auf jeden Fall waren Mises’ Ideen zum Sozialismus die logische Folge einer beeindruckenden theoretischen Integration, die er bereits 1912 ausführte. Die beste englische Edition dieses Buches ist The Theory of Money and Credit, übersetzt aus dem Deutschen von H. E. Batson mit einem Vorwort von Murray N. Rothbard. Mises’ Theorie integrierte den subjektiven internen Bereich individueller Bewertungen (ordinal) und den objektiven äußeren Bereich geschätzter Marktpreise in monetären Einheiten (kardinal). Diese beiden Bereiche können verbunden werden, sobald aus den unterschiedlichen subjektiven Bewertungen der Parteien ein Akt des zwischenmenschlichen Austausches entspringt. Diese Differenz wird in einem monetären Marktpreis oder einer historischen Handelsvereinbarung in monetären Einheiten ausgedrückt. Dieser Preis hat eine gewisse reale quantitative Existenz und versorgt den Unternehmer mit wertvollen Informationen, um den zukünftigen Verlauf der Ereignisse zu schätzen und Entscheidungen zu treffen (Wirtschaftsrechnung). Es ist daher offensichtlich: Wenn die freie menschliche Handlung durch Zwang verboten ist, dann finden freiwillige zwischenmenschliche Austausche nicht statt und die Brücke ist zerstört, die diese Austausche zwischen der subjektiven internen Welt direkter Bewertungen (ordinal) und der objektiven externen Welt der Preise (kardinal) konstituiert. Wirtschaftsrechnung ist damit vollkommen unmöglich. Wir verdanken diese ausgesprochen wichtige Idee zur Weiterentwicklung und Kohärenz des Mises’schen Denkens Murry N. Rothbard. Trotzdem glauben wir, dass Rothbard in seinem Wunsch, die Unterschiede zwischen Hayek und Mises zu betonen, nicht erkennt, dass die äußere Sphäre der Preise vor allem ein Problem der Schaffung und Übermittlung von existierendem und zukünftigem Wissen, das wichtig für die Wirtschaftsrechnung ist, darstellt. Wir können die Beiträge von Mises und Hayek mit deren offensichtlichen und unvermeidlichen Unterschieden sowohl in der Betonung als auch in geringfügigeren Punkten als zwei im Wesentlichen nicht zu unterscheidende Teile des gleichen grundsätzlichen Arguments gegen die sozialistische Wirtschaftsrechnung verstehen. Mises fokussiert mehr auf die dynamischen

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veröffentlichte er ein Buch, in dem er argumentierte, dass die Geschehnisse des Ersten Weltkrieges „bewiesen“ hätten, dass es möglich sei, einen Zentralplan in natura vollständig umzusetzen. Es war Neuraths Buch, das Mises zu seiner brillanten Antwort veranlasste. Diese war Teil einer Vorlesung, die er 1919 hielt und in der er die Grundlage für seinen Artikel legte, den er im Frühling des darauffolgenden Jahres veröffentlichte.155

4.2 Der wesentliche Beitrag von Ludwig von Mises Wenn es einen Punkt gibt, auf den sich alle Beteiligten an der Debatte über die sozialistische Wirtschaftsrechnung einigen können, dann ist das die Tatsache, dass die Debatte offiziell mit Mises’ berühmtem Artikel aus dem Jahre 1920 begann: „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“.156 Dieser Artikel reproduziert den Inhalt einer Vorlesung, die Mises im Jahr zuvor vor der Nationalökonomischen Gesellschaft gehalten hatte. In dieser Vorlesung hatte er auf Neuraths Buch geantwortet, das im gleichen Jahr erschienen war. Es wäre schwierig, den gewaltigen Einfluss zu übertreiben, den Mises’ Artikel unter seinen ökonomischen Kollegen und unter sozialistischen Theoretikern ausübte. Seine kalte strikte Logik, die Klarheit seiner Erklärungen und sein provozierender Geist machten es unmöglich, seine Argumente zu übersehen, wie es den Argumenten der Theoretiker vor ihm erging. Otto Leichter betonte daher, dass es Mises’ Verdienst sei, als Erster die Aufmerksamkeit sozialistischer Theoretiker auf die Notwendigkeit gelenkt zu haben, das Problem der Wirtschaftsrechnung zu lösen.157 Der sozialistische Ökonom Oskar Lange, von dem wir später in extenso sprechen, schrieb ironischerweise, dass Mises der sozialistischen Theorie einen so großen Dienst erwiesen hätte, dass man zu seinen Ehren eine Statue von ihm im wichtigsten Raum der zentralen Planungs-

Probleme, während Hayek vielleicht manchmal als jemand erscheint, der mehr auf die Probleme fokussiert, die sich durch das verstreute Wesen existierenden Wissens stellen. Siehe ebenfalls Fußnote 57 in Kapitel 2. 155 Zwei hervorragende Analysen der „Vorgeschichte“ der Debatte zur Wirtschaftsrechnung sind: F. A. Hayek: „Nature and History of the Problem“, in: Collectivist Economic Planning, S. 1 – 40, sowie David Ramsey Steele: „Posing the Problem: The Impossibility of Economic Calculation under Socialism“, in: Journal of Libertarian Studies 5, Nummer 1 (Winter 1981), S. 8 – 22. Trotz dieser Schriften, die wir hier in der „Vorgeschichte“ des Themas zitiert haben, und vor dem Auftritt von Mises wurde das Problem des Sozialismus eher als ein politisches Problem mit Bezug zu „Anreizen“ gesehen als ein ökonomisches. Ein brillantes Beispiel für diese Art von naiver Kritik am Sozialismus ist das Buch von William Hurrell Mallock: A Critical Examination of Socialism (New Brunswick: Transaction Publishers, 1990; ursprünglich veröffentlicht 1908). 156 Veröffentlicht im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 47 (April 1920), S. 86 – 121. Zwei Jahre später, 1922, reproduziert Mises den Inhalt fast Wort für Wort in einem Buch, in dem er jeden Aspekt des Sozialismus systematisch kritisiert: Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus (Jena: Gustav Fischer, 1922). 157 „Es ist das Verdienst von Ludwig von Mises, so energisch die Aufmerksamkeit der Sozialisten auf diese Frage gelenkt zu haben. Auch wenn es noch so wenig seine Intention war, durch seine Kritik an der positiven Entwicklung der sozialistischen Theorie und Praxis mitgewirkt zu haben, so muss doch Ehre gegeben werden, wem Ehre gebührt.“ (Die Wirtschaftsrechnung in der Sozialistischen Gesellschaft. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, 1932, S. 74)

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behörde jedes sozialistischen Landes aufstellen sollte.158 Es wäre vielleicht keine Überraschung, wenn Langes sarkastische Bemerkung im Lichte der Erfahrungen der Ostblockstaaten auf ihn zurückfallen würde und viele Plätze in den Hauptstädten früherer kommunistischer Staaten das Aufstellen von Mises-Statuen anstelle der obsoleten, zerfallenen Darstellungen alter marxistischer Führer sehen würden.159 Das Wesen und der grundsätzliche Inhalt von Mises’ Beitrag Zum ersten Mal begrenzte Mises seinen Fokus auf die theoretische Analyse der Prozesse, durch die praktische Informationen geschaffen und übertragen werden – Prozesse, aus denen das Leben in der Gesellschaft besteht und die in den Kapiteln 2 und 3 erarbeitet wurde. Mises’ Gebrauch von Begriffen war noch recht verschoben. Und anstatt von verstreuter praktischer Information zu sprechen, bezog er sich auf eine bestimmte „intellektuelle Arbeitsteilung“, die seiner Meinung nach das Wesen des Marktes ausmache und die Informationen bereitstelle, die Wirtschaftsrechnung in allen unternehmerischen Entscheidungen benötigt. Mises führte insbesondere aus: „Die Verteilung der Verfügungsgewalt über die wirtschaftlichen Güter der arbeitsteilig wirtschaftenden Sozialwirtschaft auf viele Individuen bewirkt eine Art geistiger Arbeitsteilung, ohne die Produktionsrechnung und Wirtschaft nicht möglich wären.“160 Zwei Jahre später, im Jahr 1922, wiederholte Mises in seiner systematischen Abhandlung über den Sozialismus die gleiche Idee sogar noch expliziter: „In Gesellschaften, die auf Arbeitsteilung aufbauen, bedingt die Verteilung von Eigentumsrechten eine Art mentaler Arbeitsteilung, ohne die eine Ökonomie oder systematische Produktion nicht möglich wäre.“161 Fünf Jahre später, 1927 in seinem Werk „Liberalismus“, schlussfolgerte Mises ausdrücklich, dass seine Analyse auf der Unmöglichkeit beruhe, innerhalb eines sozialistischen Systems die praktischen Informationen in Form von Marktpreisen zu schaffen, die notwendig für die intellektuelle Arbeitsteilung sind und nur aus der kreativen Kapazität der unternehmerischen Funktion menschlicher Handlung entstehen: „Der entscheidende Einwand, den die Ökonomie gegen die Möglichkeit des Sozialismus einwendet, besteht darin, dass er auf die geistige Arbeitsteilung verzichten muss, die aus der Zusammenarbeit aller Unternehmer, Landbesitzer und Arbeiter sowohl als Produzenten als auch als Konsumenten bei der Bildung von Marktpreisen besteht.“162 158 „Eine

Statue von Professor Mises sollte einen Ehrenplatz in der großen Halle des Ministeriums für Sozialisation und Zentralplanung in einem sozialistischen Staat erhalten, sowohl als Ausdruck der Anerkennung für den großen Dienst, den er geleistet hat, als auch zur Erinnerung an die höchste Wichtigkeit vernünftiger ökonomischer Buchführung.“ (Oskar Lange: „On the Economic Theory of Socialism“, in: Review of Economic Studies [Oktober 1936], S. 53.) 159 Eine Statue von Mises beehrt zumindest einen Platz: die Bibliothek der Fakultät für ökonomische Theorie an der Universität in Warschau, wo Oskar Lange seine Vorlesungen hielt. Die Statue steht tatsächlich an einem Platz gleich neben Oskar Langes altem Büro. Die Statue wurde in einer kurzen und bewegenden Zeremonie im September 1990 eingeweiht, dank der Bemühungen von George Koetter (siehe Free Market 9, Nummer 2 (Februar 1991), S. 8, sowie The Jounal of Economic Perspectives 5, Nummer 3 (Sommer 1991), S. 214 – 215). 160 Ludwig von Mises: „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“, S. 98. 161 Ludwig von Mises: Socialism, S. 101. 162 Ludwig von Mises: Liberalism. San Francisco: Cobden Press, 1985. Das Original dieser Arbeit erschien 1927 unter dem Titel Liberalismus (Jena: Gustav Fischer).

Der wesentliche Beitrag von Ludwig von Mises

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Ein anderer fundamentaler Beitrag von Mises war seine Entdeckung, dass die Informationen, die der Markt ständig generiert, aus der Ausübung der unternehmerischen Funktion entspringen und eng mit den besonderen Umständen von Ort und Zeit zusammenhängen, die nur von Individuen verstanden werden können, die in ihrem Kontext handeln. Praktisches unternehmerisches Wissen entsteht im Markt als ein Ergebnis der einzigartigen Stellung, die jeder einzelne Akteur im Produktionsprozess innehat. Wenn die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion behindert ist und ein Versuch unternommen wird, die gesamte Gesellschaft zwangsweise von oben zu organisieren, werden Unternehmer unfähig sein, frei zu handeln, und damit aufhören, Unternehmer zu sein. Sie werden sich nicht einmal der Informationen bewusst sein, die sie zu schaffen und zu erkennen versäumen. Davon werden Unternehmer unabhängig von ihrem akademischen Erfolg und ihren Management- sowie beruflichen Qualifikationen betroffen sein.163 Mises stellt fest: „Das kaufmännische Denken und Arbeiten des Unternehmers entspringt seiner Stellung im Wirtschaftsprozess und geht mit ihr verloren. Wenn man einen erfolgreichen Unternehmer zum Leiter eines gesamtwirtschaftlichen Betriebes bestellt, dann mag er gewisse Erfahrungen aus seiner früheren Stellung im Wirtschaftsprozess mitbringen und eine Zeit lang noch routinemäßig verwerten können. Doch mit seinem Eintritt in die gemeinwirtschaftliche Tätigkeit hört er auf, Kaufmann zu sein und wird Bureaukrat wie jeder andere Angestellte des öffentlichen Dienstes. Nicht Kenntnis der Buchhaltung, der Betriebsorganisation und des kaufmännischen Briefstils, nicht die Absolvierung einer Handelshochschule machen den Kaufmann aus, sondern seine charakteristische Stellung im Produk-

163 Die

grundsätzliche Idee von Mises lässt sich recht klar bis zu Carl Menger zurückverfolgen. Dies können wir dem Inhalt des Notizblocks entnehmen, in dem Kronprinz Rudolf seit 1876 die Ideen notierte, die ihm von Menger, der offiziell zu seinem Privatlehrer ernannt worden war, praktisch diktiert wurden. Tatsächlich lesen wir auf den Seiten 50 bis 51 seines 6. Heftes: „Eine Regierung kann unmöglich die Interessen aller ihrer Bürger wissen. Um ihnen zu helfen, müsste sie die unterschiedlichen Aktivitäten von jedem in Betracht ziehen … Unabhängig davon, wie sorgfältig und gut gemeint Institutionen gestaltet sind, werden sie niemals jedem passen. Nur das Individuum selbst kennt genau seine Interessen und die Mittel um sie zu verwirklichen… Selbst der hingebungsvollste Beamte ist nur ein blindes Werkzeug an einem Rechenschieber, welcher alle Probleme auf stereotype Art und Weise durch Regulierungen und Anweisungen behandelt. Er kann weder mit den Anforderungen des aktuellen Fortschritts mithalten noch mit der Vielfalt des praktischen Lebens. Es erscheint daher unmöglich, alle ökonomischen Aktivitäten auf stereotype Art und Weise zu behandeln, in dem unter der vollkommenen Nichtbeachtung individueller Interessen immer den gleichen Regeln nachgegangen wird. Erzherzog Rudolf, Kronprinz von Österreich, Politische Oekonomie, Januar- August 1876, Das Manuskript wurde in der Handschrift des Prinzen geschrieben und ist im Österreichischen Staatsarchiv aufbewahrt. Die Historikerin Brigitte Hamann hat die Aufzeichnungen entdeckt, Monika Streissler und David F. Good haben sie ins Englische übersetzt. „Es ist seltsam zu bemerken, dass Mises den tragischen Tod des Erzherzogs Rudolf als das Ergebnis des Einflusses von Carl Menger ansah. Menger war sich der zerstörerischen Wirkung bewusst, welche die Ausbreitung der giftigen intellektuellen Tendenzen gegen den Liberalismus notwendigerweise auf das österreichisch-ungarische Reich ausüben würde, und „übertrug diesen Pessimismus auf seinen jungen Studenten und Freund Erzherzog Rudolf, den Nachfolger auf dem österreichisch-ungarischen Thron. Der Erzherzog beging Selbstmord, weil er über die Zukunft seines Reiches und das Schicksal der europäischen Zivilisation verzweifelte und nicht wegen einer Frau (er nahm ein junges Mädchen mit in den Tod, das auch sterben wollte, beging aber nicht Selbstmord wegen ihr).“ Notes and Recollections, S. 34.

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tionsprozess, die das Interesse des Unternehmens mit seinen eigenen Interessen zusammenfallen lässt.“164 Mises entwickelt dieses Argument in seiner Abhandlung über den Sozialismus, in der er zu dem klaren Schluss kommt, dass „ein Unternehmer, der von seiner charakteristischen Rolle im ökonomischen Leben entbunden wurde, aufhört, ein Geschäftsmann zu sein. Egal wie viel Erfahrung und Routine er für seine neue Tätigkeit auch mitbringt, er wird doch wie ein Funktionär sein.“165 In dem Ausmaße also, in dem der Sozialismus die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion in dem grundsätzlichen Bereich der Produktionsfaktoren (Kapitalgüter und natürliche Ressourcen) gewaltsam verhindert, behindert der Sozialismus sowohl die Entstehung und Übertragung praktischer Informationen, die für eine passende Allokation dieser Faktoren durch eine zentrale Planungsbehörde notwendig wären. Da diese Informationen nicht entstehen, können sie auch nicht in der Wirtschaftsrechnung berücksichtigt werden, die jede rationale ökonomische Entscheidung begleiten muss. Die Personen der zentralen Regulierungsbehörde können daher noch nicht einmal sicher sein, ob sie nicht das Erreichen der Ziele verpassen, die selber als wünschenswerter erachten würden, während sie Entscheidungen treffen und handeln. Ökonomische Entscheidungen im Sozialismus sind daher willkürlich und werden unter größter Unsicherheit getroffen. An diesem Punkt ist es sehr wichtig zu betonen, dass Mises’ Argument ein theo­ retisches ist. Es stellt auf den intellektuellen Fehler ab, der jede sozialistische Idee fehlleitet, weil es unmöglich ist, eine Gesellschaft über zwingende Befehle zu organisieren angesichts dessen, dass die überwachende Behörde unmöglich die dafür notwendigen Informationen erhalten kann. Mises’ theoretisches Argument bezieht sich auf die praktische Unmöglichkeit des Sozialismus.166 Es ist, anders ausgedrückt, das entscheidende theoretische Argument, da Theorie nur eine abstrakte, formale und qualitative Analyse der Realität darstellt – eine Analyse, die niemals ihre Verbindung mit der Realität verlieren darf und so relevant wie möglich für Situationen und Prozesse in der Wirklichkeit bleiben muss. Es wäre daher kom164 Ludwig

von Mises: Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen, S. 112 – 113. Siehe ebenfalls den interessanten Artikel unseres Freundes W. Keizer: „The Property Rights Basis of Mises’ Critique of Socialism“, präsentiert auf der First European Conference on Austrian Economics, Universität Maastricht, 9. – 10. April 1992. 165 Ludwig von Mises: Socialism, S. 191. Salernos Dichotomie ist daher offenkundig absurd. Salerno behauptet, dass bei Mises das Problem des Sozialismus eines der Wirtschaftsrechnung und nicht eines des verstreuten Wissens sei, obwohl die beiden untrennbar miteinander verbunden sind. Wie wir von Anfang an gesehen haben, hat Mises selbst nicht nur die Wichtigkeit der „charakteristischen Rolle“ des Unternehmers bei der Beschaffung von Informationen betont; er verstand Ökonomie als eine Wissenschaft, die nicht Gegenstände, sondern Informationen zum Thema hat. „Ökonomie handelt nicht von Sachen oder gegenständlichen Objekten, sondern über Menschen, deren Absichten und Handlungen.“ (Human Action, S. 92.) 166 „Die Dichotomie zwischen theoretisch und praktisch ist falsch. In der Ökonomie sind alle Argumente theoretisch. Da die Ökonomie die wirkliche Welt diskutiert, sind diese theoretischen Argumente ihrem Wesen nach auch praktische.“ (Murray Rothbard: Man, Economy, and State: A Treatise on Economic Principles, Band 2. Los Angeles: Nash Publishing, 1970, S. 549.) Tatsächlich gibt es nichts Praktischeres als eine gute Theorie. Sowohl Mises’ Argument als auch das der mathematischen Ökonomen ist theoretisch. Mises bietet allerdings ein theoretisches Argument an, das für das tatsächliche Funktionieren des Marktes relevant ist.

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plett falsch, wenn sich Mises mit der Unmöglichkeit des Sozialismus in Form eines formellen Gleichgewichtmodells oder der „reinen Logik der Wahl“ beschäftigen würde, wie dies viele Autoren tun, die nicht fähig sind, zwischen Theorie und Gleichgewichtsanalyse zu unterscheiden. Tatsächlich war Mises bereit 1920 sehr daran gelegen, ausdrücklich auszuschließen, dass seine Analyse in einem Gleichgewichtsmodell angewendet werden könnte. Ein derartiges Modell setzt von Anfang an voraus, dass alle notwendigen Informationen vorhanden sind, und statuiert daher per definitionem, dass das fundamentale ökonomische Problem des Sozialismus bereits ab initio gelöst ist. Dies führt die Gleichgewichtstheoretiker deshalb dazu, das Problem zu übersehen. Momentan besteht das Problem des Sozialismus darin, dass die Autoritäten von Regulierungsbehörden, wenn sie einen Befehl oder eine Anweisung zum Vorteil oder Nachteil für einen ökonomischen Vorschlag herausgeben, nicht das notwendige Wissen haben, um feststellen zu können, ob sie korrekt handeln oder ob nicht. Daher können sie keinerlei Wirtschaftsrechnung durchführen. Wenn angenommen wird, dass die überwachende Behörde über alle notwendigen Informationen verfügt und außerdem keine Veränderungen auftreten, dann ist es offensichtlich, dass kein Problem in der Wirtschaftsrechnung auftritt, weil dieses von Anfang an als nicht existent verdrängt wird. Mises schreibt daher: „Die statische Wirtschaft vermag ohne Wirtschaftsrechnung auszukommen. Hier wiederholt sich im Wirtschaftlichen ja nur immer wieder dasselbe, und wenn wir annehmen, dass die erste Einrichtung der statischen sozialistischen Wirtschaft auf Grund der letzten Ergebnisse der freien Wirtschaft erfolgt, dann könnten wir uns ja allenfalls eine wirtschaftlich rational geleitete sozialistische Produktion vorstellen. Doch das ist eben nur in Gedanken möglich. Ganz abgesehen davon, dass es statische Wirtschaft im Leben nie geben kann, da sich die Daten immerfort verändern, so dass die Statik des Wirtschaftens nur eine […] gedankliche Annahme ist, der im Leben kein Zustand entspricht.“167 Mises’ Argument ist daher ein theoretisches, das auf die logische Unmöglichkeit des Sozialismus abhebt, aber ein Argument, das die Theorie der Logik des menschlichen Handelns in Betracht zieht. Es ist keine „Logik“ oder „Theorie“, die auf mechanischen Handlungen aufbaut, die in der Umgebung eines perfekten Gleichgewichtes durch „allwissende“ Wesen ausgeführt werden, die so übermenschlich sind, wie sie der Realität enthoben sind. Mises beschreibt das zwei Jahre später sogar noch klarer in seinem Buch über den Sozialismus: „Unter stationären Bedingungen existiert nicht mehr länger das Problem die Wirtschaftsrechnung zu lösen. Die wesentliche Funktion der Wirtschaftsrechnung wurde hypothetisch bereits ausgeführt. Es gibt keine Notwendigkeit für einen Rechenapparat. Um eine beliebte, aber nicht vollständig zufriedenstellende Terminologie zu benutzen können wir sagen, dass das Problem der Wirtschaftsrechnung eines der wirtschaftlichen Dynamik und kein Problem wirtschaftlicher Statik ist.“168 167 Ludwig 168 Ludwig

von Mises: Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen, S. 103. von Mises: Socialism, S. 120 – 121. Es hat daher keinen Sinn zu glauben, wie es Salerno tat, dass Mises das Problem der Wirtschaftsrechnung als ein reines Problem robinsonianischer Maximierung verstand, in dem Mittel und Ziele gegeben sind (siehe Joseph T. Salerno: „Lud-

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Ludwig von Mises und der Anfang der Debatte über die Wirtschaftsrechnung

Diese Stellungnahme von Mises passt hervorragend zu den Repräsentanten der österreichischen Tradition, wie sie von Carl Menger gegründet, danach von BöhmBawerk entwickelt und in der dritten Generation von Mises selbst unterstützt wurde. Tatsächlich ist nach Mises „das, was die Österreichische Schule unterscheidet und ihr den unsterblichen Ruhm verleiht, die Tatsache, dass sie eine Theorie der ökonomischen Handlung und nicht des ökonomischen Gleichgewichts oder der Nicht-Handlung erschaffen hat“.169 Im Gleichgewichtszustand ist keine Wirtschaftsrechnung nötig. Und so ist es nicht überraschend, das die Einzigen, die das Theorem der Unmöglichkeit sozialistischer Wirtschaftsrechnung entdecken konnten, die Förderer einer Schule waren, die wie die Österreichische Schule ihr wissenschaftliches Forschungsprogramm auf die theoretische Analyse realer, dynamischer Prozesse, wie sie im Markt ablaufen, fokussiert und nicht auf die Entwicklung partieller oder allgemeiner mechanistischer Gleichgewichtsmodelle. Wir haben nun gezeigt, dass Mises bereits in seinem oben erwähnten Artikel von 1920 explizit den Kern der Theorie von der Unmöglichkeit des Sozialismus formuliert hat, die wir im Detail in den Kapiteln 2 und 3 behandelt haben. Mises’ Abhandlung hatte großen Einfluss auf seinen jüngeren Kollegen Hayek, der durch sie inspiriert wurde, den „wohlgemeinten“ Sozialismus seiner frühen Jugend zu verwerfen, und in dieser Zeit begann, bemerkenswerte intellektuelle Anstrengungen zu unternehmen, um die Beiträge seines Mentors zu verfeinern und weiter auszuarbeiten.170 Daher können wird die fehlerhafte Auffassung nicht akzeptieren, dass es zwei unterschiedliche Argumente gegen die Möglichkeit der Wirtschaftsrechnung in sozialistischen Ökonomien gebe. Die Vertreter dieser Ansicht behaupten, dass das erste dieser Argumente ein schlicht algebraisches sei. Es sei ursprünglich von Mises präsentiert worden und zeige, dass eine Wirtschaftsrechnung immer dann unmöglich sei, wenn es keine Preise gebe, um Gewinne und Verluste zu buchen. Das zweite Argument ist anglich epistemologischer Natur und sei hauptsächlich von Hayek entwickelt worden. Es beweise, dass Sozialismus nicht funktionieren kann, weil es einer zentralen Planungsbehörde nicht möglich sei, Zugang zu den praktischen Informationen zu erlangen, die notwendig sind, um eine Gesellschaft zu organisieren.171 In Wirklichkeit zog Mises beide Argumente, das algebraische und das epistemologische, als zwei Seiten einer Medaille, weil es unmöglich ist, wig von Mises as Social Rationalist“, S. 46). Aus dynamischer Perspektive sind weder die Ziele noch die Mittel gegeben. Stattdessen müssen diese ständig geschaffen und entdeckt werden. Wirtschaftsrechnung beinhaltet, in die Zukunft zu schauen und damit neue Informationen zu schaffen. 169 Siehe Mises’ intellektuelle Autobiografie: Notes and Recollections, S. 36. 170 „Meine Gedanken wurden insbesondere durch Ludwig von Mises’ Verständnis von dem Problem der Ordnung einer Planwirtschaft inspiriert. Aber ich brauchte eine lange Zeit, um etwas zu entwickeln, das im Prinzip eine einfache Idee ist.“ (F. A. Hayek: „The Moral Imperative of the Market“, in: The Unfinished Agenda: Essays on the Political Economy of Government Policy in Honour of Arthur Seldon. London: Institute of Economic Affairs, 1986, S. 143.) 171 Verschiedene Autoren haben den Fehler gemacht zu glauben, dass das rechenbetonte Argument kein epistemologisches Argument impliziere und umgekehrt. Siehe zum Beispiel Chadran Kukathas: Hayek and Modern Liberalism. Oxford: Clarendon Press, 1989, S. 57; Murray N. Rothbard: Ludwig von Mises: Scholar, Creator and Hero. Auburn, Alabama: Ludwig von Mises Institute, 1988, S. 38, sowie die oben zitierten Arbeiten von J. T. Salerno.

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eine Wirtschaftsrechnung oder entsprechende vorausgehende Bewertungen aufzustellen, wenn die dafür notwendigen Informationen in Form von Marktpreisen nicht vorhanden sind. Es ist die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion, die fortwährend zur Schaffung solcher Informationen führt. Unternehmer haben ständig Handelsspannen und Marktpreise im Sinn, die in der Vergangenheit angewandt wurden, und versuchen, die Marktpreise zu schätzen oder zu entdecken, die in der Zukunft Anwendung finden werden. Dann handeln sie entsprechend ihrer Schätzungen und verursachen dadurch die Entstehung zukünftiger Preise. Mises selber schrieb 1922: „Es ist der spekulative Kapitalist, der die Fakten schafft, an die er sein Geschäft anpasst, und so die Richtung seines Handels festlegt.“172 Die obigen Überlegungen sollten uns nicht davon ablenken, dass Mises’ Pionierarbeit von 1920 noch relativ weit weg war von den verfeinerten Beiträgen, die er selber und Hayek in den folgenden Dekaden machen würden und die in der Analyse der unternehmerischen Funktion sowie den sich daraus ergebenden Prozessen kulminieren, in denen Information geschaffen wird – Prozesse, die wir in den Kapiteln 2 und 3 analysiert haben. Wir müssen außerdem in Betracht ziehen, dass Mises in seinem ersten Beitrag stark von dem vorherrschenden marxistischen Umfeld geprägt war, das er herausfordern wollte. Dies führte ihn dazu, besondere Betonung sowohl auf Geld als auch auf Preise zu legen, die notwendig für die Wirtschaftsrechnung sind. Um also Mises’ Artikel von 1920 in einen geeigneten Kontext zu stellen, wird der nächste Abschnitt für eine Auswertung des marxis­tischen Umfeldes genutzt, das in den akademischen und intellektuellen Zirkeln vorherrschte, in denen sich Mises in den Jahren vor 1920 bewegte – ein Umfeld, mit dem er in dem Seminar, das BöhmBawerk bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges leitete, sehr genau vertraut wurde.

4.3 Das Funktionieren des Sozialismus nach Marx Es gibt keinen Zweifel, dass Mises die marxistische Konzeption des Sozialismus, die in Europa zu Beginn der 20er-Jahre vorherrschte, vor Augen hatte, als er seine Pio­ nierarbeit schrieb. Wir müssen daher für einen Moment innehalten und die Ideen identifizieren, die in dieser Zeit zu einem so entscheidenden Thema zirkulierten. Am Anfang sollten wir fragen, ob Karl Marx überhaupt eine klare Idee von dem sozialistischen System hatte, das er predigte. Dies ist aus zwei Gründen ein wichtiger Punkt: erstens, weil Mises wiederholt Marx und seinen Schülern vorwirft, sie versuchten sich gegen jede kritische Analyse des sozialistischen Systems zu immunisieren, indem sie einfach argumentierten, dass eine derartige Analyse irrelevant und utopisch sei, da der Sozialismus zwangsläufig aus dem Kapitalismus entstehen würde; und zweitens, weil Marx selber fühlte, dass eine detaillierte Spekulation über spezifische Aspekte des zukünftigen Sozialismus innerhalb seines theoretischen Rahmens nicht „wissenschaftlich“ sei. Ungeachtet dessen und der Tatsache, dass dieser marxistische Ansatz systematisch dazu missbraucht wurde, eine theoretische Diskussion über die realistischen Chancen eines funktionierenden Sozia172 Ludwig

von Mises: Socialism, S. 121.

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lismus zu vermeiden, ist dieser Autor überzeugt: In der kritischen Analyse des Kapitalismus, die das Herzstück marxistischer Ideen repräsentiert, lässt sich – wenn auch in einer impliziten und embryonalen Form – klar eine Analyse erkennen, wie der Sozialismus in der Praxis funktionieren sollte.173 Marx war derart von dem ricardianischen Modell der Anpassung und des Gleichgewichts beeinflusst und besessen, dass seine gesamte Theorie darauf gerichtet ist, ein normatives Gleichgewicht zu rechtfertigen, und zwar in dem Sinne, dass seiner Auffassung nach das Proletariat von oben eine „Koordination“ erzwingen sollte, die sich der typischen Merkmale des Kapitalismus entledigt. Für die aktuelle, detaillierte Analyse wirtschaftlicher Verhältnisse des kapitalistischen Systems sollte es betont werden, dass Marx auf die Ungleichgewichte und Fehlanpassungen fokussiert, die im Markt entstehen, und marxistische Theorie hauptsächlich Ungleichgewichtstheorie ist. Paradoxerweise stimmt sie gelegentlich in einigen interessanten Punkten mit der Analyse von Marktprozessen überein, die von österreichischen Ökonomen im Allgemeinen und Hayek und Mises im Besonderen erarbeitet wurden. Interessanterweise verstand Marx zu einem gewissen Grad, wie der Markt als eine spontane und unpersönliche Ordnung als Prozess agiert, indem Informationen geschaffen und übermittelt werden, die eine Koordination in der Gesellschaft erlauben. Tatsächlich lesen wir in den Grundrissen: „Es wurde gesagt, dass hierin genau seine Schönheit und Größe liegt, diese spontanen Verbindungen, dieser materielle und mentale Metabolismus, der unabhängig von dem Wissen und dem Willen der Individuen abläuft und ihre gegenseitige Unabhängigkeit und Gleichgültigkeit unterstellt. Und bestimmt ist diese objektive Verbindung zu präferieren gegenüber überhaupt keiner Verbindung oder nur den lokalen Beziehungen, die auf Blutsverwandtschaft beruhen oder auf urzeitlichen, natürlichen oder Sklavenbeziehungen.“174 Außerdem erkennt Marx ausdrücklich die Rolle von Institutionen, die es Menschen ermöglichen, praktische Informationen zu beziehen und im Markt zu übermitteln, sowie deren Bedeutung für das Wissen ökonomischer Akteure: „Zusammen mit der Entwicklung dieser Entfremdung und auf der gleichen Grundlage werden Anstrengungen unternommen, diese zu überkommen: Es entstehen Institutionen, wobei jedes Individuum Informationen über die Handlungen aller anderen erhält und versucht, sein Verhalten entsprechend daran anzupassen. Obwohl Gesamtnachfrage und Angebot unabhängig von den Handlungen jedes Individuums sind, versucht jeder, sich darüber zu informieren, und dieses Wissen reagiert dann in der Praxis auf Gesamtnachfrage und Angebot.“175 Wenn Marx den Markt verurteilt, dann genau deshalb, weil er ihn mit einem „idealen“ ökonomischen System vergleicht, in dem Individuen ihre sozialen Beziehungen der zwingenden, zentralisierten und gemeinschaftlichen Verwaltung unterordnen, 173 Wir

stimmen daher im Wesentlichen mit Don Lavoie überein, dessen Kapitel über den marxistischen Sozialismus eines der brillantesten in seinem Buch Rivalry and Central Planning (Kapitel 2, S. 28 – 47) ist. Siehe ebenfalls N. Scott Arnold: Marx’s Radical Critique of Capitalist Society: A Reconstruction and Critical Evaluation. Oxford: Oxford University Press, 1990. 174 Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S. 161. 175 Ebenda.

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die dazu in der Lage sein soll, den gesamten gesellschaftlichen Prozess aus einer bewussten, absichtsvollen Organisation zu gestalten, während der Prozess im Markt unpersönlich und nicht bewusst durch irgendjemand geplant oder kontrolliert und daher „isolierend“ ist. Diese gesteuerte Verwaltung der gesamten Gesellschaft hängt überdies von der Formulierung eines detaillierten Planes a prio­ri ab, der den Autoritäten garantiert, eine ganze Gesellschaft so zu organisieren – ganz so, wie ein Architekt, der komplizierte Pläne für ein Gebäude entwirft, bevor es gebaut wird. „Den schlechtesten Architekten unterscheidet von den besten Bienen, dass der Architekt die Struktur zunächst in seiner Vorstellung aufbaut, bevor er sie in die Realität umsetzt.“176 Marx’ Kritik am Kapitalismus und die Verteidigung des Sozialismus, der jenen unwiderruflich ersetzen wird, liegt einzig in dem Kontrast zwischen der „Anarchie“ der Produktionsstrukturen im spontanen Marktprozess und der „perfekten Organisation“, die angeblich aus dem zentralen Planen entsteht. Es ist evident, dass Marx wesentlicher Fehler sowohl in seiner Verwechselung der Konzepte von praktischem und wissenschaftlichem Wissen als auch in seinem Glauben liegt, dass praktisches Wissen objektiv ist und von der zentralen Planungsbehörde „absorbiert“ werden kann. Marx übersieht die subjektive, exklusive, verstreute, stillschweigende und unaussprechliche Natur praktischen Wissens, die wir in Kapitel 2 sorgfältig beschrieben haben. Und er erkennt nicht, dass es von einem logischen Standpunkt aus nicht nur unmöglich ist, gesellschaftliche Fehlanpassungen zentral zu koordinieren, sondern auch, dass neue Informationen nur als Ergebnis eines kapitalistischen unternehmerischen Prozesses konstant entwickelt und erzeugt werden können, was sich nicht auf erzwungene und zentralisierte Weise wiederholen lässt. Mit anderen Worten können neue Technologien, Produkte und Verteilungsmechanismen und neue unternehmerische Informationen ganz allgemein logischerweise nur aus dem von Marx so sehr kritisierten spontanen Marktprozess entstehen, der durch unternehmerische Kraft angetrieben wird. Paradoxerweise ist daher aus seiner eigenen Sichtweise der marxistische Sozialismus ein utopischer Sozialismus. Denn ein geeignetes Verständnis von der logischen Natur der Informationen, die im Markt geschaffen und gebraucht werden, führt unausweichlich zu der Schlussfolgerung, dass die Kräfte technologischer und wirtschaftlicher Entwicklung, die im Markt wirken, es unmöglich machen, sich hin zu einer gesellschaftlichen Ordnung zu bewegen, die auf einer zentralisierten und erzwungenen Organisation des praktischen Wissens basiert. Dies und kein anderer ist Marx’ grundsätzlicher Fehler. Seine übrigen Irrtümer in ökonomischen und gesellschaftlichen Themenbereichen können als einzelne Folgen seines anfänglichen radikalen Fehlers angesehen werden. So ist seine Arbeitswerttheorie zum Beispiel schlicht ein natürliches Ergebnis seines Glaubens, 176 Karl

Marx: Das Kapital. In anderen Schriften wird Marx sogar noch ausdrücklicher in seiner Verteidigung zentraler Planung als dem einzigen Weg, ökonomische Aktivität zu organisieren: „Die vereinten genossenschaftlichen Gesellschaften regulieren die nationale Produktion auf Grundlage eines gemeinsamen Plans und nehmen sie damit in ihre Hände. Sie setzen ein Ende der ständigen Anarchie und periodischen Krämpfen, welche das Verhängnis kapitalistischer Produktion sind.“ (Marx, 1974a, S. 213.)

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dass Informationen oder Wissen objektiv sind und ohne Probleme von einem außenstehenden Dritten beobachtet werden können. Ganz im Gegenteil wissen wir, dass Wissen eine subjektive, verstreute und unaussprechliche Idee ist. Mit anderen Worten produziert es der menschliche Geist in Bezug auf ökonomische Mittel. Je nützlicher dem Akteur die Mittel erscheinen, um die Ziele zu erreichen, die er verfolgt, desto psychologisch intensiver wird er den Wert einschätzen. Marx fehlerhafte Werttheorie widerlegt seine gesamte Theorie des Mehrwertes oder der Ausbeutung. Nicht nur, dass Marx im eigenen Interesse all jene Werte ignorierte, die keine Wirtschaftsgüter sind und daher keine Arbeit zu ihrer Schaffung beinhalten. Böhm-Bawerk zeigte auch,177 dass die marxistische Analyse eine komplette Ignoranz gegenüber der Bedeutung der Zeitpräferenz erkennen lässt, also gegenüber der Tatsache, dass jede menschliche Handlung im Allgemeinen und alle Produktionsprozesse 177 Zusammenfassend

sind die Hauptargumente gegen die objektive Arbeitswerttheorie und ihre hauptsächliche Folge, die marxistische Theorie der Ausbeutung, die folgenden: Erstens sind nicht alle ökonomischen Güter das Produkt von Arbeit. Natürliche Ressourcen sind knapp und nützlich für das Erreichen menschlicher Ziele; sie stellen daher ökonomische Güter dar, obwohl sie keine Arbeit inkorporieren. Des Weiteren können zwei Güter, die die identische Summe von Arbeit benötigen, offensichtlich sehr unterschiedliche Werte haben, wenn ihre Produktion unterschiedliche Zeit braucht. Zweitens ist der Wert von Gütern subjektiv, wie wir in Kapitel 2 erklärt haben, da Wert nur eine Schätzung ist, die ein Mensch unternimmt, wenn er handelt. Er projiziert auf seine Mittel seine Einschätzung der Wichtigkeit für das Erreichen eines bestimmten Zieles. Daher können Güter, die eine große Menge von Arbeit benötigen, sehr wenig oder gar nichts wert sein, wenn der Handelnde später erkennt, dass sie nutzlos für das Erreichen irgendeines Zieles sind. Drittens hängen Arbeitswerttheoretiker von einem unlösbaren Widerspruch und zirkulären Argument ab: der Idee, dass Arbeit den Wert ökonomischer Güter bestimmt und der Wert der Arbeit wiederum durch den Wert ökonomischer Güter determiniert wird, die notwendig sind, sie zu reproduzieren und die produktive Kapazität des Arbeiters zu erhalten. Dies ist ein Beispiel für zirkuläres Argumentieren, weil der letzte Bestimmungsfaktor des Wertes nie bestimmt wird. Und viertens schließlich übersehen die Verteidiger dieser Theorie der Ausbeutung schamlos das Gesetz der Zeitpräferenz und damit die logische Wichtigkeit der Tatsache, dass ceteris paribus gegenwärtige Güter immer mehr wert sind als zukünftige Güter. Dieser Fehler führt sie zu der Erwartung, dass Arbeiter einen Lohn erhalten müssten, der mehr wert ist als der Wert, den sie produzieren, da die Verteidiger dieser Theorie argumentieren, dass ein Arbeiter, wenn er seinen Job macht, in bar für den gesamten Wert des Gutes bezahlt werden sollte, das komplett nur am Ende einer Zeitperiode von wechselnder Länge produziert sein wird. Die gesamte oben stehende Kritik an der marxistischen Werttheorie wird in Eugen von Böhm-Bawerks klassischem Werk Kapital und Kapitalzins mit dem Untertitel Geschichte und Kritik der Kapitalzins-Theorien (veröffentlicht in vier Ausgaben 1884, 1900, 1914 und 1921) in großem Detail analysiert. BöhmBawerk schrieb außerdem einen Artikel, der die Inkonsistenzen und Widersprüche aufdeckte, in die sich Marx verstrickte, als er in Band 3 des Kapitals versuchte, die Fehler und Widersprüche seiner Ausbeutungstheorie aufzulösen, die er ursprünglich in Band 1 des gleichen Werkes aufgestellt hat. Der Artikel heißt: „Zum Abschluss der Marxschen Systems“, in: Staatswissenschaftliche Arbeiten – Festgaben für Karl Knies zur Fünfundsiebzigsten Wiederkehr. Berlin: Haering, 1896, S. 85 – 205. Wir haben die englische Übersetzung verwendet, die erschienen ist unter dem Titel: „The Unresolved Contradiction in the Marxian Economic System“, in: Shorter Classics of Eugen von Böhm-Bawerk. Kapitel 4. South Holland, Illinois: Libertarian Press, 1962. Von marxistischer Seite versuchte nur Rudolf Hilferding (1877 – 1941) in seinem Artikel „Böhm-Bawerks Marx Kritik“ (veröffentlicht in Band 1 der Marx Studien. Wien: I. Brand, 1904), den Argumenten von Böhm-Bawerk etwas entgegenzusetzen – und das erfolglos. In Bezug auf Hilferdings Artikel schließt Böhm-Bawerk: „Nichts, was darin enthalten ist, veranlasst mich dazu, meine Meinung in irgendeiner Form zu ändern.“ (Siehe Capital and Intrest, Band 1, S. 472.) Tatsächlich teilte selbst Otto Bauer – ein sozialistischer Theoretiker, der wie Mises an Böhm-Bawerks Seminar teilnahm – Mises direkt mit, dass Hilferding das Wesentliche von Böhm-Bawerks Kritik an Marx wohl nicht verstanden hätte. Siehe Ludwig von Mises: Notes and Recollections, S. 40.

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im Besonderen Zeit beanspruchen. Marx erwartet also, dass Arbeitern nicht der Wert ausbezahlt wird, den sie produzieren, sondern beachtlich mehr, da er fordert, dass sie den gesamten Wert ihres Beitrages zum Produk­tionsprozess erhalten – ein Wert, der nicht zum Zeitpunkt ermittelt wird, zu dem der Beitrag geleistet wird, sondern auf einen späteren Zeitpunkt projiziert wird, wenn der gesamte Produktionsprozess abgeschlossen ist. Zusätzlich beruht Marx’ Analyse des Mehrwertes auf einem Zirkelschluss, der nichts erklärt. Der angeblich objektive Wert der Arbeit basiert auf den Kosten für seine Reproduktion, also dem Wert der Güter, die notwendig sind, um sie zu erhalten. Dieser wird wiederum durch die Arbeit bestimmt, die in diesen Gütern kooperiert ist, und so weiter. Dies führt in einen Circulus vitiosus aus fehlerhaften Gedanken, die keine Erklärung beinhalten. Marx glaubte, dass der ideale sozialistische Staat die Gesellschaft wie eine „gigantische Fabrik“ komplett von oben, auf „rationale“ Weise organisieren würde. Er glaubte, dass dies der einzige Weg sei, die für ein kapitalistisches System typischen großen Ineffizienzen und Redundanzen zu beseitigen, und dass es obendrein möglich sei, Marktbeziehungen im Allgemeinen und die Zirkulation von Geld – verstanden als Tauschmittel – im Besonderen zu verbieten. Marx stellt daher ausdrücklich fest: „Im Falle sozialisierter Produktion ist das Geldkapital entfernt. Die Gesellschaft verteilt die Arbeitskraft und die Produktionsmittel auf die unterschiedlichen Produktionsbereiche. Die Produzenten erhalten für ihre Angelegenheiten Papiergutscheine, die sie dazu berechtigen, über eine ihrer Arbeitszeit entsprechende Menge des gesellschaftlichen Angebots an Konsumgütern zu verfügen. Diese Anweisungen sind kein Geld. Sie zirkulieren nicht.“178 An anderer Stelle stellt er ebenfalls in Bezug auf die Gutscheine fest: „Sie sind ebensowenig Geld wie eine Theatermarke.“179 Marx gab später den Gedanken an seine Schüler weiter und Friedrich Engels popularisierte die bekannteste Version in seinem Anti-Dühring, wo er schreibt: „Die Gesellschaft kann einfach berechnen, wieviel Arbeitsstunden in einer Dampfmaschine, einem Hektoliter Weizen der letzten Ernte, in hundert Quadratmeter Tuch von bestimmter Qualität stecken. Es kann ihr also nicht einfallen, die in den Produkten niedergelegten Arbeitsquanta, die sie alsdann direkt und absolut kennt, noch fernerhin in einem nur relativen, schwankenden, unzulänglichen, früher als Notbehelf unvermeidlichen Maß, in einem dritten Produkt auszudrücken und nicht in ihrem natürlichen, adäquaten, absoluten Maß, der Zeit. Ebensowenig wie es der Chemie einfallen würde, die Atomgewichte auch dann auf dem Umwege des Wasserstoffatoms relativ auszudrücken, sobald sie imstande wäre, sie absolut, in ihrem adäquaten Maß auszudrücken, nämlich in wirklichem Gewicht, in Billiontel oder Quadrilliontel Gramm. Die Gesellschaft schreibt also unter obigen Voraussetzungen den Produkten auch keine Werte zu. Sie wird die einfache Tatsache, daß die hundert Quadratmeter Tuch meinetwegen tausend Arbeitsstunden zu ihrer Produktion erfordert haben, nicht in der schielenden und sinnlosen Weise ausdrücken, sie seien tausend Arbeitsstunden wert. 178 K. 179 K.

Marx, F. Engels: Werke, Bd. 24, „Das Kapital“, Bd. II. Berlin / DDR: S. Dietz Verlag, 1963, S. 358. Marx, F. Engels: Werke, Bd. 23, „Das Kapital“, Bd. I. Berlin / DDR: S. Dietz Verlag, 1968, S. 109.

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Allerdings wird auch dann die Gesellschaft wissen müssen, wieviel Arbeit jeder Gebrauchsgegenstand zu seiner Herstellung bedarf. Sie wird den Produktionsplan einzurichten haben nach den Produktionsmitteln, wozu besonders auch die Arbeitskräfte gehören. Die Nutzeffekte der verschiednen Gebrauchsgegenstände, abgewogen untereinander und gegenüber den zu ihrer Herstellung nötigen Arbeitsmengen, werden den Plan schließlich bestimmen. Die Leute machen alles sehr einfach ab ohne Dazwischenkunft des vielberühmten ‚Werts‘.“180 Wenn Mises in seinem Artikel 1920 die Betonung auf die Notwendigkeit von Geld und Geldpreisen für die Wirtschaftsrechnung legt, ist dies im Kontext dieser Beiträge von Marx181 und seiner engsten Schüler zu sehen. Diese und andere Themen werden im folgenden Abschnitt behandelt.

4.4 Zusätzliche Überlegungen zu Mises’ Beitrag Mises’ Widerlegung der Marx’schen Analyse Es ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass Mises’ Argument, der Sozialismus stelle eine logische Unmöglichkeit dar, nicht nur eine theoretische Feststellung gegen die Wahrscheinlichkeit ist, dass er in Zukunft funktionieren wird. Es ist auch ein gut gezielter Angriff auf das Herzstück der Analyse von Karl Marx. Eigentlich stimmt Mises mit Marx vollkommen darin überein, dass im Gleichgewichtszustand kein Geld oder Tauschmittel notwendig wäre, angenommen dass jede Information objektiv und für die zentrale Regierungsbehörde verfügbar wäre. Mises hält daher ausdrücklich fest: „Geld ist notwendigerweise ein dynamischer Faktor, in einem statischen System gibt es keinen Platz für Geld.“182 Nichtsdestotrotz haben wir 180 K.

Marx, F. Engels: Werke, Bd. 20, „Herrn Eugen Dührung‘s Umwälzung der Wissenschaft“. Berlin / DDR: S. Dietz Verlag, 1962, S. 288. 181 Außerdem betrachtete Marx die interventionistischen und syndikalistischen Versionen des Sozialismus als „utopisch“. Er hielt den Interventionismus für utopisch, weil seine Verteidiger die anarchistische Natur, die typisch für die Produktion auf dem Markt ist, beibehalten wollten, während sie ihn mit isolierten Regierungsanweisungen korrigierten, um sozialistische Ziele zu erreichen. In dieser Beziehung akzeptierte Marx vollständig die Argumente, die von den Mitgliedern der klassischen Schule der Ökonomie gegen den Interventionismus erhoben wurden. Er sah, dass Sozial- und Arbeitsgesetzgebung niemals ihre eigenen Ziele erreichen werden, genauso wie es nie möglich sein wird, das Gravitationsgesetz zu ändern. Deshalb werden offizielle Anordnungen nicht darin erfolgreich sein, Löhne substanziell zu erhöhen – selbst wenn man annimmt, dass Regierungsautoritäten ernsthaft wünschen, dass sie erhöht werden. Marx betrachtete den Syndikalismus als utopisch, weil dieser unfähig war zu erklären, wie die unterschiedlichen unabhängigen Industrien und Fabriken, die durch Arbeiter kontrolliert werden, ihre Aktivitäten auf rationale Art und Weise vom Standpunkt der Gesellschaft als Ganzes koordinieren könnten. Was Marx nicht realisierte, wie wir im Text gezeigt haben, ist, dass aus seiner eigenen Perspektive die Art des Sozialismus, die er entwickelte, ebenfalls utopisch war, da die Information, die für den ökonomischen, technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt notwendig ist, nicht in einem Umfeld von gewaltsamer Zentralplanung entstehen kann. 182 Des Weiteren stimmt Mises mit Marx vollkommen darin überein, dass das „Geld“, das im Gleichgewichtszustand genutzt wird, gar nicht Geld ist. Er behauptet nicht, so wie es Marx tut, dass es aus Gutscheinen existiert, die einfach wie Karten für ein Theater funktionieren würden. Aber er schreibt: „Es wäre nur ein numéraire, eine unbestimmte Buchungseinheit mit vagem und nicht identifizierbarem Charakter, welche die Einbildung vieler Ökonomen und viele Laien fehlerhaft als Geld ansehen.“ Mises fügt an anderer Stelle in Human Action hinzu: „Es ist unmöglich, irgendeine Funktion dem indirekten Tausch, Tauschmitteln oder Geld zuzuweisen. […] Gibt es

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gesehen, dass sich Mises’ Argument nicht auf ein genauso hypothetisches wie unmögliches Gleichgewichtsmodell bezieht, in dem niemals Veränderungen geschehen und alle gesellschaftlichen Fehlanpassungen verschwunden sind, weil sie von oben durch eine zentrale Planungsbehörde, die alle wichtigen Informationen besitzt, mittels Zwang koordiniert wurden. Unter solchen praxisfernen Umständen sieht Mises hingegen kein wie auch immer geartetes Problem der Wirtschaftsrechnung. Der fundamentale Beitrag, den Mises leistete, bestand genau darin zu zeigen, dass es für zentrale Planungsbehörden in der realen Welt theoretisch unmöglich ist, die Gesellschaft zwangsweise zu koordinieren. In diesem Sinne legte Mises’ Beitrag nicht nur die logische Unmöglichkeit des Sozialismus offen, sondern kon­ stituiert auch das definitive theoretische Argument gegen die Lehren von Marx. Es ist klar, dass nur jemand mit Mises’ enthusiastischem und profundem Verständnis für das echte Funktionieren des Marktprozesses verstehen konnte, dass Wirtschaftsrechnung und soziale Koordination außerhalb des Marktes unmöglich sind. Nichtsdestotrotz ist es wichtig zu erwähnen: Wenn sich Mises auf „Marktpreis“ und „Wettbewerb“ bezieht, deren Fehlen genau das ist, was eine Wirtschaftsrechnung außerhalb des Marktes ausschließt, dann meint er etwas ganz anderes als das, was die neoklassischen Gleichgewichtstheoretiker meinen, wenn sie sich auf „Preis“ und „Wettbewerb“ beziehen. Für Mises ist der Preis ein historischer Handelsumstand, der zwangsläufig aus einem wettbewerblichen Prozess entsteht, den die Kraft der unternehmerischen Funktion antreibt. Es handelt sich also nicht um einen Parameter, der bestimmt, zu welchem Preis Alternativen in Bezug auf den Rest angeboten werden müssen. Sogar noch wichtiger: Der Begriff Wettbewerb hat für Mises eine Bedeutung, die das genaue Gegenteil dessen ist, was die neoklassische Schule unter dem Begriff versteht. Während sich das Modell des sogenannten „perfekten Wettbewerbes“ auf einen bestimmten Gleichgewichtszustand bezieht, in dem sich alle Teilnehmer passiv dazu verpflichten, das gleiche Produkt zu einem gegebenen Preis zu verkaufen, bedeutet für Mises Wettbewerb einen dynamischen Prozess der Rivalität zwischen Unternehmern. Diese verkaufen nicht zu einem gegebenen Preis, sondern treffen ständig Entscheidungen und nehmen neue Handlungen und Austausche vor, die zu neuen Informationen führen, die sich wiederum kontinuierlich in neuen Marktpreisen materialisieren. Später werden wir in dem keine Unsicherheit über die Zukunft, gibt es auch keine Notwendigkeit für irgendeine Form von Bargeldhaltung. Der Nutzen von Tauschmitteln und das Halten von Bargeldreserven sind durch die Änderbarkeit ökonomischer Daten bestimmt. Geld selber ist ein Element der Veränderung. Seine Existenz ist inkompatibel mit der Idee des gleichmäßigen Fließens in einer gleichmäßig rotierenden Ökonomie“. Unserer Kenntnis nach findet sich die beste Analyse über die unterschiedlichen Konzepte von Geld in einer Marktwirtschaft und in einem sozialistischen System in dem Buch von Trygve J. B. Hoff: Economic Calculation in the Socialist Society. Indianapolis: Liberty Press, 1981, Kapitel 6: „Money and the Formation of Prices of Consumer Goods in a Socialist Society with Free Choice of Goods and Occupation“, insbesondere S. 101 – 115. Hoff macht sehr deutlich, das der Begriff Geld, obwohl er sowohl in der Marktwirtschaft als auch in der sozialistischen Ökonomie benutzt wird, eigentlich zwei grundsätzlich unterschiedliche Konzepte bezeichnen – nicht nur, weil Preise in einem sozialistischen Regime einzig als Parameter dienen (was bedeutet, dass sie nachträgliche Anpassungsfunktionen erfüllen, aber keine Marktfunktion in dem Sinne, dass sie neue Informationen kreieren und einbinden), sondern auch, weil nur Konsumgüter erworben werden können, während der Staat das einzige Geschäft dafür benutzt.

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Kapitel über Oskar Lange die Unterschiede zwischen den Konzepten über Preis und Wettbewerb, die von Mises und den neoklassischen Ökonomen vertreten werden, genauer untersuchen. An dieser Stelle sollte betont werden, dass sich Mises in seinem ursprünglichen Artikel von 1920 auf die Sichtweise auf Planwirtschaft konzentrierte, die in Marx’ Beiträgen impliziert war und bereits diskutiert wurde. Da Marx insbesondere die Notwendigkeit von Geldpreisen bezweifelte, war es für Mises folgerichtig zu betonen, dass sowohl Preise als auch Geld notwendig für eine Wirtschaftsrechnung sind. Im Verlauf der Debatte akzeptierten die sozialistischen Teilnehmer schließlich, dass Geld und Preise, obwohl im strikten Sinne als Parameter verstanden, für ökonomische Wirtschaftsrechnung notwendig sind. Erst dann führte Hayek das Argument (das sein Mentor Mises ebenfalls ursprünglich eingeführt hatte) zu seinem logischen Schluss, dass nämlich eine Wirtschaftsrechnung wahre Marktpreise und keine parametrischen Preise benötigt und daher ohne genuine Wettbewerbsmärkte und Privateigentum an Produktionsfaktoren weder die Ausübung der unternehmerischen Funktion noch die für die Gesellschaft benötigte Anpassung und Koordinierung möglich ist. Nichtsdestotrotz erinnern wir daran, das die grundsätzlichen Elemente des fundamentalen Argumentes der Rolle der praktischen Information oder des Wissens, das verstreut über den Markt verteilt ist, bereits in dem ursprünglichen Beitrag von Mises aus dem Jahr 1920 enthalten war und später von Hayek und Mises selber verfeinert und perfektioniert wurde. Die monetäre Wirtschaftsrechnung von Gewinnen und Verlusten Im zweiten Abschnitt „Das Wesen der Wirtschaftsrechnung“ seines 1920 erschienenen Artikels unterscheidet Mises zwischen drei unterschiedlichen Typen von Werturteilen, die jeder Akteur treffen kann, wenn er handelt: unmittelbare Werturteile, Urteile über Konsumgüter und Urteile über Produktionsmittel. Unmittelbare Werturteile und Werturteile über Konsumgüter werden durch den Handelnden direkt ausgeführt, also durch eine Wirtschaftsrechnung in natura, in der jeder Akteur einfach auf seiner Wertskala die Rangfolge seiner unterschiedlichen Ziele und die Konsummittel vergleicht, die notwendig sind, um diese zu erreichen. Dagegen ist die Beurteilung von Produktionsfaktoren ungleich komplexer. Das trifft insbesondere in einer Produk­ tionsstruktur zu, die wie die moderne aus einem sehr stark ausgearbeiteten Netzwerk von unterschiedlichen Produktionsschritten besteht, die auf sehr komplizierte Weise miteinander zusammenhängen und Zeitperioden von sehr unterschiedlicher Länge beanspruchen. Mises erklärt daher zu Recht: „Doch der Geist eines Menschen allein – und sei es auch der Genialste – ist zu schwach, um die Wichtigkeit eines jeden einzelnen von unendlich vielen Gütern höherer Ordnung zu erfassen.“183 In der Tat sind Entscheidungen über Produktionsfaktoren so kompliziert, dass sie Einschätzungen bedürfen, die nur möglich sind, wenn man die Informationen besitzt, die durch Geldpreise bereitgestellt werden – Preise, die aus dem Marktprozess selber entstehen. Nur durch die Ausübung der unternehmerischen Funktion können Fehlanpassungen 183 Ludwig

von Mises: „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik (1920), S. 96.

Zusätzliche Überlegungen zu Mises’ Beitrag

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in der Produktionsstruktur eliminiert werden und nur durch sie lässt sich die Koordination schaffen, die das Leben in der Gesellschaft möglich macht. Das Herzstück dieses Prozesses besteht in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung, die Unternehmer laufend aufstellen, wenn sie am Markt für Produktionsmittel agieren. Sobald sie eine Gewinnmöglichkeit entdecken, nutzen sie dies aus, indem sie Produktionsmittel zu einem Marktpreis einkaufen, den sie niedriger einschätzen als den Verkaufspreis, den sie für das Konsumgut erzielen werden, sobald es produziert ist. Demgegenüber zeigen Verluste, dass der Unternehmer einen Fehler begangen hat, als er handelte, und knappe Ressourcen für die Produktion von bestimmten Konsumgütern und Dienstleistungen verwendet hat, obwohl andere wichtiger oder dringender notwendig waren (nämlich diejenigen, die einen Gewinn anstatt eines Verlusts erzielen). Wenn Unternehmer Produktionsfaktoren kaufen oder verkaufen oder Produktionen unternehmen, „handeln“ sie nicht einfach, indem sie sich einfach einer Anzahl von chimärischen parametrischen Preisen anpassen. Vielmehr formen sie ständig aktiv Marktpreise, in die sie unbewusst Informationen einfließen lassen, die sie von Moment zu Moment erschaffen oder entdecken. Ohne Geld, Privateigentum und Freiheit der unternehmerischen Funktion wird die konstante Erschaffung, Entdeckung und Übertragung dieser Information und in der Folge auch die Bildung von Marktpreisen verhindert, die das wesentliche Rohmaterial für die Wirtschaftsrechnung sind, die eine Koordination in der Gesellschaft möglich macht. Das praktische Ausreichen der Wirtschaftsrechnung Mises identifizierte drei Vorteile der Wirtschaftsrechnung, wie sie in einer wirklichen Marktwirtschaft vonstattengeht. Erstens ermöglicht es die Wirtschaftsrechnung, Bewertungen anderer ökonomischer Akteure zu beachten, die am gesellschaftlichen Prozess teilnehmen. Zweitens versorgt die Wirtschaftsrechnung Unternehmer mit einer Orientierung für ihre Handlungen in dem Sinne, dass sie die Formen der Produktionsprozesse vorgibt, die diese verfolgen beziehungsweise nicht verfolgen sollten. Dies geschieht durch die Indikatoren oder „Zeichen“, die durch Gewinn- und Verlustschätzungen ausgedrückt werden, welche die Unternehmer ständig vornehmen. Drittens erlaubt es die Wirtschaftsrechnung, viele der Bewertungen, die mit den Handlungen verbunden sind, auf einen gemeinsamen Nenner monetärer Einheiten zu bringen. Mises erkennt ausdrücklich an, dass weder die Wirtschaftsrechnung noch Geld in einer Marktwirtschaft reibungslos funktionieren. Geld als Austauschmittel ist Gegenstand unvorhersehbarer und gegensätzlicher Veränderungen der Kaufkraft. In Bezug auf die Wirtschaftsrechnung beinhaltet eine Menge von Gütern und Dienstleistungen weder Käufe noch Verkäufe im Markt, da diese grundsätzlich Res extra commercium sind und daher keine Schätzungen in Geldeinheiten erlauben. (Mises’ gesamtes Argument beruht im Prinzip auf der Analyse der Konsequenzen, wenn alle Kapitalgüter in Res extra commercium umgewandelt würden). Die scheinbare Präzision der Finanzbuchhaltung ist außerdem trügerisch, da die numerischen Ausdrücke die Tatsache verschleiern, dass sie alle auf der subjektiven Beurteilung unternehmerischer Natur bezüglich der Richtung beruhen, die zukünftige Vorfälle nehmen könnten. Um

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diese Idee an einem Beispiel zu demonstrieren, zitiert Mises die Berechnung von Amortisationsraten, die als ein buchhalterischer Ausdruck von Abschreibungen immer grobe unternehmerische Beurteilungen in Bezug auf den Marktpreis beinhalten, der für den Ersatz verlangt wird, wenn das Produktionsgut in Zukunft physisch und technologisch überholt ist. Trotz all dieser Unvollkommenheiten bietet die Wirtschaftsrechnung die einzige gesellschaftliche Orientierung, um Fehlanpassungen zu entdecken, die in der Gesellschaft entstehen. Dies geschieht, indem die Handlungen hin zu einer Ent­deckung und Koordinierung dieser Fehlanpassungen geführt werden und daher Leben in einer Gesellschaft möglich machen. Wenn die in Kapitel 2 analysierten Merkmale praktischer, verstreuter Informationen oder Kenntnisse gegeben sind, gibt es keinen Ersatz für Wirtschaftsrechnung im Markt. Obwohl sie immer auf subjektiven Schätzungen und Informationen beruht, die durch Marktpreise gewon­nen werden, die nie im Gleichgewicht vorhanden sind, erlaubt sie es dem Unternehmer doch, zumindest unzählige Möglichkeiten und alternative Handlungspläne auszuschließen, die vielleicht technologisch möglich wären, aber ökonomisch keinen Sinn hätten. Mit anderen Worten begrenzt die Wirtschaftsrechnung die in Betracht kommenden Möglichkeiten auf diejenigen, die a priori potenziell profitabel sind, und vereinfacht damit radikal den Entscheidungsprozess des Akteurs. Mises schlussfolgert daher: „Gewiss, die Geldrechnung hat ihre Unvollkommenheiten und ihre schweren Mängel, aber wir haben eben nichts besseres an ihre Stelle zu setzen; für die praktischen Zwecke des Lebens reicht die Geldrechnung eines gesunden Geldwesens.“184 Wirtschaftsrechnung als ein grundsätzlich ökonomisches (und nicht technisches) Problem Mises glaubt, dass die Einführung eines sozialistischen Systems die Eliminierung rationaler Ökonomie impliziert, da in einem sozialistischen System wahre Preise und Geld nicht in der Weise existieren können wie in einer echten Marktwirtschaft. Aus der Perspektive des ursprünglichen marxistischen Plans, den wir bereits untersucht haben und nach dem Preise und Geld verboten würden, wäre es klar, dass eine Wirtschaftsrechnung vollständig verschwindet. Tatsächlich widmet Mises einen großen Anteil seines Artikels der Kritik an diesem Vorschlag. Wir werden später sehen, dass sich die Umstände nur wenig ändern, wenn Sozialisten in einer zweiten Verteidigungslinie die Existenz einiger parametrischer „Preise“ erlauben, die durch eine Regulierungsbehörde und einige „Geldeinheiten“, die eher buchhalterische Einheiten als irgendetwas anderes sind, gesetzt werden. In diesem Fall wären wir immer noch mit der Unmöglichkeit konfrontiert, praktische Informationen in einem Umfeld zu schaffen und zu übertragen, in dem die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion verboten ist. Der systematische Gebrauch institutionellen Zwangs verhindert, dass die Information entsteht und übertragen werden kann. Daher kann sie nie in den Händen einer Regierung konzentriert oder von dieser genutzt werden. 184 Ludwig

von Mises: „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik (1920), S. 103.

Zusätzliche Überlegungen zu Mises’ Beitrag

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Der Sozialismus stellt daher kein technisches oder technologisches Problem dar, ausgehend von der Annahme, dass die Ziele und Mittel zusammen mit allen anderen Informationen gegeben sind, um nur ein Problem der Maximierung zu lösen. Im Gegenteil ist der Sozialismus ein rein ökonomisches Problem: Es entsteht, wenn es miteinander konkurrierende Ziele und Mittel gibt und das Wissen über sie in den Köpfen unzähliger Menschen verstreut liegt und ständig ex novo generiert wird. Es ist daher nicht einmal möglich, alle existierenden Möglichkeiten und Alternativen oder die relativen Intensitäten zu kennen, mit dem sie erwünscht werden.185 Wenn ein Ingenieur ein Maximierungsproblem lösen möchte, nimmt er immer an, dass es Alternativen und Gleichgewichtspreise im Markt gibt und beide bekannt sind. Das ökonomische Problem ist ein anderes und besteht genau in der Entdeckung, welche Ziele und Mittel möglich sind, und darin, die zukünftigen Marktpreise herauszufinden. Das Problem ist also, wie man die notwendigen Informationen bezieht, um das technische Problem zu erkennen und zu lösen. Die Wirtschaftsrechnung stellt eine Bewertung dar, die durch die Informationen ermöglicht wird, die der unternehmerische Prozess ständig erschafft. Wenn dieser Prozess durch Gewalt verhindert wird, die Information also nicht entsteht, wird die Wirtschaftsrechnung unmöglich. Geschäftskonsolidierung und Wirtschaftsrechnung Mises’ Argument kann ebenfalls angewendet werden, um eine theoretische Begrenzung für das Wachstum jeder „Geschäftsorganisation“ in einer Marktwirtschaft zu analysieren. Ein Unternehmen oder eine „Firma“ kann als eine freiwillige „Planungs-“ oder „Organisationsinsel“ innerhalb des Markts verstanden werden, die spontan entsteht, indem ihre Mitglieder unternehmerisch entdecken, 185 Unser

Verständnis von „ökonomisch“ stimmt daher nicht mit der weiterverbreiteten robinsianischen Sicht überein, die von Gleichgewichtstheoretikern vertreten wird. Diese glauben, dass das „ökonomische Problem“ darin bestehe, knappe, aber bekannte Ressourcen auf Ziele zu verteilen, die ebenfalls gegeben sind. Aus unserer Sicht ist dieses Verständnis von „Ökonomie“ geringwertig und von wenig wissenschaftlichem Interesse und reduziert unsere Wissenschaft auf eine einfache, begrenzte und kurzfristige Mischung von Maximierungstechniken. Zur gleichen Zeit ist es nicht überraschend, dass Legionen von Pseudoökonomen, die einfache Maximierungstechniker sind, mit den mangelhaften Werkzeugen ihrer Technik die theoretischen Faktoren nicht erkennen können, die den Sozialismus unmöglich machen. Die Entwicklung unserer Wissenschaft wird solange behindert bleiben, bis diejenigen, die sie praktizieren, die radikalen Unterschiede zwischen Wissenschaft und Technik im Bereich der Ökonomie vollständig erkennen und aufhören, sich unter dem Vorwand der Wissenschaft in den sehr viel einfacheren, komfortableren und sichereren Bereich einer Technik zu flüchten, die wissenschaftlich irrelevant ist, da sie nur implementiert werden kann, wenn die ökonomischen Probleme von echter Wichtigkeit – das Generieren und Entdecken von notwendigen Informationen – als gelöst angenommen wird. Schließlich müssen wir hinzufügen, dass die Ökonomie für uns eine allgemeine Wissenschaft von menschlicher Handlung und ihren Implikationen (Praxiologie) ist, weil das ökonomische Problem nur auf spontane, dezentralisierte Art durch die freie Ausübung menschlichen Handels oder der unternehmerischen Funktion gelöst werden kann. Ihr Rohmaterial umfasst nicht objektive Dinge (Güter und Dienstleistungen u. Ä.), sondern subjektive Entitäten von spiritueller Natur (Ideen, Bewertungen, Informationen). Das österreichische Verständnis von Ökonomie als einer Wissenschaft, die nicht durch Maximierung (in statischen oder mathematischen Begriffen) begrenzt ist, begann mit Menger. A. M. Endres bezieht sich sogar auf das „Mengerian principle of non-maximization“. Siehe seinen Artikel „Menger, Wieser, Böhm-Bawerk, and the Analysis of Economic Behaviour“, in: History of Political Economy 23, Nummer 2 (Sommer 1991), S. 279 – 299, insbesondere Fußnote 5 auf S. 281.

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Ludwig von Mises und der Anfang der Debatte über die Wirtschaftsrechnung

dass unter bestimmten Umständen ein derartiges System am passendsten ist, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Jede Firma benötigt ein Minimum an Organisation und Planung. Durch jede Firma werden bestimmte ökonomische menschliche und materielle Ressourcen gemäß dem Plan oder den Befehlen angeordnet, die durch das Management ausgegeben werden. Vom Standpunkt von Mises ursprünglichem Argument aus ist es klar, dass die Größe eines Unternehmens zwangsläufig die Möglichkeit begrenzt, es effizient zu organisieren. Es gibt immer eine gewisse kritische Größe, von der an der Umfang und die Art der Informationen, die das Management braucht, um das Unternehmen effizient zu führen, so groß und komplex werden, dass es die Fähigkeiten des Managers übersteigt, sie zu verstehen und zu bewerten. Jedes zusätzliche Wachstum tendiert in diesem Fall dazu, ineffizient und überflüssig zu sein. In der Begrifflichkeit der Wirtschaftsrechnung könnte das Argument wie folgt ausgedrückt werden: In jeder Firma wird die vertikale Integration dadurch begrenzt, dass – sobald alle Stufen in den unternehmerischen Produk­ tionsprozess eingebunden sind – Austausche in Bezug auf eine oder mehrere von ihnen vom Markt verschwinden und Marktpreise daher für einige Kapitalgüter nicht mehr entstehen würden. An diesem Punkt wäre es nicht länger möglich, innerhalb einer Firma einen vertikalen Transfer unter Orientierung an der Wirtschaftsrechnung durchzuführen. So würde eine Tendenz zu systematischen Fehlern und Ineffizienzen entstehen, die früher oder später dem Unternehmer offenbaren würde, dass es dezentralisieren und nicht in einem solchen Ausmaße vertikal integrieren sollte, dass es seine Wettbewerbsfähigkeit riskiert.186 In einem freien Markt wird es nie möglich sein, eine komplette vertikale Integration in Bezug auf die Schritte eines Produktionsprozesses zu verwirklichen, da es die notwendige Wirtschaftsrechnung verhindern würde. Es gibt also ein ökonomisches Gesetz im Markt, das das Maximum der relativen Größe jedes Unternehmens begrenzt.187 186 Murray

N. Rothbard hebt korrekt hervor: „Wenn es keinen Markt für ein Produkt gäbe und der gesamte Austausch intern stattfinden würde, gäbe es keine Möglichkeit für eine Firma oder irgendjemand anderes, den Preis für das Gut zu bestimmen. Die Firma kann einen impliziten Preis schätzen, wenn es einen externen Markt gibt. Existiert dieser Markt aber nicht, kann dieses Gut keinen Preis haben, weder implizit noch explizit. Jede Zahl könnte nur ein willkürliches Symbol sein. Ist die Firma nicht in der Lage, einen Preis zu errechnen, könnte sie ihre Ressourcen und Produktionsfaktoren nicht von einem Arbeitsgang zum nächsten zuweisen.“ (Man, Economy, and State: A Treatise on Economic Principles. Los Angeles: Nash Publishing, 1970, S. 547 f.) 187 Bereits 1934 verteidigte Fritz Machlup dieses Argument und führte aus: „Sobald eine Firma (oder ein Konzern) das Produkt von einer ihrer Abteilungen als Input für eine andere Abteilung anbietet, anstatt es auf einem wettbewerblichen Markt zu einem Preis zu verkaufen, der durch Angebot und Nachfrage entstanden ist, entsteht das Problem künstlicher Marktpreise oder undeutlicher Selbstkosten. Es mag immer noch Berechnungen geben, doch haben diese nichts mit dem gemein, was Mises als ökonomisches Prinzip unter ‚Wirtschaftsrechnung‘ versteht.“ Siehe die „Closing Remarks“ in The Economics of Ludwig von Mises: Toward a Critical Reappraisal, hrsg. von Laurence S. Moss (Kansas City: Sheed and Ward, 1976), vor allem die auf S. 116 angeführte Literatur. F. A. Hayek kam in einem anderen Kontext zu einer sehr ähnlichen Schlussfolgerung, als er ausführte: „Es ist unmöglich, einen Monopolisten dazu zu bekommen, den Preis zu verlangen, der im Wettbewerb herrschen würde, oder einen Preis, der den Kosten gleichen würde. Denn die wettbewerblichen Preise und die Kosten können nicht bekannt sein, solange es keinen Wettbewerb gibt. Das bedeutet nicht, dass der Manager einer monopolisierten Industrie im Sozialismus – entgegen seinen Instruktionen – weiterhin Monopolgewinne einfährt. Aber es bedeutet, dass an die Stelle der Monopolgewinne unökonomische Verschwendung tritt, weil es keine Möglichkeit gibt, einen Produktionsweg mit einem anderen zu vergleichen.“ (F. A. Hayek: „Socialist Calculation

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Wird die Wissensteilung umfangreicher, detaillierter und tiefer und werden dadurch gesellschaftliche und ökonomische Prozesse komplexer, dann wird es für ein Unternehmen immer schwieriger, vertikal zu integrieren und zu expandieren, weil sein Management einen immer größeren Umfang immer komplexerer Informationen verarbeiten muss. Eine der typischsten Folgen der unpassend so bezeichneten „technologischen Revolution“, die einfach der charakteristische Prozess der zunehmenden Verbreitung und Vertiefung der Wissensteilung in modernen Marktwirtschaften darstellt, war es ceteris paribus, dass sich der Trend hin zum Wachstum der sogenannten „Skalenökonomie“ umkehrte. Es ist zunehmend klar, dass es häufig profitabler ist, separat in unterschiedliche Firmen als über Holdings in unterschiedliche Konglomerate zu investieren. Viele große Firmen entdecken, dass der einzige Weg für sie, mit kleinen Firmen zu konkurrieren, in der Unterstützung des internen Unternehmertums („intrapreneurship“) liegt.188 Tatsächlich hat sogar II: The State of the Debate (1935)“, Kapitel 8 in: Individualism and Economic Order. Chicago: Gateway Editions, 1972, S. 170.) 188 Diese Argumentation wird durch die Analyse von Ronald H. Coase vervollständigt, der die Natur der „Firma“ (im Sinne einer freiwilligen internen „Organisation“) und die Bestimmungsfaktoren ihrer Größe und Entwicklung analysiert. Dies steht im Gegensatz zu dem alternativen System, das durch externe wechselseitige Beziehungen repräsentiert wird, die Coase irrtümlicherweise als Beziehungen beschreibt, die auf der Nutzung des Markt- und Preissystems basieren. Coase führt aus: „Es ist einfach zu sehen, dass der Staat dann, wenn er Aufgaben in einer Industrie übernimmt, etwas erledigt, was vorher vom Preismechanismus geleitet wurde. Es wird aber üblicherweise nicht realisiert, das jeder Geschäftsmann, der seine Beziehungen zwischen den Abteilungen organisiert, etwas macht, was ebenfalls über Marktpreise geregelt werden könnte. In einem Wettbewerbssystem gibt es eine ‚optimale Menge der Planung‘. Der wichtige Unterschied zwischen den beiden Fällen ist, dass der Industrie eine Wirtschaftsplanung aufgezwungen wird, während Firmen freiwillig entstehen, weil sie eine effizientere Form der Produktion darstellen.“ (Coase, 1937 (1988) Fussnote 14 auf Seite 37, siehe ebenfalls Williamson und Winter (1991, S. 30 – 31)). Daher würde Mises’ These die von Coase in dem Sinne ergänzen, dass die unternehmerische Organisation nicht nur sinkende Gewinne und steigende Kosten hätte, sondern auch prohibitive Kosten einschließen würde, und zwar von dem Moment ab, in dem der Markt für bestimmte Produktionsfaktoren zu verschwinden begänne. Marktprozesse sind daher mit einer internen Sicherung gegen ihre mögliche Eliminierung durch freiwillige vertikale Integration ausgestattet. Die Sicherung besteht aus der Notwendigkeit jedes Unternehmers, seine Handlungen auf einer Wirtschaftsrechnung basierend zu planen. Trotz unserer Auffassung, dass bestimmte Aspekte von Coases Analyse signifikant sind, haben wir den Eindruck, dass er in ihr die theoretische Grenze hin zur expliziten Anerkennung der unternehmerischen Funktion nicht überschreitet. In seiner gesamten Theorie fokussiert Coase zwanghaft auf „Transaktionskosten“ – ein Konzept, das die Existenz von Informationen unterstellt, die notwendig sind, um solche Kosten zu identifizieren und zu errechnen. Das grundsätzliche ökonomische Problem aber ist nicht eines der Transaktionskosten, sondern das unternehmerische Problem der Entdeckung und Schaffung der Informationen, die sowohl in Bezug auf neue Ziele als auch neue Mittel notwendig sind, um solche Kosten zu bestimmen. Mit anderen Worten bleibt Coases Theorie eine Gleichgewichts- oder statische Theorie, die einen gegebenen Rahmen von Mitteln und Zielen unterstellt und nicht erkennt, dass das Problem der Transaktionskosten von einem viel wichtigeren Thema überlagert wird: ob der Unternehmer erkennt, welcher Handlungsplan der geeignetste ist. Das bedeutet, „Transaktionskosten“ können abwesend sein, wenn sie nicht entdeckt werden. Und was subjektiv als Transaktionskosten eingeschätzt wird, kann zu jeder Zeit verschwinden oder sich durch unternehmerische Innovationen und Entdeckungen radikal ändern. Das Problem ist daher nicht, dass die Information gegeben ist, obwohl sie verstreut und sehr „schwierig“ zu erhalten ist. Das Problem ist eher, dass die Information nicht gegeben ist und ständig neue Informationen ohne irgendwelche Kosten geschaffen oder entdeckt werden, wenn die unternehmerische Funktion gut ausgeführt wird. In dynamischen gesellschaftlichen Prozessen stellt sich das ökonomische Problem nicht durch Transaktionskosten, sondern durch Ineffizienzen oder unternehmerische Fehler, und dies kann nur durch die kreative und nicht erzwungenen Ausübung der unternehmerischen Funktion gelöst werden.

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die Kapazität eines kleinen Computers unzählige und oft auch große freiwillige Planungsorganisationen obsolet werden lassen, die bis dahin als typisch für den Markt angesehen wurden. Dieses Argument demonstriert, dass Marx’ Theorie, wonach das kapitalistische System unvermeidbar hin zu einer Konsolidierung von Unternehmen tendiert, fehlerhaft ist. Geschäftskonsolidierungen gehen normalerweise nicht über den Punkt hinaus, an dem die Erfordernisse des Wissens- oder Informationsmanagements das Auffassungsvermögen des Managers übersteigen. Wenn eine Firma ständig expandiert, kommt eine Zeit, in der sie in wachsende Schwierigkeiten kommt in dem Sinne, dass Manager ihre Entscheidungen immer stärker „im Dunkeln“ fällen müssen, d. h. ohne die notwendigen Informationen zur Entdeckung und Auswertung der unterschiedlichen Produktionsalternativen. Da der Manager nicht über Informationen verfügt, die durch Marktpreise und die Ausübung der unternehmerischen Funktion eines Wettbewerbers gegeben werden, wird sein Verhalten zunehmend willkürlich und exzessiv. Eine zentrale Planung kann daher nicht als die unvermeidbare Schlussfolgerung der zukünftigen Evolution des Kapitalismus gesehen werden: Der Gang der Märkte limitiert die mögliche Zentralisierung jeder Firma. Diese Grenze entsteht durch die Fähigkeit der Unternehmensleitung, Informationen zu assimilieren, sowie durch Veränderungen in der gesellschaftlichen Wissensteilung – eine Aufteilung, die immer profunder, komplexer und dezentralisierter wird.189

4.5 Die ersten sozialistischen Vorschläge für die Lösung des Problems der Wirtschaftsrechnung Wirtschaftsrechnung in Tauschgeschäften Die Vorstellung, dass eine sozialistische Ökonomie ohne den Gebrauch von Geld organisiert werden könnte, kann bis zu Karl Marx zurückverfolgt werden, wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben. In dem Nirvana oder Gleichgewichtszustand, den Marx glaubt zwangsweise durch eine Regierung einführen zu können, gäbe es keine Notwendigkeit für Geld, weil angenommen wird, dass alle Informationen vorliegen und niemals Änderungen auftreten. Es wäre lediglich nötig, Periode um Periode die gleichen Güter und Dienstleistungen zu produzieren und diese auf die gleiche Weise immer den gleichen Individuen zuzuteilen. Diese Idee wurde von Marx an Engels und von diesem an eine Reihe von Theoretikern weitergegeben, die mehr oder weniger ausdrücklich befanden, dass es keinen Grund gibt, warum 189 Damit

ist die theoretische Widerlegung von Marx abgerundet. Chronologisch begann die Widerlegung mit Böhm-Bawerks kritischer Analyse der marxistischen Theorie des Mehrwertes oder der Ausbeutung und der objektiven Arbeitswerttheorie, als Böhm-Bawerk die Unsinnigkeit der kritischen Analyse von Marx gegen den Kapitalismus aufdeckte. Ludwig von Mises rundete dieses Argument mit einem vernichtenden Schlag gegen die marxschen Theorien ab, den er führte, indem er zeigte, dass das alternative sozialistische System theoretisch unmöglich ist, weil es keine Wirtschaftsrechnung erlaubt. Aus diesem Argument können wir als wichtiges Nebenprodukt außerdem den Beweis ableiten, dass die marxistische Theorie in Bezug auf kapitalistische Konsolidierung ungültig ist.

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die Wirtschaftsrechnung selbst bei Abwesenheit von Geld irgendein Problem darstellen sollte.190 Abgesehen davon, dass die zentrale Planungsagentur unmöglich die notwendigen Informationen erhalten kann, liegt das Problem von Vorschlägen zur Durchführung von Wirtschaftsrechnung in einer Tauschwirtschaft darin, dass keine Kalkulation – weder Addition noch Subtraktion – ausgeführt werden kann, wenn heterogene Größen benutzt werden. Wenn die Regierung entscheidet, im Austausch für ein bestimmte Maschine 40 Schweine, 5 Mehlfässer, 1 Tonne Butter und 200 Eier zu geben, wie soll sie dann wissen, dass sie vom Standpunkt ihrer eigenen Bewertungen her nicht zu viel gibt? Anders ausgedrückt: Wenn die Regierungsbehörde diese Ressourcen für andere Aktivitäten verwenden würde, wäre es dann möglich, Ziele mit größerem Wert zu erreichen? Vielleicht kann man sozialistischen Theoretikern nachsehen, dass sie ursprünglich das unlösbare Problem nicht erkannt haben, das durch das subjektive, verstreute und unartikulierte Wesen von Informationen für den Sozialismus entsteht. Aber man kann ihnen den offensichtlichen Fehler nicht verzeihen, zu glauben, dass eine rationale Kalkulation ohne den Gebrauch irgendeiner Geldeinheit als gemeinsamen Nenner möglich wäre. Darüber hinaus beeinflusst das Problem der Kalkulation in Tauschgeschäften nicht nur Produktionsentscheidungen, sondern auch Entscheidungen in Bezug auf die 190 Zu

den Autoren, die glaubten, dass eine Wirtschaftsrechnung in einer geldlosen Ökonomie möglich ist, können wir Karl Ballod, N. Bucharin, Otto Neurath, Carl Landauer und A. B. Tschayanoff zählen. Im Allgemeinen lautet die Idee dieser Autoren, dass der Staat die Bedürfnisse jedes Bürgers durch „objektive“ Kriterien bestimmen müsse, die Techniker (Biologen, Agrarökonomen u. Ä.) bereitstellen würden. Die entsprechende statistische Behörde würde die Menge der Konsumgüter (Schuhe, Hosen, Hemden und dergleichen) festlegen, die im Laufe eines Jahres produziert werden müssten. Diese Konsumgüter würden später auf gleiche Art unter den Bürgern verteilt werden. Neben Otto Neuraths Arbeiten Durch die Kriegswirtschaft zur Naturalwirtschaft (die wir bereits zitiert haben) und Wirtschaftsplan und Naturalrechnung: Von der sozialistischen Lebensordnung und von kommenden Menschen (Berlin: Laub, 1925) sind die wichtigsten Arbeiten von sozialistischen Autoren, die diese Wirtschaftsrechnung verteidigten, die folgenden: Alexander Tschayanoff: „Zur Frage einer Theorie der Nichtkapitalistischen Wirtschaftssysteme“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Nr. 51 (1923), S. 577  –  613; N. Bucharin und E. Preobrazhensky: The ABC of Communism: A Popular Explanation of the Program of the Communist Party of Russia. Ann Arbor: University of Michigan Press, 1966; Karl Ballod: Der Zukunftsstaat: Wirtschaftstechnisches Ideal und Volkswirtschaftliche Wirklichkeit. 4. Auflage. Berlin: Laub, 1927; und schließlich Carl Landauer: Planwirtschaft und Verkehrswirtschaft. München: Duncker & Humblot, 1931. Eine detaillierte Beschreibung der Vorschläge, die diese Autoren machen, findet sich in Trygve J. B. Hoff: Economic Calculation in the Socialist Society, S. 50 – 80. Zu dem Ökonomen Karl Ballod und seinem Einfluss auf die Ursprünge der Planwirtschaft in der Sowjetunion siehe François Seurot: Les Economies Socialistes. Paris: Presses Universitaires de France, 1983, S. 12 f. Sechs Auflagen von Ballods Buch wurden zwischen 1903 und 1906 auf Russisch veröffentlicht. Krjijanovskij befolgte die Prinzipien des Buches, als er 1920 von Lenin damit betraut wurde, einen Elektrifizierungsplan aufzustellen (den GOELRO-Plan). Für mehr Informationen zu Karl Ballod (1864 – 1933), der das Pseudonym Atlanticus nach Francis Bacons Nova Atlantis von 1627 benutzte, siehe das hilfreiche Buch von Juan Martinez-Alier: Ecological Economics, S. 199 – 205. Nichtsdestotrotz versäumt es Martinez-Alier in seiner Schlussfolgerung, das Wesen der unternehmerischen Funktion zu berücksichtigen, wie wir es in den Kapiteln 2 und 3 erklärt haben. Und er übersieht auch die Tatsache, dass natürliche Ressourcen insbesondere dann geschädigt werden, wenn der unternehmerischen Funktion institutionelle Behinderungen in den Weg gestellt werden, weil die notwendigen Informationen, um angemessene Entscheidungen zu treffen, nicht generiert werden. Für mehr Informationen zu diesem Thema siehe unseren Artikel: „Derechos de Propiedad y Gestión Privada de Los Recursos de la Naturaleza“, in: Cuadernos del Pensamiento Liberal.

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Verteilung von Konsumgütern und Dienstleistungen. Da viele Konsumgüter und Dienstleistungen nicht zwischen allen Bürgern gleich verteilt werden können, ist es absurd, über ein System nachzudenken, das sie ohne den Gebrauch von Geldeinheiten verteilt.191 So können wir damit enden, den folgenden ironischen Kommentar anzubringen, den Mises über Carl Landauer machte, den Sozialisten, der eine Kalkulation in der Tauschökonomie für möglich hielt: „Landauer kann nicht verstehen, warum man Zahlen mit unterschiedlicher Denominierung nicht addieren oder subtrahieren kann. In einem solchen Fall kann nicht geholfen werden.“192 Trotzdem dürfen wir uns nicht von dem falschen Eindruck täuschen lassen, der eigentliche Grund, warum ein Wirtschaftsrechnung in der Tauschwirtschaft nicht funktioniert, liege darin, dass es unmöglich ist, heterogene Quantitäten zu addieren oder subtrahieren, also allgemeiner: mathematisch zu verarbeiten. Der wesentliche Grund, warum eine Wirtschaftsrechnung ohne Geld und Marktpreise im Sozialismus unmöglich ist, wurde im Kapitel 3 im Detail beschrieben: Es ist das subjektive, verstreute und unaussprechliche Wesen praktischen menschlichen Wissens. Die Idee ist nicht, dass es auch dann noch, wenn menschliches Wissen diese Eigenschaften nicht besitzen würde, unmöglich wäre, eine Wirtschaftsrechnung in Tauschwirtschaften durchzuführen, weil wir keine mathematischen Operationen mit heterogenen Einheiten durchführen können. Im Gegenteil ist unser Punkt dies: Selbst wenn ein hypothetisches Wesen die Fähigkeiten zu solchen Kalkulationen in der Tauschwirtschaft hätte, wäre es für dieses immer noch logisch unmöglich, alle notwendigen Informationen zu erhalten. Das Argument der Information bleibt also das wesentliche; das Argument der Unmöglichkeit der Kalkulation in der Tauschwirtschaft ist zwar sehr mächtig, aber zweitrangig. Wirtschaftsrechnung in Arbeitsstunden Marx’ Adaption der objektiven Arbeitswerttheorie erklärt, warum es verschiedene sozialistische Vertreter als naheliegend empfunden haben, das Problem, das uns beschäftigt, durch die Kalkulation von Arbeitsstunden zu lösen. Obwohl uns diese Lösung direkt zu der Debatte über die subjektive versus die objektive Werttheorie zu führen scheint, ist die Analyse bezüglich der Durchführung der Wirtschaftsrechnung über Arbeitsstunden ursprünglich unabhängig von einer bestimmten Position in der Frage, welche Werttheorie (die subjektive oder objektive) die richtige ist. 191 Der

sozialistische Theoretiker Karl Kautsky spottete über Neuraths Ideen zur Kalkulation in der Tauschwirtschaft und schlussfolgerte, dass „es offensichtlich ist, dass eine Buchhaltung in natura schnell zu einem gewaltigen Chaos führen würde“ (zitiert in: T. J. B. Hoff: Economic Calculation in the Socialist Society, S.  79). Des Weiteren demonstriert Hoff mit großer Genauigkeit, dass keiner der Vorschläge für eine direkte Verteilung der Konsumgüter und Dienstleistungen, die die unterschiedlichen sozialistischen Theoretiker präsentiert haben (und von denen acht verschiedene Versionen, die sich in zwei große Gruppen aufspalten, tatsächlich berücksichtigt wurden), möglich ist. Siehe S. 54 – 70 des oben genannten Werkes. Der russische Ökonom Boris Brutzkus beschrieb die Vorschläge von Bucharin und Tschayanoff in Bezug auf die Möglichkeit einer Wirtschaftsrechnung in der Tauschwirtschaft ebenfalls als absurd (Economic Planning in Soviet Russia, S. 17). 192 Ludwig von Mises: Socialism, Fußnote auf Seite 119.

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Diese Theoretiker schlugen im Grunde vor, dass eine Regierungsbehörde die Anzahl der Stunden mitzählt, die jeder Arbeiter gearbeitet hat, und dass dieser dementsprechend eine bestimmte Anzahl von Gutscheinen erhält, die ihm wiederum zu einer gewissen Menge von Konsumgütern und Dienstleistungen verhelfen. Das Sozialprodukt würde durch die Einrichtung eines statistischen Registers über die Anzahl der Arbeitsstunden verteilt, die notwendig sind, um jedes Gut und jede Dienstleistung zu produzieren. Es werden Güter und Dienstleistungen an die Arbeiter verteilt, die bereit sind, sie für die entsprechenden Gutscheine zu tauschen. Auf diese Weise würde jede Arbeitsstunde einem Arbeiter das Recht geben, Güter und Dienstleistung im Wert einer Arbeitsstunde zu beziehen. Es ist klar, dass diese Gutscheine kein Geld wären und dass Güter und Dienstleistungen keinen Marktpreis im Sinne eines Handels hätten, der freiwillig von Käufern und Verkäufern etabliert wird. Das Verhältnis, in dem Güter und Dienstleistungen für Gutscheine ausgetauscht werden, würde explizit im Vorhinein durch die Anzahl von Arbeitsstunden festgelegt, die notwendig ist, um ein bestimmtes Gut zu produzieren.193 Eine Wirtschaftsrechnung in Arbeitsstunden verursacht nach Mises zwei unlösbare Probleme: Erstens kann dieses Kriterium selbst im Rahmen einer objektiven Arbeitswerttheorie nicht auf einen Produktionsprozess angewendet werden, in dem nicht regenerierbare natürliche Ressourcen verbraucht werden. Es ist offensichtlich, dass man keine spezifische Anzahl von Arbeitsstunden einer natürlichen Ressource wie Kohle zuordnen kann, die das Erreichen von Zielen erlauben, ökonomisch knapp ist und nicht durch Arbeit hergestellt werden kann. Weil mit anderen Worten Arbeit für die Produktion einer solchen Ressource nicht gebraucht wird, ermöglicht es die Berücksichtigung von Arbeitsstunden nicht, die Wirtschaftsrechnung durchzuführen, die benötigt wird, wenn man in Bezug auf die Ressource keine willkürlichen Entscheidungen treffen möchte. 193 Die

Prozedur, die oben beschrieben wurde, um die Wirtschaftsrechnung in Arbeitsstunden auszuführen, wurde von Karl Marx in seiner Critique of the Gotha Programme (Band 3 von MarxEngels Selected Works. Moskau: Progress Publishers, 1970) zusammengefasst, indem er schrieb: „Er erhält von der Gesellschaft ein Zertifikat, dass er eine bestimmte Menge von Arbeit geleistet hat, und mit diesem Zertifikat erhält er aus dem gesellschaftlichen Vorrat von Konsumgütern so viel wie die entsprechende Menge der Arbeitskosten. Damit erhält er die gleiche Menge Arbeit, die er der Gesellschaft gegeben hat, in einer anderen Form zurück.“ Der Autor, der den Anspruch der Wirtschaftsrechnung durch Arbeitsstunden am überzeugendsten verteidigte, war Otto Leichter: Die Sprengung des Kapitalismus: Die Wirtschaftsrechnung in der sozialistischen Gesellschaft (Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, 1923). Paradoxerweise kritisiert Leichter in diesem Buch die Vorschläge zur Kalkulation in der Tauschwirtschaft. Seine Ideen wurden später von Walter Schiff in seinem Buch Die Planwirtschaft und ihre ökonomischen Hauptprobleme (Berlin, 1932) weiterentwickelt Leichters Lösung wurde insbesondere von Mises in seinem Artikel „Neue Beiträge zum Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung“ (Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Nr. 51 (1924), S. 488 – 500) diskutiert. William Keizer schrieb auf Englisch einen Artikel, in dem er den Artikel von Mises kommentiert. Siehe „Two Forgotten Articles by Ludwig von Mises on the Rationality of Socialist Economic Calculation“, in: The Review of Austrian Economics. Massachusetts: Lexington Books, 1987, S. 109 – 122. Der zweite Artikel von Mises, den Keizer diskutiert, ist: „Neue Schriften zum Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung“, veröffentlicht in derselben Zeitschrift (Band 60 [1928], S. 187 – 190). In diesem Aufsatz bewertet Mises die Beiträge von J. Marschak, Otto Neurath und Boris Brutzkus.

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Zweitens ist eine Arbeitsstunde keine homogene einheitliche Quantität. Es gibt keine „Arbeit als solche“, sondern unzählige unterschiedliche Arten und Kategorien von Arbeit, die ohne den gemeinsamen Nenner eines monetären Marktpreises für jede Art wegen ihres grundsätzlich heterogenen Wesens nicht addiert oder subtrahiert werden können. Das Problem ist dabei nicht nur, dass die Effizienz von Arbeiter zu Arbeiter und sogar bei einem Arbeiter von einem Moment zum anderen enorm variiert, je nachdem, wie günstig die Umstände sind. Auch die Arten von Dienstleistungen, die durch Arbeit angeboten werden, sind so unterschiedlich und ändern sich so nachhaltig, dass sie absolut heterogen sind und ein Problem darstellen, das im letzten Abschnitt in Bezug auf die Tauschwirtschaft diskutiert wurde. Es ist unmöglich, mit heterogenen Quantitäten zu kalkulieren. Die traditionelle marxistische Doktrin hat als Lösung den Versuch angeboten, die unterschiedlichen Arten von Arbeiten auf das zu reduzieren, was „einfache, sozial notwendige Arbeit“ genannt wird. Diese Reduktion der unterschiedlichen Arbeitsstunden auf die einfachste ist nur möglich, wenn es einen Marktprozess gibt, in dem beide zu einem Preis ausgetauscht werden, der von unterschiedlichen Akteuren determiniert wird. Ohne diese Marktprozesse wird jede vergleichende Bewer­tung über die unterschiedlichen Arten von Arbeit notwendigerweise willkürlich sein und das Verschwinden einer rationalen Wirtschaftsrechnung bedeuten, weil es ohne einen vorgelagerten Marktprozess unmöglich ist, die unterschiedlichen Arten von Arbeit auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Zudem ist das Problem der Reduzierung heterogener Arbeitsstunden auf eine gemeinsame Einheit schlicht ein besonderer Fall des bereits diskutierten allgemeineren Problems, das sich auch in der Kalkulation in der Tauschwirtschaft stellt und in der Unmöglichkeit besteht, heterogene Produktionsfaktoren auf eine gemeinsame Einheit zu reduzieren. Schließlich wollen wir das oben Gesagte noch einmal wiederholen. Selbst wenn eine Lösung für die zwei erwähnten Probleme (Wirtschaftsrechnung im Falle nicht regenerierbarer natürlicher Ressourcen und die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Nenners für Arbeitsstunden) gefunden werden könnte, würde das grundsätzliche Problem bleiben: Es ist für die Planungsbehörde einfach unmöglich, die praktischen Informationen zu erhalten, die verstreut in den Köpfen von Millionen von ökonomischen Akteuren liegen und die Gesellschaft ausmachen. Wirtschaftsrechnung in Nutzeneinheiten Verschiedene sozialistische Autoren, die dank des Arguments von Mises verstanden haben, dass es unmöglich ist, Kalkulationen in Arbeitsstunden zu erstellen, glaubten, sie könnten das Problem durch eine Kalkulation in „Nutzeneinheiten“ lösen.194 Dieser Vorschlag ist jedoch vielleicht noch absurder als die Kalkulation 194 Stanislav

Strumilin (1877 – 1974) deutete in seinen drei Artikeln, die er in der Ekonomitscheskaja Shishni Nr. 237, 284 und 290 (23. Oktober, 17. Dezember und 24. Dezember 1924) publizierte, an, dass er eine Wirtschaftsrechnung in Arbeitsstunden so lange als unmöglich ansieht, bis dieses Konzept komplettiert durch den Gebrauch von Nutzeneinheiten wird. Eine detaillierte Erklärung seines Systems der Wirtschaftsrechnung, das Lenin abschaffte, als er den Markt und das Geld in der NEP-Periode wieder einführte, erscheint in M. C. Kasers Artikel zu Strumilin in The New

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in Arbeitsstunden. Der Nutzen ist ein sehr subjektives Konzept und leitet sich daraus ab, wie jedes Individuum jedes einzelne der Mittel, die ihm im Kontext der jeweiligen Handlung zur Verfügung stehen, wahrnimmt. Der Nutzen kann nicht gemessen werden. Es ist nur möglich, im Zuge einer Entscheidung zu vergleichen, welcher Nutzen den unterschiedlichen Handlungsplänen erwächst. Wir können Nutzen auch nicht bei unterschiedlichen Individuen beobachten, da dies voraussetzen würde, in die Köpfe anderer Menschen zu schauen und deren Persönlichkeit, Wertungen und Erfahrungen anzunehmen. Nutzen kann daher durch eine zentrale Agentur nicht beobachtet, gefühlt oder gemessen werden. Nicht einmal der Mensch, der handelt, „misst“ seinen Nutzen, wenn er Entscheidungen trifft, sondern vergleicht einfach die Nutzen, die er glaubt, aus den verschiedenen Alternativen zu ziehen. Des Weiteren drücken Marktpreise keine Äquivalenz zum Nutzen aus oder messen ihn.195 Marktpreise sind lediglich historische Handelsumstände, die nur anzeigen, dass die beteiligten Parteien subjektive und unterschiedliche Bewertungen vorgenommen haben, die den Tausch überhaupt möglich gemacht haben. Wir müssen schlussfolgern, dass der Versuch, den Nutzen als gemeinsamen Nenner für die Wirtschaftsrechnung zu nutzen, ein unlösbares Problem darstellt – nicht nur, weil der Nutzen gar nicht beobachtet werden kann, sondern auch, weil es keinen gemeinsamen Nenner intersubjektiven Nutzens gibt, der gemessen und in der Ausübung der Wirtschaftsrechnung angewendet werden kann. Das Konzept des Nutzens ist so subjektiv und flüchtig, dass uns das Argument wieder direkt zu unserem wesentlichen Argument zurückbringt: Es ist für eine zentrale Planungsbehörde unmöglich, die notwendigen praktischen Informationen zu erhalten, die verstreut in den Köpfen aller ökonomischer Akteure liegen und in jedem Moment die Form einer endlosen, ständig sich ändernden Reihe von persönlichen Bewertungen oder Urteilen über die Nutzen bestimmter Ziele und Mittel annehmen.196 Palgrave: A Dictionary of Economics, Band 4, S. 534. Boris Brutzkus kritisierte in seinem bereits zitierten Werk akribisch die Möglichkeit, Wirtschaftsrechnung in Nutzeneinheiten zu leisten. Karl Kautsky argumentiert vehement dafür, dass eine Wirtschaftsrechnung in Arbeitsstunden unmöglich ist, wenn die historischen Marktpreise, die vor der Etablierung der sozialistischen Ökonomie galten, nicht als Startpunkt genommen werden (vielleicht als ein indirekter Weg, um Nutzenverhältnisse zu erhalten). Mises widerlegte in seinem Artikel von 1924, den wir in der letzten Fußnote zitiert haben, Kautskys Vorschlag rundherum. 195 „Todo necio confunde valor y precio.“ – „Alle Dummköpfe verwechseln Wert und Preis.“ (Antonio Machado: „Proverbios y Cantares“ 68, in Poesías Completas, Oreste Macrí. Madrid: Espasa Calpe, S. 640, S. 820.) 196 Eine brillante Studie zu den unterschiedlichen Autoren, die auf Deutsch versuchten, Mises’ Heraus­forderung zu begegnen – die Mehrheit haben wir bereits in früheren Fußnoten zitiert –, wurde veröffentlicht von Günther K. Chaloupek: „The Austrian Debate on Economic Calculation in a Socialist Economy“, in: History of Political Economy 22, Nr. 4 (Winter 1990), S. 659 – 675, sie­he insbesondere die gesamte dort angeführte Bibliografie. Die Debatte über die Wirtschaftsrechnung in Deutsch, die weniger bekannt ist als die spätere in der englischsprachigen Welt, wurde komplettiert durch Arbeiten, die Mises’ Position unterstützten, die Chaloupek aber nicht zitiert hat. Siehe insbesondere Max Weber: „Wirtschaft und Gesellschaft“, in: Grundriss der Sozialökonomie. Tübingen 1922, S. 45 – 59; Adolf Weber: Allgemeine Volkswirtschaftslehre. 4. Auflage. München und Leipzig 1932, S. 369; C.  A. Verrijn Stuart, „Winstbejag versus behoeftenberrediging,“ Overdruk Economist 76, Nr. 1, S. 18 ff.; sowie Pohle-Halm: Kapitalismus und Sozialismus. 4. Auflage. Berlin 1931, S. 237 f.

5 Die ungerechtfertigte Änderung der Debatte hin zur Statik: die Argumente der formalen Gleichheit und der sogenannten mathematischen Lösung Dieses Kapitel wird zeigen, dass die sozialistischen Teilnehmer der Debatte, nachdem Mises seine ursprüngliche Herausforderung einmal publiziert hatte, ihre Bemühungen schnell darauf konzentrierten, das Problem des Sozialismus auf rein statische Weise zu lösen. Diese Veränderung war vollkommen unnötig und ist daher als „ungerechtfertigt“ beschrieben worden, weil Mises bereits erwähnt hatte, dass es im Sozialismus kein Problem der Wirtschaftsrechnung in statischen Begriffen gibt. Das Kapitel versucht zu erklären, warum die Sozialisten das zu diskutierende Problem so vollkommen missverstanden haben. Insbesondere wird es dabei auf den destruktiven Effekt eingehen, der durch das Paradigma der Gleichgewichtsanalyse auf die Debatte ausgeübt wurde und durch die Argumente, die die formelle Gleichheit zwischen dem Markt und dem sozialistischen Modell in rein statischen Begriffen zeigen sollten. Daraufhin wird das Kapitel die „mathematische Lösung“ behandeln, die Sozialisten in verschiedenen Versionen vorgeschlagen haben. Wir werden mit einer Analyse der Antworten schließen, die Mises, Hayek und Robbins zu den Lösungsvorschlägen gaben.

5.1 Das Argument der formellen Gleichheit Im letzten Kapitel haben wir gesehen, dass die älteste Schule innerhalb der sozia­ listischen Tradition naiv daran festhielt, dass ein sozialistisches System ohne das ökonomische Konzept von Wert und Zins auskommen könnte, das klassische Theoretiker für kapitalistische Volkswirtschaften entdeckt und analysiert haben. Als Antwort auf diese Position beeilten sich viele Ökonomen zu zeigen, dass selbst in einem idealen sozialistischen Regime, in dem alle Informationen vorhanden sind und keine Veränderungen auftreten (Gleichgewichtsmodell), die grundsätzlichen Konzepte von Wert und Zins beibehalten werden. Dieses Argument wurde ursprünglich in verbaler Logik und später hoch mathematisch formuliert. Es entsprang dem Wunsch, die sozialistischen Theoretiker zu beeindrucken, die unrealistischerweise glaubten, es sei möglich, das Wertkonzept in ihren Modellen nicht zu berücksichtigen. Um zu demonstrieren, dass das ideale kommunistische System das grundsätzliche Konzept von Wert und Zins selbst im Gleichgewicht braucht, machten Ökonomen das theoretische Zugeständnis, indem sie annahmen, dass das Fundamentale ökonomische Problem (das Erhalten der notwendigen Informationen) von Anfang an bereits gelöst sei. Es war genau dieses Zugeständnis, das zu der unbegründeten Veränderung der Debatte in den Bereich der Statik führte, wo sie bedeutungslos wurde und im Ergebnis große Verwirrung unter den Teilnehmern entstand und auch bei jenen, die die Debatten später zusammenfassten und evaluierten. Als die Annahme in Gleichgewichtsmodellen – ob nun mathematisch formalisiert oder nicht – gemacht wurde, dass jede Information vorhanden und konstant sei, war es fast unvermeidbar, das Problem sozialistischer Wirtschafts-

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rechnung als ein rein algebraisches Computerproblem zu betrachten, das durch die Lösung entsprechender mathematischer Gleichungssysteme beseitigt werden könnte. Das Argument der formellen Gleichheit, das ursprünglich zur Zurückweisung der Forderungen sozialistischer Theoretiker genutzt wurde, wurde später durch diese selbst gebraucht, um das fundamentale ökonomische Problem zu vermeiden, das der Sozialismus aufwirft: Wie kann eine zentrale Planungsbehörde die wichtigen praktischen Informationen gewinnen, die sie braucht – Daten, die immer verstreut in den Köpfen von Millionen von Menschen liegen? Ökonomen begingen daher den Fehler, das Problem lediglich in der praktischen Schwierigkeit zu sehen, viele komplexe Gleichungssysteme zu lösen, ohne zu erkennen, dass der Sozialismus irgendein Problem der theoretischen Unmöglichkeit per se darstellt. Dieses Phänomen veranschaulicht perfekt: Die große Gefahr der Anwendung der mathematischen Methode in der Ökonomie liegt darin, dass sie die eigentlich ökonomischen Probleme selbst für die brillantesten Köpfe unerkennbar macht.197 Die Argumente der formellen Gleichheit, verbessert durch Eugen von Böhm-Bawerk und Friedrich von Wieser 1889 war vielleicht das bedeutendste Jahr in Bezug auf die Argumente der formellen Gleichheit. In dieses Jahr fällt die Veröffentlichung von Friedrich von Wiesers Buch Der natürliche Werth. Für Wieser war es eines der vorrangigsten Ziele des Buches zu zeigen, dass selbst in einer staatlich nach kommunistischen Prinzipien organisierten Gesellschaft ökonomische Güter weiterhin einen gewissen Wert haben. Wieser glaubte, dass die wesentlichen Gesetze des Wertes unabhängig von irgendeinem institutionellen oder gesellschaftlichen Umfeld sind und daher auch in einem sozialistischen System in Betracht gezogen werden müssen. Wiesers Beitrag ist eine Gleichgewichtsanalyse, die die charakteristische Logik der Wahl offenlegt, die in einem Marktsystem und in einem sozialistischen System identisch sein muss. Genau das konstituiert das Argument der formellen Gleichheit zwischen den beiden Systemen.198 197 Obwohl

Mises die mathematische Methode als verheerend ansah – unabhängig vom Gebiet der Ökonomie, in der sie angewendet wird –, hat das Thema der Wirtschaftsrechnung ihm vielleicht am deutlichsten offengelegt, dass die mathematische Methode einfach nicht den Marktprozess berücksichtigt und das grundsätzliche theoretische Problem des Sozialismus verdeckt, nämlich, wie eine Gesellschaft koordiniert werden kann, wenn die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion verhindert wird. Es ist daher nachvollziehbar, wenn er mit Courage und Ernsthaftigkeit feststellt: „Die mathematische Methode muss nicht nur wegen ihrer Unproduktivität zurückgewiesen werden. Es ist eine insgesamt boshafte Methode, die von falschen Annahmen ausgeht und zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führt. Ihre Syllogismen sind nicht nur steril, sie lenken den Verstand vom Studium der echten Probleme ab und stören die Beziehungen zwischen verschiedenen Phänomenen.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S. 350.) 198 Wir haben uns in diesem Buch sorgfältig damit beschäftigt und finden persönlich Wiesers Verständnis des „natürlichen Wertes“ absurd und phantasmagorisch. Es ist ein Konzept des Werts, das nur auf ein hypothetisches Gleichgewichtsmodell angewendet werden kann, das nie wirklich zu realisieren ist. Infolgedessen begeht Wieser den Fehler anzunehmen, dass der Wert objektiv ist. Insbesondere betrachtet er zwischenmenschliche Vergleiche von Nützlichkeit als möglich. Wieser hätte diese und andere gravierende Fehler in seinem Buch vermeiden können, wenn er sich an die wahre österreichische Tradition, die Menger begann, gehalten hätte und seine Analyse auf die Studien dynamischer Marktprozesse basiert hätte und nicht auf das phantasma-

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Ebenfalls 1889 entwickelte Eugen von Böhm-Bawerk im zweiten Band seines Opus magnum Kapital und Zins ein ähnliches Argument wie Wieser, aber in Bezug auf den Zinssatz. Böhm-Bawerk sieht Zinsen als ein wesentliches ökonomisches Konzept, das in jedem ökonomischen System vorhanden sein muss, ob nun kapitalistisch oder kommunistisch. Der leidenschaftlich kritisierte „Mehrwert“ und die „Ausbeutung“, die typisch für ein kapitalistisches System sei, würden in einem sozialistischen System nicht verschwinden. Tatsächlich ist das Gegenteil wahr: Der Staat oder die Kontrollbehörde wäre verpflichtet, diese beizubehalten, da die Konzepte von Zeitpräferenz und Zins aus einer Volkswirtschaft nicht eliminiert werden können.199 gorische Modell des Gleichgewichts. Mises kritisierte Wieser daher scharf dafür, dass dieser das von Menger initiierte Paradigma, das sich auf die allgemeine und zusammenhängende Analyse von Marktprozessen bezieht, aufgab und verriet. Mises schlussfolgert, dass Wieser „kein kreativer Denker und im Allgemein eher schädlich als nützlich war. Er hat die Quintessenz der Idee des Subjektivismus in der österreichischen Denkschule nie verstanden, wodurch er viele unglückliche Fehler beging. Seine Zurechnungstheorie ist unhaltbar. Seine Ideen für die Berechnung von Werten rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass er nicht Mitglied der Österreichischen Schule genannt werden kann, sondern eher Teil der Lausanne Schule war (Leon Walras et al. und die Idee des Ökonomischen Gleichgewichts).“ (Ludwig von Mises: Notes and Recollections, S. 36.) Wiesers Abweichlertum wird von Mark Blaug im folgenden Kommentar vollständig übersehen, in dem er dennoch brillant und prägnant die einzigartige österreichische Perspektive definiert: „Die Österreicher haben immer wieder Marshalls Analyse des partiellen Gleichgewichts und die Art der Ökonomie, die Walras vertrat, abgelehnt. Es war eine Ökonomie zunächst der explizit formulierten mathematischen Begriffe, und sodann eine ‚Endstatus-‘ statt einer ‚Prozess-‘ Ökonomie. Dies bedeutet, es war eine Ökonomie, die ihre Aufmerksamkeit auf die Ergebnisse von Gleichgewichten konzentrierte und nicht auf die Prozesse, durch die Gleichgewichte erreicht werden. Die Österreicher hatten keine Sympathie für Walras’ Analyse der Existenz und Einzigartigkeit von Gleichgewichten vieler Märkte als Metapher für simultane Gleichungen und noch weniger für die Diskussionen über Marktgleichgewichte als Preisanpassungen für einen Nachfrageüberschuss. Tatsächlich haben alle Österreicher, inklusive Wickstead und Robbins, die Erwähnung einer bestimmten Preistheorie und dahinter liegende Diskontinuitäten vermieden und waren vollkommen zufrieden mit einer allgemeinen Tendenz hin zum Gleichgewicht, das tatsächlich nie vollständig realisiert wird.“ (Mark Blaug: „Comment on O’Briens’ ‚Lionel Robbins und die Österreichische Konnektion‘“, in: Carl Menger and His Legacy in Economics. Hrsg. von Bruce J. Caldwell, S. 186.) Im Übrigen sollten wir erwähnen, dass Mark Blaug eine viel beachtete Wandlung durchmachte. Anfänglich lehnte er die Österreichische Schule unreflektiert ab, gab aber später seinen Glauben an ein allgemeines Gleichgewicht und an das walrasianische neoklassische Paradigma auf und schlussfolgerte: „Ich bin langsam und extrem ungern zu der Ansicht gekommen, dass sie [die Österreichische Schule] richtig liegt und wir alle falsch lagen.“ (Appraising Economic Theories. Hrsg. von Blaug und De Marchi. London: Edward Elgar, 1991, S. 508.) Siehe auch seinen etwas weniger empathischen Aufsatz: Economics Through the Looking Glass, Occasional Paper 78. London: Institut of Economic Affairs, 1988, S. 37. Siehe ebenfalls The Economic Journal (November 1993), S. 1571. 199 Siehe Fußnote 177, Kapitel 4, wo wir alle Argumente von Böhm-Bawerk gegen die marxistische Theorie der Ausbeutung ausführen. Insbesondere schlussfolgert Böhm-Bawerk: „Kapitaleinkünfte sind heute von Sozialisten als Gewinne aus Ausbeutung verunglimpft, als ein räuberischer Abzug von dem Produkt der Arbeit. Aber dies würde im Sozialismus nicht verschwinden. Im Gegenteil wäre der sozialistisch organisierte Staat selbst derjenige, der dies in voller Kraft gegen die Arbeiter anwenden würde, und er wäre dazu genötigt. […] Nichts in der Welt kann die Tatsache ändern, dass Besitzer von gegenwärtigen Gütern ein Agio erhalten, wenn sie sie für zukünftige Güter tauschen. […] Es ist bewiesen, dass der Zins eine ökonomische Theorie darstellt, die aus einem elementaren ökonomischen Grund entsteht und daher überall erscheint – unabhängig von der Art gesellschaftlicher oder juristischer Organisation –, sobald es einen Austausch von Produkten für zukünftige Güter gibt.“ (Positive Theory of Capital, Bd. 2 von Capital and Interest, Abschnitt 5 [„Zinsen im Sozialismus“], S. 345 f.)

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Die ungerechtfertigte Änderung der Debatte hin zur Statik

Obwohl diese Beiträge zeigen wollten, dass die Kategorien von Wert und Zins auch in einem sozialistischen System existieren, haben Wieser und in geringerem Ausmaß auch Böhm-Bawerk ihre Überlegungen auf Gleichgewichtsanalysen aufgebaut, die voraussetzen, dass alle notwendigen Informationen gegeben sind. Das machte es sehr einfach, ihre Standpunkte in das neoklassische Paradigma einzufügen. Dieses Paradigma basiert auf einem Gleichgewichtszustand und definiert das Problem der Wirtschaftsrechnung als eines der angewandten Technik, große Mengen hoch komplexer Gleichungen zu lösen. Zur Verteidigung dieser österreichischen Autoren müssen wir festhalten, dass sie sich bewusst waren, dass das von ihnen benutzte Modell sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich in die Praxis umzusetzen ist. Insbesondere 1914 antizipierte Wieser Mises’ wesentliches Argument in Bezug auf die sozialistische Wirtschaftsrechnung und die Unmöglichkeit für die zentrale Planungsbehörde, über die notwendigen praktischen Informationen zu verfügen. Wieser betonte: „Das ökonomische System der Privatwirtschaft ist die einzige historisch erprobte Form umfangreicher sozialer und ökonomischer Verbindung. Die Erfahrungen au tausenden von Jahren erbringt den Beweis, dass durch dieses System eine erfolgreichere soziale Interaktion gesichert werden kann als die universelle Unterordnung unter einen einzelnen Befehl. Der eine Wille und Befehl, welcher im Krieg und zum Zwecke der Einheitlichkeit des Gesetzes wesentlich und unverzichtbar als verbindendes Element zwischen den gemeinsamen Kräften ist, zerstört bei der ökonomischen Interaktion die Effizienz. In der Wirtschaft wird Arbeit immer partiell geleistet […] Teilleistungen dieser Art werden weit effektiver von Tausenden und Millionen von Menschen ausgeführt, die mit Tausenden und Millionen von Augen sehen und genauso viele Willen umsetzen: Sie werden jeder gegeneinander aufgewogen, akkurater als wenn diese Handlungen, wie in einem komplexen Mechanismus durch eine übergeordnete Kontrolle gesteuert werden. Ein zentraler Antreiber dieser Art könnte nie über die unzähligen Möglichkeiten informiert werden, die bei jedem Individuum anzutreffen sind, insbesondere mit Bezug auf den größten Nutzen oder die geeignetsten Schritte, die für den zukünftigen Fortschritt unternommen werden müssen.“200 Der Beitrag Enrico Barones als Argument der formalen Gleichheit Im ersten Abschnitt des letzten Kapitels haben wir bestimmte Aspekte von Enrico Barones Werk von 1908 „Il Ministro della Produzione nello Stato Colletivista“ kommentiert, das Hayek später auf Englisch übersetzte und in Collectivist Economic Planning veröffentlichte.201 Für uns von Interesse ist die Art, mit der Barone Wiesers Spur darin folgte, wie dieser die Argumente der formellen Gleichheit zwischen Kapitalismus und Sozialismus begriff. Das hauptsächlich Neue in Barones Position liegt in seiner Kritik an dem, was er als seltsames und ungenaues Wesen des Argumentes der formalen Gleichheit ansah, das durch seine Vorgänger (Wieser und 200 Friedrich

von Wieser: Social Economics. New York: Augustus M. Kelley, 1967, S. 396 f. Dies ist A. Ford Hinrichs’ englische Übersetzung von Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft (Tübingen: J. C. B. Mohr, 1914). 201 Siehe Fußnote 147, Kapitel 4.

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in geringerem Ausmaß Böhm-Bawerk) angewendet wurde. Barone ging so weit zu behaupten, dass er durch den Gebrauch mathematischer Analyse formal und rigoros zeigen und beweisen könne, was bis zu diesem Punkt nur eine nicht perfekte Intuition gewesen war.202 Wir müssen uns mit der anspruchsvollen Behauptung Barones auseinandersetzen, weil wir glauben, dass die sogenannte mathematische Präzision nur zulasten aller im Modell verbleibenden erklärerischen Bedeutung aus der Sichtweise ökonomischer Analyse erreicht werden kann. Tatsächlich versteht Barone im Gegensatz zu Wieser die Ökonomie nicht als einen gesellschaftlichen Prozess, der aus einer Reihe von Beziehungen zwischen verschiedenen Akteuren besteht, die bewusst handeln, um ihre Ziele zu verfolgen. Vielmehr versteht er sie einfach als eine Reihe von funktionalen Beziehungen und quantitativen Ergebnissen. Was einmal eine rigorose, genetisch-kausale ökonomische Analyse war, die in den Zielen und Mitteln der Akteure wurzelte, wurde eine mechanische Reihe funktionaler Beziehungen, in der Menschen nicht teilnehmen, Zeit keine Rolle spielt und „Preise“ nicht das Ergebnis menschlicher Interaktion sind, sondern aus den Schnittpunkten von zwei Kurven entstehen und nur eine numerische Lösung von zwei simultanen Gleichungssystemen darstellen. Barone illustriert sehr deutlich die Effekte der korrumpierenden Kolonialisierung der Ökonomie durch Ingenieure und Techniker, die in der mechanistischen Tradition von Laplace ausgebildet sind. Es ist im Ergebnis nicht überraschend, dass Barones Analyse notwendigerweise im Wesentlichen statisch und daher vom Standpunkt von Mises’ Kritik des Sozialismus irrelevant ist. Tatsächlich nimmt Barone auf den ersten vierzig Seiten seines Artikel an, dass die notwendigen Informationen in Bezug auf die Höhe des Kapitals und auch auf die technischen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Produktionsfaktoren sowie Geschmäckern und Zielen der Individuen bekannt und gegeben sind.203 Wie wir im ersten Abschnitt des letzten Kapitels gesehen haben, erwähnt Barone erst am Ende seines Artikels sehr vage und beiläufig, dass die Informationen, die er ursprünglich als vorhanden ansieht und die ihm ermöglichen, sein Argument mathematisch zu entwickeln, niemals bekannt sein können. Im Gegensatz zu der fehlerhaften Deutung der Debatte, die bis jetzt aufgrund der opportunistischen Beschreibung von Oskar Lange und Joseph A. Schumpeter vorherrscht, ist es offensichtlich, dass Enrico Barone Mises’ Argument in Bezug auf die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung in keiner Weise wider­ legen konnte – noch bevor Mises es überhaupt formuliert hatte. Wie wir stattdessen bereits gezeigt haben, indem wir Mises ausdrücklich zitiert haben,204 ist sein Argument dynamisch. Es bezieht sich auf die Unmöglichkeit der zentralen Planungsagentur, wichtige praktische Informationen zu beziehen, die sie braucht, um die Ökonomie zu planen. Mises bemerkte daher als Erster, dass es im imaginären Nirwana des Gleichgewichts nicht nötig wäre, das Problem überhaupt zu berücksichtigen, das er herausgestrichen hatte. Barone hat also Mises’ Argument nicht widerlegt, weil er in seiner Analyse der formalen Gleichheit mit der Annah202 Siehe Collectivist Economic Planing, hrsg. von F. A. Hayek, S. 257 – 258. 203 Collectivist Economic Planing, S. 247. 204 Siehe Mises’ eigene Worte, die bereits in Kapitel 4 in den Fußnoten 167 und

168 zitiert wurden.

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me beginnt, dass die notwendigen Informationen gegeben seien und damit das ökonomische Problem, das Mises identifiziert hat, ab initio gelöst sei. Barone hat nicht nur Mises’ Argument nicht widerlegt, sondern im Gegenteil am Ende seines Artikels explizit die fundamentale Idee betont, die später das Herzstück von Mises’ Argument darstellen sollte: Es ist logisch unmöglich, durch einen anderen Mechanismus als die Beobachtung des Ergebnisses des Marktprozesses selber das Wissen zu erhalten, das gegeben ist, um ein entsprechendes System mathematischer Gleichungen zu formulieren. Wie wir bereits gesehen haben, hat Pareto selber die Idee sogar noch vor Barone mit perfekter Klarheit behandelt.205 Andere Theoretiker der formalen Gleichheit: Cassel und Lindahl Die obigen Argumente der formalen Gleichheit wurden 1918 von Cassel zusammengetragen, der in Bezug auf die Preisdeterminierung und die Beibehaltung der Zinsrate die Situation in einer sozialistischen Ökonomie als formal ähnlich zu der in einer Marktwirtschaft sah. Cassel behauptete sogar, dass „die Prinzipien der Preisbildung für die gesamte Ökonomie valide sind und insbesondere von der spezifischen Produktionsorganisation unabhängig sind“. Er meinte auch, dass der sogenannte perfekte Wettbewerb „als eine theoretische Voraussetzung für die Implementierung des Prinzips, Preise gemäß den Kosten zu setzen, äußerst notwendig ist“. All das veranlasste Cassel zu der Schlussfolgerung, dass die „sozialistische Ordnung als theoretisch einfacher erachtet werden kann“, einfacher selbst als der Markt. Cassels Ideen übten einen sehr negativen indirekten Einfluss auf den Verlauf der Debatte aus, da sie die theoretische Basis für Kläre Tischs Doktorarbeit bildeten, die Schumpeter 1932 betreute und die stark dazu beitrug, ihn zu überzeugen, dass die Theoretiker der formalen Gleichheit (Pareto, Barone u. a.) das Problem bereits gelöst hätten, bevor Mises das Problem der Wirtschaftsrechnung angesprochen hat. Cassels Ideen überlebten über Jahre unter seinen Schülern und selbst 1939 verteidigte Erik Lindahl die Argumente der formellen Gleichheit weiterhin blind, während er alles übersah, was in der Debatte um die sozialistische Wirtschaftsrechnung bis zu diesem Punkt beigetragen wurde.206

205 Siehe Fußnote 146 von Kapitel 4. 206 Erik Lindahl: Studies of the Theorie

of Money and Capital (1939). New York: Augustus M. Kelley, 1970. Lindahl widmet einen gesamten Abschnitt dem „Preisproblem in einer Gemeinschaft mit einem zentralisierten Planer“ (S. 69 – 73) und schlussfolgert, dass „die zentrale Autorität ein Problem lösen muss, das in einer Gemeinschaft mit freiem Unternehmertum die Zentralbank lösen muss“. Wir müssen Lindahls „dynamische“ Analyse deshalb besonders kritisieren, weil sie impliziert, dass die Informationen, die in jedem Moment entscheidend sind, gegeben sind. Daher stellt sie vor allem eine rein statistische Analyse dar, in der die Variablen und Parameter sich schlicht auf unterschiedliche „Zeitpunkte“ – verstanden in einem deterministischen oder newtonschen Sinne – beziehen und die daher weder ein Verständnis für Unsicherheit, Fehlen von Informationen und die kreative Macht menschlicher Handlung und der unternehmerischen Funktion vorweist. Lindahl folgt der Tradition der Argumente zur formellen Gleichheit, die Gustav Cassel im Jahr 1918 entwickelte und die wir bereits im Text diskutiert haben (Gustav Cassel: Theoretische Sozialökonomie. Leipzig 1932). Siehe ebenfalls Fußnote 214 und die Kritik, die George Halm in seinem Artikel „Further Considerations on the Possibility of Adequate Calculation in a Socialist Community“ (erschienen in: Collectivist Economic Planning, S. 184 – 186) an Cassel übte.

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5.2 Die Analyse der mathematischen Lösung Als wir weiter oben den Beitrag von Marx analysiert haben, behaupteten wir, dass sein ideales Gesellschaftsmodell letztendlich als ein Gleichgewichtsmodell betrachtet werden kann, von dem er glaubte, dass es möglich und ratsam sei, es durch eine zentrale Planungsbehörde zu erzwingen. Danach betrachteten wir die verschiedenen Theoretiker, die die formalen Umstände des Gleichgewichtsmodells entwickelten. Indem sie annahmen, dass das fundamentale ökonomische Problem, Informationen zu beziehen, ab initio gelöst sei, ließen sie viele Autoren glauben, dass der Sozialismus einfach ein algebraisches Problem darstellt, das in der Lösung vieler mehr oder wenig komplexer Gleichungen besteht. Es wurde daher schrittweise Allgemeingut zu glauben, dass die Theoretiker, die eine formale Gleichheit zwischen Kapitalismus und Sozialismus sahen (Wieser, Barone u. a.), im Gegensatz zu Mises bewiesen hätten, dass die sozialistische Wirtschaftsrechnung „theoretisch“ möglich sei und ein eventuelles Problem nur in der algebraischen Schwierigkeit liege, ein entsprechendes Gleichungssystem zu lösen. Wir haben gezeigt, dass diese Interpretation von Anfang bis Ende komplett fehlerhaft ist. Es ist nicht akzeptabel und vollkommen ungerechtfertigt, ökonomische Theorie mit Gleichgewichtsanalyse gleichzusetzen, da sie in jedem Fall nur ein Teil ökonomischer Theorie sein kann (vielleicht der unwesentlichste). Wie wir bereits gezeigt haben, ist Mises’ Analyse eine theoretische Analyse. Diese handelt aber in der besten österreichischen Tradition von dynamischen gesellschaftlichen Prozessen und in der Folge von der Unmöglichkeit, entscheidende praktische Informationen, die ökonomische Akteure besitzen, brauchen und ständig erschaffen, zentral zu sammeln. Das Problem ist daher nicht, wie viele meinen, dass ein Wirtschaftsrechnung – selbst wenn die zentrale Behörde notwendige Informationen beziehen würde – wegen der enormen praktischen Schwierigkeiten, die entsprechenden Gleichungssysteme algebraisch zu lösen, unmöglich wäre. Wir sollten uns im Gegenteil dem Problem von genau der anderen Seite nähern: Selbst wenn es zu irgendeinem Zeitpunkt möglich sein sollte, die vielen äußerst komplexen Gleichungen zu lösen, die von den Theoretikern der formalen Gleichheit präsentiert wurden, würde das unüberwindbare theoretische und logische Problem bestehen bleiben, die Informationen zu erhalten, die wesentlich sind, um diese Gleichungen aufzustellen. Die Bewegung hin zur Statik, die die Theoretiker der formalen Gleichheit in der Debatte vollzogen, verdeckte für viele brillante Köpfe das Wesen des fundamentalen ökonomischen Problems, das Mises in Bezug auf den Sozialismus erkannte. Und es förderte den falschen Glauben, dass eine Wirtschaftsrechnung durch die Verbesserung der algebraischen Fähigkeiten, Gleichungssysteme zu lösen, möglich gemacht werden könnte. Wir werden nun die Inhalte der wichtigsten Vorschläge für eine „mathematische Lösung“ untersuchen. Der Artikel von Fred M. Taylor Der erste ernsthafte Versuch, das Problem der Zentralplanung mathematisch zu untersuchen, wurde von Fred  M. Taylor in einer Vorlesung mit dem Titel „The Guidance of Production in a Socialist State“ unternommen, die er am 27. Dezem-

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ber 1928 aus Anlass seiner Einführung als Präsident der American Economic Association hielt.207 Taylors kurzer, vielseitig interpretierbarer Artikel teilt die Analyse des Problems der Wirtschaftsrechnung in zwei Teile. Im ersten nimmt er explizit an, dass alle notwendigen Informationen gegeben sind. Im zweiten, sehr kurzen Teil versucht er, ein System zu entwerfen, um diese Informationen zu entdecken. Taylors Aufsatz war nach Mises die erste Rückkehr zur Statik der Gleichgewichtsanalyse, in der angenommen wird, dass alle notwendigen Informationen vorhanden sind und daher das Problem der Wirtschaftsrechnung ein Problem der algebraischen Technik ist. Nach Taylor kann die Wirtschaftsrechnung durch arithmetische Tabellen durchgeführt werden, die er „factor valuation tables“ nannte und die die relativen quantitativen Bewertungen aller Produktionsfaktoren beinhalteten. Taylor glaubte, dass der Sozialismus organisiert werden sollte auf der Grundlage des Verkaufs von Gütern und Dienstleistungen zu einem Preis, der mit deren jeweiligen Produktionskosten übereinstimmt, die aus den oben erwähnten Tabellen zu entnehmen sind. Über weite Teile seines Artikels setzt Taylor explizit voraus, dass die Autorität eines sozialistischen Staates ausreichend akkurate numerische Daten besitzt, um diese Tabellen zu erstellen. Deshalb beruhen seine Überlegungen auf der Annahme, dass das fundamentale Problem, das der Sozialismus darstellt, gelöst werden kann. Taylor war daher der Erste, der den Fehler beging, den eine große Anzahl von Sozialisten nach ihm wiederholte: In dem Versuch, die eigentlichen wesentlichen dynamischen Bedenken zu vermeiden, die die sozialistische Wirtschaftsrechnung betreffen, konzentriert er seine Analyse auf die strikt algebraischen oder mathematischen Bedenken, die typisch für das statische Gleichgewichtsmodell sind. Wie Gerald P. O’Discoll herausstrich, liegt der Hauptfehler, den alle diese Autoren begehen, nicht in der Art der Antwort, die sie auf das Problem geben, sondern eher in der Frage, die sie stellen.208 Die wissenschaftlich relevante Frage in Bezug auf die Wirtschaftsrechnung ist tatsächlich nicht, ob es möglich ist, entsprechende 207 Dies

war die Ansprache des Präsidenten, die er am 27. Dezember 1928 aus Anlass des 41. jährlichen Treffens der American Economic Association in Chicago, Illinois, hielt. Die Rede wurde später in der American Economic Review 19, Nr. 1 (März 1929) veröffentlicht. Der Artikel erschien auch in: On the Economic Theory of Socialism. Hrsg. von Benjamin E. Lippincott. New York: McGraw Hill, 1964, S. 41 – 54. Es ist interessant festzustellen, dass Fred Manville Taylor (1855 – 1932) – er steht in keinerlei Beziehung zu Frederick Winslow Taylor, dem Autor von The Principles of Scientific Management – ein großer Verteidiger des Laisser-faire und des Goldstandards war. Aber seine methodologische Tendenz hin zur (marshallianischen) Gleichgewichtsanalyse führte ihn unvermeidbar zu der Annahme, dass das Problem der ökonomischen Wirtschaftsrechnung ohne größere Schwierigkeiten gelöst werden könnte. 208 Gerald P. O’Discoll notiert in seinem Artikel „A Tribute to F. A. Hayek“ (The Cato Journal 9, Nr. 2 [Herbst 1989], S. 345 – 352): „Neue Fortschritte passieren selten, indem neue Antworten zu alten Fragen gegeben werden. Grundsätzliche Fortschritte entstehen, wenn jemand neue Fragen stellt. Was einen dauerhaften Beitrag in der Ökonomie darstellt, ist das Fragen einer neuen Frage, was für eine neue Richtung in der Forschung sorgt. […] Der eigentliche Grund, warum die meisten Ökonomen das theoretische Argument gegen den Sozialismus nicht verstanden haben, ist der, dass sie immer die falschen Fragen gestellt haben. Hayeks Gegner haben immer gefragt, ob ein ökonomischer Zar effizient Ressourcen verteilen könnte, wenn er alle notwendigen Informationen hätte. Die Antwort auf diese Frage ist natürlich: ‚Ja‘. In der Mythologie der wirtschaftlichen Geschichte werden die Verteidiger des Sozialismus dafür gelobt, dass sie Mises und Hayek „widerlegt“ haben. Das haben sie nicht gemacht, sie haben schlicht eine andere irrelevante Frage gestellt und beantwortet.“ (S. 345 u. 348).

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mathematische Formeln algebraisch zu lösen, oder nicht. Die Frage ist im Gegenteil, ob von einem logischen und theoretischen Standpunkt aus die notwendigen Informationen zur Formulierung dieser Gleichungen beschafft werden können. Schließlich widmet Taylor die letzten fünf Seiten seines Artikels einem sehr kurzen Vorschlag für eine praktische Vorgehensweise, wie die notwendigen Informationen mit einem gewissen Grad an Präzision zu erhalten sind, um seine „factor valuation tables“ zu formulieren. Später werden wir den Inhalt dieser berühmten Trial-and-ErrorMethode genauer untersuchen. Hier soll es genügen zu betonen, dass Taylor selber den ersten Teil seines Artikels über die statische Analyse des Sozialismus als seinen wesentlichsten „Beitrag“ zum Thema der sozialistischen Wirtschaftsrechnung ansah. Der Beitrag von H. D. Dickinson Entgegen Taylors oben erwähntem Artikel, der bei seiner Veröffentlichung praktisch unbemerkt blieb, löste der detaillierte Vorschlag einer „Lösung“ des Problems der sozialistischen Wirtschaftsrechnung, den Henry Douglas Dickinson in seinem Aufsatz „Price Formation in a Socialist Community“ (Economic Journal, 1933)209 unterbreitete, im Englischen eine lange und hitzige Debatte über die sozialistische Wirtschaftsrechnung aus, an der unter anderem Maurice  H. Dobb und Abba  P. Lerner teilnahmen. Dickinson beginnt mit der Idee, dass es in der Theorie zwar sehr schwierig sei, ein walrasianisches System simultaner Gleichungen zu formulieren, dass dieses Problem in der Praxis aber durch Gruppierungsprozesse vereinfacht werden könnte, bei denen die Güter und Dienstleistungen zusammengefasst werden, die am engsten miteinander in Beziehung stehen. Dickinson hielt es für möglich, auf diese Weise ein System von Gleichungen zu etablieren, das handhabbar genug ist, um mathematisch gelöst zu werden, ohne sich Marktprozessen zuzuwenden. Merkwürdigerweise bezieht sich Dickinson explizit auf das Problem des verstreuten Wesens des Wissens, das in Marktprozessen vorkommt, wenn er behauptet, dass die für die Marktökonomie typische Ignoranz gegenüber ökonomischen Möglichkeiten durch ein sozialistisches System eliminiert würde – und zwar durch eine systematische Publizierung von „Informationen“ über Produktion, Kosten, Verkäufen, Inventar und im Allgemeinen alle statistischen Daten, die eventuell relevant sind. Insbesondere schlussfolgert Dickinson, dass in einem sozialistischen System alle Unternehmen operieren würden, als ob sie „aus Glas“ gemacht wären, d. h., nach außen eine komplette Informationstransparenz herstellen würden und keinerlei Geheimnisse hätten.210 209 H.  D.

Dickinson: „Price Formation in a Socialist Community“, Economic Journal Nr. 43 (Juni 1933), S. 237 – 250. Dickinson (1899 – 1969) war ein Schüler Edwin Cannans und Professor in Bristol bis 1964. David Collard schreibt: „Dick, als der er überall bekannt war, war eine viel geachtete, weltfremde, exzentrische Figur mit einem feinen Sinn für Humor und einem sehr wachen Verstand.“ Siehe den Artikel über diese sympathische Person der Ökonomie in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Bd. 1, S. 536. Hayek selber zeigt für Dickinson selbst an den Stellen einen gewissen Respekt, an denen er ihn am heftigsten kritisiert. 210 Wir sehen daher, dass die Versessenheit von Sozialisten und Interventionisten auf „Informations­ transparenz“ eine ziemlich lange Zeit zurückreicht. Dieses Verständnis, das auf einem Fehler der Wahrnehmung beruht, welche Art von Wissen in einem Marktprozess gebraucht wird, hat

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Diese Behauptungen Dickinsons sind ebenso überraschend wie schwierig aufrechtzuerhalten. Außerdem ist seine Naivität nur mit seiner Ignoranz gegenüber dem Funktionieren einer Marktwirtschaft vergleichbar. Dickinson versteht nicht, dass das Modell des allgemeinen Gleichgewichts, wie es von Walras und Pareto entwickelt wurde, schlicht ein Modell der formalen Gleichheit darstellt, in dem das Einzige, was die Autoren zeigen, die Art der Information ist, die notwendig wäre, um einen Gleichgewichtszustand zu etablieren und beizubehalten. Trotzdem gründeten weder Pareto noch Walras ihre Hoffnung auf die Möglichkeit, die notwendigen Informationen auf andere Weise zu beziehen als durch den Markt selber.211 Das Problem ist also keines der Computerisierung. Es besteht nicht in der Lösung einer Reihe von simultanen walrasianischen Gleichungen (selbst wenn die Gleichungen in vereinfachter Weise durch Gruppierung der ähnlichsten Güter und Dienstleistungen formuliert wären, wie es Dickinson vorschlägt), sondern darin, subjektive praktische Informationen zu erhalten, die nur in verstreuter Form gefunden und geschaffen werden und notwendig sind, um die Parameter und Variablen solcher Gleichungen zu spezialisieren. Das Argument ist schlicht falsch, dass verstreutes Wissen in einem sozialistischen System, in dem das Prinzip der „Informationstransparenz“ vorherrscht, kein Problem darstellen würde. Informationen sind nicht statisch, objektiv und immer vorhanden, sodass nur Kostenprobleme und willkürliche Restriktionen der Öffentlichsich weit verbreitet und große Popularität selbst in westlichen Ländern erreicht. Es äußert sich häufig in exzessiver Regulierung, die eine fast untragbare Bürde für viele Unternehmen ist, die verpflichtet sind, eine große Menge von unnötigen und kostenintensiven statistischen und buchhalterischen „Informationen“ zu erzeugen, die die Koordination und Effizienz der fraglichen Gesellschaften bislang nicht einmal graduell verbessert hat. Auf diesem und vielen anderen Gebieten konvergiert das Interesse der Sozialisten, die glauben, dass die Pflege großer Firmen und „Informationstransparenz“ ihre Aufgabe der Koordination durch Befehle vereinfache, mit den Interessen der Gleichgewichtstheoretiker, die meinen, dass eine Verbesserung der „statistischen Informationen“ das Erreichen und Erhalten von „effizienten“ Märkten erleichtere, also denjenigen, die eher denen ihrer eigenen Modelle ähneln. Überdies werden beide natürlicherweise durch privilegierte spezielle Interessengruppen unterstützt, die direkt von den obigen Regulierungen profitieren (Wirtschaftsprüfer, Buchhalter u. a.). Sie alle liegen mit ihrem Konzept von Information falsch, weil Statistiken immer „Schnee von gestern“ sind: Sie können subjektiv auf vielfältigste Weise interpretiert werden und helfen dem unternehmerischen Prozess der Koordination nicht nur nicht, sondern machen ihn sogar schwieriger, ja stören ihn in einem Ausmaß, dass sich Unternehmer von deren scheinbarer „Genauigkeit“ beeinflussen lassen. Dies kommt alles zu den unnötigen Kosten und der schlechten Ressourcenverteilung noch hinzu, die durch die zwangsweise Auferlegung von exzessiven Buchhaltungs- und „Informations“-Verpflichtungen entsteht, die weit über der Ebene von Geschäftsgewohnheiten liegen. Zu diesem Thema siehe den brillanten Artikel von Benito Arruñada; „El coste de la información contable“ (Espana Económica [Mai 1991], S. 8 – 11), wo er völlig zurecht die Rechnungslegungsreform kritisiert, die zu Beginn der 1990er-Jahre von der sozialistischen Regierung in Spanien eingeführt wurde. Siehe ebenfalls Stephen Gillespies’ Artikel: „Are Economic Statistics Overproduced?“ Public Choice 67, Nr. 3 (Dezember 1990), S. 227 – 242. 211 „Es ist wahr, dass Vilfredo Pareto und Enrico Barone gezeigt haben, welche Information eine sozialistische Planungsbehörde besitzen müsste, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Aber zu wissen, welche Informationen notwendig sind, um das Problem zu lösen, impliziert nicht, dass es gelöst werden kann, wenn die Informationen verstreut unter Millionen von Menschen liegen.“ (F. A. Hayek: „Two Pages of Fiction: The Impossibility of Socialist Calculation“, in: The Essence of Hayek. Hrsg. von Chiaki Nishiyama und Kurt R. Leube. Stanford, California: Hoover Institution Press, Stanford University, 1984, S. 58.)

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keit verhindern könnten, alle zu erfassen. Im Gegenteil sind Informationen im Wesentlichen subjektiv und dynamisch und werden ständig ex novo als Konsequenz der Kraft der unternehmerischen Funktion innerhalb des Kontextes der Marktwirtschaft kreiert. Wenn also die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion verboten ist und die Wirtschaft zwangsweise von oben über Befehle organisiert wird, so wie wir in den Kapiteln 2 und 3 in diesem Buch gesehen haben, dann wird die praktische Information, die für die Koordinierung des gesellschaftlichen Prozesses entscheidend ist, nicht einmal entstehen. Es ist daher wertlos, leere generelle Prinzipien zu verkünden – wie etwa „Informationstransparenz“, die eine umfangreiche Veröffentlichung von Daten beinhaltet –, wenn die institutionellen Restriktionen der freien Ausübung der unternehmerischen Funktion die Entstehung der notwendigen Informationen ausschließt. Ständige Veränderung und das dynamische Wesen von Informationen hören auf zu existieren, historische „Informationen“ werden nutzlos und irrelevant. Obwohl sie in umfangreichen detaillierten Statistiken verarbeitet werden und gebührenfrei und absolut transparent verteilt werden, haben sie nur historischen oder „archäologischen“ Wert, sobald sich in jeder realen nicht „eingefrorenen“ Volkswirtschaft Umstände ändern, neue Mittel und Ziele entdeckt werden und neue Informationen ständig entstehen oder geschaffen werden. Bereits 1912 führte der niederländische Ökonom N. G. Pierson das Argument fort, dass in einer realen Ökonomie selbst die umfassendste und detaillierteste Veröffentlichung von Statistiken von keinerlei Nutzen wäre angesichts der ständigen Veränderungen, die statistische Informationen obsolet machen, bevor sie publiziert werden.212 Obwohl er ursprünglich (im Jahr 1933) glaubte, seine mathematische Lösung repräsentiere einen gangbaren Weg, um Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System durchzuführen, änderte er diese Meinung nur sechs Jahre später radikal. Er bemerkte seinen Fehler, da „Die Daten selber, welche ständig in die Rechenmaschine gesteckt werden müssten, ändern sich ständig.“213 Wie wir wissen, ist genau dies das Argument der Österreicher von Anfang an, mit dem sie ihre Ablehnung jeder Form von mathematischer Lösung begründen. Die mathematische Lösung in der deutschen Literatur Verschiedene Autoren in der deutschen Literatur versuchten, mit einer „mathematischen“ Lösung für das Problem der Wirtschaftsrechnung aufzuwarten. Unter ihnen sollten wir Dr. Kläre Tisch herausheben, die wir bereits erwähnt haben. In ihrer Doktorarbeit, die sie unter Joseph A. Schumpeter schrieb und die auf der Arbeit von Cassel und Walras basiert, schlussfolgerte sie, dass es möglich sei, ein Glei212 „Und

in Bezug auf das Fixieren von Preisen würde der sozialistische Staat schnell herausfinden, dass keine mathematische Formel zur Verfügung steht und die einzigen Mittel, durch den er hoffen könnte, das Problem zu lösen, genau die exakten und wiederholten Vergleiche zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Gütern und gegenwärtiger und zukünftiger Nachfrage liegt. Sie würde herausfinden, dass Preise nicht ein für alle Mal festgelegt werden können, sondern oft verändert werden müssen. Nicht die Theorie der Durchschnitte, sondern der Tauschwert der Dinge müsste in den meisten Fällen als Orientierung zur Fixierung von Preisen dienen; und warum sollte es den Dienst dieser Orientierung ablehnen?“ (Nicolaas Gerard Pierson: Principles of Economics. Übersetzt von A. Wotzel. London: Macmillan, 1912, S. 94.) 213 Henry Douglas Dickinson: Economics of Socialism. Oxford: Oxford University Press, 1939, S. 104.

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chungssystem mit so vielen Gleichungen wie Unbekannten zu konstruieren, das, einmal gelöst, das Problem der Wirtschaftsrechnung beseitigen könne. Dr. Herbert Zassenhaus begeht den gleichen Fehler, obwohl er selber explizit erkennt, dass ein solches System nur gebraucht werden könnte, wenn das Produktionsministerium bereits im Vorfeld alle notwendigen Informationen besitzt und diese Informationen konstant bleiben, während die Gleichungen gelöst werden. Weder Dr. Tisch noch Dr. Zassenhaus bemerken, dass das grundsätzliche Problem insbesondere in der Etablierung eines Weges besteht, um die Informationen zu erhalten, welche die Planungsbehörde braucht, um ein Gleichungssystem zu formulieren.214

5.3 Die „mathematische Lösung“ und die nachteiligen Konsequenzen für die Debatte Die wichtigste nachteilige Folge der „mathematischen Lösung“, wie sie von Taylor und Dickinson vorgeschlagen wurde, auf den Verlauf der Debatte über die sozialistische Wirtschaftsrechnung war, dass die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf Probleme der statischen Ökonomie gelenkt wurde. Tatsächlich beantwortet die „mathematische Lösung“ die falsche Frage (nämlich die, ob Wirtschaftsrechnung unter statischen Bedingungen, d. h., wenn alle Informationen vorhanden sind und keine Veränderungen eintreten, möglich ist oder nicht). In diesem Sinne hat die „mathematische Lösung“ den theoretischen Standard der Debatte heruntergesetzt und die Gedanken von dem fundamentalen ökonomischen Problem abgelenkt, wie es Mises ursprünglich dargestellt hat. Das fundamentale ökonomische Problem war grundsätzlich eines der ökonomischen Dynamik und mit der Unmöglichkeit verbunden, Wirtschaftsrechnung ohne Marktprozesse, die durch die unternehmerische Funktion angetrieben werden, durchzuführen. Die unternehmerische Funktion allein ermöglicht es ökonomischen Akteuren, ständig die praktischen, verstreuten Informationen zu entdecken, die notwendig sind, um Markteinschätzungen von Kosten und Gewinnen vorzunehmen. Eine andere nachteilige Konsequenz der „mathematischen Lösung“ war, dass sie den falschen Eindruck vermittelte, sowohl Hayek als auch Robbins hätten als Reak214 Der

Vorschlag von Dr. Kläre Tisch erscheint in ihrer Doktorarbeit, die von Joseph A. Schumpeter betreut wurde und den Titel trägt: Wirtschaftsrechnung und Verteilung im Zentralistisch Organisierten Sozialistischen Gemeinwesen (Wuppertal-Elberfeld: Universität Bonn, 1932). Hayek sieht die Fehler in dieser Doktorarbeit sowie Schumpeters Ignoranz und seine ehrfurchtsvolle Überschätzung der mathematischen Analyse als die Gründe für Schumpeters Fehler auf diesem Feld, insbesondere weil dieser sich den Mythos ausgedacht und propagiert hat (Capitalism, Socialism and Democracy. London: George Allen and Unvin, 1950), dass Pareto und Barone es geschafft hätten, das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung zu lösen. Siehe The Essence of Hayek, S. 59 f., in dem Artikel: „In the Theory of Economic Planning“ International Economic Paper, Nr. 6 (1956) S. 88 – 107. Dies ist eine englische Übersetzung des deutschen Originalbeitrags „Über die Ökonomische Theorie der Planwirtschaft“ (Zeitschrift für Nationalökonomie 5, [1934]). Die Vorschläge von Tisch und Zassenhaus werden im Detail analysiert und kritisiert von Trygve J. B. Hoff in seinem Werk: Economic Calculation in the Socialist Society, S. 207 – 210. Ebenfalls lesenswert sind die kritischen Beobachtungen, die G. Halm in seinem Artikel „Further Considerations and the Possibilities of Adequate Calculations in a Socialist Community“ (Collectivist Economic Planing, S. 131 – 200) bezüglich beider Autoren macht.

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tion auf die Ausführungen von Taylor und Dickinson eine zweite „Verteidigungslinie“ aufgebaut und anerkannt, dass Wirtschaftsrechnung in der Theorie möglich sei, aber daran festgehalten, dass sie in der Praxis unmöglich sei – rein aus Gründen der algebraischen Machbarkeit, also wegen der praktischen Schwierigkeit, entsprechende Gleichungssysteme zu lösen. Diese Version der Geschichte beruht auf dem bereits beschriebenen gravierenden methodologischen Fehler, „Theorie“ mit „ökonomischer Gleichgewichtsanalyse“ gleichzusetzen. Unabhängig davon glauben wir auch aus den folgenden Gründen nicht, dass sie der Wahrheit entspricht: 1.  Für Hayek ist das grundsätzliche Argument für die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung nicht die praktische Schwierigkeit, ein System mit unzähligen Gleichungen algebraisch zu lösen. Er sieht es vielmehr in dem unvermeidbaren theoretisch-dynamischen Problem, anzunehmen, dass eine zentrale Regulierungsbehörde die subjektiven praktischen Informationen erhalten kann, die in verstreuter Form geschaffen werden und verteilt in den Köpfen von Millionen ökonomischer Akteure vorliegen. In seinem Artikel „The Present State of the Debate“ von 1935 schreibt Hayek, dass das wesentliche ökonomische Problem mit der mathematischen Lösung darin liege, dass „die üblichen theoretischen Abstraktionen, die in den Erklärungen des Gleichgewichts gebraucht werden, in einem wettbewerblichen System die Annahme beinhalten, dass eine gewisse Bandbreite von technischem Wissen ‚gegeben‘ ist. Es ist wohl nicht notwendig zu betonen, dass dies eine absurde Idee darstellt, selbst in dem Maße, in dem es sich um Wissen handelt, das ohne Weiteres zu irgendeinem Zeitpunkt als ‚existent‘ angenommen werden kann. Vieles von dem Wissen, das tatsächlich genutzt wird, ist in dieser fertigen Form unter keinen Umständen existent.“215 Für Hayek hat daher das fundamentale Problem der Wirtschaftsrechnung nichts mit der strikt „algebraischen“ Schwierigkeit zu tun, ein entsprechendes Gleichungssystem zu lösen. 2.  Wenn Hayek die praktischen Probleme erwähnt, das Gleichungssystem zu lösen, bezieht er sich auf ein im Vergleich zum fundamentalen Problem sehr untergeordnete Schwierigkeit. Er misst ihr nur eine zweitrangige Bedeutung zu und erwähnt sie fast „beiläufig“, wenn er ausführt: „Das Ausmaß dieser im Wesentlichen mathematischen Operation hängt von der Zahl der festzulegenden Unbekannten ab. Die Anzahl dieser Unbekannten wird gleich der Zahl der Güter sein, die produziert werden müssen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir nur schwer sagen, was deren Anzahl ist, aber es ist wohl nicht übertrieben anzunehmen, dass in einer relativ weit entwickelten Gesellschaft das Ausmaß mindestens in die Hunderttausende geht. Das bedeutet, dass in jedem der aufeinanderfolgenden Momente jede der Entscheidungen auf der Lösung einer gleichen Anzahl simultaner Differenzialgleichungen gründet – eine Aufgabe, die unter allen heute bekannten Umständen nicht innerhalb eines Lebens ausgeführt werden könnte.“216 Vollkommen unabhängig von den Gründen, warum Computerwissenschaften das Problem der Wirtschaftsrechnung nicht lösen können – Gründe, die wir in Kapitel 3 untersucht ha215 F. A. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 210. 216 A. a. O., S. 212. Dieses Argument gleicht dem, das Pareto 1897 aufgestellt hat (siehe Kapitel

Fußnote 146).

4,

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ben –, müssen wir außerdem hinzufügen: Wenn wir uns strikt auf das algebraische Problem fokussieren, das sich durch ein System vielfältigster Gleichungen stellt, so sehen wir, dass sich der beeindruckende Fortschritt in der Computertechnik und die außergewöhnliche Entwicklung der Computerkapazitäten in den letzten Jahren als nicht signifikant für die Lösung des Problems erwiesen haben. Tatsächlich ist es nach Samuelson und Nordhaus mit den modernsten Computern und der Technik, die H. Scarf und H. Kuhn in den 1960ern und 1970ern entwickelten, mittlerweile relativ einfach möglich, ökonomische Gleichgewichtsprobleme zu lösen, die sich aus 50 Märkten und 10 bis 20 verschiedenen Arten von Konsumenten zusammensetzen. Die modernsten Supercomputer können dafür genutzt werden, Gleichungssysteme zu lösen, die auf 100 verschiedenen Produktionsfaktoren, 10.000 Gütern und 100 unterschiedlichen Konsumenten basieren.217 Diese Anzahl kommt nicht einmal annähernd an die Anzahl der Güter und Dienstleistungen in einer unterentwickelten Ökonomie wie etwa der ehemaligen Sowjetunion heran, wo die Anzahl der Produkte weit über 12 Millionen lag. Sir Alec Nove hat einen Kommentar des Akademiemitglieds Nikolai Fedorenko erwähnt, der darlegte, dass es etwa 30.000 Jahre dauern würde, das Problem der Wirtschaftsrechnung, das der letzte Fünfjahresplan der Sowjetunion aufwerfe, zu formulieren und zu lösen.218 Ganz gleich, wie unerreichbar diese Zahlen erscheinen: Wir dürfen uns nicht selber in die Irre 217 P. A.

Samuelson und W. D. Nordhaus: Economics. 12. Auflage. New York: McGraw-Hill, 1985. Es ist anerkennenswert, dass Samuelson und Nordhaus in dieser Auflage ihres berühmten Textbuches die Validität von Hayeks wesentlichem Argument zugeben, indem sie in einer Fußnote ergänzen: „Aber selbst wenn extrem schnelle Computer – tausendmal besser als die aktuellen – produziert werden, würden wir doch mit einem anderen unumgänglichen Problem konfrontiert sein: Wir haben keinen Zugang zu dem kleinsten Teil der Daten, die notwendig sind, um das komplexe Problem des allgemeinen Gleichgewichts zu lösen.“ (Übersetzt aus der spanischen Auflage: Economía. 12. Auflage. Madrid: McGraw-Hill, 1986, S. 830.) Es ist eine Schande, dass Samuelson und Nordhaus diese fundamentale Idee an das Ende einer Fußnote setzen und von dem Haupttext ihrer populären Abhandlung ausschließen. Des Weiteren widerspricht diese wesentliche Idee dem Inhalt des Buches selbst (S. 839 und 840 in der spanischen Auflage), das eine kurze und furchtbar verwirrende Zusammenfassung der Debatte bereithält und offenlegt, dass es die Autoren nicht geschafft haben, das grundsätzliche ökonomische Problem zu verstehen, das Mises und Hayek in Bezug auf die sozialistische Wirtschaftsrechnung erklärt haben. Obendrein war in der Ausgabe von 1989 von Samuelsons Textbuch die folgende Aussage immer noch gegenwärtig: „Die sowje­ tische Volkswirtschaft ist der Beweis, dass entgegen dem, was viele Skeptiker früher glaubten, eine sozialistische Kommandowirtschaft funktionieren und sogar gedeihen kann.“ Dies ist eine peinliche Feststellung, zumindest im Lichte der Ereignisse, die sich im gleichen Jahr in Osteuropa zu entfalten begannen, und der Informationen, die zum ersten Mal über das wirkliche Funktionieren dieser Ökonomien auftauchten – Informationen, die von direkt beteiligten Parteien stammten. Paul A. Samuelson: Economics. 13. Auflage. New York: McGraw-Hill, 1989, S. 837. 218 „Dies ist nur eine der Schwierigkeiten, die der schieren Größe der benötigten Koordination vieler Millionen Plananweisungen zugerechnet werden. Academician Fedorenko schätzt, dass der nächste Plan vollständig kontrolliert und ausbalanciert vielleicht in dreißigtausend Jahren fertig ist …“ Siehe Alec Noves Artikel: „Planed Economy“, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics. London: Macmillan, 1987, S. 879 – 885. (Dieser Ausschnitt findet sich auf Seite 881.) Unglücklicherweise erkennt Alec Nove das grundsätzliche ökonomische Problem nicht, das der Sozialismus verursacht, und glaubt an diesem Punkt weiterhin, dass das Problem die rein algebraische Schwierigkeit darstelle, die entsprechenden Gleichungssysteme zu lösen. Genauer gesagt legt Nove offen, dass er Mises’ wesentliches Argument weder gelesen noch verstanden hat, wenn er schreibt: „Kritiker wie Barone oder L. von Mises haben wesentliche Schwächen in diesem Ansatz herausgestrichen: Die Anzahl der benötigten Rechnungen wäre enorm …“ Wir wissen, dass das wesentliche Argument, das Mises gegen die sozialistische Wirtschaftsrechnung vorbringt, nicht dieses ist (das

Die „mathematische Lösung“ und die nachteiligen Konsequenzen für die Debatte

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führen lassen und denken, dass sie der wesentliche Grund für das Scheitern des Sozialismus darstellen. Selbst wenn es Computer morgen ermöglichen würden, Hunderte Millionen von Gleichungen in einer Zehntelsekunde zu lösen, wird es immer unmöglich sein, zwangsweise die ökonomischen Informationen zu erhalten, die für die Formulierung derartiger Gleichungssysteme notwendig sind. 3.  Eine mögliche Erklärung dafür, dass Hayeks Position missverstanden wird, liegt in der Rangfolge, in der er die Aspekte seines Argumentes präsentiert.219 Um die „mathematische Lösung“ zu kritisieren, folgt Hayek einer Argumentationsreihenfolge, die jeder so ganz ähnlich gewählt hätte, der mit einem rein algebraischen Problem konfrontiert gewesen wäre. Er beginnt damit, auf das Problem einzugehen, wie die entsprechenden Gleichungen formuliert werden können. Hier erwähnt Hayek das fundamentale ökonomische Problem: die Unmöglichkeit, die Informationen zu beziehen, die notwendig sind, um die Gleichungen zu formulieren. Hayek­­ schreibt dann, dass es selbst dann praktisch unmöglich wäre, Gleichungssysteme, die ein Gleichgewichtsproblem beschreiben, algebraisch zu lösen, wenn wir aus argumentationstheoretischen Gründen annehmen, dass diese Gleichungen überhaupt aufgestellt werden könnten. Ganz klar fokussiert Hayek auf das wesentliche theoretische Argument, dass es unmöglich ist, Informationen zu beziehen, die notwendig sind, um korrespondierende Gleichungen zu formulieren. Dem Problem der algebraischen Lösung misst er nur eine sekundäre Bedeutung bei.220 Nichtsdestotrotz liegt es vielleicht an der Reihenfolge seiner Erklärungen, dass viele Kommentatoren der Debatte fälschlicherweise angenommen haben, dass Mises in Wirklichkeit niemals ausdrücklich vorbrachte). Sein Argument ist vielmehr: Selbst wenn es möglich wäre, ein unglaublich kompliziertes Gleichungssystem zu lösen, wären im Sozialismus die notwendigen Informationen, um sie zu formulieren, nicht vorhanden. 219 Don Lavoie fügt in seinem herausragenden Buch Rivalry and Central Planning (S. 91) das Argument hinzu, dass Hayek einen strategischen Fehler begangen hat, als er in Collectivist Economic Planing (1935) die englische Übersetzung von Barones 1908 veröffentlichtem Artikel hinzufügte. Denn dieser Artikel erwähnt nicht nur beiläufig, dass Planungen, die auf einem walrasianischen System von Gleichungen basieren, aufgrund der Schwierigkeiten unmöglich sind, die sich aus der Lösung der entsprechenden Gleichungssysteme ergeben. Lavoie hatte recht, als er schlussfolgerte: „Trotzdem war zumindest für Mises und Hayek, wenn nicht sogar für Robbins, das Problem, die Gleichung zu formulieren, und nicht, die Gleichung zu lösen. In einer Welt von Komplexität und ständigem Wandel fehlt den zentralen Planern das Wissen über die Koeffizienten, das in die Gleichungen einfließt.“ (S. 91) 220 Lionel Robbins hat vielleicht am wenigsten deutlich die sekundäre Natur des Arguments betont in Bezug auf die praktische Schwierigkeit, algebraisch das System walrasianischer Gleichungen zu lösen. Es scheint, dass Robbins so überzeugt von der Absurdität war, eine praktische Lösung dieses Typs in Betracht zu ziehen, dass er nicht zögerte, das grundsätzliche theoretische Argument zu entwickeln und zu verfeinern. Nichtsdestotrotz können wir zu seiner Verteidigung auf seine Beobachtungen zur Wirtschaftsrechnung verweisen, die er, obwohl er ihnen nur sekundäre Bedeutung beimaß, in ein Buch einfügte, das der Analyse von Problemen anderer Natur gewidmet war (nämlich denen, die Gründe der großen Depression zu identifizieren). Auf Seite 151 seines Buches The Great Depression (New York: Macmillan, 1934) schlussfolgert er, nachdem er feststellt, dass es „auf dem Papier“ möglich ist, das Problem der Wirtschaftsrechnung durch eine Reihe von mathematischen Kalkulationen zu lösen: „Aber praktisch ist diese Lösung unbrauchbar. Es würde das Aufschreiben von Millionen von Gleichungen auf der Basis von Millionen von statistischen Tafeln bedeuten, die auf vielen Millionen von individuellen Berechnungen beruhen. In der Zeit, in der die Gleichungen gelöst würden, wären die Informationen, auf denen sie beruhen, bereits obsolet geworden und müssten von Neuem berechnet werden. Der Vorschlag, dass eine praktische Lösung des Problems der Planwirtschaft auf der Grundlage partianischer

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Hayek­hier eine „zweite Verteidigungslinie“ aufbaut und sich hinter den praktischen Schwierigkeiten, die Gleichungssysteme zu lösen, versteckt habe, anstatt sich auf die logischen Argumente der logischen Unmöglichkeit zu konzentrieren. Eine solche Interpretation ist unbegründet und Hayek widerlegte sie selber im Detail.221 4. Ludwig von Mises ist besonders deutlich, wenn er zeigt: Das Argument, dass es schwierig ist, das Gleichungssystem algebraisch zu lösen, ist nicht nur von zweitrangiger Natur, wie Hayek glaubte, sondern auch vollkommen unwichtig und theoretisch irrelevant.222 Für Mises besteht das fundamentale Problem darin, dass das Wissen, das wichtig ist, um Gleichungen im Gleichgewicht zu formulieren, niemals zentral verfügbar sein kann. 1940 fügte er noch ein weiteres Argument hinzu, das von Hayek zuvor noch nicht entwickelt worden war: Selbst wenn ein Gleichungssystem ein Gleichgewichtssystem beschriebe (ein unmögliches Unterfangen, benutzt man das für einen Ungleichgewichtszustand typische Wissen – das einzige Wissen, das im echten Leben vorhanden ist), so wäre dies keine Hilfe für die Planungsbehörde, die entscheiden muss, welche spezifischen Schritte die Volkswirtschaft von dem gegenwärtigen, realen Zustand des Ungleichgewichtes in den angestrebten, idealen Gleichgewichtszustand bringen würden. In Mises’ eigenen Worten: „Es war ein schwerer Fehler zu glauben, dass der Gleichgewichtszustand mit dem Computer anhand von mathematischen Operationen berechnet werden könnte, auf der Basis des Wissens über Umstände in einem Ungleichgewichtszustand. Es war nicht weniger fehlerhaft zu glauben, dass ein solches Wissen über die Umstände unter eine hypothetischen Gleichgewichtszustand von irgendeinem Nutzen für den handelnden Menschen auf seiner Suche nach der besten möglichen Lösung der Probleme, die sich ihm bei seinen täglichen Handlungen und Entscheidungen stellen.“223 Gleichungen möglich ist, zeigt schlicht, dass diejenigen, die ihn vertreten, noch nicht begonnen haben zu erahnen, was diese Gleichungen bedeuten.“ 221 „Ich glaube, ich sollte noch einmal deutlich machen, dass ich nie, so wie es dargestellt wurde, der Meinung war, dass Lange eine theoretische Lösung für das Problem angeboten hätte, und ich habe auch danach nicht davon abgesehen, die praktischen Probleme hervorzuheben. Was ich gesagt habe (in Individualism and Economic Order, S. 187) war nur, dass aus der faktisch falschen Hypothese, dass die zentrale Planungsbehörde alle notwendigen Informationen befehligen könnte, logisch folgen würde, dass dieses Problem prinzipiell zu lösen ist. Von dieser Beobachtung die „Rechtfertigung“ abzuleiten, dass das reale Problem theoretisch gelöst werden kann, ist eine skandalöse Fehlinterpretation. Natürlich kann niemand das gesamte Wissen, das er hat, auf jemand anderen übertragen und sicherlich nicht die Informationen, die er nur entdecken kann, wenn ein Marktpreis ihm sagt, was wert ist zu beachten.“ (F. A. Hayek: Two Pages of Fiction: The Impossibility of Socialist Calculation“, in: Economic Affairs, April 1982, wiederveröffentlicht als Kapitel 4 des Buches: The Essence of Hayek. Hrsg. von Chiaki Nishiyama und Kurt R. Leube. Stanford: Hoover Institution, Stanford University, 1984, S. 58.) 222 Tatsächlich gibt es für Mises „keinen Grund zu betonen, dass die enorme Anzahl von Gleichungen, die man jeden Tag von Neuem zu lösen hätte, für den praktischen Gebrauch der Methode die gesamte Idee ins Absurde kehrt, selbst wenn es wirklich ein vernünftiger Ersatz für die Wirtschaftsrechnung des Marktes wäre. Die Konstruktion von Computern beeinflusst daher nicht unser Problem.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S. 715 und die letzte Zeile von Fußnote 11 auf Seite 715.) Eine ähnliche Ansicht vertritt Esteban F. Thomsen in seinem profunden Werk: Prices and Knowledge: A Market Process Perspective (London: Routledge, 1992, S. 83 – 86). 223 Ein weiteres brillantes Argument von Mises, das nicht widerlegt wurde, erschien zum ersten Mal auf Deutsch in seinem Buch Nationalökonomie: Theorie des Handelns und Wirtschaftens (Genf: Editions Union, 1940, S. 641 – 645). In Abschnitt 4 („Die Gleichungen der mathematischen

Die Trial-and-Error-Methode

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5.4 Die Trial-and-Error-Methode Bereits 1935 zweifelte Hayek, dass Taylor und Dickinson wirklich beabsichtigten, das Problem der Wirtschaftsrechnung mit einer Methode zu lösen, die im wahrsten Sinne des Wortes im Lösen walrasianischer Gleichungssysteme besteht. Hayek glaubte vielmehr, dass Taylor und Dickinson eigentlich – wenngleich unkonkret – die wiederholte Suche nach einer Lösung für ein walrasianisches Gleichungssystem durch einen Prozess vorschlugen, der auf der Trial-and-Error-Methode basiert.224 Chronologisch war Taylor der Erste, der wörtlich die Trial-and-ErrorMethode erwähnt: „Diese Methode von Versuch und Irrtum […] besteht darin, eine Reihe von hypothetischen Lösungen auszuprobieren, bis eine gefunden ist, die sich als erfolgreich herausstellt.“225 Dickinson war für seinen Teil etwas weniger explizit und bezog sich einfach auf einen „Prozess der sukzessiven Annäherung“ an die korrekte Lösung.226 Katallaktik“) des Kapitels widmete er sich dem Widerlegen von Versuchen, das Problem der Wirtschaftsrechnung zu lösen. Zuvor, im Jahr 1938, waren die wesentlichen Ideen dieses Abschnittes auf Französischen erschienen unter dem Titel: „Les équations de l’économie mathématique et le problème de calcul économique en régime socialiste“. (Dieser Artikel erschien in der Revue d’Èconomie Politique [1938], S. 1055 – 1062, und wurde 50 Jahre später in Nr. 97 (6), November – Dezember 1987 der gleichen Zeitschrift neu veröffentlicht, und zwar mit einem Kommentar von Jean Bénard, der offenlegt, dass dieser Autor das ökonomische Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung ebenfalls nicht versteht.) Das Argument wurde später im Englischen ausgeweitet und weiter elaboriert in Human Action, S. 710 – 715. 224 „Es ist unwahrscheinlich, dass irgendjemand, der die Größe der Aufgabe erkannt hat, ernsthaft ein Plansystem vorgeschlagen hat, das auf umfassenden Gleichungssystemen basiert. Was denen, die diese Art der Analyse unterstützt haben, eigentlich vorschwebte, war, dass – mit einer existierenden kapitalistischen Gesellschaft als Ausgangspunkt – die Anpassung kleinerer Veränderungen, die von Tag zu Tag auftreten, graduell durch die Methode von Versuch und Irrtum vorgenommen werden könnten.“ (F.  A. Hayek: „The Present State of the Debate“, Collectivist Economic Planning, S. 213.) 225 Fred M. Taylor: „The Guidance of Production in a Socialist State“, in: On the Economic Theory of Socialism, S. 51. 226 Henry D. Dickinson: „Priceformation in a Socialist Community“, S. 241. Zwischen den Vorschlägen von Taylor und Dickinson, die zwischen 1928 und 1933 vorgetragen wurden, schlug ein anderer Amerikaner, Willet Crosby Roper, 1931 ebenfalls eine Trial-and-Error-Methode vor. Er glaubte, dass Knappheiten, die in einem ökonomischen System offensichtlich sind, in jedem Fall ein klares Signal für die Zentralbehörde seien, ihre Instruktionen zu verändern, und diese auf eine „korrekte“ Lösung hinweisen würden. Obwohl Roper nicht verheimlicht, dass er stark mit dem Sozialismus sympathisiert, ist ihm die enorme Schwierigkeit bewusst, die in der Praxis entstehen würde, wenn die Trial-and-Error-Methode, die er selber vorschlägt, angewendet würde. Insbesondere führt er aus: „Diese Beschreibung des Prozesses lässt ihn erscheinen, als sei er einfach zu erreichen. Es ist scheinbar nur eine Frage der Anpassung einiger Fehler zu Beginn. Danach kann man sich hinsetzen und dem System beim Arbeiten zuschauen. Aber noch einmal: Wir ignorieren die fast unglaubliche Kompliziertheit des ökonomischen Prozesses. Bei der Aufstellung eines Preissystems mit vielleicht nur einem oder zwei Fehlern (eine bereits unglaubliche Annahme) würden diese ein oder zwei Fehler bereits Veränderungen bedeuten, die sich durch die gesamte Struktur ziehen müssten. Wäre die Anzahl der ernsthaften Fehler größer, würde es eine beachtliche Zeit und viele sorgfältige Berechnungen brauchen, um eine Position des Gleichgewichtes zu erreichen, in dem die Faktoren gemäß ihrer Grenzproduktivität exakt bepreist wären, diese Preise den Faktoren gleicher Effizienz gleichen und das gesamte theoretische System eines stabilen Gleichgewichts realisiert wäre. Tatsächlich könnte dieses Gleichgewicht nur in einer statischen Ökonomie erreicht werden, die nie existieren kann. Man scheint sicher sagen zu können, dass der Preismechanismus, der notwendig für einen zentralisierten Kollektivismus ist, bestenfalls nur eine abseitige Möglichkeit ist.“ Roper schlussfolgert: „Es zeigt sich, dass die größte Erfolgschance

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Durch diese unkonkrete und irritierende Schreibweise ist es nicht einfach, eine klare, detaillierte Idee davon zu erhalten, was Taylor, Roper und Dickinson unter der Trial-and-Error-Methode verstanden – obwohl diese Methode prinzipiell als Variante der „mathematischen Lösung“ vorgeschlagen wurde. Dies war ein Versuch, das schwierige Problem zu vermeiden, ein algebraisch schwieriges Gleichungssystem zu lösen. Diese Autoren – genau wie Lange selbst (wie wir sehen werden) – betrachteten die mathematische Lösung als die geeignetste. Sie fühlten jedoch, dass es möglich wäre, durch einen Prozess von „Versuch und Irrtum“ eine Annäherung zu erreichen, solange es praktische Probleme dabei gibt, eine Lösung für die Gleichungssysteme zu finden. Es wäre lediglich notwendig, die vom vorhergehenden kapitalistischen System geerbten „Gleichgewichtslösungen“ zu übernehmen, um dann die Grenzanpassungen vorzunehmen, die notwendig sind, um das System „wieder ins Gleichgewicht zu bringen“, sobald Veränderungen auftreten. Ein praktischer Weg zur Anwendung dieser Methode wäre die Anweisung an Manager und für die unterschiedlichen Sektoren, Industrien und Firmen Verantwortlichen, ihr Wissen bezüglich unterschiedlicher Produktionsumstände im Allgemeinen und unterschiedlicher Kombinationen von Produktionsfaktoren im Besonderen permanent auf zentrale Regierungsbehörden zu übertragen. Die zentrale Regierungsbehörde würde auf Grundlage der erhaltenen Informationen vorübergehend eine ganze Reihe von provisorischen Preisen setzen. Diese müssten Firmenmanagern mitgeteilt werden, damit diese die Mengen, die sie zu diesen Preisen produzieren könnten, abschätzen und danach dann handeln könnten. Die Aktivitäten der Manager legten Fehler offen, welche die Form von Produktionsverknappungen (die Nachfrage übersteigt das Angebot) oder Überschüssen (das Angebot übersteigt die Nachfrage) annähmen. Eine Verknappung oder ein Überschuss in einer bestimmten Produktionslinie würde der zentralen Planungsbehörde anzeigen, dass der indizierte Preis nicht korrekt ist und daher je nach den Umständen angemessen gesenkt oder erhöht werden sollte. Dieser Prozess würde wiederholt, bis das neue erwünschte Gleichgewicht gefunden sei. Die „hoch gepriesene“ Methode von Versuch und Irrtum besteht hauptsächlich darin. Kritik an der Trial-and-Error-Methode Die Trial-and-Error-Methode, die wir gerade beschrieben haben, erscheint nicht nur trügerisch einfach. Sie ist aus Gründen, die wir im Folgenden zeigen werden, auch nicht dazu geeignet, das grundsätzliche ökonomische Problem zu lösen, das der Sozialismus darstellt. Erstens ist es theoretisch absurd zu glauben, das ein echtes kapitalistisches System jemals einen „Gleichgewichtszustand“ erreichen könnte. In einem kapitalistischen System sind die Preise, die die Parteien setzen, „Marktpreise“, die ständig in Bewegung sind und durch die kreative Kraft der unternehmerischen Funktion einer sozialistischen Gesellschaft in einer dezentralisierten Organisation läge, die die Merkmale des Kapitalismus so weit wie möglich beibehält.“ (Willet Crosby Roper: The Problem of Pricing in a Socialist State. Cambridge, Massachusetts: Havard University Press, 1931, S. 58 ff.)

Die Trial-and-Error-Methode

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geleitet werden. Sie stellen keine Gleichgewichtspreise dar, die von einem sozialistischen System als verlässlicher Ausgangspunkt „geerbt“ werden können. Sozia­ listische Theoretiker offenbaren daher nicht nur einen grundsätzlichen Mangel an Verständnis für das Funktionieren der Märkte, sondern geben aus der Sicht ihres (fehlerhaften) Standpunktes paradoxerweise auch zu, dass der Markt, da er sich gewöhnlich im „Gleichgewicht“ befindet, viel „besser“ funktioniert, als er es tatsächlich tut. Demgegenüber wissen wir, dass der Markt niemals im „Gleichgewicht“ ist und dass dies – weit weg von Unvollkommenheit – das ureigenste und charakteristischste Merkmal des Marktes ist. Es ist daher insbesondere irreführend, dass sozialistische Theoretiker auf die Kritik am Markt wegen seines Mangels an Gleichgewicht aus taktischen Gründen verzichten mussten, um die Trial-andError-Methode zu präsentieren. Diese wird den Sozialismus möglich machen und kann nur auf der Grundlage von „Gleichgewichtspreisen“ des kapitalistischen Systems formuliert werden, das sie so ablehnen. Zweitens ist es unmöglich anzunehmen, dass die Veränderungen, die in einem ökonomischen System stattfinden, sobald es sich vom Kapitalismus zum Sozialismus bewegt hat, relativ unbedeutend wären. Im Gegenteil wären die Veränderungen und Störungen in allen ökonomischen und gesellschaftlichen Bereichen unvermeidlich derart schwerwiegend, dass sie eine vollkommene Restrukturierung des gesamten Preissystems bedingen würden. Dies würde aus dem Verschwinden des Rechts, Produktionsfaktoren zu besitzen, und der drastischen Veränderung der Einkommensverteilung resultieren, die aus jeder revolutionären Veränderung von einem ökonomischen System zum anderen folgt. Freilich würde es ebenfalls folgen aus der veränderten Wahrnehmung der ökonomischen Akteure in Bezug auf die Ziele, die sie verfolgen sollten, und der Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, angesichts des unterschiedlichen Platzes, den jedes Individuum auf der neuen gesellschaftlichen Skala einnimmt, und des immensen Ausmaßes institutionellen Zwangs und der Rigidität, die eingeführt wird, um die unternehmerische Funk­ tion zu in allen gesellschaftlichen Bereichen zu schädigen. Es ist daher theoretisch unmöglich zu behaupten, dass die existierenden Preise in einem kapitalistischen ökonomischen System, das dem Sozialismus unmittelbar vorgelagert ist, als Ausgangspunkt genommen werden könnten, dem dann einfach irgendwelche kleineren „Detailanpassungen“ folgen, um das System im Gleichgewicht zu halten.227 227 F. A.

Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 213. In dieser Sache folgt Hayek lediglich der Intuition, die ursprünglich von Mises entwickelt wurde. Dieser legte bereits 1920 dar: „Die Transformation in den Sozialismus muss als Konsequenz der Nivellierung von Einkommensunterschieden und als Resultat der Anpassungen im Konsum und daher in der Produktion alle ökonomischen Daten in der Art verändern, dass eine Verbindung mit dem letzten Status in der vorher existierenden wettbewerblichen Ökonomie unmöglich wird.“ (Ludwig von Mises: „Economic Calculation in the Socialist Commonwealth“, in: Collectivist Economic Planning, S. 109 – 110.) Wenn wir diese Argumentation mit der aus Fußnote 223 verbinden, sehen wir, dass das grundsätzliche Argument, das Mises 1920 einführte, in einer Spanne von zwanzig Jahren komplettiert und perfektioniert wurde und der Prozess folgende Version angesteuerte: 1. Es ist ein definitiver Fehler zu glauben, dass die ursprünglichen Konditionen mit denen eines Gleichgewichtsstatus übereinstimmen; 2. es ist unmöglich, den endgültigen Gleichgewichtsstatus zu errechnen, da die Informationen fehlen; 3. selbst wenn man um des Argumentes willen annimmt, dass die obigen zwei Probleme gelöst wurden, gäbe es keine Orientierung, um die

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Selbst wenn wir uns drittens aus argumentationstaktischen Gründen vorstellen, dass die Veränderung vom Kapitalismus zum Sozialismus das Preissystem nicht wesentlich beeinflusst, ist es doch wichtig zu erinnern, dass nur in seltenen Fällen ein Produktüberschuss oder -mangel einer Planungsagentur verlässlich zeigen kann, wie sie den Preis festlegen kann. Unterschiedliche ökonomische Akteure müssen insbesondere Wahlmöglichkeiten haben und diese auch als solche wahrnehmen, wenn ein Produktüberschuss oder -mangel anzeigen soll, ob es nötig ist, den vorgegebenen Preis zu erhöhen oder zu senken. Immer wenn mit anderen Worten eine Alternative existiert und nicht wahrgenommen wird, hat Güterknappheit wenig Bedeutung, da sie unumgänglich ist aufgrund eines Mangels an Gütern oder eines Mangels an Wissen über Güter und Dienstleitungen, die ähnlich sind, aber von unterschiedlicher Qualität oder zu anderen Preisen erhältlich sind, oder sogar von Gütern und Dienstleistungen, die unterschiedlich sind, aber in gewissem Ausmaß als Substitute verwendet werden können. Knappheit ist daher nicht automatisch ein Symptom, das selbstverständlich anzeigt, dass die Preise erhöht werden sollten, da in vielen Fällen der ökonomischste Handlungsweg der Versuch sein kann, ein neues alternatives Produkt zu entwickeln und einzuführen. Damit viertens eine Knappheit für den Entscheidungsprozess einer zentralen Regierungsbehörde signifikant ist, ist es wichtig, dass die Anzahl der „Gutscheine“, die ausgegeben werden, um das Recht auf den Bezug von Produktionsfaktoren, Konsumgütern und Dienstleistungen zu übertragen, nicht exzessiv wird. (Wir verwenden nicht den Begriff „Geldeinheit“, weil sich – wie wir bereits erklärt haben – das Konzept von Geld zwischen einem sozialistischen und einem kapitalistischen System radikal unterscheidet.) Werden zu viele „Geldeinheiten“ herausgegeben, gibt es eine allgemeine „Knappheit“ von Gütern, Dienstleistungen und produktiven Ressourcen. Und diese Knappheit bietet weder einen genauen Anhaltspunkt dafür, um wie viel der Preis jedes Gutes, jeder Dienstleistung oder jedes Produk­ tionsfaktors steigen sollte, noch dafür, um welche Höhe die Produktion jeden Typs angehoben werden sollte.228 Wenn sich fünftens die Knappheit, so wie es üblich ist, als ein chronisches oder sich wiederholendes Merkmal eines sozialistischen Systems manifestiert, werden die ökonomischen Akteure (Konsumenten, Manager u. a.) früher oder später aus der Erfahrung lernen und ihre eigene „unternehmerische“ Fähigkeit wird sie versuchen lassen, jedes mögliche erhältliche Produkt im Tausch für entsprechende „Geldeinheiten“ zu erwerben. Es entsteht daher eine allgemeine Flucht in die Sachwerte vonseiten aller ökonomischen Akteure, die versuchen, alles zu erhalten, selbst wenn sie es nicht sofort oder überhaupt nicht brauchen. Denn sie realisieren, dass die Knappheit ein dominantes Merkmal des ökonomischen Systems ist, das unzähligen Handlungen anzuleiten, die notwendig sind, um von dem ursprünglichen Gleichgewichtszustand zum endgültigen Gleichgewichtszustand zu kommen (die Kulmination von Mises’ Argument; s. Fußnote 223). 228 Trygve J. B. Hoff erklärt sehr anschaulich: „Genauso wie im Tennis das Ergebnis 6 : 0 und 6 : 0 keinen Aufschluss darüber gibt, um wie viel besser der Gewinner ist, geben auch Bestände von unverkauften Gütern keinen Aufschluss darüber, wie stark andere Güter gewünscht sind.“ (Economic Calculation in the Socialist Society, S. 117 f.)

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sie dazu verpflichtet, jede Form von Gütern – selbst die unnötigen – als Vorsichtsmaßnahme für zukünftige Zeiten zu horten, wenn das Gut vielleicht nützlich, aber nicht erhältlich sein wird. Dieses Phänomen tritt gleichermaßen im Bereich der Produktion auf. Kornai hat sehr deutlich erklärt, dass in einem sozialistischen System Industriemanager schnell erkennen, dass Knappheit von verschiedenen Produktionsfaktoren ein chronisches dominierendes Merkmal ist. Außerdem erkennt der Manager, dass er nichts verliert, wenn er einen sehr großen Bestand an Produktionsfaktoren vorhält, weil ihm die dadurch entstehenden finanziellen Kosten angesichts des Fehlens rigoroser Budgetrestriktionen kein wirkliches Problem bereiten. Im Gegenteil: Ist es dem Manager aufgrund der Knappheit von bestimmten Materialien oder Produktionsfaktoren nicht möglich, ein Ziel zu erreichen, das ihm die Planungsbehörde aufgezwungen hat, steht er einem echten, erheblichen Risiko gegenüber. Im Ergebnis entsteht eine weitverbreitete, kontinuierliche Tendenz, eine exzessive Menge von Produktionsfaktoren aller Arten zu horten – selbst von solchen, die eigentlich nicht notwendig sind. Im Ergebnis entsteht eine ausgedehnte Knappheit an Ressourcen, die unvermeidbar das bestimmende Merkmal eines sozialistischen Wirtschaftssystems wird.229 Es ist daher offensichtlich: Wird das ökonomische System ständig chronisch und vollständig durch Knappheit der meisten ökonomischen Konsumgüter und Produktionsfaktoren gestört, dann kann eine zentrale Planungsagentur unmöglich eine Gleichgewichtslösung durch einen Prozess von „Trial and Error“ finden, der auf dem Beobachten der Knappheit beruht, die in einem ökonomischen System entsteht.230 Sechstens müssen wir betonen, dass das ökonomische System nicht einfach eine Ansammlung isolierter Güter und Dienstleistungen derart ist, dass ein Überschuss oder eine Knappheit eines bestimmten Produktes automatisch die Notwendigkeit einer Preiserhöhung oder Preissenkung bedeuten würde. Im Gegenteil ermöglicht das ökonomische System ständig das Aufkommen einer Reihe von eng verbundenen Konsumgütern und Dienstleitungen. Die Knappheit eines Gutes ist zum Beispiel nicht ersichtlich, obwohl sie existiert, da sie durch das Fehlen oder Vorhandensein anderer Güter verdeckt wird, die direkt oder indirekt als komplementäre oder substituierbare Güter verbunden sind. Es könnte auch vorkommen, dass eine Knappheit zu existieren scheint, es allerdings aufgrund der Umstände klüger ist, ein bestehendes Substitut besser zu nutzen, als den Preis zu erhöhen. Das bedeutet, dass die zentrale Planungsagentur sich nicht durch eine Knappheit oder einen Überschuss eines einzelnen Gutes leiten lassen dürfte, sondern die Knappheit aller Güter als eine Gruppe beachten und überwachen müsste, in der alle Güter miteinander in Beziehung stehen. Daher ist eine Methode, die wie die von Versuch 229 Siehe

die Arbeiten von János Kornai: Economics of Shortage (Amsterdam: North Holland, 1980) und Growth Efficiency and Shortages (Berkley: University of California Press, 1982). 230 Hoff hebt ebenfalls hervor, dass unter diesen Umständen ein anderes unlösbares Problem in dem Ausmaß des Preisanstiegs liegt, den eine zentrale Planungsbehörde umsetzen muss, sobald eine Knappheit entsteht. Hoff zufolge beinhaltet die Tatsache, dass eine Knappheit besteht, nicht die gesamte Information, wie man den entsprechenden Preisanstieg gestaltet (etwa in Verbindung mit welchen bestimmten Gütern und in welchem Ausmaß). Siehe sein Buch: Economic Calculation in the Socialist Society, S. 119.

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und Irrtum darauf ausgelegt ist, isoliert für einzelne Güter und Dienstleistungen angewendet zu werden, offensichtlich nutzlos.231 Siebtens argumentiert Ludwig von Mises, dass die Trial-and-Error-Methode nur als ein Mittel zur Behandlung solcher Probleme anwendbar ist, bei denen die richtige Lösung durch eine erkennbare Reihe von unzweifelhaften Zeichen und Tatsachen angezeigt wird, die unabhängig von der Trial-and-Error-Methode selber sind. Die Umstände sind ganz andere, wenn das einzige vorhandene Anzeichen dafür, dass eine richtige Lösung gefunden ist, genau in der Tatsache besteht, dass diese Lösung durch die Methode gefunden wird, die für das Problem geeignet erscheint. Anders gesagt könnte die Trial-and-Error-Methode vielleicht nützlich sein, wenn es Wissen gibt, das als Referenzpunkt dient, an den eine entsprechende Lösung angepasst werden kann. Existiert dieser Referenzpunkt nicht, wie es im sozialistischen System vorkommt, weil der entsprechende unternehmerische Marktprozess ausgeschaltet wurde, so fehlt der zentralen Planungsbehörde die notwendige Orientierung, um sich der richtigen Lösung durch den Mechanismus von Versuch und Irrtum anzunähern. Ganz zu schweigen davon, dass solche „Orientierungen“ genau aus den „objektiven“ Überschüssen und Knappheiten bestehen. Wie wir bereits gesehen haben, sind diese Orientierungen weder objektiv noch über alle Zweifel darüber erhaben, was getan werden sollte. Abgesehen davon entstehen solche Orientierungen als ein endogenes Ergebnis der Anwendung der Trial-and-Error-Methode selbst und stellen keine objektive Orientierung dar. Sie sind einfach die aufeinanderfolgenden zufälligen Verwirklichungen eines zirkulären Prozesses von Fehlkoordination und Ineffizienz – ein Prozess, der ins Nichts führt. In einer Volkswirtschaft, in der Menschen frei sind, die unternehmerische Funktion auszuüben – wenn also gewissermaßen ökonomische Akteure unternehmerisch handeln  –, verfolgen sie einen Prozess von Versuch und Irrtum, um sich einer akzeptablen Lösung anzunähern, also Fehlanpassungen, die in der Gesellschaft entstehen, zu entdecken und anzupassen. Dies ist so, weil die untereinander bezogene unternehmerische Funktion der unterschiedlichen Akteure Informationen generiert, die nicht aus isolierten Handlungen einzelner Individuen entstehen könnten – egal wie oft die Trial-andError-Methode genutzt wird. Diese Information ist das wesentliche „Rohmaterial“, um Gewinne und Kosten jeder menschlichen Handlung zu schätzen. Indem so Orientierung durch die Kalkulation von Gewinnen und Verlusten gegeben wird, tendieren ökonomische Akteure dazu, auf koordinierte Weise zu handeln. Wird im Gegensatz dazu die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion zwangsweise unterbunden, wird der einzige Prozess eliminiert, der eine aufeinander angepasste 231 Ich

verdanke dieses Argument Robert Bradley von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der University of Houston. Siehe „Socialism and the Trial and Error Proposal“, Punkt 4 in seinem Artikel: „Market Socialism: A Subjectivist Evaluation“, in: The Journal of Libertarian Studies 5, Nr. 1 (Winter 1981), S. 28 f. Bradley schlussfolgert: „Es ist logisch möglich, dass ein Gut und sein Ersatz Gleichgewichtspreise haben, obwohl ihre Preise kein Indiz für Knappheit sind. In diesem Falle überdecken sich die schlechten Preise gegenseitig. Wir können also sehen, dass das Überwachen von individuellen Preisen nicht genug ist, die zentrale Überwachungsbehörde müsste die Befehlsgewalt für alle Zwischenbeziehungen der Preise haben. Die Trial-and-Error-Methode wird dann inadäquat, weil sie sich nur individuell auf Preise anwenden lässt.“ (S. 29)

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Koordination unterschiedlicher individueller Verhaltensweisen ermöglicht, aus der sich die Gesellschaft zusammensetzt. Im Ergebnis eliminiert man die einzige externe Orientierung, die es dem Akteur ermöglicht zu beurteilen, ob er sich der Lösung annähert, die für ihn die passendste ist.232 Achtens besteht die entscheidende Schwäche der Methode von Versuch und Irrtum in der Annahme, dass die Gesellschaft statisch bleibt und daher die meisten gesellschaftlichen Umstände sich nicht verändern, während der „Versuch“ unternommen und der mögliche „Irrtum“ offengelegt wird. Nehmen wir nichtsdestotrotz an, dass Anpassungen, so wie es in der Realität immer der Fall ist, weitreichende Änderungen erzeugen, die in gewissem Ausmaße die Preise aller Produktionsfaktoren und Konsumgüter beeinflussen. Dann wird jede „Berichtigung“, die aufgrund tatsächlicher oder anscheinender Fehler vorgenommen wird, immer zu spät durchgeführt werden und daher grundlegend verzerrend sein. Mit anderen Worten ist – wie Hayek gezeigt hat233 – der Gebrauch der Trial-and-Error-Methode in der realen Welt, in der Veränderungen ständig auftreten, nicht möglich. Jede individuelle Veränderung übt unzählige Einflüsse auf Preise, Qualität und Arten von 232 Laut

Ludwig von Mises: „Die Methode von Versuch und Irrtum ist in allen Fällen anwendbar, in denen die korrekte Lösung durch unzweifelhafte Standards erkennbar ist, die nicht von dieser Methode selber abhängig sind. Die Dinge liegen anders, wenn das einzige Zeichen für eine korrekte Lösung ist, dass diese durch die Methode erreicht wurde, die als angemessen für die Lösung des Problems erscheint. Die korrekte Lösung der Multiplikation von zwei Faktoren ist nur als Ergebnis der korrekten Anwendung des Prozesses erkennbar, der durch die Arithmetik vorgegeben wird. Man könnte versuchen, das korrekte Ergebnis durch Versuch und Irrtum zu raten, aber hier ist die Methode von Versuch und Irrtum kein Ersatz für den arithmetischen Prozess. Es wäre ziemlich zwecklos, wenn der arithmetische Prozess nicht eine Wegmarkierung darstellen würde, um das Falsche von dem Korrekten zu unterscheiden. Wenn man die unternehmerische Handlung als eine Anwendung der Methode von Versuch und Irrtum bezeichnen möchte, darf man nicht vergessen, dass die korrekte Lösung als solche einfach zu erkennen ist. Es ist das Entstehen von Gewinnen der Handlung über Kosten. Gewinne sagen dem Unternehmer, dass die Konsumenten sein Unternehmen schätzen, Verluste, dass sie es missbilligen. Das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung ist genau das: Ohne Marktpreise für Produktionsfaktoren ist eine Berechnung von Gewinn und Verlust nicht möglich.“ (Human Action, S. 704 f.) 233 Mit Hayeks eigenen Worten: „Fast jede Veränderung eines einzelnen Preises würde die Änderungen von Hunderten von anderen Preisen nötig machen. Und die meisten dieser anderen Veränderungen wären nicht proportional betroffen, sondern durch die unterschiedlichen Ausmaße von Elastizität und Nachfrage, die Möglichkeit, Ersatzgüter zu besorgen, und andere Veränderungen in der Produktionsmethode. Es ist sicherlich eine absurde Idee zu glauben, dass alle diese Anpassungen durch nacheinander folgende Anweisungen einer zentralen Behörde vorgenommen werden könnten, sobald die Notwendigkeit entdeckt wird, und dass dann jeder Preis so lange verändert und fixiert wird, bis eine Form des Gleichgewichts erreicht wird. Autoritäre Preisfixierung aufgrund von Beobachtung eines kleinen Abschnittes des ökonomischen Systems ist eine Aufgabe, die unter keinen Umständen rational durchgeführt werden kann.“ („The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 214.) Fünf Jahre später, 1940, führt Hayek in einer Antwort auf Lange aus: „Es ist schwierig, den Verdacht zu unterdrücken, dass dieser bestimmte Vorschlag [die Trial-and-Error-Methode] aus einer exzessiven Beschäftigung mit den Problemen der reinen Theorie eines stationären Gleichgewichts erwachsen ist. Wenn wir in der realen Welt mit annähernd konstanten Daten zu tun haben, das heißt, das Problem darin bestehen würde, ein Preissystem zu finden, das dann für eine lange Zeitspanne unverändert gelassen werden könnte, wäre der hier erörterte Vorschlag nicht vollständig unvernünftig. Mit gegebenen und konstanten Daten könnte ein solches Gleichgewicht tatsächlich durch die Trialand-Error-Methode erreicht werden. Aber dies hat nichts mit der Situation der realen Welt zu tun, wo ein ständiger Wandel die Regel ist.“ („Socialist Calculation III: The Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 188.)

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produzierten Gütern in der Gesellschaft aus. Daher ist es absolut unmöglich, mit der Methode von Versuch und Irrtum an eine hypothetische Gleichgewichtslösung heranzukommen, bevor neue, folgende Informationen die Lösung vollkommen obsolet machen. Würde sich die Wirklichkeit nicht verändern und blieben Informationen konstant, so würde das Finden einer Gleichgewichtslösung vielleicht rea­ listischer erscheinen, wenn angenommen wird, dass diese als in irgendeiner Form klarer Referenzpunkt gedacht werden kann, an dem mögliche vorübergehende Lösungen gemessen werden können. Im Gegensatz zu dem, was sozialistische Theoretiker vielleicht annehmen, ist die wirkliche Welt weder im Gleichgewicht noch statisch. Daher ist es unmöglich, mit der Trial-and-Error-Methode eine Lösung für die entsprechenden Gleichungssysteme zu finden. Neuntens und letztens ist das wirksamste Argument gegen die Trial-and-ErrorMethode­, dass sie die unternehmerische Funktion vollständig ausschließt (siehe Kapitel 2). Die wesentliche Frage ist, wer die Methode von Versuch und Irrtum anwendet. Wenn die Entscheidungen in Bezug auf die vorübergehenden Lösungen nicht durch die individuellen ökonomischen Akteure getroffen werden, die praktische Informationen besitzen, dann führt die Trial-and-Error-Methode aus Gründen, die wir in Kapitel 3 behandelt haben, ins Nichts. Überdies fehlen der zentralen Planungsbehörde die entscheidenden praktischen Informationen, die nur in den Köpfen der Menschen, die durch die Ausübung der unternehmerischen Funktion handeln, entstehen und verfügbar sind. Zudem werden die notwendigen Informationen, um die Gesellschaft zu koordinieren und anzupassen, noch nicht einmal kreiert werden, wenn niemand frei ist, die unternehmerische Funktion auszuüben. Wenn wiederum diese Informationen nicht erzeugt werden, können sie kaum einer zentralen Planungsagentur übermittelt werden. Wie wir bereits erwähnt haben, muss die Trialand-Error-Methode, soll sie irgendeinen Sinn ergeben, auf einer individuellen Ebene angewendet werden im Kontext einer Marktwirtschaft, in der Menschen frei sind, ihre unternehmerische Funktion auszuüben, und ohne Hindernisse den Nutzen aus den Früchten ihrer unternehmerischen Kreativität ziehen können. Erinnern wir außerdem daran, dass Informationen strikt subjektiv sind und unterschiedliche Akteure die gleichen beobachtbaren Phänomene der Wirklichkeit unterschiedlich bewerten und daher unterschiedliche Informationen in Bezug auf diese kreieren – je nach den persönlichen Umständen des einzelnen Akteurs und dem Kontext, in dem er handelt. Unter dem Eindruck einer bestimmten Knappheit kann es für die zentrale Planungsbehörde unter keinen Umständen angemessen sein, automatisch eine vorgefertigte Regel (mehr von Gut X zu produzieren oder den Preis um eine bestimmte Prozentzahl zu erhöhen) anzuwenden. Würde man dem unternehmerischen Prozess freien Lauf lassen, würde die menschliche Kreativität sicherlich radikal unterschiedliche Lösungen für das gleiche objektive Problem finden. Ist man also mit einer Knappheit konfrontiert, wäre es eventuell ratsamer, anstelle einer Preiserhöhung seinen unternehmerischen Einfallsreichtum dem Auffinden einer neuen Lösung des Problems zu widmen, indem man etwa Substitute entwickelt oder nach neuen Lösungen sucht, die bisher niemand entdeckt hat. Wir sehen also, dass es logisch unmöglich ist, die Trial-and-Error-Methode zu nutzen, um effektiv ein

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hypothetisches Gleichungssystem zu lösen, das in der Lage ist, Wirtschaftsrechnung in einer Gesellschaft zu ermöglichen, in der die Ausübung der unternehmerischen Funktion verboten ist. Unter diesen Umständen fehlt der zentralen Planungsagentur das notwendige Wissen, das nicht einmal die ökonomischen Akteure kreieren, die sich an dem System beteiligen. Folglich gibt es keine Richtschnur, entlang derer die ständigen Fehlanpassungen, die in einer Gesellschaft entstehen, koordiniert werden können. Der zentralisierte Gebrauch der Trial-and-Error-Methode führt weder zu einer Gleichgewichtslösung, noch kann er die hypothetische zentrale Kommandostelle dazu anleiten, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen, die es erlauben, den sozialen Prozess zu koordinieren.234

5.5 Die theoretische Unmöglichkeit der Planometrik235 Die obigen kritischen Betrachtungen über den Gebrauch der Trial-and-ErrorMethode für die Lösung des Problems der sozialistischen Wirtschaftsrechnung sind vollständig auf die umfassende Literatur anwendbar236, die im Anschluss 234 Siehe

auch im nächsten Kapitel die Kritik an der Trial-and-Error-Methode, die Oskar Lange vorschlägt. 235 J. Wilczynski hat dieses Wort bekannt gemacht und führt aus: „Planometrik ist eine Kategorie von Ökonomie, die mit der Methodologie für die Konstruktion ökonomischer Pläne beschäftigt ist, insbesondere für das Aufstellen eines optimalen Plans mit der Hilfe moderner mathematischer Methoden und elektronischer Computer.“ (The Economics of Socialism. 3. Auflage. London: George Allen & Unwin, 1978, S. 17, 24 und 46.) Andere Begriffe, die manchmal benutzt werden, um auf diese Art der Ökonomie zu verweisen, sind „Computopia“ und „die Theorie des Mechanismus für Ressourcenverteilung“. Wir verdanken diese Namen Egon Neuberger („Libermanism, Computopia and Visible Hand: The Question of Informational Efficiency“, in: American Economic Review, „Papers and Proceedings“ [Mai 1966]) sowie Leonid Hurwicz („The Design of Mechanism for Ressource Allocation“, in: American Economic Review, Nr. 63 [Mai 1973]). 236 Für „Planometrik“-Literatur siehe zum Beispiel die folgenden Werke: K. F. Arrow und L. Hurwicz: Studies in Ressource Allocation Processes (Cambridge: Cambridge University Press, 1977); Leonid Hurwicz: „The Design of Mechanism for Ressource Allocation“ (in: American Economic Review 2, Nr. 63 [Mai 1973]); John P. Hardt et al. (Hrsg.): Mathematics and Computers in Soviet Economic Planning (New Haven, Connecticut: Yale University Press, 1967); und Benjamin N. Ward: „Linear Programming and Sowjet Planing“ (in: Mathematics and Computers in Soviet Economic Planning, and the Socialist Economy: A Study of Organizational Alternatives. New York: Random House, 1967). Auf Seite 94 von Don Lavoies brillantem Buch Rivalry and Central Planning finden wir eine ausgiebige Zusammenfassung aller existierenden englischsprachigen Arbeiten zu diesem Thema. Auf Deutschen dürfen wir die Übersicht über planometrische Literatur nicht vergessen, die Christian Seidl in seinem Artikel „Allokationsmechanismus asymmetrische Information und Wirtschaftssystem“ (in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 3, Nr. 197 [1982], S. 193 – 220) anbietet. Eine kurze, aber wertvolle Kritik, die in diesem Feld bis heute (1992) zu den Hauptproblemen gemacht wurde, erscheint in dem Buch von John Bennett: The Economic Theory of Central Planning (London: Basil Blackwell, 1989, insbesondere Kapitel 2, S. 9 – 37). Ebenfalls von Interesse ist die Arbeit von Peter Bernholz: „Information, Motivation and the Problem of Rational Economic Calculation in Socialism“, Kapitel 7 von Socialism: Institutional, Philosophical and Economic Issues. Hrsg. von Svetozar Pejovich. Dordrecht, Holland: Kluwer Academic Publishers, 1987, S. 161 – 167. Schließlich sollten wir die sowjetische Schule erwähnen, die unter der Federführung von Leonid V. Kantorovich etabliert wurde, der sich extrem um die Entwicklung und die Perfektionierung von Optimierungstechniken sorgte und nie das ökonomische (statt nur das „technische“) Problem verstehen konnte, das der Sozialismus aufwirft. Er konnte auch keine Lösung für den teilweisen Zusammenbruch des Sowjetmodels anbieten. Siehe Roy Gardener: „L. V. Kantorovich: The Price Implication of Optimal Planing“, in: Journal of Economic Literature 28, Juni 1990, S. 638 – 648, sowie alle Literaturangaben, die dort zitiert werden.

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an die Debatte und aktuell aus den Arbeiten unter dem Namen „Planometrik“ stammt. Diese Forschungsrichtung hängt ab von einer umfassenden Reihe hoch wissenschaftlicher mathematischer Techniken, einschließlich linearer und nichtlinearer Programme, eines großen Teils der kybernetischen Entscheidungstheorie und einer Reihe von Computerprozessen, die einen iterativen Ansatz verfolgen. Das grundsätzliche Ziel dieser Modelle ist es, a priori eine ganze Konfiguration von Gleichgewichtspreisen festzulegen. Mit anderen Worten: Noch bevor sich der Markt spontan etabliert, wird der Versuch unternommen, eine Lösung zu finden, die alle Pläne der ökonomischen Agenten vorkoordinieren und dadurch den eigentlichen Marktprozess unnötig machen würde. Dieser Prozess funktioniert aber seinem ureigensten Wesen nach nur a posteriori, da die Kraft der unternehmerischen Funktion ihn in Bewegung setzt. Kurzum ist das Ziel der PlanometrikTechnik kein anderes, als den wettbewerblichen unternehmerischen Prozess durch einen Mechanismus zu ersetzen, der es ermöglichen würde, die Gesellschaft zentral vorzukoordinieren. Es stimmt, dass es bis heute unmöglich geblieben ist, irgendeines dieser planomet­ rischen Modelle in die Praxis umzusetzen. Und selbst sozialistische Theoretiker geben zu, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass sie jemals implementiert werden. Trotzdem argumentieren einige Leute noch heute, dass dieser Umstand im Prinzip auf die begrenzte Kapazität von Computerprogrammen zurückzuführen ist sowie auf den Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal und auf technische Schwierigkeiten, die notwendigen Informationen zu erhalten. Im Laufe der Jahre ist die Vorstellung, der Markt könne durch ein allumfassendes, auf planometrische Modelle gestütztes System computerisierter Planung ersetzt werden, immer mehr aufgegeben worden – sogar von den Autoren, die sich selber mit dieser Forschungsrichtung beschäftigen. Des Weiteren zog das Scheitern planometrischer Techniken im Osteuropa der 1970er-Jahre nicht nur das Unterlassen neuer praktischer Versuche dieser Art nach sich. Dieses Scheitern hatte auch ein tief greifendes Gefühl der Unzufriedenheit bei all denjenigen zur Folge, die ihre Hoffnungen in diese neue Technik gesetzt hatten.237 Unabhängig davon bleiben zwei wichtige 237 Zu

der Enttäuschung in Bezug auf die Anwendung planometrischer Modelle führt Michael Ellman aus: „Arbeiten zu der Einführung von Managementinformationen und Kontrollsystemen in der Sowjetökonomie waren in den 1970ern weit verbreitet. Bereits in den 1980ern gab es in der UdSSR jedoch eine weitverbreitete Skepsis bezüglich ihrer Nützlichkeit. Dies resultierte aus dem Nichterfüllen früherer übertriebener Hoffnungen auf Wohlstand, der durch ihre Einführung in die Ökonomie erwartet wurde.“ (Michael Ellman: „Economic Calculation in Socialist Economies“, in: The New Palgrave: The Dictionary of Economics. London: Macmillan, 1987, S. 31.) Jan S. Prybila macht eine ähnliche Aussage in seinem Buch Market and Plan under Socialism (Stanford: Hoover Institution Press, 1987, S. 55). Martin Cave schlussfolgert in seinem Buch Computers and Economic Planning: The Soviet Experinence (Cambridge University Press,1980), nachdem er die grundsätzlichen Unterschiede zwischen zwei Gruppen von Forschenden hervorgehoben hat – solche, die ihre Zeit dazu verwenden, abstrakte planometrische Modelle zu formulieren, und andere, die sich darauf konzentrieren, reale Systeme zu studieren –, dass sich die zunehmende Skepsis gegenüber planometrischen Modellen als möglichen Ersatz für den Markt „von der Tatsache ableitet, dass sie weder tatsächlich noch intendiert der Komplexität einer zentral geplanten Wirtschaft gerecht werden“ (S. 38). Selbst Hurwicz scheint sich auf die Ansicht eingelassen zu haben, dass Planometrik nur als eine rein intellektuelle Übung nützlich ist, die einem theoretischen Schritt (dem der Formulierung eines Problems) hin zur Lösung des Problems der Wirtschaftsrechnung

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Faktoren, die hier eine gesonderte Untersuchung von Planometrik rechtfertigen, nachdem wir genau im letzten Abschnitt die theoretische Unmöglichkeit der Trialand-Error-Methode kennengelernt haben. Erstens stellen wir fest, dass verschiedene Autoren in diesem Feld – allen Fehlschlägen und Frustrationen zum Trotz – weiter naiv versichern, dass es doch eventuell in Zukunft möglich sein könnte, dass weitere Verfeinerungen der Theorie zusammen mit absehbaren Verbesserungen der Computertechnologie das erlauben, was bis jetzt unmöglich erschien. So schlussfolgert etwa Musgrave in einer Studie, in der er die Ergebnisse der Debatte über die Wirtschaftsrechnung bewertet, dass Planung als ein effizientes System dadurch implementiert werden könne, dass es Planern erlaubt wird, einen wettbewerblichen Markt zu simulieren und die entsprechenden Computerprogramme anzuwenden. Arrow behauptet, dass ein System der zentralen Planung aufgrund der Entwicklung mathematischer Programme und Hochgeschwindigkeitscomputer nicht mehr als ein unmögliches zukünftiges Ziel erscheine, da das Funktionieren eines dezentralisierten Systems durch die einfache Auswahl eines entsprechenden zentralisierten Algorithmus simuliert werden kann.238 Diesen und anderen Autoren zufolge machen es Verbesserungen in entsprechen würde. Dieser Schritt müsste später in die Praxis umgesetzt werden, indem Marktkräfte den Plan an die Realität anpassen. Stattdessen geschieht das Gegenteil: die Anpassung des Marktes an die Parameter des planometrischen Modells. Siehe seinen Artikel: „Centralization and Decentralization in Economic Processes“, in: Comparison of Economic Systems: Theoretical and Methodological Approaches. Hrsg. von Alexander Extain. Berkeley: University of California Press, 1971, S. 81. 238 Der Fehler, den diese beiden Autoren begehen, liegt in ihrer Ignoranz gegenüber dem grundsätzlichen Funktionieren von Marktprozessen, das wir in Kapitel 2 dargelegt haben. Arrow ging soweit zu erklären: „Mit der Entwicklung von mathematischen Programmen und Hochgeschwindigkeitscomputern erscheint eine zentralisierte Alternative nicht mehr länger als absurd. Zumindest kommt es einem so vor, dass man die Mechanismen eines dezentralisierten Systems durch einen angemessen gewählten zentralisierten Algorithmus imitieren kann.“ (Kenneth J. Arrow: „Limited Knowledge and Economic Analysis“, in: American Economic Review 64 [März 1974], S. 5.) Es scheint fast unvermeidlich, dass selbst die brillantesten Köpfe, wie etwa Arrow, ihre Fähigkeit verlieren, grundsätzliche ökonomische Probleme zu erkennen, wenn sie von der mathematischen Gleichgewichtsanalyse besessen sind. Tatsächlich macht Musgrave den gleichen Fehler in seinem Artikel „National Economic Planning: The U. S. Case“ (in: American Economic Review Nr. 67 [Februar 1977], S. 50 – 54). Ein anderer Autor, der einen Fehler begeht, der dem von Arrow und Musgrave ähnlich ist, heißt Wilczynski, selbst wenn es in seinem Falle angesichts seines Bekenntnisses zur sozialistischen Ideologie verständlicher ist. Wilczynski führt aus: „Die Möglichkeit, durch Computer errechnete optimale Preise zu erhalten, entzieht jedem Anspruch die Grundlage, dass rationale Preise im Sozialismus unmöglich sind. Obwohl noch viel auf der praktischen Ebene getan werden muss, gibt es eine starke theoretische Basis. Tatsächlich ermöglicht es der Sozialismus in mancher Hinsicht, den Kapitalismus zu verbessern.“ (Siehe The Economics of Socialism, S. 138.) Ein anderer Autor, der über eine allgemeine Gleichgewichtstheorie zu dem Schluss kam, dass die grundsätzlichen Prinzipien, um eine zentral geplante Volkswirtschaft zu organisieren, leicht von einem walrasianischen Modell abgeleitet werden können, ist der französische Ökonom Maurice Allais. Allais, der die natürliche geistige Verwirrung, die sich aus dem Gebrauch der mathematischen Methode in der Ökonomie ergibt, mit einer persönlichen Eigenartigkeit vereint, ging so weit zu behaupten, dass in einer Gleichgewichtsökonomie unter perfektem Wettbewerb Zinsen auf Kapital verschwinden würden. (Dies ist offensichtlich eine absurde Idee, da es selbst unter diesen Umständen notwendig wäre, brauchbare Abschreibungsraten anzuwenden, und die subjektiven Kräfte der Zeitpräferenz würden weiterhin ihren Einfluss ausüben.) Allais schlägt vor, dass Land nationalisiert wird und „Preise“ in Rechnungseinheiten ausgedrückt werden, die sich auf Einheiten der „spezialisierten Arbeitszeit“ beziehen (siehe Maurice Allais: „Le probléme de la planification dans une économie collectiviste“, in: Kyklos [Juli – Oktober

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linearen Programmen und in der Computertechnologie möglich, das Problem der Wirtschaftsrechnung in sozialistischen Ökonomien, wie es Mises und Hayek präsentiert haben, zu lösen. Zweitens behaupten andere planometrische Theoretiker, angeführt von Hurwicz, nicht nur, dass sie Hayeks computertechnisches Argument (das, wie wir wissen, nur von zweitrangiger Bedeutung für ihn war) widerlegt hätten. Sie beanspruchen auch, das grundsätzliche Argument in Bezug auf das verstreute Wesen von Informationen in ihre planometrischen Modelle eingefügt zu haben.239 Hurwicz 1947], Bd. 1, S. 254 – 280, Bd. 2, S. 48 – 71). In Bezug auf diese absurden Vorschläge, die Maurice Allais unterbreitet, kommentiert Karl Pribram in seinem monumentalen Werk A History of Economic Reasoning (Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1983, S. 459): „Es war eine der seltsamsten Episoden in der Geschichte des ökonomischen Denkens, dass radikale Köpfe, dazu geneigt, die existierende ökonomische Ordnung umzuwerfen, nichtsdestotrotz glaubten – oder vorgaben zu glauben – dass entgegen jeder historischen Erfahrung das Muster für die Organisation einer geplanten Ökonomie durch ein walrasianisches Modell angeboten werden könnte, in dem volles Vertrauen in das automatische Arbeiten von Gleichgewichtskräften steckt.“ Auf den gleichen Punkt verweisen schließlich zwei bekannte Ökonomen aus Osteuropa, Wlodzimierz Brus und Kazimierz Lasky, in einer aktuellen Arbeit, in der sie – wie wir später im Detail sehen werden – unzweideutig zeigen, dass Mises und Hayek in der Debatte um die sozialistische Wirtschaftsrechnung im Recht waren und dass weder Oskar Lange noch irgendjemand anderes ihnen zufriedenstellend antwortete. Brus und Lasky machen das neoklassische Modell im Allgemeinen und das walrasianische Modell im Besonderen dafür verantwortlich, weil sie nicht die wesentliche Figur des kapitalistischen Systems beachten: den Unternehmer. Sie kritisieren auch die Tatsache, dass das Modell des „perfekten Wettbewerbs“ keinen Platz für die typischen Rivalitäten lässt, die zwischen Unternehmern bestehen. Diese Rivalität führt zu einer ständigen Schaffung neuer Informationen. Die Autoren schlussfolgern: „Das walrasianische Modell übersieht die wahre zentrale Figur des kapitalistischen Systems, nämlich den Unternehmer im eigentlichen Sinne. Formell gibt es Unternehmer im walrasianischen Modell, aber sie verhalten sich wie Roboter. Sie minimieren Kosten und maximieren Gewinne gemäß den gegebenen Daten. Ihr Verhalten ist das eines Optimierers, der im Rahmen ausschließlich passiven Wettbewerbs operiert, reduziert auf reaktive Anpassungen von Positionen gemäß exogener Veränderung. Dies kann keine legitime Verallgemeinerung des Wettbewerbs darstellen, der in der Realität ein ständiger Kampf ist, der die Daten selber beeinflusst. Genau an diesem Punkt ist der statische Ansatz der allgemeinen Gleichgewichtstheorie betont konträr zu der eigentlichen Dynamik eines kapitalistischen Systems.“ (Siehe ihre Arbeit: From Marx to Market: Socialism in Search of an Economic System. Oxford: Clarendon Press, 1989, S. 57.) Zu dem gleichen Thema siehe unseren Artikel: „La Crises del Paradigma Walrasiano“, in: El País, 17. Dezember 1990, S. 36. 239 Siehe Leonid Hurwicz: „The Design of Mechanism for Ressource Allocation“, S. 5. Hurwicz prahlt damit, die Beiträge von Hayek und Mises in seine Modelle aufgenommen zu haben: „Die Ideen von Hayek (dessen Vorlesungen ich an der London School of Economics während des akademischen Jahres 1938/1939 besuchte) haben einen wesentlichen Einfluss auf mein Denken ausgeübt und wurden als solche anerkannt. Meine Ideen wurden aber auch von Oskar Lange (University of Chicago, 1940 – 1942) sowie von Ludwig von Mises beeinflusst, an dessen Seminar in Genf ich 1938 – 1939 teilnahm.“ (Leonid Hurwicz: „Economic Planning and the Knowledge Problem: A Comment“, in: The Cato Journal 4, Nr. 2 [Herbst 1984], S. 419.) Mit der obigen Aussage legt Hurwicz schlicht offen, dass er – wie es Don Lavoie auch gezeigt hat – das Anliegen von Hayek wie auch von Mises überhaupt nicht verstanden hat, obwohl er, wie er selbst bestätigt, deren entsprechende Vorlesungen und Seminare besucht hat. Tatsächlich fehlt in Hurwicz’ Schriften nicht nur eine Theorie der unternehmerischen Funktion, sondern er nimmt auch ständig an, dass Informationen objektiv sind und – obwohl verstreut – in gleicher Bedeutung jedem übermittelt werden können. Er übersieht daher die wesentlichen Charakteristika unternehmerischer Information, welche die Basis von Marktprozessen bildet. Er ignoriert die subjektive und unaussprechliche Natur dieser Informationen. Siehe Don Lavoies interessante Arbeit The Market as a Procedure for Discovery and Conveyance of Inarticulate Knowledge (Working Paper, George Mason University, November 1982). In seiner Antwort auf Kirzner in dem Artikel, der im Cato Journal publiziert wurde (und oben zitiert ist), stellt Hurwicz außerdem klar, dass er das Prob-

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beginnt mit der Annahme, dass jeder ökonomische Akteur ursprünglich nur Informationen besitzt, die ausschließlich ihm zur Verfügung stehen (etwa Informationen von Konsumenten über ihre eigenen Präferenzen oder von Produzenten über die Technologien, die sie anwenden könnten). In seinem planometrischen Modell werden die entsprechenden Produktionsfunktionen für das zentrale Planungsbüro niemals als gegeben angenommen, sondern nur für individuelle ökonomische Akteure. Tatsächlich wird in vielen Modellen angenommen, dass nicht einmal Produzenten alle ihre Produktionsfunktionen kennen, sondern nur diejenigen, mit denen sie einige Erfahrungen haben. Unter der Annahme von Preisen als effizienten Übermittlern von Informationen ist das einzige Wissen, das diesen Modellen zufolge zwischen zentraler Planungsbehörde und ökonomischen Akteuren zu übermitteln ist, eine schlichte Liste von „Preisen“ für alle Güter und Dienstleistungen in der Volkswirtschaft – eine Liste, die als Gegensatz zu einer anderen publiziert wird, welche die Mengen aller produzierten Güter und Dienstleistungen jedes einzelnen ökonomischen Agenten widerspiegelt. Die Übermittlung dieser enormen Summe von Informationen von der zentralen Planungsbehörde zu ökonomischen Agenten (Preise) und von ökonomischen Agenten zur zentralen Planungsbehörde (produzierte Mengen) stelle laut den planometrischen Theoretikern kein besonderes Problem dar, insbesondere wenn man die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Telecomputer in Betracht zieht. Schließlich würden es unterschiedliche Computeroperationen ermöglichen, Preise zu verändern, sobald Überschüsse oder Knappheiten entstehen. Diese Methode erzeuge möglicherweise das Gleichungssystem, das eine Lösung für das gegebene ökonomische Problem darstellt. Es würde damit eine Art von „Computerdialog“ stattfinden zwischen der Zentralbehörde, die vorübergehende Preise setzt, und den ökonomischen Akteuren, die Anweisungen erhielten, die größtmögliche Menge zu produzieren und dabei die Preise zu entsprechenden Grenzkosten stabil zu halten (also den Grenznutzen gleichsetzen). Diese Mengen würden der zentralen Planungsbehörde mitgeteilt, die wiederum die Preise erneuere, anpasse und den ökonomischen Agenten zurückschicke und so weiter, bis die Knappheiten und Überschüsse verschwunden seien. Dieser planometrische Vorschlag, den wir gerade beschrieben haben, unterscheidet sich nicht wesentlich im grundsätzlichen Inhalt von denen, die Oskar Lange in den 1930er-Jahren unterbreitete. Diese Vorschläge werden wir im folgenden Kapitel näher analysieren. Unabhängig von der „Genialität“ der oben genannten planometrischen Strategie werden wir nun zeigen, dass es planometrische Modelle unter keinen Umständen geschafft haben, auf Hayeks Beitrag zum Problem der verlem des verstreuten Wissens nur als eine Frage der Übermittlung existierender Informationen betrachtet. Er zieht das Problem der Schaffung neuer Informationen nicht einmal in Betracht. Dies ist jedoch das wichtigste Problem in einem Marktprozess und das zentrale Element in Kirzners gesamter Theorie der unternehmerischen Funktion. Der herausragende Frank Hahn machte den gleichen Fehler wie Hurwicz und wagte es bereits 1988, vertraulich zu versichern, dass der „Marktsozialismus“, den Lange und Lerner entwickelten, früher oder später eine weit überlegene Alternative zur Marktwirtschaft des kapitalistischen Systems anbieten würde. Siehe seinen Artikel „On Market Economics“, in: Robert Skidelsky (Hrsg.): Thatcherism. Chatto & Windus, 1988, insbesondere S. 114. Eine exzellente und detaillierte Kritik an Frank Hahns Position findet sich in Arthur Seldons Capitalism (Oxford: Basil Blackwell, 1990, Kapitel 6, S. 124 – 144).

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streuten Qualität des Wissens einzugehen, und daher für eine Lösung des Problems der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus unbrauchbar sind. Außerdem werden wir ein bisschen abschweifen, um die mögliche Rolle von Computern und Computerwissenschaften in diesem Bereich zu betrachten und zu bestätigen, was wir in Kapitel 2 gezeigt haben: In Wirklichkeit machen die Entwicklungen in der Computerwissenschaft das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung viel komplexer und schwieriger – weit davon entfernt, es zu lösen. Obwohl unsere spezifische Kritik an der Trial-and-Error-Methode (im letzten Abschnitt) auch auf die gesamte planometrische Theorie angewendet werden kann, ist es wichtig, auch auf die zwei besonderen Faktoren einzugehen, die wir gerade herausgehoben haben. Viele planometrische Spezialisten glauben, dass das Problem theoretisch gelöst und selbst das verstreue Wesen von Informationen einbezogen worden sei und wir jetzt nur die notwendigen Fortschritte in der Rechnerkapazität abzuwarten bräuchten, um die entsprechenden Modelle in die Praxis umzusetzen. Wir werden im Gegenteil sehen, dass planometrische Modelle nicht die wesentlichen Merkmale der Wirklichkeit in Betracht gezogen haben – Eigenschaften, die die Österreicher bereits beschrieben hatten und die das Funktionieren dieser Modelle theoretisch unmöglich machen, und zwar vollkommen unabhängig von der zukünftigen Entwicklung von Computerkapazitäten sowohl in Form von Hardware als auch von Software. Erstens haben planometrische Modelle im Allgemeinen und Hurwicz’ Theorie im Besonderen das Prinzip des verstreuten Wesens von Informationen nur in einer verkehrten und kindischen Form verarbeitet. Denn wie wir im Detail in Kapitel 2 dieses Buches gesehen haben, ist die Tatsache, dass Informationen verstreut in den Köpfen aller individuellen ökonomischen Akteure liegen, im Wesentlichen untrennbar von der subjektiven und strikt persönlichen Qualität von Informationen. Wenn Informationen nicht nur verstreut, sondern auch persönlich und subjektiv sind, bekommen sie für jeden ökonomischen Agenten eine vollkommen andere Bedeutung. Es ist daher unmöglich, sie mit einer einzigen Bedeutung auf eine zentrale Planungsbehörde zu übertragen. Mit anderen Worten bekommen der gleiche Preis, das gleiche materielle Objekt, die gleiche Menge und die gleichen Erfahrungen für eine Person eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung im Vergleich zu einer anderen. Das Gleiche lässt sich über die unterschiedlichen Wege sagen, die als möglich angesehen werden, um ein bestimmtes Projekt umzusetzen, ein gewisses Ziel zu erreichen oder ein gewisses Gut bzw. eine Dienstleistung zu produzieren. Selbst ein Produktüberschuss oder eine Knappheit kommuniziert je nach Akteur, der sie beobachtet, eine unterschiedliche Bedeutung und erzeugt gemäß den Umständen sehr unterschiedliche Verhaltensweisen (zum Beispiel einen Versuch, die Nachfrage zu reduzieren, die Schaffung eines Substituts, die Suche nach neuen Horizonten oder auch eine Kombination aus diesen Verhaltensformen). Das subjektive Wesen von Informationen widerlegt das gesamte Modell von Hurwicz, das auf einem ständigen Dialog oder der permanenten Übermittlung von Informationen basiert, die fälschlicherweise für objektiv gehalten werden. Dieser Austausch soll zwischen den Akteuren (den Besitzern von hypothetisch verstreutem, aber trotzdem objektivem Wissen) und der zentralen Regierungsbehörde stattfinden.

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Engstens mit dem obigen Argument verbunden ist zweitens die Tatsache, die wir ebenfalls in Kapitel  2 ausführlich diskutierten, dass das für menschliche Handlungen so wichtige Wissen meistens von stillschweigender oder unaussprechlicher Natur ist. Wenn das meiste Wissen, auf das der Mensch bei seinem Handeln zurückgreift, nicht formell ausgedrückt werden kann, dann kann es auch kaum objektiv zu jemandem übertragen werden. Die ökonomischen Akteure interpretieren dieselben Preise oder historischen Handelsumstände nicht nur in sehr unterschiedlicher Weise. Diese Preise enthalten auch Informationen für bestimmte Akteure, da sie mehr oder weniger einen bestimmten Vorrat an praktischem, unaussprechlichem Wissen über die Merkmale der Güter und Dienstleistungen besitzen, die ausgetauscht wurden und das Zustandekommen der Preise ermöglichten, zusammen mit Tausenden anderen Umständen, die sie subjektiv im Kontext ihrer Handlungen als relevant empfinden. Ein Beispiel: Der artikulierbare und formelle Teil der Nachricht, die ein Akteur interpretiert, wenn er erfährt, dass ein Pfund Kartoffeln für 30 Geldeinheiten verkauft wird (der artikulierbare Anteil wäre „der Preis für ein Pfund Kartoffeln beträgt 30 Geldeinheiten“) repräsentiert nur einen minimalen Teil der gesamten Informationsmenge, die der Akteur im Kontext seiner spezifischen Handlung kennt, generiert und benutzt (Informationen in Bezug auf seinen Wunsch, Kartoffeln zu kaufen; unterschiedliche Qualitätsniveaus; die Qualität der Kartoffeln, die sein Lieferant normalerweise anbietet; die Freude des Akteurs, Kartoffeln zu kochen; der Nachtisch, den er für seine Gäste plant; andere Beilagen, die er den Kartoffeln beizulegen plant und tausend andere Details).240 Drittes erhält ein Preis oder eine Reihe von Preisen aus einer dynamischeren Perspektive für einen Akteur nur eine bestimmte Bedeutung, weil er sich selber in einer bestimmten Handlung eingebunden wiederfindet. Der Akteur hat sich also vorgenommen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das er verfolgen und sich alleine in ganzem Umfang ernsthaft vorstellen kann. Ein Akteur glaubt an ein bestimmtes Vorhaben, glaubt daran und verfolgt es konsequent auf der Grundlage subjektiver Erwartungen und Gefühle, die grundsätzlich unaussprechlich sind und daher nicht an irgendeine zentrale Planungsbehörde übermittelt werden können. Ein Unternehmer, der an eine Idee glaubt, sie gegen alle Widerstände verfolgt und oft selbst unter den widrigsten Umständen und gegen die Mehrheitsmeinung durchsetzt, erreicht eventuell am Ende sein Ziel und erhält den entsprechenden Gewinn. Das Ziel, das er anvisiert, der Gewinn, den er zu erzeugen versucht, oder die Wahrheit, die er sucht, ist nicht etwas Gegebenes, das in aller Deutlichkeit gesehen werden 240 „Die artikulierte Information, die durch Preise angeboten wird, ist nur informativ, weil sie vor den

weiten Hintergrund unaussprechlichen Wissens gestellt wird, das von einer großen Erfahrung gewohnheitsmäßig produktiver Handlungen gesammelt wurde. Ein Preis ist nicht nur eine Zahl. Er ist ein Indikator für die verhältnismäßige Knappheit eines bestimmten Gutes oder einer Dienstleistung, von deren unspezifizierten Qualitäten und Eigenschaften wir nur subsidiär Gewissheit haben. Würden diese Qualitäten des Gutes sich jedoch in der geringsten Weise ändern, könnte dies die Entscheidungen über den Gebrauch des Gutes genauso verändern wie eine Veränderung im Preis. Hayek hat nicht behauptet, dass Preise als Zahlen die einzigen Informationen sind, die der Markt überträgt. Im Gegenteil: Nur aufgrund der unterliegenden unaussprechlichen Bedeutung, die dem bepreisten Gut anhängt, transportieren Preise überhaupt Wissen.“ (Don Lavoie: The Market as a Procedure for Discovery and Conveyance of Inarticulate Knowledge, S. 32 f.)

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kann, sondern eher etwas, das er spürt, sich vorstellt oder erschafft. Es ist genau diese kreative Spannung, die es ermöglicht, Informationen zu entdecken oder zu schaffen, die eine Gesellschaft stützt und die zu ihrem Fortschritt führt. Kreative Spannung entsteht aus der Vielfältigkeit, die im Markt vorhanden ist, oder besser gesagt aus den unterschiedlichen Meinungen oder Interpretationen, die aus den gleichen Tatsachen, Vorkommen oder Umständen hervorgehen, die nichtsdestotrotz von unterschiedlichen Akteuren unterschiedlich bewertet werden. Planometrische Theoretiker übersehen diese kreative Spannung oder eliminieren sie bewusst aus ihren Modellen. Da diese Modelle eine Koordination des gesamten ökonomischen Systems a priori erzeugen sollen, schließen sie die Möglichkeit für Akteure vollständig aus, kreativ auf den Anreiz einer Fehlkoordination zu reagieren.241 Das unvermeidbare Ergebnis ist, dass der Dialog und die Übermittlung verstreuter Informationen zwischen ökonomischen Agenten und der zentralen Planungsbehörde, so wie es Hurwicz vorschlägt, theoretisch unmöglich sind. Dies ist zwei Tatsachen geschuldet: Erstens fehlt ökonomischen Agenten in großem Ausmaß das Wissen, das übermittelt werden müsste,242 da solches Wissen nur aus einem 241 In

der Arbeit, die wir bereits diskutiert haben, zieht Don Lavoie – Polanyi folgend – eine beachtenswerte Analogie zwischen der Rolle des unaussprechlichen Wissens auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung und im Bereich des Marktes. Er schlussfolgert: „Marktteilnehmer können keine ‚Preisnehmer‘ sein, genauso wie Wissenschaftler keine ‚Theorienehmer‘ sein können. In beiden Fällen existiert ein Hintergrund von nicht hinterfragten Preisen oder Theorien, auf die Unternehmer oder Wissenschaftler vertrauen. Aber ebenfalls in beiden Fällen besteht der Fokus der Aktivität im Widerspruch zu bestimmten Marktpreisen oder wissenschaftlichen Theorien. Unternehmer (oder Wissenschaftler) widersprechen aktiv existierenden Preisen (oder Theorien) und legen sich auf ihre Projekte (oder Ideen) fest, indem sie Preise in die Höhe treiben oder unterbieten (oder indem sie existierende Ideen kritisieren). Nur durch den komplizierten Druck, der durch den rivalisierenden Kampf des Wettbewerbs (oder Kritik) ausgeübt wird, können neue produktive (oder akzeptable wissenschaftliche) Entdeckungen gemacht werden und unergiebige (oder unakzeptable) Entdeckungen verworfen werden. Ohne diesen ‚Druck‘, dass solche persönlichen Bekenntnisse an die Wissenschaft oder in den Markt übermittelt werden, würde jeder Bereich seine ‚bestimmende Rationalität‘ verlieren. Genau weil bei dem Wissenschaftler die Reputation und bei dem Kapitalisten der Wohlstand auf dem Spiel steht, treibt es ihn an, seine Bekenntnisse für oder gegen irgendeine bestimmte Richtung wissenschaftlicher oder produktiver Aktivität vorzunehmen. Privateigentum und die persönliche Freiheit des Wissenschaftlers spielen deshalb analoge Rollen. Wenn eine der beiden Formen des persönlichen Bekenntnisses unterminiert wird, zum Beispiel die Hingabe zur Wahrheit oder die Verfolgung von subjektiv erkannten Gewinnmöglichkeiten, sind beide dieser großen Leistungen der Menschheit, Wissenschaft und unsere fortschrittliche Ökonomie, sabotiert.“ (Don Lavoie: The Market as a Procedure for Discovery and Conveyance of Inarticulate Knowledge, S. 34 f.) Polanyi benutzt die gleiche Analogie zwischen dem Markt und dem Fortschritt der Wissenschaft in „The Republic of Science: Its Political and Economic Theory“ (in: Knowing and Being. Hrsg. von Marjorie Grene. Chicago: The University of Chicago Press, 1969). 242 Fritz Machlup: Knowledge: Its Creation, Distribution and Economic Significance. Bd. 3: The Economic of Information and Human Capital, Kapitel 6: „New Knowledge, Disperse Information and Central Planing“. Siehe insbesondere S. 200, wo sich Machlup auf die Tatsache bezieht, dass „das Wissen über die Präferenzen der Menschen nicht nur über Millionen von Köpfen verteilt ist und nicht nur einem ständigen Wandel unterworfen ist, sondern dass es zu viele blanke Stellen hat, die in Form einer Preis-Mengen-Antwort ausgefüllt werden. Das beschriebene Planungssystem kann den Menschen nicht geben, was sie wollen, weil sie es selber nicht wissen können, wenn sie gar nicht wissen, was sie haben könnten. Ein ständiger Fluss von Innovationen in einem System des freien Unternehmertums verändert ständig die Produktionsmöglichkeiten, einschließlich derer, die sich auf neue Produkte oder neue Qualitäten von existierenden Produkten beziehen. Einfallsreiche Unternehmer, die durch die Antizipation (zeitweiser) Gewinne angetrieben werden, stellen Konsumenten Optionen zur Verfügung, die bis dahin nicht existiert haben, aber von de-

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Prozess entsteht, in dem Akteure frei ihre unternehmerische Funktion ausüben können; zweitens könnten sie auch das Wissen, das sie besitzen, nicht übermitteln, da es hauptsächlich stillschweigender und unaussprechlicher Natur ist. Das Wissen des Unternehmers ist unaussprechlich, da es mehr auf einer „Gedankentechnik“ beruht, die nur angewendet werden kann, wenn sich der Akteur im Kontext einer typischen Marktwirtschaft befindet. Der Akteur kann diese Technik nur intuitiv lernen, indem er sie praktisch anwendet. Köpfe vom Kaliber eines Arrow und Hurwicz ziehen die wesentlichen Merkmale des Wissens, das ökonomische Agenten nutzen und generieren, nicht in Betracht und sind daher ignorant gegenüber den fundamentalsten Prinzipien der Funktionsweise im Markt. Dies rechtfertigt den Hinweis von Hayek, den er 1982 machte, als er keinen anderen Weg sah, als diese Autoren „unverantwortlich“ zu nennen – insbesondere, weil sie glauben, das praktische, subjektive und unaussprechliche Wissen könnte in Form eines „Computerdialoges“ zwischen ökonomischen Agenten und der zentralen Planungsbehörde übermittelt werden. Eine Idee, die Hayek als „den krönenden Blödsinn der gesamten Farce“ bezeichnet, den die planometrische Literatur insgesamt darstellt.243 Viertens müssen wir im Hinterkopf behalten, dass Modelle planometrischer Preisanpassung dies erfordern: Sobald die Informationen an eine zentrale Planungsagentur übermittelt wurden, müssen sowohl Handel als auch Produktionsaktivitäten unterbrochen werden, während die Agentur das entsprechende Optimierungsproblem löst und den Akteuren die neuen Informationen über Gleichgewichtspreise sendet. Manche Ökonomen, wie etwa Benjamin Ward, kommen zu der absurden Schlussfolgerung, dass ein solches System sehr viel effizienter als eine echte Marktwirtschaft sei, in der ständig Austausch stattfindet, mit Preisen, die nicht mit Gleichgewichtspreisen übereinstimmen und daher als „falsch“ betrachtet werden. Dass echte Marktpreise als „falsch“ bezeichnet werden, weil sie nicht mit unbekannten hypothetischen „Preisen“ übereinstimmen, die nur in vernebelten Köpfen von Gleichgewichtstheoretikern existieren, ist zumindest überraschend. Es nen erwartet wird, dass sie Antworten liefern, die von der Art her anders sind als die, die im gewöhnlichen Modell des Marktgleichgewichts symbolisiert werden. Die Verfügbarkeit von neuen Produkten lässt das Marktsystem sehr ungleich dem Schema offizieller Mengenindikatoren oder Preise, die von einem zentralen Komitee bekannt gegeben werden, erscheinen. Der organisierte Feedback-Zirkel, der informierte Entscheidungen durch die Planungsbehörde erlaubt, gibt keinen Raum für das Phänomen der Innovationen.“ 243 „Es war wahrscheinlich eher der Einfluss von Schumpeters Lehre als der direkte Einfluss von Oskar Lange, der das Anwachsen einer extensiven Literatur mathematischer Studien zu den „Verteilungsprozessen der Ressourcen“ hervorgerufen hat (zusammengefasst in K. J. Arrow und L. Hurwicz, Studies in Ressource Allocation Processes, (Cambridge: Cambridge University Press, 1977)). Soweit ich das sehen kann, behandeln sie genau so unverantwortlich fiktive Datenreihen, die in keinster Weise verbunden sind mit dem, was das handelnde Individuum lernen kann, wie in Langes Studien.“ (Siehe „Two Pages of Fiction: The Impossibility of Social Calculation“; ursprünglich veröffentlicht in Economic Affairs [April 1982] und wieder veröffentlicht in: The Essence of Hayek. Hrsg. von Chiaki Nishiyama und Kurt R. Leube. Stanford, Kalifornien: Hoover Institution Press, Stanford University, 1984, S. 60.) Auf Seite 61 in der gleichen Arbeit fügt Hayek hinzu, dass „der Vorschlag, dass die Planungsbehörde die Manager einzelner Fabriken dazu befähigen könnte, ihr spezielles Wissen dazu zu nutzen, Einheitspreise für bestimmte Güterklassen festzulegen, die dann so lange gültig bleiben, bis die Planungsbehörde merkt, ob zu diesen Preisen das Inventar allgemein steigt oder absinkt, ist die krönende Dummheit der gesamten Farce.“

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ist absurd, etwas als falsch anzusehen, das existiert und tatsächlich als Resultat freier menschlicher Handlung entstand; aber es ist noch viel absurder, wenn wir berücksichtigen, dass kein echter „Gleichgewichtspreis“ jemals bekannt sein kann. Zudem liegt der große Vorteil des Marktprozesses gegenüber dem planometrischen Anpassungsmodell genau in der Möglichkeit, anscheinend „falsche“ Tauschakte vorzunehmen. Tatsächlich werden im planometrischen System Millionen von ökonomischen Agenten davon abgehalten, neue Informationen zu entdecken und zu schaffen, während alle Handlungen und Tauschvorgänge stillstehen und Informationen an die Planungsbehörde übermittelt werden, die wiederum die entsprechenden Gleichungssysteme löst. Und es werden viele menschliche Handlungen verhindert – alles im Namen des gesellschaftlichen Anpassungsprozesses, der Koordinierung und Entwicklung. Im Gegensatz dazu werden echte Märkte durch die unternehmerische Funktion angetrieben, obwohl ein Gleichgewicht niemals erreicht wird (daher wäre jeglicher Tausch in der Wirklichkeit „falsch“ in diesem Sinne). Es werden ständig neue Informationen geschaffen und alle Fehlanpassungen und Ungleichheiten tendieren dazu, durch die Kraft der unternehmerischen Wachheit offengelegt zu werden und entsprechend koordiniert und angepasst zu werden. Der Hauptvorteil echter Marktprozesse im Gegensatz zu planometrischen Modellen des „walrasianischen Auktionärs“ ist dies: Obwohl im echten Prozess ständig Tauschvorgänge stattfinden und keiner von ihnen zum Gleichgewichtspreis vollzogen wird (wodurch die eigentlichen Preise in diesem Sinne „falsch“ sind), funktioniert dieser Prozess sowohl in der Theorie als auch in der Praxis gut. Denn jede Fehlanpassung schafft einen notwendigen Anreiz und die daraus resultierende Tendenz, durch die angeborene Kraft der unternehmerischen Funktion entdeckt und beseitigt zu werden. Auf diesem Wege wird eine enorme Summe von Informationen geschaffen und ständig in die Gesellschaft übermittelt. Im Gegensatz dazu setzt das Funktionieren von planometrischen Modellen nicht nur voraus, dass menschliche Handlungen und die Schaffung neuer Informationen in einer gewissen Zeitspanne erstarren, sondern auch, dass diese Handlungen die kreative Ausübung der unternehmerischen Funktion vollständig ausschalten, die der Schlüssel zu gesellschaftlicher Kreativität und Koordination ist.244 244 Benjamin

N. Ward: The Socialist Economy: A Study of Organizational Alternatives. New York: Random House, 1967, S. 32 – 33. In dieser Arbeit macht Ward außerdem einige beiläufige Bemerkungen über die Simplifikationen in diesen mathematischen Modellen (insbesondere deren statische, lineare Natur), geht aber davon aus, dass sich in der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Sektoren und der Planungsbehörde nie ein Flaschenhals bildet, weil es „in jeder Runde Zahlenreihen involviert, die nicht n hoch 2 für keine Einheit übersteigen sollte, in der n die Anzahl der Sektoren ist und generell viel weniger ist“ (S. 61). Freilich fügt er hinzu, dass der Prozess in jedem Falle in der teilweisen Wiederholung stoppen könnte, bevor er Vervollständigung erreicht, wenn die Zeitperioden zu lang sind, die notwendig sind, um die Wiederholung zu komplettieren. Das Ergebnis wäre ein Plan, der – obwohl nicht optimal – in der Praxis zumindest eine „Verbesserung“ wäre. Wie Don Lavoie deutlich herausgestrichen hat, scheint es unglaubwürdig, dass Ward nicht realisierte, dass er mit seinem Vorschlag die wichtigste raison d´être des walrasianischen „Tatonnement-Prozesses“ aufgibt. Wenn ökonomische Akteure alle Aktivitäten stoppen müssen, während Experten des linearen Programmierens die Gleichgewichtslösung errechnen, die später adaptiert werden soll, und wenn diese Lösung nur eine Schätzung und eine zwischenzeitliche ist, warum sollte dann nach alldem der planometrische Prozess überhaupt initiiert werden, wenn dezentralisierte Marktmechanismen und das entsprechende Rechtssystem

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Fünftens liegt die hauptsächlich zugrunde liegende Schwäche aller planomet­ rischen Modelle in der extremen Minimalisierung und Trivialisierung des Prob­lems, das sich durch die ständigen Marktveränderungen in einer komplexen modernen Ökonomie ergibt. In der realen Welt kann sich eine moderne Gesellschaft nicht den Luxus erlauben, auf die „Lösung“ eines Programmierungsproblems zu warten, das die Aktivitäten und das Leben aller Mitglieder betrifft. Zudem ist eine solche Lösung theoretisch unmöglich, weil das Problem nicht einmal betrachtet werden kann, ohne Realität diktatorisch zu zwingen, angesichts der Unmöglichkeit, notwendige Informationen zu generieren und zu übermitteln. Um das Obengenannte zu illustrieren, betont Michael Ellmann, dass es sechs Jahre dauerte, um die notwendigen Informationen für die Formulierung eines linear programmierten Problems zu sammeln, die in den 1960er-Jahren von der Planungsbehörde für Metallindustrien der früheren Sowjetunion in Auftrag gegeben wurde. Er legt dar, dass das Problem mit 1.000.000 Unbekannten und 30.000 Restriktionen formuliert wurde.245 Es ist logisch, dass die „Lösung“ dieses Problems rein imaginär war, da die relevanten Informationen sich innerhalb dieser sechs Jahre radikal änderten (oder es auf jeden Fall getan hätten). Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Problem „gelöst“ wurde, hatte sich das Problem vollständig geändert, wodurch die gefundene Lösung vollkommen obsolet wurde. Weil planometrischen Spezialisten die notwendigen Informationen fehlen, ist es klar, dass sie in der dynamischen Wirklichkeit gezwungen wären, stets blind eine nichtexistente „Gleichgewichtslösung“ zu finden, was ihnen nie gelingen würde, weil diese sich in einem Prozess des ständigen Wandels befindet. Wir können daher mit Peter Bernholz schlussfolgern, dass eine rationale Wirtschaftsrechnung unter den realen Umständen einer variablen Volkswirtschaft unmöglich ist, wenn ein planometrisches System der Zentralplanung verwendet wird.246 ständig ein akkurateres Ergebnis bieten, ohne die Notwendigkeit ständig stockender Handlungen und ohne die Vereitlung der Schaffung neuer Informationen und ohne die zusätzlichen Kosten, die durch die Einbeziehung planometrischer Theoretiker entstehen (siehe Don Lavoie: Rivalry and Central Planing, S. 99)? Edmond Malinvaud begeht einen ähnlichen Fehler als er sich – beginnend mit dem Studium der Prozesse, die ein optimales Produktionslevel für öffentliche Güter bestimmen – auf die Analyse der wiederholenden Prozesse fokussiert, die sich der optimalen Gleichgewichtslösung in einem sozialistischen System annähern. Siehe „A Planning Approach to the Public good Problem“, in: The Swedish Journal of Economics, 73 (März 1971), S. 96 – 112; sowie „Decentralized Procedures for Planing“, in: Activity Analysis in the Theory of Growth and Planning. Hrsg. von E. Malinvaud und M. Bacharach. London: Macmillan, 1967. Es ist ehrlich gesagt schwierig, diese wahnsinnige Besessenheit all dieser Autoren zu verstehen, die ein unendlich vielseitiges und reichhaltiges menschliches soziales Leben mit der totalen Rigidität und Kälte eines mechanischen Modells tauschen wollen. 245 Michael Ellman: „Economic Calculation in Socialist Economies“, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, S. 31. 246 „Mit unterschiedlichen und sich verändernden Produktionsfunktionen wird die Größe der Unternehmen und die Struktur der Industrie ein Problem. Neue Güter und wechselnde Präferenzen stellen für Unternehmen oder Industrien, die expandieren, Verträge schließen, abschaffen oder erschaffen, ebenfalls ein Problem dar […] Unter diesen Umständen wird die zentrale Planungsbehörde aufgrund des Wesens und der Komplexität der Situation nicht in der Lage sein, die notwendigen Informationen für eine verantwortliche Planung ex ante zu bekommen. Rationale Kalkulation bricht zusammen, wenn zentrale Planung benutzt wird.“ (Peter Bernholz: „The Problem of Complexity under non Stationary Conditions“, in: „Information, Motivation and the Problem of Rational Economic Calculation in Socialism“, in: Socialism: Institutional, Philosophical and Economic Issues. Hrsg. von Svetozar Pejovich, S. 154.)

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Sechstens zeigen planometrische Theoretiker nicht nur eine profunde Ignoranz gegenüber der Art und Weise, wie reale Märkte funktionieren, sondern ihnen fehlt auch das Verständnis grundlegender Elemente der Computertheorie. Erinnern wir uns daran, dass die Art von „Information“, die in einem Computer gespeichert werden kann, vollkommen anders ist als die, die ökonomische Agenten bewusst im Markt nutzen. Erstere ist objektive, artikulierbare „Information“, Letztere subjektive, stillschweigende, praktische Information, die klar für ökonomische Probleme wesentlich ist und nicht in einem Computer gespeichert und verarbeitet werden kann. Zudem ist es offensichtlich, dass Informationen, die noch nicht durch das ökonomische System generiert wurden, weder übermittelt noch durch Computerprozesse verarbeitet werden können. Mit anderen Worten ergeben sich sowohl unaussprechliche praktische Informationen als auch ein großer Teil artikulierter Informationen aus dem gesellschaftlichen Marktprozess. Bis dieser Prozess die Informationen gene­riert hat, können sie weder übermittelt noch in irgendeinem Datensystem gespeichert werden. Außerdem könnten, und das ist vielleicht der wichtigste Aspekt, selbst die komplexesten Computersysteme jeder Generation auf dezentrale Weise durch ökonomische Agenten selbst genutzt werden (unterschiedliche Akteure, Unternehmer, Behörden, Institutionen). Wenn wir dies anfangen zu berücksichtigen, dann wird deutlich, dass diese mächtigen Maschinen auf einem dezentralen individuellen Level einen Kontext schaffen, in dem es möglich sein wird, praktisches unaussprechliches Wissen zu erzeugen, das unendlich vielfältiger, komplexer und reichhaltiger sein wird. Die Komplexität dieser Informationen wird es unmöglich machen, sie auf zentralisiertem Wege über Computer zu kontrollieren. Mit anderen Worten kann ein Computersystem vielleicht Kontrollsysteme leiten, die simpler sind als es selbst, aber es wird nicht in der Lage sein, ein System zu führen oder zu lösen, das komplexer als es selbst ist. Schließlich ist offensichtlich, dass kein Computer die Leistung typischer menschlicher unternehmerischer Handlungen erbringen kann und dies auch niemals machen wird. Ein Computer wird niemals in der Lage sein zu realisieren, dass ein bestimmter Teil objektiven Wissens falsch interpretiert wurde und daher ungenutzte Gewinnmöglichkeiten zurückbleiben. Ein Computer wird nicht in der Lage sein, neue Vorhaben zu erkennen, die sich vorher niemand vorgestellt hat. Er wird zum Beispiel weder neue Ziele und Mittel erschaffen oder gegen den Strom Handlungen verfolgen können, die nicht in Mode sind, noch couragiert darum kämpfen, eine Firma erfolgreich zu gestalten, an die niemand glaubt. Ein Computer kann höchstens ein mächtiges, nützliches Werkzeug sein, um artikulierbare „Informationen“ zu verarbeiten und so die menschliche unternehmerische Funktion zu vereinfachen, wie wir sie in Kapitel 2 beschrieben haben. Aber Computer werden niemals die unternehmerische Funktion ersetzen können.247 Tatsächlich bietet die Computerwissenschaft keine Hilfe an, den komplexen Prozess der spontanen Koordination zu ersetzen, der in der Wirtschaft wirkt. Im Gegenteil 247 Assar

Lindbeck sagt: „Es ist offensichtlich, dass Computer von Märkten weder die Aufgabe der Schaffung von Informationen (über Konsumpräferenzen und produktive Technologie) übernehmen können, noch die der Schaffung von Anreizen, um für ein effizientes Funktionieren des Systems gemäß den Präferenzen der Konsumenten zu sorgen.“ (The Political Economy of the New Left. New York: Harper & Row, 1971, S. 86 Er schlussfolgert daher: „Die Chancen, Computer

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wird es die ökonomische Theorie der Marktprozesse sein, die in der Lage ist, der Entwicklung einer fortschrittlicheren Theorie der Computerwissenschaften beizustehen. Tatsächlich haben neuere Entwicklungen in der Theorie der Computerwissenschaften in Bezug auf Expertensysteme und das utopische Konzept der „künstlichen Intelligenz“ gezeigt, dass nur eine tief greifende Analyse der Mechanismen, durch die Informationen kreiert und in den Markt übermittelt werden, zu einem signifikanten Fortschritt in diesen Bereichen geführt hat.248 Schließlich wollen wir unsere Anmerkungen zu Planometrik nicht abschließen, ohne noch einmal zu betonen, dass der Gebrauch der mathematischen Methode in der Ökonomie große Konfusion und großen Schaden erzeugen kann, wenn die Wissenschaftler, die sie benutzen, nicht ausgesprochen vorsichtig damit umgehen. Um deutlich zu werden: Die mathematische Methode ist nur für die Beschreibung eines Gleichgewichtssystems geeignet, bestenfalls für eine krude mechanistische Karikatur der realen Prozesse der Veränderung und Kreativität, die im Markt operieren. Zudem erlaubt die mathematische Methode nicht den formellen Ausdruck des Wesens des Unternehmertums, welches das grundlegende Schlüsselelement im gesamten ökonomischen und sozialen Leben ist. Der mathematische Ökonom läuft ständig Gefahr zu glauben, dass Preise und Kosten durch sich überschneidende Kurven determiniert sind und nicht durch eine Abfolge sehr konkreter menschlicher Aktionen und Interaktionen. Womöglich fängt er an zu glauben, dass die Funktionen, mit denen er arbeitet, real sind und bekannt sein könnten. Kurzum, er könnte auf die Idee kommen, dass die Informationen, die er als gegeben annimmt, um sein Modell zu konstruieren, tatsächlich in objektiver Form irgendwo im Markt existieren und daher zusammengetragen werden könnten. Im Lichte der Wirkungen, die die mathematische Methode im Allgemeinen in der Sphäre der Ökonomie gehabt hat und insbesondere im Falle der Vorschläge zur sozialistischen Wirtschaftsrechnung, die wir studiert haben, fragt man sich, ob diese Methode letztendlich nicht mehr Schaden als Nutzen für die Entwicklung unserer Wissenschaft erzeugt hat.249 Das Argument, das Mises und Hayek zugunsten der für dezentralisierten Marktwettbewerb auszutauschen, um Informationen zu manipulieren und Annäherungen für die optimale Verteilung zu errechnen, sind äußerst begrenzt.“ Im Lichte der Argumente, die im Haupttext gegeben werden, würde ich sagen: Sie sind null. 248 Siehe insbesondere Don Lavoie, Howard Batjer und William Tulloh: „High-Tech Hayekians: Some Possible Research Topics in the Economics of Computation“, in: Market Process (George Mason University) 8 (Frühling 1990), S. 120 – 146, sowie die Bibliografie, die dort zitiert wird. Wir werden uns nicht damit beschäftigen, andere Unzulänglichkeiten des planometrischen Modells vom Standpunkt der Methodologie, die in der Gleichgewichts- und Wohlfahrtsökonomie selber genutzt wird, aufzulisten und zu untersuchen. Die entsprechenden Kritiken sind nicht nur irrelevant im Vergleich zu den grundsätzlichen Argumenten, die im Text präsentiert werden, sondern auch in jedem standardisierten Handbuch zu diesem Thema zu finden, wie zum Beispiel in John Bennets The Economic Theory of Central Planning, Kapitel 2. Ebenfalls von Interesse ist ein Aufsatz von D. F. Bergum: „Economic Planning and the Science of Economics“, in: American Economic Review (Juni 1941). 249 In Mises’ eigenen Worten: „Der mathematische Ökonom, erblindet von der Voreingenommenheit, dass die Ökonomie gemäß dem Muster newtonscher Mechanik konstruiert werden muss und offen für die Behandlung mathematischer Methoden sei, missversteht den gesamten Gegenstand seiner Untersuchungen. Er hat es nicht mehr länger mit menschlicher Handlung, sondern mit einem seelenlosen Mechanismus zu tun, mystisch angetrieben durch Kräfte, die einer weiteren

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Marktwirtschaft und gegen den Sozialismus vorgetragen haben, unterscheidet sich vollständig von den Überlegungen mathematischer „Wohlfahrtsökonomen“, um „private Unternehmen“ zu rechtfertigen. Letztere gründen ihre Argumente auf den „perfekten Wettbewerb“ als einen Ausdruck des paretianischen Ideals von Effi­ zienz. Das grundlegende Argument dieses Buches ist, dass Wettbewerb nicht eine „optimale“ Kombination von Ressourcen liefert, sondern dass es sich um einen dynamischen Prozess handelt, der von Menschen aus Fleisch und Blut angetrieben wird – ein Prozess, der dazu tendiert, die Gesellschaft zu koordinieren und anzupassen. Das wesentliche Argument ist nicht, dass ein System des „perfekten Wettbewerbs“ besser als ein System von Monopolen ist, sondern dass Märkte und ungezwungene menschliche Handlungen einen Koordinationsprozess darstellen. Das Argument, das wir verteidigen, unterscheidet sich daher grundlegend von dem Standardargument, das in mikroökonomischen Textbüchern zu finden ist – ein Ansatz, den wir aus allen Gründen, die wir gegeben haben, für grundsätzlich irrelevant und fehlerhaft halten, gleichgültig, ob er nun für eine positive oder für eine normative Analyse der Volkswirtschaft genutzt wird. Das deutlichste Zeichen, dass die „Wohlfahrtstheorie“ fehlerhaft ist, liegt in der Tatsache, dass sie paradoxerweise die Idee ermöglicht hat, dass durch ihre Modelle und Methoden der Mechanismus der Ressourcenallokation in einer Planwirtschaft ohne Märkte gelöst werden könnte. Die Theorie des ökonomischen Gleichgewichts und der Wohlfahrt, die als eine beschreibende positive Theorie über das Funktionieren der Märkte begann, endete als ein bloßes Instrument für den Fortschritt eines Systems der Wirtschaftsrechnung, das über mathematische Modelle und Methoden sowohl den Marktprozess als auch sein ureigenstes Merkmal ausschaltet: die unternehmerische Funktion.250

Analyse nicht zugänglich sind. In der imaginären Konstruktion der gleichmäßig rotierenden Ökonomie (ERE) gibt es natürlich keinen Raum für die unternehmerische Funktion. Der mathematische Ökonom löscht den Unternehmer daher aus seinen Gedanken. Er hat keinen Gebrauch für die antreibende Kraft, deren niemals endende Einmischung das imaginäre System davon abhält, jemals den Status des perfekten Gleichgewichts unter statischen Konditionen zu erreichen. Er hasst den Unternehmer als ein störendes Element. Die Preise der Produktionsfaktoren, wie der Ökonom sie sieht, werden durch den Schnittpunkt von zwei Kurven und nicht durch menschliche Handlung bestimmt.“ (Human Action, S. 702.) 250 Der vielleicht erste Gleichgewichtstheoretiker, der die radikal unterschiedliche Natur des Arguments von Mises und Hayek zugunsten der Marktwirtschaft erkannt hat, war Richard R. Nelson in seinem Artikel „Assessing Private Enterprise: An Exegesis of Tangled Doctrine“, in: Bell Journal of Economics 1, Nr. 12 (Frühling 1981). Wir stimmen mit Nelson überein, wenn er schreibt, dass die „orthodoxe“ Wohlfahrtstheorie keine Relevanz besitzt, aber wir teilen seine Idee nicht, dass die Theorien von Hayek im Besonderen und die Österreichische Schule im Allgemeinen – obwohl relevant – sich doch in einem primitiven Entwicklungsstadium befinden. Eine solche Aussage macht nur Sinn, wenn man diejenige Theorie mit einem hohen Anteil Formalismus als „entwickelt“ ansieht, selbst wenn sie unhaltbar und irrelevant ist. Außerdem übersieht diese Aussage die wichtigen Beiträge, die die Österreichische Schule in allen Gebieten der ökonomischen Wissenschaft gemacht hat. Wie wir am Ende von Fußnote 198 gesehen haben, hat selbst Mark Blaug die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem neoklassischen Paradigma und die Irrelevanz des Letzteren verstanden.

6 Oskar Lange und die „Wettbewerbslösung“ In diesem Kapitel und dem nächsten werden wir die unterschiedlichen Versuche sozialistischer Ökonomen untersuchen, eine „wettbewerbliche Lösung“ des Prob­ lems der sozialistischen Wirtschaftsrechnung zu formulieren. Mit diesem Ansinnen erreichen wir in diesem Kapitel zwei Ziele: Erstens werden wir eine Reihe von einführenden Überlegungen darstellen, welche die bedeutendsten Implikationen dieses neuen Vorschlags in den richtigen Kontext platzieren, und wir werden die wichtigsten historischen Vorläufer dieses Vorschlags analysieren. Zweitens studieren wir sorgfältig die „Lösung“, die Oskar Lange entwickelte. Obwohl unser Fokus auf Lange vielleicht etwas zu detailverliebt und extensiv erscheint, ist sein Beitrag – der bekannteste und am meisten zitierte unter den sozialistischen Theoretikern – so inkorrekt interpretiert worden, dass es unbedingt notwendig ist, eine eingehende und durchgreifende Untersuchung anzustellen. Unsere Analyse der „Wettbewerbslösung“ werden wir (neben anderen Themen) im nächsten Kapitel beschließen, das wir einer Studie der Beiträge von Dickinson, Durbin und Lerner auf diesem Gebiet widmen.

6.1 Einführende Bemerkungen Ein Merkmal, das mehr oder weniger von allen Versionen der sogenannten „Wettbewerbslösung“ geteilt wird, ist der Versuch, eine Art von „Quasi-Markt“ (in den Worten von Mises) einzuführen, in dem das Verhalten von unterschiedlichen ökonomischen Akteuren so weit wie möglich deren Gegenpart in einem kapitalistischen System ähnelt. Wenn wir die unterschiedlichen Beiträge begutachten, werden wir sehen, dass sie im Allgemeinen durch ihre Ambiguität und ihr sich widersprechendes Wesen gekennzeichnet sind. In dem Ausmaß, in dem das vorgeschlagene System dazu intendiert ist, sozialistisch zu bleiben, also systematisch und zwangsweise die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion einschränkt, offeriert es auch keine Antwort auf das von Mises und Hayek ursprünglich angesprochene Problem bezüglich der Wirtschaftsrechnung, sobald die notwendige Information nicht geschaffen ist. Wir werden ebenfalls sehen, dass es zwei hauptsächliche Formen der „Wettbewerbslösung“ gibt. Die erste kann als eine einfache, zweitrangige Lösung verstanden werden, um die algebraische Kalkulation von Gleichgewichtspreisen zu ermöglichen, wie sie durch die mathematische Lösung vorgeschlagen werden, die wir im letzten Kapitel analysiert haben. Die zweite kann als vollständig autonome Lösung verstanden werden, die darauf zielt, das Beste aus beiden Welten – Sozialismus und Kapitalismus – durch einen „Marktsozialismus“ zu vereinen, der in seiner wässrigsten Ausprägung schwierig von einem demokratischen Sozialismus oder der Sozialdemokratie zu unterscheiden wäre und in seiner „originalsten“ Form einem Versuch der „Quadratur des Kreises“ gleichkäme, um alle gesellschaftlichen Probleme zu lösen.

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Zu diesem Zeitpunkt müssen wir in jedem Fall feststellen: Die weitgehende Akzeptanz von Vorschlägen einer „Wettbewerbslösung“ unter sozialistischen Theoretikern lässt sich klar darauf zurückführen, dass diese die Richtigkeit von Mises’ ursprünglichem Beitrag bezüglich der Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus, der 1920 veröffentlicht wurde, anerkennen. Mit anderen Worten: Der österreichische Angriff, den Mises und Hayek gegen den Sozialismus führten, war so vernichtend, dass die sozialistischen Theoretiker dazu gezwungen wurden, sich auf eine schwächere zweite Verteidigungslinie zurückzuziehen, nämlich eine, die genau auf den Elementen desjenigen ökonomischen Systems beruht, das sie so hassten und zu zerstören suchten. Fritz Machlup hat gezeigt, dass Mises’ Erfolg tatsächlich so vollständig war, dass heute niemand daran zweifelt, dass Planungen in Theorie und Praxis ohne ein dezentralisiertes Preissystem unmöglich sind. Dennoch hadern die meisten Theoretiker immer noch zumindest innerlich damit, den Verdienst von Mises anzuerkennen. Zudem haben sie bis jetzt die grundsätzlichen Merkmale ihrer Herausforderung nicht vollständig verstanden, die einfach darin bestand, theoretisch zu zeigen, dass in einem System ohne privates Eigentum an Produktionsmitteln keine Freiheit für die unternehmerische Funktion besteht und damit die praktischen, verstreuten und subjektiven Informationen, die wesentlich für die Koordinierung der Gesellschaft sind, nicht geschaffen werden können.251 Es ist daher nicht überraschend, dass die wichtigsten österreichischen Teilnehmer der Debatte ebenfalls daran festhielten, die Bedeutung der Tatsache herauszustreichen, dass ihre sozialistischen Gegner ihr traditionelles Verständnis vernachlässigten, wonach ein durch Regierungsbehörden geleitetes System der Zentralplanung die einzig „rationale“ Methode zur Organisierung einer Gesellschaft sei, und stattdessen eine 360-Grad-Wendung vollzogen und anfingen, mit unterschiedlicher Intensität die Wiedereinführung von Wettbewerb zu empfehlen.252 Mises253 ist daher das 251 Siehe

Fritz Machlup: „The Economics of Information and Human Capital“. Bd. 3 von: Knowl­ edge: Its Creation, Distribution and Economic Significance, S. 191. Beim jetzigen Stand der Diskussionen zweifeln die Autoren der Theorie zentraler ökonomischer Planung nicht mehr länger daran, dass ein Preismechanismus ein unverzichtbares Werkzeug für den Planer darstellt. Die Herausforderung von Mises hat in diesem Punkt definitiv bestanden, wie auch in einem zweiten: Dezentralisierte Prozesse sind von den gegenwärtigen Protagonisten der Planwirtschaft ausdrücklich akzeptiert.“ Auf Seite 190 lesen wir: „[…] Diese Diskussionen haben nicht den Kern von Mises’ Herausforderung behandelt. Das Thema ist nicht, ob Kalkulationen möglich und mit all den verfügbaren Daten praktikabel sind, sondern ob die relevanten Daten für die zentrale Planungsbehörde verfügbar werden können. Die Herausforderung von Mises bestand darin, dass die notwendigen Informationen für eine rationale Zentralplanung nicht erhalten werden können und für eine rationale Ressourcenallokation sowohl Marktpreise von privaten Produktionsmitteln als auch von Produkten benötigt werden.“ 252 Trygve J. B. Hoff: Economic Calculation in the Socialist Society, S. 238. Hoff führt sogar aus, dass einige Vorschläge zur „wettbewerblichen Lösung“ außerhalb der strikten Definition des Sozialismus lägen und deshalb nicht beantwortet werden sollten. Hoffs Aussage ist ungerechtfertigt aus der Perspektive unserer Definition von Sozialismus (jedes System institutioneller Aggression gegenüber der freien Ausübung der unternehmerischen Funktion), die sowohl allgemein als auch präzise ist und uns deshalb erlaubt, die obigen Kritiken am sozialistischen System anzuwenden, sobald irgendeine Form dieser Art der Aggression in irgendeinem sozialen Bereich ausgeübt wird – unabhängig davon, wie klein sie ist. 253 Es ist deshalb nichts weniger als eine vollkommene Anerkennung der Korrektheit und Unwiderlegbarkeit der Analyse der Ökonomen. Und es ist eine vernichtende Kritik an den Plänen der Sozialisten, an denen intellektuelle Führer des Sozialismus nun sitzen, um ein Schema für ein

Einführende Bemerkungen

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Aufzeigen der Tatsache, dass eine Wirtschaftsrechnung innerhalb eines sozialistischen Regimes unmöglich ist, in einer derartigen Geschwindigkeit gelungen, dass Sozialisten nicht in der Lage waren, ihre endgültige Niederlage zu verhindern, und aufhörten, die traditionelle marxistische Doktrin zu predigen, dass der Sozialismus dem Kapitalismus überlegen sei, genau weil der Sozialismus die Beseitigung von Märkten, Preisen und Wettbewerb erlaubt. Im Gegenteil versuchen sie vehement und mit einer lächerlichen Beharrlichkeit, den Sozialismus mit dem Argument zu rechtfertigen, dass er den Schutz der Märkte erlaube. Sie versuchen sogar zu zeigen, dass Markt und Kapitalismus zwei verschiedene historische Kategorien seien, die nicht notwendig miteinander verbunden sind.254 sozialistisches System zu entwerfen, in dem der Markt, Marktpreise für Produktionsfaktoren und katallaktischer Wettbewerb beschützt werden. Der überzeugende, schnelle Triumph der Demonstration, dass es in einem sozialistischen System keine mögliche Wirtschaftsrechnung gibt, sucht in der Geschichte des menschlichen Denkens seinesgleichen. Den Sozialisten bleibt nichts anderes übrig, als ihre endgültige vernichtende Niederlage anzuerkennen. Sie beanspruchen nicht mehr länger, dass der Sozialismus automatisch dem Kapitalismus überlegen sei, weil er den Markt, Marktpreise und den Wettbewerb hinwegfegt. Im Gegenteil wollen sie jetzt den Sozialismus rechtfertigen, indem sie hervorheben, dass es möglich sei, diese Institution selbst im Sozialismus beizubehalten. Sie entwerfen Pläne für einen Sozialismus, in dem es Preise und Wettbewerb gibt.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S.  706.) Ursprünglich erschien diese Aussage von Mises – wie viele andere, die er gemacht hat – gewagt, als sie 1949 aufgeschrieben wurde. Aber sie hat sich als prophetisch herausgestellt und vierzig Jahre später hat ihm die Geschichte absolut recht gegeben, wie Robert Heilbroner, ein Sozialist und bekannter Schüler von Oskar Lange, zugegeben hat. Heilbroner schreibt: „Weniger als 75 Jahre nachdem er offiziell begonnen hat, ist der Wettkampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus vorbei: Der Kapitalismus hat gewonnen. Die Sowjetunion, China und Osteuropa haben uns den denkbar deutlichsten Beweis gegeben, dass der Kapitalismus die materiellen Beziehungen der Menschheit sehr viel zufriedenstellender organisiert als der Sozialismus. Es ist tatsächlich schwierig, die Veränderungen in der heutigen Welt zu beobachten und nicht zu schlussfolgern, dass die Nase des kapitalistischen Kamels so weit unter das Zelt des Sozialismus gezogen wurde, dass die große Frage nun ist, wie schnell die Transformation des Sozialismus in den Kapitalismus funktioniert – und nicht umgekehrt, wonach es noch vor einem halben Jahrhundert aussah.“ (The New Yorker, 23. Januar 1989). Siehe ebenfalls Heilbroners Artikel: „Analysis and Vision in the History of Modern Economic Thought“, in: Journal of Economic Literature, 28, (September 1990), S. 1097 – 1114, insbesondere S. 1097 und S. 1110 – 1111. Heilbroner schlussfolgert, dass „der Sozialismus die große Tragödie dieses Jahrhunderts war“ und „Mises richtig“ lag. Siehe ebenfalls das Interview, das Robert Heilbroner am 8. April 1991 Mark Skousen gab. Das Interview erschien in Liberty 4, Nr. 6 (Juli 1991), S. 45 – 50 sowie S. 63. (Eine kürzere Version dieses faszinierenden Interviews erschien in Forbes am 27. Mai 1991.) 254 In den Schriften von Oskar Lange entdecken wir als Erstes die tragikomischen Anstrengungen der Theoretiker des „Marktsozialismus“, sowohl ihre sozialistischen Mitstreiter als auch die allgemeine Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass „der Markt“ eine Institution darstellt, die nichts mit dem Kapitalismus zu tun hat, und ebenfalls erfolgreich als Werkzeug im Sozialismus genutzt werden kann. Dieser Autor meinte sogar, dass der Markt eine „eher ältere Institution ist, die so charakteristisch für den Kapitalismus ist, dass er häufig mit dem Kapitalismus verwechselt wird, der aber historisch betrachtet sehr viel älter als der Kapitalismus ist“, und dass „Preise und Geld nicht nur typisch für den modernen Kapitalismus sind, sondern Institutionen darstellen, die auch in einer sozialistischen Gesellschaft erhalten werden können“ („The Economic Operation of a Socialist Society I & II“, in: Contributions to Political Economy, Nr. 6 (1987), S. 7 und S. 13.). Moderne „Marktsozialisten“ wiederholen diese Idee ad nauseam. Siehe zum Beispiel: Market Socialism. Hrsg. von Julian Le Grand und Saul String. Oxford: Clarendon Press, 1989. In seiner brillanten kritischen Analyse des Marktsozialismus, Market Socialism: A Scrutiny. This Square Circle (London: Institute of Economic Affairs, Occasional Paper 84, 1990), beschreibt Anthony De Jasay ironisch die Position der „Marktsozialisten“ zu diesem Punkt wie folgt: „Apologeten des Kapitalismus besetzen den Markt, verwenden ihn, als ob das Funktionieren des Marktes, eine effiziente Institution, vom Kapitalismus abhänge – ein widerliches und abstoßendes System. Der

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Hayek mit seinem normalerweise sehr höflichen Tonfall konnte nicht widerstehen, einige sarkastische Kommentare zu machen, und zwar sowohl in seinem Artikel von 1935, in dem er die Debatte zusammenfasst255, als auch in seiner Arbeit von 1940, die er ausdrücklich der Kritik an der „Wettbewerbslösung“ widmet.256 Hayek lenkt die Aufmerksamkeit auf die große Bedeutung der Tatsache, dass junge Sozialisten, die die ökonomischen Probleme im Sozialismus sorgfältigst studiert haben, die Idee fallen gelassen haben, eine Planwirtschaft könne funktionieren. Stattdessen neigten sie dazu, zu argumentieren, dass Wettbewerb beibehalten werden könne, selbst wenn das Privateigentum an Produktionsmitteln verboten wäre. Sie haben also das traditionelle marxistische Verständnis aufgegeben, dass Planung nicht nur das genaue Gegenteil von Wettbewerb sei, sondern dass es geradezu ihr Hauptanliegen sei, den Wettbewerb zu beseitigen und so die Realisierung des wahren sozialistischen „Ideals“ zu ermöglichen.

6.2 Historische Vorgänger der „Wettbewerbslösung“ Bevor Lange, Dickinson, Durbin und Lerner ihre geschliffenen Beiträge zur „Wettbewerbslösung“ präsentierten, haben andere Theoretiker sie sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch eher grob und unvollständig entwickelt. In Deutschland begann die theoretische Entwicklung auf diesem Feld in den 1920er-Jahren als eine Reaktion auf den grundlegenden Artikel von Ludwig von Mises. Eduard Heimann und Karl Polanyi waren im Wesentlichen dafür verantwortlich. Ihr gemeinsamer Nenner war die Verteidigung einer Lösung, die auf einem gewissen Maß von Wettbewerb unter einer Anzahl von Monopolisten oder „Kartellen“ beruht, das unter der Aufsicht von Regierung oder Gewerkschaften das Rückgrat der wirtschaftlichen Organisation im Sozialismus darstellen würde. In England gab es mit Ausnahme von kurzen Ausführungen von Roper zu diesem Thema nur wenige Arbeiten zur „Wettbewerbslösung“. Die Tatsache, dass Mises und Hayek sie bereits Vorschlag, dass Markt und Kapitalismus zusammengehen, ist eigentlich nichts anderes als ein Taschenspielertrick. Traditionelle Sozialisten fallen auf diesen Trick rein und glauben, dass sie Märkten misstrauen, obwohl es eigentlich der Kapitalismus ist, den sie ablehnen. Dies ist eine Verwechslung, das Versagen zu sehen, dass der Markt trainiert werden kann, um sozialistischen Zielen zu dienen, genauso wie er jetzt kapitalistischen dient. Obwohl die Autoren es nicht ausdrücklich sagen, behandeln sie den Markt stillschweigend als ein neutrales Werkzeug in den Händen seiner politischen Meister, die ihn auf eine Weise benutzen können, wie es der Gesellschaft gefällt.“ 255 „So viele dieser jüngeren Sozialisten, die das ökonomische Problem ernsthaft studiert haben, das den Sozialismus betrifft, haben den Glauben in ein zentral geplantes ökonomisches System aufgegeben und ihre Hoffnung darin gesetzt, dass Wettbewerb vielleicht erhalten bleibt, wenn das Privateigentum verboten ist.“ (F. A. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 238.) 256 „Der erste und allgemeinste Punkt kann kurz behandelt werden, obwohl er nicht unwichtig ist, wenn man diese neuen Vorschläge im geeigneten Licht sehen will. Es ist nur eine Erinnerung, wie viel von dem ursprünglichen Anspruch auf die Überlegenheit der Planung über dem Wettbewerb aufgegeben wurde, wenn die geplante Gesellschaft für die Leitung ihrer Industrien in großem Ausmaß nun auf den Wettbewerb vertrauen soll. Bis vor Kurzem wurden Planung und Wettbewerb als Gegenteile angesehen und dies ist ohne Weiteres immer noch für fast alle Planer mit Ausnahme einiger Ökonomen unter ihnen wahr.“ (F. A. Hayek: „Socialist Calculation III: The Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 186.)

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kommentiert und kritisiert haben, bevor Lange, Dickinson, Durbin und Lerner ihre anspruchsvollen Arbeiten publizierten, zeigt, dass das Konzept wahrscheinlich in Seminaren durch mündliche Weitergabe entstand, als die Implikationen der Debatte ernsthafter wurden. Dies würde auch die Tatsache erklären, dass viele Ideen, die die Autoren in ihre Arbeiten einfügten, bereits einige Jahre vorher in der akademischen Welt „herumschwebten“. Die Beiträge von Eduard Heimann und Karl Polanyi Eduard Heimann war einer der ersten Theoretiker, der über die „Wettbewerbslösung“ in Deutsch schrieb. Dies tat er in seinem Werk Mehrwert und Gemeinwirtschaft: Kritische und Positive Beiträge zur Theorie des Sozialismus von 1922.257 Heimann realisierte die zentrale Bedeutung von Preisen und des Markts, wünschte aber unter allen Umständen die Etablierung eines sozialistischen Systems. Dieses offensichtliche Dilemma versuchte er zu lösen, indem er den freundlichen Wettbewerb, wie er es nannte, vorschlug. Diese Form des „Wettbewerbes“ würde in geordneter und kontrollierter Form zwischen Managern unterschiedlicher unternehmerischer und sektoraler Organisationen bestehen, in die das ökonomische System gemäß Heimann geteilt werden sollte. Doch wie auch immer: Heimann, ein Sozialist mit christlichen Wurzeln, drückt ernsthafte Zweifel aus, ob Wettbewerb und Sozialismus letztendlich kompatibel sind. Zudem ist seine wissenschaftliche Aufrichtigkeit zweifelsfrei, da er die großen Vorteile eines kapitalistischen Wettbewerbs explizit erkennt und der ersten Theoretiker war, der kurz nach Mises die gravierenden Probleme der Wirtschaftsrechnung anerkannte, die notwendigerweise jedes sozialistische System betreffen würden. Nichtsdestotrotz hält Heimann daran fest, dass das Ergebnis der Aktivitäten von Manager unterschiedlicher sektoraler Monopole so „wettbewerblich“ sei wie jene Handlungen, die in einer realen Marktwirtschaft permanent ausgeführt werden, sofern die Manager unterschiedliche Ziele, Ideale und Interessen hätten. Auf diesem Weg, so glaubt er, würde das Problem der Wirtschaftsrechnung vermieden und würden die größten Vorteile des wettbewerblichen Systems auch ohne Privateigentum an Produktionsfaktoren und mit einer egalitären Einkommensverteilung bestehen bleiben. Zudem schlägt Heimann das Verbot von Mieten, Zinsen und Dividenden vor, die direkt an die zentrale Planungsbehörde fließen würden. Schließlich sollten die Manager von sektoralen Monopolen dazu angehalten werden, ihre Preise auf dem Niveau der Kosten zu fixieren, damit sie nie dazu in der Lage sind, die Monopolrendite auszunutzen, die ihnen garantiert wird. Georg Halm stellte in einer detaillierten Kritik von Heimanns Vorschlägen dar,258 dass der „Wettbewerb“ zwischen Managern von sektoralen Monopolen nur ein Wettbewerb um Quotensätze wäre. Es ist unmöglich einzusehen, wie Manager von 257 Eduard

Heimann: Mehrwert und Gemeinwirtschaft: Kritische und positive Beiträge zur Theorie des Sozialismus. Berlin: Robert Englemann, 1922. 258 Halms Kritik an Eduard Heimanns Vorschlag findet sich auf S.  189 – 200 seines Buches: Collectivist Economic Planing. Diese Seiten beinhalten Abschnitt 25 von Georg Halms Artikel, der in dem Buch erscheint. Der Artikel trägt den Titel: „Further Consideration an the Possibility of

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sektoralen Monopolen ihre Kosten kennen sollen – nicht nur, weil der freie Wettbewerb und die Ausübung der unternehmerischen Funktion innerhalb jeden Sektors verboten wären, sondern auch, weil Abschreibungsraten ein wesentlicher Faktor bei der Bestimmung von Kosten sind. Und diese Raten werden wiederum auf der Grundlage von Zinssätzen kalkuliert, die nicht das Ergebnis eines kompetitiven Prozesses wären, sondern durch zentrale Behörden gesetzt würden und daher vollkommen willkürlich wären. Außerdem versteht Heimann nicht, dass das Wesen eines funktionierenden Marktes die Ausübung der unternehmerischen Funktion ist, die es alleine ermöglicht, ständig praktische Informationen zu entdecken und zu kreieren, die für die Wirtschaftsrechnung in jedem spezifischen Kontext notwendig sind. In Heimanns Modell wird die freie Ausübung der unternehmerischen Funk­tion in sehr weiten Bereichen des ökonomischen Lebens verhindert. Dadurch erlaubt das Modell weder die Generierung dieser Information, noch löst es das Problem der Wirtschaftsrechnung. Tatsächlich ist es unklar, wie die Manager unterschiedlicher Monopole unternehmerisch handeln sollten – nicht nur, weil sie keine entsprechenden unternehmerischen Gewinne erhalten könnten (die per definitionem beseitigt würden und damit nicht mehr als unternehmerischer Anreiz für die Entdeckung und Schaffung von notwendigen Informationen für die Wirtschaftsrechnung zur Verfügung stehen), sondern auch, weil sie nicht die Möglichkeit hätten, unternehmerisches Handeln innerhalb ihrer eigenen Sektoren zu fördern. Schon mehr als ein Jahrzehnt vor Halm betonte Mises selbst,259 dass Heimanns Vorschlag äußerst ungenau ist, insbesondere weil er nicht das Wesen der Beziehung erklärt, die zwischen den verschiedenen industriellen Gruppen und dem Staat oder der zentralen Regierungsbehörde besteht. Wenn nämlich die verschiedenen monopolisierten Sektoren als echte Eigentümer ihrer entsprechenden Produktionsfaktoren handeln würden, hätten wir es mit einer Art von System aus Syndikaten zu tun – ganz ähnlich dem, das in Jugoslawien getestet wurde – mit all seinen perversen Ergebnissen und dem Fehlen von Koordination als Wesensmerkmal eines solchen Systems. Wenn gleichzeitig die entsprechenden gewerkschaftlichen Organisationen nur die Rolle von Managern spielen und die Verantwortung für die Wirtschaftsrechnung insgesamt letztlich der staatlichen Planungsagentur zufällt, dann entstehen mit aller Macht die typischen Probleme der Wirtschaftsrechnung, die Mises im Detail beschreibt. Es ist also theoretisch unmöglich, sich eine Art von „kontrolliertem und friedlichem“ Wettbewerb vorzustellen, der vom liberalen Wettbewerb verschieden ist. Entweder existiert Wettbewerb oder er existiert nicht, je nachdem, ob die Ausübung der unternehmerischen Funktion frei ist oder nicht (und, wie wir in Kapitel 2 gesehen haben, Subjekt traditioneller Prinzipien des Privatrechts ist oder nicht). Heimanns Vorschlag wäre nur in einer statischen, Adequate Calculation in a Socialist Community“. Hayek fügte ihn ein, weil er wollte, das Georg Halm den Stand der Debatte im Lichte der Diskussion in der deutschen akademischen Welt vor 1935 zusammenfasst. 259 Mises’ Kritik an Heimann erschien zuerst in dem Artikel: „Neue Beiträge zum Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Nr. 51 (1924), S. 488 – 500. Eine ausgearbeitete Version dieses Artikels findet sich im Anhang von Mises’ Buch Socialism (S. 475 – 478).

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unrealistischen Welt sinnvoll, in der keine Veränderungen stattfinden und alle notwendigen Informationen für die Wirtschaftsrechnung bereits vorhanden sind. Und schließlich ein Argument von Mises, das äußerst signifikant ist und von den „Marktsozialisten“, die folgten, schlicht ignoriert worden ist: Es ist absurd zu glauben, wie Heimann vorschlägt, Preise entsprechend den Kosten festzulegen. Mises zufolge hat dieser Vorschlag keinen Sinn – nicht nur, weil Kosten absolut subjektiv sind und nur stillschweigend und unternehmerisch im Kontext jeder einzelnen Aktion eingeschätzt werden können (und damit weder objektiv an eine Planungsbehörde übermittelt werden, noch durch sie erzeugt werden können), sondern auch, weil die monetären Kosten in persönlicher Wirtschaftsrechnung als schlichte Schätzung der Preise von Produktionsfaktoren betrachtet werden. Jeder Vorschlag, sich den Kosten zuzuwenden, um Preise zu setzen, ist daher ein Beispiel zirkulärer Argumentation, die das Problem der Wirtschaftsrechnung ungelöst lässt. Karl Polanyi260 unterbreitet in seinem Artikel von 1922 über die sozialistische Wirtschaftsrechnung261 ebenfalls einen nebulösen Vorschlag für einen „Gilden­ sozialismus“, nachdem er explizit bestätigt, dass Wirtschaftsrechnung in einer Planwirtschaft unmöglich ist. In diesem „Gildensozialismus“ würde das „Eigentum“ an den Produktionsmitteln einer zentralen Planungsbehörde und das Recht, Produktions- und Konsumgüter zu nutzen, den entsprechenden Gilden zugeschrieben. Polanyi bietet eine ambitionierte Lösung an, die Ähnlichkeiten mit der von Heimann aufweist und ebenfalls daran scheitert, offenzulegen, wer letztendlich über die Entscheidungsmacht verfügt: die zentrale Planungsagentur oder die Gilden. Besitzt die zentrale Planungsagentur die letzte Entscheidungskompetenz, sind wir wieder mit dem Problem konfrontiert, wie wir verstreutes Wissen sammeln – dem Problem, das Wirtschaftsrechnung in zentralisierten Systemen verhindert. Sind es hingegen die professionellen Syndikate, die letztlich und systematisch ihre Mitglieder zwingen und Entscheidungen treffen, dann haben wir es mit der Art von Sozialismus der Syndikate zu tun, der jegliche koordinierende Kapazität fehlt.262 260 Karl

Polanyi (1886 – 1964) sollte nicht verwechselt werden mit seinem Bruder Michael Polanyi, der, wie wir gesehen haben, der wesentliche Schöpfer der Theorie war, dass stillschweigendes verstreutes Wissen Wirtschaftsrechnung in jedem System unmöglich macht, in dem Menschen nicht frei sind, ihre Handlungen oder die unternehmerische Funktion auszuüben. Es scheint paradox, dass die zwei Brüder so strikt entgegengesetzte theoretische Positionen vertraten, doch das Gleiche galt für Ludwig von Mises und seinen Bruder Richard, der ein positivistisches Verständnis von Wahrscheinlichkeit entwickelte und die Anwendung von Mathematik und Statistik in der Forschung der Sozialwissenschaften verteidigte – etwas, das Ludwig von Mises immer explizit verurteilt hat. Der Konflikt zwischen ihren theoretischen Ansichten beeinflusste die persönlichen Beziehungen zwischen beiden Brüderpaaren, die immer ein eher kaltes und distanziertes Verhältnis pflegten. 261 Karl Polanyis Beitrag erscheint in seinem Artikel: „Sozialistische Wirtschaftsrechnung“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Nr. 49 (1922), S.  377 – 420. In einem anderen Artikel, den er in der gleichen Zeitschrift veröffentlichte (Nr. 52 [1924], S. 218 – 228), versuchte Karl später, die Kritiken zu beantworten, die er hauptsächlich von Mises und Felix Weil erhielt. Dieser Artikel trug die Überschrift „Die funktionelle Theorie der Gesellschaft und das Problem der sozialistischen Rechnungslegung“ (eine Erwiderung an Prof. Mises und Dr. Felix Weil)“. 262 Die Hauptkritik an Karl Polanyis Vorschlag stammt von Mises und erscheint am gleichen Ort, an dem er Heimanns Beiträge kritisiert (s. Fußnote 259). In seinem Buch Socialism kritisiert Mises Polanyi auf S. 473 – 475. Siehe ebenfalls Felix Weils kritischen Artikel „Gildensozialistische Rechnungslegung. Kritische Bemerkungen zu Karl Polanyi: ‚Sozialistische Rechnungslegung‘; in diesem Archiv 49/2, S. 377 ff.“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Nr. 52 (1924),

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Frühe Kritik von Mises, Hayek und Robbins am „wettbewerblichen Sozialismus“ Fokussieren wir uns nun auf die Englisch sprechende wissenschaftliche Welt. Bevor Lange, Dickinson, Durbin und Lerner ihre Beiträge leisteten, wurde mit Ausnahme kurzer Kommentare W. C. Ropers zu diesem Thema263 wenig über den „wettbewerblichen Sozialismus“ geschrieben. Nichtsdestotrotz bestand in akademischen Zirkeln, wie wir bereits angedeutet haben, eine relativ entwickelte Version, die es Mises und Hayek erlaubte, eine Reihe von frühen kritischen Beobachtungen zu diesem Vorschlag zu notieren. Die ersten Beobachtungen über die „wettbewerbliche Lösung“ im Allgemeinen kamen von Mises im Abschnitt über „künstliche Märkte“ seines Buches „Die Gemeinwirtschaft“, das 1922 publiziert wurde und 1936 erweitert und ins Englische übersetzt erschien. Mises bekräftigt, dass der Markt das „Kernelement“ und Wesen des kapitalistischen Systems ist und nur im Kapitalismus funktionieren kann. Markt und Wettbewerb könnten niemals „künstlich“ im Sozialismus imitiert werden. Mises’ Untermauerung seiner Argumente stimmt vollkommen mit unseren Erklärungen in Kapitel 2 über das koordinierende Wesen der unternehmerischen Funktion überein und legt offen, dass sich seine Fähigkeit, die gleichen Ideen zu artikulieren, zwischen 1920, als sein erster Artikel erschien, und dem Verfassen des Buches über den Sozialismus von 1922 (das 1936 überarbeitet und erweitert auf Englisch herauskam) substanziell verbessert hat. Tatsächlich bestätigt Mises, wie wir bereits gesehen haben, dass es der Unternehmer ist, der die praktischen Informationen kreiert, die für die Wirtschaftsrechnung notwendig sind. In Mises’ Worten: „Es ist der spekulative Kapitalist [also der Unternehmer], der die Daten kreiert, nach denen er sein Geschäft anpassen muss, und damit eine Richtung für sein Handeln vorgibt.“264 Informationen werden nur geschaffen, entdeckt oder „erkannt“, wenn der Unternehmer ein Ziel verfolgt, das ihm als ein Anreiz dient, diese Information aufzunehmen. Der Anreiz ist das Ziel oder der Gewinn, den der Unternehmer zu erzielen versucht. Werden Eigentumsrechte nicht anerkannt und kann der Unternehmer daher sein Ziel nicht erreichen, wird er nicht einmal die Informationen schaffen, die für die Wirtschaftsrechnung notwendig sind, und der gesamte koordinierende Prozess, der typisch für die Marktwirtschaft ist, wird nicht ausgelöst. Mises hält fest: „Ohne das Streben der Unternehmer nach Gewinn […] wäre an ein erfolgreiches Funktionieren des gesamten Mechanismus nicht zu denken. Die motivierende Kraft des gesamten Prozesses, der den Markt für Produktionsfaktoren ermöglicht, ist die unnachgiebige Suche vonseiten der Kapitalisten und Unternehmer, ihre Gewinne zu maximieren.“265 Es ist daher S. 196 – 217. Hoff (Economic Calculation in the Socialist Society, S. 243) hebt hervor, dass Felix Weil Karl Polanyis Vorschlag als „unmöglich und bedeutungslos“ bezeichnet hat. 263 Willet Crosby Roper: The Problem of Pricing in an Socialist State. Siehe S. 60 und S. 62, wo er näher auf die Notwendigkeit eingeht, den Wettbewerb zu erhalten, und ausdrücklich aussagt, dass das Ausmaß der Effizienz, das von einem sozialistischen System erwartet werden kann, von dem Ausmaß abhängt, zu dem solch ein System Wettbewerb simulieren kann, der sich normalerweise in einem kapitalistischen Regime entwickelt. Siehe ebenfalls Fußnote 226 in Kapitel 5. 264 Ludwig von Mises: Socialism, S. 121. 265 Ludwig von Mises: Socialism, S. 119.

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unmöglich, den Markt und seine typischen Merkmale – die Preisbildung und die koordinierende Kapazität für das individuellen Verhalten seiner Mitglieder – von der Institution des Privateigentums an Produktionsmitteln zu trennen. Mit anderen Worten: In dem Moment, in dem das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft wird, wird es unsinnig, Firmenmanagern zu befehlen, sich zu verhalten, als wären sie Unternehmer. Denn sie werden „im Dunkeln“ darüber gelassen, ob sie die Möglichkeit verlieren zu erreichen, was sie subjektiv als ihren potenziellen Gewinn erkennen.266 Laut Mises ist es zudem für eine hypothetische „Staatsbank“ unnütz, ihre Ressourcen unter denjenigen Managern zu versteigern, die die Chance bieten, eine höhere „Gewinnrate“ zu erzielen. „Ein solcher Zustand würde schlicht bedeuten, dass diese Manager, die weniger vorsichtig und optimistischer waren, Kapital erhalten, um ihr Unternehmen zu vergrößern, während vorsichtigere und skeptischere Manager leer ausgehen. Im Kapitalismus entscheidet der Kapitalist, wem er sein eigenes Kapital anvertraut.“267 Der Prozess basiert daher nicht darauf, die höchste Gewinnrate zu erzielen, sondern auf der praktischen Information, die in einem kapitalistischen Markt geschaffen wird, wenn Unternehmer in Übereinstimmung mit ihren Spekulationen über die Zukunft handeln können und durch die psychologische Spannung angetrieben werden, die sie zwischen dem Wunsch, Gewinne zu erzielen, und ihrer subjektiven Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, Verluste zu erleiden, fühlen. Ein Manager, der sich in einem Umfeld wiederfindet, das von dem eines Unternehmers in einem freien Markt verschieden ist, wird nie Zugang zu denselben praktischen Informationen haben wie der Unternehmer. In einem sozialistischen System wird daher die letztendliche unternehmerische Entscheidung letztlich von einer zentralen Planungsagentur getroffen werden, die dafür verantwortlich ist, wer die entsprechenden Ressourcen erhält. Wie wir bereits wissen, wird diese Planungsagentur niemals darin erfolgreich sein, die praktischen Informationen zu erhalten, die sie benötigen würde, um willkürliches Handeln zu verhindern. Mises schlussfolgert, dass „die Alternative entweder Sozialismus oder Marktwirtschaft ist, aber dass es unrealistisch ist, den ‚Marktsozialismus‘ als einen möglichen Mittelweg zu sehen.“268 In den letzten fünf Abschnitten seines Artikels von 1935 (die 25 Seiten umfassen), in dem er den „Stand der Debatte“ unter der Überschrift „Pseudo-Wettbewerb“ zusammenfasst, kritisiert Hayek sowohl die Modelle, die in der deutschen Literatur entwickelt wurden und die wir im Detail präsentiert haben, als wir Heimann und Polanyi diskutiert haben, als auch die anderen Vorschläge für den „Marktsozia­ lismus“, welche die jüngere Generation sozialistischer Ökonomen mündlich in Londons ökonomischen Zirkeln formuliert hat (und die zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Schriften auftauchten). 266 „Wenn

die Aussicht auf Gewinn wegfällt, verliert der Mechanismus des Marktes seinen Antrieb. Es ist nur diese Aussicht, die ihn in Bewegung setzt und seine Wirkung garantiert.“ (Mises: Socialism, S. 119.) 267 Ludwig von Mises: Socialism, S. 121. 268 Ludwig von Mises: Socialism, S. 123.

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In Bezug auf die Modelle „deutscher Tradition“ des Wettbewerbes zwischen sektoralen Monopolen, die der Regel folgten, die Preise den Kosten anzugleichen, wiederholte und erweiterte Hayek die Argumente, die wir gegen Heimanns und Polanyis Vorschläge anboten und ursprünglich von Mises, Halm und Weil erhoben wurden. Hayek betont, dass es, wenn intrasektoraler Wettbewerb verboten ist, innerhalb jeden Sektors unmöglich wird, dass die notwendigen Informationen für die Wirtschaftsrechnung entstehen. Zusätzlich kritisiert er den Vorschlag, dass Kosten als Orientierung genutzt werden, um Preise zu setzen oder einen bestimmten Produktionsumfang festzulegen. Kosten sind subjektiv und können nur in einem Marktkontext etabliert werden, indem alle Möglichkeiten angemessen abgeschätzt werden können, die aufgegeben werden, sobald man handelt. Zudem hängen Kosten auch unmittelbar mit den Erwartungen über die Zukunft zusammen. In den Worten Hayeks: „Die wettbewerblichen oder notwendigen Kosten können nicht bekannt sein, wenn es keinen Wettbewerb gibt.“269 Und dies schließt nicht nur wahren Wettbewerb zwischen Sektoren, sondern auch und besonders Wettbewerb zwischen den Firmen auf der intersektoralen Ebene ein. Kosten sind also nichts, was objektiv einer Planungsbehörde oder Managern eines sektoralen Monopols bekannt sein kann, sondern entsprechen eher subjektiven Bewertungen, die entsprechend den unternehmerischen Fähigkeiten jedes ökonomischen Akteurs, der Entscheidungen im Markt trifft, abgeschätzt werden. Außerdem schließt das Kriterium der Grenzkosten, wie Mises bereits gezeigt hat, eine zirkuläre Argumentation ein, die seine Anwendung unmöglich macht. Kosten sind nicht nur subjektive Opportunitätskosten, sondern wenn sie bewertet werden, besteht die numerische Kalkulation auch genau aus den geschätzten Preisen für Produktionsfaktoren. Preise können daher schwer aufgrund von Kosten bestimmt werden, wenn Letztere ebenfalls aus Preisen bestehen. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man die Rolle in Betracht zieht, die Kapitalabschreibungen als Komponente der Kosten spielen. Tatsächlich ist Kapital schlicht der gegenwärtige Wert einer zukünftigen Reihe von Zahlungen oder Preisen, die der Unterhaltung von Kapitalgütern entsprechen. Diese Zahlungen oder Preise müssen geschätzt werden, bevor der gegenwärtige Wert eines solchen Gutes und damit die Abschreibungsrate als Teil der Kosten geschätzt wird. Es ist also unmöglich, Preise in Form von Kosten zu bestimmen, da die Abschreibungskomponente der Letzteren zunächst eine Abschätzung zukünftiger Preise benötigt. In Hayeks eigenen Worten: „Vieles von dem, was üblicherweise als Produktionskosten bezeichnet wird, ist nicht wirklich ein Kostenelement, das unabhängig von dem Preis des Produktes gegeben ist, sondern eine Quasirente oder eine Abschreibungsquote, die auf den kapitalisierten Wert der erwarteten Quasirente zugelassen werden muss und damit abhängig von den Preisen ist, die erwartet werden.“270 Zudem betont Hayek die Unmöglichkeit, ein System auf irgendeine andere Weise als vollkommen willkürlich zu etablieren, in dem monopolisierte Sektoren die Basis des sozialistischen Modells konstituieren, das wir hier diskutieren. Würde jeder Sektor aus all den Industrien oder Pro269 F. A. 270 F. A.

Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 227. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 227.

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duktionsschritten bestehen, die ein bestimmtes endgültiges Konsumgut erzeugen? Oder würde im Gegenteil jeder Sektor alle Industrien und Firmen beinhalten, die dasselbe Zwischengut produzieren? Oder würde eine Kombination dieser Systeme benutzt werden? Zudem ist klar, dass das Konzept von Sektoren und Industrien, unabhängig von den angewendeten Kriterien, vollkommen willkürlich sein würde, weil jedes Konsumgut oder jede Dienstleistung eine unterschiedliche subjektive Bedeutung für jedes Entscheidungen treffende Individuum und jede Behörde hat. Unabhängig davon könnten solche Sektoren im Laufe der Zeit nicht unverändert bleiben. Denn unter der Annahme, dass das Kriterium gleich bleibt, würden Veränderungen in den produzierten Gütern und Dienstleistungen oder in den eingesetzten Technologien und Kapitalgütern zu ständigen Variationen in den Firmen jedes Sektors führen. Das Konzept der Industrie oder des Sektors ist daher absurd: Es kann nicht objektiv aufgestellt werden und unterschiedliche Formen annehmen. Es würde nur in einer statischen Welt Sinn ergeben, in der alle Informationen gegeben sind und nie Veränderungen eintreten.271 Im zweiten Modell, das Hayek analysiert und kritisiert, wird ein Pseudowettbewerb nicht nur auf zwischensektoraler, sondern auch auf innersektoraler Ebene, also zwischen den jeweiligen Firmen jedes Sektors, als wünschenswert angesehen. In diesem zweiten Modell erscheint die zentrale Planungsagentur als eine Art von „Superbank“, die alle Gewinne bekommt, die in jeder Firma und jedem Sektor verdient wurden und den entsprechenden Investmentfonds unter ihnen verteilt. Die Produktionsmittel gehören der Öffentlichkeit, aber die unterschiedlichen Firmen sollen „wettbewerblich“ auf individueller Ebene agieren, mit anderen Worten: Gewinne suchen und Verluste vermeiden. Hayeks kritische Bemerkungen beziehen sich auf die zweite Gruppe der Vorschläge für einen Wettbewerbssozialismus, in denen versucht wird, den Wettbewerb so weit auszuweiten, wie mit dem öffentlichen Eigentum von Produktionsmitteln in Übereinstimmung zu bringen ist, und in denen die zentrale Planungsbehörde nur einschreitet, um Gewinne abzuschöpfen und die entsprechenden Investmentfonds zu verteilen. Von gewissem Interesse sind diese Vorschläge aufgrund ihrer Implikationen als Vorgänger der modernen ökonomischen Theorie der Eigentumsrechte sowie für die Analyse der Public-Choice-Schule hinsichtlich des Verhaltens von Bürokraten und zivilen Beamten.272 Dennoch enthalten sie die wesentlichen theoretischen Argumente nicht, die Mises bereits erwähnt hatte. Selbst wenn „Wettbe271 F. A. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 231. 272 Die Verbindung mit der modernen Public-Choice-Schule ist in der folgenden Anmerkung,

die Hayek in Bezug auf das Problem mit der Bürokratie macht, offensichtlich: „Es wäre höchstens ein System des Quasiwettbewerbs, in dem die eigentlich verantwortliche Person nicht der Unternehmer, sondern der Beamte ist, der die Entscheidung des Unternehmers absegnet, wodurch konsequenter Weise alle Schwierigkeiten, die in Verbindung mit der Freiheit von Initiative und der Feststellung der Verantwortlichkeit erwachsen, die normalerweise mit Bürokratie in Verbindung gebracht werden.“ (F. A. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 237.) An dieser Stelle könnten wir alle Argumente wiederholen, die von der PublicChoice-Schule in Bezug auf die ökonomische Analyse der perversen Effekte politischen und bürokratischen Verhaltens entwickelt wurden – Argumente, die wir bereits an anderer Stelle zitiert haben (Kapitel 3, Fußnote 99).

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werb“ auf allen Ebenen erlaubt ist, so hebt Hayek hervor, wird es, solange es kein Privateigentum an Produktionsmitteln gibt, trotzdem nötig sein, ein alternatives System zu entwickeln, um zu bestätigen, dass Manager korrekt handeln. Hayek nennt und analysiert eine Reihe von möglichen Systemen, die als Alternative für das Privateigentum an Produktionsmitteln herangezogen werden könnten.273 Die vorangegangenen Erfolge oder Misserfolge von zukünftigen Managern sind als Kriterium wertlos, da nicht die Vergangenheit dieser Manager von Interesse ist, sondern ihr zukünftiges Verhalten. Überdies ist es nicht möglich, objektiv zu beurteilen, ob ein Manager unfähig handelt, wenn er scheinbar Verluste macht, da er heute auf lange Sicht gesehen richtig investieren könnte in der Erwartung, dass sich die „Verluste“ in der Zukunft in große „Gewinne“ verwandeln. Die Etablierung eines Systems von Boni oder „monetären Anreizen“ für Manager würde die gleiche Schwierigkeit nach sich ziehen: Die Verteilung der Boni würde ein vorheriges objektives unbeirrbares Wissen über die Frage voraussetzen, ob ein bestimmter Handlungsplan erfolgreich war oder gescheitert ist. Angesichts einer verstreuten und unaussprechlichen Qualität von Informationen, die in dem Prozess involviert sind, und des ungewissen Wesens aller zukünftigen Geschehnisse ist dies nicht möglich. Zudem würde ein System von „Boni“ nur exzessiv optimis­ tisches und rücksichtsloses Verhalten provozieren, wenn es nicht durch „negative Boni“ in Fällen von Verlusten ausgeglichen würde. Auf der anderen Seite könnte die Etablierung monetärer oder anderer Strafen je nach Größe der Verluste das Risiko enthalten, unternehmerisches Handeln zu konservativ zu gestalten. Hayek schlussfolgert, dass es kein alternatives System gibt, das es ermöglichen würde, in einem sozialistischen System typisches wettbewerbliches Verhalten, das sich aus dem privaten Eigentum an Produktionsgütern ableitet, zu reproduzieren oder zu simulieren.274 273 Hayek

betrachtet diese unterschiedlichen Vorschläge für Anreize oder Überwachungssysteme für den Erfolg von Managern in einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ als ein Problem von großem theoretischen Interesse, da sie „in ihrer reinen Form die Frage nach dem Grund von Privateigentum in ihrer allgemeinsten und fundamentalsten Weise stellen“ (F. A. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 219). Mit dieser Aussage scheint Hayek das wissenschaftliche Forschungsprogramm der ökonomischen Theorie der Eigentumsrechte zu erahnen. Dieses Programm hat, obwohl es durch die Defekte des neoklassischen Paradigmas vollständiger Informationen und des Gleichgewichts stark beschränkt ist, in jüngster Zeit eine erstaunliche Entwicklung erfahren. Im folgenden Kapitel werden wir unsere kritische Analyse der Vorschläge für die Etablierung eines Systems von Boni und Anreizen, die konstruiert sind, um ein sozialistisches System möglich zu machen, abschließen. 274 Siehe F. A. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 238. Nichtsdestotrotz glauben wir, dass Hayek hier übermäßig großzügig mit seinen Gegnern umgeht, und können nicht mit ihm übereinstimmen, wenn er ebenfalls betont, dass es, obwohl es „illegitim ist zu sagen, dass diese Vorschläge unmöglich in einem absoluten Sinne sind, trotzdem wahr bleibt, dass die ernsthaften Behinderungen für das Erreichen des erwünschten Zieles existieren und dass es keinen Weg zu geben scheint, diese zu umgehen“. Aus Gründen, die wir im Text erläutert haben, glauben wir im Gegenteil, dass es unmöglich ist, das Problem der Wirtschaftsrechnung in einem System zu lösen, in dem Wettbewerb so extensiv wie möglich erlaubt wird und trotzdem die Produktion von Gütern öffentliches Eigentum ist. Mit der obigen Aussage hinterlässt Hayek eventuell den Eindruck, dass solche Vorschläge nicht logisch unmöglich sind und auf kapitalistischen Märkten existieren. Das Problem ist aber nicht, entsprechend ersatzweise Anreize zu finden, sondern die Tatsache, dass es theoretisch unmöglich ist, ohne privates Eigentum das Problem der Wirtschaftsrechnung zu lösen. Denn weder erzeugen die Akteure die notwendigen

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Keine der obigen möglichen Vorschläge oder der entsprechenden Kritiken dringt zum Kern des Problems vor, das nicht nur aus dem Fehlen von Anreizen entsteht, die notwendig für das System sind, um als Marktprozess wie in einem kapitalistischen System zu funktionieren. Das Problem ist auch eines verstreuten Wissens und kann nicht aufgelöst werden, wie wir es in der Erklärung von Mises gesehen haben. Wenn die Produktionsgüter sich in öffentlichem Eigentum befinden und die Gesellschaft die entsprechenden Gewinne, Dividenden und Zinsen durch eine zentrale Planungsbehörde abschöpft, ist es deutlich, dass kein individueller Akteur dieselben Gewinne erhalten kann. Dies würde dem vorgeschlagenen Modell des Sozialismus widersprechen und die Wiedereinführung des kapitalistischen Systems und des Privateigentums der Produktionsmittel bedeuten. Wenn jeder ökonomische Akteur gewaltsam daran gehindert würde, seine eigenen Ziele zu verfolgen, würde er die großen Mengen praktischer Informationen nicht entdecken, die für die Wirtschaftsrechnung und die Koordination des sozialen Prozesses wesentlich sind. Und selbst wenn sich der ökonomische Akteur selbst betrügt und glaubt, seine Situation wäre mit der in einer kapitalistischen Gesellschaft „identisch“, und selbst wenn er glaubt, dass er sein Ziel oder seinen Gewinn verfolgt (weil er nicht beachtet, dass er den Gewinn, sobald er ihn erreicht hat, der Gemeinschaft überführen muss, oder schlichtweg aus Zufall oder irgendeinen anderen Grund), dann ist offensichtlich: Um dieses Ziel zu verfolgen und die entsprechenden Handlungen vorzunehmen, muss er sich angesichts dessen, dass er per definitionem nicht seine eigenen Ressourcen besitzt, an die zentrale Planungsbehörde wenden, welche die Gemeinschaft „repräsentiert“. Diese Planungsbehörde wird es sein, die letztlich darüber entscheidet, ob die entsprechenden Ressourcen für das Vorhaben bereitgestellt werden oder nicht. Diese Behörde wiederum verfügt, wie wir bereits wissen, nicht über das wichtige, praktische (und im Wesentlichen subjektive und stillschweigende) Wissen, das über die Köpfe der ökonomischen Akteure verstreut ist. Eine staatliche Behörde wird daher unausweichlich dazu tendieren, willkürlich anstatt auf koordinierende Weise zu agieren. Mit anderen Worten: Ohne Privateigentum an Produktionsgütern (also wenn jemand nicht frei ist, die Gewinne oder Früchte seiner eigenen Kreativität zu genießen, eine Kapitalbasis zu bilden und daraus Ressourcen für neue Handlungen zu ziehen) entsteht eine erzwungene Fehlallokation zwischen der zentralen Planungsagentur und individuellen Akteuren, die potenziell verstreutes Wissen besitzen („potenziell“, weil Wissen nicht kreativ erzeugt werden kann, wenn individuelle Akteure daran gehindert werden, die Gewinne zu erhalten, die sie verdienen). Trotz aller guten Absichten wird dieser Akteur niemals in der Lage sein, das verstreute Wissen zu erhalten, das Bürger potenziell generieren könnten, und daher keine andere Wahl haben, als willkürlich und nicht auf koordinierende Weise zu entscheiden, wem er die Ressourcen zur Verfügung stellt.

Informationen, noch hat die Zentralbehörde, die für die Verteilung der entsprechenden Ressourcen verantwortlich ist, Zugang zu den praktischen Informationen, die notwendig sind, um zu vermeiden, dies in einer vollkommen willkürlichen Weise zu tun.

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Oskar Lange und die „Wettbewerbslösung“

Schließlich können wir die Tatsache nicht übersehen, dass Lionel Robbins, als er 1934 sein Buch Die große Depression verfasste, die Möglichkeit wahrnahm, ein paar kurze kritische Anmerkungen zu den Vorschlägen für einen „Wettbewerbssozialismus“ zu machen – ein Jahr bevor Hayek über dieses Thema schrieb. Robbins zufolge ist es Managern in einem sozialistischen System nicht genug zu versuchen, Wettbewerb zu „spielen“ und untereinander zu konkurrieren, wenn sie ihre Produkte kaufen und verkaufen, als wenn sie in einem kapitalistischen System handeln würden. Er spürt, dass ein solcher Vorschlag ein zu simples Konzept eines ökonomischen Systems darstellt, als ob es ein statisches System wäre, in dem Preise und alle anderen Informationen durch die Kraft der Nachfrage der Konsumenten ipso facto in einer objektiven Art generiert würden. Im Gegenteil betont Robbins, dass in der echten Welt Geschmäcker, Technologien, Ressourcen und überhaupt alles Wissen in einem Prozess ständigen Wandels sind und daher „der Unternehmer frei sein muss, sein gesamtes Kapital aus einer Produktionslinie abzuziehen, seine Fabrik und sein Vermögen zu verkaufen und in eine andere Linie zu gehen. Er muss frei sein, die Verwaltungseinheit aufzubrechen.“275 Kurzum, man muss frei sein, das Eigentum zu verkaufen, wenn die Information, die für das Funktionieren des Markts notwendig ist, geschaffen werden soll. Dies ist unvereinbar mit dem öffentlichen Eigentum an Produktionsmitteln sowie der zentralisierten Kontrolle des ökonomischen Systems, die dies letztlich bedeutet. Wir sehen also: Zusammen mit den Argumenten gegen die rein algebraische Lösung, die wir an früherer Stelle diskutierten, macht Robbins eine Reihe von Anmerkungen über den „künstlichen Wettbewerb“, die – obwohl sehr kurz – nicht völlig falsch sind.276 Damit schließen wir unsere Analyse der ersten kritischen Kommentare, die Mises, Hayek und Robbins gegen die sogenannte „Wettbewerbslösung“ erhoben haben. Diese Bewertungen basieren auf der Tatsache, dass die verstreute Natur des Wissens die Wirtschaftsrechnung unmöglich macht, sobald Produktionsmittel nicht im Privateigentum liegen. Wir werden nun Oskar Langes Vorschlag für eine „Wettbewerbslösung“ betrachten.

6.3 Der Beitrag von Oskar Lange: einführende Betrachtungen Der Grund, warum wir den Beitrag des polnischen Ökonomen Oskar Lange sorgfältig studieren, liegt neben der Bedeutung des Autors für die Geschichte der Debatte über die sozialistische Wirtschaftsrechnung in der Notwendigkeit, die Vernünftigkeit der am weitesten verbreiteten Version der Debatte zu diskutieren, wie sie in 275 Lionel Robbins: The Great Depression. London: MacMillan, 1934, 276 Don Lavoie (Rivalry and Central Planning, S.  159, Fußnote 10)

S. 154. hebt hervor, dass Robbins in seiner kurzen Analyse paradoxerweise von seinem eigenen „robbinsianischen“ Verständnis abzuweichen scheint, in dem das ökonomische Thema das reine Maximieren ist. Obwohl Lavoie geneigt scheint zu glauben, dass Robbins in der Praxis sehr viel „österreichischer“ war, als Kirzner und andere Autoren ihn porträtieren, glauben wir persönlich, dass Robbins dynamische, österreichische Interpretation der Marktprozesse normalerweise sehr dürftig und verwirrend war. Denn er war nicht in der Lage, zwischen den beiden Interpretationen zu unterscheiden, und noch weniger, sie gegen das statische Verständnis zu schützen, das fast immer aus seiner Arbeit abgeleitet wurde.

Der Beitrag von Oskar Lange: einführende Betrachtungen

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den Textbüchern abgedruckt ist, die als Sekundärliteratur über die Debatte zirkulieren. Die meisten dieser Autoren haben es bis jetzt als gegeben hingenommen, dass Oskar Lange die theoretische Herausforderung effektiv entkräftet habe, die Mises und Hayek in Bezug auf den Sozialismus gestellt haben. Wir werden sehen, dass diese Interpretation, die ein echter Mythos der ökonomischen Wissenschaft277 geworden ist, nicht der Realität entspricht. Tatsächlich beginnt eine wachsende Anzahl von professionellen Ökonomen zu realisieren, dass der Mythos, Lange habe Mises widerlegt, vollkommen haltlos ist. Im wissenschaftlichen Leben von Oskar Ryszard Lange (1904 – 1965) können wir vier unterschiedliche Abschnitte in Bezug auf seine Konzeption des sozialistischen Systems identifizieren. Der erste Abschnitt ist durch seine Verteidigung des sozia­ listischen Modells gekennzeichnet, das insbesondere durch österreichische Marxisten im Allgemeinen und Eduard Heinemann und Karl Polanyi im Besonderen entwickelt wurde. Wir hatten bereits die Möglichkeit, deren Beiträge zu analysieren. Im zweiten Abschnitt entwickelte Lange sein „klassisches Modell“, das fest in der neoklassischen Wohlfahrtstheorie, in der Trial-and-Error-Lösung und in der Einführung eines dezentralisierten Mechanismus von „Wettbewerb“ verankert ist, um eine entsprechende Gleichgewichtsanalyse zu finden. Im dritten, unklaren Abschnitt erreichte Lange, der tief beeindruckt war von Hayeks Kritik an seinem System, die er niemals zu beantworten vermochte, in seinen Vorschlägen seinen höchsten Grad an „Liberalismus“, obwohl er sie nie explizit und zufriedenstellend mit seinem sozialistischen Ideal versöhnen konnte. Der vierte und letzte Abschnitt, der mit seinem Eintritt in die polnische kommunistische Partei begann und bis zu seinem Tod dauerte, war durch das schlichte Verlassen seiner früheren Vorschläge charakterisiert in dem Sinne, dass er dabei endete, Theorie und Praxis des stalinistischen Systems zu lobpreisen. Er nahm von seiner „Wettbewerbslösung“ (die ihn zu einem impliziten Verlassen des sozialistischen Systems geführt hätte) Abstand und schlug ein rigides stalinistisches System der zentralen Planung vor, in dem, wie er glaubte, angesichts dramatischer Fortschritte in den Computerwissenschaften keine wettbewerbliche Lösung notwenig wäre. Wir werden jede dieser Abschnitte in Detail studieren. Das Lange-Breit-Modell Oskar Langes erster Vorschlag hinsichtlich der Art, in der ein sozialistisches System funktionieren sollte, wurde 1934 zusammen mit Marek Breit in Form eines Kapitels mit dem Titel „Der Weg in die sozialistische Planwirtschaft“ geschrieben. Es ist Teil einer gemeinsamen Arbeit über Wirtschaftspolitik und Taktiken für eine sozialistische Organisation, die im gleichen Jahr in Warschau gedruckt

277 „Lange

braute sich etwas zusammen, was nur die Mythologie der Debatte um die sozialistische Wirtschaftsrechnung genannt werden kann. Eine Mythologie, die von Josef Schumpeter unterstützt und begünstigt wurde und von fast allen Ökonomen, egal welcher ideologischer Herkunft, vertreten wurde.“ (Murray Rothbard: „The End of Socialism and the Calculation Debate Revisited“, in: The Review of Austrian Economics 5, Nr. 2 [1991], S. 53.)

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Oskar Lange und die „Wettbewerbslösung“

wurde.278 Dieses Lange-Breit-Modell von 1934 ist praktisch eine Kopie des Modells der „kompetitiven“ sektoralen Monopole, das Heimann und Polanyi in den 1920er-Jahren zu entwickeln versuchten. Tatsächlich begreifen Lange und Breit die Wirtschaft als Satz von autonomen „sektoralen Kartellen“, deren Management stark durch Repräsentanten von Gewerkschaften beeinflusst sei. Die Kartelle würden in jedem Falle durch eine Zentralbank „koordiniert“ werden, die außer der Überwachung und Kontrolle ihres Funktionierens dafür sorgen würde, die Kartelle mit den notwendigen finanziellen Ressourcen zu versorgen. Jedes dieser sektoralen Monopole wäre dazu angehalten, eine rigorose Buchhaltung zu führen und Preise gemäß den Produktionskosten zu setzen. Es versteht sich von selbst, dass sich alle Produktionsmittel in öffentlichem Besitz befinden und entsprechende Gewinne oder Dividenden an die Zentralbank überführt werden müssten. Lange und Breit meinten, dass es wichtig sei, ökonomische Organisationen so weit wie möglich von politischen Autoritäten zu trennen und sicherzustellen, dass die entsprechenden Sektoren nicht als Konsumenten ausbeutende Monopole enden. Außerdem glaubten sie, dass es notwendig sei, eine gesetzliche Verpflichtung zu erlassen, die jeden Sektor dazu zwingt, jedem Arbeiter einen Job anzubieten, der ihn in irgendeinem Sektor gerne hätte. Wie wir bereits gesagt haben, stimmen die Vorschläge von Lange und Breit fast genau mit denen von Heimann und Polanyi überein, die in den 1920er-Jahren entwickelt wurden. Daher lässt sich die gesamte Kritik, die wir in den vorherigen Abschnitten studiert haben und hauptsächlich von Mises und Hayek formuliert wurde, auch auf die Vorschläge von Lange und Breit anwenden. Obwohl wir an dieser Stelle nicht alle Argumente gegen diese Art von Modell wiederholen möchten, ist ihre naive, zwiespältige Natur offensichtlich, insbesondere weil sie nicht beachtet, dass das Fehlen echten Wettbewerbs eine Wirtschaftsrechnung unmöglich werden lässt. Dasselbe gilt auch für das unüberwindbare Problem, die industriellen Sektoren für Monopole objektiv auf andere Weise als vollkommen willkürlich zu bestimmen. Zudem würde den Managern, die verantwortlich für entsprechende Sektoren wären, die unternehmerische Freiheit fehlen, um die Informationen zu entdecken und zu schaffen, die für die Wirtschaftsrechnung notwendig sind. Diese Tatsache ist besonders gravierend. Sie macht die Anweisung, zu kostendeckenden Preisen zu produzieren, vollkommen unrealistisch, weil Kosten nicht objektiv und letztlich selber Preise sind, die von der Regel außen vor gelassen werden, was unvermeidbar eine zirkuläre Argumentation bedeutet (insbesondere in Bezug auf die Unmöglichkeit, die Kostenkomponente zu errechnen, die durch die Abschreibungsrate ausgedrückt wird). Letztendlich würden der Zentralbank, die für die Versorgung von Firmen und Sektoren mit Zahlungsmitteln verantwortlich ist, wegen des unlösbaren Problems, das sich aus der verstreuten und subjektiven Natur des 278 Oskar

Lange und Marek Breit: „Droga do Socjalistycznej Gospodarki Planowej“ („Der Weg in die sozialistische Planwirtschaft“), in: Gospodarka-Polityka-Organizacya Socjalizmu („Politische Ökonomie und Taktik für eine sozialistische Organisation“), Warschau 1934. Eine zweite Auflage dieses Buches erschien in Bd. 1 der Dziela („Arbeiten“) von Oskar Lange, hrsg. von Polski Wydawnictwo Economiczne, Warschau, 1973.

Oskar Lange und sein Modell des „Marktsozialismus“

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Wissens ergibt, die notwendigen Informationen fehlen, um ihre Pflicht auf koordinierende und nicht rein willkürliche Art und Weise zu erfüllen. Kurzum zogen weder Lange noch Breit irgendeine der Kritiken in Betracht, die Mises über zehn Jahre zuvor in Bezug auf Heimanns und Polanyis Modelle „wettbewerblicher“ Monopole formulierte. Es wird deutlich, dass Lange und Breit die Arbeiten, die Mises zwischen 1920 und 1928 publizierte, nicht kannten und sich folglich nicht über die Probleme im Klaren waren, von denen ihre Vorschläge wegen ideologischer Blindheit und der Tatsache, dass sie ihnen nicht die notwendige sorgfältige Reflexion zukommen ließen, befallen war. Es ist auch möglich, dass sie Mises’ Kritiken aus ideologischen und politischen Gründen getrost verheimlich­ ten.

6.4 Oskar Lange und sein Modell des „Marktsozialismus“ Wir werden Tadeusz Kowaliks Beispiel279 folgen und uns auf den zweiten Abschnitt in Langes wissenschaftlichem Leben als den seines klassischen Modells des „Marktsozialismus“ beziehen. Dieser Abschnitt begann, als er im Oktober 1936 und Februar 1937 seinen zweiteiligen Artikel „Über die ökonomische Theorie des Sozialismus“ veröffentlicht. Der Artikel wurde 1938 nochmals in einem Buch mit demselben Titel veröffentlicht, in dem auch Fred Taylors Arbeit über den Sozialismus erschien. Benjamin Lippincott schrieb die Einleitung zu diesem Buch.280 Nachdem er ein Stipendium von der Rockefeller-Stiftung erhalten hatte, studierte Lange an der London School of Economics sowie in Chicago, Berkeley und insbesondere Harvard, wo er zwei akademische Jahre war und stark durch Schumpeter beeinflusst wurde, mit dem er ausführlichst Ideen austauschte. Zusätzlich hatte Lange die Möglichkeit, mit den sozialistischen Ökonomen und Geschwistern Alan und Paul Sweezy sowie mit Wassily Leontief zu sprechen und zu arbeiten. Ein Ergebnis dieser „intellektuellen Atmosphäre“ war die Arbeit „Über die ökonomische Theorie des Sozialismus“, in der Lange seine Überzeugung auszudrücken versuchte, dass die neoklassische Gleichgewichtstheorie und speziell die „Wohlfahrtsökonomie“ ohne Zweifel die stärkste theoretische Fundierung eines sozialistischen Systems darstelle. Basierend auf dieser Idee versuchte Lange mit seiner Arbeit auch, Mises’ Argument über die theoretische und praktische Unmöglichkeit rationaler Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System zu widerlegen. Betrachten wir nun, wie Lange seine Argumente entwickelte und ob er es schaffte, Mises erfolgreich zu widerlegen.

279 Siehe

Tadeusz Kowalik: „Oskar Ryszard Lange“, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, S. 126. 280 Teil 1 von „On the Economic Theory of Socialism“ wurde in der Review of Economic Studies 4, Nr. 1 (Oktober 1936), S. 53 – 71, veröffentlicht. Teil 2 erschien in der Review of Economic Studies 4, Nr. 2 (Februar 1937), S. 123 – 142. Beide Teile sind veröffentlicht in: On the Economic Theory of Socialism. Hrsg. und mit einer Einleitung von Benjamin M. Lippencott. Minneapolis: University of Minnesota Press, 1938 (wiederveröffentlicht: New York: McGraw Hill, 1964, S. 55 – 143).

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Oskar Lange und die „Wettbewerbslösung“

Marktpreise versus „parametrische Preise“ Langes großer Traum war es, dass es möglich wäre, den endgültigen Zustand zu simulieren, zu dem der Marktprozess und der Wettbewerb tendieren – aber ohne den kapitalistischen Markt, das bedeutet ohne Privateigentum an den Produktionsmitteln und ohne freie Ausübung der unternehmerischen Funktion. Diese Hoffnung gründete auf dem Glauben, dass es möglich wäre, eine Liste von „parametrischen Preisen“ aufzustellen, die, obwohl sie nicht in einem freien Markt bestimmt wurden, trotzdem eine rationale Wirtschaftsrechnung erlauben würden, indem sie die wichtigen Informationen inkorporiert haben und es den unterschiedlichen ökonomischen Akteuren in der Gesellschaft daher erlauben würden, auf koordinierte Weise zu handeln. Wir werden sehen, dass Langes Beitrag auf einem fehlerhaften Verständnis der Funktionsweise von Marktprozessen beruhte (genauer gesagt auf seiner vollständigen Unkenntnis eines solchen Prozesses, da Lange ausschließlich auf das neoklassische Paradigma des Gleichgewichtes, auf ökonomische Wohlfahrtstheorie und auf das Modell des „perfekten Wettbewerbes“ fokussiert). Zudem werden wir in der Lage sein zu bestätigen, dass die Prozedur, die er vorschlägt, auf keinen Fall das Problem der Koordination und auch nicht das der rationalen Wirtschaftsrechnung in einer sozialistischen Volkswirtschaft löst, so wie es Mises 15 Jahre vorher entdeckt und beschrieben hat. Unter „parametrischen“ Preisen sollten wir die verschiedenen Bedingungen verstehen, zu denen unterschiedliche Güter und Dienstleistungen angeboten werden – Bedingungen, die ein rein passives oder adaptives Verhalten bei ökonomischen Agenten auslösen. Tatsächlich versteht Oskar Lange die wesentliche Funktion der Preise als rein parametrisch. Mit anderen Worten unterscheidet jeder ökonomische Agent „für sich die gültigen Preise als gegebene Daten, an die er sich anpassen muss“.281 Parametrische Preise sind daher abstrakte „Handelsbedingungen“, die grundsätzlich durch jede Prozedur willkürlich oder nicht erreicht werden können. Zudem ist es mit parametrischen Preisen möglich, „Bücher“ zu führen, allerdings nur in der einfachsten formalen und instrumentellsten Weise. Nichtsdestotrotz garantieren parametrische Preise alleine nicht die Fähigkeit, eine „rationale“ Wirtschaftsrechnung umzusetzen, also eine, die unter Berücksichtigung der Verhaltensweisen unterschiedlicher ökonomischer Akteure als koordinierende Funktion dient. Dies wird nur möglich sein, wenn der obige Preis die Information oder das Wissen enthält, das notwendig ist, damit die koordinierende Funktion oder Wirtschaftsrechnung durchgeführt werden kann. Mises’ grundsätzliches Argument hatte nichts mit diesem „parametrischen“ Konzept von Preisen zu tun, sondern basierte stattdessen auf dem Konzept der Marktpreise, also denen, die durch die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion etabliert wurden. Ohne diese kann die Information nicht generiert werden, die notwendig ist, um das Verhalten der ökonomischen Akteure zu koordinieren und deren Wirtschaftsrechnung rational zu machen. Im Gegensatz dazu denkt Lange, 281 Oskar

Lange: On the Economic Theory of Socialism, 2. Auflage, S. 70.

Oskar Lange und sein Modell des „Marktsozialismus“

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dass Mises’ Marktpreise für eine Wirtschaftsrechnung nicht notwendig sind und Wirtschaftsrechnung nichtsdestotrotz über parametrische Preise möglich sei, die nicht in einem wettbewerblichen Markt bestimmt werden, in dem sich die Produktionsmittel in Privateigentum befinden und die unternehmerische Funktion frei ausgeübt wird. Das heißt, Lange glaubt, dass die notwendige Information vorhanden ist und diese Kalkulation das Verhalten verschiedener Akteure angemessen koordiniert. Analysieren wir nun Langes Argumente Abschnitt für Abschnitt. Langes erster Abschnitt Oskar Lange beginnt sein theoretisches Argument gegen Mises’ Idee folgendermaßen: „Professor Mises’ Behauptung, dass eine sozialistische Ökonomie das Problem der Verteilung seiner Ressourcen nicht lösen könne, basiert auf einer Konfusion in Bezug auf die Natur von Preisen. Wie Wicksteed betonte, hat der Begriff ‚Preis‘ zwei unterschiedliche Bedeutungen. Er kann zum einen Preis im gewöhnlichen Sinne bedeuten, also die Austauschbeziehung zweier Wirtschaftsgüter im Markt, oder er kann eine generalisierte Bedeutung besitzen als ‚Bedingungen, zu denen Alternativen angeboten werden‘. Wicksteed sagt: ‚Preise im engeren Sinne von »Geld, zu dem eine materielle Sache, eine Dienstleistung oder ein Vorrecht bezogen werden kann«, ist einfach ein spezieller Fall von »Preis« in weiterem Sinne des Begriffes, zu dem uns Alternativen angeboten werden.‘ Es ist nur der Preis in generalisiertem Sinne, der für das Lösen des Problems der Allokation von Gütern erforderlich ist.“282 Werfen wir einen genauen Blick auf diesen Abschnitt. Zunächst einmal informiert uns Wicksteed, dass es für die Zwecke seiner spezifischen Analyse, hauptsächlich des Gleichgewichtspunktes, hilfreich sei, den Begriff „Preis“ in einem weiten Sinne zu gebrauchen, also im Sinne eines einfachen Verhältnisses oder der Bedingung, zu der Alternativen angeboten werden. Diese Tatsache bedeutet auf keinen Fall, dass Wicksteed glaubte, derartige parametrische Preise könnten als echte Substitute für Marktpreise dienen, die weder existieren noch bekannt sind. Im Gegenteil sind wir als handelnde menschliche Wesen ständig dazu gezwungen, Entscheidungen zu treffen und unterschiedliche Alternativen zu bewerten. Gemäß Mises können wir diese Entscheidungen nicht auf rationale Weise treffen, wenn wir nicht „echte Marktpreise“ in Betracht ziehen, welche die notwendigen Informationen enthalten. Zu meinen, dass Mises in seiner Argumentation in Bezug auf die Unmöglichkeit des Sozialismus irre, weil sein Konzept von Preisen („Marktpreisen“) zu eng oder begrenzt sei, ist gleichbedeutend damit zu behaupten, dass das von Mises benannte Problem aufgrund des Fehlens eines numerischen Buchhaltungssystems schlicht das der Unmöglichkeit sei, irgendeine Art von „algebraischer Berechnung“ durchzuführen – unabhängig von dem echten Inhalt der benutzten Daten –, und nicht, wie es der Fall war, das Problem der Unmöglichkeit, eine koordinierende rationale Wirtschaftsrechnung ohne Preise zu leisten, welche die notwendigen Informationen für eine solche Rechnung enthalten. Lange erklärte, dass Mises falsch liege, 282 Oskar

Lange: On the Economic Theory of Socialism, S. 59 – 60.

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Oskar Lange und die „Wettbewerbslösung“

weil er Wirtschaftsrechnung unnötigerweise von dem Gebrauch von „Marktpreisen“ im strikten und begrenzten Sinne des Wortes abhängig mache, wenn jedes System von parametrischen Preisen einen dazu befähigt, die Wirtschaftsrechnung durchzuführen. Wie Hayek sagte, ist das derart naiv, dass es nach einem „unentschuldbaren Taschenspielertrick ausschaut, zu dem ein Denker, der nicht durch politische Einstellungen voreingenommen ist, nicht fähig sein sollte“.283 Es ist daher wesentlich zu ermitteln, ob parametrische Preise, die nicht Marktpreise sind, die notwendigen Informationen dafür enthalten können, rational zu kalkulieren und die fehlangepassten Verhaltensweisen der Akteure zu koordinieren – ein Problem, das Oskar Lange, wie wir sehen werden, nicht zufriedenstellend lösen konnte. Karen I. Vaughn betonte, dass Oskar Lange in dem fraglichen Abschnitt zeigt, dass er Wicksteeds Bedeutung in Bezug auf Preise vollkommen missverstanden hat.284 Tatsächlich ist laut Wicksteed jeder, der eine ökonomische Entscheidung treffen möchte, mit dem fundamental subjektiven Problem konfrontiert, die Opportunitätskosten zu schätzen, die in der Handlung enthalten sind, die er sich vorstellt. Wenn also zum Beispiel eine Person darüber nachdenkt, einen Kauf zu tätigen, wird sie unzweifelhaft unter anderem den Preis des fraglichen Gutes herausfinden oder das Verhältnis, in dem dieses Gut gegen Geld, mit dem am Markt bezahlt wird, getauscht werden kann. Die „Bedingungen, zu denen Alternativen angeboten werden“, die dem Akteur geboten werden, werden von ihm subjektiv bewertet und umfassen nicht nur die Handelsbedingungen, die durch den Preis angezeigt werden, sondern auch alle anderen subjektiven Faktoren, über die jeder Akteur nachdenkt, wenn er seine Entscheidung fällt – über einige mehr, über andere weniger. Daher ist es unmöglich (und wir hätten von Wicksteed, einen der prominentesten subjektivistischen Theoretiker nicht weniger erwarten können), die parametrische von der nicht parametrischen Funktion von Preisen zu unterscheiden, weil beide Aspekte untrennbar in dem Konzept von „Marktpreisen“ vereint sind und Akteure sie immer subjektiv und zusammen entscheiden.285 283 „Das

Hauptargument von Mises ist, dass die Alternativen, die uns angeboten werden, in den meisten Fällen nur durch Geldpreise von uns erkannt werden. Dieses Argument gegen ihn zu wenden, ist ein unverzeihbarer Taschenspielertrick, zu dem ein Denker, der unvoreingenommen von politischen Vorurteilen ist, nicht in der Lage sein sollte.“ (F. A. Hayek: „Two Pages of Fiction: The Impossibility of Socialist Calculation“, in: The Essence of Hayek, S. 58.) Dieser Artikel ist essenziell für unsere Kritik an Lange in diesem Abschnitt. Wir werden ihn daher sehr eng verfolgen. Zufällig schreibt Arthur Selden darüber, wie dieser Artikel entstanden ist. Er erklärt, dass Hayek ihm 1982 eine Kopie des Artikels zusammen mit einem Brief schickte, in dem er unter anderem andeutete, dass er „insbesondere empört ist über das ständige, wiederholte dumme Gerede, dass Oskar Lange Mises widerlegt hätte“. Der Artikel erschien ursprünglich in der Zeitschrift Economic Affairs (April 1982). Der provozierende Titel „The Two Pages of Fiction“ bezieht sich auf die Seiten 60 und 61 von Langes Artikel, der in dem Buch, das Lippencott herausgegeben hat und das wir hier diskutieren, wieder veröffentlicht wurde. Diese zwei Seiten wurden immer wieder (ohne weitere wissenschaftliche Diskussion) als eine Basis für den ungerechtfertigten Mythos genutzt, dass Lange Mises widerlegt habe. Siehe die „Recollections“ in Hayeks „Serfdom“ Revisted. Institute of Economic Affairs, Hobart Paperback Nr. 18, 1984, S. 26 f. 284 Siehe Philip Wicksteed: Common Sense of Political Economy. London: Routledge and Kegan Paul, 1933, S. 28. 285 Vielleicht ist es wert, hier die geschriebenen Worte von Karen I. Vaughn zu diesem Thema zu wiederholen: „Es ist aufschlussreich, dass sich Lange entschied, Wicksteeds Formulierung über die Bedeutung des Preises zu Beginn seines Artikels zu zitieren. Aufschlussreich erstens deshalb,

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Langes zweiter Abschnitt Betrachten wir nun Langes Erklärungen, wie Preise in einem „generalisierten“ Sinne (parametrische Preise) von Industriemanagern und der zentralen Planungsbehörde in einem sozialistischen System begriffen werden können und wie solche Preise zufriedenstellend monetäre Marktpreise ersetzen, die in einem kapitalistischen System existieren. In den Worten von Oskar Lange selber: „Das ökonomische Problem ist ein Problem der Wahl zwischen Alternativen. Um dieses Problem zu lösen, sind drei Daten notwendig: 1. eine Präferenzskala, welche die Wahlhandlungen anleitet; 2. Wissen über die Bedingungen, zu denen Alternativen angeboten werden; 3. Wissen über die Anzahl der vorhandenen Ressourcen. Sind diese drei Daten gegeben, ist das Problem der Wahl lösbar.“286 Die erste Beobachtung, die wir machen sollten, ist die, dass Langes letzter Satz einen offensichtlichen Pleonasmus darstellt. Wie jede halbwegs gebildete Person weiß, leitet sich das englische Wort „Data“ von dem lateinischen „datum – data“ ab, das sich genau auf solches Wissen bezieht, das „gegeben“ ist. „Gegeben“ ist das Partizip des Verbs „geben“. Lange behauptet also in seinem letzten Satz buchstäblich, dass das Problem der Wirtschaftsrechnung lösbar sei, wenn die gegebene Information gegeben ist. Hayek stellt fest, dass unwissenschaftliche Ausdrücke (wie „gegebene Daten“) oder „semantische Redundanzen“ (um Don Lavoies höflichere Terminologie zu benutzen) dieser Art in Langes Arbeiten ständig vorkommen. Im Allgemeinen sind solche Sätze unwiderstehlich attraktiv und werden von matheweil es Langes vollständiges Unverständnis über das, was Wicksteed eigentlich versuchte zu zeigen, offenbart. In Common Sence of Political Economy (London: Routledge and Kegan Paul, 1933) beschreibt Wicksteed die subjektive Natur der Opportunitätskosten, denen jeder gegen­ übersteht, der versucht, eine rationale ökonomische Entscheidung zu treffen. Das bedeutet, wenn einer überlegt, einen Kauf zu tätigen, repräsentiert der Preis den Austauschwert am Markt. Aber die Bedingungen, zu denen Alternativen angeboten werden, beinhalten nicht nur den Marktpreis, sondern alle subjektiven Elemente, die in der Wahl berücksichtigt werden müssten, also der subjektive Wert aller aufgegebenen Alternativen (Seite 28). Dies hat offensichtlich nichts mit der Unterscheidung zu tun, die Lange zwischen Marktpreisen und zentral geplanten Preisen zu machen versuchte. Der Preis, den Langes Planungsbehörde festsetzen würde – weit davon entfernt, einen umfassenden Preis darzustellen –, würde in der gleichen Art in die subjektiven Berechnungen des Individuums einfließen wie Marktpreise. Individuen würden also trotzdem die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten noch persönlich evaluieren müssen, also die Bedingungen, zu denen die Alternativen angeboten werden, aber der verwaltete Preis würde den Marktpreis ersetzen. Das wirkliche Problem also, wie die gesetzgeberischen Preise tatsächliche relative Knappheiten von Gütern repräsentieren, die zum Tausch zur Verfügung stehen, kann nicht mit einer beeindruckenden Verschwörung vertrieben werden. Lange muss noch zeigen, dass der Tâtonnement, den er vorschreibt, dazu taugt, relative Knappheit zu messen und Marktaustausch zu ermöglichen. Dies hat er nicht geschafft.“ (Karen I. Vaughns „Introduction“ zu Trygve J. B. Hoffs Buch Economic Calculation in the Socialist Society, xxii – xxiii.) Vielleicht der größte Fehler in der ansonsten brillanten Einleitung von Vaughn ist, dass sie vollkommen vergisst, die Beiträge von Mises zu erwähnen, die er 1949 in seinem Buch Human Action macht, das sie an anderer Stelle sogar unfairerweise unterbewertet, wenn sie behauptet: „Mises’ sogenannte endgültige Widerlegung in Human Action ist überwiegend polemisch und beschönigt die realen Probleme …“ (siehe: „Critical Discussion of the Four Papers“, in: The Economics of Ludwig von Mises: A Critical Reappraisal. Kansas City: Sheed and Ward, 1976, S. 107). Schließlich siehe auch: Karen I. Vaughn: „Economic Calculation under Socialism: The Austrian Contribution“, in: Economic Inquiry 18 (Oktober 1980). S. 535 – 554, wiederveröffentlicht in: Austrian Economics. Hrsg. von Stephen Littlechild. London: Edward Elgar, 1990, S. 332 – 351. 286 Oskar Lange: On the Economic Theory of Socialism, S. 60.

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Oskar Lange und die „Wettbewerbslösung“

matischen Ökonomen häufig genutzt, insbesondere von denen, die ihre Wissenschaft in Begriffen des Gleichgewichts innerhalb des neoklassisch-walrasianischen Paradigmas einrahmen. Denn diese Ausdrücke erleichtern ihr Gewissen, indem sie ihnen versichern, dass sie etwas wüssten, das sie in Wirklichkeit gar nicht wissen und auch niemals werden wissen können.287 In der Tat bildet der obige Pleonasmus die eigentliche Basis für den gesamten Inhalt von Langes hochgelobter „Widerlegung“ von Mises’ Argument in Bezug auf die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung in einer sozialistischen Volkswirtschaft. Tatsächlich ist für Mises das wesentliche ökonomische Problem, wie man ohne Markt, Marktpreise und die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion die notwendigen Informationen erhalten kann. Wenn wir aber ab initio annehmen, dass diese Informationen „gegeben“ sind, dann existiert logischerweise kein Problem der Wirtschaftsrechnung, da wir von der Annahme ausgehen, dass es bereits gelöst wurde. Was uns Lange also eigentlich im letzten Satz des diskutierten Abschnitts erzählt, ist dies: „Wenn wir annehmen, dass das Problem der Wirtschaftsrechnung von Anfang an gelöst ist, dann ist das Problem der Wirtschaftsrechnung gelöst.“ Im ersten Satz des nächsten Abschnitts reitet Lange auf dem oben genannten Pleo­ nasmus herum, wenn er schreibt: „Es ist offensichtlich, dass eine sozialistische Wirtschaft die Daten unter 1. und 3. als gegeben ansieht, zumindest in dem gleichen Ausmaß, wie sie in einer Marktwirtschaft gegeben sind.“288 Wir mögen uns vielleicht fragen: Wie? Im Gegensatz zu dem, was Lange ohne jedes Argument behauptet, ist es ganz und gar nicht offensichtlich, dass Informationen (nicht einmal Informationen unter 1. und 3.) in einer sozialistischen Ökonomie auf gleiche Art als „gegeben“ angenommen werden können (oder „gewusst“ werden können, da wir annehmen, dass das die Bedeutung ist, die Lange dem Wort „gegeben“ zuordnet), wie sie in einer Marktwirtschaft „gegeben“ sind oder besser gesagt „gesehen“ oder „entdeckt“ oder „kreiert“ werden. Das Hauptthema ist Folgendes: Von wem, durch wen und wie wird diese Information erhalten? Wie wir in Kapitel 2 im Detail gezeigt haben, ist diese Information in einer Marktwirtschaft alles andere als „gegeben“. Ganz im Gegenteil: Sie wird ständig kreiert, geschaffen und entdeckt von vielen Tausenden ökonomischen Akteuren, die interaktiv ihre unternehmerische Funktion im Kontext des Marktes ausüben, einschließlich der Eigentumsrechte an Produktionsmitteln. Es ist nicht möglich, von Anfang an anzunehmen, wie es Lange tut, dass dieser Prozess, durch den die neue Information ständig kreiert und entdeckt wird, in einem sozialistischen System repliziert werden kann, in dem per definitionem die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion verboten ist und Privateigentum abgeschafft wurde. Mehr noch: Wenn unter solchen Umständen die Akteure selber nicht einmal die Informationen kreieren und entdecken können, dann können wir schwerlich erwarten, dass eine hypothetische zentrale Planungsbehörde in der Lage ist, sie zu erhalten. Informationen können nicht als auf zentraler Ebene „gegeben“ angesehen werden – nicht nur, 287 The Essence of Hayek, S. 54. 288 Oskar Lange: On the Economic

Theory of Socialism, S. 61.

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weil sie von subjektiver, praktischer, verstreuter und unaussprechlicher Natur sind, sondern auch, weil sie nicht einmal auf der Ebene individueller ökonomischer Akteure generiert werden, wenn diese Akteure nicht in der Lage sind, ihre unternehmerische Funktion frei auszuüben. Wir entwickeln dieses Schlüsselargument hier nicht weiter, da wir es in diesem Buch bereits wiederholt im Detail aus diversen Perspektiven erklärt haben. Langes dritter Abschnitt Lange führt seine Argumentation wie folgt fort: „Die Daten unter 1. sind entweder durch die Nachfragepläne der Individuen gegeben oder sie werden durch die Autoritäten, die das ökonomische System steuern, etabliert. Die Frage bleibt, ob die Daten unter 2. für die Administratoren einer sozialistischen Volkswirtschaft erreichbar sind. Prof. Mises verneint dies. Eine sorgfältige Studie der Preistheorie und der Produktionstheorie überzeugt uns, dass die ‚Bedingungen, unter denen Alternativen angeboten werden‘, letztendlich durch technische Möglichkeiten der Transformation eines Gutes in ein anderes vorherbestimmt sind, etwa durch Produktionsfunktionen, wenn die Daten unter 1. und 3. gegeben sind.“289 Das eigentlich Erstaunlichste in diesem Abschnitt ist die Bezugnahme (die wir in Anführungsstriche gesetzt haben) auf „Preistheorie“ und „Produktionstheorie“, deren „sorgfältige“ Untersuchung Lange dazu führt zu behaupten, dass kein Problem der Wirtschaftsrechnung existiere, wenn die notwendigen Informationen (diejenige unter 1. und 3.) gegeben sind, weil die Bedingungen, unter denen unterschiedliche Alternativen ausgetauscht oder angeboten werden, durch die technischen Möglichkeiten der Transformation in den korrespondierenden Produktionsfunktionen enthalten sind. Die Tatsache, dass Lange seine Behauptung ausdrücklich auf der neoklassisch-walrasianischen „Preistheorie“ und „Produktionstheorie“ aufbaut, legt nicht nur den „wissenschaftlichen Imperialismus“ des Paradigmas offen (das eine andere Preistheorie übersieht, die nicht auf der absurden Annahme beruht, dass alle Informationen von Anfang an notwendigerweise gegeben sind). Sie zeigt auch die enorme Unzulänglichkeit und Gefahr, von der die Methodologie befallen ist, die in einem exzessiven Gebrauch von Mathematik, in der Gleichgewichtsanalyse sowie in der Annahme wurzelt, dass das grundsätzliche ökonomische Problem einzig eines der Maximierung bekannter Funktionen unter bekannten Einschränkungen ist. Die „ökonomische Gleichgewichtstheorie“ ist nicht nur ein irrelevantes intellektuelles Spiel, wie Mises zeigt. Sie korrumpiert auch (und das ist sehr viel ernster) die brillantesten wissenschaftlichen Köpfe dadurch, dass sie diese zwingt, von unrealistischen Annahmen auszugehen, die sie zwangsläufig zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen – und dies alles auf eine Weise, die außer bei den klügsten und profundesten Theoretikern mehr oder weniger unbemerkt vonstattengeht. Die ökonomische Gleichgewichtstheorie und das neoklassisch-walrasianische Modell sind das „Opium des Wirtschaftswissenschaftlers“ und trennen ihn von der Realität, die er studieren sollte. Sie flößen ihm vollkommene Selbstzufriedenheit ein und im289 Oskar

Lange: On the Economic Theory of Socialism, S. 60 – 61.

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munisieren ihn gegen die meisten Möglichkeiten, seine Fehler zu entdecken. Lange versuchte zu zeigen, dass die ökonomische Wohlfahrtstheorie, entwickelt innerhalb des neoklassisch-walrasianischen Paradigmas, die wichtigste theoretische Fundierung für das sozialistische System sei. Die meisten Gleichgewichtstheoretiker stimmten zu, dass dieses analytische Modell sowohl in einem kapitalistischen als auch in einem sozialistischen System angewendet werden und als Grundlage dafür dienen kann, die Möglichkeit einer Wirtschaftsrechnung im Sozialismus zu rechtfertigen. Diese Tatsache raubt der Mehrheit der neoklassischen Preistheorie unserer Meinung nach jede wissenschaftliche Glaubwürdigkeit. Eine der wichtigsten Thesen dieses Buches ist: Die theoretisch-kritische Analyse des Sozialismus, die es beinhaltet und die in den aktuellen, historisch signifikanten Vorkommnissen in den Ländern des früheren Ostblocks zum Ausdruck kommt, impliziert in theoretischer wie in praktischer Hinsicht den Kollaps und den vollständigen Verlust des Prestiges sowohl des Sozialismus als eines ökonomischen und gesellschaftlichen Systems als auch der neoklassischen ökonomischen Theorie als eines ernsthaften, betrachtenswerten wissenschaftlichen Paradigmas. Außerdem ist es nicht überraschend, dass Lange und die meisten Autoren der neoklassischen Ökonomie nicht verstehen, wie Mises bestätigen kann, dass in einer sozialistischen Volkswirtschaft die Wirtschaftsrechnung „theoretisch unmöglich“ ist. Dies ist so, weil für die genannten Autoren „Theorie“ schlichtweg deren eigene Theorie bedeutet und sie, wie wir gesehen haben, auf Annahmen aufbauen, die von Anfang an die Notwendigkeit irgendeiner Wirtschaftsrechnung ausschließen. Daher ist sozialistische Wirtschaftsrechnung von einer neoklassischen Perspektive aus immer – per definitionem – theoretisch möglich. Diese Autoren können keine andere Theorie verstehen als diejenige, die sie selber auf den Konzepten von Gleichgewicht und Maximierung errichtet haben. Genauer gesagt übersehen sie das Paradigma völlig, das durch österreichische Ökonomen im Allgemeinen und Mises sowie Hayek im Besonderen entwickelt wurde – ein Paradigma, das von Anfang an auf dem theoretischen Studium realer Institutionen basiert, die in einer Gesellschaft und im Marktprozess mit der Kraft der unternehmerischen Funktion­entstehen. Im österreichischen Paradigma werden Informationen niemals als „gegeben“ angenommen, da sie ständig innerhalb eines institutionellen Kontexts gene­riert werden, der die Koordination der fehlangepassten Verhaltensweisen der Menschen erlaubt.290 290 Neoklassische

Theoretiker verstehen nicht, dass Wirtschaftsrechnung die Existenz gewisser historisch abhängiger Institutionen voraussetzt (wie Geld, Märkte und freier Austausch) – historische Kategorien, die „spezielle Merkmale eines bestimmten Zustandes der ökonomischen Organisation einer Gesellschaft, die in primitiven Zivilisationen nicht existierte und möglicherweise im zukünftigen Verlauf der Geschichte verschwinden könnte“ (Human Action, S. 201, Haupttext und Fußnote 1, in der Mises anfügt, dass „die Deutsche Historische Schule dies ausdrückte, indem sie behauptete, dass Privateigentum an den Produktionsmitteln Marktaustausch und Geld historische Kategorien sind“). Es ist daher nun vollkommen klar, dass die Ideen von Mises keinen spektakulären Widerspruch enthalten, wie ihn Lange unterstellt, da Lange ihn als einen „Institutionalisten“ sieht, der zur gleichen Zeit die universelle Geltung ökonomischer Theorie verteidigt. Lange kann nicht verstehen, warum die Österreichische Schule seit der Zeit, in der Karl Menger sie gründete, sein wissenschaftliches Forschungsprogramm auf die theoretische (generelle, abstrakte und historisch unabhängige) Analyse der Institutionen (Verhaltensmuster wie etwa Geld,

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In Bezug darauf hat Don Lavoie hervorgehoben, dass neoklassische Theoretiker in ihren Marktmodellen annehmen, dass alle wichtigen Informationen für den teilnehmenden ökonomischen Akteur verfügbar sind und der Markt unter bestimmten statischen Bedingungen ein gewisses Gleichgewicht erreicht. Deshalb enden diese Theoretiker zwangsläufig und fast ohne es zu realisieren dabei, die kleineren Schritte zu nehmen, um gleiche Annahmen zu machen wie ein sozialistisches Modell, und kommen daher zu der parallelen Schlussfolgerung, dass in einem sozialistischen System ein gewisses Gleichgewicht erreichbar sei.291 Kirzner ergänzt, dass Lange die wahre Herausforderung nicht erkannte, vor die Mises den Sozialismus stellte, weil Langes Wissen über die Ökonomie im Allgemeinen auf die neoklassische Preistheorie und im Besonderen auf das Modell des „perfekten Wettbewerbes“ begrenzt war. Dieses Modell, das selbst heute noch die meisten einführenden Textbücher als eines der wichtigsten Modelle für das „Verstehen“ des realen ökonomischen Systems porträtieren, beseitigt vollkommen die Rolle der unternehmerischen Funktion, welche die Volkswirtschaft koordiniert , in der Entdeckung und Nutzung von Gewinnmöglichkeiten in einem dynamischen Prozess ständigen Wandels. Mises’ Argument beruht auf einem Konzept von Unternehmertum, das weit vom neoklassischen Paradigma entfernt ist. Deshalb ist es nicht überraschend, dass Lange, der die notwendigen analytischen Werkzeuge nicht zur Verfügung hatte, am Ende glaubte, dass sich der Markt genau wie im Lehrbuch verhalte und es daher möglich sei, das Gleichgewichtsmodell in einer sozialistischen Volkswirtschaft so elegant zu simulieren, wie es in den Lehrbüchern präsentiert wird.292 der Markt oder Gesetze) und Prozesse, die sich in der Gesellschaft entwickeln, konzentrierte. Tatsächlich widmete Menger seine Grundsätze Roscher, da er glaubte, dass dessen subjektivistischer Beitrag und dessen Arbeit über die evolutionäre Entstehung von Institutionen die notwendige theoretische Grundlage für die historische Schule (Savigny, Burke) bot, die dem cartesianischen Rationalismus entgegengesetzt ist, der sich über das gesamte wissenschaftliche Denken ausbreitete. Die theoretische Brille des neoklassischen Paradigmas ist so schlecht angepasst, dass sie Lange daran hindert, selbst die offensichtlichsten Umstände seiner wissenschaftlichen Umgebung, in der er lebt, zu differenzieren, sodass er sie nur in einem gestörten Schwarz-Weiß wahrnimmt. Siehe die Fußnote auf Seite 6 von On the Economic Theory of Socialism. Es ist ebenfalls interessant zu sehen, dass Richard N. Langlois’ Buch Economics as a Process (New York: Cambridge University Press, 1986), das einen deutlichen „österreichischen“ Einfluss zeigt und untertitelt ist mit „Essays in the New Institutional Economics“, wie die Werke von Mises offen ein Buch über ökonomische (und damit nicht institutionalistische oder historistische) Theorie der Institutionen darstellt. Unabhängig von Lange ist die ökonomische Theorie sozialer Prozesse und Institutionen eine Sache und der „Institutionalismus“ eine ganz andere. Von ebenfalls großem Interesse ist: Peter J. Boettke: „Evolution and Economics: Austrians as Institutionalists“, in: Research in the History of Economic Thought and Methodology Nr. 6 (1988). Schließlich wollen wir an Fußnote 198 aus Kapitel 5 erinnern, insbesondere an Mark Blaugs kritische Anmerkungen über das neoklassisch-walrasianische Paradigma und seine Umkehr hin zur Österreichischen Schule. 291 „Für die neoklassischen Teilnehmer in der Debatte wird relevantes Wissen als gegeben für die Marktteilnehmer vorausgesetzt, und die hauptsächliche analytische Schlussfolgerung ist, dass unter bestimmten statischen Annahmen das kapitalistische Gleichgewicht vorherbestimmt ist. Es ist ein kleiner Schritt von dieser Analyse zu der Übernahme von ähnlichen Annahmen, wodurch man schließlich bei gleichen Schlussfolgerungen für den Sozialismus landet.“ (Don Lavoie: Rivalry and Central Planning, S. 115.) 292 In Kirzners eigenen Worten: „Dass Lange diese nicht parametrische Funktion von Preisen nicht verstanden hat, liegt sicherlich an dem Verständnis des Marktsystems als perfektes Wettbewerbsgleichgewicht. (Es ist tatsächlich dieser Lehrbuch-Ansatz zur Preistheorie, den Lange ausdrücklich in seinem Modell für sozialistische Preise verwendet.) Innerhalb dieses Paradigmas, das heute

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Obwohl Lange kein Problem darin sieht, Informationen der Typen  1 und 3 zu sammeln, ist es, wie wir bereits gesehen haben, theoretisch unmöglich, dies in Abwesenheit der freien unternehmerischen Funktion zu tun, weil in diesem Fall die entsprechenden Informationen nicht geschaffen oder entdeckt werden (und ihre stillschweigende subjektive Natur die Übertragung auf eine zentrale Behörde nicht erlauben). Es ist die Information unter Punkt 2, also das Wissen über die Handelsbedingungen und Produktionsfunktionen, die nach Langes Meinung ein Problem darzustellen scheint. Trotzdem stellt er direkt fest, dass dieses Problem „sehr einfach gelöst“ werden kann, solange die Informationen unter 1 und 3 gegeben sind (was, wir wiederholen dies, unmöglich ist). Auf eine „außergewöhnliche“ Weise „löst“ Lange das Problem handstreichartig und ohne jeden Beweis oder jede Rechtfertigung, dass „der Administrator einer sozialistischen Volkswirtschaft genau das gleiche Wissen oder Nichtwissen von Produktionsfunktionen hat wie ein kapitalistischer Unternehmer“.293 Die Krux von Langes gesamter „Widerlegung“ von Mises liegt in dieser dogmatischen (ohne jede theoretische oder empirische Rechtfertigung) Behauptung. Wie wir wissen, zeigt Mises’ Argumentation, dass die Information, die durch die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion generiert werden, in einem System ohne unternehmerische Funktion nicht reproduziert werden können und es daher für den „Administrator einer sozialistischen Volkswirtschaft“ theoretisch unmöglich ist, „genau“ das gleiche Wissen zu besitzen, das einem Unternehmer in einer kapitalistischen Wirtschaft zur Verfügung steht. Wir wissen, dass Informationen subjektiv und dynamisch sind und ständig geschaffen werden, indem diejenigen, die frei sind, Gewinnmöglichkeiten zu erkennen, durch die unternehmerische Funktion dazu kommen, Möglichkeiten zu nutzen. Da die unternehmerische Funktion per definitionem ausgeschaltet ist, wenn das Privateigentum an Produktionsmitteln verboten ist und im Ergebnis Individuen die Möglichkeit verlieren, frei ihre Ziele zu erkennen und zu verfolgen, hören solche Ziele auf, als Anreize zu dienen. Und die Informationen, die wichtig sind, um diese Ziele zu erreichen, werden nicht geschaffen. Das bedeutet per definitionem, dass man, sobald die freie unternehmerische Funktion nicht existiert, niemals annehmen kann, dass die Information vorhanden ist, die nur aus dem Prozess des Unternehmertums entstehen wird. Es ist daher nicht überraschend, dass Hayek 1982 das folgende Statement in Bezug auf Langes verblüffende Behauptung abgegeben hat: „Diese dreiste Behauptung ist allgemein anerkannt ist, wird die Rolle der unternehmerischen Funktion als Suche nach dem reinen Gewinn – Schlüsselelement für Preisanpassungen – vollkommen ignoriert. Es ist nicht schwierig zu sehen, wie Lange schlussfolgern konnte, dass ein solches (nicht unternehmerisches) System im Sozialismus simuliert werden könnte.“ (Discovery and the Capitalist Process, S. 128 f.) Zu der ökonomischen Theorie der Marktprozesse, die auf dem Konzept der unternehmerischen Funktion aufbaut (und vollkommen unbezogen auf bzw. insbesondere kritisch gegenüber dem neoklassisch-walrasianischen Paradigma steht), siehe nicht nur die Arbeiten von Mises und Hayek, die in diesem Buch zitiert werden, sondern insbesondere auch alle Werke von Kirzner und im Allgemeinen alle anderen österreichischen Theoretiker. Für eine Kritik an dem Konzept des Gleichgewichts in ökonomischer Analyse, geschrieben von einem anerkannten Ökonomen aus dem ehemaligen Ostblock, siehe János Kornais interessantes Buch: Anti-Equilibrium: On Economic Systems Theory and the Task of Research. Amsterdam: North Holland, 1971. 293 On the Economic Theory of Socialism, S. 61.

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entscheidend für Langes Widerlegung von Mises’ Argument, aber er bietet keine Evidenz oder Rechtfertigung dafür an, selbst in der begrenzten Form bezogen auf Produktionsfunktionen nicht. Trotzdem wurde sie von Langes Schülern zu der sogar noch fantastischeren Behauptung ausgeweitet, eine zentrale Planungsbehörde werde genau die gleichen Informationen aus einer sozialistischen Volkswirtschaft beziehen wie Unternehmer in einem Marktsystem (Robert L. Heilbroner: Between Capitalism and Socialism, New York 1980, S.  88). Ich fürchte, dies ist eine offensichtliche Unwahrheit, eine Behauptung, die so absurd ist, dass es schwierig zu verstehen ist, wie eine intelligente Person sie ehrlicherweise jemals aufstellen könnte. Sie behauptet eine schiere Unmöglichkeit, die nur ein Wunder realisieren könnte.“294 Zudem müssen wir im Kopf behalten, dass sogenannte „Produktionsfunktionen“ nicht in der Realität existieren. Im realen Leben gibt es einen Fluss von neuen, ständig geschaffenen Informationen in Bezug auf die unterschiedlichen Möglichkeiten, produktive Faktoren zu kombinieren, um bestimmte Güter und Dienstleistungen zu erhalten. Die ökonomischen Akteure, die an der Produktion beteiligt sind, entdecken diese Informationen Schritt für Schritt, indem sie die unternehmerische Funktion ausüben und unterschiedliche Ideen testen. Diese Akteure erkennen ständig, was sie für neue Gewinnmöglichkeiten halten; dies beinhaltet nicht nur die Abwandlung von Gütern und Dienstleistungen (sowohl in Bezug auf die Art, wie sie präsentiert und definiert sind, als auch in Bezug auf Preis und Qualität), sondern auch kommerzielle und technologische Innovationen. Das Gleiche geschieht in sogar noch höherem Maße an Komplexität im Falle von Produktionsmitteln, die durch eine kontinuierliche Entdeckung geringfügiger, vorher unbemerkter Veränderungen große Gewinne erzielen. Wir können kaum annehmen, dass es bestimmte hypothetische „Produktionsfunktionen“ gibt, wenn die Informationen nicht existieren, die notwendig sind, um sie zu definieren. Das bedeutet, die in den Produktionsprozess eingebundenen wirklichen ökonomischen Akteure besitzt die Informationen nicht (und auch keine Planungsbehörde und noch weniger Experten oder Ökonomen, unabhängig davon, wie spezialisiert sie auf Produktionstheorie sind), bis sie die Informationen Stück für Stück in einem stillschweigenden, subjektiven und verstreuten Prozess kreieren. Das Problem der Produktion ist kein technisches Problem von Funktionen, das objektiv gelöst wer294 F. A.

Hayek: „Two Pages of Fiction. The Impossibility of Socialist Calculation“, in: The Essence of Hayek, S. 55 f. Der Bezug auf Heilbroner war notwendig, da dieser sozusagen eine größere logische Unmöglichkeit beansprucht, wenn er annimmt, dass die Informationen nicht nur für Firmenmanager verfügbar sind, wie es Lange behauptet, sondern auch der zentralen Planungsbehörde. Zu der Unmöglichkeit, dass Manager, die keine Unternehmer sind, unternehmerische Informationen generieren könnten, fügt er das noch größere Problem der Übermittlung und des zentralisierten Verständnisses einer unendlichen Menge subjektiver, stillschweigender, unaussprechlicher und verstreuter Informationen, die sich ständig ändern, hinzu. Erinnern wir für eine teilweise Verteidigung von Heilbroner an seinen Widerruf und seine Anerkennung des kapitalistischen Triumphes über den Sozialismus (siehe Fußnote 253 in diesem Kapitel), obwohl wir immer noch nicht wissen, ob Heilbroner diesen Triumph als ein nicht erwartetes empirisches Vorkommnis ansieht, für das es keine theoretische Erklärung gibt, oder im Gegenteil begann, die gravierenden Fehler zu spüren, die er während seines gesamten intellektuellen Lebens beging.

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den kann. Es ist im Gegenteil ein rein unternehmerisches, menschliches Problem: Im Kontext unterschiedlicher Handlungen versuchen Unternehmer ständig unterschiedlichste Kombinationen und Alternativen, die im Rahmen einer Marktwirtschaft – zusammen mit den erwarteten Marktpreisen – eine enorme Vielfalt von subjektiven Informationen erzeugen. Diese beeinflussen wiederum den Akteur und eröffnen ihm ständig neue Möglichkeiten, subjektive (d. h monetäre) Gewinne zu erzielen, die er als erstrebenswert ansieht. Es ist daher klar, dass Lange die grundsätzlichen Unterschiede zwischen radikal unterschiedlichen Typen von Wissen – „wissenschaftliches“ und „praktisches“ Wissen – nicht erkennt. Tatsächlich scheint er das „praktische“ Wissen, das der ökonomische Akteur, der in einer Gesellschaft handelt, täglich generiert und in verstreuter Form besitzt, mit dem „wissenschaftlichen“ Wissen zu verwechseln, von dem Ökonomen glauben, dass es ihnen erlaube, über gesellschaftliche Prozesse zu theoretisieren. So kommt er naiv zu der Schlussfolgerung, dass sowohl Wissenschaftler als auch die Planungsbehörde „praktisches Wissen“ im echten Leben einfach erhalten können. Nichtsdestotrotz unterscheiden sich diese beiden Typen von Wissen („praktisches“ und „wissenschaftliches“) in ihrer Natur stark. Selbst wenn „wissenschaftliches Wissen“ in eine Theorie über „praktisches Wissen“ umgewandelt wird, so wie es in der ökonomischen Wissenschaft geschieht, ist diese Theorie höchstens eine formale in Bezug auf die Prozesse, durch die Wissen geschaffen und übermittelt wird. Des Weiteren muss eine Theorie immer auf der Idee beruhen, dass das Theoretisieren von „praktischem Wissen“ einem außenstehenden Beob­ achter auf keinen Fall erlaubt, die theoretische Unmöglichkeit zu beseitigen, den spezifischen Inhalt zu erhalten, egal ob dieser Beobachter ein Wissenschaftler oder eine Planungsbehörde ist. Genau aus diesem Grund (dass die Theoretiker unmöglich den „materiellen“ Inhalt des „praktischen Wissens“ erhalten können, über den sie theoretisieren, sowie das Versagen, zwischen „praktischem Wissen“ und „wissenschaftlichem Wissen“ zu unterscheiden) ist die Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System unmöglich und das meiste der „ökonomischen Theorie“, das bis hier innerhalb des neoklassischen Paradigmas formuliert wurde, irrelevant. Langes vierter Abschnitt Lange erweitert diese Konfusion zwischen den zwei Typen von Wissen auf die zwei Konzepte von Preisen, die bei ihnen angewandt werden. Im Bereich des „praktischen Wissens“ liegen die Marktpreise, die viel von dem Wissen beinhalten und ständig durch die Kraft der unternehmerischen Funktion geschaffen und verändert werden. Innerhalb des Bereiches des „wissenschaftlichen Wissens“ (aber nur in dem begrenzten, engen wissenschaftlichen Konzept des Gleichgewichts) könnten wir die „parametrischen Preise“ platzieren, die – vorausgesetzt, dass alle relevanten Informationen gegeben sind – die Bedingungen reflektieren, zu denen Alternativen angeboten werden, und an die jeder Akteur sein Verhalten passiv anpassen muss. Langes großer Fehler rührt aus dem Glauben, dass parametrische Preise die Informationen beinhalten können, die in Marktpreisen enthalten sind. Lange hat die unglaubliche Dreistigkeit zu behaupten, dass Mises den Fehler begehe, dessen

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er sich selber schuldig macht, wenn er behauptet: „Prof. Mises scheint Preise im engeren Sinne, also das Austauschverhältnis von Gütern im Markt, mit Preisen im weiteren Sinne, also Bedingungen, zu denen Alternativen offeriert werden, verwechselt zu haben. Da in Konsequenz des öffentlichen Eigentums von Produktionsmitteln in einer sozialistischen Wirtschaft kein Markt für den Austausch von Kapitalgütern besteht, gibt es offensichtlich auch keine Preise für Kapitalgüter im Sinne eines Austauschverhältnisses auf dem Markt. Und Prof. Mises argumentiert daher, dass es keinen Index von Alternativen in dem Bereich der Kapitalgüter gibt. Diese Verwechslung basiert auf der Verwechslung von Preisen im engeren Sinne mit Preisen im weiteren Sinne eines Indexes für Alternativen. Nur im letzteren Sinne sind Preise unentbehrlich für die Allokation von Ressourcen und auf der Basis technischer Möglichkeiten der Transformation eines Gutes in ein anderes sind sie in einer sozialistischen Wirtschaft ebenfalls gegeben.“295 Langes Verwechslung ist offensichtlich, da er glaubt, dass parametrische Preise in einer sozialistischen Volkswirtschaft (aufgrund der entsprechenden technischen Möglichkeiten der Transformation, also „bekannten“ Produktionsfunktion) Informationen enthalten würden, die identisch zu denen sind, die in einer Marktwirtschaft entstehen würden. Mit anderen Worten verwechselt Lange parametrische Preise mit Marktpreisen. Mit seiner üblichen Scharfsinnigkeit hat Israel M. Kirzner diesen Punkt erweitert und Aufmerksamkeit auf Langes Kardinalfehler gelenkt: seine Annahme, dass Märkte zu einem Gleichgewicht tendieren durch einen Prozess, in dem Preise eine unveränderte, parametrische Funktion ausüben, sodass während des gesamten Prozesses alle ökonomischen Akteure Marktpreise als „gegeben“ ansehen, sich passiv daran anpassen und keine Chance haben, sie zu ändern. Daher irrt sich Lange in seinem interpretativen Modell des Marktes leider, weil in realen Märkten nicht die parametrische Funktion des Preises die Schlüsselrolle spielt, sondern die nicht parametrische Funktion. Diese ist daran zu erkennen, dass Unternehmer ständig Ungleichheit in Preisen entdecken und handeln, um entsprechende Gewinnmöglichkeiten durch Kaufen und Verkaufen auszunutzen, und dabei ständig diese Preise ex novo modifizieren und schaffen.296 Marktpreise sind daher nicht parametrisch in dem Sinne, dass sie Informationen über existierende Ungleichheiten anbieten, einen Anreiz dafür schaffen, zu kaufen oder zu verkaufen, und letztlich sich ständigen Veränderungen unterziehen als Folge der Ausübung und Kraft der unternehmerischen Funktion. Ökonomische Akteure verhalten sich nicht auf passive oder reaktive Weise, sondern stattdessen auf eine typisch unternehmerische, also proaktive Weise: Sie bleiben ständig alarmiert, um 295 On the Economic Theory of Socialism, S. 61. 296 In Kirzners eigenen Worten: „Lange hat nicht erkannt, dass der entscheidende Aspekt des Marktes

die Art ist, wie die Preise sich verändern, das bedeutet, dass sich Marktpreise tatsächlich nichtparametrisch verhalten. Es ist eine Sache, sich vorzustellen, dass sozialistische Manager motiviert werden können, Regeln auf der Basis von zentral verkündeten ‚Preisen‘ zu gehorchen; es ist eine ganz andere, die nichtparametrische Funktion des Preises für garantiert zu halten, obwohl dessen Funktion vollständig von der unternehmerischen Entdeckung von neuen Gewinnmöglichkeiten abhängt, und zu glauben, dies könnte in einem System simuliert werden, in dem die unternehmerische Funktion vollkommen abwesend ist.“ (Israel Kirzner: Discovery and the Capitalist Process 31; siehe ebenfalls S. 126 – 129 im gleichen Buch.)

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Gewinnmöglichkeiten zu entdecken, zu schaffen und auszunutzen. Preise sind nicht etwas Gegebenes, an das sich Menschen anpassen. Es sind im Gegenteil die Menschen, die ständig handeln, Preise schaffen und sie modifizieren. Des Weiteren führt nur diese unternehmerische und „nicht parametrische“ Funktion der Preise zu der Entdeckung von existierenden Fehlanpassungen im Verhalten der Menschen in der Gesellschaft. Und nur sie löst einen generellen Prozess oder eine Tendenz hin zu gesellschaftlichen Koordinationen aus. Es ist daher vollkommen absurd zu behaupten, wie es Lange tut, dass die nicht parametrische Funktion von Preisen in der Marktwirtschaft – eine Rolle, die notwendigerweise auf der freien Ausübung der unternehmerischen Funktion beruht und alleine die koordinierenden Tendenzen in einem gesellschaftlichen Prozess auslöst – in einem System simuliert werden könne, in welchem per definitionem die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion vollkommen ausgelöscht wurde und Preise nur von einem parametrischen Standpunkt gesehen werden.297 297 Dieser

Fehler wurde auch von allen Kommentatoren begangen, die – Schumpeter folgend – darauf bestanden, dass Vilfredo Pareto und Enrico Barone, selbst bevor Mises seine Beiträge leistete, „demonstriert“ hätten, dass eine sozialistische Wirtschaftsrechnung möglich sei. Wie wir sehen konnten, als wir die Autoren diskutierten, etablierten sie nur ein Argument der formellen Gleichheit; mit anderen Worten identifizierten sie formell die Art der Information, die eine sozia­ listische Autorität in der Lage wäre zu erhalten, um die Wirtschaftsrechnung unter statischen Konditionen zu ermöglichen. Freilich ist es eine Sache, die Art und Menge von Informationen zu erstellen, die notwendig sind, um dieses Ziel zu erreichen, und eine ganz andere, das theoretische Problem zu lösen, wie man diese Informationen erhält – was, wie Mises und Hayek behaupten, im Sozialismus aufgrund der typischen Charakteristika eines solchen Systems unmöglich ist. Des Weiteren haben wir gesehen (s. Fußnote 146 und 147 von Kapitel 4), dass Vilfredo Pareto selbst und in geringerem Maß Enrico Barone ausdrücklich festhielten, dass das Wissen oder die Informationen, die uns beschäftigen, nie ohne Märkte zu erhalten sind. Schließlich begingen die Autoren der modernen planometrischen Theorie, angefangen von Arrow und Hurwicz, den gleichen Fehler (siehe Abschnitt 5 aus Kapitel 5 für eine detaillierte Analyse dieser Theorie). John Gray identifiziert die Ökonomen aus Osteuropa als die gebildetsten ökonomischen Wissenschaftler in Bezug auf die Geschichte des ökonomischen Denkens (Liberalisms: Essays in Political Philosophy. London: Routledge, 1989, S.  174). Sie begannen damit, in großem Maße Mises’ und Hayeks Argument anzuerkennen, dass das Verbot von kapitalistischen Marktinstitutionen die Wirtschaftsrechnung unmöglich macht – ganz im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen aus westlichen Ländern, die in den Verfehlungen des neoklassisch-walrasianischen Paradigmas gefangen blieben. Unter diesen Ökonomen verdienen Wlodzimierz Brus und Kazimierz Laski besondere Aufmerksamkeit, hauptsächlich weil sie einst Schüler von Oskar Lange waren und sogar mit ihm an einem Buch zusammenarbeiteten (siehe: Problems of Political Economy of Socialism. Neu Delhi: People’s Publishing House, 1962). Laski trug einen Artikel über die Umstände für ein allgemeines Gleichgewicht zwischen Produktion und Konsum bei (S. 108 – 151). Brus verfasste einen Artikel über „marginal accounting“ in einer sozialistischen Ökonomie (S.  175 – 194). Es ist bewegend, die aktuelleren Bestätigungen dieser Ökonomen zu lesen, in denen sie schreiben, dass das neoklassisch-walrasianische Modell als theoretische Grundlage für eine sozialistische Ökonomie nutzlos ist, weil es das Unternehmertum nicht berücksichtigt und daher der bisher allgemein akzeptierte Glaube, dass Lange Mises widerlegt habe, vollkommen unbegründet ist. Mit ihren eigenen Worten: „Das technologische Wissen, das notwendig ist, um die Elemente der walrasianischen Gleichung auszufüllen, ist kein Datum, sondern eher Information, die nur in einem Prozess der wettbewerblichen Anstrengung entdeckt werden kann. Was daher zählt, ist die unternehmerische ‚Denkart‘, eine Art von Intuition, die generiert wird, während man sich in einer Wettbewerbssituation befindet. Alle diese Aspekte fehlen in Langes Modell des Marktsozialismus, was den Verdacht erhärtet, dass der Anspruch einer zufriedenstellenden Widerlegung der Herausforderung von Mises/Hayek ungerechtfertigt war.“ (From Marx to Market: Socialism in Search of an Economic System. Oxford: Clarendon Press, 1989, S. 58.) Wir könnten auch den ungarischen Autor János Kornai erwähnen, der in seinem Artikel, „The Hungarian Reform Process“ (Journal

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6.5 Kritische Analyse von Langes klassischem Modell Vorangehende Klarstellung der Terminologie Wir werden nun Oskar Langes Modell der „Wettbewerbslösung“ beschreiben und danach kritisch analysieren. Nichtsdestotrotz müssen wir zuerst eine terminologische Klarstellung machen. Wie wir es bereits im letzten Abschnitt gesehen haben, hat es tatsächlich nur dann Sinn, Langes „Lösung“ als „wettbewerblich“ zu beschreiben, wenn man sich auf die verquere und enge Bedeutung von „Wettbewerb“ bezieht, die paradoxerweise als „perfektes Wettbewerbsmodell“ bezeichnet wird. Mit anderen Worten ist Langes Lösung nur in diesem Sinne „wettbewerblich“, dass sie keinen Wettbewerb involviert, da „Wettbewerb“ nur in Begriffen der statischen Situation begriffen wird, die das neoklassische Modell des allgemeinen Gleichgewichts beschreibt. Das Gleiche lässt sich über den von Lange und seinen Schülern gebrauchten Begriff „Marktsozialismus“ sagen. Das Wort „Markt“ bezieht sich hier nicht auf einen realen Markt, also einen gesellschaftlichen Prozess, den die Kraft der unternehmerischen Funktion antreibt und der die generellen Merkmale aufof Economic Literature 24, Nr. 4 [Dezember 1986], S. 1726 – 1728, wiederveröffentlicht als Kapital 5 in seinem Buch Vision and Reality: Market and State. New York: Harvester Wheatsheaf, 1990), ausdrücklich erwähnt, dass Lange „in einer sterilen Welt reiner walrasianischer Theorie lebte“ (S. 1727) und die Rolle der neoklassischen Schule in der Debatte kritisiert, weil die „Betonung einseitig zu dem Thema hin zu der Berechnung korrekter Preissignale veränderte. Was verloren gegangen ist, war die entscheidende Idee von Mises und Hayek in Bezug auf Konkurrenz. In einem genuinen Marktprozess nehmen Akteure teil, die von ihrem spezifischen Wissen und ihren Möglichkeiten Gebrauch machen wollen und können. Sie sind Konkurrenten. In diesem Sinne ist der Markt immer in einem Status des dynamischen Ungleichgewichtes. Einige gewinnen, andere verlieren. Der Sieg bringt Belohnung: Überleben, Wachstum, mehr Gewinn, mehr Einkommen. Eine Niederlage bringt Strafen: Verluste, weniger Einkommen und im schlimmsten Fall den Ausstieg. Unter Bezugnahme des Vokabulars des gegenwärtigen Papers impliziert der Mises-HayekMarkt eine harte Budgetbeschränkung und einen Käufermarkt. Solange das System und die Politik nicht die Oberhand dieser zwei Bedingungen garantieren, gibt es keinen genuinen Markt. Die größte Unzulänglichkeit in Langes Modell ist, dass es diese Bedingungen nicht berücksichtigt und viele von Langes Schülern den gleichen Fehler begingen.“ (S. 1127 – 1128) Schließlich schreibt der russische Ökonom Gabriel Temkin in seinem Artikel „On Economic Reforms in Socialist Countries: The Debate on Economic Calculation under Socialism Revisted“ (Communist Economies 1, Nr. 1 (1989), S. 31 – 59) in ähnlichen Zeilen wie oben, dass „das Langes Modell jede Form von unternehmerischer Funktion vermissen lässt, sowohl in rein theoretischer als auch in praktischer Form. Eng verbunden mit dem allgemeinen Gleichgewichtsrahmen wird die unternehmerische Funktion einfach wegdefiniert, weil es innerhalb dieses Rahmens keinen Raum für die Theorie der unternehmerischen Wahl gibt […] Und da weder der Unternehmer noch der Markt in einer sozialistischen Ökonomie, die auf öffentlichem Eigentum beruht, adäquat simuliert werden können, ist es höchstens die routinierte Aufgabe eines Managers, die reproduziert werden kann. Auch hier wiederum wäre die Imitation weit weg davon, nahe dran, geschweige denn korrekt zu sein.“ Temkin schlussfolgert zur Ehre von Mises, dass die Statue von Mises, über die sich Lange vor einem halben Jahrhundert lustig machte, nach allem doch aufgestellt werden sollte; wenn schon nicht auf dem Roten Platz, dann doch in Budapest, näher bei seinem Österreich“ (S. 53). Wir würden persönlich hinzufügen, dass im Lichte der historischen Vorkommnisse, die in den Ländern von Osteuropa stattgefunden haben, die Statue in allen Hauptstädten dieser Staaten, die aufgehört haben, offiziell sozialistisch zu sein, aufgestellt werden sollte, insbesondere Berlin, Warschau, Prag, Budapest und auch Moskau. (Wie wir in Fußnote 159 von Kapitel 4 hervorgehoben haben, wurde die Statue zumindest in der Bibliothek der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Warschau errichtet, gleich neben dem damaligen offiziellen Büro von Oskar Lange.)

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greift, die wir in Kapitel 2 dieses Buches im Detail erklärt haben. Der Begriff lässt im Gegenteil auf eine ganze Reihe von passiven Verhaltensweisen schließen, die durch ökonomische Akteure aufgeführt werden. Die gesamte kreative Ausübung der unternehmerischen Funktion ist ausgesetzt und es wird angenommen, dass alle Informationen für die Akteure erreichbar sind. Kurzum, das klassische Modell des „Marktes“ oder „Wettbewerbssozialismus“, das Oskar Lange und seine Schüler entwickelten, beinhaltet diese Begriffe genau deshalb, weil das Modell auf der neoklassisch-walrasianischen ökonomischen Theorie aufbaut, in der die Konzepte von „Markt“ und „Wettbewerb“ ihrer Bedeutung entleert sind und ohne Beziehung zum Wesen des echten Lebens und der Natur dieser Institutionen bleiben. Nun, da wir diese kurze terminologische Klarstellung getroffen haben, werfen wir einen genauen Blick auf Langes klassisches Modell, wie er es in der ursprünglichen Version eines Aufsatzes „On the Economic Theory of Socialism“298 entwickelte. Beschreibung des Modells Lange bewertet die neoklassische Theorie der Preise und des „perfekten Wettbewerbs“ als die ideale theoretische Fundierung für das sozialistische System. Daher beginnt er seinen Vorschlag mit einer detaillierten Begutachtung der typischen Elemente der ökonomischen Gleichgewichtstheorie, wie sie üblicherweise in Lehrbüchern erklärt wird. Gemäß dem neoklassischen Paradigma im Modell des „perfekten Wettbewerbs“ ist ein Gleichgewicht immer dann erreicht, wenn die drei folgenden Umstände zutreffen: 1. „subjektiv“ gesprochen müssen alle Individuen, die am ökonomischen System teilnehmen, ihren „maximalen“ Marktpreis erzielen; 2. „objektiv“ gesprochen müssen im Gleichgewichtspreis Angebot und Nachfrage für jedes Gut und jede Dienstleistung identisch sein; und 3. muss das Einkommen aller Konsumenten gleich dem Einkommen abgeleitet von den Diensten ihrer Produktionsfaktoren sein. Wie allgemein bekannt ist, ist die erste Bedingung immer dann erfüllt, wenn Konsumenten ihren Nutzen maximieren und Produzenten ihre Gewinne, was wiederum bedingt, dass Konsumenten ihren gewichteten Grenznutzen in Bezug auf die Preise für alle Konsumgüter und -leistungen ausgleichen und alle Produzenten gewichtete Grenzproduktivitätsraten den Preisen für alle Produktionsfaktoren gleichsetzen sowie in einem Umfang produzieren, in dem die marginalen Produktionskosten gleich dem Preis sind. Zudem werden auf Industrie- oder Sektorenebene die Preise eines Produktes gleich den Durchschnittskosten der Produktion, wenn wir annehmen, dass es eine vollständige Freiheit des Eintritts und Austritts in den Markt gibt. Wenn wir mit einbeziehen, dass das Einkommen der Konsumenten durch die Preise der Produktionsfaktoren bestimmt wird und Angebot und Nachfrage immer gleich sein müssen, ist es möglich, über den typischen walrasianischen Prozess des Tâtonnement (oder Versuch und Irrtum) die Reihe von Preisen „vorherzubestimmen“, die notwendig sind, um den Markt zu klären. Wenn sich die angebotenen Mengen 298 Siehe

S. 65 – 89 der Neuausgabe von 1964 von „On the Economic Theory of Socialism“ mit einem Vorwort von Lippencott.

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von den nachgefragten unterscheiden, dann wird in diesem Prozess der „Wettbewerb“ zwischen Käufern und Verkäufern die Preise verändern, bis ein Gleichgewichtspunkt erreicht ist.299 Nachdem Lange diese Erklärung gebastelt hat, wie ein Gleichgewicht „theoretisch“ und „praktisch“ in einem „kapitalistischen System“ erreicht wird, versucht er zu zeigen, dass es in einer sozialistischen Gemeinschaft durch eine ähnliche Prozedur erreicht werden kann. Lange zufolge würde die erste Bedingung, die wir als „subjektiv“ bezeichnet haben, in dem Falle erfüllt, dass Konsumenten erlaubt wird, ihren Nutzen in einem vollkommenen „wettbewerblichen“ Markt für Konsumgüter und Dienstleistungen zu maximieren – genau wie wir es für das kapitalistische System erklärt haben. Nichtsdestotrotz würde es Produzenten nicht länger erlaubt sein, ihre Gewinne zu maximieren, sondern sie würden stattdessen zwei Regeln untergeordnet werden; die zentrale Planungsbehörde würde diese Regeln zwangsweise einführen und ihre Befolgung durch die Produzenten überwachen. Diese beiden Regeln sind dafür entworfen, das Ergebnis des maximierenden Verhaltens des Produzenten im Markt zu simulieren. Sie beinhalten daher, das Prinzip der Gewinnmaximierung durch das jeweilige Ergebnis zu ersetzen, das dieses Prinzip innerhalb des Modells des „perfekten Wettbewerbs“ erzielt. Die erste Regel verlangt von den Produzenten, die Kombination von Faktoren zu wählen, welche die Durchschnittskosten der Produktion minimieren. Die zweite Regel, die ebenfalls auf die Manager der unterschiedlichen Firmen angewendet wird, fordert von ihnen, in dem Umfang zu produzieren, in dem die marginalen Kosten gleich den Preisen sind. Die Gesamtproduktion auf sektoralem Niveau würde ebenfalls durch die zweite Regel bestimmt, doch statt der Manager jeder einzelnen Firma wären es die Manager jedes einzelnen Sektors, die aufgerufen sind, sie zu verfolgen und daher die Gesamtproduktion der gesamten Industrie entsprechend zu steigern oder zu verringern. Daher besteht Lange darauf, dass die Befolgung der zweiten Regel auf dem Niveau jedes Sektors die gleiche Funktion erfüllen würde wie das Prinzip des freien Eintritts und Austritts in einem wettbewerblichen Markt. In Langes Modell sind sowohl die Preise für Konsumentengüter und Dienstleistungen als auch die Löhne durch den Markt vorbestimmt und die zentrale Planungsbehörde setzt nur die „Preise“ der Produktionsfaktoren fest. In diesem Sinne ist die ursprüngliche Etablierung einiger „Preise“ von Produktionsfaktoren alles, was die zentrale Planungsbehörde tun muss; und sie kann diese Preise intuitiv oder willkürlich wählen. Firmen und Sektorenmanager sowie Konsumenten und Arbeiter treffen alle ihre Entscheidungen passiv, das heißt, sie passen sich den obigen „Preisen“ an und wenden die oben stehenden Regeln an. Und auf diesem Wege sind die Mengen jedes nachgefragten Gutes und jeder nachgefragten Dienstleistung bestimmt. Wenn in Bezug auf einige Produktionsgüter die nachgefragten und angebotenen Mengen nicht übereinstimmen, muss die zentrale Planungsbehörde die Preise durch einen Prozess von „Versuch und Irrtum“ modifizieren, der 299 Takashi

Negishi: „Tâttonnement and Recontracting“, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, S. 589 – 595.

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in dem Moment zu einem Halt kommt, wo das endgültige Gleichgewicht der Preise erreicht ist, mit anderen Worten: Angebot und Nachfrage ausgeglichen sind. Preise, die eine zentrale Planungsbehörde für produktive Faktoren etabliert, sind rein „parametrischer“ Natur: Sie bestimmen das passive Verhalten ökonomischer Akteure, die sich einfach den gegebenen Daten anpassen und „objektiv“ bestimmte Indikatoren generieren (Produktüberschüsse und Knappheiten), die die zentrale Planungsbehörde „unbeirrbar“ anleitet, die Preise in dem Ausmaß und in die Richtung zu verändern, die notwendig sind, um ein Gleichgewicht zu erhalten. Kurzum nimmt die zentrale Planungsagentur in Bezug auf die Allokation der Kapitalgüter den Platz des Marktes ein und das sozialistische System kann formal das Gleichgewicht des Modells des „perfekten Wettbewerbs“ durch den gleichen Prozess von „Versuch und Irrtum“ erreichen, den Walras für das „wettbewerbliche System“ empfahl – eine Prozedur, die acht Jahre früher bereits Taylor als „Lösung“ für das sozialistische System vorschlug. Zwei Interpretationen von Langes Modell Zu diesem Zeitpunkt können wir zwei verschiedene Interpretationen von Langes Modell vornehmen: eine breite und eine enge Interpretation. Wir können das Modell als den Versuch der „Lösung“ eines zweitrangiges Problem (was wir als eine rein algebraische Rechnung beschrieben haben) sehen: das Lösen eines walrasianischen Systems von Gleichgewichtsgleichungen, die wir diskutiert haben, als wir die „mathematische Lösung“ untersucht haben. Gemäß dieser Interpretation ist die größte Stärke von Langes Modell, dass es die Notwendigkeit vermeidet, ein solches Problem zu lösen, entweder per Hand oder mit Hilfe von Computerprozessen. Da Langes Modell annimmt, dass alle notwendigen Informationen, um das Problem zu formulieren oder das System der Gleichungen zu formulieren, bereits geschaffen worden und gegeben sind (also bereits irgendwo im Markt existieren), kann es das grundsätzliche Problem nicht lösen, das Mises aufwarf (dass es unmöglich ist, die notwendige Information für die Wirtschaftsrechnung in Abwesenheit des Privateigentums an Produktionsmitteln und der freien Ausübung der unternehmerischen Funktion zu schaffen und zu übermitteln). Wir könnten Langes Modell aber auch als einen Versuch sehen, das grundsätzliche Problem zu lösen, das Mises aufwarf. In diesem Fall sehen wir, dass die notwendigen Informationen zur Wirtschaftsrechnung nicht generiert werden und das Modell keine Antwort auf Mises’ Herausforderung gibt, da die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion in wichtigen Bereichen des Marktes unterbunden ist. Wie wir später sehen werden,300 indiziert unwiderlegbare Evidenz, dass Lange sein Modell als eine rein algebraische Anwendung ansah (was wiederum unvermeidbar war, da er Mises’ Herausforderung nie wirklich verstanden hat, hauptsächlich aufgrund seiner gestörten Sicht auf die ökonomische Welt aufgrund der neoklassisch300 Siehe

insbesondere den Auszug aus Langes Artikel über „The Computer and the Market“, eine Passage, die am Ende dieses Kapitels in dem Abschnitt erscheint, der der „vierten Phase“ in Langes intellektuellem Leben gewidmet ist. Siehe ebenfalls die Beobachtungen, die wir darüber auf den folgenden Seiten treffen.

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walrasianischen Werkzeuge, die ihn so hypnotisiert haben). Andere jedoch, die die Arbeit von Lange und seinen Schülern interpretiert haben, haben das Modell als einen Versuch betrachtet, das grundsätzliche Problem zu lösen, das Mises in Bezug auf die Schaffung und Übermittlung von Informationen aufwarf. Deshalb werden wir unsere kritische Analyse von Langes Modell nun aus der breitesten möglichen Perspektive entwickeln, das heißt, wir werden es als einen Versuch interpretieren, das wahre Problem zu lösen, das Mises meinte. Kritische Analyse der breitesten Interpretation von Langes Modell Bevor wir fortfahren, müssen wir hervorheben: Langes Beitrag beinhaltet und kombiniert eine Reihe von Elementen (wie die Trial-and-Error-Methode, das Setzen der Preise in Form von Grenzkosten und Instruktionen der zentralen Planungsbehörde an Manager), die fast alle – wie wir gesehen haben – von sozialistischen Theoretikern vorgeschlagen wurden, wenn auch auf isolierte Weise. Langes hauptsächliche Innovation lag daher einfach darin, sie logischerweise mit dem neoklassisch-walrasianischen Modell als gemeinsamen Nenner zu verbinden. In diesem Sinne könnten wir hier alle Kommentare und kritischen Beobachtungen wiederholen, die wir bereits in Bezug auf die unterschiedlichen Komponenten der anderen „Lösungen“ für das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung gemacht haben – Komponenten, die wir bereits analysiert haben und die Lange in mehr oder weniger großem Ausmaß in sein Modell mit aufnimmt. Außerdem sollte der Leser nun keine Probleme haben zu erkennen, dass Langes Modell, weil es die Verhinderung der freien Ausübung der unternehmerischen Funktion beinhaltet, unmöglich eine Lösung für das Problem der ökonomischen Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System darstellen kann. Wenn die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion in einem grundsätzlichen Gebiet verboten ist (z. B. bei Kapitalgütern), dann ist es der unternehmerischen Funktion nicht möglich, die grundsätzlichen Informationen zu entdecken, zu schaffen und zu übermitteln, die für die Individuen notwendig sind, um rational ihr Verhalten zu kalkulieren und auf eine koordinierte Weise anzupassen. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass wir im Lichte von Langes Modell einige besonders wichtige kritische Kommentare machen. Diese werden anhand verschiedener Beispiele unsere grundsätzliche Auffassung zu diesem spezifischen Modell illustrieren. 1.  Die Unmöglichkeit, eine Liste von Kapitalgütern zusammenzustellen Erstens sollten wir fragen: Wie kann die zentrale Planungsbehörde parametrische Preise für Kapitalgüter setzen, deren Typ, Nummer, Quantität, Qualität und Charakteristika den Akteuren unbekannt sind, die am Produktionsprozess beteiligt sind. Ein Kapitalgut ist jede Zwischenstufe in einem Produktionsprozess, wie sie der beteiligte Akteur subjektiv sieht. Mit anderen Worten ist alles ein Kapitalgut, was der Akteur als nützlich erachtet, um sein Ziel zu erreichen (außer es besteht allein aus einer Dienstleistung, die durch Arbeit bereitgestellt wird). Das heißt, was ein Kapitalgut ausmacht, wird nur für den involvierten Akteur erkennbar sein, der diese Information graduell und unternehmerisch entdeckt. Wegen ihrer

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subjektiven, praktischen, verstreuten und unaussprechlichen Natur kann diese unmöglich von der zentralen Planungsbehörde besessen werden. Außerdem wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass Erfahrung, also das, was ein Kapitalgut in der Vergangenheit konstituiert hat, einem dabei helfen wird, entsprechende Listen zusammenzustellen. Das Konzept von Kapitalgütern ist subjektiv und strikt auf die Zukunft ausgerichtet. Das bedeutet, der Akteur bestimmt es abhängig von seiner Erwartung davon, was in der Zukunft geschieht. Die Tatsache, dass etwas in der Vergangenheit funktionierte, garantiert nicht, dass er das gleiche Ziel in der Zukunft­erreichen wird. Im Gegenteil: Nur die Güter werden Kapitalgüter, die der Akteur im Lichte ihrer spezifischen Merkmale (ihrem Qualitätsniveau, ihrer Erreichbarkeit zur rechten Zeit am rechten Ort u. a.) subjektiv als potenziell wertvoll dafür betrachtet, ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder ein bestimmtes Projekt fertigzustellen. Trotzdem besteht das Problem nicht einfach darin, dass die zentrale Planungsbehörde unmöglich das verstreute Wissen erhalten kann, das nötig ist, um existierende Kapitalgüter zu identifizieren. Es geht auch darum, dass dieses Wissen nicht einmal effektiv entdeckt oder geschaffen wird, und zwar in dem Ausmaß, dass gewöhnliche ökonomische Akteure unfähig sind, die freie unternehmerische Funktion auszuüben. Wenn ökonomische Akteure allerdings die freie unternehmerische Funktion nicht ausüben können, also sich keine neuen Ziele ausdenken, keine neuen Gewinnmöglichkeiten verfolgen und nicht das Beste aus diesen machen können, dann wird der Gewinn nicht als Anreiz dienen. Und konsequenterweise werden Informationen über Mittel und Ziele, die in einer freien Marktwirtschaft entstehen würden, nicht einmal kreiert. Das erste Argument alleine macht Langes Modell theoretisch und praktisch unmöglich. Dieses Modell kann daher auf keine Weise eine Lösung für das Problem der Wirtschaftsrechnung darstellen, das Mises aufstellte. In der Praxis zeigt Hayek in seiner ausführlichen Antwort auf Lange, die er 1940 veröffentlichte, dass das Festsetzen von parametrischen Preisen durch eine zentrale Planungsbehörde rein willkürlich ist – nicht nur in den gewählten Zahlen, sondern auch (und das ist viel schlimmer) hinsichtlich der Typen und der Anzahl von Gütern. Außerdem zielt das Fixieren solcher Preise auf eine Reihe von kruden, einförmigen Kategorien von unzureichend bezeichneten „Kapitalgütern“, von denen angenommen wird, dass sie in der Vergangenheit als solche berücksichtigt worden sind. Diese Kategorien können die notwendigen Unterschiede zwischen den verschiedenen spezifischen Situationen von Zeit, Ort, Qualität u. Ä. nicht enthalten. Das sind aber genau die Unterschiede, die, sobald sie subjektiv und unternehmerisch wahrgenommen werden, aus den Gütern, die wir in der Welt beobachten, Kapitalgüter machen und ihnen damit ihre intimste und wesentlichste Charaktereigenschaft verleihen.301 301 In

Hayeks eigenen Worten: „Es ist ziemlich offensichtlich, dass der Preisfestsetzungsprozess darauf begrenzt sein wird, einheitliche Preise für Güterklassen aufzustellen, und dass daher Unterschiede, basierend auf speziellen Umständen der Zeit, des Ortes und der Qualität, im Preis keinen Ausdruck erhalten. Ohne diese Vereinfachung wäre die Anzahl der unterschiedlichen Güter, für die eigene Preise festgelegt werden müssten, praktisch unendlich. Dies bedeutet aber, dass die

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2.  Die vollständige Willkür der Zeitperiode, für die parametrische Preise fixiert sind Zweitens werden nicht nur die „parametrischen Preise“ etabliert und die Liste von „Kapitalgütern“ willkürlich sein. Auch die Zeitperiode, während der die „Preise“ nach Meinung der Planungsbehörde konstant bleiben sollten, wird vollkommen willkürlich sein. Dies ist einer der Punkte, bei dem Langes Vieldeutigkeit am offensichtlichsten ist, da er an einer Stelle sagt, dass Preisanpassungen immer „am Ende einer Buchungsperiode“ stattfinden, und an anderer Stelle beiläufig erkennen lässt, dass Preise „ständig“ angepasst werden.302 In beiden Fällen ist die Periode vollkommen willkürlich, da die Planungsbehörde die notwendigen Informationen nicht hat, die Unternehmer in einem wirklich wettbewerblichen Markt besitzen – Informationen, die es ihnen erlauben, Preise zu verändern und für eine Periode zu setzen, die sie als die angemessenste und zweckdienlichste für ihre Ziele ansehen. Die zentrale Planungsbehörde wird niemals Zugang zu diesen Informationen haben. Wenn Autoritäten daher Buchungsperioden wählen, werden sich diese ohne Zweifel als zu lang herausstellen, und wenn sie Entscheidungen gemäß ihrer Einschätzung der Sachlage ad hoc treffen, werden sie immer noch auf rein willkürlicher Basis entscheiden angesichts dessen, dass die zentrale Behörde das unmittelbare Erfahrungswissen der ökonomischen Akteure in Bezug auf diese Vorkommnisse nicht besitzen kann. 3.  Das Fehlen eines echten Marktes für Arbeit, Konsumgüter und Dienstleistungen Drittens: Selbst wenn Lange erklärt, dass ein vollständig freier und wettbewerblicher Markt für Konsumenten und Dienstleistungen sowie für Arbeit notwendigerweise existieren würde, gewinnt man doch den Eindruck, dass dieser „Markt“ nur nominal „frei“ und „wettbewerblich“ ist.303 Tatsächlich benötigt ein wirklich Produktionsmanager keinen Antrieb und nicht einmal eine wirkliche Möglichkeit haben, speziel­ le Gelegenheiten zu nutzen, speziellen Handel zu treiben und all die kleinen Vorteile zu nutzen, die ihnen durch die eigenen lokalen Umstände geboten werden, weil alle diese Dinge nicht in ihre Berechnungen einfließen könnten.“ (F. A. Hayek, „Socialist Calculation III: The Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 193.) Nichtsdestotrotz glauben wir, dass Hayek in diesem Artikel nicht das grundsätzliche Argument mit all seinen Implikationen präsentiert, das wir im Text angeboten haben. 302 Lange befürwortet die erste Lösung auf Seite 82 seines Artikels „On the Economic Theory of Socialism“, wenn er schreibt: „Jeder Preis, der vom Gleichgewichtspreis abweicht, wird am Ende der Buchungsperiode einen Überschuss oder eine Knappheit der fraglichen Güter anzeigen.“ Vier Seiten weiter bevorzugt er die zweite Lösung, wenn er nebenbei erwähnt: „Anpassungen an diese Preise würden ständig gemacht werden.“ Trotz allem Schein sind Langes Ideen verwirrt. Sobald wir unter die Oberfläche schauen, wird die Konfusion und Doppeldeutigkeit in seinem Denken mehr als deutlich. 303 Henry D. Dickinson, der kurz nach Lange einer der führenden Verteidiger der „Wettbewerbslösung“ wurde, erkennt ausdrücklich an, dass die Existenz eines freien und kompetitiven Marktes für Konsumgüter eher eine Fiktion als Realität im Marktsozialismus wäre. Und er deutet schamlos darauf hin, dass die staatliche Propagandamaschinerie unter den Bürgern den falschen Eindruck freier Wahl für Konsumgüter und Dienstleistungen erzeugen würde. In seinen eigenen Worten: „Der starke Motor der Propaganda und Werbung, angewendet durch öffentliche Organe der Bildung und Aufklärung, könnten die Nachfrage in eine sozialistisch wünschenswerte Richtung ablenken, während sie den subjektiven Eindruck einer freien Wahl erhalten.“ (Henry D. Dickinson: Economics of Socialism. Oxford: Oxford University Press, 1939, S. 32.) Oskar Lange selber zeigte bald sein wahres Gesicht und widmete den gesamten vierten Abschnitt seines Artikels „On the Economic Theory of Socialism“ der These, dass sein Modell auch dann angewendet würde, wenn eine zentrale Zwangsbehörde entschiede, die freie Wahl von Berufen, Konsumgütern und

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wettbewerblicher Markt für Konsumentengüter und Dienstleistungen nicht nur auf der Nachfrageseite, sondern auch auf der Angebotsseite die ungestörte Gegenwart echter Unternehmer und freier Akteure. Sobald Zwang auf einer der Seiten entsteht, hört der Markt auf, wettbewerblich zu sein. Es ist daher unverständlich, wie Manager in einem sozialistischen System, die keine echten Unternehmer sind, weil sie die ihnen am geeignetsten erscheinenden Gewinnmöglichkeiten (definiert in subjektiven Begriffen) nicht frei suchen dürfen, diejenigen Informationen schaffen sollten, die in einem kapitalistischen System ständig kreiert werden. Diese Informationen betreffen zum Beispiel die ständige Einführung neuer Konsumentengüter und Dienstleistungen, die Verbesserung existierender Güter, Veränderungen in Qualität, kommerzieller Distribution und physischer Verortung oder auch Werbesysteme. Konsumenten würden daher gezwungen, aus einem beschränkten „Menü“ von Konsumentengütern und Dienstleistungen zu wählen, das ihnen sozialistische Manager vorsetzen. Ohne Zweifel sprechen „Marktsozialisten“ im Allgemeinen und Lange im Besonderen allzu ausschweifend von einem „wettbewerblichen Markt für Konsumentengüter“ (und missbrauchen sogar den Begriff „Konsumentensouveränität“, angewendet in einem sozialistischen System). Denn in einem sozialistischen System gibt es nicht mehr „Souveränität“ oder Freiheit, als sie etwa ein Gefangener genießt, der sich selber für frei hält, sobald er seine Handlungen auf die Sphäre beschränkt, die ihm innerhalb der vier Wände seiner Zelle erlaubt sind.304 4.  Die Unsinnigkeit der „Regeln“, die von Lange vorgeschlagen wurden Viertens sind Langes Regeln für die Übernahme der Kombination von Faktoren, welche die Durchschnittskosten minimieren und den Umfang vorgeben, zu dem Preise gleich den Grenzkosten sind, unmöglich anzuwenden. Die Tatsache, dass Lange seine „Regeln“ als offensichtlich und möglich ansah, ist ein weiteres Zeichen für die zerstörerische Wirkung seiner Schulung durch die neoklassische Kos­ tentheorie und besonders durch den weitverbreiteten Glauben, dass Kosten objektiv und durch Funktionen bestimmt seien, die „gegebene“ Information beinhalten. Dennoch sind Kosten, wie wir in Kapitel 2 dieses Buches solide begründet haben, nichts anderes als subjektive Einschätzungen von Werten, die Akteure den Zielen zuordnen, auf die sie verzichten, wenn sie wählen, etwas unternehmen oder einen bestimmten Handlungsplan verfolgen: Kosten sind subjektive Bewertungen von verlorenen Alternativen und konstituieren daher typisches unternehmerisches Wissen, das jeder Akteur ständig schätzt und kreiert, sobald er seine unternehDienstleistungen zu verbieten, und stattdessen der gesamten Gesellschaft ihre Präferenzen aufzwingen würde. Es ist daher nicht überraschend, dass Lange – wie wir sehen werden – im letzten Teil seines akademischen Lebens das stalinistische System pries und rechtfertigte. 304 Wir verdanken diesen Vergleich Robert Bradley („Market Socialism: A Subjectivist Evaluation“, in: The Journal of Libertarian Studies 39, Fußnote 86). Das Gleiche kann über den anscheinend wettbewerblichen „Arbeitsmarkt“ gesagt werden. Ein wettbewerblicher Arbeitsmarkt setzt die ständige Entstehung neuer Jobmöglichkeiten durch neue Investitionsprojekte, die Entstehung neuer Firmen und das aufkommen neuer unternehmerischer Ideen voraus. All das ist in Langes Modell unvorstellbar, in dem es keine Unternehmer gibt, sondern nur Manager, die sich darauf beschränken, wie Roboter einer Reihe von Regeln zu folgen, die im vorhinein von oben etabliert wurden.

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merische Funktion und Wachsamkeit frei ausüben kann. Zudem besitzt diese Information alle Charakteristika, die wir bereits in Bezug auf die unternehmerische Funktion analysiert haben, insbesondere eine subjektive, praktische, verstreute und unaussprechbare Natur. Es ist deutlich: Wenn Kosten nicht gegeben sind (also wenn Kostenfunktionen nicht existieren), sondern in jedem Handlungsplan subjektiv durch einen ständigen Prozess von Versuch und Irrtum abgeschätzt werden, dann können Industriemanager nicht dazu angehalten werden, die obigen „Regeln“ zu verfolgen. Und noch viel weniger kann die zentrale Planungsbehörde deren Befolgung objektiv überwachen. Langes Vorschlag macht schlicht deutlich, dass die neoklassische Kostentheorie in der Praxis darin versagt hat, die subjektivistische Revolution außer in rein nominalen Begriffen erfolgreich aufzunehmen, und stattdessen noch im alten „Objektivismus“ eines Ricardo und Marshall verwurzelt ist.305 Es sollte uns daher nicht überraschen, dass James Buchanan feststellte, obwohl er vielleicht etwas übertreibt, dass die gesamte Kontroverse, die die Möglichkeit der Wirtschaftsrechnung in einer sozialistischen Wirtschaft umgibt, aus dem Unverständnis der subjektiven Natur von Kosten aufseiten sozialistischer Theoretiker herrührt. Der späte Jack Wiseman betont in einem bemerkenswerten Artikel, der 1959 veröffentlicht wurde und in dem er das Problem von Kosten in einer sozialistischen Planwirtschaft behandelt,306 die subjektive Natur der Kosten und definiert sie als die Bewertung 305 Unglücklicherweise

bieten moderne Lehrbücher weiterhin eine vollkommen unkritische Sichtweise auf das neoklassisch-walrasianische Paradigma und die Bedingungen des Optimums an, die durch das Modell des perfekten Wettbewerbes innerhalb der Parameter ökonomischer Wohlfahrtstheorie herausgestellt werden. Außerdem beziehen sich sogar viele der prestigeträchtigsten Studienbücher auf „Langes Regeln“ und drücken explizit aus, dass sie das Erreichen des Optimums in einer sozialistischen Ökonomie verhindern würden. Indem sie diese Aussagen machen, verweigern die Autoren jedwede Klarstellung und übersehen alle Probleme, die wir in diesem Buch diskutieren und die nicht einmal nebenbei erwähnt werden. Der entstehende Schaden in der Ausbildung von Ökonomiestudenten braucht vielleicht Jahre, um ausgebessert zu werden, oder könnte sogar irreversibel werden. Als Beispiel könnten wir das bekannte Buch von J. P. Gould und C. E. Ferguson Microeconomic Theory (Illinois: Richard D. Irwin, 1980) erwähnen, wo wir die folgende Schlussfolgerung lesen können, die ohne jede Klarstellung oder Kommentierung auskommt: „Vorschlag (Lange-Lerner-Regel): Um die maximale soziale Wohlfahrt in einer dezentralisierten sozialistischen Gesellschaft zu erhalten, sollte die staatliche Planungsbehörde das Maximierungsproblem unter der Bedingung der Knappheit lösen und die Opportunitätskos­ ten à la Inputs und Outputs erhalten, die Preisliste publizieren und unter den Mitgliedern der Gesellschaft verteilen und alle Konsumenten und Firmenmanager anweisen, sich zu verhalten, als wären sie Zufriedenheits- oder Profitmaximierer, die in einem perfekten Wettbewerbsmarkt operierten.“ (S. 445) Wir finden also in einem „prestigereichen“ Lehrbuch die lächerlichsten Absurditäten auf das Niveau einer „wissenschaftlichen Schlussfolgerung“ gehoben und präsentiert. 306 Siehe James Buchanans Einleitung in L. S. E. Essays on Costs, S. 3 – 10, und Cost and Choice (Chicago: Marckham Publishing, 1969, S. 21 – 26, S. 34 f., S. 41, S. 96). Wir bestehen oben darauf, das Buchanan etwas übertreibt, weil die Feststellung der Kosten, obwohl wesentlich für die rationale Wirtschaftsrechnung, nur ein Teil aller Informationen darstellt, die unternehmerisch geschaffen und übertragen werden (was ebenfalls die Bewertung der Ziele beinhaltet, die erreicht werden sollen). Im Herzen dieser Kontroverse sehen wir weder ein Unverständnis über die wahre subjektive Natur der Kosten noch ein grundsätzliches Fehlen des Verständnisses über die wahre Natur menschlicher Handlung und der unternehmerischen Funktion, wie wir sie in Kapitel 2 definiert haben. Buchanan schlussfolgert: „Moderne ökonomische Theoretiker messen ihre eigene Verwirrung in dem Ausmaß, in dem sie Langes Sieg über Mises unabhängig von den empirischen Ergebnissen akzeptieren.“ (L. S. E. Essays on Costs, S. 5).

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von Opportunitätsverlusten bei der Wahl eines bestimmten Handlungsplanes gegenüber anderen möglichen Handlungsplänen. Nur die Person, die die entsprechenden Projekte unternimmt, kann diese subjektive Einschätzung vornehmen, die oft implizit in der Entscheidung enthalten ist, ob man einen bestimmten Plan verfolgt oder nicht. Dieser Prozess erzeugt niemals Informationen, die es möglich machen würden, objektive Preise zu setzen, indem sie den Kosten gleichgesetzt werden, die objektiv im Voraus etabliert würden. Wiseman folgert daher, dass Langes „Regeln“ nicht als Orientierung für Manager von sozialistischen Industrien dienen können und damit jede ähnliche Regel willkürlich sein wird, sowohl im spezifischen Inhalt als auch in den Anstrengungen der Planungsbehörde, die Regeln effektiv zu überwachen.307 Es ist daher von wenig Nutzen, Manager der entsprechenden Industrien und Fabriken anzuweisen, die Kombination von Faktoren anzuwenden, unter denen die Durchschnittskosten am geringsten sind. Angesichts der subjektiven Natur von Kosten ist diese Regel inhaltsleer und gleichbedeutend mit dem Befehl an Manager: „Tut das Beste, was ihr könnt“, ohne ihnen gleichzeitig zu erlauben, die unternehmerischen Handlungen vorzunehmen, die alleine die gewünschten Ergebnisse der Kostenreduzierung garantieren können.308 Tat307 In

den Worten von Wiseman: „Sobald eine Unsicherheit zugegeben wird, ist es nicht mehr länger möglich, das Problem der Opportunitätskosten allein als ein Problem der Knappheit zu interpretieren, das durch die Wahl zwischen alternativen Inputfaktoren und Produktergebnissen gelöst werden kann, wobei alle Preise bekannt sind. Opportunitätskosten sind damit nicht mehr länger eine einfache Frage der Addition und des Vergleichs bekannter Daten. Preise und andere Variablen müssen geschätzt werden: Entscheidungen zu Opportunitätskosten bedeuten Unsicherheit (und damit Bewertung) sowie Knappheit. Das Kostenproblem entsteht nun als eine Wahl zwischen alternativen Aktionsplänen  […] Da Opportunitätskosten nicht einfach als bekannte Geldkosten behandelt werden können sondern als Schätzung für ausgelassenen alternative Einkommen angesehen werden müssen, ist es unter dem Umstand der Unsicherheit nicht mehr länger nützlich, von der Gleichheit der marginalen Geldkosten und Preise als Eigenschaft einer effizienten Ressourcenverteilung zu sprechen.“ Wiseman schlussfolgert, dass in einem sozialistischen System „[…] die Regel der Grenzkosten, wie sie normalerweise skizziert wird, denen keine eindeutige Orientierung gibt, die für die Organisation der Produktion in einer solchen Ökonomie verantwortlich sind. Versuche, die Regel derart neu zu interpretieren, dass die Unsicherheit einbezogen wird, schließen die Möglichkeit einer direkten Kontrolle der Effizienz kollektivistischer Manager aus, die die Regel befolgen. Jede indirekte objektive Kontrolle, die als Unterstützung der marginalen Regel genutzt wird, wird tatsächlich die Regel als eine Direktive der Anstrengung der Manager verdrängen, wobei in jedem Fall keine vollständige Kontrolle möglich ist. Außerdem ist unperfektes wettbewerbliches Verhalten zu erwarten, unabhängig davon, welche Regel oder welche Kontrolle aufgestellt wird.“ (Jack Wiseman: „Uncertainty, Costs, and Collectivist Economic Planing“, in: Economica (Mai 1953), neu gedruckt als Kapitel 9 in dem Buch L. S. E. Essays on Costs, S. 229, sowie S. 234 f.). G. F. Thirlby ist etwas früher zu der gleichen Schlussfolgerung gekommen und führt in seinem erwähnenswerten Artikel „The Ruler“ (South African Journal of Economics [Dezember 1946], neu gedruckt als Kapitel 7 in dem Buch L. S. E. Essays on Costs) aus, dass jede Regel, die die Existenz einer objektiven und erkennbaren Beziehung zwischen Einnahmen und Kosten (ob nun marginale Einnahmen gleich den marginalen Kosten, Preise gleich den marginalen Kosten oder die gesamten Einnahmen gleich den gesamten Kosten sind) besitzt, „nicht die Objektivität hat, die ihr implizit zugeschrieben wird, und in Konsequenz die Anwendung der Regel unpraktisch ist.“ Zufälligerweise legt diese gesamte Theorie offen, dass großen Teilen der sogenannten „Theory of Public Utility Pricing“ und der „ökonomischen Analyse des Rechts“ in Bezug auf die Kartellgesetzgebung eine theoretische Grundlage fehlt. 308 Paul Craig Roberts kommt in „Oskar Langes Theory of Socialist Planing: An Obscurant of Socialist Aspirations“ (Kapitel 5 von Alienation and the Soviet Economy. New York: Homes and Meir, 1990, insbesondere S. 96 ff.) ebenfalls zu dem Schluss, dass Langes „Regeln“ in der Praxis nicht angewendet werden können. Obwohl wir Roberts wichtigere Beiträge verdanken, etwa

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sächlich bekommen in einer Marktwirtschaft, in der die unternehmerische Funktion frei ausgeübt wird, die Unternehmer ständig neue Ideen, Eingebungen u. Ä. in Bezug auf die Schaffung neuer Kombinationen von Kapitalgütern und neuen, billigeren und effizienteren Merkmalen, die unternehmerisch getestet werden können und – sobald sie erfolgreich sind – das Entstehen von entsprechenden unternehmerischen Gewinnen und die graduelle Ausschaltung von Wettbewerbern ermöglichen. Wenn sie überleben wollen, sind diese Wettbewerber dazu gezwungen, die Verbesserungen und Innovationen einzuführen, die bereits entdeckt und erfolgreich getestet wurden. In dem System, das Lange vorschlägt, ist dieser ganze Prozess nicht vorhanden, es gibt keine Möglichkeit der freien Ausübung der unternehmerischen Funktionen. Daher werden Informationen über Prozeduren zur Kos­ tenreduzierung von Kapitalgütern nicht einmal geschaffen. Und selbst wenn sie per Zufall geschaffen würden, wären sie irrelevant, da die zentrale Planungsbehörde parametrische Preise für diese Güter im Voraus festlegt. Für einen Manager, der zufällig eine „unternehmerische Idee“ hatte, wäre daher die einzige mögliche Lösung zu versuchen, die zentrale Planungsbehörde davon zu überzeugen, dass das fragliche Gut auf anderem Wege ökonomischer und effektiver produziert werden könnte und sein Preis daher gesenkt werden kann. Natürlich wäre diese Aufgabe unausführbar, nicht nur aufgrund der Schwierigkeiten, praktisches, verstreutes, subjektives und unaussprechliches Wissen zu übermitteln – ein Problem, das wir zum wiederholten Male beachtet haben. Unausführbar wäre diese Aufgabe auch, weil die zentrale Planungsbehörde per definitionem und gemäß Langes Modell seine Demonstration der Inkompatibilität zwischen Marxismus und „Marktsozialismus“ und die simple Rationalisierung ad hoc und a posteriori, die daher irreführend so genannte „sowjetische Zentralplanung“ bedeutete, empfinden wir Roberts Analyse des Sozialismus als fehlerhaft. Denn sie ist nicht subjektivistisch genug, beruht also nicht auf einer Studie der Auswirkungen, die der systematische Gebrauch von Zwang für Menschen und gesellschaftliche Prozesse bedeutet. Des Weiteren ist es nicht genug, einfach die bestehenden Widersprüche zwischen dem Marxismus und Langes Modell aufzudecken, um das Letztere zu diskreditieren: Wenn Langes Modell eine „Hoffnung“ für viele Menschen wird, wird es notwendig sein, ihm mit stärkeren Argumenten als denen von Roberts entgegenzutreten. Zudem fügt Roberts das Konzept der unternehmerischen Funktion nicht ein. Sein Verständnis von der ursprünglichen Herausforderung und den Beiträgen von Mises und Hayek zu der Debatte sind schwach und verworren. Er zentriert seine Arbeit mehr auf Polanyis (aufgrund seiner überaus „objektivistischen“ Natur) nicht nur zufriedenstellende Analyse der „polizentrischen und hierarchischen“ Strukturen in der Gesellschaft als auf Polanyis Theorie der stillschweigenden, unaussprechlichen Natur des praktischen Wissens – eine Theorie, von der wir wissen, dass sie sehr viel relevanter für die theoretische Auseinandersetzung mit dem Sozialismus ist. Schließlich realisiert Roberts nicht, dass die Durchsetzung eines „nirwanaartigen“ sozialen Gleichgewichtsmodells von oben, das keine Veränderungen oder Anpassungen beinhaltet, vollkommen konsistent mit Marx’ Bestreben ist (die Eliminierung von Verfremdung, da Ursprung und Fortschritt jedes gesellschaftlichen Prozesses mit denjenigen identifizierbar wäre, die involviert sind, sowie die bewusste Richtung der Ökonomie). Wir sollten daher von der „verhängnisvollen Anziehungskraft“ nicht überrascht sein, die der Sozialismus (und Interventio­ nismus) normalerweise unter Gleichgewichtstheoretikern ausübt, obwohl wir mit Roberts darin übereinstimmen, dass die Verbindung mit Marx getrennt ist, sobald – wie mit der Einführung bestimmter Marktinstitutionen mit dem Modell des „wettbewerblichen Sozialismus“ – der Versuch unternommen wird, das Erreichen des Gleichgewichtes zu vereinfachen. Diese Inkompatibilität zwischen dem Allokationskriterium, das charakteristisch für den Markt und der traditionellen sozialistischen Ideologie ist, wurde kürzlich auch von Pawel H. Dembinski erklärt (siehe: The Logic of Planned Economy: The Seeds of the Collapse. Oxford: Clarendom Press, 1991, insbesondere S. 68 f.)

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Preise nur reduziert, wenn es a posteriori klar geworden ist, dass ein Produktionsüberschuss besteht, aber nicht, wenn ein mehr oder weniger „schlauer“ oder „origineller“ Manager glaubt, es wäre besser, Dinge in Zukunft anders zu machen.309 Alle diese Argumente können auch auf Langes zweite „Regel“ angewendet werden, so wie es das Argument tut, das Mises und Hayek bereits entwickelt haben, um dem versuchten Gebrauch der „Grenzkosten-Kriterien“ durch die deutschen Theoretiker Heimann und Polanyi entgegenzutreten, die ein auf „wettbewerblichen Monopolen“ oder „Kartellen“ basierendes Modell der sozialistischen Organisation vorschlugen. Erinnern wir uns daran, dass die Grenzkostenregel sinnlos ist. Denn es sind nicht die Kosten, welche die Preise determinieren, sondern in jedem Falle die Preise, welche die Kosten determinieren. Die Regel ist daher unbestimmt, ebenso jedes zirkuläre Argument. Zudem ist die Abschreibungsrate auf ein Kapitalgut eine der wichtigsten Komponenten der Kosten. Um Kosten zu kontrollieren, muss man den zukünftigen Wiederherstellungswert eines Kapitalguts wissen. Es wäre unmöglich, diese Information in dem System zu erhalten, das Lange vorschlägt, da der Wert von willkürlich gewählten parametrischen Preisen abhängt, die in der Zukunft etabliert werden müssen, oder von dem zukünftigen Ergebnis dieses willkürlichen Prozesses der Anpassung, der auf der von Lange vorgeschlagenen Trial-and-Error-Methode beruht.

309 „In

der Diskussion über diese Art von Problemen sowie in der Diskussion über so viele Bereiche der ökonomischen Theorie der Gegenwart wird die Frage häufig so behandelt, als wären die Kostenkurven objektiv gegebene Tatsachen. Was dabei vergessen wird ist, dass die Methode, die unter den gegebenen Bedingungen die billigste ist, etwas ist, das immer von Neuem von dem Unternehmer entdeckt werden muss, manchmal fast von Tag zu Tag. Trotz des starken Anreizes ist nicht immer der etablierte Unternehmer, der in Verantwortung für die bestehende Firma steht, derjenige, der entdecken wird, welche die beste Methode ist. Die Kraft, die in einer wettbewerblichen Gesellschaft die Reduktion des Preises zu den niedrigsten Kosten hervorbringt, zu dem die Menge zu diesen Kosten verkauft, produziert werden kann, ist die Möglichkeit für jeden, der eine günstigere Methode kennt, auf sein eigenes Risiko Kunden anzuziehen, indem er andere Produzenten unterbietet. Aber wenn Preise durch die Autorität fixiert werden, wird diese Methode ausgeschlossen. Jede Verbesserung, jede Anpassung der Produktionstechnik an veränderte Bedingungen hängt von der Fähigkeit von irgendeiner Behörde ab, etwa der S. E. C. (Surpreme Economic Council), zu akzeptieren, dass das fragliche Gut billiger produziert werden kann und der Preis deshalb verringert werden sollte. Da derjenige mit der neuen Idee keine Möglichkeit haben wird, sich zu etablieren, indem er den Preis unterschreitet, kann die neue Idee durch den Versuch nicht bewiesen werden, bis er die S. E. C. überzeugt hat, dass dieser Weg der Produktion billiger ist. Mit anderen Worten muss jede Kalkulation durch einen Außenstehenden, der glaubt, dass er etwas besser machen kann, durch eine Behörde geprüft und bestätigt werden, die in dieser Verbindung all die Funktionen des Unternehmers übernehmen wird.“ (F. A. Hayek: „Socialist Calculation III: The Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 196 f.) In seinem Artikel „Role of Planing in Socialistic Economy“ (Problems of Political Economy of Socialism) offenbart Lange, dass er dieses grundsätzliche Argument von Hayek nie verstanden hat. Und obwohl Lange die enormen praktischen Schwierigkeiten anerkennt, die damit verbunden sind, Preise aufgrund von Grenzkosten zu setzen, stellt er fest, dass die variablen Durchschnittskosten der Firmen mit den höchsten Kosten in jedem Sektor eine gute realistische Annäherung an dieses Ziel darstellen (S. 32 ff.). Lange versteht nicht, dass der praktische Ansatz, den er vorschlägt, eine rein willkürliche Figur ist, die aus der Interpretation der Vergangenheit abgeleitet wird und nichts mit dem Verständnis von Kosten zu tun hat, das für eine rationale Wirtschaftsrechnung wesentlich ist. Daher würde die Regel, die er vorschlägt, nur dazu dienen, Preise mit den nominalen „Kosten“ zu vergleichen, die übertrieben sind, da sie alle Arten von Ineffizienzen und Überflüssigkeiten beinhalten.

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Überdies schreibt Lange von „Grenzkosten“, als wären sie von der Zeitperiode unabhängig, die von einem Manager in der fraglichen Industrie in Betracht gezogen wird. Tatsächlich enthält die Literatur der Theoretiker des „Marktsozialismus“ eine radikale Unterscheidung zwischen der „kurzfristigen“ Regel (obwohl kurzfristig nicht definiert ist), die Preise mit den Grenzkosten zu vergleichen, und einer Theorie des „langfristigen“ Investments, in der Steigerungen und Abnahmen in der Ausstattung explizit mit einbezogen werden. Wenn das Ziel aber ist, eine praktische effektive Regel zu etablieren, und wenn eine Planungsbehörde diese Regel überwachen soll, dann ist es absolut notwendig, auch eine Zeitperiode zu benennen, die in jedem Fall explizit in jedem spezifischen Fall in Betracht gezogen werden muss, sodass es in Bezug auf diese Periode möglich wird zu wissen, welche Faktoren fix und welche variabel sind, damit die entsprechenden Grenzkosten errechnet werden können. Offensichtlich gibt es kein objektives rationales Kriterium, um zu entscheiden, welche Periode gewählt werden sollte. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Langes „Regel“, die wir hier diskutieren, unmöglich angewendet werden kann.310 Kurz gesagt strahlt Langes gesamter Vorschlag in Bezug auf die Kosten ein statisches Verständnis von Ökonomie aus, von der angenommen wird, dass keine Veränderungen auftreten und alle für die Berechnung von Kosten notwendigen Informationen bereits gegeben sind. Würden diese Umstände vorliegen, wären Langes „Regeln“ anwendbar, wenn wir keine zukünftigen Veränderungen annehmen könnten, die die zukünftigen Kosten beeinflussen. In der realen Welt jedoch, in der Informationen nicht vorgegeben sind und in der Kosten subjektiv sind und sich ständig ändern, kann keine der beiden von Oskar Lange formulierten Regeln den Sozialismus möglich machen.311 5.  Die theoretische Unmöglichkeit der Trial-and-Error-Methode Fünftens gibt Lange in seinem Modell der Anwendung der Trial-and-Error-Metho­ de einen so hohen Stellenwert, dass wir keine andere Möglichkeit haben, als zu diesem Thema zurückzukehren. Obwohl die Argumente, die wir bereits angebracht haben, sicherlich genügen, um zu zeigen, dass Langes „Lösung“ unmöglich ist, sind wir dazu verpflichtet, noch einmal jeden der neuen Kritikpunkte gegen die 310 Zu

diesem Thema notierte Abram Bergson: „In der Praxis dürfen wir nicht mit einzigartigen Grenzkosten für ein gegebenes Outputlevel rechnen, sondern mit einem ganzen Komplex von Grenzkosten, von denen die einzelnen Grenzkosten passend zu einer entsprechenden Zeitperiode sind. Je länger die Zeitperiode in Betracht gezogen wird, desto mehr ‚fixe Faktoren‘ werden variabel.“ (Abram Bergson: „Socialist Economics“, in: A Survey of Contemporary Economics. Hrsg. von Howard S. Allis. Illinois: Richard D. Irwin, 1948, S. 427.) 311 Von Don Lavoie kommt vielleicht die einfachste Erklärung zu diesem Punkt: „Die Regel MC = P wird die Verteilung innerhalb eines gegebenen Rahmens von Mitteln und Zielen so lange opti­ mieren, wie zukünftige Kosten erwartungsgemäß gleich den gegenwärtigen Kosten sind. Dies ist eine Welt statischer Erwartungen, die in einer statischen Welt auch begründet sind. In einer Welt des ständigen Wandels jedoch muss ein Unternehmer versuchen, Nachfrage zu antizipieren, Erwartungen aufzubauen und daraufhin zu handeln. Er sollte seine Kosten auf der Basis der spezifischen Alternativen bewerten, die ihm zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehen. Sowohl seine Gewinnschätzung als auch seine Kostenschätzung hängen von seinen Erwartungen zum Zeitpunkt der Entscheidung ab.“ (Rivalry and Central Planning, S. 141.)

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Trial-and-Error-Methode, die wir im letzten Kapital im Detail vorgebracht haben, anzusprechen. Erinnern wir uns insbesondere daran, dass die „Regel“, das Inventar zu beobachten, um Überschüsse oder Knappheiten zu identifizieren und Preise entsprechend zu verändern, ausgesprochen simpel ist. Denn es gibt keinen objektiven Referenzpunkt, um eine solche Beobachtung zu orientieren, und es ist auch nicht möglich, die notwendigen Informationen zu generieren und zu übermitteln, um Preise in die richtige Richtung zu verändern. Tatsächlich kann weder eine Knappheit noch ein Überschuss von Produkten objektiv erkannt werden, indem man bestimmte statistische Zahlen des Bestands anschaut. Stattdessen existiert eine „Knappheit“ oder ein „Überschuss“ unabhängig von den Berechnungen, die sich in einer Statistik widerspiegeln, wenn der Akteur abhängig von den spezifischen Umständen des Falls subjektiv beurteilt, dass ein Überschuss oder eine Knappheit besteht. Ein „Produktüberschuss“ ist eventuell keiner, wenn man subjektiv eine längere Zeitperiode in Betracht zieht oder eine Steigerung der Nachfrage in dieser Periode erwartet. Unter diesen Umständen wäre es für die zentrale Planungsbehörde ein gravierender Fehler, die parametrischen „Preise“ zu reduzieren in der Vorstellung, dass sie dies näher zu dem hypothetischen Gleichgewichtspreis brächte, der sich im Markt einstellen würde. Genauso könnte eine scheinbare „Knappheit“ gar keine sein, wenn man einen Nachfrageverlust erwartet oder (wenn auch irrtümlicherweise) glaubt, dass es ratsam ist, sich auf Innovationen zu fokussieren oder Substitute zu gebrauchen, anstatt den Preis zu heben. Da die Konzepte von „Überschuss“ und „Knappheit“ rein subjektiv sind, können sie nur im Kontext einer unternehmerischen Handlung entstehen, die frei ausgeübt wird; sie konstituieren ein Stück der subjektiven, praktischen, verstreuten und unaussprechlichen Information, die daher nicht auf eine zentrale Planungsbehörde übertragen werden kann. Wie wir bereits wissen, kann außerdem die wichtige Information für rationale ökonomische Kalkulation noch nicht einmal entstehen, wenn Manager ihre unternehmerische Funktion nicht in vollständiger Freiheit ausüben können. Die Entscheidung der zentralen Planungsbehörde, Preise zu heben, wenn Produktknappheiten „beobachtet“ werden, und Preise zu senken, wenn Produktüberschüsse „erkannt“ werden, sind vollkommen willkürlich und erlauben keinesfalls eine rationale Wirtschaftsrechnung. In der realen ökonomischen Welt gibt es keine Angebots- und Nachfragefunktionen, die mysteriöserweise objektiv die angebotenen und nachgefragten Mengen zu jedem Preis aufzeigen und es einem außenstehenden Beobachter ermöglichen, durch einfache Beobachtung der Güter zu bestimmen, wie die Preise zu verändern sind, um den Gleichgewichtspreis zu erreichen. Preise resultieren nicht aus dem Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragefunktionen, sondern sie entstehen aus einer Reihe menschlicher Interaktionen, die durch die Kraft der unternehmerischen Funktion angetrieben werden, durch die Akteure ständig versuchen, die Zukunft zu prognostizieren und ihre Aktionen so zu gestalten, dass sie das Beste aus diesen Umständen machen. Im Kapitalgütersektor ist die von Lange vorgeschlagene Methode zudem in vielen Fällen theoretisch bereits an der Wurzel unanwendbar, wie es ohne Zweifel für

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ein typisches Ausstattungsgut zutrifft, das speziell in kleineren Mengen produziert wird, im Gegensatz zu standardisierten Kapitalgütern, die auf einer großen Skala produziert werden. Wir können nicht verstehen, wie Oskar Lange glauben konnte, dass es selbst hypothetisch möglich sei, dass man im Falle von Ausstattungsgütern, wie etwa großen Industrieanlagen, großem Immobilieneigentum, Schiffen oder speziellen Reaktoren, objektiv einen Überschuss oder eine Knappheit des fraglichen Gutes identifizieren könnte, indem man einfach Veränderungen im Inventar beobachtet. Wenn die Entscheidung, die Preise zu verändern, um die Anzahl der Jahre verschoben wird, die notwendig sind, um das Ausmaß der beobachteten Knappheit akkurat zu ermessen, dann wird es in der Zeit, die es braucht, um die angemessene Entscheidung zu treffen, ohne Zweifel zu spät sein. Werden die Entscheidungen hastig auf Grundlage der Intuition der zentralen Planungsbehörde getroffen, werden höchstwahrscheinlich schwere und nicht wiedergutzumachende Fehler auftreten.312 Schließlich erlaubt Langes Modell zwei verschiedene Möglichkeiten: Entweder kommen alle Transaktionen zu einem Stillstand, während die zentrale Planungsbehörde bestimmt, ob ein Überschuss oder eine Knappheit existiert und welche Preise verändert werden sollten, und die Richtung und Summe dieser Veränderungen festlegt. Oder Transaktionen werden zu „falschen Preisen“ gestattet. Im ersten Fall, den wir analysiert haben, als wir das planometrische Modell studiert haben, hält jede Form von ökonomischer Aktivität an, und während dieser Periode verliert das System jede Flexibilität und Möglichkeit zur Wirtschaftsrechnung. Lange scheint an diese Möglichkeit nicht gedacht zu haben, aber was er nicht realisierte: Sind Transaktionen zu „falschen Preisen“ erlaubt, wird eine Reihe von gestörten Signalen an das ganze System gesendet und das Erreichen des „Gleichgewichts“ verhindert, das Lange doch so begehrt. Dieses Problem entsteht in einer echten Marktwirtschaft nicht, in der unkoordinierte Transaktionen für Unternehmer eigentlich einen Anreiz bieten, diese Fehlkoordination immer mit Blick auf 312 Wie

Hayek schreibt: „Ich glaube, dass die Sorge um das Verständnis reiner ökonomische Theorie unsere beiden Autoren [Lange und Lerner] ernsthaft irregeführt hat. In diesem Fall ist es das Konzept des perfekten Wettbewerbs, das sie dazu geführt hat, ein sehr wichtiges Feld zu übersehen, in dem ihre Methode schlicht unanwendbar scheint. Wo immer wir einen Markt für ein ziemlich standardisiertes Gut haben, ist es zumindest vorstellbar, dass alle Preise für eine bestimmte Periode bereits im Vorfeld von oben erlassen werden. Die Situation stellt sich allerdings ganz anders dar in Bezug auf Güter, die nicht standardisiert werden können, und insbesondere auf solche, die heute auf individuellen Wunsch etwa nach einer Ausschreibung für ein Angebot produziert werden. Ein großer Teil der Produkte der Schwerindustrie, die natürlich die Ersten wäre, die sozialisiert würde, gehören in diese Kategorie. Viele Maschinen, die meisten Gebäude und Schiffe und viele Teile anderer Produkte werden selten für einen Markt, sondern nur aufgrund eines speziellen Vertrages produziert. Dies bedeutet nicht, dass es in dem Markt für die Produkte dieser Industrien keinen intensiven Wettbewerb gäbe, obwohl es vielleicht kein „perfekter Wettbewerb“ im Sinne der reinen Theorie ist. Die Tatsache ist einfach, dass in diesen Industrien identische Produkte sehr selten zweimal innerhalb eines kurzen Intervalls erzeugt werden und der Produktionszyklus, der mit alternativen Anbietern konkurriert, in jedem individuellen Fall ein anderer sein wird, genauso wie sich der Kreis der potenziellen Konsumenten, der um die Dienstleistung einer speziellen Fabrik konkurriert, von Woche zu Woche unterscheidet. Welche Grundlage gibt es in all diesen Fällen, um die Preise des Produktes so zu fixieren, dass sich Angebot und Nachfrage ausgleichen?“ („Socialist Calculation III: The Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 188 f.)

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die Gewinnmöglichkeit zu entdecken und zu nutzen. Ohne die Freiheit für alle ökonomischen Akteure, die unternehmerische Funktion auszuüben und ständig Gewinn zu verfolgen, gibt es keine Garantie, dass ein allgemeiner koordinierender Prozess, der das Verhalten aller Teilnehmer anpasst, in einem System etabliert werden kann. Dies erscheint als etwas, das Lange nie verstanden hat. 6.  Die willkürliche Fixierung des Zinssatzes Sechstens ist es wichtig hervorzuheben, dass die Fixierung des Zinssatzes (verstanden als der Preis des gegenwärtigen Gutes in Bezug zu dem zukünftigen Gut oder als das Verhältnis zwischen dem Wert, der dem gegenwärtigen Konsum zugemessen wird, und dem Wert, der dem zukünftigen Konsum zugeschrieben wird) in Langes sozialistischem Modell vollkommen willkürlich sein wird. Sparer oder Anbieter von gegenwärtigen Gütern werden daran gehindert, eine rationale ökonomische Entscheidung über die Allokation ihrer Ressourcen zwischen gegenwärtigem und zukünftigem Konsum zu treffen – sowohl aufgrund des eingeschränkten „Menüs“ gegenwärtiger Güter, die das System ihnen bereitstellt, als auch wegen der Unmöglichkeit, Konsumgüter und Dienstleistungen zu deren zukünftiger Verfügung in gleicher Vielfalt und Fülle bereitzustellen, wie sie in einem System generiert wird, in dem unternehmerische Funktion frei ausgeübt werden kann, um eine wachsende Anzahl von Bedürfnissen zu entdecken und zu befriedigen. Zudem nehmen wir an, dass die zentrale Planungsbehörde nicht darauf besteht, Regel zum „Zwangssparen“ einzuführen, wie es üblicherweise zum umfassenden Schaden der Konsumenten getan wird. Sogar noch ernster, wenn das noch möglich ist, stellt sich das Problem aus der Perspektive der Nachfrager gegenwärtiger Güter dar. Es sind die Manager unterschiedlicher sozialistischer Firmen, die gegenwärtige Güter nachfragen müssen, um ihre Investmentpläne zu realisieren. Sie müssen Arbeit einstellen und die notwendigen natürlichen Ressourcen und Kapitalgüter beschaffen, um die unterschiedlichen Produktionsstufen von Kapitalgütern zu erzeugen, mit denen es in der Zukunft möglich sein wird, Konsumgüter und Dienstleistungen zu produzieren. Hier wiederum können wir das Problem deutlich sehen, das im theoretischen Herzen unserer These liegt: Da diese Manager ihre unternehmerische Funktion nicht frei ausüben können, werden sie nicht einmal die praktischen Informationen kreieren, die sie brauchen, um rational ihre Ressourcen zu allozieren.: Weil sie mit anderen Worten die Gewinne aus ihren entsprechenden unternehmerischen Projekten nicht ernten können, werden sie erst gar nicht die notwendigen Ideen kreieren. Zudem wird es der zentralen Planungsbehörde, insbesondere der verantwortlichen Staatsbank, überlassen sein, entsprechende Vermögen zu verteilen und zu entscheiden, welchem Manager letztlich ein Kredit in welcher Höhe und zu welchen Bedingungen gewährt wird. Dies bedeutet, dass die letztendliche Entscheidung in den Händen von Menschen liegt, die keine praktischen Informationen aus erster Hand besitzen, um diese Entscheidung zu treffen (nicht nur, weil diese Information auf der Ebene der Manager gar nicht geschaffen wurde, sondern auch, weil sie grundsätzlich subjektiv, praktisch, verstreut und von unaussprechbarer Natur die Übertragung

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auf eine zentrale Planungsbehörde verhindern würde, selbst wenn sie geschaffen würde). Die Wirtschaftsrechnung, die zu dem Zeitpunkt geleistet wird, zu dem die Entscheidungen von der zentralen Planungsbehörde, die das Vermögen verteilt, getroffen werden, wird deshalb rein willkürlich sein. Kurz gesagt verhindert Oskar Langes Modell die Existenz eines echten Kapitalmarktes und insbesondere eines Marktes für Wertpapiere, die das Eigentum an Firmen repräsentieren. Wie Lachmann angedeutet hat,313 ist dies ohne Zweifel der größte Fehler in Langes Gesamtmodell. 7.  Die Ignoranz des typischen Verhaltens bürokratischer Agenturen Siebtens und letztens kann Oskar Langes Modell nicht funktionieren, weil es das tatsächliche zukünftige Verhalten der unterschiedlichen ökonomischen Akteure nicht berücksichtigt, insbesondere nicht das der Manager nationalisierter Firmen und der verantwortlichen Bürokraten der zentralen Planungsbehörde innerhalb des institutionellen Rahmens, der in dem Modell selbst etabliert wird. In Langes Modell ist Wirtschaftsrechnung theoretisch nicht möglich, weil es die Existenz wahrer Unternehmer, wie wir sie in Kapitel 2 definiert haben, nicht zulässt. Dieses Problem haben wir nun aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Doch wir haben uns noch nicht mit den spezifischen Verhaltensweisen auseinandergesetzt, die in Langes Modell zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren entstehen würden. Die Aufgabe, die vor uns liegt, besteht darin, in unserer Analyse den Gesichtspunkt der Public-Choice-Schule einzuführen, die in den vergangenen Jahren eine weitreichende Entwicklung genommen hat und speziell auf die Analyse von Prozessen menschlicher Interaktionen im politischen und bürokratischen Kontext fokussiert, in dem per definitionem erzwungene institutionelle Beziehungen vorherrschen. Dies im Hinterkopf sollten wir die folgende Kritik von James Buchanan in Betracht ziehen, die er an Lange dafür übte, dass dieser die wohl wichtigste Facette des gesamten Problems nicht untersucht hat: wie ökonomische Akteure sich innerhalb des institutionellen Rahmens verhalten würden, den er entworfen hat: „In der dritten Dekade dieses Jahrhunderts hatte sich die ökonomische Theorie in eine Disziplin der angewandten Mathematik verwandelt und nicht in Katallaktik. Selbst Märkte wurden als Mechanismen gesehen, die idealisierte Allokationsergebnisse vielleicht sicherstellen oder auch nicht. Märkte wurden nicht grundsätzlich als Austauschinstitutionen verstanden, deren Ergebnisse aus komplexen Austauschbeziehungen entstehen. Nur in diesem modernen Paradigma der ökonomischen Theorie konnte die völlige Absurdität der idealisierten sozialistischen 313 „Die

Börse ist vielleicht die charakteristischste von allen Institutionen der Marktwirtschaft […] Was den Kapitalismus wirklich von einer sozialistischen Ökonomie unterscheidet, ist nicht die Größe des Privatsektors einer Volkswirtschaft, sondern die Möglichkeit des Individuums, frei Aktien von den materiellen Produktionsressourcen zu kaufen und zu verkaufen. Deren Unfähigkeit, ihre Einfallsgabe in diesem Bezug zu nutzen, ist vielleicht die wichtigste Behinderung, die Bürger einer sozialistischen Gesellschaft erleiden.“ (Ludwig M. Lachmann: „Methodological Individualism and the Market Economy“, in: Capital, Expectations and the Market Process. Kansas: Sheed, Andrews and McNeel, 1977, S. 161.)

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Struktur Langes und Lerners ernst genommen werden, tatsächlich leider auch bei praktizierenden Ökonomen. Wir mögen uns fragen, warum Ökonomen nicht aufhörten, darüber Fragen zu stellen, warum sich sozialistische Manager nach idealisierten Regeln verhalten hätten. Wo sind die ökonomischen Eunuchen, die dieses System führen sollen?“314 Die Grundlagen der Public-Choice-Schule wurden ohne Zweifel von Mises selber gelegt, als er Ökonomie als eine sehr weite Wissenschaft begriff, die sich damit beschäftigt, theoretisch alle Prozesse der menschlichen Handlung zu studieren. Auf diese Weise brachte Mises Wissenschaftler dazu, anzufangen, ökonomische Analyse auf menschliches Verhalten zu übertragen, das außerhalb des Marktes stattfindet, verstanden im strikten, traditionellen Sinne, zum Beispiel in der politischen oder bürokratischen Sphäre. Innerhalb dieses Kontextes müssen wir Mises’ Pionierarbeit über die Bürokratie erwähnen, die im Jahr 1944 publiziert wurde und in der er zum ersten Mal zeigt, dass Bürokratie in allen gesellschaftlichen Sphären entstehen muss, in denen freier unternehmerischer Drang nach Gewinn verboten ist.315 In dieser Arbeit entdeckt Mises auch viele Punkte, die spätere Wissenschaftler, unter ihnen der ungarische Ökonom János Kornai, in größerer Tiefe in ihrer ökonomischen Analyse des wahren Funktionierens der früheren Ostblockökonomie erforschen. Es ist erhellend, Kornais eigene Schlussfolgerungen zu lesen, die er aus Langes Modell vom Standpunkt der Public-Choice-Schule zieht. Die Schlussfolgerungen beinhalten das Verhalten der zentraler Planungsbehörde und der Manager der entsprechenden Firmen. Kornai schreibt: „Langes Modell basiert auf fehlerhaften Annahmen in Bezug auf die Natur der Planer. Die Menschen in seiner zentralen Planungsbehörde sind Reinkarnationen von Platos Philosophen, Verkörperungen von Einheit, Selbstlosigkeit und Weisheit. Sie sind damit zufrieden, nicht mehr zu tun, als strikt die ‚Regel‘ einzuhalten, Preise der Nachfrage anzupassen. Eine derart unweltliche Bürokratie hat in der Vergangenheit niemals existiert und wird auch in der Zukunft niemals existieren. Politische Bürokratien haben innere Konflikte, welche die unterschiedlichen Gesellschaftsbereiche reflektieren und unterschiedliche Einflüsse von sozialen Gruppen widerspiegeln. Sie verfolgen ihr eigenes individuelles Interesse oder Gruppeninteresse, einschließlich der Interessen der entsprechenden spezialisierten Behörde, der sie angehören. Macht schafft eine unwiderstehliche Verführung dazu, von ihr Gebrauch zu machen. Ein Bürokrat muss ein Interventionist sein, weil dies seine Rolle in der Gesellschaft ist; es wird durch seine Situation diktiert. […] Langes Modell beruht auf einer gleichsam falschen Annahme in Bezug auf das Verhalten einer Firma. Er erwartet, dass die Firma der Regel folgt, die vom Systemingenieur entworfen wurde. Aber die Gesellschaft ist kein Gesellschaftsspiel, bei dem der Erfinder des Spiels willkürlich Regeln erfinden kann. Organisationen und Führer, 314 Siehe

James M. Buchanan: „The Public Choice Perspective“, Kapitel 3 von Liberty, Market and State: Political Economy in the 1980’s. Sussex: Harvester Press, 1986, S. 25. Siehe auch den Artikel von David M. Levy: „The Bias in Centrally Planned Prices“, Public Choice 67, Nr. 3 (Dezember 1990), S. 213 – 226. 315 Ludwig von Mises: Bureaucracy. New Rochelle: New York: Arlington House, 1944.

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die sich mit ihren Organisationen identifizieren, haben tief verwurzelte Anreize: Überleben, Wachstum, Expansion der Organisation, innerer Frieden in der Organisation, Macht und Prestige, die Schaffung von Umständen, die das Erreichen all dieser Ziele einfacher machen. Ein künstliches Anreizschema, unterstützt durch Belohnungen und Strafen, kann übergestülpt werden. Dieses Schema unterstützt vielleicht einige der gerade eben erwähnten Motive. Aber wenn es mit ihnen in Konflikt gerät, folgt Unschlüssigkeit. Die Führer der Organisation werden versuchen, diejenigen zu beeinflussen, die das Anreizschema eingeführt haben. Oder sie werden versuchen, es zu vermeiden. Was aus dieser Prozedur folgt, ist nicht ein erfolgreich simulierter Markt, sondern der übliche Konflikt zwischen dem Regulator und der durch die Bürokratie regulierten Firma.“316 Hayek hat diese Probleme in seiner Antwort auf Lange 1940 ebenfalls identifiziert. Genau genommen zeigte er, dass Langes Modell immer zu der schlimmsten Form von Bürokratie führen wird, da die zentrale Planungsbehörde verpflichtet wäre, die Befolgung von Regeln durch die Manager zu überwachen, deren Einhaltung aber gar nicht objektiv überwacht werden kann. Überall im System grassierten willkürliche Entscheidungen der zentralen Planungsbehörde und „perverse“ Verhaltensformen von Managern, die fest dazu entschlossen wären, zumindest auf dem Papier die Befolgung der etablierten Regeln zu zeigen und sich selbst alle Formen von korrupten Praktiken, Verbindungen und Unterstützungen innerhalb der Planungsbehörde zu sichern.317 Des Weiteren erkannte Lange selber diese Probleme zumindest teilweise an und kam sogar zu der Schlussfolgerung, dass „die wahre Gefahr des Sozialismus in der Bürokratisierung des ökonomischen Lebens liegt“318. Trotzdem zeigt Lange, dass er das Ausmaß der Gefahr nicht erkennt, wenn er bereits in der nächsten Zeile hinzufügt, dass diese Gefahr nicht größer sein könne als in einem kapitalistischen System, in dem unternehmerische Manager, die die Entscheidungen treffen, praktisch zivile Beamte sind, da sie normalerweise nicht die Eigentümer des Kapitals sind und niemandem Rechenschaft ablegen müssen. Es wäre schwierig, mit einer noch engeren und fehlerhafteren Konzeption von Kapitalismus aufzuwarten. Alle echten Marktwirtschaften sind durch die komplette Freiheit der unternehmerischen Funktion charakterisiert, unabhängig davon, wer sie in der Position des Anführers zu einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Bedingungen ausübt (Aktienbesitzer, Manager o. Ä.). Diese Sache ist so abhängig von historischen Umständen, wie sie theoretisch irrelevant ist. Im Gegensatz dazu ist in einem sozialistischen System jeder zwangsweise daran gehindert, die unternehmerische Funktion frei auszu­üben – zumindest auf dem Gebiet der Kapitalgüter. Und das Fällen grundsätzlicher Entscheidungen ist von den einzigen Leuten getrennt, die im Kontext

316 János

Kornai: „The Hungarian Reform Process“, S. 1726 f. (dieser Artikel wurde wiederveröffentlicht in Kapitel 5 des Buches Vision and Reality: Market and State. New York: Harvester, 1990). 317 F. A. Hayek: „Socialist Calculation III: The Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 198 f. 318 Oskar Lange: „On the Economic Theory of Socialism“.

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der unternehmerischen Freiheit notwendige Informationen kreieren und schaffen könnten, um diese Entscheidungen korrekt zu treffen. Jedenfalls reichte Lange seine Sorge über die Bürokratisierung des Sozialismus seinen Schülern weiter, die einen ganzen Literaturbestand über die Ausgestaltung und Etablierung eines Anreizsystems von „Boni“ produzierten. Diese Anstrengungen haben das Problem nicht gelöst, und in der Praxis haben sich solche Systeme als Totalausfälle herausgestellt, und dies trotz der großen Hoffnung, die sie damals auslösten – Hoffnungen, an die sich heute keiner mehr erinnert.319 Das Bonus- und Anreizsystem, das dazu geschaffen wurde, den Sozialismus funktionsfähig zu machen, ist in sich selber von einem theoretischen Standpunkt aus unpraktikabel. Denn es würde erfordern, dass die zentrale Planungsbehörde, welche die Verantwortung dafür trägt, Anreize anzubieten und Boni zu verteilen, a priori Zugang zu Wissen hat, das sie unmöglich besitzen kann. Tatsächlich impliziert die Idee, dass eine dritte Partei Anreize und Boni erstellen kann, die Annahme, dass diese Partei bereits weiß, welche neuen Produktionssysteme erfolgreich eingeführt werden, welches neue Gut oder welche Dienstleistung erfolgreich produziert wird oder welche Regel erfolgreich befolgt wird, wenn sie den Bonus oder die Gebühr erhebt. Trotzdem kann die zentrale Planungsbehörde dieses Wissen aus Gründen, die wir bereits wiederholt in diesem Buch erwähnt haben, unmöglich erlangen. Die Koordinierung von fehlangepasstem Verhalten in der Gesellschaft lässt sich nicht objektiv und direkt von außerhalb beobachten, sondern sie konstituiert einen Prozess, über den man nur formal theoretisieren kann, indem man andeutet, dass das Entstehen von unternehmerischen Gewinnen eine derartige Koordination herbeiführen wird, die nicht direkt beobachtbar ist. Wenn überdies die koordinierenden Effekte in jeder spezifischen Situation nicht direkt erkennbar sind und sich in dem gegebenen Fall dem außenstehenden Beobachter erst nach langen Zeitsprüngen und nur in allgemeinen Bedingungen und auf eine sehr vage unperfekte Weise manifestieren, dann ist dies offensichtlich: Das gesamte System der Boni und Anreize, das objektives Wissen über Vorkommnisse voraussetzt, kann weder theoretisch noch praktisch nützlich sein, um das Funktionieren eines unternehmerischen Prozesses zu simulieren, der von der Aussicht auf Gewinne angetrieben wird – ein Ansinnen, das in jeder echten wettbewerblichen Marktökonomie vorkommt. Außerdem ist es theoretisch absurd, Boni auf Grundlage der Annahme zu verteilen, dass ein Teil besonders wertvoller Informationen bereits geschaffen wurde, da es bereits bekannt war, dass diese Information geschaffen wurde, bevor der Bonus garantiert wurde.320 Mit anderen Worten ist der Punkt nicht, eine „geleistete 319 Es wäre eventuell hilfreich, sich an die folgenden Arbeiten zu erinnern: Martin L. Weitzman: „The

New Soviet Incentive Modell“, Bell Journal of Economics 7, Nr. 1 (Frühling 1976), S. 251 – 257; Vinson Snowberger: „Comment of the New Soviet Incentive Modell“, in: Bell Journal of Economics 8, Nr. 2 (Herbst 1977); sowie William G. Rosenberg: „Observations on the Soviet Incentive System“, in: ACES Bulletin 19, Nr. 3 – 4 (1977), S. 27 – 43. 320 Wir verdanken diese wichtige Idee über die Irrelevanz des Systems der Boni und der Anreize in einem sozialistischen System Israel M. Kirzner, der sagt: „Manager für das Erfüllen von Zielvorgaben zu belohnen, setzt voraus, dass es bereits bekannt ist, dass mehr von diesem Output dringend von der Gesellschaft benötigt wird […] Aber wenn dieses bereits als bekannt vorausgesetzt wird, dann definieren wir schlicht den Bedarf einer unternehmerischen Entdeckung weg […].“

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Dienstleistung“ zu belohnen, sondern Menschen eine mächtige Motivation dafür anzubieten, in der Zukunft wichtige Informationen zu kreieren und zu entdecken, die heute noch nicht gesammelt wurden (und da sie noch nicht bekannt sein können, kann sich niemand vorstellen, dass sie existieren, noch den Wert ermessen, den sie haben; und daher kann ein entsprechendes Bonussystem nicht aufgestellt werden). Wir brauchen deshalb ein „System von Anreizen und Boni“, das in der Zukunft in allen Fällen zum Einsatz kommt, in denen Handlungen einen koordinierenden Effekt ausüben, und zwar selbst dann, wenn das objektive Ergebnis dieser Anpassung oder Koordinierung nur für einen Dritten ganz offensichtlich werden mag oder vielleicht nur teilweise und nach einer längeren Zeitperiode erkannt wird. Dies ist etwas, das nur in einer wettbewerblichen Ökonomie passieren kann, in der es Privateigentum an Produktionsmitteln gibt und die Menschen die vollständige Freiheit der unternehmerischen Funktion genießen. Wie wir bereits wissen, konstituiert unter diesen Umständen das subjektive Ziel jeder Handlung das Motiv oder den Gewinn, den die Handlung abwerfen soll. Und dieses Ziel rechtfertigt die Handlung, ruft die Schaffung der notwendigen Information hervor und wird, sobald es erreicht ist, der wahre Gewinn für den Akteur. Der subjektive Effekt dieses Gewinns kann nicht mit irgendeinem künstlichen System von „Boni“ gleichgesetzt werden, unabhängig davon, wie gut „ausgestaltet“ oder „perfekt“ es ist. Andere Kommentare zu Langes klassischem Modell Unsere kritische Betrachtung von Langes klassischem Modell wäre nicht komplett ohne eine Begutachtung der Behauptung, die er auf den Seiten 89 und 106 des Artikels macht, der uns hier bewegt. Auf Seite 89 behauptet Lange, dass die Kenntnisse zentraler Planer in Bezug auf das ökonomische System dem Wissen jedes einzelnen privaten Unternehmers immer weit überlegen seien. Daher finde der Anpassungsprozess durch die staatliche Trial-and-Error-Methode sehr viel schneller statt als in einem kapitalistischen System. Es ist schwierig, ein ärmeres Verständnis vom Funktionieren des kapitalistischen Systems zu finden als das, welches Lange offenbart, wenn er diese Idee in seinem Artikel in aller Ernsthaftigkeit formuliert. Obwohl die zentrale Planungsbehörde vielleicht einen Überblick über die Volkswirtschaft hat, der etwas akkurater ist als der eines individuellen Unternehmers, ist das eigentliche Problem ein ganz anderes, nämlich, dass die zentrale Planungsbehörde nie einen Zugang zu dem gesamten Umfang der verstreuten Informationen hat, die das gesamte Netzwerk von Abertausend Unternehmern ständig und spontan generiert, nutzt und in das kapitalistische ökonomische System überträgt. Das Problem ist daher nicht, das Wissen der zentralen Planungsbehörde mit dem Wissen eines einzelnen individuellen UnKirzner gelangt zu der Schlussfolgerung: „Anreize für sozialistische Manager die wesentliche Rolle unternehmerischer Entdeckung ignorieren.“ (Discovery and the Capitalist Process, S. 34 f.) Wir werden zu dem Thema Etablierung von Boni und Anreizen zurückkehren, wenn wir im nächsten Kapitel die entsprechenden Vorschläge, die von Dickinson angeboten werden, diskutieren und eine Reihe von weiteren Faktoren behandeln, die auch hier voll anwendbar sind.

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ternehmers zu vergleichen, sondern mit dem, das durch das gesamte Netzwerk der Unternehmer, welche die unternehmerische Funktion in einer freien Gesellschaft frei ausüben, geschaffen und gebraucht wird. Der Anpassungsprozess wird in einem sozialistischen System nicht nur nicht kürzer sein, sondern er wird auch nie erfolgreich sein, weil die Planungsbehörde unmöglich die notwendigen Informationen erhalten kann, um die Preise hin zum hypothetischen „Gleichgewicht“ zu bewegen. Jedenfalls können wir nicht nachvollziehen, wie Lange glauben konnte, dass sein Anpassungsprozess notwendigerweise kürzer und effektiver als der einer Marktwirtschaft sein könnte, da in seinem Modell die Manager die parametrischen Preise von Kapitalgütern einfach passiv anpassen würden und kein Preis ohne den Beschluss der zentralen Planungsbehörde verändert werden könnte. Mit anderen Worten: Bis die notwendige „Information“ empfangen und verarbeitet und eine Entscheidung darüber getroffen wurde, was getan werden soll, könnten Manager ihr Verhalten in Bezug auf die Preise nicht verändern – etwas, das Unternehmer in einem kapitalistischen System tun können und auch ständig tun, indem sie direkt Gewinnmöglichkeiten nutzen, die sie ständig vorfinden, und wodurch der Anpassungsprozess ohne unnötige Zeitverschwendung ausgelöst werden kann. Auf Seite 106 behauptet Lange, dass ökonomische Zyklen in seinem Modell beseitigt seien. Er argumentiert, dass die „überlegenen Informationen“ der überwachenden Behörde es dieser ermöglichen würden, zeitnah auf unternehmerische Fehler zu reagieren und damit eine zyklische ökonomische Krisenbewegung zu verhindern, die Marktwirtschaften beeinflussen. Wenn Lange jedoch glaubt, dass die Überwachungsbehörde Zugang zu genügend Informationen hat, die es ihr erlauben, gegebenenfalls Maßnahmen zur Verhinderung einer Krise zu ergreifen, warum möchte er dann Manager damit betrauen, dezentralisiert Entscheidungen in wichtigen Gebieten der Gesellschaft zu treffen (z. B. Konsumgüter, Arbeit und Anpassung zum parametrischen Preis)? Zudem lässt Lange eine adäquate Theorie ökonomischer Depressionen vermissen, die Mises und Hayek321 schlicht als den Zustand sehen, in dem sich die produktive Struktur neu anpasst, nachdem sie durch Staatsinterventionismus (fiskalisch, monetär oder in irgendeiner anderen Form) gestört wurde. Aus dieser Perspektive wäre eine Wirtschaftskrise eine unvermeidbare Reaktion des Marktes auf jede zwangsweise Beanspruchung der Ressourcen und produktiven Faktoren, die nicht mit freien Konsumentenpräferenzen übereinstimmen. Dies passiert nur in einer kontrollierten Volkswirtschaft, in der Aggressionen der Regierung (monetär, fiskalisch oder in einer anderen Form) umfassende Fehlinvestitionen von Ressourcen verursachen. Von diesem Standpunkt aus wird Langes Modell nicht nur darin versagen, Depressionen zu verhindern. Es würde immer auch intensive, chronische und weitverbreitete Fehlinvestitio321 Mises

und Hayek entwickelten die „Österreichische Theorie der Konjunkturzyklen“ parallel zu ihrer Analyse der sozialistischen Wirtschaftsrechnung, wodurch sich erklärt, warum der gemeinsame Nenner in den diskoordinierenden Effekten liegt, die durch staatliche Aggression im Markt provoziert werden. Für eine Zusammenfassung der wichtigsten Arbeiten über die „Österreichische Theorie der Konjunkturzyklen“ siehe unseren Artikel: „La Teoría austriaca del ciclo económico“, in: Moneda y Crédito Nr. 152 (März 1980), auch enthalten in unserem Buch: Lecturas de economía Política. Madrid: Unión Editorial, 1986, S. 241 – 256.

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nen gesellschaftlicher produktiver Faktoren und Kapitalgüter verursachen. Folglich würde die Gesellschaft in eine „chronische Depression“ oder eine ständige Fehlinvestition produktiver Ressourcen gestürzt – ein Phänomen, das sich in der echten Welt manifestiert hat, inklusive Anzeichen zyklischer Störungen, und sehr detailliert studiert wurde322 von Theoretikern aus Volkswirtschaften des früheren Ostblocks.323

6.6 Die dritte und vierte Phase in Langes wissenschaftlichem Leben Die dritte Phase: die 1940er-Jahre Oskar Lange war zutiefst überrascht von Hayeks Artikel von 1940, in dem dieser detailliert und Punkt für Punkt die unterschiedlichen Elemente und Implikationen von Langes Modell analysierte und kritisierte. Dadurch kamen Lange laut Gabriel Temkin324 zunehmend ernste Zweifel über seine Wettbewerbslösung. Dieser Umstand wird durch das Folgende untermauert: Erstens gab Lange in seiner Korres­ pondenz mit Hayek ausdrücklich zu, dass dieser eine Reihe von wichtigen Fehlern und Problemen aufgezeigt hatte, welche das Modell rein statisch nicht lösen konnte, und versprach, in den kommenden Monaten einen Artikel zu schreiben, in dem er Hayek antworten würde.325 Zweitens hat Lange diesen Artikel, den er in sei322 Siehe

zum Beispiel Tomasz Stankiewiczs Artikel „Investment under Socialism“, in: Communist Economies 1, Nr. 2 (1989), S. 123 – 130. 323 Im Haupttext haben wir vier zusätzliche Beobachtungen ausgelassen, die Lange über das kapitalistische System macht, da sie entweder nicht direkt auf das Problem der Wirtschaftsrechnung bezogen sind oder die Antworten bereits als implizit in unserer Analyse angesehen werden können. Zudem bietet Lange eher unoriginelle Argumente an, die Teil traditionellen Geschwätzes sozialistischer Ideologie sind und bereits an anderer Stelle widerlegt wurden. Er führt aus: 1. Der Sozialismus verteilt die Einkommen um und führt damit zur „Maximierung der sozialen Wohlfahrt“ (als könnte diese gemessen werden, als würden individuelle Nutzenfunktion existieren und gewusst werden und als könnten all diese Informationen eine Regulierungsbehörde erreichen; 2. dass die Planungsbehörde in ihrem Entscheidungsprozess die „wahren“ sozialen und externen Kosten beachten könnte (die gleichen Fehler wie oben, denen wir zufügen sollten, dass „Marktunvollkommenheiten“ genau deshalb entstehen, weil das Fehlen oder der mangelhafte Status von Eigentumsrechten die unternehmerische Funktion und die Wirtschaftsrechnung in einer wichtigen Sphäre des Marktes verhindert); 3. dass die Unternehmer in einem kapitalistischen System betrügerisch sind (und wie sollten wir dann erst diese „armen Teufel“ – Manager und öffentliche Angestellte – eines sozialistischen Systems beschreiben?); und vor allen Dingen 4. dass der Kapitalismus aufgehört hat, mit dem ökonomischen und technischen Fortschritt der Gesellschaft mitzuhalten (siehe „On the Economic Theory of Socialism“). Wir brauchen nicht zu wiederholen, dass es keine größere Behinderung für den Fortschritt gibt als den institutionellen Zwang gegen die freie und kreative Ausübung der unternehmerischen Funktion. Glücklicherweise hat nur eine Generation nach Langes Tod das Problem, wie es Sozialisten selbst wahrnehmen, eine 180-GradWendung vollzogen. Heute ist klar, und keiner zweifelt daran, dass es das sozialistische System ist und nicht das kapitalistische, das mit der technologischen Innovation inkompatibel ist und systematisch den ökonomischen Fortschritt verhindert. 324 Gabriel Temkin: „On Economic Reforms in Socialist Countries: The Debate on Economic Calculation under Socialism Revisited“, S. 55, Fußnote 6. 325 Wir beziehen uns auf einen Brief, den Oskar Lange an Friedrich A. Hayek schreibt, nachdem er am 31. August 1940 Hayeks Artikel „Socialist Calculation: The Competitive Solution“ erhält. Dieser Brief erscheint in Bd. 2 der Complete Works von Oskar Lange, veröffentlicht 1973. In diesem Brief lesen wir: „Es steht außer Frage, dass Du darin erfolgreich warst, wesentliche Probleme aufzuzeigen, indem Du Lücken in meiner rein statischen Lösung aufgezeigt hast. Ich plane, an diesem Thema weiterzuarbeiten und Dir irgendwann im Herbst eine Antwort zukommen zu lassen.“

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nem Brief an Hayek ankündigte, um die Kritik an seinem Modell zu beantworten, trotz seines Versprechens nie geschrieben. Und drittens weigerte sich Lange Jahre später, 1944, seinen Aufsatz von 1936/37 über den Sozialismus zu korrigieren, sodass dieser noch einmal veröffentlicht werden konnte; er argumentierte, dass sich seine Ideen in der Zwischenzeit so grundsätzlich verändert hätten, dass sie einen vollständig neuen Artikel erforderten, und er plane, seine neue Konzeption des Sozialismus in eine Abhandlung aufzunehmen, die er zu schreiben begonnen habe.326 Teile dieser Abhandlung wurden veröffentlicht, aber das dringend erwartete Kapitel kam darin nicht vor, und auch nicht in irgendeinem anderen der zahllosen Werke, die Lange vor seinem Tod veröffentlicht hat – mit der einzigen Ausnahme des enttäuschenden Artikels von 1967 („Der Computer und der Markt“), den zu kommentieren wir zu einem späteren Zeitpunkt Gelegenheit haben werden. Es scheint daher klar (und vielleicht das charakteristischste Merkmal von Langes Denken in den 1940er-Jahren), dass er selbst endlich realisierte, dass seine „Lösung“ keine Lösung war, da sie rein statisch war. Lange besaß allerdings nicht die wissenschaftliche Aufrichtigkeit, öffentlich zuzugeben, dass sein Modell deshalb keine Antwort auf die Herausforderung von Mises und Hayek darstellte, die immer „dynamischer“ Natur war. Schlimmer noch: In dem vorhin erwähnten Brief an Hayek bezog sich Lange auf die „dritte Verteidigungslinie“ in Bezug auf dynamische Probleme – eine Verteidigung, die Hayek in seinem Aufsatz von 1940 vermutlich ex novo einführte. Lange sieht nicht, dass das Problem bereits mit Mises’ erster Formulierung im Jahr 1920 von Anfang an ausschließlich ein dynamisches war. Jedenfalls hat Lange offensichtlich sein eigenes klassisches Modell verlassen und erkennt in dem oben zitierten Brief an Hayek die Notwendigkeit an, freie Marktprozesse wo immer möglich zu erlauben. Gleichwohl zeigt er, dass seine Besessenheit vom neoklassischen Modell des „perfekten Wettbewerbs“ intakt geblieben ist, wenn er als Kriterium für die Zulassung von Marktverhalten (und damit für den Verzicht auf das parametrische Preissystem und die Trial-and-Error-Methode, die durch die regulatorische Behörde angewendet wird) die Anforderung einführt, dass eine ausreichend große Anzahl von Firmen in jedem Sektor operieren darf (da ein solcher Umstand angeblich und in Übereinstimmung mit dem traditionellen „perfekten Wettbewerb“ eine starke Annäherung an den echten Wettbewerb, (S. 567) Lange verstand schließlich und versprach, die wichtigen wissenschaftlichen Probleme zu behandeln. Mises machte 1920 deutlich, dass der Sozialismus unter statischen Umständen kein Problem darstellt. Damit ist Langes Anerkennung, dass seine Arbeit eine „rein statische Lösung“ ist, gleichbedeutend mit dem Zugeständnis, dass es eigentlich gar keine Lösung ist. (Unglücklicherweise hat Lange das Versprechen nicht erfüllt und nie das wahre dynamische Problem analysiert, das sich der sozialistischen Wirtschaftsrechnung stellt.) 326 „Der Essay ist so weit weg von dem, was ich heute schreiben würde, dass ich befürchte, dass jede Revision einen ungenügenden Kompromiss produzieren würde, der meine Gedanken nicht repräsentiert. Ich bin daher verpflichtet, den Essay aus dem Druck auslaufen zu lassen und meine gegenwärtigen Ansichten in vollkommen neuer Form zu präsentieren. Ich schreibe ein Buch über die ökonomische Theorie und möchte ein Kapitel diesem Thema widmen. Dies ist vielleicht besser, als altes Zeug aufzupolieren.“ Oskar Lange schrieb diesen Kommentar 1944 und er erscheint in seiner Dziela von 1975 (Bd. 3). Tadeusz Kowalik zitiert den Kommentar ebenfalls in seinem Artikel über „Oskar Lange“ (in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics Bd. 3, S. 127 und S. 129).

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der in einem Markt existiert, indizieren würde). Aus dieser neuen Perspektive auf den Sozialismus würde das öffentliche Eigentum an Produktionsmitteln nur zu den auffälligsten Fällen von Monopolen, Oligopolen und ähnlichen Situationen zählen.327 Noch aufschlussreicher, wenn das überhaupt möglich ist, sind die beiden Vorlesungen, die Lange 1942 in Chicago über „Die ökonomische Führung einer sozialistischen Gesellschaft“328 hielt. Dort versuchte er, die extrem weite Definition des Marktprinzips mit dem öffentlichen Eigentum an Produktionsmitteln in Übereinstimmung zu bringen. Das vielleicht charakteristischste Merkmal seines Modells aus den 1930er-Jahren bleibt bestehen: die Einführung „parametrischer Preise“ durch die zentrale Planungsbehörde und einer Trial-and-Error-Methode, die auf der Beobachtung von Knappheiten und Überschüssen beruht, die wiederum eine Reaktion auf die Veränderungen dieser „Preise“ erlaubt, sodass sich diese zum „Gleichgewichtspunkt“ bewegen. Oskar Lange baute seine Argumente weiterhin ausschließlich auf der neoklassischen Wohlfahrts- und Gleichgewichtstheorie auf. Daher hatte er nicht die notwendigen theoretischen Werkzeuge zur Hand, um die „interessanten dynamischen Probleme“ zu behandeln, die, wie er selbst zugab, Hayek aufgeworfen hatte. Zudem hielt Lange in diesen Vorlesungen an dem grundsätzlichen Prinzip fest, dass Preise in einem sozialistischen Markt in Bezug auf anfallende Kosten – einschließlich privater und auch „sozialer Kosten“, die jede Firma verursacht – fixiert werden sollten, und dass beide Typen von Kosten in ihrem Wesen „objektiv“ sind. Tatsächlich realisierte Lange nicht, dass dieses Prinzip sowohl theoretisch als auch praktisch unzulässig ist, und konnte daher aus den Kritiken von Hayek zu dem Thema keinen Gewinn ziehen. Die vielleicht grundsätzlichste Veränderung in Oskar Langes Fokus während dieser Periode zeigt sich in seinem Artikel von 1943 über „Ökonomische Grundlagen der Demokratie in Polen“, in dem er die Sozialisierung der wichtigsten und strategischsten Industrien (inklusive des Bank- und Transportsektors) ausdrücklich verteidigt. Zudem ist Lange auf der Hut vor speziellen Privilegien, die durch diese Staatsmonopole garantiert würden, und betrachtet diese Privilegien als sehr gefährlich für das polnische demokratische System. Privateigentum an Produk­ tionsmitteln sollte auf jeden Fall für Bauern, Handwerker sowie kleine und mittlere Industrien beibehalten werden, da „dies möglich machen würde, die Flexibilität 327 „Praktisch

sollte ich natürlich die Bestimmung von Preisen durch einen Marktprozess empfehlen, wo immer dies möglich ist, also sobald die Anzahl der verkaufenden und kaufenden Einheiten genügend groß ist. Nur wo die Anzahl dieser Einheiten so klein ist, dass eine Situation des Oligopols, des Nachfrageoligopols oder des zweiseitigen Monopols entstehen würde, würde ich eine Preisfestsetzung durch eine öffentliche Behörde befürworten.“ Dieser Ausschnitt ist aus dem Brief von Hayek, datiert vom 31. August 1940 und wieder veröffentlicht durch Kowalik auf S. 127 in seinem Artikel über „Oskar Lange“. 328 Siehe S. 11 – 24 in Contributions to Political Economy, Nr. 6 (1987), wo Kowalik diese zwei Vorlesungen von Oskar Lange in seiner Gesamtheit abdruckt. Aus Gründen, die im Text ausgeführt werden, glaubt Kowalik, dass Oskar Lange 1940 sich „wegbewegt von der Unterstützung eines integralen Sozialismus hin zu einer gemischten öffentlichen Ökonomie, die über einen vollkommen entwickelten Marktmechanismus operiert.“ (S. 1 f. des Artikels „Oskar Lange’s Lectures on the Economic Operation of the Socialist Society“, veröffentlicht von Tadeusz Kowalik am gleichen Ort zur gleichen Zeit.)

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und Kapazität für Anpassungen zu erhalten, welche nur private Unternehmungen erlaubt wird“.329 Der vierte Abschnitt vom Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod: das Verlassen des Marktes und die Glorifizierung und Rechtfertigung des stalinistischen Systems Hayeks gesunder Einfluss auf Lange dauerte nicht lange. Beginnend mit dem Zweiten Weltkrieg, Langes Eintritt in die Kommunistische Partei Polens und seinem größeren Engagement in der Landespolitik, gab Lange den Markt als einen Teil seines Konzeptes des Sozialismus schrittweise auf. Diese allmähliche Veränderung seiner Sichtweise kulminierte in seiner theoretischen und praktischen Rechtfertigung des stalinistischen Wirtschaftsmodells, das in der Sowjetunion angewandt wurde und dessen Einführung sein Land als frisch erworbener „Satellit“ beschlossen hatte.330 Langes Abrücken von der „Wettbewerbslösung“ und dem „Marktsozialismus“-Modell erreichte seinen Höhepunkt in seiner Arbeit von 1953, in der er Stalins ökonomisches System sowohl in Bezug auf die Theorie als auch auf die Praxis pries.331 Wie Kowalik erklärt, könnte Langes Meinungswechsel durch die Idee beeinflusst sein, dass das Modell der „Kriegswirtschaft“, das Stalin diktatorisch von oben herab einführte, eine schnelle „Industrialisierung“ des ökonomischen Systems erleichtere und eine „effiziente“ Mobilisierung aller Ressourcen auf das sozialistische Ideal hin ermögliche (all dies ist ein definitiver Betrug oder Verrat an dem demokratischen „liberalen“ Geist, den Lange früher zur Schau stellte). Dennoch sind die Sichtweisen, die Lange in den letzten Jahrzehnten seines Lebens zeigte, schlicht das natürliche Ergebnis seines theoretischen Gleichgewichtsmodells, auf dem er seine gesamte Konzeption des Sozialismus aufbaute. Wir haben bereits erklärt, dass das 329 „Gospodarcze

Podstawy Demokracji W Polsce“ („Die ökonomische Grundlage der Demokratie in Polen“) in: Ku Gospodarce Planowej („Hin zu einer zentralen Planwirtschaft“), veröffentlicht in London 1943 und zitiert von Kowalik in seinem Artikel „Oskar Lange“ (in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Bd. 3, S. 127). 330 Karl Pribram hob hervor, dass die Veränderung in Langes theoretischer Position zeitlich zusammenfällt mit seinem Eintritt in die polnische kommunistische Partei (A History of Economic Reasoning, S. 708, Fußnote 32). Kowalik scheint diese kopernikanische Wende zu rechtfertigen zu versuchen, indem er argumentiert, dass es aus taktischen Gründen unter den politischen und akademischen Bedingungen in Polen zu dieser Zeit extrem unklug gewesen wäre, dem stalinistischen Zeitgeist zu widersprechen, und dass Sozialwissenschaftlern eine sehr begrenzte Redefreiheit gestattet war („Oskar Lange“, The New Palgrave, Bd. 3, S. 127). Wir glauben, dass Kowaliks Verteidigung Langes eher eine wohltätige Anmerkung als irgendetwas anderes ist, insbesondere im Lichte der zahlreichen Schriften, in denen Lange seinen Meinungsumschwung erklärte und rechtfertigte und das stalinistische System verteidigte und pries (beachtenswert unter diesen Schriften ist sein Artikel: „The Practise of Economic Planing and the Optimum Allocation of Ressources“, in: Econometrica [Juli 1949], S. 166 f). Am Ende stimmte Langes Position fast vollständig mit der von Maurice Dobb überein, dessen Ansichten wir im folgenden Kapitel analysieren werden. Dobb sah keine größere Scheinheiligkeit als die der „Marktsozialisten“ und meinte, dass der Sozialismus nicht triumphieren würde, bis er sich in seiner ganzen barbarischen Realität zeige, also ohne „Masken“ oder irgendein „wettbewerbliches“ Make-up. 331 „Zagadnienia Ekonomii Politycznej W Swietle Pracy J. Stalina. ‚Ekonomiczne Problemy Socjalizmu WZSRR‘“ („Wirtschaftspolitische Probleme im Lichte von Josef Stalins Arbeit ‚Ökonomische Probleme des Sozialismus in der Sowjetunion‘“), veröffentlicht in Warschau 1953 und zitiert von Kowalik in seinem Artikel „Oskar Lange“ (in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Bd. 3, S. 129).

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marxistische Ideal als der feste Wunsch reinterpretiert werden könnte, gewaltsam ein Nirwana von Gleichgewichten in allen gesellschaftlichen Sphären durchzusetzen und damit eine Utopie zu erzwingen, während reale Mechanismen zerstört werden, die, angetrieben durch die unternehmerische Funktion, den Prozess der gesellschaftlichen Koordination möglich machen. Oskar Lange hatte zwei Möglichkeiten: Er hätte die Herausforderung von Mises und Hayek in toto akzeptieren und sein Arsenal von theoretischen Gleichgewichtsargumenten aufgeben, die wahre Funktion des Marktes verstehen und damit sein sozialistisches, auf öffentlichem Eigentum an Produktionsmitteln beruhendes Ideal aufgeben können; oder er hätte sein Ideal des Gleichgewichts um jeden Preis verteidigen und Zuflucht zu einem utopischen Gleichgewichtsmodell nehmen können, das am „effizientesten“ durch die systematische Ausübung stalinistischer Gewalt implementiert werden kann. 1956/57 gab Lange keine Erlaubnis für die Veröffentlichung der polnischen Übersetzung seines Klassikers aus dem Jahre 1936/37, weil er, wie Kowalik ausführt, „seine Unterstützung nicht den ‚sozialistischen Marktwirtschaftlern‘ gab“.332 Langes Preisgabe der „Wettbewerbslösung“ und die 180-Grad-Wendung in seinem Modell des Sozialismus waren vollendet. Im Lichte dieser Betrachtungen kann es nicht überraschen, dass Lange in seiner letzten Arbeit, in der er sich mit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung auseinandersetzt (sie wurde 1967 posthum veröffentlicht, Lange starb 1965 während einer Operation in London), höchstpersönlich schrieb: „Nicht ganz dreißig Jahre zuvor veröffentlichte ich einen Essay über die ökonomische Theorie des Sozialismus. Pareto und Barone haben gezeigt, dass die Bedingungen des ökonomischen Gleichgewichts in einer sozialistischen Volkswirtschaft durch ein System von simultanen Gleichungen ausgedrückt werden können. Die Preise, die aus diesen Gleichungen resultieren, bilden die Basis für rationale ökonomische Wirtschaftsrechnung im Sozialismus (nur das statische Gleichgewicht des Buchhaltungsproblems wurde zu dieser Zeit betrachtet). Zum späteren Zeitpunkt hielten Hayek und Robbins fest, dass die Pareto-Barone-Gleichungen keine praktischen Folgen haben. Die Lösung eines Systems von Tausenden oder mehr simultanen Gleichungen war in der Praxis unmöglich und daher blieb konsequenterweise das praktische Problem der Wirtschaftsrechnung des Sozialismus unlösbar. […] In meinem Essay widerlegte ich das Hayek-Robbins-Argument, indem ich zeigte, wie in einer sozialistischen Volkswirtschaft ein Marktmechanismus etabliert werden kann, der zu der Lösung der simultanen Gleichung durch Mittel der empirischen Prozedur von ‚Versuch und Irrtum‘ führt […] Heute wäre meine Antwort auf Hayek und Robbins: Wo ist das Problem? Lasst uns die simultanen Gleichungen in einen elektronischen Computer geben und wir erhalten die Lösung in weniger als einer Sekunde. Der Marktprozess könnte als ein Computerprozess des vorelektronischen Zeitalters verstanden werden.“333 332 Kowalik: „Oskar Lange“, in: The New Palgrave, Bd. 3, S. 128. 333 Oskar Lange: „The Computer and the Market“ (1967), wiederveröffentlicht in Socialist

Economics. Hrsg. von Alec Nove und D.  M. Nuti. Middlessex: Penguin Books, 1972, S.  401 – 402. Dieser Artikel erschien ursprünglich in dem Buch Socialism, Capitalism and Economic Growth: Essays

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Diese Worte Langes sind ausgesprochen enttäuschend. Sie sind ein großer Schritt rückwärts in seinem Verständnis des Problems, das die sozialistische Wirtschaftsrechnung bedeutet: Lange fällt zurück und sieht das Problem als ein rein statisches (im Gegensatz zu dem, was er sogar selber in der privaten Korrespondenz mit Hayek 1940 erkannte). Zudem bietet Lange eine teilweise einseitige Beschreibung der Debatte (als wenn sie über Themen der Statik und nicht der Dynamik und unternehmerischen Prozesse gehandelt hätte). Kurz gesagt endet er darin, zu leugnen, dass es irgendeine Notwendigkeit für einen Markt gibt, den er als einen archaischen Mechanismus für die Errechnung eines Gleichgewichtspreises ansieht – ein eigenartiger Mechanismus, der der Einführung von Computersystemen vorausgeht. Wir werden hier nicht alle Argumente wiederholen können, die wir bereits erwähnt haben, um die theoretische Unmöglichkeit – sowohl jetzt als unter zukünftigen Bedingungen – zu demonstrieren, durch zentrale Planung mit Hilfe mächtiger Computersysteme eine Gesellschaft zu organisieren und Wirtschaftsrechnung zu leisten.334 Wie jeder Historiker des ökonomischen Denkens bestätigen kann, möchten wir hier mit Traurigkeit und Missstimmung reflektieren, dass Lange zum Zeitpunkt seines Todes Statistiken folgte und glaubte, das ideale Modell des Gleichgewichts könne in der Gesellschaft durch ein auf Computerkalkulation basierendes Planungssystem realisiert und durch die nackte Gewalt des Stalinismus eingeführt werden.335 presented to Maurice Dobb. Hrsg. von C. H. Feinstein. Cambridge: Cambridge University Press, 1967. Langes naives, deplatziertes Vertrauen in die Macht der Computer, um die sozialistische Wirtschaftsrechnung möglich zu machen, ist ebenfalls erkennbar in seiner Vorlesung über „The Role of Science in the Development of Socialist Society“, die er vor der Generalversammlung der Polnischen Akademie der Wissenschaften am 19. Mai 1962 hielt. 334 Über die Unmöglichkeit, einen Computer zu benutzen, um das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung zu lösen, siehe die in Kapitel 3 dieses Buches angeführten Argumente. Ebenfalls von Interesse sind die Beobachtungen, die Norman Barry in seinem Artikel „Die Ökonomie und Philosophie des Sozialismus“ (in: Il Politico, 49, Nr. 4 [1984], S. 573 – 592) macht, indem er betont, dass Langes Vertrauen in Computer auf der Ignoranz gegenüber dem wesentlichen Unterschied zwischen wissenschaftlicher Information und praktischer, subjektiver und unaussprechlicher Information beruht, die ökonomische Akteure in der Gesellschaft gebrauchen (siehe insbesondere S. 588 in Barrys Artikel). Zu diesem Thema betonte Rothbard die Nutzlosigkeit von Computern und Computerprogrammen unabhängig davon, wie fortgeschritten sie sind, wenn die grundsätzliche Information, die in sie eingeht, fehlerhaft ist, weil die unternehmerische Funktion zwangsweise verhindert wird. Er schlussfolgert: „Langes naiver Enthusiasmus für die magischen Planungsfähigkeiten des Computers der frühen Tage kann nur als ein grausiger Scherz für die Ökonomen und Menschen in den sozialistischen Ländern gelten, die ihre Volkswirtschaften unaufhaltsam von schlecht bis weit schlechter haben entwickeln sehen – trotz der Nutzung von Computern. Lange war wohl nie mit dem Computersprichwort GIGO (‚garbage in, garbage out‘) vertraut.“ (Murray N. Rothbard: „The End of Socialism and the Calculation Debate Revisited“, in: Review of Austrian Economics 5, Nr. 2 [1991], S. 72.) 335 Kurzum, was Lange entdeckte, war die große Ähnlichkeit zwischen normativen Schlussfolgerungen der Gleichgewichtstheorie und dem traditionellen marxistischen Modell (dessen Ziel es ist, dieses Gleichgewicht der Gesellschaft aufzuzwingen). Daher versuchte Lange, die wissenschaftliche Arbeit seines Lebens zu vervollständigen, indem er eine Synthese zwischen dem neoklassischen Gleichgewichtsmodell und der marxistischen Theorie konstruierte – ein Projekt, das er sogar teilweise selbst ausführte (siehe seine Arbeit Political Economy, Bd. 1: General Problems. London: Pergamon Press, 1963, und Ekonomia Polityczna, Bd. 2. Warschau: Panstwowe Wydawnictwo Naukowe, 1968). Paradoxerweise zahlte Oskar Lange bei dieser Arbeit einen letzten Tribut an seinen alten Gegner Ludwig von Mises, als er anerkannte, dass die Synthese der gesamten ökonomischen Wissenschaft die Form einer „Praxeologie“ oder einer „allgemeinen Theorie des

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Langes Epilog Die Spannungen zwischen diesen beiden Möglichkeiten, denen Oskar Lange ausgesetzt war (entweder sein sozialistisches Ideal zu verlassen und es gegen eine vollständige Marktwirtschaft einzutauschen oder sich in die Arme des Gleichgewichts und des Stalinismus zu flüchten), bestand unter vielen sozialistischen Theoretikern und Langes engsten polnischen Schülern fort. Trotzdem dauerte es an die fünfundzwanzig Jahre, bis die zwei brillantesten Schüler, Wlodzimierz Brus und Kazimierz Laski, ausdrücklich zugaben, dass Oskar Lange es nicht geschafft hat, die Herausforderung der Österreichischen Schule in Bezug auf den Sozialismus zu beantworten. Die Autoren bestätigten, dass alle „naiven Reformer“ (unter ihnen waren sie selber und sie waren vielzählig) ebenfalls nicht erfolgreich waren, da sie glaubten, dass eine bestimmte Kombination von Markt und erzwungenem Plan ein sozialistisches System möglich machen könnte. Dieser theoretische Fehler blieb bis vor Kurzem unkorrigiert, bis durch die traumatischen Geschehnisse, die in den Ländern des ehemaligen Ostblocks stattfanden, ökonomische Theoretiker in diesen Ländern schließlich dazu kamen, die Genauigkeit und den wahren Inhalt der Schriften von Ludwig von Mises zu begreifen. Für einen Ökonomen aus menschlichen Handelns“ annimmt (Political Economy, Bd. 1). Indem Lange menschliches Handeln als eine reine Reaktion passiver Subjekte in einer Umgebung, in der alle Informationen erhältlich sind, versteht, reduziert er das allgemeine ökonomische Problem auf eines der reinen Allokation oder Effizienz und verfehlt daher konsequenterweise sein Ziel, eine praxeologische Wissenschaft zu konstruieren. Dieses Ziel wiederum hatte Ludwig von Mises bereits mit seinem Opus magnum Human Action erreicht, in dem er alle Implikationen der allgemeinen Theorie menschlicher und unternehmerischer Handlungen analysiert, wie sie im echten Leben von Menschen verfolgt werden. Zu diesem Thema siehe Murray Rothbards Artikel: „Lange, Mises and Praxelogy: The Retreat from Marxism“, in: Toward Liberty: Essays in Honor of Ludwig von Mises on the Occasion of his 90th Birthday, Bd. 2. Institute for Humane Studies, 1971, S. 307 – 321. Bruna Ingrao und Giorgio Israel beschreiben in ihrer brillanten historischen Studie über die Bildung des neoklassisch-walrasianischen Paradigmas (siehe The Invisable Hand: Economic Equilibrium in the Historay of Science. Cambridge: Massachusetts: The MIT Press, 1990, S. 253, übersetzt aus der ursprünglichen italienischen Fassung La Mano Invisibile. Roma-Bari: Laterza & Figli, 1987) Langes Perspektive als einen „normativen“ Ansatz für ein allgemeines Gleichgewicht entgegengesetzt zu Hicks und Samuelsons Ansicht, welche die Autoren eher deskriptiv einschätzen. Wir denken, dass der Unterschied zwischen diesen beiden Perspektiven nicht übertrieben werden sollte, da in dem Moment, wo Lange den Gebrauch des allgemeinen Gleichgewichtsmodells „normativ“ als eine Basis für den Sozialismus vorschlug, das deshalb tat, weil er glaubte, dieses Modell biete „positiv“ eine akzeptable „Beschreibung“ des Marktes. Genauso widerlegten Mises und Hayek diese Idee von Lange, weil sie das allgemeine Gleichgewichtsmodell als grundsätzlich fehlerhaft im deskriptiven Sinne ansahen. Die österreichische Theorie des Marktprozesses beruht auf Annahmen, die weniger restriktiv und sehr viel realistischer als die des allgemeinen Gleichgewichtsmodells und daher als ein beschreibendes Werkzeug sehr viel mächtiger und nützlicher sind, und zwar sowohl aus positiver als auch aus normativer Sicht. Sie stellt eine andere, sehr viel stärkere und effektivere Verteidigung der Marktwirtschaft und der „unsichtbaren Hand“ dar als das vorgeschlagene Gleichgewichtsmodell. Für Österreicher konstituierte das Problem der Existenz Einzigartigkeit und Stabilität eines allgemeinen Gleichgewichts ein irrelevantes intellektuelles Spiel, da die Realität mit den Begriffen der unternehmerischen Funktion sehr viel akkurater beschrieben ist. Alles, was notwendig ist, um die gesamte ökonomische Analyse zu konstruieren, ist ein Verständnis von der koordinierenden Kraft der reinen unternehmerischen Handlung. Diese Probleme sind nicht nur ein irrelevantes intellektuelles, sondern eben auch ein gefährliches Spiel, wie wir an der Tatsache erkennen können, dass das allgemeine Gleichgewichtsmodell ständig auf normative Weise genutzt wird, sogar als Grundlage für das fehlgeschlagene sozialistische System, wie es etwa Lange versucht hat.

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der westlichen Welt, in der die Beiträge der Österreichischen Schule im Bereich der ökonomischen Analyse des Sozialismus leider größtenteils in dem absurden Durcheinander des neoklassisch-walrasianischen Paradigmas versteckt bleiben, ist dieses Bekenntnis von zwei der brillantesten Schüler Oskar Langes so bewegend und entspannend, dass es sich lohnt, deren genaue Worte hier zu wiederholen: „[…] Wie der Artikel ‚Der Computer und der Markt‘, geschrieben kurz vor seinem Tod, zu bezeugen scheint, war er [Oskar Lange] nie erfolgreich darin, die österreichische Herausforderung zu beantworten […] Andere Beiträge zur Theorie des Marktsozialismus, die von polnischen Ökonomen gemacht wurden – und von Ökonomen anderer sozialistischer Länder genauso – versagten darin ebenfalls. Diejenigen nicht marxistischer Herkunft folgten hauptsächlich dem walrasianischen Ansatz, während marxistische Marktwirtschaftler – inklusive der gegenwärtigen Autoren – das Lager von Kornais ‚naiven Reformern‘ ausmachten, die die Aussichten auf eine Markt-Plan-Kombination ausgesprochen optimistisch betrachteten. Bis zu einem gewissen Ausmaß ist dieses theoretische Versagen auf politideologische Beschränkung zurückzuführen; aber selbst in den Ländern und Perioden, als diese Beschränkung auf ihrem Tiefpunkt war (z. B. Polen 1956 bis 1957 und die Tschechoslowakei vor der Sowjetinvasion 1968), wurde das ganze Ausmaß des Problems, das aus der scharfen Kritik von Mises und Hayek erwuchs, nicht in die Öffentlichkeit gebracht. Erst – oder hauptsächlich, um vorsichtig zu sein – unter dem Eindruck der meistens frustrierenden Erfahrungen marktorientierter Reformen kamen die fraglichen Themen in den Vordergrund.“336

336 Wlodzimierz

Brus und Kazimirz Laski: From Marx to the Market: Socialism in Search of an Economic System, S. 60.

7 Abschließende Betrachtungen Wir werden dieses letzte Kapitel mit einer Analyse der Beiträge der drei Theoretiker – Durbin, Dickinson und Lerner – beginnen, die im Einklang mit Langes klassischem Modell ebenfalls versuchten, eine „wettbewerbsfähige“ Lösung für das Problem der sozialistischen Wirtschaftlichkeitsrechnung zu formulieren. Wir werden uns besonders auf die Neuerungen konzentrieren, die diese Autoren in Bezug auf Langes Modell einzuführen versuchten, und die Frage, inwieweit sie in der Lage waren, die ursprünglich von Mises aufgestellte Herausforderung zu verstehen und zu beantworten. Wir werden feststellen, dass „Marktsozialismus“ auf einen im Wesentlichen widersprüchlichen und hoffnungslosen Versuch hinausläuft, ein absurdes Ziel zu erreichen – „die Quadratur des Kreises“. Diese Auffassung wird auch von einer Gruppe sozialistischer Theoretiker vertreten, die – angeführt von Maurice Dobb – immer auf den Konflikt zwischen traditionellem Sozialismus und „Wettbewerbsmodell“ hingewiesen haben. Und in der Tat entwickelte sich eine Sekundärdebatte, streng im sozialistischen Lager, zwischen Befürwortern und Kritikern des „Marktsozialismus“. Wir werden das Kapitel mit ein paar abschließenden Überlegungen zu der wahren Bedeutung der Unmöglichkeit des Sozialismus und der Beiträge der österreichischen Theoretiker beenden.

7.1 Andere „Marktsozialismus“-Theoretiker Wir widmeten einen großen Teil des letzten Kapitels einer sorgfältigen Analyse von Oskar Langes Vorschlägen. Generell sind sie die am häufigsten zitierten und beachteten in den sekundären Quellen, die den Streit um die sozialistische Wirklichkeitsrechnung fast immer in einer verzerrten, falschen Art und Weise beschrieben und kommentiert haben. Zur gleichen Zeit haben die anderen „markt­ sozialistischen“ Theoretiker Langes ursprüngliche Argumente mehr oder weniger wiederholt, wenn auch in Details leicht geändert. Aus dieser Gruppe werden wir Durbin, Dickinson und Lerner etwas intensiver studieren. Insbesondere werden wir uns auf die Feststellung konzentrieren, ob einer von ihnen den wahren Sinn von Mises’ und Hayeks Herausforderung verstanden hat und in der Lage war, eine theoretische Lösung anzubieten. Wir werden zu dem Ergebnis kommen, dass diese Marktsozialisten – abgesehen von der Tatsache, dass ihre theoretischen Analysen lediglich Detailabweichungen in Bezug auf Langes klassisches Modell enthalten – bei dem Versuch kläglich gescheitert sind, das wirtschaftliche Problem der sozialistischen Position zu lösen. Evan Frank Mottram Durbin Durbin mag zunächst bestimmte Hoffnungen geweckt haben, seitdem er in Kontakt mit theoretischen Beiträgen der österreichischen Schule seiner Zeit war. Und er konnte klar zwischen dem österreichischen und der neoklassisch-walrasianischen Paradigmen unterscheiden. Darüber hinaus schrieb er eine Abhandlung über die wirtschaftliche Depression, die – zutiefst von den Ideen F. A. Hayeks beeinflusst –

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zu dem Thema veröffentlicht wurde.337 Dennoch werden wir sehen, dass Durbin trotz dieses gesunden „österreichischen“ Einflusses daran scheiterte, den Kern des von Mises und Hayek in Bewegung gesetzten Sozialismusproblems zu erfassen. Und in der Tat war seine „Lösung“ in gleich strengen statischen Bedingungen formuliert wie die Langes. Durbins Beitrag findet sich vor allem in dem Artikel „Wirtschaftlichkeitsrechnung in einer Planwirtschaft“, der im Dezember 1936 veröffentlicht wurde.338 Durbin beansprucht, „fast sicher“ zu sein, dass das Problem der Wirtschaftlichkeitsrechnung in einer sozialistischen Wirtschaft behoben werden könnte, wenn die zentrale Planungsbehörde berechtigt wäre, die verschiedenen Produktionseinheiten in Übereinstimmung mit den folgenden zwei Regeln zu managen: erstens die Grenzproduktivität aller beweglichen Produktionsfaktoren zu berechnen und zweitens Produktionsfaktoren denjenigen Verwendungen zuzuweisen, für die die Grenzproduktivität am höchsten ist. Die Unternehmen würden aufgefordert, bei „normalen“ Gewinnen das höchste Volumen zu produzieren („Regel der durchschnittlichen Kosten“). Zur Minimierung der Fehlermöglichkeiten bei der Berechnung der Grenzproduktivität hält Durbin es für notwendig, die entsprechenden Nachfragekurven zu berechnen. Außerdem behauptet er, dass der Zinssatz von dem „freien“ neuen Kapitalmarkt festgesetzt werden sollte, aber an keiner Stelle klärt er, wie ein solcher Markt in einem System funktionieren würde, in dem das Privateigentum an den Produktionsmitteln untersagt ist. Schließlich glaubt Durbin, dass die Wirtschaft in Form von großen Sektoren, „Trusts“ oder Monopolen organisiert werden sollte, die beauftragt würden, miteinander zu konkurrieren. Wir brauchen hier die Argumente nicht zu wiederholen, die wir bezüglich des Vorschlags von Wettbewerbs-„Trusts“ (ursprünglich von Heimann und Polanyi verteidigt) und der Möglichkeiten der Organisierung eines wahren Kapitalmarktes, der auf den Diensten einer staatlichen Monopolbank basiert und in dem es kein Privateigentum an den Produktionsmitteln gibt, bereits zum Ausdruck gebracht haben. Wir haben diese Themen bereits abschließend in den vorangegangenen Kapiteln analysiert. An dieser Stelle sollten wir betonen, dass Durbins Vorschlag genau den gleichen Irrtum beinhaltet, den Lange und andere zuvor begangen hatten, nämlich die Annahme eines Gleichgewichtsumfeldes, in dem keine Veränderungen auftreten und alle notwendigen Informationen, um die Grenzproduktivität der Produk­ tionsfaktoren zu berechnen, gegeben und leicht zu erreichen sind. Tatsächlich könnten die konzipierten Durbin-„Regeln“ als eine vernünftige Richtschnur für die Wirtschaftlichkeitsrechnung dienen, wenn die für die Berechnung der Grenzproduktivität jedes Produktionsfaktors notwendigen Informationen in einem Umfeld gewonnen werden könnten, in dem es weder Privateigentum an den Produktionsmitteln gibt noch die Freiheit ungehinderten Unternehmertums. Erinnern wir 337 E. F. M. Durbin: Purchasing Power and Trade Depression. London: Chapman & Hall, 1933. 338 Gedruckt in: Economic Journal (Dezember 1936), wiederveröffentlicht in: Problems of Economic

Planning. London: Routledge & Kegan Paul, 1968, S. 140 – 155. Ebenfalls von Interesse ist sein Artikel „A Note on Mr. Lerner’s ‘Dynamical’ Propositions“, in: Economic Journal, Nr. 47 (September 1937), S. 577 – 581.

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uns daran, dass man zur Berechnung der Grenzproduktivität eine rein unternehmerische Schätzung vornehmen muss im Hinblick darauf, 1. welche Güter oder Dienstleistungen die Verbraucher in Zukunft nachfragen werden und in welchen Mengen; 2. welche Spezifikationen, Eigenschaften, technischen Innovationen u. Ä. einbezogen werden müssen; 3. welche maximalen Preise auf dem Markt für diese Konsumentengüter und Dienstleistungen in Rechnung gestellt werden können, sobald sie produziert wurden; und 4. was die durchschnittliche Zeitdauer der Produktion für die Güter sein wird und welche Zinsrate gebraucht wird, um den gegenwärtigen Wert der entsprechenden zukünftigen Grenzproduktivität zu bestimmen. Logischerweise kann die oben stehende Information nur in einem wettbewerblichen Markt durch die unterschiedlichen ökonomischen Akteure generiert werden, die teilnehmen und ihr Unternehmertum ohne institutionelle Fessel ausüben. Damit dies geschehen kann, muss es einen echten Wettbewerb geben, aber nicht unter geheimnisvollen Trusts und Monopolen (es ist unklar, ob sie horizontal oder vertikal organisiert wären), sondern innerhalb und zwischen den Ebenen der Gesellschaft. Darüber hinaus ist es wichtig, dass jede Person in der Lage ist, ihre eigene unternehmerische Kreativität frei zu entdecken und zu erzeugen in einem Versuch, unternehmerische Gewinne zu erzielen und Verluste so weit wie möglich zu vermeiden – die (immer praktisch, subjektiv, zerstreut und unartikulierbar) notwendige Information, um die für seine Ziele am meisten förderlichen Aktionen durchzuführen. Wir sollten auch bedenken, dass in der realen Welt die Art und die Menge der Produktionsfaktoren nicht gegeben sind und nicht alles in homogene Einheiten eingeteilt werden kann. Stattdessen können sie von Fall zu Fall variieren – je nach Fantasie, Wünschen und Zielen eines jeden Unternehmers sowie der spezifischen Information, die dieser in Abhängigkeit seiner besonderen Umstände hinsichtlich Zeit und Ort gewinnt, was einen „beweglichen“ Produktionsfaktor und eine entsprechende Einheit dieses Faktors bildet. Das heißt, Art und Menge der Produktionsfaktoren werden von der subjektiven Wahrnehmung des fragenden Unternehmers abhängig sein. Auch die implizite Annahme, dass die entsprechenden zukünftigen Nachfragekurven bekannt sind oder irgendwie berechnet werden können, zeigt Durbins profunde Unkenntnis über die Art, in der wahre Marktprozesse im wirklichen Leben stattfinden. In Wirklichkeit gibt es in einem wettbewerblichen Markt weder Angebot und Nachfrage noch irgendeine andere Art von „Kurven“ oder „Funktionen“. Die notwendige Information, um diese zu zeichnen oder zu beschreiben, existiert nicht und ist deshalb nirgends verfügbar (weder für einen Unternehmens- oder Industriemanager noch für einen Wissenschaftler oder eine zentrale Planungsagentur), und zwar nicht nur, weil diese Information für die Nachfragekurve zerstreut ist, sondern auch, weil sie nicht einmal ständig in den Köpfen der einzelnen Marktteilnehmer gebildet wird. Mit anderen Worten können Angebots- und Nachfragekurven deshalb niemals im Markt entdeckt werden, weil sie schlicht nicht existieren. Sie haben höchstens einen allenfalls heuristischen oder interpretativen Wert innerhalb der Wirtschaftswissenschaften und jede Person, ob Wirtschaftsexperte oder nicht, die fast unmerklich beginnt, über solche Funktionen oder Kurven als

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Realität nachzudenken, wird regelmäßig Fehler begehen. Denn die Information über die Menge, die zu jedem Preis gekauft oder verkauft wird, wird weder abstrakt von jedem wirtschaftlich Handelnden berücksichtigt, noch ist sie in jedem Menschengedächtnis für alle zukünftigen Umstände gespeichert. Im Gegenteil ist eine solche Information streng subjektiv und verstreut und taucht nur in dem spezifischen Moment auf, in dem ein wirtschaftlich Handelnder sich für einen Kauf oder Verkauf entscheidet, durch den unternehmerischen Prozess selbst zusammen mit zahlreichen besonderen Einflüssen und Umständen, die der Handelnde in die subjektiven Transaktionserwartungen einbezieht. Daher wird diese Information ex novo in diesem Moment erzeugt; sie existierte vorher nicht und wird nie kopiert werden. Deshalb versuchen Unternehmer in einer realen Marktwirtschaft allenfalls abzuschätzen, was als sichere Isolierungspunkte entlang hypothetischer Angebots- und Nachfrage-„Kurven“ bestimmt werden könnte. Dennoch ist dieser Ansatz weder für die Formulierung einer Preistheorie notwendig, noch halten wir ihn für angemessen, da er irgendwie die Erkenntnis implizieren könnte, dass solche Kurven oder Funktionen existieren oder in Zukunft existieren könnten. Wenn der Unternehmer richtig handelt, macht er reine Unternehmergewinne, wenn er fehlerhaft handelt, geht er Verluste ein. Es ist genau der Anreiz, Erstere zu erreichen und Letztere zu vermeiden, der die Neigung des Unternehmers fördert, die angemessenen Informationen kontinuierlich zu schaffen und zu entdecken. Ohne diese Anreize ist die Ausübung des freien Unternehmertums unmöglich. Deshalb ist die Schaffung von Information notwendig, um koordinierte Entscheidungen und vernünftige Berechnungen anzustellen. Wirtschaftliches und soziales Leben in allen Erscheinungsformen, einschließlich des Preises, ergibt sich aus einer Kombination von mehreren menschlichen Handlungen und nicht aus der Kreuzung mysteriöser „Funktionen“ und „Kurven“, die im realen Leben nicht existieren. Diese wurden in unsere Wissenschaft heimlich von einer ganzen Horde von „wissenschaftlichen“ Denkern eingeführt, die aus der Welt der Fachhochschulen und angewandten Mathematik gekommen sind und es noch nicht fertiggebracht haben, die schädlichen Auswirkungen der Verwendung ihrer Methoden auf die Wirtschaft zu erfassen.339 339 Es

ist daher notwendig, die „funktionale Theorie“ der Preisbestimmung zu verlassen, die seit der Zeit Marshalls stets die ökonomischen Lehrbücher dominierte. Karl Menger warnte im Feb­ ruar 1884 in einem Brief an Léon Walras als Erster vor dieser Theorie. Darin schlussfolgerte er, dass „la méthode mathématique est fausse“ (siehe E. Antonelli: „Léon Walras et Karl Menger à travers leur correspondence“, in: Économie Appliqué 6 [April – September 1953], S. 282, sowie Emil Kauders Kommentar zu dem Thema in: „Intellectuell and Political Roots of the Older Austrian School“, in: Zeitschrift für Nationalökonomie, Nr. 17, S. 411 – 425; wiederveröffentlicht in Band 1 von Stephen Littlechild: Austrian Economics. Vermont: Edward Elger, 1990, insbesondere S. 10 f.). Böhm-Bawerk warnte später vor dieser Theorie in Band 2 seines Buches Capital and Interest (S. 233 – 235), wo er die mechanische Konzeption von Angebot und Nachfrage als reine „Mengen“ kritisiert, die von einer unabhängigen Variablen (Preis) abhängen, während im echten Leben Angebot und Nachfrage das Ergebnis konkreter menschlicher Entscheidungen und Handlungen darstellen. Die funktionale szientistische Theorie der Preise muss daher durch eine „genetisch-kausale“ oder genauer durch eine praxeologische Preistheorie ersetzt werden, in der sich Preise aus einer Abfolge von unternehmerischen, menschlichen Handlungen ableiten. Eine solche Theorie würde die validen Schlussfolgerungen des „funktionalen“ Modells beibehalten und aufwerten, während sie diese gegen das ernsthafte Risiko abschirmt, das normalerweise aus diesem Modell folgt. Siehe Hans Mayers Artikel „Der Erkenntniswert der funktionellen Preistheo­

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Daher nimmt Durbin wie Lange und andere sozialistischen Theoretiker an, dass die wirtschaftlich Handelnden in objektiver Form Zugang zur Information haben, deren Erstellung ohne Privateigentum an Produktionsmitteln und freies Unternehmertum theoretisch unmöglich ist. Ohne diese Institutionen wird die Information nicht generiert, der Manager der koordinierenden Stellen wird nicht in der Lage sein, Durbins „Regeln“ objektiv zu folgen, und die zentrale Planungsstelle wird ganz sicher nicht zur Überwachung und Überprüfung in der Lage sein, ob die Sektoren entsprechend dieser Regeln richtig handeln oder nicht. So begeht Durbin seinen größten Fehler, wenn er ausdrücklich behauptet: „Die Fähigkeit, marginale Produkte zu erkennen, ist nicht von der Existenz einer bestimmten Reihe von sozialen Institutionen abhängig.“340 Wenn Durbin außerdem glaubt, die notwendige Information zur Berechnung der Grenzproduktivität werde immer zur Verfügung stehen, unabhängig davon, welche sozialen Institutionen vorhanden sind (ob kapitalistische, sozialistische oder eine Kombination der beiden), dann ist es unklar, warum er in Anlehnung an Lange das walrasianische Verfahren vorschlägt und von derselben Annahme wie Durbin ausgeht, z. B. davon, dass die notwendige Information in objektiver, eindeutiger Form verfügbar ist. Darüber hinaus behauptet Durbin, dass die „technischen“ Schwierigkeiten, die Grenzproduktivität für die verschiedenen Faktoren zu berechnen, in einem kapitalistischen System die Gleichen sind wie in einer Planwirtschaft, und weigert sich, das Problem nicht als ein „technisches“, sondern als ein ökonomisches anzuerkennen und jeden „praktischen“ Aspekt jenseits seiner eigenen „theoretischen“ Beobachtungen zu diskutieren.341 Insofern sehen wir bei Durbin ähnlich wie bei Lange, dass er als „Theorie“ nur das Grenzmodell des Gleichgewichts sieht (obwohl es in seinem Fall mehr Marshalls partielles Gleichgewicht und die Theorie der Grenzproduktivität sind als das allgemeine walrasianische Gleichgewicht), in dem die notwendige Information zur Berechnung der entsprechenden Grenzproduktivitäten als „gegeben“ vorausgesetzt wird. Er sieht nicht, dass diese Theorie auf Annahmen ruht, die so restriktiv sind, dass sie die Theorie praktisch irrelevant machen. Durbin ist nicht nur die formale Theorie der sozialen Abstimmungsprozesse unbekannt, die das Unternehmertum antreiben, sondern auch die Rolle sicherer sozialer Institutionen beim Fördern und Einschränken von Unternehmertum, die wirtschaftliche Analyse von Eigentumsrien“ (in: Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart. Wien: Springer, 1932, S. 147 – 239) sowie Israel M. Kirzners darauf bezogene Kommentare in seinem Artikel „Austrian School of Economics“ (in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics. Bd. 1, S. 148). Mises’ ähnliche Ideen finden sich insbesondere in Human Action, S. 327 – 333. Siehe außerdem das Zitat in Fußnote 249 von Kapitel 5 zusammen mit unseren Bemerkungen. In Spanien liefert der Sozialist José Borrell Fontelles in seinem Buch, La República de Taxonia (Madrid: Ediciones Pirámide, 1992), ein relativ aktuelles Beispiel der schädlichen szientistischen Methodologie basierend auf der „Sozialmechanik“ und der Anwendung der Mathematik auf dem Feld der Ökonomie. 340 E. F. M. Durbin: „Economic Calculus in A Planed Economy“, in: Problems of Economic Planing, S. 145. 341 „Es ist vielleicht schwierig das marginale Produkt zu berechnen, aber die technischen Schwierigkeiten sind für kapitalistische wie für geplante Ökonomien die gleichen. Alle Schwierigkeiten, die keine Buchhaltungsschwierigkeiten sind, sind für theoretischen Dogmatismus nicht anfällig.“ (E. F. M. Durbin: „Economic Calculus in A Planned Economy“, in: Problems of Economic Planning, S. 143.)

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rechten und das theoretische Problem, das sich beim Fehlen unternehmerischen Wettbewerbs bei zerstreuter, subjektiver Natur der Erkenntnis stellt. Es überrascht nicht, dass Durbins Versuch, das Problem der sozialistischen Wirtschaftlichkeitsberechnung zu lösen, nicht erfolgreich war, da seine theoretischen Werkzeuge weder für das Verständnis noch für das Finden einer praktikablen Lösung für das ursprünglich von Mises erhobene Problem geeignet waren. So können wir schlussfolgern, wie Hoff es in seiner brillant kritischen Analyse von Durbins Beitrag tut,342 dass er „in seiner Angst, ‚praktische Fragen nicht als maßgeblich hinzustellen‘, den Kern des ganzen Problems übersehen hat, nämlich wie die Angaben, auf denen die sozialistischen Trusts basieren, ihre Kalkulationen erlangen können.“343 Henry Douglas Dickinsons Buch „The Economics of Socialism“ Die Publikation von Dickinsons Buch im Jahr 1939 verhieß ebenfalls im Sinne des endgültigen Verständnisses des Autors, Mises’ und Hayeks ursprüngliche Herausforderung bis ins kleinste anzusprechen und eine Antwort auf sie zu versuchen.344 In diesem Buch verzichtete Dickinson ausdrücklich auf die Behauptungen, die er in seinem im Jahr 1933 erschienenen Artikel über die Preisbildung in einem sozialistischen System aufgestellt hatte, und tat das genau aus dem wesentlichen Grund, den seine österreichischen Gegner ihm gegenüber betont hatten (nämlich, dass die notwendige Information zur Umsetzung seines Vorschlags einer mathematischen Lösung nie zur Verfügung stehen würde). Dies war ein hoffnungsvolles Zeichen dafür, dass Dickinson in der Lage war, alle Folgen seiner neuen „Intuition“345 zu erfassen. Zudem hatte Dickinson eine sehr attraktive Persönlichkeit. Collard erzählte uns, dass er „eine sehr beliebte, weltfremde, exzentrische Figur mit einem ausgeprägten Sinn für Humor und einem scharfsinnigen Geist war“.346 Und Hayek 342 Durbin,

der noch ein junger Mann war, als er 1948 tragisch in Cornwall ertrank, nahm zusammen mit J. E. Meade, Hugh Gaitskell und in geringerem Ausmaß Dickinson und Lerner daran teil, die ideologischen Grundlagen der englischen Arbeiterpartei zu errichten, die nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere durch die sogenannte Fabianische Gesellschaft entstand. Durbins Tochter, Elizabeth Durbin, hat seine Rolle darin analysiert (New Jerusalems: The Labour Party and the Economics of Democratic Socialism. London: Routledge & Kegan Paul, 1985). Die meisten dieser „Ideologen“ endeten dabei, ein Modell zu verteidigen, das auf Interventionismus und keynesianischer makroökonomischer Planung mit einem sozialdemokratischen Kontext basiert. Elizabeth Durbin schrieb auch die kurzen Artikel über ihren Vater, die auf Seite 945 in Band 1 des The New Palgrave: A Dictionary of Economics erschien. Siehe ebenfalls ihr Buch: The Fabians Mr. Keynes and the Economics of Democratic Socialism. New York: Routledge & Kegan Paul, 1984. Nebenbei sollten wir erwähnen, dass Elizabeth Durbin (zusammen mit Israel Kirzner, Fritz Machlup, James Becker und Gerald P. O’Driscoll) im Prüfungsausschuss für die Doktorthese von Don Lavoie über die Debatte zur sozialistischen Wirtschaftsrechnung saß. Diese Doktorthese verteidigte er an der New York University und diente ihm als Grundlage für sein brillantes Buch Rivalry and Central Planning. 343 T. J. B. Hoff: Economic Calculation in the Socialist Society, S. 224 – 229, insbesondere die Überschrift auf Seite 227. 344 H. D. Dickinson: The Economics of Socialism. London: Oxford University Press, 1939. 345 The Economics of Socialism, S. 104, wo Dickinson darauf hinweist, dass die mathematische Lösung, die er 1933 vorschlägt, nicht durchführbar ist – nicht weil das entsprechende Gleichungssystem nicht gelöst werden könnte, sondern weil er erkennt, dass „sich die Daten selber, die man in die Gleichungsmaschine eingeben müsste, ständig ändern“. 346 Siehe Collards Artikel über Dickinson auf S. 836 in Band 1 von The New Palgrave: A Dictionary of Economics.

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lobt in seinem im Jahr 1940 veröffentlichten Artikel nicht nur die umfassende Natürlichkeit, sondern auch die Länge, den Aufbau, die Prägnanz und die Klarheit von Dickinsons Werk und fügte hinzu, dass es ein wahres intellektuelles Vergnügen sei, es zu lesen und seinen Inhalt zu diskutieren.347 Schließlich manifestieren sich Dickinsons Offenheit und wissenschaftliche Redlichkeit ganz klar in der sehr positiven Rezension, die er im Jahre 1940 über die ursprüngliche norwegische Version von Trygwe J. B. Hoffs Buch veröffentlichte.348 Dennoch konnten wir leider zeigen, dass viele Vorschläge von Dickinson völlig mit früher von Oskar Lange gemachten übereinstimmen, und ebenso, dass Dickinson Lange nur in der Bibliografie seines Buches ausdrücklich zitiert. Aus diesem Grund gelten viele unserer Kritiken an Lange aus dem letzten Kapitel auch hier im Fall Dickinsons. Wie Don Lavoie ziemlich scharfsinnig gezeigt hat,349 behält Dickinsons Buch trotz allem grundsätzlich die frühere statische Position des Autors bei. Damit bleibt Dickinson außerstande, das ökonomische Kalkulationsproblem zu lösen, wie Mises und Hayek es formuliert hatten. Dies wird besonders in der Rolle deutlich, die – in Anlehnung an Dickinson – sowohl die Unsicherheit als auch die unternehmerische Funktion zwangsläufig in einem sozialistischen System spielen würden. Tatsächlich glaubt Dickinson, dass es einer der Vorteile des sozialistischen Systems sei, die Unsicherheit zu verringern, die typischerweise im kapitalistischen System als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen vielen getrennten Entscheidungseinheiten auftritt. Diese vermeintliche „Verminderung“ der Unsicherheit würde durch die Intervention der zentralen Planungsagentur erreicht werden, die durch das Anordnen einer Reihe von bewussten, direkten Produktionsverhältnissen mittels Befehle das hohe Niveau der Unsicherheiten, die sich normalerweise auf dem Markt zeigen, zwangsläufig reduzieren würde. Dickinson verweist wieder auf die Offenheit, die in einem sozialistischen System im Gegensatz zum typischen Verhalten der Firmen in einem kapitalistischen System existieren würde, das, wie er behauptet, durch übermäßige „Geheimhaltung“ und einen Mangel an „Informationstransparenz“ charakterisiert sei. Indem Dickinson diese Annahmen macht, wird klar: Er unterstellt implizit, dass das zentrale Planungsbüro in der Lage ist, auf Informationen zuzugreifen, die es erlauben, die Gesellschaft von oben zu koordinieren und damit den Grad der Unsicherheit und der unternehmerischen Fehler zu reduzieren. Allerdings erklärt Dickinson nie, wie dies möglich sein würde, insbesondere angesichts der Tatsa347 F. A.

Hayek: „Socialist Calculation III: The Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 185. 348 Diese Besprechung, die in Economic Journal Nr. 50 (Juni/September 1940), S. 270 – 274, erschien, behandelt Hoffs Buch, veröffentlicht in Norwegisch unter dem Titel Okonomisk Kalkulasjon i Socialistike Samfund (Oslo: H. Ashekovg, 1938). Dieses Buch wurde später von M. A. Michael ins Englische übersetzt und in London bei William Hodge 1949 unter dem Titel Economic Calculation in the Socialist Society veröffentlicht. Dickinson schlussfolgert: „Der Autor hat eine kritische Besprechung auf einem hohen Level theoretischer Kompetenz geschrieben, die praktisch alles enthält, was zu diesem Thema auf Deutsch und Englisch geschrieben wurde.“ 349 Don Lavoie: Rivalry and Central Planning, S.  135 – 139. Das für Dickinson charakteristische statische Verständnis von Ökonomie und die daraus folgende Unfähigkeit, die Rolle und die Natur von Unsicherheit in einer Marktwirtschaft zu verstehen, werden heute von so angesehenen Autoren wie zum Beispiel Kenneth J. Arrow geteilt, der – wie wir in Fußnote 391 sehen werden – Unsicherheit als ein „Versagen“ des Marktes und des Preissystems ansieht.

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che, dass die Information, die das Planungsbüro benötigt, um die Unsicherheit zu verringern, nicht von oben generiert wird, sondern „von unten“, d. h. auf der Ebene der Wirtschaftssubjekte selbst. Auch ist solche Information, wie wir wissen, subjektiv, praktisch, zerstreut und unartikulierbar und kann daher ohne vollständige Freiheit der Ausübung von Unternehmertum möglicherweise nicht auf einen zentralen Planungskörper übertragen oder sogar erzeugt werden. Wenn Dickinson darüber hinaus totale „Informationstransparenz“ und die Veröffentlichung aller „Geschäftsgeheimnisse“, die in einem kapitalistischen System bewacht werden, befürwortet, dann setzt er implizit voraus, dass die Information objektiv ist und das Niveau der Unsicherheit signifikant sinken würde, sobald alle Angaben und „Geheimnisse“ der verschiedenen wirtschaftlich Handelnden über den gesamten gesell­schaftlichen Rahmen ausgebreitet sind. Allerdings müssen wir bedenken, dass jeder wirtschaftlich Handelnde seine Konkurrenten und Kollegen mit der ganzen Information bezüglich seiner Pläne buchstäblich überfluten kann, ohne zwangsläufig das Niveau der Unsicherheit zu reduzieren. Denn es ist nur möglich, andere mit Information zu überschwemmen, die artikuliert oder in einer formalisierten Art und Weise vermittelt werden kann. Darüber hinaus müssen die Angaben interpretierbar sein; alle Interpretationen sind subjektiv und in zahllosen Situationen könnten die wirtschaftlich Handelnden und ihre Konkurrenten dieselben Angaben subjektiv nicht in der gleichen Weise interpretieren. So können die Angaben nicht die gleiche subjektive Bedeutung annehmen wie bei dem Unternehmer, der sie ursprünglich „ausstellte“. Die Grenze könnte denkbar in einer Reihe von Umständen liegen, in der der Unternehmer die Information nicht nur übermitteln würde, sondern auch andeuten würde, wie sich seiner subjektiven Meinung nach zukünftige Ereignisse entwickeln würden und was die beste Vorgehensweise wäre. Wenn wirtschaftlich Handelnde entschieden, der „Intuition“ des Emittenten zu folgen, so würden sie schlicht die Möglichkeit, die Angaben selbst zu interpretieren, und so die persönliche Ausübung ihres Unternehmertums abgeben und sich darauf beschränken, lediglich der unternehmerischen Führung eines anderen zu folgen. Das sozialistische System kann die Unsicherheit nur über die „Vogel-Strauß-Methode“ eliminieren, das heißt, die Menschen müssen ihre Köpfe im Sand vergraben und sich weigern, die Unsicherheit zu sehen, oder erkennen, dass es nicht ein „Problem“ ist, sondern eine soziale Wirklichkeit, die der menschlichen Natur innewohnt und der man durch die Ausübung seines Unternehmertums ständig gegenübersteht. Wir finden ein anderes Indiz dafür, dass Dickinsons Modell im Wesentlichen statisch bleibt in der Art und Weise, wie er versucht, mit der Tatsache zu verfahren, dass das Niveau der unsicheren zentralen Planung nicht eliminiert werden konnte. Dickinson schlägt die Einrichtung eines Sicherheitszuschlages vor, der in die Gesamtkosten der Produktion zusammen mit den anderen Elementen eingeht, die normalerweise enthalten sind. Auch wenn Dickinson zugibt, dass es kompliziert ist, diesen Unsicherheitszuschlag zu kalkulieren, glaubt er, dieser könne anhand der Häufigkeit der Veränderungen bei den Verkäufen und Preisen eines jeden Guts und einer jeden Dienstleistung berechnet werden. Mit diesem Vorschlag offenbart Dickinson, dass er den wesentlichen Unterschied zwischen Risiko und Unsicherheit

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noch nicht begriffen hat – ein Unterschied, den wir in Kapital 2 behandelt haben.350 Er besteht aus einzigartigen Ereignissen, die im Hinblick auf eine mögliche Häufigkeitsverteilung in ihrer Existenz noch nicht einmal gedacht werden können. Die Information, die ökonomische Akteure kreieren und in Bezug auf das testen, von dem sie glauben, dass es vielleicht in der Zukunft passiert, ist typisch unternehmerisch unartikulierbar, kreativ und an die möglichen Alternativen angepasst. Daher kann es nur auf zentralisierte Weise so zusammengetragen werden, dass es die Formulierung einer Häufigkeitsverteilung erlaubt. Dickinsons Ansatz für die Rolle der „unternehmerischen Funktion“ würde in einem sozialistischen System sogar noch weniger zufriedenstellend sein, da in Dickinsons Modell die unternehmerische Funktion eine grundsätzlich ambivalente, krude Karikatur darstellt. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln ist verboten und die Zentralbehörde ist mit großer Macht darin engagiert, etwa Leitlinien für die Koordination individuel­ ler Pläne zu etablieren und die entsprechenden finanziellen Vermögen zu verteilen, in den Arbeitsmarkt einzugreifen, die Werbung zu monopolisieren und den internationalen Handel zu kontrollieren und zu dirigieren. Zudem sieht Dickinson diese Zwangsagentur, die er den „obersten ökonomischen Rat“ nennt, nicht nur als „allgegenwärtig und allwissend“, sondern auch als „allmächtig“ in Bezug auf seine Kapazität, Veränderungen einzuführen, sobald seine Mitglieder die Notwendigkeit dazu verspüren.351 Dennoch bedeutet die Tatsache, dass die Manager der unterschiedlichen Unternehmen im sozialistischen System der Zentralbehörde untergeordnet sind, nicht, dass Dickinson glaubt, sie hätten keine Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen.352 Tatsächlich meint Dickinson, dass jedes Unternehmen im sozialistischen System sein entsprechendes Kapital haben muss, seine eigene Gewinn-und-Verlust-Rechnung führen sollte und so ähnlich wie möglich durch Methoden gemanagt werden sollte, mit denen Unternehmen in einem kapitalistischen System geführt werden. Dickinson ist ganz klar, dass es für Manager notwendig ist, für die Leistung ihrer Unternehmen finanziell verantwortlich zu sein und sowohl an Gewinn als auch an Verlusten teilzuhaben. Was unser Autor zu erklären unterlässt, ist, wie diese finanzielle Verantwortlichkeit in einem System erreicht werden kann, in dem das Privateigentum an den Produktionsmitteln durch Gewalt verhindert wird. Wie wir 350 Siehe

in Kapitel 2 den Abschnitt „Kreativität, Überraschung und Unsicherheit“ sowie die Fußnoten 24 und 25. 351 Siehe Dickinson: The Economics of Socialism, S. 103, S. 113 und S. 191. Zu diesen Adjektiven (allwissend und allgegenwärtig), die Dickinson der Planungsbehörde zuschreibt, macht Mises die folgende ironische Anmerkung: „Es ist eingebildet, sich mit der Hoffnung zu trösten, dass die Organe der kollektiven Ökonomie allgegenwärtig und allwissend sind. In der Praxeologie arbeiten wir nicht mit den Handlungen einer allgegenwärtigen und allwissenden Gottheit, sondern mit Handlungen von Menschen, die nur mit einem menschlichen Geist ausgestattet sind. So ein Geist kann nicht ohne Wirtschaftsrechnung planen.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S. 710.) Vierzehn Seiten früher, auf Seite 696, lesen wir: „wir mögen zugestehen, dass der Direktor oder der Vorstand Menschen mit überlegenen Fähigkeiten sind, weise und voller guter Intentionen. Aber es wäre nichts weniger als eine Idiotie anzunehmen, dass sie allwissend und unfehlbar sind.“ 352 „Nur weil Manager in einer sozialistischen Industrie durch die Richtung angeleitet werden, die die Planungsbehörde festlegt, folgt daraus nicht, dass sie deshalb keine Wahl haben.“ (Dickinson: The Economics of Socialism, S. 217.)

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in Kapital 2 gelernt haben, kann ein Mensch die Gewinne seiner Handlung nicht frei beziehen, sobald die Produktionsmittel nicht privat besessen werden können. Die koordinierende unternehmerische Funktion des gesellschaftlichen Prozesses entsteht dabei nicht. Zudem meint Dickinson, dass das Erleiden von Verlusten immer ein Zeichen eines Managementversagens ist – wenngleich das Erzielen von Gewinn nicht notwendigerweise ein Zeichen unternehmerischen Erfolges ist.353 Wird diese „Intuition“ von Dickinson zum Prinzip erhoben, ist es klar, dass Manager dazu tendieren werden, konservative Bedienstete zu sein, die ängstlich zum Beispiel gegenüber neuen Unternehmensaktivitäten, der Einführung neuer Technologien und kommerzieller Innovationen sowie der Modifizierung des Produktionsprozesses sein werden, da Verluste immer als ein Fehler angesehen werden und unvorteilhaft für die professionelle Karriere sind, während mögliche Gewinne eventuell nicht als Erfolge anerkannt werden. Das Problem, Manager zu motivieren und auszuzeichnen, versucht Dickinson damit zu lösen, dass er ein System von „Boni“ oder finanziellen Zahlungen etabliert, die sich nach den Ergebnissen der Unternehmen richten, die von den Managern geführt­ werden. Natürlich wären solche Boni nicht identisch mit unternehmerischen Gewinnen – nicht nur, weil sie in der Praxis die Wiedereinführung des ungeliebten kapitalistischen Systems bedeuten würden, sondern auch, weil Dickinson, wie wir gerade erwähnt haben, Gewinne nicht unter allen Umständen als ein Zeichen von Effizienz anerkennt. Mit diesem Vorschlag tappt Dickinson wieder in die Falle des statischen Modells. Wie wir bereits wissen,354 setzt das Bonussystem implizit voraus, dass die Behörde, die mit der Verteilung der Boni beauftragt ist, Zugang zu Informationen hat, die aufgrund ihrer subjektiven, verstreuten, unartikulierbaren Natur für die Behörde niemals zugänglich sein können. Um Boni aufgrund von Ergebnissen zu verteilen, bedarf es der Möglichkeit zu wissen, ob diese Ergebnisse vorteilhaft oder unvorteilhaft sind. Wenn es für eine Planungsbehörde möglich ist festzustellen, ob Ergebnisse vorteilhaft oder unvorteilhaft sind, dann ist die Ausübung der unternehmerischen Funktion nicht notwendig, um diese Information zu schaffen. Wenn aber die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion erlaubt werden muss, damit diese Informationen entstehen, macht es keinen Sinn, ein Bonussys­ tem zu etablieren, da niemand bis zur Entstehung dieser Information weiß, ob die Ausübung der unternehmerischen Funktion erfolgreich sein wird oder nicht. Dies ist genau das grundsätzliche Argument, das Kirzner entdeckte und gegen die unterschiedlichen (zu diesem Zeitpunkt alle vergeblichen) Versuche formulierte, in einem sozialistischen Land ein Anreizsystem zu etablieren.355 Unternehmerischer 353 Für

Dickinson wäre das wesentliche Prinzip: „Obwohl die Gewinnerzielung kein Zeichen für Erfolg ist, ist das Erleiden von Verlusten ein Zeichen des Versagens.“ (Dickinson: The Economics of Socialism, S. 290.) 354 Siehe die kritischen Argumente, die wir in Bezug auf das Bonus-und-Anreiz-System am Ende der Kritik an Langes klassischem Modell in Kapitel 6 präsentiert haben. 355 In Kirzners eigenen Worten (siehe ebenfalls Fußnote 320 von Kapitel 6): „Anreize für sozialistische Manager ignorieren die wesentliche Rolle der unternehmerischen Entdeckung.“ (Discovery and the Capitalist Process, S. 34 – 37.) Don Lavoie fasst die österreichischen Argumente gegen ein

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Erfolg kann nur subjektiv bewertet werden durch die Person, die die unternehmerische Funktion ausübt. Der Akteur misst sie von einer Gesamtperspektive und beachtet nicht nur den entsprechenden finanziellen Gewinn, sondern auch alle anderen Umstände, die er subjektiv als Gewinn bewertet. Zudem entsteht dieser Gewinn kontinuierlich und variiert in seiner Summe und seiner Natur. Er leitet ständig die Handlungen des Unternehmers, indem er diesem Informationen über die Richtung gibt, die er nehmen sollte. Das Bonussystem ist im Gegenteil auf der Managementebene nützlich, aber nicht auf der unternehmerischen Ebene. Boni werden a posteriori auf Grundlage objektiven Informationen und in Übereinstimmung mit einem Plan erteilt, der vorher etabliert und vereinbart wurde und vollkommen unmissverständlich artikuliert ist. Boni leiten Handlungen nicht ein, da sie in rigider und objektiver Weise nach der Tatsache erteilt werden. Vor allem beinhaltet die Gewährung von Boni ein interpretierendes Urteil über die Ereignis­ se  – ein Urteil, das nur sinnvoll ist, wenn es unternehmerisch gemacht ist, aber nicht, wenn es sich aus Befehlen einer zentralen Planungsbehörde ergibt (der die notwendige Information fehlt, um Boni anders als willkürlich zu vergeben) oder wenn die Boni im Vorfeld für alle denkbaren Fälle in Abhängigkeit vom Zusammentreffen bestimmter, mehr oder weniger messbarer Kriterien festgesetzt wurden. Kurz gesagt, Dickinson scheitert daran, nicht zu verstehen, dass der Begriff „incentive“ zwei sehr unterschiedliche Bedeutungen hat. Man kann sich eine strenge, begrenzte und praktisch irrelevante Bedeutung denken, die sich auf die Entwicklung von Mechanismen für die Motivation der ökonomisch Handelnden bezieht, aus den ihnen bereits zur Verfügung stehenden Informationen (nach einer zuvor festgelegten „Regel“) etwas Gutes zu machen. Zu Beginn des Buches haben wir dem Begriff nicht diese, sondern eine viel breitere Bedeutung zugewiesen, die viel präziser und relevanter für die Wirtschaftswissenschaften ist: Aus unserer Sicht beinhalten Anreize alles, was man sich als Neues vorstellen kann und geschaffen wird – nicht nur in der Erwartung, dass die Menschen die objektiven Informationen, die sie schon besitzen, weiterleiten, sondern auch (und das ist viel wichtiger), dass sie durch die konstante Entwicklung und Entdeckung der subjektiven Informationen, die sie noch nicht besitzen, entscheidende Informationen zur Erreichung der beabsichtigten Zwecke aussenden. Auch wenn ein plumper Versuch gemacht werden kann, „incentives“ im ersten Sinne einzuführen, ist in einem sozia­listischen System jeder Mensch gewaltsam und systematisch daran gehindert, die ganzen Leistungen seiner unternehmerischen Aktivitäten zu ernten. Somit ist es unmöglich, anhand dieser Definition Anreize im zweiten, breiten und wahren Sinn einzuführen. sozialistisches System der Boni und Anreize wie folgt zusammen: „Dies impliziert, dass die Planungsbehörde, die den individuellen Gewinn-und-Verlust-Stand überprüft, in der Position sein muss, genuinen Gewinn vom Monopolgewinn im standardisierten Sinne zu unterscheiden. Dies verhindert jedoch die eigentliche Frage, da das Argument beinhaltet, dass der Planungsbehörde das notwendige Wissen fehlt, das dezentralisierte Initiative generiert, und dass dieses Wissen nur durch Gewinn-und-Verlust-Stände offengelegt wird. Es gibt keinen überlegenen Wissensspeicher, mit dem Gewinnzahlen verglichen werden könnten, sodass die Kompensation der Manager entsprechend variieren kann.“ (Don Lavoie: Rivalry and Central Planning, S. 138 – 139.)

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Darüber hinaus empfiehlt Dickinson, dass Boni und Anreize für technische Experimente und Erfindungen vorgesehen werden, als ob die zentrale Planungsbehörde die Menge und Qualität an notwendiger Information besitzen könnte, um ihren Mitgliedern ein Urteil darüber zu ermöglichen, welche Projekte finanzierbar sind und welche nicht, und ebenso, welche Experimente Erfolg versprechen und welche nicht. Allerdings stellt Don Lavoie fest: „Die Idee von spezifizierten Anreizen als einer bewussten Planungsentscheidung steht im Widerspruch zu der Idee vom Experimentieren als einem echten, dezentralen Entdeckungsprozess. Wenn die zentrale Planungsbehörde nicht die notwendige Kenntnis hat, eine mutige Initiative von rücksichtslosem Glücksspiel zu unterscheiden, dann kann sie unter den Managern keine Anreize verteilen, um den einen zu ermutigen und den anderen zu entmutigen.“356 Schon dieses bloße Problem konfrontiert unweigerlich solche westlichen Regierungen, die sich anstrengen, durch Subventionen und andere „Anreize“ beides zu fördern, wissenschaftliche Forschung und kulturelle und künstlerische Entwicklung. In allen solchen Fällen gewähren die entsprechenden Regierungsbehörden Anreize und Fördermittel schließlich rein willkürlich, was mit den Vorhersagen der Public-Choice-Schule perfekt übereinstimmt. In Ermangelung anderer, anspruchsvollerer Kriterien bieten Agenturen Anreize, die auf Kontakten, politischem Einfluss und dergleichen basieren, und scheitern kläglich, wertvolle technologische Innovationen oder wahre kulturelle oder künstlerische Entwicklung zu fördern. In seinem Ansatz zum Unternehmertum unterstellt Dickinson explizit und bedingungslos, dass volle Information erreichbar ist, Gesellschaft statisch ist und sich niemals etwas ändert. Diese Annahmen verwandeln alle ökonomischen Probleme in rein technische Angelegenheiten, die einfache Manager lösen können. Im ganzen Buch haben wir solche Annahmen streng kritisiert und sie offenbaren Dickin­sons Unfähigkeit, sich dem Kalkulationsproblem in sozialistischen Ökonomien zu stellen. Wie Mises es ausdrückt, ist „das kapitalistische System kein Managersystem, es ist ein Unternehmersystem“357. Und Dickinson gehört zu denen, die die Unternehmerfunktion mit der Managerfunktion verwechseln und deshalb unfähig ihre Augen vor dem wahren ökonomischen Problem verschließen. Schließlich ist es kurios, Dickinsons Naivität zur Kenntnis zu nehmen, wenn er glaubt, sein System mache es möglich, das erste Mal in der Geschichte der Menschheit wirklichen „Individualismus“ und „Freiheit“ zu begründen, mit anderen Worten eine Art „libertären Sozialismus“ mit großer intellektueller Anziehungskraft.358 Angesichts der enormen Macht der zentralen Planungsbehörde in Dickinsons Mo356 Don Lavoie: Rivalry and Central Planning, S. 139. 357 Ludwig von Mises: Human Action, S. 708. Auf Seite

709 fügt Mises hinzu: „Man kann Spekulation und Investment nicht spielen. Spekulanten und Investoren setzen ihren eigenen Wohlstand ein, ihr eigenes Schicksal […] Wenn man sie von dieser Verantwortung befreit, beraubt man sie ihres eigenen Charakters. Sie sind nicht mehr länger Geschäftsleute, sondern nur noch eine Gruppe von Männern, denen der Direktor seine Hauptaufgabe, die Leitung der wirtschaftlichen Angelegenheiten, zugeordnet hat. Dann werden sie – und nicht der nominelle Direktor – die wahren Direktoren und müssen das gleiche Problem lösen, das der nominelle Direktor nicht lösen konnte: das Problem der Wirtschaftsrechnung.“ 358 Dickinson: The Economic of Socialism, S. 26.

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dell zusammen mit seiner charakteristischen Willkür, der Propaganda-Manipulation und der Unfähigkeit, wirtschaftliche Kalkulation zu leisten, würde sein sozia­ listisches System ganz am Ende ein sehr autoritäres System sein. In ihm würde individuelle Freiheit dramatisch zu Schaden kommen und es gäbe keinerlei Chance einer wahren demokratischen Systemfunktionsweise. In der Tat gibt Dickinson zu (und das sind seine genauen Worte), dass „in einer sozialistischen Gesellschaft die Unterscheidung zwischen Ökonomie und Politik, die immer künstlich ist, zusammenbrechen wird. Die ökonomische und politische Maschinerie einer Gesellschaft verschmelzen.“359 Wie Hayek gezeigt hat,360 fasst diese Annahme Dickinsons eine der Doktrinen bestens zusammen, die durch Nazis und Faschisten aufgestellt wurde. Wenn wir Politik und Ökonomie nicht unterscheiden können, wird es zwingend sein, dass eine einzige vorherrschende Präferenzskala in Bezug auf jeden Bereich des menschlichen Lebens auf alle Akteure und Mitglieder der Gesellschaft angewendet wird. Es ist ganz klar, dass dies nur durch den umfassenden Gebrauch von Zwang und Gewalt erreicht werden könnte. Tatsächlich bezieht sich der Begriff „Politik“ immer auf eine systematische und institutionelle Gewalt, auf Zwang und auf Befehle (so wie wir Sozialismus in diesem Buch definiert haben), während „Ökonomie“ sich auf freiwillige Verträge bezieht, die freie Ausübung der unternehmerischen Funktion und das friedliche Verfolgen verschiedenster Ziele aller Individuen innerhalb eines rechtlichen Rahmens von Austausch und Kooperation. Das große Wunder des Lebens in einer kapitalistischen Gesellschaft, die durch die Kraft der unternehmerischen Funktion angetrieben wird, liegt in der Tatsache, dass jeder ökonomische Akteur in einer derartigen Gesellschaft lernt, sein Verhalten freiwillig zu disziplinieren und in Bezug auf die Nöte und Wünsche von anderen zu modifizieren – und das alles in einer Umwelt, in der jede Person die vielfältigsten, reichhaltigsten und unvorhersehbarsten Ziele verfolgt. Dies ist sicherlich etwas, das Dickinson sich niemals gewünscht hat und auch nie verstehen konnte. Der Beitrag von Abba Ptachya Lerner zu der Debatte Der Beitrag Lerners zu der Debatte nahm nicht die Form expliziter Antworten zu den Büchern und Artikeln von Mises und Hayek an. Vielmehr erschienen sie in einer Reihe von Artikeln, die Lerner in den dreißiger Jahren publizierte und in denen er die Vorschläge anderer sozialistischer Theoretiker kommentierte und kritisierte, die an der Debatte teilgenommen hatten, insbesondere Lange, Durbin, Dickinson und Dobb.361 Eine Reihe von Beobachtungen, die für unser Thema relevant sind, 359 Dickinson: The Economics of Socialism, S. 235. 360 Siehe F. A. Hayek: „Socialist Calculation III: The

Competitive Solution“, in: Individualism and Economic Order, S. 206 – 207. 361 Die Artikel von Lerner, die am relevantesten für die Debatte um die sozialistische Wirtschaftsrechnung sind: „Economic Theory and Socialist Economy“, in: Review of Economics Studies, Nr. 2 (Oktober 1934), S. 51 – 61; „A Rejoinder“, in: Review of Economics Studies, Nr. 4 (Oktober 1936), S. 72 – 76; „Statics and Dynamics in Socialist Economics“, in: Economic Journal, Nr. 47 (Juni 1937), S. 253 – 270; und schließlich: „Theory and Practice of Socialist Economies“, in: Review of Economics Studies, Nr. 6 (Oktober 1938), S. 71 – 75.

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machte Lerner in seinem Buch Die Ökonomie der Kontrolle, das 1944 publiziert wurde.362 In seinen Artikeln versucht Lerner nicht nur das Problem der Statistik zu lösen, sondern auch die „dynamischen“ Probleme zu behandeln, die sich einer sozialistischen Wirtschaft stellen. In seinem Buch Die Ökonomie der Kontrolle erwähnt er darüber hinaus explizit,363 dass die totale Planung ein zentralisiertes Wissen über die Vorgänge in jeder Fabrik, über tägliche Schwankungen von Angebot und Nachfrage und über Veränderungen des technologischen Wissens benötigt. Lerner erklärt außerdem, dass eine zentrale Planungsbehörde, weil sie sich dieses Wissen unmöglich aneignen kann, nur die Möglichkeit hat, dem „Mechanismus“ der Preise zu vertrauen. Trotz dieser Beobachtungen beruht Lerners Beitrag genau wie die Beiträge der anderen Marktsozialisten weiterhin explizit und implizit auf der Annahme, dass alle Informationen, die für die Umsetzung seines Vorschlags erforderlich sind, notwendigerweise vorhanden sind. Lerner schafft es daher weder, die Herausforderung von Mises und Hayek zu beantworten, noch im Gegenzug das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung zu lösen. Des Weiteren könnten wir sogar hervorheben, dass Lerner der größte Extremist in Bezug auf die Verteidigung des Gleichgewichtsmodells als einer theoretischen Fundierung des Sozialismus war und dabei die Notwendigkeit ignoriert und verneint, die wahrhaft interessanten Probleme zu untersuchen, die die unternehmerische Funktion darstellt. Betrachten wir drei konkrete Beispiele, die ganz klar die charakteristische Position von Lerner illustrieren. Erstens müssen wir Lerners kritische Analyse der Kostenregel erwähnen, die früher von unterschiedlichen Marktsozialisten und besonders von Taylor, Lange und Durbin formuliert wurde. Tatsächlich kritisiert Lerner Taylors Gebrauch des Prinzips, Preise mit den Gesamtdurchschnittskosten zu vergleichen. Er kritisiert außerdem den Fokus von Langes Regeln auf das Ziel, mehr den „Marktmechanismus“ zu simulieren als den endgültigen Zustand, zu dem der Markt tendiert. Und er ist insbesondere kritisch in Bezug auf die Anwendung von Durbins Regeln, die laut Lerner eine Rückkehr zu dem praktischen Prinzip bedeuten, Preise in Bezug auf Gesamtkosten zu etablieren, da Manager dazu genötigt werden, das größte Volumen zu produzieren, das mit dem Erreichen eines „normalen“ Gewinnlevels kompatibel ist.364 362 Abba

P. Lerner: The Economics of Control: Principles of Welfare Economics. New York: Macmillan, 1944. 363 A. P. Lerner: The Economics of Control, S. 119. 364 Tibor Scitovsky: „Lerner’s Contribution to Economics“, in: Journal of Economic Literature 22, Nr. 4 (Dezember 1984), S. 1547 – 1571, insbesondere S. 1552. Scitovsky bietet eine Zusammenfassung der Debatte um die sozialistische Wirtschaftsrechnung sowie Lerners Teilnahme an ihr (S.  1551), die nicht nur Scitovskys vollkommenes Unverständnis über den Inhalt der Debatte offenlegt, sondern auch die Tatsache, dass er nur bestimmte Sekundärliteratur verwendet hat, die Positionen beziehen, die nicht mit der tatsächlichen Entwicklung der Ereignisse übereinstimmen. Dass bestimmte hervorragende Ökonomen solche Dinge zu diesem Zeitpunkt weiterhin schreiben, ist ausgesprochen misslich. Zu Lerner siehe ebenfalls Karen Vaughns interessante Einleitung zu dem Buch von T. J. B. Hoff: Economic Calculation in the Socialist Economy, S. 24 ff., sowie Kapitel 12 im gleichen Buch, S. 224 – 236.

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Laut Lerner ist es nicht so wichtig, eine praktische Regel zu finden, wie das endgültige Ziel des Sozialismus direkt zu verfolgen ist. Dieses kann nur darin bestehen, sicherzustellen, dass kein Faktor oder keine Ressource dazu genutzt wird, ein Gut oder eine Dienstleistung zu produzieren, während die Produktion anderer, höher bewerteter Güter vernachlässigt wird. Der einzige Weg, um das zu garantieren, ist es, Managern zu befehlen, Preise in allen Fällen den Grenzkosten anzugleichen (MC = P) – ein Prinzip, das konsequent umgesetzt werden muss, obwohl es mit Langes zweiter Regel übereinstimmt, aber ohne die Besessenheit, von der Lerner glaubt, dass Lange sie bei der Simulation des Funktionierens eines wettbewerblichen Marktes hatte. Gemäß Lerner ist es unnötig, darauf zu insistieren, so wie es Durbin tut, dass Manager „normale“ Gewinne erhalten, weil derartige Gewinne schlicht ein Zeichen eines statischen Gleichgewichtes sind. Was das sozialistische System wirklich braucht, ist eine Orientierung für die Allokation produktiver Ressourcen in einer „dynamischen“ Welt. Wir sehen daher, dass Lerners sogenannte „dynamische Analyse“ auf den Versuch begrenzt ist, eine anwendbare Regel zu finden, die seiner Meinung nach auf alle Umstände zutrifft, die täglich in einer sozialistischen Wirtschaft auftreten. Paradoxerweise ist Lerners Lösung so statisch wie die, die Durbin, Lange und Dickinson vorschlugen. Wir könnten daher hier die gesamte detaillierte Kritik wiederholen, die wir bereits vorher in Bezug auf die Regel von auf Grenzkosten basierenden Preisen vorgetragen haben. Zu diesem Punkt ist es ausreichend zu wiederholen, dass Grenzkosten nicht in dem Sinne „objektiv“ sind, dass sie gegeben und unverwechselbar von einer dritten Partei beobachtet werden können. Sie sind im Gegenteil typische Beispiele unternehmerischer Information, also einer Information, die schrittweise auf subjektive, verstreute, stillschweigende und praktische Weise in den Köpfen derer geschaffen wird, die die unternehmerische Funktion frei ausüben. Es ist daher nicht zunehmen, dass die Informationen über Kosten von Managern geschaffen oder entdeckt werden, die ihre unternehmerische Funktion nicht frei ausüben können, da das Privateigentum über die Produktionsmittel abgeschafft wurde. Noch absurder ist der Glaube, eine derartige Information könne zu einer zentralen Planungsbehörde übermittelt werden und diese Behörde sie auf irgendeine Weise dazu fähig, die Befolgung dieser Regel (MC = P) durch die verschiedenen Industriemanager zu kontrollieren. Zweitens realisiert Lerner interessanterweise selber, dass die relevanten Preise, die in seiner Regel (MC = P) angewendet werden müssen, nicht „gegenwärtige“ Preise sind (die bereits in einem Markt entstanden sind, selbst in jüngster Vergangenheit), sondern zukünftige Preise, wie sie ökonomische Akteure voraussehen („erwartete Zukunftspreise“).365 Lerners grundsätzliche Regel muss auf eine solche Weise etabliert werden, dass jeder Manager Preise gemäß seinen eigenen Erwartungen mit Grenzkosten gleichsetzt. Dennoch können diese Erwartungen unmöglich aufkommen, wenn Manager ihre unternehmerische Funktion (aufgrund der Abwesenheit des Privateigentums an Produktionsmitteln) nicht frei ausüben dürfen. Es ist auch für einen bürokratischen Überwacher und Mitglied der zentralen Planungsbehörde 365 Abba

P. Lerner: „Statistics and Dynamics in Socialist Economics“, S. 253 sowie S. 269 f.

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theoretisch unmöglich, objektiv zu kontrollieren, ob dieser Regel Folge geleistet wurde (d. h., ob jeder Manager „in Übereinstimmung mit seinen eigenen Erwartungen“ richtig handelt oder nicht). Lerner spürt also eine Idee, die grundsätzlich korrekt ist, aber er realisiert nicht, dass sie seinen gesamten Vorschlag zerstört und zu purer Sinnlosigkeit reduziert. Drittens betrachtet Lerner die Frage, ob eine zentrale Planungsbehörde zukünftige Grenzkosten besser oder schlechter schätzen kann als in einer wettbewerblichen Gesellschaft handelnde Unternehmer, als ein „soziologisches“ oder „praktisches“ Thema und daher nicht als eines, das in das Feld der „ökonomischen Theorie“ gehört.366 Überdies kritisiert Lerner explizit Durbins Versuch, die praktischen Effekte zu analysieren, die der Sozialismus auf die Anreize und Verhalten von Managern in einem sozialistischen System hätte. Lerner bemerkt scherzhaft, dass Durbin mit seiner Entdeckung versucht, ein Problem zu lösen, das ohne jede Beziehung zu der theoretischen Möglichkeit der Wirtschaftsrechnung in einer sozialistischen Volkswirtschaft ist.367 Es ist offensichtlich, dass es Lerner selber ist, der die falsche Frage beantwortet, und das auch noch mit analytischen Werkzeugen und „theoretischen“ Schlussfolgerungen, die ungeeignet sind, das Problem zu beantworten, das Hayek und Mises in Bezug auf die Unmöglichkeit der rationalen Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System aufgestellt hatten. Wenn er sich hinter einem hypothetischen System versteckt, in dem ökonomische Akteure darauf angewiesen sind, sich auf bestimmte Art zu verhalten, dann vergisst er zu berücksichtigen, ob sie überhaupt in der Lage sind, basierend auf den Informationen, die sie schaffen, und den Anreizen, die sie motivieren, sich auf diese Weise zu verhalten. Lerner koppelt sich bewusst von den relevanten theoretischen Problemen ab und flüchtet in ein steriles Nirwana des allgemeinen Gleichgewichts und der Wohlfahrtsökonomie. Lerners Besessenheit in Bezug auf Gleichgewichte und Statistik wird insbesondere an seiner Kritik an Oskar Lange deutlich, den er als jemanden ansieht, der unnötigerweise versucht, einen Wettbewerbsmechanismus zu reproduzieren. Nach Lerners Meinung besteht das wirklich wichtige Problem darin, die Umstände zu formulieren, die notwendig sind, um das „sozialistische Ideal“ aus der Perspektive der „Wohlfahrtsökonomie“ zu definieren – unabhängig davon, welche Methode benutzt wird, um dieses Ideal zu erreichen. Tatsächlich ist es nicht mehr das Ziel, ein Modell des „perfekten“ Wettbewerbes aufzustellen (obwohl solch ein Modell des „Wettbewerbes“ nichts zu tun hat mit dem Wettbewerb, der zwischen Unternehmern im echten Leben auftritt), sondern so klar wie möglich das Nirwana oder da „Paradies“ zu definieren, das durch den Begriff „Wohlfahrtsökonomie“ beschrieben wird. Die Entdeckung der praktischen Systeme, die am besten dazu geeignet sind, dieses „Paradies“ durch Gewalt zu erreichen, wird der Soziologie, der Psychologie und der 366 In

Lerners eigenen Worten: „Die Frage ist dann eine soziologische, ob das sozialistische Kartell in der Lage ist, diesen zukünftigen Wert mehr oder weniger akkurat einzuschätzen als der kompetitive Besitzer des eingestellten Instruments. Hier verlassen wir die reine ökonomische Theorie.“ (Statistics and Dynamics in Socialist Economics, S. 269.) 367 Tatsächlich verglich Lerner scherzhafterweise Durbin mit einem „Schuljungen im Prüfungsraum, der schrieb: ‚Ich kenne die gesellschaftlichen Auswirkungen der französischen Revolution nicht, aber die Könige von England waren die Folgenden.‘“ („A Rejoinder“, 1938, S. 75).

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Politik überlassen.368 Lerner insistiert darauf: Anstatt ein System des „perfekten Wettbewerbes im Gleichgewicht“ durch Versuch und Irrtum oder irgendeine andere Methode zu finden, ist es wichtiger, ein gesellschaftliches Optimum direkt zu erreichen, indem Manager angewiesen werden, Preise den Grenzkosten gleichzusetzen. Von allen Theoretikern, die wir bis zu diesem Punkt analysiert haben, war Lerner vielleicht am stärksten vom neoklassischen Modell des allgemeinen Gleichgewichts und der Wohlfahrtsökonomie hypnotisiert, und dies sogar bis zu dem Punkt, dass er jede Analyse als außerhalb des Fokus der Theorie ablehnte, die sich nicht auf die Annahmen, Implikationen und formellen Darstellungsweisen der Wohlfahrtsökonomie bezog. Dies erklärt seine beharrliche Empfehlung, Firmenmanager anzuweisen, dem Diktat der Wohlfahrtsökonomie zu folgen. Mit genau diesem Ziel schrieb er 1944 sein Werk Die Ökonomie der Kontrolle als ein praktisches Handbuch für Interventionismus – ein Rezeptbuch für neoklassische Gleichgewichts- und Wohlfahrtsökonomie, das von den Bürokraten der zentralen Planungsbehörde direkt in der Praxis der sozialen Mechanik angewendet wird, um sie zu unterstützen und ihnen ihre „schwere Aufgabe“ zu erleichtern, auf den Rest der Bevölkerung auf dem Gebiet der Volkswirtschaft systematischen Zwang auszuüben.369 Lerner realisiert nicht, dass er durch diese Argumentationsweise in die eigene Falle läuft. Tatsächlich hält ihn der beeindruckende Elfenbeinturm der Wohlfahrtsökonomie in vollkommener Stagnation fern von den wirklichen ökonomischen Problemen, 368 Auf

Seite 74 seines 1936 erschienenen Artikels „A Note of Socialist Economics“ schreibt Lerner: „Mein Einwand ist methodologisch, dass Dr. Langer den Zustand eines wettbewerblichen Gleichgewichts als sein Ziel ansieht, während es in der Realität nur ein Mittel für dieses Ziel ist. Er schafft es nicht, hinter das perfekte Gleichgewicht zu kommen und darauf zu zielen, was wirklich gebraucht wird. Selbst wenn es wahr wäre, dass in dem Zustand das klassische, statische, perfekte Wettbewerbsgleichgewicht in seiner Gesamtheit erreicht und beibehalten werden kann und das soziale Optimum, welches das eigentliche Ziel ist, dabei erreicht werden könnte, folgt daraus nicht, dass man sich durch das Anpeilen dieses Gleichgewichts dem sozialen Optimum annähert, so wie es erwünscht wird.“ 369 Ein anderes Zeichen für die statische Natur von Lerners Analyse in dem Sinne, dass er annimmt, dass die Planungsbehörde Zugang zu allen für ihr Handeln notwendigen Informationen hat, ist in seiner Entwicklung der Theorie des „produktiven Spekulanten“ zu erkennen. Dieser übe eine nützliche Funktion aus, die innerhalb einer Planwirtschaft zu erhalten sei und von dem „monopolistischen oder aggressiven“ Spekulanten unterschieden werden müsse, dessen Funktion durch den Mechanismus neutralisiert wird, den Lange „Gegenspekulation“ nennt (Economics of Control, S. 69 f.). Weil der Unterschied, den er zu etablieren versucht, ausschließlich auf den subjektiven Gründen für spekulative Handlungen beruht, erwähnt Lerner nicht, dass es keine Möglichkeit der objektiven Unterscheidung zwischen diesen zwei Arten der Spekulation gibt. Außerdem gibt es keine objektiven, unverwechselbaren Kriterien, die es uns erlauben, die subjektiven Motive zu identifizieren und zu interpretieren. Wie Murray N. Rothbard in seiner Analyse der Monopole in Man, Economy, and State (Los Angeles: Nash Publishing, 1972, Bd. 2, Kapitel 10, S. 586 – 620) zeigt, ist die Unterscheidung zwischen „Wettbewerbspreisen“ und „Monopolpreisen“ theoretisch abwegig, da Letztere auf der Basis der Ersteren definiert werden und die Gleichgewichtspreise, die sich hypothetisch in einem „perfekten Wettbewerb“ eingestellt haben, im echten Leben unbekannt sind. Es gibt kein objektives, theoretisches Kriterium, um zu bestimmen, ob ein Monopol existiert. Des Weiteren hat Kirzner das Problem von „Wettbewerb“ versus „Monopol“ offengelegt (Competition and Entrepreneurship, Kapitel 3, S. 88 – 134), beide verstanden in ihrem statischen Sinne als Zustände oder Gleichgewichtsmodelle. Dies ist irrelevant und absurd, da es theoretisch wichtig ist zu analysieren, ob ein realer Prozess existiert, der durch die Wettbewerbskraft der unternehmerischen Funktion und ungehindert von Regierungsrestriktionen und unabhängig von dem Ergebnis der Kreativität manchmal die Form eines „Monopols“ oder eines „Oligopols“ annimmt.

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die der Sozialismus darstellt, und bietet ihm vollständige „Immunität“ von den theoretischen Kritiken, die Mises und Hayek formulierten (oder zumindest glaubt er das). Nichtsdestotrotz ist die Sicht aus dem Elfenbeinturm nicht klar, sondern undeutlich. Lerner verfügt daher nicht über die notwendigen analytischen Werkzeuge, um die wichtigen ökonomischen Probleme zu lösen, geschweige denn sie zu erkennen. Seine Isolierung im Paradigma der Wohlfahrtsökonomie ist so tief, dass Lerner selbst die Unterschiede, welche die reale Welt vom Gleichgewichtsmodell des perfekten „Wettbewerbs“ trennen, als klare „Defekte“ oder „Versagen“ des kapitalistischen Systems einstuft (die der Sozialismus zumindest potenziell mittels Zwang zu beseitigen in der Lage ist), anstatt sie als einen Defekt der eigentlichen analytischen Werkzeuge des Modells zu erkennen. Mit anderen Worten: Wenn die Welt sich nicht so verhält, wie die Theorie des Nirwana voraussagt, dann lasst uns die Welt zerstören und das Nirwana konstruieren. Aber lasst uns niemals die Theorie ändern in einem Versuch zu erklären, wie die wirkliche Welt funktioniert und was in ihr passiert.370 Eine Kritik, die Tadeusz Kowalik gegen Lange übt, kann auch auf Lerner angewendet werden:371 Kowalik behauptet, dass Lange die analytischen Werkzeuge fehlten, die notwendig sind, um das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung zu lösen und die wirklich wichtigen ökonomischen Probleme zu verstehen und zu bewerten.372 370 Siehe

Don Lavoie: Rivalry and Central Planning (S. 129, Fußnote 8), wo er sich auf Abba P. Lerners Artikel „The Concept of Monopoly and the Measurement of Monopoly Power“ (in: Review of Economic Studies, Nr. 1 [1934], S. 157 – 175) bezieht. Siehe ebenfalls unseren Artikel „La Crisis del Paradigma Walrasiano“, in: El País, 17. Dezember 1990, S. 36. 371 Kowalik führt aus, dass Lange am Ende seines Lebens einen Brief von ihm erhielt (datiert vom 14. August 1964), in dem er diesem schreibt: „Was optimale Allokation genannt wird, ist von zweitrangiger Bedeutung; was von größter Wichtigkeit ist, sind die Anreize für das Wachstum der produktiven Kräfte (Akkumulation und Fortschritt in der Technologie). Dies ist die wahre Bedeutung der sprichwörtlichen Rationalität.“ Kowalik schlussfolgert: „Es scheint, dass ihm die unverzichtbaren Werkzeuge fehlten, um die Frage zu lösen oder sogar um sie detailliert zu präsentieren.“ Siehe Kowaliks Artikel über den „Lange – Lerner Mechanism“, in: The New Palgrave: A Dictionary of Economics, Bd. 3, S. 131. Kowalik deutet ebenfalls an, dass er Lerners Schlussfolgerungen zu einigen Zeitpunkten in Langes Leben zu teilen schien. In seiner Arbeit von 1938 „The Economist’s Case for Socialism“ schrieb Lange: „Der wirklich wichtige Faktor in der Diskussion um die ökonomischen Verdienste des Sozialismus ist nicht der Vergleich der Gleichgewichtspositionen einer sozialistischen und einer kapitalistischen Volkswirtschaft in Bezug auf die soziale Wohlfahrt. So interessant ein derartiger Vergleich für einen ökonomischen Theoretiker auch ist, so ist er doch nicht das eigentliche Thema in der Diskussion um den Sozialismus. Das eigentliche Thema ist, ob die weitere Beibehaltung des kapitalistischen Systems mit dem ökonomischen Fortschritt kompatibel ist.“ In Wirklichkeit glaubte Lange nicht, dass das kapitalistische System die Geschwindigkeit des Wirtschaftswachstums und der technologischen Innovation aufrechterhalten könnte, die es von der industriellen Revolution in die große Depression katapultiert hatte. Er hätte kaum geglaubt, dass nur etwas mehr als eine Generation nach seinem Tod das wesentliche ökonomische Problem eine 180-Grad-Wendung nehmen würde, da es klar werden würde, dass es das sozialistische und nicht das kapitalistische System ist, das sowohl mit ökonomischem Fortschritt als auch mit technologischer Innovation (und offensichtlich mit Freiheit und Demokratie) inkompatibel ist. 372 Der Fall von Milton Friedman ist interessant, weil er ein Autor ist, der die analytischen Werkzeuge benutzt, die typisch für einen Gleichgewichtsökonomen des modernen neoklassischen Paradigmas sind, und trotzdem den Kapitalismus als Gegensatz zum sozialistischen System leidenschaftlich verteidigt. Durch seine theoretischen Studien, in denen Friedman den Sozialismus kritisiert, ist es ihm weder möglich, den Kern der theoretischen Herausforderung zu verstehen, die Mises stellte (den Friedman fast nie zitiert und oft verschmäht), noch die theoretische Essenz der

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Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung zu erklären. Tatsächlich verfügt Friedman nicht über eine entwickelte Theorie der unternehmerischen Funktion und damit über das Funktionieren des dynamischen Prozesses, der im Markt operiert und durch die unternehmerische Funktion angetrieben wird. Daher ist seine „kritische Analyse“ schlicht eine Mischung von empirischen Anekdoten und Interpretationen dessen, was in der echten sozialistischen Welt vor sich geht, oder vagen Beobachtungen über das Problem der Abwesenheit von „Anreizen“ (verstanden im „strikten“ Sinne, den wir so kritisiert haben, als wir Dickinson diskutiert haben). Ein deutliches Zeichen von Milton Friedmans analytischen Unzulänglichkeiten auf diesem Gebiet bietet seine Arbeit Markt oder Plan?. In diesem kleinen Pamphlet lobt Friedman sogar Langes Schriften und nennt Lerners Buch Die Ökonomie der Kontrolle „ein bewundernswertes Buch, das einem viel über die Operationen in einem freien Markt beibringen kann. Freilich mehr, so glaube ich, als über das eigentlich Ziel, wie man einen sozialistischen Staat führt.“ Friedman erkennt nicht, dass die Schriften von Lerner und Lange genau wegen ihres grundsätzlichen Unverständnisses darüber, wie das kapitalistische System wirklich arbeitet, irrelevant für den Aufbau einer theoretischen Grundlage eines sozialistischen Systems sind. Um es anders auszudrücken: Mises und Hayek waren in der Lage, eine Gesamttheorie über die Unmöglichkeit des Sozialismus aufzu­bauen, weil sie tief gehendes theoretisches Wissen darüber besaßen, wie ein kapitalistisches System wirklich funktioniert. Wir vermuten daher stark, dass Friedmans Lob für Lerners Buch Friedmans eigene theoretische Unzulänglichkeit in Bezug auf sein Verständnis dynamischer Marktprozesse offenlegt, die durch die unternehmerische Funktion angetrieben werden. Des Weiteren objektiviert Friedman das Preissystem unnötigerweise und versteht es als einen ausgezeichneten „transmitter“ von (anscheinend objektiven) Informationen zusammen mit dem „Anreiz“, der notwendig ist, diese Informationen angemessen zu nutzen. Er hat nicht verstanden, dass das Problem ein anderes ist, dass Preise Informationen weder „kreieren“ noch „übermitteln“ und der menschliche Geist selber diese Funktion im Kontext einer unternehmerischen Handlung leisten kann. Er hat nicht verstanden, dass das Wunder des Marktes nicht darin besteht, dass das Preissystem effizient darin ist, Informationen zu übermitteln, sondern dass der Markt ein Prozess ist, der – angetrieben wird durch angeborene unternehmerische Kraft jedes Menschen – ständig neue Informationen im Lichte neuer Ziele kreiert, die sich jede Person setzt, und einem koordinierenden Prozess zwischen den Menschen Raum bietet, während sie untereinander agieren. Dies ist ein Prozess, durch den wir alle unbewusst lernen, unser Verhalten an die Ziele anderer anzupassen. Anstatt mit anderen Worten Informationen zu übermitteln, schaffen Preise Gewinnmöglichkeiten, die durch die unternehmerische Funktion genutzt werden – diejenige Kraft, die neue Informationen kreiert und übermittelt und damit den gesamten gesellschaftlichen Prozess koordiniert. Schließlich führt Friedman aus, dass das grundsätzliche Problem in einem sozialistischen System darin besteht, zu überwachen, ob die ökonomischen Akteure die voretablierten „Regeln“ befolgen. Das ist nicht das Problem. Das grundsätzlichen Problem ist, wie wir wissen, dass die Abwesenheit der Freiheit zur Ausübung der unternehmerischen Funktion die Schaffung von notwendigen Informationen für eine rationale Wirtschaftsrechnung verhindert und unterbindet, dass der koordinierende Prozess in dem Entscheidungsprozess eine Rolle spielt. An zwei Stellen und ziemlich beiläufig bezieht sich Friedman auf die wesentlichen ökonomischen Probleme, die wir beschreiben. Aber er misst ihnen nur eine zweitrangige Bedeutung zu und analysiert sie weder im Detail, noch studiert er alle Implikationen. An einer Stelle erwähnt er, dass es für die zentrale Planungsbehörde schwierig sei, alle notwendigen Informationen zu erhalten, um die Manager zu beaufsichtigen, und erkennt dabei nicht, dass diese Art von Informationen nicht einmal auf der Ebene des Managements geschaffen würde. In seiner Besprechung von Lerners Buch Die Ökonomie der Kontrolle, wo Milton Friedman die „institutionellen Mechanismen“ für das Erreichen eines Optimums studiert, kritisiert er Lerner vage dafür, dass dieser nicht mit einbeziehe, dass Profite eine Orientierung für Handlungen darstellen und dazu dienen, die unternehmerischen Fähigkeiten zum Einsatz von Ressourcen zu bestimmen. Dennoch ist Friedman weder in diesen Situationen noch in irgendeiner anderen in der Lage, den Grund für die theoretische Unmöglichkeit zu erklären, dass das System funktionieren kann, das Lange und Lerner vorschlagen. Dies erklärt Friedmans Tendenz, in nichtökonomische Implikationen der institutionellen Reformen zu flüchten (politische oder ethische Implikationen oder solche in Bezug auf persönliche Freiheit), die von Sozialisten vorgeschlagen wurden. Es erklärt auch die benannte Schwäche seiner theoretischen Kritik am Sozialismus. Diese längere Aneinanderreihung von Beobachtungen war notwendig, weil Friedman oft mit Hayek und Mises identifiziert wird und als Mitglied der gleichen Schule erachtet wird. Daraus entstand eine große Verwirrung unter Ökonomen des Westens und des ehemaligen Ostblocks, die das Problem noch nicht ausführlich studiert und daher die grundsätzlichen, radi-

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7.2 „Marktsozialismus“: die unmögliche Quadratur des Kreises Im Lichte unserer Analyse der Vorschläge von Oskar Lange und der übrigen „Marktsozialisten“ seiner Schule373 können wir schlussfolgern, dass theoretisch und praktisch nur zwei Möglichkeiten bestehen: Entweder genießen die Menschen die vollständige Freiheit zu unternehmerischer Tätigkeit (in einem Zusammenhang, in dem privates Eigentum an den Produktionsmitteln anerkannt und verteidigt wird, und es bestehen keine Einschränkungen jenseits des Minimums tradierter straf- und zivilrechtlicher Regeln, die notwendig sind, um sowohl den systemwidrigen Angriff auf menschliches Handeln als auch den Vertragsbruch zu vermeiden); oder es gibt systematische, umfassende Unterdrückung des Unternehmertums in mehr oder weniger breiten Bereichen des Marktes und der Gesellschaft und speziell das Verbot privaten Eigentums an Produktionsmitteln. In letzterem Fall ist die freie Ausübung der Unternehmerschaft in den betroffenen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in dem der Produktionsmittel, unmöglich. Das unvermeidliche Ergebnis ist, dass die von uns in der Analyse im Detail beschriebene rationale wirtschaftliche Kalkulation in keinem der Bereiche erreichbar wird. Wie wir gezeigt haben, macht die zweite Art von System sowohl soziale Koordination als auch wirtschaftliche Kalkulation unmöglich, denn beide können nur in einem System vollständiger Freiheit für die Ausübung menschlichen Handelns stattfinden. „Marktsozialisten“ haben mit traumhaften Ergebnissen versucht, eine „theoretische Synthese“ zu formulieren, in der ein sozialistisches System (eines, das durch systematische Angriffe gegen menschliches Handeln und öffentliches Eigentum an Produktionsmitteln charakterisiert ist) angenommen und dennoch die Existenz eines Marktes aufrechterhalten wird. Aus ideologischen, romantischen, ethischen oder politischen Gründen weigern sie sich hartnäckig, den Sozialismus kalen Unterschiede zwischen Friedmans theoretischem Paradigma und dem von Hayek und Mises noch nicht verstanden haben. Die Kritik an Friedman kann allgemein auf den Rest der Chicagoer Theoretiker ausgedehnt werden, die vom Empirismus besessen und auf ein phantasmagorisches, objektivistisches Gleichgewicht (ricardianischen und marshallianischen Ursprungs) konzentriert sind und es sich daher nicht vorstellen können, dass es irgendein Problem der Information im Markt über hohe „Transaktionskosten“ hinaus geben kann. Dies ist ein Fehler, weil es die implizite Annahme beinhaltet, dass der Akteur a priori fähig ist, die erwarteten Kosten und Gewinne seines Suchprozesses zu ermessen. Dies heißt, es impliziert absurderweise, dass der Akteur a priori den zukünftigen Wert der Informationen kennt, die er jetzt noch gar nicht besitzt. Folglich wird ein Verständnis der unternehmerischen Funktion und ihrer theoretischen Implikationen für die gesamte Ökonomie unmöglich. Die Fehler der Schule von Chicago reichen auf Frank H. Knight zurück, der ausführte: „Sozialismus ist ein politisches Problem, das in Begriffen sozialer oder politischer Psychologie diskutiert werden sollte, und die ökonomische Theorie hat relativ wenig darüber zu sagen.“ Rothbard hat brillant erklärt, dass die Wurzeln dieses konzeptionellen Fehlers nicht nur in der genannten Obsession mit dem Gleichgewicht liegt, sondern auch im Fehlen einer wirklichen Kapitaltheorie. Denn die Schule von Chicago sah, J. B. Clark folgend, Kapital immer als einen mythischen Fund an, der keine zeitliche Struktur besitzt und sich automatisch selbst reproduziert – unabhängig von irgendeiner Form unternehmerischer Entscheidung. 373 1948, kurz nachdem Lange und Lerner ihre Beiträge geleistet hatten, veröffentlichte James E. Meade sein Buch Planning and the Price Mechanism: The Liberal-Socialist Solution (London: George Allen and Unwin, 1948), in dem er eine Analyse und Vorschläge präsentiert, die denen von Lange und Lerner sehr ähnlich sind. Daher müssen wir Meade als ein Mitglied der Gruppe ansehen, die wir im Haupttext analysiert haben.

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zu beenden. Weil die Kritik von Mises und Hayek aber einen großen Eindruck auf sie gemacht hat, versuchen sie, den Markt in ihre Modelle wiedereinzuführen, in der vergeblichen Hoffnung, „das Beste aus beiden Welten“ zu erlangen und ihr Ideal so populärer und attraktiver zu machen. Doch Sozialisten wollen nicht verstehen, dass die bloße gewaltsame Beschränkung des freien menschlichen Handelns auf jedem gesellschaftlichen Gebiet und besonders bei den Produktionsfaktoren und -mitteln ausreicht, um den Markt als die entscheidende soziale Institution davon abzuhalten, in koordinierter Weise zu funktionieren und die praktischen Informationen zu erzeugen, die für die wirtschaftliche Kalkulation notwendig sind. Kurzum, die „Marktsozialisten“ können nicht begreifen, dass systematische Gewalt nicht ungestraft gegen den Kern unseres Menschseins eingesetzt werden kann: unsere Fähigkeit, unter den jeweiligen Gegebenheiten frei zu handeln, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Zumindest haben die „Marktsozialisten“ es bis in die jüngste Zeit hinein nicht begriffen, denn Brus und Laski (Anhänger Temkins, die sich selbst als „ehemals naive Reformer beschrieben und über viele Jahre den „Marktsozialismus“ verteidigten) haben diese von Mises geschriebenen Worte bestätigt: „Was jene Neosozialisten annehmen, ist wirklich paradox. Sie wollen die private Kontrolle der Produktionsmittel, Markttransaktionen, Marktpreise und Wettbewerb abschaffen. Aber zur selben Zeit wollen sie ein sozialistisches Utopia derart organisieren, dass die Menschen so handeln könnten, als ob diese Dinge noch vorhanden wären. Sie wollen, dass die Menschen in der Art Markt spielen, wie Kinder Krieg, Eisenbahn oder Schule spielen. Sie begreifen nicht, wie sich ein solch kindliches Spiel von den realen Dingen unterscheidet, die es zu imitieren versucht. Ein sozialistisches System mit einem Markt und Marktpreisen ist ein Widerspruch in sich wie der Begriff eines dreieckigen Quadrates.“ Unlängst hat Anthony de Jasay, dem Beispiel Mises’ folgend, plastischer gefolgert, dass „Marktsozialismus“ ein „offensichtlicher Widerspruch der Begriffe ist wie heißer Schnee, eine schlampige Jungfrau, ein fettes Skelett, ein rundes Quadrat“.374 Warum diese Fixierung auf die „Quadratur des Kreises“ (die jeder Marktsozialismus mit sich bringt) Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses und Bestrebens gewesen ist, kann man nur ergründen, wenn man die drei folgenden Faktoren bedenkt: erstens die starke, hartnäckige politisch-ideologische Motivation, die Beseitigung sozialistischer Ideale aus emotionalen, romantischen, ethischen oder politischen Gründen zu verhindern; zweitens der Gebrauch des neoklassischen Gleichgewichtsmodells, das die wirkliche Funktionsweise des kapitalistischen Marktes nur in einer sehr begrenzten, dürftigen und verwirrenden Weise beschreibt und voraussetzt, dass alle notwendigen Informationen verfügbar sind, und so suggeriert, dass ein sozialistisches System unter den gleichen theoretischen Annahmen funktionieren könnte wie das statische Modell; und drittens die ausdrückliche Ablehnung und 374 Wlodzimierz

Brus und Kazimierz Laski: From Marx to the Market: Socialism in Search of an Economic System, S. 167 f. Das Zitat ist aus Mises’ Human Action, S. 706 f., S. 710. Anthony de Jasays Auszug stammt aus Market Socialism: A Scrutiny. This Square Circle, S. 35.

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sogar Verdammung der theoretischen Analyse, wie menschliches Handeln in einer Umgebung wirklich funktioniert, in der privates Eigentum an den Produktionsmitteln unter dem Vorwand fehlt, dass Annahmen über Anreize und Motivationen im Bereich der ökonomischen „Theorie“ „fremd“ seien. Einige sozialistische Autoren schlagen bestenfalls die Einführung von „Boni“ und „Anreizen“ vor, die plump die Unternehmergewinne am Markt simulieren. Diesen Autoren mangelt es jedoch am Verständnis, warum Manager in einem sozialistischen System nicht handeln würden wie Unternehmer in einer Marktwirtschaft, da diese Manager die allgemeine Anweisung erhalten, etwas Bestimmtes zu tun, in einer „koordinierten Weise“ oder „für das allgemeine Wohl“ zu handeln o. Ä. (Und wenn Wirtschaftswissenschaftler diesen Fehler machen, was können wir dann von Nichtfachleuten erwarten?) Diese Theoretiker verstehen nicht, dass generelle Anweisungen, egal wie gut sie gemeint sein mögen, unnütz sind, wenn konkrete Entscheidungen getroffen werden müssen angesichts spezifischer Probleme, die sich in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort ergeben. Sie begreifen nicht, dass wir notwendigerweise zu einer unkoordinierten Handlungsweise gegen das Gemeinwohl und zum schweren Nachteil von Nachbarn nah und fern gelangen, wenn sich alle Menschen schlicht darauf fixieren, unter Zwangsanweisungen zu handeln (beides „augenfällig“ und nichtssagend), um „für das Gemeinwohl“ zu arbeiten, den „sozialen Prozess koordinieren“ oder auch nur „ihren Nächsten zu lieben“. Dies ist so, weil es unmöglich wäre, unter den jeweiligen Rahmenbedingungen die unterschiedlichen Gewinnmöglichkeiten kreativ zu erkennen und sie im Lichte möglicher subjektiver Kosten abzuschätzen und zu vergleichen. Im Gegensatz dazu haben Mitglieder der Österreichischen Schule unermüdlich ein alternatives Modell auf dem Gebiet der Ökonomie entwickelt und perfektioniert; sie haben in formalen, abstrakten (allerdings nichtmathematischen) Begriffen eine vollständige generelle Theorie des (realen, nichtmechanischen) menschlichen Handelns in der Gesellschaft und dessen unterschiedliche Implikationen entwickelt. Ein Schlüsselelement in dieser Theorie ist die bloße Ausübung des menschlichen Handelns oder des Unternehmertums, das laufend neue Ziele und Mittel sichtbar macht und neue Informationen hervorbringt. Dies erlaubt rationale, dezentrale Entscheidungsfindung und so die Koordination zwischen allen Menschen und ermöglicht dadurch wiederum das Entstehen eines außerordentlich komplexen sozialen Netzwerkes. Theoretiker insbesondere aus den Ländern des früheren Ostblocks studieren, kommentieren und popularisieren dieses Modell in zunehmendem Maße. Sie halten die theoretischen Arbeiten von Mises und Hayek für wichtiger und zitieren sie mehr als jene der großen westlichen neoklassischen Theoretiker, wie Samuelson, oder selbst der Mitglieder der Chicago-Schule, wie Friedman. Angesichts dessen ist es nicht überraschend, dass viele frühere „Marktsozialisten“ ihre alten Positionen räumen.375 „Marktsozialismus“ ist als beabsichtigte Lösung 375 Wir

stimmen mit Arthur Seldon darin überein, dass es überraschend ist, dass die bekanntesten „Marktsozialisten“ überhaupt weiterhin Sozialisten sind. Seldon führt aus: „Ich kann daher nicht verstehen, warum Nove ein Sozialist bleibt. Diese Offenbarung gilt auch für andere Marktsozia­ listen – Ota Sik aus der damaligen Tschechoslowakei (jetzt in der Schweiz lehrend), Brus, der

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für das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung fehlgeschlagen, sowohl in der Theorie als auch in wiederholten Anläufen zu praktischen Reformen in den sozialistischen Systemen in Osteuropa. Und die bloßen Theoretiker, die es bis vor Kurzem noch verteidigt haben, verwerfen es in jeglicher Richtung als Modell, dem man folgen kann.376 polnische Ökonom (nun in Oxford), Kornai aus Ungarn (jetzt in Budapest), Kolakowski (ebenfalls in Oxford) und andere.“ Siehe Brian Crozier und Arthur Seldon, „After a Hundred Years: Time to Bury Socialism,“ in Socialism Explained (London: The Sherwood Press, 1984), 61. Zur Verteidigung der Ökonomen, die Seldon anführt, müssen wir freilich zugeben, dass seit 1984 praktisch alle von ihnen, mit Ausnahme von Nove, aufgehört haben, Sozialisten zu sein. Nove wird den endgültigen Übergang vielleicht schaffen, wenn er den Markt nicht mehr in den Begriffen des „perfekten Wettbewerbs“ des neoklassischen Paradigmas versteht und, wie die anderen Theoretiker, mehr und mehr von der österreichischen Theorie des Marktprozesses aufnimmt. Allec Noves vielleicht bekanntestes Buch ist Die Ökonomie des möglichen Sozialismus. Dieses Buch ist wegen seiner Klassifikation der Ineffizienzen in einem sozialistischen System besonders wertvoll. Der Hauptnachteil liegt in Noves unzulänglich fundierter kritischer Analyse kapitalistischer Systeme (in Bezug auf Probleme, die er herausstreicht, wie Einkommensungleichheit, Inflation, ein Fehlen von „Demokratie“ und das Versagen im Bereich der „Externalitäten“). Sie ist ein Ergebnis der Interpretationsfehler, die in den inadäquaten analytischen Werkzeugen wurzeln (neoklassischer Blickwinkel und Gleichgewichtsfokussierung), die Nove verwendet, um die Situation eines kapitalistischen Systems zu interpretieren. Deshalb haben wir oben darauf hingewiesen, dass Allec Noves Ideen höchstwahrscheinlich die gleiche Richtung einschlagen werden, wie die, welche die hervorragenden Autoren Kornai und Brus bereits eingeschlagen haben, wenn er mit der dynamischen österreichischen Theorie unternehmerischer Prozesse vertrauter wäre. Zu der Art des Sozialismus, die Nove vorschlägt (eine „mögliche“ Form in dem Sinne, dass er glaubt, dass sie innerhalb eines menschlichen Lebens etabliert werden könnte), bietet er nichts Neues an außer einer verwirrten Mischung, zusammengesetzt aus der Nationalisierung grundlegender Sektoren, dem Fokus auf Planung in Bereichen, wo „Externalitäten“ existieren, der Förderung von Genossenschaften in kleinen und mittleren Industrien und der Förderung von „Wettbewerb“ wo immer möglich. In Noves Modell ist es Märkten erlaubt zu arbeiten, allerdings nur im Rahmen aller möglichen Kontrollen. In jedem Fall ist Noves Buch heute nicht nur überholt, weil er den Weg, den Ungarn 1968 einschlug, als idealen Weg zum Sozialismus ansah, sondern auch, weil er die grundlegenden Ereignisse nicht vorhersah, die sich zwischen 1989 und 1991 entfalteten. Er weigerte sich auch, die vielen detaillierten Kritiken an dem „Marktsozialismus“, der in seinem Buch enthalten war, zu beantworten. Schließlich sollten wir erwähnen, dass in Bezug auf Noves „Gesinnungswandel“ sehr hoffnungsvolle Zeichen existieren. In einem Artikel, den er im März 1988 schrieb und der Kommentierung seines Buches Die Ökonomie des möglichen Sozialismus („‚Feasible Socialism‘ Revisited,“ Kapitel 16 von Studies in Economics and Russia [London: Macmillan, 1990]) widmete, erkennt Nove explizit die Validität der Kritiken „einiger Österreicher“ am „Marktsozialismus“ und dem neoklassischen Paradigma an und schlussfolgert: „Es ist nicht schmerzvoll zuzugeben, dass die kirznersche Form der Kritik das Ziel trifft.“ (S. 237) Neun Monate später, im Dezember 1988, gibt Nove in seinem Artikel „Sowjetische Reformen und westliche neoklassische Theorie“ (Kapitel 17 von Studies in Economics and Russia)ohne Vorbehalt zu, dass „die Österreicher sicherlich relevanter für sowjetische Reformen sind als das neoklassische Paradigma“, und schlussfolgert mit der folgenden kryptischen Aussage: „Man muss nicht ihre Ergebnisse [die der Österreicher] akzeptieren. Aber man muss ihre Argumente ernst nehmen.“ (S. 250) 376 Das Ausmaß, in dem das Denken von Mises und Hayek sogar das von früheren Marxisten durchdringt, wird in Artikeln deutlich wie dem von Geoff Mulgen mit dem Titel „Die Macht der Schwachen“, der im Dezember 1980 in Marxismus heute erschien (vielleicht die angesehenste Zeitschrift der britischen Sozialisten). In diesem Artikel schreibt Mulgen, dass die Institutionen, die den Sozialisten traditionell am liebsten waren (der Staat, Gewerkschaften, politische Parteien u. a.), Managementsysteme darstellen, die unflexibel, zentralisiert und hierarchisch sind und damit zutiefst unmenschlich. Deshalb favorisiert er, Hayeks Lehren folgend, das, was er „schwache Machtsysteme“ nennt, weil sie sehr viel weniger „menschliche Energie“ verschwenden, Kooperation und Wettbewerb nutzen, dezentralisiert sind, untereinander in komplexen Systemen verbunden werden können und Informationen effizient transportieren. Er glaubt, dass sich in der Zukunft die englische Arbeiterbewegung an derartigen dezentralisierten Strukturen orientieren sollte und dass die Institutionen, die die Sozialisten traditionell verteidigt haben, fallen gelassen werden sollten.

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7.3 Maurice H. Dobb und die vollständige Unterdrückung der individuellen Freiheit Wir haben bis zum Ende gewartet, um eine Meinung von gewisser theoretischer Bedeutung zu analysieren, deren Hauptvertreter von Anfang an Maurice Dobb gewesen ist. Dobb beginnt mit einer mehr oder weniger expliziten Anerkennung der Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftskalkulation. Dann schlussfolgert er aber, dass sowohl diese Unmöglichkeit als auch die damit verbundene Ineffizienz irrelevant seien. Mit anderen Worten entscheidet er, dass sie „Kosten“ darstellen, die nicht in Rechnung gestellt werden müssen, da das sozialistische Ideal an sich aus ethischen, ideologischen und politischen Gründen und ohne Rücksicht auf das Ergebnis verfolgt werden muss. Daher stempeln Anhänger dieser Meinung solche „Marktsozialisten“ als „hyperkritisch“ oder „naiv“ ab, die bestrebt sind, so viele kapitalistische Mechanismen wie möglich in das sozialistische System einzuführen. Vertreter dieser Sichtweise wollen die Dinge beim Namen nennen und vermeiden es, irgendjemanden zu täuschen: Sozialismus bedeutet entweder die vollständige Unterdrückung der Selbstständigkeit und individuellen Freiheit oder er ist keiner.377 In reinster sozialistischer Tradition möchten diese Theoretiker allen Menschen gewaltsam ihre eigene, besondere Sicht, wie die Welt sein sollte, auferlegen. Außerdem haben sie realisiert, dass innerhalb eines sozialistischen Systems die schwerfällige partielle Nachahmung von Elementen, die für eine Marktwirtschaft kennzeichnend sind, weit davon entfernt ist, die Probleme der wirtschaftlichen Überdies anerkennt Mulgen sogar intuitiv unser grundsätzliches Argument gegen die Möglichkeit, gegenwärtige oder zukünftige Computersysteme dazu zu benutzen, sozialistische Wirtschaftsrechnung zu ermöglichen (da der dezentralisierte Gebrauch von Computerkapazität einen solchen Umfang und eine derartige Vielfalt von Informationen erzeugt, die gleiche Kapazität nicht alles auf zentralisierte Weise erfassen kann). Er führt aus, dass „Lange falsch lag, weil Technologie gegen den Kontext antritt, in dem Information produziert wird“. Mulgen fügt hinzu, dass zentralisierte Computersysteme Informationen stören, während dezentralisierte Systeme Anreize bieten, Informationen zu schaffen und zu übermitteln – ungeachtet der Tatsache, dass Unternehmer ständig Computerprozesse und Überwachungstechniken revolutionieren, während Zentralplaner dem Unternehmer in diesem Bereich bestenfalls hinterherhinken. Im Zeichen dieser theoretischen Demontage des Sozialismus ist es entmutigend, dass Autoren wie David Miller immer noch versuchen, einen utopisches Ideal des „Marktsozialismus“ zu konstruieren. Es wäre schwierig, irgend­ etwas Originelles in Millers Beitrag zu entdecken, das auf der gewaltsamen Etablierung eines „wettbewerblichen“ Systems von Genossenschaften beruht, das die Arbeiter „demokratisch“ leiten würde. Miller ist weder Ökonom, noch hat er die Debatte über die Wirtschaftsrechnung studiert und beachtet auch nicht die Gründe, warum ein solches System nicht funktionieren könnte (Menschen sind nicht frei, ihre unternehmerische Funktion auszuüben, weil die Produktionsmittel nicht privat sind und die Informationen nicht geschaffen werden, die für effizientes Kalkulieren und die Koordinierung des gesamten System notwendig sind). Nichtsdestotrotz ist Miller ehrlich genug, seine Skepsis gegenüber der Möglichkeit zu äußern, dass ein solches System mindestens genauso effizient sei wie der wettbewerbliche Kapitalismus, und führt deshalb aus, dass die wesentlichen Argumente für seinen „Marktsozialismus“ andere sein müssen: die größere „Gerechtigkeit“, „Freiheit“ und „Demokratie“, die am Arbeitsplatz herrsche. Im Lichte des oben Gesagten wäre es besser, mit solchen Autoren im Bereich der politischen Philosophie oder der ethischen Theorie zu debattieren, aber nicht im Bereich der ökonomischen Wissenschaft. 377 Mit den eigenen Worten von Maurice H. Dobb: „Entweder bedeutet Planen das Aufheben der Autonomie separater Entscheidungen oder es bedeutet gar nichts.“ (Siehe das Kapitel mit dem Titel „Economic Law in the Socialist Economy“, in: Political Economy and Capitalism: Some Essays in Economic Tradition. London: Routledge and Kegan Hall, 1937, S. 279.)

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Kalkulation zu lösen, ja, sie vielmehr offenkundiger und schwieriger macht. Wenn vielmehr in einem gewissen Ausmaß dezentrale Entscheidungsfindung zugelassen ist, dann manifestiert sich das Problem, das in der Unmöglichkeit der Zentralisierung von verstreuten Kenntnissen liegt, viel klarer und deutlicher. So entsteht der Eindruck, dass sich die Probleme der sozialen Koordination verschlimmern (wenn dies aktuell nicht der Fall ist). Nehmen wir im Gegensatz dazu an, dass jede Freiheit unterdrückt ist (einschließlich der Wahlfreiheit des Konsumenten und der Freiheit des Arbeiters hinsichtlich der Wahl der Beschäftigung), dass Wirtschaftssubjekte gewaltsam daran gehindert sind, irgendeine Art von eigenständiger Entscheidung zu treffen, und dass ein einheitlicher Plan für alle gesellschaftlichen Bereiche von oben vorgegeben wird. Dann wird das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung, wenngleich es nicht gelöst werden kann, wie wir wissen, größtenteils verdeckt und der Grad der sozialen „Koordination“ und „Steuerung“ scheint sehr viel größer zu sein.378 Stellen wir uns eine „Gesellschaft“ vor, die auf einem dürftigen Niveau des Lebensstandards funktioniert und auf einfachen wirtschaftlichen Beziehungen beruht, die mit Gewalt und unter Ausschaltung derjenigen, die dem „Regime“ entgegentreten, komplett von oben vorgegeben werden. Wir können sogar annehmen, dass der brutale Diktator vom leistungsfähigsten Computer in seiner Zielsetzung, die Einhaltung seiner Anweisungen zu überwachen, unterstützt würde. Unter diesen Umständen scheint die wirtschaftliche Kalkulation verständlicherweise einfacher zu sein: Die Menschen würden tun, was der Diktator anordnet, dieser würde die Kombination der Produktion wählen und alle anderen würden wie Sklaven schlicht gehorchen und die Anweisungen von oben befolgen. Wie Mises klar gezeigt hat,379 wäre es auch unter diesen extremen Annahmen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Kalkulation im Sozialismus die denkbar günstigsten sind, klar, dass das Problem nicht gelöst werden kann, das die Kalkulation in einem solchen System stellt. Denn dem Diktator fehlt es an der rationalen Orientierung für seine Entscheidungsfindung. Mit anderen Worten würde er nie wissen, ob seine vorgegebenen Ziele durch andere Kombinationen der Faktoren und Produkte oder andere Entscheidungen in einer bequemeren, zweckmäßigeren Weise erreicht werden 378 Paul

M. Sweezy ist der Meinung, dass der Versuch, Dezentralisierung in einem sozialistischen System einzuführen, nur dazu führen würde, dort „einige der schlimmsten Merkmale des Kapitalismus zu wiederholen und damit die Vorteile der konstruktiven Möglichkeiten ökonomischer Planung nicht zu nutzen.“ (Paul M. Sweezy: Socialism. New York: McGraw-Hill, 1949, S. 233.) Was Sweezy also im Kopf hat, ist ein System der totalen Planung inklusive konkreter Anweisungen an Manager der unterschiedlichen Industrien, wie sie die entsprechenden sektoralen Pläne auszuführen haben. Für Sweezy basiert jede Planungstheorie auf politischen Entscheidungen (das gewaltsame Durchsetzen der Kriterien des Diktators). Er versteht das Problem (der willkürlichen Entscheidungen) nicht, das die Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System darstellt. In der Praxis ist ihm das gleichgültig, da er glaubt, dass die Menge und Qualität der Produk­ tionsfaktoren automatisch durch den Planer bestimmt und gewaltsam in den unterschiedlichen Sektoren und Firmen durchgesetzt wird, sobald die Ziele für den Plan aufgestellt sind. Siehe die Kommentare zu Sweezys Position in Elisabeth L. Tamedly: „The Theory of Planning according to Sweezy“, in: Socialism and International Economic Order. Caldwell, Idaho: The Caxton Printers, 1969, S. 143 ff. 379 Ludwig von Mises: Human Action, S. 695 – 701.

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könnten. Aber nehmen wir an, dass sich der Diktator nichts daraus macht, das heißt, dass dieser Typ des Sozialismus nicht nur die Freiheit des Konsumenten zur Wahl von Gütern und Dienstleistungen, die freie Jobwahl sowie das private Eigentum an Produktionsmitteln ausschaltet, sondern (implizit oder explizit) auch bedeutet, dass man keinen wirtschaftlichen Ansatzpunkt hat oder Effizienz als ein unbedeutendes Zugeständnis an die Bewahrung des Systems selbst betrachtet wird. Dann kann man das Problem der wirtschaftlichen Kalkulation als „gelöst“ betrachten, zwar nicht durch die Ermöglichung der Kalkulation, aber durch die erfundene Alternative, „Kalkulation“ gerade nicht als Kalkulation, sondern als andauernde Überstülpung der kapriziösen Wünsche des Diktators über alle anderen zu definieren. Es ist nicht überraschend, dass die Theoretiker dieser Schule, die Wettbewerb und zentrale Planung im Sozialismus für grundlegend unvereinbar halten, besonders kritisch gewesen sind, wenn sie über den sogenannten „Marktsozialismus“ urteilten. Dadurch konnte die merkwürdige Debatte zwischen Maurice Dobb und den „Marktsozialisten“, besonders Abba P. Lerner, entstehen.380 Merkwürdigerweise stimmt Dobb in diesem Punkt mit den Theoretikern der Österreichischen Schule überein und kritisiert ironischerweise sogar den Gebrauch des generellen Gleichgewichtsmodells durch die „Marktsozialisten“ und deren Annahme innerhalb des neoklassischen Paradigmas, zwischen dem kapitalistischen und dem sozialistischen System bestünden so viele „Ähnlichkeiten“, dass kein formaler Unterschied zwischen ihnen existiere. Dobb sieht das Problem nicht im Zusammenhang der neoklassischen Gleichgewichtsanalyse; für ihn hängt es vom grundlegenden Unterschied zwischen den „Institutionen“ des sozialistischen und des kapitalistischen Systems ab, und besonders von der Tatsache, dass Sozialismus die gewaltsame Entfernung aller für das kapitalistische System charakteristischen Institutionen bedeutet.381 Dobb hebt auch die grundlegende Zweideutigkeit der „Lösungen“ hervor, die die Marktsozialisten anbieten, die das Unvereinbare miteinander zu ver380 Die

Hauptartikel von Maurice Dobb zu dieser Debatte sind: „Economic Theory and the Prob­ lems of a Socialist Economy“, in: Economic Journal, Nr. 43 (1933), S. 588 – 598; sowie „Economic Theo­ry and Socialist Economy: A Replay“, in: Review of Economic Studies, Nr. 2 (1935), S. 144 – 151. Diese Artikel und andere relevante Beiträge wurden veröffentlicht in dem Buch: On Economic Theory and Socialism: Collected Papers. London: Routledge and Kegan Paul, 1955. 381 In Dobbs eigenen Worten: „Natürlich, wenn man die Dinge in einer ausreichend formellen Art formuliert, sind die Ähnlichkeiten zwischen dem einen und dem anderen ökonomischen System überragend, und die trennenden Unterschiede werden verschwinden. Es ist Mode in der heutigen ökonomischen Theorie, Vorschläge in dieser formellen Weise zu präsentieren, sodass sie so frei von realistischem Inhalt sind, dass wesentliche Unterschiede verschwinden. Die unterschiedlichen Qualitäten der Gesetze einer sozialistischen und einer kapitalistischen Volkswirtschaft sind natürlich nicht durch algebraische Regeln gegeben, sondern durch Annahmen in Bezug auf Unterschiede, die in der realen Welt existieren.“ Außerdem ist es interessant zu bemerken, dass Dobb selber zugibt, dass er ursprünglich glaubte, das Problem der Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System könnte durch ein Prozedere gelöst werden, das ganz ähnlich funktioniert wie das, das Dickinson vorschlägt, dass Dobb die ursprüngliche Position später aber aufgibt, als er die Konsequenzen für das sozialistische System erahnt. Tatsächlich kritisiert er in seinem Artikel von 1933 Dickinsons Modell als „statisch“ mit Worten, die Hayek selbst hätte schreiben können. Dobb schreibt, dass der Versuch, die Postulate des statischen Gleichgewichts in einer Welt der ständigen Veränderung anzuwenden, eine „brotlose Kunst der Abstraktion“ darstelle und die

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einbaren versuchen und in ihren Modellen entweder die für den Markt typischen Eigenschaften oder die Vorteile der sozialistischen Planung betonen – abhängig von ihrem besten Interesse, ihrer augenblicklichen Lebensumwelt und der Art von Argument, die sie in Betracht ziehen. So bezeichnete Dobb während der Debatte Lerner als „unsichtbaren Gegner“, da Lerner wann immer möglich und mit großer Fertigkeit den einfachen und merkwürdigen dialektischen Kunstgriff nutzte, den wir gerade beschrieben haben, um die aufgeworfenen Fragen zu umgehen.382 Kurz gesagt argumentiert Dobb, dass die zentrale Instanz alle Preise festlegen sollte, dass diese Preise auf allen Ebenen mit Nachdruck durchgesetzt werden sollten und dass die Freiheit des Konsumenten und die freie Arbeitsplatzwahl unterbunden sein sollten. Wenn wir annehmen, dass diese zentrale Instanz kein anderes Ziel verfolgt, als an der Macht zu bleiben, dann erscheint die Frage irrelevant, ob „wirtschaftliche Kalkulation“ möglich ist oder nicht. In diesem Sinne ist Dobbs Ansatz nicht nur weniger widersprüchlich, sondern auch realistischer und „ehrenhaft“ als der vieler „Marktsozialisten“. Er ist weniger widersprüchlich und realistischer in dem Sinne, dass er nicht auf der formalen Gleichgewichtsanalyse beruht, sondern auf den wahren Institutionen des Sozialismus, die bekanntermaßen auf sys­ tematischem und alles umfassendem Zwang beruht, was genau dem politischen Zuschnitt des Modells aus der Zeit des revolutionären Anfangs entspricht. Dobbs Ansatz ist auch deshalb „ehrenhafter“ als der der „Marktsozialisten“, weil er nicht versucht, das wahre Gesicht des Sozialismus zu verbergen, sondern sein System schlicht und einfach auf der brutalen Repression und Restriktion der freien menschlichen Handlung aufbaut.383 Hoff führt im Rahmen seiner kritischen Analyse der Position Dobbs folgendes hilfreiches Beispiel an:384 Er schreibt, dass der Gebrauch von Molybdän bei der Herstellung von Spielzeugschwertern oder der Einsatz von Linsen höchster Qualität bei Mikroskopen für Grundschulen zweifellos als eine schlechte Allokation Ökonomie sehr viel mehr als eine „formelle Technik“ ein System funktionaler Gleichungen sei, ein Gebiet angewandter Mathematik, das formale Beziehungen zwischen bestimmten Mengen postuliert“. 382 Um genau zu sein: Dobb bemerkte, dass er „peinlich berührt sei durch die Ahnung, mit einem unsichtbaren Gegner zu streiten“ (siehe seinen Artikel „Replay“ [1935], S. 144). Einige Kommentare Lerners über die Aufstellung eines Preissystems in einem sozialistischen System bieten Beispiele für seine Ausweichstrategie. In seinem Artikel von 1934, „Economic Theory and Socialist Economy“, führt er aus: „Das wettbewerbliche Preissystem muss an die sozialistische Gesellschaft angepasst werden. Wenn es in toto angewendet wird, haben wir keine sozialistische, sondern eine wettbewerbliche Gesellschaft.“ (S. 55.) Kurz danach, in seinem „A Rejoinder“ (1935) widerspricht sich Lerner selber, indem er schreibt: „Und unter einem Preissystem verstehe ich ein Preissystem. Nicht nur ein A-posteriori-Herumspielen mit Zahlen durch die Prüfer, sondern Preise, die durch die Fabrikmanager in der organisierten Produktion beachtet werden müssen.“ (S. 152.) 383 Jahre später veränderte Dobb seine Position etwas, als er etwas unklar eine bestimmte Form der Dezentralisierung und sogar Wettbewerb in Entscheidungsprozessen einführte. Dobb spezifizierte allerdings nicht, worin diese Dezentralisierung bestehen sollte. Aus der theoretischen Perspektive ist die Position, die uns eigentlich interessiert, diejenige, die er in den dreißiger Jahren hatte, also die, die wir bereits kommentiert haben und auf die wir uns in Zukunft als „Dobbs klassisches Modell“ beziehen werden. 384 Trygve J.  B. Hoff: Economic Calculation in the Socialist Society, Kapitel  14. Das Beispiel des Molybdänschwertes erscheint auf S. 278 f.

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der Ressourcen angesehen würde in einer Gesellschaft, in der die Erfüllung der Wünsche der Konsumenten (oder des Diktators selbst) den Ausschlag geben und in der demzufolge solches Metall oder solche Linsen eine größere Zufriedenheit (des Konsumenten oder des Diktators selbst) erzeugen würden, wenn sie zu anderen Zwecken verwendet würden. Dennoch würde eine solche Allokation nicht als „ineffizient“ oder „unwirtschaftlich“ angesehen, wenn das Ziel zum Beispiel darin läge, Kinder mit der bestmöglichen technischen Ausrüstung zu versorgen oder um jeden Preis die Arbeiter in der Linsenproduktion zu begünstigen. Daran sehen wir, dass unlogische und ineffiziente Entscheidungen nicht so erscheinen, wenn Ziele in jedem Einzelfall willkürlich gesetzt werden oder wenn überhaupt keine Ziele existieren. Vielmehr wissen wir, dass der Unterschied zwischen wirklichem und „demokratischem“ Sozialismus unausweichlich nur ein gradueller und kein grundsätzlicher ist. Deshalb ist dieses willkürliche Verhalten nicht auf die sehr extremen sozialistischen Gesellschaften beschränkt, sondern taucht fortwährend bei allen interventionistischen Maßnahmen auf, die in westlichen Ländern ergriffen werden.385 Hayek für seinen Teil widmete in seinem 1935 erschienenen Artikel über den Stand der Debatte der detaillierten Analyse der Position von Maurice Dobb einen ganzen Abschnitt386, in dem er Dobbs Mut und Ehrenhaftigkeit preist, die wahren Auswirkungen des Sozialismus zu erklären.387 Allerdings möchte Hayek hervorheben, dass eine sozialistische Wirtschaftsrechnung in Dobbs Modell nur möglich wäre, wenn die freie Wahl von Konsumenten und Arbeitskräften durchkreuzt würde. Wir müssten außerdem annehmen, dass der sozialistische Diktator über keine Skala von Zielen für sein Agieren verfügt. Dies ist so, weil wir feststellen können, sobald wir einmal annehmen, dass der Diktator ein gesetztes Ziel hat, dass selbst in Dobbs Modell eine vernünftige Kalkulation für den Diktator unmöglich wäre. Denn ihm fehlt eine unabhängige Maßgabe, die ihm sagt, ob er 385 Amartya

Sen interpretiert Dobbs wahre geistige Haltung wie folgt: Dobb schätzte die Gleichheit der Ergebnisse als sehr viel wichtiger ein als die Effizienz (daher beließ er Themen der Effizienz im Hintergrund). Sen erwähnt ebenfalls, dass Dobb die zwangsweise Planung von Investitionen als sehr viel wichtiger ansah als die mutmaßliche, perfekte, mikroökonomische Anpassung. Das Argument, dass die „Effizienz“ der Gleichheit untergeordnet werden muss, ist zu einem Gemeinplatz unter linken Intellektuellen geworden, die sich damit abgefunden haben, dass der Sozialismus mit dem Kapitalismus bei der Schaffung von Wohlstand nicht konkurrieren kann. Dennoch vergessen die Intellektuellen, die dieser Meinung sind, 1. dass Effizienz und Ethik zwei Seiten der gleichen Medaille sind, mit anderen Worten, was ineffizient ist, kann nicht gerecht sein und nichts ist effizienter als Moralität; 2. dass die Kosten des Egalitarismus, den sie vorschlagen, nicht nur weitverbreitete Armut bedeuten, sondern auch die brutalste Unterdrückung menschlicher Handlungen; 3. dass historische Erfahrung lehrt, dass Gewalt Ungleichheit oft verschlimmert, statt sie zu reduzieren; und 4. dass nichts ungerechter, amoralischer und unethischer ist, als Gleichheit durch Gewalt zu erzwingen, da der Mensch das natürliche, unveräußerliche Recht hat, sich neue Ziele auszudenken und die Früchte seiner unternehmerischen Kreativität zu ernten. 386 „Abrogation of the Sovereignty of Consumers“, Abschnitt 4 von „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 214 – 217. 387 „Dr. Maurice Dobb hat das Argument zu seinem logischen Schluss gebracht, indem er aussagte, dass der Preis für die Aufgabe der Konsumentenfreiheit es wert sei, wenn man durch ihr Opfer den Sozialismus möglich machen kann. Dies ist ohne Zweifel ein ‚wagemutiger‘ Schritt. In der Vergangenheit haben Sozialisten immer dagegen protestiert, dass das Leben im Sozialismus wie ein Leben in einer Kaserne sei, eine ständige Reglementierung bis ins Detail. Nun sieht Dr. Dobb diese Ansicht als überholt an.“ (F. A. Hayek: „The Present State of the Debate“, in: Collectivist Economic Planning, S. 215.)

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andere gesetzte Ziele von größerem Wert für ihn übersieht oder nicht, wenn er eine bestimmte Sache mit seiner Entscheidung vorantreibt. In diesem Sinne stimmt Hayek einmal mehr völlig mit Mises überein, der ausdrücklich feststellt, dass das Problem der wirtschaftlichen Kalkulation erfordert, dass der Diktator letztlich seine Ziele und deren relative Bedeutung auf seiner Werteskala bestimmt haben muss.388 Wenn wir annehmen, dass dies der Fall ist, dann wird die wirtschaftliche Kalkulation unmöglich, da dem Diktator eine rationale Richtschnur dafür fehlt, bei seinen sicheren Entscheidungen zu ermessen, ob er das Erreichen von Zielen, die er höher einschätzt, vernachlässigt.389 Ob nun wirtschaftliche Kalkulation unmöglich ist, weil der Diktator zuerst entscheidet, was seine Ziele sind, und sie dann in ihrer Wichtigkeit einstuft oder weil wir künstlich annehmen, dass es kein Problem der wirtschaftlichen Kalkulation gibt, da kein Ziel einer gewissen Wichtigkeit im Vergleich zu anderen vorangetrieben wird: Es ist klar, dass die Allokation der Ressourcen in Dobbs Modell völlig zufällig wäre und die Ineffizienzen von solchem Gewicht sein würden, dass das Modell auf ein, wie Mises es ausdrückt, Modell des Destruktionismus hinausliefe, das heißt auf die völlige Zerstörung oder Vernichtung der Zivilisation und die 388 „Wir gehen davon aus, dass der Direktor sich über die Bewertung der letztendlichen Ziele bewusst

ist.“ (Ludwig von Mises: Human Action, S. 696.) Hayeks eigenen Worten: „Der Diktator, der die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bevölkerung gemäß seiner eigenen Sichtweise in einer Rangfolge sortiert, hat sich selber die Schwierigkeiten erspart, herauszufinden, was Menschen wirklich präferieren, und die unmögliche Aufgabe vermieden, die individuellen Werteskalen in einer gemeinsamen Skala zu verbinden, die die generellen Ideen von Gerechtigkeit ausdrückt. Aber wenn er dieser Norm mit irgendeiner Art von Rationalität oder Konsistenz folgen möchte, wenn er realisieren möchte, was er als die Ziele der Gesellschaft ansieht, muss er all die Probleme lösen, die wir bereits diskutiert haben.“ Zufälligerweise sehen wir hier, dass Hayek „Arrows Unmöglichkeitstheorem“ bereits 1935 einleitend erwähnt hat, als er von der unmöglichen Aufgabe schrieb, individuelle Werteskalen zu einer gemeinsamen Skala zusammenzuführen, welche die generellen Ideale der Gerechtigkeit ausdrücken würde und der alle zustimmten. Es ist aber sicher, dass Hayek diese Unmöglichkeit nicht auf Gründe der reinen Logik innerhalb eines statischen Kontextes zurückführt, in dem alle notwendigen Informationen als gegeben angenommen werden und Gegenstand vorherbestimmter Umstände sind (wie in Arrows Theorem), sondern auf einen sehr viel generelleren Grund: Individuelle Präferenzen können unmöglich in einem nicht unternehmerischen Kontext geformt und übermittelt werden (dieses wesentliche Problem, welches das verstreute, subjektive und unaussprechliche Wissen darstellt, ist der Kern der österreichischen Kritik an der sozialistischen Wirtschaftsrechnung). Es existieren daher folgende Möglichkeiten: Erstens könnte der sozialistische Diktator der Gesellschaft ständig seine Willkür aufzwingen, ohne irgendein vorher festgelegtes Ziel zu erreichen (wie in der zufälligen anarchistischen Zerstörung von Dobbs „klassischem Modell“); zweitens mag der Diktator zunächst seine eigene Werteskala und die entsprechende Hierarchie etabliert haben (rationale Wirtschaftsrechnung wäre für den Diktator unmöglich); drittens könnte der Diktator versuchen, die allgemeinen Ziele, die von der Bevölkerung verfolgt werden, gemäß der Werteskala zu entdecken, die von allen akzeptiert wird (dies ist angesichts der verstreuten Natur von Wissen und der rein subjektiven und unternehmerischen Art, in der es geschaffen wird, theoretisch unmöglich; und Arrows Unmöglichkeitstheorem würde ebenfalls unter statischen Bedingungen anwendbar sein); viertens könnte der Diktator den öffentlichen Besitz der Produktionsmittel durchsetzen, ökonomische Akteure jedoch so weit wie möglich dazu ermutigen, ihre Entscheidungen auf dezentralisierte Weise zu treffen (dies wäre die Lösung der „Marktsozialisten“ und ist ebenfalls theoretisch unmöglich, da die praktischen Informationen, die für die rationale Wirtschaftsrechnung notwendig sind, nicht geschaffen werden, weil die unternehmerische Funktion nicht vollkommen frei wäre und der Gewinn nicht wie im kapitalistischen System als ein Anreiz funktionieren könnte).

389 In

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Rückführung des Menschseins auf einen Stand von fast unvorstellbarer Sklaverei und Terror.390 Es trifft zu, dass man von einem ausschließlich ökonomischen Standpunkt391 aus die Einstellung eines Individuums nicht verurteilen kann, für das die Kosten des sozialistischen Systems nicht entscheidend sind, solange der Sozialismus aufrechterhalten wird. Und wie wir am Ende des grundlegenden Artikels von 1920 gesehen haben, stellt Mises tatsächlich fest, dass in diesem Fall sein Argument gegen sozialistische Wirtschaftsrechnung nicht in Betracht gezogen wird. Dennoch wundert man sich, wie viele Jünger des sozialistischen Ideals an der Basis oder auf der politischen Ebene immer noch bereit dazu wären, es zu unterstützen, obschon sie sich der wirklichen Begleiterscheinungen bewusst wären.392 Wir müssen 390 Mises

sieht den Destruktionismus als das Wesen des Sozialismus: „Der Sozialismus ist nicht Pio­ nier einer besseren und schöneren Welt, sondern der Verderber von dem, was Tausende Jahre der Zivilisation geschaffen haben, er baut nichts auf, er zerstört. Die Zerstörung ist sein Wesen.“ Jeder Versuch der systematischen institutionellen Nötigung der freien unternehmerischen Interaktion ist wahrlich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Anbetracht der schrecklichen Konsequenzen, die unweigerlich aus solchen sozialen Experimenten langfristig folgen. Tatsächlich entstanden alle großen menschlichen Tragödien des letzten Jahrhunderts, die nicht natürliche Ursachen hatten (und selbst viele von diesen in dem Maße, wie ihre Folgen einfacher hätten bewältigt werden können), direkt oder indirekt aus der oft gut gemeinten Absicht, eine sozialistische Utopie zu verwirklichen. Offensichtlich bestehen signifikante Unterschiede im Ausmaß der Intensität, mit der ein solches Ziel verfolgt wurde. Aber wir dürfen niemals vergessen, dass die Unterschiede zwischen dem Genozid, der von der Sowjetunion begangen wurde, dem Nationalsozialismus, dem kommunistischen China oder Pol Pot gegen seine eigenen Leute einerseits und den zerstörerischen Konsequenzen andererseits (die zu ständigen Konflikten zwischen sozialer Gewalt und moralischer Korruption führten), typisch für den demokratischen Sozialismus und paradoxerweise so genannten „Wohlfahrtsstaat“ sehr substanziell sind, jedoch nur im Ausmaß und nicht in der Art. 391 Zusätzlich führt Dobb aus: „Der Vorteil der Planwirtschaft per se besteht entweder darin, die Unsicherheiten wegzunehmen, die in einer Marktwirtschaft mit diffusen und autonomen Entscheidungen inhärent herrschen, oder es gibt überhaupt keinen Vorteil.“ (Maurice H. Dobb: „Review of Brutzkus and Hayek“, in: Economic Journal, Nr. 45 [1935], S. 535.) Diese Aussage Dobbs passt dadurch hervorragend in das diktatorische Modell des Sozialismus, dass er das Modell der Wirtschaftsrechnung durch die schlichte gewaltsame Durchsetzung der willkürlichen Wünsche des Diktators umgehen möchte. Wie wir in Kapitel 2 gesehen haben, ist eines der wesentlichen Merkmale menschlichen Handelns die kreative Natur der Resultate, wodurch die Zukunft immer unsicher und für die kreative Vorstellungskraft der Unternehmer offen ist. Der einzige Weg, um die Unsicherheit der Zukunft loszuwerden, ist die zwangsweise Zerstörung der Möglichkeit der Menschen, frei zu handeln. Der „Vorteil“, den Dobb mit einer zentralen Planung verbindet, beruht auf der „Auslöschung“ von Unsicherheit durch das Unterdrücken freier menschlicher Handlungen und damit auf dem Einfrieren der Zukunft. Das ist, wie wenn man die unterstellte Krankheit eines Patienten „behandelt“, indem man ihn tötet. Interessanterweise ist Dobbs Ansatz zur Unsicherheit dem neoklassischer Gleichgewichtsökonomen sehr ähnlich, die ihn als einen störenden „Defekt“ des Marktes verstehen, weil die Unsicherheit einfach nicht in ihre „Modelle“ passt. Zum Beispiel führt Kenneth J. Arrow aus: „Es gibt ein bestimmtes Versagen des Preissys­ tems, das ich hervorheben möchte. Ich meine die Anwesenheit von Unsicherheit.“ (The Limits of Organization. New York, 1974, S. 33.) 392 Erinnern wir uns, dass Oskar Lange in seinem Buch On the Economic Theory of Socialism ebenfalls die Möglichkeit erwähnt, den „freien“ Markt für Konsumgüter und Dienstleistungen zu eliminieren, und ausführt, dass unter solchen Umständen sein System von Versuch und Irrtum und der parametrischen Preise immer noch perfekt funktionieren würden, wenn parametrische Preise nicht nur auf Produktionsgüter, sondern auch auf Konsumgüter und Dienstleistungen ausgedehnt werden. In diesem Fall sollte die Planungsbehörde auch Preise verändern, sobald Überschüsse oder Knappheiten von Konsumgütern in der Abwesenheit von Rationierung auftauchen (aus all den Gründen, die wir in der Analyse von Langes Vorschlag erklärt haben, würde dieses System

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demnach auch fragen, wie weit das sozialistische Modell in jeder einzelnen Stufe der geschichtlichen Entwicklung durch Anwendung von Gewalt aufrechterhalten werden kann und welche Möglichkeiten es gibt, ein bestimmtes Land oder eine geografische Region vom Rest der Welt abgeschnitten zu halten, damit die Menschen nicht entdecken, was sie in Wirklichkeit aufgeben, wenn sie es hinnehmen, durch die offizielle Propaganda ihrer Regierung getäuscht oder betrogen zu werden. Alle diese Fragen sind von großer Wichtigkeit und Bedeutung, insbesondere in Anbetracht der Einschätzung der Möglichkeiten in jedem einzelnen historischen Fall, zu einer demokratischen oder revolutionären Eroberung der Macht zu kommen, beziehungsweise der Möglichkeiten des sozialistischen Regimes, die Macht aufrechtzuerhalten. Dennoch mindert keine der Fragen die Stichhaltigkeit der theoretischen Behauptung von Mises und Hayek im Geringsten. Diese hat die Tatsache vollständig dargelegt, dass Sozialismus notwendigerweise eine weitgehende Unterdrückung der Massen bedeutet, weil er ausdrücklich keine Kalkulation der wirtschaftlichen Effizienz erlaubt. Und sie hat die Tatsache offenbart, dass Sozialismus schlussendlich ein unmögliches System ist, unfähig, die glorreichen Ziele zu erreichen, die in der Absicht, die Öffentlichkeit zu täuschen, üblicherweise mit ihm verbunden wurden.

7.4 In welchem Sinne ist Sozialismus undenkbar? In Kapitel 3 haben wir gezeigt, dass Sozialismus ein intellektueller Irrtum ist, weil es theoretisch unmöglich ist, das soziale Verhalten durch ein System institutionellen Zwangs gegen freie menschliche Interaktion aufeinander abzustimmen. Die These dieses Buches ist mit anderen Worten, dass ohne Freiheit zur Ausübung von Unternehmertum die notwendigen Informationen für rationale Wirtschaftsrechnung (im Sinne von Entscheidungsfindung, die nicht beliebig ist, da subjektiv zu entscheiden ist, welche Information in jedem Einzelfall zutreffend ist) nicht erzeugt werden und es für wirtschaftlich Handelnde auch nicht möglich ist zu lernen, ihr Verhalten in Bezug auf die Bedürfnisse und Umstände anderer zu disziplinieren (soziale Einordnung). Diese These deckt sich genau mit der von Ludwig von Mises, die mit dessen Artikel von 1920 aufkam. In der Tat versteht Mises unter „rational“ eine Entscheidungsfindung, die auf den notwendigen, zutreffenden Informationen bezüglich der zu verfolgenden Ziele sowie der Mittel und der erwarteten Opporschlechthin keine Wirtschaftsrechnung erlauben). Lange bemerkt in diesem Artikel, dass die Tatsache, dass er die theoretische Möglichkeit diskutiert, die Freiheit der Konsumenten zu eliminieren, nicht bedeutet, dass er diese Maßnahme verteidigt (da er sie als undemokratisch ansieht). Wir wissen bereits, dass er zum Ende seines Lebens mehr und mehr in Richtung der stalinistischen Lösung tendierte, in der die Wünsche der Konsumenten fast vollständig missachtet werden und das Problem der Wirtschaftsrechnung fiktiverweise auf die zwangsweise Durchsetzung des Plans auf allen Ebenen reduziert ist. Auf Deutsch verteidigt Herbert Zassenhaus in seinem Artikel „Über die ökonomische Theorie der Planwirtschaft“, veröffentlicht in Bd. 5 der Zeitschrift der Nationalökonomie von 1935, ebenfalls ein System sozialistischer Wirtschaftsrechnung, das grundsätzlich aus der Abschaffung der Konsumentenfreiheit und einer mathematischen Art der Lösung besteht, in der dezentralisierter Wettbewerb bis zu einem bestimmten Ausmaß beibehalten wird. Zassenhaus’ Schriften sind durch das Fehlen von Klarheit und insbesondere von Realismus gekennzeichnet, da Gemeinschaften seiner Meinung nach ständig statisch bleiben.

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tunitätskosten beruht. Mises zeigt, dass diese Informationen nur in einem Wettbewerbsumfeld, in dem Freiheit der Unternehmen und privates Eigentum an den Produktionsmitteln existieren, abgestuft und unternehmerisch erzeugt und übermittelt werden. Daher wird die Information ohne freie Märkten, privates Eigentum an Produktionsmitteln und freie Ausübung von Unternehmertum nicht erzeugt und Entscheidungen werden völlig willkürlich getroffen (egal ob auf zentraler oder dezentraler Ebene). Genau so sollten wir diese Worte von Mises verstehen: „Sobald man die Vorstellung von frei gebildeten Preisen für Güter einer höheren Ordnung aufgibt, wird rationale Produktion völlig unmöglich. Jeder Schritt weg von privatem Eigentum an den Produktionsmitteln und vom Gebrauch des Geldes führt uns weg von der rationalen Wirtschaft.“393 Aus diesem Grunde schreibt er auch, dass „Sozialismus die Abschaffung der rationalen Wirtschaft ist“.394 Aber im Gegensatz zu einseitigen und opportunistischen Interpretationen, die einige seiner Gegner gegen sein Werk vorbrachten, behauptet Mises nie, dass es unmöglich ist, generell die Errichtung irgendeiner Utopie oder speziell die des sozialistischen Systems zu versuchen. Genau das Gegenteil trifft zu: Mises geht davon aus, dass das theoretische Wissen, dass es unmöglich ist, eine wirtschaftliche Kalkulation im sozialistischen System durchzuführen, nur jene beeindrucken wird, die irrtümlicherweise glauben, dass dieses System einen höheren Grad an Effizienz, wirtschaftlicher Entwicklung und Zivilisation erreichen kann als das kapitalistische System. Dieses Wissen wird aber nie diejenigen erreichen, die den Sozialismus aus Neid oder aus emotionalen, „ethischen“ oder „asketischen“ Gründen verteidigen. In der Tat schrieb Mises 1920 Folgendes: „Die Kenntnis der Tatsache, dass rationales wirtschaftliches Handeln in einem sozialistischen Gemeinwesen unmöglich ist, kann nicht als Argument für oder gegen den Sozialismus eingesetzt werden. Wer immer bereit ist, sich aus ethischen Gründen zum Sozialismus zu bekennen in der Annahme, dass sich die Versorgung mit Gütern einer niedrigeren Ordnung für Menschen unter einem System gemeinschaftlichen Besitzes an den Produktionsmitteln verringert, oder wer in seinem Wunsch nach Sozialismus von Idealen der Enthaltsamkeit geleitet ist, wird sich selbst nicht erlauben, von dem beeinflusst zu werden, was wir gesagt haben. Aber der, der vom Sozialismus ein rationales Wirtschaftssystem erwartet, wird gezwungen sein, seine Sicht zu überprüfen“.395 393 Ludwig

von Mises: „Economic Calculation in the Socialist Commonwealth“, in: Collectivist Economic Planning, S. 104. 394 Wir müssen zugeben, dass Mises diese These in der deutschen Auflage seines Buches Sozialismus etwas „extremer“ präsentiert. Auf Seite 197 der zweiten deutschen Auflage, 1932 veröffentlicht und 1981 neu veröffentlicht (München: Philosophia Verlag) heißt es: „Der Kapitalismus ist die einzig denkbare und mögliche Gestalt arbeitsteilender gesellschaftlicher Wirtschaft.“ Diese Aussage erscheint in der englischen Übersetzung etwas weicher, wo der Satz durch einen Anhang ergänzt wird: „Capitalism is the only conceivable form of social economy which is appropriate to the fulfilment of the demands which society makes of any economic organization.“ (S. 194 der englischen Auflage.) Die englische Formulierung ist etwas präziser als die deutsche, obwohl die deutsche Version vollständig mit dem übereinstimmt, was Mises früher in seinem Artikel über die Wirtschaftsrechnung geschrieben hat, wo „social economy“ für Mises gleichbedeutend ist mit „rational economy.“ 395 Ludwig von Mises: „Economic Calculation in the Socialist Commonwealth“, in: Collectivist Economic Planning, S. 130.

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Hayek geht in völligem Einverständnis mit Mises davon aus, dass es in einem gewissen Sinn „möglich“ ist, irgendeinen Ablauf zu unterstellen, egal wie verrückt oder sinnlos er sein mag, und dass aus dieser Perspektive ein Versuch unternommen werden kann, ein sozialistisches System in die Praxis umzusetzen. Aber aus theoretischer Sicht konzentriert sich die Frage der „Unmöglichkeit des Sozialismus“ lediglich darauf, ob der sozialistische Ablauf mit den Zielen vereinbar ist, die er erreichen soll: insbesondere eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung, die so koordiniert und harmonisch ist, wie es im kapitalistischen System erreicht wurde, und möglichst noch mehr. Wie auch immer, wenn das Ziel die Beendigung der „Anarchie des Marktes“ durch Überwindung der „Unvollkommenheiten“ des Marktes mittels Zwang und eines zentralen, rationalen Wirtschaftsplans ist, dann ist Sozialismus im obigen Sinne eindeutig eine Unmöglichkeit, weil er dieses Ziel nicht erreichen kann. Anders ausgedrückt: Weil der Sozialismus sowohl rationale Wirtschaftsrechnung als auch ein abgestimmtes Verhalten unter den sozial Handelnden unmöglich macht, kann ein solches System unmöglich das Ziel erreichen, das kapitalistische System in Koordination und Effizienz zu überbieten. Schließlich erkennt Hayek, dass die Unmöglichkeit, wirtschaftliche Effizienz zu erreichen, und der generelle Rückfall in der Entwicklung, der unausweichlich Hand in Hand mit der Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung geht, die Wünsche jener nicht ändern kann, die den Sozialismus aus anderen (religiösen, emotionalen, ethischen oder politischen) Gründen weiterhin unterstützen. In diesem Fall bietet die Wirtschaftswissenschaft jedoch hilfreiche Kenntnisse und einen nützlichen Dienst auch für diese zweite Gruppe von Leuten. Denn sie zeigt ihnen die wirklichen Kosten ihrer politischen, ethischen oder ideologischen Entscheidung und kann ihnen helfen, sich zu besinnen, oder wird sie bestärken, was der Fall sein kann.396 Auf jeden Fall ist es keine Frage, dass die Analyse von Mises und Hayek ein Schlag ins Kontor für alle war, sowohl Experten als auch Laien in Wirtschaftsfragen, die den Sozialismus eifrig oder naiv unterstützten in dem Glauben, dieser wäre das Allheilmittel für alle sozialen Probleme und würde ein Maß an Effizienz und Entwicklung erlauben, das im Kapitalismus noch nicht da gewesen ist. Es ist 396 Hayek

wirft Mises vor, dass er manchmal den Ausdruck „Sozialismus ist unmöglich“ benutzt, wenn er eigentlich meint, dass eine rationale Wirtschaftsrechnung in einem sozialistischen System unmöglich ist. Diese Vorwurf finden wir im Lichte bestimmter expliziter Annahmen nicht gerechtfertigt, die Mises trifft und die wir in den Text eingefügt haben (nur in seinem Buch über den Sozialismus benutzt Mises einige Ausdrücke, die ähnlich denen sind, die Hayek erwähnt; aber wenn man den allgemeinen Kontext berücksichtigt, besteht kein Zweifel über deren Bedeutung). „Viele der Anmerkungen, die zunächst gemacht wurden, waren eigentlich eher geringere Auseinandersetzungen über Wörter, die durch die Tatsache ausgelöst wurden, dass Mises manchmal die recht lockere Aussage macht, der Sozialismus sei unmöglich, während er eigentlich meint, dass der Sozialismus eine rationale Wirtschaftsrechnung unmöglich macht. Natürlich ist jeder vorgeschlagene Handlungsweg, wenn der Vorschlag auch nur irgendeine Bedeutung hat, möglich in dem Sinne, dass er probiert werden kann. Die Frage kann nur sein, ob er zu den erwarteten Ergebnissen führt, also ob der vorgeschlagene Handlungsweg in Übereinstimmung mit den Zielen ist, denen er dienen soll.“ (F. A. Hayek: „Nature and History of the Problem“, in: Collectivist Economic Planning, S. 36.) Interessanterweise hat der allgemeine Ausdruck „der Sozialismus ist unmöglich“ heutzutage, nachdem der revolutionäre Wandel den Sozialismus im Ostblock überwunden hat, eine weitverbreitete umgangssprachliche Verwendung gefunden.

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auch keine Frage, dass für die meisten Leute die Tatsache, dass Sozialismus eine weitgehende Verarmung und einen Verlust an Effizienz bedeutet, ein starkes, in vielen Fällen endgültiges Argument ist, um dem Sozialismus die Eigenschaft eines Ideals abzusprechen. Dennoch können wir die Tatsache nicht abstreiten, dass der Sozialismus als Ideal eine wichtige ethische und auch „religiöse“ Komponente hat, weshalb wir uns ihm aus der Perspektive der Sozialethik annähern müssen. Aus dem Grund sind zunehmend Untersuchungen auf die Frage ausgerichtet worden, ob der Sozialismus ein ethisch zulässiges System ist oder nicht – ungeachtet der theoretischen Probleme der wirtschaftlichen Effizienz, die wir schon beschrieben haben. Vom Standpunkt zumindest eines der untersuchten Bereiche der Sozial­ ethik (der des Naturgesetzes) gibt es tatsächlich starke Gründe anzunehmen, dass das sozialistische Ideal radikal gegen die Natur des Menschen ist (und das erscheint zwangsläufig, denn Sozialismus basiert auf der Ausübung von Verletzung und systematischer Zwangsausübung gegen die innigste und wichtigste Eigenschaft der menschlichen Wesen: ihre Fähigkeit zu freiem Handeln). Auf Grundlage dieses Argumentes wäre das sozialistische System nicht nur theoretisch unseriös, sondern auch ethisch unzulässig (im Sinne von unmoralisch und ungerecht). Deshalb wäre es langfristig unmöglich, dieses System widerspruchsfrei aufzusetzen, und es würde unaufhaltsam zum Scheitern verurteilt sein, denn es widerspricht der menschlichen Natur. Unter diesem Blickwinkel sind Wissenschaft und Ethik schlicht zwei Seiten der gleichen Medaille und es existiert in der Welt eine widerspruchsfreie Ordnung, in der Schlussfolgerungen, die in verschiedenen Feldern – dem wissenschaftlichen, dem geschichtlich-evolutionären und dem ethischen – erreicht wurden, zwangsläufig darauf gerichtet sind, sich anzunähern.397 397 Zu

diesem Thema müssen wir insbesondere die Beiträge erwähnen, die Israel M. Kirzner (Discovery, Capitalism and Distributive Justice. London: Basil Blackwell, 1989) und Hans-Hermann Hoppe (A Theory of Capitalism and Socialism. Holland: Kluwer Acadamic Publisher, 1989) in dem Bereich der sozialen Ethik gemacht haben. Beide Autoren (zu deren Werken wir vielleicht Robert Nozicks leicht überholtes, aber immer noch beachtenswertes Buch Anarchy, State and Utopia [New York: Basic Books, 1974] hinzufügen sollten) legen offen, dass der Sozialismus nicht nur theoretisch unmöglich, sondern auch ethisch unzulässig ist. Kirzner baut diese Schlussfolgerung auf die stimulierende Theorie, dass jede Person das natürliche Recht hat, die Früchte seiner eigenen unternehmerischen Kreativität zu ernten. Hoppe baut auf das Axiom von Habermas auf, das besagt, dass die Argumentation mit einem anderen menschlichen Wesen immer die Akzeptanz und implizite Anerkennung der Individualität des „anderen Ichs“ sowie des Besitzes seiner Person, seiner Gedanken und seiner Leistungen respektiert. Von diesem Axiom leitet Hoppe logisch eine ganze Theorie der Eigentumsrechte und des Kapitalismus ab. Über unsere Theorie der drei verschiedenen, aber komplementären Ebenen, auf denen gesellschaftliche Realität analysiert werden soll (theoretisch, historisch-evolutionär und ethisch), siehe unsere Einführung zu Band 1 von Hayeks Obras complettas (Madrid: Unión Editorial, 1990, S. 23 f). Die Unmoral des Sozialismus kann auf verschiedene Weise verstanden werden, je nach Ebene, die man betrachtet. Mit anderen Worten ist der Sozialismus zumindest auf drei verschiedene Weisen unmoralisch: Erstens ist der Sozialismus aus einer theoretischen Perspektive unmoralisch, da er als gesellschaftliches System die Schaffung von Informationen verhindert, die das System selber braucht, um seine gewählten Ziele zu erreichen; zweitens gibt es aus einer evolutionären Perspektive nichts Unmoralischeres als den Sozialismus, da er aus einer konstruktivistischen Utopie besteht, die den Wert traditioneller Gesetze und Gebräuche missachtet: drittens ist der Sozialismus vom ethischen Standpunkt ein Angriff auf das wesentlichste Prinzip der menschlichen Natur: die Fähigkeit des Menschen, frei und kreativ zu handeln und die Früchte seiner unternehmerischen Kreativität zu ernten.

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Wenn die Wirtschaftswissenschaft zeigt, dass rationale Wirtschaftsrechnung im sozialistischen System unmöglich ist, und wenn die theoretische Analyse der Sozial­ethik zeigt, dass Sozialismus auch unmöglich ist, weil er der menschlichen Natur widerspricht, welche Schlussfolgerungen können dann aus einer historischinterpretativen Studie der sozialistischen Erfahrungen bis zu diesem Punkt gezogen werden? Das Ziel ist abzuklären, ob die historischen Ereignisse, die in den sozialistischen Ländern stattgefunden haben, mit den theoretischen Analysen des Sozialismus von Mises und Hayek übereinstimmen. Was können wir in Anlehnung an diese Analyse von der Einführung eines sozialistischen Systems erwarten, in dem die Menschen nicht frei sind, sich unternehmerisch zu betätigen, und die Freiheitsbeschränkung ein enormes Ausmaß hat? Die Antwort lautet: eine weitverbreitete mangelhafte Zuteilung der Rohstoffe und Produktionsfaktoren in dem Sinne, dass bestimmte Produktionslinien exzessiv auf Kosten anderer expandiert werden, die Güter und Dienstleistungen herstellen, die die Bevölkerung eher benötigen würde. Ferner wird es einen ausgedehnten Fokus auf bestimmte Projekte geben, und die einzige Rechtfertigung, die angeboten wird, wird rein technischer oder technologischer Natur sein. Solche Projekte werden ohne Abschätzung der Kosten, die sie verursachen, begonnen werden. Paradoxerweise wird diese unkontrollierte Neigung zum Ausführen von Projekten aus rein „technischen“ Gründen die generelle Einführung von neuen und wirtschaftlich fortschrittlicheren Technologien und Produktionsmethoden verhindern, die unter völliger Freiheit der unternehmerischen Tätigkeit entdeckt und aktuell erprobt werden könnten.398 Kurzum wird 398 Hoff

betonte, dass jede Tendenz weg von der unternehmerischen Funktion und hin zum Sozialismus der technischen Mentalität eines Ingenieurs sowohl explizit als auch implizit auf allen sozialen Ebenen eine größere Bedeutung gibt. Sobald wir das Verständnis für unternehmerischen Gewinn und Kosten verlieren, ist es fast unvermeidbar, „technischen“ Überlegungen eine unverhältnismäßige Wichtigkeit einzuräumen. Dieses Phänomen entsteht nicht nur auf der Ebene der unterschiedlichen Industrien, sondern auch auf der allgemeinen Ebene der Gesellschaft als Ganzer. Tatsächlich glauben sozialistische Politiker und Beamte, sie wären außergewöhnliche „Sozial­ ingenieure“, die dazu in der Lage seien, eine Gesellschaft nach ihrem Willen anzupassen und die „Veränderungen“ einzuführen, die notwendig sind, um die höheren Ebenen ökonomischer und gesellschaftlicher Entwicklung zu erreichen. Hoff schlussfolgert: „Ein Produkt, das technisch perfekt ist, ist aus einer technischen Perspektive heraus ex hypothesi ideal für seinen Zweck. Es erfreut Ingenieure und technische Experten und kann sogar dem Laien ein ästhetisches Vergnügen bereiten. Aber es muss darauf bestanden werden, dass die Produktion eines technisch perfekten Artikels ökonomisch irrational ist und einen ökonomischen Missbrauch von Arbeit und Material darstellt, wenn er auch höhere Bedürfnisse befriedigt hätte, indem er auf andere Art und Weise benutzt worden wäre.“ (Hoff: Economic Calculation in the Socialist Society, S. 141; der letzte Satz von Fußnote 8.) Paradoxerweise wird der Versuch, in jedem Produktionssektor die neuesten technologischen Innovationen einzuführen, ohne den Kosten die notwendige Beachtung zukommen zu lassen, die technische Entwicklung der Gesellschaft aufhalten. Denn so werden die technologischen Innovationen, die wirklich vorteilhaft wären (also diejenigen, die unternehmerisch eingeführt werden), gar nicht erst entdeckt und nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort angewendet werden können. D. T. Armentano besteht darauf, dass der sozialistischer Planer unmöglich wissen kann, welches Projekt ökonomischer und effizienter ist, und seine Entscheidungen dazu tendieren, sowohl im intra- als auch in der intertemporalen Dimension konträr zu sein – unabhängig davon, ob er versucht, seine Entscheidungen mit technischen Überlegungen auszuschmücken. In Bezug auf Mises’ berühmtes Beispiel des sozialistischen Managers, der zwischen der Konstruktion eines Kraftwerks, das Öl nutzt, und einem, das Nuklearenergie erzeugt, schlussfolgert er: „Wenn das Kraftwerk zu einem bestimmten Zeitpunkt mit bestimmten Ressourcen gebaut wird, so stellt dies eine willkürliche und keine ökonomische Entscheidung dar“, weil die Informationen über

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der willkürlich niedrige Zinssatz zu exzessiven Investitionen in die am meisten kapitalintensive Industrie führen – zum Nachteil von Konsumgütern und Dienstleistungen. Generell werden sich Unvernunft und fehlende soziale Koordination auf allen Ebenen ausbreiten und bei sonst gleichen Rahmenbedingungen wird die gleiche Anstrengung und gesellschaftliche Unterstützung im sozialistischen System zu einem niedrigeren Lebensstandard und einer viel kleineren Zahl und niedrigeren Qualität der Konsumgüter und Dienstleistungen im Vergleich zum kapitalistischen System führen. Mit anderen Worten: Wenn alles andere gleich ist, kann das sozialistische System sich dem kapitalistischen System nur annähern, indem es viel höhere und vollständig unnötige Kosten für die Bevölkerung, die Umwelt und generell für alle Produktionsfaktoren auslöst. Nun ist dies nicht der Ort, um eine vertiefte Analyse der historischen Erfahrungen vorzunehmen, die die sozialistischen Systeme hervorgebracht haben. Aber an diesem Punkt können wir erwähnen, dass die geschichtliche Interpretation solcher Ereignisse illustriert und vollständig übereinstimmt mit den A-priori-Schlussfolgerungen der Wirtschaftstheorie des Sozialismus, wie sie Mises und Hayek entwickelt haben. Tatsächlich haben sich sozialistische Regierungen als außerstande erwiesen, ihre wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen rational aufeinander abzustimmen, ein Mindestmaß an Adjustierung und Effizienz399 einzuhalten, die Wünsche der Bürger nach Konsumgütern und Dienstleistungen zufriedenzustellen und die wirtschaftliche, technologische und kulturelle Entwicklung ihrer Länder zu fördern. Tatsächlich wurden die Verzerrungen und Widersprüche der sozialistischen Systeme des früheren Ostblocks für den größten Teil der Bevölkerung so offensichtlich, dass der beliebte Ruf nach Abschaffung des Sozialismus und Wiedereinführung des Kapitalismus für die damaligen Regime untragbar wurde, die eines nach dem anderen zusammenbrachen. In diesem Sinne ist der Fall des Sozialismus in den Ostblockländern in der Tat als ein großer wissenschaftlicher Triumph anzusehen und als eine in der Geschichte der Sozialwissenschaften beispiellose Veranschaulichung der theoretischen Analyse des Sozialismus, die die Mitglieder der Österreichischen Schule seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelt haben. Nachdem wir nun das Ansehen herausgestellt haben, das die oben dargestellten historischen Ereignisse den Argumenten von Ludwig von Mises eingebracht haben, und die Genugtuung, die sie für Hayek, die anderen österreichischen Ökonomen und einige andere bedeuteten, müssen wir gleichwohl eines hinzufügen: Die österreichische theoretische Analyse hat a priori gezeigt, dass der Sozialismus nicht funktionieren würde, da er auf einem intellektuellen Irrtum beruhte, und notwendigerweise alle Arten von Fehladjustierungen und Verwerfungen verurPreise und Kosten, die in einem freien unternehmerischen Markt spontan generiert würden, nicht verfügbar sind. Siehe „Ressource Allocation Problems under Socialism“, in: Theory of Economic Systems: Capitalism, Socialism, Corporation. Hrsg. von William P. Snavely. Columbus, Ohaio: Merrill, 1969, S. 133 f. 399 Logischerweise verstehen wir den Begriff „Effizienz“ nicht im Sinne paretianischer Maximierung, sondern als eine Eigenschaft der unternehmerischen Koordination innerhalb kreativer Umgebungen, in der Unsicherheit gegenwärtig ist.

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sachen würde. Deshalb ist es eine Tragödie, dass Millionen von Menschen über so viele Jahre unaussprechliches Leid ertragen mussten, um historisch etwas zu beweisen, das durch den theoretischen Beitrag der Österreichischen Schule von Anfang an als zum Scheitern verurteilt gekennzeichnet worden war. Teilweise liegt die Verantwortung für dieses menschliche Leid nicht nur bei den Mitgliedern der Gemeinschaft der Wissenschaftler selbst, die den Inhalt der Österreichischen Schule leichtfertig übersahen und auch betrügerisch verbargen, sondern auch bei einem unbeholfenen und antiquierten, aber immer noch vorherrschenden Positivismus, für den alleine Erfahrung unabhängig von jeder Theorie die Überlebenswahrscheinlichkeiten jedes gesellschaftlichen Systems offenzulegen vermag.400 Mit der ruhmreichen Ausnahme von Mises, Hayek, dem Rest ihrer Schule und einigen anderen hat fast die gesamte sozialwissenschaftliche Gemeinschaft die Menschheit verraten, da ihre Mitglieder es am Ende versäumten, ihre unerlässliche wissenschaftliche Pflicht zu erfüllen und die Bürger vor den Gefahren zu warnen, die vom sozialistischen System herrühren. Darum ist es wichtig, dass wir eine sehr nützliche und lehrreiche Bestätigung der wissenschaftlichen Verantwortung vornehmen, die vor den Bürgern und im Hinblick auf die wirtschaftliche Ideengeschichte jeden Theoretiker an seinen berechtigten Platz stellt – ohne Rücksicht auf seinen Ruhm, seinen Namen oder die Beliebtheit, die er zu anderen Zeiten in anderen Zusammenhängen erworben haben mag. Hinsichtlich unserer Ausführungen zur geschichtlichen Interpretation der sozialistischen Erfahrungen sind einige Worte der Vorsicht notwendig. Denn im Unterschied zu vielen „positivistischen“ Theoretikern nehmen wir nicht an oder glauben nicht, dass empirische Evidenz alleine genügt, eine wissenschaftliche Theorie im Bereich der Ökonomie zu bekräftigen oder zu widerlegen. Wir haben ganz bewusst festgestellt, dass historische Studien mit den theoretischen Schlussfolgerungen „übereinstimmen“ und sie „illustrieren“, aber nicht, dass sie solche Schlussfolgerungen „bestätigen“ oder ihren „Aussagegehalt demonstrieren“.401 Auch wenn wir die Analyse der logischen Unangemessenheit der „positivistischen Methodologie“ an dieser Stelle nicht nachvollziehen wollen,402 ist es klar, dass die Erfahrung in 400 Zum

Beispiel steigert sich dieser unbeholfene „positivistische Szientismus“ zu einer Plage und durchdringt das amerikanische Erziehungssystem und die akademische Welt im Allgemeinen sowie die Beiträge der Chicago-Schule im Besonderen, inklusive der Beiträge eines der prominentesten Mitglieder, George Stigler, der meint, dass in der Debatte beide Parteien die „empirischen“ Konsequenzen ihrer jeweiligen Vorschläge nicht einbeziehen und nur „empirische Evidenz“ die bestehenden Differenzen zwischen den Verteidigern des Kapitalismus und des Sozialismus lösen kann. 401 Siehe die interessanten Beobachtungen, die Fritz Machlup in „Testing versus Illustrating“ macht (in: The Economics of Information and Human Capital, Band 3 von Knowledge:Its Creation Distribution and Economic Significance, S. 231 – 232.) 402 Eine Zusammenfassung der kritischen Analyse positivistischer Methodologie und ein Überblick über die relevantesten Arbeiten erschien in unserem Artikel „Método y Crisis en la Ciencia económica“ (in: Hacienda Pública Española, Nr. 74 [1982], S. 33 – 48, wiederveröffentlicht in Band 1 unserer Lecturas de Economía Política (Madrid: Unión Editorial, 1986, S. 11 – 33). Die methodologischen Ideen der Österreichischen Schule wurden im Verlauf der Debatte über die sozialistische Wirtschaftsrechnung weiterentwickelt. Die vollständige Formulierung der Kritik an der positivis­ tischen Methodologie kann als eines der wertvollsten Nebenprodukte dieser Debatte angesehen werden, da genau aus dem gleichen Grund, aus dem der Sozialismus ein intellektueller Fehler ist

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der sozialen Welt immer historisch, das heißt immer mit hoch komplexen Ereignissen verbunden ist, in denen unzählige „Variablen“ wirken, die nicht unmittelbar beobachtet, sondern nur im Licht einer vorherigen Theorie interpretiert werden können. So wird die Deutung historischer Ereignisse sich unterscheiden abhängig von der Theorie, sodass es ausschlaggebend wird, im Voraus Theorien – mit methodologisch anderem Vorgehen als bei den positivistischen – aufzustellen, welche eine genaue Interpretation der Wirklichkeit ermöglichen. So gibt es keinen unbestreitbaren historischen Beweis und noch weniger einen Nachweis, der eine Theorie bestätigt oder widerlegt. Überdies führen die theoretische Diskussion im Allgemeinen und die Diskussion über Sozialismus im Besonderen zu wertvollen Schlussfolgerungen. Wären sie zur rechten Zeit vorgenommen worden, hätten sie, wie wir bereits angedeutet haben, nicht nur viele Jahrzehnte voll erfolgloser Anstrengungen verhindert, sondern auch zahlreiche Konflikte aller Art und unsagbares menschliches Leid. Nicht nur logisch ist es deshalb nicht machbar zu warten, bis die Geschichte feststellt, ob ein ökonomisches System brauchbar ist oder nicht. Denn Geschichte kann keine Theorie bekräftigen oder widerlegen, sondern schließt auch die Sinnlosigkeit des Verzichtes a priori auf die Lehre genauer Theorien mit ein, die außerhalb der Erfahrung entwickelt wurden. Und noch mehr lädt Geschichte ein, jeden Unsinn und jede Utopie mit unangemessenen menschlichen Kosten auszuprobieren403 unter dem Vorwand, die Analyse der damit verbundenen „experimentellen Ergebnisse“ zu ermöglichen. Zu der Zeit, als dieses Buch entstand (1990/91), bestätigten der Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in den osteuropäischen Ländern und die Tendenzen, die dort über die zurückliegenden Jahrzehnte reflektiert wurden, generell die „Voraus­ sagen“ in vollem Umfang, die aus den Lehren von Mises und Hayek über den Sozialismus abgeleitet werden konnten. Dennoch waren die oben stehenden Kom(die Unmöglichkeit, die notwendigen praktischen Informationen auf eine zentralisierte Weise zu erhalten), es in der Ökonomie weder möglich ist, empirische Vorkommnisse direkt zu beobachten, noch irgendeine Theorie empirisch zu verifizieren und irgendwelche spezifischen Vorhersagen in Bezug auf Zeit und Ort zukünftiger Ereignisse zu treffen. Dies ist so, weil der Gegenstand der Forschung in der Ökonomie die Ideen und das Wissen beinhaltet, die Menschen haben und schaffen, und diese Informationen sich im ständigen Fluss befinden, hoch komplex sind und weder gemessen noch beobachtet und von einem Wissenschaftler oder einer zentralen Planungsbehörde gesammelt werden können. Wenn es möglich wäre, gesellschaftliche Ereignisse zu messen und ökonomische Theorien empirisch zu bestätigen, dann wäre Sozialismus möglich. Oder umgekehrt: Sozialismus ist aus den gleichen Gründen unmöglich, aus denen eine positivistische Methodologie nicht anwendbar ist. Die Ereignisse gesellschaftlicher Realität können aufgrund ihrer „geistigen Natur“ nur historisch interpretiert werden, was wiederum eine vorangehende Theorie voraussetzt. Zu diesen faszinierenden Ansichten siehe die 33 bibliografischen Referenzen, die in unserem Artikel „Método“ zitiert wurden, und insbesondere Mises’ Theory and History (Yale: Yale University Press, 1957) sowie Hayeks „The Facts of the Social Sciences“ (in: Individualism and Economic Order, S. 57 – 76; außerdem in The Counter-Revolution of Science. Glencoe, Illinois: Free Press, 1952). Eine exzellente Neuveröffentlichung erschien 1979 (Indianapolis: Liberty Press). Eine hilfreiche, nüchterne Beschreibung des österreichischen methodologischen Paradigmas erscheint in Bruce Caldwell: Beyond Positivism: Economic Methodology in the Twentieth Century. London: George Allen and Unwin, 1982, insbesondere S. 117 – 138. 403 Mises hebt hervor, dass die Lehren aus der sowjetischen Erfahrung nicht ausreichen, um irgendein theoretisches Argument in Bezug auf den Sozialismus aufzustellen. Und er schlussfolgert, dass „die Fehler, die in einem System abstrakten Denkens – so wie es der Sozialismus ist – enthalten sind, nicht anders behandelt werden können als durch abstraktes Denken“ (Socialism, S. 535).

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mentare nötig, denn dies ist nicht immer der Fall gewesen404 und in bestimmten historischen Perioden hat es einen weitverbreiteten Glauben an das Gegenteil gegeben, d. h. daran, dass der Verlauf der Ereignisse in den osteuropäischen Ländern die Theorie von der Unmöglichkeit des Sozialismus, wie sie von den Österreichern formuliert worden war, klar „widerlegt“ habe. Gelegentlich ist überdies geschrieben worden, dass selbst Hayek405 und Robbins406 mit Blick auf das praktische Funktionieren des Sozialismus in der Sowjetunion Mises’ extreme Position abgelehnt 404 Die

historischen Ereignisse der letzten Jahre, die im Zusammenbruch der kommunistischen Regime in den Ländern des ehemaligen Ostblocks gipfelten, legen eine offensichtliche Interpreta­tion nahe. Vielleicht ist die Aufgabe, historische Ereignisse zu interpretieren, in anderen Perioden komplizierter, aber selbst dann bestätigt eine sorgfältige Auseinandersetzung die Thesen der Theorie der Unmöglichkeit sozialistischer Wirtschaftsrechnung. Zu diesem Punkt siehe den Abschnitt mit dem Titel „Does Russia Refuth“ in David Ramsay Steels Artikel: „The Failure of Bolshevism and its Aftermath“, in: Journal of Liberterian Studies 5, Nr. 1 (Winter 1981), S. 105 f. 405 Für Hayek ist diese Version nichts anderes als eine „skandalöse Fehlinterpretation“ der Tatsachen (siehe Fußnote 221, Kapitel 5) und eine ausgesprochen deutliche, wenn wir berücksichtigen, dass Hayek die Kommentare, die seine Kritiker benutzen, um den obige „Rückzug“ zu rechtfertigen, nicht nur beiläufig machte, sondern auch mit dem offensichtlichen Ziel, die traditionelle akademische Großzügigkeit beizubehalten, die er immer gezeigt hat, indem er seinen Gegnern zumindest auf dem Papier erlaubte, eine totale Niederlage zu vermeiden. In diesem Sinne müssen wir nicht nur die Beobachtungen auf Seite 187 von Individualism and Economic Order bewerten, sondern auch die auf den Seiten 238 und 242 seines Artikels über den „Present State of the Debate“ (Collectivist Economic Planning). In ihm lesen wir: „Aber während es illegitim ist zu sagen, dass diese Vorschläge unmöglich in einem absoluten Sinne sind, bleibt es dennoch wahr, dass es sehr ernsthafte Behinderungen für das Erreichen des erwünschten Zieles gibt und dass es keinen Weg zu geben scheint, über den man sie umgehen kann …“ (S. 238.) „Niemand möchte die Möglichkeit ausschließen, dass noch eine Lösung gefunden werden kann. Nach unserem aktuellen Stand des Wissens jedoch bleiben ernsthafte Zweifel, ob eine solche Lösung gefunden wird.“ (S. 242.) Es ist daher nicht überraschend, dass Hayek vierzig Jahre nach dem signifikantesten Teil der Debatte um die Wirtschaftsrechnung 1982 in einem Artikel nicht in der Lage war, seine typische Geduld und Zurückhaltung mit seinen intellektuellen Gegnern aufrecht zu erhalten, die damit fortfuhren, grobe Fehlinterpretationen zu seinem vorgeschlagenen „Unentschieden“ auf einer „zweiten Verteidigungslinie“ zu verbreiten. Hayek selber erkannte, dass seine Aussagen der Zurückhaltung und sein gentlemanartiges Benehmen von seinen intellektuellen Gegnern mit wenig wissenschaftlicher Ehrlichkeit benutzt wurde. Er würde wohl nicht noch einmal den Fehler begehen, zum Wohle der guten akademischen Manieren zu riskieren, missverstanden zu werden: „Ich füge vielleicht noch hinzu, dass mir J. A. Schumpeter in Bezug auf das Buch vorgeworfen hat, höflich bis zum Fehler zu sein, weil ich meinen Gegnern nie mehr als einen intellektuellen Fehler vorgeworfen habe. Ich erwähne dies als eine Entschuldigung für den Fall, dass ich die gleichen leeren Phrasen dreißig Jahre später wiederfinde. Ich wäre nicht in der Lage, die gleiche Geduld und Großzügigkeit aufzubringen.“ („The New Confusion about Planing“, in: New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas, Kapitel 14, S. 235.) 406 Es gibt keine legitime Basis für die Meinung, dass Robbins sich auf irgendeine Weise auf eine zweite Linie der Verteidigung zurückgezogen hat, als er mit der praktischen Evidenz konfrontiert wurde. Im Gegenteil: Robbins erkennt nicht nur explizit an (The Great Depression, Fußnote 1, S. 148), dass sein Argument sehr nah an das von Mises kommt, das dieser in dem Buch Socialism entwickelt (die englische Übersetzung, zu der Robbins einen Beitrag leistete, indem er die ursprüngliche Version der wichtigsten Teile vorbereitete und den Entwurf dann seinem Freund J. Kahane zur Fertigstellung übergab), sondern hielt auch fast vierzig Jahre später, als Lord Robbins seine Biografie schrieb, explizit an seiner Meinung fest und anerkannte die Richtigkeit von Mises’ Argument über die Unmöglichkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung, wie dieser es ursprünglich 1920 formulierte. In Robbins eigenen Worten von Robbins: „Mises wichtigste Behauptung ist, dass ohne ein Preissystem eine komplexe kollektivistische Gesellschaft ohne die notwendige Orientierung ist. Innerhalb des allgemeinen Rahmens einer solchen Gesellschaft sind die Versuche, ein Preissystem aufzustellen, das in einem dynamischen Kontext Bedeutung und Anreize setzen kann, anfällig dafür, mit der Hauptintention des Kollektivismus aneinanderzugeraten. Dies scheint für mich immer noch wahr zu sein und das Ergebnis der gesamten Geschichte

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Abschließende Betrachtungen

und Zuflucht in einer „zweiten Verteidigungslinie“ gesucht hätten. Diese habe in der Behauptung bestanden, dass der Sozialismus zwar funktionieren könne (in dem Sinne, dass er nicht unmöglich sei), in der Praxis aber notwendigerweise eine Reihe von Problemen der Ineffizienz aufweisen würde. Wie wir schon wissen, ist diese Interpretation vollständig falsch, da sich weder Mises noch Hayek je in eine „zweite Verteidigungslinie“ zurückgezogen haben. Im Gegenteil glaubten sie stets, dass die Ereignisse in der Sowjetunion die Mises’sche Theorie vom Sozialismus vollständig bestätigten – selbst in jenen historischen Perioden, in denen die Fehler und Unangemessenheiten des sozialistischen Systems besser verborgen und weniger offensichtlich waren.407

7.5 Abschließende Schlussfolgerungen Im Lichte dessen, was alles zur Debatte über die sozialistische Wirtschaftsrechnung gesagt worden ist, können wir festhalten, dass keiner der sozialistischen Theoretiker in der Lage war, eine zufriedenstellende Antwort auf die Herausforderung zu geben, die Mises und Hayek gestellt hatten. Sie bewegten sich im System der neoklassisch-walrasianischen Paradigmen und nutzten analytische Werkzeuge, die ihr Verständnis der eigentlichen Probleme erheblich behinderten – Probleme, die in einem System entstehen, in dem privates Eigentum an den Produktionsmitteln und insbesondere die Freiheit zur Ausübung des Unternehmertums nicht gegeben sind. Auch die Verlagerung hin zu Problemen der Statistik (die wiederum aus der oben dargestellten Situation entstand) hielt sie davon ab, die wirklich enthaltenen Probleme wahrzunehmen und zu betrachten, und brachte die irrige Auffassung hervor, dass die Probleme „theoretisch gelöst“ seien. Folglich blieb die wichtige theoretische Herausforderung, die Mises und Hayek aufgestellt hatten, unbeantwortet und muss bis heute noch befriedigend beantwortet werden, wie selbst sozia­ listische Theoretiker zunehmend anerkennen. Mehr noch hat die Entwicklung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ereignisse durch das 20.  Jahrhundert hindurch die theoretischen Beiträge von Mises und Hayek zur Theorie des Sozialismus vollauf bestätigt, obwohl die meisten Ökonomen der westlichen Länder immer noch behaupten, dass die Debatte in den frühen vierziger Jahren abgeschlossen und beendet worden sei. Seit der Zeit wurden verschiedene Richtungen in der Forschung eingeschlagen, sowohl in die Richtung von „Systemvergleich“ (etwa der Wettbewerb der Systeme) als auch in der Theorie der „Reform der sozialistischen Systeme“ und der Entwicklung von Planometrik. Dennoch ist diese Forschung durch eine fast völlige Unkenntnis derjenigen theoretischen Probleme geschädigt totalitärer Gesellschaften, seit sie vorgeschlagen wurden.“ (Lionel Robbins: Autobiography of an Economist. London: Macmillan, 1971, S. 107; siehe ebenfalls: Political Economy, Past and Present. New York: Columbia University Press, S. 135 – 150.) 407 Solche beachtlichen Schwankungen in dem Ausmaß der Schwierigkeiten, die die Interpretation von Geschehnissen aus der Erfahrung nach sich ziehen, entstehen – sogar sehr viel dramatischer – im Falle der Auswirkungen von Interventionismus und Sozialdemokratie westlicher Länder. In diesen Kontexten ist die Hilfe der Theorie, wenn möglich, sogar wichtiger als im Falle des sogenannten „realexistierenden“ Sozialismus.

Abschließende Schlussfolgerungen

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worden, die Mises und Hayek im Verlauf der Debatte untersucht hatten. Diese Unkenntnis hat im Wesentlichen zur Fruchtlosigkeit und zum Irrtum all dieser Forschungslinien beigetragen. Auf der Seite der „Österreicher“ waren ursprünglich nicht nur die Theoretiker in die Debatte eingebunden (vor allem Mises und Hayek), sondern auch eine wachsende Zahl junger Ökonomen, die fortlaufend ein hoch produktives System von Theorien entwickelten, dessen wissenschaftlicher Ursprung auf diese Debatte zurückgeführt werden kann. In diesem Sinne ist eine Vielfalt wissenschaftlicher Konsequenzen aus der Debatte entstanden, die sich für die Wirtschaftswissenschaft als sehr fruchtbar herausgestellt hat. Somit ist es insbesondere wichtig, die verschiedenen Bereiche der Wirtschaftswissenschaften daraufhin zu untersuchen, ob sie bereits durch Beiträge angereichert worden sind, die ursprünglich als ein Ergebnis der Debatte über sozialistische Wirtschaftsrechnung erkannt oder entwickelt wurden. Die gegenwärtige Situation ist ohne Zweifel aus den historischen Ereignissen entstanden, deren Zeuge die Welt unlängst war, nämlich aus dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime in den Ländern Osteuropas. Sie gibt Anlass, die „traditionelle“ Version der Debatte entlang der Hauptlinien der Argumente, die in diesem Buch dargestellt sind, grundsätzlich neu zu überdenken. Eine sehr bedeutende Rolle in diesem Prozess des Neuüberdenkens spielen nicht nur immer mehr westliche Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch die meisten Gelehrten, die bis zuletzt als die führenden Theoretiker in den sozialistischen Ländern galten. Wenn dieser Forschungstrend im Bereich der Geschichte des wirtschaftlichen Denkens anhält, so hoffen wir, wird bald ein breiter Konsens über die Notwendigkeit erreicht werden, die Einschätzungen und Schlussfolgerungen zu verändern, die bis jetzt die Debatte über die Wirtschaftsrechnung in sozialistischen Ländern beherrscht haben. Wenn dem so ist, dann halten wir es für eine große Ehre und einen Quell der Genugtuung, unser eigenes kleines Sandkorn zur Zerstörung dessen beigetragen zu haben, was schlicht ein weiterer verderblicher, ungerechtfertigter Mythos in der Wirtschaftswissenschaft gewesen ist.

Stichwortverzeichnis A algebraisches oder berechnungstechnisches Argument bei Hayek –, zweitrangige Bedeutung im Vergleich zum epistemologischen  143 – 146 –, seine überflüssige und irrelevante Natur nach Mises  146 „allwissende“ und „allgegenwärtige“ Zwangsagentur  237, 237 Fn. Anarchokapitalismus  48 Fn. Angebots- und Nachfragefunktionen –, Nichtexistenz von  212, 231 – 232 –, Kritik der funktionalen Preis­ theorie  232 Fn. – 233 Fn. Anreiz –, Definition  38 Fn.; –, zwei verschiedene Bedeutungen des Begriffs  239 Arbeiter (als Unternehmer)  37 Arbeitslosigkeit (verborgene) –, unvermeidliche Konsequenz des Sozialismus  69 Arbeitsmarkt –, das Fehlen eines echten Arbeitsmarkts in Langes Modell  205 – 206 Arbeitsteilung  (siehe Wissensteilung) Arbitrage  34 Ausbeutungstheorie  (siehe Mehrwert) B Bayes’ Theorem  19 Bevölkerung –, Unmöglichkeit, dass der Sozialismus eine ansteigende Bevölkerungsmenge erhalten könnte  102 – 103 –, Anstieg als die Ursache und notwendige Bedingung der wirtschaftlichen Entwicklung  42 – 44 Boni- oder Anreizsysteme  180, 218 – 219, 238 – 240 Buchhaltung und Unternehmensreform –, der grundlegende Fehler von  139 Fn. – 140 Fn.;

–, sozialistische Grundlage von  139, 235 – 236 Bürokratie –, Ignoranz in Langes Modell des typischen Verhaltens bürokratischer Agenturen  215 – 219 –, Tendenz zur Überexpansion  73 –, Mises’ Theorie des schädlichen und unvermeidbaren Entstehens von Bürokratie im Sozialismus  216 C Chicago Schule –, Kritik der  246 Fn. – 248 Fn., 250 –, der unbeholfene positivistische Szientismus  265 Fn. Ciencismo  86 Fn. Cientificismo  86 Fn. Computer –, die Entwicklung von und die Unmöglichkeit des Sozialismus  60 – 65; –, Kritik an Langes Theorie der  225 – 226 Computerwissenschaft –, die Entwicklung von und die Unmöglichkeit des Sozialismus  60 – 65 –, Kritik an Langes Theorie der  225 – 226 Computopia  (siehe Planometrik) D Debatte zur Wirtschaftsrechnung im Sozialismus –, Hintergrund und Vorgeschichte  97 – 103 –, Zusammenfassung, 6 –, Konsequenzen für die zukünftige Entwicklung der Volkswirtschafts­ lehre  10 – 13 Demarchie  84 Destruktionismus  257 –, unvermeidliche Folge des Sozialismus  258 Fn. Durbin-Regeln  230 – 231

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Stichwortverzeichnis

Durchschnittskostenregel –, Lerners Kritik an Lange und Durbin  242 E Effizienz und Ethik –, falsche Trennung zwischen  265 Fn. Ethik –, und Sozialismus  13 –, und Effizienz  256 Fn. Erwartungen  18 – 19 F Fehlkoordination und soziale Unordnung –, unvermeidliche Folge des Sozialismus  65 – 69 Finanzbuchhaltung  28 –, Kostenrechnung  28 formelle Gleichheit –, Argument der, von Kapitalismus und Sozialismus  131 – 136 –, Barones Argument  134 – 136 –, die Argumente von Cassel und Lindahl  136, 136 Fn. –, Unmöglichkeit der Eliminierung der Kategorie des Werts  132, 132 Fn. – 133 Fn. –, Unmöglichkeit der Eliminierung der Kategorie des Zins  133, 133 Fn. Funktion unternehmerischen Handelns –, weit gefasste Definition  15 –, Etymologie  15 – 16 –, Alarmiertheit  22 – 23 –, kreative Charakter der  29 –, theologische Digression  30 Fn. –, Allgegenwart  37 –, wesentliches Prinzip  38 –, und Wettbewerb  40 –, und das Konzept des Sozialismus  46 Funktionale Theorie der Preisbestimmung  10 –, Kritik der und Notwendigkeit eines Ersatzes durch eine praxeologische oder sequentielle Theorie  212, 231 – 232, 232 Fn.

G Gegenspekulation –, Lerners Konzept der  245 Fn. Gegenwart –, Mises’ Definition von  34 Fn. Geld  34 –, Definition  36 –, Mengers Theorie zur Entstehung von  36 Fn. –, sein Verschwinden im Gleich­ gewichtsmodell  116 Fn. –, Nichtexistenz realen Geldes in einem sozialistischen System  116 Fn. gerechter Preis  58 Fn. Gerechtigkeit –, die unvermeidliche Korruption unter dem Sozialismus  76 – 79 Geschäftskonsolidierung  121 – 124 Gesellschaft –, Konzept der  45 –, und Markt  45 Fn. Gesetz –, Kritik des Konzepts von Thomas von Aquin  36 Fn. –, Vergesellschaftungsgesetz  44 Fn. –, substantielles  76 Gewerkschaften –, Ausübung systematischen Zwangs und Gewalt  48 Fn. – 49 Fn. Grenzkostenregel –, Mises’ und Hayeks frühe Kritik der  174 – 175, 178 – 179 –, Langes Version und Kritik an ihr  206 – 211 –, Lerners Version und Kritik an ihr  242 – 244 Gödels Theorem  27 Fn. H Hayek –, zweitrangige Bedeutung, die er dem algebraischen oder berechnungs­ technischen Argument im Vergleich zum epistemologischen einräumte  143 – 146; –, seine kritische Referenz zur Farce der Planometrik  163

Stichwortverzeichnis –, sein Konzept von „Ordnung“  66 –, seine Hauptunterscheidung zwischen verstreutem und zentralisiertem Wissen  24 Fn. – 25 Fn., 25 – 26 –, seine Kritik der unbegrenzten Macht in der Demokratie  84 – 85 –, seine Kritik am Konservatismus  86 Fn. I Ignoranz (unvermeidbare) –, der Regierungsbehörde in einem sozialistischen System  59 Immoralität als ein Fehlen von Prinzipien –, typisch für sozialistische Systeme  80 –, Keynes’ Selbstbeschreibung als unmoralisch  80 –, die drei Sinne, nach denen der Sozialismus unmoralisch ist  262 Fn. Industrie oder Sektor –, Unmöglichkeit einer eindeutigen Definition  178 – 179 Ineffizienzen und unternehmerische Fehler  123 Fn. Information  (siehe unternehmerisches Wissen) Informationstransparenz –, Versessenheit der Sozialisten auf  139 Fn., 235 – 236 Institutionelle Aggression –, Theorie der  4  (siehe Zwang) Institutionen –, Definition  35 Fn. –, Mengers Theorie des Entstehens von  35 Fn. intellektuelle Arbeitsteilung  106 Interventionismus  11 – 12 –, als eine Art des Sozialismus  93 – 94 „intrapreneurship“  123 Isonomie  84 Fn. K Kapital und Zins –, subjektive Theorie  13 –, Kritik der Theorie der Kapitalproduktivität  11

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Kapitalgut –, Definition  203 – 204 Kapitalist, als ein Unternehmer  37 Kapitalistisches System –, Unternehmer-, kein Manager­ system  240 Keynes –, seine fehlenden Prinzipien und seine Immoralität  80 Knappheit –, Voraussetzung für menschliche Handlung  17 –, Knappheit als typischer Effekt des Sozialismus  88 –, falscher automatischer Indikator in der Trial-and-Error-Methode  150 – 151 –, chronisches, sich wiederholendes Merkmal eines sozialistischen Systems  150 Konservatismus –, „rechter“ Sozialismus  85 – 86 –, Hayeks Kritik des  86 Konstruktivistischer Rationalismus  87 –, und Sozialmechanik  (siehe Szien­ tismus) Konsument –, als Unternehmer  37 – 38 Konsumgütermarkt –, das Fehlen eines echten in Langes Modell  205 – 206 Koordination und Anpassung  32 –, Wettbewerb  40 –, Kern des sozialen Prozesses  32 – 33 Korruption –, unvermeidliche Folge des Sozialismus  70 – 73 Kosten –, als ein subjektives Konzept  20 kosmos –, natürliche, spontane Ordnung  97 Kreativität  18 –, Essenz der  29 –, definiert von Thomas von Aquin  23 Fn. –, und unternehmerische Funktion (theologische Digression)  29 Fn.

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Stichwortverzeichnis

–, Kreativität versus Maximierung  44 – 45 künstliche Intelligenz  61 Fn., 167 L Lange-Breit-Modell  183 – 185 Lange-Lerner Regel  207 Fn. Langes klassisches Modell –, Kritik von  203 – 219 –, Beschreibung von  200 – 202 –, zwei mögliche Interpretationen von  202 – 203 Langes Regeln  201 – 202 –, Unsinnigkeit von  206 – 211 Lerners Regel  243 M Markt –, Konzept des  45 –, Langes Sicht des Markts als einen Mechanismus des vorelektronischen Zeitalters  225 – 226 –, Kritik dieser Position  226 Fn. Markt und Gewohnheitsrecht –, Parallelität  98 Fn. Marktpreis –, radikal vom parametrischen Preis verschiedenes Konzept  118, 196 – 198 „Marktsozialismus“ –, Maurice H. Dobbs Kritik des  254 – 255 –, Tragikomik  171 Fn. – 172 Fn. –, inhärenter Widerspruch in  248 – 249 Vgl. Wettbewerbslösung Marx –, Sozialismus nach  111 – 116 –, der dynamische und institutionelle Charakter seiner Kritik am Kapita­ lismus  112 –, die Diktatur des Proletariats als die Durchsetzung eines normativen Gleichgewichts  112 –, Marx’ wesentlicher Fehler  113 –, Mises’ Widerlegung von Marx’ Analyse  116 – 118, 124 Fn.

Marxismus –, als Rechtfertigung für ein normatives Gleichgewicht  112 –, als utopischer Sozialismus  113 Mathematik –, Kritik der Benutzung in der Ökonomie  132, 167 – 168, 167 Fn. – 168 Fn., 232 – 233, 232 Fn. – 233 Fn. Mathematische Gleichgewichtsanalyse –, Fehler und von ihr gestiftete Verwirrung  157 Fn., 167 Fn. – 168 Fn. „Mathematische“ Lösung (zum Problem der Wirtschaftsrechnung)  137 – 146 –, Beitrag von Fred M. Taylor  137 – 139 –, Beitrag von H. D. Dickinson  139 – 141 –, Beitrag von Kläre Tisch  141 – 142, 142 Fn. –, nachteilige Konsequenzen für die Debatte  142 – 146 Mathematische Ökonomen –, Fehler von  167 – 168, 167 Fn. – 168 Fn., 232 – 233, 232 Fn. – 233 Fn. Maximierung –, Kritik  121 Mechanismen zur Ressourcenallokation (Theorie der)  (siehe Planometrik) Mehrwert (Theorie des) –, Kritik  114 – 115,124 Fn. menschliche Handlung –, Definition  17 –, und Knappheit  17 –, als letztendlich gegeben  21 –, Grenznutzen und Zeitpräferenz  21 – 22 Mentale Bilder der Zukunft  (siehe Erwartungen) Methode der Wirtschaftswissenschaften  10 –, Kritik des Positivismus  265 – 266, 265 Fn. Mises –, Anfang der Debatte über die Wirtschaftsrechnung  97 – 105 –, wesentliche Beitrag von  105 – 111 –, sein Konzept des Marktpreises  117

Stichwortverzeichnis –, sein Konzept von Wettbewerb  117 –, Evolution und Zusammenfassung seiner Argumente zur Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung  149 Fn. – 150 Fn. –, sein ursprüngliches Argumente gegen die Trial-and-Error-Methode  152 – 153 Mittel –, Definition  17 N Nutzen –, Definition  17 –, Gesetz des Grenznutzens  21 O Öffentliche Güter –, Kritik der statischen Natur der Theorie der  12 Ökonomie –, redundante Definition  17 Fn. –, objektive Natur der  21 Fn. –, Zweck der  45 Fn. –, betrifft spirituelle Realitäten (Ideen und Wissen) und nicht Objekte  108 Fn., 121 Fn. Ökonomische Analyse der Institutionen –, Kritik des statischen Modells  12 Ökonomisches Gleichgewicht  100 – 102 –, irrelevante Natur der Theorie des  109 Ökonomisches Problem –, Definition und Unterscheidung zwischen ökonomischen und technischen oder technologischen Problemen  120 – 121; –, nichttechnische Natur des  44 – 45 Östereichische Schule –, der Hauptbeitrag der, nach Mises  110 –, Inhalt des alternativen Paradigmas  250 –, steigender Einfluss der  251 Fn. –, Konvertierung von Mark Blaug  133 Fn. –, junge Ökonomen  269

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Ordnung –, Konzept der  66 –, spontane  78 – 79 –, hierarchische und Etymologie  78 P Paradox des Planens  18n., 60 Fn., 67 „parametrische Preise“ –, Definition von  186 partielles Gleichgewicht nach Marshall 132 Fn. – 133 Fn., 233 Plan –, Konzept und Arten von  18 Fn. Planung –, zentrale  18 Fn. –, induktive  8 – 9, 18 Fn. Paradox des Planens oder Planungs­ paradox  18 Fn., 60 Fn., 67 Planometrik –, Definition der  155 Fn. –, Ziele der  155 – 159 –, Frustration und Enttäuschung verursacht durch  156 Fn. – 157 Fn. –, Kritik der  160 – 168 Polizentrische und hierarchische Strukturen (M. Polanyi’s Theorie)  209 Fn. Positivismus –, Kritik des  265 – 266 Positivistische Gesetzgebung und Sozialismus –, Parallelität zwischen  98 Fn. Praxeologie  21 Fn., 44 Fn. Preise –, dynamische Theorie der Preisbestimmung  10 – 11 –, Kritik der funktionalen Theorie der Preisbestimmung  232 Fn. Produktionsfunktionen  159, 191 – 195 Propaganda –, Übertreibung der Nutzung in sozialistischen Systemen  73 Pseudo-Wettbewerb  177  (vgl. Wettbewerb: künstlich) Public-Choice-Schule  72 Fn., 85 Fn., 179, 215 – 219

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Stichwortverzeichnis

R Regierung oder Regierungsbehörde –, höhere Ebene in einem sozialistischen System  57 – 60 Recht  34 S Schattenwirtschaft  73 – 74 Serendipity (Spürsinn) –, Definition von  19 Fn. –, Geschichte der Entstehung des Begriffs  19 Fn – 20 Fn. Solidarität –, richtiges und falsches Konzept der  77 Fn. Sozialdemokratie  83 – 85 Soziale „Big Bang“  41 Fn. Soziale Ethik –, die jüngsten Österreichischen Beiträge  262 Fn. Soziale Gerechtigkeit –, Kritik des Konzepts der  77, 77 Fn., 79 Soziale Unordnung  65 – 69 Sozialismus –, Selbstverwaltungssozialismus  8 –, extensive und voluntaristische Natur des  70 –, Arten des Sozialismus  82 – 90 –, als ein intellektueller Fehler  51 – 54 –, als Opium fürs Volk  81 –, traditionelles Konzept des, Kritik  91 – 93 –, idyllisches Verständnis des  94 – 95 –, konservativer oder „rechter“  85 – 86 –, christlicher oder auf Solidarität basierender  90 –, Definition von  4, 47 – 51 –, Effekte von  65 – 81 –, Gildensozialismus (vorgeschlagen von K. Polanyi)  175 –, ethische Unzulässigkeit des  13 –, moralische Perversion, die der Sozialismus schafft  80 –, Prostitution der traditionellen Konzepte von Recht und Gesetz  75 – 79 –, realer  82 – 83

–, das Fehlen ökonomischer, technologischer und kultureller Entwicklung 74 – 75 –, historisches Versagen des  1 –, die Unmöglichkeit vom Standpunkt der Gesellschaft her  54 – 57 –, vom Standpunkt der Regierung aus 57 – 60 –, Theorie der Prävention und Demon­ tage des  13 – 14 –, und Computer  60 – 65 Sozialistische Überexpansion  73 Sozialmechanik  86 – 89 Sozialmechanik und szientistischer Sozialismus  86 – 89, 263 Fn. Spekulation  34 Stalinismus –, Langes Lob des  226 – 227 Statistiken –, der exzessive Gebrauch im Sozialismus  70 Subjektivismus –, Definition  3 Szientismus  86 – 89; –, Definition  86 Fn.; –, positivistischer Szientismus der Chicago Schule  265 Fn. T Tâtonnement  200 – 201 Technik und Wirtschaft, Unterschied zwischen  120 Technologische Revolution  123 Theoretische Unmöglichkeit des Sozialismus –, statisches Argument  54 –, dynamisches Argument  55 – 57 Theorie und Praxis –, falsche Dichotomie zwischen  108 Fn. Transaktionskosten –, Kritik der Theorie der  123 Fn., 247 Fn. – 248 Fn. Trial-and-Error-Methode  147 – 155 –, Beschreibung der  147 – 148 –, Kritik der  148 – 155 –, weitere Fehler von Lange  211 – 214

Stichwortverzeichnis U Überraschung –, Definition von  19 Fn. Unsicherheit –, ihre permanente Natur  18 – 19 –, Arrows Fehler hinsichtlich  235 Fn. 258 Fn. Untergrundwirtschaft  (siehe Schatten­ wirtschaft) Unternehmen –, als ein Synonym für „Handlung“ 15 – 19 –, als eine „Firma“ oder wirtschaftliche Organisationseinheit  123 Fn. unternehmerische Alarmiertheit  22 – 23 unternehmerische Fehler –, Kirzners Konzept der  32 Fn. unternehmerische Gewinn –, Definition  20 –, und Papst Johannes Paul II.  20 Fn. „reine“ unternehmerische Gewinn  29 unternehmerischer Verlust  21 unternehmerisches Wissen –, Charakteristika des  23 – 33 –, subjektive und praktische Natur von  23 –, Beziehung zwischen praktischem und wissenschaftlichem Wissen  23 Fn. – 24 Fn. –, private und zerstreute Natur des  25 –, stillschweigende, nicht artikulierbare Natur des  27 –, Schaffung und Übertragung von  31 – 32 Unverantwortliches Verhalten (typische Folge des Sozialismus) –, Konzept des  69 –, Auswirkungen auf die Umwelt  70 V Verantwortung –, ökonomisches Konzept der  59, 69 Fn. –, Abwesenheit in sozialistischen System von  69 – 70

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verpflichtende Buchhaltungsinformationen –, überflüssige Natur der  139 Fn. – 140 Fn. „voluntaristisch“ –, typische Eigenschaft des Sozialismus  70 W Wahrscheinlichkeit –, Gruppenwahrscheinlichkeit  19 Fn. –, für einen einzigartigen Fall  19 Fn. Wert –, Definition von  17 –, unnötig nach Engels  115 –, wirtschaftliche Kategorie des Sozialismus  124 – 125 Wettbewerb –, künstlich  173 –, Konzept des  40 – 41 –, etymologische Definition  40 Fn. –, Freundlicher Wettbewerb, Heimanns Konzept des  173 –, und Koordination  41 –, und unternehmerische Funktion  40 – 41 (siehe Pseudowettbewerb) „Wettbewerbslösung“ (zum Problem der Wirtschaftsrechnung) –, historische Vorgänger für (E. Heimann und K. Polanyi)  173 – 175 –, frühe Kritik von Mises und Hayek der  176 – 182 –, implizite Anerkennung der Richtigkeit von Mises’ Beitrag  169 – 172 –, Widerspruch  248 – 249 (siehe „Marktsozialismus“) Walras (Modell von) –, Kritik seiner statischen Natur  133 Fn. Walrasianisches Paradigma –, Krise des  132 Fn. – 133 Fn. „Wieselwort“  77 Fn. Wirtschaft und Technik –, Unterschiede zwischen  120 Wirtschaftsrechnung –, allgemeine Definition  26 –, etymologische Definition  33 Fn.

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Stichwortverzeichnis

–, Geld und Wirtschaftsrechnung  36 – 37 –, strikte Definition  37 –, Mises’ Definition  37 Fn. –, Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus  51 – 60 –, „Brücke“ zwischen subjektiver (ordinaler) und objektiver (kardinaler) Welt  104 Fn. – 105 Fn. –, Unmöglichkeit; das algebraische Argument und das epistemologische Argument  110 – 111 –, das praktische Ausreichen der Wirtschaftsrechnung  119 – 120 –, Unmöglichkeit der Wirtschafts­ rechnung in natura  118, 124 – 126 –, Wirtschaftsrechnung in Arbeits­ stunden  126 – 128 –, Wirtschaftsrechnung in Nutzen­ einheiten  128 – 129 Wissenschaftliches Wissen –, die stillschweigende Basis von  24 Fn., 28 Fn.

Wissensteilung  42 – 44 –, Bevölkerungswachstum  42 Wohlfahrtsökonomie  12 –, Fehler der  167 – 168 Z Zeitpräferenz (Gesetz der)  21 – 22 Zeit –, subjektives Konzept der  18 Zinssatz –, seine willkürliche Fixierung im Modell von Lange  214 – 215 Zwang –, Arten, systematischer und unsyste­ matischer  48 –, Definition  47 Fn. –, Folgen von  48 – 51 –, Arten  47 Fn. zwischenmenschliche Austausche –, „Brücke“ zwischen subjektiver (ordinaler) und objektiver (kardinaler) Welt  104 Fn. – 105 Fn.

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