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German Pages 433 Year 2011
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 303
Diskriminierungsschutz und unternehmerische Freiheit Von
Steffen Lieske
Duncker & Humblot · Berlin
STEFFEN LIESKE
Diskriminierungsschutz und unternehmerische Freiheit
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 303
Diskriminierungsschutz und unternehmerische Freiheit
Von
Steffen Lieske
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 von der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover als Dissertation angenommen. Vor ihrer Drucklegung wurde die Dissertation überarbeitet und aktualisiert. Großer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Roland Schwarze, der das Dissertationsvorhaben und das Thema der Arbeit angeregt hat. Herr Prof. Schwarze hat danach die Entstehung der Dissertation begleitet; er hatte dabei jederzeit ein offenes Ohr für meine Fragen, die sich beim Anfertigen der Arbeit zahlreich gestellt haben. Ihm danke ich auch dafür, mich an seinem Lehrstuhl im Bereich des Arbeitsrechts beschäftigt zu haben. Seine großartige Unterstützung empfand ich als vorbildlich. Frau Prof. Dr. Ulrike Wendeling-Schröder danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus gilt meinen Eltern Ulrike und Reinhard Lieske mein herzlicher Dank, da ohne ihre vielfältige Unterstützung diese Dissertation nicht entstanden wäre. Meiner Mutter danke ich besonders für die mühsame Arbeit des Korrekturlesens des Manuskripts und meinem Bruder Christoph für die technische Begleitung der Arbeit. Überdies bedanke ich mich bei meiner Frau Melanie für die Rücksichtnahme und unermüdliche Geduld, die sie in den Jahren bis zur Fertigstellung der Arbeit für mich aufgebracht hat. Schließlich bedanke ich mich bei allen Freunden und Kollegen, die mir in den vergangenen Jahren mit unersetzbarem Rat, hilfreicher Tat und freundschaftlichem Zuspruch zur Seite gestanden und mich auf meinem Weg begleitet haben. Hannover, Februar 2011
Steffen Lieske
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Bisherige Entwicklung des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . 29 C. Neue Tendenzen im Anti-Diskriminierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 D. Die nationale Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 2 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 A. Untersuchungsgegenstand: Beeinträchtigung unternehmerischer Freiheit durch Anti-Diskriminierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 § 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 A. Begriff der unternehmerischen Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Gegenstand der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 43 I. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Freiheit auf internationaler Ebene . 43 1. Anknüpfungspunkte für den Schutz unternehmerischer Freiheit . . . . . . . . . 43 2. Einfluss von Bestimmungen des internationalen Rechts auf das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Europarechtlicher Schutz der unternehmerischen Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Die europäische Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Die Berufsfreiheit im europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Die Berufsfreiheit in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Charta der Grundrechte der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
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Inhaltsverzeichnis d) Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Die Eigentumsfreiheit im europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . 50 4. Die unternehmerische Freiheit im europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . 51 5. Zwischenergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Schutz der unternehmerischen Freiheit auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Grundrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 aa) Allgemeine Einordnung der unternehmerischen Freiheit unter die einzelnen Aspekte des Schutzbereichs der Berufsfreiheit . . . . . . . . . 54 (1) Freiheit der Berufswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (2) Freie Wahl des Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (3) Freiheit der Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Konkrete Bestimmung des Schutzgehalts im Hinblick auf unternehmerischen Betätigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (1) Ausgangspunkt: Gewerbefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Einzelne Schutzgegenstände der Berufsausübungsfreiheit . . . . . 56 (3) Insbesondere: Unternehmerische Freiheit als Schutzgegenstand des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Verhältnis zu anderen Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (1) Verhältnis zu Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (2) Verhältnis zu Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (3) Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Allgemein: Das Problem der sog. „Drittwirkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Einfachgesetzliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 IV. Schutz der unternehmerischen Freiheit als arbeitsrechtliches Prinzip . . . . . . . 68 1. Schutz unternehmerischer Freiheit im Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Informationsrecht als Ausprägung von unternehmerischer Freiheit zugunsten eines Fragerechts bei der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Schutz unternehmerischer Freiheit im Bereich des Direktionsrechts . . . . . . 72 4. Schutz unternehmerischer Freiheit im Rahmen des § 8 TzBfG . . . . . . . . . . 73 5. Schutz unternehmerischer Freiheit im kollektiven Arbeitsrecht . . . . . . . . . . 74 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
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V. Die unternehmerische Freiheit im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . 78 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 § 4 Allgemeine Eingriffe in die unternehmerische Betätigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . 82 A. Eingriff in unternehmerische Freiheit auf völkerrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . 82 B. Eingriff in unternehmerische Freiheit auf europäischer Ebene durch europäische Normen und die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 C. Eingriffe in unternehmerische Freiheit auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Eingriffe nach verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundsätzen . 84 II. Eingriffe aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichtenwirkung und des sozialstaatlichen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 § 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze . . . . . . . . . . . . 92 A. Begriffe im Bereich des Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I. Der Begriff der Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Der Diskriminierungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Unmittelbare Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Mittelbare Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Belästigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 IV. Allgemeines Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 V. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit aufgrund von Gleichbehandlung/Nichtdiskriminierung im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz auf internationaler Ebene . . . 101 II. Europäische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Europäisches Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
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Inhaltsverzeichnis 2. Der allgemeine Gleichheitssatz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Sonstige Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Allgemeine Richtlinienwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Die europäischen Anti-Diskriminierungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Richtlinie 2000/78/EG als bloße Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz auf nationaler Ebene . . . . . . . 111 1. Verfassungsrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Einfachgesetzliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Besondere Arbeitgeberpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Beweislastregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Sonstige einfachgesetzliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote und deren Auswirkung auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Ebene des Europäischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Verfassungsrechtliche Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Einfachgesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) §§ 1, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 AGG (§ 611a BGB a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . 136 (1) Milder Maßstab bei mittelbaren Diskriminierungen . . . . . . . . . . 137 (2) Zulässige Ungleichbehandlung im Rahmen von § 8 Abs. 1 AGG 139 bb) §§ 119 Abs. 2, 123 Abs. 1 BGB (Fragerecht des Arbeitgebers) . . . . 150 3. Zwischenergebnis und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
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III. Diskriminierung aufgrund einer (Schwer-)Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Diskriminierungsschutz auf verfassungsrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Einfachgesetzliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) AGG / SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) §§ 119 Abs. 2, 123 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Gesicherte Leitlinien des Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Diskriminierung aufgrund der Rasse und (ethnischen) Herkunft . . . . . . . . . . . 164 1. Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Diskriminierungsschutz auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 V. Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Art. 18 Abs. 1 AEUV (vormals: Art. 12 Abs. 1 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Europäische Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 VI. Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung . . . . . . . . . . 175 1. Diskriminierungsschutz und Kirchenautonomie auf europäischer Ebene . . 175 a) Allgemeine Beeinträchtigung säkularer Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Berücksichtigung der Interessen von Tendenzbetrieben . . . . . . . . . . . . . 177 2. Diskriminierungsschutz und Kirchenautonomie auf nationaler Ebene . . . . . 178 3. Das Interesse säkularer Arbeitgeber an Differenzierungen in der aktuellen Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Das Kopftuch-Urteil des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Rechtliche Bedenken in Bezug auf die ausreichende Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
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Inhaltsverzeichnis b) Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 VII. Diskriminierung aufgrund des Alters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Allgemeiner Rechtfertigungsmaßstab nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG 189 b) Altersspezifisch: Der Maßstab des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG . . . . . . 192 c) Förderungsmaßnahmen (Art. 7 Abs. 1 RL 2000/78/EG) . . . . . . . . . . . . . 196 2. Nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Verfassungsrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Einfachgesetzliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) §§ 119 Abs. 2, 123 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 VIII. Diskriminierung im Bereich der Teilzeit- sowie der befristeten Arbeit . . . . . . 199 1. Das Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) § 4 Abs. 1 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) § 4 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Ausnahmemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Rechtfertigung im Rahmen des § 4 Abs. 1 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Rechtfertigung im Rahmen des § 4 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 IX. Diskriminierungsschutz bei der Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Grundsatz der Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Ausnahmemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 X. Sonstige Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 XI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Einschränkung durch Belastung mit Organisations- und Finanzaufwand . . 210
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2. Einschränkung der freien Marktbetätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Auf Differenzierung/Diskriminierung beruhendes Angebot . . . . . . . . . . 211 b) Auf Diskriminierung beruhende Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 § 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit . . . . . . . . . . . . 213 A. Grundrechtsstandards auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 B. Einschränkbarkeit der unternehmerischen Freiheit nach verfassungsrechtlichen Maßstäben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als maßgebliche Schranken-Schranke . . . . . . . 216 III. Art. 19 Abs. 2 GG – Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit . . . . . . . . . 219 IV. Durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützter Kernbereich unternehmerischer Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Kein (Gleichheits-)Recht auf Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Kein Recht auf Bestandsschutz für den innegehaltenen Arbeitsplatz . . . . . . 221 3. Kein Kontrahierungszwang zu Lasten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . 221 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 § 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit durch Diskriminierungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Die Zwecke des Diskriminierungsschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Diskriminierungskonsens als Anlass zur Positivierung von Anti-Diskriminierungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Diskriminierungsverbote als Herabsetzungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Die Stellung von unternehmerischer Freiheit zu den Zwecken des Diskriminierungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Die Diskriminierungsschere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Nicht diskriminierender Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Diskriminierender Güter- und Dienstleistungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Auf merkmalsnaher Differenzierung beruhende Ausrichtung am Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
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Inhaltsverzeichnis bb) Diskriminierendes Kundenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Daraus resultierende Gefahr für unternehmerisches Handeln . . . . . . . . . . . . 236 3. Ziel der Erhaltung der unternehmerischen (Re-)Aktionsfähigkeit . . . . . . . . 238 a) Anerkennung auf Differenzierung beruhender Angebote . . . . . . . . . . . . 240 b) Differenzierung als praktizierte Pluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Umsetzung der differenzierenden Angebote durch eine stimmige Personalauswahl und corporate-identity-Anweisungen . . . . . . . . . . . . . . 244 4. Berücksichtigung der unternehmerischen Freiheit im Rahmen der Ausnahmetatbestände (Abwägungsmodell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Ausreichender Schutz unternehmerischer Freiheit bei Differenzierungsmöglichkeit aus sachlichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Unzureichender Schutz unternehmerischer Freiheit über die Ausnahmemöglichkeiten für wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 5. Keine Freiheit vor Diskriminierungsverboten im Bereich des Tarifrechts . . 257 6. Erfordernis einer teleologischen Reduktion der Diskriminierungstatbestände 258 7. Vorurteilsfreiheit als objektive Grenze zwischen erlaubter Differenzierung und verbotener Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Ausreichender Schutz unternehmerischer Freiheit für Tendenzunternehmen bei tendenzbezogenen Maßnahmen und für Interessenverbände von Merkmalsträgergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Potentiale unternehmerischer Freiheit bei der Anwendung vorurteilsfreier Benachteiligungen mittels marktbestimmter Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 272 aa) Entscheidende berufliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Merkmalseigenschaft als zentraler Leistungsbestandteil . . . . . . . . . . 273 cc) Unterscheidungen aus sittlichen, therapeutischen, fürsorgerischen oder pädagogischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 dd) Schutzwürdige Sicherheitsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 ee) Merkmalsorientierte Geschäftsausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 ff) Gesetzliche Schutzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 gg) Allgemeine Schlussfolgerungen zur Systematisierung der untersuchten Wechselbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (1) Undurchführbarkeit des Marktangebots bzw. erhebliche Erschwerung bei merkmalsorientiertem Marktauftritt . . . . . . . . . 309
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(2) Vorurteilsfreiheit als objektive Grenze zwischen erlaubter Differenzierung und verbotener Diskriminierung – objektiv-eignungsbezogene Anknüpfung der Unterscheidung als Bewertungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (3) Ausschluss diskriminierender Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . 317 (4) Berücksichtigung der Grenze auch zugunsten des arbeitgeberseitigen Informationsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 c) Bewertung der unternehmerischen Entscheidung nach Darlegungs- und Beweiskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Schlüssiges Unternehmerkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 bb) Darauf beruhendes Personalkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 cc) Konsequente Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 dd) Gerichtlicher Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 8. Diversity management – (Anti-)Diskriminierung als arbeitgeberseitiges Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 9. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens . . . . . . 331 I. Die Problematik des diskriminierenden Kundenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Derzeitiger Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 III. Eigene Stellungnahme – Untersuchung: Zumutbarkeitsgrenze in Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Grundsatz: Vermutung zugunsten der Durchsetzung der Diskriminierungsschutzwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 a) Diskriminierungsverbote als legitimes Mittel zur Bekämpfung diskriminierender Behandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Geeignetheit und Erforderlichkeit allgemeiner Folgen von Diskriminierungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 aa) Geeignetheit der Diskriminierungsschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . 338 bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 c) Ergebnis: Unerheblichkeit allgemeiner Belastungswirkungen . . . . . . . . 340 2. Überwiegender Schutz unternehmerischer Freiheit im Einzelfall – Erfordernis der Berücksichtigung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit bei diskriminierendem Kundenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 a) Das Erfordernis der Berücksichtigung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit nach allgemeinen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . 345
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Inhaltsverzeichnis b) Konkretisierung des Erfordernisses in Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens durch § 12 Abs. 4 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 aa) Marktgebundenheit des Arbeitgeberhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 bb) Anerkennung unternehmerischer Risikotragung . . . . . . . . . . . . . . . . 348 cc) Fehlende Beherrschbarkeit von Diskriminierungen durch Drittverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 dd) § 12 Abs. 4 AGG als einfachgesetzliche Ausprägung der Zumutbarkeitsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 3. Schonender Ausgleich als Lösungsansatz – Unzumutbarkeit als Belastungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 a) Schonender Ausgleich auf der Ebene des deutschen Verfassungsrechts . 362 b) Schonender Ausgleich auch zwischen dem Schutzgut der unternehmerischen Freiheit und europäischem (Anti-Diskriminierungs-)Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 aa) Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit durch europäische Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 bb) Verstärkung der Beschränkungswirkung durch die EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 cc) Einfluss der unternehmerischen Freiheit auf europäisches Anti-Diskriminierungsrecht – fehlende Ausgleichswirkung des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (1) Allgemein: Berücksichtigung deutscher Grundrechte im europäischen Recht – Vorrang von europäischen Bestimmungen vor den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (2) Konkret: Schutzwirkung des Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber europäischen Anti-Diskriminierungsvorgaben . . . . . . . . . . . . . . 367 dd) Notwendiger Ausgleich auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (1) Problem: Mangelhafter, ineffektiver Schutz der unternehmerischen Freiheit auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . 368 (2) Strukturgleicher Schutz unternehmerischer Betätigungsfreiheit auch auf Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 (3) Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch auf Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 ee) Ergebnis: Schonender Ausgleich auch im europäischen Anti-Diskriminierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
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4. Umsetzung des schonenden Ausgleichs im Bereich diskriminierenden Drittverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 a) Adressat der Verpflichtung, für einen schonenden Ausgleich zu sorgen . 373 aa) Der Gesetzgeber als Freiheitsgarant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 bb) Der Richter als Garant für die Berücksichtigung der Freiheitsgarantie 375 b) Rechtsdogmatische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 c) Grenzen des Diskriminierungsschutzes in den Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 d) Lösungsvorschlag: Erhebliche Schädlichkeit als objektive Zumutbarkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 e) Möglichkeiten des Arbeitgebers, den Schädigungsnachweis zu führen . . 386 f) Grenzen der freien Arbeitgeberentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 § 8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 § 9 Zusammenfassung/Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
Abkürzungsverzeichnis a. a. A. AAG a.a.O. abgedr. ABl. abl. Abs. abw. ACP ADA ADEA ADG ADG-E a. E. AE a. F. AfP AGB AGG AiB AK AktG ALG allg. amerik. AMRErkl Anm. AöR AP APS AR arbeitgeber ArbG ArbGG AR-Blattei ArbPlSchG ArbRB ArbR-Hdb. ArbSchG ArbuR
auch andere Ansicht Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen am angegebenen Ort abgedruckt Arbeitsblatt ablehnend Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Americans with Disabilities Act of 1990 Age Discrimination in Employment Act of 1967 Antidiskriminierungsgesetz Antidiskriminierungsgesetz-Entwurf am Ende Arbeitsrechtliche Entscheidungen alte Fassung Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingung Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Alternativkommentar Aktiengesetz Arbeitslosengeld allgemein amerikanisch Allgemeine (UN) Menschenrechtserklärung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Ascheid/Preis/Schmidt (Kommentar) Arbeitsrecht Der Arbeitgeber (Zeitschrift) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechts-Blattei Arbeitsplatzschutzgesetz Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Arbeitsrecht-Handbuch Arbeitsschutzgesetz Arbeit und Recht (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis ArbVG Arg. (e) ARS Art. ASG AuA AufenthG Aufl. AÜG AuR ausdr. ausf. Ausn. ausnw. ausr. Az. BABl. BAG BAGE BAT BB BbergG BBiG Bd. BDA BDI BDSG BEEG Begr. Beil. bes. BeschFG BeschSchG best. BetrAVG BetrVG BFH BFOQ BGB BGBl. BGH BGHZ BGleiG BK Bl.
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Arbeitsvertragsgesetz Argument (aus) Arbeitsrechtssammlung Artikel Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Auflage Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausdrücklich ausführlich Ausnahme ausnahmsweise ausreichend Aktenzeichen Bundesarbeitsblatt Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundes-Angestelltentarifvertrag Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesberggesetz Berufsbildungsgesetz Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie Bundesdatenschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Begründung Beilage besonders Beschäftigungsförderungsgesetz Beschäftigtenschutzgesetz bestimmt Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof bona fide occupational qualification Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes Bonner Kommentar Blätter
20 BlStSozArbR BPersVG BR BRD BSG Bsp. bspw. BT BUrlG BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. Calif. CDU CERD C.F.R. Cir. CSU DAV DB Denkschr. ders. d. h. dies. DiskE djb DJT DÖV Dr. DRiZ DSB dt. DVBl. E E-AVG EEOC EG Einl. EMRK endg. entspr. EnWG ErfK Erg. ESC
Abkürzungsverzeichnis Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Bundespersonalvertretungsgesetz Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Bundessozialgericht Beispiel beispielsweise Bundestag Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise California Christlich Demokratische Union Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung Code of Federal Regulations Circuit Christlich Soziale Union Deutscher Anwaltverein Der Betrieb (Zeitschrift) Denkschrift derselbe das heißt dieselbe(n) Diskussionsentwurf Deutscher Juristinnenbund Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Datenschutzberater (Zeitschrift) deutsch Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Entwurf Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches – Allgemeines Arbeitsvertragsrecht Equal Employment Opportunity Commission Europäische Gemeinschaft / Europäischer Gemeinschaftsvertrag Einleitung Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten endgültig entsprechend Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung Erfurter Kommentar Ergebnis Europäische Sozialcharta
Abkürzungsverzeichnis etc. EU EuGH EuGHMR EuGRZ EuR europ. EuZW ev. EVerfE evtl. EWG EWiR EWS EzA F. f. FA FAZ FDP ff. Fn. FS F. Supp. FTD G GA GAP GdB gem. gen. GewO GG ggf. Ggs. ggü. GK GmbH GOBT GRCh grdl. Grds. grds. GrK GrO GroßK GS Gs.
et cetera Europäische Union / Europäischer Unionsvertrag Europäischer Gerichtshof Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht europäisch Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) evangelisch Europäischer Verfassungsentwurf eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungen zum Arbeitsrecht Federal Reporter folgende Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei fortfolgende Fußnote Festschrift Federal Supplement Financial Times Deutschland Gesetz Generalanwalt Gemeinsame Agrarpolitik Grad der Behinderung gemäß genannt Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gegensatz gegenüber Gemeinschaftskommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags Charta der Grundrechte der Europäischen Union grundlegend Grundsatz grundsätzlich Große Kammer Grundordnung Großkommentar Großer Senat Gedächtnisschrift
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22 GSC GWB h. A. Habil.-Schr. HAZ HdbEurAR HdbStR HdbVerfR hess. HFR HGB Hinw. HIV h. L. h. Lit. h. M. Hrsg. Hs. HWK IAO i. d. F. i. d. R. i. d. S. i. Erg. ILO insb. insg. INSM InsO IÖD IPbürgR IPwirtR i. R. i. S. i. Ü. i. V. m. i. w. S. JA jew. JR jur. Jura JuS JZ Kap. KassHdb kath. KG
Abkürzungsverzeichnis Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Ansicht Habilitationsschrift Hannoversche Allgemeine Zeitung Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts Handbuch des Staatsrechts Handbuch des Verfassungsrechts hessisch Humboldt Forum Recht Handelsgesetzbuch Hinweis Humanes Immundefizienz-Virus herrschende Lehre herrschende Literatur herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Henssler/Willemsen/Kalb (Kommentar) UNO-Sonderorganisation für Internationale Arbeitsorganisation in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis International Labour Organization insbesondere insgesamt Initiative neue Soziale Marktwirtschaft Insolvenzordnung Informationsdienst Öffentliches Dienstrecht UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte Internationaler Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte im Rahmen im Sinne im Übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) jeweils Juristische Rundschau (Zeitschrift) juristisch Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Zeitung (Zeitschrift) Kapitel Kasseler Handbuch katholisch Kammergericht
Abkürzungsverzeichnis KJ KMU KR krit. KSchG LAG LAGE L.Ed.2d LpartG L. Rev. LRH LS LuftVG m. MAH m. a. W. MDR MedR Mich. MitbestG MTV MüKo MünchHdbAR MuSchG m. w. N. Nachw. NachwG NJW Nr. NRW nv NVwZ NZA o. obj. o. g. OLG OVG PBefG PersR PflR PflVG PWW RAG RAGE RdA RegE regelm.
Kritische Justiz (Zeitschrift) kleine und mittlere Unternehmen Kündigungsrecht kritisch Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte LawyersÏs Edition 2nd Series Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Law Review Leibholz/Rinck/Hesselberger (Kommentar) Leitsatz Luftverkehrsgesetz mit Münchener Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Medizinrecht (Zeitschrift) Michigan Mitbestimmungsgesetz Manteltarifvertrag Münchener Kommentar Münchner Handbuch des Arbeitsrechts Mutterschutzgesetz mit weiteren Nachweisen Nachweis Nachweisgesetz Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Nordrhein-Westfalen nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift) oder objektiv oben genannt Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Personenbeförderungsgesetz Der Personalrat (Zeitschrift) Pflegerecht (Zeitschrift) Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter Prütting/Wegen/Weinreich (Kommentar) Reichsarbeitsgericht Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit (Zeitschrift) Regierungsentwurf regelmäßig
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24 RG RGZ RL Rn. RR Rs. Rspr. RV-B RV-TzA s. S. SAE sbM SchwbAV S.Ct. sec. SGB Slg. SPD SprAuG stellv. StGB StPO st. Rspr. tats. T. d. L. teilw. TKG TVG TvÖD TzBfG u. u. a. u. ä. umstr. UN UNESCO U.S. USA U.S.C. U.S. S.C. usw. u. U. v. v. a. VAG Verf. VersR
Abkürzungsverzeichnis Reichsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Reichsgerichts Richtlinie Randnummer Rechtsprechungs-Report Rechtssache Rechtsprechung Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit siehe Seite Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) schwerbehinderter Mensch Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung Surpreme Court Reporter section Sozialgesetzbuch Sammlung Sozialdemokratische Partei Deutschlands Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten stellvertretend Strafgesetzbuch Strafprozessordnung ständige Rechtsprechung tatsächlich Teil der Lehre teilweise Telekommunikationsgesetz Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Teilzeit- und Befristungsgesetz unten unter anderem und ähnliches umstritten United Nations United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United States (Reports) United States of America United States Code United States Supreme Court und so weiter unter Umständen von vor allem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen Verfahren Versicherungsrecht (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis vgl. Vorb. vs. VVDStRL VVG weibl. wg. WHO WM WRV WSA WTO z. B. ZESAR ZEuP ZEuS ZfA ZGR ZGS ZHR ZIP zit. z. N. ZP ZPO ZRP Zshg. z. T. ZTR zust. zw. z. Zt.
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vergleiche Vorbemerkung versus Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Zeitschrift) Gesetz über den Versicherungsvertrag weiblich wegen World Health Organisation Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss World Trade Organisation zum Beispiel Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für europäisches Privatrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für europarechtliche Studien (Zeitschrift) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Zeitschrift) zitiert zum Nachteil Zusatzprotokoll Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) Zusammenhang zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht (Zeitschrift) zustimmend zwischen zur Zeit
X Vgl. im Übrigen: Garner, BlackÏs Law Dictionary; Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache
§ 1 Einleitung Eine Verfassung von der größten menschlichen Freiheit nach Gesetzen, welche machen, dass jedes Freiheit mit der anderen ihrer zusammen bestehen kann.1
Die Respektierung von Menschenwürde, Persönlichkeitsentfaltung und Rechtsgleichheit gehört zu den unveräußerlichen und unentziehbaren Menschenrechten.2 Es gehört daher zum Grund-, weil Gründungskonsens der Bundesrepublik Deutschland, allen Menschen – ohne Ansehen der Person – die elementaren Menschen- und Freiheitsrechte zu gewähren und zu gewährleisten.3 Diesen Grundsätzen entspringen im heutigen internationalen, europäischen und deutschen Arbeitsrecht Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung als zentrale Grundanliegen.4 Als Zielbestimmungen des Arbeitsrechts sind diese hehren Grundwerte darauf angewiesen, dass sie von den Parteien des Arbeitsrechts akzeptiert und zur Grundlage jedweder rechtserheblichen Entscheidung gemacht werden. Die Arbeitgeberseite, die staatliche Regulierung in erster Linie als Beschränkung ihrer Wirtschaftsfreiheit begreift, steht dem arbeitnehmerschützenden Anti-Diskriminierungsrecht tendenziell skeptisch gegenüber. Sie befürwortet eher einen liberalen, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung des Einzelnen respektierenden Staat, der nur dort interventionistisch tätig wird, wo dies zur Gewährleistung von Grund- und Menschenrechten zwingend notwendig
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Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Erstes Buchs der transscendentalen Dialektik Erster Abschnitt. Von den Ideen überhaupt, B 373 (s. unter Kant, Werke, Bd. 2, 6. Aufl., Darmstadt 2005 o. unter http://textei.com/kant/krv/). 2 Stern, Staatsrecht III/1, § 62 Abs. 1 Satz 2. s. a. die Präambel sowie Art. I-2 des Entwurfs einer Europäischen Verfassung (EVerfE). Art. 1 Allgemeine (UN) Menschenrechtserklärung v. 10. 12. 1948 (AMRErkl): „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“. 3 Eichenhofer, DVBl 2004, S. 1078 (1081). Zum Gebot der Rechtsgleichheit als Ausgangspunkt des Diskriminierungsschutzes vgl. Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 345 f. Vgl. a. Art. 1 der Virginia Bill of Rights v. 1776, wonach alle Menschen von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig sind und bestimmte angeborene Rechte besitzen, wobei sich die Gleichheitsgarantie freilich noch auf weiße Männer beschränkte (s. Kälin/ Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 5 f.). 4 Vgl. Art. 1 Nr. 3 der UN-Charta v. 26. 06. 1945 (umgesetzt durch das Gesetz v. 06. 06. 1973 (BGBl. 1973 II S. 430, 505; 1974 II S. 769; 1980 II S. 1252) sowie die Präambel und Art. 1, 2 und 7 AMRErkl. Vgl. a. Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) v. 04. 11. 1950 (umgesetzt durch Gesetz v. 07. 08. 1952 [BGBl. II S. 685 (690 f.), 953]). Die Grundsätzlichkeit der genannten Werte betonen z. B. Hanau, in: Gs. Kahn-Freund (1980), S. 457 (457); Wiedemann, Die Gleichbehandlung im Arbeitsrecht, 2001, S. 3. Grdl. für die Anerkennung im U.S.-amerik. Recht: U.S. S.C. Brown vs. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954); 349 U.S. 294 (1955) (jew. zum Verbot der Rassendiskriminierung).
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erscheint.5 Dieses Erfordernis wird gerade im Hinblick auf das sich ausweitende Recht der Gleichbehandlung wiederkehrend in Frage gestellt.6 Unternehmer sehen sich in ihrer ihrem Wirken zugrunde liegenden Entscheidungsfreiheit bedroht; auf der anderen Seite beklagen die Fürsprecher des Diskriminierungsschutzziels die offene Ablehnung seitens der Arbeitgeber und fordern eine strengere Ausgestaltung und Handhabung des Schutzrechts.7 Ein Ausgleich zwischen Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit, der den hohen Stellenwert beider Rechtsgüter anerkennt, könnte dazu beitragen, dass Unternehmer der Idee des Anti-Diskriminierungsrechts offener, bestenfalls positiv gegenüberstehen; dies könnte letztendlich dem Grundanliegen des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes – nämlich dem Ausschluss sachfremder, ungerechter Unternehmerentscheidungen zum Nachteil bestimmter Merkmalsträger, um deren bessere Integration in das Arbeitsleben zu erreichen – zur wirksameren Durchsetzung verhelfen.
A. Anlass der Untersuchung Der Anlass dieser Arbeit entsprang zum einen aus einer im Kopftuch-Urteil des BAG vom 10. 10. 20028 greifbaren Tendenz in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, dem Diskriminierungsschutz im deutschen Arbeitsrecht zunehmend andere dort beachtenswerten Schutzgüter – insbesondere den Schutz der unternehmerischen Freiheit – unterzuordnen, zum anderen aus europäischen Anstößen zur Erweiterung 5
Vgl. zur Kritik der Arbeitgeberverbände am AGG: Stellungnahme des BDA v. 14. 06. 2006; Statements des Arbeitgeberpräsidenten Hundt v. 14. 06. 2006 („Unfug“), v. 01. 06. 2006 („eklatanter Eingriff in die Vertragsfreiheit“); BDA-Newsletter Nr. 14 v. 14. 05. 2006, alle abrufbar unter http://www.bda-online.de; BDI-Stellungnahme v. 01. 06. 2006, abrufbar unter www.bdi-online.de; „Arbeitgeber verunsichert“, HAZ Nr. 162 v. 14. 07. 2006, S. 2. So auch die Vertreter eines liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsverständnisses wie Adomeit (vgl. etwa NJW 2003, S. 1162 f.); Picker (in: Recht und Freiheit, 2003, S. 25 (25 ff.)); Säcker (ZRP 2002, S. 286 ff.); aus ökonomischer Sicht grdl. Locke, 2nd Treatise of Governement, V, §§ 27, 37, 45, 51; Smith, The Theory of Moral Sentiments, in: ders., The Works, Reprint of the Edition (London & Edinburgh 1811, 1812) in fife Volumes, 1963, S. 219, 283 ff. (insb. dessen „Prinzip der Nächstbetroffenheit“); zur neoliberal geprägten „Chicagoer Schule“ vgl. Friedman, Kapitalismus und Freiheit (1962, 2002), S. 30 ff., 109 ff., 227 ff.; Friedman/Friedman, Free to Choose. A personal statement. (1980), S. 5 ff., 292 (hierzu Pies/Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 15 ff.; Suchanek, in: Pies/Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 105 ff.; Zintl, in: Pies/Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 143 ff.); Knight, Journal of Political Economy 1967, S. 782 (787); vgl. a. Becker, Die soziale Frage im Neoliberalismus, 1965, S. 35 ff., 95 ff.; allg. Hahn, Marktwirtschaft und Sozialromantik, 1993, S. 1 ff. Vgl. speziell die scharfe Kritik am Diskriminierungsschutz v. Friedman (in: Kapitalismus und Freiheit (1962, 2002), S. 140. 6 Speziell zur Kritik an den Entwürfen für ein dt. Anti-Diskriminierungsgesetz und am AGG s. u. unter § 1 C., D. 7 Vgl. stellv. Baer, ZRP 2002, S. 290 (290 ff.). 8 Az.: 2 AZR 472/01 – BAG NZA 2003, S. 483 ff. = AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung – näher dazu u. unter § 5 C. VI. 3. a).
B. Bisherige Entwicklung des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes
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des Anti-Diskriminierungsrechts.9 Aktuell wirft das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) die Frage auf, wie bei seiner Anwendung der verfassungsrechtlich geschützten Privatautonomie des Unternehmers ausreichend Rechnung getragen werden kann, ohne den notwendigen Diskriminierungsschutz zu vernachlässigen.
B. Bisherige Entwicklung des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes Zu Beginn der Installierung eines arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Diskriminierungsschutzrechts in Deutschland haben hauptsächlich die Wirkungen des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots Bedeutung erlangt.10 Das Arbeitsrecht gewährte nur vorsichtig und in beschränktem Umfang direkt wirkende Benachteiligungsverbote.11 Auch die arbeitsrechtliche Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft war im Diskriminierungsrecht lange Zeit begrenzt auf die Verhinderung von ungerechtfertigten Zurücksetzungen wegen des Geschlechts.12 Nunmehr gewinnt das Anti-Diskriminierungsrecht zunehmend Bedeutung – besonders in verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechts; hier ist es durch die einschlägige Rechtsprechung des EuGH und (nachfolgend) des BAG, durch das Europarecht und durch diverse Maßnahmen des Bundesgesetzgebers zunehmend verstärkt worden.13 Durch das europarechtlich veranlasste AGG, durch das der Bürger gegenüber seinen Mitbürgern zur Gleichbehandlung verpflichtet werden soll, wurde dem bisher anerkannten Diskriminierungsschutzrechts eine Art „Schlussstein“ hinzugefügt.14
C. Neue Tendenzen im Anti-Diskriminierungsrecht Ein zentraler Ansatzpunkt des Anti-Diskriminierungsrechts wurde mit dem Amsterdamer Vertrag vom 02. 10. 1997 geschaffen.15 Nach dem in den EG-Vertrag (EG) 9
Zur allg. Entwicklung vgl. insb. Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 3 ff. Dies gilt sowohl für die Überprüfung gesetzlicher Regelungen im Bereich des Arbeitsrechts als auch für Anwendung und Auslegung des Arbeitsrechts anhand grundgesetzlicher Gleichheitsvorschriften (zur Wirkung des Art. 3 GG auf das dt. Arbeitsrecht vgl. u. unter § 5 B. III. 1.). Prominentes Beispiel ist der allg. arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. u. unter § 5 A. IV., B. III. 1.). 11 Zur zögerlichen Entwicklung eines Verbots der geschlechtsbedingten Diskriminierung in Deutschland vgl. u. unter § 5 C. I. 12 Wiedemann/Thüsing, NZA 2002, S. 1234 (1235). 13 Zu den einzelnen Bausteinen des Diskriminierungsschutzrechts vgl. u. Kap. § 5. 14 So Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (163). 15 Am 01. 05. 1999 in Kraft getreten (ABl. EG C 340/1, 173 ff.; BGBl. II (1998), S. 386; (1999), S. 296). 10
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aufgenommenen Art. 13 – heute: Art. 19 AEUV16 – konnte der Europäische Rat geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.17 Bekräftigt wurden diese sowie einige weitere Diskriminierungsverbote in Art. 21 der am 07. 12. 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh).18 Nachdem Art. 13 EG als wirksame Grundlagennorm Eingang in das europäische Primärrecht gefunden hatte, wurde von der Europäischen Kommission am 25. 11. 1999 sogleich hierzu und zur Konkretisierung des Art. 21 GRCh ein Maßnahmenbündel zur Bekämpfung von Diskriminierungen vorgelegt,19 auf dessen Grundlage der Europäische Rat die neue Kompetenz (Art. 19 AEUV als Anknüpfungspunkt und vor allem Rechtsgrundlage)20 wahrnahm; ab dem Jahr 2000 erließ er mehrere Richtlinien, die die Beseitigung bzw. Verringerung von Diskriminierung in Europa unter Anknüpfung an verschiedene, in Art. 19 AEUV genannte Anknüpfungsmerkmale zum Ziel haben.21 Die Richtlinien dienen der Schaffung eines europaweiten 16 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon v. 17. 12. 2007 (ABl. 2007 C 306/1 ff.); vgl. hierzu insb. BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 ff. 17 Zum neuen Art. 19 AEUV s. u. unter § 5 B. II. 1.; vgl. a. Eichenhofer, DVBl 2004, S. 1078 (1080); ders., NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 26 (31). 18 ABl. EG C 364, S. 1; s. hierzu u. unter § 3 C. II. 2. c). Nach dem Vertrag von Lissabon (ABl. Nr. C 306/10, BGBl. 2008 II S. 1038) ist seit dem 01. 12. 2009 die Charta der Grundrechte der EU Teil des Europäischen Primärrechts (vgl. BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (998)). 19 Eine Übersicht über die zahlreichen Aktivitäten der Organe der EU zur Bekämpfung von Diskriminierung findet sich im Anhang II bei der Mitteilung der Kommission über bestimmte Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen, KOM (1999) 564 endg., S. 1 (17 ff.), 566 endg., S. 1 (14 ff.); KOM (1995), 653 endg. Vgl. a. den Beschluss des Rates v. 27. 11. 2000 über ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung von Diskriminierungen [2001 – 2006], ABl. EG Nr. L 303/23; und v. 20. 12. 2000 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft betreffen die Gemeinschaftsstrategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern, ABl. EG 2001 Nr. L 17/22. s. a. KOM (2000) 334 endg. zur Anpassung der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EG an die neuen Erfordernisse; die Gemeinschaftsinitiative EQUAL (Mai 2000), die eine Zusammenarbeit bei der Förderung neuer Methoden zur Bekämpfung von Diskriminierungen jeglicher Art im Zshg. mit dem Arbeitsmarkt vorsieht (ABl. EG Nr. C 172/2); ABl. EG L 335/15 v. 19. 12. 2001; BT-Dr. 15/4575, S. 15; den zukünftigen Fahrplan der Kommission für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006 – 2010 KOM (2006) 92 endg. v. 01. 03. 2006; KOM (2006) 108 endg. v. 13. 03. 2006; Entschließung des Rates der EU v. 05. 12. 2007 – C 308/01 – zu den Folgemaßnahmen zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle (2007); ABl. C 257 v. 09. 10. 2008, S. 6; ABl. EG C 318 v. 23. 12. 2006, S. 173; ABl. EG L 403 v. 30. 12. 2006, S. 9 ff., 61. 20 Eine Kompetenz-Kompetenz steht der EG nicht vor; unverändert gilt das Prinzip der abgeleiteten Einzelermächtigung (vgl. Art. 1, 2 AEUV, Kap. E EU; hierzu Scholz, in: Maunz/ Dürig, Art. 23 GG, Rn. 11). 21 „Richtlinie zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“ = RL 2000/43/EG des Rates v. 29. 06. 2000 (ABl. EG Nr. L 180, S. 22); auch Anti-Rassismusrichtlinie genannt; „Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ (entspr.
D. Die nationale Umsetzung
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Anti-Diskriminierungsstandards in weiten Bereichen sowohl europäischer als auch nationaler, d. h. mitgliedstaatlicher Rechtssetzung. Anlässlich der Gemeinschaftsvorgaben war es mithin Aufgabe des nationalen Gesetzgebers, die bisherige Rechtsprechung sowie die europäischen Vorgaben zur Verhinderung von Diskriminierung auf eine solide gesetzliche Grundlage zu stellen.22
D. Die nationale Umsetzung Auch wenn es in Deutschland seit langer Zeit Überlegungen zur Schaffung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes gibt,23 wurden diese zwischenzeitlich nicht mehr in nennenswerter Weise artikuliert.24 Der deutsche Gesetzgeber tat sich lange schwer mit der europarechtlich vorgegebenen Ausweitung des Anti-Diskriminierungsrechts.25 Über die konkrete Umsetzung der europäischen Anti-Diskriminierungsrichtlinien wurde heftig gestritten.26 ihrem Art. 1 zur „Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“) = RL 2000/78/EG des Rates v. 27. 11. 2000 (ABl. EG Nr. L 303, S. 16); auch Rahmenrichtlinie genannt; „Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“ = RL 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. 09. 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (ABl. EG Nr. L 39, S. 40; ABl. EG Nr. L 269, S. 15; hierzu ausf.: Rust, NZA 2003, S. 72 (72 ff.)); auch novellierte/revidierte Gleichbehandlungsrichtlinie genannt; „Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“ = RL 2004/113/EG des Rates v. 13. 12. 2004 (ABl. EG Nr. L 373, S. 37), vierte Gleichstellungsrichtlinie genannt. Die Richtlinien orientieren sich v. a. an der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG sowie an der hierzu ergangenen Rspr. des EuGH. Vgl. zu diesem „Anti-Diskriminierungspaket“ insb. Heun, in: Dreier, Art. 3 GG, Rn. 12; Klumpp, NZA 2005, S. 848 (848); Schiek, NZA 2004, S. 873 (873); vgl. nunmehr a. RL 2006/54/EG v. 05. 07. 2006 (ABl. EU L 204, S. 23 ff.). 22 Picker (in: ZfA 2005, S. 167 (168)) spricht insoweit von „euro-kratischer Verordnung“. 23 Vgl. die Diskussion bei Coester-Waltjen, ZRP 1982, S. 217 (217 ff.); Gitter, NJW 1982, S. 1567 (1567 ff.); Hohmann-Dennhardt, ZRP 1979, S. 241 (241 ff.). Vgl. a. Rädler, ZRP 1997, S. 5 (5). 24 So die Feststellung v. Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 3, Rn. 80. 25 Vgl. nur die Kommentare v. Bauer, NZA 2005, S. 1046 (1048); Fiebig, NJW 6/2006, S. VI (VI). Lange bestanden allein für das Geschlecht und (nachfolgend) die Behinderung mit § 611 a BGB (a. F.) bzw. § 81 II SGB IX (a. F.) einfachgesetzliche Diskriminierungsverbote. Die Richtlinien wurden ansonsten zunächst nicht in deutsches Recht umgesetzt, obwohl die verschiedenen Umsetzungsfristen z. T. (erheblich) überschritten wurden. So waren die Umsetzungsfrist der RL 2000/43/EG am 19. 07. 2003 und die der RL 2000/78/EG am 02. 12. 2003 bzw. aufgrund einer Verlängerungsfrist am 05. 10. 2005 abgelaufen. Die Europäische Kommission hatte daher gegen die BRD am 29. 07. 2004 (nach Drohung v. 19. 07. 2004) ein Vertragsverletzungsverfahren wg. Nichtumsetzung der RL 2000/43/EG eingeleitet. Am 28. 04. 2005 verurteilte der EuGH (Az. C-329/04) die BRD wegen Nichtumsetzung der Anti-Diskriminierungs-RL 2000/43/EG. Wegen der Nichtumsetzung der RL 2000/78/EG leitete die
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Bereits 1998 wurden von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zwei Gesetzesentwürfe zum Diskriminierungsschutz in den Bundestag eingebracht,27 welche jedoch nicht weiter verfolgt wurden. Vor Schaffung des AGG, dessen Vorlauf insgesamt drei Legislaturperioden währte, gab es dann drei innerstaatliche Anläufe, die Anti-Diskriminierungsrichtlinien (und nebenbei die speziellen verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebote) in deutsches Recht umzusetzen und die Verletzungen der Gleichheit im Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten zu sanktionieren:28 Kommission gegen die BRD am 03. 02. 2005 ein Vertragsverletzungsverfahren ein – ausgenommen das Diskriminierungsmerkmal „Alter“ (bzgl. Alter und Behinderung wurde gemäß Art. 18 RL 2000/78/EG eine Verlängerung der Umsetzungsfrist bis zum 02. 12. 2006 beantragt); das Verfahren führte zur Verurteilung der BRD durch den EuGH (Az. C 43/05) am 23. 02. 2006. Infolge d. verlorenen Vertragsverletzungsverfahrens drohte die BRD zur Zahlung von Zwangsgeldern verurteilt zu werden (hierzu Klumpp, NZA 2005, S. 848 (848)). Hassel (in: AuA 2006, S. 50 (50)) spricht insg. von „Pannen und Peinlichkeiten“ im Gesetzgebungsverfahren. 26 s. etwa Adomeit, NJW 2003, S. 1162 (1162); Baer, ZRP 2002, S. 290 (290 ff.); Braun, JuS 2002, S. 424 (424 ff.); Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (10), der allerdings eher das Miet- als das Arbeitsrecht betroffen sieht; Fahr, JuS 2002, S. 727 (727); Globig, ZRP 2002, S. 529 (529 f.); Hadeler, NZA 2003, S. 77 (78) („kein Umsetzungsbedarf“); Montag, ZRP 2003, S. 18 (19); Picker, JZ 2002, S. 880 (880 ff.); ders. JZ 2003, S. 540 (540 ff.); ders., ZfA 2005, S. 167 (168 ff.); Preis, NZA 2006, S. 401 (408); Rainer, JuS 2002, S. 726 (726 f.); Säcker, ZRP 2002, S. 286 (286 ff.); Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 ff.; Wolff, AuA 2005, S. 82 (82) („Kulturrevolution“). Grundtenor der ablehnenden Meinungen ist dabei die unzulässige Verquickung von Recht und Moral (vgl. nur Picker, JZ 2003, S. 540 (541), ders., ZfA 2005, S. 167 (168); zur Kritik am „moralischen Impetus“ des AGG vgl. Flohr/Ring, AGG, Einleitung, Rn. 46). Die Kritik entfachte sich zudem an der überschießenden Umsetzung der europ. Vorgaben durch den dt. Gesetzgeber, was sich allerdings vornehmlich über die Vorschriften zum allg. Zivilrecht feststellen lässt (vgl. nur Korell, Jura 2006, S. 1 (1 ff.); MaierReimer, NJW-Editorial Heft 30/05, S. III; ders., NJW 2006, S. 2577 (2577 f.)). Vgl a. die Stellungnahmen des DAV (des Arbeitsrechtsausschusses Nr. 10/2005 v. Jan/2005, Nr. 44/2004 v. Sep/2004, Nr. 11/2004 v. März/2004 (NZA 2004, Heft 7, S. X (X f.)); des Arbeits- und Zivilrechtsausschusses Nr. 25/2006 v. Mai/2006, Nr. 49/2005 v. Okt/2005 (Pressemitteilung v. 17. 06. 2005 (NZA 2005, Heft 10, S. VI (VI ff.)); DAV-Depesche Nr. 25/05 v. 23. 06. 2005); Nr. 22/2005 v. März/2005 (NZA 2005, Heft 8, S. VI (VI ff.)), alle abrufbar unter www.an waltverein/index.html. 27 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung und zur Stärkung von Minderheitenrechten (Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz) v. 20. 01. 1998 (BTDr. 13/9706); Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 GG (Gleichbehandlungsgesetz) v. 09. 03. 1998 (BT-Dr. 13/10081); vgl. nur § 1 Abs. 1 EGleichbehandlungsgesetz; hierzu Reichold/Hahn/Heinrich, NZA 2005, S. 1270 (1273); krit. insb. zur Sanktionsfolge (Einstellungsanspruch) und deren Auswirkung auf die Ehrlichkeit des Arbeitgebers im Prozess: Hergenröder, Anm. zu EuGH v. 22. 04. 1997, JZ 1997, S. 1174 (1176). 28 Nach den Entwürfen für ein Gesetz zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht (Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz) vom Dezember 2001, dem Gesetz zum Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf (Arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz) vom Mai 2004 und dem Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung (Antidiskriminierungsgesetz) vom Dezember 2004 erfolgte mit dem AGG im vierten Anlauf eine Umsetzung der europ. Vorgaben.
D. Die nationale Umsetzung
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– Am 29. 11. 2001 veröffentlichte das Bundesjustizministerium nach einem Eckpunktepapier vom 08. 10. 2001 einen Ministerentwurf für ein Gesetz zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht (Zivilrechtliches Anti-Diskriminierungsgesetz),29 in dem jedoch das Arbeitsrecht gem. § 319a Abs. 2 BGB RegE ausgegrenzt wurde.30 Der Entwurf wurde zwar einerseits als „Magna Charta der Diskriminierungsverbote im Zivilrecht“ gefeiert,31 andererseits aber auch vielseits kritisiert und in seiner Weite als problematisch beschrieben32 – er erledigte sich durch Ablauf der Legislaturperiode und wurde vor den Bundestagswahlen zurückgezogen.33 – Am 06. 05. 2004 veröffentlichte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen Referentenentwurf, der die Richtlinien durch ein einheitliches Artikelgesetz umsetzen sollte, bestehend aus einem Antidiskriminierungsstellengesetz (ADSG), einem arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz (AADG) sowie Neuregelungen im Zivilrecht.34 Am 16. 12. 2004 brachten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Anlehnung an den am 06. 05. 2004 vorgelegten Entwurf ihren Gesetzesentwurf in den Bundestag ein (Anti-Diskriminierungsgesetz-Entwurf, ADG-E), der z. T. über die Anforderungen der Richtlinien hinausging.35 Am 21. 01. 2005 erfolgte die erste Lesung im Bundestag.36 Das aus 29 Vorläufiger Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht (RegE), abgedruckt in: DB 2002, S. 470 f.; vgl. hierzu Reichold, ZfA 2003, S. 518 (524 ff.); Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (463 ff.). Der Entwurf sah eine Einbindung der Antidiskriminierungsvorschriften in den §§ 319a ff. BGB vor. Zur Kritik am Standort im BGB vgl. Neuner, JZ 2003, S. 57 (66); z. T. a. A. Reichold/Hahn/Heinrich, NZA 2005, S. 1270 (1274). 30 Auch wenn § 319a Abs. 1 Nr. 2 b RegE Verträge nannte, die eine Beschäftigung zum Gegenstand haben (hierzu Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (464) unter Berufung auf die Entwurfsbegründung). 31 So Baer, ZRP 2002, S. 290 (290 f.); zust. Graf von Westphalen, ZGS 2002, S. 283 (289). 32 Vgl. etwa Adomeit, NJW 2002, S. 1622 (1622 f.) („kein Privatrecht mehr“); BergerDelhey, ZTR 2001, S. 162 (164) („Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage“); Braun, JuS 2002, S. 424 (424 ff.) („Deutschland wird wieder totalitär“); Picker, JZ 2002, S. 880 (880 ff.) („Der Anfang vom Ende der Privatautonomie“); ders., JZ 2003, S. 540 (540 ff.) („Regelungsfuror“); Reichold, JZ 2004, S. 384 (388 f.); Säcker, ZRP 2002, S. 286 (286) („Die Tugendrepublik der Jakobiner“). 33 Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (24); Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3441 ff.). 34 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Projektgruppe EuRi) (abrufbar unter http://www.zaar. uni-muenchen.de/fileadmin/ZAAR-Dateien/pdf/antidiskriminierung/adg_refentenentwurf_ 2004_05_06.pdf). Das AADG sowie die zivilrechtlichen Regelungen sollten Benachteiligungsverbote, die Regelung von Sanktionen sowie Verfahrensregelungen beinhalten. Vgl. hierzu Herms/Meinel, DB 2004, S. 2370 (2370 ff.); Stellungnahme des DAV (NZA 2004, Heft 7, S. X (X f.)). 35 BT-Dr 15/4538; zur Kritik vgl. v. a. Fischer, FA 2006, S. 37 (37) („gesetzgeberisches Fiasko des Jahres 2005“); Picker, ZfA 2005, S. 167 (167); Rieble, NZA 2005, Heft 10, S. VIII (VIII f.) („Symbolgesetzgebung ohne materiellen Wert“); Steinau-Steinrück/Schneider/Wag-
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§ 1 Einleitung
vier Artikeln bestehende Umsetzungsgesetz (Artikelgesetz) bezog sich auf die Rechtsbereiche Arbeitsrecht, Beamtenrecht, Richterrecht, Soldatenrecht, Zivilrecht und Sozialrecht, wobei das in Art. 1 enthaltene Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung (sog. „Antidiskriminierungsgesetz“ (ADG) Hauptbestandteil war. Es mündete in das am 17. 06. 2005 im Bundestag in zweiter und dritter Lesung (in der nach den Beratungen im Ausschuss geänderten Fassung der Beschlussempfehlung)37 gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP verabschiedete „Gesetz zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien“.38 Am 08. 07. 2005 rief der Bundesrat mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes „im Sinne einer Beschränkung auf das europarechtlich zwingend Gebotene“ den Vermittlungsausschuss an.39 In seiner Sitzung vom 05. 09. 2005 beschloss dieser, die Beratung über das ADG zu vertagen. Nach dem Grundsatz der Diskontinuität (§ 125 S. 1 GOBT) war das Gesetzgebungsverfahren mit der Neuwahl zum Bundestag am 18. 09. 2005 erledigt.40 – Mit Pressemitteilung vom 04. 05. 2006 stellte das Bundesministerium der Justiz einen Entwurf für ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor.41 Dieser wurde von den Regierungsparteien in der Kabinettssitzung am 10. 05. 2006 gebilligt. Am 17. 05. 2006 leitete die Bundesregierung den Einspruchsgesetzentwurf dem Bundesrat als besonders eilbedürftig gem. Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG zur Stellungnahme zu, der in seiner Sitzung am 16. 06. 2006 eine engere 1:1-Umsetzung
ner, NZA 2005, S. 28 (28 ff.); DAV v. 18. 03. 2005, NZA 2005, Heft 8, S. VI (VI ff.); DAVDenkschr., Okt/2005 (http://www.anwaltverein.de/03/05/index.html); s. a. NZA, Sonderbeil. zu Heft 22/2004; Dietrich, Vorwärts ins Mittelalter, FAZ v. 12. 05. 2006, S. 1. 36 Plenarprotokoll 15/BR-Dr. 103/05.152. Durch Entschließung vom 18. 02. 2005 forderte der Deutsche Bundesrat den Deutschen Bundestag auf, sich bei der Umsetzung der Richtlinien auf das europarechtlich Geforderte zu beschränken und jede darüber hinausgehende Regelung zu unterlassen, die zu einer weitergehenden Einschränkung der Vertragsfreiheit und zusätzlichen Kosten oder unangemessenen Benachteiligungen für die deutsche Wirtschaft im internationalen Rahmen führten (BR-Dr. 103/05). Aufgrund anhaltender Kritik (Anträge der Bundesländer Hamburg und Baden-Württemberg, BR-Dr. 103/05; Antrag der CDU/CSU-Fraktion, das ADG zurückzuziehen, BT-Dr. 15/5019) und einer öffentlichen Gesetzesanhörung (BTDr. 15/4538) legte die Regierungskoalition am 18. 03. 2005 einen revidierten Entwurf für ein ADG vor. 37 BT-Dr. 15/5717. 38 BT-Dr. 15/5915. Gemeinsame Ausschussdrucksache 15 (12) 455 nach der Sachverständigenanhörung im zuständigen Bundestagsausschuss geändert; vgl. hierzu Reichold/Hahn/ Heinrich, NZA 2005, S. 1270 (1273). Eine Synopse AGG – ADG findet sich bei Flohr/Ring, AGG im Anschluss an die Kommentierung. 39 BR-Dr. 445/05. 40 Hierzu Klumpp, NZA 2005, S. 848 (848 ff.). 41 Triebfeder war v. a. die Angst vor drohenden Strafzahlungen an die EU (vgl. Zypries in: HAZ Nr. 133 v. 10. 06. 2006, S. 2). Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatten bereits am 20. 12. 2005 im Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, der weitgehend identisch mit dem Koalitionsentwurf vom Vorjahr war.
D. Die nationale Umsetzung
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der Richtlinie forderte.42 Der Bundestag beriet den Regierungsentwurf in erster Lesung am 20. 06. 200643 und verwies ihn an verschiedene Ausschüsse. Am Abend des 27. 06. 2006 vereinbarte die Regierungskoalition auf maßgebliches Betreiben einiger CDU-Ministerpräsidenten sowie infolge einer deutlichen Kritik des Bundespräsidenten Änderungen im Gesetzentwurf, sodass das Gesetz nunmehr alle Züge eines politischen Kompromisses trägt.44 Der Deutsche Bundestag verabschiedete das AGG in seiner 43. Sitzung am 29. 06. 2006 auf der Grundlage der Beratungsergebnisse im Rechtsausschuss in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen der Großen Koalition und der Grünen.45 Der Bundespräsident zeichnete das Gesetz am 14. 08. 2006 nach einigem Zögern gegen und fertigte es aus. Es wurde am 17. 08. 2006 im Bundesgesetzblatt Nr. 39 verkündet und ist am 18. 08. 2006 in Kraft getreten.46 Auch das AGG hat von Anfang an viel Kritik erfahren.47 Selbst Befürworter der Neuregelung räumen ein, dass es sich um einen massiven Eingriff in die Privatautonomie und damit in einen der Kernbereiche des deutschen Rechtssystems handelt.48 42 BR-Dr. 329/06 = BT-Dr. 16/1780; BT-Dr. 16/1852. Im Arbeitsrecht kritisiert er insb. das Klagerecht des Betriebsrates oder einer Gewerkschaft gem. § 17 Abs. 2 AGG-E, die Beweislastregelung des § 22 AGG-E und eine fehlende deutliche Klarstellung des Verhältnisses zum Kündigungsschutzgesetz. Vgl. d. FAZ Nr. 148/2006, S. 11; HAZ Nr. 133 v. 10. 06. 2006 S. 2. 43 Plenarprotokoll 16/38. 44 BT-Dr. 16/2022; Annuß, BB 2006, S. 1629 (1629); zur zwischenzeitlichen Diskussion vgl. Maier-Reimer, NJW 2006, S. 2577 (2577); HAZ Nr. 132 v. 09. 06. 2006 S. 2, Nr. 107 v. 09. 05. 2006 S. 1, Nr. 108 v. 10. 05. 2006 S. 2. 45 Plenarprotokoll 16/43. Änderungen im arbeitsrechtlichen Teil gegenüber dem RegE: für Kündigungen gelten (nicht mehr nur „vorrangig“ sondern) ausschließlich die Bestimmungen zum allg. und bes. Kündigungsschutz (§ 2 Abs. 4 AGG), vgl. hierzu Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, S. 887 (887 ff.); die Frist zur Geltendmachung eines Anspruchs wurde von 3 auf 2 Monate verkürzt (§ 15 Abs. 4 AGG); die Klagerecht des Betriebsrats und der Gewerkschaften gelten nur in Betrieben, die unter § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG fallen und unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG; die Beweislastregel in § 22 wurde umformuliert. Auch nach den Änderungen vor der Verabschiedung orientiert sich das AGG inhaltlich stark am letzten Entwurf des Anti-Diskriminierungsgesetzes der rot-grünen Bundesregierung („das einzig wesentlich Neue gegenüber dem rot-grünen Gesetzentwurf ist der Name“, so Bauer, NZA 2006, S. 774 (774)). 46 BGBl. I S. 1897. Vgl. hierzu insb. NZA, Beil. zu Heft 16/2006. Das „Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“ als Artikelgesetz regelt in seinem Art. 1 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Hauptbestandteil des Umsetzungsgesetzes, Art. 2 das (eigenständige) Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (SoldGG) und in Art. 3 Folgeänderungen bestehender Gesetze (z. B. des ArbGG, des BetrVG sowie des SoldG). 47 Adomeit, HFR 2008, S. 92 (92); Bauer, NZA 2006, S. 774 (774) („Flickwerk“); Bauer/ Preis/Schunder, NZA 2006, S. 1261 (1261) („gesetzgeberisches Pannenstück erster Güte“); Busch, AiB 2006, S. 467 (467) („offensichtlich illegal“); Dyckmans, zit. in: AuA-Aktuell 2007, S. 4; Richardi, ZfA 2008, S. 31 (32) („gesetzestechnisch völlig missglückt“); Thüsing, NZA 2006, S. 774 (774 f.) („handwerklich schlecht gemacht“, „IKEA-Niveau“); Willemsen/ Schweibert NJW 2006, S. 2583 (2586) (zu den handwerklichen Fehlern); Wulff, zit. in: HAZ Nr. 107 v. 09. 05. 2006 S. 1 („Monstrum“); „überflüssig wie ein Kropf; absurdes Gesetz“ (so die
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§ 1 Einleitung
Kurz nach seinem In-Kraft-Treten erfuhr das AGG trotz des langen Anlaufs erste Änderungen. Durch Art. 8 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes49 wurden u. a. die Rechtfertigungstatbestände für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters in der Sozialauswahl und bei Unkündbarkeitsvereinbarungen der Nr. 6 und 7 des § 10 Satz 3 AGG ersatzlos gestrichen, da § 2 Abs. 4 AGG Kündigungen vom Diskriminierungsverbot generell ausschließt.50 Wegen angeblicher mangelhafter Umsetzung der Richtlinien durch die Bundesrepublik Deutschland hatte die Kommission die ersten Schritte eines Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet.51 Die Rügen der Kommission betrafen u. a. § 2 Abs. 4, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1, § 10 Satz 2 Nr. 4, und § 15 Abs. 1, 3 und 4 sowie § 23 Abs. 1 Satz 2 des Gleichbehandlungsgesetzes. Weitere Änderungen der europäischen Richtlinienregelungen bzw. des AGG wurden angemahnt.52 Die Bundesregierung geht nach derzeitigem Stand davon aus, dass keine Nachbesserungen am AGG notwendig sind.53 Alle Vertragsverletzungsverfahren wurden von der Europäischen Kommission durch Entscheidungen vom 28. 10. 2010 und 24. 11. 2010 eingestellt54. In die Zukunft gerichtete Überlegungen gehen dahin, das arbeitsrechtliche AntiDiskriminierungsrecht in ein Allgemeines Arbeitsvertragsgesetz zu integrieren.55
Kritik der Arbeitgeberverbände, abgedr. in „Arbeitgeber verunsichert“, HAZ Nr. 162 v. 14. 07. 2006, S. 2); vgl. auch Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (14) – „Totenglocke des Privatrechts“; anders Hanau, ZIP 2006, S. 2189 (2189 ff.). 48 Vgl. stellv. Flohr/Ring, AGG, Vorwort, S. 1, Einleitung, Rn. 30, 42, 51; dagegen Schreier, KJ 2007, S. 278 (281 ff.). 49 BT-Dr. 16/1936. 50 BT-Dr. 16/3007, S. 8. Hierzu Bauer/Preis/Schunder, NZA 2006, S. 1261 (1261 ff.). An § 2 Abs. 4 AGG hat der Gesetzgeber festgehalten (krit. hierzu u. a. Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2584, 2586). 51 I. R. zweier Vertragsverletzungsverfahren hat die Europäische Kommission mit Schreiben vom 23. 10. 2007 sowie vom 31. 01. 2008 (abrufbar unter www.lsvd.de/Antidiskriminie rung) Verstöße gegen RL 2000/43/EG und RL 2000/78/EG gerügt (s. hierzu Busch, AiB 2008, S. 184 (184)). 52 Dabei soll in der Regel die Schutzwirkung des Gesetzes erweitert werden, vgl. etwa den Vorschlag der Europäischen Kommission v. 02. 07. 2008 KOM (2008) 426 endg. – 2008/0140 (CNS) zu einer neuen Anti-Diskriminierungsrichtlinie, die die im Arbeitsrecht geltenden Grundsätze im Hinblick auf sämtliche dort genannten Merkmale auf weite Teile des Zivilrechts ausweiten soll; s. a. die Stellungnahme des djb v. 19. 06. 2007 – „Unzureichende Umsetzung der EG-Antidiskriminierungsrichtlinien in Deutschland“, abrufbar unter www.djb.de; WendelingSchröder, PersR 2008, S. 177 (177). 53 BT-Dr. 16/8461 v. 10. 03. 2008. Vgl. hierzu a. Thüsing, RdA 2008, S. 307 (309 f.). 54 Vgl. SAE, Heft 8/2010, S. VI. 55 Vgl. §§ 5 – 10 DiskE ArbVG Henssler/Preis, NZA Beil. Heft 21/2007, S. 6 (8 f.); 23/ 2006, S. 6 (8 f.); vgl. a. unter www.ArbVG.de; Richardi, NZA 2008, S. 1 (5 f.); für eine Aufnahme in das BGB: Löwisch, ZfA 2007, S. 1 (8, 18).
§ 2 Problemstellung A. Untersuchungsgegenstand: Beeinträchtigung unternehmerischer Freiheit durch Anti-Diskriminierungsrecht Bei der Begründung und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bestand bis jetzt – ausgehend vom Grundsatz der Abschlussfreiheit im Vertragsrecht – eine zumindest im Kern gesicherte Gestaltungsbefugnis des Arbeitgebers.1 Mit ihrer Hilfe soll sich ein Unternehmen letztlich erfolgreich am Markt positionieren können. Bereits nach den bestehenden Rechtsvorschriften und Rechtsprechungslinien war der Arbeitgeber in bestimmten Bereichen seiner unternehmerischen Freiheit indes eingeschränkt. Im Hinblick auf eine u. U. zunehmende Beschränkung durch die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes infolge der Richtlinienumsetzung wird das neue Anti-Diskriminierungsrecht unterschiedlich bewertet. Stellungnahmen reichen von dem Standpunkt, dass die Umsetzung allzu viele Rechtsstreitigkeiten wohl nicht heraufbeschwören werde,2 bis zur Befürchtung einer massiven Klagewelle aufgrund einer missratenen Gesetzesregelung.3 Zu einer Klageflut ist es nach dem Inkrafttreten des AGG offenbar nicht gekommen.4 Im Arbeitsrecht entstehen Gleichberechtigungsprobleme bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, den Arbeitsbedingungen, bei den Aufstiegschancen, der Kündigung sowie bei der Entlohnung. In allen diesen Stadien und Aspekten des Arbeits1
s. dazu u. unter Kap. C. So etwa Wiedemann, RdA 2005, S. 193 (197); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1499). In diese Richtung auch die Einschätzungen in AuA 2007, S. 22 (22); F.A.Z. v. 21. 01. 2008, Nr. 17/ S. 13 – „Kaum Diskriminierung in der betrieblichen Praxis“. Vgl. aber auch Deinert, AuR 2007, S. 424 (425). 3 Bergmann, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 3, Rn. 19a (insofern „problematisch“); Flohr/ Ring, AGG, § 22, Rn. 503. Zur (befürchteten) Klagewelle vgl. nur Dahl, AuA 2007, S. 40 (40 f.); HAZ v. 11. 11. 2006 S. II/1 („Musterklagen sind in Arbeit“); Maass/Schröder, „Ärger mit dem Gleichbehandlungs-Gesetz“, in: Die Welt v. 03. 07. 2007. s. auch BR-Dr. 16/6316 v. 10. 9. 2007 (Stellungnahme der BReg zur Praxistauglichkeit des AGG), S. 4. 4 Vgl. Berger-Delhey, ZTR 2007, S. 474 (474); Zander, „Viel Wirbel um nichts. Das neue Gesetz ist im Alltag angekommen. Doch Klagen gibt es kaum“, in: Der Tagesspiegel v. 18. 02. 2007; „Köppen zieht positive Bilanz des Gleichbehandlungsgesetzes – Bundesbeauftragte: Klagewelle ist ausgeblieben“, in: Täglicher Anzeiger v. 13. 08. 2007; vgl. a. Pressemitteilung der Antidiskriminierungsstelle v. 16. 08. 2007 – abrufbar unter www.antidiskriminierungsstelle.de; s. andererseits Budras/Schwenn, Kritische Bilanz zum Gleichbehandlungsgesetz, F.A.Z. v. 17. 08. 2007, Nr. 190, S. 13. 2
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§ 2 Problemstellung
verhältnisses können gegenläufige Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen kollidieren. Das neue Anti-Diskriminierungsrecht kann dabei zu einer Verschärfung bereits bestehender Problemlagen führen.5 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Gewährleistung unternehmerischer Freiheit keinem Selbstzweck dient, sondern die Grundlage eines jeden marktwirtschaftlich geprägten Wirtschaftssystems bildet. Infolgedessen verdient jeder Eingriff in den Kernbereich unternehmerischer Betätigung – mehr als die allgemein belastenden Folgewirkungen arbeitnehmerschützender Gesetze im Kosten- und Organisationsbereich – besondere Beachtung. Dieser Kernbereich steht vornehmlich mit der Entscheidung des Unternehmers, sich am Markt, d. h. an Nachfragewünschen, auszurichten und danach sein Angebot zu bestimmen, in Zusammenhang. Dieser elementare Wesenszug unternehmerischer Freiheit gerät mit Diskriminierungsschutzvorschriften mutmaßlich in Konflikt, sofern sich der Unternehmer bei seinem Auftritt nach außen an Kundenwünschen orientiert, welche sich ihrerseits an geschützte Diskriminierungsmerkmale anlehnen.6 Hier stellt sich die Frage, inwieweit ein differenzierender Geschäftsauftritt zur Ausschöpfung von Marktmöglichkeiten in Ansehung der neuen Schutzvorschriften zu gestatten ist. Abgesehen von dieser Problematik der Reichweite zulässiger Differenzierung durch den Marktanbieter ergeben sich Spannungslagen auch aus Richtung der Nachfrageseite, sobald sich der Unternehmer mit eindeutig ungehörigen, weil diskriminierenden und diffamierenden Kundenwünschen konfrontiert sieht, deren Abweisung für ihn mit wirtschaftlichen Schäden verbunden wäre. In den genannten Bereichen ergibt sich mithin generell das Problem, ob und inwieweit der Diskriminierungsschutz das Auftreten des Unternehmens am Markt beeinträchtigt. Dem schließt sich die Frage an, ob und inwieweit das Arbeitsrecht einen Ausgleich bietet bzw. bieten muss, wenn das Interesse des Unternehmers an der ökonomisch erfolgreichen Bedienung von Nachfragewünschen durch Diskriminierungsverbote betroffen wird.
5 Abschlussfreiheit als „gefährdetes Prinzip“ (vgl. schon Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (19 ff.); a. A. Baer, ZRP 2002, S. 290 (290)). 6 Möchte der Unternehmer diese Nachfragewünsche bedienen und sein Angebot hieran ausrichten, sieht er sich potenziell den Beschränkungen durch die arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbote ausgesetzt.
B. Gang und Ziel der Untersuchung
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B. Gang und Ziel der Untersuchung Es sollen Ansätze für einen schonenden Ausgleich zwischen Diskriminierungsschutzrecht und unternehmerischer Freiheit erarbeitet werden.7 Dabei gliedert sich die Vorgehensweise wie folgt: Zunächst soll festgestellt werden, ob und inwieweit in vorliegendem Zusammenhang tatsächlich Schutzgüter gegeneinander stehen oder ob es sich nicht (wenigstens in einigen Fällen) um eine Scheinkollision handelt. Erforderlich ist dazu zuerst die Sichtung von Anknüpfungspunkten für den rechtlich verankerten Schutz der hier in Frage stehenden Werte auf den einzelnen Normebenen, außerdem die Auslotung und die genaue Bestimmung der Schutzbereiche des in Betracht kommenden Schutzguts, namentlich der unternehmerischen Freiheit (Kap. § 3).8 Hiernach soll untersucht werden, ob und inwieweit in das herausgearbeitete Schutzgut allgemein durch arbeitsrechtliche Normen (Kap. § 4) und speziell durch Diskriminierungsschutznormen (Kap. § 5) eingegriffen wird. Dabei sollen insbesondere alle maßgeblich in Rede stehenden Bereiche des im Arbeitsrecht wirkenden Diskriminierungsschutzes behandelt und besondere Problemlagen hervorgehoben werden (Kap. § 5 C.). Für diese Konfliktfälle bedarf es einer Analyse der Begrenzungsmöglichkeiten unternehmerischer Freiheit. Hierbei ist festzustellen, inwieweit ein Kernbereich rechtlich garantierten Unternehmerschutzes existiert, den es in jedem Fall – auch unter Anwendung der Anti-Diskriminierungsgrundsätze – zu bewahren gilt (Kap. § 6). In diesem Zusammenhang soll untersucht werden, ob die bestehenden Ausnahmebereiche die Möglichkeit dafür bieten, diesen Kern unternehmerischer Freiheit angemessen berücksichtigen zu können, und inwieweit die vorhandenen Einschränkungen der Diskriminierungsverbote zu sachgerechten Lösungen führen können. Als Antwort auf die aufgeworfene Problem- und Kollisionslage soll hiernach ein Lösungsmodell entwickelt werden, das aufzeigt, wie eine möglichst schonende Zuordnung von Diskriminierungsschutzrecht und unternehmerischer Freiheit möglich ist (Kap. § 7). Das unter Kap. § 3 erarbeitete Schutzgut (unternehmerische Freiheit) und die einschränkende Position (Diskriminierungsschutz) werden dazu bewertet und miteinander in Beziehung gesetzt, um zwischen den beiden (z. T. konträren) Belangen einen Ausgleich herbeizuführen. Um die tatsächlichen Kollisionsfälle von unternehmerischer Freiheit mit arbeitsrechtlichem Diskriminierungsschutz festzustellen, soll die objektive Grenze zwischen zulässiger unternehmerischer Betätigung und der Bedienung bloßer Vorurteile und Intoleranzen verortet werden, deren Bekämpfung die Diskriminierungsverbote vornehmlich dienen. So soll eine am Zweck des Diskriminie7
Die Untersuchung hat ausschließlich die Auswirkungen des Anti-Diskriminierungsrechts auf das deutsche Arbeitsrecht, und hier das Recht der privaten Arbeitsverhältnisse zum Gegenstand. 8 In Anlehnung an die übliche Vorgehensweise im Falle (potenzieller) Grundrechtskollisionen (vgl. Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 46 f.; Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 4a, § 84 III 3b a; Schönberger, NJW 2003, S. 249 (252)).
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§ 2 Problemstellung
rungsschutzes orientierte Abgrenzung desselben erarbeitet werden. Alle Erwägungen sollen dabei zielführend auf konkrete Leitlinien für einen schonenden Ausgleich zwischen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und Diskriminierungsverboten unter besonderer Berücksichtigung der neuen Anti-Diskriminierungsgesetzgebung im Arbeitsrecht hinauslaufen. Im Rahmen des Entwurfs einer Ausgleichslösung sollen rechtliche und ökonomische Argumente so miteinander verbunden werden, dass der Interdependenz zwischen Arbeitsrecht und ökonomischen Funktionsbedingungen ausreichend Rechnung getragen ist.
§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit A. Begriff der unternehmerischen Freiheit In Bezug auf die freie unternehmerische Betätigung wird teilweise von der Unternehmerfreiheit, der freien unternehmerischen Entscheidung oder auch der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gesprochen.1 Im Ergebnis geht es jeweils um die rechtlichen Möglichkeiten des Unternehmers, seine Vorstellungen von Unternehmenspolitik im Rahmen des Arbeits- und speziell des Mitarbeiterrechts umzusetzen. Vorliegende Überlegungen beziehen sich auf den Unternehmer als Wirtschaftssubjekt einschließlich des persönlich mitarbeitenden Kleinbetriebsinhabers. Für die Untersuchung ist ausschließlich der Unternehmer, der zugleich als Arbeitgeber mit Leitungs- oder Weisungsberechtigung auftritt, interessant, so dass diese Begriffe im folgenden Verlauf synonym verwendet werden.2 Zugleich spielt es auch keine Rolle, ob es sich bei dem Arbeitgeber um eine natürliche oder juristische Person (als Unternehmen) handelt.3
B. Gegenstand der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit Um den hier interessierenden Gegenstand unternehmerischer Freiheit zu erkennen, ist der ökonomische Funktionshorizont des Unternehmers in den Blick zu nehmen. Aus dieser Perspektive ist für den Unternehmer in unserem Wirtschaftssystem
1 Vgl. BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (363); BAG v. 15. 08. 2006 NZA 2007, S. 255 (255 f.); Berkowsky, in: MünchHdbAR, Bd. II, § 138, Rn. 9; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 GG, Rn. 126; Mühlhausen NZA 2007, S. 1264 (1265 ff.). 2 Streng genommen ist es unpräzise, den Begriff des „Arbeitgebers“ mit dem des „Unternehmers“ gleichzusetzen (Richardi, in: MünchHdbAR, Bd. I, § 30, Rn. 5). Ansonsten ist nicht jeder Unternehmer Arbeitgeber, denn für die Tätigkeit des Unternehmers ist keine Voraussetzung, dass zur Arbeitsorganisation des Unternehmens Arbeitnehmer gehören. Vgl. aber a. § 6 Abs. 2 AGG. Die Begriffe „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ drücken nur eine arbeitsvertragliche Stellung aus (Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 19; Vogt, RdA 1984, S. 140 (140 f.)). 3 Von der unternehmerischen Freiheit (bzw. Unternehmerfreiheit) ist jedoch begrifflich die Unternehmensfreiheit zu unterscheiden, bei der es um die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit des Unternehmens als Korporation bzw. juristische Person geht (vgl. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 23, 61; vgl. a. Hueck/Nipperdey Bd. II/2 § 68, S. 1314 f.).
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
vor allem das freie Auftreten am Markt kennzeichnend.4 Dies unterscheidet ihn gerade vom Arbeitnehmer, der sich der freien wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeit begibt und den die Unmöglichkeit eigener Teilnahme am Marktgeschehen kennzeichnet.5 Letztendlich richtet der Unternehmer alle seine Entscheidungen kurzoder langfristig auf „seinen“ Absatzmarkt aus, um seine Marktchancen wahrnehmen und im Wettbewerb bestehen zu können. Die bestehende Wirtschaftsverfassung enthält den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien.6 Zentrales Anliegen unternehmerischen Handelns ist damit die Orientierung an Kundenwünschen, die einen erfolgreichen Marktauftritt gewährleisten soll. Der (Nachfrage-)Markt bestimmt u. a. die Entscheidungen über Investition und Deinvestition im Unternehmen und damit über die Schaffung, Erhaltung oder den Abbau von Arbeitsplätzen.7 Ein weiterer wichtiger Teil des Marktes ist die Beschaffung von Arbeitskräften. Diese Form von notwendigem Außenkontakt besteht auch im Bereich der Kundenakquise. In beiden Bereichen muss der Unternehmer seine Entscheidungen maßgeblich von äußeren Einflüssen und Umständen abhängig machen. Nichts desto trotz ist es eine Konstante jeglichen unternehmerischen Auftretens, dass der Anbieter ein selbstbestimmtes und subjektiv auf den Markt ausgerichtetes (bestenfalls innovatives) Unternehmenskonzept verfolgt, um ein erfolgreiches Auftreten am Markt als oberstes Unternehmensziel zu erreichen. Eine maßgebliche Voraussetzung für die Aufstellung und Durchsetzung eines solchen Konzepts – und damit für ein erfolgreiches Auftreten am Markt – ist die unternehmerische Dispositionsfreiheit. Sie verhilft dem einzelnen Unternehmer dazu, sein Geschäftsmodell verwirklichen zu können. Die freie Entscheidung über Investitionen, Deinvestitionen, Art der Kundenakquise (= konkretes Auftreten am Markt) sowie über Umfang und Ausprägung der Arbeitnehmerbeschäftigung sind somit bestimmende Elemente unternehmerischer Entscheidungsfreiheit. Diese Merkmale sind Grundvoraussetzungen jeglichen unternehmerischen Wirkens. Im Folgenden geht es darum, in welchen Ausprägungen ein rechtlicher Schutz dieser unternehmerischen Freiheit stattfindet. Dabei soll der Fokus darauf gerichtet sein, inwieweit dem Unternehmer rechtlich zugestanden wird, sein Auftreten am Markt – insbesondere mittels einer besonderen Personalauswahl – an Nachfragewünschen auszurichten. 4 Vgl. BAG v. 13. 08. 1980 AP Nr. 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 16 f., 165 ff. Aus ökonomischer Sicht grdl. Friedman, Kapitalismus und Freiheit (1962, 2002), S. 30 ff.; Friedman/Friedman, Free to Choose. A personal statement (1980), S. 5 ff.; Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 3, 1981, S. 107 ff.; vgl. auch Noppeney, Zwischen Chicago-Schule und Ordoliberalismus, 1998, S. 50 f. 5 So Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 128; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966, S. 13, 15. 6 BVerfG v. 08. 02. 1972 BVerfGE 32, S. 311 (317). 7 Dieser Bereich markiert zugleich den Rahmen, in dem Diskriminierungsverbote auf den Unternehmer als Arbeitgeber einwirken.
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C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit Bevor die Möglichkeit besteht, exakte Schutzbereiche zugunsten unternehmerischer Entscheidungsfreiheit abzugrenzen, stellt sich die grundlegende allgemeinere Frage nach rechtlichen Anknüpfungspunkten. Hierauf basierend ist zu ermitteln, inwieweit jeweils ein Schutz unternehmerischer Betätigung umfasst ist und wie effektiv der Schutz zugunsten des einzelnen Unternehmers ausfällt.
I. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Freiheit auf internationaler Ebene 1. Anknüpfungspunkte für den Schutz unternehmerischer Freiheit Elemente der Berufsfreiheit, die in der Regel den Ausgangspunkt für den Schutz unternehmerischer Freiheit darstellt, sind in wichtigen Menschenrechtsgarantien zu finden.8 Auf der Ebene des Völkerrechts gewährleistet zunächst Art. 23 Nr. 1 AMRErkl „free choice of employment“.9 Eine detaillierte Gewährleistung von Berufsfreiheit findet sich in Art. 6, 7 IPwirtR.10 In der EMRK fehlt der Schutz der Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG.11 Insgesamt sind die internationalen Kon8 Vgl. die ausf. Darstellung bei Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 16, Rn. 2 ; Weber, Menschenrechte, Kap. 9, S. 722 ff. (auch zum Schutz der Unternehmerfreiheit in anderen Rechtsordnungen). 9 Im Hinblick auf die genauen materiellen Ausprägungen der Gewährleistung erscheint es aber fraglich, ob ein wie auch immer gearteter Schutz unternehmerischer Freiheit hierüber stattfindet (vgl. Weber, Menschenrechte, Kap. 9, S. 741 ff.). 10 Internationaler Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (Konvention v. 19. 12. 1966; BGBl. II 1973, S. 1570); in Ansehung des Wortlauts ist es jedoch auch hier ungewiß, ob ein Unternehmerschutz über diese Regelungen überhaupt stattfinden soll (ebenso Stern, Staatsrecht III/1, § 62 II 5c). Weiterhin gewähren verschiedene Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation/International Labor Organisation (IAO/ILO) gewisse Berufsrechte; vgl. hierzu Preis, in: ErfK, § 611 BGB, Rn. 201. 11 Bleckmann, Staatsrecht II, § 3, Rn. 32. Allerdings werden verschiedene Aspekte, die nach dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten durch die dort verbürgten Grundrechte der Berufsoder Erwerbsfreiheit geschützt sind, in Ansätzen durch andere Garantien der EMRK erfasst – vgl. näher Grabenwarter, EMRK, § 22, Rn. 14, § 25, Rn. 25 ff.; wirtschaftsrechtliche Bezüge sind insb. im Schutz der Wohnung und des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und in der Medienfreiheit des Art. 10 EMRK – z. T. i. V. m. dem Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK – enthalten. Der jüngeren Rspr. des EuGHMR kann im Bereich der unternehmerischen Tätigkeit immerhin eine vorsichtige Erstreckung der (weit gefassten) Eigentumsgarantie aus Art. 1, 1. Zusatzprotokoll EMRK auf das Recht, Verträge zu schließen (einschließlich der Durchsetzung derselben) und ein Unternehmen zu führen, und damit auf wirtschaftliche Interessen, die den Betrieb eines Unternehmens betreffen, entnommen werden (i. S. v. „legimate expectations“; vgl. EuGHMR v. 20. 04. 1999 Rep. 1999-V, 281 (Hoerner Bank GmbH); v. 07. 07. 1989 A 159, § 53 (Tre Traktörer); Cremer, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 22, Rn. 30, 43, 47 f.).
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ventionen zurückhaltend mit der Gewährleistung einer allgemeinen Handels- oder Wirtschaftsfreiheit.12 Speziell finden sich keine konkreten Anknüpfungspunkte für einen ausgeprägt wirksamen Schutz unternehmerischer Freiheit. 2. Einfluss von Bestimmungen des internationalen Rechts auf das deutsche Recht Neben der Frage der inhaltlichen Reichweite internationaler (Schutz-)Normen, also der Frage nach spezieller Gewährleistung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit, stellt sich auf dieser Ebene besonders das Problem rechtlicher Verbindlichkeit der an dieser Stelle relevanten Normen, so dass fraglich ist, inwieweit überhaupt eine Berufung des einzelnen Unternehmers hierauf möglich ist. Für den einzelnen Bürger ist das Völkerrecht grundsätzlich weder berechtigend noch verpflichtend (völkerrechtliche Mediatisierung), da Völkerrechtssubjekte in der Regel nur Staaten und ihnen gleichgestellte Organisationen sind.13 Das internationale Arbeitsrecht ist aber zumindest im Rahmen des Gebots der völkerrechtsfreundlichen Gesetzgebung, Gesetzesauslegung und -anwendung zu beachten.14 Eine innerstaatliche Geltung der völkerrechtlichen Menschenrechtsgarantien kommt indes nur dann zum Tragen, sofern dem maßgeblichen Völkerrecht überhaupt ein konkreter Schutz entnommen werden kann.15 Da den internationalen Vorschriften bereits kein konkret abgrenzbarer Schutzbereich zugunsten unternehmerischer Marktbetätigung zu entnehmen ist, kommt ein wirksamer, berufungsfähiger Schutz unternehmerischer Freiheit schon aus diesem Grund – unabhängig von den genauen Ausprägungen der Gewährleistung – nicht in Betracht.
II. Europarechtlicher Schutz der unternehmerischen Freiheit Von Interesse sind nunmehr die Anknüpfungspunkte für den Schutz unternehmerischer Entscheidungsfreiheit im europäischen Recht:16 12 So auch die Feststellung von Weber, Menschenrechte, Kap. 9, S. 740. Inwieweit unter die hier allenfalls normierte Berufsfreiheit jeweils auch ein Unternehmerschutz susumiert werden kann, bleibt insgesamt unklar. 13 Vgl. Frowein, in: HdbStR VII, § 180, Rn. 35, 44; Körner, NZA 2005, S. 1395 (1397); zum mangelnden Einfluss und Effektivität der völkerrechtlichen Verträge s. a. Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (8). 14 Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 169. 15 Zur innerstaatlichen Geltung genannter Normen s. Preis, in: ErfK, § 611 BGB, Rn. 201; Sachs, Verfassungsrecht II, A2, Rn. 40; Stern, Staatsrecht I, § 14 I 3d, II 8a. 16 Zu vergegenwärtigen ist, dass der Tatbestand der Unternehmerfreiheit nur ausnw. ausdr. Eingang in den Schutzbereich einer europ. Norm gefunden hat, und darüber hinaus festgestellt werden muss, inwieweit Unternehmerschutz im Bereich anderer, allgemeinerer Schutzbereiche – insb. dem der Berufsfreiheit – verortet werden kann. Auch die Frage der unmittelbaren
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1. Die europäische Wirtschaftsverfassung Während die Entstehung und Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften durch die Wirtschaft und eine ökonomische Perspektive geprägt sind,17 bekennt sich die Europäische Union (auch durch den Verfassungsentwurf (EVerfE))18 aktuell mehr und mehr zu einem Wechsel zur sozialen Marktwirtschaft; d. h., dass das Ziel des Sozialschutzes und soziale Gesichtspunkte verstärkt in den Fokus und die Bemühungen der europäischen Handlungsweisen treten.19 Die Gleichbehandlungsthematik, die in einer generellen Anti-Diskriminierungspolitik der EU ihren Ausdruck findet, gehört dabei unstreitig zu den „Eckpfeilern“ des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Sozialpolitik.20 Die Hinwendung zu sog. „sozialen Maßstäben“ bzw. einem „Sozialprivatrecht“21 lässt den Schutz unternehmerischer Freiheit jedenfalls gedanklich in den Hintergrund treten – auch wenn zum Teil angenommen wird, dass als Ausfluss Berufungsfähigkeit spielt wiederum eine wichtige Rolle für die tats. Wirksamkeit des Schutzes (hierzu näher u. unter § 7 D. II.). 17 So Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 92; Schwarze, EuZW 2004, S. 135 (135). Die Gemeinschaftsordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten noch heute auf eine offene Wirtschaftspolitik und bezweckt damit die freie ökonomische Entfaltung der Wirtschaftssubjekte in der Gemeinschaft (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 83; s. a. Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (248 f.)). Zentrale Zielbestimmung der Union ist die Schaffung eines gemeinsamen Marktes – vgl. Art. I-3 Abs. 2 EVerfE: „Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb“; Art. 4 Abs. 2, 98 S. 2 EG/Art. III-178 EVerfE: „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“. Vgl. a. Art. 11 Abs. 1 WTO-Übereinkommen. Der Binnenmarkt baut dabei auf der Privatautonomie als dem gemeinsamen Fundament der mitgliedstaatlichen Privatrechtsordnungen auf und erstreckt das Selbstbestimmungsrecht durch die Grundfreiheiten über die mitgliedstaatlichen Grenzen hinweg (s. EuGH v. 22. 01. 1981 EuGH Slg. 1981, S. 181 (195) (Dansk Supermarked); v. 07. 02. 1985 Slg. 1985, S. 538 (548) (Procureur de la R¦publique); Frenz, EWS 2005, S. 104 (106); dies betonen a.: Sodan, DÖV 2000, S. 361 (367) und Wißmann, RdA 1995, S. 193 (201)). 18 Entwurf v. 29. 10. 2004 (Abl. C 310 S. 1). 19 So bestimmt z. B. Art. 3 Abs. 3 EVerfE, dass die Union „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft (anstrebt), die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt“; in derselben Zielbestimmung werden insb. soziale Aspekte wie die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Diskriminierungen sowie die Förderung sozialer Gerechtigkeit und sozialen Schutzes näher benannt; zur Entwicklung des europ. Sozialmodells: Blanke, NZA 2006, S. 1304 (1304 ff.). Seit dem Sozialpolitischen Aktionsprogramm von 1974 und wesentlich verstärkt seit dem Abkommen über Sozialpolitik im Maastrichter Vertrag (und sein arbeitsrechtliches Mandat gem. Art. 136 ff. EG) entwickelte sich eine folgenreiche Arbeitsrechtsetzung der Gemeinschaft. Hierzu u. a. EuGH v. 18. 12. 2007 NZA 2008, S. 159 (166); Heinze, in: KassHdb 12 Rn. 2, 6 f., 46; Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1148); WendelingSchröder, NZA 2004, S. 1320 (1321) (insb. zu den Social-Inclusion-Regelungen – Art. 137 I, 150 EG umfassen die berufliche Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen). Zentraler Text für die Gewährung sozialer Grundrechte ist die Grundrechtscharta, die einen umfangreichen Katalog von sozialen Grundrechten enthält (v. a. im Kapitel „Solidarität“; s. a. Konzen, ZfA 2005, S. 189 (193)). Vgl. zur sozialpolitischen Agenda der Europäischen Kommission insb. KOM (2005) 33 endg. v. 09. 02. 2005. 20 Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 306, 309. 21 So Reichold, JZ 2004, S. 384 (384).
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der wirtschaftlichen Grundrechte und Grundfreiheiten wohl auch in Zukunft eine relative Vorrangstellung zugunsten einer Marktwirtschaft anzunehmen sei.22 2. Die Berufsfreiheit im europäischen Gemeinschaftsrecht Aspekte für den Schutz der Berufsfreiheit im europäischen Recht als Ausgangspunkt für den spezielleren Schutz unternehmerischer Freiheit lassen sich verschiedenen Rechts- und Rechtserkenntnisquellen entnehmen. a) Die Berufsfreiheit in der Europäischen Union Die Europäische Union hat als solche (noch) keine formelle Verfassung wie ein Staat, allerdings wurde nach dem Vertrag von Lissabon seit dem 01. 12. 2009 auch die Charta der Grundrechte der EU Teil des Primärrechts, vgl. Art. 6 Abs. 1 EU.23 Die EU beruht als „Rechtsgemeinschaft“ vor allem auf einem gemeinschaftlichem Verständnis von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Grundrechten und Grundfreiheiten, „wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben“.24 Damit sind die Grundlagen bezeichnet, auf die sich der EuGH gestützt hat, der durch seine Rechtsprechung ungeschriebene Grundrechte des Europarechts entwickelt hat, zu denen nach ständiger Rechtsprechung auch die freie Berufsausübung gehört.25 b) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Von Bedeutung als gewichtige wirtschaftsverfassungsrechtliche Garantien für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt sind die Grundfreiheit der Freizügigkeit (Art. 45 – 48 AEUV, vormals: Art. 39 – 42 EG), die Niederlassungsfreiheit für Selbständige (Art. 49 ff. AEUV, vormals: Art. 43 ff. EG)26 und die Dienstleistungsfrei-
22 In diese Richtung Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 19; Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1148) („Die EG war und ist eine Wirtschaftsunion, keine Sozialunion“). Insgesamt lässt sich diesen abstrakten Betrachtungen aber zumindest eine Grundtendenz entnehmen, die den europäischen Gedanken wegführt vom Leitbild einer offenen Wirtschaftspolitik, hin zu sozialen Gesichtspunkten, zu denen zweifellos auch europäsicher Diskriminierungsschutz zu zählen ist. 23 Vgl. zum europäischen Grundrechtsschutz insb. Hanau, NZA 2010, S. 1 ff.; Körner, NZA 2001, S. 1046 (1053 f.). 24 Vgl. Art. 6 Abs. 1, 2 EU a. F.; Art. F II EU. Sachs, Verfassungsrecht II, A2, Rn. 42. 25 Zur Rspr. des EuGH vgl. u. unter § 3 C. II. 2. d). 26 Vgl. speziell hierzu Langer, NZA Beil. 2/2005, S. 83 (85); Wank, NZA 2005, Beil. 2/ 2005, S. 88 (88). So ermöglicht Art. 49 Abs. 2 AEUV die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen.
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heit (Art. 56 – 62 AEUV, vormals: Art. 49 – 55 EG),27 die insgesamt die Herstellung einer grenzüberschreitenden Privatautonomie bezwecken.28 Diese Marktfreiheiten erhalten in der Rechtsprechung des EuGH, der ihnen unmittelbare Drittwirkung zuspricht, wenn anders die Funktionsfähigkeit des gemeinsamen Marktes nicht gesichert werden kann, zunehmend grundrechtlichen Charakter.29 Sonach kann sich auch der einzelne Marktbürger regelmäßig direkt auf sie berufen. Ihre Regelungsgehalte werden nicht mehr auf Diskriminierungstatbestände beschränkt, sondern stehen grundsätzlich auch Hindernissen, die eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen können, entgegen.30 Als generelle Beschränkungsverbote unterwerfen sie Eingriffe in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit allgemein einem Rechtfertigungserfordernis und garantieren so ein Mindestmaß an Privatautonomie.31 Speziell schützt der AEUV hierüber einzelne Aspekte der beruflichen Tätigkeit,32 so dass die Freiheiten z. T. als besondere Berufsfreiheit der Marktbürger angesehen werden.33 Das Vertragsrecht in der EU bietet demnach Ansatzpunkte für eine ergänzende Auslegung im Sinne echter unternehmerschützender Grundrechte, die eine dem deutschen Grundrechtsschutz in etwa vergleichbare Freiheitssicherung vermittelt.34 27 Hierzu EuGH v. 17. 12. 1981 Slg. 1981, S. 3305 (3324) (Webb); Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 17; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 50 EGV, Rn. 1, 24 ff. 28 Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 7c. 29 EuGH v. 17. 07. 2008 JuS 2008, S. 1011 (1013); v. 06. 06. 2000 EuGH Slg. 2000 I-4161 (4172) (Angonese); v. 13. 04. 2000 NZA 2000, S. 645 (647) (Lehtonen); v. 17. 12. 1981 Slg. 1981, S. 3305 (3324) (Webb). s. a. Art. I-4 I EVerfE; Kindler, NZA 2000, S. 744 (749); Leible, JA 2000, S. 830 (830); Michaelis, NJW 2001, S. 1841 (1841 f.); abl. Kluth, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 50 EGV, Rn. 48; Burgi, EWS 1999, S. 327 (330); einschränkend Frenz, EWS 2005, S. 104 (106); Roth, in: FS Everling (1995), S. 1231 (1246 f.). Insg. krit. Körber, EuR 2000, S. 932 (949). Für eine grundfreiheitenkonforme Auslegung des sekundären Gemeinschaftsrechts und der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften: Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (581). 30 EuGH v. 26. 06. 2001 NZA 2001, S. 1193 (1194) (EG-Kommission); v. 11. 04. 2000 NZA 2000, S. 648 (652) (Deli¦ge); v. 28. 03. 1996 EuGH Slg. 1996 I-1905 (1920) (Guiot); Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 43 EGV, Rn. 20 ff.; Wank/Börgmann, NZA 2001, S. 177 (180). 31 Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (465). 32 Vgl. EuGH v. 11. 04. 2000 NZA 2000, S. 648 (652) (Deli¦ge); v. 05. 10. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5039 (5065) (Bananen). Der EuGH bezeichnet die Freizügigkeitsgarantie selbst als „Grundrecht der Berufsfreiheit“ (EuGH v. 06. 06. 2000 EuGH Slg. 2000 I-4161 (4172) (Angonese)). 33 In diese Richtung Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 783; Schmalz, Grundrechte, Rn. 854; Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (457). 34 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 83; Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 99; Störmer, AöR 123 (1998), S. 541 (558). Das grenzüberschreitende Element, das für die Mobilisierung der Grundfreiheiten im Prinzip nötig ist, lasse sich wohl meist begründen (so Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (9)). Andere betonen demgegenüber, alle diese Freiheiten seien lediglich auf die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes ausgerichtet, schützten also nicht Deutsche vor Maßnahmen der dt. Staatsgewalt (vgl. etwa Heun, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 28).
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c) Charta der Grundrechte der Europäischen Union Nach dem Vertrag von Lissabon seit dem 01. 12. 2009 wurde die Charta der Grundrechte der EU Teil des Europäischen Primärrechts, vgl. Art. 6 Abs. 1 EU. Art. 15 Abs. 1 GRCh,35 der auf die vom EuGH aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitete Berufsfreiheit gestützt wird, gewährleistet jeder Person „das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben“ und damit die klassischen Rechte der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit.36 Obwohl Art. 15 Abs. 1 GRCh zu den auf Unternehmen anwendbaren wirtschaftsverfassungsrechtlichen Garantien der Grundrechtecharta gehört,37 ist in Ansehung des eigenständigen Grundrechts des Art. 16 GRCh als demjenigen Unterfall der unternehmerischen Freiheit, die das Grundrecht des Art. 15 Abs. 1 GRCh in seinem Anwendungsbereich als lex specialis verdrängt,38 im Ergebnis nur für Arbeitnehmer von Bedeutung. Art. 15 Abs. 2 GRCh, der die Garantie der bereits in den Art. 45, 49, 56 ff. AEUV gewährleisteten Verkehrsfreiheiten wiederholt, führt allerdings zu einer Ausweitung der Grundfreiheiten (bzw. des Binnenmarkts), da die Freiheiten keinen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraussetzen,39 so dass der Schutzumfang z. T. über den des Art. 12 Abs. 1 GG hinausgeht.40 35 Der Charta wird in Art. 6 Abs. 1 EU in Bezug genommen und soll auch von der Europäischen Verfassung (vgl. Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Teil 2, II-75 EVerfE) in Bezug genommen werden und damit verbindlichen Verfassungsrang bekommen. Sie entfaltete bereits davor rechtliche Wirkungen – v. a. bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht – so dass sie der EuGH und der EGMR als Erkenntnisquelle heranziehen (konnten); vgl. Calliess/Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 6 EUV, Rn. 41; Zachert, NZA 2001, S. 1041 (1046). 36 Die Ausübung ist dabei im umfassenden Sinne zu verstehen. Vgl. Jarass, EU-Grundrechte, § 20, Rn. 1 ff.; Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 771, 773; Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (457); Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (518 f.). 37 Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (518 f.); anders als z. B. das dt. Grundgesetz (Art. 19 Abs. 3 GG) enthält die europ. Grundrechtecharta keine allgemeine Bestimmung, die die Geltung der in der Charta verbürgten Grundrechte für juristische Personen regelt. 38 Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (461). Nur soweit sich wirtschaftliche Betätigungen nicht als Ausprägung der unternehmerischen Freiheit erweisen, sind sie von Art. 15 Abs. 1 GRCh erfasst (Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (518)). Andernfalls würden die weitreichenden Regelungsmöglichkeiten in Art. 16 GRCh durch die engeren Möglichkeiten des Art. 15 GRCh unterlaufen (Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 4); nach a. A. bestehen keine Besonderheiten der unternehmerischen Freiheit als besonderer Ausprägung selbstständiger wirtschaftlicher Betätigung im Vergleich zur Berufsfreiheit aus Art. 15 GRCh. Beide Wirtschaftsfreiheiten wirkten gleichsinnig und könnten auch nebeneinander angewandt werden (vgl. Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 780, 798, die insoweit von einer Idealkonkurrenz beider Grundrechte ausgehen). 39 Mithin schützen nur die Grundrechte den Einzelnen umfassend vor Beschränkungen seiner wirtschaftlichen Betätigung, wohingegen die Marktfreiheiten Berhinderungen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr verhindern sollen (Tettinger/Stern, GRCh, Art. 15, Rn. 7). 40 Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 21 f. Zum umstr. Verhältnis von Grundrechten und Grundfreiheiten kann hier gesagt werden, dass grundrechtliche Wertungen nach der Charta und nach den Grundfreiheiten i. Erg. jedenfalls nicht unterschiedlich ausfallen
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d) Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH Der EuGH hat den Grundrechtsschutz gegenüber Akten der Gemeinschaftsorgane aus den ungeschriebenen „allgemeinen (Rechts-)Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung“ abgeleitet.41 Vor dem Hintergrund dokumentierter gemeinsamer Verfassungsüberlieferungen hat er die Freiheit der Berufsausübung – zunächst zurückhaltend – als einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EU anerkannt und überprüft nunmehr im Sinne eines prätorischen Grundrechtsschutzes Gemeinschaftshandlungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem zentralen wirtschaftlichen Grundrecht der Berufsfreiheit.42 Da sich der Gerichtshof allerdings nicht um eine Umschreibung des Grundrechtstatbestandes oder eine abstrakte Definition des Grundrechts der Berufsfreiheit bemüht hat, finden sich kaum Aussagen zum Schutzbereich des Grundrechts.43 Er wird jedoch offenbar weit im Sinne der gesamten Teilnahme am Wirtschaftsleben, einschließlich der Freiheit der Arbeit, des Handels und anderer Berufstätigkeiten, und damit umfassend als marktbezogene wirtschaftliche Betätigungsfreiheit verstanden.44 Zur Freiheit der Berufsausübung, die v. a. die Teilnahme am Marktgeschehen schützt, zählen insbesondere die unternehmerische Marktposition, die freie Wahl des Vertrags-(= Geschäfts-) dürften und dass die Grundfreiheiten zur Herstellung der grenzüberschreitenden Privatautonomie nach dem gegenwärtigen Stand der Europäischen Rechtsordnung als ggü. Art. 15 GRCh leges speciales angesehen werden; s. Jarass, EU-Grundrechte, § 20, Rn. 20). 41 EuGH v. 13. 07. 1989 Slg. 1989, S. 2633 (2639) (Wachauf/Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft); v. 14. 05. 1974 Slg. 1974, S. 491 (507) (Nold); vgl. auch Art. 6 Abs. 1 EU, Art. I-9 EVerfE; BVerfG v. 22. 10. 1986 BVerfGE 73, S. 339 (378 ff.); BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1165); Wank, in: Hanau/Steinmeyer/Wank, HdbEurAR, § 13, Rn. 34 ff.; Alber/ Widmaier, EuGRZ 2006, S. 113 (113). Der EuGH stützt sich bei der Herleitung und Konkretisierung eines entspr. Grundrechts v. a. auf die gemeinsame Verfassungstradition der Mitgliedstaaten (Calliess/Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 6 EUV, Rn. 33), wozu auch die v. den Mitgliedstaaten ratifizierten Menschenrechtsverträge (EMRK, IPwirtR und das ILO-Recht) gehören; s. Bleckmann, Staatsrecht II, § 3, Rn. 65. 42 EuGH v. 05. 10. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5039 (5065) (Bananen); v. 13. 12. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5571 (5581) (SMW Winzersekt); v. 10. 07. 1991 Slg. 1991, S. 3633 (3637 f.) (Neu u. a.); v. 08. 10. 1986 Slg. 1986, S. 2909 (2912) (Keller); st. Rspr. seit EuGH v. 14. 05. 1974 EuGH Slg. 1974, S. 491 ff. (507 f.) (Nold); s. a. Hilf/Hörmann, NJW 2003, S .1 (5); Nolte/ Tamms, JuS 2006, S. 218 (220). Zum europ. Berufsbegriff: Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (270 f.)). Die freie Berufsausübung wird vom EuGH regelm. ohne präzise Abgrenzung im Zshg. mit dem Eigentumsgrundrecht gesehen, so dass von ihm beide Grundrechte angewendet werden (vgl. EuGH v. 13. 12. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5571 (5581) (SMW Winzersekt); v. 21. 02. 1991 Slg. 1991, S. 534 (552) (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest)). Anders die h. L., die eine Abgrenzung am Maßstab Faustformel Bestandsschutz-Erwerbsschutz vorschägt und eine Idealkonkurrenz nur ausnw. befürwortet (u. a. Jarass, EU-Grundrechte, § 22, Rn. 4; Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (461)). 43 Vgl. zu diesem Befund auch Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (161). 44 Vgl. EuGH v. 21. 02. 1991 Slg. 1991, S. 534 (552) (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest); v. 21. 05. 1987 Slg. 1987, S. 2334 (2338 f.) (Rau/Balm); v. 18. 09. 1986 Slg. 1986, S. 2536 (2544 f.) (Kommission/Deutschland); v. 19. 09. 1985 Slg. 1985, S. 2873 (2882) (Finsider); v. 27. 09. 1979 Slg. 1979, S. 2749 (2768) (Eridania); BVerfG v. 22. 10. 1986 BVerfGE 73, S. 339 (380); Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (165).
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
Partners als Teil der berufsbezogenen Vertragsfreiheit sowie die Wettbewerbsfreiheit.45 Festzuhalten bleibt, dass der europäische Grundsatz der Berufsfreiheit einen weiten Schutzbereich festlegt, der wirtschaftliche Autonomie absichert und sich grundsätzlich den zu Art. 12 Abs. 1 GG46 entwickelten Prinzipien annähert.47 Da das europäische Grundrecht schon von seinem Ausgangspunkt her verstärkt den Schutz des Marktteilnehmers in sein Zentrum nahm, ist der Schutz des freien Marktauftritts hier sogar ausgeprägter als im eher persönlichkeitsbezogenen Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.48 3. Die Eigentumsfreiheit im europäischen Gemeinschaftsrecht Das Eigentumsgrundrecht (vgl. Art. 17 GRCh), das ebenfalls zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört,49 spielt ebenfalls eine Rolle als Grundlage für wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, nach Teilen der Literatur insbesondere über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.50 Schon die enge Verquickung von Berufs- und Eigentumsfreiheit in der Rechtsprechung des 45
EuGH v. 10. 07. 1991 Slg. 1991, S. 3633 (3637 f.) (Neu u. a.); v. 21. 05. 1987 Slg. 1987, S. 2334 (2338 f.) (Rau/Balm); v. 07. 02. 1985 Slg. 1985, S. 538 (548) (Procureur de la R¦publique/ADBHU); Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 12; Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 100; Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (249); Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (267, 271). Die Rspr. des EuGH betraf bislang allein die selbstständige berufliche Betätigung (s. a. Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (457)). 46 Vgl. hierzu näher u. unter § 3 C. III. 1. a). 47 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 16 GRCh, Rn. 2. Bei der Entwicklung und Ausgestaltung des europ. Grundrechtschutzes kann man nicht in jedem Punkt die gleiche sachliche Reichweite wie im dt. Verfassungsrecht verlangen (Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (454, 464)). Eher auf die Unterschiede zwischen den jeweiligen Schutzintensitäten weisen andere Autoren hin (vgl. Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 7b; Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (8 f.); ähnlich Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (265)). 48 Insofern kann sich i. Erg. sogar ein ggü. nationalen Garantien der Berufsfreiheit weitergehender Schutz ergeben (Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (457)). 49 St. Rspr. des EuGH, vgl. stellv. EuGH v. 18. 03. 1980 Slg. 1980, S. 907 (1010 f.) (Valsabbia); Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (268 ff.) – Art. II-77 EVerfE. 50 Jarass, EU-Grundrechte, § 22, Rn. 1 f., 15; Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (519). Vgl. a. Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK. Nach der Rspr. des EuGH und der h. Lit. erscheint ein eigenständiger Unternehmerschutz über die Eigentumsfreiheit indes zweifelhaft – bloße kaufmännische Interessen – wie z. B. der Erhalt eines Marktanteils – und Aussichten auf zukünftige Einnahmen bzw. zukünftigen Gewinn, Chancen und Verdienstmöglichkeiten, deren Ungewissheit zum Wesen wirtschaftlicher Tätigkeit gehört, sollen jedenfalls nicht erfasst werden (EuGH v. 18. 03. 1980 Slg. 1980, S. 907 (1010 f.) (Valsabbia); Calliess, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 17, Rn. 14 f.; Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 799, 809). Der EuGHMR sieht das Unternehmen selbst und den Kundenstamm (good-will) als geschützt an (EuGHMR v. 26. 06. 1986 (van Marle v. Niederlande), Serie A Nr. 101 (§ 40); vgl. hierzu Jarass, EU-Grundrechte, § 22, Rn. 4, 13) – doch gilt es zu beachten, dass die EMRK keine Berufs- oder Unternehmerfreiheit kennt (s. o. u. § 3 C. I. 1.).
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
51
EuGH spricht dagegen, hier eine strikte Trennung vorzunehmen. Insofern kann auch über die Eigentumsfreiheit Schutz wirtschaftlicher Betätigung stattfinden, der jedoch nicht das Auftreten des Unternehmers am Markt absichert. 4. Die unternehmerische Freiheit im europäischen Gemeinschaftsrecht Eine Ausnahme von der Mittelbarkeit des Schutzes unternehmerischer Freiheit über allgemeinere Gewährleistungen bildet Art. 16 GRCh,51 der die „unternehmerische Freiheit“ in einer eigenen Bestimmung direkt anspricht und – den grundlegenden Feststellungen des EuGH folgend52 – als elementaren Rechtsgrundsatz anerkennt.53 Das Grundrecht, das eine selbstständige unternehmerische Betätigung voraussetzt, dient neben den Interessen der Unternehmer54 auch dem objektiven Grundsatz des freien Wettbewerbs.55 Geschützt wird jede Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit (z. B. auch Werbung), die Aufnahme und die Beendigung der unternehmerischen Betätigung, zudem alle Aspekte, insbesondere die Art und Weise ihrer Durchführung, die Vertragsfreiheit sowie nach h. M. die Freiheit des Wettbewerbs, so dass auch hier der marktorientierte Ansatz der europäischen Wirtschaftsfreiheiten deutlich wird.56 Da die Vertragsfreiheit – wie auch schon nach der Rechtsprechung des 51 Hierzu ausf. Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 1 ff. 52 Art. 16 GRCh stützt sich auf die Rspr. des EuGH zur Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, sowie zur Vertragsfreiheit (vgl. Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 1; Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (5)). Der EuGH spricht seit dem Nold-Urteil (EuGH v. 14. 05. 1974 EuGH Slg. 1974, S. 491 ff. (507 f.) (Nold)) häufig vom Grundrecht der „wirtschaftlichen Betätigung“, neuerdings auch von „unternehmerischer Freiheit“, gelegentlich von „Gewerbefreiheit“ (EuGH v. 21. 02. 1991 Slg. 1991, S. 534 (552) (Zuckerfabrik Süderdithmarschen); v. 21. 05. 1987 Slg. 1987, S. 2334 (2338 f.) (Rau/Balm); s. a. Rengeling, DVBl 2004, S. 453 (459)). 53 Vgl. hierzu insb. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 16 GRCh, Rn. 2; Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 795; Adomeit, HFR 2008, S. 92 (98) Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (249); Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (159 ff.); Walker, ZfA 2004, S. 501 (509). 54 Träger des Grundrechts sind alle natürlichen Personen, sowie schon der Natur der Sache nach auch juristische Personen des Privatrechts bzw. Personen- und Kapitalgesellschaften oder allg. Wirtschaftsunternehmen (Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (455); vgl. zum Unternehmensbegriff a. Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (166)). Es geht um eine Ausprägung der Berufsfreiheit i.S. eines einklagbaren Abwehrrechts (Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 1 f., 16). 55 So wird ausdr. auf die Anerkennung des freien Wettbewerbs in Art. 4 Abs. 1 und 2 EG verwiesen (s. a. Art. I-3 II EVerfE). 56 Vgl. Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 1 f., 6 ff.; Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 795, 801 f.; Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 13; Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 44; Tettinger/Stern, GRCh, Art. 16, Rn. 9 ff.; Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (464); Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (160 ff.); Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (518, 521); ders., EuZW 2004, S. 135 (139). Zum europarechtlich garantierten Grds. der Vertragsfreiheit s. a. Art. 1 – 102 EVerfE.
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
EuGH57 – in den Schutzbereich fällt, wird folgerichtig auch die freie Wahl des Vertragspartners geschützt.58 5. Zwischenergebnis und Bewertung Unternehmen sind auf internationaler Ebene auf einen umfassenden Grundrechtsschutz angewiesen.59 Der Schutz unternehmerischer Freiheit auf europäischer Ebene hat verschiedene Wurzeln. Die Grundrechte und die grundrechtsähnlichen Vorschriften ergeben sich hierzu insbesondere aus den Grundfreiheiten des AEUV und als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts aus der Rechtsprechung des EuGH, durch die der Schutz sukzessive Konturen gewann.60 Darüber hinaus existiert mit der Charta der Grundrechte der EU nunmehr ein Dokument, dessen Inhalt im Rahmen einer europäischen Verfassung über Art. 6 Abs. 1 EU eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Garantie zum Schutz unternehmerischer Freiheit liefern soll, der dem des Art. 12 Abs. 1 GG vergleichbar ist.61 Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Unternehmer unterliegen jedenfalls aufgrund des Verständnisses der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote generell einem Rechtfertigungserfordernis.62 Der Schutzbereich wird dabei sowohl zeitlich als auch inhaltlich umfassend unter der freien wirtschaftlichen Betätigung in all ihren Ausprägungen verstanden,63 wobei an vielen Stellen deutlich wird, dass die Freiheit einen stark marktorientierten Charakter besitzt. Auch wenn trotz dieser weitreichenden Gewährleistung noch gewisse Zweifel bezüglich der tatsächlichen Wirksamkeit und Effektivität des europäischen Schutzes unternehmerischer Freiheit – insbesondere über deren Zusammenhang mit sozialen Grundrechten (im Rahmen der Sozialverfassung) – übrig bleiben,64 scheint man hier insgesamt einen akzeptablen Kompromiss gefunden zu haben: die unternehmerische Betätigungsfreiheit erlegt den Grundrechtsverpflichteten durch ihre grundlegende Anerkennung und ihren materiellen Gehalt bei 57
s. o. unter § 3 C. II. 2. d). Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 795; Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (459). 59 So Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (1). 60 So i. Erg. auch Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 14. 61 So ist denn auch die GRCh von der Wirtschaft (insb. von den Spitzenverbänden, dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT)) vielfach und weitgehend begrüßt worden (vgl. die Nachw. bei Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (520)). Zum Schutz unternehmerischer Freiheit in anderen europ. Ländern s. Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (163 f.). 62 s. o. u. § 3 C. II. 2. b); ebenso Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 2. 63 Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 13; Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (464); Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (521). 64 Vgl. hierzu etwa Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (456); Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (520 f.). 58
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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Eingriffen einen Rechtfertigungszwang und damit eine ernst zu nehmende Begründungslast auf, die auch gerichtlich überprüfbar ist.65
III. Schutz der unternehmerischen Freiheit auf nationaler Ebene 1. Grundrechtlicher Schutz Ähnlich dem zuvor dargestellten Schutz auf europäischer Ebene finden sich auch in nationalen Vorschriften Anknüpfungspunkte für die Sicherung unternehmerischer Freiheit. Hiervon ausgehend bedarf es weiterführend einer genauen Verortung unternehmerischen Freiheitsschutzes in der Verfassung sowie der möglichst exakten Bestimmung seines Inhalts und seiner Reichweite,66 denn der Begriff der „unternehmerischen Freiheit“ kommt im Grundgesetz nicht vor.67 a) Art. 12 Abs. 1 GG Allgemein für den Bereich des wirtschaftlichen Lebens und besonders für das individuelle Arbeitsverhältnis ist das zentrale „Grundrecht der Arbeit“ das der Berufsfreiheit;68 es ist das Hauptgrundrecht der freien wirtschaftlichen Betätigung und schützt als solches die Auswahl und die Ausübung erwerbsbezogener Tätigkeiten in allen denkbaren Formen.69 Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG ist nach der überkommenen Definition jede auf Dauer angelegte, wirtschaftlich sinnvolle, erlaubte Tätigkeit, die für den Grundrechtsträger Lebensaufgabe ist und der Schaffung und Er65
I. Erg. ebenso Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 34; Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (464); Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (521 f.); ähnlich Zachert, NZA 2001, S. 1041 (1045). Insb. Maßnahmen nach Art. 19 AEUV müssen sich am Grundrecht der Berufsfreiheit messen lassen und verhältnismäßig sein (Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 17). Daneben gilt, dass der Schutzstandard wesentlich v. d. Beschränkungsmöglichkeiten abhängt (dazu u. unter § 6). 66 Bei der Untersuchung der einschlägigen Schutznormen sind vorliegend nur solche von Relevanz, die sich im Bereich der Auswirkungen arbeitsrechtlicher Diskriminierungsverbote für den Arbeitgeber stark machen könn(t)en. 67 Vgl. hierzu die Erklärung von Dieterich AuR 2007, S. 65 (66). 68 Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 1; Model/Müller, GG, Art. 12, Rn. 1. Grundrechtsberechtigt ist jeder Deutsche; ob sich EU-Bürger auf Art. 12 GG berufen können, ist umstritten (vgl. dazu Nolte/Tamms, JuS 2006, 31 (31 f.); Störmer, AöR 123 (1998), S. 541 (543 ff.)). Einig ist man sich aber jedenfalls, dass auch EU-Bürger ein qualifizierter Schutz der Berufsfreiheit zukommen muss. Grundrechtsträger sind a. inländische juristische Personen des Privatrechts, sofern die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind, Art. 19 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (265); v. 16. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 292 (312); Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 63; a. A. Rittstieg, in: AK-GG, Art. 12 GG, Rn. 60, 158). 69 Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 1, 8; Dieterich, in: FS Wiedemann (2002), S. 229 (241).
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
haltung seiner Lebensgrundlage dient.70 Der Begriff ist weit auszulegen71 und gewährleistet allgemein die Freiheit von Berufswahl und Berufsausübung als einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit.72 Erfasst wird dabei gleichermaßen selbständig und unselbständig ausgeübte Berufstätigkeit.73 aa) Allgemeine Einordnung der unternehmerischen Freiheit unter die einzelnen Aspekte des Schutzbereichs der Berufsfreiheit Auch wenn es sich bei Art. 12 Abs. 1 GG um ein einheitliches Grundrecht handelt, ist es doch besonders für die Einschränkbarkeit der Freiheit74 von Relevanz, welchen einzelnen Teilbereichen von Berufsfreiheit die unternehmerische Freiheit zuzuordnen ist. (1) Freiheit der Berufswahl Die Gründung eines Unternehmens und die damit verbundene Bestimmung des mit Hilfe dieser Organisation zu verfolgenden Zweckes werden in der Regel als Teil der Berufswahlfreiheit verstanden.75 Zur Freiheit der Berufswahl gehört aber nicht nur die freie Entscheidung über den Eintritt, sondern auch über die Fortsetzung des Berufs sowie über die Berufsbeendigung.76 Im Bereich der Arbeitsvertragsfreiheit wird die Berufswahlfreiheit des Unternehmers in der Regel nicht berührt; wenn ein Unternehmer mit bestimmten Arbeitnehmern Arbeitsverhältnisse eingeht, gehört dies prinzipiell allein zu seiner freien Berufsausübung (Arbeitsvertragsfreiheit als Form der freien, aber funktionstypischen Berufsausübung).77 Allerdings kann gerade die übermäßige Beschränkung typischer Ausübungsfreiheiten dazu führen, dass die freie Berufswahl zwar mittelbar, aber doch mit gleichem Effekt wie beim unmittelbaren Eingriff in die Berufswahlfreiheit, beeinträchtigt wird.78 Da es im Arbeitsrecht um berufliche Tätigkeiten geht, die von vornherein arbeitsteilig angelegt sind, würde ein Unternehmer, dem das Recht genommen würde, Arbeitnehmer 70 BVerfG v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (254); v. 18. 06. 1980 BVerfGE 54, S. 301 (313); v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (397). 71 Hömig, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 12, Rn. 4; Nolte/Tamms, JuS 2006, S. 31 (33 f.). 72 BVerfG v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (401 ff.); LRH, Art. 12 GG, Rn. 96. 73 BVerfG v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (398 f.). In der Rspr. des BVerfG gewann die Berufsfreiheit praktische Bedeutung vor allem für selbständige Erwerbstätigkeiten bzw. unternehmerische Betätigung (vgl. BVerfG v. 16. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 292 (311); Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1 (6); weitergehend Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 29). 74 s. dazu u. unter § 6. 75 Breitfeld, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie als Schranke des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, 1992, S. 17. 76 LRH Art.12 GG, Rn. 96. 77 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art.12 GG, Rn. 140 f.; Dieterich, AuR 2007, S. 65 (66). 78 BVerfG v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (253); v. 06. 10. 1987 BVerfGE 77, S. 84 (106); v. 16. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 292 (313); v. 18. 12. 1968 BVerfGE 25, S. 1 (12).
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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nach seiner Wahl einzustellen, – zumindest im entsprechenden Extremfall – faktisch auch in seiner freien Berufswahl beschränkt.79 Deutlich wird dies dort, wo ein unternehmerischer Beruf wesensgemäß auf die Mitarbeit ganz bestimmter Arbeitnehmer angewiesen ist.80 Hier rückt die Arbeitsvertragsfreiheit des Arbeitgebers von vornherein in den Gewährleistungsbereich der freien Berufswahl, denn mangels entsprechender Austauschbarkeit oder Beliebigkeit, welche Arbeitnehmer eingestellt werden, „schlägt“ die Unmöglichkeit einer entsprechend freien Berufsausübung direkt in eine Beschränkung der freien Berufswahl „um“.81 Es wird sonach zu untersuchen sein, inwieweit sich Diskriminierungsverbote derart auf unternehmerische Aspekte der Berufswahl auswirken können. (2) Freie Wahl des Arbeitsplatzes Gegenstand des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ist zunächst der Entschluss des Einzelnen, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen.82 Hierzu gehört auch die Wahl des Vertragspartners.83 In erheblichem Maße umstritten ist dabei die Frage, ob die Freiheit auch die selbständige Betätigung betrifft.84 Eine Entscheidung ist letztendlich entbehrlich, da die unternehmerische Freiheit im Hinblick auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern grundsätzlich problemlos den übrigen Teilbereichen zugeordnet werden kann.85 (3) Freiheit der Berufsausübung Die Freiheit der Berufsausübung umfasst die gesamte berufliche oder gewerbliche Tätigkeit, d. h. die Form, Mittel sowie die Bestimmung von Umfang und Inhalt der Betätigung.86 Zur freien Berufsausübung gehört auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient.87 Wichtige Anwendungsbereiche sind daher hoheitliche Ge- und Verbote, mit denen die ökonomische Aktivität von
79 Dies offenbart die fließenden Übergänge zwischen freier Berufswahl und freier Berufsausübung (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 342). 80 Z. B. aufgrund ganz spezieller Qualifikationserfordernisse oder Eigenschaften. 81 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 140 f., 342. 82 Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 50. 83 Raab, RdA 1995, S. 36 (37). Vgl. auch Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 72. 84 Vgl. hierzu insb. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 59. 85 Die Freiheit der Arbeitsplatzwahl umfasst daneben auch den freien Wettbewerb um Arbeitsplatznachfrage und Arbeitsplatzangebot (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 144, 152 ff). Gerade diese Komponenten spielen im Bereich der Arbeitskraftverwertung eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Auswirkungen von Diskriminierungsverboten auf den freien Arbeitsmarkt – dies soll hier jedoch nicht besonders beleuchtet werden; näher hierzu u. a. Picker, ZfA 2005, S. 167 (176). 86 Mithin die Bedingungen, unter denen sich die berufliche Tätigkeit vollzieht, sowie die Modalitäten, in denen sie abläuft (s. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 57). 87 BVerfG v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (265); LRH, Art. 12 GG, Rn. 3.
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
wirtschaftlich Selbständigen und Unternehmensleitungen reglementiert wird,88 so dass Beschränkungen vertraglicher Auswahlfreiheit grundsätzlich diesem Teilbereich zuzuordnen sind. bb) Konkrete Bestimmung des Schutzgehalts im Hinblick auf unternehmerischen Betätigungsschutz Soweit man die vorliegende Problematik also prinzipiell der Berufsausübungsfreiheit zuordnet, bedarf es in diesem Rahmen einer weitergehenden Beschreibung und Konkretisierung der Freiheit anhand einzelner Schutzgegenstände.89 (1) Ausgangspunkt: Gewerbefreiheit Ideengeschichtlich wurzelt das Grundrecht in der Gewerbefreiheit des 19. Jahrhunderts, also einem Schutzrecht unternehmerischer Betätigung.90 Da vom Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG die selbständige Berufsausübung erfasst ist und da die unternehmerisch-wirtschaftliche Betätigung selbständige Berufsbetätigung und damit gewerbliche, d. h. auf Gewinnerzielung gerichtete Freiheit ist, erstreckt sich die Berufsfreiheit (auch) auf die Freiheit selbständiger Ausübung eines Gewerbes, die in Art. 151 Abs. 3 WRV besonders erwähnt und verbürgt war und heute als ein objektives Prinzip der Wirtschaftsordnung garantiert wird.91 (2) Einzelne Schutzgegenstände der Berufsausübungsfreiheit Die Freiheit der Berufsausübung sichert umfassend die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit und gewährleistet so die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem Ort, ihren Inhalten, ihrem Umfang, ihrer Dauer, ihrer äußeren Erscheinungsform, ihren Verfahrensweisen und ihren Instrumenten zusammenhängenden Modalitäten.92 Sie umgreift so aus der Sicht eines Selbständigen eine Reihe von Einzelfreiheiten wie die unternehmerische Organisationsfreiheit, die berufliche Dispositionsfreiheit sowie die wirtschaftliche Verwertung der beruflich erbrachten Leis-
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BVerfG v. 08. 02. 1972 BVerfGE 32, S. 311 (316 f.); Rittstieg, in: AK-GG, Art. 12 GG, Rn. 71. 89 Um sich dem genauen, substantiellen Inhalt des Grundrechts weiter anzunähern, wird häufig – wie a. im allg. Rahmen der Berufsausübungsfreiheit – auf eine Mehrheit von Schutzgegenständen des Art. 12 Abs. 1 GG hingewiesen (so Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 67; grdl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2 §77 III 1c (dort Fn. 160)). 90 In diesem Sinne z. B. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 1 ff.; Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 34; ders., DVBl. 1984, S. 801 (801 f.). Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 111 I 3. 91 BVerfG v. 19. 10. 1983 BVerfGE 65, S. 196 (210); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (362); v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (397 ff.); LRH, Art. 12 GG, Rn. 1. 92 Vgl. Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 57; Sodan, DÖV 2000, S. 361 (364).
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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tung mithilfe der Vertriebs- und Absatzfreiheit.93 Die hier v. a. interessierende unternehmerische Dispositionsfreiheit schließt dabei die Investitionsfreiheit, die Vertriebsfreiheit mit der freien Wahl der Produktionspalette, die Wettbewerbsfreiheit und die Freiheit der marktmäßigen Betätigung und beruflichen Außendarstellung einschließlich der Werbefreiheit und damit insgesamt die Art der Außendarstellung ein.94 Diese zentralen Komponenten sorgen in erster Linie dafür, dass sich der Unternehmer an Kundenwünschen orientieren, d. h. marktorientiert handeln kann. Sie erlauben ihm, einen Marktauftritt zu wählen, der nach seinem Dafürhalten dazu geeignet ist, sein Unternehmen, das im Wettbewerb bestehen muss, erfolgreich am Markt zu positionieren. Die Freiheiten berücksichtigen damit die Abhängigkeit unternehmerischen Handelns von äußeren Nachfragebedingungen.95 Bei der Berufsfreiheit rückt somit der Gesichtspunkt des Erwerbsnutzens und der Funktionsfähigkeit des Unternehmens in den Vordergrund.96 Hervorzuheben ist auch die individual-arbeitsvertragliche Privatautonomie, d. h. die Autonomie der Begründung, Beendigung und inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, die ebenfalls geschützt ist.97 Speziell die im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG angesprochene allgemeine Vertragsfreiheit98 gilt entsprechend für den Arbeitsvertrag.99 Schon die Abschluss- bzw. Einstellungsfreiheit des Arbeitgebers, also die Freiheit der Entscheidung, ob und mit wem bzw. mit wie vielen Arbeitsverträge geschlossen werden, gilt hiernach als Kernstück der Berufsfreiheit des Arbeitgebers.100 Für den Arbeitgeber bedeutet das, dass er weder gezwungen werden kann, be93 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 8; Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 57. 94 Vgl. BVerfG v. 08. 03. 2005 BVerfGE 112, S. 255 (262); v. 26. 10. 2004 BVerfGE 111, S. 366 (373); v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (266); v. 18. 12. 1968 BVerfGE 25, S. 1 (12); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 111 I 1, II. 1. c); Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 42 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 2, Rn. 146; Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, S. 1017 (1022 f.); Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (162); Sodan, DÖV 2000, S. 361 (364); s. a. Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 130 f. Diese Benennung der einzelnen Teilfreiheiten verdeutlicht lediglich den Schutzbereich, ohne den Schutzumfang der Berufsfreiheit der Unternehmer auf Teilaspekte zu verengen (Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 57; Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 67). 95 Vgl. a. Epping, Grundrechte, Rn. 362. 96 BVerfG v. 09. 06. 2004 BVerfGE 111, S. 10 (28); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (307); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 79. 97 BVerfG v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (254); v. 06. 10. 1987 BVerfGE 77, S. 84 (114); Buchner, MünchHdbAR, § 39, Rn. 10 ff.; Richardi, MünchHdbAR, § 1, Rn. 26 f., § 10, Rn. 39, § 30, Rn. 7; Grobys/Schmidt/Brocker, NZA 2003, S. 777 (778). 98 s. o. unter § 3 C. III. 1. a). 99 BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (999 ff.); v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (177); Löwisch/Rieble, in: MünchHdbAR, § 259, Rn. 56; Richardi, in: Staudinger (2005), § 611 BGB, Rn. 60. 100 BVerfG v. 19. 05. 1992 BVerfGE 86, S. 122 (130); Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 115; Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B Rn. 5; Brox/Rüthers/Henssler,
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
stimmte Arbeitnehmer einzustellen, noch gehindert ist, im Rahmen seines Einstellungs- und Auswahlermessens die Arbeitnehmer einzustellen, die seinen Vorstellungen entsprechen, so dass es auf das Motiv für den Abschluss oder Nichtabschluss eines Arbeitsvertrages grundsätzlich nicht ankommt.101 Auch die Nichteinstellung eines Arbeitnehmers ist demnach Ausübung von Berufsfreiheit.102 Zur grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit gehört weiterhin das Recht des Arbeitgebers, den Inhalt der Arbeitsverpflichtung zu konkretisieren (Organisationsund Leitungsrecht).103 Als Korrelat bzw. garantierter Bestandteil der arbeitsrechtlichen Vertragsfreiheit gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG dem Arbeitgeber schließlich auch das prinzipielle Kündigungsrecht (= Vertragsbeendigungsfreiheit).104 (3) Insbesondere: Unternehmerische Freiheit als Schutzgegenstand des Art. 12 Abs. 1 GG Besonders nach der Rechtsprechung des BVerfG aber auch nach der herrschenden Meinung in der Literatur wird grundsätzlich auch die unternehmerische Freiheit bzw. Unternehmensautonomie – d. h. die freie Gründung und das Führen von Unternehmen einschließlich des Unternehmerverhaltens im Wettbewerb – von der Berufs(ausübungs)freiheit erfasst.105 Die Auffassung von Wiedemann, die einen Beruf des Unternehmers nicht anerkennt, weil dies der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes widerspreche und weil Art. 12 I GG sich aus dem Schutz vor Zwangsarbeit und Dienstverpflichtung entwickelt habe,106 hat keine Gefolgschaft gefun-
Arbeitsrecht, Rn. 23; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 12 III; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (253) („Vertragsbegründungsfreiheit“); Blaha/Mehlich, NZA 2005, S. 667 (669); Hanau, in: FS f. Adomeit (2008), S. 237 (239); Raab, RdA 1995, S. 36 (37). Auch der Inhalt des Arbeitsverhältnisses wird wesentlich durch den grds. frei geschlossenen Arbeitsvertrag gestaltet (Inhaltsfreiheit) (vgl. Lembke, in: HWK, § 105 GewO, Rn. 13). 101 BVerfG v. 21. 06. 2006 NZA 2006, S. 913 (913); Lembke, in: HWK, § 105 GewO, Rn. 11; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 1206 f.; Buchner, NZA 1991, S. 577 (579). 102 Blaha/Mehlich, NZA 2005, S. 667 (670); Eichenhofer, DVBl. 2004, S. 1078 (1085). Die auf Dauer angelegte Rechtsbeziehung zw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer und die aus dem stark personenbezogenen Charakter dieses Dauerschuldverhältnisses erwachsende Nähe verlangen tendenziell eine ausgeprägte Auswahlfreiheit des Vertragspartners (ähnlich Brors, in: Däubler/ Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 44; Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (19)). 103 Hromadka/Maschmann, § 1 III, Rn. 23; Junker, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 205 ff. 104 BVerfG v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (177); Oetker, in: ErfK, § 1 KSchG, Rn. 3; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (268); Rost, NZA Sonderbeil. 1/2004, S. 34 (38). 105 BVerfG v. 03. 12. 1997 BVerfGE 97, S. 67 (83); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (308, 363); Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 23, 61; Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 14 (auch: die Unternehmerstellung); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 111 II. 1. h); Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 14, 48; Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 116; Richardi, in: MünchHdbAR, § 30, Rn. 6; Schaub, in: ArbR-Hdb. § 200, Rn. 18; Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (4); Sodan, DÖV 2000, S. 361 (364). Allgemeiner: Scholz (in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 136) – arbeitgeberisch-unternehmerische Tätigkeit. 106 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 698.
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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den.107 Folglich kann eine Ausdifferenzierung unternehmerischer Freiheit stattfinden:108 Die Freiheit ist eine umfassende und grundsätzliche; sie enthält eine Anzahl von Funktionen, die aus der Unternehmerstellung heraus resultieren, wie zunächst die Entscheidung über Zielfunktion und Zweckbestimmung des Betriebes und das darauf beruhende Führungskonzept, über Fabrikations-, Produktions- und/oder Dienstleistungsarten und -methoden (Produktionsfreiheit)109 sowie allgemein über die Geschäftsbranche, über die Organisation des Betriebes (Organisationsfreiheit)110, über (zukunftsträchtige) Investitionen und deren Zweckbestimmung (Investitionsfreiheit),111 die Koordinierung aller zum Betriebserfolg führenden eingesetzten Betriebs- und Kapitalmittel, die unternehmensmäßige Vertriebs-(Absatz-)Freiheit inklusive der Werbung und allgemein der Markt- und Absatzpflege (insbesondere zur Erschließung neuer oder den Rückzug aus angestammten Absatzmärkten) sowie schließlich noch die unternehmerische Wachstumsfreiheit.112 Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit besteht einmal intern, im Hinblick auf die eigene unternehmerische Organisation, zum anderen extern, im Hinblick auf das Verhalten vom Markt.113 Dies alles dient dazu, dem Unternehmer die Möglichkeit vorzubehalten, die grundlegende Richtung der Unternehmenspolitik vorzugeben und umzusetzen. Ihm wird so das Recht überantwortet, Produktionsfaktoren durch Planungs- und Leitungsakte zu einem Produktionserfolg zu kombinieren, mithin ein Unternehmen marktund wettbewerbsorientiert nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu betreiben. 107 Z. T. wird jedoch betont, dass die unternehmerische Freiheit eine bes. Ausprägung der Berufsausübungsfreiheit darstelle und es sich bloß um eine deskriptive Konkretisierung des Schutzbereichs der Berufsausübungsfreiheit handele, so dass die sog. Unternehmerfreiheit keinen eigenen materiellen Gehalt habe (Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 68). Diese Art der Darstellung ändert aber nichts an dem materiellen Gehalt der unternehmerischen Freiheit an sich, da nur durch sprachliche Konkretisierung ein grundrechtlicher Schutzgehalt inhaltlich genauer bestimmt und ein abwägungsrelevanter Kerngehalt festgelegt werden kann. 108 Ebenso ausdifferenzierend BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (363); Breitfeld, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie, 1992, S. 17. Die Freiheit weist als Unterfall der Berufsfreiheit z. T. weitgehende Überschneidungen mit o.g. Schutzinhalten auf. 109 Speziell hierzu Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 63; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/ 1, § 111 II. 1. h); Hromadka/Maschmann, § 10 III, Rn. 194; Walker, ZfA 2004, S. 501 (502). 110 s. Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 14; Gilberg, NZA 2003, S. 817 (818); Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1 (16 ff.); Sodan, DÖV 2000, S. 361 (364). 111 Hierzu Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 63; Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1 (20); Vogt, RdA 1984, S. 140 (152); vgl. a. Adomeit/Mohr, AGG, § 1, Rn. 80. 112 BAG v. 13. 08. 1980 AP Nr. 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 24; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 65; Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 57; Hromadka/Maschmann, § 10 III, Rn. 194; Rolfs, Arbeitsrecht, Art. 12 GG, Rn. 6; Feudner, NZA 2000, S. 1136 (1142); Kaiser, NZA Beil. 1/ 2005, S. 31 (33); Sodan, DÖV 2000, S. 361 (364); Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (202); vgl. auch: Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 132 ff. 113 Vgl. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 132.
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
Dem Unternehmer obliegt danach die freie Bestimmung der Unternehmenspolitik zur Sicherung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage und Rendite des Unternehmens, vor allem aber der Vermögens- und Finanzlage (Verlust- oder Gewinnzone).114 Speziell hinsichtlich der Einschätzung des Marktes, der von ihm ausgehenden Nachfrageimpulse und bei der Regulierung und Bestimmung des Maßes der dafür notwendigen Arbeit handelt es sich um die existenziellen eigenverantwortlichen und auch stets in die Zukunft projizierten risikobeladenen Aufgaben jeder Betriebs- und Geschäftsleitung, die in Abhängigkeit vom Markt und seinen sich stetig wandelnden Einflüssen stehen und somit der Anpassung an die ständig wechselnden Anforderungen des Marktes bedürfen.115 Entscheidender Wert ist hierbei abermals die Dispositionsfreiheit des Unternehmers, also die (innerbetriebliche) Freiheit in unternehmerischen Planungs- und Grundsatzentscheidungen, oder – anders betrachtet – die Freiheit des Marktzutritts und der marktmäßigen Betätigung, der Wettbewerbsfreiheit und die Freiheit der beruflichen Außendarstellung einschließlich der Werbefreiheit, die das Tätigwerden des Unternehmers nach außen durch die Teilnahme am Wettbewerb schützen.116 Die sich daraus ergebende Möglichkeit, sich mit seinem Leistungsangebot von anderen Anbietern zu unterscheiden, ist hiernach Bestandteil der geschützten unternehmerischen Freiheit.117 Das sich auch auf situationsbedingte Marktdaten erstreckende Unternehmerrisiko wird nicht geschützt,118 wohl aber die Voraussetzungen, die die Risikoübernahme beherrschbar und lohnend machen können. Zur Verwirklichung der marktorientierten Unternehmerziele gewährt die Freiheit der Berufsausübung dem Unternehmer besonderen Schutz hinsichtlich Art und Umfang der unternehmerischen Tätigkeit mittels einer Festlegung, mit welchem und mit wieviel Personal er produzieren oder nicht produzieren will, und damit dem Interesse 114 Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 63; LRH, Art. 12 GG, Rn. 101; Papier, in: Benda/ Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 48; Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 67; Bauer, Sonderbeil. zu NZA Heft 18/2004, S. 38 (42 f.); Walker, ZfA 2004, S. 501 (502). 115 Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 24; LRH, Art. 12 GG, Rn. 101; Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1 (21 ff.); Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (202); Vogt, RdA 1984, S. 140 (142). 116 BVerfG v. 20. 04. 2004 BVerfGE 110, S. 274 (288); v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (265); v. 08. 02. 1972 BVerfGE 32, S. 311 (317); s. a. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 63; Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 14; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 132 ff.; Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1 (22 ff.); Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (4); Papier, DVBl. 1984, S. 801 (809). Dies gilt trotz der Tendenz zur Delegation unternehmerischer Verantwortung in kleinere Einheiten bis hinunter zum einzelnen Mitarbeiter (hierzu Trittin, NZA 2001, S. 1003 (1003)). Grundsätzlich ist damit alles, was der Verfolgung des Unternehmenszweckes, letztlich also dem Erwerb und der Rentabilität dient, vom Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst. Das Grundrecht umfasst jedoch keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb (BVerfG v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (265); Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 57). 117 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 13. 118 BVerfG v. 08. 06. 1977 BVerfGE 45, S. 142 (172 f.); ähnlich Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 GG, Rn. 101. Differenzierend Geiger, Sondervotum zu BVerfG v. 08. 06. 1977 BVerfGE 45, S. 142 (184).
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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des Arbeitgebers, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen.119 Der Arbeitgeber legt den zur Erreichung unternehmerischer und betrieblicher Zielsetzung erforderlichen Personalbedarf fest und entscheidet mithin autonom über die Zusammensetzung und Leitung der Belegschaft und über den Einsatz der Arbeitnehmer.120 Dem Arbeitgeber wird so gewährleistet, dass er im Rahmen seiner Personalentwicklung frei darüber entscheiden kann, ob, mit wem und mit welchem Inhalt er einen Arbeitsvertrag abschließt.121 Dabei ist der Arbeitsvertrag das Instrument des Arbeitgebers dazu, sich im Bereich von Personalpolitik den äußeren Gegebenheiten des Marktes anzupassen.122 cc) Verhältnis zu anderen Grundrechten (1) Verhältnis zu Art. 2 Abs. 1 GG Die Vertragsfreiheit wird teilweise auch im Hinblick auf die unternehmerische Betätigung nicht als Bestandteil der Berufsfreiheit, sondern des Art. 2 Abs. 1 GG verstanden.123 Richtigerweise ist aber auch die Vertragsfreiheit als notwendiges Mittel zur internen Unternehmensführung Bestandteil der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, sofern Verträge in Ansehung oder zur Eröffnung beruflicher, unternehmerischer bzw. gewerblicher Betätigung eingegangen werden.124 Das gleiche gilt all-
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BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959); v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (176); Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 12, Rn. 38; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 8; Wank, in: MünchHdbAR, § 122, Rn. 4; ders., Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 163 f.; Blaha/Mehlich, NZA 2005, S. 667 (669); Buchner, NZA 1991, S. 577 (591); v. Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 369 (374); vgl. a. Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, S. 1017 (1021). 120 Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 51, 67 f.; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (274); Stahlhacke, in: FS Schwerdtner, S. 199 (202); Walker, ZfA 2004, S. 501 (514). 121 Arbeitsvertragsfreiheit des Unternehmers i. S. (positiver und negativer) Abschlussfreiheit, Auswahlfreiheit und prinzipieller Inhaltsfreiheit; vgl. BVerfG v. 03. 12. 1997 BVerfGE 97, S. 67 (83); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 111 II. 1. h); Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 14; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 65, 96, 132 ff., 152 ff.; Löwisch, ZfA 1996, S. 293 (295). 122 Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 67. Gerade die Differenzierung nach den (u. U. geschützten) Merkmalen gehört dabei zur Vertragsfreiheit der Arbeitgeber (Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (28)). 123 Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 69; Linck, in: Schaub, ArbRHdb. § 31 Rn. 22; Wollenschläger, Arbeitsrecht Rn. 137. In diese Richtung wohl a. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 4, 24; abw. Preis, in: ErfK, § 8 TzBfG, Rn. 24. Oftmals sind die jeweiligen Abgrenzungen ungenau oder werden überhaupt nicht geleistet – vgl. z. B. Messingschlager, NZA 2003, S. 301 (302). 124 BVerfG v. 06. 10. 1987 BVerfGE 77, S. 84 (114); ebenso Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 11, 13; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 103, Fn. 3 m. w. N.; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14, Rn. 101; Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 76; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Art. 2 I, Rn. 370; Blaha/Mehlich, NZA 2005, S. 667 (672).
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
gemein für die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung.125 Im Verhältnis zu Art. 2 Abs. 1 GG ist Art. 12 Abs. 1 GG mit seinem umfassenden unternehmerischen Schutz nach der allgemeinen Konkurrenzregel (lex specialis derogat legi generali) somit vorrangiges Spezialgrundrecht.126 (2) Verhältnis zu Art. 14 GG Art. 14 GG schützt zur Sicherung des individuellen Freiheitsraums im vermögensrechtlichen Bereich (auch) das Privateigentum einschließlich des unternehmensbestimmten Eigentums und seiner ökonomischen Nutzbarkeit, die Substanz der wirtschaftlich genutzten Vermögensrechte, d. h. allgemein die privatrechtliche Zuordnung und Verwendung von Betriebsmitteln.127 Da Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber Art. 14 GG insoweit keine Spezialnorm darstellt,128 besteht zwischen Art. 12 Abs. 1 und 14 GG ein enger (funktionaler) Zusammenhang.129 Am deutlichsten wird dies in Ansehung der gewichtigen Meinung, die über Art. 14 GG auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als vermögenswerte Einheit „mit allen seinen Ausstrahlungen“, die „Funktionsfähigkeit des Unternehmens“, auch geschäftliche Verbindungen und Beziehungen, den Kundenstamm, die Marktstellung, corporate identity u. ä. geschützt sieht.130 Zumindest nach einer Ansicht schützt Art. 14 Abs. 1 GG daher (auch oder sogar vorrangig) die allgemeine Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet im Sinne „allgemeiner Wirtschaftsfreiheit“
125
Leisner, in: HdbStR VI, § 149, Rn. 62; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 140. BVerfG v. 10. 05. 1988 BVerfGE 78, S. 179 (197); v. 06. 10. 1987 BVerfGE 77, S. 84 (118); v. 15. 12. 1987 BVerfGE 77, S. 308 (339); v. 31. 10. 1984 BVerfGE 68, S. 193 (223 f.); v. 16. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 292 (336) (ohne jedoch – den systematisch-konstruktiven und inhaltlich-logischen Vorrang des Art. 12 I ggü. Art. 2 I GG nicht immer beachtend – scharfe Grenzen zu ziehen); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 79 f., Rn. 101 ff., 126; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 2, Rn. 88 f.; grdl.: Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG, Rn. 54; Nolte/Tamms, JuS 2006, S. 130 (133). Zu den (von Art. 12 I GG nicht erfassten) übrigen Bereichen, in denen Art. 2 I GG noch wirken kann, vgl. Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 12, Rn. 93). 127 Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 10, Rn. 91; Rittstieg, in: AK-GG (1989), Art. 14, Rn. 95; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 132 ff. 128 Kimminich, in: BK-GG, Art. 14 GG, Rn. 130. 129 Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 1; Hergenröder, in: HWK, Art. 14 GG, Rn. 2. 130 BGH v. 28. 01. 1957 BGHZ 23, S. 157 (162 f.); Bryde, in: v. Münch/Kunig, GGK I, Art. 14, Rn. 18; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 132 ff.; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG, Rn. 47 ff. Aber a. nach dieser Meinung nicht mitumfasst sind Chancen und Gegebenheiten, innerhalb derer der Unternehmer seine Tätigkeit entfaltet und die mit über das Risiko eines Unternehmers entscheiden, seine Leistungen und Erzeugnisse rentabel abzusetzen (vgl. nur BGH v. 10. 07. 1980 BGHZ 78, S. 41 (44), Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 GG, Rn. 101). Das BVerfG hat einen solchen Schutz betont offengelassen und und neigt dazu, die Frage zu verneinen (vgl. nur BVerfG v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (278); v. 08. 07. 1997 BVerfGE 96, S. 375 (397); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (349). Die Rspr. entgegengesetzt interpretierend: Kimminich, in: BK-GG, Art. 14 GG, Rn. 79, 89. 126
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
63
bzw. speziell die unternehmerische Freiheit.131 Das BVerfG und die h. M. nehmen grundsätzlich eine Differenzierung vor: „Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst“.132 Mitunter wird aber auch von einem gemeinsamen Schutzbereich beider Grundrechte im Hinblick auf unternehmerische Freiheit ausgegangen (Idealkonkurrenz von Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie).133 Eine Abgrenzung nach den Regeln der h. M. ist wohl überwiegend, aber nicht immer möglich.134 Für vorliegende Konstellationen kommt ausschließlich Art. 12 Abs. 1 GG als grundrechtlicher Anknüpfungspunkt für den Schutz unternehmerischer Freiheit in Betracht, da das konkrete Anstellungsverhältnis eines Arbeitnehmers, auf das sich ein Diskriminierungsverbot auswirken kann, keinen eigentumsrelevanten Aspekt betrifft.135 (3) Gesamtschau Gelegentlich ist eine Neigung festzustellen, den Schutzgegenstand des Abwehrrechts aus einer Mehrheit zusammenwirkender Grundrechtsbestimmungen abzuleiten, da das Grundgesetz keine spezifische auf unternehmerisches Handeln zugeschnittene Norm enthält.136 So werden Berufs- und unternehmerische Freiheit als 131 ArbG Nienburg v. 23. 01. 2002 NZA 2002, S. 382 (384); Hueck/Nipperdey Bd.II/2 § 68 III, S. 1321; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 GG, Rn. 228 ff.; Podlech, in: AK-GG, Art. 2 I, Rn. 19b; ähnlich Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (162). Auch das zivilrechtliche Institut des Arbeitsvertrags könne man als im Kern durch Art. 14 GG institutionell gewährleistet ansehen (Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG, Rn. 64). 132 BVerfG v. 08. 11. 1983 BVerfGE 65, S. 237 (248); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (361 f.); v. 16. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 292 (334 f.); Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 10, Rn. 96; Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 164. Die Eigentumsgarantie umschließt danach objektbezogen nur den vorhandenen Bestand an vermögenswerten Gütern, nicht aber die mit der Tätigkeit verbundenen Erwerbschancen und Verdienstmöglichkeiten (BVerfG v. 06. 10. 1987 BVerfGE 77, S. 84 (117 f.); v. 31. 10. 1984 BVerfGE 68, S. 193 (223); v. 08. 06. 1977 BVerfGE 45, S. 142 (173)). Für das Konkurrenzverhältnis soll dann die Meistbetroffenheitsregel gelten (Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 7). 133 Figur des „Arbeitgeber-Unternehmers“ als gleichsam figurative Umschreibung des Gewährleistungszusammenhangs aus Art. 12 I und 14 I GG (vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 136). s. a. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 15; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 130 ff. („Annexfreiheiten“); Kaiser, NZA Beil. 1/2005, S. 31 (31); Raab, RdA 1995, S. 36 (41). 134 Richtig ist, dass die Schrankenregelungen regelmäßig parallel laufen, so dass eine zulässige Berufsausübungsregelung grds. a. eine zulässige Eigentumsbeschränkung sein wird (BVerfG v. 10. 05. 1972 BVerfGE 33, S. 171 (191 f.)). 135 Es handelt sich höchstens um Reflexe der über Art. 14 GG geschützten Verfügungsmöglichkeiten, wenn die Eigentumsnutzung faktisch durch ein Diskriminierungsverbot eingeschränkt wird (ähnlich Richardi/Annuß, in: Sartorius (1999), § 611a BGB, Rn. 17; Blaha/ Mehlich, NZA 2005, S. 667 (669)). Zuzugeben ist der Gegenansicht, dass die marktorientierte (i. S. einer von ökonomischen Rahmenbedingungen (Marktverhältnissen) geprägten Situationsgebundenheit) unternehmerische Betätigungsfreiheit eines ausgeprägten Grundrechtsschutzes bedarf. 136 Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (4); grdl.: Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2; § 77 III 1c.
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
Teile der grundgesetzlichen freiheitlich-sozialen Wirtschafts- und Arbeitsverfassung verstanden, in der Art. 9 Abs. 1, 12 Abs. 1 und Art. 14 GG als zentrale Ordnungsentscheidungen zusammenwirken.137 Andere Autoren und Gerichte zitieren in einem Atemzug Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, und Art. 14 GG gleichrangig nebeneinander als zusammengehörige Schutznormen zugunsten einer spezifisch liberalen ökonomischen Freiheitssphäre und speziell der unternehmerischen Freiheit.138 Wiederum andere lehnen einen umfassenden Schutzbereich „Wirtschaftsfreiheit“, der gleichermaßen von den Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 GG erfasst würde, ausdrücklich ab.139 Die wohl überwiegende Meinung kommt zu einer Lösung über allgemeine Grundsätze der Grundrechtkonkurrenz.140 Auch hier gilt, dass in vorliegendem Zusammenhang Art. 12 Abs. 1 GG die speziellere und einschlägige Grundrechtsbestimmung ist, so dass ausschließlich Art. 12 Abs. 1 GG als das die unternehmerische Freiheit gewährende Grundrecht anzusehen ist.141 b) Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG schützt allgemein vor staatlichen Eingriffen in die Lebensführung und die Handlungs- bzw. Entschließungsfreiheit des Einzelnen über die Gestaltung der (eigenen) Rechtsverhältnisse.142 Diese allgemeine Umschreibung hat hinsichtlich des Bereichs unternehmerischer Gestaltungsfreiheit verschiedene Ausprägungen erfahren. So werden insbesondere die Privatautonomie,143 die der umfassen-
137 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 76; in diese Richtung auch Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 90. 138 Vgl. u. a. BAG v. 26. 09. 2002 NZA 2003, S. 549 (550); LAG Hamburg v. 17. 08. 2006 NZA-RR 2007, S. 630 (633 f.); LAG Hamm v. 18. 01. 2002 NZA 2002, S. 675 (677). Allg.: Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 76; wohl a. Schrader, NZA 2000, S. 401 (403). Vgl. hierzu a. Moritz, NZA 1987, S. 329 (331 f.). 139 Dieterich, in: ErfK, Art. 14 GG, Rn. 9; Wieland, in: Dreier, Art. 14 GG, Rn. 184. 140 Vgl. herzu insb. Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 68 f.; Stern, Staatsrecht III/1, § 69 III 5, § 76 III 2b, III/2, § 82 I 1, 3; Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 165. Zumindest nach Wieland (in: Dreier, Art. 14 GG, Rn. 184) führen die Ansichten auch nicht zu einer Verstärkung des Grundrechtsschutzes. 141 Bei Idealkonkurrenz zu parallel wirkenden Grundrechten, insb. zu Art. 4 I, 9, 21 GG und v. a. zur institutionellen Gewährleistung der Kirchenautonomie, ergibt sich in diesen Bereichen indes eine Sonderstellung für berufsrechtliche Regelungen (Tendenzschutz) (Richardi, in: MünchHdbAR, § 30, Rn. 9). 142 Vgl. LRH, Art. 2 GG Rn. 23; Sachs, Verfassungsrecht II, B 2, Rn. 13. 143 Als übergeordnetes Prinzip v. a. in Form von Freiheit zum rechtsgeschäftlichen, insb. wirtschaftlichen und vertraglichen Handeln und Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Privatordnung (BVerfG v. 26. 07. 2005 BVerfGE 114, S. 1 (34); v. 19. 10. 1993 BVerfGE 89, S. 214 (231); v. 23. 04. 1986 BVerfGE 73, S. 261 (271); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 101 ff., Fn. 3 m.w.N.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. V. § 145, Rn. 7; Flume, BGB AT II, § 1, S. 17 ff.; Richardi, ZfA 2008, S. 31 (33); zur Geschichte: Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (45 ff.)).
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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deren Privatautonomie unterfallende allgemeine Vertragsfreiheit144 und schließlich allgemein die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr bzw. die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung (wirtschaftliche/ökonomische Handlungsfreiheit)145 als besondere Ausprägungen der allgemeinen Handlungsfreiheit im Sinne unbenannter Freiheitsrechte eingestuft.146 Insbesondere vom BVerfG wird auch speziell die Unternehmerfreiheit als Ausprägung wirtschaftlicher Entfaltungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG verortet.147 c) Zwischenergebnis Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Berufsfreiheit nicht nur „Grundrecht der Arbeitnehmer“ ist, sondern gleichrangig „Grundrecht der Arbeitgeber“148 und im Verhältnis zu anderen Grundrechtsbestimmungen die lex specialis für das Gebiet des Rechts des Arbeitsverhältnisses. Art. 12 Abs. 1 GG schützt dabei umfassend die wirtschaftliche Betätigung und zielt auf ein möglichst unreglementiertes berufliches Tätigwerden ab,149 so dass sämtliche staatlichen Eingriffe hierin der Rechtfertigung bedürfen.150 Auf der anderen Seite soll grundsätzlich niemand über die Motive 144 Im Sinne der Freiheit der Entscheidung über den Vertragsschluss, d. h. der Freiheit, sich durch Verträge zu binden und damit getreu dem Satz „stat pro ratione voluntas“ das Recht, eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ob und ggf. mit wem ein Vertrag geschlossen (Vertragsabschlussfreiheit) oder ob ein Vertragsschluss verweigert (Freiheit des Nichtabschlusses) oder aufgelöst werden soll (BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (999); v. 08. 04. 1997 BVerfGE 95, S. 267 (303); v. 12. 11. 1958 BVerfGE 8, S. 274 (328); Isensee, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 238 (245 ff.); Coester, in: FS Canaris (2007), S. 115 (117); Schreier, KJ 2007, S. 278 (280 f.)). Art. 152 WRV enthielt diesbezüglich noch eine explizite verfassungsrechtliche Gewährleistung (vgl. nunmehr §§ 311, 241 BGB). Zur historischen Entwicklung der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht vgl. Eger, Der Rechtsanspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG, 2003, S. 78 ff. 145 St. Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfG v. 14. 07. 1998 BVerfGE 98, S. 218 (259); v. 08. 04. 1997 BVerfGE 95, S. 267 (303); v. 12. 10. 1994 BVerfGE 91, S. 207 (221); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (366); v. 29. 04. 1969 BVerfGE 25, S. 371 (407); Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 75 ff. Noch allgemeiner wird gesagt, das Grundrecht des Art. 2 I GG finde auf wirtschaftliche Sachverhalte Anwendung (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 77). 146 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 101; Dieterich, in: ErfK, Art. 2 GG, Rn. 2. 147 In diese Richtung etwa BVerfG v. 14. 07. 1998 BVerfGE 98, S. 218 (259); v. 03. 12. 1997 BVerfGE 97, S. 67 (83); v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (176); v. 29. 04. 1969 BVerfGE 25, S. 371 (407); vgl. hierzu a. LRH Art. 2 GG Rn. 375, 379; Ring, Arbeitsrecht Rn. 95; Sodan, DÖV 2000, S. 361 (362). Zum Verhältnis des Art. 2 I GG zu Art. 12 I GG s. u. unter § 3 C. III. 1. a) cc) (1). 148 So a. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 91. 149 Die Verfassungsordnung gewährleistet i.d.S. den Vorteil der wirtschaftlichen Subjekte, Intelligenz und ökonomische Mittel zur Erreichung aller Ziele mit allen Mitteln einsetzen zu dürfen, die rechtlich nicht ausdrücklich verboten sind (vgl. Podlech, in: AK-GG, Art. 2 I, Rn. 74; Blaha/Mehlich, NZA 2005, S. 667 (670)). 150 BVerfG v. 30. 03. 2004 BVerfGE 110, S. 226 (251); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (361); v. 08. 02. 1972 BVerfGE 32, S. 311 (316 f.); Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 197. Umgekehrt hat sich der Private nicht dafür zu rechtfertigen, dass und warum
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
eines Rechtsgeschäftes Rechenschaft ablegen müssen.151 Die unternehmerische Freiheit, die selbst einen facettenreichen Gewährleistungsbereich umfasst, stellt einen zentralen Teilaspekt des Schutzbereichs dar und bildet für die Unternehmer- bzw. Arbeitgeberseite die grundlegende und wichtigste Freiheit. Entscheidende Elemente für den hier interessierenden Zusammenhang sind die Freiheit des Unternehmers, die grundlegende Unternehmensausrichtung marktorientiert, d. h. den Nachfragewünschen entsprechend zu bestimmen und diese im Rahmen seiner Personalpolitik (arbeitsvertraglich) umzusetzen. d) Allgemein: Das Problem der sog. „Drittwirkung“ Mit der „Drittwirkung“152 wird hier das Problem der Erweiterung der Grundrechtswirkung auf die horizontale Beziehung zwischen Privatpersonen untereinander angesprochen.153 Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes sollten die Grundrechte ihre Geltung unmittelbar auf Grund der grundlegenden und umfassenden Leit-, Geltungsund Bindungsanordnung des Art. 1 Abs. 3 GG besitzen und hierüber aktuell rechtswirksam sein.154 Bis heute stimmt man darin überein, dass gem. Art. 1 Abs. 3 GG alle Gesetzgebung und damit auch der Privatrechtsgesetzgeber unmittelbar an die Grundrechte (insbesondere an die Berufsfreiheit) gebunden ist (Verbots- bzw. Schrankenwirkung der Bindungsklausel).155 Das BVerfG, das BAG und die ganz h. L. gehen demgegenüber heute – ausgehend vom Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG – von einer nur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus, soweit es um die Bindung von Privatpersonen geht, da diese, von Ausnahmen (vgl. Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG) abgesehen,
er einen anderen als Vertragspartner ablehnt (so Isensee, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 238 (250). 151 Schreier, KJ 2007, S. 278 (281), m. w. N. 152 Als Begrifflichkeiten werden daneben auch Horizontalwirkung, Geltung der Grundrechte im Privatrecht, Geltung der Grundrechte in der Privatrechtsordnung verwandt (hierzu Stern, Staatsrecht III/1, § 76 I 2). 153 D. h. ob, in welchem Umfang und in welcher Weise und Intensität Privatpersonen gegenüber anderen Individuen an die Grundrechte gebunden sind 154 Theorie der „Drittwirkung“, „Horizontalwirkung“ oder der absoluten Wirkung der Grundrechte. So anfangs noch das BAG unter dem Einfluss seines ersten Präsidenten Nipperdey, um die „Macht“ des Arbeitgebers mit dem Ziel, den abhängigen Arbeitnehmer zu schützen, zu domestizieren, weil hier eine dem Verhältnis von Bürger und Staat vergleichbare soziale Mächtigkeit bestehe (Arbeitsverhältnis als privates „besonderes Gewaltverhältnis“) (vgl. etwa BAG v. 10. 05. 1957 NJW 1957, S. 1688 (1689); v. 03. 12. 1954 BAGE 1, S. 185 (193)). Vgl. heute noch Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 79; ders., AcP 164 (1964), S. 385 (419 ff.); Hager, JZ 1994, S. 373 (382 f.). Hierzu Stern, Staatsrecht III/1, § 60 III 5a, § 72 II 4, § 75 I 3b, 4d, § 76 IV 8a-c; Schwarze, ZTR 1996, S. 1 (1). 155 Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 5 Rn. 19; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1, Rn. 30 ff. Verstößt die gesetzgebende Gewalt dennoch gegen das Verbot, so handelt sie verfassungswidrig (Art. 20 III GG).
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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nicht Adressaten der Grundrechte sind.156 Die Grundrechte weisen aber als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts objektiv-rechtliche Gehalte auf (Grundrechtsabschnitt als objektive Wertordnung), wodurch ihnen eine interpretatorische Rechtsnormkraft (Ausstrahlungswirkung) zukommt, durch die die Grundsatzaussagen der Grundrechte für alle im einzelnen vorzunehmenden grundrechtsgeleiteten Interpretationen „im Lichte“ der Grundrechte (grundrechtsorientierte bzw. verfassungskonforme Auslegung) – insbesondere auch im Bereich des Arbeitsrechts – wirksam werden.157 Der Rechtsgehalt der Grundrechte entfaltet sich hiernach durch das Medium der das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden (hier: privatrechtlichen) Vorschriften und für den Zivilrichter vor allem über die jeweiligen Generalklauseln als wertorientierte Rechtsbegriffe und damit als „Einbruchstellen“ der Grundrechte in das bürgerliche Recht.158 Insbesondere hinsichtlich Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 GG wird von einer Drittwirkungsgeeignetheit und damit einhergehend von einer Ausstrahlungswirkung ausgegangen.159 Mithin hat sowohl der Privatgesetzgeber als auch der Zivil- bzw. Arbeitsrichter dem grundrechtlichen Schutz der unternehmerischen Freiheit bei allen einschlägigen Entscheidungen ausreichend Beachtung zu schenken. 156 BVerfG v. 23. 04. 1986 BVerfGE 73, S. 261 (269); seit BVerfGE 7, 198 („Lüth-Urteil“) st. Rspr.; BAG v. 27. 06. 2006 NZA 2006, S. 1276 (1280); v. 19. 11. 2003 NZA 2004, S. 1336 (1338); BAG GS v. 27. 02. 1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; Gallwas, Grundrechte, Rn. 376; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 175 f. (mit weiteren Argumenten pro und contra); Siekmann/Duttge, Grundrechte, Rn. 1035. Vgl. a. die Kritik v. Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (62). Krit. zum Begriff der „mittelbaren Geltung“: Schwarze, ZfA 2003, S. 447 (462 f.). 157 BVerfG v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (178); v. 19. 10. 1993 BVerfGE 89, 214 (231); v. 24. 02. 1971 BVerfGE 30, S. 173 (193); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 108; Stern, Staatsrecht III/1, § 65 I 4a-c („verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts“), § 69 III 1, 4, § 75 I 3, § 76 IV 7c; Stern, in: FS Wiedemann (2002), S. 133 (136 f.). Zur Drittwirkungsproblematik in den USA vgl. Stern, Staatsrecht III/1, § 62 I 5a, § 76 I 4b. 158 BVerfG in st. Rspr., vgl. nur BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959); BVerfG v. 23. 04. 1986 BVerfGE 73, S. 261 (269); v. 11. 05. 1976 BVerfGE 42, S. 143 (147 ff.). s. a. BAG v. 27. 06. 2006 NZA 2006, S. 1276 (1280); Richardi, in: MünchHdbArbR, § 10, Rn. 11; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (250). Grds. kommen aber alle Privatrechtsnormen in Frage, im Lichte der Grundrechte interpretiert zu werden, so dass eine Ausdehnung auf sämtliche Auslegungsmöglichkeit von Normen und damit alle sonstigen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Begriffe stattfinden muss (BVerfG v. 11. 05. 1976 BVerfGE 42, S. 143 (148); Sachs, Verfassungsrecht II, A5, Rn. 39). So entsteht auch kein Ausschluss des unmittelbaren Rückgriffs auf Grundrechte, wenn es an privatrechtlichen Regelungen überhaupt fehlt (vgl. Schwarze, ZfA 2003, S. 447 (463 f.)). Innerhalb der mittelbaren Drittwirkung, die selbst eine geringere Intensität der Grundrechtsbindung privater ggü. staatlicher Macht bewirkt (Schwarze, ZTR 1996, S. 1 (3); ders., ZfA 2003, S. 447 (463)), wird eine abgestufte Intensität der Einwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht angenommen, je nachdem, ob es sich um Monopolstellungen, extreme Marktmacht, wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeitsverhältnisse o. ä. handelt (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 60). 159 Vgl. Bryde, in: von Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 41; Dreier, in: Dreier, Art. 2 I GG, Rn. 63; Nolte/Tamms, JuS 2006, S. 218 (219). Grdl.: Stern, Staatsrecht III/1, § 75 I 4, § 76 IV 7c.
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
2. Einfachgesetzliche Ebene Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die im Zusammenhang mit der Ausübung unternehmerischer Freiheit im Sinne dieser Untersuchung stehen, werden im Einzelnen durch Gesetzgebungen näher konkretisiert.160 Das Privatrecht schützt z. B. über § 823 Abs. 1 BGB das eingerichtete und ausgeübte Wirtschaftsunternehmen als absolutes Recht.161 § 105 GewO statuiert die Arbeitsvertragsfreiheit;162 das Direktionsrecht hat in § 106 GewO eine eigene Rechtsquelle.163
IV. Schutz der unternehmerischen Freiheit als arbeitsrechtliches Prinzip Die Maxime, wonach die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als leitendes Grundprinzip sowohl bei der Rechtsetzung aber auch der Rechtsfindung durchgängig Beachtung zu finden hat (unternehmerische Freiheit als Struktur- und Abwägungsprinzip), soll nunmehr anhand einiger repräsentativer Beispiele aus dem Bereich arbeitsrechtlicher Rechtsgestaltung veranschaulicht werden: 1. Schutz unternehmerischer Freiheit im Kündigungsrecht Die „freie (autonome) Unternehmerentscheidung“ im Bereich der betriebsbedingten Kündigungen ist wohl das prominenteste Beispiel für den Schutz unternehmerischer Betätigungsfreiheit.164 Hier (im Rahmen der in § 1 Abs. 2 KSchG normierten 160
BAG v. 19. 11. 2003 NZA 2004, S. 1336 (1338). Der Beruf „Unternehmer“ hängt inhaltlich also entscheidend von den typischen Ausübungsformen ab, die jene Rechte ebenso voraussetzen wie tatbestandlich aktualisieren. 161 s. Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 126 ff.; Stern, Staatsrecht III/1, § 76 III 2b. 162 Vgl. hierzu Preis, in: ErfK, § 105 GewO, Rn. 1 ff. (§§ 105 – 110 GewO als „Nukleus“ eines Arbeitsvertragsrechts); Schöne, NZA 2002, S. 829 (830) – angesichts jüngster Tendenzen, die Vertragsfreiheit einschneidend zu beschränken (Antidiskriminierungsgesetz) sei es zu begrüßen, dass die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich einfachgesetzlich normiert werde. 163 Hierzu Hromadka/Maschmann, § 1 III, Rn. 27. 164 s. o. unter § 3 C. III. 1. a) bb) (2), (3); allg. zur Kündigungsfreiheit etwa Quecke, in: HWK, Vor § 1 KSchG, Rn. 7; Hromadka/Maschmann, § 10 III Rn. 134, IV, 228a; Sieben, NJW 2005, S. 1095 (1096). Z. Zt. wird indessen von vielen Seiten kritisiert, dass der Kündigungsschutz unter Berufung auf das Bestandsschutzinteresse durch zahlreiche gesetzliche Instrumente und die arbeitsgerichtliche Rspr. übermäßig ausgeweitet worden sei. Zu den einzelnen Einschränkungen vgl. stellv. BAG v. 16. 09. 2004 NZA 2005, S. 459 (460). Zur Kritik vgl. nur Kock, NJW 2006, S. 728 (731); Petrovicki, NZA 2006, S. 411 (411); Neef/Neef, NZA 2006, S. 1241 (1241 ff.). A. A. Huber, NZA 2005, S. 1340 (1340 f.). Vgl. a. Art. II-90 EVerfE. Zur Abgrenzung zw. dem kündigungsrechtlichen Begriff der „autonomen unternehmerischen Entscheidung“ und dem allg. Begriff der „Unternehmerentscheidung“ s. Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 32 ff.
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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dringenden betrieblichen Erfordernisse) werden unternehmerische Entscheidungen – insbesondere die Bestimmung der Unternehmenspolitik, d. h. alle Entscheidungen, die die wirtschaftlichen Zielvorgaben des Unternehmens betreffen und die der Anpassung des Unternehmenswerkzeugs „Betrieb“ an die (veränderten) wirtschaftlichen Zielvorgaben (zielgerichtet im Hinblick auf die Marktpräsenz) dienen,165 und die Betriebsorganisation (unternehmerische Strukturentscheidungen) – der unternehmerischen Betätigungsfreiheit zugeordnet. Dies führt – unter einschränkenden Voraussetzungen166 – zur Möglichkeit, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen.167 Die kreative Gestaltung des Betriebs zur Anpassung an äußere Marktbedingungen gehört zur „Unternehmensstrategie“, die der freien (subjektiven) Entscheidung des Arbeitgebers unterliegt, da er sich in einer marktwirtschaftlich verfassten Wirtschaftsordnung an dem Erfordernis der Rentabilität orientieren muss168 und allein das wirtschaftliche Risiko für Fehlentscheidungen trägt.169 In Anerkennung dieser Autonomie findet nur eine Rechtskontrolle dahingehend statt, ob die Entscheidung gesetzmäßig und nicht offenbar unvernünftig oder willkürlich ist.170 Im Recht der betriebsbedingten Kündigung gilt der Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung mithin als „Datum“,171 das es dem Unternehmer erlaubt, auf „außerbetriebliche“ (in der Regel marktbedingte) Umstände zu reagieren.172 165 Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 33; Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (204). 166 Vgl. Oetker, in: ErfK, § 1 KSchG, Rn. 61 ff.; Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 131 ff.; Schiefer/Worzalla, NZA 2004, S. 345 (345 ff.). 167 BAG v. 26. 09. 2002 NZA 2003, S. 549 (550); v. Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 369 (370 ff., 378 ff.); Walker, ZfA 2004, S. 501 (504 f.). 168 Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 32; Hromadka/Maschmann, § 10 III Rn. 194a; Franzen, NZA 2001, S. 805 (810); a. A. ArbG Gelsenkirchen NZA 1998, S. 944 (944) unter Kritik v. Rüthers, NJW 2003, S. 546 (549). Aus ökonomischer Sicht: Keynes, General Theory of Employment, Interest and Money, 1936, S. 23 f. 169 BAG v. 22. 04. 2004 NZA 2004, S. 1158 (1159); Quecke, in: HWK, § 1 KSchG, Rn. 266; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (274); Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (202, 204 ff.). Mit der freien Entscheidung, überhaupt das Unternehmerrisiko zu übernehmen, ist nämlich die Entscheidung, wie groß das Risiko sein soll, untrennbar verbunden (so Walker, ZfA 2004, S. 501 (514)). 170 BAG v. 13. 03. 2008 NZA 2008, S. 878 (880); v. 22. 04. 2004 NZA 2004, S. 1158 (1159); v. 30. 04. 1987 AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. Generell muss der Unternehmer seine Entscheidung darlegen sowie ein transparentes nachvollziehbares Organisationskonzept vortragen (BAG v. 18. 5. 2004 AP AVR Caritasverband Anlage 5 Nr. 3; vgl. § 1 II 4 KSchG). Diese Missbrauchskontrolle darf dabei nicht dazu dienen, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die den Arbeitgeber gerade zu der von ihm gewählten und keiner anderen Entscheidung geführt haben (BAG v. 22. 04. 2004 NZA 2004, S. 1158 (1159); zu weitgehend daher BAG v. 26. 09. 2002 NZA 2003, S. 549 (551), vgl. Rost, NZA Beil. Heft 1/ 2004, S. 34 (34)). s. a. § 115 II DiskE ArbVG Henssler/Preis, NZA Beil. 23/2006, S. 6 (25). Es besteht grds. eine Vermutung, die Organisationsentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt (BAG v. 13. 03. 2008 NZA 2008, S. 878 (880); Gilberg, NZA 2003, S. 817 (819)). 171 Walker, ZfA 2004, S. 501 (504). Eine Abwägung der Vertragsinteressen findet im Bereich der betriebsbedingten Kündigung nicht statt (Oetker, in: ErfK, § 1 KSchG, Rn. 83); mit
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
Zudem findet der Schutz unternehmerischer Freiheit in § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG Eingang durch die Berücksichtigung eines „berechtigten betrieblichen Interesses“, das der Unternehmer dem Ergebnis einer (weitgehend leistungsunabhängigen) Sozialauswahl entgegenhalten kann.173 Hiernach ist es zulässig, durch die Herausnahme bestimmter Personen eine (bereits bestehende) ausgewogene Personalstruktur (nach Alter, Leistungsstärke etc.) unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu sichern.174 Auch dies dient letztendlich dazu, dass der Unternehmer mittels seiner Personalpolitik seine wirtschaftliche Handlungsfähigkeit nach außen bewahren kann. Zu den Aspekten der Marktabhängigkeit und der Risikotragung als Begründungsansätze für das Erfordernis unternehmerischer Entscheidungsfreiheit gesellt sich im Bereich der Druckkündigung der Gesichtspunkt der Risikobeherrschbarkeit.175 Eine sog. echte Druckkündigung wird grundsätzlich dann akzeptiert, wenn die Belegschaft oder Dritte die Kündigung eines Arbeitnehmers verlangen, ohne dass objektiv ein Kündigungsgrund nachweisbar wäre, und für den Fall, dass dies nicht geschieht, dem Arbeitgeber nachteilige Schritte androhen.176 Wenn dem Arbeitgeber daraus unbillige und für den Betrieb unzumutbare Nachteile erwachsen, er wirtschaftlich schwer geschädigt oder gar in seiner Existenz bedroht ist, ist er – bei vorheriger Beachtung seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer177 – zu einer Druckkündigung berechtigt,178 da er insbesondere auf das Verhalten außenstehender Dritter Art. 12 GG wäre es nicht vereinbar, wenn der Unternehmer im Interesse seiner nicht mehr benötigten Arbeitnehmer in Bezug auf deren Beschäftigung das Unternehmerrisiko ausüben müsste. 172 In dem Maße, wie dem einzelnen Unternehmer seine freie Entscheidung verwehrt wird, wird ihm gleichzeitig ein Stück weit die Möglichkeit genommen, sich innovativ und damit zukunftsorientiert am Markt zu engagieren. 173 Dabei steht es grds. dem Arbeitgeber frei, die Interessen festzulegen, mit denen er den Betriebszweck verfolgen will (Bauer, NZA Beil. Heft 18/2004, S. 38 (41); Küttner, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 409 (418); einschränkend Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 139, Rn. 268). Zu anderen vertretenen Maßstäben vgl. Etzel, in: KR, § 1 KSchG, Rn. 630. Vgl. insg. a. Oetker, in: ErfK, § 1 KSchG, Rn. 342 ff. 174 BAG v. 23. 11. 2000 NZA 2001, S. 601 (603); Hergenröder, in: MüKo-BGB, § 1 KSchG, Rn. 372 f. Der Sinn der Vorschrift wird allerdings relativiert, wenn der Arbeitgeber bei der Herausnahme von Leistungsträgern das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abwägen soll (so BAG v. 12. 4. 2003 AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 56; anders daher Bayreuther, NZA 2006, S. 417 (420)). 175 Allg. zum Gedanken der Beherrschbarkeit des Risikos als Grundlage einer gerechten Risikoverteilung Bäumler, Der Anwendungsbreich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 57, 60 f. 176 BAG v. 10. 02. 1977 EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 18; Insam, DB 2005, S. 2298 (2298 f.). Insg. abl. und für eine Lösung über §§ 9 f. KSchG: Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 143, Rn. 15 ff. 177 BAG v. 18. 09. 1975 AP Nr. 10 zu § 626 BGB Druckkündigung; Dörner, in: Dörner/ Luczak/Wildschütz, Abschn. D Rn. 860, m.w.N. 178 Ascheid, in: ErfK, § 1 KSchG, Rn. 182 ff.; Etzel, in: KR, § 1 KSchG, Rn. 586.
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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keine (direkte) Einflussmöglichkeit hat.179 Die fehlende Möglichkeit des Arbeitgebers, Risiken im Rahmen einer ausschließlichen Einwirkungsmöglichkeit zu begrenzen oder aufzufangen, begrenzt die Verantwortlichkeit gegenüber seinem Arbeitnehmer bzw. die Zurechnung der Risiken, denen der Arbeitnehmer ausgesetzt ist.180 Diese Grundsätze berechtigen zu der Annahme, dass das Arbeitsrecht Zumutbarkeit und Beherrschbarkeit als Grenze der Einschränkung von unternehmerischer Freiheit anerkennt.181 Zudem lässt sich festhalten, dass es (auch) Ziel des Kündigungsrechts ist, einen prinzipiellen Schutz unternehmerischer Entscheidungsfreiheit zu erhalten und die arbeitsrechtliche Privatautonomie nicht im Übermaß einzuschränken.182 Hierdurch soll anerkannt werden, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten ihre Existenz erst einer risikoverantwortlichen unternehmerischen Betätigung verdanken,183 für die ein möglichst freies Auftreten am Markt conditio sine qua non ist. Nur aus dieser grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit erwächst dem Unternehmer überhaupt die Möglichkeit, eine marktmäßige und damit wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmenssteuerung zu betreiben. 2. Informationsrecht als Ausprägung von unternehmerischer Freiheit zugunsten eines Fragerechts bei der Einstellung Aus der unternehmerischen Vertrags- und Abschlussfreiheit folgt das Recht des Arbeitgebers als potentieller Vertragspartei, vor Abschluss des Arbeitsvertrags Informationen über die für seinen Betrieb (aller Wahrscheinlichkeit nach) relevanten Umstände einzuholen (Informationsrecht des Arbeitgebers).184 Zulässigerweise dürfen Fragen gestellt werden, an deren wahrheitsgemäßer Beantwortung der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat, auf Grund dessen die Belange des Bewerbers zurücktreten müssen.185 Ein solches Interesse ist regelmä179
Zum Prinzip der Beherrschbarkeit vgl. grdl. Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 3 ff., 77 ff., 383 ff. 180 In diese Richtung Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (537, 539 f.) unter Hinw. auf BAG AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 181 Insbes. sofern dem Arbeitgeber erhebliche, auf äußeren Umständen beruhende Schäden drohen oder gar seine grundsätzliche Existenz in Zweifel gezogen wird. Vgl. zu dieser Annahme a. Bäumler, Der Anwendungsbreich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 60 f. 182 Ähnlich Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 59; Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 626; Huber, NZA 2005, S. 1340 (1341); v. Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 369 (369, 376, 390) – scheitere die Kündigung an der Unternehmerentscheidung, so liege dies meistens am mangelnden Vortrag (ähnlich Stahlhacke, in: FS Schwerdtner, S. 199 (211)); deutlich insoweit noch die amtliche Begründung des KSchG, die nur die willkürliche Kündigung ausschließen wollte (Reuter, in: FS Wiedemann (2002), S. 449 (464 ff.)). 183 Oetker, in: ErfK, § 1 KSchG, Rn. 213. 184 Vgl. Preis, in: ErfK, § 611 BGB, Rn. 271 ff.; Braun, MDR 2004, S. 64 (64). 185 So die st. Rspr. des BAG und allg. A. im Schrifttum. Vgl. nur BAG v. 18. 12. 2000 NZA 2001, S. 315 (315); v. 07. 06. 1984 AP Nr. 26 zu § 123 BGB; Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (11);
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
ßig anzunehmen, wenn die Beantwortung der Frage für den angestrebten Arbeitsplatz und die zu verrichtende Tätigkeit selbst von Bedeutung ist und die abgefragten Tatsachen in erkennbarem Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Beschäftigung stehen, da der Arbeitgeber hinreichende Informationen benötigt, um speziell die Tauglichkeit eines Bewerbers für die geforderte Arbeitsleistung seriös und rational beurteilen zu können.186 Die Tatsachen müssen objektiv geeignet sein, das für den Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag liegende Risiko zu erhöhen, da das Fragerecht dem Arbeitgeber eine Risikosteuerung im Einstellungsgespräch ermöglichen soll („Prinzip der Überschaubarkeit des Risikos“).187 Ausnahmsweise besteht sogar eine das Leistungsvollzugsinteresse schützende Offenbarungspflicht des Bewerbers, wenn er erkennt, dass er aufgrund fehlender Qualifikationen oder Fähigkeiten für die Arbeit völlig ungeeignet ist bzw. ihm die verschwiegenen Umstände einen Leistungsvollzug im vertraglich vorgesehenen Rahmen unmöglich machen oder beeinträchtigen.188 Dieses Informationsrecht ist Ausdruck unternehmerischer Freiheit, die der wirtschaftlich nach außen handelnde Arbeitgeber benötigt, um seinen Marktauftritt innerbetrieblich durch (in seinem Sinne) richtige Personalentscheidungen umzusetzen. Durch die Gewährung der Freiheit soll das Risiko des Unternehmers, mit dem zukünftigen Angestellten Nachfragewünsche nicht ausreichend befriedigen und damit sein Betriebsziel nicht erreichen zu können, für ihn beherrschbar werden. 3. Schutz unternehmerischer Freiheit im Bereich des Direktionsrechts Da der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung im Rahmen einer arbeitsteiligen Organisation erbringt, so dass das Vertragsprinzip in einem Spannungsverhältnis zur NotMankowski, JZ 2004, S. 121 (124, 126); vgl. insoweit a. § 12 I 1 ArbVGE v. 1992. Als Folgen der Falschbeantwortung steht dem Arbeitgeber grds. die Anfechtbarkeit des Arbeitsvertrags (nach § 119 II BGB oder nach § 123 I BGB) zu, wenn die Frage zulässig war, der Bewerber die Frage bewusst falsch beantwortet hat, der Arbeitnehmer wissen oder kennen musste, dass die von ihm verschwiegene Tatsache für die Entscheidung des Arbeitgebers zu seiner Einstellung von ausschlaggebender Bedeutung und die verschwiegene Tatsache für die Einstellung des Arbeitnehmers ursächlich war (BAG v. 06. 02. 2003 NZA 2003, S. 848 (848); v. 06. 07. 2000 NZA 2001, S. 317 (319); Ehrich, DB 2000, S. 421 (421 ff., 426 f.)). § 123 BGB schützt so die „freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiete“ (Motive zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. 1, S. 204). 186 BAG v. 05. 12. 1957 AP Nr. 2 zu § 123 BGB. s. a. Moritz, NZA 1987, S. 329 (330 f.); Preis/Bender, NZA 2005, S. 1321 (1321). 187 Schaub, in: ArbR-Hdb. § 26 Rn. 11; Krause, Arbeitsrecht, § 4 Rn. 28; Hohenstatt/Stamer/Hinrichs, NZA 2006, S. 1065 (1066 f.); Messingschlager, NZA 2003, 301 (302); Moritz, NZA 1987, S. 329 (331 f.). Krit. Kaehler, NZA 2006, S. 519 (526 f.). 188 In diesem Fall haben die Tatsachen ausschlaggebende Bedeutung für den Arbeitsplatz, so dass die Risiken eines Arbeitsverhältnisses überschritten werden, da der Arbeitnehmer dafür verantwortlich ist, dass er die notwendigen Voraussetzungen für die in Aussicht genommene Tätigkeit tatsächlich erfüllt (Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn.B Rn. 227; Strick, NZA 2000, S. 695 (700)). Vgl. a. § 13 DiskE ArbVG Henssler/Preis, NZA Beil. Heft 23/2006, S. 6 (9)). Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer wegen zwingender Vorschriften die Tätigkeit nicht ausüben darf (s. Knipp, AR-Blattei SD „Einstellung“, 640, Rn. 70).
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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wendigkeit einheitlicher Planung, Organisation und Leitung des auf einen wirkungsvollen Marktauftritt zielenden Arbeitsprozesses steht, kann die im Arbeitsvertrag festgelegte Arbeitspflicht durch Weisungen des Arbeitgebers (nach Ort, Zeit und Art) konkretisiert werden.189 Aufgrund des Weisungsrechts kann der Arbeitgeber die Außendarstellung seines Unternehmens steuern, etwa wenn er für seine Mitarbeiter Kleidervorschriften erlässt.190 Insofern ist weitgehend anerkannt, dass Unternehmerinteressen, die auf die Umsetzung eines corporate identity-Konzepts zielen, eine legitime und angemessene Anforderung an die Mitarbeiter darstellen können.191 Dem Arbeitgeber kann es nicht versagt werden, beispielsweise ein einheitliches Erscheinungsbild seiner Arbeitnehmer, einen „Stil des Hauses“, vorzugeben.192 Er muss die Möglichkeit haben, die Identifikation der Arbeitnehmer mit den Firmeninteressen gegenüber Kunden zu fördern und eine positive Wirkung für das Unternehmensziel zu erreichen.193 Auch hier wird dem Unternehmer zugestanden, einen nachfrageorientierten Marktauftritt mithilfe einer stimmigen Personalführung umzusetzen.
4. Schutz unternehmerischer Freiheit im Rahmen des § 8 TzBfG Der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit aus § 8 TzBfG kann gem. § 8 Abs. 4 TzBfG vom Arbeitgeber zurückgewiesen werden, wenn dem Wunsch betriebliche Gründe entgegenstehen.194 Als Ausdruck unterneh189
Zur Weisungsbefugnis des Arbeitgebers vgl. insb. BAG v. 23. 09. 2004 NZA 2005, S. 359 (361); LAG Hamm v. 18. 01. 2002 NZA 2002, S. 675 (676); Schöne, NZA 2002, S. 829 (830 f.); Schuster/Darsow, NZA 2005, S. 273 (273); Vogt, RdA 1984, S. 140 (140); krit. Richardi, in: Staudinger (1999), § 611 BGB, Rn. 246. 190 Vgl. hierzu Boemke, ZfA 2001, S. 245 (259); Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (34 f.); Thüsing, JZ 2006, S. 223 (223 ff.) zum Problem der „dress and grooming codes“. Allg. Preis, in: ErfK, § 106 GewO, Rn. 1 ff. Zur Lage von Tendenzträgern s. Blomeyer, in: MünchHdbAR, § 54, Rn. 17. 191 So z. B. Restaurantketten oder sonstige Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich, in denen das Unternehmen auf eine äußerliche Erkennbarkeit – ggf. auch als Werbeträger – Wert legt (Preis/Greiner, RdA 2003, S. 244 (248)). 192 BAG v. 10. 10. 2002 RdA 2003, S. 240 (243); Lembke, in: HWK, § 106 GewO, Rn. 46; Bachmann, SAE 2003, S. 336 (341); Preis/Greiner, RdA 2003, S. 244 (245). Einschränkend Linck, in: Schaub, ArbR-Hdb., § 55, Rn. 23. 193 Dementsprechend ist es ihm möglich, seine Arbeitnehmer mit Kundenkontakt anzuweisen, sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich zu kleiden (Reichold, in: HWK, § 75 BetrVG, Rn. 21; Adam, NZA 2003, S. 1375 (1378 f.)). 194 Die entgegenstehenden Gründe müssen nicht dringend sein, sodass ggü. differenzierten Formulierungen in anderen Vorschriften (vgl. z. B. § 9 TzBfG) geringere Anforderungen zu stellen sind (so ArbG Nienburg, NZA 2002, S. 382 (382, 384); Kliemt, NZA 2001, S. 63 (65); a. A. Däubler, ZIP 2000, S. 1961 (1963)). Für eine generelle Begrenzung: Bauer, NZA 2005, S. 1046 (1047). Auch i. R. von § 2 KSchG besteht die Freiheit des Arbeitgebers, über Voll- oder Teilzeitkonzepte zu entscheiden (EuGH v. 26. 09. 2000 NZA 2000, S. 1155 (1156) (Kachelmann); BAG v. 22. 04. 2004 NZA 2004, S. 1158 (1159); Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 174).
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
merischer Entscheidungsfreiheit darf er den Teilzeitanspruch ablehnen, wenn er eine anderweitige unternehmerische Entscheidung geltend macht.195 Ein Anspruch scheidet in jedem Fall aus, wenn die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung von der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit die in den (nicht abschließend benannten) Regelbeispielen des § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG genannten besonderen Interessen und die ihm zu Grunde liegende unternehmerische Entscheidung wesentlich beeinträchtigt.196 Eine wesentliche Beeinträchtigung kann sich z. B. aus einem bestimmten, auf besondere Vertrauens- oder Servicegesichtspunkte aufbauenden Kundenbetreuungsangebot ergeben.197 Sofern der Arbeitgeber seinen Marktauftritt an Nachfragewünschen ausrichtet, die etwa die ganztätige Anwesenheit eines bestimmten Arbeitnehmers und damit Vollzeitkräfte voraussetzen, kann er demnach Teilzeitarbeit in seinem Unternehmen vollständig verhindern.198 Insgesamt soll die unternehmerische Entscheidung für einen bestimmten Marktauftritt auch hier unter Schutz gestellt werden.199 5. Schutz unternehmerischer Freiheit im kollektiven Arbeitsrecht Auch im Bereich des Tarifkonflikts ist die Freiheit unternehmerischer Entscheidungen ein zentrales Anliegen, wenngleich die konkrete Reichweite der Freiheit um195 LAG Niedersachsen v. 02. 08. 2002 DB 2002, S. 2331 (2331). Die Gesetzesbegründung verlangt v. Arbeitgeber dabei eine nachvollziehbare, rationale Begründung (BT-Dr. 14/4374, S. 15 ff.), die i. R. einer Missbrauchskontrolle überprüft werden kann. Ebenso Preis, AR Bd. I, § 40 V 1c; Thüsing, NJW 2005, S. 3477 (3479). Strenger offenbar BAG v. 21. 06. 2005 NZA 2006, S. 316 (319); v. 18. 02. 2003 AP Nr. 2 zu § 8 TzBfG. Näher zur Darlegungslast: Hanau, NZA 2001, S. 1168 (1171). Zu einem Befristungskonzept i. R. d. § 14 TzBfG vgl. BAG v. 13. 10. 2004 NZA 2005, S. 401 (401 ff.); Lipke, in: KR, § 14 TzBfG, Rn. 68. 196 Linck, in: Schaub, ArbR-Hdb. § 43 Rn. 114 ff.; Eger, Verringerung der Arbeitszeit, (2003), S. 59; Lorenz, Die Verringerung der Arbeitszeit auf Wunsch des Arbeitnehmers, (2005), S. 172 f., 189 ff. 197 BAG v. 16. 10. 2007 NZA 2008 S. 290 (292) – „one face to the customer“; v. 16. 10. 2007 – Az. 9 AZR 321/06 – zit. n. juris; v. 18. 05. 2004 NZA 2005, S. 108 (108); v. 30. 09. 2003 AP Nr. 5 zu § 8 TzBfG; ArbG Nienburg, NZA 2002, S. 382 (384); Müller-Glöge, in: MüKo-BGB, § 8 TzBfG, Rn. 30 f.; Schüren, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 162, Rn. 73; Düwell, in: FS Leinemann (2006), S. 3 (17); Lorenz, Die Verringerung der Arbeitszeit auf Wunsch des Arbeitnehmers, (2005), S. 191 ff.; differenzierend Linck, in: Schaub, ArbR-Hdb. § 43 Rn. 128 ff. Auch ein bes. pädagogisches Konzept unterliegt nur einer gerichtlichen Missbrauchskontrolle (BAG v. 18. 03. 2003 AP Nr. 3 zu § 8 TzBfG; vgl. a. Gaul, in: HWK, § 15 BEEG, Rn. 17). Zu eng dagegen BAG v. 15. 8. 2006 NZA 2007, S. 255 (255 f.); daher krit. Mühlhausen, NZA 2007, S. 1264 (1265 ff.). 198 Zu weitgehend daher Schüren, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 162, Rn. 74. 199 Auch wenn die Rspr. einen strengen Überprüfungsmaßstab entwickelt hat, wird auch von ihr anerkannt, dass die unternehmerische Entscheidung, wonach ein spezielles Markt- bzw. Nachfragesegment bedient werden soll, schützenswert ist. Zum Maßstab das § 7 BUrlG, der ebenfalls unternehmerische Belange über das Merkmal der dringenden betrieblichen Gründe berücksichtigt, vgl. BAG AP Nr. 150 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Dörner, in: ErfK, § 7 BUrlG, Rn. 23 f., 26. Auch in diesem Zshg. soll der unternehmerischen Freiheit Geltung verschafft werden, um die Geschäftstätigkeit nach außen nicht zu beeinträchtigen.
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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stritten ist.200 Speziell die Unternehmenspolitik (die unternehmerische Planung und Entscheidung) gehöre nicht zu den tariflich regelbaren Gegenständen,201 da der Tarifvertrag keine Normen für den äußeren Bereich und die Teilnahme am Markt setzen könne.202 Überdies müsse dem Arbeitgeber u. a. bei Personalentscheidungen ein hinreichender Entscheidungsspielraum verbleiben.203 Auch das BetrVG lässt die Planungs-, Leitungs- und Organisationskompetenz des Arbeitgebers im Grundsatz unangetastet, da die Entscheidung rechtlich eine des Unternehmers bleibt, der grundsätzlich auch allein dafür die Haftung trägt.204 Betriebsverfassungsnormen, die die Mitbestimmung in wirtschaftlichen oder personellen Angelegenheiten so weit ausdehnen, dass sie die Unternehmensführung praktisch entziehen, sind nicht zulässig, da dem Arbeitgeber stets ein angemessener Handlungs- und Entscheidungsraum, also eine gewisse Flexibilität zur selbstverantwortlichen Unternehmerinitiative verbleiben muss, um stets eine rasche Anpassung an sich verändernde Marktveränderungen vollziehen zu können.205 Mithin zeigt sich auch im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts, dass die Freiheit unternehmerischer Grundentscheidungen zugunsten einer erfolgreichen Marktausschöpfung und deren Umsetzung mittels Personalpolitik anerkannt wird. 200 Vgl. hierzu insb. Dieterich, in ErfK, Einl. GG, Rn. 54; Schliemann, in: Recht und Freiheit, 2003, S. 1 (2 ff., 8 ff.), Zöllner, NZA, Beil. Heft 3/2000, S. 1 (2). Grdl. Hueck/Nipperdey, Bd. II § 19 S. 373 ff. Für weitgehende Einschränkungen der Tarifautonomie, v. a. zum Schutz unternehmerischer Freiheit u. a. Farthmann/Coen, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 19, Rn. 85; Löwisch, ZfA 1996, S. 293 (315). Vgl. a. BAG v. 31. 07. 2002 BB 2002, S. 2504 (2505). A. A. Waltermann, in: FS 50 Jahre BAG, S. 913 (913 f.). Zusammenfassend Pfeiffer, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. H, Rn. 124. 201 Löwisch/Rieble, TVG, § 1, Rn. 274; Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, S. 1017 (1019); i. Erg. ähnlich Dieterich AuR 2007, S. 65 (69 f.). 202 Farthmann/Coen, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 19, Rn. 86. 203 LAG Schleswig-Holstein v. 27. 03. 2003 NZA-RR 2003, S. 592 (592 ff.); Franzen, in: ErfK, § 1 TVG, Rn. 43; Wollenschläger, Arbeitsrecht, Rn. 137; Grimm/Pelzer, NZA 2008, S. 1321 (1322); Zöllner, NZA, Beil. Heft 3/2000, S. 1 (2). Er könne jedenfalls nicht gezwungen werden, Arbeitnehmer gegen seinen Willen einzustellen, eine bestimmte Zusammensetzung der Belegschaft einzuhalten oder Arbeitskräfte über Bedarf zu beschäftigen (Löwisch/Rieble, in: MünchArbR, § 259, Rn. 65). Zur Problematik der Besetzungs- oder Einstellungsklauseln: BAG v. 24. 04. 1997 AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969. 204 Vgl. insb. §§ 111 – 113 BetrVG; hierzu u. a. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 627; Buchner, NZA 1991, S. 577 (587); Fauser/Nacken, NZA 2006, S. 1136 (1138). Allg. zum Verhältnis des BetrVG zur unternehmerischen Freiheit: v. Hoyningen-Huene, in: MünchArbR, § 301, Rn. 1 ff.; Hueck/Nipperdey, Bd.II/2 § 68 III, S. 1319 f. Zu weitgehend daher BAG v. 04. 03. 1986 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit u. v. 31. 08. 1982 AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, wonach es gerade keine mitbestimmungsfreie Unternehmerentscheidung gebe; s. nunmehr auch ArbG Berlin v. 12. 4. 2007 – Az. 2 BV 5126/07 – kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einrichtung der Beschwerdestelle nach § 13 AGG; hiergegen LAG Hamburg v. 17. 4. 2007 – Az. 3 TaBV 6/07. Zur Grenzziehung der unternehmerischen Freiheit im Mitbestimmungsrecht vgl. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 61. 205 Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 60 f.; ähnlich bereits Hueck/Nipperdey Bd.II/2 § 68 III, S. 1319; Brors, NZA 2004, S. 472 (473); Buchner, NZA 1991, S. 577 (586 f.). Einschränkend Vogt, RdA 1984, S. 140 (153 f.).
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
6. Zwischenergebnis Entgegen der Aussage, dass es „die“ freie unternehmerische Entscheidung im Arbeitsrecht gar nicht gebe,206 ist zusammenfassend festzuhalten, dass die unternehmerische Freiheit als grundlegendes Rechtsprinzip allgemein anerkannt ist, auch wenn die exakte Ausprägung des Schutzes in den einzelnen dargestellten Bereichen oftmals umstritten und umkämpft ist. Im Rahmen dieser Anerkennung werden rückblickend vor allem folgende Wesenszüge von unternehmerischer Freiheit deutlich: Die grundlegende Unternehmenspolitik soll vor dem Zugriff durch andere als dem Unternehmer geschützt sein, um unzumutbare und damit verfassungswidrige Beschränkungen unternehmerischer Freiheit zu vermeiden. Besondere Substanz gewinnt die Freiheit in den Bereichen, in denen der Unternehmer eine Entscheidung zugunsten eines speziellen Marktauftritts getroffen hat, der dazu dient, sich entsprechend der (antizipierten) Nachfragebedürfnisse am Markt bzw. in einem bestimmten Marktsegment positionieren und behaupten zu können. Die unternehmerischen Befugnisse werden dabei übergreifend mit dessen grundlegender Risikoverantwortlichkeit begründet. Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialordnung überträgt dem Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko (sprich das Risiko in Fällen, in denen die Fortsetzung des Betriebs wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird) insbesondere für die Fehlbeurteilung von Marktbedingungen und die daraufhin getroffene Gestaltung des Betriebes.207 Nur am Markt auftretende Selbständige und Arbeitgeber-Unternehmer, die am Markt als Geschäftsherren erscheinen, tragen das Berufs- und Existenzrisiko selbst, machen Gewinn und erleiden Verluste bezogen auf ihre Wirtschaftseinheit,208 während sich der Arbeitnehmer seiner Gewinnaussichten am Markt und seiner wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten weitestgehend begibt und an den Chancen und Risiken aus der Marktteilnahme nicht partizipiert. In vielen Bereichen des Arbeitsrechts finden sich dementsprechend verschiedene Ausprägungen des Verbots der Überwälzung des Unternehmer- bzw. Marktrisikos, wie etwa das prinzipielle Verbot der Verlagerung des Betriebs- und Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer im Rahmen des
206
Vgl. Walker, ZfA 2004, S. 501 (507). Vgl. BAG v. 18. 05. 1999 AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Betonsteingewerbe; v. 27. 09. 1994 (GS) SAE 1996, S. 1 (3 f.) m. Anm. Koller; v. 22. 12. 1980 AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; v. 13. 08. 1980 AP Nr. 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 23. 04. 1980 AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 06. 08. 1953 BAGE 18, S. 87 (100 ff.); Linck, in: Schaub, ArbRHdb. § 101, Rn. 14; Krause, in: HWK, § 615 BGB, Rn. 112; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 1 III 1; Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (202); Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 19 f. (m.w.N.), 123 ff. Zur (freiwilligen) Risikoverantwortlichkeit als Abgrenzungskriterium zur Arbeitnehmereigenschaft s. nur Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 61. Aus ökonom. Sicht grdl. Knight, Risk, Uncertainty and Profit, 1921, S. 76 ff. 208 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 67, 75 f., 127. 207
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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§ 138 BGB209, des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG210 oder auch des § 11 AÜG.211 Wirtschaftliches Risiko, das der unternehmerischen Chance auf Gewinnerzielung gegenübersteht, und wirtschaftliche Freiheit hängen dabei eng zusammen.212 Dies entspricht dem rechtlichen Grundgedanken, dass Vorteil und Gefahr, Initiative und Verantwortung zusammengehören.213 Die Folgen der Ausübung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit werden dem Unternehmer finanziell zugerechnet, wobei ein angemessener Ausgleich von Chancen und Risiko bestehen muss.214 Da der Unternehmer das Risiko am Markt (freiwillig) trägt, muss er die Möglichkeit haben, das Unternehmen nach seinen Vorstellungen (marktorientiert) zu organisieren und zu leiten (unternehmerischer Gestaltungsspielraum).215 Nur so können unternehmerische Chancen und Risiken in ein ausgeglichenes Verhältnis zueinander gebracht werden. Insoweit tritt die Steuerbarkeit bzw. Beherrschbarkeit (des Risikos) als Grenze für Eingriffe in unternehmerische Freiheit hinzu.216 Ohne die Möglichkeit der Risikobeherrschung bei gleichzeitiger Risikohaftung wäre dem Unternehmer eine Garantenpflicht für äußere Umstände auferlegt, die einer angemessenen Legitimationsgrund209
BAG v. 25. 03. 2004 AP Nr. 60 zu § 138 BGB; v. 10. 10. 1990 AP Nr. 47 zu § 138 BGB; Preis, in: ErfK, §§ 305 – 310 BGB, Rn. 49; Richardi, in: MünchHdbAR, § 46, Rn. 18; Trittin, NZA 2001, S. 1003 (1009). 210 Lipke, in: KR, § 14 TzBfG, Rn. 67; Schütz, in: Kasseler Handbuch, 4.4, Rn. 51; Wank, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 116, Rn. 91; Löwisch, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 423 (431); Petrovicki, NZA 2006, S. 411 (411). 211 Pelzner, in: Thüsing, AÜG-Komm., § 3 Rn. 71; Werthebach, NZA 2005, S. 1044 (1045). Vgl. auch Trittin, NZA 2001, S. 1003 (1009). Diesen Grundsätzen entspricht auch die besondere Zuweisung des Betriebsrisikos in § 615 S. 3 BGB (vgl. hierzu RG v. 06. 02. 1923 RGZ 106, S. 272 (272 ff.); BAG v. 22. 12. 1980 AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; v. 18. 05. 1999 AP Nr 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Betonsteingewerbe; Krause, in: HWK, § 615 BGB, Rn. 112). 212 Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 10, Rn. 96; Kirchhof, in: HdbStR VII, § 183, Rn. 8; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 III, Rn. 347; Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 11; Wollenschläger, Arbeitsrecht, Rn. 54. 213 Vgl. Bäumler, Der Anwendungsbreich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 57; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a. 214 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 167 f.; abl. Mikosch, in: FS f. Löwisch (2007), S. 189 (203). 215 BAG v. 21. 06. 2005 NZA 2006, S. 316 (319); LAG Hamm v. 24. 07. 2007 NZA-RR 2008, S. 239 (241 f.); Hromadka/Maschmann, § 10 VII Rn. 406, § 15 II Rn. 26; Bachmann, SAE 2003, S. 336 (341); Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 131. Wird dem Unternehmer seine Entscheidungsfreiheit entzogen und ist ihm dadurch auch die Entschließung zur Verfolgung eines Unternehmenskonzepts verwehrt, kann er sich im Ergebnis am Markt auch nicht mehr erfolgreich betätigen. Hiermit wird dann aber auch jede Rechtfertigung dafür zerstört, dass dem Unternehmer das Wirtschaftsrisiko zufällt. 216 I. d. S. Bäumler, Der Anwendungsbereich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 57 unter Hinw. auf Canaris (in: RdA 1966, S. 41 (43)) und Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 3 ff., 77 ff., 383 ff.; s. a. Beckers, Die Außenhaftung des Arbeitnehmers, 1996, S. 32. Zum Prinzip der Beherrschbarkeit (allg. bzw. als Voraussetzung für einer Risikohaftung im Arbeitsrecht) vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 a; Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (539 ff.).
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
lage entbehren würde.217 Nur durch seine hierzu dienende unternehmensbezogene Gestaltungsmacht kann er die mit dem unternehmerischen Risiko korrespondierenden Chancen zur Gewinnerzielung überhaupt nutzen. Unternehmerische Risikotragung ist hiernach notwendiges Korrelat der Freiheit, gleichsam der Preis für die durch die Grundrechte eröffneten und garantierten Chancen; mithin besteht ein Konnex zwischen individueller Initiative, Verantwortung, Gewinnchance und Risikobelastung des Unternehmers.218 Marktabhängigkeit, Risikoverantwortlichkeit und -beherrschbarkeit dienen mithin als maßgebliche Begründungsansätze für die Durchsetzung von Arbeitnehmerschutz.
V. Die unternehmerische Freiheit im US-amerikanischen Recht Ausgangspunkt wesentlicher Entwicklungen im Anti-Diskriminierungsrecht ist das US-amerikanische Recht. Die Strukturen des Verhältnisses zwischen unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz in dieser Jurisdiktion können als Vergleichsmaßstab dienen. Die unternehmerische Freiheit unterfällt im US-amerikanischen Recht dem Schutz allgemeiner Wirtschaftsfreiheit, der grundlegend im 14. Amendment angelegt ist und zu dem der US-Supreme-Court (U. S. S. C.) drei Phasen entwickelt hat. Die Rechtsprechung orientiert sich an der sog. „due protection clause“ des 14. Amendments219, die die Frage im Hinblick auf ein substantielles Schutzverständnis aufgeworfen hatte (substantial due process). Bis zur Entscheidung Locher im Jahre 1905220 hielt sich das Gericht bei Beurteilungen wirtschaftlicher Normen weitgehend zurück, während mit der Entscheidung eine Phase des „early“ oder „economic substantive due process“, also einer strengeren Inhaltskontrolle einsetzte. Die Anwendung dieses mittleren Prüfungsmaßstabs (medium level scrutiny) wurde jedoch 217
In diese Richtung Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (540); vgl. auch Koller, Anm. zu BAG (GS) v. 27. 09. 1994, SAE 1996, S. (6 f.). 218 Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 61; Merten, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 20, Rn. 59 – Freiheit ohne Risiko und Verantwortung sei eine qualitativ andere Freiheit, als sie das Grundgesetz meint, weil totale Risikolosigkeit auch zu totaler Verantwortungslosigkeit führe; Thüsing, in: HWK, vor § 611 BGB, Rn. 56 ff. 219 Die Generalklausel lautet: „nor shall any state deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law; nor deny any person within its jurisdiction the equal protection of the laws“. Zu den Abweichungen zwischen Bundes- und Ländergrundrechten vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 2, Rn. 1. 220 Locher vs. People of State New York, 198 U. S. 45 (57 ff.). Das Gericht erkannte in einem Gesetz zur Beschränkung der Arbeitszeit von Bäckern einen Eingrif in die vom 14. Amendment geschützte Vertragsfreiheit und hielt die Maßnahme, die Gefahren für die Gesundheit von Bäckern begründet wurde, auch nicht für gerechtfertigt, da ein Zshg. zwischen Mittel und Zweck bestehen und der Zweck selbst angemessen und legitim sein müsse; das rechtfertigende Interesse müsse „gewichtig“ („substantial“) sein.
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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mit den Entscheidungen Nebbia (1934)221 und West Coast Hotel (1937) aufgegeben. Der U. S. S. C. hat die Kontrolle damit wieder deutlich zurückgenommen und beschränkt sich nunmehr auf eine Willkür- und Evidenzkontrolle wirtschaftsgesetzlicher Regelungen, die heute als „rational basis test“ bezeichnet wird.222 Die Rechtsprechung läuft auf eine Vermutung der Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Regelung und einen weitgehenden Rückzug der verfassungsgerichtlichen Kontrolle gegenüber dem Wirtschaftsgeschehen hinaus,223 so dass ein fundierter Schutz von unternehmerischer Freiheit erst in den einzelnen Sachbereichen – hier im Bereich arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes – zu suchen ist.
VI. Zwischenergebnis Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ist der Ausgangspunkt und die Voraussetzung eines jeden unternehmerischen Wirkens auf dem freien Wettbewerbsmarkt. Sie ist weniger auf internationaler, dafür aber unter verschiedenen Anknüpfungspunkten auf europäischer und nationaler Ebene geschützt. Das Europarecht stellt hierbei schon aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung die freie Wirtschaftsbetätigung am Markt in den Vordergrund seiner Überlegungen. Über die primärrechtlichen Marktfreiheiten und die grundrechtsbildende Rechtsprechung des EuGH wurde mit Art. 16 GRCh ein spezielles Grundrecht für Unternehmer geschaffen, welches nunmehr über Art. 6 Abs. 1 EU zum Bestandteil des Europäischen Primärrechts geworden ist.224 Auf nationaler Ebene erfährt die Freiheit grundrechtlichen Schutz, wobei hier Art. 12 Abs. 1 GG als zentraler Anknüpfungspunkt der Gewährleistung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit im Vordergrund steht.225 Als notwendiges Mittel zur (internen) Unternehmensführung ist hierunter auch die Arbeitsvertragsfreiheit des Unternehmers gesichert. Ein schematischer Vergleich des gemeinschaftsrechtlichen und des deutschen Grundrechtsschutzes bereitet zwar gewisse Schwierigkeiten;226 dennoch lässt sich 221
Nebbia vs. People of State New York, 291 U. S. 502 (539). Vgl. Weber, Menschenrechte, S. 766 f. Zu den Anforderungen eines sog. „essence of the business“-Tests vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322 ff.). 223 Vgl. Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1987, S. 57 ff.; die „preferred-freedoms-doctrine“ des Supreme Court ist nicht allgemeingültig (Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8b); zum speziellen Unternehmerschutz über die Ausnahmeregelungen zu den einzelnen Differenzierungsverboten (insb. über die Rechtsfigur der bona fide occupational qualification) s. u. unter § 5 C., § 7 A. II. 4. a). 224 Dieses muss sich allerdings erst noch als effektive Schutznorm (evtl. im Zusammenwirken mit einer europäischen Verfassung) erweisen. 225 Eine Notwendigkeit, die gesicherte Basis nur einer einschlägigen Grundrechtsbestimmung schon beim Schutzgegenstand zu verlassen, besteht nicht. Zusätzlich involvierte Grundrechte können auch als Objekte nur mittelbarer oder faktischer Beeinträchtigungen konkurrierend zum primär einschlägigen Grundrecht zur Geltung gebracht werden. 226 Vgl. hierzu näher Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 101. 222
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§ 3 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
feststellen, dass hinsichtlich des Schutzstandards der Berufs- und Unternehmerfreiheit eine gewisse Übereinstimmung in struktureller und materieller Hinsicht herrscht.227 Auf beiden Rechtsebenen wird unternehmerische Entscheidungsfreiheit als schützenswertes Gut erkannt und jeweils unter verschiedenen rechtlichen Aspekten gesichert. Insgesamt wird dabei anerkannt, dass es in einem marktwirtschaftlichen System ein Mindestmaß an unternehmerischer Initiative braucht, die sich sowohl im Wettbewerb als auch im Unternehmen selbst frei entfalten können muss. Mithin hat die unternehmerische Freiheit in beiden Normbereichen einen hohen Stellenwert, dem jeder Eingriff Rechnung tragen muss. Als Ergebnis der Untersuchung bleibt – rechtsebenenübergreifend – festzuhalten, dass das Auftreten am Markt den Kern der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bildet. Hierunter fällt hauptsächlich die Bestimmung und Gestaltung der Produkte und Dienstleistungen, die der Unternehmer erfolgreich am Markt platzieren will. Um im Wettbewerb bestehen zu können, muss der Unternehmer gewisse Nachfragewünsche erkennen und befolgen, d. h. sich hieran anlehnend Marktlücken bzw. -nischen erschließen, in denen er sich behaupten kann. Zur Befolgung von Marktwünschen ist es für den Unternehmer unerlässlich, die Personalstruktur in seinem Unternehmen den Anforderungen des in Aussicht genommenen Marktauftritts anzupassen.228 Nur so kann ihm eine glaubwürdige und damit erfolgversprechende Gesamtorientierung an der strategisch ausgerichteten Unternehmenspolitik gelingen. Gerade diese unternehmenspolitische Leitungsmacht, mittels derer er sein Unternehmen am Markt ausrichten will, schützt Art. 12 Abs. 1 GG unter dem Stichwort unternehmerische Freiheit. Die Marktwirtschaft baut auf den Prinzipien der freien unternehmerischen Entscheidung und der vollen Verantwortung im Sinne von Investitions- und Risikobereitschaft auf.229 Anders gewendet ist das Unternehmerrisiko gekennzeichnet durch unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei finanzieller Zurechnung des Ergebnisses.230 Entscheidend für die Grundrechtsposition des Arbeitgebers ist seine Verantwortung für das Schicksal des Unternehmens, seine Sachkompetenz zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und eine Belastung mit den Risiken 227
Ebenso Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 22; Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (8); Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (7, 9); Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (579); Zachert, NZA 2001, S. 1041 (1044); in diese Richtung a. Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (177). Zu den Divergenzen zwischen dt. und europ. Grundrechtsschutz vgl. insb. Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 102; Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 1. 228 Auch wenn er hierbei an vielen Stellen durch zwingende Normen des Arbeitsrechts beschränkt wird, so wird ihm letztendlich jedoch durchgängig gestattet, seine Entscheidung für eine bestimmte Außendarstellung dem Grunde nach mittels seines Auswahlermessens, seines Weisungs-, Direktions- sowie seines Kündigungsrechts, geradlinig verfolgen zu können. 229 Hueck/Nipperdey, Bd.II/2 § 72 I, S. 1457 f.; Feudner, NZA 2000, S. 1136 (1140). Grdl. zum Risikogedanken im Arbeitsrecht: Canaris, RdA 1966, S. 41 (42 f.). 230 So Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 390. Zu einer Anerkennung durch den EuGH: Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 111.
C. Rechtlicher Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
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einer Fehlentscheidung.231 Aus diesen Gründen ist die Befugnis des Unternehmers zur Bestimmung und Umsetzung grundlegender unternehmenspolitischer Richtungsentscheidungen bisher auch im Arbeitsrecht als fundamentales Strukturprinzip allgemein anerkannt. Nur sofern es dem Unternehmer möglich ist, den Marktauftritt seines von äußeren Nachfragebedingungen abhängigen Unternehmens vorzugeben und zu steuern, ist es auch legitim, ihm das unternehmerische Risiko aufzubürden und seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu beschränken. Aus dem Schutz der unternehmerischen Freiheit resultiert im Ergebnis ein Legitimations- und Rechtfertigungszwang für jedweden Eingriff in den geschützten Freiraum.232 Auch europäische Regelungen verstärken den Rechtfertigungsdruck für hoheitliche Regelungen von Berufswahl und -ausübung.233 Generell wird dem Unternehmer ein starker – praktisch eingriffsresistenter – Schutz gewährt, sofern die Beschränkung dazu führt, dass die Ausrichtung an Kundenwünschen als solche unmöglich wird, bzw. nur noch in einem Rahmen zugelassen wird, der wesentliche (Struktur-)Merkmale unternehmerischen Handelns weitgehend ausblendet. Mithin ist die unternehmerische Freiheit im Sinne eines freien Marktauftritts rechtlich geschützt,234 so dass nunmehr der Blick dahin gehen soll, welchen Eingriffen gerade dieser Bereich durch Diskriminierungsschutznormen unterliegt.
231 Vgl. BAG v. 09. 07. 2008 NJW 2008, S. 3803 (3804); Hromadka/Maschmann, § 1 III Rn. 35; Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, S. 1017 (1024). 232 Grdl. Breuer, in: HdbStR VI, § 148, Rn. 24 ff.; Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 2a Bd.III/2, § 84 II 4b. Vgl. a. Hanau, in: FS Konzen (2007), S. 233 (235); Tettinger/Stern, GRCh, Art. 15, Rn. 29. Dies gilt umso mehr und führt zu gesteigerten Anforderungen, je stärker der Unternehmer in seiner beruflichen Entfaltungsmöglichkeit eingeschränkt wird. 233 Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 6. 234 Vgl. Hromadka, ZfA 2002, S. 383 (383): „… in der Theorie unangefochten.“
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Sachwortverzeichnis
Soziale Marktwirtschaft 45 f. Sozialstaatsprinzip 87 f., 360 Sprachkenntnisse 172 f., 249 f., Staatsangehörigkeit 169 Stellenausschreibung 121, 125 f., 188 Synallagma 250 ff. Tarifrecht 74 f., 257 f. Teilzeit 193, 200 Teilzeitanspruch 73 f. Teleologische Reduktion 258 ff. Tendenzschutz 177, 207, 267 ff. Türsteher 167, 290 f. Unmittelbare Diskriminierung 94 f. Unternehmenskonzept 320 ff. Unternehmer 41 (Autonome) Unternehmerische Entscheidung 68 f., 320 ff., 389 Unternehmerische (Entscheidungs-)Freiheit 41 ff., 51, 53 ff., 68 ff., 182, 236 f., 238 ff., 247 ff., 267, 319 f. Unternehmerische Freiheit, Kernbereich 58 f., 80, 220 f., 260, 310, 345 f., 348 Unternehmerisches Risiko 60, 69, 76 f., 237, 245, 348 f. Unverzichtbarkeit 139 f., 248 f., 255 US-amerikanisches Recht 78 f. US-Supreme-Court 78, 101
Verfassungskonforme Auslegung 114, 376 Verhältnismäßigkeit 91, 114 f., 120, 136, 216, 337 ff., 353 ff., 370 f., 390 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union 46 Vertragsfreiheit 50, 51, 57, 61, 65, 68 Völkerrecht 43 f., 82, 101 f. Voreingenommenheit 228 f., 260, 276, 307, 317 Vorurteil 263, 272, 279, 286, 288, 304, 307, 318 f., 337 Vorurteilsfreiheit 261 f., 267 ff., 277, 281, 293 f., 312 ff., 317 ff., 332 Weltanschauung 175 Wesensgehalt 215, 219 f. Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung 118 ff., 141 ff., 154, 159, 176, 184, 248 ff., 254, 272, 273 Wettbewerbsfreiheit 45, 51, 57, 58 f., 238 ff. Wirtschaftsfreiheit 1, 51, 62 f. Wirtschaftsverfassung 45, 238 Wissens-/Qualifikationsvorsprung 301, 312 ff., 316, 322 Zivilrechtliches Anti-Diskriminierungsgesetz 33 Zumutbarkeitsgrenze 185, 337, 353 ff., 358 ff., 378 ff., 384 ff.
§ 4 Allgemeine Eingriffe in die unternehmerische Betätigungsfreiheit Nachdem der Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit konkretisiert wurde (Kap. § 3), ist nunmehr festzustellen, inwieweit in Diskriminierungsschutzkonstellationen ein Eingriff in diesen Bereich stattfindet. Dabei wird zunächst in allgemeiner Form betrachtet, in welchem Zusammenhang und durch welche Mechanismen der festgestellte Schutzgehalt durch hoheitliche Maßnahmen beschränkt werden kann (Kap. § 4). Hiernach fokussiert sich der Blick auf die konkrete Beeinträchtigung unternehmerischer Freiheit durch arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (Kap. § 5).
A. Eingriff in unternehmerische Freiheit auf völkerrechtlicher Ebene Der Schutz unternehmerischer Freiheit auf völkerrechtlicher Ebene ist nur schwach ausgeprägt.1 Daher kann zu Eingriffen in die Freiheit auf dieser Rangstufe des Rechts nichts Substanzielles gesagt werden.2 Fraglich ist jedoch, inwieweit völkerrechtliche Normen in die national verbürgte Freiheit eingreifen. Insbesondere internationale Normen des Sozialschutzes bilden Ansatzpunkte nationaler Hoheitgewalten für eine mäßigend wirkende Eingriffspolitik zu Lasten unternehmerischer Freiheit. Arbeitsvölkerrecht richtet sich jedoch generell nicht an die Subjekte des Arbeitsrechts,3 so dass solche Rechtssätze jedenfalls keinen unmittelbaren Eingriff in die unternehmerische Freiheit bewirken.
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s. o. unter § 3 C. I. Vgl. nunmehr Art. 52 III und Art. 53 GRCh, die den Schutzbereich der Grundrechte im Verhältnis zur europ., völkerrechtlichen und sonstigen internationalen Übereinkommen, v. a. zur EMRK definieren (s. Zachert, NZA 2001, S. 1041 (1043)). 3 s. o. unter § 3 C. I. 2.; vgl. a. Müller-Glöge, in: MüKo-BGB, § 611, Rn. 260. 2
B. Eingriff in unternehmerische Freiheit auf europäischer Ebene
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B. Eingriff in unternehmerische Freiheit auf europäischer Ebene durch europäische Normen und die Rechtsprechung des EuGH Als Eingriffe in (europäische) Grundrechte kommen zuvörderst unmittelbare Beeinträchtigungen in Betracht.4 Sie liegen hier wie im Allgemeinen vor, wenn ein Grundrechtsadressat eine normative Regelung trifft, die für den Grundrechtsinhaber einen Nachteil bezweckt oder unmittelbar bewirkt.5 Da der Schutz unternehmerischer Freiheit aus verschiedenen Anknüpfungspunkten resultiert, kann man die Freiheit etwa bei Eingriffen in die Grundfreiheiten beeinträchtigt sehen;6 umgekehrt kann sie aber auch durch die Grundfreiheiten, insbesondere durch die in ihnen enthaltenen Diskriminierungsverbote, betroffen werden.7 Besonders der sich im Ausbau befindliche europäische Sozialschutz8 bietet die Grundlage für Eingriffe in unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Im Bereich des Arbeitsrechts stellen Berufsfreiheiten von Beschäftigten (vgl. etwa Art. 15 Abs. 1 GRCh) in der Regel automatisch Beschränkungen der Freiheit des Arbeitgebers dar.9 Die Würdigung der Grundrechtsbegrenzungen hat sich auch auf die Judikatur des EuGH zu beziehen, der den gemeinsamen Rechtsgrundsätzen der Gemeinschaftsordnung mit bestimmten Grundrechtsgewährleistungen auch zugehörige Grundrechtsgrenzen entnommen hat.10 Eingriffskompetenzen stehen hiernach am ehesten im Schutzbereich wirtschaftsbezogener Grundrechte (u. a. der wirtschaftlichen Betäti-
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Ob daneben auch mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen Eingriffe sind und Abwehransprüche auslösen, ist unklar (vgl. Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (267)). 5 Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 29; handelt es sich um die mittelbaren bzw. faktischen Auswirkungen von Rechtsakten und anderen Maßnahmen, liegt ein Eingriff vor, wenn die belastenden Auswirkungen dem Grundrechtsadressaten nicht zurechenbar sind. Generell ist bedeutsam, ob die Maßnahme hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkungen auf die freie Berufsausübung hat (Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 11). Taugliche Grundlage für Begrenzungen können unterschiedlichste Rechtsnormen sein, die sich beschränkend auf die unternehmerische Freiheit auswirken – allg. hierzu Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 III 3. Dabei wirken sich europäische Normen oftmals auf europarechtliche und auf nationale Freiheitsgarantien aus. 6 Vgl. z. B. EuGH v. 11. 07. 2002 EuGH Slg. 2002 I-6279 (6280, 6321) (Carpenter). s. auch Schwarze, NJW 2005, S. 3459 (3460). 7 Das Eingriffsverständnis ist dabei auf die Marktteilnahme ausgerichtet (vgl. Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 25, 28). Zum Arbeitnehmerschutz als Einschränkungsgrund vgl. Wißmann, in: ErfK, Art. 39 EG, Rn. 57. 8 Vgl. o. unter § 3 C. II. 1. 9 Vgl. Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 17. Zur Bindungswirkung der Charta ggü. Privaten s. Jarass, EU-Grundrechte, § 20, Rn. 3. 10 Als wichtigste Form der Grundrechtsbegrenzung dient dem EuGH der „Gesetzes“vorbehalt bzw. in seiner Diktion die Einschränkbarkeit bestimmter Grundrechte (hierzu etwa Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 II 9, 9a).
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§ 4 Allgemeine Eingriffe in die unternehmerische Betätigungsfreiheit
gungsfreiheit) zur Verfügung.11 Insgesamt herrscht ein weites Eingriffsverständnis.12 Letztlich wird jede Regelung erfasst, die wirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten beschränkt.13 Folgt man diesen Prämissen, ist jedenfalls eine Prüfung des Grundrechts der Berufsfreiheit unter diesem Gesichtspunkt veranlasst.14
C. Eingriffe in unternehmerische Freiheit auf nationaler Ebene I. Eingriffe nach verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundsätzen Die Erwerbstätigkeit der Unternehmer ist Gegenstand zahlreicher staatlicher Regulierungen. Soweit der Gesetzgeber diesen Grundrechtsträgern imperativ bestimmte Pflichten auferlegt, handelt es sich – unabhängig von spezifischen Intentionen solcher Befehle zur Berufsregelung – um einen Eingriff in grundrechtliche Freiheitssphären, der an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist.15 Zu beachten bleibt daneben auch die Befehlsähnlichkeit mittelbarer staatlicher Verhaltenslenkung durch die Anordnung nachteiliger Folgen für den Fall bestimmter Verhaltensweisen (sekundäre Sanktionierung von Ungehorsam – etwa mittels Schadensersatzpflichten).16 Hierzu zählen v. a. hoheitliche Ge- und Verbote, mit denen die ökonomische Aktivität von Unternehmensleitungen reglementiert bzw. die freie unternehmerische Entscheidung verboten oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird; exemplarisch zu nennen ist die Beschränkung der freien Auswahlentscheidung des Arbeitgebers u. a. durch gesetzliche Benachteiligungsverbote, Abschlussgebote, Vorgaben für das Auswahlermessen etc.17 Unter einen solchen Eingriff sind auch Anti-Diskriminierungsregelungen zu subsumieren, welche sich je nach ihrer Wirkungsweise sowohl (grundsätzlich) auf die Berufsausübungsfreiheit, als auch (ausnahmsweise)
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Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 771, Fn. 2. Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 26; Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (271). 13 Zum aktuellen Streit um die Frage nach der Schutzpflichtdimension der vom EuGH entwickelten Gemeinschaftsgrundrechte (wie der Berufsfreiheit der unselbständig Beschäftigten) – z. B. bei diskriminierenden Rechtsgeschäften, s. Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 105, 107. 14 So Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 14. 15 Manssen, Staatsrecht II, Rn. 96, 98; Dieterich, AuR 2007, S. 65 (67). 16 Vgl. grdl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2; §78 III 1b. 17 Vgl. BVerfG v. 26. 05. 1981 BVerfGE 57, S. 139 (158); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 78, 90, 102; Walker, ZfA 2004, S. 501 (502). Der Schutzbereich des Art. 12 I GG ist schon dann betroffen, wenn der Arbeitgeber gehindert wird, den Arbeitnehmer entspr. seinen unternehmerischen Interessen einzusetzen (BAG v. 15. 06. 2004 NZA 2005, S. 462 (464); krit. Picker (in: ZfA, 2005, S. 353 (360)). 12
C. Eingriffe in unternehmerische Freiheit auf nationaler Ebene
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auf die Berufswahlfreiheit des Arbeitgebers auswirken können.18 Die Eingriffe in die unternehmerische Freiheit finden demnach regelmäßig auf einfachgesetzlicher Ebene statt, werden aber häufig auch gegenläufigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen entnommen.19 Dies kann beispielhaft an der Beschränkung des Fragerechts bzw. der Informationsfreiheit des Arbeitgebers20 demonstriert werden, zu deren Begründung in erster Linie auf spezielle Grundrechte (z. B. Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG), einfachgesetzliche Diskriminierungs- bzw. Differenzierungsverbote oder auf das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (als sonstiges Recht i. R. d. § 823 Abs. 1 BGB), an seiner informationellen Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) und an der Unverletzlichkeit seiner Privat-, Individual- bzw. Intimsphäre abgestellt wird.21 Die Unzulässigkeit einer Frage wegen Überschreitung der Grenzen des Fragerechts hat zur Folge, dass der Bewerber nicht nur zu schweigen braucht, sondern sie unwahr beantworten darf,22 wodurch die Auswahl- und Abschlussfreiheit des Arbeitgebers eingeschränkt wird. In entsprechenden Fällen ist es ihm kaum mehr möglich, sein Marktauftreten durch die Einstellung solcher Arbeitskräfte zu steuern, die den vom Arbeitgeber verorteten Nachfragewünschen entsprechen, sofern die gewünschte Eigenschaft des Bewerbers mit einem verbotenen Fragebereich korrespondiert.23 Auch dem unternehmerischen Direktionsrecht24 werden durch Gesetz, Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung Grenzen gezogen (vgl. § 106 S. 1 GewO, § 315 BGB).25 Speziell das Gebot zur Wahrung billigen Ermessens26 setzt voraus, dass auch die Grundrechte des Arbeitnehmers27 und die Diskriminierungsverbote ange-
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So Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 47 ff., 140 f., 313 ff., 342; Wiedemann/ Thüsing, DB 2002, S. 463 (463). 19 s. Dreier, in: Dreier, Art. 2 I GG, Rn. 63; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG, Rn. 55a. 20 Vgl. hierzu bereits o. unter § 3 C. IV. 2. 21 Vgl. stellv. Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 11 ff.; Mankowski, JZ 2004, S. 121 (127); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1494). Vgl. auch § 7 II BGleiG u. § 12 DiskE ArbVG Henssler/Preis, NZA Beil. 23/2006, S. 6 (9). 22 Braun, MDR 2004, S. 64 (65); Preis/Bender, NZA 2005, S. 1321 (1322). 23 Näher zu den einzelnen Fällen u. unter Kap. § 5 C. 24 Vgl. hierzu o. unter § 3 C. IV. 3. 25 Vgl. BAG v. 23. 09. 2004 NZA 2005, S. 359 (361); Schöne, NZA 2002, S. 829 (830 f.); z. T. krit. hierzu Richardi, in: Staudinger (1999), § 611 BGB, Rn. 246. Überdies wird das Recht per Einzelarbeitsvertrag autonom gestaltet. 26 Hierzu insb. BAG v. 15. 11. 2000 NZA 2001, S. 386 (386); v. 20. 12. 1984 NJW 1986, S. 85 (86); Preis/Greiner, RdA 2003, S. 244 (245). 27 Bei Kleiderordnungen etwa sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht – jedenfalls bei Einschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit oder wg. einer außerordentlich ungünstigen Optik (Blomeyer, in: MünchHdbAR, § 97, Rn. 28; Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379)).
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§ 4 Allgemeine Eingriffe in die unternehmerische Betätigungsfreiheit
messen berücksichtigt werden,28 was ebenfalls zu Beschränkungen der die Außendarstellung steuernden Leitungsmacht führt.
II. Eingriffe aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichtenwirkung und des sozialstaatlichen Prinzips Neben den vorgenannten Prinzipien gewinnen Eingriffe in die unternehmerische Freiheit infolge der grundrechtlichen Schutzpflichtenwirkung besondere Bedeutung.29 Die zivil- bzw. arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Privatautonomie, die voraussetzt, dass die Bedingungen freier Selbstbestimmung im Sinne eines Zustands faktischer Symmetrie als Voraussetzung privatautonomen Handelns gegeben sind,30 muss unter allen Gesichtspunkten diese individuelle Souveränität ermöglichen, gerade wenn sie durch privatrechtliche, privatwirtschaftliche oder soziale Machtpositionen und daraus resultierende (strukturelle) Ungleichgewichtslagen bedroht wird.31 Nach der Idee der Schutzpflichtenwirkung darf der Schutz zugunsten des anderen nicht uneffektiv bleiben („Untermaßverbot“).32 Besonders das Arbeitsverhältnis wird durch soziale Schutzpflichten gekennzeichnet.33 Mit diesem allgemeinen Be28 Vgl. BAG v. 23. 09. 2004 NZA 2005, S. 359 (362); v. 15. 11. 2000 NZA 2001, S. 386 (386 f.); v. 18. 09. 1986 AP Nr. 9 zu § 15 BAT; Lembke, in: HWK, § 106 GewO, Rn. 108 f., 120, 125; Schuster/Darsow, NZA 2005, S. 273 (274). 29 Die Schutzpflichtenwirkung wird als eine Grundbedeutung für die objektiv-rechtlichen Gehalte der Grundrechtsbestimmungen genannt und wurzelt in Art. 1 I 2, 2 I, II GG und im Sozialstaatsprinzip (vgl. BVerfG v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (254)). Zur Kritik in der Lit., die behauptet, die Konstruktion führe zu einer Aushöhlung des Gedankens der Privatautonomie, vgl. d. Nachw. bei Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 114 („Danaergeschenk“); Klein, JuS 2006, S. 960 (960). 30 So BVerfG v. 19. 10. 1993 BVerfGE 89, 214 (232). Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, dass er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung, da mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten ist (BVerfG v. 15. 07. 1998 BVerfGE 98, S. 365 (395)). 31 St. Rspr. d. BVerfG, s. nur BVerfG v. 26. 07. 2005 BVerfGE 114, S. 1 (34 f.); v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (254 f.). Vgl. a. BAG 30. 08. 2000 NZA 2001, S. 613 (615); Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 5, Rn. 49 ff.; Podlech, in: AK-GG, Art. 2 I, Rn. 59e (insb. zur Strukturellität); Schwarze, ZfA 2003, S. 447 (459). Die Rechtsfigur wird a. v. der EMRK und vom EuGH anerkannt (vgl. Klein, JuS 2006, S. 960 (963)). Krit. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 8 I 5. 32 Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG, Rn. 55a; Dieterich, RdA 1995, S. 129 (134); weiter differenzierend Klein, JuS 2006, S. 960 (961 f.). 33 Vgl. etwa BVerfG v. 21. 6. 2006 NZA 2006, S. 913 (913); v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (176); BAG v. 31. 07. 2002 NZA 2002, S. 1155 (1157); Krause, ZfA 2005, S. 687 (694). Aufgrund ihrer Wirkung muss die Zivil-/Arbeitsrechtsrechtsordnung in diesen Fällen aktiv reagieren, (arbeitnehmer-)schützend (korrigierend) eingreifen und die Gefahr der Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger vorbeugend abwehren (BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959); v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (176); BAG v. 30. 08. 2000 NZA 2001, S. 613 (615)).
C. Eingriffe in unternehmerische Freiheit auf nationaler Ebene
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gründungsmuster werden zunehmend auch zivil- und arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote untermauert.34 Fraglich ist jedoch, mit welcher Intensität diese Grundrechtswirkung in vorliegender Konstellation zur Anwendung kommt, denn insbesondere dem Gesetzgeber steht dabei ein weiter rechtspolitischer Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zur Verfügung.35 Die grundrechtliche Schutzpflicht kann nur eine äußerste Grenze markieren, die regelmäßig schon im Zivil- bzw. Arbeitsrecht selbst angelegt ist.36 Der weite Spielraum des Gesetzgebers spricht eher dafür, dass der Gesetzgeber aus der Schutzpflichtenwirkung der Grundrechte heraus nicht gehalten war, besondere zivilrechtliche Diskriminierungsverbote zu schaffen.37 Überdies kollidiert die Schutzpflicht typischerweise mit der ebenso verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertragsfreiheit des „stärkeren“ Vertragspartners.38 Zu beachten bleibt damit, dass der mit der Schutzpflicht konkurierenden Berufsfreiheit des Unternehmers im Rahmen der weiten Gestaltungsfreiheit ausgewogen Rechnung zu tragen ist.39 Eine (übergeordnete) Rolle für Eingriffe in unternehmerische Freiheit spielt daneben das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20, 28 GG.40 Als ein oberstes Ziel des Sozial34 Vgl. z. B. Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 41; Dreier, in: Dreier, Art. 2 I GG, Rn. 63; Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (10). Ähnlich Moritz, NZA 1987, S. 329 (332). Dem strukturell unterlegenen Arbeitnehmer müsse staatlicherseits durch gesetzliche Diskriminierungsverbote geholfen werden, um seine Vertragsautonomie zu sichern (BT-Dr. 16/1780, S. 36). Zur Schutzpflichtenwirkung des Art. 3 II, III GG s. Schiek, in: AK-GG, Art. 20 I-III, Kap. V, Rn. 63. 35 BVerfG v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (176); v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (255); Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 12, Rn. 2a. 36 Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 159. Dieser Ausnahmecharakter der Schutzpflichtenmodells, das nur ein Schutzminimum des Grundrechtsträgers gewährleisten will, führt dazu, dass es ggü. der Drittwirkungslehre einen geringeren Optimierungsanspruch besitzt und speziell der Privatautonomie einen weiteren Spielraum belässt (in diese Richtung Schwarze, ZTR 1996, S. 1 (3)). 37 Vgl. insoweit die Argumentation des BVerfG in den Urteilen v. 10. 01. 1995 BVerfGE 92, S. 26 (46) u. v. 16. 11. 1993 BVerfGE 89, S. 276 (285 f.); in diese Richtung a. Dreier, in: Dreier, Art. 2 I GG, Rn. 63. Insoweit auf die höchst abstrakte Ebene hinweisend, auf der die Rechtsfigur beharrt: Klein, JuS 2006, S. 960 (964). 38 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 112. Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 5c, 6b. Entspr. ambivalent ist die Rolle des Staates (Epping, Grundrechte, Rn. 118; Sachs, Verfassungsrecht II, B 2, Rn. 47). 39 Ebenso LRH, vor Art. 1 – 19 GG, Rn. 12; Sachs, in: HdbStRV, § 126, Rn. 121. Aus einem extremen Standpunkt ließe sich sogar schließen, dass der Staat in dem Moment, in dem der Eingriff in die Berufsfreiheit des Unternehmers durch den Diskriminierungsschutz unverhältnismäßig stark würde, aufgrund der Schutzgebotsfunktion des Art. 12 I GG verpflichtet wäre, den Unternehmer zu schützen. A. A. Rittstieg (in: AK-GG, Art. 12 GG, Rn. 110), der sich auf das typischerweise asymmetrische Machtverhältnis im Arbeitsverhältnis beruft. 40 Als verfassungsrechtliches Strukturprinzip legt es ein staatsgerichtetes Ziel fest, zu dessen Verfolgung sämtliche Staatsorgane verpflichtet sind, das aber als objektives Verfassungsprinzip erst legislativ umgesetzt werden muss, um einen einklagbaren Anspruch zu gewähren, vgl. BVerfG v. 27. 04. 1999 BVerfGE 100, S. 271 (284); Sommermann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG II, Art. 20 I, Rn. 103. Als Auslegungsmaxime besitzt es keine selbständige
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§ 4 Allgemeine Eingriffe in die unternehmerische Betätigungsfreiheit
staatsprinzips wird die Verpflichtung des Staates zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit hinsichtlich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne eines Ausgleichs sozialer Gegensätze zur Förderung der Chancengleichheit bezeichnet.41 In vorliegendem Zusammenhang geht es um den Bereich der aufgrund der „sozialstaatlichen Imprägnierung der Wirtschaft und des Privatrechts“ erlassenen arbeitsrechtlichen Vorschriften.42 Hierzu zählen auch die inhaltliche Bestimmung und Begrenzung von Privatautonomie (insbesondere der Vertragsfreiheit)43 und sie prägende besondere soziale Gleichheitsrechte (zur Verwirklichung von Chancengleichheit auch in einem materiellen Sinne bei der regulativen Gestaltung von Arbeitsbeziehungen).44 Das Sozialstaatsgebot, das im Bereich unternehmerischer Tätigkeit von Großunternehmen aufgrund des personalen Bezugs des Art. 12 Abs. 1 GG besonders ausgeprägt sein soll,45 dient gerade bei Benachteiligungsverboten als Legitimationshilfe für Eingriffe in die unternehmerische Freiheit,46 wodurch sich umgekehrt die Prinzipien Markt und Wettbewerb begrenzt sehen.47 legitimierende, unmittelbar grundrechtsbeschränkende Wirkung (Hofmann, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 20, Rn. 30; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 7 V 1b, 2; weitergehend Schiek, in: AK-GG, Art. 20 I-III, Kap. V, Rn. 50; zurückhaltend demgegenüber Merten, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 20, Rn. 64). 41 Es sei insoweit die Aufgabe des Gesetzgebers, Lebensverhältnisse – insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft – gestaltend zu ordnen und nicht dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen (BVerfG v. 27. 04. 1999 BVerfGE 100, S. 271 (284); v. 17. 08. 1956 BVerfGE 5, S. 85 (205 f.); Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG, Kap. VIII, Rn. 36 f.; Dieterich, AuR 2007, S. 65 (65)). 42 BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (36); BVerfG v. 23. 01. 1968 BVerfGE 23, S. 50 (59 f.); v. 07. 08. 1962 BVerfGE 14, S. 263 (282 f.); Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 10, Rn. 93. 43 BVerfG v. 12. 01. 1967 BVerfGE 21, S. 87 (90 f.); BVerfG v. 12. 11. 1958 BVerfGE 8, S. 274 (329); Kittner, in: AK-GG (1989), Art. 20 I-III, Kap. IV, Rn. 59, 87. 44 BVerfG v. 14. 10. 1970 BVerfGE 29, S. 260 (267); Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG II, Art. 20 I, Rn. 128. 45 In diese Richtung BVerfG v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (400); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (363). Der Schutz unternehmerischer Freiheit sei hier zugunsten sozialstaatlicher Interessen nur schwach ausgebildet (Rittstieg, in: AK-GG, Art. 12 GG, Rn. 50). Ähnlich Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (4 f.). Gegen eine solche Relativierung unternehmerischer Freiheit Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 16; Leisner, in: HdbStR VI, § 149, Rn. 116; Junker, Arbeitsrecht, § 1, Rn. 14. Weitergehend Scholz (in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 46). 46 Vgl. Schiek, in: AK-GG, Art. 20 I-III, Kap. V, Rn. 64; Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, S. 32 (36); Spranger, DVBl. 1998, S. 1058 (1061). Z. T. wird das Sozialstaatsprinzip hierbei anderen verfassungsrechtlichen Schranken von unternehmerischer Freiheit zugeordnet (vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 174 (bzgl. Art. 3 III 2 GG)). Im Kern werden Diskriminierungsverbote jedoch oftmals als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips bezeichnet, da eine diskriminierende unternehmerische Personalmaßnahme, die ein bloßes Unterlassen (einer Einstellung, Beförderung, etc.) nach sich zieht, nach minimalstaatlichen Vorstellungen irrelevant bliebe (so Neuner, JZ 2003, S. 57 (60)). Weitergehender wird angenommen, in sozialstaatlicher Ausformung des Art. 12 I GG könne zugunsten des Arbeitnehmers „ein Anspruch … gegen den potentiellen Arbeitgeber auf eine sachbezogen objektivierte Entscheidung über seine Bewerbung“ anerkannt werden (so Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 65; in diese
C. Eingriffe in unternehmerische Freiheit auf nationaler Ebene
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Problematisch ist dabei u. a., dass das staatsgerichtete Sozialstaatsprinzip auf das Verhältnis der Bürger untereinander übertragen wird und der Arbeitgeber sich gegenüber dem Arbeitnehmer „sozial“ verhalten soll.48 Da auch hier dem Gesetzgeber wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen ist,49 kann das Sozialstaatsprinzip ebenfalls nur äußerste Grenzen eines unter sozialen Aspekten beleuchteten Rechtsverhältnisses sichern.50 In diesem Rahmen einer sozialen Grundausstattung der Arbeitnehmer kann der Schutz unternehmerischer Freiheit durchaus zur Geltung kommen. Anzusprechen bleibt, dass zumindest von einigen Stimmen in der Literatur angenommen wird, dass die Grundsätze der Eingriffsprüfung bei vertraglichen Vereinbarungen nicht anwendbar sind, da die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen auf der Grundlage der Privatautonomie eigenverantwortlich – d. h. ohne staatlichen Zwang – gestalteten und selbst bestimmten, wie ihre gegenläufigen Interessen angemessen auszugleichen seien.51 Da es hier jedoch vornehmlich um den Vertragsabschluss als solchen geht bzw. um die einseitige Vertragsausübungsbefugnis, welche dem Arbeitgeber zuvor vom Arbeitnehmer mittels Verzichts eingeräumt wurde, oder die Vertragsbeendigung und nicht um das Resultat einer vertraglichen Vereinbarung, spielen diese Überlegungen jedenfalls keine unmittelbare Rolle für die vorliegende Untersuchung. Überdies wird die Verzichtsfreiheit des Arbeitsnehmers ihrerseits wiederum durch zwingende arbeitsrechtliche Vorschriften wie die Diskriminierungsverbote begrenzt, so dass jedenfalls insoweit deren freiheitsbeschränkende Wirkung zum Tragen kommt. Für das gesamte Arbeitsrecht ist daher letztlich charakteristisch, dass seine zwingenden Vorschriften und Grundsätze die Freiheit der Berufsausübung zumindest für den Arbeitgeber beschränken.52 Auch wenn diese vielfach sozialstaatlich motiviert sind und deshalb weniger als Grundrechtseingriff und damit als Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit wahrgenommen werden, stellen sie keine Ausformung des Freiheitsgehaltes des Art. 12 Abs. 1 GG dar, es handelt sich vielmehr um „klassische Grundrechtseingriffe“.53 Richtung a. Raab, RdA 1995, S. 36 (37 f.)). Insgesamt krit. hierzu Rüthers, NJW 2003, S. 546 (546 ff.). 47 Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 1 III 2b; Preis, NZA 2000, S. 9 (10). 48 Dem Arbeitgeber werden dadurch Pflichten auferlegt, die ursprünglich dem Staat zugedacht waren. Ermächtigt wird jedoch nicht zu beliebiger Sozialgestaltung (LRH, Art. 3, Rn. 65). Krit. zur allg. Problematik: Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (61). 49 BVerfG v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (185). 50 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 I, Rn. 115 ff. 51 Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 32. Ähnlich Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 65. 52 Oetker, in: ErfK, § 1 KSchG, Rn. 3; Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 23. 53 So auch Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 72.
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§ 4 Allgemeine Eingriffe in die unternehmerische Betätigungsfreiheit
D. Zwischenergebnis Zunehmend finden Eingriffe in die unternehmerische Autonomie54 unter Bezugnahme auf die Schutzpflichtenwirkung von Grundrechten oder (auch) des Sozialstaatsprinzips statt. Diese Rechtsinstitute installieren indes lediglich ein grundrechtsschutzbezogenes Untermaßverbot bzw. einen Minimalstandard an sozialem Schutz;55 sie sollen nur in den Fällen eingreifen, in denen das Arbeitsrecht strukturell versagt56 und überlassen dem Gesetzgeber jeweils einen weiten Umsetzungsspielraum.57 Deshalb erscheint es eher fernliegend, die Grundsätze zur exakten Bestimmung der Eingriffswirkung von Diskriminierungsverboten heranziehen zu können. In allen Fällen und unter allen Gesichtspunkten bleibt die unternehmerische Freiheit angemessen zu berücksichtigen.58 Allgemein kann von einem Eingriff in die unternehmerische Freiheit gesprochen werden, wenn die Schutzwirkung zu Lasten des Unternehmers gezielt oder aber faktisch verkürzt oder gar ganz aufgehoben wird.59 Sowohl durch europäische Normen – zunehmend geprägt durch den europäischen Sozialstaatsgedanken – als auch durch deutsches Arbeitsrecht finden unter diversen Aspekten Beschränkungen des unternehmerischen Entscheidungsfreiraums statt.60 Speziell Normen, die das vertragliche 54
Kritisch zu diesem Begriff Dieterich AuR 2007, S. 65 (66). Vgl. Dieterich AuR 2007, S. 65 (66). 56 Dem übergeordnet besteht die Sorge eines zu starken Übergreifens von Verfassungsrecht auf das Privatrecht, wodurch Beschränkungen von unternehmerischer Freiheit legitimiert werden sollen (vgl. Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 158, der darauf hinweist, das dies jedoch in Art. 1 III GG mit der Bindung aller Staatsgewalt an die Grundrechte bereits zwangsläufig angelegt sei). 57 Beiden inhaltlich ähnlichen Begründungsmustern ist insgesamt entgegenzuhalten, dass keine Pflicht des Staates besteht, den Einzelnen gegen alle Widrigkeiten des Schicksals zu schützen oder die Folgen der Marktwirtschaft durch staatliche Lenkungsmaßnahmen zu kompensieren, soweit es sich nicht um die Bereitstellung des Existenzminimums handelt (Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 I, Rn. 28; Stern, Staatsrecht I, § 21 IV 4 g). Der Sozialstaat bemüht sich zwar um die Schwachen, aber er ist auch der Staat aller und verweist die Bürger jenseits eklatanter sozialer Missverhältnisse auf ihre eigene Tüchtigkeit und ihre eigene Initiative (vgl. Gröschner, in: Dreier, Art. 20 GG (Sozialstaat), Rn. 37; Schiek, in: AK-GG, Art. 20 I-III, Kap. V, Rn. 60). Problematisch ist bereits der Ansatz, die aus der Unterlegenheit des Arbeitnehmers herrührende Schutzbedürftigkeit typisierend und abschließend mit der Arbeitnehmereigenschaft gleichzustellen (Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 54 f.; differenzierend daher Versteyl, Die Obergrenze arbeitsrechtlichen Schutzes, 2005, S. 20 ff. m. w. N.) 58 Insb. ist zu beachten, dass die Schutzpflichtenwirkung in die Freiheit eingreift, die sie erst gewähren will, so dass sie mit der Freiheit des Arbeitgebers in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen ist. Auch der Überlegung, wonach v. a. Großunternehmen weitgehende Beschränkungen hinnehmen müssen, ist insofern eine Absage zu erteilen, als er dazu verwandt wird, dem Arbeitnehmerschutz einen Vorrang einzuräumen. 59 Vgl. nur Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 3a, III/2, § 78 II 3b. 60 Eine solche Feststellung treffen auch auch Breuer, in: HdbStR VI, § 148, Rn. 24; Hromadka/Machmann, AR, § 15 I Rn. 1. 55
D. Zwischenergebnis
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Auswahlermessen des Arbeitgebers verkürzen (insbesondere arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote), stellen durch Ausfüllung der Schranken des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG „klassische“ Eingriffe in dessen Berufsfreiheit dar.61 Je nach der Intensität können hierdurch die Berufsausübungs- aber auch die Berufswahlfreiheit des Unternehmers beschränkt werden.62 Gerade hier muss es nach überkommener Ansicht jeweils zu einem verhältnismäßigen Ausgleich mit der verfassungsrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit kommen (Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schranken-Schranke).63 Im Anschluss an diese allgemeinen Gedanken zur Begrenzung von unternehmerischer Freiheit soll nunmehr genauer beleuchtet werden, inwiefern Diskriminierungsschutzregeln in diese Freiheit eingreifen.
61 Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (64); daneben tritt als weiteres die Abschlussfreiheit begrenzendes Prinzip das der Selbstentfaltung. Nach verbreiteter Anschauung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Ausprägung des Selbstentfaltungsprinzips. 62 Vgl. bereits o. unter § 3 C. III. 1. a) aa); u. unter § 6 B. II. A. A. offenbar Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 30, der nur von einem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ausgeht. 63 Vgl. nur Stern, Staatsrecht III/2, § 84 III 1a, 3b; Sieben, NJW 2005, S. 1095 (1096). Hierzu näher u. unter § 6 B. II.
§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze Nachdem im vorigen Kapitel grundlegende Prinzipien beschrieben wurden, mithilfe derer in die unternehmerische Freiheit eingegriffen wird, geht es im Folgenden um die genauen Auswirkungen von Diskriminierungsschutz auf die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers, die hier in ihrer grundlegenden Bedeutung – als Freiheit im Auftreten am Markt1 – verstanden wird.
A. Begriffe im Bereich des Diskriminierungsschutzes Diskriminierungsschutz findet unter verschiedenen Begrifflichkeiten statt, wobei die Begriffe „Benachteiligung“, „Differenzierung“, „Diskriminierung“ und „Gleichbehandlung“ zentrale Rollen spielen.
I. Der Begriff der Benachteiligung Kernaspekt des Diskriminierungsbegriffs ist die Benachteiligung, die auch Eingang in das AGG (s. dort § 3; s. auch schon § 611a Abs. 1 BGB a. F.) gefunden hat. Eine Benachteiligung beruht auf einer Differenzierung,2 die sich an ein geschütztes Merkmal (vgl. § 1 AGG) anlehnt,3 und ist im Ergebnis die weniger günstige Behandlung einer Person mit einer anderen Person in einer vergleichbaren Situation.4 1
s. o. unter § 3 C. III. 1. a) bb) (2), (3), VI. Vgl. Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 68. 3 Dabei ist es ausreichend, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten ist bzw. wenn die Ungleichbehandlung an das Merkmal anknüpft (vgl. EuGH v. 08. 11. 1990 AP Nr. 23 zu Art. 119 EWG-Vertrag; BVerfG v. 16. 11. 1993 NZA 1994, S. 745 (746); BAG v. 05. 02. 2004 NZA 2004, S. 540 (544)). Auch im U.S.-amerik. Recht gilt dieser Maßstab, vgl. etwa Price Waterhouse v. Hopkins, 490 U. S. 228 (1989). Es genügt, wenn der Benachteiligende meint, das Merkmal liege vor (zur Figur des Putativmerkmalsträgers [„untauglicher Benachteiligungsversuch“] vgl. § 3 ADG-E; Herms/ Meinel, DB 2004, S. 2370 (2371); Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (21)). 4 Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2583). Dabei genügt es, dass Personen in ihren wirtschaftlichen, ideellen oder emotionalen Interessen unmittelbar oder mittelbar berührt werden (Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 68). Dabei ist die objektive Eignung eines Bewerbers eine Frage, ob eine „vergleichbare Situation“ i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG vorliegt, welche Voraussetzung für die Annahme einer unmittelbaren Benachteiligung ist (vgl. BAG v. 2
A. Begriffe im Bereich des Diskriminierungsschutzes
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Man kann insofern verkürzt von Differenzierungen zu Ungunsten von Merkmalsträgern sprechen.5 Eine Benachteiligung liegt nicht nur dann vor, wenn tatsächlich anderen Arbeitnehmern bessere Arbeitsbedingungen eingeräumt werden, sondern auch, wenn der betroffenen Person günstigere Arbeitsbedingungen gewährt werden würden, wenn sie die Merkmalseigenschaft der vergleichbaren Person aufweisen würde.6 Dennoch bleibt das vergleichende Element maßgeblich für die Beurteilung, ob im konkreten Fall eine Benachteiligung vorliegt.7 Es handelt sich bei der Benachteiligung um eine objektive Kategorie – auf eine Benachteiligungsabsicht oder sonstiges Vertretenmüssen des Benachteiligenden kommt es nicht an.8 Der Unterschied zwischen Benachteiligung und Diskriminierung ist auf der Rechtfertigungsebene angesiedelt. So kann der Begriff der Diskriminierung entgegen der europäischen Diktion als Fall der Benachteiligung verstanden werden, der gerade nicht gerechtfertigt werden kann.9 Die Definition des AGG differenziert zwischen unmittelbaren (§ 3 Abs. 1 AGG) und mittelbaren (§ 3 Abs. 2 AGG) Benachteiligungen und knüpft damit an die vom EuGH entwickelten und von den Anti-Diskriminierungsrichtlinien aufgegriffenen Begriffe der mittelbaren bzw. unmittelbaren Diskriminierung an, so dass auf die hierzu anerkannten Grundsätze zurückgegriffen werden kann.10
19. 08. 2010 NZA 2010, S. 1412 (1416 f.); v. 18. 03. 2010 NZA 2010, S. 872; v. 18. 03. 2010 – Az.: 8 AZR 466/09 – n. v.). 5 In diese Richtung z. B. Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 17. 6 Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 17; Däubler, ZfA 2006, S. 479 (482). Eine konkrete Vergleichsperson muss nicht vorhanden sein (Perreng/Nollert-Borasio, AiB 2006, S. 459 (462); Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (22) – fiktive Vergleichsperson ausreichend; krit. Adomeit, HFR 2008, S. 92 (96) („Skandal“). A. A. Flohr/Ring, AGG, § 3, Rn. 104. Nach dem Wortlaut („erfährt“) des AGG liegt sie jedoch nur dann vor, wenn die benachteiligende Handlung tats. erfolgt ist (so Schlachter, in: ErfK, AGG, § 3, Rn. 3; Annuß, BB 2006, S. 1629 (1631)). Anders die Begründung des RegE (BT-Dr. 16/1780, S. 32; ähnlich Flohr/Ring, AGG, § 3, Rn. 105), die eine „hinreichend konkrete Gefahr“ einer Benachteiligung ausreichen lassen will, damit aber auf die a. F. des § 319 a I BGB (RegE) abhebt. 7 Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 141 EGV, Rn. 54. Nach a. A. können auch hypothetische Abläufe zu verbotenen Diskriminierungen werden (Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (163); Perreng, FA 2003, S. 293 (294)). 8 Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 2, Rn. 93; dagegen Adomeit/Mohr, AGG, § 1, Rn. 41, die aufgrund des Wortlauts des § 3 I AGG („wegen“) nur eine bewusste und gewollte Zurücksetzung als verbotene Benachteiligung verstanden wissen wollen. 9 So a. die Begründung des AGG (BT-Dr. 16/1780). Ebenso Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 17. Unter Diskriminierung ist nämlich (bereits dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend) nur eine rechtswidrige, sozial verwerfliche Ungleichbehandlung zu verstehen. 10 Vgl. Müller-Glöge, in: MüKo-BGB (2005), § 611a, Rn. 7 f. Vgl. auch schon § 4 I, II ADG-E. Differenzierend Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, S. 32 (32).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
II. Der Diskriminierungsbegriff Der Begriff „Diskriminierung“ (abgeleitet vom lateinischen Verb „discriminare“)11 wird heute gemeinhin als Herabsetzung einer Person verstanden,12 die aus einer unrechtmäßigen Unterscheidung zwischen Personen oder Personengruppen resultiert, die sich in vergleichbarer Situation befinden; genauer geht es um einen Unterschied in der Behandlung, die auf einer Überlegung beruht, die von einer Rechtsnorm aus den Entscheidungsmotiven ausgeschlossen wird, und diese Unterscheidung sich nicht durch einen objektiven und angemessenen Grund rechtfertigen lässt oder aber zumindest kein angemessenes Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel besteht.13 1. Diskriminierungsverbote Diskriminierungsverbote werden als Form der normierten Gleichbehandlung verstanden und in Abgrenzung zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) auch als besondere Gleichheitssätze, Gleichbehandlungsgebote oder Benachteiligungsverbote bezeichnet.14 Sie verbieten es, bestimmte Merkmale bzw. Verschiedenheiten zum Unterscheidungskriterium einer Regelung oder einseitigen Maßnahme zu benutzen, wenn dadurch Personen benachteiligt werden.15 Diskriminierungsverbote lassen in begrenztem Umfang bestimmte Ausnahmen im Sinne eines „Begründbarkeitsgebots“ zu, verlangen aber in der Regel mehr als eine sachliche Begründung.16 Wie hier wird der Begriff des „absoluten Diskriminierungsverbots“ z. T. dahingehend verstanden, dass eine Rechtfertigung der Differenzierung unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen sei.17 2. Unmittelbare Diskriminierung Eine unmittelbare („offene“) Diskriminierung liegt vor, wenn direkt nach dem geschützten Merkmal der Betroffenen unterschieden wird, d. h. wenn eine Person wegen ihres Merkmals in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Be11
Trennen, scheiden (Stowasser). Kritisch zu diesem Ansatzpunkt: Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (33). 12 Belling, NZA 2004, S. 885 (885). 13 Le Friant, AuR 2003, S. 51 (52); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (277). Allg. Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (13). 14 Vgl. Bergmann, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 3, Rn. 9; Reichold, JZ 2004, S. 384 (386 f.). 15 Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 11. 16 Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art.3 II, III GG, Rn. 107. 17 So a. Kania, in: ErfK, § 75 BetrVG, Rn. 6. Thüsing/Lambrich (in: BB 2002, S. 1146 (1146)) sprechen entspr. von absoluten Frageverboten. Oftmals wird der Begriff der Absolutheit gebraucht, schließlich aber durch eine Rechtfertigungsmöglichkeit relativiert, so z. B. EckertzHöfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 106.
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handlung erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, so dass die benachteiligte und die nicht benachteiligte Gruppe jeweils hinsichtlich des Merkmals homogen zusammengesetzt sind.18 Weiter dann, wenn der Nachteil an Tatsachen anknüpft, die nur von Angehörigen der Gruppe der Merkmalsträger bzw. umgekehrt der Nichtmerkmalsträger erfüllt werden.19 In beiden Fällen weiß der Handelnde zwar in der Regel, dass hier nach dem Merkmal unterschieden wird, aber auf eine etwaige Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an.20 Einer direkten Diskriminierung stehen verdeckte Diskriminierungen gleich, die unter Verschleierung der merkmalbezogenen Benachteiligungsabsicht nicht unmittelbar an das verpönte Merkmal anknüpfen, so dass der 18 Vgl. Art. 2 II Nr. 1 RL 2000/78/EG, Art. 3 I AGG. Hierzu u. a. BAG v. 11. 04. 2006 NZA 2006, S. 1217 (1219); v. 15. 02. 2005 DB 2005, S. 1802 (1803). Darüber hinaus entfaltet RL 2000/78/EG „Angehörigenschutz“ (protection from discrimination by association), vgl. EuGH v. 17. 07. 2008 NZA 2008, S. 932 (933 ff.) [Coleman]; s. hierzu Bayreuther, NZA 2008, S. 986 (987). Zum US-amerik. Verständnis („disparate treatment“) vgl. Pime vs. Loyola University, 803 F. 2d 351 (7th Cir. 1986). Daneben wird nach einzelnen Diskriminierungsarten unterschieden: – Eine unmittelbare Benachteiligung liegt a. vor wenn der Arbeitgeber best. Maßnahmen von sexuellen Gefälligkeiten abhängig machen will (sog. quid pro quo harassment in USamerik. Diktion, Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 44). – Eine intersektionelle Diskriminierung zeichnet sich dadurch aus, dass eine Person mehrere geschützte Merkmale aufweist und gerade die Summierung einer Schlechterstellung zur Folge hat, ohne dass die einzelnen Diskriminierungsgründe voneinander getrennt werden können (vgl. § 9 ADG-E; Schiek, NZA 2004, S. 873 (876); zu den Folgen und Problemen Herms/ Meinel, DB 2004, S. 2370 (2371)). – Eine Mehrfachdiskriminierung liegt vor, wenn sich Diskriminierungen aus mehreren Gründen in einem längeren betrieblichen Konflikt nacheinander summieren (Schiek, NZA 2004, S. 873 (875 f.)). – Als Mittelding zwischen unmittelbarer Diskriminierung und mittelbarer Diskriminierung bezeichnet Thüsing die Diskriminierung von Teilgruppen (sex plus-Diskriminierung), die die Benachteiligung von Teilgruppen einer Gruppe mit einem bestimmten geschützten Merkmal bezeichnet, sodass die Benachteiligung kumulativ von der Gruppenzugehörigkeit und einem weiteren Zusammenhangsmerkmal abhängig ist (vgl. Thüsing, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 3 (5)). Eine unmittelbare Diskriminierung soll in diesen Fällen dann vorliegen, wenn das zusätzliche Merkmal der Teilgruppe repräsentativ für das verbotene Unterscheidungsmerkmal ist (ähnlich Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (21)). 19 So Schlachter, in: ErfK, Art. 141 EG, Rn. 16. 20 Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 15. s. aber a. EuGH v. 17. 07. 2008 NZA 2008, S. 932 (933 f.) – in dem Urteil wird ausschließlich auf den Willen des Arbeitgebers agbestellt, keine Marokkaner einzustellen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist faktisch nur vorsätzlich denkbar (Maier-Reimer, NJW-Editorial Heft 30/05, S. III). Für eine vorsätzliche Verknüpfung: Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (21). Die US-amerik. Version verlangt eine vorsätzliche Ungleichbehandlung („intent“). Sie berücksichtigt jedoch die praktischen Schwierigkeiten des Nachweises einer entspr. Gesinnung des Arbeitgebers mit den Mitteln der direkten Beweisführung („direct evidence“ bzw. „smoking gun evidence“); die Rspr. entwickelte ein auf objektive Kriterien gestütztes Vortragsschema (sog. „McDonnel-Douglas-Test“), das es dem Kläger i. R. eines Indizienbeweises („primafacie-case“) ermöglicht, eine Vermutung für das Vorliegen einer Diskriminierung (und damit inzident des Vorsatzes) auszulösen (vgl. Thüsing/Leder, NZA 2008, S. 982 (983 f.); McDonnell Douglas vs. Green, 411 U. S. S. C. 792 (1973)).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
Nachweis des wahren Diskriminierungsgrundes erschwert ist.21 Auch vorsätzliche Anweisungen zur Diskriminierung werden in Umsetzung der Richtlinien der Diskriminierung selbst gleichgestellt (§ 3 Abs. 5 AGG, gesetzliche Fiktion), wobei es nicht auf ein Verschulden des Arbeitgebers ankommt oder darauf, ob die angewiesene Person die Benachteiligung tatsächlich ausführt (versuchte Anstiftung).22 3. Mittelbare Diskriminierung Eine mittelbare Diskriminierung liegt dann vor, wenn die Anwendung einer Maßnahme trotz neutraler Formulierung wesentlich mehr Merkmalsträger als NichtMerkmalsträger benachteiligt, sofern diese unterschiedliche Behandlung nicht objektiv durch Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Merkmals zu tun haben und zur Befriedigung wirklicher Bedürfnisse der Unternehmen geeignet und erforderlich sind.23 Eine mittelbare Diskriminierung knüpft also an ein neutrales Kriterium an, das bei einer nach dem verpönten Merkmal abgegrenzten Gruppe im Verhältnis deutlich häufiger vorkommt als bei anderen (wesentliche nachteilige Betroffenheit) und greift so materielle Ungerechtigkeiten an.24 Entscheidend sind allein die objektiven Benachteiligungswirkungen; auf eine Be21
Richardi, NZA 2006, S. 881 (883). Der EuGH spricht insoweit auch (wie z. T. auch i. F. mittelbarer Diskriminierungen) von „versteckter Diskriminierung“ (EuGH v. 26. 06. 2001 NZA 2001, S. 1193 (1194) (EG-Kommission)). 22 Vgl. Art. 2 IV RL 2000/43/EG, RL 2000/78/EG und RL 76/207/EWG sowie Art. 4 IV RL 2004/113/EG; vgl. a. BT-Dr. 16/1780, S. 33; Schieck, AuR 2003, S. 44 (47). Bestimmen bedeutet dabei das willentliche Hervorrufen des Tatentschlusses eines anderen (vgl. § 26 StGB), wobei Anweisungen eine (An-)Weisungsbefugnis voraussetzen (Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (326)). 23 Vgl. die Legaldefinitionen in Art. 2 II der RL 76/207/EG, 97/80/EG, 2000/78/EG, 2002/ 73/EG, 2004/113/EG Art. 1 II b RL 2000/43/EG. Vgl. a. EuGH v. 03. 10. 2006 NZA 2006, S. 1205 (1206) (Cadman); v. 31. 03. 1981 Slg. 1981, S. 911 (925) (Jenkins); BVerfG v. 27. 11. 1997 BVerfGE 97, S. 35 (43); BAG v. 11. 04. 2006 NZA 2006, S. 1217 (1219). Vorbild dieser Rechtsfigur war das U.S.-amerik. Recht, vgl. U. S. S. C. Griggs vs. Duke Power Co., 401 U. S. 424 (1965). Diese Entscheidung war Grundstein der mittelbaren Diskriminierung (systemic disparate impact discrimination). s. a. International Brotherhood of Teamsters vs. United States, 431 U. S. 324 (388) (1977); Zimmer/Sullivan/White, Cases and Materials in Employment Discrimination, 2003, S. 423 ff. 24 Vgl. Art. 2 II RL 97/80/EG; EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2004, S. 201 (205) (Allonby); v. 20. 03. 2003 NZA 2003, S. 506 (508) (Kutz-Bauer); v. 13. 05. 1986 Slg. 1986, S. 1620 (1627) (Bilka); BAG v. 20. 08. 2002 NZA 2003, S. 861 (863). Vgl. a. Dothard vs. Rawlinson, 433 U. S. 321 (1977). Es ist dabei nicht richtig, eine mittelbare Diskriminierung wg. eines Merkmals schon daraus abzuleiten, dass unter den nachteilig Betroffenen erheblich mehr Angehörige eines Merkmals sind. Hinzukommen muss vielmehr, dass zugleich das zahlenmäßige Verhältnis der Merkmalsträger unter den Begünstigten wesentlich anders ist (Linck, in: Kasseler Handbuch, 4.2, Rn. 63). Insg. krit. zu der Voraussetzung Wank (in: Anm. zu BAG v. 01. 07. 1993 AP Nr. 36 zu § 123 BGB). Eine materielle Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung zwar alle betroffenen Personen gleich behandelt, ihre Wirkungen aber für einzelne Personen/Personengruppen unterschiedlich ausfallen (Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 29, 34 f.). Im USamerik. Recht ist insofern von substantive inequality die Rede.
A. Begriffe im Bereich des Diskriminierungsschutzes
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nachteiligungsabsicht kommt es auch hier nicht an.25 Das Verhältnis wurde bislang durch statistischen Vergleich nachgewiesen,26 und soll nunmehr durch einen reinen Wertungsakt ersetzt werden können.27 Überdies wird z. T. auf die Kausalität als Voraussetzung verzichtet.28 Das Merkmal „in besonderer Weise“ grenzt den Tatbestand dahingehend ein, dass bei marginalen Beeinträchtigungen der betroffenen Person, die bei einer Vielzahl von generell gehaltenen Regeln auftreten können, keine mittelbare Benachteiligung vorliegt.29 Eine mittelbare Diskriminierung kann gerechtfertigt werden durch ein sachliches legitimes Ziel (einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens oder einem notwendigen Ziel der Sozialpolitik),30 sofern das Mittel zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und angemessen ist,31 wobei für solche Gegengründe der Arbeitgeber die Beweislast trägt.32 Zu beachten ist ferner, dass die getroffene Unterscheidung auch vom Zweck der jeweiligen Leistung getragen sein muss.33
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Schlachter, in: ErfK, Art. 141 EG, Rn. 15. EuGH v. 06. 12. 2007 NZA 2008, S. 31 (33); v. 30. 03. 2000 EuGH Slg. 2000 I-2189 (2222) (Jämställdhetsomombudsmannen); BAG v. 22. 07. 2010 NZA 2011, 93 (101); v. 18. 10. 2005 NZA 2006, S. 1159 (1161); v. 20. 08. 2002 SAE 2004, S. 70 (71). Sehr weitgehend LAG Berlin-Brandenburg v. 26. 11. 2008 – Az.: 15 Sa 517/08 – zit. nach juris. Zu geschlechtsbedingten Lohnunterschieden vgl. die empirischen Ergebnisse der Universität von Kalifornien in Hayward (zit. bei Röder/Krieger FA 2006, S. 199 (199)) oder des Statistischen Bundesamtes, abgedr. in HAZ Nr. 163 v. 15. 07. 2006, S. 11. 27 Für einen Verzicht auf signifikante Statistiken insb. Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (325); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1491) – unter Berufung auf den Wortlaut v. § 3 II AGG, Art. 2 II RL 2000/78/EG u. 2002/73/EG („in besonderer Weise …“), die Begründungserwägung Nr. 15 RL 2000/78/EG und den Richtlinienvorschlag der Kommission v. 25. 11. 1999 (KOM (1999) 565 endg., S. 1 (9)). A. A. Thüsing, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 3 (6 f.), der eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes auf Fälle der „substantive equality“ sieht. Krit. ebenfalls DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (VIII). Vgl. zum Streit a. WendelingSchröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (279). 28 Vgl. etwa Wiedemann, in: FS Friauf (1996), S. 135 (138, 140). Insoweit krit. Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (21) – erforderlich sei zumindest ein Zurechnungszusammenhang. zw. dem Ergebnis (Benachteiligung,) und einem Verhalten des Arbeitgebers; in diese Richtung a. Prütting, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 1311 (1314); DAV, in: BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (VIII) (Motivationszusammenhang). Vgl. a. Rüfner, in: FS Friauf (1996), S. 331 (334). 29 Flohr/Ring, AGG, § 3, Rn. 110. 30 EuGH v. 26. 06. 2001 NZA 2001, S. 883 (885) (Brunnhofer). Im U.S.-amerik. Recht müssen Anforderungen an einen Bewerber durch job relatedness oder wenigstens business necessity gerechtfertigt sein. 31 LAG München v. 10. 05. 2007 – Az. 6 Sa 1253/06 – zit. nach juris; Steinau-Steinrück/ Schneider/Wagner, NZA 2005, S. 28 (29). 32 EuGH v. 03. 10. 2006 NZA 2006, S. 1205 (1206) (Cadman); Wiedemann, in: FS Friauf (1996), S. 135 (140). Vgl. auch d. Formulierung in § 3 II AGG („es sei denn“); unklar insoweit d. Begründung in BT-Dr. 16/1780, S. 33. 33 Einschränkend Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 30. 26
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
III. Belästigung Der Belästigungsschutz fand bislang über das BeschSchG34 statt, das nicht an eine Benachteiligung wegen des Merkmals anknüpfte, sondern einen selbständigen Belästigungstatbestand festlegte.35 Nunmehr wurde die Definition von „Benachteiligung“ bzw. „Diskriminierung“ ausdrücklich um den Tatbestand der Belästigung erweitert.36 Hiernach sollen solche unerwünschten Verhaltensweisen verboten sein, die im Zusammenhang mit einem der verbotenen Diskriminierungsmerkmale einer Person stehen, und die bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.37 Hinsichtlich der Unerwünschtheit ist es ausreichend, dass die Handelnden aus der Sicht eines objektiven Beobachters (nicht aus „Mimosensicht“)38 davon ausgehen können, dass ihr Verhalten unter den gegebenen Umständen von den Betroffenen nicht erwünscht ist oder auch nicht akzeptiert wird.39 Das einschränkende Merkmal der feindlichen Umweltprägung setzt zielgerichtetes oder zumindest billigend in Kauf genommenes regelmäßig kontinuierliches Handeln voraus40 und bewirkt so, dass geringfügige Herabstufungen nicht erfasst sind.41 Für eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG, für die das feindliche Umfeld keine Tatbe34 Das BeschSchG war als Art. 10 des 2. Gleichberechtigungsgesetzes v. 24. 06. 1994 erlassen worden (BGBl. I, S. 1406 (1412)) und wurde nunmehr mit der Einführung des AGG aufgehoben, s. Art. 4 des Umsetzungsgesetzes v. 14. 08. 2006. 35 Dieser sollte den Persönlichkeitsschutz v. a. der Arbeitnehmerin konkretisieren (Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (411)). 36 Vgl. Art. 2 III RL 2002/73/EG, § 3 III AGG, §§ 319 a I, 319 b III BGB RegE. Auch im U.S.-amerik. Recht ist sexual harassment Bestandteil des Gleichheitsschutzes in Title VII; s. die Leitentscheidung U. S. S. C. Meritor Savings Bank vs. Vinson, 477 U. S. 57 (1986). Anschaulich zu den Auswirkungen: Thüsing, NZA 2001, S. 939 (941). Belästigungsschutz ist strukturell kein Diskriminierungsschutz (Neuner, JZ 2003, S. 57 (66)). Anders als bei sonstigen Diskriminierungsverboten ist das Verhalten (insb. Mobbing) an sich und nicht nur wg. der „Gleichheitswidrigkeit“ geschützt (Wendeling-Schröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (279)). 37 Preis, AR, § 32 II 2; s. a. LAG Thüringen v. 15. 02. 2001 DB 2001, S. 1783 (1784 f.). 38 So die Formulierung von Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1491). 39 BT-Dr. 16/1780, S. 33. Näher zu den subjektiven Elementen der Definition: Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (19); krit. Pfarr, RdA 1995, S. 204 (206). 40 Hadeler, NZA 2003, S. 77 (78); Wisskirchen DB 2006, S. 1491 (1491); a. A. offenbar Flohr/Ring, AGG, § 3, Rn. 127; Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (326). Dieses zusätzliche Erfordernis geht auf das „hostile environment harassment“ im US-amerik. Arbeitsrecht zurück, bei dem das schuldhafte Verhalten durch den Arbeitgeber eine Arbeitsumgebung schafft oder billigt, in der es leichter zu auf ein Diskriminierungsmerkmal bezogenen Belästigungen kommt (Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (412)). Andere kritisieren, die Vorschrift stelle einen Rückschritt dar (vgl. Wendeling-Schröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (280); Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (467); a. A. Wolff, AuA 2006, S. 512 (512)). 41 BT-Dr. 16/1780, S. 33; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 3, Rn. 12. Vgl. diesbzgl. aber auch den weiten Beispielskatalog der Gesetzesbegründung (BT-Dr. 16/1780, S. 33; s. a. KOM (1999) 565, S. 10).
A. Begriffe im Bereich des Diskriminierungsschutzes
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standsvoraussetzung ist, muss das unerwünschte Verhalten zusätzlich sexuell bestimmt sein.42
IV. Allgemeines Gleichbehandlungsgebot Da Diskriminierungsschutz über die unmittelbar im Gerechtigkeitsbegriff wurzelnde Grundidee, dass Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln ist, mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot verwoben ist, sollen nunmehr die Unterschiede zwischen beiden Kategorien hervorgehoben werden.43 Hierdurch soll aufgezeigt werden, welches besondere Anliegen Diskriminierungsverbote verfolgen, das zur Ergänzung des grundlegenden Gebots um diese besonderen Verbotssätze drängt. Der Begriff „Gleichbehandlung“ wird überwiegend im Zusammenhang mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (das Gleichheits- bzw. Gleichbehandlungsgebot) verwandt, der sich gegen das nachteilige Abweichen von einer Regel wendet; er wirkt „kompetenz-akzessorisch“, d. h. dass ein Arbeitgeber aufgrund seiner Befugnis, die Arbeitsbedingungen mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern (etwa über sein Direktionsrecht) abstrakt regeln zu können, seine Leitungs- und Gestaltungsmacht durch den rechtsstaatlichen Gleichheitsgrundsatz, der ansonsten staatliche Macht lenkt und begrenzt, eingeschränkt sieht.44 Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot enthält stets ein Willkürverbot45 und dient der Verteilungsgerechtigkeit (iustitia distributiva).46 Die Diskriminierungsverbote (Unterscheidungsverbote, besondere Gleichheitssätze) verbieten es demgegenüber, bestimmte Merkmale als Unterscheidungskriterium einer Regelung oder einseitigen Maßnahme zu benutzen, wenn dadurch Personen herabgesetzt oder sonst benachteiligt werden, um für alle Merkmalsträger Chancengleichheit zu schaffen; sie sind damit um die Ausschaltung bestimmter Beweggründe bemüht, betreffen jeweils nur einen kleinen (spezielleren) Ausschnitt aus dem Komplex der Gleichheit, haben einen eigenständigen Maßstab der Rechtfertigung und be42 Vgl. Art. 2 II RL 76/207/EWG (geänderte Fassung); Art. 2 lit. d RL 2004/113/EG; BTDr. 16/1780, S. 34; Hadeler, NZA 2003, S. 77 (79). 43 Derart grdl. Linck, in: Schaub, ArbR-Hdb. § 112 Rn. 1 ff.; Hanau, in: FS f. Adomeit (2008), S. 237 (246 f.). 44 Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 5 f. unter Hinw. auf § 4 des Entwurfs eines ArbVG, BR-Dr. 293/95 v. 23. 05. 1995, S. 16; Richardi, ZfA 2008, S. 31 (36 ff.). Zur Geschichte der Gleichheitsidee: Adomeit/Mohr, AGG, Einleitung, A. I. Rn. 1 ff. 45 Dieser Maßstab wird in den Fällen verschärft, in denen personenbezogene, insb. unabänderliche Merkmale für abweichende Regelungen herangezogen werden. Das schlägt die Brücke zu den Benachteiligungsverboten, bei denen personenbezogene Kriterien grundsätzlich keine Rücksicht finden dürfen (Wiedemann, RdA 2005, S. 193 (194)). Besondere Gleichbehandlungsgebote sind daher grds. nichts anderes als Diskriminierungsverbote (Wiedemann/ Thüsing, DB 2002, S. 463 (466)). 46 Vgl. Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 20 – 22.
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wirken regelmäßig eine Anhebung des durch den allgemeinen Gleichheitssatz begründeten minimalen Gleichheitsstandards.47 Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Gleichbehandlung, die die Normanwendungsgleichheit betrifft,48 und Gleichstellung, die nicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis beschränkt ist, sondern auch die Einstellung betreffen kann, die keine Regel voraussetzt und regelmäßig unabdingbar ist,49 ist anzumerken, dass zur Herstellung tatsächlicher Gleichheit (Ergebnisgleichheit), auf den die Gleichstellung abzielt, rechtliche Ungleichbehandlungen in Kauf genommen werden müssen, selbst dann, wenn aus wirtschaftlichen Gründen eine Ungleichbehandlung sinnvoll wäre.50
V. Rechtfertigung Benachteiligungen können grundsätzlich gerechtfertigt werden, so dass Differenzierungen hinzunehmen sind.51 Der subjektivrechtliche Gleichheitsanspruch unterscheidet sich vom Neid dadurch, dass er aus dem Vergleich mit einem anderen nicht nur den Anspruch auf annähernde Besserstellung herleitet, sondern nach den rechtfertigenden Gründen für Verschiedenheit, Ähnlichkeit oder rechtliche Identität sucht.52 Unterschieden werden müssen Rechtfertigungsfälle von solchen, in denen zwar eine Ungleichbehandlung vorliegt, diese jedoch gar nicht auf dem Merkmal beruht, so dass hier schon tatbestandlich keine Diskriminierung wegen des Merkmals vorliegt.53
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Vgl. BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008, S. 99 (101); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (266). Eine Zwischenstellung nimmt insofern § 4 TzBfG ein (vgl. Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 73 f.). 48 Vgl. hierzu insb. Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 17. 49 So beschreibend Hromadka/Maschmann, § 7 III, Rn. 120. 50 Vgl. Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 17; Hueck/Nipperdey, Bd. I § 48, S. 424. „Gleichstellung“ wird daher benutzt, um ein über die Gleichbehandlung hinausgehendes Ziel der Förderung anderer Personengruppen durch die Beseitigung bestehender Nachteile zu charakterisieren (vgl. Art. 3 II 2 GG; Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 6, 40 ff.). Zum Spannungsfeld zw. formaler Gleichbehandlung und tats. Gleichheit: Schieck, AuR 2003, S. 44 (46). 51 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 29. Nur sexuelle und allgemeine Belästigungen sind stets unzulässig und können nicht gerechtfertigt werden. 52 Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 43. Speziell an der Definition in § 3 II AGG wird z. T. kritisiert, dass hier die Zulässigkeit einer auf andere Gründe als auf das verpönte Merkmal gestützten Ungleichbehandlung mit der Möglichkeit der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Merkmals vermengt wird (DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (VIII)). 53 So Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 141 EGV, Rn. 60, der einräumt, dass die Grenzen fließend sind; ähnlich Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 11.
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit
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VI. Fazit Diskriminierungsverbote sind vom allgemeinen Anspruch auf Gleichbehandlung zu unterscheiden. Die Gleichbehandlung sucht als konkretisierungsbedürftiges Rechtsprinzip geeignete, das Diskriminierungsverbot verhindert als durchsetzungsbedürftige Rechtsregel mit Tatbestand und Rechtsfolgen ungeeignete Unterscheidungsmerkmale.54 Insgesamt ist eine generalisierende und ausweitende Entwicklung der Tatbestände der Diskriminierungsschutznormen erkennbar, wenn das Erfordernis der Vergleichsperson eingeschränkt wird, wenn bei der mittelbaren Diskriminierung, die ohnehin wertungsoffen ist, auf den Nachweis der statistisch signifikanten Gruppenbenachteiligung verzichtet wird und wenn nunmehr auch die Anweisung zur Diskriminierung sowie die Belästigung vom Diskriminierungsverbot erfasst werden.55 Vor diesem Hintergrund fällt der Ausgestaltung der Rechtfertigungsmöglichkeiten eine besondere Bedeutung zu.
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit aufgrund von Gleichbehandlung/Nichtdiskriminierung im Arbeitsrecht Ausgeleuchtet werden soll nunmehr, inwieweit Unternehmer durch Diskriminierungsschutz in ihren Entscheidungsspielräumen beschränkt werden.
I. Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz auf internationaler Ebene Ausgangspunkt der deutschen wie europäischen und internationalen Anti-Diskriminierungsgesetzgebung ist das U.S.-amerikanische Recht,56 das bereits frühzeitig Diskriminierungsschutzvorschriften kannte.57 In internationalen Verträgen finden 54
Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 373 ff.; Wiedemann, RdA 2005, S. 193 (194). Zu den Unterschieden a. Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (13). Aufgrund der Unterscheidung krit. zum Begriff „Gleichbehandlungsgesetz“: Richardi, ZfA 2008, S. 31 (32). Entgegen dieser Unterscheidung wird der Begriff der Gleichbehandlung auf europ. Ebene als Oberbegriff für bes. Diskriminierungsverbote eingesetzt, s. Art. 2 RL 2000/43/EG und 2000/78/EG; s. a. Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (464). 55 So die Feststellung von Blanke, NZA 2006, S. 1304 (1305). 56 So etwa Mahlmann, ZEuS 2002, S. 407 (408); Thüsing, NZA 2001, S. 939 (939); ders., NZA 2001, S. 1061 (1061 ff.). Zu Angleichungstendenzen zw. deutschem und amerikanischem Anti-Diskriminierungsrecht vgl. Thüsing NZA 2006, 774 (776). 57 Vgl. insofern den Equal Pay Act von 1963 (29 U. S. C. § 206(d); ausf. hierzu Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung, 1993, S. 258 ff.), sowie den Civil Rights Act Title VII von 1964 (42 U. S. C. §§ 2000e ff.), der die Merkmale Rasse, Hautfarbe, nationale Herkunft, Geschlecht, Religion („race, color, religion, sex and national origin“) umfasst. Zum Ideal der „colour
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sich zahlreiche Proklamationen und Vorschriften, die allgemein Gleichbehandlung einfordern oder sich speziell gegen Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Rasse oder anderer Merkmale wenden.58 Der Diskriminierungsschutzgedanke bildet demnach insgesamt einen allgemein konsentierten Grundsatz der Staatengemeinschaft, der sowohl zum Völkergewohnheitsrecht als auch zum Kernbestand der Menschenrechte gehört.59 Angesichts der eingeschränkten Rechtswirkung dieser internationalen Vorschriften60 bleibt es jedoch insgesamt unklar, inwieweit hierdurch unternehmerische Freiheitsrechte unmittelbar gefährdet werden.61 Da sich inhaltsgleiche Bestimmungen auf europäischer und nationaler Ebene wiederfinden, soll dem hier nicht weiter nachgegangen werden.
II. Europäische Ebene 1. Europäisches Primärrecht Das Verbot der Diskriminierung ist Leitmotiv des gesamten EG-Vertrages,62 vgl. Art. 18, 45 ff., 157 AEUV, vormals: Art. 12, 39 ff., 141 EG. Diese Vorschriften entfalten unmittelbare und damit direkt beschränkende Wirkung.63 Der Amsterdamer Vertrag hat den Rat in Art. 13 EG (heute: Art. 19 AEUV) überdies ermächtigt, „geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen“.64 Art. 19 blindness“, das i. R. der „second reconstruction“ durchgesetzt werden sollte, vgl. Schieck, AuR 2003, S. 44 (46, 48). 58 Vgl. etwa Präambel (Nr. 2), Art. 1 Nr. 3 und Art. 55c der UN-Charta v. 26. 06. 1945; Art. 2, 7 AMRErkl; Art. 2 II, 7 I IPwirtR v. 19. 12. 1966 (BGBl. II (1973), S. 1570); Art. 26 IPbürgR v. 19. 12. 1966 (BGBl. II (1973), S. 1534); IAO-Übereinkommen Nr. 100 v. 29. 06. 1951 (BGBl. II (1956), S. 23), Nr. 111 v. 25. 06. 1958 (BGBl. II (1961), S. 97), Nr. 159 v. 20. 06. 1983 (BGBl. II (1989), S. 2). Vgl. insoweit auch die Übersichten bei Frowein, in: HdbStR VII, § 180, Rn. 33 ff.; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 344 ff.; Rüfner, in: BKGG, Art. 3 II, III GG, Rn. 537; Weber, Menschenrechte, Kap. 11, S. 841 ff. 59 Zu dieser Feststellung kommt auch Neuner, JZ 2003, S. 57 (59). 60 s. hierzu bereits o. unter § 3 C. I. 2. 61 Vgl. hierzu insb. Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (10). Ein Grds. menschenrechtskonformer Auslegung (vgl. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 I, Rn. 137 ff.) würde angesichts der weitreichenden europ. und nationalen Bestimmungen wohl zu keinem stärkeren Diskriminierungsschutz führen. 62 So Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 12 EGV, Rn. 1. Vgl. a. EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2004, S. 201 (205) (Allonby). Zum „starken“ europäischen Anti-Diskrimineirungskonzept s. Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), S. 298 (314 ff.). 63 Zur „unmittelbaren Wirkung“ von EG-Recht vgl. EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2004, S. 201 (205) (Allonby); Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (234 ff.). 64 Vgl. hierzu ausf. Meyer, Das Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts als Grundsatznorm und Gleichheitsrecht, 2002, S. 1 ff. Inhaltlich wird dem Rat ein sehr großer Freiraum gewährt, indem er allg. geeignete Vorkehrungen jedweder Art zur Bekämpfung der
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AEUV will kein allgemeines Gleichbehandlungsgebot einführen, sondern betrifft besondere formale und materielle Diskriminierungsverbote.65 Der Einzelne kann sich nicht auf diesen Artikel berufen, da er lediglich eine Ermächtigungsgrundlage an den Rat darstellt, so dass er die unternehmerische Entscheidungsfreiheit bloß mittelbar beschränkt.66 2. Der allgemeine Gleichheitssatz auf europäischer Ebene Der EuGH leitet aus einer Zusammenschau der konkreten Gleichheitsrechte im Europäischen Gemeinschaftsrecht einen allgemeinen Grundsatz der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung als Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts ab, wonach vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, außer wenn die Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist.67 Der Ansatz des europäischen Anti-Diskriminierungsrechts war bislang nicht eine Drittwirkung dieses Gleichheitssatzes, sondern die Schaffung spezieller Diskriminierungsverbote, die gerade auch für Arbeitsverhältnisse gelten.68 Der allgemeine Gleichheitssatz hat infolge der Mangold-Entscheidung des EuGH69 neue Aufmerksamkeit erfahren, wonach das grundsätzliche Verbot der besonderen Diskriminierungen unmittelbar zur Anwendung im privaten Arbeitsverhältnis gebracht und erklärt wurde, dass es durch die Anti-Diskriminierungsrichtlinien nur konkretisiert werde.70 Die zukünftigen Auswirkungen des Grundsatzes, speziell auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, können hier nicht abgeschätzt werden; es lässt sich jedoch der Ansatz erkennen, den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zum Angelpunkt europäischen Gleichheitsrechts zu machen, der den Diskriminierungsschutzgedanken (auch) gegenüber wirtschaftlichen Freiheitsrechten insgesamt weiter ausdehnt und verstärkt. erfassten Diskriminierungen treffen kann. Art. 19 AEUV räumt der Gemeinschaft jedoch keine allg. Kompetenz zur Bekämpfung der aufgeführten Diskriminierungen ein, sondern ihm kommt lediglich im Verhältnis zu den sonstigen Kompetenzen ein akzessorischer Charakter zu (Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 13 EGV, Rn. 4, 6). 65 Joussen, RdA 2003, S. 32 (34). Zur Unterscheidung s. o. unter § 5 A. IV. 66 Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 13 EGV, Rn. 2. Z. T. anders Richardi, ZfA 2008, S. 31 (45); Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 17. Zumindest wurde Art. 13 EG jedoch schon eine gewisse Grundrechtsnähe bescheinigt (Joussen, RdA 2003, S. 32 (34)), was sich infolge der Mangold-Entscheidung des EuGH (s. hierzu u. unter § 5 B. II. 4. c)) noch verstärkt haben dürfte. 67 EuGH v. 03. 10. 2006 NZA 2006, S. 1205 (1206) (Cadman); v. 04. 03. 2004 NZA 2004, S. 595 (596 f.) (Haackert); v. 05. 10. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5039 (5062) (Bananen); vgl. a. BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1165); s. zum Rechtfertigungsmaßstab auch BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (998); Tettinger/Stern, GRCh, Art. 20, Rn. 9, 23. Falls der allg. Gleichheitssatz verletzt wird, können die benachteiligten Personen Leistungen auf dem gleichen Niveau wie die bevorzugten Personen beanspruchen. 68 So Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (9). 69 s. dazu u. unter § 5 B. II. 4. c). 70 EuGH (GrK) v. 22. 11. 2005 NJW 2005, S. 3695 (3698) (Mangold); bestätigt durch EuGH v. 19. 01. 2010 – Az.: C-555/07 (Kücükdeveci) – AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14.
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3. Sonstige Normen Die EMRK71 enthält in ihrem Art. 14 besondere Gleichheitssätze,72 die als relative Diskriminierungsverbote (streng akzessorisch) eine Diskriminierung hinsichtlich der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten untersagen.73 Ein allgemeines, d. h. nicht akzessorisches,74 Diskriminierungsverbot wurde im 12. Zusatzprotokoll eingeführt.75 Auch wenn die EMRK nach h. M. keine Drittwirkung entfaltet,76 dient sie dem EuGH jedoch zur Konkretisierung der von ihm entwickelten Grundrechtsgarantien.77 Auch ist der Gedanke aus Art. 14 EMRK aufgrund der Pflicht des Staates, diese Rechte vor den Eingriffen Dritter effektiv zu schützen, im Sinne einer mittelbaren Grundrechtswirkung zu berücksichtigen,78 so dass sich unternehmerische Freiheit hierüber beschränkt sieht, jedenfalls soweit die Merkmale in Art. 14 EMRK nicht anderweitig in Diskriminierungsverbote umgesetzt sind. Im Kapitel III „Gleichheit“ (Art. 20 – 26 GRCh) garantiert die Charta der Grundrechte der Europäischen Union einen allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 20 GRCh)79 sowie einen umfangreichen Merkmalskatalog mit dem Charakter einer diskriminierungsschützenden Generalklausel (Art. 21 GRCh).80 Aus der Wirkung der GRCh
71
Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 04. 11. 1950 (transformiert d. Gesetz v. 07. 08. 1952, BGBl. II, S. 685, 953). 72 Zur Einordnung vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 29. Daneben besteht ein Verbot der menschenunwürdigen Behandlung in Art. 3 EMRK. 73 „Insbesondere“ solche, die im Geschlecht, Rasse und Hautfarbe, in der Sprache, der Religion, der Abstammung (soziale Herkunft, Geburt), des Vermögens sowie der politischen und anderen Überzeugungen begründet sind. Differenzierungen aus Gründen des Alters oder der sexuellen Orientierung sind als sonstige persönliche Eigenschaften erfasst (Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 8). Zur Dogmatik s. stellv. EuGHMR v. 13. 04. 2006 NZA 2006, S. 1401 (1402); EuGHMR v. 18. 07. 1994 EuGRZ 1995, S. 392 (394 ff.); Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 14, Rn. 22 ff.; zum z. T. divergierenden Rechtfertigungsmaßstab: Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 86. 74 Die Betroffenheit eines Konventionsrechts ist damit nicht mehr Anwendbarkeitsvoraussetzung (vgl. Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 23). 75 Am 01. 04. 2005 in Kraft getreten, s. hierzu Schmalz, Grundrechte, Rn. 15. Zentrale Bestimmung ist der in Art. 1 ZP EMRK enthaltene allg. Gleichheitssatz. 76 Vgl. stellv. Stern, Staatsrecht III/1, § 62 III 8b. Speziell zur Frage einer möglichen Drittwirkung des Art. 1 12. ZP EMRK vgl. Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 23 („zweifelhaft“). Für eine Drittwirkung auch unter Privaten etwa Bleckmann, Staatsrecht II, § 10 Rn. 71 (vgl. dort auch § 3 Rn. 30 ff., § 10 Rn. 71). 77 s. o. unter § 3 C. II. 2. d); s. daneben Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 II 9a. 78 BVerfG v. 14. 10. 2004 JZ 2004, S. 1171 (1171); Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 148. „Quasi verfassungsrechtlicher Rang“ (Schmalz, Grundrechte, Rn. 16). 79 Hierzu Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 1. Vgl. Art. 80 – 86 EVerfE. 80 Die Generalkalusel wird durch die speziellen Bestimmungen aus Art. 22 – 26 ergänzt (vgl. hierzu insb. Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 (1321); dies., in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (273)). Zusätzlich zu Art. 14 EMRK finden Behinderung (Art. 26), Alter (Art. 25) und sexuelle Orientierungen Erwähnung.
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit
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über Art. 6 Abs. 1 EU81 kann sich eine Beschränkungswirkung zu Lasten unternehmerischer Freiheit ergeben.82 4. Europäisches Sekundärrecht Das auf europäischer Ebene angesiedelte Anti-Diskriminierungsrecht, das sich auf Abschluss, Inhalt und Bedingungen des Arbeitsverhältnisses auswirkt, wird weitgehend in europäischen Richtlinien statuiert.83 An dieser Stelle rückt die in letzter Zeit viel diskutierte Frage in den Blickpunkt, inwieweit die nunmehr umgesetzten AntiDiskriminierungsrichtlinien Wirkungen im deutschen Arbeitsrecht und damit auf Unternehmer entfalten. a) Allgemeine Richtlinienwirkungen Richtlinien sind nach Art. 288 Abs. 3 AEUV (vormals: Art. 249 Abs. 3 EG) grundsätzlich nicht auf eine unmittelbare Anwendbarkeit gerichtet, sondern enthalten einen Befehl an die Mitgliedstaaten (d. h. in erster Linie an die nationalen Gesetzgeber), dafür zu sorgen, dass das nationale Recht innerhalb einer bestimmten Frist die geforderte Regelung enthält.84 Daher begründen sie keine Pflichten und in der Regel auch keine Rechte Privater und damit keine horizontale Wirkung zwischen Privatrechtssubjekten.85 Insoweit ist vielmehr grundsätzlich – auch für die Anwendung durch innerstaatliche Gerichte für Arbeitssachen, die als staatliche Stellen Adressaten 81
Nach Art. 51 I GRCh galt die Charta vormals nur für die Organe und Einrichtungen der Union und für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts (hierzu Schwarze, EuZW 2004, S. 135 (139); Zachert, NZA 2000, S. 621 (623)). 82 Aufgrund mangelnder Rechtsverbindlichkeit (vgl. Birk, in: MünchArbR I, § 17, Rn. 98, § 18, Rn. 81) können die Auswirkungen der Art. 2, 4, Art. 1 ZP Europäischen Sozialcharta (ESC, s. BGBl. II (1964), S. 1262) und der Nr. 16, 24 – 26 Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (GSC) v. 09. 12. 1989 (KOM (1989) 248 endg.) auf die unternehmerische Freiheit hier vernachlässigt werden. 83 Richtlinien 76/207/EG, 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/EG (vgl. bereits o. unter § 1 C. (Fn. 20)); daneben insb. Beweislastrichtlinie (97/80/EG), Teilzeitrichtlinie (97/81/EG), RL über befristete Arbeitsverträge (1999/70/EG), vgl. nunmehr auch RL 2006/54/EG v. 05. 07. 2006 (ABl. EU L 204, S. 23 ff.). Eine Zusammenstellung findet sich bei Linck, in: Schaub, HdbAR, § 3, Rn. 83. 84 Vgl. EuGH v. 14. 09. 2000 NZA 2000, S. 1279 (1280) (Collino); v. 13. 11. 1990 Slg. 1990, S. 4156 (4158) (Marleasing); BAG v. 23. 03. 2006 NZA 2006, S. 971 (973); Giesen, NJW 2006, S. 721 (723); Thüsing, RdA 2001, S. 319 (323). 85 Mithin kann sich der Arbeitnehmer vor einer Umsetzungstätigkeit durch den dt. Gesetzgeber ggü. einem privaten Arbeitgeber nicht unmittelbar auf eine RL berufen (EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (912); v. 05. 10. 2004 NZA 2004, S. 1145 (1151) (Pfeiffer); BAG v. 23. 03. 2006 NZA 2006, S. 971 (973); Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV, Rn. 78, 83 f.; Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (245 f.). Zu abw. Ansichten Ruffert, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV, Rn. 86. Zur ausnw. vertikalen Drittwirkung vgl. EuGH v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (409) (Nikoloudi); v. 26. 02. 1986 EuGH Slg. 1986, S. 737 (749) (Marshall I); BVerfG v. 08. 04. 1987 BVerfGE 75, S. 223 (236 ff.); BAG v. 02. 04. 1996 AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
der sich aus Art. 20 EU, Art. 288 Abs. 3 AEUV ergebenden Verpflichtung, die in der Richtlinie vorgegebenen Ziele zu erreichen, sind, – das nationale Recht, das die in der Richtlinie angesprochenen Gegenstände regelt, maßgeblich und anzuwenden.86 Im Verhältnis zwischen privaten Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmern gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn eine Richtlinie nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt ist.87 Aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts und dem in diesem enthaltenen Grundsatz der Gemeinschaftstreue folgt daneben, dass es allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten obliegt, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die sich aus einer Richtlinie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen.88 Für die Gerichte der Mitgliedstaaten gilt daher gem. Art. 20 EU, Art. 288 Abs. 3 AEUV bei Rechtsstreiten zwischen Privaten das Gebot zur richtlinienkonformen Interpretation innerstaatlichen Rechts, das sie dazu verpflichtet, das verbindlich vorgegebene gemeinschaftsrechtliche Regelungsziel zur Auslegung von einfachem ebenso wie von Verfassungsrecht heranzuziehen und dieses gemeinschaftsfreundlich auszulegen, soweit bei der Auslegung ein Auslegungsspielraum besteht – unabhängig davon, ob der nationale Gesetzgeber überhaupt schon zur Umsetzung tätig geworden ist.89 Die Auslegungskompetenz der nationalen Gerichte muss hierbei im weitestmöglichen Umfang genutzt werden.90 Der richtlinienkonformen Auslegung, aufgrund derer die nationalen Gerichte die Auslegung des nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck einer Richtlinie auszurichten haben,91 sind aber Grenzen gesetzt, die durch die allgemeinen Auslegungsregeln bestimmt werden, 86 Auch wenn es mit den Vorgaben einer Richtlinie nicht vereinbar ist, vgl. EuGH v. 26. 09. 1996 EuGH Slg. 1996, S. 4705 (4730) (Arcaro); BVerfG v. 08. 04. 1987 BVerfGE 75, S. 223 (237); BAG v. 23. 03. 2006 NZA 2006, S. 971 (974); Riesenhuber/Domröse, NZA 2005, S. 568 (569); a. A. Schiek, NZA 2004, S. 873 (884). 87 Vgl. EuGH v. 14. 07. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 3347 (3355 f.) (Faccini Dori). Zu den Folgen einer verspäteten bzw. nicht ordnungsgemäßen Umsetzung (Staatshaftung) s. z. B. EuGH v. 19. 11. 1991 EuGH Slg. 1991, S. 5357 (5413 ff.) (Francovich 1). Während der Frist müssen die Mitgliedstaaten, die nicht verpflichtet sind, eine RL vor Fristablauf umzusetzen, nach Art. l0 II, 249 III EG (= Art 288 AEUV) den Erlass von Vorschriften unterlassen, die geeignet sind, das von der RL vorgegebene Ziel in Frage zu stellen („Frustrationsverbot“) – EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (912). 88 EuGH v. 12. 12. 2002 NZA 2003, S. 211 (212) (Caballero); BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1166); LAG Hamburg v. 13. 02. 2002 NZA 2002, S. 507 (510). 89 Vgl. EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (911) (Adeneler); v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (411) (Nikoloudi); BAG v. 23. 03. 2006 NZA 2006, S. 971 (973); Junker/Aldea, EuZW 2007, S. 13 (14 ff.); Kokott, RdA 2006, Beil. Heft 6, S. 30 (33). 90 Dies fordernd EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (911 f.); v. 18. 11. 2004 NZA 2005, S. 399 (401); BAG v. 27. 06. 2006 NZA 2006, S. 1276 (1278); v. 23. 03. 2006 NZA 2006, S. 971 (973 f.). Durch das Instrument wird der Unterschied zw. VO und RL indes immer weiter aufgeweicht (so etwa die Feststellung v. Hailbronner, NZA 2006, S. 811 (811); Konzen, ZfA 2005, S. 189 (198)). 91 Vgl. EuGH v. 05. 10. 2004 NZA 2004, S. 1145 (1151) (Pfeiffer); BAG v. 03. 04. 2007 BB 2007, S. 2014 (2014); Bauer/Arnold, NJW 2008, S. 3377 (3379); Thüsing, ZIP 2005, S. 2149 (2150).
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit
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namentlich den Wortlaut sowie v. a. den Sinn und Zweck des nationalen Rechts, so dass ein Widerspruch durch den Gesetzgeber aufgelöst werden muss.92 Die Auslegung darf den erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht verändern und scheidet damit aus, wenn sie den Sinn der nationalen Rechtsnorm verfälschen und eine unzulässige europarechtskonforme Gesetzesbeugung darstellen würde.93 Mithin wirken die Richtlinien nicht unmittelbar, wohl aber im Rahmen der Auslegung nationalen Rechts (v. a. des AGG) auf die unternehmerische Freiheit ein.94 b) Die europäischen Anti-Diskriminierungsrichtlinien Durch die Richtlinien, die sich gegen Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts95, der Rasse und ethnischen Herkunft96, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung97 richten, sollen Mindestanforderungen festgelegt werden;98 ihre Umsetzung soll nicht eine Absenkung eines bereits bestehenden Schutzniveaus rechtfertigen.99 Der Anwendungsbereich der Richtlinien wird sehr weit definiert, erfasst in erster Linie das Arbeitsrecht, Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Privatwirtschaft und gilt in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in gleichem Maße wie in Bezug auf den Zugang zu einer Arbeitsstelle.100 92 H. M., vgl. EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (911); v. 05. 10. 2004 NZA 2004, S. 1145 (1151) (Pfeiffer); v. 19. 03. 2002 NZA 2002, S. 501 (502) (Lommers); BAG v. 30. 03. 2004 NZA 2004, S. 931 (935); v. 18. 02. 2003 AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft; Kreft, RdA 2006, Beil. Heft 6, S. 38 (44); Riesenhuber, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, 2007, S. 1 (24); Sagan, NZA 2006, S. 1257 (1258); Thüsing, RdA 2008, S. 307 (308) unter Hinw. auf Kokott. Krit. Herrmann, EuZW 2006, S. 69 (70); Klumpp, NZA 2005, S. 848 (849). 93 BVerfG v. 24. 05. 1995 BVerfGE 93, S. 37 (81); BAG v. 23. 03. 2006 NZA 2006, S. 971 (974); v. 18. 02. 2003 AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft. A. A. offenbar LAG Hamburg v. 13. 02. 2002 NZA 2002, S. 507 (510) (für eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung auch contra legem); ebenso Riesenhuber/Steinau-Steinrück, NJW-Spezial (Arbeitsrecht) 2005, S. 225 (225). 94 Neuerdings tendiert der EuGH in seiner Rspr. gar dahin, das innerstaatliche Gericht im Interesse des Schutzes der Arbeitnehmer verpflichtet zu sehen, im Verhältnis zw. Arbeitnehmer und privatem Arbeitgeber eine der RL widersprechende Norm des nationalen Rechts außer Anwendung zu lassen, wenn diese eine Ausnahme von einer richtlinienkonformen Grundregel des nationalen Rechts ist. In der Entscheidung Mangold (s. hierzu u. § 5 B. II. 4. c)) ist von einer richtlinienkonformen Auslegung keine Rede mehr (Bauer/Arnold, NJW 2006, S. 6 (6, 8); vgl. a. Kokott, RdA 2006, Sonderbeilage Heft 6, S. 30 (34 f.)). 95 Richtlinien 76/207/EG, 2002/73/EG, 2004/113/EG. 96 Richtlinie 2000/43/EG. 97 Richtlinie 2000/78/EG; ausdrücklich ausgenommen sind Fragen der Staatsangehörigkeit, Art. 3 III RL 2000/78/EG. 98 Die Mitgliedstaaten können also günstigere Vorschriften einführen oder beibehalten (Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (12)). 99 Vgl. Art. 8 II RL 2000/78 u. 2000/43 (Absenkungsverbot). 100 Vgl. Art. 1, Art. 3 I a-c, 5 RL 2000/78/EG; nachgebildet RL 76/207/EWG; vgl. Joussen, RdA 2003, S. 32 (35); Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3442 f.).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
Dies trägt dazu bei, dass das Diskriminierungsverbot die unternehmerische Freiheit an diversen Punkten berührt. Die Diskriminierungsvorschriften erstrecken sich auf „die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs“, wirken mithin in jedem Teil des Arbeitsvertragsverhältnisses.101 Zugunsten der unternehmerischen Freiheit streiten insbesondere die in den Richtlinien vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten. Art. 2 Abs. 2 RL 76/207/EG und Art. 4 RL 2000/ 43/EG und 2000/78/EG formulieren jeweils die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, für sämtliche Diskriminierungsverbote unter gewissen Bedingungen Ausnahmemöglichkeiten vorzusehen, wenn das Unterscheidungsmerkmal „aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt“.102 Davon wieder abweichende Formulierungen finden sich für die Rechtfertigungsgründe in kirchlichen oder religiösen Organisationen in Art. 4 Abs. 2, für die Behinderung in Art. 5 und für das Alter in Art. 6 RL 2000/78/EG.103 Nach Art. 7 Abs. 1 RL 2000/78/EG hindert der Gleichbehandlungsgrundsatz die Mitgliedsstaaten nicht daran, spezifische (positive) Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Art. 1 der Richtlinie genannten Diskriminierungsgrundes verhindert oder ausgeglichen werden.104 Nach Art. 10 Abs. 1 RL 2000/78/EG, der den effektiven Rechtsschutz als Teil des europäischen Diskriminierungsschutzkonzepts in den Blick nimmt,105 müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen er101 Vgl. Art. 3 I lit.a RL 2000/78/EG; es wirkt insb. i. R. d. Ausschreibung, beim Vorstellungsgespräch und hinsichtlich der Einstellungs- bzw. Auswahlentscheidung. 102 Vgl. hierzu u. a. Erwägungsgrund Nr. 18 RL 2000/43/EG und Nr. 23 RL 2000/78/EG; Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (26). Die Ausfüllung dieser unbest. Rechtsbegriffe überlässt der EuGH regelm. den nationalen Gerichten (vgl. Wißmann, in: ErfK, Art. 234 EG, Rn. 7 f.). Zum Umsetzungserfordernis, dem der dt. Gesetzgeber mit Schaffung des AGG weitestgehend nachgekommen ist, vgl. Caspers, Anm. zu BAG BB 2002, S. 2504 ff., BB, S. 2506 (2508); Wiedemann/Thüsing, NZA S. 1234 (1238). 103 RL 2000/78/EG berührt von vornherein nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind (vgl. Art. 2 V RL 2000/78/EG; s. a. Art. 3 IV RL 2000/78/EG u. Begründungserwägung Nr. 18; zur Bedeutung dieser Einschränkung, die v. a. die Streitkräfte, die Polizei, die Haftanstalten und die Notfalldienste betrifft, s. insb. Kuras, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 11 (14)). Diese Beschränkung wurde auffälligerweise nur in die Rahmenrichtlinie, nicht dagegen in RL 2000/43/EG aufgenommen. Die „Rechte und Freiheiten anderer“ sollen nicht dem Schutz der Vertragsfreiheit dienen (vgl. Linsenmaier, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 22 (26)), so dass es äußerst zweifelhaft erscheint, ob diese Ausnahmebestimmung dem privaten Arbeitgeber Unterstützung bei der Ausübung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit liefern kann. 104 Vgl. hierzu insb. Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (83 ff.); die Vorschrift ist somit vergleichbar mit Art. 157 IV AEUV, Art. 2 IV RL 76/207/EG. 105 Vgl. diesbzgl. auch Art. 9 RL 2000/78/EG.
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit
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greifen, um zu gewährleisten, dass von Diskriminierung betroffene Personen nur den glaubhaften Anschein einer Diskriminierung nachzuweisen haben, um die Beweislast zu Lasten des Unternehmers umkehren zu lassen.106 Die Ausgestaltung der Rechtsfolgen liegt gemäß Art. 17 RL 2000/78/EG im Ermessen der Mitgliedstaaten, wobei die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen,107 woraus sich einige Probleme im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Grundsätzen des deutschen allgemeinen Zivilrechts ergeben. Mithin lässt sich festhalten, dass die Richtlinien, die bei der Auslegung nationaler Vorschriften zu beachten sind, einen umfassenden Rahmen vorgeben, den der deutsche Gesetzgeber v. a. mit der Schaffung des AGG ausgefüllt hat. c) Richtlinie 2000/78/EG als bloße Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes Nach der Mangold-Entscheidung des EuGH, die mittlerweile so vom BAG bestätigt wurde, ist eine nationale Norm, die gegen ein europäisches Diskriminierungsverbot verstößt, unanwendbar.108 Dies stellt der EuGH unter Berufung auf den primären 106 Entspr. Beweislastregeln enthielt das bundesdeutsche Recht bereits für das geschlechtsbezogene Diskriminierungsverbot in § 611a I 3 BGB sowie für behinderte Menschen in § 81 II 2 Nr. 1 S. 3 SGB IX. Zur Frage, ob sich aus der gewählten Formulierung eine Abweichung von der EuGH-Definition und Art. 4 I RL 97/80/EG insoweit ergibt, als sie bei mittelbaren Diskriminierungen auf den (statistischen) Nachweis „wesentlich größerer nachteiliger Auswirkungen“ verzichtet, vgl. Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (83); s. bereits o. unter § 5 A. II. 3.). 107 Zu diesem Maßstab vgl. insb. EuGH v. 07. 09. 2006 NZA 2006, S. 1265 (1268); v. 22. 04. 1997 EuGH Slg. 1997, S. 2195 (2207 f.) (Draehmpaehl); v. 10. 04. 1984 EuGH Slg. 1984, S. 1891 (1908) (von Colson u. Kamann). Als Mindestsanktionen, die sich aus der RL herleiten lassen, sollen die Nichtigkeit eines einseitigen Gestaltungsrechts im Widerspruch zum Diskriminierungsverbot oder Schadensersatzansprüche, jedoch nicht ein Kontrahierungszwang in Betracht kommen. s. a. Art. 11 RL 2000/78/EG und Art. 6 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (BGBl. II (1969), S. 962 (968)). Im U.S.amerik. Recht hat das Gericht hinsichtlich der Rechtsfolgenbestimmung i. R. eines equitable relief einen verhältnismäßig breiten Gestaltungsspielraum, die Wiedergutmachung soll dabei compensation, deterrence und punishment zugleich dienen. Zu den Problemem s. Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 79. Bei einer systematic discrimination, also einem Gleichheitsverstoß in kollektiven Regelungen, kann der Arbeitgeber sogar zu Handlungen zugunsten einer ganzen Gruppe von Arbeitnehmern verurteilt werden (affirmative action relief). Ihm kann z. B. aufgegeben werden, eine bestimmte Quote seiner Arbeitspläze Frauen zur Verfügung zu stellen, oder verstärkt um weibliche Arbeitnehmer zu werben, oder bei zukünfigen Einstellungen benachteiligte Gruppen ausschließlich oder zu einem bestimmten Prozentsatz zu berücksichtigen (vgl. Zimmer/Sullivan/White, Cases and Materials in Employment Discrimination, 2003, S. 943 ff.; s. a. die Leitentscheidungen Local 28, Sheet Metal Workers International Association vs. EEOC, 478 U.S. 421 (1986); United States v. Paradise, 480 U.S. 149 (1987)). 108 EuGH (GrK) v. 22. 11. 2005 NJW 2005, S. 3695 (3698) (Mangold); bestätigt durch EuGH v. 19. 01. 2010 – Az.: C-555/07 (Kücükdeveci) – AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14; ähnlich EuGH v. 12. 12. 2002 NZA 2003, S. 211 (212) (Caballero); zust. nunmehr BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (1001); BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1163 ff.); v. 11. 04. 2006 NZA 2006, S. 1217 (1218); krit. Bauer, NJW-Editorial Heft 20/2006; Bauer/Ar-
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz109 fest, was an eine unmittelbare Drittwirkung des Art. 3 Abs. 1 GG erinnert und im Ergebnis zu einer unmittelbaren horizontalen Drittwirkung der Richtlinie 2000/78/EG führt.110 Hierdurch hat der EuGH seine Kompetenzen in Richtung einer Superrevisionsinstanz und damit den ohnehin schon großen Einfluss des europäischen Anti-Diskriminierungsrechts auf das deutsche Arbeitsrecht erheblich ausgeweitet.111 Nach Teilen der Literatur stellt dies einen Verstoß gegen die in Art. 288 AEUV festgelegte Rechtswirkung von Richtlinien dar und steht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des EuGH und des BAG.112 Teile der Literatur sehen die unmittelbaren Auswirkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes als einem Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts auch weiterhin nur im Verhältnis zum nationalen Gesetzgeber und nicht zum (privaten) Arbeitgeber.113 Das BAG geht nunmehr von einem unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung (wegen des Alters) aus, das als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen ist, jetzt in Art. 21 Abs. 1 GRC ausdrücklich genannt und durch die Richtlinie 2000/ 78/EG konkretisiert wird114. Auch wenn der EuGH mittlerweile von seinem weitreinold, NJW 2006, S. 6 (6) („Paukenschlag“ des EuGH; „Tugendterror“ europäischer Prägung). Fraglich ist, ob für eine unmittelbare Geltung ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug vorliegen muss, in diese Richtung Preis, NZA 2006, S. 401 (403); vgl. hierzu a. den Vorlagebeschluss des BAG v. 27. 06. 2006 in NZA 2006, S. 1276 (1279 f.). 109 Vgl. hierzu bereits o. unter § 5 B. II. 2. 110 EuGH (GrK) v. 22. 11. 2005 NJW 2005, S. 3695 (3698) (Mangold); bea. schon EuGH v. 09. 09. 2003 NZA 2003, S. 1137 (1138) (Rinke); v. 10. 02. 2000 NZA 2000, S. 313 (317) (Deutsche Telekom). s. a. EuGH v. 19. 01. 2010 – C-555/07 – (Kücükdeveci) – AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14; v. 05. 03. 2009 – C-388/07 – (Age Concern England) Slg. 2009, I-1569; BAG v. 11. 04. 2006 NZA 2006, S. 1217 (1218); zust. Sagan, NZA 2006, S. 1257 (1259); Temming, Altersdiskriminierung im Arbeitsleben, 2008, S. 473 f.; dagegen krit. Bauer/Arnold, NJW 2008, S. 3377 (3379); Lembke, NJW 2006, S. 325 (331); Nettesheim, JZ 2008, S. 1159 (1159 f.). Vgl. schon die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer in der Rs. Pfeiffer, denen der EuGH in seiner Entscheidung noch eine klare Absage erteilt hatte (EuGH v. 05. 10. 2004 NZA 2004, S. 1145 (1151) (Pfeiffer)). Schon die Herleitung dieses Grundsatzes, der die Richtlinien i. Erg. weitgehend überlüssig macht, erscheint zweifelhaft (vgl. Körner, NZA 2005, S. 1395 (1397); Preis, NZA 2006, S. 401 (406 f.); dagegen BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1166); Temming, NJW 2008, S. 3404 (3404 ff.)). 111 Denn er hat grds. keine Kompetenz, nationales Recht für unanwendbar oder nichtig zu erklären – so die Kritik v. Hailbronner, NZA 2006, S. 811 (811, 816); Koberski, NZA 2005, S. 79 (83); Reichold, ZESAR 2006, S. 55 (57 f.) („Hypertrophie der Rechtskontrolle“); ähnlich Langohr-Plato, AuR 2006, S. 144 (148). A. A. BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1167); Schiek, NZA 2004, S. 873 (884). 112 Vgl. o. unter § 5 B. II. 4. a); ebenso Lipke, in: KR (2004), § 14 TzBfG, Rn. 361 f.; Kerwer, NZA 2002, S. 1316 (1318); s. a. die Kritik v. Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (242); Rieble/Zedler, ZfA 2007, S. 273 (280 ff.). Das BVerfG hat die Mangold-Entscheidung mit seinem Honeywell-Beschluss gebilligt (vgl. BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (1001 f.) – „negative Richtlinienwirkung“. 113 In diese Richtung etwa Rengier, NZA 2006, S. 1251 (1252); Thüsing, NZA 2006, S. 774 (777); in diese Richtung nunmehr EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (912); a. A. Bauer/ Arnold, NJW 2006, S. 6 (10). 114 Vgl. etwa BAG v. 13. 10. 2010 – Az.: 5 AZR 378/09 – zit. n. juris.
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chenden Postulat, die Diskriminierungsverbote als unmittelbar wirkende primärrechtliche allgemeine Grundsätze anzuerkennen, zwischenzeitlich abgerückt ist,115 trägt die Rechtsprechung jedenfalls insgesamt dazu bei, dass die Reichweite von Diskriminierungsschutz und dessen Auswirkungen für Unternehmer unübersichtlich sind116.
III. Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz auf nationaler Ebene Ebenso wie internationale bzw. europäische Regelungen tragen auch nationale Gleichheitssätze dazu bei, dass unternehmerische Freiheit beschränkt wird. 1. Verfassungsrechtliche Ebene Der horizontale Diskriminierungsschutz gehört seinem Wesenskern nach zu den Fundamentalsätzen der Bonner Verfassung.117 a) Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) als ein grundlegendes Prinzip der verfassungsrechtlichen Wertordnung und als ein unveräußerliches Menschenrecht als Grundlage jeder Gerechtigkeit steht jedem ohne Ausnahme und in gleicher Weise zu – unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Nationalität, Religion, so dass mit der Freiheit des Menschen insofern auch Gleichheit angeboren ist.118 Ein konkreter Maßstab lässt sich hieraus jedoch nicht entnehmen. b) Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG – dem Hauptsitz der Rechtsgleichheit119 – wird traditionell von einer zurückhaltenden Einwirkung auf das Privatrecht ausge115
Vgl. EuGH v. 16. 10. 2007 NJW 2007, S. 3339 (3340 f.) (Palacios); vgl. a. Riesenhuber, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, 2007, S. 1 (29 f.); Hein, NZA 2008, S. 1033 (1034); a. A. Thüsing, RdA 2008, S. 51 (52). s. nunmehr das Klarstellungsverlangen des BAG gem. seinem Vorabentscheidungsersuchen v. 16. 10. 2008 – Az.: 7 AZR 253/07 [A] – zit. n. juris. Zur Einschränkung der Anwendbarkeit des europarechtlichen Diskriminierungsverbots bei fehlendem europarechtlichem Bezug: EuGH v. 23. 09. 2008 NZA 2008, S. 1119 (1120) (Bartsch); Bauer/Arnold, NJW 2008, S. 3377 (3379); Nettesheim, JZ 2008, S. 1159 (1160). 116 Zur fortschreitenden Konkretisierung von Anwendungsbereich, Inhalt und Reichweite des unionsrechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters vgl. EuGH v. 12. 10. 2010 – C-499/08 – (Andersen) und – C-45/09 – (Rosenbladt) DB 2010, 2339, jew. m. w. N. 117 So Neuner, JZ 2003, S. 57 (60). 118 Vgl. BayVerfGH v. 22. 03. 1948 BayVerfGHE n. F 1, S. 29 (31 f.); Stern, Staatsrecht III/ 1, § 58 I 1, II 3c, 6a, b, III 3. Hiernach dienen Diskriminierungsverbote der Konkretisierung der Menschenwürdegarantie; in diese Richtung Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 1; Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (232); Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1013). 119 Wichtiger Anknüpfungspunkt für Diskriminierungsschutz in den Vereinigten Staaten ist das Gleichheitsgebot des 14. Amendments (Equal Protection Clause) (Constitution of the United States 14th Amendment 1868 sec. 1), das in seiner heutigen Interpretation einem allgemeinen Gleichheitsgebot nahe kommt (Perry, We the People. The 14. Amendment and the Supreme Court, 1999, S. 76 ff.). Es wurde durch die Rspr. des U. S. S. C. zur scharfen Waffe
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
gangen, bei der der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz keine unmittelbare Geltung unter Privaten beansprucht120 und somit dem Arbeitgeber als staatsgerichtetes Grundrecht kein Willkürverbot121 auferlegt bzw. in seiner Form als allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht122 als äußerste Grenze angelegt ist, die eine sachliche Rechtfertigungsmöglichkeit zulässt.123 Da dem Unternehmer, der wirtschaftlich handelt, sachliche und damit auch marktbedingte Gründe zur Seite stehen, sollte er in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit durch den allgemeinen Gleichheitssatz insgesamt nicht unzumutbar eingeschränkt werden.124 Zudem ist zu beachten, dass zum Schutz benachteiligter Personen oder Personengruppen. Die Equal Protection Clause verlangt wie Art. 3 I GG, dass alle Personen in einer vergleichbaren Situation prinzipiell gleichbehandelt werden; das Gebot bindet alle staatliche Gewalt, ist allerdings allein gegen die Einzelstaaten gerichtet; der Bund wird aber durch die Due Process Clause des 5. Amendments gleichermaßen an das Gleichheitsprinzip gebunden. Vgl. hierzu stellv. U. S. S. C. Brown vs. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954); 349 U.S. 294 (1955). Zur Kritik vgl. das dissenting vote v. Justice Scalia in United States vs. Virginia, 518 U.S. 515, 116 S. Ct. 2264 (1996). Vgl. auch schon den Civil Rights Act v. 1866. Zur Entwicklung der Rspr. des U. S. S. C. vgl. Stern, Staatsrecht III/1, § 62 I 5a. 120 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 I GG, Rn. 519; Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (9), m. w. N.; a. A. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 79. Er ist daher grds. nicht geeignet, die freiheitsrechtlichen Grundsätze der privatautonomen Entscheidung über die Vergabe von Arbeitsplätzen zugunsten eines auch privatrechtlich wirksamen, Gleichbehandlungsgebots zu relativieren (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 65 ff.; a. A. Hueck/Nipperdey, Bd. I § 48a, S. 421). s. a. BT-Dr. 16/1780, allg. Begründung zu Abschnitt 3 AGG. Krit. zur Beschränkung der unternehmerischen Freiheit durch Art. 3 I GG daher Friedrich, in: KR, § 13 KSchG, Rn. 180. 121 Hiernach ist „weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“ zu behandeln, sodass auf sachfremden Erwägungen beruhende, evidente Fehlentscheidungen oder Maßnahmen, die tatsächlich und eindeutig unangemessen sind, ausgeschlossen werden (BVerfG v. 18. 12. 2002 NZA 2003, S. 376 (376); vgl. auch BAG v. 30. 08. 2000 NZA 2001, S. 613 (615 ff.)). 122 Vgl. RAG v. 19. 01. 1938 RAGE 33, S. 172 (176); BAG v. 27. 06. 2006 NZA 2006, S. 1276 (1278); v. 22. 03. 2005 NZA 2005, S. 773 (774); vgl. auch § 1 I BetrAVG; § 4 DiskE ArbVG Henssler/Preis, NZA, Beil. Heft 23/2006, S. 6 (8). 123 Hanau, in: FS Konzen (2007), S. 233 (244 f.). Zur eigenständigen Bedeutung des Art. 3 I GG für die Einschränkung (unternehmerischer) Privatautonomie vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Anh. Art. 3 GG, Rn. 2 ff.; Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (163); zur europ. Dimension vgl. Stein, in: AK-GG, Art. 3 I GG, Rn. 81 ff. 124 Insg. steht ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der funktions- oder auch betriebsspezifische Interessen der Arbeitgeber an größerer personalwirtschaftlicher Beweglichkeit berücksichtigen kann (BVerfG v. 28. 06. 2000 NZA 2000, S. 999 (1000); v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (180 ff.); BAG v. 11. 04. 2006 NZA 2006, S. 1217 (1218); v. 24. 05. 2000 NZA 2000, S. 845 (845); Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 3, Rn. 24). Bes. können hierüber unternehmerische Wirtschaftlichkeitsüberlegungen (etwa bzgl. der Arbeitsmarktlage), Unternehmens- und Marktbedingungen (etwa die unterschiedliche Profitabilität eines Arbeitsverhältnisses) sowie die grundlegenden Zweck- und Zielrichtungen der Betriebsorganisation, der Personalpolitik sowie des Marktauftritts als Differenzierungsgründe berücksichtigt werden (vgl. BAG v. 29. 07. 2004 NZA 2004, S. 1152 (1154); v. 18. 09. 2001 NZA 2002, S. 148 (149); Bepler, NZA, Beil. Heft 18/2004, S. 3 (11); Reichold, JZ 2004, S. 384 (386)). Auch die fehlende Einbeziehung des Einstellungsvorgangs in den Wirkungsbereich des Gleichbehandlungsan-
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Art. 3 Abs. 1 GG durch Gleichheitssätze des europäischen Gemeinschaftsrechts und durch speziellere verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Differenzierungsverbote teils ergänzt, teils ausgestaltet und überlagert wird,125 so dass die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eher hierdurch betroffen wird.126 c) So darf etwa nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG niemand wegen seines Geschlechts, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden; S. 2 formuliert ein Benachteiligungsverbot aus Gründen der Behinderung.127 Die Norm schützt nach h. A. auch vor mittelbarer Diskriminierung.128 Art. 3 Abs. 3 GG wirkt über seinen objektiv-rechtlichen Charakter mittelbar auf das Verhältnis zwischen Privaten ein.129 Die Anwendbarkeit des Verbots der Differenzierung erfährt eine Einschränkung seines Anwendungsbereichs dadurch, dass es nur für Fälle gilt, in denen der zu ordnende soziale Lebenstatbestand essentiell vergleichbar ist.130 Inwieweit daneben eine Rechtfertigung in Betracht kommt, ist umstritten. Die strengste Auffassung geht von einem absoluten Anknüpfungsverbot aus, lässt also keine Respruchs lässt erkennen, dass der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers generell Vorrang belassen wird (hierzu BAG v. 01. 12. 2004 NZA 2005, S. 289 (291); v. 29. 09. 2004 NZA 2005, S. 183 (183) (LS); v. 26. 08. 1987 AP Nr. 137 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Richardi, in: MünchArbR I, § 14, Rn. 34 ff.). 125 Sog. bereichsspezifische Anwendung, s. Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 3, Rn. 9. Näher zu der sich einem Diskriminierungsmaßstab annähernden sog. „neuen“ Formel zur Kontrolle der herangezogenen Rechtfertigungsgründe u. a. BVerfG v. 06. 03. 2002 BVerfGE 105, S. 73 (110); v. 28. 06. 2000 NZA 2000, S. 999 (1000); BAG v. 18. 10. 2005 NZA 2006, S. 1159 (1161); Steinmeyer, NZA 2004, S. 1257 (1259). 126 Zur Unterscheidung s. o. unter § 5 A. IV. Zur Verschärfung der Beschränkungswirkung, etwa im Bereich der Ausgestaltung der Darlegungs- und Beweislast (s. hierzu BAG v. 01. 12. 2004 NZA 2005, S. 289 (292); v. 19. 06. 2001 NZA 2002, S. 557 (560)) sowie der Rechtsfolgenseite (vgl. BAG v. 11. 04. 2006 NZA 2006, S. 1217 (1218)), s. v. a. die Kritik v. Lieb, ZfA 1996, S. 319 (320, 333 f.). 127 Vgl. hierzu insb. Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 38; näher zu den einzelnen Merkmalen u. unter § 5 C. Nach Art. 3 III GG darf das betroffene Merkmal nicht Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung sein, wobei es ausreicht, dass eines der Merkmale „in einem Motivbündel“, das die Regelung beeinflusst hat, enhalten ist (vgl. BVerfG v. 25. 10. 2005 BVerfGE 114, S. 357 (364)). Zum Streit um den Begründungszusammenhang vgl. Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 65 ff. 128 BVerfG v. 18. 06. 2008 JuS 2008, S. 1014 (1014) m. krit. Anm. Sachs; v. 27. 11. 1997 BVerfGE 97, S. 35 (43); von Roetteken, NZA 2001, S. 414 (416 f.); a. A. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 567, der jedoch offenbar von einem anderen Begriff der mittelbaren Diskriminierung ausgeht. 129 Vgl. nur Eichenhofer, DVBl. 2004, S. 1078 (1080); Reichold, ZfA 2007, S. 257 (267). Die Diskriminierungsverbote richten sich damit v. a. über die Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln (wie etwa §§ 138, 242, 626 BGB, § 75 BetrVG) (auch) an den Arbeitgeber (Hergenröder, in: HWK, Art. 3 GG, Rn. 128). Nach h. A. soll auch der Gedanke der Schutzplichtenwirkung i. R. von Art. 3 III GG zum Tragen kommen (so z. B. Kühner, NJW 1986, S. 1397 (1401); abl. Boemke, ZfA 2001, S. 245 (255)). Weitergehend Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 664; krit. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 172. 130 BVerfG v. 28. 01. 1987 BVerfGE 74, S. 163 (179), m. w. N.; L/R/H, Art. 3, Rn. 3053.
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gelung oder Maßnahme zu, die eines der geschützten Merkmale verwendet.131 Der Schutz unternehmerischer Freiheit käme hiernach generell nicht in Betracht. Nach dem Ausnahmemodell der h. M. dürfen die verbotenen Merkmale zwar grundsätzlich nicht als Anknüpfung dienen, ihre Verwendung kann aber in engem Rahmen und nach strengen Maßstäben gerechtfertigt sein.132 Nachdem das BVerfG hier früher auf objektive biologische oder funktionale (arbeitsteilige) Unterschiede abstellte,133 arbeitet es inzwischen mit einem strengen Prüfungsmaßstab, wonach differenzierende Regelungen nur dann zulässig sind, „soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind“ und hält in jedem Fall eine strenge Verhältnismäßigkeitskontrolle der auf die Unterschiede bezogenen Rechtsfolgen für geboten.134 Dem folgend stellt auch die h. L. hinsichtlich der Zulässigkeit einer Differenzierung unter ähnlich strengem Maßstab darauf ab, ob der biologische Geschlechtsunterschied den Lebenssachverhalt so entscheidend prägt, dass etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten.135 Im Hinblick auf andere verfassungsrechtlich geschützte Werte wird entsprechend allgemein anerkannter Grundrechtslehren ein Abwägungsmodell vertreten, wonach sich ein Eingriff in die Rechte aus Art. 3 Abs. 3 GG, die vorbehaltlos gewährleistet werden, unter Anwendung des Prinzips der Einheit der Verfassung noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren lässt.136 Im Bereich des Privatrechts folgt das Abwägungsgebot mit anderen Grundrechten überdies aus der mittelbaren Drittwirkung der Diskriminierungsverbote;137 denn im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung z. B. arbeitsrechtlicher Vorschriften hat der Rechtsanwender sowohl die besonderen verfassungsrechtlichen Differenzierungsverbote als auch die grundrechtlichen Freiheitsrechte – insbesondere die unternehmerische Freiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG – zu beachten. Dementsprechend sollen Unterscheidungen nach den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen 131 Sachs, in: HdbStR, § 126, Rn. 66; Starck, in: v. Mangodt/Klein/Starck, GG I, Art. 3, Rn. 264. Sie betont, dass Art. 3 III GG Gleichbehandlung „allgemein“ und nicht „einschränkbar“ (d. h. ohne Gesetzesvorbehalt) gewährleiste. 132 Vgl. statt vieler nur Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 578. 133 So z. B. BVerfG v. 20. 03. 1963 BVerfGE 15, S. 337 (343). 134 BVerfG v. 25. 10. 2005 BVerfGE 114, S. 357 (364); v. 24. 01. 1995 BVerfGE 92, S. 91 (109); s. a. LRH, Art. 3, Rn. 3065 f.; bei mittelbar wirksamen Unterscheidungen ist der Prüfungsmaßstab auf ein objektives, nicht mit dem Geschlecht zusammenhängendes Bedürfnis abgemildert; die nachteiligen Folgen dürften sich allerdings nicht unverhältnismäßig auswirken (Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 89). 135 Vgl. etwa Ebsen, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 8 Rn. 28; Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 578. 136 BVerfG v. 25. 10. 2005 BVerfGE 114, S. 357 (364); v. 24. 01. 1995 BVerfGE 92, S. 91 (109); Ebsen, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 8, Rn. 23 ff.; Gubelt, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 3, Rn. 88; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 3, Rn. 58; grdl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 5, 5a; Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 2 g, 4b b. 137 s. hierzu o. unter § 3 C. III. 1. d); Eckertz-Höfer, AK-GG, Art. 3 II, III, Rn. 40; Heun, in: Dreier, Art. 3 III GG, Rn. 138.
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unter verfassungsrechtlichen Maßstäben z. B. in den Fällen ausnahmsweise erlaubt sein, in denen eine Einstellung nachvollziehbar die Kenntnis der deutschen Sprache voraussetzt,138 in denen kirchliche Tendenzbetriebe eine bestimmte Konfessionszugehörigkeit voraussetzen139 oder in denen wegen des erforderlichen Vertrauensverhältnisses zu Frauen, etwa in Beratungssituationen hinsichtlich sexueller Belästigung, Frauen für das Amt einer Gleichstellungsbeauftragten bevorzugt werden.140 Gegenläufige Prinzipien seien mit den Diskriminierungsverboten in harmonisierender Auslegung zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen.141 Da die Meinung, die die Verbote des Art. 3 Abs. 3 GG als absolute Differenzierungsverbote betrachtet, zu starr ist, weil sie gegenläufigen Interessen nicht ausreichend Rechnung tragen kann, ist sie abzulehnen.142 Praktikabel und effizient erscheint nur ein Abwägungsmodell unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, das kollidierende Interessenlagen gegebenenfalls ausbalancieren kann.143 2. Einfachgesetzliche Ebene a) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Das AGG soll einen umfassenden Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht gewährleisten, indem es zusätzliche Rechte bei Diskriminierungen schafft und darüber hinaus die faktische Rechtsdurchsetzung verbessert.144 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 AGG 138
Vgl. BVerfG v. 22. 05. 1975 BVerfGE 39, S. 334 (368); BAG v. 28. 01. 2010 NZA 2010, S. 625 (626); Sacksofsky, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 3 III GG, Rn. 322. 139 Vgl. Eckertz-Höfer, AK-GG, Art. 3 II, III, Rn. 122; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3, Rn. 101; Heun, in: Dreier, Art. 3 III GG, Rn. 132, 138; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 410. 140 BVerfG v. 26. 10. 1994 BVerfGE 91, S. 228 (245); Eckertz-Höfer, AK-GG, Art. 3 II, III, Rn. 57, 96 – ebenso bei Sicherheitspersonal für die Durchsuchung von Frauen. 141 Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 574 f., 577 ff. In diese Richtung auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 376. Dementsprechend soll Art. 3 III GG z. B. für Tendenzbetriebe (z. B. konfessioneller oder parteipolitischer Art) nur beschränkte Bedeutung haben (Model/Müller, GG, Art. 3, Rn. 18). 142 Im Erg. ebenso Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 75. Die Diskriminierungsverbote des Art. 3 III GG dürfen ebenso wenig wie irgend eine andere Verfassungsnorm absolut gesetzt und allen anderen Normen der Verfassung vorgeordnet werden (Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 88). 143 Vgl. Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 75; allg. hierzu: Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 4b b. Auch verbietet Art. 3 III GG nicht den Ausgleich solcher Nachteile, die gerade einer nach den geschützten Merkmalen abgegrenzten Gruppe zugefügt wurden, und die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht vermeidbar oder nur durch Kompensation auszugleichen sind (BVerfG v. 24. 01. 1995 BVerfGE 92, S. 91 (109); Ubber/Weller, NZA 2004, S. 893 (897)). 144 Für vorliegenden Zusamenhang sind der erste Abschnitt des AGG (Allgemeiner Teil, §§ 1 – 5 AGG), der u. a. die Zielsetzung des Gesetzes (§ 1 AGG)) sowie dessen Anwendungsbereich normiert und Begriffsbestimmungen gibt, der zweite Abschnitt (§§ 6 – 18 AGG), der den Schutz von Beschäftigten vor Benachteiligung regelt und der vierte Abschnitt (Rechtsschutz, §§ 22, 23 AGG), in dem eine Beweislastumkehr und die Unterstützung Betroffener
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wirkt das Gesetz, das sich auf alle Beschäftigungsverhältnisse bezieht,145 auf alle Phasen des Arbeitsverhältnisses ein und umfasst neben der Anbahnung auch Weisungen oder sonstige Anordnungen des Arbeitgebers.146 § 7 Abs. 1 AGG spricht ein generelles Verbot der Benachteiligung von Beschäftigten wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe aus.147 Besonders umstritten ist die Wirksamkeit der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 4 AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die allgemeinen Bestimmungen gelten sollen.148 Die erst spät aufgenommene Regelung wird aufgrund der Richtlinienbestimmungen, die sich ausdrücklich auch auf Entlassungsbedingungen beziehen,149 von überwiegenden Stimmen für europarechtswidrig gehalten.150 Hiergegen spricht, durch Antidiskriminierungsverbände normiert wurden, relevant. Nach § 31 AGG handelt es sich um einseitig zwingendes Recht; der Merkmalsträger ist für seine Person dispositionsbefugt, wenn nicht zugleich ein anderer Merkmalsträger betroffen ist (Wank, NZA, Beil. Heft 22/ 2004, S. 16 (24)). 145 § 6 I AGG. Vgl. hierzu BAG v. 08. 05. 2007 AP Nr. 15 zu § 611 BGB Arbeitnehmerähnlichkeit; Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, S. 32 (33). Krit. Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (322 f.) („missglückte“ Regelung). Trotz der in § 2 Abs. 2 S. 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz gilt das AGG insbesondere auch für die betriebliche Altersversorgung (vgl. BAG v. 11. 12. 2009 – AP Nr. 1 zu § 2 AGG; LAG Baden-Württemberg v. 27.09.2010 – 4 Sa 7/10 – zit. n. juris). 146 BT-Dr. 16/1780, Begr. zu § 2 AGG; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1491). Das Diskriminierungsverbot begrenzt damit sowohl die Inhalts- als auch die Abschlussfreiheit, und zwar letztere im vorvertraglichen Bereich, für den Vertragsabschluss selbst und auch für einseitige Rechtsakte des Arbeitgebers. Zum US-amerik. Recht vgl. U. S. Civil Rights Act Title VII sec. 703 (a) (1); Hazelwood School District vs. United States, 433 U.S. 299 (1977) (Einbeziehung von Bewerbern in den Schutz). 147 Es ist individualrechtlich ausgestaltet und setzt nicht voraus, dass z. B. eine ganze Gruppe von Frauen benachteiligt wird (vgl. Wank, Anm. zu BAG v. 01. 07. 1993 BAG AP Nr. 36 zu § 123 BGB). Das Hauptproblem der Benachteiligung bilden demnach individuelle Auswahlentscheidungen. Nach § 7 I Hs. 2 AGG kommt es nicht darauf an, ob der Grund tatsächlich beim Beschäftigten vorliegt. 148 Der Streit ist vom BAG bisher nicht abschließend entschieden (BAG v. 22.10.2009 – 8 AZR 642/08; v. 06. 11. 2008 – AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Die ausschließliche Anwendung der Regelung zum allg. (niedergelegt im BGB und im Ersten Abschnitt des KSchG) und bes. Kündigungsschutz (z. B. im Zweiten Abschnitt des KSchG; § 9 MuSchG; §§ 85 ff., 96 III SGB IX) erscheint dem Gesetzgeber sachgerechter, weil diese Normen speziell auf Kündigungen zugeschnitten seien (so der Rechtsausschuss, BT-Dr. 16/ 2022, S. 26 f.). 149 Vgl. Art. 3 RL 2000/78/EG, Art. 5 I RL 76/207/EG; vgl. auch § 6 I Nr. 2 AGG: „Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses“. 150 Vgl. nur ArbG Osnabrück v. 03. 07. 2007, NZA 2007, S. 983 (984); v. 05. 02. 2007 NZA 2007, S. 626 (627 f.); Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 2, Rn. 21 ff.; Bayreuther, NZA 2008, S. 986 (988); Busch, AiB 2006, S. 467 (467 f.); Neef/Neef, NZA 2006, S. 1241 (1244); Thüsing, NZA 2006, S. 774 (777) – nehme man das Gesetz wörtlich, dann bestünde gegen Diskriminierungen gar kein Schutz, weder nach AGG noch nach dem KSchG; vgl. a. das (nunmehr eingestellte) Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission v. 31. 01. 2008 – s. NZA 2008, Heft 6, S. VIII f.; Busch, AiB 2008, S. 184 (184); a. A. ArbG Ulm v. 21. 03. 2007 – Az. 2 Ca 15/06 – zit. n. juris; Richardi, NZA 2006, S. 881 (886); Wil-
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dass eine kumulative Wirkung von Kündigungsschutz- und Anti-Diskriminierungsrecht die Kündigungsfreiheit, die ohnehin starken Beschränkungen unterliegt,151 weiter einschränkt. Auch drohten hierdurch die Anforderungen des KSchG unterlaufen zu werden.152 Allerdings waren noch nach § 611 a BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX a. F. Kündigungen vom Diskriminierungsverbot umfasst und § 8 Abs. 2 RL 2000/78/EG verbietet ausdrücklich, bestehenden Diskriminierungsschutz durch die Richtlinienumsetzung zu verschlechtern.153 Auch übersieht der Gesetzgeber, dass ein Verstoß gegen Vorschriften des AGG als Verstoß gegen ein „Verbotsgesetz“ zu qualifizieren ist, womit die Kündigung nach allgemeinen Grundsätzen gem. § 134 BGB nichtig ist.154 Über eine richtlinienkonforme Interpretation derjenigen Normen, die den Schutz bei Kündigungen gewährleisten (insbesondere §§ 138, 242 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG), können die Richtlinienziele in den meisten Fällen erreicht werden, ohne sich mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG in direkten Widerspruch zu setzen.155 Problematisch sind hiernach noch die Fälle, in denen zwar objektiv ein Kündigungsgrund besteht, der Arbeitgeber aber subjektiv aus diskriminierenden Gründen kündigt.156 Ein gangbarer Lösungsweg könnte darin bestehen, dass die Kündigung zwar wirksam ist, der Arbeitnehmer aber trotzdem noch einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen kann.157 lemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2584). Vgl. aber a. EuGH v. 11. 07. 2006 (Az. C-13/05) Rz. 36 f.; v. 26. 02. 1986 Slg. 1986, S. 737 (745 f.) (Marshall I); Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 128. 151 Vgl. bereits o. unter § 3 C. IV. 1. 152 Vgl. Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (323). Für einen grds. Vorrang von § 4 KSchG daher a. Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2591 f.). s. a. BAG v. 11. 12. 2007 AP Nr. 1 zu § 2 AGG, wonach das AGG a. in der betrieblichen Altersversorgung gelte – die Regelung des § 2 II 2 AGG, wonach für die betriebliche Altersversorgung das Betriebsrentengesetz „gilt“, enthalte lediglich eine Kollisionsregel zwischen beiden Gesetzen. 153 Vgl. die insofern berechtigte Kritik von Busch, AiB 2006, S. 467 (468); ebenso Richardi, NZA 2006, S. 881 (886). Zur alten Rechtslage vgl. etwa Friedrich, in: KR, § 13 KSchG, Rn. 184a; Hansen, NZA 2001, S. 985 (986 f.). 154 So der Hinweis von Flohr/Ring, AGG, Vorwort, S. 1, § 7, Rn. 175. 155 Vgl. BAG v. 06. 11. 2008 – AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, wonach die Verbote des AGG – entgegen § 2 IVAGG – a. i. R. des KSchG Anwendung finden; der Gesetzgeber gehe nämlich im AGG davon aus, dass die Normen des Kündigungsschutzgesetzes bereits den Wertungen der Richtlinie 2000/78/EG entsprächen. Vgl. a. LAG BadenWürttemberg v. 18. 06. 2007 AuA 2007, S. 624 (624); Preis, in: APS, Grundlagen J., Rn. 71 e; Hein, NZA 2008, S. 1033 (1036); Rolfs, NZA, Sonderbeil. 1/2008, S. 8 (13), m. w. N. 156 Beispielhaft Bauer, in: NJW-Editorial, Heft 20/2005, S. III; s. a. Fischer, FA 2006, S. 37 (38); Ritter-Zielke/Schwab, AuA 2007, S. 28 (29). 157 In diese Richtung LAG Bremen v. 29. 06. 2010 NZA-RR 2010, 510 (512 ff.); Bauer, NZA 2006, S. 774 (776); Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, S. 887 (890). A. A. Hamacher/ Ulrich, NZA 2007, S. 657 (658 ff.); Perreng/Nollert-Borasio, AiB 2006, S. 459 (461); Sagan, NZA 2006, S. 1257 (1259 f.), die die Gesetze nebeneinander anwenden wollen (ebenso Busch, AiB 2006, S. 467 (468)), dabei jedoch die Grenzen europarechtskonformer Auslegung (s. o. unter § 5 B. II. 4. a)) überschreiten (ebenso Bauer/Krieger NZA 2007, S. 674 (675); Steinmeyer, ZfA 2007, S. 27 (32)). Richardi (in: NZA 2006, S. 881 (886)) will die Benachteiligung i. R. des § 1 KSchG berücksichtigen; ähnlich Deinert, RdA 2007, S. 275 (277): s. a. LAG Niedersachsen
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
aa) Ausnahmetatbestände Das AGG normiert in den §§ 5, 8 – 10 AGG Rechtfertigungsgründe,158 die eine Rolle für die Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit im Rahmen der neuen anti-diskriminierungsgesetzlichen Vorgaben spielen.159 Für alle Gründe gilt, dass ein Verstoß gerechtfertigt ist, wenn das betroffene Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.160 (1) Die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 1 AGG, die sich auf alle Diskriminierungsmerkmale bezieht, hat ihren Hauptanwendungsbereich im Gebiet unmittelbarer Benachteiligungen; sie hebt darauf ab, ob eine Differenzierung, die auf einer wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung beruht, einem rechtmäßigen Ziel dient und in Bezug auf die konkrete Tätigkeit verhältnismäßig ist.161 Das ist aus der Sicht eines zeitgemäßen, sozialbewussten Arbeitgebers zu beurteilen, der den (Fort-)Bestand und die Leistungsfähigkeit seines Unternehmens anstrebt.162 Die Vereinbarung oder Maßnahme muss die Art der von dem Beschäftigten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand haben, was Ungleichbehandlungen auf Grund „allgemeiner“, nicht spezifisch tätigkeitsbezogener Erwägungen generell ausschließt.163 „Berufliche Anforderungen“ ermöglichen einem Arbeitgeber, allein auf das Vorhandensein eines geschützten Merkmals ausnahmsweise bestehen zu kön-
v. 13. 07. 2007 LAGE Nr. 13 zu § 1 KSchG Interessenausgleich; ArbG Lörrach v. 23. 01. 2007 – Az.: 1 Ca 426/06 – zit. nach juris. 158 Rechtfertigungsmöglichkeiten für Ungleichbehandlungen von Merkmalsträgern aufgrund beruflicher Anforderungen des Unternehmers ergeben sich im US-amerik. Recht i. R. der sog. bona fide occupational qualification (BFOQ) defense. Die BFOQ markieren die Einbruchstellen, in denen unternehmerische Freiheit i. R. des amerik. Anti-Diskriminierungsrechts Berücksichtigung findet. Gegenständlich sind sie allerdings auf die Merkmale Religion, Geschlecht, nationale Herkunft sowie Alter beschränkt (vgl. 42 U.S.C. § 2000e-2(e)(2004) (§ 703 lit. h Title VII Civil Rights Act; 29 U.S.C. § 623 (f)(1)(2004) (ADEA)). 159 Vgl. auch § 20 AGG. Systematisch betrachtet, ist das Verhältnis von § 7 AGG zu den §§ 8 – 10 AGG als ein solches von Regel und Ausnahme zu sehen. 160 Zu den bes. Ausnahmetatbeständen der §§ 9, 10 AGG s. u. unter § 5 C. VI., VII. Weitergehende Ausnahmemöglichkeiten sind i.R. der mittelbaren Benachteiligung anerkannt, vgl. insoweit schon die Def. in § 3 II AGG. Der erste Entwurf des AGG sah in einem § 8 III noch eine Ausnahmemöglichkeit für die Fälle vor, in denen eine unterschiedliche Behandlung wg. eines mit den Benachteiligungsverboten im Zshg. stehenden Grundes möglich sein sollte, wenn es dafür Gründe im Bereich der beruflichen Anforderungen gab. Vgl. hierzu u. a. DAV in BRDr. 329/06, NZA 2006, S. VII (IX). 161 Vgl. Art. 4 I RL 2000/43/EG u. RL 2000/78/EG, Art. 2 VI RL 76/207/EWG; BT-Dr. 16/ 1780, S. 33 ff.; BAG v. 19. 03. 2010 AP Nr. 2 zu § 8 AGG; Perreng/Nollert-Borasio, AiB 2006, S. 459 (462). 162 Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 2 unter Hinw. auf BAG v. 12. 11. 1998 AP Nr. 16 zu § 611a BGB. 163 Rolfs, in: ErfK (2006), § 81 SGB IX, Rn. 7; Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 6.
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nen.164 Die Anforderung ist dabei eng auszulegen und ist dann „entscheidend“ für eine bestimmte berufliche Tätigkeit, wenn die Tätigkeit ohne sie nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.165 Sie ist nur dann „wesentlich“, wenn sie eine gewisse Erheblichkeitsstufe, d. h. einen wesentlichen Teil der Gesamtanforderungen des Arbeitsplatzes überschreitet (im Sinne einer zentralen Aufgabe) und sich aus der Sache begründen lässt, so dass das geforderte Merkmal für die gewünschte Tätigkeit zumindest von Nutzen ist.166 Eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung kann nur angenommen werden, wenn das Merkmal nicht nur eine untergeordnete Rolle spielt, sondern zentraler Bestandteil für die auszuübende Tätigkeit ist, also prägende Bedeutung hat167. In Anlehnung an die zu § 611a Abs. 1 S. 2 BGB a. F. entwickelten Maßstäbe soll für die Zulässigkeit einer Differenzierung entscheidend sein, ob im Falle ihrer Verwehrung ein unzumutbarer Nachteil für den Arbeitgeber entstehen würde, etwa weil der Arbeitnehmer aufgrund der Merkmalseigenschaft zur vertragsgemäßen Leistung nicht (mehr) fähig ist.168 Speziell das einge164 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 14; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 323 – ein Abstellen auf das Nichtvorliegen eines bestimmten Kriteriums werde vom AGG gar nicht erfasst. 165 Vgl. zu diesem Maßstab insb. BAG v. 28. 05. 2009 AP Nr. 1 zu § 8 AGG; v. 19. 03. 2010 AP Nr. 2 zu § 8 AGG; Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 21; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 6; Thüsing/Wege, NZA 2006, S. 136 (138); insb. wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz speziell nach den Anforderungen an eine Unterscheidung getroffen habe (Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 10); s. a. Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (26) – eher subjektive Auslegung. Die Anforderung soll Bestandteil der entgoltenen Leistung und nicht lediglich erwünschter Nebeneffekt sein (so Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 12 in Anknüpfung an den amerikanischen „essence-of-the-business-test“). 166 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 10; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 4 f. (in diesem Falle stelle die Anforderung zugleich einen „rechtmäßigen Zweck“ dar); Müller, DÖD 2007, S. 73 (81); Thüsing/Wege, NZA 2006, S. 136 (138); ähnlich Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 46; vgl. a. Adomeit, in: FS f. Westermann (2008), S. 19 (26) – eher objektive Auslegung; Däubler, ZfA 2006, S. 479 (483). Die Tätigkeit muss für das Berufsbild objektiv (aus Sicht derjenigen Kreise, an die sich die Tätigkeit der betreffenden Person richtet) prägend sein (so Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 21; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 6, 12 – doch liege eine „wesentliche“ Anforderung auch dann vor, wenn der Arbeitgeber nachvollziehbar darlegen könne, das das Merkmal für ihn eine nicht ganz untergeordnete Bedeutung habe, wobei auf dieser Stufe keine übersteigerten Anforderungen zu stellen seien); entscheidend sei hierfür die allg. Verkehrsanschauung (Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 11). 167 BAG v. 28. 05. 2009 AP Nr. 1 zu § 8 AGG – dabei kommt es aber nicht auf einen zeitlichen Faktor an. Der Begriff „wesentlich“ kann nicht mit „überwiegend“ gleichgesetzt werden. Maßgebend ist vielmehr eine funktionale Betrachtung aus objektiver Sicht. Das Differenzierungsmerkmal darf nicht nur für unbedeutende, den Arbeitsplatz nicht charakterisierende Tätigkeiten erforderlich sein. 168 So etwa Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 6 f. – vorliegen müsse nicht nur ein legitimes, sondern ein wesentliches Unternehmerinteresse, welches i. d. R. bestandsbezogen sei; ähnlich Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 323; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 10 – „essence of the business“: maßgeblich sei hier, ob die betreffende Anforderung nur ein erwünschter Nebeneffekt sei oder ob der/die Beschäftigte gerade hierfür bezahlt werde; Däubler, ZfA 2006, S. 479 (484); a. A. Bauer/ Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 17 ff., die eine weitere Auffassung erkennen lassen.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
flochtene Verhältnismäßigkeitsprinzip169 soll eine Abwägung zwischen beruflichem Zweck und Schutz vor Benachteiligung gebieten, welche zu dem Ergebnis führen muss, dass im konkreten Fall ersterer überwiegt.170 Angesichts dieser insgesamt strengen Anforderungen an eine gerechtfertigte Unterscheidung stellt sich im Folgenden die Frage, ob bzw. inwiefern hierüber der notwendige Ausgleich zwischen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und Diskriminierungsschutz stattfinden kann. Speziell sollen die Problemfälle betrachtet werden, in denen der Arbeitgeber sein Unternehmen am Markt auf Nachfragewünsche ausrichten will, die in Zusammenhang mit einem geschützten Unterscheidungsmerkmal und damit mutmaßlich in Konflikt mit diskriminierungsschutzrechtlichen Bestimmungen stehen. (2) Nach § 5 AGG werden den Arbeitgebern weitere Ausnahmemöglichkeiten mittels positiver – d. h. bevorzugender – Maßnahmen ermöglicht, indem ihnen gewährt wird, Unterscheidungen zugunsten strukturell benachteiligter Merkmalsträger zu treffen, auch wenn die Norm weder vom Wortlaut her noch systematisch als Rechtfertigungsnorm konzipiert ist.171 Die positiven Maßnahmen müssen nach objektivem Maßstab verhältnismäßig sein und bedürfen im konkreten Fall der Abwägung mit Rechtspositionen der von ihnen negativ Betroffenen, was einen absoluten Vorrang der zu fördernden Gruppe ausschließt.172
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Vgl. BAG v. 27. 04. 2004 NZA 2005, S. 821 (825); Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 10; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 12. 170 So Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 20; Flohr/Ring, AGG, § 8, Rn. 184. Daher wird für die Zulässigkeit einer Unterscheidung z. T. darauf abgestellt, ob die Beschäftigung eines Merkmalsträgers zu einem unzumutbaren Nachteil für den Arbeitgeber führen würde (Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 6). Dies gilt nicht nur für Bewerbungssituationen, sondern auch für solche unterscheidenden Maßnahmen des Arbeitgebers, die sich entweder auf das laufende Arbeitsverhältnis oder aber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beziehen. Auch eine aus Merkmalsgründen erfolgte Arbeitsanweisung bzw. eine aus diesem Grunde erteilte Kündigung muss sich dem Ausnahmemaßstab des § 8 I AGG unterwerfen. 171 Krit. hierzu Maier-Reimer, NJW 2006, S. 2577 (2580); Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2588); DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (IX). Vgl. entspr. a. § 20 I 2 Nr. 3 AGG; Art. 5 RL 2000/43/EG, Art. 7 I RL 2000/78/EG, Art. 2 VIII RL 76/207/EWG sowie Art. 6 RL 2004/113/EG. Maßnahmen einer „affirmative action“ werden hierdurch ermöglicht. Vgl. a. Art. 1 IV Int. Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung. Nach Wank wurde die Zulässigkeit von „positiven Maßnahmen“ stark eingeschränkt, da nunmehr der Ausgleich tats. Nachteile Voraussetzung ist (vgl. Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (24)). Einschränkend Schlachter, in: ErfK, AGG, § 5, Rn. 2; Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (322, 332 f.), die die Regelung für europarechtswidrig hält. 172 BT-Dr. 16/1780, Begründung zu § 5 AGG unter Hinw. auf EuGH v. 17. 10. 1995 EuGH Slg. 1995 I-3051 (3077) (Kalanke); Flohr/Ring, AGG, § 5, Rn. 144. Grds. galt für Benachteiligungsverbote bislang die Regel, dass eine Besserstellung (umgekehrte Diskriminierung/reversed discrimination) der zurückgesetzten Gruppe nicht gerechtfertigt ist (so Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (278)).
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bb) Besondere Arbeitgeberpflichten Betroffen werden die Unternehmer insbesondere durch den umfangreichen Pflichtenkatalog, den ihnen das AGG auferlegt. So verpflichtet § 11 AGG den Arbeitgeber zur neutralen Stellenausschreibung, es sei denn, eine Unterscheidung ist gerechtfertigt, wobei sich ein Verstoß – gegebenenfalls auch durch einen vom Arbeitgeber eingeschalteten Dritten173 – v. a. im Erkenntnisverfahren nachteilig auf die Beweislast nach § 22 AGG auswirkt.174 Nach § 12 Abs. 2 – 4 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen (Präventiv-)Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen, insbesondere seine Mitarbeiter insoweit zu schulen, § 12 Abs. 2 S. 2 AGG.175 Insofern werden jedem Arbeitgeber die (nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige)176 Organisation von Audits und umfangreicher Schulungsmaßnahmen („training defense“) seiner (personalverantwortlichen) Mitarbeiter, mithin die Installation eines lückenlosen Kontrollsystems (im Sinne eines Gleichstellungscontrollings) ans Herz gelegt.177 Die Pflicht des Arbeitgebers, sich bei Diskriminierungen durch eigene Beschäftigte (§ 12 Abs. 3 AGG)178 oder Dritte (§ 12 Abs. 4 AGG)179 schützend vor seinen Arbeitnehmer zu stellen, dürfte bereits in der Vergangenheit in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers angelegt gewesen sein.180 Nunmehr wird eine konkrete Handlungspflicht des Arbeitgebers formuliert, welche bei einem Verstoß im Rahmen des Organisationsverschuldens eine besondere Haftung in Diskriminierungsfällen 173
BA, Stellenvermittler – vgl. BAG v. 05. 02. 2004 NZA 2004, S. 540 (544). Richardi, in: MünchHdbAR, § 45, Rn. 4 ff. s. a. § 7 I TzBfG, § 611 b BGB a. F. Zur Möglichkeit, Stellenanzeigen mit nationalitätsspezifischen Einschränkungen aufzugeben: Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 192. 175 Grobys, NJW 2006, S. 2950 (2951 ff.); Wolff, AuA 2005, S. 82 (85). Daneben existiert die Bekanntmachungspflicht aus § 12 V AGG (s. Art. 12 RL 2000/78/EG). 176 Vgl. LAG Hamburg v. 17. 04. 2007 LAGE Nr. 1 zu § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Ordnung; aber a. LAG München v. 27. 02. 2007 – Az.: 8 TaBV 56/06 – zit. n. juris. 177 Vgl. Boemke/Danko, AGG, § 8, Rn. 24; Busch, AiB 2006, S. 400 (402); Krell, PersR 2005, S. 51 (54); Schrader, DB 2006, S. 2571 (2576 f.) – inkl. Bsp. einer Betriebsvereinbarung zur Vermeidung v. Ungleichbehandlungen. Vgl. a. § 17 I AGG. Dies hat – entspr. der Befürchtung von Bauer (vgl. NZA 2006, S. 774 (776)) – bereits zum Aufbau einer regelrechten Schulungsindustrie geführt (s. nur die Seminar-Angebote in AuA 2006, S. 394 ff.; sowie diverse Internetangebote – exemplarisch: www.allgemeines-gleichbehandlungsgesetz.de). 178 Verstoßen Beschäftigte gegen § 7 I AGG, hat der Arbeitgeber (in Anlehnung an § 4 I BeschSchG a. F.) die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen, wobei § 12 III AGG in Betracht kommende Maßnahmen aufzählt. Vgl. hierzu insb. Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 36 ff.; Blomeyer, in: MünchHdbAR, § 97, Rn. 32, 39. 179 Insbes. Geschäftspartner, Kunden. Diesbezüglich muss er jedoch nur dann Maßnahmen ergreifen, wenn die Ungleichbehandlung bei der Ausübung der Beschäftigung erfolgt (vgl. a. Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 42); diese Einschränkung droht i. R. des § 12 III AGG zum Nachteil des Arbeitgebers unterlaufen zu werden (vgl. Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (323)). 180 Vgl. BAG v. 13. 11. 2001 NZA 2002, S. 1047 (1048); Blomeyer, in: MünchHdbAR, Bd.I, Rn. 1ff.; vgl. a. schon § 2 I 2 BeschSchG a.F. 174
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nach sich zieht.181 Der Arbeitgeber muss durch diese ihm auferlegte Verantwortung für das Verhalten anderer Personen jeweils im Rahmen seines Ermessens- und Beurteilungsspielraums eingreifen, weil im Fall der Duldung das Risiko des Entstehens eines feindlichen Umfelds besteht.182 Da der Arbeitgeber auf diesen Personenkreis (besonders im Fall des § 12 Abs. 4 AGG) jedoch nur sehr eng umgrenzte Einflussmöglichkeiten hat, gewinnt die Gesetzesregelung, welche vorsieht, dass eine Schutzpflicht nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angenommen werden kann, besondere Bedeutung.183 Insbesondere im Hinblick auf die Arbeitgeberpflichten nach § 12 Abs. 3, 4 AGG bleibt jedoch insgesamt unklar, welcher Anforderungsmaßstab hierdurch installiert wird.184 Es wird festzustellen sein, inwieweit sich der Arbeitgeber im Falle diskriminierender Kundenwünsche auf die Zumutbarkeitsgrenze berufen kann. Überwiegend wird jedenfalls davon ausgegangen, dass dem Arbeitgeber aufgrund seiner Kenntnisse der betrieblichen Arbeitsabläufe, der Zusammensetzung der Belegschaft sowie der Beziehungen zu Kunden und Geschäftspartnern ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich des erforderlichen Umfangs der Schutzpflichten nach § 12 AGG zusteht.185 cc) Rechtsfolgen Als Rechtsfolgen normiert das AGG, das den Arbeitgeber als originären Haftungsadressaten ansieht,186 in Fortführung der zu § 611a BGB a. F. bekannten Wirkun-
181 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 5; Göpfert/Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1711); Grobys, NJW 2006, S. 2950 (2950); einschränkend Adomeit/Mohr, AGG, § 3, Rn. 182 – bes. Motivations- und Zurechnungszusammenhang zwischen Benachteiligung und Pflichtverletzung des Arbeitgebers erforderlich. 182 Was erforderlich i.S.v. § 12 I 1 AGG ist, soll ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht der subj. Einschätzung des Arbeitgebers überlassen bleiben, sondern i.R. einer obj. Betrachtung zu bestimmen sein, wobei insbesondere die Größe des Betriebes Einfluss auf den Umfang der zu fordernden Maßnahmen hat (BR-Dr. 329/06, S. 38; Müller, DÖD 2007, S. 73 (82)). 183 Vgl. den entspr. Wortlaut v. § 12 IV AGG. s. a. Thüsing, in: HWK (2004), § 4 BeschSchG, Rn. 1; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1491). s. a. § 3 II BeschSchG a. F. 184 In diese Richtung krit. Grobys, NJW 2006, S. 2950 (2951); Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (342); Schneider/Sittard, NZA 2007, S. 654 (656). Zu den Vorgehensmöglichkeiten des Arbeitgebers: Göpfert/Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1714 f.). Vgl. zu den hohen Anforderungen der Rspr. im Bereich des Mobbings BAG v. 25. 10. 2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; v. 16. 5. 2007 NZA 2007, S. 1154 (1157, 1160 f.); LAG Hamm v. 19. 12. 2006 – Az.: 9 Sa 836/06 – zit. nach juris; s. hierzu Zenthöfer, FAZ v. 24./25. 11. 2007 (Nr. 274) C 2. s. a. die Diskussion in AuA 2007, S. 22 (24) sowie schon Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 12 zu § 2 BeschSchG. Für eine deutlich geringere Pflichtenstellung durch § 12 IV AGG ggü. Dritten im Vergleich zu § 12 III AGG: Schlachter, in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 4. 185 Vgl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 12, Rn. 9 – dabei kommt dem Gebot der Effektivität entscheidende Bedeutung zu; Göpfert/Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1712). 186 Vgl. ArbG Düsseldorf v. 18. 09. 2007 – Az.: 7 Ca 1969/07 – zit. nach juris; s. schon Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 10; Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, S. 32 (32). Anders BT-Dr. 16/1780, S. 34.
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gen187 zum einen nach § 7 Abs. 2 AGG die Unwirksamkeit der diskriminierenden Arbeitgebermaßnahme; dies kann – insbesondere bei der Unwirksamkeit kollektivvertraglicher Vereinbarungen – für den Arbeitgeber zu der u. U. empfindlichen Belastung führen, dass er für den Verstoß zumindest für die Vergangenheit einen Ausgleich im Sinne einer Anpassung nach oben herbeiführen muss, soweit er sich nicht auf Vertrauensgesichtspunkte berufen kann.188 Zudem sieht § 15 AGG Schadensersatz und Entschädigung als abschreckende Rechtsfolgen von Diskriminierungsverstößen vor.189 Nach § 15 Abs. 1 AGG besteht ein Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens, der aufgrund einer Diskriminierung entsteht.190 Im Streit steht hier S. 2 der Regelung, wonach dem Arbeitgeber eine Exkulpationsmöglichkeit eingeräumt wird, die mutmaßlich im Widerspruch zu den vom EuGH bestimmten Anforderungen steht.191 Daraus folgt die Ansicht der h. M., die § 15 Abs. 2 AGG neben § 15 Abs. 1 AGG als eigenständige Anspruchsgrundlage auch bei wirtschaftlich folgenloser Diskriminierung im Sinne eines generalpräventiven Schmerzensgeldanspruchs auf Ersatz des immateriellen Schadens betrachtet und demzufolge in diesem Rahmen auf das Verschuldenserfordernis ganz verzichtet.192 Eingeführt wird speziell über die nunmehr festge-
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Vgl. a. Art. 14 RL 2000/43/EG, Art. 16 RL 2000/78/EG. Vgl. EuGH v. 12. 12. 2002 NZA 2003, S. 211 (212) (Caballero); BAG v. 07. 09. 2004 NZA 2005, S. 1239 (1241); LAG Berlin-Brandenburg v. 26. 11. 2008 DB 2008, 2707 (2708); Rengier, NZA 2006, S. 1251 (1253); Körner, NZA 2008, S. 497 (504); DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (IX); für eine Übergangsfrist Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (334). Daneben gewährt das AGG dem Arbeitnehmer bei Fortwirkung einen Beseitigungs- sowie bei Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch (vgl. Bauer/Evers, NZA 2006 S. 893 (897)) sowie in § 14 ein Leistungsverweigerungsrecht, wobei hier (ausnw.) der Arbeitnehmer mit dem Risiko einer Fehleinschätzung der Maßnahme belastet ist (hierzu Steinau-Steinrück/Schneider/Wagner, NZA 2005, S. 28 (31)). Vgl. schon § 4 BeschSchG a. F. 189 BAG v. 03. 04. 2007 NZA 2007, S. 1098 (1099). Differenzierend Steinbrück, Jura 2004, S. 439 (446). 190 Vgl. a. § 14 ADG-E. Aufgrund der Formulierung wird für das Verschulden des Arbeitgebers eine widerlegbare Vermutung aufgestellt. Im Übrigen richtet sich das Vertretenmüssen nach §§ 276 – 278 BGB. Inwieweit z. B. ein Arbeitskollege des Anspruchstellers tats. als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers in Bezug auf die Pflicht, nicht gegen das Benachteiligungsverbot zu verstoßen, anzusehen ist, ist allerdings fraglich (vgl. Flohr/Ring, AGG, § 15, Rn. 293). 191 Vgl. EuGH v. 22. 04. 1997 EzA § 611a BGB Nr. 12 (Draehmpaehl); v. 08. 11. 1990 Slg. 1990, S. 3968 (3976) (Dekker); vgl. das Vertragsverletzungsverfahren der Europ. Kommission v. 31. 01. 2008 – s. NZA 2008, Heft 6, S. VIII f.; Busch, AiB 2008, S. 184 (185). Für die Zulässigkeit der Regelung: Bauer/Evers, NZA 2006, S. 893 (893) (§ 15 II AGG ausr.); MaierReimer, NJW 2006, S. 2577 (2581 f.). 192 BAG v. 19. 08. 2010 NZA 2010, S. 1412 (1416 f.); v. 22. 01. 2009 AP Nr. 1 zu § 15 AGG; ArbG Düsseldorf v. 18. 09. 2007 – Az.: 7 Ca 1969/07 – zit. nach juris; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 15, Rn. 6; Perreng/Nollert-Borasio, AiB 2006, S. 459 (463) – jew. unter Hinw. auf die Gesetzesbegründung; Schwab, AiB 2007, S. 233 (236). Abl. Adomeit/Mohr, AGG, § 15, Rn. 19 – vorsätzliches Handeln erforderlich; Adomeit, NJW 2003, S. 1162 (1162) („imaginärer Schadensfall“); Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (33 ff.) („schadensersatzrechtliches Monstrum“); Wank, in: FS Richardi (2007), S. 441 (451). Da § 15 II AGG nur unter Einbeziehung der 188
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
schriebene Haftung des Arbeitgebers für das Verhalten von Dritten (vgl. § 12 Abs. 3 AGG), sofern sie Pflichten im Verhältnis zu den Beschäftigten wahrzunehmen haben bzw. soweit sie in Wahrnehmung der dem Arbeitgeber obliegenden Rechte und Pflichten handeln,193 eine Einstandspflicht des Arbeitgebers (über § 31 BGB (analog) bzw. § 278 BGB)194, bei der leichteste Fahrlässigkeit für eine Haftung genügt.195 Auch die unbegrenzte Entschädigungshöhe bei bestqualifizierten Bewerbern (oder solchen, denen der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass er sie auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt hätte)196 wird in Ansehung der geforderten Abschreckungswirkung und der damit einhergehenden Haftungs- und Prozessrisiken für den Arbeitgeber, die ihn unter einen erheblichen Vergleichsdruck stellen, kritisch betrachtet.197 Insoweit wird an die Rechtsprechung appelliert, sich zu einer Begrenzung in Anleh-
Tatbestandsvoraussetzungen von § 15 I AGG überhaupt Sinn macht, erscheint es naheliegend, das dortige Verschuldenserfordernis auf § 15 II AGG anzuwenden. 193 Vgl. Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 7, Rn. 37 f. 194 Vgl. BAG v. 25. 10. 2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; s. hierzu Zenthöfer, FAZ v. 24./25. 11. 2007 (Nr. 274) C 2; s. a. Simon/Greßlin, BB 2007, S. 1782 (1783). 195 Sie wird zudem dadurch erhöht, dass unbegrenzt viele Bewerber eines Auswahlverfahrens sich um Schadensersatz bemühen können. Vgl. zu allem Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15, Rn. 2; Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (340 f.); Schrader, DB 2006, S. 2571 (2576); ähnlich Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S .2583 (2590), die jedoch hinsichtlich der Haftung für Dritte z. T. von einer Entlastungsmöglichkeit des Arbeitgebers nach § 831 BGB ausgehen und die Haftung ausgeschlossen sehen, sofern es sich um einen Erstverstoß eines betriebsfremden Dritten handelt (ähnlich Adomeit/Mohr, AGG, § 3, Rn. 177 ff.; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1491)) oder die Diskriminierung nicht „in Verrichtung“, sondern nur „bei Gelegenheit“ erfolgt ist, in diesen Fällen jedoch eine Haftung des Arbeitgebers nach § 12 AGG i.V.m. §§ 280 I, 241 II, 249 ff. BGB für möglich halten, vgl. § 7 III AGG. Vgl. zur Arbeitgeberhaftung wg. Organisationsverschuldens bei Verstoß gegen § 12 III, IVAGG: Simon/Greßlin, BB 2007, S. 1782 (1782 ff.); ebenso Heinrichs, in: Palandt, AGG, § 3, Rn. 8; Müller, DÖD 2007, S. 73 (83); Müller-Bonanni/Sagan, ArbRB 2007, S. 50 (50) – jew. Organisationsverschulden erforderlich. Darüber hinaus wird dem Arbeitgeber ggü. dem diskriminierenden Dritten teilw. eine Regressmöglichkeit über § 280 BGB eingeräumt (Bauer/Evers, NZA 2006 S. 893 (897); angedeutet bei Rieble, NZA 2005, Heft 10, S. VIII (IX)). Für eine Anwendung des § 254 BGB auf den Entschädigungsanspruch: Rolfs, in: ErfK (2006), § 81 SGB IX, Rn. 10; a. A.: LAG Berlin v. 15. 2. 2002 NZA-RR 2003, S. 110 (110). Ähnliche Kostenrisiken bestehen im Bereich des amerik. ADEA (29 U.S.C. §216 (b)). 196 Vgl. EuGH v. 22. 04. 1997 JZ 1997, S. 1172 (1173 f.) (Draempaehl); LAG Köln v. 08. 11. 2000 NZA 2001, S. 787 (787) (LS); Schiek, NZA 2004, S. 873 (883). 197 Vgl. Herms/Meinel, DB 2004, S. 2370 (2373) – noch zu § 14 ADG-E, der noch ausdr. die abschreckende Wirkung in den Vordergrund stellte; DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (IX). s. schon die Kritik v. Hanau, in: Gs. Kahn-Freund (1980), S. 457 (473). A. A. EuGH v. 22. 04. 1997 JZ 1997, S. 1172 (1173) (Draempaehl); BAG v. 15. 02. 2005 DB 2005, S. 1802 (1802); Schiek, NZA 2004, S. 873 (880, 883) (Mindestschadensersatz). Siehe insoweit die (i. Erg. weitgehend erfolglose) Klage vor dem ArbG Wiesbaden (Urteil v. 18. 12. 2008 – Az.: 5 Ca 46/08), in deren Rahmen 500.000 E wg. Diskriminierung verlangt worden waren (s. Budras, Diskriminierungsklage sorgt für Furore, in: FAZ v. 17. 2. 2008, abrufbar unter http://www.faz. net).
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit
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nung an eine fiktive Kündigungsmöglichkeit durchzuringen, soweit deren (hypothetische) Ausübung nicht ihrerseits diskriminierend wäre.198 dd) Beweislastregelung Ob ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen Art. 12 Abs. 1 GG und arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverboten in vollem Umfang gelungen ist, wird angesichts der für die Wirkung des AGG entscheidenden Beweislastregelung des § 22 AGG199 in Frage gestellt.200 Die Benachteiligung (gegebenenfalls im Rahmen eines Motivbündels) soll hiernach vom Arbeitnehmer durch Indiztatsachen bewiesen werden, wobei die überwiegende Wahrscheinlichkeit solcher Tatsachen genügen soll.201 Genügt der Arbeitnehmervortrag dieser verminderten Beweislast, geht die Beweislast auf den Arbeitgeber über und er muss umfassend beweisen, dass ihm jegliches diskriminierende Motiv bei der Durchführung der Maßnahme fern lag, indem er den Beweis bzw. die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Indiztatsachen entkräftet, die Indizeignung widerlegt oder nachweist, dass die Differenzierung über einen Ausnahmetatbestand
198 So z. B. Annuß, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 99; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1499) m. w. N. Andere Lösungsvorschläge lehnen sich an § 254 II BGB, § 628 II BGB oder §§ 9, 10 KSchG (vgl. Bauer, NZA 2006, S. 774 (776); differenzierend Bauer/Evers, NZA 2006, S. 893 (895 f.)). Insg. krit. zur Anlehnung an den Monatsverdienst Busch, AiB 2006, S. 467 (470). Zu den Bemessungskriterien – insb. dem der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers – vgl. a. Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1014 ff.)). Zur Annahme des Bestehens einer Bagatellgrenze, die vergleichsweise unbeträchtliche Differenzierungen von der Sanktionsfolge des Art. 15 AGG ausgrenzt, vgl. LAG Köln v. 09. 05. 2007 LAGE Nr 2a zu § 2 AGG; Bergmann, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 3, Rn. 17; ähnlich BT-Dr. 16/1780, Begründung zu § 3 III AGG; Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (163)). 199 Neufassung gem. BT-Dr. 16/2022, S. 30; vgl. § 611a I 3 BGB a. F.; RL 97/80/EG, § 319 c Reg-E, § 17 ADG-E. 200 Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 65; Picker, JZ 2003, S. 540 (542); Richardi, NZA 2006, S. 881 (886). s. auch BVerfG v. 23. 08. 2000 NZA 2000, S. 1184 (1184). Krit. zur fehlenden rechtsdogmatische Zuordnung der Beweislastumkehr: Flohr/Ring, AGG, § 22, Rn. 475 ff. Vgl. a. Title VII sec. 703 (k) (1) (A). 201 BT-Dr 16/1780, S. 13, klarstellend BT-Dr 16/2022, S. 13; BAG v. 24. 04. 2008 NZA 2008, S. 1351 (1352 ff.); v. 05. 02. 2004 NZA 2004, S. 540 (543); LAG Köln v. 13. 12. 2010 – Az.: 2 Sa 924/10 – zit. n. juris; LAG Berlin v. 19. 10. 2006 LAGE Nr. 2 zu § 611a BGB 2002; ArbG Düsseldorf v. 18. 09. 2007 – Az.: 7 Ca 1969/07 – zit. nach juris. Noch weitgehender Perreng, FA 2003, S. 293 (295). Krit. Maier-Reimer, NJW 2006, S. 2577 (2582). Indizien werden dabei u. a. im Stellen einer merkmalsspezifischen Stellenausschreibung, einer unzulässigen Frage oder herabsetzenden Äußerung im Bewerbungsgespräch, aber a. schon in Beschäftigtenstatistiken als Beleg der ständigen Personalpolitik, Testing-Verfahren, oder im Verlangen eines Fotos zu den üblichen Bewerbungsunterlagen sowie in der unausgewogenen Illustration einer Stellenanzeige gesehen (vgl. BT-Dr. 16/1780, S. 47; BAG v. 05. 02. 2004 NZA 2004, S. 540 (543); v. 23. 09. 1992 AP Nr. 1 zu § 612 BGB Diskriminierung: Kommissioniererinnen; Kocher, in: Riesenhuber, Das AGG, 2007, S. 55 (66 ff.)). Sehr weitgehend für ein Indiz der Personalstatistik: LAG Berlin-Brandenburg v. 26. 11. 2008 – Az.: 15 Sa 517/08 – zit. nach juris.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
sachlich gerechtfertigt ist.202 Der Arbeitgeber muss – will er sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung erst später (im Prozess) vorbringen – positiv beweisen, dass es sich hierbei nicht um bloße Vorwände handelt, etwa indem er sich auf zuvor mitgeteilte Anforderungen oder Ausschreibungskriterien beruft.203 ee) Fazit Durch das AGG greift der deutsche Gesetzgeber unter verschiedenen Aspekten in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitgebers ein, dem durch das Gesetz hauptsächlich neue Pflichten auferlegt werden.204 Insgesamt folgt aus den AGG-Regelungen aufgrund des erhöhten Haftungsrisikos ein Anpassungsund Überprüfungsbedarf, der mit einem gesteigerten Verwaltungsaufwand sowie einer erhöhten Organisations- und Kostenbelastung jedes Arbeitgebers einhergeht.205 202 Vgl. BAG v. 17. 08. 2010 – Az.: 9 AZR 839/08 – zit. n. juris; Grobys, NZA 2006, S. 898 (901). Vgl. a. EuGH v. 26. 06. 2001 NZA 2001, S. 883 (883 ff.) (Brunnhofer). Auch diesbezüglich werden dem Arbeitgeber umfangreiche Mitarbeiterschulungen empfohlen, um zu beweisen, dass er seine Pflichten aus § 12 AGG erfüllt hat (vgl. Wolff, AuA 2006, S. 512 (516)). 203 Vgl. BT-Dr. 16/1780, Begründung zu § 22 AGG in Anlehnung an BVerfG v. 16. 11. 1993 BVerfGE 89, S. 276 (290); s.a. BAG v. 05. 02. 2004 NZA 2004, S. 540 (544); Bepler, NZA, Beil. Heft 18/2004, S. 3 (5 f.)). Vgl. a. § 28 I 2 BDSG (hierzu Wank, in: ErfK, § 28 BDSG, Rn. 15). Auch im U.S.-amerik. Recht gelten diese Anforderungen, vgl. etwa Price Waterhouse vs. Hopkins, 490 U. S. 228 (1989). Dem Arbeitgeber wird zur Erfüllung seiner Beweispflicht empfohlen, Vorstellungsgespräche auf Unternehmerseite nur noch zu zweit zu führen (Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1494, 1496)), in Bezug auf Bewerbungs-, Versetzungs- und Beförderungsverfahren vor der Personalentscheidung (eine erhebliche Selbstbindung bewirkende) Bewertungskriterien und Anforderungsprofile aufzustellen und die Entscheidungsfindung zu dokumentieren (so die Empfehlungen bei Buchner, NZA 1991, S. 577 (579); Grobys, NZA 2006, S. 898 (901) („administratives Ungeheuer“); Schafft, AuA 2006, S. 517 (517)). Zu akt. Maßnahmen der Wirtschaft (Betriebsvereinbarung) vgl. Burow, in: HAZ v. 09. 06. 2007 (Nr. 132), s. II/1. Das Anti-Diskriminierungsrecht verlange so vom „verdächtigen“ Arbeitgeber die Selbstentlastung von jedem Verdacht (i. S. eines Wechsels vom Schuld- zum Unschuldsbeweis) und nähre Zweifel im Hinblick auf eine gerechte Verteilung des (Prozess-)Risikos nach Einflusssphären (in diese Richtung die Kritik bei Herms/Meinel, DB 2004, S. 2370 (2370)). Für eine Vermutung zugunsten einer diskriminierungsfreien Unternehmerentscheidung: Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 195. A. A. Schiek/Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (866), die sogar entgegen der ganz h. M. (s. nur BAG v. 3. 4. 2007 NZA 2007, S. 1098 (1098)) die eidesstattliche Versicherung nach § 294 I ZPO zulassen wollen. 204 BT-Dr. 16/1780, S. 36; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2588). Den „Pflichten des Arbeitgebers“ stünden nur „Rechte der Beschäftigten“ gegenüber (so Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (17 f.)). Problematisch ist, dass bereits die Wirksamkeit einiger Regelungen fragwürdig ist. 205 In diese Richtung a. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 74a; Monen, Das Verbot der Diskriminierung, 2008, S. 233; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (202); Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2583, 2588); DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (IX). Vgl. auch die Kritik des Arbeitgeberverbandes, abgedr. in „Arbeitgeber verunsichert“ HAZ Nr. 162 v. 14. 07. 2006, S. 2. Dass den Arbeitgebern durch die Sanktionsnormen Haftungs- und Kostenrisiken drohen, wird dadurch deutlich, dass bereits Antidiskriminierungs-Rechtsschutz-Versicherungen angeboten werden, um eben diese Risiken (prämienpflichtig) abzufedern (vgl. nur Dahnz/
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit
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Auch wenn man hierin insgesamt noch verhältnismäßige Folgen notwendigen Diskriminierungsschutzes erblickte, sind die rechtlichen Konsequenzen zentrales Problem des Regelwerks für den am Markt tätigen Unternehmer; denn die Verbotsregelungen des AGG stehen unternehmerischer Tätigkeit offenbar grundsätzlich dann entgegen, sobald der Unternehmer sein Unternehmern mittels Personalpolitik auf Marktbereiche ausrichten will, die von merkmalsorientierten Kundenwünschen geprägt sind. Gleiche Hindernisse können dort auftreten, wo einflussreiche Dritte ein diskriminierendes Verhalten vom Unternehmer einfordern. Gerade diese Überlegungen machen es erforderlich, die Frage nach dem Ausgleich von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz dann zu stellen, sobald der von äußeren (Markt-)Bedingungen abhängige Unternehmer infolge dieser Umstände in einen Konflikt mit Diskriminierungsschutz gerät. b) Sonstige einfachgesetzliche Vorschriften Mit der Einführung des AGG haben allgemeine zivilrechtliche Vorschriften für das Diskriminierungsrecht an Bedeutung verloren. aa) Über die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB wurden bislang diverse Diskriminierungsfälle entschieden,206 die nunmehr dem Anwendungsbereich des AGG unterfallen,207 mithin ist ihre diskriminierungsschutzrechtliche Wirkung weitestgehend obsolet.208 Grimminger, AuA 2006, S. 522 (524); Koch, VersR 2007, S. 288 (296 ff.); HAZ Nr. 141 v. 20. 06. 2006, S. 11 („Antidiskriminierungs-Rechtsschutzpolice“); im U.S.-Recht sind sog. „Employment Practises Liability Insurances“ (EPLI = Arbeitsverhältnis-Haftpflichtversicherungen) verbreitet, vgl. Adomeit/Mohr, AGG, § 15, Rn. 15). Zu den Belastungswirkungen der Rechtsfolgen und der Beweislastregelung s. o. unter § 5 B. III. 2. a) cc), dd), zu denen des richtlinienrechtlich nicht gebotenen allg. Beschwerderechts aus § 13 I AGG vgl. Wolff, AuA 2006, S. 512 (515). Speziell im Hinblick auf die Mitarbeiterschulungspflicht (§ 12 II 2 AGG) bestehen Bedenken, sofern man die positiven Effekte dieser Pflicht in Relation zu deren belastenden Folgewirkungen setzt (vgl. Zielke/Stauf, AiB 2007, S. 104 (104 f.)). Nach sehr krit. Stimmen ist das AGG ein Beschäftigungsprogramm für alle im Bereich des Arbeitsrechts tätigen Juristen – so Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (202). Gem. §§ 17, 23 AGG sieht sich der Arbeitgeber infolge einer überschießenden Umsetzung neuen Gegnern i. R. eines Rechtsstreits gegenüber (hierzu Hayen, AuR 2007, S. 6 (6 ff.)). 206 Da sie u. a. im Lichte des Art. 3 III GG auszulegen sind (BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1354 (1355 f.)) werden durch sie solche Vereinbarungen oder Maßnahmen verhindert, die aus diskriminierenden Gründen als anstößig empfunden werden (für diesen Maßstab etwa BVerfG v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (179); BAG v. 06. 11. 2003 NZA 2005, S. 218 (220); Schiefer, NZA 2002, S. 770 (773)). 207 Vgl. stellv. BVerfG v.27. 01. 1998 NZA 1998, S. 470 (472 ff.); BAG v. 22. 05. 2003 NZA 2004, S. 399 (399); v. 23. 06. 1994 SAE 1995, S. 103 (103 ff.) (Kündigung wg. Homosexualität); v. 16. 02. 1989 NJW 1990, S. 141 (141 ff.); vgl. hierzu insb. Gragert, NZA 2000, S. 961 (964 ff.). Krit. insoweit Friedrich, in: KR, § 13 KSchG, Rn. 129. Auch über die kündigungsrechtlichen Generalklauseln (§§ 626 BGB, §§ 1, 13 II KSchG) fand zumindest in Ansätzen Diskriminierungsschutz statt (vgl. nur BAG v. 06. 11. 2003 NZA 2005, S .218 (221)). Eine
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
bb) Einen weiteren Beitrag zur Diskriminierungsbekämpfung leisteten bislang auch §§ 823, 826 BGB.209 Ein deliktsrechtlicher Diskriminierungsschutz über § 823 Abs. 1 BGB kann nach h. A. ausnahmsweise bejaht werden, wenn mit der Ungleichbehandlung ein schwerer rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht verbunden ist, der grundsätzlich höheren Anforderungen unterliegt als die „bloße“ Erfüllung eines Diskriminierungstatbestandes.210 Daneben sollen einfachgesetzliche Diskriminierungsverbote (insbesondere das AGG) Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB sein, welchen sie jedoch als lex specialis verdrängen.211 Schutzgesetze sind allerdings typischerweise nur solche Vorschriften, die Verhaltenspflichten für denjenigen Schädiger aufstellen, mit dem der Geschädigte in keiner vertraglichen Beziehung steht, so dass die Deliktsvorschriften im Arbeitsverhältnis von den einfachgesetzlichen Diskriminierungsverboten generell verdrängt werden sollten.212 Ein diskriminierendes Verhalten kann überdies den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) erfüllen,213 woran aber insgesamt hohe Anforderungen gestellt werden sollten. Angesichts der umfassenden Regelungen im AGG dürfte die Bedeutung der §§ 823, 826 BGB für Diskriminierungssachverhalte zukünftig ebenfalls weitgehend zu vernachlässigen sein. cc) § 75 Abs. 1 BetrVG, der zusammen mit Einführung des AGG erweitert wurde,214 fordert für die Betriebsangehörigen215 vom Arbeitgeber zwingend die BeKündigung, die gegen die guten Sitten (public policy) verstößt, ist auch in den Vereinigten Staaten unzulässig. 208 Zum verbliebenen Anwendungsbereich vgl. LAG Baden-Württemberg v. 18. 06. 2007 AuA 2007, S. 624 (624). 209 Zur Schutzwirkung und zum Verhältnis zw. allg. Delikts- u. Diskriminierungsrecht vgl. BAG v. 14. 03. 1989 NJW 1990, S. 65 (66); Säcker, ZeuP 2006, S. 1 (4 f.). 210 Vgl. nur Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 32; Kern, NZA 2000, S. 124 (125 f.). Nach a. A. (vgl. insb. BAG v. 15. 02. 2005 DB 2005, S. 1802 (1802); Schiek/ Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (867), soll jeder Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts indizieren. Kritik gegen den Automatismus äußerte u. a. Hermann, ZfA 1996, S. 19 (23, 43 f., 49 ff.) (verfehlte Gleichsetzung von Persönlichkeitsberührung und Persönlichkeitsrechtsverletzung). Thüsing (in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 53) will hingegen sogar die besondere Beweislastregel des § 22 AGG anwenden. 211 Vgl. § 15 VAGG; BAG v. 25. 04. 2001 NZA 2002, S. 1211 (1212); Maier-Reimer, NJW 2006, S. 2577 (2582); a. A. Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 127. 212 In diese Richtung Rolfs, Arbeitsrecht, § 4 TzBfG, Rn. 20; Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1014 ff.). I. Erg. ebenso Pfeiffer, in: FS Schwerdtner (2003), S. 775 (777). Dies diente auch der Rechtssicherheit der vom Diskriminierungsschutz Betroffenen. A. A. Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 212. 213 Mit der Folge einer Schadensersatzpflicht i. S. eines allg. mittelbaren Kontrahierungszwanges (Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 I GG, Rn. 519). 214 Vgl. Art. 3 (3) des Umsetzungsgesetzes. Gleiches gilt für § 67 I 1 BPersVG, § 27 SprAuG. Nach § 80 I BetrVG hat der Betriebsrat die Einhaltung des AGG im Betrieb zu überwachen und hat hierzu nach § 80 I Nr. 2 a, b BetrVG, nach Nr. 4, Nr. 6 und Nr. 7 diverse Förderpflichten (hierzu u. a. Wendeling-Schröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (272)). 215 Das Differenzierungsverbot des § 75 BetrVG schützt nach h. M. nur die im Betrieb Tätigen (vgl. nur BAG v. 02. 06. 1987 AP Nr. 49 zu Art. 9 GG). Richardi (in: Richardi, BetrVG,
B. Beschränkung unternehmerischer Freiheit
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handlung im Sinne grundrechtlicher Wertentscheidungen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit und verbietet (unmittelbare und mittelbare) Diskriminierungen wegen der in § 1 AGG aufgezählten Merkmale.216 Bei diesen Merkmalen soll es sich um Kriterien handeln, die für sich allein grundsätzlich keine unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen rechtfertigen können.217 Rechtfertigungsgründe seien nur entsprechend den besonderen Ausnahmetatbeständen (insbesondere § 8 Abs. 1 AGG) ausnahmsweise anzuerkennen,218 so dass diesbezüglich keine besonderen Grundsätze gelten. Als Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 75 Abs. 1 BetrVG kommen zwar aufgrund des kollektiv-rechtlichen Charakters der Norm nach h. M. keine subjektiven Ansprüche der im Betrieb Tätigen in Betracht,219 wohl aber dient § 75 BetrVG u. a. als Auslegungsregel.220 Der Diskriminierungsschutz nach dem BetrVG wirkt sich v. a. dort auf das Auswahlermessen des Arbeitgebers aus, wo der Betriebsrat Einfluss auf die Personalpolitik des Unternehmens nehmen kann.221 Da der Betriebsrat im Rahmen seiner Beteiligung auf die Einhaltung von Diskriminierungsschutzgrundsätzen zu achten hat und ihm hierfür unterschiedliche Instrumente zur Verfügung gestellt werden,222 wird hierüber Diskriminierungsschutz auf kollektiv-rechtlicher Ebene bewirkt.223 § 75, Rn. 7) sieht dabei auch den Bewerber von der Geltung des Verbots mitumfasst (umstr., ebenso Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, S. 29 f.). Vgl. a. Schieck, NZA 2004, S. 873 (878). 216 Vgl. hierzu u. a. BAG v. 22. 03. 2005 NZA 2005, S. 773 (774); LAG Köln v. 04. 06. 2007 BB 2007, S. 2572 (2574) m. Anm. Mohr; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 75, Rn. 1 („Magna Charta der Betriebsverfassung“). Für sog. Tendenzbetriebe, die unter § 118 I BetrVG fallen, findet § 75 BetrVG nur insoweit Anwendung, als die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem nicht entgegensteht (Hohenstatt/Dzida, in: HWK, § 118 BetrVG, Rn. 20). 217 So etwa v. Hoyningen-Huene, in: MünchArbR, § 301, Rn. 75; Moritz, NZA 1987, S. 329 (332). Zum Begriff der „absoluten Differenzierungsverbote“, der in diesem Zshg. oft verwendet wird, vgl. bereits o. unter § 5 A. II. 1. 218 Reichold, in: HWK, § 75 BetrVG, Rn. 8 f., 15. Krit. hierzu Hahn, Auswirkungen der europ. Regelungen zur Altersdiskriminierung im dt. Arbeitsrecht, 2006, S. 164 f. 219 Vgl. Reichold, in: HWK, § 75 BetrVG, Rn. 1, 5; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 75, Rn. 9, 52 f.; a. A. Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, S. 29 f. Auch als Schutzgesetz (i. S. v. § 823 II BGB) löst § 75 BetrVG bei einer schuldhafte Verletzung der Vorschrift keine deliktischen Schadensersatzansprüche aus (Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 75, Rn. 53). Zu einem Kontrahierungszwang gelangte hierüber aber das BAG (BAG v. 05. 04. 1984 AP Nr. 2 zu § 17 BBiG); hiergegen insb. Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (56 f.)). 220 Herms/Meinel, DB 2004, S. 2370 (2371). Vereinbarungen oder Anordnungen, die gegen die Diskriminierungsverbote des § 75 BetrVG verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig (Reichold, in: HWK, § 75 BetrVG, Rn. 24); außerdem kann der Betriebsrat (ggf. auch im Wege der einstweiligen Verfügung) Feststellungs- oder Unterlassungsansprüche geltend machen und bei groben Verstößen ein Verf. nach § 23 III BetrVG anstrengen; vgl. § 17 II 1 AGG. 221 Das BetrVG sieht in den §§ 92 – 99 BertVG Beteiligungsrechte an allg. personellen Angelegenheiten vor, insb. bei der Personalplanung (hierzu Buchner, in: MünchHdbAR, § 35, Rn. 4 ff.) als wesentlichem Bestandteil der gesamten Betriebs- und Unternehmensplanung (vgl. Matthes, in: MünchArbR, § 346, Rn. 1 ff.). 222 Z. B. Zustimmungsverweigerungen nach § 99 BetrVG, Entfernungsverlangen nach § 104 BetrVG.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
dd) In Bezug auf die vorliegende Thematik – der Beschränkung unternehmerischer Tätigkeit durch Anti-Diskriminierungsrecht – ergeben sich aus den Bestimmungen, die neben dem AGG existieren, regelmäßig keine besonderen Probleme, so dass die Untersuchung im weiteren Verlauf auf einzelne Diskriminierungsverbote und dabei die Bereiche beschränkt werden soll, in denen es zu einem Konflikt zwischen unternehmerischer Freiheit – verstanden als die Freiheit marktgerechter Betätigung – und Diskriminierungsschutz kommt.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote und deren Auswirkung auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit Nunmehr sollen die (potenziellen) Kollisionslagen zwischen den Diskriminierungsverboten und unternehmerischer Freiheit aufgezeigt werden, wobei der Fokus auf die Bereiche ausgerichtet werden soll, die den Unternehmer in seiner zentralen marktorientierten Gestaltungsmacht betreffen.
I. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Das Merkmal des Geschlechts meint die biologische Zuordnung zu einer Geschlechtsgruppe.224 Auf internationaler Ebene wird die geschlechtsbedingte Diskriminierung in diversen Abkommen verurteilt; das Verbot gehört zu den international anerkannten Menschenrechtsstandards.225 223 Nach § 94 BetrVG gilt der Schutz auch Einstellungswerbern; die Bindung des Arbeitgebers wird durch die Aufstellung von diskriminierungsfreien Auswahlrichtlinien i. S. d. § 95 BetrVG verstärkt; gem. § 99 II Nr. 1 BetrVG steht den Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht zu, wenn die Einstellung unter Verstoß gegen ein gesetzliches Diskriminierungsverbot erfolgt. Zu diesem Einfluss vgl. insb. Buchner, NZA 1991, S. 577 (586 ff.); Vogt, RdA 1984, S. 140 (143, 153). Krit. Hanau, in: Gs. Kahn-Freund (1980), S. 457 (464 f.) („erhebliche Einschränkung der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers“); Körner, NZA 2001, S. 1046 (1049). 224 Schlachter, in: ErfK, AGG, § 1, Rn. 5. Es umfasste nach früherer Ansicht auch Aspekte der sexuellen Orientierung (etwa den Transsexuellenschutz) (vgl. etwa Fuchs, in: Bamberger/ Roth (2003), BGB, § 611a, Rn. 16), die jetzt durch das eigenständige Diskriminierungsverbot hinsichtlich der sexuellen Identität abgedeckt sind (Flohr/Ring, AGG, § 1, Rn. 62; a. A. Thüsing, Arbeistrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 215; vgl. a. EuGH v. 27. 04. 2006 EuGH Slg. 2006, I-3585 (3585 ff.); im U.S.-Recht: Holloway vs. Arther Anderson & Co., 556 F. 2d659 (9th Cir. 1977)). 225 Hier stellen u. a. Art. 1 Nr. 3 UN-Charta von 1945, Art. 2 AMRErkl, Art. 2 des Übereinkommen Nr. 100 der IAO, Art. 2 II IPwirtR und IPbürgR und Art. 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979 (v. 18. 12. 1979, 01. 03. 1980,
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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1. Ebene des Europäischen Rechts Die Geschlechtergleichbehandlung ist ein Gebot, das die gesamte Anti-Diskriminierungsbewegung geprägt und vorangetrieben hat. Der herausragende Charakter wird mit Art. 4 S. 1 Nr. 3, 15 ESC, Art. 16 GSC, Art. 21, 23 GRCh, der Präambel des EU, Art. 8 AEUV sowie Art. I-2, II-83 EVerfE unterstrichen.226 a) Zum europäischen Primärrecht zählt das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts, das mittlerweile als ungeschriebener allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts gilt, dem unmittelbare Drittwirkung zukommen soll.227 Als Ausgangspunkt der Entwicklung diente Art. 119 EGV a. F. (nunmehr Art. 157 AEUV, vormals: Art. 141 EG = Art. III-214 EVerfE), der als Garantie des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Entgeltgleichheitsgebot) bereits in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 03. 1957 Eingang fand.228 Durch den Vertrag von Amsterdam wurde Art. 119 EGV a. F. erweitert und befasst sich seither nicht mehr nur noch mit der Entgeltgleichheit (nunmehr Art. 157 Abs. 1, 2 AEUV, vormals: Art. 141 Abs. 1, 2 EG), sondern generell mit der Gleichbehandlung der Geschlechter im Arbeitsleben.229 Durch seine vorrangige Wirkungsweise gegenüber nationalem Recht,230 seinen weitreichenden Anwendungsbereich231 und durch die extensive Tatbestandsausgestaltung durch den EuGH und den europäi-
BGBl. (1985) II, S. 647 f.) Instrumente des internationalen Rechts zur Bekämpfung von geschlechtsbedingter Diskriminierung dar. Vgl. hierzu Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 19. Vgl. a. den zweiten Erwägungsgrund der RL 2002/73/EG (hierzu Rust, NZA 2003, S. 72 (74)). 226 Schließlich sieht es der EuGHMR als ein wichtiges Ziel an, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern und verlangt für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung i. R. des Art. 14 EMRK bes. schwerwiegende oder sogar zwingende Gründe (EuGHMR v. 27. 03. 1998 RJD 1998-II, Z. 37 (Petrovic); v. 21. 02. 1997 RJD 1997-I, Z. 39, 42 (van Raalte); v. 24. 06. 1993 Serie A 263, Z. 67 (Schuler-Zgraggen)). 227 Vgl. EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2004, S. 201 (204) (Allonby); v. 09. 09. 2003 NZA 2003, S. 1137 (1138) (Rinke); v. 08. 04. 1976 Slg. 1976, S. 455 (473) (Defrenne II). 228 Art. 119 EGVa. F. diente dabei einerseits dem Zweck, durch die Gleichberechtigung das soziale Schutzniveau der Gemeinschaft zu sichern und auszubauen; andererseits sollte er (nachgeordnet) verhindern, dass die Unternehmen derjenigen Mitgliedstaaten, die den Grds. der Entgeltgleichheit tats. verwirklicht haben, im innergemeinschaftlichen Wettbewerb ggü. Unternehmen der Staaten, die die Lohndiskriminierung noch nicht beseitigt haben, benachteiligt werden (wettbewerbsrechtlicher Normzweck) (EuGH v. 10. 02. 2000 NZA 2000, S. 313 (316) (Deutsche Telekom); v. 08. 04. 1976 Slg. 1976, S. 455 (473) (Defrenne II)). 229 Hierzu Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 328 ff. Art. 141 III EG enthält eine Rechtsgrundlage, Maßnahmen der Gemeinschaft zur Gewährleistung von Chancengleichheit im Arbeitsrecht im Verfahren nach Art. 251 EG zu beschließen. 230 BAG v. 19. 11. 2002 NZA 2003, S. 380 (381). 231 Zum räumlichen und betrieblichen Anwendungsbereich vgl. EuGH v. 13. 05. 1986 Slg. 1986, S. 1620 (1624) (Bilka); zum sachlichen Anwendungsbereich (insb. dem weiten Entgeltbegriff) vgl. EuGH v. 19. 11. 1998 EuGH Slg. 1998 I-7358 (7369 f.) (HØE Pedersen u. a.); Raulf/Gunia, NZA 2003, S. 534 (535 f.).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
schen Normgeber232 hat Art. 157 AEUV als Gemeinschaftsgrundrecht mit „horizontaler“ Drittwirkung auch unter Privaten dem Gedanken der Gleichberechtigung zu einer unvergleichlichen Durchsetzungskraft verholfen,233 umgekehrt aber auch die Differenzierungsmöglichkeiten der Arbeitgeber in diesem Bereich zunehmend eingeschränkt.234 Nach heutzutage überkommener Auffassung verbietet Art. 157 AEUV jegliche unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts.235 Diesbezüglich wird jedenfalls für den Bereich der mittelbar benachteiligend wirkenden Unterscheidung angenommen, dass eine geschlechtsbedingte Benachteiligung dann nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, wenn sich ein objektiv rechtfertigender, sachlicher Differenzierungsgrund finden lässt, der einem unternehmerischen Bedürfnis dient, der nichts mit einer Diskriminierung wegen des Geschlechts zu tun haben darf und der zur Erreichung des Ziels in verhältnismäßiger Weise eingesetzt wird.236 Hierdurch öffnet sich ein Fenster, das es dem Unternehmer erlauben soll, seine unternehmerische Freiheit, die mit dem Verbot in Konflikt geraten kann, angemessen zu verwirklichen, weil ihn das Diskriminierungsverbot ansonsten unzumutbar belasten würde. Als legitime unternehmerisch wertvolle Differenzierungsgründe wurden dabei u. a. Qualifikation, Betriebszugehörigkeitsdauer, Flexibilität, d. h. alle Voraussetzungen, die am konkreten Arbeitsplatz sachlich erforderlich sind, aber auch die Arbeitsmarktsituation oder soziale Kriterien aner232 Voraussetzung ist, dass die benachteiligte Gruppe überhaupt in der gleichen oder in einer ähnlichen Situation ist, da das Diskriminerungsverbot nur gleiche und gleichwertige Arbeit betrifft (vgl. hierzu Art. 1 RL 75/117/EWG; EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2004, S. 201 (203) (Allonby); v. 27. 10. 1993 EuGH Slg. 1993 I-5535 (5555) (Enderby); BAG v. 26. 01. 2005 NZA 2005, S. 1059 (1061)). Vorsichtiger beschränkt der U.S. Equal Pay Act die Anforderungen auf „equal work“, vgl. Spalding vs. University of Washington, 740 F. 2d 686 (9th Cir. 1984); Ausnahmen zugunsten der Gleichwertigkeit sind nach Title VII möglich, aber selten erfolgreich, vgl. Lewis, Civil Rights and Empoyment Discrimination Law, S. 390 ff. 233 Er begründet ein subj. Recht der Arbeitnehmer, bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ohne Rücksicht auf das Geschlecht gleichbehandelt zu werden EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2004, S. 201 (203) (Allonby); grdl. EuGH v. 08. 04. 1976 Slg. 1976, S. 455 (476) (Defrenne II); s. a. BAG v. 18. 10. 2005 NZA 2006, S. 1159 (1160 f.) – insb. zu den hierzu entwickelten Darlegungs- und Beweislastregeln). 234 Ein Verstoß führt zur Unwirksamkeit der benachteiligenden Differenzierung selbst und bei einer Entgeltdiskriminierung zur Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer Angleichung an die günstigere Regelung („nach oben“), solange keine Maßnahmen zu Beseitigung der Ungleichbehandlung getroffen worden sind (Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 326; krit. Nicolai, ZfA 1996, S. 481 (481 ff.)). 235 Vgl. Art. 23 II GRCh; EuGH v. 03. 10. 2006 NZA 2006, S. 1205 (1206) (Cadman); Bahlmann, RdA 1984, S. 98 (101). Früher wurde das Gleichbehandlungsgebot rein formal gesehen (vgl. hierzu EuGH v. 15. 12. 1994 AP Nr. 64 EWG-Vertrag Art. 119). 236 Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 141 EGV, Rn. 63 f. In Fällen unmittelbarer Diskriminierung wird i. d. R. ein strengerer Rechtfertigungsmaßstab angenommen, der in Richtung absoluter Diskriminierungsverbote tendiert (vgl. nur Thüsing, NZA, Beil. Heft 22/ 2004, S. 3 (14); näher u. unter § 5 C. I. 2. b)). Die Prüfung der Rechtfertigung weist der EuGH grds. dem nationalen Gericht in vollem Umfange zu, was ihn indes nicht gehindert hat, in einer erheblichen Anzahl von Urteilen selbst in unterschiedlicher Tiefe Stellung zu nehmen.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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kannt.237 Ergänzt wird die Ausnahmemöglichkeit durch eine Öffnungsklausel zu Gunsten von Rechtsakten, die spezifisch am Nachteilsausgleich orientierte Begünstigungen beibehalten oder einführen wollen (Art. 157 Abs. 4 AEUV, vormals: Art. 141 Abs. 4 EG).238 b) Das Recht der EG enthält außer diesem primärrechtlichen Grundsatz zahlreiche sekundärrechtliche Verbote der Diskriminierung von Männern und Frauen für praktisch alle Bereiche des Erwerbslebens, die maßgeblich zur dynamischen und umfassenden Entwicklung des Diskriminierungsschutzrechts beitragen.239 Den Kern bildet die Gleichberechtigungsrichtlinie 76/207/EWG,240 die schon als „Magna Charta der Gleichstellung“ im Arbeitsrecht bezeichnet und die durch RL 2002/73/EG241 aktualisiert wurde.242 Da sich die Richtlinien weitestgehend durch das AGG umgesetzt sehen, sollen konkrete Reichweite und Auswirkungen des Diskriminierungsverbots erst hierunter genauer betrachtet werden.243
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Vgl. EuGH v. 27. 10. 1993 AP Nr. 50 zu Art. 119 EWG-Vertrag; BAG v. 19. 03. 2002 ZTR 2002, S. 481 (481); Ackermann, NZA 2000, S. 465 (466 f.). Dagegen sind allg. Aussagen über ganze Arbeitnehmergruppen wie z. B. geringere betriebliche Verbundenheit, die geringere Arbeitsmotivation oder die geringere soziale Schutzbedürftigkeit von Teilzeitkräften, keine tauglichen Rechtfertigungsgründe (Schlachter, in: ErfK, Art. 141 EG, Rn. 17 f.). 238 Sog. positive Maßnahmen zur Herbeiführung materieller Gleichheit; s. a. Art. 2 IV RL 76/207/EWG; EuGH v. 06. 07. 2000 NZA 2000, S. 935 (938) (Abrahamsson). Zur Verhältnismäßigkeitsschranke: EuGH v. 19. 03. 2002 NZA 2002, S. 501 (503) (Lommers); v. 28. 03. 2000 AP RL 76/207/EWG Nr. 20. Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit s. Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 19. 239 V. a. RL 75/117/EWG (v. 10. 02. 1975 zum Grds. des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (Abl. EG 1975 Nr. L 45, S. 19)), RL 79/7/EWG (v. 19. 12. 1978 (ABl. 1979, L 6, S. 24), vgl. insb. Art. 4 I), RL 86/378/EWG (v. 24. 07. 1986 (Abl. EG 1986 Nr. L 225, S. 40); geänd. durch RL 96/97/EG (ABl. 1997, L 46, S. 20)) zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, RL 92/85/EWG (v. 19. 10. 1992 (zehnte Einzelrichtlinie i. S. d. Art. 16 I RL 89/391/ EWG (ABl. L 348, S. 1) sowie RL 97/80/EG (Beweislastrichtlinie) (v. 15. 12. 1997 (ABl. EG 1998 L 14, S. 6). Allg. zur Bedeutung Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 335, 364 ff. Daneben gibt es Empfehlungen und Entschließungen des Rates und der Kommission zu Aspekten der Chancengleichheit (Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 21, m. w. N.). 240 V. 09. 02. 1976 zur „Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zu Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“ (Abl. L 39, S. 40); vgl. hierzu insb. Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1012). Entspr. Art. 249 III EG ist sie nicht unmittelbar anwendbar und entfaltet Wirkung in Form des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung (vgl. o. unter § 5 B. II. 4. a)). 241 V. 23. 9. 2002 (ABl. EG 2002 Nr. L 269, S. 15), erlassen nach Art. 141 III EG (a.F.). 242 Vgl. nunmehr RL 2006/54/EG v. 05. 07. 2006 (ABl. EU L 204, S. 23 ff.), die die früheren Einzelrichtlinien konsolidiert. 243 Vgl. u. unter § 5 C.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
2. Nationale Ebene a) Verfassungsrechtliche Gewährleistungen Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG, wonach Frauen und Männer gleichberechtigt sind, konkretisiert den allgemeinen Gleichheitssatz und schließt als subjektives Abwehrrecht Diskriminierungen wegen des Geschlechts aus.244 Die Staatszielbestimmung des Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG245 begründet eine positive Schutzpflicht hinsichtlich der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung, die die einfachgesetzliche Konkretisierung und Aktualisierung des Grundsatzes erfordert.246 V. a. über diesen Schutzpflichtengedanken aber auch über seine objektivrechtlichen Funktionen als ergänzende Auslegungsmaxime ist Art. 3 Abs. 2 GG im Arbeits- und Berufsrecht (insbesondere bei Aufnahme, Gestaltung und Beendigung von Individualarbeitsverhältnissen) unter Privaten zu beachten und ermächtigt den Staat zu Eingriffen in die Privatautonomie.247 Daher sieht sich die unternehmerische Entscheidungsfreiheit durch das Diskriminierungsverbot beschränkt, da es insbesondere seine Abschlussfreiheit, sein Auswahlermessen, und sein Direktionsrecht einengt. Aber auch dem Verbot des Art. 3 Abs. 2 GG wurden – in ihrer Reichweite umstrittene – Grenzen gesetzt.248 Mit Hilfe einer großzügigen Formel fragte das BVerfG früher in ständiger Rechtsprechung, ob nicht objektiv biologische oder funktionale (arbeitsteilige) Unterschiede zwischen Frau und Mann eine differenzierende Anknüpfung an das Geschlecht gestatten.249 Nach einer ebenfalls früheren Auffassung in der Literatur durften einige Berufe, überhaupt (Bergmann, Müllmann) oder in einzelnen Modalitäten (dies ins244 Vgl. Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1013). Da auch Art. 3 III 1 GG ein geschlechtsbedingtes Diskriminierungsverbot mitumfasst, sind die Schutzbereiche beider Vorschriften als Abwehrrechte kongruent (Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 79). Es handelt sich insofern also um das gleiche kategorische Differenzierungsverbot wie bei der Reihe anderer in Art. 3 III GG genannter Merkmale (vgl. Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 2). Hierbei schützt Art. 3 II GG nach h. M. vor direkten und mittelbaren Diskriminierungen (L/R/ H, Art. 3, Rn. 2601). 245 Eingeführt mit Gesetz zur Änderung des GG vom 27. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3146). So wurde klargestellt, dass das Ziel die zukünftige Angleichung der Lebensverhältnisse i. S. materialer Gleichberechtigung ist und dass Art. 3 II GG die Gleichberechtigung auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (36); BVerwG v. 23. 01. 2002 NZA 2002, S. 797 (800)). 246 BAG v. 24. 04. 2008 NJW 2008, S. 3658 (3659); Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 83; Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 572. 247 BVerfG v. 16. 11. 1993 BVerfGE 89, S. 276 (285 ff., 289 ff.: Gebot einer strikten verfassungskonformen Auslegung des § 611a BGB (a. F.) i. S. d. Art. 3 II GG); Hueck/Nipperdey, § 69, S. 716. Zur Drittwirkung s. o. unter § 3 C. III. 1. d). 248 Der durch einige Stimmen erfolgten Kennzeichnung des Art. 3 II 1 GG als strikten bzw. absoluten Differenzierungsverbot steht es nicht entgegen, dass in gewissen Fällen Männer und Frauen in bestimmten Fällen unterschiedlich behandelt weren müssen (vgl. BVerfG v. 28. 01. 1987 BVerfGE 74, S. 163 (179 f.); OVG Hamburg v. 26. 04. 2007 IÖD 2007, S. 257 (260)). Vgl. a. schon o. unter § 5 A. II. 1. 249 BVerfG v. 28. 01. 1987 BVerfGE 74, S. 163 (179), m. w. N.; krit. Dürig, in: Maunz/ Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 18.
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besondere im Baubereich), für Frauen gesperrt und pauschal mit deren gegenüber Männern geringeren Körperkraft und körperlichen Belastbarkeit abgelehnt werden.250 Später hat das BVerfG den Maßstab verschärft, indem es nach seiner „neuen Formel“ differenzierende Regelungen nur dann als zulässig angesehen hat, „soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind“.251 Auch die h. L. beschränkt den Rechtfertigungsgrund auf ausschließlich biologische Unterschiede, die eine verschiedene Behandlung im Einzelfall zwingend erfordern.252 Auch wenn man sich nunmehr weitgehend einig ist, dass funktionale und damit traditionell gewachsene Unterschiede eine Differenzierung nach dem Geschlecht nicht rechtfertigen können, besteht dennoch eine große Unsicherheit dahingehend, nach welchem Maßstab sich die Zulässigkeit einer Differenzierung bestimmen soll. Allgemein wird eine Ausnahmemöglichkeit als möglich erachtet, sofern ein Bezugspunkt zwischen Männern und Frauen nicht gegeben ist, wenn also der Sachverhalt, der an Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG gemessen werden soll, überhaupt nur in einem Geschlecht verwirklicht werden kann.253 Ob darüber hinaus weitere Einschränkungen des Grundsatzes zulässig sein können, wird unterschiedlich beurteilt. Aufgrund des speziellen Schutzzwecks des Art. 3 Abs. 2 GG soll nach h. M. auch eine Differenzierung zulässig sein, wenn sie eine Bevorzugung von Frauen darstellt und dem Ziel der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung dient.254 Daneben werden Ausnahmen als zulässig erachtet, wenn der biologische Geschlechtsunterschied den Lebenssachverhalt so entscheidend prägt, dass vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten,255 wobei die Verwendung von Differenzierungsgründen einer strengen Verhält-
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Vgl. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 659. BVerfG v. 28. 01. 1992 BVerfGE 85, S. 191 (207); eine Berufung auf eine funktionale (arbeitsteilige) Verschiedenheit ist damit vom BVerfG aufgehoben worden. Vgl. hierzu Hensche, NZA 2004, S. 828 (831 f.). 252 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 14, 18; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 31 f., 54 f. Funktionale Unterschiede rechtfertigten eine Differenzierung allenfalls dann, wenn sie ihrerseits auf biologischen Unterschieden beruhen, da ansonsten die überkommene Rollenverteilung rechtlich perpetuiert werden könnte (Heun, in: Dreier, Art. 3 II GG, Rn. 111). 253 Z. B. Defloration, Schwangerschaft, Geburt, Menstruation, Stillzeit, Klimakterium; vgl. Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 35. Da die Lebenstatbestände hier nicht vergleichbar sind, entfällt in diesen Fällen offensichtlich bereits die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots (L/R/H, Art. 3, Rn. 53, 2650, 3053). 254 BVerfG v. 24. 01. 1995 BVerfGE 92, S. 91 (109). Hierdurch dürften Männer allerdings nicht unverhältnismäßig benachteiligt werden (BVerfG v. 24. 01. 1995 BVerfGE 92, S. 91 (109); BAG v. 23. 05. 2000 NZA 2001, S. 47 (48)). 255 BVerfG v. 24. 01. 1995 BVerfGE 92, S. 91 (109 f.); Steinmeyer, NZA 2004, S. 1257 (1259). Keine Differenzierungsgründe sind arbeitsmarktpolitische Gründe und das pauschale Abstellen auf eine schwächere körperliche Konstitution (BVerfG v. 28. 01. 1992 BVerfGE 85, S. 191 (208); LAG Köln v. 08. 11. 2000 NZA-RR 2001, S. 232). 251
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nismäßigkeitsprüfung unterzogen werden soll.256 Eine weitere Ausnahmemöglichkeit wird vielfach aus dem Prinzip der Einheit der Verfassung abgeleitet. Fehle es an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung, lasse sich eine Ungleichbehandlung auch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren, da insbesondere gegenläufige Grundrechte durch das Diskriminierungsverbot nur in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden dürften,257 so dass hierüber das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit, das durch das Diskriminierungsverbot Beschränkungen erfährt, angemessen zu berücksichtigen ist.258 Gerade diese letztgenannte Ausnahmemöglichkeit ist anzuerkennen, da sie allgemeinen Verfassungsprinzipien entspricht, wonach andere verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter hinter dem Diskriminierungsschutz nicht vollständig zurücktreten dürfen.259 Mithin kann festgehalten werden, dass Art. 3 Abs. 2 S. 1, 2 GG kein generell unnachgiebiges Differenzierungsverbot enthält, sondern vornehmlich tradierte Vorurteile über die Ungeeignetheit weiblicher Arbeitnehmer zur Ausübung verschiedener Berufe beseitigen soll und ansonsten mit der unternehmerischen Freiheit in Einklang zu bringen ist.260 b) Einfachgesetzliche Regelungen aa) §§ 1, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 AGG (§ 611a BGB a. F.) Mit § 611a BGB a. F. war erstmals der Gleichbehandlungsgrundsatz für den Abschluss von Arbeitsverträgen eingefügt worden.261 Das Verbot wurde nunmehr durch 256 BAG v. 20. 11. 1990 AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 3, Rn. 89 ff. – mittelbare Diskriminierungen seien demgegenüber unter geringeren Anforderungen zulässig, wenn sie obj. gerechtfertigt sind und nichts mit einer Diskriminierung wegen des Geschlechts zu tun haben. Es reichen sachlich überzeugende Differenzierungsgründe aus, deren Zwecke der jeweilige Adressat des Diskriminierungsverbots selbst bestimmen kann, damit die erforderliche Flexibilisierung erhalten bleibt. 257 Vgl. nur Hergenröder, in: HWK, Art. 3 GG, Rn. 108; Hensche, NZA 2004, S. 828 (831 f.); s. a. schon o. unter § 5 B. III. 1. a) bzgl. Art. 3 III 1 GG; überwiegend wird bzgl. der Ausnahmemöglichkeiten ein Abwägungsmodell befürwortet, welches es erlaubt, grundrechtlich geschützte unternehmerische Interessen an möglichst unreglementierter Entscheidungsund Auswahlfreiheit in die Auslegung des Diskriminierungsverbots miteinzubeziehen; a. A. wohl Model/Müller, GG, Art. 3, Rn. 16. Für T. d. Lit. soll Art. 3 II 2 GG jedenfalls relativer Vorrang vor anderen Verfassungsgüter zukommen (Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 75). 258 Z. T. werden sogar allg. sachliche Erwägungen als Differenzierungsgründe zugelassen (etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth (2006), GG, Art .3 Rn. 91; L/R/H, Art. 3, Rn. 2646; a. A. Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (468)). Dieser Maßstab kann jedoch lediglich für den Bereich der mittelbaren Diskriminierung gelten – sofern man Art. 3 II GG mit der h. M. a. auf solche Fälle beziehen will. 259 Ähnlich Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 3, Rn. 89. 260 Auch wenn differenziertere Erkenntnisse erst i. R. der einfachgesetzlichen Umsetzung gewonnen werden können. 261 Zur Entwicklung eines einfachgesetzlichen Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts vgl. das EG-Anpassungsgesetz („Gesetz über die Gleichbehandlung von
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die Regelungen des AGG (insbesondere §§ 1, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1) vollständig ersetzt.262 Nach Maßgabe des § 3 Abs. 1, 2 AGG werden sowohl unmittelbar als auch mittelbar geschlechtsbedingte Benachteiligungen erfasst.263 Dem AGG werden weitgehende Pflichten entnommen, die der personalsuchende Arbeitgeber beachten muss, wodurch seine unternehmerische Entscheidungs- und Vertragsfreiheit berührt werden.264 Entstehung und Auflösung dieses Konflikts bzw. der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern werden auf einfachgesetzlicher Ebene vornehmlich im Normbereich der den jeweiligen Diskriminierungsverboten zugeordneten Ausnahmetatbestände diskutiert. (1) Milder Maßstab bei mittelbaren Diskriminierungen Liegt tatbestandlich ein potenzieller Fall von mittelbarer Diskriminierung vor, greift ein relativ milder Rechtfertigungsmaßstab ein, um die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich der Betriebsausrichtung nicht zu beeinflussen.265 Eine mittelbar benachteiligend wirkende Maßnahme darf getroffen werden, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist, weil sie objektiv zur Durchsetzung eines wirklichen unMännern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von von Ansprüchen beim Betriebsübergang“ v. 13. 08. 1980 (BGBl. I, S. 1308; BR-Dr. 353/79 = RdA 1980, S. 50 ff.; BTDr. 8/4259)). Durch das Gesetz wurden insb. §§ 611a, 611b, 612a BGB (a. F.) zur Umsetzung von Art. 119 EGV a. F., RL 75/117/EWG, RL 76/207/EWG neu in das BGB eingefügt; aufgrund der unzureichenden Umsetzung (vgl. EuGH v. 10. 04. 1984 Slg. 1984, S. 1891 (1908) (von Colson u. Kamann); v. 10. 04. 1984 AP Nr. 2 zu § 611a BGB (Harz); v. 08. 11. 1990, DB 1991, S. 286 (286 ff.) (Dekker); v. 02. 08. 1993 EuGH Slg. 1993, S. 4367 (4367 ff.) (Marshall II); v. 22. 04. 1997 JZ 1997, S. 1172 (1172) (Draempaehl); BVerfG v. 16. 11. 1993 BVerfGE 89, 276 (286 f.)) wurde die Rechtslage durch die Rspr. (BAG v. 14. 03. 1989 NJW 1990, S. 65 (65 ff.); v. 14. 03. 1989 NJW 1990, S. 67(67 ff.)) und den dt. Gesetzgeber (vgl. v. a. Art. 7 des zweiten Gleichberechtigungsgesetzes (GleiBerG) v. 24. 06. 1994 (BGBl. I, S. 1406) (ersetzt durch d. G. v. 05. 12. 2001 (BGBl. I, S. 3234; BT-Dr. 14/5679) und das „Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Arbeitsgerichtsgesetzes“ v. 29. 06. 1998, am 30. 06. 1998 in Kraft getreten (BGBl. I 1998, S. 1694) zur Anpassung des § 611a BGB a. F. und des § 61b ArbGG) nachfolgend den europ. Vorgaben – wenn auch zögernd – immer weiter angepasst. Vgl. BAG v. 24. 04. 2008 NJW 2008, S. 3658 (3659); Treber, NZA 1998, S. 856 (856 ff.); Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1012 ff.). Vgl. nunmehr Art. 3 (14) des Umsetzungsgesetzes. 262 Das Verbot soll effektiv die tatsächliche Gleichbehandlung im Arbeitsleben verwirklichen sowie den Anspruch auf ein Bewerbungsverfahren ohne Benachteiligung schützen und ist dementsprechend auszulegen (Richardi/Annuß, in: Staudinger (1999), § 611 a BGB, Rn. 4). s. a. §§ 75 I 1, 80 I Nr. 2a BetrVG. 263 Eine Differenzierung nach der Schwangerschft wird dabei einer unmitelbaren Benachteiligung gleichgestellt (vgl. § 3 I 2 AGG; BT-Dr. 16/1780, Begr. zu § 3 AGG unter Hinw. auf EuGH Slg. 1990, 3941; vgl. a. Art. 2 VII RL 76/207/EWG; EuGH v. 11. 10. 2007 NZA 2007, S. 1271 (1272) (Paquay/SPRL); v. 08. 09. 2005 NZA 2005, S. 1105 (1107); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1242) (Tele Danmark); a. A. Ebsen, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 8, Rn. 19 f. 264 Vgl. Hanau, in: FS f. Adomeit (2008), S. 237 (238 f.). 265 Vgl. o. unter § 5 A. II. 3., C. I. 1.; Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 24.
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ternehmerischen Bedürfnisses erforderlich ist.266 Schon nach dem Wortlaut der Definition wird deutlich, dass das unternehmerische Interesse konsequent Berücksichtigung finden soll. Ein „wirkliches Bedürfnis“ setzt voraus, dass die Maßnahme arbeitsplatzbezogen „durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt ist“ und die Differenzierungskriterien in verhältnismäßiger Weise angewendet werden.267 Z. T. wird angenommen, dass diese Voraussetzung zu einer gegenüber einer sachlichen Begründung erhöhten Rechtfertigungsanforderung führt,268 was jedoch aufgrund des ausladenden Anwendungsbereichs der Figur der mittelbaren Diskriminierung269 sowie der Anerkennung des Rechts des Unternehmers, seine marktorientierten Interessen durchzusetzen,270 abzulehnen ist.271 Generell kann der Arbeitgeber hiernach wirtschaftliche Ziele verfolgen bzw. auf wirtschaftliche Erfordernisse wie erhebliche Kostenvor- oder -nachteile oder die Knappheit bestimmter Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt Rücksicht nehmen.272 Zur Beurteilung der Rechtfertigung wird dem folgend entscheidend auf den Leistungszweck abgestellt, den der Arbeitgeber verfolgt.273 Ein solcher Zweck kann etwa darin bestehen, dass ein Unternehmer, der ein Metallbaugeschäft betreibt und dafür Monteure für den Außeneinsatz beim Kunden sucht, vorzugsweise Arbeitnehmer/innen einstellt, die eine bestimmte technische Berufsausbildung erworben haben oder die hinsichtlich des Arbeitseinsatzes zeitlich und örtlich flexibel sind, um den realen Bedürfnissen seiner Kundschaft möglichst weit entgegenkommen zu können, auch wenn Vertreter eines bestimmten Geschlechts (in vorliegendem Beispiel z. Zt. noch Männer) diese Voraussetzungen in deutlich überwiegendem Maße erfüllen. Dass hierbei eine mittelbare Diskriminierung von Frauen stattfindet, ändert 266 EuGH v. 26. 06. 2001 NZA 2001, S. 883 (885) (Brunnhofer); v. 07. 03. 1996 EuGH Slg. 1996 I-1165 (1187, 1191 f.) (Freers u. Speckmann); v. 31. 03. 1981 Slg. 1981, S. 911 (925) (Jenkins); BAG v. 26. 01. 2005 NZA 2005, S. 1059 (1062). 267 Vgl. Art. 2 RL 97/80/EG; EuGH v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (409) (Nikoloudi); BAG v. 20. 08. 2002 NZA 2003, S. 861 (863). Sind die Gründe geschlechtsbezogen, so kommt nur eine Rechtfertigung über den Maßstab des § 8 I AGG in Betracht (Richardi, NZA 2006, S. 881 (883)). 268 In diese Richtung Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 6. 269 Vgl. o. unter § 5 A. II. 3. 270 Vgl. o. unter § 3 B., C. III. 1. a) bb) (3), c), IV. 6. 271 Ebenso Richardi/Annuß, in: Sartorius (1999), § 611a BGB, Rn. 61; Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 41; a. A. Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 32. An den Rechtfertigungsgrund seien aber umso strengere Anforderungen zu stellen, je stärker sich die jeweilige Maßnahme tatsächlich geschlechtsdiskriminierend auswirkt (Thüsing, in: HWK (2004), § 612 BGB, Rn. 77). 272 EuGH v. 13. 05. 1986 Slg. 1986, S. 1620 (1620) (Bilka); BAG v. 18. 10. 2005 NZA 2006, S. 1159 (1161); Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 57; Lelley, NZA 2000, S. 405 (407). Z. T. a. A. Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (279). Vgl. auch dessen „vermittelnde“ Position in: Die Gleichbehandlung im Arbeitsrecht, 2001, S. 65, bei der er auf die zeiltliche Nähe der Einstellungen abstellt. Zu den anerkannten Sachkriterien vgl. a. Havelkov, ZEuS 2008, S. 305 (337 ff.). 273 Vgl. nur BAG v. 20. 08. 2002 SAE 2004, S. 70 (72).
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nichts am legitimen, weil marktausgerichteten Unternehmerhandeln. Wird ein legitimer Zweck vom Arbeitgeber dargelegt, sind seine Interessen daraufhin zu überprüfen, ob sie in verhältnismäßiger Weise verfolgt werden, wozu es einer Abwägung mit den konkreten Auswirkungen einer Differenzierung bedarf.274 Angesichts des hohen Stellenwerts unternehmerischer Freiheit sollte hierbei regelmäßig das Unternehmerinteresse überwiegen. (2) Zulässige Ungleichbehandlung im Rahmen von § 8 Abs. 1 AGG Eine unterschiedliche Behandlung unmittelbar wegen des Geschlechts war nach § 611a Abs. 1 S. 2 BGB a. F. – mit Ausnahme des Vergütungsbereichs275 – zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hatte, und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit war.276 Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 AGG soll – trotz der deutlichen Wortlautänderung – den Schutzstandard nicht absenken,277 so dass auf die überkommenen Ansichten zu § 611a Abs. 1 S. 2 BGB a. F. abgehoben werden kann278. Da sowohl die alte als auch die neue Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden, besteht letztlich keine Einigkeit darüber, wann eine Ungleichbehandlung zulässig sein kann.279 Man stimmt lediglich weitgehend in der Ansicht überein, dass es zur Unverzichtbarkeit mehr bedarf als bloß eines sachlichen 274
Vgl. EuGH v. 17. 10. 1989 Slg. 1989, S. 3220 (3225 f.) (Danfoss). Vgl. Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 67; Thüsing, in: HWK (2004), § 612 BGB, Rn. 72, 79; a. A. Schaub, in: ArbR-Hdb. § 66, Rn. 10. Krit. Reichold, JZ 2004, S. 384 (388). Vgl. a. § 8 II AGG (hierzu BAG v. 11. 12. 2007 NZA 2008, S. 532 (532 ff.)). Im Bereich der bloßen Entlohnung ist es für einen Unternehmer regelm. schwer darzulegen, durch eine gleichmäßige Entlohnung in seiner Entscheidungsfreiheit unzumutbar beeinträchtigt zu sein. 276 Vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (319 ff.). Art. 2 II RL 76/207/EWG ließ eine Rechtfertigungsmöglichkeit zu, wenn das Geschlecht „eine unabdingbare Voraussetzung“ darstellte (hierzu Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 347). Dies entspricht dem Maßstab des § 8 I AGG (vgl. o. unter § 5 B. III. 2. a) aa)). 277 BT-Dr. 16/1780, S. 35; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 8; Nollert-Borasio/ Perreng, AGG, § 8, Rn. 4; zweifelnd Flohr/Ring, AGG, § 8, Rn. 183; a. A. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 16 – weniger strenger Maßstab; Arg.: Erwägungsgrund 19 RL 2006/54/EG. Differenzierend: § 5 I Nr. 1, 2 ADG-E. 278 BAG v. 19. 03. 2010 AP Nr. 2 zu § 8 AGG. 279 Das Schrifttum habe die eher Fälle gesammelt als geordnet (so Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320); s. a. die Fallgruppen bei Krause, in: FS f. Adomeit, S. 377 (388 ff.). Soweit sich die Lit. bislang den Ausnahmetatbeständen angenommen hat, werden überwiegend pauschale Feststellungen getroffen. Entweder wird auf die klassischen Ausnahmemodelle (s. u.) oder die generell eingeschränkte Möglichkeit zur Differenzierung verwiesen. Eine substanzielle Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit findet i. d. R. nicht statt. Thüsing hat daher das Modell einer Prüfungsfolge entwickelt, wonach der Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestands in verschiedene Stufen zulässiger Differenzierung eingeteilt wird (s. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322 ff.)). 275
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
Grundes wie zur Rechtfertigung der mittelbaren Ungleichbehandlung.280 Gemäß der Definition des § 8 Abs. 1 AGG muss sich das Erfordernis einer Differenzierung jedenfalls aus der konkreten Tätigkeit selbst ergeben und ein Angehöriger des jeweils anderen Geschlechts darf die vertragsgemäße Leistung nach Gegenstand und Funktion aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die ihrerseits der gesetzlichen Wertentscheidung der Gleichberechtigung beider Geschlechter genügen müssen, aufgrund ihrer materiell zu bestimmenden Eignung unter Anlegung eines vom unternehmerischen Willen gesetzten Ziels nicht ordnungsgemäß erbringen können.281 Die Notwendigkeit zur Unterscheidung ist in Anerkennung der Legitimität wirtschaftlicher unternehmerischer Interessen aus Sicht eines zeitgemäßen und sozialbewussten Arbeitgebers zu beurteilen, der den Fortbestand und die Leistungsfähigkeit seines Unternehmens anstrebt.282 Entscheidend für die vorliegende Fragestellung ist mithin, in welchen Bereichen Kollisionen zwischen dem Interesse des Unternehmers, sein Unternehmen am Markt auszurichten und dem Diskriminierungsschutzgedanken vorliegen. (a) Am Wortlaut der Vorgängerregelung wurde kritisiert, dass es keine oder zumindest kaum Tätigkeiten gebe, bei der das Geschlecht wirklich unverzichtbar sei;283 insoweit sei die Ausnahmeregelung missglückt.284 Ließe man nur dort Ausnahmen zu, wo ein Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts zwingend erforderlich ist, d. h. ein Arbeitnehmer des anderen Geschlechts nicht einmal die physisch-reale Möglichkeit besäße, die konkrete Tätigkeit überhaupt auszuüben,285 so wäre die unternehmerische Freiheit unzumutbar beschränkt. Aus diesem Grund war allgemein anerkannt, dass die Ausnahmeklausel im Wege einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots weiter zu interpretieren sei.286 Da die Nachfolgeregelung am Begriff der Unverzichtbarkeit nicht festgehalten 280
Statt vieler Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 151. BAG v. 19. 03. 2010 AP Nr. 2 zu § 8 AGG; v. 12. 11. 1999 AP Nr. 16 zu § 611a BGB; Müller-Glöge, in: MüKo-BGB (2005), § 611a, Rn. 38; Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 35. 282 Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 2 u. Hinw. auf BAG v. 12. 11. 1998 AP Nr. 16 zu § 611a BGB. 283 Nach T. d. L. gibt es keine einzige Tätigkeit. In diese Richtung Hadeler, NZA 2003, S. 77 (79); Körner, NZA 2001, S. 1046 (1050); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (279). Krit. zur Terminologie Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 20. Vgl. auch BT-Dr. 8/3317, S. 12. 284 Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322). Unverzichtbarkeit i. w. S. sei vielmehr in allen Konstellationen zu bejahen, in denen Beschäftigte eines bestimmten Geschlechts die Arbeitsleistung zwar erbringen könnten, jedoch schlechter als Beschäftigte des anderen Geschlechts und dieser Qualifikationsnachteil auf biologischen Gründen beruhe (BAG v. 14. 08. 2007 AP Nr. 1 zu § 33 AGG). 285 Nur der Beruf der Amme konnte einwandfrei hierunter subsumiert werden (Annuß/ Rupp, in: HWK, § 8 AGG, Rn. 2; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492); s. a. BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008, S. 99 (102)). 286 Vgl. nur Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 57; Annuß, BB 2006, S. 1629 (1632). Schon der vom EuGH (EuGH v. 21. 05. 1985 NJW 1985, S. 2076) und Art. 2 II 281
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hat, könnte sich ein derart interpretatorisch enges Verständnis insgesamt erledigt haben. Nunmehr sollen anhand von Fallgruppen, welche jeweils ein weiteres Ausnahmeverständnis aufweisen, Problemfälle herausgearbeitet werden, welche die unternehmerische Freiheit berühren.287 (b) Einige wenige Berufe werden immer wieder – häufig ohne besondere Begründung – angeführt, bei denen ein bestimmtes Geschlecht wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die konkrete Tätigkeit sein soll, z. B. bei Schauspielern und Schauspielerinnen für männliche oder weibliche Rollen am Theater oder im Fernsehen.288 Auch bei Mannequins zur Vorführung von Damen- bzw. Herrenbekleidung wird weitestgehend eine Differenzierungsmöglichkeit bejaht.289 Weiter werden oftmals Sänger (z. B. für das Singen einer Sopran- oder Baßrolle)290, Tänzer291 oder auch Profisportler (z. B. im Männer-/Frauenfußball)292 als Berufe eingeordnet, bei denen eine geschlechtsbedingte Unterscheidung stattfinden darf. Entscheidend soll hier sein, ob das körperliche Erscheinungsbild mit den geschlechtsbezogenen Merkmalen in die auszuübende Tätigkeit miteinbezogen wird oder ob die Tätigkeit sich nach der Verkehrssitte ausschließlich an Angehörige des gleichen Geschlechts richtet und deshalb die Zielgruppe Mann/Frau prägend für die Tätigkeit ist.293 Der Arbeitnehmer müsse gerade für sein Geschlecht bezahlt werden, dies also Bestandteil seiner
Gleichbehandlungsrichtlinie geforderte Katalog der Bundesregierung geht über den Wortlaut der Ausnahmevorschrift hinaus. Die Bundesregierung hat als Entscheidungshilfe für die Gerichte in einer Stellungnahme rechtliche und tats. Gründe an die Europ. Kommission gegeben, die sie (rechtlich unverbindlich) hierunter subsumieren will (BArbBl. 11/1987, S. 40 ff.). Allerdings ist fraglich, ob dieser Katalog der Richtlinie ausreichend Rechnung trägt, denn zusammen mit der Liste hat die dt. Regierung darauf hingewiesen, dass sie nicht für die Gerichte bindend sei, sondern nur einen Anhaltspunkte darstellen solle. 287 Eine präzise Abgrenzung einzelner Fallgruppen kann nicht immer erreicht werden, da sich einige Rechtfertigungsmöglichkeiten inhaltlich überschneiden. 288 Vgl. nur BT-Dr. 8/3317; BArbBl. 11/1987, S. 40; Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 179. Im U.S.-Recht: Wilson vs. Southwest Airlines Co., 517 F.Supp. 292 (N.D. Tex. 1981; EEOC vs. JoeÏs Stone Crab, Inc., 220 F.3d 1263 (11th Cir. 2000). A. A. Perreng, FA 2003, S. 293 (295). 289 s. nur LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008 ZTR 2008, S. 500 (501) (anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08); Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 137. 290 Vgl. etwa Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 151; Richardi, ZfA 2008, S. 31 (47); Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322). 291 BAG v. 01. 07. 1993 BAG AP Nr. 36 zu § 123 BGB; v. 15. 10. 1992 AP Nr. 8 zu § 611a BGB; v. 21. 02. 1991 AP Nr. 35 zu § 123 BGB; Richardi, NZA 2006, S. 881 (883). 292 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 48. 293 Vgl. Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 22. Thüsing beschreibt den Bereich als tatsächliche Unverzichtbarkeit im eigentlichen Sinne, in den v. a. Fälle biologischer Notwendigket fallen, in denen der Arbeitgeber die Stelle zwingend hätte unbesetzt lassen müssen, wenn sich nur Bewerber des anderen Geschlechts gemeldet hätten; er nennt als Bsp. das Playboy-Bunny (vgl. St. Cross vs. Playboy Club, Case No. CSF 22618 – 70, Appeal No. 773 (N.Y. State Div. Of Human Rights, 1971); Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322); Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 10.
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entgoltenen Leistung sein.294 Hinsichtlich dieser Berufsgruppen scheint ein weitgehender Konsens dahingehend zu herrschen, dass hier von einem Arbeitgeber nicht ernsthaft gefordert werden kann, einen Arbeitsplatz ohne Ansehung des Geschlechts zu besetzen; man spricht von einer Orientierung „am gesunden Menschenverstand“ bzw. von einer Ausnahmemöglichkeit „aus der Natur der Sache“.295 In diesen Fällen sei der Unternehmer frei in seiner folgerichtigen Gestaltung eines Anforderungsprofils. In Abgrenzung dazu soll die Ausnutzung der besonderen Attraktivität einer Personengruppe für die Anbahnung von Kundenbeziehungen („sex sells“)296 dem Unternehmer grundsätzlich nicht dazu dienen dürfen, eine hieran ausgerichtete Personalentscheidung zu treffen. Kundenpräferenzen in Bezug auf den sex-appeal junger, hübscher Frauen bzw. sportlicher Männer auf zahlungskräftige Männer bzw. Frauen, etwa im Bereich des Hostessenwesens auf Messen297 oder bei Bewirtungen298, seien zwar nachvollziehbar, könnten das mit dem Anti-Diskriminierungsrecht verfolgte Schutzziel jedoch nicht überwiegen.299 Dementsprechend reiche es nach einem diskriminierungsrechtlichen Paradebeispiel nicht aus, dass erschöpfte Geschäftsleute ein nettes Mädchen lieber als einen angegrauten Mann anschauten300, um die Bewerbung eines Mannes als Kabinenbegleiter in einem Flugzeug abzulehnen.301 Ebenso 294
Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322). Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334. Thüsing (in: RdA 2001, S. 319 (322)) spricht a. von Fällen der Authentizitätswahrung als Unterfälle tatsächlicher Unverzichtbarkeit im eigentlichen Sinne i. S. einer ausnahmslos zu rechtfertigenden Stufe möglicher Ungleichbehandlung. In diesen Fällen folge die Besetzung einer Stelle nach objektiven Maßstäben. Brors (in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4) spricht in Fällen, in denen ein anderer Arbeitnehmer die verlangte Tätigkeit „per se“ nicht leisten könnte, von direkten beruflichen Anforderungen, bei denen das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, die Art der Tätigkeit zu bestimmen, mit der konkr. Ausgestaltung des Stellenprofils direkt zusammenfällt. 296 Hiergegen: Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 9. 297 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42 – es müsste nach „host/hostess“ gesucht werden. 298 Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 23. 299 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3. 300 Vgl. Gamillscheg, in: FS Floretta (1983), S. 171 (178) u. Hinweis auf Diaz vs. American World Airlines, 442 F 2d 385 (CA 5). 301 Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 46; Roesner, AGG, Kap. A, S. 12, Kap. B, S. 115 (Aussehen keine Grundvoraussetzung); Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 3, Rn. 346; Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), Einl., Rn. 56; Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 74; Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327); Müller, DÖD 2007, S. 73 (81); Richardi, NZA 2006, S. 881 (883); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492)). Ähnlich Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 21, die jedoch darauf hinweisen, dass Frauen dennoch für den Job der Flugbegleitung besser geeignet sein könnten. Zu den Grenzen auch Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320) unter Hinw. auf ArbG Hamburg v. 07. 03. 1985 DB 1985, S. 1402 (1402) – Benachteiligung wg. des weiblichen Geschlechts nicht zulässig für die Tätigkeit eines Verkäufers von Landmaschinen, wenn ein Hersteller weibliche Verkäuferinnen deshalb ablehnt, weil die persönliche Kontaktpflege mit in- und ausländischen Kunden männlichen Geschlechts die Teilnahme an Vergnügungen er295
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könne eine (vermutete) Vorliebe russischer Männer für schöne blonde Frauen es nicht rechtfertigen, die Verkaufstätigkeit in einem Juweliergeschäft Männern vorzuenthalten.302 Nach diesen Vorgaben wäre es einem Arbeitgeber verwehrt, eine Geschäftsidee zu verfolgen, die vorsieht, Kunden mittels eines speziell nach körperlichen Reizen ausgesuchten Personals besonders werbewirksam anzusprechen. Anders sei lediglich dann zu entscheiden, wenn sexuelle Reize im Zentrum der geschäftlichen Aktivitäten stünden,303 so z. B. bei der präferierten Einstellung von Frauen als „ObenOhne“-Tänzerinnen oder für einen „live girls chat 1-2-3“.304 In das Spektrum einzubeziehen ist auch die Frage, ob das Aussehen in Kombination mit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit bei der Vergabe einer Fernsehansagerstelle zum entscheidenden Kriterium werden kann.305 (c) Diskutiert wird auch die Zulässigkeit einer Fixierung auf ein bestimmtes Geschlecht aus sittlichen, therapeutischen oder pädagogischen Gründen.306 Auch hier diente die Anerkennung einer Ausnahmemöglichkeit dem Interesse des Unternehmers, der sein Produkt oder seine Dienstleistung nur dann mit Aussicht auf Erfolg am Markt anbieten kann, wenn er im Rahmen seines Angebots den Schutz der Intim- oder auch Privatsphäre von Dritten (hier: Patienten, Betreuten oder auch Kunden) ausreichend gewährleistet, indem er nur Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts mit der Ausführung betraut.307 Als Anknüpfungspunkt für die Gestattung einer Differenzierung wird insbesondere das Schamgefühl Dritter genannt.308 Relefordere, die einer Frau nicht zugemutet werden könnten (zust. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42). Zu weitgehend daher Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 37. 302 Krause, in: FS f. Adomeit, S. 377 (389 f.) u. Hinw. auf Ames vs. Cartier. Inc., 193 F. Supp. 2 d 762 (S.D. N.Y. 2002). Gleiches gelte bei der Zuweisung nur von Bewerberinnen durch die Arbeitsagentur aufgrund eines entspr. Kundenauftrags (Schiek, AGG, § 3, Rn. 15 u. Hinw. auf BAG v. 05. 02. 2004 BAGE 109, S. 265 (278)). 303 Krause, in: FS f. Adomeit, S. 377 (389) u. Hinw. auf Bartlett 92 Mich. L. Rev. (1994), S. 2541 (2578 f.); ebenfalls für eine Ausnahme für das „Playboy-Bunny“: Bauer/Göpfert/ Krieger, AGG, § 8, Rn. 25. 304 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 14; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 12; Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 29 unter Hinweis auf die britische Rspr. 305 Vgl. zu diesem Bsp. Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 9. 306 Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 26; Richardi, NZA 2006, S. 881 (883 f.); zweifelnd LAG Düsseldorf NZA-RR 2002, S. 345 (345); Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 662. A. A. Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 147; Rolfs, Arbeitsrecht, § 8 AGG, Rn. 2. 307 Vgl. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 661. Krause (in: FS f. Adomeit, S. 377 (388)) spricht insoweit von körperbezogenen Kundenpräferenzen – das Allg. Persönlichkeitsrecht der Kunden diene hier als Legitimationsgrundlage für eine Ungleichbehandlung (ebenso Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 34, 50). Daneben lassen sich mehrere Motive festhalten, die hier eine wichtige Rolle spielen, wie etwa Schutz der Intimsphäre, Schutz bes. enger Vertrauensbeziehungen, Moralvorstellungen, pädagogische Überlegungen (s. a. EuGH v. 08. 11. 1983 Slg. 1983, S. 3431 (3449) (Vereinigtes Königreich); Krause, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 23). 308 LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008 ZTR 2008, 500 (501) (anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08); Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 33; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201). Thüsing spricht insoweit von Fällen der Unverzichtbarkeit im weiteren Sinne – als weitere, nur
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vanz gewinnt diese Kategorie u. a. bei Berufsgruppen wie Ärzten, Arzthelfer/Innen (besonders im gynäkologischen Bereich bzw. im Umgang mit muslimischen Patientinnen)309, Pflegepersonal, Hebammen310, Masseur/Innen, Servicepersonal in Saunen und Solarien oder Reinigungspersonal in Nassräumen, die jeweils mehr oder weniger zwangsläufig mit der Nacktheit Dritter in Berührung kommen.311 Aber auch die Beratung beim Verkauf von Unterwäsche bzw. Bademoden312, die Stelle eines Nachtportiers in einem Frauenhotel313 oder die Betreuung in einem Frauen-Fitnessstudio314 werden in diesem Bereich beispielhaft erwähnt. Besondere pädagogische und psychotherapeutische Betreuungskonzepte sollen etwa im Bereich von Beratungsstellen für missbrauchte oder misshandelte Jugendli-
teilweise zu rechtfertigende Kategorie möglicher Ungleichbehandlung, bei der eine Abwägung der Interessen erforderlich sei, die in allen Fällen anzunehmen seien, in denen die Minderleistung ihren durch Dritte reflektierten Grund in biologischen Unterschieden hat und dadurch die Scham gegenüber dem anderen Geschlecht relevant werde. Entscheidend sei dabei allein, dass das Schamgefühl tatsächlich der Grund für die Differenzierung sei, egal wie vernünftig oder verbreitet es sei. Alternativ wird etwas unpräzise formuliert, dass diese Ausnahme in Betracht kommen soll, wenn der „Anstand“ dies erfordere (vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320, 323) u. Hinw. auf Müller-Glöge). 309 Für eine Ausnahmemöglichkeit ArbG Hamburg v. 10. 04. 2001 PflR 2001, S. 322 (322 f.); ähnlich BAG v. 21. 02. 1991 NJW 1991, S. 2723 (2726); Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 68; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492). Krit. Strick (in: NZA 2000, S. 695 (700)), der darauf hinweist, dass der in der BAG-Entscheidung einstellende Chirurg selbst ein Mann war. Abw. ArbG Bonn v. 31. 03. 2001 PflR 2001, S. 318 (320) – Differenzierung unzulässig, wenn eine Pflegekraft bei weiblichen Patienten eingesetzt werden kann, die eine Intimpflege durch männliche Pfleger nicht ablehnten (zust. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 34); dies erscheine jedoch insb. vor dem Hintergrund zu eng, als dass sich die Belegung ständig ändere und die Belegzeiten allgemein verkürzt würden, daher sei hier eine pauschalierende Betrachtung anzustellen (so Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 33). Allg. KOM (1999) 566 endg. v. 25. 11. 1999, S. 11. 310 Ein Ausschluss von Männern aus dem Hebammenberuf soll trotz des notwendigen Vertrauensverhältnisses zu Frauen nicht geboten sein, solange Schwangere die Auswahl unter weiblichen und männlichen Hebammen haben (EuGH v. 08. 11. 1983 Slg. 1983, S. 3431 (3449) (Vereinigtes Königreich); Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 57). 311 Vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 33; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 1. Gegen eine Differenzierungsmöglichkeit bei Ärzten in Frauenarztpraxis Brors, in: Däubler/ Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 15. 312 Dafür, auch bei Einzelhandelsgeschäften mit Anprobemöglichkeit, LAG Köln v. 19. 07. 1996 AR-Blattei ES 800 Nr. 128; Oberwetter, AGG, § 8, S. 23; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (199) – den aus sachlichen, rechtlich nicht zu missbilligenden Gründen seien Frauen (bzw. allg.: eine bestimmte Gruppe) in diesem Fall aus sicht der Kunden besser zur Berufsausübung geeignet als eine andere; a. A. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 20. 313 Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30). 314 Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48. Zu Sportlehrern in Schulen, Sportvereinen vgl. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 73. Anders im US-Recht: EEOC vs. Sedita, 755 F. Supp. 808 (N.D. Ill. 1991) – weibliches Geschlecht keine BFOQ für Tätigkeit in Fitnesscenter für Frauen; s. a. EEOC vs. Hi40 Corp., 953 F. Supp. 301 (W.D. Mo. 1996): weibliches Geschlecht keine BFOQ für Tätigkeit in Gewichtsstudio für Frauen.
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che315 bzw. Frauen316, Frauenhäusern317, Kinderheimen, Internaten318, Schulen319 oder Kindergärten320 als Grundlage für eine Differenzierungsmöglichkeit nach dem Geschlecht in Betracht kommen können.321 Das bestimmte Geschlecht des Arbeitnehmers für die Stelle ist hier jeweils Voraussetzung dafür, dass die Dritten, die mit der Leistung in Kontakt treten, aufgrund ihres Geschlechts nicht bzw. so wenig wie möglich in ihren Persönlichkeitsrechten – insbesondere ihrer Intim- oder auch Privatsphäre – tangiert werden oder aber aus verständlichen, d. h. objektiv nachvollziehbaren Gründen die Betreuung durch eine gleichgeschlechtliche Person bevorzugen.322 Versteht man die genannten Bereiche als Ausdruck einer im Grundsatz geschützten Unternehmenspolitik, die zu ihrer erfolgreichen Umsetzung auf Patienten- bzw. Kundeninteressen Rücksicht zu nehmen 315 Möglich sei die Betreuung missbrauchter Jugendlicher nur von Personen, die sexuell auf das jew. andere Geschlecht ausgerichtet seien, um den Verdacht eines sex. Interesses auszuschließen (Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 68). Abl. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 70 – dies zementiere Vorurteile. 316 Vgl. ArbG Köln v. 12. 01. 2010 – Az.: 8 Ca 9872/09; v. 05. 08. 2008 – Az. 9 Ca 7687/07 – jew. zit. nach juris – Differenzierungsmöglichkeit von Frauenberatungsstelle der Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e.V. aufgrund der Berührung mit ganz intimen und sensiblen Bereichen des Privatlebens. 317 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 51; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 60. Gleiches gelte für eine Sozialarbeiterstelle zur Betreuung Prostituierter eines bestimmten Geschlechts oder in auf ein Geschlecht ausgerichteten Wohnheimen oder Betreuungsanstalten bzw. in einer Sammelunterkunft ohne Möglichkeit der Trennung der Geschlechter (vgl. etwa Rüfner, in: BKGG, Art. 3 II, III GG, Rn. 662; Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (280)). 318 LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008 ZTR 2008, 500 (501) (anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08) – Geschlechtsdifferenzierung möglich bei Stelle einer Erzieherin in einem Mädcheninternat, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Arbeitszeit mit Nachtdienst (25 %) belegt ist, bei dem auch die Schlafräume, Waschräume und Toiletten der Internatsschülerinnen betreten werden müssen; s. aber a. LAG Düsseldorf v. 01. 02. 2002 NZA-RR 2002, S. 345: pädagogisches Konzept, nach dem ein Heimerzieher ein Mann sein solle, reicht für sich genommen nicht aus; ein Konzept, nach dem Pädagogen beiden Geschlechtern angehören müssen, soll dagegen bei einer Einzelmaßnahme eine Ungleichbehandlung legitimieren können (Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 64; offengelassen in BAG v. 14. 03. 1989 NZA 1990, S. 24 (24)). 319 Die Leitung oder Betreuung auf einer Mädchenschule, soll vorzugsweise einer Person bestimmten Geschlechts übertragen werden dürfen (vgl. etwa Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 662). Zu den Grenzen vgl. BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008 S. 99 (102) – allein der hohe Jungenanteil an einer Schule rechtfertige es nicht, bei der gebotenen Auswahlentscheidung ausschließlich auf das Geschlecht abzustellen. 320 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7 – bevorzugt werden könne ein männlicher Betreuer in einem Ganztageskindergarten, um auch eine männliche Bezugsperson für die Kinder zur Verfügung zu haben. 321 Speziell zur Aufrechterhaltung eines sozialpädagogischen oder therapeutischen Konzepts (vgl. BArbBl. 11/1987, S. 40). 322 In diese Richtung Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 29; Preis, AR Bd. I, § 34 VI. Einem Unternehmer, dem man die entsprechende Auswahlmöglichkeit versagte, würde man seine Ausrichtung auf die genannten (Dienstleistungs-)Bereiche verleiden oder doch zumindest außerordentlich erschweren.
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hat, so wird erkennbar, dass ein Arbeitgeber ein erhebliches Interesse daran hat, sich mit seiner Arztpraxis, seinem Fitness-Studio, seinem Solarium oder seiner Sauna auf ein bestimmtes Kundensegment auszurichten und diese Marktpositionierung mithilfe einer folgerichtigen Personalpolitik umzusetzen.323 Da der Unternehmer in diesen Fällen besonderen Nachfragewünschen nachkommt (und nicht bloßen Vorurteilen über die schlechtere Arbeitsweise eines bestimmten Geschlechts nachhängt), entspringt die Differenzierung hier direkt der unternehmerischen Freiheit. (d) Die zentrale Frage nach der Gewährleistung eines freien Marktauftritts wird – abgesehen von den vorgenannten speziellen Kategorien – oftmals unter dem Begriff der „Authentizitätswahrung“ diskutiert.324 Entscheidend für das Bedürfnis einer Differenzierungsmöglichkeit ist in diesem Zusammenhang zum einen die (Marketing)Strategie, mit welcher der Unternehmer seine Außendarstellung betreiben will und zum anderen die Erwartung der Personen, mit denen er in Geschäftsbeziehungen tritt. Besonders in Fällen, in denen der Unternehmer sein Geschäft im Hinblick auf den Kundenkreis auf spezielle Merkmalsträger (hier: Frauen) ausrichtet – sich also für einen merkmalsorientierten Marktauftritt entscheidet – sollen Differenzierungen nach manchen Stimmen erlaubt sein.325 Insoweit soll sich die Notwendigkeit einer Unterscheidung aus der unternehmerischen Disposition ergeben.326 Die vom Unternehmer gewählte Außendarstellung, mithilfe derer er seine Produkte bzw. Dienstleistungen absetzten will, soll durch die Auswahl der Arbeitnehmer im Innenbereich konsequent umgesetzt werden können; damit soll der Unternehmer nach außen, d. h. vor den Kunden, so auftreten können, dass er sich nicht durch die eingeschränkte Personalauswahl in (formalen oder inhaltlichen) äußeren Widerspruch zu seiner öffentlichen Präsentationsform begibt. Gerade wenn der Arbeitnehmer als wichtigstes Aushängeschild des Unternehmens und zentraler Ansatzpunkt zur Umsetzung einer Verkaufsstrategie unmittelbar in Kontakt mit den Kunden tritt (insbesondere also bei Verkaufspersonal), werden zugunsten von unternehmerischer Freiheit Differenzierungsmöglichkeiten oftmals anerkannt.327 Als Beispiele genannt werden etwa 323 Dies gilt grds. auch dann, wenn es im Einzelfall durchaus Patienten oder auch Kunden geben mag, die keinen Wert auf den ausschließlichen Kontakt mit einer gleichgeschlechtlichen Person legen. 324 Der Ausnahmegrund wird weithin anerkannt; indes werden hierunter unterschiedlich weite Ausnahmemöglichkeiten subsumiert, vgl. nur die Darstellung im BArbBl. 11/1987, S. 40 ff.; und bei Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 29 f.; Preis, AR Bd. I, § 34 I 1c aa; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 329; Annuß, BB 2006, S. 1629 (1632 f.); Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (23); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492). 325 I. d. S. etwa ArbG München v. 14. 02. 2001 NZA-RR 2001, S. 365 (Frauenverband); Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 162; Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 22, 26, der die Ausnahmemöglichkeit mithilfe des Tendenzschutzgedankens erklärt; Krause, Arbeitsrecht § 4, Rn. 23. 326 So Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 37. 327 Vgl. etwa LAG Köln v. 19. 07. 1996 NZA-RR 1997, S. 84; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201)). Zu den Grenzen vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320) unter Hinw. auf ArbG Hamburg v. 07. 03. 1985 DB 1985, S. 1402 (1402).
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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der Verkauf von Parfum, (Damen-)Mode328 oder auch von Büchern in einem Frauenbuchladen329. Ähnliches gilt für Frauen als Kellnerinnen im Frauencaf¦330, als Fahrlehrerinnen in der Frauenfahrschule331, für die Besetzung einer Stelle für ein Frauenreferat, in einem Frauenverband oder in einer feministischen Frauenzeitschrift.332 Exemplarisch genannt werden umgekehrt auch die Ausschreibung einer Geschäftsführerstelle nur für Männer durch eine studentische Korporation333 oder die Bevorzugung von Männern bei Einstellungen durch einen privaten Sicherheitsdienst in der Erwartung, dass dies eher dem Sicherheitsverständnis der Kunden entsprechen werde.334 Speziell in Fällen mit Auslandsberührung, bei denen auf Grund gesetzlicher Vorschriften, religiöser Überzeugungen oder kultureller Besonderheiten des jeweiligen Landes nur Geschäftspartner eines Geschlechts akzeptiert werden, wird der Einfluss von Kundenerwartungen erwogen, da eine fremde Kultur und Wertegemeinschaft generell zu beachten sei und der Arbeitgeber im Wettbewerb mit anderen stehe, die nicht
328 Für Ausnahmemöglichkeiten beim Verkauf von Damenoberbekleidung bzw. Miederwaren LAG Köln v. 19. 07. 1996 NZA-RR 1997, S. 84; Fuchs, in: Bamberger/Roth, AGG, § 8, Rn. 2; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 137; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492)). Zweifelnd Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 661. 329 Adomeit, HFR 2008, S. 92 (98); Kaehler, NZA 2006, S. 519 (538); abl. Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48 – kein ausreichender Zusammenhang. 330 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7. 331 Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30). 332 Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; ähnlich für politische Partei LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NZA 1998, S. 312 (312), zust. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 65; für Frauenverband ArbG München v. 14. 02. 2001 NZA-RR 2001, S. 365 (365); Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 31 – zwar könne sich auch ein Mann zum Experten in Frauenfragen entwickeln, die Glaubwürdigkeit einer Frau, die aus persönlicher Erfahrung und eigenem Erleben hraus argumentiert, werde dadurch aber nicht ersetzt; für Frauenbeauftragte LAG Hamm v. 10. 04. 1997 NZA-RR 1997, S. 315 (315); LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NZA 1998, S. 312 (312); Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 1. Abl. für Gleichstellungsbeauftragtenstelle trotz frauenpolitischer Aufgabenstellung BAG v. 12. 11. 1998 EzA Nr. 13 zu § 611a BGB; jedoch sei es nicht ausgeschlossen, dass sich eine Differenzierungsmöglichkeit aus dem in einer Gemeinde entwickelten, über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehenden [Konzept] ergebe (so Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83); in diesem Sinne nunmehr BAG v. 19. 03. 2010 AP Nr. 2 zu § 8 AGG. 333 Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83. 334 Der Sicherheitsaspekt gilt verstärkt bei der Präferierung von Männern zur Resozialisierung männlicher Strafgefangener oder zur Betreuung von männlichen Fußball-Hooligans (Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 51). Daneben werden öffentlich-rechtliche Tätigkeiten im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit (Bundeswehr, Polizei, Tätigkeiten im Justizvollzugsdienst) als Beispiele genannt, bei denen eine Unterscheidung nach dem Geschlecht stattfinden könne (vgl. Art. 2 II RL 76/207/EWG; Art. 2 V, 3 IV RL 2000/78/EG; EuGH v. 15. 05. 1986 Slg. 1986, S. 1663 (1687) (Johnston); die generelle Ausnahme vom Dienst an der Waffe (vgl. Art. 12a IV 2 GG a. F.) wurde in der Rspr. des EuGH nicht mehr anerkannt vgl. EuGH v. 11. 01. 2000 NJW 2000, S. 497, 499; Art. 12a IV 2 GG a. F.). Als Kategorie einer Unverzichtbarkeit i. w. S. nennt sie Thüsing als Fälle, in denen ein legitimes öffentliches Interesse an der Unterscheidung besteht (vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (323); ebenso Preis, AR Bd. I, § 34 I 1c aa).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden seien.335 Danach könnten z. B. Männer für Arbeitsaufgaben in arabischen Ländern, in denen Frauen als Geschäftspartner (angeblich) nicht akzeptiert werden, bevorzugt eingesetzt werden.336 An dieser Stelle verdeutlicht sich das Kernproblem, inwieweit die Berücksichtigung von antizipierten Kundenwünschen mittels einer besonderen Marktausrichtung eine geschlechtsbedingte Ungleichbehandlung zulassen kann.337 In den vorgenannten Fällen wird zu bedenken gegeben, dass bestimmte Arbeitnehmer u. U. aufgrund ihrer Merkmalseigenschaft negative Kundenreaktionen hervorrufen oder aber jedenfalls das Geschäftskonzept (z. B. „Buchladen für Frauen“) nicht gleich effektiv umsetzen können,338 was der Unternehmer dadurch zu vermeiden sucht, dass er Arbeitnehmer (hier: Frauen) einstellt, die sein Produkt authentischer, wirksamer und potenziell erfolgreicher, d. h. gewinnbringender am Markt anbieten können oder wenigstens jenen Kontakt zwischen Arbeitnehmer und Kunde vermeidet.339 Außerhalb der Authentität liegen dürften Beratungsdienstleistungen im Vermögensanlagebereich340 ausschließlich durch Frauen bzw. von Autos341 oder Baumarktartikeln durch Männer.342 Letztlich 335
Vgl. BArbBl. 11/1987, S. 40 ff. (veröffentlicht in: Pfarr/Bertelsmann, Diskriminierung im Erwerbsleben, 1989, S. 70 f.); Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 337; Hromadka/Maschmann (2005), § 5 I, Rn. 37; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492). A. A. Alenfelder; Das neue AGG, Kap. A, Rn. 67; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201). 336 Oberwetter, AGG, § 8, S. 23; Pfeiffer, in KR, AGG, Rn. 79; Roesner, AGG, Kap. B, S. 115; a. A. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5. 337 Vgl. hierzu Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 63; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 337. Thüsing (in: RdA 2001, S. 319 (323)) spricht hier von Unverzichtbarkeit i. w. S. als weiterer, nur teilweise zu rechtfertigender Kategorie möglicher Ungleichbehandlung, bei der eine Abwägung der Interessen erforderlich ist. Im USamerik. Recht kennt man ebenfalls das Problem der sog. customer preferences. Präferenzen eines Arbeitskollegen werden demgegenüber als co-worker preferences bezeichnet. 338 Vgl. nur Kaehler, NZA 2006, S. 519 (538). 339 Vgl. LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NJW 1998, S. 1429 (1429 f.); Dörner, in: Dörner/ Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 162. Dagegen offenbar Schiek/Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (863). 340 ArbG Bonn v. 08. 03. 2001 NZA-RR 2002, S. 100 (100) – erklärtes Ziel eines Finanzdienstleistungsunternehmens war die Beratung von Frauen in bes. frauenspezifischen Lebenssituationen ausschließlich durch Frauen. Das auf speziell weibliche Belange ausgerichtete Unternehmenskonzept sei keine reine Marketingstrategie, sondern auf eine bes. frauenpolitische Zielsetzung ausgerichtet. Insges. sei das Stellenprofil nicht lediglich neutrale Finanzdienstleistung, sondern spezifisch kundenorientierte Beratung mit biographisch-persönlichem Verständnis, wie sie eben in dieser Vertrauenssituation nur eine Frau den Kundinnen gleichen Geschlechts entgegenbringen könnte, zust. Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 64. Abl. wg. fehlendem Berufsbezug Brors, in: Däubler/ Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 44; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 67; offenbar a. Oberwetter, AGG, § 8, S. 23 – eine Finanzberatung für Frauen könne ohne Weiteres auch von Männern durchgeführt werde; es gehe nicht in erster Linie um Empatie oder Sympatie, sondern um eine fachlich kompetente Finanzdienstleistung. Das unternehmerische Konzept sei nicht durch die eigentliche Aufgabe selbst zwingend vorgegeben. Dass weibliche Kunden eine Finanzberatung durch einen Mann generell schlechter akzeptierten, sei nicht erwiesen. 341 Abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 42.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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bleibt jedoch in sämtlichen Fällen offen, wie die Grenze zwischen zulässiger Marktausrichtung und unzulässiger Diskriminierung objektiv bestimmt werden kann. Fraglich ist demnach, ob bzw. wann eine nachfrageorientierte Ausrichtung eine differenzierende Personalentscheidung nach sich ziehen kann343 oder ob Kellner, Stewards, Autoverkäufer oder Kosmetik-Berater generell nicht wegen ihres Geschlechts zurückgewiesen werden dürfen. Weiterhin ist zu überlegen, ob Fälle diskriminierender Kundenwünsche, mithin alle Fälle, in denen eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer bei einer Tätigkeit einzig auf Grund (im Sinne des Diskriminierungsschutzgedankens) verachtenswerter Vorurteile der Kundschaft weniger erfolgreich ist als ein Kollege des anderen Geschlechts, ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Auswirkungen für das einzelne Unternehmen als Differenzierungsgrund auszuschließen sind.344 (e) Soweit darüber hinaus Ausnahmegründe anerkannt werden, wenn sie durch gesetzliche Schutzbestimmungen oder aufgrund von Gesundheitsgefahren für den Arbeitnehmer geboten sind,345 wird hierdurch zwar das Interesse des Arbeitgebers an der Erbringung der Arbeitsleistung gewahrt;346 allerdings betreffen diese Fälle nicht die unternehmerische Freiheit im Sinne dieser Untersuchung, so dass die Belastungswirkungen für Arbeitgeber, die mit der zunehmenden Beschränkung dieser Ausnahmemöglichkeit verbunden sind,347 nicht näher beleuchtet werden sollen. Gleiches gilt für 342
Abl. Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 49. Vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320) u. Hinw. auf Müller-Glöge – Erwartungen und Einstellungen Dritter seien als obj., unbeeinflussbare Faktoren zu berücksichtigen; abw. Schlachter, in: ErfK (2006), § 611a BGB, Rn. 23 – einschränkend sei zu fragen, ob die Minderleistung biologisch bedingt sei, wenn auch u. U. nicht unmittelbar, sondern reflektiert durch Dritte, mit denen der Arbeitnehmer zu tun habe. 344 Vgl. Müller-Glöge, in: MüKo-BGB (2005), § 611a, Rn. 43; Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 54; Krause, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 23. 345 Sofern geschlechtsspezifische Beschäftigungsverbote (Arbeitsschutzvorschriften, Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG) bestehen, wird die Ausnahme rechtlich begründet, so dass die Beachtung keinen Verstoß gegen § 7 AGG darstellt, vgl. EuGH v. 26. 10. 1999 NZA 2000, S. 25 (26) (Sirdar); EuGH v. 05. 05. 1994 AP Nr. 3 zu Art. 2 RL 76/207/EWG (Habermann-Beltermann); BAG v. 19. 03. 2002 NZA 2002, S. 1231 (1231); BAG GS v. 16. 03. 1962 AP Nr. 19 zu § 1 HATG; v. 14. 07. 1954 AP Nr. 1, 2, 3 zu Art. 3 GG; Knipp, AR-Blattei SD „Einstellung“, 640, Rn. 84, 87a; Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 69, S. 719, 725; Jacobs, ZfA 2002, S. 679 (697). Zu § 16 BGleiG und § 64 a BBergG s. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 47; abl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 7. 346 Speziell dann, wenn der Vertragszweck auf eine Beschäftigung von kurzer Dauer gerichtet ist, z. B. bei einem zeit- oder zweckbestimmten Arbeitsverhältnis, und der Arbeitnehmer gerade während dieser Zeit bedingt durch ein Beschäftigungsverbot ausfällt, ist der Vertragszweck überhaupt nicht erfüllbar (so etwa Wank, Anm. zu BAG v. 01. 07. 1993 BAG AP Nr. 36 zu § 123 BGB; ähnlich Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 23). Vgl. auch EuGH v. 08. 09. 2005 NZA 2005, S. 1105 (1108); v. 19. 11. 1998 EuGH Slg. 1998-I, S. 7358 (7374) (HØE Pedersen u. a.). 347 Insb. der EuGH hat Differenzierungen aus Gründen schwangerschaftsbedingter Beschäftigungsverbote bzw. konkreter Gesundheitsgefahren (für Mutter und Kind) eine Absage erteilt (vgl. EuGH v. 27. 02. 2003 NZA 2003, S. 373 (375) (Busch); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1243 (1246) (Melgar); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1242) (Tele Danmark); v. 03. 02. 343
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
die Beschränkungen unternehmerischer Freiheit, die aus der besonderen Beweislastsituation348 oder aus dem mittelbar wirkenden Kontrahierungszwang aus § 15 AGG (vgl. § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F.) resultieren.349 bb) §§ 119 Abs. 2, 123 Abs. 1 BGB (Fragerecht des Arbeitgebers) Arbeitnehmer genießen in der Phase der Vertragsanbahnung Schutz vor potenziell diskriminierenden Fragen des Arbeitgebers, so dass die einzelnen Frageverbote einen präventiven Diskriminierungsschutz darstellen.350 Entsprechend vorgenannter Ansichten ist die Anerkennung unternehmerischer Freiheit auch im Bereich von Diskriminierungsverboten entscheidend für die Reichweite arbeitgeberseitiger Informationsfreiheit im Anbahnungsverhältnis. Nur soweit man dem Unternehmer eine Differenzierungsmöglichkeit zugesteht, ist auch dessen Informationsrecht anzuerkennen. So wird ein Unternehmer schlechterdings kaum jemals ein legitimes unternehmerisches Interesse daran haben, für seinen Marktauftritt z. B. keine oder aber gerade schwangere Arbeitnehmerinnen zu beschäftigen.351 Ein an Kundenwünschen ausgerichtetes Angebot (z. B. von Baby-Mode) mag zwar eventuell den bevorzugten Einsatz weiblicher Verkäuferinnen begründen, indes nicht den von Schwangeren, so dass ein entsprechendes Fragerecht in Anlehnung an die h. M. heutzutage weitestgehend auszuschließen ist.352 Sofern dem Unternehmer dadurch ein Schaden droht, dass ihm 2000 NZA 2000, S. 255 (257) (Mahlburg)). Dem ist das BAG unterdessen gefolgt (vgl. BAG v. 06. 02. 2003 NZA 2003, S. 848 (849)). 348 Vgl. hierzu bereits o. unter § 5 B. III. 2. a) dd). s. a. BVerfG v. 16. 11. 1993 BVerfGE 89, 276 (285); L/R/H, Art. 3, Rn. 2660; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (249)). 349 Treber, NZA 1998, S. 856 (858). Krit. bzgl. der systembrechenden Abschreckungs- und Sühnefunktion des § 15 II AGG (§ 611 a II BGB a. F.) Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (35 ff.); s. a. Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1013). 350 So v. Koppenfels-Spies, AuR 2004, S. 43 (43). Vgl. a. schon o. unter § 3 C. IV. 2. Bereits im Anbahnungsverhältnis können Begrenzungen des Fragerechts u. a. daraus hergeleitet werden, dass die Antwort auf eine Frage einzig dem Zweck dienen kann, Grundlage einer durch das Gesetz verbotenen Differenzierung in der Arbeitgeberentscheidung zu sein (Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1146)). 351 Ausgeblendet werden sollen in diesem Zshg. weitgehend die wirtschaftlich-finanziellen Interessen des Arbeitgebers, die dadurch betroffen werden, dass von ihm heutzutage verlangt wird, auch für eine kurzfristige Stellenbesetzung eine – in dem fraglichen Zeitraum von der Beschäftigung freizustellende – schwangere Arbeitnehmerin einzustellen (vgl. EuGH v. 14. 07. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 3567 (3567 ff.) (Webb)). Nicht einmal die Absicht der Arbeitnehmerin, den Erziehungsurlaub zu beenden, um den (höheren) Zuschuss zum Mutterschaftsgeld beanspruchen zu können, soll ein Anfechtungsrecht begründen (EuGH v. 27. 02. 2003 EuZW 2003, S. 176 (176)). 352 Vgl. zur Entwicklung des Fragerechts: BAG v. 22. 09. 1961 AP Nr. 15 zu § 123 BGB; v. 20. 02. 1953 AP Nr. 1 zu § 119 BGB; Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 69, S. 732 f. (jeweils zur generellen Zulässigkeit der Frage); später zunehmend einschränkend: BAG v. 20. 02. 1986 AP Nr. 31 zu § 123 BGB (sog. „gespaltene Lösung“); weitergehend EuGH v. 08. 11. 1990 Slg. 1990, S. 3968 (3974) (Dekker); BAG v. 01. 07. 1993 AP Nr. 36 zu § 123 BGB m. Anm. Wank; v. 15. 10. 1992 AP Nr. 8 zu § 611a BGB; v. 21. 02. 1991 AP Nr. 35 zu § 123 BGB.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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ein Kunde aufgrund der Ablehnung einer schwangeren Arbeitnehmerin den Entzug eines wichtigen Auftrags ankündigt, muss gemäß allgemein zu entwickelnder Grundsätze über eine Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber bezüglich seiner Reaktionsmöglichkeiten nachgedacht werden, so dass sich im Bereich des Fragerechts insgesamt keine besonderen Maßstäbe für das Verhältnis von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz ergeben. 3. Zwischenergebnis und Fazit Sowohl das europäische als auch das nationale Rechtssystem kennen mit Art. 157 AEUV bzw. Art. 3 Abs. 2, 3 GG und § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG eigenständige Verbote geschlechtsbezogener Ungleichbehandlung.353 Bei der Anwendung der Verbote in der Rechtsprechung spielte der Schutz unternehmerischer Freiheit bislang noch keine prägende Rolle.354 Lediglich im Bereich der Ausnahmetatbestände werden Fälle diskutiert, die stellvertretend für die Gewährleistung unternehmerischer Freiheit herangezogen werden können.
Schließlich EuGH v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1243) (Tele Danmark); NZA 2001, S. 1243 (1246) (Melgar); v. 03. 02. 2000 NZA 2000, S. 255 (257) (Mahlburg); bestätigt v. EuGH v. 27. 02. 2003 NZA 2003, S. 373 (375) (Busch); BAG v. 06. 02. 2003 AP Nr. 21 zu § 611a BGB. Abl. Jacobs, ZfA 2002, S. 679 (697); Wank, in: FS Richardi (2007), S. 441 (458). Ebenfalls krit. Schlachter, in: ErfK (2006), § 611a BGB, Rn. 13 im Hinblick auf diskriminierende Folgewirkungen aufgrund der Kostenbelastung von Unternehmen in Anlehnung an BVerfG v. 18. 11. 2003 AP Nr. 23 zu § 14 MuSchG 1968; Sandmann, ZfA 2004, S. 537 (570). Zumindest bei befristeten Anstellungen müsse eine Ausnahme zulässig sein (Fuchs, in: Bamberger/Roth (2003), BGB, § 611a, Rn. 13; vgl. aber ArbG Mainz v. 2. 9. 2008 – Az.: 3 Ca 1133/08 – zit. nach juris). s. a. die Kompromissformel v. Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1147 f.). Zusammenfassend Westenberg, NJW 2003, S. 490 (490 ff.). 353 Dabei hat sich der Diskriminierungsschutz v. a. infolge der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen stetig zu Lasten unternehmerischer Freiheit bis hin zu einem nahezu absoluten Diskriminierungsverbot in allen Bereichen des Arbeitsverhältnisses ausgeweitet, wofür besonders die Rechtsprechung verantwortlich zeichnet; allg. zu dieser Tendenz u. a. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 667; Hergenröder, Anm. zu EuGH v. 22. 04. 1997, JZ 1997, S. 1174 (1175). 354 Zur EuGH-Rspr. vgl. die Einschätzung v. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 II, Rn. 310; zu der des BVerfG vgl. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 660, 666 f. Indem es zeitversetzt immer wieder der Tendenz des EuGH nachfolgte, den Diskriminierungsschutz ggü. anderen Interessen durchzusetzen, zeichnet auch das BAG für diese Situation verantwortlich (zu dieser nachfolgenden Entwicklung s. Huep, RdA 2001, S. 325 (330 f.); Wank, Anm. zu BAG v. 01. 07. 1993 BAG AP Nr. 36 zu § 123 BGB). Bereits Herrmann (in: ZfA 1996, S. 19 (23, 25)) spricht von einer sichtbaren Tendenz, dem Diskriminierungsschutz tendenziellen Vorrang ggü. dem Unternehmerschutz einzuräumen. Anders im Bereich der Entgeltdiskriminierung, s. nur BAG v. 15. 01. 1955 AP Nr. 4 zu Art. 3 GG.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes Eine Differenzierung nach dem Merkmal des Geschlechts soll im Bereich des Arbeitsrechts möglichst weitreichend ausgeschlossen sein. Jede benachteiligende Vereinbarung oder Maßnahme eines Arbeitgebers wird daher nunmehr begründungspflichtig. Gesichert ist umgekehrt jedoch auch, dass es Situationen gibt, in denen dem Arbeitgeber zur Vermeidung einer unzumutbaren Belastung eine unterschiedliche Behandlung gestattet sein muss, die über Fälle hinausgehen, in denen einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts die physisch-reale Möglichkeit zur Ausführung der Arbeitsleistung fehlen würde.355 Eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Ausübung der konkreten Tätigkeit könnte darüber hinaus insbesondere auch in Fällen anerkannt werden, in denen es dem Unternehmer um die glaubwürdige Verfolgung seiner Unternehmenspolitik nach außen geht. Hinsichtlich eines notwendigen Diskriminierungsschutzes ist dieser Bereich dahingehend abzugrenzen, dass der Arbeitgeber nicht nach persönlichen herabsetzenden Vorbehalten bzw. Vorurteilen handeln darf; auch ein aus diesen Motiven geäußerter Kundenwunsch kann regelmäßig nicht ausreichen, um eine Differenzierung zu erlauben. Auf der anderen Seite ist die Grenze zugunsten des Unternehmers jedoch dort zu erwägen, wo es ihm generell verwehrt wird, einen nachfrageorientierten Marktauftritt, welcher nachvollziehbar der Gewinnmaximierung dient, umzusetzen und zu verfolgen. Ebenso bleibt im Bereich des Lohngleichheitsgebots (§ 7 Abs. 1 AGG)356 zu gewährleisten, dass legitime, objektiv angemessene Differenzierungsgründe hinsichtlich der Entlohnung weiter Geltung beanspruchen können.357 Entscheidende Bezugsgrößen sind hierbei jeweils die konkret vereinbarte Arbeitspflicht sowie der dahinterstehende Vertragszweck, die die Ausnahme begründen oder gar gebieten müssen. b) Problemfälle Als problematisch erweist sich insbesondere die wertende Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes unternehmerisches Interesse als ausreichend gewichtig anzusehen
355 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dient insg. als „Schranken-Schranke“ des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Geschlechter, so dass Ausnahmen demnach nicht über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinausgehen dürfen (so zusammenfassend Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 345). 356 Vgl. hierzu insb. EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2005, S. 347 (347 f.); BAG v. 26. 01. 2005 NZA 2005, S. 1059 (1061). Das Verbot der geschlechtsbedingten Entgeltdifferenzierung ergibt sich auch aus Art. 157 I, II AEUV; Art. 1 I RL 75/117/EWG; Art. 3 II GG. Nur mittelbar benachteiligend wirkende Entgeltvereinbarungen können entspr. o. g. Kriterien gerechtfertigt werden, vgl. Preis, in: ErfK (2006), § 612 BGB, Rn. 64 f. § 612 III 2 BGB a. F., nach dem durch besondere Schutzvorschriften verursachte Zusatzkosten jedenfalls keine geringere Entlohnung rechtfertigen können sollen, wird nunmehr durch § 7 I, 8 II AGG verallgemeinert (vgl. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 2, Rn. 6). 357 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 II, Rn. 312; zu den einzelnen Beurteilungsaspekten vgl. Preis, in: ErfK (2006), § 612 BGB, Rn. 63.
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ist, um das Gleichbehandlungsinteresse der Arbeitnehmer zurückzudrängen.358 Die Möglichkeiten des Unternehmers, sich zur Rechtfertigung einer Differenzierung auf einen (merkmalorientierten) Kundenwusch zu berufen, an welchem er sein Angebot ausrichtet, indem er eine folgerechte Außendarstellung mithilfe seiner Personalpolitik verfolgt, ist nicht gesichert, obwohl solche auf das geschützte Merkmal ausgerichteten Nachfragebereiche in vieler Hinsicht denkbar sind (wie etwa der Wunsch nach einem Modehaus speziell für Frauen oder Männer oder einer Frauenärztin). Als Paradigmata dienen können auf der einen Seite das Frauen-Fitnessstudio und das Damenmodegeschäft und auf der anderen Seite der Frauenbuchladen und der Wunsch einer Fluggesellschaft, die darauf besteht, nur max. 25-jährige blonde Frauen einzustellen. Zudem besteht die Unsicherheit, ob der Unternehmer in Fällen, in denen es um diskriminierende Einflüsse Dritter (insbesondere Kunden) geht, im Falle eines drohenden Schadens als Garant seinem Arbeitnehmer gegenüber ausnahmslos zum Schutz verpflichtet ist.
II. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität Ähnliche Problematiken zwischen (geschlechtsbezogenem) Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit ergeben sich für das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Identität. Das Merkmal meint die sexuelle (identitätsstiftende) Orientierung sowie die sich daraus ergebende Lebensform eines Menschen;359 es wird u. a. von § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG zum verpönten Unterschei-
358 Die Differenziertheit des Modells von Thüsing oder auch der o.g. Fallgruppen gewährleistet insoweit zumindest, dass gegenläufige Prinzipien Berücksichtigung finden können. Vgl. a. Richardi/Annuß, in: Sartorius (1999), § 611a BGB, Rn. 53. 359 Erfasst werden homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen (vgl. BT-Dr. 16/1780, S. 30; BT-Dr. 14/5741, S. 45; Linck, in: Schaub, ArbR-Hdb., § 33, Rn. 14). Sowohl Art. 19 AEUV als auch RL 2000/78/EG bedienen sich der engeren Formulierung „sexuelle Ausrichtung“. Durch die Verwendung der weiteren Begrifflichkeit stellt der dt. Gesetzgeber richtlinienkonform sicher, dass trotz des engen nationalen Verständnisses des Merkmals „Geschlecht“ Transsexuelle und zwischengeschlechtliche Menschen vor Benachteiligungen geschützt sind (ebenso Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (466), noch zu § 319a BGB RegE). Eine a. A. nimmt eine Unterscheidung zwischen ausgeübter Sexualität, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung vor: vom Merkmal der sexuellen Ausrichtung sei das sexuelle Verhalten zu unterscheiden (KOM (1999) 565 edg. 1 (8); Thüsing, Arbeistrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 214 f. unter Hinw. auf das ADG des Staates Massachusetts, G.L. c. 151 B, § 4 (2004), das ausdr. „sexuality involving children“ ausnimmt; ders., NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 3 (13) – wolle man hier nicht zu einer einschränkenden Auslegung kommen, dann könne ein Beschäftigter zwar wg. Kindesmissbrauchs verurteilt werden, jedoch könne der Arbeitgeber einen nach § 176 StGB Verurteilten nicht auf Grund dieser Verurteilung als Bewerber zurückweisen; krit. Joussen, RdA 2003, S. 32 (37), Fn. 63). Grdl. f. d. US-Recht, das kein bundesstaatliches Diskriminierungsverbot wg. der sexuellen Identität kennt: Oncale vs. Sundowner, 523 U.S. 75 (1998) (Unterscheidung zw. sexueller Ausrichtung u. Geschlechtsidentität).
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dungsmerkmal im Arbeitsrecht erklärt.360 Die bestehenden Parallelen zum geschlechtsbedingten Diskriminierungsverbot ergeben sich aus dem Gleichlauf der zu den Verboten jeweils existierenden Rechtfertigungsmaßstäbe.361 Hiernach haben Maßnahmen des Arbeitgebers, die etwa beim Vertragsschluss, bei der Vergütung oder bei der Ausübung des Direktions- bzw. Kündigungsrechts direkt nach der sexuellen Präferenz oder auch dem Personenstand differenzieren, grundsätzlich nur unter den strengen Anforderungen des § 8 Abs. 1 AGG Bestand.362 Entsprechend ist auch das Fragerecht des Arbeitgebers im Bewerbungsgespräch in gleicher Weise grundsätzlich unzulässig.363 Eine Rechtfertigung wird hier regelmäßig nicht in Betracht kommen, da die beruflichen Fähigkeiten durch die sexuelle Veranlagung in aller Regel nicht berührt werden.364 Indessen werden ähnlich wie bei der Differenzierung nach dem Geschlecht Differenzierungsmöglichkeiten diskutiert, wenn ein Arbeitgeber versucht, Kunden- (bzw. Patienten-) wünschen dadurch zu entsprechen, dass er deren Privat- und Intimbereich schützt bzw. die besondere Vertrauensstellung, die der Kunde etwa aufgrund der Art der Dienstleistung erwarten darf, respektiert.365 Insbesondere sofern die Tätigkeiten eng an der Privatsphäre (potenzieller) Geschäftskunden des Unternehmers angesiedelt sind und das in Aussicht genommene Geschäft diese Sphären der Kunden betrifft, sollen diese nicht mit Mitarbeitern konfrontiert werden müssen, deren sexuelle Identität bei den Kunden (bezogen auf den konkreten 360 Verboten sind hiernach Maßnahmen, die der Disziplinierung des Geschlechtsverhaltens dienen, etwa eine Kündigung allein wegen Homosexualität oder Bestehens einer eingetragenen Lebensparnerschaft (vgl. a. BGH v. 14. 02. 2007 NJW-RR 2007, S. 1441 (1441 ff.); BAG v. 23. 06. 1994 AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung; LAG München v. 10. 05. 2007 DÖD 2008, 36 (38); abl. Boemke, ZfA 2001, S. 245 (277)). Weitere Ausprägungen des Verbots finden sich in Art. 14 i. V. m. Art. 8 EMRK (vgl. EuGHMR v. 24. 07. 2003 RJD 2003-IX, Z. 33 (Karner); zum strengen Rechtfertigungsmaßstab s. insb. EuGHMR v. 24. 07. 2003 Rep. 2003-I, 29, §§ 45 – 54 (L u. V. v. Österreich); Rep. 2003-I, 71, §§ 37 – 46 (S.L. v. Österreich), s.u. http://www.echr.coe. int; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 21, Rn. 103); in RL 2000/78/EG und in § 75 BetrVG. Vgl. a. das LPartG v. 16. 02. 2001 (BGBl. I, S. 266). 361 Auch hier richtet sich die Rechtfertigungsmöglichkeit gem. Art. 4 I RL 2000/78/EG bzw. § 8 I AGG danach, ob das Unterscheidungsmerkmal in bezug auf die konkrete Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingesetzt wird (vgl. hierzu Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3443)). Die bes. Anforderungen, die Kirchen an die sexuelle Orientierung ihrer Mitarbeiter stellen, sollen über Art. 4 II RL 78/2000/EG berücksichtigt werden können (Powietzka, BB 2002, S. 146 (149)). 362 Vgl. insb. Leuchten, NZA 2002, S. 1254 (1258); Thüsing, JZ 2006, S. 223 (225). s. a. Rengier, NZA 2006, S. 1251 (1252 f.). s. a. EuGH v. 17. 02. 1998 EuGH Slg. 1998 I-621 (647 f.) (Grant) zur Privilegierung der Ehe, s. insoweit Art. 6 I GG, Erwägungsgrund Nr. 22 RL 2000/78/EG. 363 Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 269 (mit Ausn. von Fragen nach familiären Verhältnissen (Ehegatten, Kindern), sofern ein betriebsbezogenes Interesse vorliegt); Preis/Bender, NZA 2005, S. 1321 (1322); denn eine Ausforschung des Intimbereichs des Bewerbers ist unzulässig (vgl. Moritz, NZA 1987, S. 329 (333)). 364 So Thüsing, Arbeistrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 214; daher unkritisch im Hinblick auf die Auswirkungen des Verbots: Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3443). 365 Für ein generelles Verbot offenbar Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (172).
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Geschäftsbereich) auf Ablehnung oder zumindest Irritationen stößt.366 Auch hier werden Fälle erörtert, bei denen der Arbeitgeber deshalb nach der sexuellen Identität des Mitarbeiters unterscheidet, weil er mit seinem Marktauftritt ein bestimmtes Publikum ansprechen möchte, welches auf die Ausrichtung der Darstellung auf eine bestimmte sexuelle Identität positiv (d. h. gewinnbringend) reagiert. Als bereits heutzutage gängige, auf die sexuelle Identität abstellende Beispiele spezieller unternehmerischer Ausrichtung mit entsprechenden Anforderungsprofilen sind z. B. Buchhandlungen, Caf¦s, Bars und Diskos speziell für Homosexuelle zu erwähnen,367 daneben die bevorzugte Anstellung von Arbeitnehmern einer bestimmten sexuellen Ausrichtung in Bereichen der Beratungs- bzw. Pressearbeit bei Lesben-/Schwulenberatungsstellen368 bzw. homosexuellen Interessenverbänden369 oder der Redakteurstätigkeit bei einer Zeitschrift für Homosexuelle.370 In diesem Zusammenhang ergibt sich wiederum das Problem, unternehmerischer Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit ausreichend Spielraum zu belassen, ohne den Diskriminierungsschutz gesellschaftlichen oder persönlichen Vorurteilen preiszugeben. Daneben stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Unternehmer diskriminierende Kundenwünsche ausblenden und sich generell schützend vor seinen Arbeitnehmer stellen muss, auch wenn dies für ihn mitunter erhebliche (wirtschaftliche) Schäden nach sich zieht.
III. Diskriminierung aufgrund einer (Schwer-)Behinderung Gegenüber den vorgenannten Verboten von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Identität stellt sich die Problematik der Kollision von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz beim Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung teilweise anders dar.371 366 Vgl. o. unter § 5 C. I. 2. b) aa) (2) (c). So hat ein Arzt (Gynäkologe), der muslimische Frauen behandelt, das Arbeitsverhältnis mit einem transsexuellen Bewerber angefochten (BAG v. 21. 02. 1991 AP Nr. 35 zu § 123 BGB). Vgl. a. BAG v. 23. 06. 1994 AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung; LAG Berlin v. 16. 5. 2001 PflR 2001, S. 439 (439); ArbG Hamburg 10. 4. 2001 PflR 2001, S. 322 (322); Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320) – in solchen Fällen führe das Schamgefühl Dritter dazu, dass der von der Diskriminierung Betroffene hinsichtlich der Ausübung seiner (angestrebten) Tätigkeit nachvollziehbar Ablehnung erfährt und infolgedessen seine Arbeitsleistung zumindest weniger erfolgreich erbringen könne; Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (172); zurückhaltender Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 84). 367 Vgl. hierzu Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (243); allg. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 33 – unter dem Gesichtspunkt der Authentizität; abl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 36. 368 Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 67. 369 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 59. s. a. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 38 – Homosexualität sei grds. kein Grund, einen Bewerber für eine Stelle als Betreuer in einem „normalen“ Jugendwohnheim ungeeignet zu machen. 370 Belling, in: Erman, AGG, § 8, Rn. 3. 371 Diskriminierungsschutz auf internationaler Ebene enthält die Deklaration über die Rechte geistig Behinderter v. 20. 12. 1971 (s. Stern, Staatsrecht III/1, § 62 II 4b). Zum Entwurf
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Für den umstrittenen372 Begriff der Behinderung im Sinne des Verbots ist eine europarechts- und verfassungskonforme Interpretation erforderlich, die sich nicht am Grad der Behinderung, sondern eher an der Schutzbedürftigkeit des potentiellen Diskriminierungsopfers orientiert und als entscheidend die Kriterien der Fähigkeitsbzw. Funktionsbeeinträchtigung und der darauf beruhenden Einschränkung der sozialen Teilhabe (hier: am Arbeitsgeschehen) ansieht.373 Angesichts dieses gegenüber einer neuen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen siehe Interim Report of the Ad Hoc Committee on a Comprehensive and Integral International Convention on the Protection and Promotion of the Rights and Dignity of Persons with Disabilities on its eighth session vom 01. 09. 2006 (UN-Dok. A/AC. 265/2006/4), Annex II. Der Entwurf ist unter www. un.org/esa/socdev/enable/rights/ahc8adart.htm abrufbar. Vgl. auf europ. Ebene Art. 19 AEUV, Art. 2 I, II, 5 RL 2000/78/EG; AblEG Nr. L 303 v. 2. 12. 2000, S. 16. Diesbzgl. hatte der dt. Gesetzgeber die RL durch den am 01. 07. 2001 in Kraft getretenen § 81 II SGB IX umgesetzt. Voraus gingen die Empfehlung 86/379/EWG v. 24. 07. 1986 zur Beschäftigung von Behinderten in der Gemeinschaft und die Entschließung v. 17. 06. 1999 betreffend gleiche Beschäftigungschancen für behinderte Menschen. Vgl. a. Art. II-86 EVerfE. 372 In Deutschland wurde der Behindertenbegriff traditionell sowohl auf verfassungsrechtlicher (vgl. hierzu BVerfG v. 08. 10. 1997 NJW 1998, S. 131 (131); als a. einfachgesetzlicher Ebene (in Anlehnung an § 2 I 1 SGB IX und § 3 BGG, vgl. BT-Dr. 16/1780, S. 31; Preis, AR Bd. I, § 20 III 3b; s. auch WHO (ICIDH [1980] und ICIDH-2 [1999] – „International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps“) nach dem jeweiligen Grad der Behinderung (GdB, vgl. § 2 II, III SGB IX) interpretiert. Dies führt zu einer Unterscheidung zwischen „nur“ behinderten (§ 2 I 1 SGB IX) und schwerbehinderten Menschen (sbM) (ab dem GdB von 50, § 2 II SGB IX) bzw. diesen gleichgestellten (ab dem GdB von 30, § 2 III SGB IX) – vgl. § 81 II 2 Nr. 1 SGB IX (a. F.); BAG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 545 (547). Nach a. A. muss eine Anwendbarkeit auf alle Behinderten im weitesten Sinne gewährleistet sein (BAG v. 03. 04. 2007 NZA 2007, S. 1098 (1099 f.); ArbG Berlin v. 14. 07. 2004 NZA-RR 2005, S. 124 (124)). In diese Richtung a. Wendeling-Schröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (276); vermittelnd Spranger, DVBl. 1998, S. 1058 (1059). Der U.S.-amerik. Americans with Disabilities Act (ADA), der auf ein „substantial impairment of a major life avtivity“ abstellt (sec. 3 (2) (A)), ist weitreichend, so dass der Gesetzgeber ausdrücklich Exhibitionismus, Kleptomanie oder Pyromanie vom Schutzbereich ausgenomen hat und auch die Rspr. versucht, den Bereich einzugrenzen (vgl. Thüsing/Leder, NZA 2004, S. 1310 (1312 f.)). Das Problem besteht insb. darin, ob auch eine Krankheit, HIV-Infektion (hierin erkennt der U. S. S. C. aufgrund der Einschränkung der wesentlichen Lebensaktivitäten („Major Life Activities“) eine Behinderung i. S. des ADA (vgl. Bragdon vs. Abbott, 524 US 624 (1998)) oder eine körperliche Entstellung als Behinderung anzuerkennen sind (vgl. Düwell, BB 2001, S. 1527 (1528); vgl. a. Balders/ Lepping, NZA 2005, S. 854 (857)). 373 Vgl. Thüsing, Arbeistrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 205; Welti, ZESAR 2007, S. 47 (47). Wortlaut, Systematik, historische Entwicklung und v. a. teleologische Argumente sprechen gegen eine diskriminierungsrechtliche Unterscheidung von behinderten und sbM (vgl. Spranger, DVBl. 1998, S. 1058 (1058, 1060); vgl. a. BT-Dr. 14/2913, S. 3; BSG v. 19. 12. 2001 NZA 2002, S. 664 (664). Dies entspricht auch der neueren Rspr. des EuGH, wonach Krankheiten grds. nicht, allenfalls im Einzelfall unter den Behindertenbegriff subsumiert werden müssen (EuGH v. 11. 07. 2006 NZA 2006, S. 839 (839) (Chacýn Navas); vgl. hierzu BAG v. 22. 10. 2009 AP Nr. 2 zu § 15 AGG; v. 03. 04. 2007 NZA 2007, S. 1098 (1099); LAG München v. 08. 07. 2008 EzA-SD 2008, Nr. 17, S. 8 (8 f.); ArbG Frankfurt v. 29. 05. 2007 DSB 2007, Nr 9, 20 (red. Leitsatz) m. Anm. Vahle; Junker/Aldea, EuZW 2007, S. 13 (17). Insoweit kann auf die „lange Dauer“ der Beeinträchtigung verwiesen werden, die der EuGH zur Anerkennung einer
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der traditionellen Interpretation des Behindertenbegriffs tendenziell weiten Verständnisses sehen sich Arbeitgeber nunmehr verstärkt von den Anforderungen des Diskriminierungsverbots bei ihrer Personalpolitik betroffen. Umso wichtiger erscheint es daher, die Reichweite unternehmerischer Freiheit in diesem Zusammenhang auszuloten. 1. Diskriminierungsschutz auf verfassungsrechtlicher Ebene Die Unzulässigkeit, Behinderte gegenüber Nichtbehinderten zu benachteiligen, war bereits durch Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich gewährleistet.374 Ausdrücklich Eingang in die Verfassung fand der Behindertenschutz jedoch erst durch das besondere Verbot der Benachteiligung Behinderter in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG,375 der ähnlich wie Art. 3 Abs. 2 GG nicht nur Schlechterstellungen verhindern will, sondern zusätzlich darauf abzielt, Behinderte durch Förderung in vollem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.376 Das Diskriminierungsverbot ist so zu verstehen, dass die Behinderung grundsätzlich kein Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung sein darf.377 Eine Benachteiligung soll in Anlehnung an die zu Art. 3 Abs. 2 GG entwickelten Grundsätze ausnahmsweise bei Vorliegen zwingender Gründe, die eine Unterscheidung unerlässlich machen, zulässig sein können.378 Sie kann hiernach gerechtfertigt sein, wenn die konkrete Funktionsbeeinträchtigung durch die Behinderung eine Gleichbehandlung mit Nichtbehinderten im Ergebnis nicht zulässt.379 Denkbar für den Bereich des Arbeitsrechts sind dabei Fälle, in denen ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Behinderung für die Arbeitsaufgabe praktisch ungeeignet ist. Für vorliegende Untersuchung bleibt nach dieser allgemeinen Ausnahmedefinition unklar, ob hierunter auch Fälle zu subsumieren sind, in denen ein Unternehmer sein Angebot auf ein bestimmtes Marktsegment ausgerichtet hat, welches er aufgrund von Kundenerwartungen, die für dieses Segment prägend sind, mit behinBehinderung einfordert (hierzu Annuß, BB 2006, S. 1629 (1631)). s. a. den Praxishinweis in NJW-Spezial 2006, S. 418 f. Ausf. zu Anknüpfungspunkten (wie z. B. Übergewicht, Drogensucht): Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 206 ff.; Kirkland, Law & Society Review 42 (2008), Heft 2. 374 So Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 175. Zum US-amerik. Recht vgl. den Americans with Disabilities Act von 1990. 375 Eingeführt mit Wirkung zum 15. 11. 1994 durch das Gesetz zur Änderung des GG v. 27. 10. 1994. Vgl. hierzu insb. Rolfs/Paschke, BB 2002, S. 1260 (1261 ff.). 376 Art. 3 III 2 GG rechtfertigt i. R. seiner positiven Gewährleistungsfunktion begünstigende Regelungen zugunsten Behinderter (Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 417), löst jedoch keine Ansprüche auf staatliche Leistungen i. S. ausgleichender Maßnahmen (z. B. ein subjektives Recht auf Einstellung) aus (vgl. OVG Hamburg v. 26. 04. 2007 IÖD 2007, S. 257 (260)). 377 Eine Benachteiligung in Form einer mittelbaren Diskriminierung wird vom Schutzzweck erfasst (BVerfG v. 08. 10. 1997 BVerfGE 96, S. 288 (302)). 378 BVerfG v. 19. 01. 1999 BVerfGE 99, S. 341 (357); Hergenröder, in: HWK, Art. 3 GG, Rn. 145. 379 Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 140; s. a. Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 137.
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derten bzw. in einer besonderen Art und Weise behinderten Menschen bedienen oder gerade nicht bedienen will; dies soll im Bereich des einfachgesetzlichen Verbots näher beleuchtet werden. 2. Einfachgesetzliche Ebene a) AGG / SGB IX Ein einfachgesetzliches Diskriminierungsverbot, das die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen zum Ziel hat,380 findet sich in §§ 7 Abs. 1, 1, 8 Abs. 1 AGG (§ 81 Abs. 2 SGB IX a. F.).381 Die Ausgestaltung des Benachteiligungsverbotes in § 81 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 – 4 SGB IX wurde aufgehoben und durch einen Verweis auf die Regelungen des AGG ersetzt.382 Ausnahmen vom Verbot nach § 8 Abs. 1 AGG sollen gewährleisten, dass Personen nachteilig betroffen werden dürfen, die für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar sind und dass Arbeitgeber nicht übermäßig belastet werden.383 Entsprechend der Ausnahmevorschrift,384
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Vgl. BAG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 545 (547); Hansen, NZA 2001, S. 985 (985). Im Zuge der Schaffung des SGB IX (mit Wirkung zum 01. 07. 2001, BGBl. I, S. 1046) wurde mit § 81 II SGB IX ein dem § 611 a BGB (a. F.) nachgebildetes umfassendes Benachteiligungsverbot für jede Vereinbarung oder Maßnahme i. R. eines Arbeitsverhältnisses geschaffen (vgl. BAG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 545 (547)). Am 01. 05. 2002 ist das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen in Kraft getreten (hierzu Stähler, NZA 2002, S. 777 (777 ff.)), hiernach das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung sbM v. 23. 04. 2004 (BGBl I, S. 606; s. Kossens/Maaß, NZA 2000, S. 1025 (1025 ff.)) und die 3. VO zur Änderung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe-VO v. 16. 01. 2004 (BGBl I, S. 77; vgl. Cramer, NZA 2004, S. 698 (698)). s. a. §§ 75, 80 I Nr. 4 BetrVG, § 1 III 1 KSchG, § 106 S. 3 GewO (Gebot der Verschaffung einer „leidensgerechten Beschäftigung“, BAG v. 23. 01. 2001 BAGE 97, S. 23 (30)). 382 Vgl. Art. 3 (10) des Umsetzungsgesetzes. Zum Verbot der Diskriminierung nach § 319 a BGB (RegE) vgl. Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (465 f.). Die Regelung dort entspricht im Wesentlichen den § 611a I BGB ersetzenden Vorschriften des AGG, so dass zunächst auf die allg. Ausführungen verwiesen werden kann (s. o. unter § 5 B. III. 2. a)). Zum Gleichlauf d. Vorschriften vgl. BAG v. 15. 02. 2005 DB 2005, S. 1802 (1802). Hinsichtlich der besonderen Beweislast- und der Sanktionsfolgenregelungen, die sich nun i. R. der §§ 15, 22 AGG wiederfinden, vgl. schon o. unter § 5 B. III. 2. a) cc), dd). Zur Beweislast (§ 81 II Nr. 2, 3 SGB IX a. F.) s. BAG v. 15. 02. 2005 DB 2005, S. 1802 (1803). Bzgl. der Rechtsfolgen (§ 82 II Nr. 2 SGB IX a. F.) s. Hansen, NZA 2001, S. 985 (986 f.). 383 Vgl. § 4 I RL 2000/78/EG; Erwägungsgründe Nr. 17, 21 RL 2000/78/EG; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, Einl., Rn. 22, Diller, NZA 2007, S. 1321 (1321 f.). Arbeitgeber sollen als Ausgleich für ihre Beschäftigungspflicht (§ 71 SGB IX) diese in erster Linie „in freier Entschließung“ (vgl. § 101 SGB IX) erfüllen können und die Wahl haben, welchen oder welche sbM sie auf welchen Arbeitsplatz einstellen wollen. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung vgl. BVerfG v. 01. 10. 2004 NZA 2005, S. 102 (102) im Anschluss an BVerfG v. 26. 05. 1981 BVerfGE 57, S. 139 (139 ff.). Vgl. a. den Referentenentwurf v. 05. 09. 2003 (sog. lex Lufthansa) der bei Ermittlung der Quote auf die gesundheitliche Eignung der sbM abstellte (hierzu Cramer, NZA 2004, S. 698 (700)). 381
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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besteht eine Grenze der Reichweite des Verbots in den Fällen, in denen die konkrete (körperliche) Eignung des Arbeitnehmers der in Aussicht genommenen Tätigkeit (trotz der vom Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren herzustellenden Barrierefreiheit) entgegensteht, weil der Behinderte für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes trotz angemessener Vorkehrungen nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist;385 hierbei muss die Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber konkret dargetan werden.386 Ein behinderter Mensch soll daher beispielsweise von einer Tätigkeit ausgeschlossen werden können, wenn seine konkrete Behinderung das Risiko von Fehlern bei der Berufsausübung erhöht und dadurch erhebliche Vermögenswerte oder insbesondere Leib und Leben Dritter gefährdet werden können.387 Damit die Anforderung als „wesentlich“ i. S. d. § 8 Abs. 1 AGG gilt, muss ein Vergleich zwischen dem gesamten Aufgabenbereich, der dem Beschäftigten zugewiesen werden soll und dem Teilbereich, den er auf Grund seiner Behinderung nicht ordnungsgemäß ausüben kann, angestellt werden; hieraus muss sich ergeben, dass der Aufgabenbereich, der auf Grund der Einschränkung nicht ausgeübt werden kann, einen erheblichen Teil des gesamten, dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgabenfeldes ausmacht.388 Dies bedarf schon angesichts der inhaltlichen Weite des Behinderungsbegriffs (s. o.) einer Bewertung des Einzelfalls, so dass die pauschale Ab384 Vgl. o. unter § 5 B. III. 2. a) aa). Sie entspricht qualitativ der Vorgängerregelung des § 81 II 2 Nr. 1 S. 2 SGB IX a. F., wonach eine unterschiedliche Behandlung nur insoweit zulässig war, wie eine Vereinbarung/Maßnahme die Art der von dem sbM auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine best. körperl. Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist (BAG v. 15. 02. 2005 DB 2005, S. 1802 (1804)); die RL erlaubt ferner eine Abweichung, wenn dies zur Erfüllung der Pflichten aus Art. 5 erforderlich ist (s. Schaub, NZA 2003, S. 299 (301)). 385 Vgl. BAG v. 15. 02. 2005 DB 2005, S. 1802 (1804); LAG Rh.-Pf. ZTR 2006, S. 207 (207); Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 101; Hanau, ZIP 2006, S. 2189 (2191); Lingemann/Müller, BB 2007, S. 2006 (2010); von Medem, NZA 2007, S. 545 (547) unter Kritik an BAG v. 12. 9. 2006 NZA 2007, S. 507 (507 ff.); so das Bsp. eines Rollstuhlfahrers, der sich als Bote bei einem Kurierdienst bewirbt (s. Wolff, AuA 2006, S. 512 (512); vgl. zu Maßstab auch EuGH v. 11. 07. 2006, EwiR 2006, S. 473 (473 ff.) (Chacon Navas)). Die Leistungsfähigkeit bezieht sich dabei auf den vom Arbeitgeber nach § 84 SGB IX angepassten Arbeitsplatz. Es kann auch wg. der geminderten Leistungsfähigkeit eine geringere Entlohnung vereinbart werden, da nicht an die Schwerbehinderung sondern an das Leistungsvermögen angeknüpft wird (Koch, in: Schaub, ArbR-Hdb., § 178, Rn. 59). Dies gilt auch im Hinblick auf eine mögliche Kündigung eines sbM (vgl. Cramer, in: MünchHdbAR, § 236, Rn. 78). Auch arbeitsmarktpolitische Gründe (z. B. die Förderung von Neueinstellungen, vgl. § 5 I Nr. 2 ATG) oder die soziale Absicherung des sbM (vgl. § 236 a SGB VI) können eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (BAG v. 27. 04. 2004 NZA 2005, S. 821 (825)). Im US-amerik. AntiDiskriminierungsrecht sind Ausnahmen bzgl. des Merkmals Behinderung gar nicht vorgesehen. 386 Allein die abstrakte Gefahr, dass ein Bewerber der Arbeitsaufgabe oder der hiermit einhergehenden Risikofaktoren nicht gewachsen sein könnte bewegt sich unzureichend im Bereich des Spekulativen (vgl. ArbG Berlin v. 13. 07. 2005 NZA-RR 2005, S. 608 (608) – hierzu Thüsing/Wege, NZA 2006, S. 136 (137)). 387 Z. B. bei Feuerwehrmännernen, Piloten, Fluglotsen, etc. (Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 30; anders offenbar Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 9). 388 Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 4; Thüsing/Wege, NZA 2006, S. 136 (138).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
lehnung körperlich behinderter Bewerber für Tätigkeiten, die eine besondere körperliche Konstitution oder Sorgfalt erfordern,389 bedenklich erscheint. Die generelle Abwertung von blinden EDV-Fachleuten, gehörlosen Zeichnern oder gelähmten Lehrkräften durch Arbeitgeber ist von vornherein unzulässig herabsetzend.390 Daher kann die (Nicht-)Behinderung grundsätzlich nur dann als Unterscheidungskriterium herangezogen werden, wenn andernfalls zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Merkmalseigenschaft keine auch nur annähernd äquivalente Gegenleistung für sein Arbeitsentgelt erbringen können wird. In Betracht kommt insoweit z. B. der Ausschluss von Behinderten bei einer Tanzaufführung391, die Ablehnung eines Gehbehinderten als individuellem Personenschützer392, demgegenüber grundsätzlich nicht die Ablehnung Behinderter aufgrund ästhetischer Kriterien.393 Sofern man – entsprechend der hier aufgeworfenen Problematik – für eine ordnungsgemäße Ausübung der Arbeitsaufgabe verlangte, dass der Arbeitnehmer gerade qua Merkmal (Behinderung/Nichtbehinderung) das vom Arbeitgeber ausgesuchte Nachfragesegment nach objektiven Maßstäben bedienen kann, könnte die differenzierte Behandlung nach eben diesem Merkmal Ausdruck unternehmerischer Freiheit sein. Es ist indes bereits kaum vorstellbar, dass ein Kunde bzw. ein anderer Dritter legitimerweise die (Nicht-)Behinderung des Personals einfordert. Eine solche Nachfrage bzw. die hierauf gestützte Marktausrichtung würde nahezu denknotwendig ausschließlich auf Ressentiments beruhen, denen das neue Diskriminierungsverbot gerade begegnen will.394 Denkbar wäre insoweit eventuell die Besetzung einer Schauspielerrolle mit einem Nichtbehinderten, sofern die Rolle mit der Behinderung nicht zu vereinbaren ist.395 Eine merkmalsorientierte Marktausrichtung scheint in diesem Bereich eher fernliegend.396 Hiernach können etwa allgemein erwartete Berührungsängste von Kunden mit einem geistig behinderten Verkäufer in keinem Fall Anlass zu einer Differenzierung geben. Ob ein Unternehmer, der Rollstühle vertreibt, für seinen Verkauf 389
In diese Richtung etwa Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 33. Vgl. zu diesen Beispielen Dahesh, in: Der Tagesspiegel v. 03. 12. 2007 unter http://www. tagesspiegel.de/politik/div/%3Bart771, 2431472. 391 Wank, in: FS Richardi (2007), S. 441 (458). 392 Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 4. 393 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 30 – selbst bei erheblichen Entstellungen; Ausn.: Marketingstrategie würde auch zum Ausschluss Nichtbehinderter führen oder falls gehandelte Ware im Zshg. mit dem äußeren Erscheinungsbild steht (z. B. Kosmetikartikel) und das Aussehen des Beschäftigten (etwa aufgrund einer Hauterkrankung) der behaupteten Wirksamkeit zu widersprechen schiene; vgl. a. Gourmelon, DÖD 2007, S. 241 (243). 394 Auch Thüsing (in: Arbeistrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 357) erkennt an, dass sich eine Behinderung weit häufiger auf die Ausübung der wesentlichen Arbeitsplatzfunktionen auswirkt, als die übrigen in § 1 AGG genannten Merkmale. 395 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 38, nicht jedoch die Ablehnung eines gehbehinderten Opernsängers, wenn nicht ein besonderes künstlerisches Konzept eine bestimmte Besetzung erfordert. 396 Bei der Beurteilung von Ausnahmemöglichkeiten steht denn auch in der allg. Diskussion das unternehmerische Interesse an der Arbeitsleistung im Vordergrund. 390
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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bevorzugt einen gehbehinderten Menschen, der selbst auf den Rollstuhl angewiesen ist, gegenüber einem sehbehinderten einstellen kann, da er meint, ersterer könne potenzielle Kunden am besten beraten, gehört mithin zu den wenigen diskussionswürdigen Beispielen für den Ausdruck unternehmerischer Freiheit. In diesem Fall stellt sich folgerichtig die Frage, ob der Diskriminierungsschutz im Ergebnis überhaupt einschränkend wirkt, da das Ziel des Diskriminierungsverbots eindeutig in der Integration behinderter Menschen im Arbeitsleben liegt. Aufgrund dessen könnte der Diskriminierungsschutzgedanke hier gar nicht zur Anwendung gelangen oder aber das unternehmerische Interesse jenes am Diskriminierungsschutz eindeutig überwiegen. Im ersteren Fall teilte sich das Kollisionsproblem auf in jene Fälle, die ersichtlich nicht den Schutzzweck des Diskriminierungsverbots berühren, und in solche, die außerhalb eines legitimen unternehmerischen Wirkens liegen und damit stets unzulässig sind. Im letzteren Fall ist zweifelhaft, ob angesichts des engen Wortlauts des § 8 Abs. 1 AGG das beschriebene unternehmerische Interesse an einer Differenzierung aus Gründen der Marktbedienung über eine allgemeine Abwägung Eingang in das (Diskriminierungs-)Schutznormgefüge finden kann. Dass im Beispielsfall die Behinderung des Menschen eine „wesentliche und entscheidende Anforderung“ für den Verkauf von Rollstühlen darstellt, erscheint schwer begründbar. Abgesehen von der Schwierigkeit, der unternehmerischen Freiheit hier Ausdruck zu verleihen, erlangt der Schutz unternehmerischer Marktbetätigung letztlich jedoch eine relativ geringere Bedeutung als etwa beim geschlechtsbedingten Diskriminierungsverbot. Wie dort existiert freilich ebenso das Problem, inwieweit der Unternehmer auf konkret diskriminierendes Verhalten Dritter (z. B. die grundlose Ablehnung eines geistig behinderten Mitarbeiters durch Kunden) reagieren kann bzw. muss, um Schaden von seinem Unternehmern abzuwenden. b) §§ 119 Abs. 2, 123 BGB Die Problematik der Differenzierungsmöglichkeiten des Unternehmers findet wiederum ihren entsprechenden Niederschlag in der Frage nach der Reichweite eines arbeitgeberseitigen Fragerechts im Einstellungsgespräch. Auch wenn diesbezüglich unterschiedliche Meinungen – differenziert nach der Frage nach einer konkreten, die Tätigkeit in welcher Weise auch immer beeinflussenden Behinderung,397 und der (statusbezogenen) Frage nach einer bestehenden Schwerbehinderung i. S. des
397 Die Frage nach einer konkreten Behinderung (oder auch Krankheit), die Auswirkungen für die Tätigkeit hat, wurde vom BAG bislang stets für zulässig gehalten, sofern die Behinderung die ordnungsgemäße Ausführung „beeinträchtigt“ oder die Gefährdung anderer Mitarbeiter droht (vgl. nur BAG v. 07. 06. 1984 AP Nr. 27 zu § 123 BGB; Knipp, AR-Blattei SD „Einstellung“, 640, Rn. 71, 75 (z. B. Möbelpacker mit Bruchleiden, Bäcker mit Mehlstauballergie, epilepsiekranker Dachdecker)). Nach Ansicht Schaubs wird an dieser Rechtslage durch die Richtlinie nichts geändert (Schaub, NZA 2003, S. 299 (300)). Der Arbeitgeber dürfe fragen, ob der Bewerber an gesundheitlichen, seelischen oder ähnlichen Beeinträchtigungen leide, durch die er zur Verrichtung der Tätigkeit ungeeignet sei.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
SGB IX398 – vertreten werden, scheint die Diskussion letztendlich darauf hinauszulaufen, dass sich die Informationsfreiheit des Arbeitgebers – auch im Hinblick auf den Bereich von tätigkeitsbeschränkenden Krankheiten – nach der Reichweite der Ausnahmemöglichkeiten des § 8 Abs. 1 AGG bemisst.399 Durch den Verweis auf die Ausnahmebestimmung in § 8 Abs. 1 AGG ist zu prüfen, inwieweit die Schwerbehinderteneigenschaft der Eignung zu einer Tätigkeit im Wege steht.400 Mithin bestimmt sich auch das Fragerecht und damit die Anerkennung des Interesses des Arbeitgebers an einer möglichst wirtschaftlichen Stellenbesetzung danach, ob die Frage in verhältnismäßiger Art und Weise einer wesentlichen arbeitsplatzbezogenen Anforderung dienen soll.401 Sonach ist die Frage parallel zu den oben dargestellten Grundsätzen grundsätzlich nur noch insoweit zulässig, als sie auf die Beurteilung der ausreichenden Fähigkeit des Arbeitnehmers zur Ausübung der konkret in Aussicht genommenen Tätigkeit abzielt.402 Hierfür dürfte die Kundenorientierung des Arbeitgebers aus zuvor 398
Zur Auslegung des Behindertenbegriffs vgl. o. unter § 5 C. III. Die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft galt früher gemeinhin als zulässig (so das BAG in st. Rspr. – BAG v. 18. 12. 2000 NZA 2001, S. 315 (315); v. 25. 03. 1976 BAG AP Nr. 19 zu § 123 BGB), da an die Schwerbehinderung zahlreiche Pflichten des Arbeitgebers geknüpft seien. Diese Ansicht wurde – insb. nach Einführung des § 81 II SGB IX a. F. – zunehmend kritisiert (Braun, MDR 2004, S. 64 (69); Joussen, NJW 2003, S. 2857 (2860)). Differenzierend: v. Koppenfels-Spies, AuR 2004, S. 43 (45). 399 Vgl. Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (11); Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1149); weitergehend Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (173). Zur Einschränkung des Fragerechts in Bezug auf Krankheiten vgl. EuGH v. 11. 07. 2006 NZA 2006, S. 839 (839) (Chacýn Navas). Aus der Frage nach bestimmten Erkrankungen oder Leiden kann je nach den Einzelfallumständen auch auf eine Erkundigung nach einer Behinderung geschlossen werden. Spätestens seit dem Inkrafttreten des AGG ist zu berücksichtigen, dass Fragen nach Erkrankungen im Hinblick auf das Vorliegen einer Behinderung diskriminierungsrelevant sein können (vgl. BAG v. 17. 12. 2009 AP Nr. 2 zu § 7 AGG). Eine Änderung der Rspr. zur Zulässigkeit der Frage nach einer (Schwer-)Behinderung ist wahrscheinlich (Messingschlager, NZA 2003, S. 301 (305)). Seine Rspr. hat das BAG selbst schon für den Fall durchbrochen, dass die Schwerbehinderung offensichtlich war und beim Arbeitgeber kein Irrtum erregt werden konnte (BAG v. 18. 10. 2000 AP Nr. 59 zu § 123 BGB). 400 Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 2, 3; Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (11). Kann der Bewerber die vorgesehene Arbeit nicht oder nur eingeschränkt ausüben, liege schon i. S. des Gesetzes keine Diskriminierung vor (so Joussen, NJW 2003, S. 2857 (2861)). Bei der Feststellung der Beeinträchtigung ist aber zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber insb. nach § 81 III, IV SGB IX zu weitreichenden Maßnahmen verpflichtet ist, die Funktionsbeschränkung des sbM auszugleichen, so dass nur die Beeinträchtigung zu bewerten ist, die nach (hypotetischer) Durchführung der Fördermaßnahmen nocht anzunehmen ist. 401 So Reichold, Arbeitsrecht, § 7 V Fall 3; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1494). Das sei die Anerkennung als Schwerbehinderter (also die reine Beantwortung der Statusfrage) aber nie, sodass sich ein weitaus engerer Maßstab ergibt, als der, auf den das BAG bislang zurückgegriffen hat (Rolfs, in: ErfK (2006), § 81 SGB IX, Rn. 6). Weitergehend z. B. Etzel, in: KR, §§ 85 – 90 SGB IX, Rn. 32; Junker, Arbeitsrecht § 3, Rn. 153; Neumann, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 85, Rn. 39. 402 Hessisches LAG v. 24. 03. 2010 AuA 2011, 48; Thüsing/Wege, FA 2003, S. 296 (299); s. jetzt a. Schaub, in: ArbR-Hdb., § 26, Rn. 24; weitergehend LAG Hamm v. 30. 06. 2010 AuA 2010, S. 724.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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dargestellten Gründen in aller Regel keine Anhaltspunkte liefern. Im Wesentlichen bleibt zu überlegen, ob dem Unternehmer für solche Fälle ein Fragerecht zuerkannt werden soll, in denen er für den Fall der Einstellung Schäden für sein Unternehmen erwartet, weil Dritte den Bewerber aufgrund dessen Merkmals ablehnen. 3. Zwischenergebnis Es wurden mehrere ineinandergreifende Instrumente – zuletzt das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG – geschaffen, die Benachteiligungen Behinderter im Berufsleben unterbinden sollen.403 Dieser Schutz erweitert sich – jedenfalls in Hinblick auf das Diskriminierungsverbot – auf alle Fälle von Behinderung. a) Gesicherte Leitlinien des Diskriminierungsschutzes Eine Benachteiligung, die an eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG oder an die Schwerbehinderteneigenschaft des § 69 Abs. 1 SGB IX geknüpft wird, ist nur noch unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AGG zulässig. Aufgrund dessen muss das Diskriminierungsverbot insoweit dort seine Grenze finden, wo dem Arbeitgeber zugemutet wird, einen (schwer-)behinderten Menschen zu beschäftigen, der dafür auf Dauer nur eine geringe oder gar keine Gegenleistung erbringen kann.404 b) Problemfälle Problematisch bleibt in diesem Zusammenhang weniger die Kollision von unternehmerischen Interessen nach einer bestimmten Marktausrichtung und Diskriminierungsschutz, sondern vielmehr die Frage nach einer Grenze, auf die sich der Unternehmer gegebenenfalls berufen kann, sofern er mit diskriminierenden Anliegen Dritter konfrontiert wird und ihm, sofern er diese Anliegen zugunsten des Arbeitnehmers zurückweist oder wenigstens ignoriert, wirtschaftliche Schäden drohen.
403 Zu diesem Mehrfachschutzkonzept vgl. insb. BT-Dr. 14/2913, S. 3. Unverständlich erscheint die Auffassung, wonach Art. 3 III 2 GG vernachlässigt zu werden scheint (so Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 82; krit. zur bisherigen Rspr. des BVerfG demgegenüber Bergmann, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 3, Rn. 22). 404 Die Unternehmerfreiheit kann sich umgekehrt nur dann gegen den Diskriminierungsschutz durchsetzen, wenn der Arbeitnehmer die (vorgesehene) Arbeit nicht zu leisten vermag oder für die angestrebte Tätigkeit schlechthin nicht geeignet ist. Nur dann wird dieses Diskriminierungsverbot „nicht allzu viele Rechtsstreitigkeiten heraufbeschwören“ können (so allg. Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3443)). Die Erheblichkeit der Ausnahmegründe aufgrund des weiten Anwendungsbereichs betont Schlachter, in: ErfK, AGG, § 1, Rn. 10.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
IV. Diskriminierung aufgrund der Rasse und (ethnischen) Herkunft Auch das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse und der ethnischen Herkunft405 betrifft die Differenzierungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in allen Phasen des Arbeitsverhältnisses wie auch dessen Anbahnung.406 1. Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene Ein Schutz vor Diskriminierung ergibt sich auf europäischer Ebene aus Art. 14 EMRK407, aus Art. 19 AEUV und die ihn umsetzende RL 2000/43/EG, die die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft sicherstellen will.408 Nach Art. 4 der Richtlinie gilt die allgemei405 Zum genauen Schutzbereich vgl. v. a. Art. 1 I Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD – v. 07. 03. 1966 BGBl. II 1969, S. 962 ff., S. 2211; Schieck, AuR 2003, S. 44 (44 f.)). Zur Problematik der Verwendung des Begriffs der Rasse vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 RL 2000/43/EG. Das Merkmal umfasst z. B. nicht nur Farbige, sondern auch solche von dunklerer Hautfarbe als andere Farbige (vgl. Walker vs. Secretary of the Treasury, 713 F. Supp. 403). Die ethnische Herkunft ist nicht gleichzusetzen mit dem Merkmal der Nationalität (s. Erwägungsgrund Nr. 13 RL 2000/43/EG); maßgeblich ist die Wahrnehmung als „andere Gruppe“ (Preis, AR Bd. I, § 34 I 2b; z. T. anders WendelingSchröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (274), die a. die „Parallelbegriffe“ Abstammung und Nationalität in § 75 BetrVG erfasst sieht). Merkmale wie Hautfarbe, Abstammung, nationaler Ursprung und Volkstum (i. S. des ethnischen Ursprungs) sollen aber umfasst sein (vgl. Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (322)). Es geht von der Zielsetzung nicht nur darum, dass eine Mehrheitsethnie „Ausländer“ nicht benachteiligt wird, verhindert werden sollen auch die Benachteiligung wegen der Zugehörigkeit zu einer spezifischen enthnischen Minderheit (Türken; „Schwarze“) sowie die Diskriminierungen zw. Angehörigen ethnischer Minderheiten (Busch, AiB 2006, S. 400 (400 f.)). Geschützt werden insg. alle Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie auf Grund best. Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden (Thüsing, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 3 (9); vgl. a. ArbG Stuttgart v. 15. 04. 2010 NZA-RR 2010, S. 344 (345) – „Ossi“ bezeichnet keine Ethnie). Da sich beide Definitionen überschneiden und identische Rechtsfolgen vorgesehen sind, ist eine Abgrenzung nicht erforderlich. Die ethnische Herkunft stellt vielmehr regelm. das angeborene, unabänderliche Element im sozialwissenschaftlichen Rassebegriff dar. 406 Diskriminierungsschutz auf internationaler Ebene gewährt neben dem CERD (s. hier insb. Art. 5e, f, 14) u. a. Art. 26 IPbürgR, vgl. Britz, EuGRZ 2002, S. 381 (381 ff.). Grdl. für das U.S.-amerik. Recht: das Gleichheitsgebot des 14. Amendments; vgl. auch U. S. S. C. Brown vs. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954); 349 U.S. 294 (1955). Das erste Gesetz gegen Rassendiskriminierung trat 1945 im Bundesstaat New York mit dem „Law against Discrimination“ in Kraft (vgl. dazu insb. Rädler, ZRP 1997, S. 5 (5)). Daneben existieren weitere Konventionen gegen Rassendiskriminierung (siehe insoweit näher Stern, Staatsrecht III/1, § 62 II 4b). 407 Zur Abgrenzung zum Verbot der menschenunwürdigen Behandlung gem. Art. 3 EMRK vgl. Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 19. 408 Vgl. hierzu Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (464). Geschützt seien auch Drittstaatenangehörige und jur. Personen (Wendeling-Schröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (274)). Verboten ist auch hiernach eine mittelbare Diskriminierung aus genannten Gründen. Die Differenzierung wg. Tragen eines Kopftuchs, das praktisch überwiegend von Arbeitnehme-
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ne Ausnahmemöglichkeit der wesentlichen und entscheidenden beruflichen Voraussetzung und der verhältnismäßigen Anforderung.409 Es handelt sich um Kriterien, die regelmäßig nichts mit der Arbeitsleistung zu tun haben, so dass eine Rechtfertigung in diesem Bereich nur selten in Betracht kommen wird.410 Mögliche Differenzierungsbereiche sollen sogleich auf der Ebene des nationalen Rechts vorgestellt werden. 2. Diskriminierungsschutz auf nationaler Ebene Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet jede Benachteiligung einer Person wegen ihrer Rasse, ihrer Abstammung, ihrer Sprache, ihrer Heimat und Herkunft, mittelbar auch beim Zugang zum Beruf.411 Auf einfachgesetzlicher Ebene sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft nach § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG verboten.412 Auch hier stellt sich die Frage nach der konkreten Reichweite des Verbots. Neben der weithin anerkannten Möglichkeit des Unternehmers, aufgrund unterschiedlicher Sprachkenntnisse differenzieren zu können, sofern hierdurch Erfordernisse der konkreten Beschäftigung erfasst werden,413 besteht auch in diesem rinnen türkischer Herkunft getragen wird, stellt mithin eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse und ethnischen Herkunft dar (ähnlich Schieck, AuR 2003, S. 44 (50)). 409 Vgl. Art. 2 II RiLi 76/207/EWG; Erwägungsgrund Nr. 18 RL 2000/43/EG. Art. 2 I b der RL regelt die Zulässigkeit einer mittelbar diskriminierenden Unterscheidung nach allg. Standards. Nach Art. 5 der RL sind zudem ausdrückliche, einzelfallbezogene Bevorzugungen auf Grund von Rasse oder ethnischer Herkunft bei gleichwertiger Qualifikation zulässig. 410 Ähnlich Schiek, Europäisches Arbeitsrecht, Teil 2, Kap. B, Rn. 69; Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (399 f.). Sehr strikt ist auch die U.S.-amerik. Rspr. für farbige Arbeitnehmer (vgl. hierzu Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 40). Im Title VII Civil Rights Act ist für die Rassendiskriminierung keine Rechtfertigung anerkannt. 411 Vgl. schon o. unter § 5 B. III. 1. Vgl. auch Heun, in: Dreier, Art. 3 III GG, Rn. 138. 412 Auf der Ebene des Betriebsverfassungsrechts dienen in erster Linie §§ 75 („Abstammung“, „Herkunft“), 80 I Nr. 7, 99 II Nr. 6, 104 BetrVG zur Abwehr fremdenfeindlicher Aktivitäten; daneben wurde bislang auf die Generalklauseln des §§ 138, 242 BGB verwiesen (vgl. o. unter § 5 B. III. 2. b)). Zu früheren Ansätzen zur Installierung eines „Antirassismusgesetzes“ vgl. Rädler, ZRP 1997, S. 5 (5). Auch der Diskriminierungsschutz der §§ 319 a ff. BGB (RegE) sollte sich auf Unterscheidungen nach der „Rasse“ bzw. ethnischen Herkunft beziehen. Vgl. insoweit a. die Anerkennung des Grundsatzes in anderen Zivilrechtsgebieten: z. B. § 81e VAG. 413 Wodurch die Anforderungen des § 8 I AGG konkretisiert werden, vgl. Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 99 f. Abgestellt werden sollte in jedem Fall auf die Kentnis der geforderten Sprache und nicht i. S. einer statistical discrimination auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie (vgl. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3). Zum Kriterium der „Deutschsprachigkeit“ vgl. Flohr/Ring, AGG, § 3, Rn. 109, die es grds. ablehnen und BAG v. 28. 01. 2010 NZA 2010, S. 625 (626); Adomeit, NJW 2003, S. 1162 (1162), der hierin ein notwendiges Mittel der Kommunikation im Arbeitsprozess sieht, das insb. Unfälle zu vermeiden hilft. Ebenso ArbG Berlin v. 13. 12. 2007 LAGE § 15 AGG Nr. 1 – keine Benachteiligung wg. seiner „ethnischen Herkunft“ bei Beendigung der Beschäftigung in einem Landschaftsbaubetrieb wg. „mangelhaften Kenntnissen der deutschen Sprache“; Arbeitgeber hätten generell das Recht, ihre Auswahl für die Besetzung eines Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung der „Kenntnisse des Deutschen in Wort und Schrift“ zu treffen; s. hierzu aber a. LAG BerlinBrandenburg v. 16. 10. 2007 – Az. 7 Ta 1977/07 – zit. nach juris.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
Zusammenhang das Problem, inwieweit es dem Unternehmer zu gestatten ist, einen merkmalorientierten Geschäftsauftritt zu wählen und diesen mittels einer folgerichtigen Außendarstellung, d. h. insbesondere durch eine merkmalsgerichtete Personalauswahl, zu verfolgen.414 Diskutiert wird auch hier die Berücksichtigung der unternehmerischen Freiheit in Fällen, in denen ein spezieller Merkmalsträger für eine bestimmte Arbeitsaufgabe (etwa die Schauspielrolle)415 unabdingbar ist, da ein erfolgreicher Marktauftritt ansonsten faktisch unmöglich wäre.416 Differenzierungen könnten möglich sein zur Betreuung von Migranten und zur Integration von Randgruppen (z. B. türkische Frauen)417 oder bei Vereinigungen von ethnischen Minderheiten zur Betreuung ihrer Mitglieder und zur Vertretung ihrer Interessen im politischen und gesellschaftlichen Umfeld, um authentisch und glaubhaft nach innen und außen handeln zu können.418 Erörtert wird auch hier der Fall, dass der Arbeitgeber sein Geschäft auf einen bestimmten Nachfrageaspekt hin ausrichtet, etwa mithilfe von Darbietungen aus einem speziellen Kulturkreis beim Betrieb eines Nationalitätenrestaurants.419 Dabei ist fraglich, ob der Unternehmer darauf bestehen kann, dass seine Mitarbeiter ein der Nationalität angepasstes Erscheinungsbild haben, um das Konzept glaubwürdig vermitteln zu können.420 Ähnliches gilt für den Wunsch einer Touristik414
Für eine Differenzierungsmöglichkeit Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 29 f.; Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (400). Differenzierend Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 20. 415 Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25 – bei entspr. Entscheidung des Regisseurs; Voggenreiter, in: Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 21; Lingemann/ Müller, BB 2007, S. 2006 (2011). Möglich sei z. B. die Besetzung der Rolle des Martin Luther King mit einem schwarzer Schauspieler (Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 20) oder die Rolle eines Asiaten in einem Film mit aiatisch aussehenden Menschen (Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26). Nach T. d. L. müsse sich der weiße Schauspieler, der sich für die Rolle eines Schwarzen bewirbt, indes an seinen künstlerischen Fähigkeiten messen lassen und nicht an seiner Hautfarbe (Annuß, BB 2006, S. 1629 (1632); Perreng, FA 2003, S. 293 (295) – z. Zt., als „Othello“ geschrieben wurde, sei die Rolle auch von einem Weißen gespielt worden; ähnlich WendelingSchröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14). 416 Auch hier soll die Differenzierungsmöglichkeit daraus folgen, dass der Arbeitgeber ansonsten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf offene Ablehnung bei der Kundschaft stößt. Siehe bereits o. unter § 5 C. I. 2. b) aa) (2) (b). 417 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 44; Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8, 9; dagegen Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 25 – dies perpetuierte Integrationshindernisse, sichere Beherrschung der jeweiligen Herkunftssprache sei ausreichend. Möglich sein soll aber jedenfalls die gezielte Einstellung eines türkischen Geschäftsführers eines Vereins für Türken in Deutschland mit dem Ziel, Misstände bei der Integration aufzuzeigen und zu überwinden, vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 21 – das Interesse an einer „authentischen“ Interessenvertretung überwiege hier – nicht jedoch bei der Besetzung einer Stelle als Sekretär/-in (ebenso Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 12). 418 Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 70. Zweifelnd Schleusener, in: Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 8, Rn. 35 – allenfalls bei wesentlichen oder leitenden Positionen innerhalb des Verbands. Abl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 32. 419 Vgl. Preis, AR, Bd. I, § 34 I 2b; Thüsing, NZA 2001, S. 1061 (1061). 420 Hierfür u. a. Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 107; Adomeit, HFR 2008, S. 92 (98) (auch der Chef); Bayreuther, NZA 2008, S. 986 (989); Thüsing, RdA 2007, S. 307
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gesellschaft, japanische Staatsangehörige in japanischen Reise- oder Fremdenverkehrsbüros einzusetzen.421 Exemplarisch ist auch das Geschäftsmodell einer Bank zu nennen, die türkische Kunden dadurch besonders erfolgreich ansprechen will, dass sie einen türkischen Geschäftsführer einstellt.422 Unklar ist die Zulässigkeit der Anforderungsprofile „türkischer bzw. türkischstämmiger Türsteher“ in einem überwiegend von Türken oder Deutschen türkischer Herkunft besuchten Lokal423, „türkische(r) Kassierer(in) bzw. Verkäufer(in)“ in einem türkischem Supermarkt424 oder „einheimischer Anwalt“ in einer Regensburger Anwaltskanzlei zur Ansprache von mittelständischem Klientel.425 Erwägenswert ist das Interesse des Arbeitgebers, keinen Juden als Vertriebsbeauftragten in arabische Länder schicken zu müssen.426 Zweifelhaft erscheint eine Differenzierungsmöglichkeit aus modisch-ästhetischen (310). Dies gelte nicht für Koch und Küchenhilfen (Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48); differenzierend Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42, je nachdem, ob der Koch nur kochen oder sich (dabei) auch den Gästen präsentieren soll; dagegen Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 42. Erlaubt sei z. B. die Präferenz für Japaner als Sushi-Meister in japanischem Restaurant, vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 11 ff. – aus Gründen der Authentitität sei die Suche nach einem Japaner möglich. Bestandteil des Marketingkonzeptes müsse es sein, einen Herkunftsbezug zwischen der angebotenen Ware oder Dienstleistung und der äußeren Gestaltung des Betriebs und den Beschäftigten herzustellen (Lokalkolorit eines japanischen Restaurants) (Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14). Weitergehend Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26, 42 – abhängig von dem Restaurantkonzept könne entscheidend nicht nur das (latein-amerik.) Aussehen, sondern auch die tats. ethnische Herkunft sein; dagegen Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7 – äußeres Erscheinungsbild entscheidend, verlangt werden könne daher bayrisches/deutsches Aussehen (nicht: Zugehörigkeit zu dieser Ethnie) in urbayerischer Schankwirtschaft; zur Einteilung des bayerischen als ethnischen Begriff vgl. Müller, DÖD 2007, S. 73, 75. Gleiches gilt im USamerik. Recht, vgl. Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (400); vgl. auch Sec. 5 (2) des britischen Race Relations Act 1976. Insg. abl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 27; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25 – auch andere Personen könnten sich die notwendigen Kenntnisse aneignen und vermutete Präferenzen von Gästen dürften nicht ungefiltert auf die Einstellungspolitik durchschlagen. Will der Unternehmer ein entspr. Ambiente, genüge z. B. eine einheitliche Kleidung (Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 42). Eine ländliche Metzgerei dürfe indische Fachverkäufer nicht aufgrund des fremdländischen Aussehens ablehnen, auch wenn der Metzger sein Geschäft „Deutsche Traditionswurstwaren“ nenne (Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7). 421 Roesner, AGG, Kap. B, S. 115. 422 Das LAG Frankfurt a. M. (v. 17. 03. 2001 EzA Nr. 26 zu § 138 BGB) lehnte den Wunsch einer türkischen Bank, einen türkischen Geschäftsführer einzustellen, im konkreten Fall ab, da die Erforderlichkeit nicht dargelegt wurde – anders als im Falle des Spezialitätenrestaurants charakterisiere die ethnische Herkunft hier nicht die Dienstleistung gegenüber dem Kunden, dieser zahle seine Gebühren nicht für ein „ethnisches Flair“; zust. Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 23; a. A. Kaehler, NZA 2006, S. 519 (536). 423 Dafür Wendeling-Schröder in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14 – gleiches gelte für die Betreuung russlanddeutscher Jugendlicher durch einen Sozialarbeiter entspr. Herkunft; Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 16. 424 Ähnlich Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 116. 425 Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 116. 426 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 58.
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Erwägungen, etwa in Bezug auf die hautfarbliche Zusammensetzung einer Gesangsgruppe427 oder die bevorzugte Einstellung deutscher Arbeitnehmer durch Automobilbauer unter dem Hinweis darauf, dass nur auf diese Weise das „Made-in-Germany“Image bewahrt werden könne.428 Zur Wahrung des Betriebsfriedens könnte der Arbeitgeber berechtigt sein, die Einstellung von Arbeitnehmern mit bestimmter ethnischer Herkunft abzulehnen, sofern es hierdurch zu Spannungen im Rahmen der Belegschaft kommen könnte.429 Abgesehen von diesen umstrittenen Bereichen ist man sich jedoch einig, dass eine Differenzierung aufgrund bloßer Vorurteile oder Wünsche nach gleicher Gruppenzugehörigkeit (des Arbeitgebers bzw. Dritter) grundsätzlich unzulässig sein soll; dies gelte insbesondere für das Argument, die Kundschaft möge keine arabischen (z. B. marokkanischen)430, türkischen oder schwarzen Geschäftspartner bzw. Dienstleistende.431 Hier stellt sich wiederum die Frage, ob und inwieweit der Unternehmer auf ein solches konkret diskriminierendes Verhalten Dritter gegenüber dem Diskriminierten reagieren kann, um Schaden vom Diskriminierten und von seinem Unternehmen abzuwenden. 3. Zwischenergebnis Der gesellschaftliche Konsens, der hinter diesem Diskriminierungsverbot steht, gilt als allgemein anerkannt.432 Probleme ergeben sich erst an der Schnittstelle zur unternehmerischen Freiheit. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an Beschäftigungen, in denen das Aufweisen einer bestimmten Hautfarbe oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe zu einer breiteren Kunden- bzw. Publikumsakzeptanz führen kann, wie etwa die Beschäftigung einer Bedienung in einem Nationalitätenrestaurant. Hier muss die Grenze gezogen werden zu Benachteiligungen von Merkmalsträgern, die aufgrund bloßer Ressentiments der Kunden getroffen werden. Im letzteren Fall ist auch hier zu überlegen, ob den Arbeitgeber eine unbegrenzte Schutzpflicht zugunsten eines so diskriminierten Arbeitnehmers trifft oder ob der Un-
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Vgl. dazu Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 107. Vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 24. Ausgeschlossen sei die Einrichtung der Wunschkategorie „deutscher Fahrer“ bei einer Taxizantrale (Schiek, AGG, § 3, Rn. 15 u. Hinweis auf OLG Düsseldorf v. 28. 05. 1999 ZIP 1999, S. 1357). 429 Beispielhaft wird die Einstellung eines Serben in ein Unternehmern genannt, in dem zahlreiche Kroaten arbeiten (Thüsing, Arbeistrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 341; zust. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 44 – in Analogie zu § 20 I 2 Nr. 1 AGG). Zu diesem Schutzmotiv des Arbeitgebers vgl. a. Adomeit, in: FS f. Westermann (2008), S. 19 (27); abl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 28 f.; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14. 430 Vgl. hierzu EuGH v. 10. 07. 2008 NZA 2008, S. 929 (929 ff.) = NJW 2008, S. 2767 (2767 ff.) (Feryn) – Az. C-54/07; s.a. AblEU Nr. C 82/21 v. 14. 04. 2007. 431 So Schieck, AuR 2003, S. 44 (48). 432 Das Konfliktpotenzial der Bestimmungen soll daher gering sein (so Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3443)). 428
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ternehmer notfalls Maßnahmen gegenüber dem Diskriminierten zur Vermeidung einer fortgesetzten Belästigung ergreifen kann.
V. Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit Einem Arbeitgeber soll es grundsätzlich auch verwehrt sein, seine Arbeitnehmer nach dem Merkmal der Staatsangehörigkeit, dessen Anwendungsbereich sich teilweise mit dem der vorgenannten Merkmale der Rasse und ethnischen Herkunft überschneidet,433 auszuwählen bzw. rechtserhebliche Maßnahmen hieran auszurichten. 1. Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene Der entsprechende Diskriminierungsschutz findet sich maßgeblich auf europäischer Ebene. So bietet Art. 14 EMRK einen Ansatzpunkt für den Schutz vor Benachteiligungen, zu deren Rechtfertigung der EuGHMR besonders schwerwiegende Gründe verlangt.434 a) Art. 18 Abs. 1 AEUV (vormals: Art. 12 Abs. 1 EG) Nach dem Amsterdamer Vertrag verbietet Art. 18 Abs. 1 AEUV (vormals: Art. 12 Abs. 1 EG) im Anwendungsbereich des Vertrages unbeschadet besonderer Bestimmungen435 jede Diskriminierung von Unionsbürgern aus Gründen der Staatsangehörigkeit436 und erfasst dabei sowohl unmittelbare (offene und verdeckte) als auch mit433
Vgl. bereits o. unter § 5 C. IV.; zum Verhältnis der beiden Verbote zueinander: Pfeiffer, in: FS Canaris (2007), S. 981 (985) unter Hinw. auf den 13. Erwägungsgrund der RL 2000/43/ EG. 434 Zu den Anforderungen des EuGHMR vgl. Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 12 f. Daneben bieten die Grundfreiheiten des EG Schutz vor Diskriminierungen wg. der Staatsangehörigkeit (vgl. EuGH v. 11. 04. 2000 NZA 2000, S. 648 (652) (Deli¦ge); Gubelt, in: v. Münch/ Kunig, GG I, Art. 12, Rn. 4 unter Hinw. auf die damit verbundenen Auswirkungen auf die Berufsfreiheit). s. a. Art. 28, Art. 67 EGV a. F.; zahlreiche Assoziierungsabkommen enthalten entspr. Diskriminierungsverbote für Staatsangehörige aus den assoziierten Staaten (s. nur Art. 13 III AKP-EG-Partnerschaftsabkommen; hierzu Kreis/Schmid, NZA 2003, S. 1013 (1014)). Von den Anti-Diskriminierungsrichtlinien wird das Merkmal der Staatsangehörigkeit hingegen nicht erfasst – s. Art. 3 II RL 2000/43/EG; indes kann eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit eine verdeckte oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft umfassen, sodass hierüber eine Differenzierung Beschränkungen unterliegt (vgl. etwa ArbG Wuppertal v. 10. 12. 2003 LAGE BGB 2002 § 626 Nr. 2a). 435 Vgl. Rossi, EuR 2000, S. 197 (205, 208). 436 s. auch Art. I-4 II, II-81 II EVerfE; vormals Art. 6 I EGV; Teil I, II Nr. 18 ESC Art. 15 II, III GRCh. Zum Verbot: EuGH v. 13. 12. 1984 Slg. 1984, S. 4277 (4288) (Haug-Adrion); zurückhaltend Reichold, ZfA 2007, S. 257 (261). Gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV verstoßende nationale Regelungen dürfen nicht angewendet werden mit der Folge, dass der EG-Ausländer wie
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telbare Diskriminierungen.437 Der EuGH hat eine unmittelbare Bindung Dritter an das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV und damit dessen grundrechtsähnlichen Charakter bejaht.438 Umstritten ist die Frage, ob eine Rechtfertigung durch objektive Gründe möglich ist.439 Jedoch erlaubt es nur eine grundsätzliche Rechtfertigungsmöglichkeit, die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles hinreichend zu würdigen; zwingende Ausnahmegründe sind bei jedem verbotenen Merkmal vorstellbar.440 Hier kann das Korrektiv der Verhältnismäßigkeit dafür Sorge tragen, die entgegenstehenden Interessen in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen.441 Wie auch im Rahmen anderer Diskriminierungsverbote ist ein ausnahmslos wirkendes Diskriminierungsverbot daher abzulehnen. b) Europäische Grundfreiheiten Ergänzt und konkretisiert wird das Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV durch die Ausgestaltung zentraler Grundfreiheiten, welche die Staatsangehörigkeit zum geschützten Merkmal schlechthin machen.442 Art. 45 AEUV gewährleistet als „spezifische Ausprägung“ des in Art. 18 Abs. 1 AEUV garantierten Grundsatzes der Gleichbehandlung die Freizügigkeit der Arbeitnehmer443 und legt in seinem Abs. 2 fest, dass die Freizügigkeit jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer (der Mitgliedstaaten) und ihrer Angehörigen in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen verein Inländer zu behandeln ist. Eine diskriminierende Bestimmung in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen (Kollektiv-)Vereinbarungen ist unwirksam (Wissmann, in: ErfK, Art. 39 EG, Rn. 53). 437 Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (393). Dies führt im Bereich der Berufsfreiheit zu einer vom Europarecht geforderten Gleichbehandlung von Deutschen und anderen EU-Bürgern (Störmer, AöR 123 (1998), S. 541 (552)). 438 EuGH v. 11. 04. 2000 NZA 2000, S. 648 (652) (Deli¦ge); v. 09. 06. 1977 EuGH Slg. 1977, 1091 (1128) (van Ameyde). Differenzierend Rossi, EuR 2000, S. 197 (216). s. a. Leible, JA 2000, S. 830 (831), Fn. 1. Allerdings muss ein Sachverhalt mit Bezug zum Gemeinschaftsrecht vorliegen (EuGH v. 23. 09. 2008 NZA 2008, S. 1119 (1120) (Bartsch); v. 13. 11. 1990 Slg. 1990, S. 4087 (4093) (Marshall)). 439 Vgl. hierzu u. a. Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 12 EGV, Rn. 37 ff.; Tettinger/Stern, GRCh, Art. 21, Rn. 33 – striktes Verbot. 440 In diese Richtung Rossi, EuR 2000, S. 197 (213); Störmer, AöR 123 (1998), S. 541 (553). Vgl. a. Art. 2 III RL 2000/78/EG; hierzu Schiek, NZA 2004, S. 873 (876). Die speziellen Diskriminierungsverbote sehen jedenfalls teilweise explizit Ausnahmen für bestimmte Bereiche vor, die aber restriktiv auszulegen sind (Heun, in: Dreier, Art. 3 GG, Rn. 11). 441 Gefordert werden daher regelm. sachliche Diferenzierungsgründe, die dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen (vgl. Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (395)). 442 Zum Verhältnis zw. Art. 18 I. AEUV und den Grundfreiheiten vgl. insb. EuGH v. 13. 12. 1984 Slg. 1984, S. 4277 (4288) (Haug-Adrion). In vorliegender Untersuchung wird dabei genauer nur auf die sich aus Art. 45 AEUVergebenden Grundfreiheiten eingegangen, da sich hier das Problem der Beschränkung von unternehmerischer Freiheit durch Diskriminierungsschutz stellt. 443 Hierzu näher Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 3; vgl. auch Art. 3 I c EG (a.F.).
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bietet.444 Grundsätzlich erfasst die Freizügigkeit – in Übereinstimmung mit Art. 18 AEUV – aber nur die Fälle, die einen relevanten Auslandsbezug aufweisen oder in denen die Mitgliedstaaten Gemeinschaftsrecht umsetzen oder vollziehen, so dass der Anwendungsbereich des Vertrages betroffen ist.445 Sekundärrechtlich wird die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch die VO 1612/68 konkretisiert.446 Das in Art. 7 Abs. 4 VO 1612/68 enthaltene Diskriminierungsverbot erfasst ausdrücklich auch Einzelverträge zwischen Privaten und dabei alle Aspekte des Arbeitsverhältnisses, seiner Begründung und Ausgestaltung bis zu seiner Beendigung.447 Grenzlinien der Grundfreiheiten markieren grundsätzlich die im AEUV (Art. 36, 45 Abs. 3, 52, vormals: Art. 30, 39 Abs. 3, 46 EG) genannten Rechtfertigungsgründe sowie zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die mit den Grundfreiheiten abzuwägen sind.448 Da das (zunächst staatsgerichtete) Diskriminierungsverbot des Art. 45 Abs. 2 AEUV nunmehr auch private Arbeitgeber bindet, ergibt sich das Problem, dass die in Art. 45 Abs. 3 AEUV aufgeführten Rechtfertigungsgründe zur Beschränkung der Freizügigkeit (Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Ge444 Vgl. EuGH v. 17. 07. 2008 JuS 2008, S. 1011 (1013); Langer, NZA, Beil. Heft 2/2005, S. 83 (83); Pärli, ZESAR 2007, S. 21 (25). Erfasst werden auch hier sowohl unmittelbare (formelle) als auch mittelbare (materielle) Formen von Diskriminierung (Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 41). Auch Private (und damit etwa a. Arbeitgeber) werden nach h. M. durch das Diskriminierungsverbot gebunden, s. EuGH v. 06. 06. 2000 EuGH Slg. 2000 I-4161 (4172) (Angonese); v. 09. 06. 1977 EuGH Slg. 1977, 1091 (1128) (van Ameyde); a. A.: Jarass, EuR 1995, 202 (216); s. a. Art. 7 IV VO 1612/68. In diesem Falle kann der Diskriminierte die Gleichstellung verlangen (zu den Folgen s. Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (397)). Zum Beschränkungsverbot s. EuGH v. 15. 12. 1995 EuGH Slg. 1995 I-4921 (5065 f.) (Bosman); Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (560, 562 ff.). Zu europ. Assoziierungsabkommen BAG v. 22. 03. 2000 NZA 2000, S. 831 (832). 445 Insb. zur Unbeachtlichkeit der Inländerdiskriminierung s. EuGH v. 15. 12. 1995 EuGH Slg. 1995 I-4921 (5067) (Bosman); Michalski, Arbeitsrecht, Rn. 56. Seit der EuGH auch die Freizügigkeit als Beschränkungsverbot versteht, soll die Trennung zwischen gemeinschaftsrelevantem und internem Sachverhalt indes obsolet geworden sein – so Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 29. 446 In der Präambel der VO 1612/68 ist sogar die Rede von einem Grundrecht der Arbeitnehmer. Art. 1 – 6 VO gewähren das Recht, sich auf jeden Arbeitsplatz ohne Diskriminierung zu bewerben. Speziell der Grds. des Art. 45 Abs. 2 AEUV ist in Art. 7 – 9 der VO niedergelegt. Der weite Begriff der Arbeitsbedingungen macht Regelungen im Arbeitsleben schwer vorstellbar, die nicht dem Gleichbehandlungsgebot unterliegen (s. Wißmann, in: ErfK, Art. 39 EG, Rn. 1, 46, 54). 447 Pärli, ZESAR 2007, S. 21 (24 f.). Eine diskriminierende Weisung oder Vereinbarung ist gem. Art. 7 IV VO 1612/68 unwirksam (Burgi, EWS 1999, S. 327 (330 f.)). An ihre Stelle tritt die Regelung, die für die Nicht-Diskriminierten gilt („Anpassung nach oben“) (EuGH v. 15. 01. 1998 AP Nr. 1 zu Art. 48 EGV). Die Beweislast bei behaupteten Verletzungen des Diskriminierungsverbotes soll – anders als in § 22 AGG – beim Arbeitnehmer bleiben, womit die Arbeitgeberseite praktisch weitgehend entlastet ist (so Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 221). 448 Vgl. nur EuGH v. 28. 03. 1996 EuGH Slg. 1996 I-1905 (1920 f.) (Guiot); v. 15. 12. 1995 EuGH Slg. 1995 I-4921 (5071) (Bosman); z. T. anders Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/ EGV, Art. 39 EGV, Rn. 49 (absolutes Differenzierungsverbot).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
sundheit) für Private faktisch nicht anwendbar sind.449 Damit würde eine uneingeschränkte Anwendbarkeit des Art. 45 AEUV – im Vergleich zu hoheitlichen Adressaten – bei Privaten deutlich restriktiver wirken. In diesen Fällen soll daher der gegenüber Art. 45 Abs. 3 AEUV weiter reichende Rechtfertigungsgrund des Allgemeininteresses gelten.450 Dieser muss nach richtiger Auffassung auch individuelle Wirtschaftsinteressen umfassen, um dem Schutz der Privatautonomie im Rahmen der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten Rechnung tragen zu können.451 Mittelbare Diskriminierungen sind entsprechend allgemeiner Grundsätze zulässig, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit unabhängigen Gründen beruhen, in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen und dabei den sachlichen Unterschieden des zu regelnden Sachverhalts Rechnung tragen.452 Eine Ausnahme vom Verbot wird nach diesem Maßstab etwa für das Bestehen einer gültigen Arbeitsgenehmigung (§ 284 Abs. 1 SGB III, § 4 Abs. 3 AufenthG)453 sowie für Regelungen gemacht, die bestimmte Qualifikationen, insbesondere Sprachkenntnisse voraussetzen.454 Sprachliche Anforderungen stellen zwar in der Regel mittelbare Benachteiligungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, sind aber im Rahmen des für die einzelne Stelle konkret Erforderlichen, d. h. in Berufen, bei denen es besonders auf sprachliche Ausdrucksfähigkeit ankommt, als Zugangsvoraussetzung zulässig.455 Fraglich ist allerdings, ob insoweit nur auf das Sprachvermögen oder auch
449 Vgl. Körber, EuR 2000, S. 932 (946); Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (461); a. A. EuGH v. 15. 12. 1995 EuGH Slg. 1995 I-4921 (5071) (Bosman); Brechmann, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 39 EGV, Rn. 51. Der Schutz der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit sind charakteristische Staatsaufgaben, die nicht (oder nur eingeschränkt) zur Disposition Privater stehen und üblicherweise auch nicht durch von ihnen getroffene Regelungen abgesichert werden. 450 Vgl. nur Heinze, in: KassHdb, 12 Rn. 69 m. w. N.; Körber, EuR 2000, S. 932 (946); Wank/Börgmann, NZA 2001, S. 177 (180); a. A. Preis, AR, Bd. I, § 21 II 1. 451 So Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (461, 463). Ähnlich Michaelis, NJW 2001, S. 1841 (1842) (s. Fn. 16). Ein T. d. L. spricht sich für ein Modell mittelbarer Wirkung über Art. 10 EG (a.F.) aus (Streinz/Leible, EuZW 2000, 459 (467)). Forsthoff (in: EWS 2000, S. 389 (389, 395) will gar jeden sachlichen Grund (regionale Geschäftskonzepte, etc.) anerkennen. Z. T. wird auch eine Abwägung der Rechtsgüter Freizügigkeit einerseits und unternehmerische Freiheit andererseits befürwortet (s. Kelber, NZA 2001, S. 11 (15)). 452 EuGH v. 06. 06. 2000 EuGH Slg. 2000 I-4161 (4174) (Angonese). 453 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 45; Müller, DÖD 2007, S. 73 (75). 454 s. Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 215; Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (461). Vgl. auch Art. 3 I Unterabs. 2 EWG-VO Nr. 1612/68. 455 Vgl. Busch, AiB 2006, S. 400 (402); Grobys, NJW-Spezial 2006, S. 417 (417). Auch unter Anlegung des Maßstabs der Ausnahmemöglichkeit i.F. einer damit zusammenhängenden Diskriminierung wg. der ethnischen Herkunft – s. bereits o. unter § 5 C. IV. Allerdings besteht eine Ausn. von diesem Grds., wenn für ortsansässige Personen eine bes. Sprachregelung greift, auf die sich Fremde nicht berufen können (EuGH v. 06. 06. 2000 EuGH Slg. 2000 I-4161 (4174 f.) (Angonese)). Zur Zulässigkeit einer Kündigung aufgrund mangelhafter dt. Sprachkenntnisse s. HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 ff. (m. Anm. Schwarze). Zu weitgehend LAG Hamm v. 17. 07. 2008 NZA-RR 2009, S. 13 (13).
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auf die Eigenschaft „Muttersprachler“ abgestellt werden darf.456 Aus Sicht des Unternehmers, dem es um eine an den Erwartungen der Kunden orientierte Außendarstellung geht, stellt sich z. B. die Frage, ob eine Sekretärin am Empfang unter Hinweis auf ihren Akzent, der dem Unternehmensbild widerspreche, zurückgewiesen werden kann.457 In Bezug auf das unternehmerische Interesse an einer möglichst wirksamen Außendarstellung und dessen Stellung zum Diskriminierungsverbot entspricht die Problematik in wesentlichen Zügen den zum Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Rasse und ethnischen Herkunft dargestellten Aspekten. Parallel dazu stellt sich z. B. die Frage, ob ein Arbeitgeber zur Besetzung der Stelle eines Thai-Chi-Lehrers auf einen Arbeitnehmer thailändischer Herkunft bestehen kann, weil er hofft, dass Kunden hiermit eine höhere Kompetenzerwartung verbinden und das Angebot daher besser als etwa bei einem deutschen Lehrer angenommen wird. Die Grenze ist jedenfalls zu solchen Fällen zu ziehen, in denen der Arbeitgeber einen polnischen gegenüber einem deutschen Mitarbeiter benachteiligt, weil er den Deutschen von vornherein für ehrlicher oder fleißiger hält. In Konstellationen, in denen der Arbeitgeber mit konkret diskriminierendem Kundenverhalten konfrontiert wird, stellt sich wiederum das Problem, ob und inwieweit der Unternehmer auf ein solches Verhalten Dritter gegenüber dem Diskriminierten reagieren kann, um Schäden abzuwenden.
2. Nationale Ebene Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit grundsätzlich zulässig.458 Die Benachteiligung wegen der Staatsangehörigkeit wird nach h. M. auch von Art. 3 Abs. 3 GG nicht erfasst.459 Die Sprache wird jedenfalls auch in diesem Rahmen als Qualifikationsvoraussetzung und damit als Differenzierungsgrund akzeptiert.460 § 75 BetrVG normiert ein Verbot der Differenzierung aus Gründen der Nationalität, womit das Gesetz im Gegensatz zur Abstammung und Herkunft die Staatsangehörigkeit (auch von Nicht-EG-Bürgern) meint.461 An dieser Stelle werden dem Arbeitgeber dort Differenzierungsmöglichkeiten eingeräumt, wo sein 456 Abl. Gourmelon, DÖD 2007, S. 241 (243); Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (9); a. A.: Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 13; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 22 – i. d. R. erreichten Nicht-Muttersprachler auch nach jahrelangem Aufenthalt im Ausland kein vollständig gleichwertiges Sprachniveau. Insoweit differenzierend nach der konkreten Anforderung der Tätigkeit: Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 43. 457 Abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 43. 458 Model/Müller, GG, Art. 3, Rn. 18; a. A. Hergenröder, in: HWK, Art. 3 GG, Rn. 135. Eine Differenzierung zw. Deutschen und Ausländern („Deutschen-Grundrechte“) sieht das GG selbst bei verschiedenen Rechten (insb. Art. 12 I GG) vor. 459 Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 51; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 395; a. A. Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 225. 460 Vgl. BAG v. 28. 01. 2010 NZA 2010, S. 625 (626); Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 13. Eine Benachteiligung im Rechtssinne scheidet mithin dort aus, wo jemand mangels erforderlicher Sprachkenntnisse für eine Tätigkeit nicht eingestellt wird. 461 Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 75, Rn. 24.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
Interesse an der Erbringung der Arbeitsleistung betroffen wird.462 Das AGG schließt nach seinem § 1 keine Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit aus,463 sodass auch hier nur ein Schutz vor mittelbaren Diskriminierungen aus Gründen der Rasse und ethnischen Minderheit in Betracht kommt, die indessen bereits durch sachliche Gründe zu rechtfertigen sind. 3. Zwischenergebnis Hinsichtlich des Schutzes vor Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit stellt das europäische Recht die zentralen Anknüpfungspunkte bereit. a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes Nach den vorgenannten Grundsätzen steht fest, dass auch private Arbeitgeber grundsätzlich nicht wegen der Staatsangehörigkeit benachteiligen dürfen. Ist auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht anwendbar, so haben die ausländischen Arbeitnehmer zumindest aufgrund von § 75 BetrVG, Art. 7 VO 1612/68 sowie durch den engen Bezug von Differenzierungsgründen zu den Merkmalen der Rasse und ethnischen Minderheit grundsätzlich Anspruch auf Gleichbehandlung mit den deutschen Arbeitnehmern, wodurch die Privatautonomie des Arbeitgebers insoweit eingeschränkt wird. Durch die Anerkennung von Sprachanforderungen, die eng mit dem Merkmal der Staatsangehörigkeit zusammenhängen, wird unternehmerischen Interessen an einer effektiven Stellenbesetzung Rechnung getragen. b) Problemfälle Soweit der Arbeitgeber darüber hinaus nach der Staatsangehörigkeit differenzieren will, ist zu untersuchen, ob nicht tatsächlich an ein Merkmal angeknüpft wird, welches eine (u. U. mittelbare) Diskriminierung aus Gründen der Rasse und ethnischen Herkunft nahe legt. Aufgrund der begrifflichen Überschneidung mit der „Unterscheidung nach der Herkunft“464 muss auch hier der Wunsch des Arbeitgebers nach 462 Etwa wenn Vorschriften des Ausländerrechts (insb. hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis) die Möglichkeit zur Arbeitsleistung bestimmen, vgl. Reichold, in: HWK, § 75 BetrVG, Rn. 15. 463 Werden „Ausländer“ bzw. „Muslime“ benachteiligt, muss untersucht werden, ob eine etwaige Einbürgerung bzw. Konvertierung der Betroffenen tatsächlich etwas an der Benachteiligung geändert hätte. Falls das nicht der Fall ist, liegt eine mittelbare Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft vor. 464 Vgl. o. unter § 5 C. IV. Z.B. bei der Bewerberauswahl für eine Anstellung in einem griechischen Restaurant. Zu weiteren Problemen vgl. Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (389). Die Affinität zu verschiedenen der Kriterien, wie namentlich Heimat und Sprache, vielfach auch Rasse oder Religion erfordert verschärfte Aufmerksamkeit ggü. etwaigen verdeckten oder mittelbaren Diskriminierungen und bei der Anwendung des allg. Gleichheitssatzes (Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 51).
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einer bestimmten Marktausrichtung zu solchen Differenzierungen abgegrenzt werden, die auf Vorurteilen in Bezug auf eine bestimmte Staatszugehörigkeit beruhen.465 Gerade weil ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot weder in die Anti-Diskriminierungsrichtlinien noch in das AGG aufgenommen wurde, liegt eine gleiche Behandlung dieser Konfliktbereiche nahe.
VI. Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung Für das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion466 oder der Weltanschauung467 ist kennzeichnend, dass es sich auf die Entscheidungsfreiheit von weltlichen Arbeitgebern nicht in dem Maße auswirkt wie auf die Freiheit von sogenannten Tendenzunternehmen (insbesondere von kirchlichen Arbeitgebern). Dies soll im folgenden Verlauf hervorgehoben werden. 1. Diskriminierungsschutz und Kirchenautonomie auf europäischer Ebene Die wichtigsten Anknüpfungspunkte für Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene finden sich in RL 2000/78/EG.468 Die Richtlinie untersagt grundsätzlich jegliche Diskriminierungen aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, so dass 465 Im letzteren Fall stellt sich widerum die Frage nach einer „Einstandsgrenze“. Probleme ergeben sich daneben aus der Rechtsunsicherheit, die gerade im Hinblick auf private Arbeitsverhältnisse in diesem Bereich herrscht und die zum einen daraus resultiert, dass bislang nur EG-Bürger effektiv geschützt werden und der Diskriminierungsschutz der übrigen Staatsangehörigen unklar ist. 466 Zum insg. weiten Begriff der Religion, der die innere Überzeugung über die den Menschen überschreitenden transzendenten Fragen betrifft, jedes religiöse, konfessionelle Bekenntnis umfasst und nicht auf die Zugehörigkeit zu einer best. Kirche oder sonstigen Glaubensgemeinschaft beschränkt ist, vgl. BVerfG v. 24. 09. 2003 BVerfGE 108, S. 282 (297); v. 16. 10. 1968 BVerfGE 24, S. 236 (245); zum Sonderproblem Scientology vgl. BAG v. 22. 03. 1995 NJW 1996, S. 143 (146); Braun, MDR 2004, S. 64 (67 f.). Religiöse Vereinigungen sind von Title VII Civil Rights Act generell ausgenommen (Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322)). 467 Das Merkmal Weltanschauung erfasst die Sinndeutung der Welt im Ganzen, vgl. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 1, Rn. 7; s. a ArbG Berlin v. 30. 07. 2009 NZA-RR 2010, 70 (73 f.). Entscheidend ist ein einer Religion vergleichbarer umfassender Geltungsanspruch (Neureither, JuS 2006, S. 1067 (1068) – „einheitlicher Schutzstandard“). s. a. Annuß, BB 2006, S. 1629 (1631) (Fundamentalkonzepte wie politische Systemvorstellungen). zum europ. Richtlinienverständnis: Maier-Reimer, NJW 2006, S. 2577 (2577), Fn. 3. 468 Daneben enthalten die EMRK (vgl. Art. 14 i.V.m. Art. 9 EMRK) und Art. 17 AEUV Regelungen, die den Diskriminierungsschutz konstituieren (vgl. EuGMR v. 13. 04. 2006 NZA 2006, S. 1401 (1401); Pabel, EuGRZ 2005, S. 12 (13); Schliemann, NZA 2003, S. 407 (408, 410)). Vgl. a. Art. I-52 EVerfE und die Präambel zum Teil II EVerfE; Art. 10 I GRCh; Art. 21 I GRCh.
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die unternehmerische Freiheit dahingehend beschränkt wird, dass nach diesen Merkmalen differenzierende Maßnahmen regelmäßig ausgeschlossen sind. a) Allgemeine Beeinträchtigung säkularer Arbeitgeber Eine Unterscheidung nach der Religion ist nach der Richtlinie für säkulare Arbeitgeber wiederum nur zulässig, wenn sie sich auf eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ bezieht.469 Auch hier soll es dem Arbeitgeber nicht erlaubt sein, eine benachteiligende Maßnahme gegenüber einem Bewerber bzw. Arbeitnehmer auf bloße Vorurteile zu stützen, die etwa in Zusammenhang mit dessen Glaubensrichtung stehen. Andererseits könnte eine Unterscheidung dort möglich sein, wo sich der Unternehmer auf Kunden einer bestimmten Glaubensrichtung ausgerichtet hat, die einen Mitarbeiter mit anderslautender Konfessionszugehörigkeit aufgrund ihrer Glaubensgrundsätze schlechthin nicht akzeptieren würden. Die Bestimmung betrifft die unternehmerische Freiheit säkularer Arbeitgeber damit gleichsam wie die bereits behandelten Diskriminierungsverbote und führt ebenso besonders in den Fällen zu Konflikten, in denen der Unternehmer aus Rücksicht auf die Präferenzen besonderer Kundenkreise einen Arbeitnehmer einer bestimmten Glaubensrichtung einstellen bzw. gerade nicht einstellen möchte. Dementsprechend ist fraglich, ob z. B. eine Anwaltskanzlei mit konservativem Selbstverständnis katholische Bewerber solchen evangelischen Glaubens deshalb vorziehen kann, weil sie erstere a priori als sittsamer oder tugendhafter einschätzt und sich hiervon eine größere Mandantenakzeptanz erhofft. Im Fokus der Diskussion um mögliche Differenzierungsmöglichkeiten stehen Personalentscheidungen aufgrund des Tragens religiöser Symbole wie dem Kopftuch. Erörtert werden – neben der Kopftuchentscheidung des BAG470 – etwa die Weisung des Inhabers eines koscheren Restaurants gegenüber einer muslimischen Serviererin, zur Vermeidung negativer Kundenreaktionen bei der Arbeit kein Kopftuch zu tragen471, ein Kopftuchverbot für den Verkauf in einem Frauenbuchladen472, das Verbot eines Kopftuchs bei einer Friseurin473, das Verbot des Tragens islamischer Kopftücher aufgrund befürchteter Konflikte innerhalb 469 Ebenso Adam, NZA 2003, S. 1375 (1375); vgl. a. die Hinw. v. Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406). Ungenau daher Perreng, FA 2003, S. 293 (295). Dies soll regelm. nicht der Fall sein, da sich die Religionszugehörigkeit grds. nicht auf insoweit neutrale Tätigkeiten auswirke. Zu Fallbeispielen aus dem US-amerik. Recht vgl. Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (407). 470 s. hierzu näher u. unter § 5 C. VI. 3. 471 Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 45. 472 Abl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 43 – die Anforderung habe hier nichts mit dem Unternehmenszweck zu tun. Anders sei dies jedoch bei einer Burka, da diese die Arbeitnehmerin mangels Kommunikationsmöglichkeit i. d. R. ungeeignet für Arbeitseinsätze im Dienstleistungsbereich mache (Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 49; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 22). 473 Dafür Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 3, Rn. 369 – abw. für eine Modeverkäuferin, die mit dem Kopftuch nicht dem Stil des Hauses entspreche; gegen ein Kopftuchverbot für Friseurinnen Lingemann/Müller, BB 2007, S. 2006 (2011).
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der Belegschaft474, der Zwang zum Kopftuch im OP-Saal475. Einreihen lässt sich auch das Verbot eines Supermarktes, der eine einheitliche weiße Dienstkleidung vorgibt, sich in den Farben der Morgenröte zu kleiden gegenüber einem Bhagwan-Anhänger.476 Als weiterer Beispielsfall für eine möglicherweise zulässige Ungleichbehandlung wird der bevorzugte Einsatz eines muslimischen Piloten in Mekka genannt, weil eben nur jener dort zu einer Flugzeuglandung berechtigt wäre.477 Auch hier geht es im Kern jeweils um das Problem der Ausbalancierung des Verhältnisses von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz. b) Berücksichtigung der Interessen von Tendenzbetrieben Augenscheinlich wird das Problem bei Tendenzbetrieben, die sich naturgemäß an einen speziellen „Kundenkreis“ richten, d. h. an Menschen, die ein bestimmter Glaube oder eine bestimmte Weltanschauung verbindet. Sie würden sich in fundamentale Widersprüche begeben, stellten sie in diesem Punkt andersdenkende Arbeitnehmer als Repräsentanten der Gemeinschaft (des „Unternehmens“) ein. Um dieser besonderen Problemlage von Tendenzbetrieben zu begegnen, wurde für Religionsgemeinschaften in Art. 4 Abs. 2 RL2000/78/EG eine besondere Ausnahmemöglichkeit für kirchliche Arbeitgeber geschaffen,478 die es ihnen erlaubt, jedenfalls in den Fällen nach der Religionszugehörigkeit oder der -ausübung zu unterscheiden, in denen es um das Anstellungsverhältnis eines solchen Mitarbeiters geht, der das Unternehmen nach außen repräsentieren soll.479 Nur so kann überhaupt gewährleistet werden, dass 474
Vgl. Schiek, AGG, § 3, Rn. 15. Bachmann, SAE 2003, S. 336 (339); s. a. Thüsing/Wege, ZEuP 2004, S. 399 (417). 476 Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379); zust. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 64. 477 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 57; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 26. 478 Sein S. 1 bestimmt die Reichweite der Zulässigkeit der Ungleichbehandlung und erlaubt für berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen vergleichbaren Organisationen eine Diskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung dann, wenn diese „nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt“ (vgl. hierzu u. a. Belling, NZA 2004, S. 885 (886)). Mit „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ ist grds. nichts anderes gemeint als mit der „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung“ i. S. d. Art. 4 I RL 2000/78/EG (Preis, AR, Bd. I, § 34 I 3b). 479 Zum Erfordernis eines solchen Sonderstatus der Kirchen, der v. a. bestimmt, inwieweit sie zukünftig von ihren Arbeitnehmern besondere Loyalitätsanforderungen erwarten können, vgl. insb. Thüsing, JZ 2004, S. 172 (172, 175). Fraglich ist, wie zu bestimmen ist bzw. wer zu bestimmen hat, welche Art von Tätigkeit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, bzw. ob es überhaupt einen kirchlichen Dienst gibt, der nicht durch das religiöse Ethos geprägt ist (hierzu Joussen, RdA 2003, S. 32 (32, 36) – Gemeinschaftsfestigkeit der (selbstdefinierten) arbeitsrechtlichen Ordnung der Kirchen; nach a. A. scheint eine Einteilung in organisationsnahe und -ferne Tätigkeiten geboten, wobei nur erstere der besonderen Ausnahmemöglichkeit des Art. 4 II der RL unterliegen sollen (so insb. die ältere Rspr., vgl. BAG v. 12. 12. 1984 BB 1985, S. 1647 (1647); beendet durch BVerfG v. 04. 06. 1985 BVerfGE 70, S. 138 (164 f.); s. a. Busch, AiB 2006, S. 467 (468)). Nunmehr kommt es angesichts der Anforderungen der Ausnahmebe475
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die betroffene Religionsgemeinschaft ihren Verkündungsauftrag transportieren und ihr verfassungsrechtlich zugesichertes Selbstbestimmungsrecht ausüben kann. Aufgrund dieser Ausnahmemöglichkeiten besteht bei Tendenzbetrieben der allgemeine Konflikt mit deren unternehmerischer Freiheit tendenziell nur dort, wo sie aufgrund besonderer Nachfragekategorien nach anderen Diskriminierungsmerkmalen als dem der Religion unterscheiden wollen, etwa nach der sexuellen Identität eines Beschäftigten.480 2. Diskriminierungsschutz und Kirchenautonomie auf nationaler Ebene Auch auf nationaler Ebene sind entsprechende Unterscheidungen aufgrund verfassungsrechtlicher (Art. 3 Abs. 3481, 4 GG482) als auch einfachgesetzlicher (§ 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG) Diskriminierungsverbote grundsätzlich untersagt,483 so dass insoweit ähnliche Beschränkungen wie nach europäischen Grundsätzen vorliestimmung zu einer Segmentierung in einen nahen und nicht ganz so nahen kirchlichen Dienst, da etwa das Erfordernis einer best. Religionszugehörigkeit auf sämtliche Beschäftigte kaum darzulegen sein wird, wobei die Grenze von den Kirchen selbst zu ziehen ist (Richardi, ZfA 2008, S. 31 (45, 48 f.)). Insofern ist die Nähe des Arbeitnehmers zum Verkündungsauftrag (Tendenznähe) i. S. der Kirchenvorgaben zukünftig zu berücksichtigen (ähnlich ArbG Köln v. 06. 03. 2008 ZMV 2008, 221 (222) m. Anm. Oxenknecht-Witzsch; ArbG Hamburg v. 04. 12. 2007 ArbuR 2008, 109 (110 f.) zum Fall der Ablehnung einer Muslimin als Integrationslotsin, abl. Lehming, in: taz v. 12. 12. 2007, abrufbar unter http://www.tagesspiegel.de; zust. die Berufungsentscheidung des LAG Hamburg v. 29. 10. 2008 – Az. H 3 Sa 15/08 – zit. nach juris wg. fehlender Eignung der Bewerberin; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 9, Rn. 3; krit. Joussen, NZA 2008, S. 675 (675 ff.); Schnabel, ZfA 2008, S. 413 (437 ff.)). s. entspr. § 4 GrO; Däubler, RdA 2003, S. 204 (206); das Vertragsverletzungsverfahren der Europ. Kommission v. 31. 01. 2008 – NZA 2008, Heft 6, S. VIII f.; Busch, AiB 2008, S. 184 (185). 480 Im dt. Recht macht etwa das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen die Geschlechtszugehörigkeit für Priester zu einer „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung“ i. S. des § 4 I RL 2000/78/EG, so dass die Differenzierung hiernach gerechtfertigt ist (vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 32). Darüber hinaus bleibt es auch in Ansehung des Art. 4 II 3 RL 2000/78/EG nicht den Kirchen überlassen, zu bestimmen, welches Verhalten (z. B. praktizierte Homosexualität) eine Diskriminierung rechtfertigt; hier kann es nach allg. Maßstäben zu einem Diskriminierungsverstoß kommen (Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (328); a. A. Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (14)). 481 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 172. 482 Bislang fand ein Schutz vor Diskriminierungen aus Gründen der Religion seine wichtigste Grundlage in Art. 4 GG, der untersagt, an den Gebrauch der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit konkrete Rechtsnachteile zu knüpfen, wobei hier v. a. §§ 275 III, 315 BGB die „Einfallstore“ für das Grundrecht darstellten, vgl. BVerfG v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 279 (293 f.). Die Bekenntnisfreiheit ist hiernach zumindest beeinträchtigt, wenn der Arbeitnehmer sich vertraglich verpflichten muss, die Zurschaustellung religiöser Bekenntnisse durch Kleidung, Haartracht oder Anstecksymbole zu unterlassen (Dieterich, in: ErfK, Art. 4 GG, Rn. 22; zahlreiche Bspe. bei Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (406)). s. auch Art. II-70 I, II EVerfE. 483 Siehe schon § 319a BGB (RegE) (hierzu Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (466)) und § 75 BetrVG (Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 75, Rn. 20, 25).
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gen.484 Auch hier werden säkularen Arbeitgebern Ausnahmen nach allgemeinen (strengen) Maßstäben (§ 8 Abs. 1 AGG) gewährt.485 Als denkbarer Ausnahmefall wird hier der Koch in einem jüdischen Restaurant genannt, der Jude sein müsse, um Essen koscher zubereiten zu können.486 Wie in den anderen Konstellationen bedarf es hier ebenso einer Abgrenzung zwischen der (noch zulässigen) Ausübung unternehmerischer Freiheit sowie der (verbotenen) Vornahme diskriminierender personeller Maßnahmen. Wie schon auf europäischer Ebene wird auch hier (vgl. § 9 AGG)487 eine zusätzliche besondere Ausnahmemöglichkeit für Religionsgemeinschaften garantiert, die als Ausfluss des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts488 vornehmlich solche Arbeitnehmer betrifft, deren Arbeitsaufgabe eng mit dem Verkündungsauftrag der Religionsgemeinschaft verbunden und dadurch für die Außenwirkung der Gemeinschaft
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Die Frage nach der Religionszugehörigkeit ist hiernach für den säkularen Arbeitgeber grds. unzulässig (vgl. Moritz, NZA 1987, S. 329 (332); gar für ein absolutes Frageverbot: Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1146) – abw. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 I GG, Rn. 512); entspr. gilt für Vereinbarungen, die die Einstellung von der Mitgliedschaft bzw. dem Austritt aus einer Glaubensgemeinschaft oder dem Verzicht auf religiöse Betätigung abhängig machen (LAG Mainz v. 02. 07. 2008 EzA-SD 2008, Nr. 17, 6). 485 Zur Lösung dient nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine einzelfallbezogene Abwägung, bei der die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit des Arbeitnehmers und das Loyalitätsinteresse des Arbeitgebers ausgeglichen werden müssen (so Dieterich, in: ErfK, Art. 4 GG, Rn. 22 f., 69 ff.). Maßgebend hierfür muss sein, inwieweit sich die Ausübung der Glaubensfreiheit des Arbeitnehmers störend auf den Arbeitsablauf oder den Betriebsfrieden auswirkt (LAG Hamm v. 26. 02. 2002 NZA 2002, S. 1090; § 74 II 2 BetrVG; für einen Ausgleich abseits des § 616 BGB Adam, NZA 2003, S. 1375 (1377)). 486 So Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 45 (ebenso für die Anforderung, ein Schächter müsse Jude sein); Adomeit, in: FS f. Westermann (2008), S. 19 (26). 487 § 9 II AGG trifft in Umsetzung von Art. 4 II 2. Unterabs. RL 2000/78/EG eine Regelung zur Verpflichtung der Beschäftigten zu loyalem und aufrichtigem Verhalten. Die Kirchenklausel trägt der Sonderstellung der verfassten Kirchen Rechnung (zu dieser Einschätzung vgl. insb. Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2585)). Vgl. a. § 20 I 2 Nr. 4 AGG und § 6 ADG-E. 488 Durch das in Art. 4 I und II i. V. m. Art. 140 GG, Art. 137 WRV geschützte Selbstbestimmungsrecht wird Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zum Schutz ihrer Glaubwürdigkeit in den Grenzen des allg. Willkürverbots, der Grundrechte, der Nähe zu anderen Diskriminierungsmerkmalen, der „guten Sitten“ (§ 138 I BGB) und des ordre public (Art. 6 EGBGB) ein weiter Tendenzschutz eingeräumt, der das Arbeitsrecht auf der Grundlage der Besonderheiten des kirchlichen Selbstverständnisses in vielfältiger Weise modifiziert (vgl. BVerfG v. 19. 12. 2000 BVerfGE 102, 370 (394); v. 04. 06. 1985 BVerfGE 70, S. 138 (162, 164 f.); BAG v. 16. 09. 1999 NZA 2000, S. 208 (212 f.); s. a. § 118 II BetrVG; Art. 3 II, 4 und 5 GrO kath. Kirche). Es wird insb. Kirchen (u. a. evangelisch, katholisch, neuapostolisch) zugestanden. Es räumt ihnen ein, von ihren Arbeitnehmern entspr. ihrem sog. „Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft“, welches das kirchliche Arbeitsverhältnis beherrscht und die Erfüllung des Sendungsauftrags zum Ziel hat (vgl. Richardi, in: MünchHdbAR, § 192, Rn. 54 ff. unter Hinw. auf die „Gemeinschaft des Dienstes“ (2 Kor 8, 4)), ein Verhalten i. S. gesteigerter Loyalitätspflichten zu verlangen, sofern hierdurch keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Zur Rechtslage in den USA s. Thüsing, RdA 2003, S. 210 (210).
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entscheidend ist.489 Hierüber wird insbesondere gesichert, dass sich der betroffene Mitarbeiter durch sein Verhalten wenigstens nicht (nach außen erkennbar) in expliziten Widerspruch zum inhaltlichen Programm der Religionsgemeinschaft begibt.490 3. Das Interesse säkularer Arbeitgeber an Differenzierungen in der aktuellen Rechtsprechung des BAG Soweit es um unterscheidende Maßnahmen von weltlichen Arbeitgebern geht, die in Konflikt mit dem Diskriminierungsverbot bzw. (hier: Religions-)Grundrechten ihrer Arbeitnehmer stehen, nimmt das BAG im Vergleich zur zuvor dargestellten Ausnahmebereitschaft bei Tendenzbetrieben einen deutlich restriktiveren Standpunkt ein. Dies soll im Folgenden anhand des Kopftuch-Urteils des BAG491 belegt und problematisiert werden.
489 Vgl. insoweit insb. Art. 3 II, 4, 5 kath. GrO (Belling, NZA 2006, S. 1132 (1133)). Entspr. hat die ev. Kirche in § 3 ihrer RL über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit geregelt (Reichold, NZA 2001, S. 1054 (1055)). Das BAG wollte zu der Frage, wann ein kirchlicher Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aufgrund eines (außerdienstlichen) Verhaltens wegen einer Verletzung der Obliegenheiten kündigen kann, zunächst nur gestufte Loyalitätspflichten anerkennen, je nach Nähe der Tätigkeit des Arbeitnehmers zum Verkündigungsauftrag der Kirche (BAG v. 12. 12. 1984 BB 1985, S. 1647 (1647); v. 25. 04. 1978 DB 1978, S. 2175 (2175)). Nach dem Grundsatz-Urteil des BVerfG v. 04. 06. 1985 (BVerfGE 70, S. 138 ff.) rückte das BAG das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in den Mittelpunkt und erkannte Sonderprivilegien zugunsten kirchlicher Arbeitgeber an, die sich auch auf Unterscheidungen aus anderen Gründen, etwa des Geschlechts oder der sexuellen Identität bezogen (BAG v. 17. 04. 1996 BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Kirchlicher Dienst; krit. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 67 – schwer zu rechtfertigen). Grundtenor aller nachfolgenden Entscheidungen ist, dass kein kirchlicher Arbeitnehmer außerhalb der kirchenspezifischen Pflichtbindung steht (BAG v. 16. 09. 1999 NZA 2000, S. 208 (209)). 490 Bspe. bei Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 146, Rn. 11, 28, 31; grdl. Richardi, in: MünchHdbAR, § 193, Rn. 2. Ausschlaggebend ist eine einzelfallbezogene Interessenabwägung, bei der die Kirchenorganisation – anders als ein säkularer Arbeitgeber – ihr Selbstbestimmungsprivileg in die Waagschale werfen kann (vgl. Thüsing, RdA 2003, S. 210 (211 f.), der insofern von einer Absage an eine Grundrechtsabwägung gleichberechtigter Positionen spricht). Hieraus ergibt sich, dass dem kirchlichen Arbeitgeber auch ein Fragerecht nach der Religionszugehörigkeit ihres Mitarbeiters zusteht, soweit es um die religiöse Dimension des Dienstes geht (Wank, in: ErfK, § 28 BDSG, Rn. 8 – s. a. § 28 VI, IX BDSG; Ehrich, DB 2000, S. 421 (426)). Daneben sollen solche Fragen zur persönlichen Lebensführung zugelassen werden, die auf die kirchenspezifischen Loyalitätsobliegenheiten zielen (Reichold, NZA 2001, S. 1054 (1060)). Der Ausnahmetatbestand lässt Differenzierungen aus Gründen der Religion oder Weltanschauung i.S. der überkommenen Maßstäbe auch künftig zu, hinsichtlich der übrigen Merkmale des § 1 AGG jedoch in einem wesentlich geringeren Maße, da sich die Privilegierung auf Benachteiligungen wg. der Religion oder Weltanschauung beschränkt (z. T. abw. Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 480 ff.). 491 Entscheidung vom 10. 10. 2002; Az.:2 AZR 472/01 – Pressemitteilung 72/02; BAG RdA 2003, 240 ff. = NZA 2003, S. 483 ff. = BAG AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung (m. zust. Anm. Adam).
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a) Das Kopftuch-Urteil des BAG Das BAG hatte hierbei die Kündigung einer Verkäuferin wegen des Tragens eines Kopftuchs zu beurteilen, deren Arbeitgeberin negative Reaktionen befürchtete.492 Das BAG hielt die Kündigung für rechtsunwirksam. Die Klägerin sei in der Lage, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Verkäuferin auch dann noch zu erfüllen, wenn sie bei ihrer Tätigkeit ein Kopftuch trage.493 Das Gericht stellte im Rahmen des § 315 Abs. 1 BGB den Rechten der Arbeitnehmerin aus Art. 4 GG die geschützte unternehmerische Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers gegenüber und kam zu dem Ergebnis, dass das unternehmerische Interesse im konkreten Fall zurückzustehen habe, da Beeinträchtigungen des Arbeitgebers nicht durch hinreichend konkreten Sachvortrag belegt worden seien.494 Ihm hätte es oblägen, über Vermutungen und Befürchtungen hinaus reale Gefährdungen konkret darzulegen, da es grundsätzlich keinen Erfahrungssatz gebe, dass es bei der Beschäftigung einer Verkäuferin mit einem islamischen Kopftuch in einem Kaufhaus notwendigerweise zu erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen des Unternehmens, insbesondere durch negative Reaktionen von Kunden komme.495 Der Beklagten sei es zuzumuten, die Klägerin 492
Das Kaufhaus, bei dem die Arbeitnehmerin beschäftigt war, begründete die Kündigung mit dem Willen, seinen Kunden einen noblen und exklusiven Eindruck vermitteln zu wollen. Das Tragen eines „islamischen Kopftuchs“ im Verkauf sei nicht mit der erklärten Geschäftspolitik des Kaufhauses zu vereinbaren, durch das Angebot hochpreisiger Markenware das obere Marktsegment zu besetzen. Da Kunden, die bereit seien, viel Geld für exklusive Kleidung auszugeben, dezent und unauffällig gekleidetes Verkaufspersonal erwarteten, seien Umsatzeinbußen nicht auszuschließen. Man habe einen ländlich-konservativ geprägten Kundenkreis, der mit Ablehnung auf ein Kopftuch reagieren würde, was zu Umsatzeinbußen führen würde (hierzu Junker, Arbeitsrecht (2006), § 1, Rn. 63). Diese Ansicht wurde in den ersten beiden Instanzen bestätigt: Das LAG Hessen (AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gewissensfreiheit) betonte, dass sich die Beklagte auf Grundrechte berufen könne, die mit denen der Klägerin in einem Spannungsverhältnis stünden. Es könne von der Beklagten nicht verlangt werden, die Klägerin – zumindest probeweise – kopftuchtragend zu beschäftigen, um die Reaktionen darauf herauszufinden. Dadurch würde in die geschützte Erwerbstätigkeit der Beklagten und in ihr Eigentumsrecht eingegriffen, hierzu Hoevels, NZA 2003, S. 701 (702). 493 Hierduch werde weder ein von der Klägerin zu führendes Verkaufsgespräch unmöglich gemacht noch ein von ihr betreuter Verkaufsvorgang so behindert, dass nicht mehr von einer branchenüblichen Tätigkeit einer Verkäuferin einerseits oder von einer wirtschaftlich wertlosen Arbeitsleistung der Klägerin oder einer den Arbeitgeber schädigenden Tätigkeit gesprochen werden könne (BAG v. 10. 10. 2002 RdA 2003, S. 240 (242)). Anderes gilt bei einer Lehrerin im Beamtenverhältnis auf Grund der Besonderheiten des öffentlichen Dienstrechts und des Art. 33 II GG (vgl. BAG v. 10. 12. 2009 AP Nr. 7 zu § 4 GG; LAG Düsseldorf v. 10. 04. 2008 – Az. 5 Sa 1836/07 – zit. nach juris (anhängig BAG, Az: 2 AZR 499/08); ArbG Wuppertal v. 29. 07. 2008 – Az.: 4 Ca 1077/08 – zit. nach juris; ArbG Köln v. 06. 03. 2008 ZMV 2008, S. 221 (222) m. Anm. Oxenknecht-Witzsch; ausf. Baer/Wrase, KritV 2006, S. 401 (401 ff., m. w. N.); vgl. a. BAG v. 12.08.2010 – 2 AZR 593/09 – n. v.). 494 Es seien keine Tatsachen vorgetragen bzgl. konkreter betrieblicher Störungen oder wirtschaftlicher Einbußen (BAG v. 10. 10. 2002 RdA 2003, S. 240 (244); hierzu Schrader/ Schubert, Das neue AGG (2006), Kap. 3, Rn. 331 unter Hinw. auf § 1 II 4 KSchG). 495 Grundrechte könnten nicht auf einen möglichen „Verdacht“ hin beiseite gestellt werden (BAG v. 10. 10. 2002 RdA 2003, S. 240 (244); zust. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 9; zum
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als Verkäuferin weiterhin einzusetzen und ggf. abzuwarten, ob sich ihre Befürchtungen in nennenswertem Maße realisieren.496 b) Rechtliche Bedenken in Bezug auf die ausreichende Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit Betroffen ist mit dem Urteil die Zulässigkeit einer arbeitgeberseitigen Differenzierung aus Gründen der Religion bzw. die Reichweite des hierauf bezogenen Diskriminierungsverbots.497 Probleme ergeben sich aus dem Zusammenspiel mit unternehmerischen Interessen. aa) Das BAG hat bei der Prüfung einer möglichen Kündigung die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte „Unternehmerfreiheit” ausdrücklich als wichtigen Belang in den Abwägungsprozess eingestellt.498 Einige Autoren halten die unternehmerischen Interessen hiermit für ausreichend berücksichtigt.499 Nach einigen Stimmen bestehe schon gar keine verfassungsrechtliche Gegenposition des Arbeitgebers, sondern lediglich sein Vertragserfüllungsanspruch sowie die unsubstantiierte Befürchtung wirtschaftlicher Nachteile.500 Beurteilungsmaßstab: Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 9, 22). 496 Das BVerfG hat die Berücksichtigung des Art. 12 I GG zugunsten beider Streitparteien sowie des Art. 4 GG zugunsten der Arbeitnehmerin durch das BAG für verfassungsgemäß erachtet (BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959 f.)). 497 Der Arbeitgeber differenziert hier nicht allg. nach Kopftüchern, sondern (mittelbar) nach der Religion (ebenso Adomeit/Mohr, AGG, § 1, Rn. 75, § 8, Rn. 60; i. Erg. ähnlich Hanau, ZIP 2006, S. 2189 (2191); s. aber a. Fuchs/Marhold, Europ. Arbeitsrecht, S. 116) und darüber hinaus evtl. aus Gründen des Geschlechts sowie der Rasse und ethnischen Herkunft (Thüsing, JZ 2006, S. 223 (224 ff.) – zu den Rechtfertigungsanforderungen einer solchen intersektionellen Diskriminierung, vgl. bereits o. unter § 5 A. II. 2. Auch wenn sich das Urteil mit einem grundrechtlichen Konflikt befasst, steht dennoch das Verhältnis der Freiheit zum Diskriminierungsschutz im Zentrum rechtlicher Erwägungen (ähnlich Bachmann, SAE 2003, S. 336 (339)). Die Entscheidung des BAG erging vor In-Kraft-Treten des AGG. Aus heutiger Sicht müsste die Prüfung eher am Maßstab von Diskriminierungsschutzvorschriften erfolgen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man § 2 IVAGG mit der h.L. für europarechtswidrig hält (vgl. o. unter § 5 B. III. 2. a)). Zum US-amerik. Recht vgl. EEOC vs. Mayer, Brown & Platt, Case No. 98 C. 6084 (E.D. Ill. Sept. 1998); Hussain vs. MCSL, No. EAT/915/00 (2002) Emp. L. R. 713. 498 BAG v. 10. 10. 2002 RdA 2003, S. 240 (244). 499 Vgl. statt vieler nur Dieterich, AR-Blattei ES 1020 Nr 370. Das maßvolle Urteil belasse durch seinen Rekurs auf den (Un-)zumutbarkeitsbegriff Möglichkeiten differenzierender Lösungen, und damit für andere Bewertungen in ähnlichen Fällen und ermögliche eine flexible Eingrenzung relevanter wirtschaftlicher Störungen (vgl. Preis/Greiner, RdA 2003, S. 244 (244 ff., 248)). I. Erg. könne die Vertragsautonomie einiges mehr aushalten (i. Erg. ebenso Thüsing/Wege, ZEuP 2004, S. 399 (422)). Vgl. auch das Bsp. aus der Rspr. bei Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 102, bei dem einem Verkäufer bei McDonalds Turban statt Papiermütze genehmigt wurde (vgl. ArbG Hamburg v. 13. 01. 1996 ArbuR 1996, S. 243 (243 f.)). 500 Der Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers werde nur scheinbar weit eingeschränkt, da er die Möglichkeit habe, bei der Arbeitsvertragsgestaltung individuelle Regelungen zu treffen (Preis/Greiner, RdA 2003, S. 244 (246 ff.); ebenfalls für eine vertragliche Regelungsmög-
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In Anbetracht des Abwägungsergebnisses erscheint es jedoch fraglich, ob die hier erfolgte Rücksichtnahme auf unternehmerische Freiheit im Verhältnis zu deren hohen Stellenwert ausreichend war.501 Entgegen der ersten Ansicht kann sich der Arbeitgeber hier auf eine verfassungsrechtlich geschützte Position, nämlich seine unternehmerische Freiheit berufen, die es ihm als positive Handlungsfreiheit erlaubt, das Unternehmen nach seinen Vorstellungen zu führen.502 Der Arbeitgeber will hier ein besonderes Marktsegment besetzen, das auf den Verkauf hochpreisiger Produkte an gutsituierte Kunden ausgerichtet ist und verlangt hierfür von seinen Mitarbeitern ein optisches Auftreten, welches den Erwartungen der Nachfrageseite am ehesten entspricht; er geht hierbei nachvollziehbar davon aus, dass ein Kopftuch dem gewünschten äußeren Erscheinungsbild – unabhängig von (eigenen) religiösen oder ausländerfeindlichen Vorbehalten – entgegensteht. Gerade die Außendarstellung eines Unternehmens, die in erster Linie mittels eines authentischen Auftretens der Arbeitnehmer mit Kundenkontakt vermittelt werden kann, ist ein zentraler Punkt unternehmerischer Freiheit, die gerade die Chancen eines erfolgreichen Marktauftritts sichern will. Der hier vom Kaufhausbetreiber dargelegte unternehmerische Wille, sich mithilfe seiner Geschäftspräsentation in ein hervorgehobenes Marktsegment einzuordnen, steht als greifbare Ausprägung der Freiheit für sich genommen bereits unter dem besonderen Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG. Wird dieses Recht des Unternehmers auf einen selbstbestimmt-variablen Marktauftritt beschränkt, ist das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit betroffen.503 Statt einer pauschalen Einstellung unternehmerischer Freiheit in den Abwägungsprozess hätte sich hiernach eine genaue Einordnung und Bewertung des vorliegenden unternehmerischen Interesses in Abgrenzung zu sonstigen differenzierenden unternehmerischen Maßnahmen angeboten. Dabei hätte Aufmerksamkeit finden können, dass der Vortrag hinsichtlich der Kundenorientierung in diesem Fall offenbar gerade nicht dazu diente, diskriminierende Motive des Arbeitgebers zu verdecken,504 so dass lichkeit: Bachmann, SAE 2003, S. 336 (341 f.); dagegen Lingemann/Müller, BB 2007, S. 2006 (2011)). Die Anforderung habe nichts mit dem Unternehmenszweck zu tun (Meinel/Heyn/ Herms, AGG, § 8, Rn. 43). 501 Faktisch hatte das vorgetragene unternehmerische Bedürfnis keinerlei Auswirkung auf die Urteilsentscheidung, so dass der Gedanke nahe liegt, das Gericht habe die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers wohlmöglich zu geringeschätzt (weitergehend: Thüsing, NJW 2003, S. 405 (405 ff.) („Vertragsfreiheit ade?“); vorsichtiger Preis/Greiner, RdA 2003; S. 244 (244); s. a. Dieterich (in: ErfK, Art. 4 GG, Rn. 23). 502 Ebenso Bachmann, SAE 2003, S. 336 (337). Anders vom Ansatz her wohl das BAG, das die Freiheit eher negativ als Schutz vor Gefährdungen des Betriebsablaufs bzw. des wirtschaftlichen Erfolgs versteht (Bittner, Jura 2004, S. 39 (41)). 503 So i. Erg. a. die Feststellung von Bachmann, SAE 2003, S. 336 (337). A. A. offenbar Bittner, Jura 2004, S. 39 (41), die die Unternehmerfreiheit aufgrund mangelnder erheblicher wirtschaftlicher Beeinträchtigungen nicht betroffen sieht. 504 Ein legitimes betriebliches Interesse an der Umsetzung eines Dienstkleidungs-Konzepts ergibt sich in diesem Fall aus dem glaubhaft vorgetragenen Unternehmerinteresse, seine Kunden von adäquat bekleidetem Verkaufspersonal bedienen zu lassen. Die Anweisung des Personals unter optischen Kriterien ist zunächst einmal unterschiedslos und damit unabhängig
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es nicht um die Freiheit des Arbeitgebers ging, religiösen Vorurteilen Rechnung zu tragen,505 sondern um dessen Bestreben, sein Unternehmen erfolgreich zu führen.506 Unter diesem Bewertungsgesichtspunkt hätte dann eine präzisere Abwägung mit den Belangen der Arbeitnehmerin erfolgen können.507 Eine dem Grundgedanken unternehmerischer Freiheit zuzuordnende Maßnahme hätte als besonderer Abwägungsaspekt bemessen werden können, der nicht erst im Zusammenspiel mit konkret nachgewiesenen Nachteilen Bedeutung erlangt. Speziell durch die Beachtung marktorientierter unternehmerischer Betätigung gewänne der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG an dieser Stelle an Substanz. bb) Zumindest im Hinblick auf die europarechtlichen Vorgaben wurde die Entscheidung oftmals akzeptiert; insbesondere sei der Verzicht auf ein islamisches Kopftuch keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne der RL 2000/78/EG.508 Das Unternehmen hat sich hier jedoch infolge der Betätigung seiner Entscheidungsfreiheit auf ein Marktsegment hin ausgerichtet, ohne die Arbeitnehmerin aufgrund von Ressentiments benachteiligt zu haben. Damit stellt sich vor der Subsumtion unter einen Ausnahmetatbestand bereits die Frage nach der Anwendbarkeit der Diskriminierungsverbote im Hinblick auf deren Schutzzweck, der vorrangig auf die Bekämpfung von Benachteiligungen gerichtet ist, die auf Vorurteilen basieren.509 Erst hiernach wäre zu bemessen, inwieweit unternehmerische Freiheit im Rahmen der Auslegung sowohl europäischer als auch deutscher Ausnahmetatbestände Eingang finden kann.510 Fraglich wäre danach in concreto, ob es sich bei der Kopftuchfreiheit um eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung handelt oder ob dies von geschützten Merkmalen, d. h. diskriminierungsfrei. Will man hier der besonderen Bedeutung des Kopftuchs als religiösem Symbol Rechnung tragen, dann kann dieser Grds. durchaus dahingehend durchbrochen werden, dass im Einzelfall eine Kleidungsvorschrift hinter die religiöse Motivation des Arbeitnehmers zurücktreten muss. Die Unternehmerfreiheit gebietet jedoch u. U., dass die Zumutbarkeitsgrenze dort gezogen wird, wo wirtschaftliche Interessen des Unternehmers beschränkt werden. 505 Vgl. demgegenüber den Kommentar Thüsings (in: NJW 2003, S. 405 (407)) zum Urteil: Die Freiheit des Arbeitgebers, religiösen Vorurteilen Rechnung zu tragen, sei vielleicht die Freiheit, die am ehesten verzichtbar sei. Auch Bittner (in: Jura 2004, S. 39 (43)) geht ohne weiteres davon aus, der ländlich-konservative Kundenkreis hätte nichts gegen ein Kopftuch als solches nichts gehabt, weil dieses von „Marktfrauen“ ja durchaus getragen werde. 506 Dass die unternehmerische Freiheit dabei oftmals von wirtschaftlichen Interessen geprägt ist, liegt in ihrer Natur – ändert aber nichts an deren Schutzwürdigkeit. 507 Im Rahmen der Abwägung des BAG fehlt zudem der Aspekt, dass die kopftuchtragende Verkäuferin ihrerseits die Reliogionsfreiheit ihrer Kollegen und Kunden strapaziert (vgl. hierzu Bachmann, SAE 2003, S. 336 (338 f.)). 508 Vgl. nur Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406); ders., NJW 2003, S. 3441 (3443 f.). 509 Näher zu den Zielen des Diskriminierungsschutzes u. unter § 7 A. I. 2. 510 Im konkreten Fall wäre zu beachten, dass das Kaufhaus nicht direkt nach der Religion der Arbeitnehmerin unterscheidet, sondern nach dem äußeren Erscheinungsbild der Verkäuferin, so dass es sich um eine mittelbare Benachteiligung handelt, die durch jedes sachliche unternehmerische Interesse gerechtfertigt werden kann (s. o. unter § 5 A. II. 3.).
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erst in erheblicheren Fällen, wenn z. B. die Verkäuferin kein Kopftuch, sondern eine Burka tragen möchte,511 angenommen werden kann. cc) Daneben kennt das Gebot der Durchsetzung der Diskriminierungsschutzziele nach der BAG-Entscheidung eine Zumutbarkeitsgrenze zugunsten von Arbeitgebern. Erforderlich ist mithin die nähere Bestimmung dieser „Erheblichkeitsschwelle“ als zentraler Frage der Problematik besonderer Belastungen von Unternehmern durch Diskriminierungsschutz.512 Das BAG mahnte die mangelnde Substantiierung der befürchteten wirtschaftlichen Nachteile an und mutete es der Arbeitgeberin zu, die Arbeitnehmerin weiter zu beschäftigen und den Eintritt etwaiger Nachteile erst abzuwarten.513 Als Problem ergibt sich hieraus die Nachweisbarkeit erheblicher Störungen, verbunden mit der Frage des zu fordernden Grades der Erheblichkeit.514 Es besteht zudem die Gefahr, dass selbst wenn wesentliche Beeinträchtigungen nachgewiesen werden, es wohl aufgrund der Vielfältigkeit der Verkaufsfaktoren regelmäßig eine unüberwindbare Hürde bedeuten würde, diese Beeinträchtigungen tatsächlich auf das Kopftuch zurückzuführen zu müssen.515 Hinsichtlich dieser Gesichtspunkte liegt eine Berücksichtigung des Umstandes nahe, dass im konkreten Fall diskriminierende Aspekte nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von Seiten Dritter, nämlich der Kunden herrührten. Demzufolge bedarf es insoweit zumindest der Überlegung, ob man derart weitgehend von einer Inpflichtnahme des Arbeitgebers für das (diskriminierende) Verhalten von Kunden ausgehen kann oder ob sich unter diesem Aspekt eine objektive Grenze von Diskriminierungsschutz herleiten lässt.
511
Für eine solche Differenzierung Bittner, Jura 2004, S. 39 (41 ff.). Dazu ist die Frage zu beantworten, wo diese Zumutbarkeitsgrenze hier und in vergleichbaren Fällen zu ziehen ist, bzw. welche Rechtsfolgen hieran geknüpft werden können und ob in jedem Fall eine Kündigung in Betracht zu ziehen ist. 513 BAG v. 10. 10. 2002 RdA 2003, S. 240 (244). Vgl. hierzu die Anm. v. Adam (im Anschluss an AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung). 514 Vgl. Adomeit/Mohr, AGG, § 1, Rn. 74, § 8, Rn. 60 – jedenfalls bei mittelbarer Benachteiligung sei Gefahr von Umsatzeinbußen ausreichend; Rost, NZA, Beil. Heft 1/2004, S. 34 (39). Ein T. d. L. empfindet diese Anforderung des BAG als wenig problematisch, denn der Rekurs auf den Zumutbarkeitsbegriff erspare dem Gericht eine Festlegung auf genauere Abgrenzungskriterien und biete die Chance flexibler Einzelfallentscheidungen in der Zukunft (vgl. etwa Junker, Arbeitsrecht (2006), § 1, Rn. 67; ähnlich Löwisch, Arbeitsrecht (2004), Rn. 147). Durch diese Erwägungen wird jedoch kein Beitrag zur Erhöhung der gebotenen Rechtssicherheit geleistet. Bes. in vorliegendem Fall stellt sich nachdrücklich die Frage, ob es einem Arbeitgeber überhaupt gelingen kann, den i. d. S. ausreichenden Nachweis betrieblicher Störungen oder wirtschaftlicher Einbußen zu führen (in Frage gestellt z. B. v. Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379); hierzu ArbG Frankfurt v. 29. 05. 2007 DSB 2007, Nr. 9, 20 (red. Leitsatz) m. Anm. Vahle; generell abl. Schiek, AGG, § 3 Rn. 15) . 515 Vgl. insoweit Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379); Thüsing, NJW 2003, S. 405 (405). 512
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
4. Zwischenergebnis Auffällig ist im Bereich des Diskriminierungsschutzes aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung eine zweigeteilte Entwicklung. Soweit einem säkularen Arbeitgeber das Diskriminierungsgebot gegenübersteht, führt die dann zu treffende Abwägung in aller Regel zu den gleichen Abgrenzungsproblematiken zwischen Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit wie bei anderen Diskriminierungsverboten auch. Auf der anderen Seite wird dem kirchlichen Arbeitgeber aufgrund seines verfassungsrechtlich normierten Selbstbestimmungsrechts seine Entscheidungsfreiheit weitgehend belassen, da das Diskriminierungsverbot ihn nur bindet, soweit der Bewerber oder beschäftigte Arbeitnehmer die Anforderungen erfüllt, die gewährleisten, dass die Kirche ihren besonderen Auftrag glaubwürdig erfüllen kann.516 a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes Nach der bisherigen Rechtsprechung im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts und angesichts der weitreichenden Ausnahmevorschriften in den Diskriminierungsvorschriften (Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG bzw. § 9 AGG) sind bei kirchlichen Arbeitgebern keine massiven Konflikte mit dem neuen Diskriminierungsschutz zu erwarten. Denn ihnen wird ein weitgehender Ermessenspielraum eingeräumt, inwieweit sie religiöse Überzeugung und das glaubenskonforme Auftreten des Arbeitnehmers zur Voraussetzung einer Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung machen. Jedenfalls im Hinblick auf die Befugnis zur Unterscheidung nach der Religion oder der Weltanschauung scheint die arbeitsrechtliche Ordnung der Kirchen jedenfalls im Nahbereich der Verbreitung des Verkündungsauftrags im Wesentlichen unbeeinflusst. Für säkulare Arbeitgeber führt das Diskriminierungsverbot dazu, dass Unterscheidungen nur noch ausnahmsweise zulässig sind. b) Problemfälle Kirchliche Arbeitgeber sehen sich mit dem Problem konfrontiert, inwieweit sich ihre besonderen Anforderungen an ihre Arbeitnehmer auch gegenüber anderen, nicht
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Allenfalls wird erwartet, dass durch das Verbot ein Rationalisierungsschub bewirkt wird, wodurch der Kern religionsspezifischer Eigenheiten schärfer in den Blick genommen wird (Schliemann, NZA 2003, S. 407 (413)). Den kirchlichen Arbeitgebern wird aber insg. ein weitreichender Ausnahmebereich zugestanden. Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Bereiche, bei der jeweils zumindest teilweise eine zweckverursachte überschießende Tendenz erkennbar ist, ist besonders vor dem Hintergrund bemerkenswert, als dass die Regelungsbereiche nicht wesensverschieden sind. Weder darf kirchliches Arbeitsrecht ein billigeres Arbeitsrecht zulasten der Dienstnehmer sein, noch darf der Religionsschutz dazu führern, dass ein weltlicher Arbeitgeber durch ihn unzumutbare Einschränkungen erfährt (so Thüsing, RdA 2003, S. 210 (215)).
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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die Gründe der Religion- oder Weltanschauung betreffenden Diskriminierungsverboten durchsetzen lassen. Für säkulare Arbeitgeber führt das Diskriminierungsverbot zu Unsicherheiten speziell hinsichtlich des Verhältnisses von Diskriminierungsschutz zu unternehmerischer Freiheit. Insbesondere in Fällen, in denen eine unterscheidende Maßnahme unmittelbar auf einer marktmäßigen Betätigung des Unternehmers beruht, stellen sich die Fragen nach der konkreten Anwendbarkeit der Diskriminierungsschutzvorschriften und nach der Reichweite ihrer Ausnahmetatbestände; überdies geht es um die Nachweisbarkeit von negativen Auswirkungen infolge der Durchsetzung von Diskriminierungsschutz im Bereich der Wirtschaft sowie um die Grenze, ab der solche Schäden eine Ausnahme rechtfertigen könnten.
VII. Diskriminierung aufgrund des Alters In Deutschland ist ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters neu;517 daher ergeben sich aus seiner Einführung die umfangreichsten Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht. 1. Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene Nach Art. 21 GRCh werden nunmehr ausdrücklich Diskriminierungen wegen des Alters untersagt; Art. 19 AEUV erlaubt es dem Rat, hiergegen geeignete Vorkehrungen zu treffen.518 Der für das Altersmerkmal wichtigste Bestandteil des europäischen 517
Unter dem Begriff „Alter“ ist das biologische Lebensalter i. S. best. Altersstufen bzw. Lebensabschnitte zu verstehen (Thüsing, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 3 (12)). Alter ist ein relativer Begriff, sodass von einer Altersdiskriminierung potenziell jeder Mensch betroffen ist (ebenso Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (25): „jeder wird man alt, aber nicht jeder wird mal katholisch“). Das Diskriminierungsverbot enthält keine Altersbeschränkung, und schützt damit grds. vor jeglicher ungerechtfertigten Differenzierung nach dem Alter, unabhängig von einem Mindest- oder Höchstalter, auch wg. eines bes. jugendlichen Alters (Löwisch, in: FS Schwerdtner (2003), S. 769 (770)). Eine sog. umgekehrte Diskriminierung („reverse discrimination“) ist demnach nicht möglich. Im Gegensatz hierzu bietet das U.S.amerik. Recht mit seinem ADEA nur einen Schutz älterer Arbeitnehmer, da § 631 (a) ADEA für den persönlichen Anwendungsbereich ein Mindestalter von 40 Jahren festlegt. Geschützt waren urspr. nur Arbeitnehmer zw. 40 und 65 Jahren. 1986 wurde die Altersgrenze abgeschafft und der Grds. der freien Entscheidung über den Zeitpunkt des Eintritts i.d. Ruhestand gesetzlich festgelegt (Fenske, Das Verbot der Altersdiskriminierung im U.S.-amerikanischen Arbeitsrecht, 1998, S. 31 ff., 50). 518 Altersdiskriminierung ist im EG-Vertrag erst seit dem Vertrag von Amsterdam ein Thema. Davor gab es nur rechtlich unverbindliche Akte, Empfehlungen und Beschlüsse (s. Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (80 f.), Fn. 6). Zur europ. Entwicklung vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 50 ff. Auf int. Ebene findet sich kein ausdr. Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters – es wird höchstens unter allg. völkerrechtliche Diskriminierungsverbote subsumiert. Der Schutz älterer Menschen tauchte hier erstmals 1989 in Nr. 23, 24
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
Anti-Diskriminierungsrechts ist die Richtlinie 2000/78/EG,519 die in ihrem Art. 2 dem Grundsatz nach Diskriminierungen wegen des Alters verbietet und damit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vorgibt.520 Eine Einstellung bzw. eine dem vorgelagerte Stellungsausschreibung in Anlehnung an ein bestimmtes Alter oder eine Altersspanne („junges Team sucht Rentner“, „Verstärkung für ein junges Team“ etc.) wird damit grundsätzlich ebenso untersagt wie die Verwendung von jugendausgerichteten Wörtern wie z. B. „dynamisch“ oder „flexibel“.521 Der Diskriminierungsschutz soll es dem Arbeitgeber verwehren, einen Arbeitnehmer einzustellen, von dem er auf Grund seiner Jugend davon ausgeht, dass er leistungsfähiger als ein gleich qualifizierter älterer Kollege ist, obwohl objektive Anhaltspunkte hierfür fehlen.522 Ebenfalls verbietet sich eine Bevorzugung jüngerer Arbeitnehmer mit dem pauschalen Argument, dass das wirtschaftliche Risiko krankheitsbedingter Ausfälle bei älteren Ar-
GSC auf. Bezug nimmt die RL 2000/78/EG auf Art. 6 II EU (vgl. Erwägungsgründe Nr. 1, 6). 1967 wurde in den USA der Age Discrimination in Employment Act (ADEA) (29 U.S.C. §§ 621 – 634) verabschiedet; in Kraft getreten am 12. 06. 1968; der Gesetzestext ist abrufbar unter: www.eeoc.gov/policy/adea.html. Hierzu umfassend Fenske, Altersdiskriminierung im U.S.-amerik. Arbeitsrecht, 1998, S. 1 ff., 272 ff.; Schlüter/Belling, NZA 1988, S. 297 (297 ff.); Peter, AuR 1993, S. 384 (385 f.). 519 Sie bezweckt die Bekämpfung von Diskriminierungen u. a. wg. des Alters a. aus ökonomischen Überlegungen wie ein ausreichendes Arbeitskräftepotenzial für die Wirtschaft vgl. Reichold, ZfA 2003, S. 518 (526 ff.); zur Entstehungsgeschichte der Richtlinie vgl. Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (11, 16). 520 s. a. Art. II-81, III-118 und III-124 EVerfE. Verboten sind unmittelbare und mittelbare (mit „neutralen“ Differenzierungsmerkmalen – z. B. Dienstalter, Betriebszugehörigkeit) Diskriminierungen (Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (82 f., 85)). Zum Verbot in den USA: Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1153), Fn. 68. Zur fortschreitenden Konkretisierung von Anwendungsbereich, Inhalt und Reichweite des unionsrechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters vgl. EuGH v. 12. 10. 2010 – C-499/08 – (Andersen) und – C-45/09 – (Rosenbladt) DB 2010, S. 2339, jew. m. w. N. 521 So Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (9); Rolfs, NZA, Sonderbeil. 1/2008, S. 8 (9). Vgl. insofern die Bspe. bei ArbG Dortmund v. 19. 10. 2007 – Az.: 1 Ca 1941/07 – zit. nach juris; Bauer, NZA 2006, S. 774 (776) und im Bericht der HAZ v. 11. 11. 2006, S. II/1. Gegen eine Indizwirkung solcher Floskeln allerdings LAG Nürnberg v. 19. 02. 2008 DB 2008, S. 2708 (2708). Nach dem individualistisch geprägtem Konzept des ADEA wird Altersdiskriminierung verboten, weil die pauschale Vorstellung von der geminderten Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer verhindert werden und von der Altersneutralität des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden soll (vgl. § 621 (b): „It is the purpose of this chapter to promote empoyment of older persons based on their ability rather than ager; …“). s. a. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 67, 86 f. 522 Thüsing, NZA 2001, S. 1061 (1063). Das BAG äußerte sich z. B. abl. zur bes. tarifvertraglichen Altersgrenze für Flugbegleiter wegen Fehlens eines sie rechtfertigenden Sachgrunds (BAG v. 31. 07. 2002 BB 2002, S. 2504 ff., vgl. § 27 II 1 MTV-Bodenpersonal). Das BAG sah weder ein tätigkeitsbezogenes Sicherheitsrisiko, noch sonstige Rechtfertigungsgründe. Hier handele es sich eher um eine vorgeschobene Begründung vor einem Interesse an einem jungen Erscheinungsbild des Kabinenpersonals, welches nur bei bes. Umständen berücksichtigt werden könne (BAG v. 31. 07. 2002 BB 2002, S. 2504 (2506)). s. a. § 623 (e) ADEA.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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beitnehmern wesentlich höher und dem Unternehmen nicht zumutbar sei.523 Die gezielte Suche nach „Berufsanfängern“, die eine mittelbare Altersdiskriminierung darstellt, kann jedoch nach dem Rechtfertigungsmaßstab des § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG durch sachliche Gründe ermöglicht werden. In diesem Fall kann darauf abgestellt werden, dass die einfachere Möglichkeit besteht, den neuen Mitarbeiter zu prägen, weil er noch keine eigene Routine entwickelt hat und über eine erhöhte Anpassungsbereitschaft gegenüber langjährigen Mitarbeitern mit langjähriger Berufserfahrung verfügt.524 In der Gesamtschau tritt auch hier wiederum das Gebot der vorurteilsfreien Behandlung von Bewerbern und Arbeitnehmern deutlich zum Ausdruck. a) Allgemeiner Rechtfertigungsmaßstab nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG sieht auch in Zusammenhang mit dem Altersmerkmal Ausnahmen vom regelmäßigen Unterscheidungsverbot vor, wenn das Alter auf Grund der Art der beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen der Ausführung eine „wesentliche und entscheidende“ berufliche Anforderung darstellt und es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.525 Praktische Bedeutung zugunsten unternehmerischer Freiheit soll die Ausnahmeregelung nach einigen Stimmen in der Literatur auch hier in den Fällen erlangen, in denen sich der Unternehmer einem speziellen Marktsegment zuwendet, für dessen erfolgreiche Eroberung er Arbeitnehmer einer bestimmten Altersgruppe einsetzen will. Auch hier sind – ähnlich den Ausnahmegruppen im Bereich der geschlechtsbedingten Diskriminierung526 – graduelle Abstufungen je danach denkbar, inwieweit die Wirksamkeit der Außendarstellung vom Alter der Arbeitnehmer mit Kundenkontakt abhängen kann. Bei der Besetzung der Rolle eines jugendlichen Liebhabers am Theater handelt es sich z. B. um einen „klassischen“Ausnahmefall,527 bei dem die Beschäftigtenauswahl nach dem Merkmal differenzieren muss, um überhaupt sinnvoll eine wirksame Orientierung an Kundenvorstellungen und damit einen Absatzerfolg erzielen zu können. In Abgrenzung hierzu handelt es sich bei dem Geschäftsführer in einem Interessen523
Vgl. ArbG Frankfurt a. M. v. 25. 06. 2007 – Az.: 11 Ca 8952/06 – zit. nach juris; das wirtschaftliche Risiko möglicher Lohnfortzahlung im Krankheitsfall dürfe bei der Auswahl von Bewerbern nicht zum Maßstab gemacht werden; zu den Grenzen s. aber a. LAG BadenWürttemberg v. 18. 06. 2007 AuA 2007, S. 624: keine Diskriminierung bei einer Kündigung eines älteren Arbeitnehmers wg. erheblich erhöhter krankheitsbedingter Fehlzeiten. 524 Rolfs, NZA, Sonderbeil. 1/2008, S. 8 (9). 525 In diesem Rahmen sollen nur die sachlich absolut notwendigen Maßnahmen geduldet werden (so Wiedemann/Thüsing, NZA 2002, S. 1234 (1238)). Jedenfalls sei die Ausnahmemöglichkeit eng auszulegen (Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 3). 526 s. o. unter § 5 C. I. 2. b) aa) (2). 527 Siehe nur Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 9; Bertelsmann, ZESAR 2005, S. 242 (243); ähnlich Schrader, DB 2006, S. 2571 (2573).
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
verband (Jugend- / Altersorganisationen)528, dem Moderator oder Redakteur eines auf Jugendliche ausgerichteten Musiksenders529, dem Verkäufer für Skateboardartikel, Handy-Klingeltöne bzw. Jugendreisen530, dem Personal für „Szene-Bars und Cafes“, die sich an junges Klientel wenden531, dem Vermögensberater für ältere Menschen532, oder dem Model, das Kleidung für Junge altersgerecht präsentieren soll533, allgemein um Stellen für einen auf eine bestimmte Altersgruppe ausgerichteten Marktauftritt, der in dieser Form für den Unternehmer mutmaßlich erfolgversprechender ist, als er es ohne die Unterscheidung sein würde.534 Auch hier kann zur Begründung der Durchsetzung unternehmerischer Freiheit jedenfalls nicht auf die physisch-reale Möglichkeit der Erfüllung der Arbeitsaufgabe abgehoben werden, erst recht nicht in Fällen, in denen ein Unternehmer jugendliches Verkaufspersonal einstellen möchte, um „junge“ bzw. trendorientierte Mode oder Trend-Frisuren zu verkaufen535 oder einen Rentner für ein gewerbliches Housesitting, weil er diesen gegenüber einer 18-Jährigen für gewissenhafter bei der Arbeitsausübung hält. Gleiches gilt bei einem Rückgriff auf ältere Beschäftigte für Beratungs- und Betreuungstätigkeiten, die erhöhte Lebenserfahrung (z. B. Eheberatung, Beratung in bestimmten menschlichen Krisen)536 oder zumindest den Eindruck einer gewissen Seriosität (Ver-
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Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 4; ähnlich Adomeit, HFR 2008, S. 92 (98). Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33; abl. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 114. 530 Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30 f.); abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 26. 531 Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48; offenbar abl. Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 115. 532 Abl. wg. fehlenden Berufsbezugs Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 44; ebenso Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33. 533 Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33. 534 Vgl. zu diesem Bereich Linsenmaier, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 22 (26); Waltermann, ZfA 2007, S. 305 (315); ders., NZA 2005, S. 1265 (1267) („wer Felix Krull spielt, kann nicht 60 sein“); Wolff, AuA 2005, S. 82 (83); a. A. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5. Anders bei nur geringfügigen Altersunterschieden (s. Leuchten, NZA 2002, S. 1254 (1257); Hahn, Altersdiskriminierung, 2006 S. 88). Insg. abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 25. Vgl. a. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 19 – die Zielsetzung, mittels einer entspr. Personalpolitik ein junges und dynamisches Firmenimage zu präsentieren, verfestige überholte gesellschaftliche Vorstellungen, die mit den Antidiskriminierungsregelungen gerade bekämpft werden sollten. s. a. Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (14)). 535 Für eine Unterscheidungsmöglichkeit Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 10 – hier gehe es um eine bestimmte Zielgruppe, die sich von Mitarbeitern eines gewissen Alters im Zweifel nicht mehr angesprichen fühle; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7; Waltermann, ZfA 2007, S. 305 (315). Oder umgekehrt ältere Verkäufer in einem Modegeschäft für Ältere bzw. Trachten-Modegeschäft (Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30)). A. A. Bertelsmann, ZESAR 2005, S. 242 (243) – weder hippe Verkäufer/innen bis 25 bei H&M, noch Damen und Herren ab 50 Jahre bei Peek&Cloppenburg. 536 Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 9; allg. für die Möglichkeit einer altersabhängigen Personalauswahl für die Beratung und Betreuung wegen altersgruppentypischer Probleme: Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 36 . 529
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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mögensberatung)537 voraussetzen.538 Fraglich ist auch die Möglichkeit der gezielten Einstellung von älteren Beschäftigten bei den „Grauen Panthern“539 oder die Präferenz für einen älteren Japaner als Sushi-Meister in einem Restaurant.540 Auch Fälle mit Auslandsberührung spielen in der Diskussion eine Rolle, etwa bei der Personalentscheidung zugunsten eines älteren Beschäftigten für den Einsatz in asiatischen Ländern, in denen Vorgesetzte nicht wesentlich jünger als ihre Untergebenen sein dürfen, wenn sie ernst genommen werden sollen.541 Eine Rolle spielt die Ausnahmeregelung auch für Piloten (bzw. cockpitangehörige Arbeitnehmer), Fluglotsen, Busfahrer, Chirurgen und ähnliche Berufe, in deren Berufen in der Regel besondere berufsbezogene, relativ strenge absolute (Höchst-)Altersgrenzen gelten.542 Solche Grenzen, die unmittelbare Benachteiligungen aus Gründen des Alters darstellen, dienen in erster Linie dem Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers oder Dritter;543 sie dienen aber auch unternehmerischer Freiheit, weil sie es dem Unternehmer ermöglichen, mit dem Einsatz relativ junger Arbeitnehmer den Sicherheitsinteressen der Kunden zu genügen und so einen kundenwunschorientierten Marktauftritt zu verfolgen.544 537 Abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 26, 44; ebenso Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33 – entscheidend seien nur die fachlichen Kenntnisse. 538 Die pauschale und von den persönlichen Eigenschaften des Stellenbewerbers abstrahierende Erwartungshaltung von Kunden, die mit einer traditionellen Altersstruktur Authentizität und Glaubwürdigkeit des Unternehmens verbinden, soll hier aus Sicht des Unternehmers einen sachlichen Grund zur Selektion darstellen können (abl. Rolfs, NZA, Sonderbeil. 1/2008, S. 8 (9 f.)). 539 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 55. 540 Vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 11 ff. – diese Stellenanforderung spricht unmittelbar Merkmale nach § 1 AGG (ethnische Herkunft und Alter) an. Aus Gründen der Authentitität sei die Suche nach einem Japaner möglich, ein Mindestalter könne jedoch hierbei nicht „entscheidend“ und „wesentlich“ i. S. d. § 8 AGG sein. 541 Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (389 f.). 542 Zur Zulässigkeit solcher Regelungen vgl. etwa das Vorlageverfahren des BAG v. 17. 06. 2009 AP Nr. 64 zu § 14 TzBfG; s. a. LAG Hessen v. 15. 10. 2007 – Az. 17 Sa 809/07 (anhängig BAG – Az: 7 AZR 112/08); OVG Lüneburg v. 13. 9. 2006 ArbRB 2007, S. 69 (69); LSG BadenWürttemberg v. 23. 10. 2006 – Az. L 5 KA 4343/06 ER-B; ArbG Frankfurt a. M. v. 14. 3. 2007 – Az. 6 Ca 7405/06 (RS: II/73/07 v. 16. 3. 2007 und II/136/07 v. 30. 5. 2007) – jew. zit. nach juris; Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (22, 26), der insoweit auf eine Höchstaltersgrenze von 55 Jahren abstellt. s. a. BVerfG v. 26. 01. 2007 EuGRZ 2007, S. 231 (232 f.). Für andere verfolgt die Differenzierung ein legitimes Ziel i. S. v. Art. 6 I der RL (Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (87 f.)). I. Erg. ebenso entscheidet das US-amerik. Recht, vgl. Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (408). 543 So die Maßstäbe bei BAG v. 21. 07. 2004 NZA 2004, S. 1352 (1352); v. 20. 02. 2002 NZA 2002, S. 789 (792); s. a. § 41 I 2 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät v. 04. 03. 1970 a. F. Insoweit entspricht die Ausnahmeregelung des Einrede des § 623 (f) (1) Alt. 1 ADEA – „age as a bona fide occupational qualification“. 544 Ein Luftunternehmen, das Piloten über ein normiertes Höchstalter hinaus beschäftigt, setzt sich insb. für den Fall eines Versagens dieses Piloten der Gefahr erheblicher Vorwürfe von Fluggästen und Öffentlichkeit aus. Dies zu vermeiden, hat der Arbeitgeber ein anerkennens-
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b) Altersspezifisch: Der Maßstab des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG Bezüglich des Alters zeigen sich Besonderheiten im Verhältnis zu anderen Diskriminierungsverboten vor allem bei den Rechtfertigungsgründen, die besonders umfangreich geregelt sind.545 So sieht Art. 6 der Richtlinie besondere Voraussetzungen vor, unter denen eine (auch: „unmittelbare“) Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt ist, nämlich wenn die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen ist, einem legitimen Ziel dient und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.546 Art. 6 Abs. 1 S. 2 a-c RL 2000/78/EG nennt verschiedene (nicht abschließende – „insbesondere“) legitime Ziele, nach denen Ungleichbehandlungen als rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 eingestuft werden können. Als Bereiche, aus denen sich solche Ziele ausdrücklich ergeben können, führt die Richtlinie Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung an. Nach richtiger Auffassung können auch Unternehmerinteressen berücksichtigt werden.547 Damit stellt sich die Frage, inwieweit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, hier grundlegend verstanden als Freiheit zur marktmäßigen Betätigung, berücksichtigt. Während über die Ziele des Art. 6 Abs. 1 S. 2 a-c RL 2000/78/EG überwiegend Probleme ausgeräumt werden sollen, die mit organisatorischen548 oder fiwertes, auch wirtschaftliches Interesse (BAG v. 20. 02. 2002 NZA 2002, S. 789 (792); Rolfs, NZA, Sonderbeil. 1/2008, S. 8 (12 f.)). 545 Der vom Diskriminierungsverbot aufgestellte Grds. werde in Art. 6 I weitgehend durchbrochen (so Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (85)). Vgl. a. Erwägungsgrund Nr. 25 RL 2000/78/EG. Auch im U.S.-Recht werden an die Rechtfertigung einer altersbezogenen Differenzierung weniger strenge Anforderungen gestellt (Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 70). Allerdings darf bei einer sachlichen Begründung keine Absicht zur Benachteiligung wg. des Alters mitschwingen – daher war ein gesetzlicher Gesundheitstest für Bedienstete ab 70 Jahren unzulässig, weil er ein „conditional involuntäry retirement program“ enthalte (EEOC vs. Comonwealth of Massachussets, 787 F. 2d 64, 74 (1st Cir. 1993). 546 Art. 6 I S. 1 stellt ein generelles Prüfungsraster und S. 2 eine Reihe von Erläuterungsfällen auf. (vgl. hierzu Kokott, RdA 2006, Beil. Heft 6, S. 30 (32)). Einen vergleichbaren Maßstab legt i. Erg. § 623 (f) (1) Alt. 2 ADEA an – „reasonable factors other than age“ – der jedoch im Unterschied zur europäischen/deutschen Ausnahmeregelung unmittelbare Diskriminierungen aufgrund des Alters (etwa Altersgrenzen) gerenerell ausschließt. 547 Angesichts der ausdr. genannten Bereiche, die weitgehend die Verfolgung von Allgemeininteressen betreffen, wird die Meinung vertreten, auch i. R. der Auslegung des Art. 6 I 1 RL 2000/78/EG seien Einzelinteresse des Arbeitgebers als legitime Ziele irrelevant (vgl. ArbG Osnabrück v. 03. 07. 2007, NZA 2007, S. 983 (984); Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (409)); a. A. Annuß, BB 2006, S. 1629 (1633); Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (329); Waltermann, ZfA 2007, S. 305 (315)). Da i. R. der strengeren Ausnahmevorschrift des Art. 4 I der RL unstr. Unternehmerinteressen berücksichtigt werden können, erscheint es naheliegend, dass dies erst Recht i. R. des Art. 6 I RL 2000/78/EG möglich sein muss. Die Interessen müssen lediglich erheblich und damit gleichwertig zu den explizit aufgezählten Zielen sein (ebenso Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 123). 548 Über Art. 6 I 2 b RL 2000/78/EG lassen sich Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für Einstellungen, Beförderungen oder für best. mit der Beschäftigung verbundene Vorteile rechtfertigen. Solche Anforderungen dienen v. a. dann
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nanziellen549 diskriminierungsbedingten Belastungen des Arbeitgebers einhergehen – wie z. B. die Zulässigkeit von Höchstaltersgrenzen550, von Teilzeitbefristungen551, etc.552 – erscheint Art. 6 Abs. 1 S. 2 a RL 2000/78/EG gerade im Hinblick auf die Folgen einer Sozialauswahl geeignet, die unternehmerische Freiheit zu gewährleisten.553 einem legitimen Ziel, sofern es um die berufliche Qualifikation geht (vgl. die Erwägungen bei Waltermann, NZA 2005, S. 1265 (1269)). 549 In Ansehung des Art. 6 I 2 b RL 2000/78/EG werden z. B. altersabhängige Vergütungsstaffelungen für unzulässig gehalten. Mindestanforderungen an das Dienstalter bzw. die Dauer der Betriebszugehörigkeit (Anciennität) sind u. U. unterschiedlich zu beurteilen, da hierin regelm. bloß eine mittelbare Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer liegt (vgl. BTDr. 16/1780, Begründung zu § 10 Nr. 2 AGG; § 4 IV RV Befristung (enthalten in RL 1999/70/ EG); EuGH v. 03. 10. 2006 NZA 2006, S. 1205 (1206) (Cadman); Schmitt-Rolfes, AuA 2007, S. 7 (7). Im U.S.-amerik. Recht sind seniority and merit systems zulässig, soweit sie redlich angelegt sind und keine Diskriminierungsabsicht verraten (vgl. § 623 (2) (A) ADEA; ausf. Fenske, Altersdiskriminierung im U.S.-amerik. Arbeitsrecht, S. 144 ff.). 550 Für eine Rechtfertigung als bes. Entlassungsbedingung EuGH v. 12. 10. 2010 – C-45/09 DB 2010, 2339 – (Rosenbladt), m. w. N.; v. 16. 10. 2007, NZA 2007, S. 1219 (1222) (Palacios); s. a. BAG v. 18. 06. 2008 NZA 2008, S. 1302 (1304 ff.) – Ungleichbehandlung ist durch ein legitimes Ziel aus der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik i. S. d. Art. 6 I RL 2000/78/EG gerechtfertigt; s. a. BAG v. 23. 06. 2010 NZA 2010, 1248 (1250) – tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Mitglieder des Kabinenpersonals ist mangels eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes i. S. v. § 14 Abs 1 S. 1 TzBfG unwirksam; vgl. a. § 41 S. 2 SGB VI; Erwägungsgrund Nr. 14, 25 RL 2000/78/EG; differenzierend Rieble/Zedler, ZfA 2007, S. 273 (298). Letztendlich entspricht es einem legitimen unternehmerischen Interesse, das Ende eines Beschäftigungsverhältnisses voraussehen zu können, um seine Personalplanung zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur und einer angemessenen Nachwuchsförderung verlässlich hieran ausrichten zu können (BAG v. 19. 11. 2003 NZA 2004, S. 1336 (1337)). A. A. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 20 f., 32 ff., 177, m. w. N.; weitergehend: Preis, NZA 2008, S. 922 (924) – Entfall jeglicher absoluter Altersgrenzen; zum (überholten) Defizitmodell vom Alter: Caspers, Anm. zu BAG BB 2002, S. 2504 ff., BB, S. 2506 (2508); Frerichs, NZA 2006, Heft 5, S. X; s. a. Art. II-85 EVerfE. Im U.S.-amerik. Recht wird daher ein gesetzlich festgelegtes retirement age mittlerweile abgelehnt, Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 69 f. 551 In der Rs. Mangold hat der EuGH entschieden, dass die Regelung des § 14 III 4 TzBfG (a. F.) ein unverhältnismäßig Mittel verwendet, indem sie undifferenziert allen Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, einen Befristungsschutz versagt, gegen europ. Diskriminierungsrecht verstößt (EuGH (GrK) v. 22. 11. 2005 NJW 2005, S. 3695 (3697 f.) (Mangold); zust. nunmehr BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1163 ff.). Zu den Auswirkungen des Verstoßes s. o. unter § 5 B. II. 4. c). Nunmehr (mit Wirkung zum 01. 05. 2007, BGBl. I S. 538) wurde die Höchstbefristungsdauer auf fünf Jahre bergrenzt und an weitere soziale Voraussetzung gebunden (hierzu ausf. Bader NZA 2007, S. 713 (713 ff.)), wobei die Verhältnismäßigkeit der Regelung weiterhin umstr. ist (dafür: Müller-Glöge, in: ErfK, § 14 TzBfG, Rn. 110a unter Hinw. auf die Gegenstimmen). 552 An das steigende Lebensalter anknüpfende Verdienstsicherungen, Arbeitszeitverkürzungen und Urlaubsverlängerungen dienen dem (Gesundheits-)Schutz älterer Arbeitnehmer, bezwecken die Erhaltung der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter und können daher grds. gem. Art. 6 I 2 a der RL zugelassen werden (vgl. BAG v. 20. 08. 2002 NZA 2003, S. 861 (864); s. aber a. Mummenhoff, Anm. zu BAG v. 20. 08. 2002 SAE 2004, S. 70 (74)). 553 Mit dem Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar kann es nach Art. 6 I 2 a RL 2000/ 78/EG sein, bes. Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie bes. Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen – einschließlich der Bedingungen für
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
Die Ausnahmevorschrift soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, die Altersstruktur seines Betriebes, die sich insbesondere im Rahmen einer vorgenommenen Sozialauswahl zu verschieben droht,554 über die Vorschrift des § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG zu bewahren.555 Beachtenswert ist dies vor allem vor dem Hintergrund, als dass aufgrund der Europarechtswidrigkeit des § 2 Abs. 4 AGG556 die Kündigungsfreiheit nunmehr einer zusätzlichen Beschränkung durch das AGG unterliegt.557 Die Sicherung einer Entlassung und Entlohnung – festzulegen, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern oder Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen. Der U. S. S. C. prüft dieses Diskriminierungsverbot sogar nur am Willkürmaßstab, vgl. U. S. S. C. v. 11. 01. 2000 Kimel vs. Florida Board of Regents, 120 S. Ct. 631 ff. (2000). 554 Generell darf die Verwendung der Kriterien Alter und Betriebszugehörigkeit i. R. der Sozialauswahl (vgl. § 1 III KSchG, s. a. § 125 I 1 Nr. 2 InsO; zur grds. Zulässigkeit nach Art. 6 I 2 a RL 2000/78/EG: BAG v. 05. 11. 2009 AP Nr. 183 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; v. 06. 11. 2008 AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; a. A. offenbar Neef/Neef, NZA 2006, S. 1241 (1244)), die tendenziell ältere Arbeitnehmer (unmitelbar/mittelbar) begünstigen (Küttner, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 409 (409)) und insg. zu einer Alterung der Belegschaft führen, nicht zu einer starren Bevorzugung älterer Arbeitnehmer führen (Schiefer/Worzalla, NZA 2004, S. 345 (346)). Ähnlich EuGH (GrK) v. 22. 11. 2005 NJW 2005, S. 3695 (3697) (Mangold)). 555 LAG Berlin-Brandenburg v. 13. 04. 2007 LAGE Nr. 54 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl – Az. 2 AZR 418/07; LAG Hamburg v. 30. 06. 2006 LAGE § 75 BetrVG 2001 Nr. 3; LAG Niedersachsen v. 13. 07. 2007 LAGE Nr. 13 zu § 1 KSchG Interessenausgleich, m. w. N. Zum Interesse, die Personalstruktur zu sichern, s. bereits o. unter § 3 C. IV. 1. (s. a. BAG v. 23. 03. 2010 AP Nr. 55 zu § 75 BetrVG 1972; LAG Berlin-Brandenburg v. 05. 12. 2007 – Az.: 24 Sa 1684/07 – zit. nach juris und § 1 III 2 KSchG i. d. Fassung v. 01.10.1996 – 31.12.1998; § 125 I 1 Nr. 2, 2. Hs. InsO). Daher darf der Arbeitgeber a. gezielt für eine Stelle Berufsanfänger suchen (Waltermann, ZfA 2007, S. 305 (318 f.)). Die Geltung des § 1 III 2 KSchG wird v. a. zur Durchbrechung des wirtschaftsschädlichen „First Come, First Out“-Prinzips auch unter Geltung des neuen Diskriminierungsverbots eingefordert (Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 2, Rn. 17 ff.; Bauer/Arnold, NJW 2006, S. 6 (12); a. A. offenbar ArbG Ulm v. 21. 03. 2007 – Az. 2 Ca 15/06)) Die v. Gesetzgeber urspr. angedachten Klarstellungen in § 10 S. 3 Nr. 6, 7 AGG (a. F.) zugunsten von Differenzierungen, bei einer Sozialauswahl wurden aufgrund des inhaltlichen Widerspruchs zur Bereichsausnahme des § 2 IVAGG wieder aufgehoben, ohne dass damit die Zulässigkeit socher unterscheidenden Maßnahmen in Zweifel gezogen werden sollte (Bauer/Preis/Schunder, NZA 2006, S. 1261 (1261 ff.); Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2586) – gegen überkommene Punkteschemata, für einzelfallbezogenere Lösung). Das BAG hat hierzu klargestellt, dass § 1 III 2 KSchG eine Herausnahme sog. Leistungsträger nicht ohne individuelle Prüfung zulasse. Vielmehr müsse das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers gegen das betriebliche Interesse an einer Herausnahme des Leistungsträgers abgewogen werden. Je schwerer dabei das soziale Interesse des gekündigten Arbeitnehmers wiege, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein (BAG v. 05. 06. 2008 NZA 2008, S. 1120 (1121 ff.); v. 31. 05. 2007 AP Nr. 93 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). 556 s. o. unter § 5 B. III. 2. a). 557 So wie hier Lembke, NJW 2006, S. 325 (329); Sagan, NZA 2006, S. 1257 (1259 f.); s. nunmehr BAG v. 06. 11. 2008 AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, wonach die Diskriminierungsverbote des AGG i. R. des Kündigungsschutzes nach dem KSchG Anwendung finden; a. A. Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, S. 887 (892); Bauer/Thüsing/ Schunder, NZA 2005, S. 32 (32, 36) („Antidiskriminierungsrecht als zusätzliche ,WaffeГ);
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ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb dient jedoch grundsätzlich einem legitimen und schutzwürdigen Interesse,558 denn eine Überalterung der Belegschaft ist weder betrieblich noch wirtschaftlich sinnvoll und erwünscht und kann deshalb auch nicht das Ziel des Prinzips der Sozialauswahl sein.559 Auch das BVerfG hat eine ausgewogene Altersstruktur grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund zumindest für die Einschränkung der Freiheit der Berufswahl anerkannt.560 Damit bleibt es einem Arbeitgeber auch zukünftig erlaubt, im Rahmen der Sozialauswahl die Altersstruktur seines Betriebs beizubehalten.561 Gleiches muss für Fälle der Einstellung gelten, wenn etwa der Inhaber eines Handwerksbetriebs, der nur einen weiteren 60-jährigen Gesellen beschäftigt, einen weiteren Arbeitnehmer einstellen will und auf den Fortbestand des Unternehmens Wert legt.562 Dieses Interesse des Arbeitgebers gewinnt gerade in den Bereichen besonderes Gewicht, in denen das Unternehmen für einen speziellen Marktauftritt Mitarbeiter eines bestimmten Alters benötigt und nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG erfüllt.563
Straub, AuA 2005, S. 65 (65). Entgegengesetzt argumentiert Leuchten, NZA 2002, S. 1254 (1260 f.). Vgl. a. den Streitstand um das Verhältnis zw. Kündigungsschutz über die allg. Generalklauseln und nach dem KSchG (hierzu Wank, in: MünchHdbAR, § 122, Rn. 19 ff.). 558 Die Sicherung stellt ein notwendiges Korrektiv gegenüber den Effizienzverlusten dar, die sich aus der Sozialauswahl ergeben, um eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in Betrieben zu vermeiden, die zur Entlassung zahlreicher Arbeitnehmer gezwungen sind (Küttner, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 409 (422)). Eine Überalterung der Belegschaft führt dazu, dass in kurzer Zeit eine Reihe von Arbeitnehmern ausscheiden und bei der Neubesetzung einer Reihe von Stellen betriebliches Erfahrungswissen nicht kontinuierlich an die nachfolgende Generation weitergegeben werden kann (Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. D, Rn. 1476). Ohne die Ausnahmevorschrift des § 1 III 2 KSchG ließe sich bei der Kündigung eines erheblichen Teils der Arbeitnehmer eine den berechtigten betrieblichen Interessen zuwiderlaufende Überalterung der Belegschaft kaum vermeiden (BAG v. 23. 11. 2000 NZA 2001, S. 601 (603)). 559 In diese Richtung Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 139, Rn. 235; Bayreuther, NZA 2006, S. 417 (420). Abl. Leuchten, NZA 2002, S. 1254 (1259). Differenzierend: Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. D, Rn. 1476. 560 BVerfG v. 20. 03. 2001 BVerfGE 103, S. 172 (180 ff.). 561 BAG v. 06. 11. 2008 – Az.: 2 AZR 701/07 – AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; v. 19. 06. 2007 NZA 2008, S. 103 (107); zu den damit einhergehenden Darlegungspflichten des Arbeitgebers: BAG v. 22.01.2009 – 8 AZR 906/07 – AP Nr. 1 zu § 15 AGG. Dies bedeutet jedoch nicht die Anerkennung des Bestrebens, die Belegschaftsstruktur zu verjüngen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 19. 09. 2007 ZTR 2008, S. 110 (110); Bauer, NZA, Beil. Heft 18/2004, S. 38 (43)). 562 s. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 85. 563 Vgl. ArbG Osnabrück (v. 05. 02. 2007 NZA 2007, S. 626 (627 f.)), das ein Interesse als möglich erachtet, wenn berufliche Anforderungen (hier: eine best. pädagogische Ausrichtung) einen gewissen Prozentsatz jüngerer Arbeitnehmer erfordern.
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c) Förderungsmaßnahmen (Art. 7 Abs. 1 RL 2000/78/EG) Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten zudem spezifische Maßnahmen (positive Maßnahmen) beibehalten oder einführen, mit denen Benachteiligungen wegen des Alters verhindert oder ausgeglichen werden.564 Die Vorschrift kann dem Arbeitgeber eine zusätzliche Differenzierungsmöglichkeit eröffnen, wenn er sein unternehmerisches Interesse mit dem Willen der Besserstellung ansonsten benachteiligter Arbeitnehmer einer bestimmten Altersgruppe verbindet. 2. Nationale Ebene Die Rechtmäßigkeit von Regelungen, die am Alter anknüpfen, wurde in der Bundesrepublik Deutschland bislang vor allem für Altersgrenzen diskutiert.565 Ein grundsätzliches, umfassendes Verbot der Diskriminierung wegen des Alters existierte jedoch bis zur Schaffung des AGG nicht. a) Verfassungsrechtliche Ebene Manche wollen bereits aus Art. 3 Abs. 1 GG einen nicht ganz unbeachtlichen Schutz zumindest vor staatlicher Antidiskriminierung herleiten.566 Differenzierungen im Rechtsverkehr nach dem Alter sind nach diesem Maßstab jedoch möglich.567 Auch das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG erfasst nicht das Alter. b) Einfachgesetzliche Ebene aa) §§ 119 Abs. 2, 123 BGB Die Frage nach dem Alter war bislang uneingeschränkt zulässig, denn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses konnten private Arbeitgeber grundsätzlich frei 564 Kuras (in: RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (15)) zieht diesbzgl. eine Verbindungslinie zu Art. 141 IV EG (=Art. 157 AEUV, vgl. o. unter § 5 B. II. 1.) und will die hierzu entwickelten Rechtfertigungsmaßstäbe übertragen. Auch nach Linsenmaier spricht einiges dafür, dass die ggü. Art. 7 RL 2000/78/EG speziellere Regelung des Art. 6 I 2 a der RL eine weitergehende, wenn auch keine absolute Bevorzugung älterer Arbeitnehmer zulässt (Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (27)). Da a. Art. 6 I RL 2000/78/EG diesen Zweck verfolgt, wird zu den hierunter genannten Bereichen oftmals auch eine Rechtfertigung nach § 7 I RL 2000/78/EG diskutiert (vgl. v. a. Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (83 ff.); Wiedemann/Thüsing, NZA 2002, S. 1234 (1241 f.)). 565 Diskriminierungen wegen des Alters wurden insg. nur vereinzelt thematisiert (vgl. die Nachweise bei Schmidt/Senne, RdA 2002, S. 80 (80)). 566 Vgl. L/R/H, Art. 3, Rn. 1946. Ansatzweise auch Wiedemann/Thüsing, NZA S. 1234 (1234); ähnlich Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (24). 567 Vgl. nur ArbG Berlin v. 22. 08. 2007 – Az.: 86 Ca 1696/07 – zit. nach juris; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 I, Rn. 211.
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entscheiden, ob sie einen jüngeren oder einen älteren Arbeitnehmer einstellen.568 Nunmehr gilt das neue Diskriminierungsverbot bereits für die Vertragsanbahnung.569 Nach wohl h. A. sind altersbezogene Ausschreibungen, Fragen nach dem Alter und auf das Alter abstellende Auswahlentscheidungen daher fortan grundsätzlich untersagt bzw. werden spezifische Begründungen hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung dieser Einschränkung und ihrer Verhältnismäßigkeit verlangt.570 bb) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Das AGG verbietet nach § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG grundsätzlich jede Ungleichbehandlung aus Altersgründen.571 Ähnlich wie die Richtlinie 2000/78/EG sehen jedoch §§ 8, 10 AGG eine weitgehende Rechtfertigungsmöglichkeit vor, die die Absicht des Gesetzgebers verdeutlichen, keinesfalls jede Differenzierung nach dem Alter unterbinden und die fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus Sicht des Arbeitgebers berücksichtigen zu wollen.572 Als Ziele, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können, kommen u. a. solche in Betracht, die unmittelbar den jeweiligen Arbeitgeber betreffen.573 Der Rechtfertigungsmaßstab des § 8 Abs. 1 AGG entspricht grundsätzlich dem des Art. 4 Abs. 1 RL 78/2000/EG, so dass sich auch hier das Problem der Konkretisierung des Begriffs der „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung“ und der Abgrenzung zwischen legitimer Kundenausrichtung und unzulässiger pauschaler Herabsetzung stellt.
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Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (19). Es wirkt i. R. der Ausschreibung, beim Vorstellungsgespräch und der Auswahlentscheidung (Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (22, 28 f.)). 570 Vgl. Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (163); Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1153); weitergehend Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (19); vgl. a. § 7 II BGleiG. A. A. Hanau, ZIP 2006, S. 2189 (2193); Preis/Bender, NZA 2005, S. 1321 (1322) unter Hinw. auf die Unwirksamkeit eines solchen Frageverbots. 571 Mit Aufnahme des Verbots der Diskriminierung in § 75 I BetrVG haben a. die Betriebsparteien darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung aus Gründen des Alters unterbleibt (s. a. §§ 80 I Nr. 6, 96 II 2 BetrVG), zu den Auswirkungen der Neuformulierung vgl. insb. BTDr. 16/1780, Begründung zu Art. 3 III des Umsetzungsgesetzes. Zur defizitären Schutzwirkung der Vorschrift aufgrund restriktiver Auslegung vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 164. 572 Gem. der Generalklausel des § 10 S. 1 AGG ist – ungeachtet der allg. Regelung des § 8 AGG – eine unterschiedliche Behandlung wg. des „Alters“ zulässig, wenn sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Darüber hinaus müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 S. 2 angemessen und erforderlich sein. Zum beabsichtigten Rechtfertigungsmaßstab vgl. Perreng/Nollert-Borasio, AiB 2006, S. 459 (462). s. a. § 319 d I Nr 1 b), II BGB (RegE); § 7 ADG-E. Teilw. wird von einem „Diskriminierungsverbot zweiter Klasse“ gesprochen (vgl. BT-Dr. 16/1780, S. 36; Flohr/Ring, AGG, § 10, Rn. 219). Zum unterschiedlichen Rechtfertigungsdruck, unter dem dt. und U.S.-amerik. Unternehmer stehen vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 166, Fn. 762; Fenske, Altersdiskriminierung im U.S.amerik. Arbeitsrecht, 1998, S. 285 f., 338. 573 Z.B. die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb; vgl. bereits o. unter § 5 C. VII. 1. b). Ebenso Flohr/Ring, AGG, § 8, Rn. 226. 569
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Auch nach der besonderen Ausnahmeregelung des § 10 AGG bleibt insoweit ein (zusätzlicher) Auslegungsspielraum. Im Einzelnen enthält § 10 S. 3 Nr. 1 – 8 AGG (nicht abschließende) Präzisierungen für die Zulässigkeit von Ausnahmen.574 Je nach der konkret auszuübenden Tätigkeit sollen hiernach – auch zur Berücksichtigung unternehmerischer Interessen – z. B. Festlegungen von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen gestattet sein, § 10 S. 3 Nr. 2 AGG.575 Auch wenn zu den einzelnen Regelbeispielen noch einige Unsicherheit herrscht, wird doch insgesamt deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinienvorgaben bemüht war, dass die Erhaltung der Wirtschaftlichkeit personaler Unternehmensstrukturen auch in Ansehung des neuen Diskriminierungsverbots gewährleistet bleibt. 3. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das neue Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters in vielen Bereichen Unsicherheiten schafft, inwieweit sich bislang durchweg anerkannte Differenzierungen nach Alter, Betriebszugehörigkeit etc. zukünftig aufrechterhalten lassen.576 Aus Sicht unternehmerischer Freiheit interessiert besonders die Möglichkeit der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur, die auch nach neuem Recht gewährleistet zu sein scheint. a) Leitlinien des Diskriminierungsschutzes Unterscheidungen nach dem Alter werden in Zukunft eher zu rechtfertigen sein als nach anderen der in § 1 AGG genannten Merkmalen.577 Da das Regel-Ausnahme-Ver574 Vgl. hierzu BAG v. 13. 10. 2009 AP Nr. 1 zu § 7 AGG; LAG Rheinland-Pfalz v. 26. 06. 2007 AuA 2007, S. 687 (687); LAG Köln v. 04. 06. 2007 BB 2007, S. 2572 (2574) m. Anm. Mohr; Bertelsmann, ZESAR 2005, S. 242 (244 ff.); Lingemann/Gotham NZA 2007, S. 663 (663 ff.). Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Vollendung des 65. Lebensjahres hat bspw. ihren Ausdruck in § 10 S. 3 Nr. 5 AGG gefunden (hierzu krit. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 10, Rn. 7). 575 So soll es z. B. darum gehen, dass bestimmte Stellen eine besonders seriöse Erscheinung erfordern, die zu junge Beschäftigte nicht ausstrahlten (so Flohr/Ring, AGG, § 8, Rn. 231). § 10 S. 3 Nr. 2 AGG rechtfertigt entspr. Art. 6 I 2 c RL 2000/78/EG spezielle Höchstaltersgrenzen für Einstellungen, wenn dem ein konkretes Ausbildungs- und Laufbahnkonzept für die Zeit vor dem Ruhestand zugrunde liegt (näher zur Problematik Richardi, NZA 2006, S. 881 (884)). 576 Ob es sich früher von selbst verstanden hat (so Wiedemann/Thüsing, NZA 2002 S. 1234 (1234), ist angesichts der zahlreichen Problemfälle doch eher fraglich. Generell sollte man bei der Bewertung aller Ausnahmefälle bedenken, dass sowohl der europ. Richtliniengeber in Art. 6 RL 2000/78/EG als auch der dt. Gesetzgeber mit § 10 AGG bewusst einen bes. weiten Rechtfertigungsrahmen installiert haben. Für umfassende Veränderungen hingegen Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 22. 577 Durch das Diskriminierungsverbot soll in erster Linie sichergestellt werden, dass Unterscheidungen nach dem Alter – ähnlich der „neuen Formel“ des BVerfG zu Art. 3 I GG im Zshg. mit personenbezogenen Merkmalen – zugunsten legitimer Interessen und unter Ver-
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hältnis zwischen Verbot und Rechtfertigungsmöglichkeit zu gelten hat, soll auch hier einer pauschalen Abqualifizierung älterer Arbeitnehmer durch private Arbeitgeber begegnet werden.578 Sachgrundlose Differenzierungen nach altersbezogenen Kriterien scheiden zukünftig aus. b) Problemfälle Richtig ist, dass pauschale Einstellungsvorbehalte gegenüber älteren Arbeitnehmern häufig nur psychologisch erklärbar sind. Tatsächlich gibt es aber durchaus sachgerechte Gründe, die einen Arbeitgeber veranlassen können, bei personellen Maßnahmen nach Alterskriterien zu unterschieden,579 insbesondere wenn sich der Arbeitgeber einem bestimmten, altersmäßig abgegrenzten Kundenkreis zuwenden und dafür Arbeitnehmer eines entsprechenden Alters einsetzen möchte. Ähnlich den meisten übrigen Merkmalsbereichen wird die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 1 AGG dafür angedacht, Fälle zu berücksichtigen, in denen die Ausrichtung auf eine bestimmte altersmäßig begrenzte Kundengruppe konstitutiver Teil der Geschäftspolitik ist. Unternehmen entdecken zunehmend die stetig wachsende Gruppe der aktiven Älteren als interessante Kundengruppe mit ganz eigenen Anforderungen hinsichtlich der Produkte und Marketingstrategien.580 Entscheidend wird es auch hier darauf ankommen, markt- und gewinnorientierte unternehmenspolitische Entscheidungen von denen abzusondern, die zur Verdeckung herabsetzender Pauschalurteile vorgebracht werden. Dass ein Modehaus, welches sich auf den Verkauf „junger Mode“ spezialisiert hat, bevorzugt junges Verkaufspersonal beschäftigen will, ist dabei noch überdenkenswert. Sofern es jedoch um den vom BAG angesprochenen Wunsch nach einem jungen Erscheinungsbild des Kabinenpersonals geht, rückt die Diskriminierungswirkung der Ungleichbehandlung in den Vordergrund. Schließlich sind auch hier Fälle denkbar, in denen die Diskriminierungswirkung von Dritten ausgeht und den Arbeitgeber zum Handeln zwingt – etwa in dem Fall, dass Gastwirtskunden eine Auswechslung der Bedienung verlangen, weil diese „zu alt“ sei.581
VIII. Diskriminierung im Bereich der Teilzeitsowie der befristeten Arbeit Die maßgeblichen Anknüpfungspunkte für einen Diskriminierungsschutz von Teilzeit- bzw. befristet Beschäftigten finden sich in § 4 Abs. 1, 2 TzBfG, der behältnismäßigkeitsgesichtspunkten stattfinden – je unmittelbarer die Unterscheidung mit dem Alter verbunden ist, ist der Frage der Verhältnismäßigkeit jedenfalls eine herausgehobene Stellung einräumen. 578 Vgl. auch Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (15). 579 So auch Bauer, NZA 2003, S. 30 (30). 580 Elderhorst, AuA 2005, S. 160 (161). 581 Beispiel nach Deinert, RdA 2007, S. 275 (276).
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zweckt, die Gleichbehandlung von befristet oder in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern mit Vollzeit- und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer zu sichern.582 1. Das Diskriminierungsverbot Als spezialgesetzliche Regelung ist § 4 TzBfG gegenüber dem AGG insoweit vorrangig zu prüfen, als die spezifische Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten und befristet Beschäftigten in Rede steht.583 Anders als bei den vorgenannten („personenbezogenen“) Benachteiligungsverboten wird jeweils lediglich das Direktionsrecht,584 die Inhalts- und Kündigungsfreiheit, nicht die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers eingeschränkt.585 Differenzierungen aus anderen Gründen sind dagegen regelmäßig zulässig (relative Diskriminierungsverbote).586 a) § 4 Abs. 1 TzBfG § 4 Abs. 1 TzBfG verbietet eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterbehandlung wegen unterschiedlicher Arbeitszeitvolumina, d. h. die Dauer der Arbeitszeit soll grundsätzlich kein Kriterium darstellen, an das die Differenzierung hinsichtlich 582 Der Diskriminierungsschutz von wurde auf europ. Ebene maßgeblich durch die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (RV-TzA) und die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (RV-B) installiert; im Mittelpunkt steht hier der in § 4 enthaltene Grds. der Nichtdiskriminierung, aufgenommen in RL 1997/81/EG v. 15. 12. 1997 (Abl. 1997 Nr. L 397/ 81) zur Durchführung der Rahmenvereinbarung der Sozialpartner über Teilzeitarbeit v. 06. 06. 1997 bzw. RL 1999/70/EG v. 28.06. 1999 (Abl. 1999 Nr. L 175/43) zur Regelung des befristeten Arbeitsverhältnisses in der Rahmenvereinbarung der Europ. Sozialpartner v. 18. 03. 1999 über befristete Arbeitsverträge (vgl. Art. 1, 4 Nr. 1, 2). Eine unterschiedliche Behandlung Teilzeitbeschäftigter ist hiernach gerechtfertigt, wenn hierfür objektive Gründe vorliegen (Art. 4 Nr. 4 RL 97/81). § 5 Nr. 1 RV-B hat zum Ziel, „Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden“ und erlaubt Benachteiligungen befristeter Beschäftigter, wenn sie in keinem Zshg. mit der Umsetzung dieser Rahmenvereinbarung stehen. 583 Zust. (noch zu §§ 611a, 611b, 612 III BGB, § 75 I BetrVG): Preis, in: ErfK (2006), § 612 BGB, Rn. 48, § 4 TzBfG, Rn. 18, 39. Das AGG geht jedoch insoweit über § 4 I TzBfG hinaus, als dort auch die Diskriminierung bei der Einstellung eines Arbeitnehmers untersagt wird. In systematischer Hinsicht ist § 4 II TzBfG ebenso zu handhaben wie § 4 I TzBfG, Ars/Teslau, NZA 2006, S. 297 (299). 584 Praktisch verbietet es dem Arbeitgeber, solche Beschäftigte durch die übermäßige Zuweisung besonders belastender Tätigkeiten zu benachteiligen (so Schüren, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 162, Rn. 123). 585 Bader, in: KR, § 4 TzBfG, Rn. 6. Auf eine Diskriminierungsabsicht oder ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es aber auch hier nicht an, sondern allein auf eine objektive Ungleichbehandlung (Rolfs, Arbeitsrecht, § 4 TzBfG, Rn. 9). 586 Vgl. Wank, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 116, Rn. 238. Erfolgt eine unterschiedliche Gruppenbildung innerhalb der Teilzeitbeschäftigten oder befristet Beschäftigten, ist der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar (Schüren, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 161, Rn. 50).
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der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen knüpft.587 Da überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten, kann in Fällen des § 4 Abs. 1 TzBfG auch eine mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vorliegen.588 b) § 4 Abs. 2 TzBfG § 4 Abs. 2 TzBfG verbietet dem Arbeitgeber sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellungen von befristet beschäftigten Arbeitnehmern im Verhältnis zu unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern auf Grund der Befristung oder auflösenden Bedingung.589 2. Ausnahmemöglichkeiten Nach § 4 TzBfG bedarf es zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung jeweils eines sachlichen (d. h. objektiven) Grundes.590 Eine Differenzierung ist sachfremd 587 Dies ist immer dann der Fall, wenn allein die Unterschreitung einer best. Arbeitszeitdauer zum Ausschluss von einer best. Regelung führt (EuGH v. 30. 11. 1993 EuGH Slg. 1993, S. 6215 (6221 f.) (Kirsammer-Hack); BAG v. 25. 04. 2007 NZA 2007, S. 881 (882 ff.); exemplarisch Preis, NZA 2000, S. 914 (924). s. a. § 2 I BeschFG a. F. Bzgl. der Vergleichbarkeit des in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers mit anderen (in Vollzeit beschäftigten) Arbeitnehmern: Thüsing, NZA, Beil. Heft 16/2003, S. 41 (44). § 4 I TzBfG stellt ein relatives Differenzierungsverbot dar, weil es ausschließlich die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung untersagt, wenn sie auf die Teilzeitarbeit an sich zurückzuführen ist (Kausalitätserfordernis). Es muss eine Ungleichbehandlung „wegen“ der Teilzeitarbeit vorliegen. Zum pro-rata-temporisGrundsatz des § 4 I 2 TzBfG vgl. EuGH v. 06. 02. 1996 EuGH Slg. 1996 I-243 (267) (Lewark); BAG v. 13. 02. 2007 NZA 2007, S. 860 (861 f.). 588 Vgl. EuGH v. 26. 09. 2000 NZA 2000, S. 1155 (1156) (Kachelmann); BAG v. 06. 04. 1982 AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; s. bereits o. unter § 5 A. II. 3. Vgl. hierzu die Kritik v. Heinze, in: KassHdb 12, Rn. 81, 85. 589 Eine Schlechterbehandlung liegt immer dann vor, wenn ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wg. der Befristung des Arbeitsvertrages schlechter behandelt wird als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer (Wank, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 116, Rn. 229 ff.). Auf auflösend bedingte Arbeitsverträge ist das Verbot gem. § 21 TzBfG entspr. anwendbar (für einen insoweit strengeren Rechtfertigungsmaßstab: Däubler, ZIP 2000, S. 1961 (1968)). s. a. Art. 2 II RL 91/383. Auch hier ist der pro-rata-temporisGrundsatz zu beachten (s. BAG v. 24. 09. 2008 DB 2008, S. 2768 (2769)). 590 EuGH v. 04. 06. 1992 EuGH Slg. 1992, S. 3607 (3612 f.) (Bötel); BAG v. 19. 03. 2002 NZA 2002, S. 1231 (1231); a. A. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 66 – die benachteiligende Voraussetzung müsse vielmehr einem „wirklichen“ (EuGH), „unabweisbaren“ (BAG) Bedürfnis entsprechen; zum Rechtfertigungsmaßstab bei mittelbaren Diskriminierungen wg. des Geschlechts s. bereits o. unter § 5 C. I. 2. b) aa) (1). Problematisch ist, dass der Wortlaut des Gesetzes (vgl. § 4 I 2, II 2 TzBfG) nicht ausdr. klarstellt, dass eine Differenzierung aus sachlichem Grund generell möglich ist. Da die bes. Regelung der anteiligen Vergütung indes jew. ein Unterfall des textlich vorangestellten Benachteiligungsverbots ist, besteht auch insoweit die Möglichkeit, Differenzierungen mit Sachgründen zu rechtfertigen (BAG v. 11. 12. 2003 AP Nr. 7 zu § 4 TzBfG; v. 05. 11. 2003 AP Nr. 6 zu § 4 TzBfG). Auch die RL verlangt die Berücksichtigung des pro-rata-temporis-Grundsatzes nur dort, wo es angemessen ist (Art. 4 Nr. 2 RL 97/81/EG).
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und damit untersagt, wenn mit ihr – anders als etwa bei leistungsbezogenen Kriterien – ein nicht zu billigendes, insbesondere von der Rechtsordnung verbotenes Ziel verfolgt wird oder wenn das eingesetzte Differenzierungskriterium unzulässig oder zur Erreichung des Ziels unverhältnismäßig ist.591 Entscheidend für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung ist auch hier der Zweck der Leistung oder der Maßnahme, der durch die Leistungsbestimmenden erkennbar verfolgt wird.592 a) Rechtfertigung im Rahmen des § 4 Abs. 1 TzBfG Die Sachgründe kann der Arbeitgeber v. a. auf leistungsbezogene Kriterien wie etwa auf Arbeitsleistung, Arbeitsbelastung, Flexibilität, Qualifikation, Berufserfahrung oder allgemein unterschiedliche Arbeitsplatzanforderungen bzw. die betriebliche Organisation der Arbeit stützen.593 Nach h. A. unterliegt es insbesondere auch der freien Unternehmerentscheidung, ob eine Stelle als Teilzeit- oder Vollzeitstelle ausgeschrieben und besetzt wird.594 M. a. W. kann sich ein Unternehmer nach dieser Ansicht ohne Einschränkung für eine innere Organisationsform aber auch für einen Marktauftritt entscheiden, die die eine oder die andere Anstellungsart bedingen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitgeber in seinem Servicebereich aus591
Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 104. Etwa die Förderung und Belohnung der Betriebstreue eines Arbeitnehmers. Zur Zweckbindung vgl. insb. § 4 II 3 TzBfG; Schwarze, Anm. zu BAG v. 20. 08. 2002 (SAE 2004, S. 221 ff.), SAE 2004, S. 224 (224). Es gilt das Prinzip der abgestuften Darlegungs- und Beweislast, sodass der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass die vom Arbeitnehmer glaubhaft gemachte Ungleichbehandlung auf einem sachlichen Grund gem. § 4 I oder II TzBfG beruht. Eine vertragliche Abweichung vom Verbot oder eine individuelle Besserstellung einzelner Arbeitnehmer ist nicht ausgeschlossen (BAG v. 25. 04. 2001 NZA 2002, S. 1211 (1212)). 593 Vgl. nur EuGH v. 17. 10. 1989 Slg. 1989, S. 3220 (3227 f.) (Danfoss); v. 13. 05. 1986 Slg. 1986, S. 1620 (1627) (Bilka); BAG v. 20. 06. 1995 AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge; v. Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 369 (388). Fraglich ist, inwieweit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen als Rechtfertigungsgründe herangezogen werden können; denn die Beschäftigung von Teilzeitkräften kann in einigen Branchen mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein. Hieraus kann ein Bedürfnis resultieren, ausschließlich Vollzeitkräfte zu beschäftigen, was eine Ungleichbehandlung rechtfertigt (BAG v. 14. 10. 1986 AP Nr. 11 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Voraussetzung soll aber sein, dass das Unternehmen sich deutlich für die Vollzeitbeschäftigung engagiert und nicht nur die Mehrkosten der Teilzeitbeschäftigung auf diese Arbeitnehmergruppe abwälzt (Preis, in: ErfK, § 4 TzBfG, Rn. 53). Auch die Arbeitsmarktlage kann nach h. M. den Ausschlag für eine differenzierende Vergütung geben, nicht jedoch die soziale Lage des Arbeitnehmers (so insb. Belling, in: Erman, AGG, § 8, Rn. 8). Zum Standpunkt der Rspr.: Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 62. 594 EuGH v. 26. 09. 2000 NZA 2000, S. 1155 (1156) (Kachelmann); BAG v. 22. 04. 2004 NZA 2004, S. 1158 (1159); Linck, in: Kasseler Handbuch, 4.2, Rn. 224 f., der auf ein hierfür erforderliches Organisationskonzept hinweist; a. A. Schiek/Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (865). Gleiches gilt für die Frage, ob ein Arbeitskräfteüberhang durch eine geringere Zahl von Beendigungskündigungen oder durch eine höhere Zahl von Änderungskündigungen zur Reduzierung der Arbeitszeit abgebaut werden soll. Zu den Vor- und Nachteilen von Teilzeitarbeit s. Lorenz, Die Verringerung der Arbeitszeit auf Wunsch des Arbeitnehmers, (2005), S. 15 ff. 592
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schließlich Vollzeitkräfte beschäftigen möchte, um jedem Kunden möglichst einen festen Ansprechpartner anbieten zu können.595 Insoweit ist es in das alleinige Ermessen des Arbeitgebers gestellt, ob er bestimmte Nachfragewünsche eben nur mit Teilzeit-, Vollzeitkräften oder einem bestimmten Verhältnis von beiden bedient. Demgegenüber darf sich der Arbeitgeber auch hier nicht von bloßen Vorurteilen, etwa über die generell schlechtere Arbeitsmoral von Teilzeitarbeitnehmern leiten lassen.596 b) Rechtfertigung im Rahmen des § 4 Abs. 2 TzBfG Im Rahmen des § 4 Abs. 2 TzBfG wird regelmäßig aus den gleichen Gründen eine unterschiedliche Behandlung in Betracht kommen, wobei § 4 Abs. 2 S. 3 TzBfG die Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses als sachlichen Differenzierungsgrund ausdrücklich aufgreift.597 3. Zwischenergebnis Dadurch, dass § 4 TzBfG gemeinhin jeden Sachgrund zur Rechtfertigung einer Unterscheidung ausreichen lässt, lässt die Regelung dem Unternehmer grundsätzlich einen ausreichenden Entscheidungsspielraum, um ein eventuell mit dem Diskriminierungsschutz in Konflikt stehendes Unternehmensziel zu erreichen. Die freie Unternehmerentscheidung über die Beschäftigungsart (Voll-/Teilzeit- oder befristete Beschäftigung) wird weitgehend respektiert. Jedenfalls soweit der Unternehmer ein Geschäftsmodell verfolgen möchte, um durch eine bestimmte Beschäftigungsart nachvollziehbar ein bestimmtes Marktsegment besetzen zu können, ist parallel zu dem Anerkenntnis in § 8 Abs. 4 TzBfG eine Differenzierung zu gestatten.
IX. Diskriminierungsschutz bei der Arbeitnehmerüberlassung Das Diskriminierungsverbot im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung unterscheidet sich insoweit von den übrigen Verboten, als dass hier die Schlechterstellung von Leiharbeitnehmern gegenüber Arbeitnehmern des Verleiherbetriebs untersagt
595
BAG v. 16. 10. 2007 AP Nr. 22 zu § 8 TzBfG; v. 30. 09. 2003 AP Nr. 5 zu § 8 TzBfG. Allein das unterschiedliche Arbeitspensum der Teil- und Vollzeitbeschäftigten oder die (nicht bewiesene) geringere Motivation oder Eingliederungsbereitschaft Teilzeitbeschäftigter wird als Sachgrund überwiegend abgelehnt (BAG v. 06. 04. 1982 AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; Müller-Glöge, in: MüKo-BGB, § 4 TzBfG, Rn. 31 ff.; Preis, in: ErfK, § 4 TzBfG, Rn. 40, 51). Anders Schwarze, Anm. zu BAG v. 20. 08. 2002 (SAE 2004, S. 221 ff.), SAE 2004, S. 224 (226). 597 Vgl. hierzu die Hinweise von Däubler, ZIP 2000, S. 1961 (1966). 596
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wird, die mithin bei unterschiedlichen Arbeitgebern beschäftigt und damit nicht per se vergleichbar sind.598 1. Grundsatz der Nichtdiskriminierung § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG enthält den Grundsatz der Nichtdiskriminierung für Leiharbeitnehmer,599 wonach der Verleiher dem Leiharbeitnehmer ab dem ersten Tag der Überlassung für die Zeit der Überlassung grundsätzlich als Mindestbedingungen die wesentlichen Arbeitsbedingungen gewähren muss, wie sie ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers im Rahmen eines Sachgruppenvergleichs erhält (equal pay; equal treatment).600 Vergleichsmaßstab sind die Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers.601 Von vornherein erfasst das Diskriminierungsverbot keine Einstellungssituationen; auch sind hier sehr viel seltener unternehmerische Entscheidungen zum Vor- oder Nachteil von Leiharbeitnehmern denkbar, die unmittelbar auf dem Willen des Unternehmers zu einer speziellen marktmäßigen Betätigung beruhen, so dass in diesem Bereich die unternehmerische Freiheit durch das Verbot a priori weniger stark betroffen wird.
598
Boemke/Lembke, AÜG, § 9, Rn. 109 – „Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem“. Zur Kompetenzakzessorietät von Gleichheitssätzen: EuGH v. 13. 01. 2004 NZA 2004, S. 201 (203) (Allonby); BAG v. 03. 04. 2003 NZA 2003, S. 1286 (1286 f.); Hueck/Nipperdey, § 48a, S. 422. Krit. daher Rieble/Klebeck, NZA 2003, S. 23 (26). 599 § 3 I Nr. 3 AÜG ergänzt das (vorrangige) Schlechterstellungsverbot (§§ 9 Nr. 2, 10 IV AÜG) in gewerberechtlicher Hinsicht (vgl. – auch zu den Unterschieden – Boemke/Lembke, AÜG, § 3, Rn. 54). Denn an die Nichtbeachtung des Diskriminierungsverbots wird als gewerberechtliche Sanktion die Versagung der Verleiherlaubnis geknüpft. Entspr. Vereinbarungen sind nach § 9 Nr. 2 AÜG für die Zeit der Überlassung unwirksam (Pelzner, in: Thüsing, AÜG, § 3, Rn. 53). Weiterhin kann der Leiharbeitnehmer kraft Gesetzes (§ 10 IVAÜG) vom Verleiher die Gewährung der wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihers in gleicher Weise verlangen, als ob der Arbeitsvertrag wirksam wäre (Schaub, in: ArbR-Hdb., § 120, Rn. 58). Daneben gelten über § 14 AÜG das Gleichbehandlungsgebot und die Diskriminierungsverbote des § 75 BetrVG auch für Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb (Wank, in: ErfK, § 14 AÜG, Rn. 14). 600 Eingeführt mit Art. 6 Nr. 3 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz I“; Gesetz v. 23. 12. 2003, BGBl. I, S. 4607; s. hierzu Wank, NZA 2003, S. 14 (18 ff.)). Die neue Vorschrift gilt (bis auf zwei Ausnahmen) für alle Leiharbeitsverhältnisse; zur Einordnung als Diskriminierungsverbot vgl. Wank, in: ErfK, § 3 AÜG, Rn. 11 ff.: als solches stehe die Vorschrift systematisch an der falschen Stelle; ebenso Mengel, in: Thüsing, AÜG, § 9, Rn. 22; a. A. BT-Dr. 15/25, S. 38, 39 – „Grundsatz der Gleichbehandlung“; s. a. Thüsing/ Lembke, ZfA 2007, S. 87 (90). Maßgeblichen Anstoß für das Diskriminierungsverbot lieferte ein Richtlinien-Entwurf der EG (vgl. RL-E 2002/0072 (COD) – KOM (2002) 149 endg. – ABl. EG C 203 v. 27. 08. 2002 = BR-Dr. 319/02; geändert am 28. 11. 2002 KOM (2002) 701 endg.; vgl. insb. Art. 3 I, 5 I-III des Entwurfs); vgl. nunmehr die Leiharbeitsrichtlinie v. 22. 10. 2008 – vgl. EU-Amtsblatt C 254 E/36. 601 Damit bezieht sich das Diskriminierungsverbot immer auf den Entleiher. Zum Vergleichbarkeitsmaßstab vgl. u. a Art. 3 I f)ii) RL-Entwurf 2002/0072 (COD); § 2 I 2 NachwG; Zwanziger, in: Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, §§ 3, 9 AÜG, Rn. 5.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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2. Ausnahmemöglichkeiten § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG sieht ausdrücklich zwei Ausnahmemöglichkeiten vor: a) Eine Ausnahme formuliert die Vorschrift hinsichtlich der Überlassung von zuvor arbeitslosen (§ 119 SGB III) Arbeitnehmern.602 b) In Fällen einer tarifdispositiven gesetzlichen Regelung kann grundsätzlich durch Tarifvertrag vom Gesetz zu Gunsten und zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden.603 Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG wurden in der Literatur in mehrere Richtungen Bedenken geltend gemacht.604 U. a. wurde ein unzulässiger Eingriff in die Berufs- und Vertragsfreiheit der Verleihunternehmer (als auch der Arbeitnehmer) beklagt.605 Den Problemen könne durch die engen Grenzen der ausdrücklich normierten Ausnahmefälle die unternehmerische Freiheit kaum angemessen entgegengesetzt werden. In der Richtlinie und im AÜG ist nicht geregelt, ob (darüber hinaus) sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung von Stammarbeitnehmern und Leiharbeitnehmern rechtfertigen können.606 Zumindest nach einer Ansicht können sich Merkmale wie Arbeitsleistung, Arbeitsbelastung, Be602 Vgl. Wank, in: ErfK, § 3 AÜG, Rn. 21 – erst recht anwendbar auf ALG II. Hier muss die Entgelthöhe lediglich mindestens die Höhe des Betrages des letzten Arbeitslosengeldes des Leiharbeitnehmers betragen. Diese Ausnahme gilt für die Beschäftigung eines zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmers aber dann wiederum nicht (Rückausnahme), wenn mit demselben Verleiher bereits ein Leiharbeitsvertrag bestanden hatte (Vorbeschäftigungsverbot) – dann gilt wieder die Verbotsregel. 603 Vgl. Pods, in: HWK (2004), § 3 AÜG, Rn. 37 (für ein sachl. Rechtfertigungserfordernis über Art. 3 I GG); Schüren, RdA 2006, S. 303 (304); a. A. Kalb, in: HWK, § 3 AÜG, Rn. 36 ff.; Wank, in: ErfK (2006), § 3 AÜG, Rn. 32a. Da die gesetzl. Regelung schon das Optimum für den Leiharbeitnehmer bietet, können Tarifverträge nur nach unten abweichen. Zu den Problemen in der Praxis, die von dieser Ausnahmeregelung umfangreich Gebrauch macht, s. BAG v. 28. 01. 2008 NZA 2008, S. 489 (490); Däubler, DB 2008, S. 1914 (1914 ff.); Ulber, NZA 2008, S. 438 (438 ff.). Nicht erlaubt ist hierdurch aber ein Verstoß geg. höherrangiges Recht (z. B. Art. 3 II GG) (Pelzner, in: Thüsing, AÜG, § 3, Rn. 81 f.). 604 Vgl. nur Boemke/Lembke, AÜG, § 9, Rn. 94 ff.; Picker, ZfA 2002, S. 469 (500). Wg. des nach h. M. gerechtfertigten Eingriffs in die durch Art. 9 III GG geschützte Koalitionsfreiheit vgl. BVerfG v. 29. 12. 2004 BB 2005, S. 495 (495 ff.). 605 In diese Richtung Bayreuther, NZA 2005, S. 341 (341 f.); Grobys/Schmidt/Brocker, NZA 2003, S. 777 (778); Rieble/Klebeck, NZA 2003, S. 23 (29) – „ökonomisch ungeeignet“; Thüsing/Lembke, ZfA 2007, S. 87 (117); s. a. Richardi, NZA 2008, S. 1 (5). Ebenfalls zu den Bedenken – u. a. im Hinblick auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes –: Schüren, in: Schüren, AÜG, § 9, Rn. 107 ff.; Reim, AiB 2005, S. 203 (203 ff.); ausf. Klebeck, Gleichstellung der Leiharbeitnehmer als Verfassungsverstoß, 2004, S. 1 ff. I. Erg. gegen eine Verletzung der Berufsfreiheit BVerfG v. 29. 12. 2004 BB 2005, S. 495 (497 f.); s. jetzt a. Schüren, RdA 2006, S. 303 (305). 606 Dies bejahen Boemke/Lembke, AÜG, § 9, Rn. 54 f., 156 – m. w. N., 163; in diese Richtung a. Wank, in: ErfK (2006), § 3 AÜG, Rn. 20. Vgl. insoweit a. § 10 V AÜG a. F. sowie § 93 II 1 des Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes von Preis/Hennssler – vgl. o. Fn. 53. A. A. wohl Kalb, in: HWK, § 3 AÜG, Rn. 36 ff.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
triebszugehörigkeit, Berufserfahrung, Qualifikation und Kompetenz der jeweiligen Arbeitnehmer auf die Gleichbehandlung auswirken;607 eine Differenzierung hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen sei daher aus objektiven Gründen zulässig, die einem billigenswerten Bedürfnis des Unternehmens entsprechen und im Hinblick auf dessen Verwirklichung geeignet und erforderlich sind.608 In Anlehnung an die anderen statusbezogenen Diskriminierungsverbote des § 4 TzBfG sollte dem Erfordernis der Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit Genüge getan werden, indem sachliche Differenzierungsgründe, die einem legitimen Unternehmerinteresse entspringen, auch im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG anerkannt werden.609 3. Zwischenergebnis Durch seine Durchbrechung der Kompetenzakzessorietät von Gleichheitssätzen stellt der Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Leiharbeitnehmern eine systemfremde Beschränkung von unternehmerischer Freiheit dar. Zum Ausgleich sollten bei der Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 AÜG zukünftig nicht nur die ausdrücklich genannten Ausnahmemöglichkeiten gelten, sondern substantiiert vorgetragene sachliche Gründe ebenfalls den Nichtdiskriminierungsgrundsatz durchbrechen können, damit unternehmerische Interessen nicht unzumutbar beschränkt werden.
X. Sonstige Diskriminierungsverbote Neben den vorgenannten Diskriminierungsverboten bestehen weitere, auf die jedoch aufgrund ihrer überschaubaren Auswirkungen nicht näher eingegangen werden soll.610 So werden auch andere Kriterien genannt, wegen derer grundsätzlich nicht differenziert werden soll; in Art. 14 EMRK tauchen z. B. die Merkmale Vermögen, soziale Herkunft und sonstiger Status auf. Auch Art. 20 GRCh greift insoweit über den nunmehr anerkannten Katalog hinaus. Nach § 2 Abs. 3 AGG werden sonstige Benachteiligungsverbote durch das AGG nicht berührt, so dass diese weiterhin ihre Geltung haben. 607 Mengel, in: Thüsing, AÜG, § 9, Rn. 47. Ein striktes Diskriminierungsverbot sei jedenfalls abzulehnen (Wank, in: ErfK (2006), § 3 AÜG, Rn. 20) – ausdr. Bezug nehme Art. 6 Nr. 4 des RL-Entwurfs, dessen Inhalt auch für § 3 I Nr. 3 AÜG gelten müsse. 608 Boemke/Lembke, AÜG, § 9, Rn. 156; Wank, NZA 2003, S. 14 (18). Ähnlich Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (283 f.). 609 Überpfüfbar bliebe auch hiernach, ob die unternehmerische Entscheidung zur Umgehung des equal-pay-Gebotes bloß vorgeschoben wird (vgl. hierzu LAG Schleswig-Holstein v. 18. 06. 2008 DB 2008, 2428 (2431)). 610 Vgl. nur § 53a AktG, § 20 GWB, § 19 TKG, §§ 20 ff. EnWG, §§ 11 II, 81e VAG. Zu den umfangreichen verfassungsrechtlichen Differenzierungsmaßstäben: Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG I, Art. 3 I, Rn. 16 ff.; Mankowski, JZ 2004, S. 121 (127). Grundrechte sind jedoch für sich genommen egalitär und diskriminierungsfeindlich, so dass ein allg. verfassungsrechtliches Anti-Diskriminierungssystem abzulehnen ist.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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Zudem gelten gem. dem Diskriminierungsverbot wegen der politischen Anschauungen (vgl. Art. II-81 Abs. 1 EVerfE, Art. 3 Abs. 3, 33 Abs. 3 GG, § 75 Abs. 1 BetrVG) auch Unterscheidungen nach der Parteizugehörigkeit des Bewerbers bzw. Arbeitnehmers – mit Ausnahme von Tendenzbetrieben, also politischen Parteien611 – als unzulässig.612 Daneben besteht nach Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der Gewerkschaftszugehörigkeit, gewerkschaftlicher Betätigung oder Einstellung.613 Es gilt für die vorhandene wie für die fehlende Gewerkschaftszugehörigkeit614 und erklärt bereits bei der Einstellung von Arbeitnehmern eine solche Differenzierung für unzulässig, da die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft für die Eignung des Arbeitnehmers regelmäßig – mit Ausnahme bei Tendenzbetrieben oder leitenden Positionen615 – nicht von Bedeutung ist.616 Auch wenn die Merkmale der Gewerkschafts- oder Parteizugehörigkeit nicht in § 1 AGG auftauchen, existieren in Deutschland dennoch strenge Differenzierungsverbote. Dies erscheint auch unter Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit angemessen, da diese regelmäßig nur bei Tendenzbetrieben mit den Verboten kollidie611 Das BAG stellt insoweit auf die jeweils bekleidete Position des Arbeitnehmers ab (BAG v. 07. 09. 1995 AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; v. 28. 02. 1991 – Az.: 2 AZR 357/90 – n. v. ; krit. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 172). 612 Dies folgt schon aus der verfassungsrechtlichen Schutzstellung der Parteien nach Art. 21 GG (BAG v. 07. 09. 1995 AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht). Die Frage nach der Parteizugehörigkeit ist demnach grds. unzulässig (Knipp, AR-Blattei SD „Einstellung“, 640, Rn. 111). Für ein absolutes Frageverbot: Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1146); a. A. Moritz, NZA 1987, S. 329 (333)). Eine Kündigung wg. der „politischen Anschauungen“ kann nur gerechtfertigt sein, wenn daraus ein konkreter Bezug zum Arbeitsverhältnis und eine konkrete Gefährdung des Arbeitsverhältnisses folgen, etwa weil durch die politische Agitation das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, insb. der Betriebsfrieden ernstlich gefährdet ist (Wank, in: MünchHdbAR, § 120, Rn. 79, 86). 613 Das Verbot ist nicht von europ. Richtlinien geschützt. Es hat seine einfach-gesetzliche Ausprägung in § 75 BetrVG. Dementspr. ist auch die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit (jedenfalls vor Abschluss des Arbeitsvertrags) grds. unzulässig (Dörner, in: Dörner/ Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 271). Gleiches gilt im US-amerik. Recht, vgl. Thüsing, NZA 2004, S. 1310 (1317). Der abgewiesene Bewerber kann nach § 823 I, II BGB Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitgeber schuldhaft gehandelt hat (Boemke, ZfA 2001, S. 245 (256)). 614 Nichtorganisierte Arbeitnehmer dürfen ggü. organisierten auch bei Entgeltvereinbarungen, bei der Ausübung von Leistungsbestimmungsrechten usw. nicht begünstigt werden (Hromadka/Maschmann, § 7 III, Rn. 124). Umgekehrt wird a. anerkannt, dass ein Unternehmer schon aufgrund der Bindung an den allg. arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz regelmäßig kein Interesse daran hat, organisierte Arbeitnehmer bevorzugen zu müssen. Tarifausschluss- oder Differenzierungsklauseln sind deshalb unwirksam (BAG v. 09. 05. 2007 NZA 2007, S. 1439 (1441); BAG (GS) v. 29. 11. 1967 BAGE 20, S. 175 (215 ff.)). 615 Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 18; Ehrich, DB 2000, S. 421 (426). A. A. Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492 f.); Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (172). 616 BAG v. 28. 03. 2000 AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; v. 20. 06. 1987 AP Nr. 49 zu Art. 9 GG; hiergegen Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 119.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
ren kann. Diesbezüglich werden mögliche Ausnahmen nach überkommener Meinung grundsätzlich anerkannt.617 In beiden Fällen wird deutlich, dass sich der Abgrenzungsbereich zu den Differenzierungsverboten danach bestimmt, ob der Unternehmer die Unterscheidung in Bezug auf die konkrete Arbeitsaufgabe für erforderlich halten darf, da ihm seine freie Berufsausübung mithilfe des Arbeitnehmers ansonsten schlechterdings kaum möglich wäre. Die Ausnahmen zugunsten von Tendenzbetrieben entsprechen insoweit einer gewissen Sachlogik, die sich in allgemeiner Form dem Erfordernis ausreichender Berücksichtigung von unternehmerischer Freiheit entnehmen lässt.618
XI. Zwischenergebnis Das Arbeitsrecht ist durchzogen von Diskriminierungsschutznormen.619 Sie gelten unabhängig von der Betriebs- oder Unternehmensgröße oder der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter.620 Der Katalog der verpönten Merkmale wurde so stark ausgeweitet, dass nunmehr potentiell jeder Arbeitnehmer unter mehreren Aspekten als Diskriminierungsopfer in Betracht kommt.621 Da zum anderen die Verbote auf jede (Vor-)Phase des Arbeitsverhältnisses einwirken, muss der Arbeitgeber zunehmend bei jedem seiner arbeitsrechtsrelevanten Schritte bedenken, inwieweit er auf Diskriminierungsverbote Rücksicht zu nehmen hat.622 Er muss darlegen und beweisen können, die geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ergriffen zu haben und die vom 617 Belastungen der Arbeitgeber, die sich durch die Tarifbindung ergeben, sollten durch die Beachtung der Grenzen der Tarifautonomie (vgl. o. unter § 3 C. IV. 5.) Zumutbarkeitsgrenzen gesetzt werden. 618 Fraglich ist dabei, ob es ausschließich Tendenbetrieben vorbehalten sein sollte, ihre Personalauswahl von best., ihrer Arbeit zugrunde liegenden Grundausrichtungen abhängig machen zu können. Dies zieht die Frage nach sich, ob mit dem besonderen Grundrechtsschutz, auf den sich der Tendenzschutz gründet, ein qualitativ besserer Schutz gerechtfertigt werden kann, als mit dem Schutz der unternehmerischen Freiheit über Art. 12 I GG. 619 Die hieraus folgenden Diskriminierungsverbote waren in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher Urteile (vgl. nur die Übersichten bei Singer, ZfA 2002, S. 91 (140 ff.); Jacobs, ZfA 2002, S. 679 (695 ff.); Reichold, ZfA 2003, S. 493 (524 ff.); Sandmann, ZfA 2004, S. 537 (552 ff., 570 ff.); Krause, ZfA 2005, S. 687 (699 ff.)). 620 s. auch Grobys, NJW-Spezial 2006, S. 417 (417). 621 Alle Menschen weisen gewisse Merkmale (z. B. ethnische Herkunft, Geschlecht, Lebensalter, sexuelle Identität) auf, vgl. BT-Dr. 16/1780, S. 30; Adomeit, NJW 2003, S. 1162 (1162) – Diskriminierungsschutz als „universelles Rechtsprinzip“. Jeder Arbeitnehmer erfüllt zwingend mehrere Merkmale, die Gegenstand einer unzulässigen Benachteiligung sein können; daher ist jede Personalmaßnahme künftig einer Betrachtung vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbots zugänglich (Herms/Meinel, DB 2004, S. 2370 (2370)). 622 Insg. besteht jedenfalls die Tendenz zur Ausdehnung der Gleichbehandlungs- und AntiDiskriminierungsvorschriften zu Lasten der Arbeitgeberfreiheiten (ähnlich Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 68; Thüsing, NZA 2000, S. 570 (570); allg. Breuer, in: HdbStR VI, § 148, Rn. 24). Bereits Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (22 f.) sah hierdurch gar eine systemsprengende Kraft entwickelt. Zum parallelen Trend bzgl. einer Einschränkung des Informationsbegehrens des Arbeitgebers vgl. Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1153).
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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Gesetz als Pflichtverletzung begriffene Benachteiligung nicht vertreten zu müssen.623 Speziell das Anti-Diskriminierungskonzept der EU-Richtlinien setzt fortschreitend tradierte Differenzierungsmuster unter Rechtfertigungszwang und damit unter „rationalen Stress“.624 Das neue Anti-Diskriminierungsrecht tritt in Deutschland in Gesellschaft zum allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und beendet weitgehend den Streit um die Wirkung von Art. 3 Abs. 2, 3 GG im Arbeitsrecht.625 Bei einer Zusammenschau des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzrechts wird deutlich, dass es die Privatautonomie und speziell die unternehmerische Freiheit in vielfältiger Weise einschränkt.626 623 Das gilt von der ersten Stellenausschreibung, bei der Leistungsbeurteilung von Mitarbeitern bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und sogar darüber hinaus (SteinauSteinrück/Schneider/Wagner, NZA 2005, S. 28 (31)). 624 So Blanke, NZA 2006, S. 1304 (1306); ähnlich Bobke-von Camen/Klein, in: FS Leinemann (2006), S. 675 (667 ff.); Isensee, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 238 (272); Thüsing, ZfA 2007, S. 241 (248 f.). Dabei wirkt die Umkehr der Begründungslasten durch die Beurteilung der Zulässigkeit einer Differenzierung auf Rechtfertigungsebene bereits an sich freiheitsbeschränkend (Pfeiffer, in: FS Canaris (2007), S. 981 (994)). Das europarechtlich veranlasste Anti-Diskriminierungsrecht setzt keine arbeitsrechtlichen Mindeststandards, sondern postuliert zunehmend Maximalschutz von Arbeitnehmern i. S. einer Optimierungstendenz. Grdl. Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 91 ff.; Rüthers, NJW 2003, S. 546 (546 ff.); aktuell Lindner, NJW 2008, S. 2750 (2750). Ähnlich Steiner, NZA 2008, S. 73 (74). A. A. Baer, ZRP 2002, S. 290 (290). Krit. zum mangelnden Schutz individueller Berufsfreiheit durch das BVerfG: Möllers, in: NJW 2005, S. 1973 (1979). 625 Maßgeblichen Anstoß zu dieser Entwicklung liefert regelm. das europ. Recht, welches den dt. Gesetzgeber – angefangen bei der Gleichberechtigung zw. Mann und Frau – mehrfach zu einer Verschärfung des Diskriminierungsschutzrechts angehalten hat und angetrieben durch den Motor europ. Normsetzung und Rspr. in immer weitere Bereiche vordringt (zu dieser Einflussnahme vgl. etwa Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 20, 23 („EU als Motor auch nationaler Gleichstellungspolitik“); Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 54 („mit missionarischem Eifer“); Junker/Aldea, EuZW 2007, S. 13 (13 f.). s. a. BVerfG v. 16. 11. 1993 BVerfGE 89, 276 (286)). Zu aktuellen Diskriminierungsbekämpfungsmaßnahmen der EU s. a. www.europa.int.comm/employment_social/fundamental_rights/index_de.html. 626 Ebenso Heinrichs, in: Palandt, AGG, Einf. v. AGG, Rn. 7; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 6; Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (365) – Diskriminierungsverbote […] treffen die Idee von Privatautonomie im Kern; Hanau, in: FS Adomeit (2008), S. 237 (237 ff.); Korthaus, Das neue Antidiskriminierungsrecht, 2006, S. 204 f., 243. Zu ähnlichen Tendenzen in anderen Bereichen des Arbeitsrechts vgl. Versteyl, Die Obergrenze arbeitsrechtlichen Schutzes (2005), S. 27 ff. Zur kumulativen Wirkung von dt. Arbeitsrecht und Diskriminierungsschutzrecht vgl. Bauer, NZA 2005, S. 1046 (1046); Willemsen/Schweibert, NJW 2006, S. 2583 (2583) – „Webfehler“; DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (VIII). Hierin besteht gerade der Unterschied zu den angelsächsischen Rechtsordnungen, weil hier ein eigenständiges Kündigungsschutzrecht nicht existiert (sog. „at-will-doktrin“) und daher Zuflucht im Anti-Diskriminierungsrecht gesucht werden musste (Verbot des unfair dissmissal) (Rebhahn, ZfA 2003, S. 163 (180); Tödtmann/ Schauer, NZA 2003, S. 1187 (1189)). Gerade unter diesem Aspekt muss sich die unternehmerische Freiheit beweisen, denn bei einer kumulativen Belastung eines Grundrechtsträgers durch unterschiedliche staatliche Maßnahmen ist die Zumutbarkeitsgrenze für die Freiheitsbeschränkung anhand der Gesamtbelastung zu bestimmen (vgl. BVerfG v. 12. 04. 2005 NJW 2005, S. 1338 (1340 f.); grds. zust. Kirchhof, NJW 2006, S. 732 (735)). Grdl. Zacher, in: HStR II, § 28, Rn. 57; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 1 III 2a.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
1. Einschränkung durch Belastung mit Organisations- und Finanzaufwand Diskriminierungsschutzrecht führt an vielen Stellen zu erhöhten Belastungen der Arbeitgeber im Hinblick auf deren interne Organisationsprozesse; generell wird vom Unternehmer ein erhöhter Finanzbedarf zur Vermeidung von Diskriminierung erwartet.627 Speziell die Schadensersatzfolgen des AGG führen zu finanziellen Risiken für jeden Arbeitgeber, der Arbeitnehmer einstellt und beschäftigt.628 Die zahlreichen im SGB IX normierten Sonderregelungen für das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und (schwer-)behindertem Arbeitnehmer mögen als Beispiel dafür dienen, in welch vielfältiger Weise die Pflichtenstellung des Arbeitgebers betroffen ist und wie weitreichend die damit verbundene finanzielle Gesamt-Belastungswirkung sein kann.629 2. Einschränkung der freien Marktbetätigung Abgesehen von diesen allgemeinen Belastungswirkungen, die tendenziell jedem arbeitnehmerschützenden Gesetz in unterschiedlich starker Ausprägung innewohnen, greifen die arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzvorschriften in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und dabei besonders in das freie Auftreten am Markt ein. Dabei äußert sich die Eingriffswirkung in zwei voneinander zu unterscheidende Formen:630
627 Anti-Diskriminierungsvorschriften führen in vielen Bereichen zu einer Verteuerung des Produktionsfaktors der abhängigen Arbeit und haben deshalb eine auch faktisch freiheitsbeschränkende Wirkung (Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 12 I, Rn. 68). Zum Begriff der unverhältnismäßige Kosten vgl. § 81 IV 3 SGB IX, § 8 IV 2 TzBfG. s. hierzu BAG v. 21. 06. 2005 NZA 2006, S. 316 (319 f.); v. 23. 11. 2004 NZA 2005, S. 769 (772). 628 Zu dem höheren Kostenrisiko für den Arbeitgeber durch die Anerkennung einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund ihres kollektiven Charakters vgl. Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1491). 629 Zu den bes. Belastungen aufgrund des umfangreichen, von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers unabhängigen Pflichtenkatalogs hinsichtlich der Beschäftigung sbM aus dem SGB IX (s. §§ 71 I, 73, 77, 80, 81 I, III, IV, V, 84 II, 93, 95 II 3, 125) vgl. BAG v. 14. 03. 2006 NZA 2006, S. 1214 (1215); v. 19. 10. 2005, NZA 2006, S. 155 (158, 160); Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 71, Rn. 4, § 81, Rn. 25, 27, 30; Cramer, NZA 2004, S. 698 (700, 706, 711 f.); zu den Folgen von Verstößen: Rolfs/Paschke, BB 2002, S. 1260 (1260 ff.); zu den Belastungen aus dem bes. (doppelten) Kündigungsschutz für sbM (§ 85 SGB IX) s. BAG v. 12. 01. 2006 NZA 2006, S. 1035 (1035 f.); krit. Gravenhorst, NZA 2003, S. 803 (804); anders Ganz, NZA 2006, S. 24 (25 f.)). Zur kumulativen Belastung von Grundrechtsträgern durch mehrere staatliche Eingriffe s. BVerfG v. 12. 04. 2005 NJW 2005, S. 1338 (1340 f.). Zur US-amerik. Anpassungspflicht („reasonable accommodation“): Thüsing, NZA 2004, S. 1310 (1313). 630 Gegen eine Unterscheiung Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (387) – „unfruchtbare Abgrenzung“.
C. Einzelne arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote
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a) Auf Differenzierung/Diskriminierung beruhendes Angebot Zum einen sieht sich der Unternehmer durch Diskriminierungsverbote in den Fällen beschränkt, in denen er sein Angebot und den darauf abgestimmten Marktauftritt auf ein spezielles Marktsegment hin ausrichten möchte und hierzu Personalmaßnahmen ergreift, die sich an ein geschütztes Merkmal anlehnen. In diesem Fall geht die Diskriminierungsentscheidung vom Unternehmer aus. Er antizipiert einen speziellen Nachfragebedarf, welchen er durch ein passgenaues Angebot bedienen möchte.631 Es findet eine Anknüpfung an den Nachfrageaspekt statt; der Unternehmer macht dies zum Kern seiner unternehmerischen Entscheidung. Dabei sieht er sich aus unterschiedlichen Gründen dazu veranlasst, sein Geschäft hinsichtlich der Kundenzielgruppe auf spezielle Merkmalsträger oder auf einen bestimmten merkmalsbedingten bzw- -ausschließenden Nachfrageaspekt hin auszurichten – sich also für einen merkmalsorientierten Marktauftritt zu entscheiden. Als Beispiele mögen insoweit an dieser Stelle das Frauen-Fitnessstudio, das Reisebüro für Japan-Reisen, und das Modegeschäft für Jugendliche dienen.632 In allen Fällen nimmt der Unternehmer einen diversifizierten Marktauftritt in Aussicht. Die durch die jeweilige Ausrichtung gewonnene Unterscheidbarkeit am Markt erhöht dabei die Marktzutrittschancen des Anbieters.633 Wenn ihm durch die Diskriminierungsverbote eine mit dem Auftritt abgestimmte Personalmaßnahme (hier: die Einstellung einer weiblichen Trainerin, eines/r japanischen Reiseverkehrskaufmannes/-kauffrau bzw. eines/r jungen Mode-Verkäufers/-in) verwehrt werden würde, sähe sich der Unternehmer gleichzeitig in seiner Möglichkeit eingeschränkt, über den Marktauftritt seines Unternehmens zu bestimmen. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen ein erfolgreicher Marktauftritt anders als durch die gewünschte Maßnahme nicht bzw. weniger erfolgversprechend gewährleistet werden könnte. Gerade hier führt Diskriminierungsschutz dazu, dass wesensbestimmende Grundlagen für die Ausübung unternehmerischer Freiheit, nämlich die Bestimmung des Angebots, mit dem sich der Unternehmer am Markt präsentieren will, eingeschränkt werden. Das Auftreten des Unternehmens am Markt wird in allen genannten Fällen jedenfalls dann beeinträchtigt, sofern Diskriminierungsverbote für einschlägig gehalten werden. Wenn sich der Unternehmer zu seinem Angebot aus ökonomischen Erwägungen veranlasst sieht und durch die Maßnahmen ausschließlich den Markterfolg sicherstellen will, stellt sich diesbezüglich die Frage, ob die unterscheidenden Personalmaßnahmen durchweg als unzulässige Diskriminierungen einzustufen sind. Soweit die Möglichkeit zur Differenzierung in bestimmten, näher zu konkretisierenden Bereichen, den Kern unternehmerischer Entscheidungsfreiheit darstellt, ergibt sich daraus die Aufgabe, eine Abgrenzung zwischen beiden Bereichen (unzulässiger Diskriminierung und zulässiger Differenzierung) vorzunehmen. Dabei sind auf Seiten der Arbeitnehmer vor allem 631 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 12; Brors (in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4) spricht insofern ungenau von von „außen“ gesetzten funktionalen Gründen. 632 Näher zu den Bspen. u. unter § 7 A. II. 7. b). 633 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 13.
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§ 5 Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Gleichheitssätze
die grundlegenden Diskriminierungsschutzziele und zugunsten der Arbeitgeber deren Recht auf eine freie marktmäßige Betätigung zu berücksichtigen. b) Auf Diskriminierung beruhende Nachfrage Der zweite Bereich betrifft Fälle, in denen die Initiative zu einer unterscheidenden Maßnahme nicht vom Unternehmer ausgeht, sondern von Dritten. Als Dritte können dabei sowohl Mitarbeiter, Geschäftspartner und vor allem Kunden des Arbeitgebers in Betracht kommen. Insbesondere durch die Außeneinwirkung von Kunden634 kann sich der Unternehmer zu einer diskriminierenden Maßnahme veranlasst sehen, obgleich er selbst kein persönliches Motiv für eine ungleiche Behandlung besitzt, sondern diese mitunter sogar missbilligt. An dieser Stelle wird der Arbeitgeber im Falle des Eingreifens von Diskriminierungsverboten ebenfalls darin beschränkt, auf ein bestimmtes Marktgeschehen zu reagieren, um hierdurch – je nach Kundenandrohung – ökonomische Nachteile für sein Unternehmen abwenden zu können. Anders als bei selbstveranlassten Differenzierungen wird der Unternehmer hier für das diskriminierende Verhalten Dritter in die Pflicht genommen, so dass es der Entscheidung bedarf, ob eine solche Garantenstellung des Unternehmers unabhängig vom Drohpotenzial Dritter besteht, oder ob sich der Unternehmer für eine diskriminierende Maßnahme unter bestimmten Umständen auf eine Art rechtfertigende Zwangslage berufen kann. Im letzteren Fall bedürfte es einer hinreichend exakten Verortung, unter welchen Bedingungen die Veranlassung durch Dritte selbst eindeutig diskriminierende Personalmaßnahmen ausnahmsweise legitimieren kann. Dem Diskriminierungsschutzgedanken könnten hier vor allem der Grundsatz gerechter Risikotragung – unter Berücksichtigung tunlicher Risikobeherrschung – und damit Zumutbarkeitsgesichtspunkte entgegenstehen.
634 Vgl. EuGH v. 10. 07. 2008 NZA 2008, S. 929 (929 ff.) (Feryn); Deinert, RdA 2007, S. 275 (278). Zur Fallgruppe der xenophobischen (fremdenfeindlichen) Kundenpräferenzen, vgl. Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (390).
§ 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit Infolge der Wirkungen des Diskriminierungsschutzes kommt es zu einer Einschränkung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit des Unternehmers. Im Folgenden soll erörtert werden, ob die festgestellten Eingriffe in die unternehmerische Freiheit durch Eingriffsschranken der einschlägigen Garantien gedeckt werden können.
A. Grundrechtsstandards auf europäischer Ebene Die Grundrechte des europäischen Rechts im Allgemeinen wie auch die Berufsfreiheit im Speziellen sind aufgrund bestehender Regelungsvorbehalte beschränkt und beschränkbar.1 Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist nach der Vorbehaltsrechtsprechung des EuGH gerechtfertigt, „sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet“.2 Demnach wird eine Schranken-Schranke des Grundrechts in Form des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vom EuGH dem Grunde nach anerkannt.3 Diesbezüglich sind Ansätze einer Differenzierung zwischen Berufsausübungs- und Berufswahlregelungen erkennbar.4 Der EuGH erkennt dem Grunde nach auch einen unantastbaren Wesensgehalt des Grundrechts an.5 Eingriffe in die für die unternehmerische Betätigung bedeu-
1 Vgl. EuGH v. 05. 10. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5039 (5065) (Bananen); v. 14. 05. 1974 EuGH Slg. 1974, S. 491 (507 f.) (Nold). Auch setzen sich die verschiedenen europ. Grundrechte wie im dt. Verfassungsrecht immanente Grenzen, wobei stets ein verhältnismäßiger Ausgleich gefunden werden muss (Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (272)). 2 EuGH v. 23. 12. 1999 NZA 2000, S. 85 (87, 89) (Arblade u. Leloup); v. 13. 12. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5571 (5581) (SMW Winzersekt); v. 13. 07. 1989 EuGH Slg. 1989, S. 2633 (2639) (Wachauf/Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft). 3 Vgl. hierzu speziell EuGH v. 21. 02. 1991 EuGH Slg. 1991, S. 534 (552) (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest); v. 21. 05. 1987 EuGH Slg. 1987, S. 2334 (2342) (Rau/Balm). Siehe hierzu aber u. unter § 7 B. III. 3. b). 4 So die Einschätzung v. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 15 GRCh, Rn. 6; Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (8). 5 Nolte/Tamms, JuS 2006, S. 130 (131). Vgl. a. die Wesensgehaltsbestimmung in Art. 26 GSC; hierzu Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 II 9c.
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§ 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit
tungsvollen Grundfreiheiten müssen ebenfalls mit den vom EuGH anerkannten Grundsätzen in Einklang stehen.6 Diese Beschränkbarkeitsgrundsätze der bislang ungeschriebenen europäischen Grundrechte werden auch im Bereich der Normen anerkannt, die den Schutz der unternehmerischen Freiheit ausformulieren.7 Diesbezüglich kommt es vor allem darauf an, dass bei Eingriffen in die Grundrechte von Unternehmen wie auch sonst eine strenge und transparent-nachvollziehbare Prüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stattfindet.8 Hier wird ebenfalls davon ausgegangen, dass Belastungen der Berufswahl grundsätzlich schwerer wiegen als Belastungen der Berufsausübung.9 Daneben verweist Art. 52 GRCh auf die Garantie des Wesensgehalts und auf die Bindung an das Gemeinwohl oder den Schutz der Rechte Dritter, so dass der Wesensgehalt hiernach die äußerste Grenze für Beschränkungen des Grundrechts bildet.10 Einschränkungen der Berufs- und Unternehmerfreiheit sind danach im inhaltlichen Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, dessen Gesamtschau der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, der EMRK sowie der Grundrechte-Charta zulässig, wenn sie sich auf eine gesetzliche Regelung stützen können, dem Gemeinwohl (einschließlich der Rechte anderer) entsprechen, verhältnismäßig sind und den Wesensgehalt der Freiheit nicht beeinträchtigen.11 Zwar betont der EuGH in diversen Urteilen 6
EuGH v. 11. 07. 2002 EuGH Slg. 2002 I-6279 (6280, 6321) (Carpenter). So wird hinsichtlich der Art. 15, 16 GRCh in Art. 52 GRCh (= Art. II-112 EVerfE) eine allg. Schrankenregelung installiert, die den vom EuGH geprägten Regelungsvorbehaltsgrundsätzen im Wesenlichen entspricht. Art. 52 I GRCh verweist a. auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Beschränkungsmaßstab. Er fasst in allg. Art die Grundrechtsschranken zusammen, vergleichbar mit der Schrankendogmatik des Grundgesetzes: Gesetzesvorbehalt, Wesensgehaltsgarantie, Verhältnismäßigkeit, Gemeinwohl, Grundrechtsabwägungen i. S. „praktischer Konkordanz“ (Tettinger/Stern, GRCh, Art. 15, Rn. 42 ff., Art. 16, Rn. 19; krit. Alber/Widmaier, EuGRZ 2006, S. 113 (118)). Durchbrechungen dieses allg. horizontalen Rechtfertigungsansatzes folgen u. a. aus der – vorrangigen – Berücksichtigung des Vertragsrechts gemäß Art. 52 II GRCh sowie aus dem – ebenfalls „vorrangigen“ – Abstellen auf den Schutz durch die EMRK – Art. 52 III 1 GRCh als Kongruenzsicherungsklausel (Rengeling, DVBl. 2004, S. 453 (462)). 8 Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (177). Art. 16 II GRCh enthält zusätzlich einen Regelungsvorbehalt („doppelte“ Schranken), wonach die Gewährung der unternehmerischen Freiheit unter dem Vorbehalt des Gemeinschaftsrechts, der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten steht (hierzu Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 252 ff.; s. entspr. a. Art. 9, 10 II 2 und 14 III GSC). Zum Streit um die genaue Ausprägung der Beschränkungsmöglichkeiten: Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (170 ff.). Der Grds., wonach Eingriffe in die Freiheiten der GRCh den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren haben, dürfte aber in jedem Fall Anwendung finden (Schwarze, EuZW 2004, S. 135 (140)). 9 Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 23 f. – in der Rspr. des EuGH werde allerdings vielfach kaum auf die konkrete Betroffenheit eingegangenen. 10 Vgl. Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der EU, § 20, Rn. 790. Näher zur Schranke des Art. 52 I GRCh Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 215 ff.; Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (172 f.). 11 So zusammenfasend Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 33. 7
B. Einschränkbarkeit nach verfassungsrechtlichen Maßstäben
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die Bedeutung der wirtschaftlichen (unternehmerischen) Freiheit für das Wohl der Gemeinschaft. Das weite Verständnis von Schutzbereich und Eingriff hat indes nicht etwa dazu geführt, dass der EuGH das Recht auf freie Berufsausübung verletzt gesehen hat. Auch hat er bislang noch nie eine Beeinträchtigung des Wesensgehalts des Grundrechts angenommen oder definiert, was unter dem „Wesensgehalt“ eines Grundrechts zu verstehen ist.12 Der Wesensgehalt wird tendenziell nur dann als verletzt angesehen, wenn die Ausübung des gewählten Berufs völlig unmöglich gemacht wird oder den Betroffenen kein nennenswerter Gestaltungsspielraum mehr verbleibt.13
B. Einschränkbarkeit der unternehmerischen Freiheit nach verfassungsrechtlichen Maßstäben Für die Beurteilung, inwieweit sich der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG einschränken lässt, gebieten vor allem der Grundsatz der Einheitlichkeit der Verfassung und die sich aus ihm ergebenden Grundrechtsprinzipien, dass der Diskriminierungsschutz nicht unbegrenzt in die unternehmerische Freiheit eingreifen darf.14
I. Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG Für die Einschränkbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG ist zuvorderst der Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG relevant, der sich nach ganz einhelliger Meinung auf beide Ausprägungen der Berufsfreiheit erstreckt.15 Um Art. 12 Abs. 1 GG mit den Interessen der Allgemeinheit bzw. gegenläufigen Schutzgütern in Einklang zu bringen, erlaubt der Vorbehalt Eingriffe in die Berufs- bzw. Unternehmerfreiheit, sofern diese den dort genannten Voraussetzungen entsprechen.16 Hierbei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Berufsausübungsregelungen sowie bei der Festlegung der zu verfolgenden berufs-, arbeits-, wirtschafts- oder so12 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 52 GRCh, Rn. 64. Der EuGH belässt es bzgl. der Begrenzungen häufig bei einer pauschalen Bezugnahme auf die Verfassungsordnung aller Mitgliedstaaten, um dann festzustellen, die so garantierten Rechte seien weit davon entfernt, uneingeschränkten Vorrang zu genießen (so Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 II 9a). Jedenfalls versteht der EuGH den Wesensgehalt des Grundrechts auf freie Berufsausübung eng (Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 26). 13 Vgl. Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (274). 14 Grundlegend Podlech, in: AK-GG, Art. 2 I, Rn. 19b, 74. 15 Nolte/Tamms, JuS 2006, S. 130 (130), m. w. Nachw. 16 Vgl. BVerfG v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (402) – hierzu Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG I, Art. 2 I, Rn. 145 ff. Alle wirtschaftlichen Teilfreiheiten, die im Zshg. mit der Freiheit der unternehmerischen Betätigung stehen, werden hier näher konkretisiert (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 131 ff.).
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§ 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit
zialpolitischen Ziele und der zu ihrer Verfolgung geeigneten Maßnahmen einen weitreichenden wirtschaftspolitischen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum hat und dass er durch entsprechende arbeitgeberbelastende Lenkungsmaßnahmen das freie Spiel der Kräfte korrigieren darf.17 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung darf indes nicht eine praktisch unbegrenzte wirtschaftspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers konzidieren.18
II. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als maßgebliche Schranken-Schranke Das Übermaßverbot gilt als zentrale Maxime allen staatlichen Handelns – auch jede Regelung bzw. Beeinträchtigung der Berufsfreiheit muss verhältnismäßig, d. h. zur Erreichung eines verfassungsmäßig erlaubten Zweckes geeignet, erforderlich und angemessen sein.19 Dem Staat werden die Möglichkeiten zur Beschränkung der unternehmerischen (Vertrags-)Freiheit also nur im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gewährt.20 Im Bereich der Berufsfreiheit hat sich hieraus die sog. Drei-Stufen-Theorie entwickelt, an deren Anforderungen sich jeder Eingriff in die Freiheit messen lassen muss.21 Berufsausübungsregelungen, die die Art und Weise der Berufstätigkeit im Einzelnen gestalten, indem sie z. B. das vertragliche Auswahlermessen des Arbeitgebers verkürzen, dürfen vom Gesetzgeber getroffen werden, wenn sie durch Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit, insbesondere vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls getragen und gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks verhältnismäßig (geeignet und erforderlich) sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist.22 Je ein17 So das BVerfG in st. Rspr. – BVerfG v. 09. 06. 2004 BVerfGE 111, S. 10 (39 f.); v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (35); v. 23. 01. 1990 BVerfGE 81, S. 156 (189); allg. Papier, in: Benda/ Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 80. Das BVerfG überprüft nur, ob das eingesetzte Mittel hinsichtlich seiner Eignung in der gegebenen Situation „objektiv untauglich“ zur Erreichung des gesetzten Ziels war (Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 59 f.). 18 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 84 mit Kritik an EuGH und BVerfG. 19 BVerfG v. 18. 07. 2005 NJW 2005, S. 2289 (2289); v. 10. 11. 1998 BVerfGE 99, S. 202 (211); BAG v. 31. 07. 2002 BB 2002, S. 2504 (2505). V. a. muss der Eingriff i. S. einer Beschränkung beruflicher Freiheit in einem vernünftigen Verhältnis zu dem gegebenen Anlass und dem mit ihm verfolgten Zweck (Verbot des Übermaßes) stehen (Hofmann, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 59). 20 BVerfG v. 26. 10. 2004 BVerfGE 111, S. 366 (373); v. 16. 01. 2002 BVerfGE 104, S. 357 (364); Dieterich AuR 2007, S. 65 (67). 21 Vgl. BVerfG v. 08. 03. 1983 BVerfGE 63, S. 266 (286); v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (401 ff.); Sodan, NJW 2003, S. 257 (257 ff.), der indes von einer Relativierung der Grundsätze in der aktuellen Rspr. des BVerfG ausgeht. 22 BVerfG v. 09. 06. 2004 BVerfGE 111, S. 10 (33); v. 16. 01. 2002 BVerfGE 104, S. 357 (364); BVerwG v. 26. 06. 2008 NJW 2008, S. 3654 (3655); Breuer, in: HdbStR VI, § 148, Rn. 33 f. (für weitere Ausdifferenzierung).
B. Einschränkbarkeit nach verfassungsrechtlichen Maßstäben
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schneidender die Freiheit der Berufsausübung beengt wird, desto höher müssen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Anforderungen an die Dringlichkeit des öffentlichen Interesses sein, die zur Rechtfertigung solcher Beschränkungen ins Feld geführt werden.23 Sofern durch die Diskriminierungsverbote ein bestimmtes unternehmerisches Agieren am Markt gänzlich ausgeschlossen wird, wird das Grundrecht nicht nur in seinem Randbereich berührt, so dass zumindest im Rahmen einer absolutsubjektiven Betrachtungsweise an eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit zu denken ist.24 Da durch einen Eingriff auf der Ebene der Berufswahl der Freiheitsanspruch des Einzelnen in besonders empfindlicher Weise beeinträchtigt wird, sind an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders hohe Anforderungen zu stellen, wobei es im Allgemeinen um die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gehen muss.25 Die Wahlfreiheit kann nur beschränkt werden, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls sie erfordern und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.26 Der Gesetz- und Verordnungsgeber trägt insofern gewissermaßen die objektive Beweislast.27 Diese Beschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnis ändert sich nicht durch die grundrechtliche Schutzpflichtenwirkung.28 Das wesentliche Problem einer staatlichen Schutzpflicht für die Freiheit von Beruf und Arbeit besteht darin, dass Einschränkungen der Freiheit regelmäßig auf einer freiwillig eingegangenen Bindung des Grundrechtsträgers beruhen.29 Indem die Vertragspartner durch den Vertrags23
BVerfG v. 21. 02. 1995 BVerfGE 92, S. 140 (151); v. 23. 01. 1968 BVerfGE 23, S. 50 (56); Dieterich AuR 2007, S. 65 (67). 24 Die mit der Gründung eines Unternehmens verbundene Bestimmung des mit Hilfe dieser Organisation zu verfolgenden Zweckes wird i. d. R. als Teil der Berufswahlfreiheit verstanden (Breitfeld, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie, 1992, S. 17). s. a. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 64, § 148, Rn. 45; zum dann greifenden Maßstab vgl. BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (364). Gerade die übermäßige Beschränkung typischer Ausübungsfreiheiten des Arbeitgebers auf arbeitsrechtlichem Gebiet führt dazu, dass die freie Berufswahl zwar mittelbar, aber doch mit gleichem Effekt wie beim unmittelbaren Eingriff in die Berufswahlfreiheit, beeinträchtigt wird (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 140). Macht eine Ausübungsregelung dem von ihr Betroffenen den gewählten Beruf wirtschaftlich unmöglich, kommt eine Rückwirkung auf die freie Berufswahl in Betracht (BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (364); v. 23. 03. 1960 BVerfGE 11, S. 30 (42 f.); Hofmann, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 60). 25 BVerfG v. 20. 03. 2001 BVerfGE 103, S. 172 (183). 26 BVerfG v. 08. 07. 1997 BVerfGE 96, S. 152 (163); v. 18. 12. 1968 BVerfGE 25, S. 1 (11); BVerwG v. 26. 06. 2008 NJW 2008, S. 3654 (3655). 27 So Papier, DVBl. 1984, S. 801 (805). 28 s. hierzu bereits o. unter § 4 C. II. Insoweit krit. zur Rspr. des BVerfG: Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 5. 29 Beide Vertragspartner beschränken als autonome Subjekte mit dem Vertragsschluss auf Grundlage der Privatautonomie ihre berufliche Handlungsfreiheit und erhalten im Austausch eine Gegenleistung des anderen Vertragsteils; sie sollen grds. selbst darüber entscheiden, welche rechtlichen Bindungen sie um welchen Preis eingehen (Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 152).
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§ 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit
schluss für einen Ausgleich ihrer Interessen sorgen, den sie für angemessen halten, verfügen sie zugleich über ihre in Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Freiheitspositionen, ohne dass der Staat insoweit Einfluss auf ihr Handeln nähme; vielmehr hat er die im Rahmen der Privatautonomie von seinen Bürgern getroffenen Regelungen grundsätzlich zu respektieren.30 Die Schutzpflichtenwirkung legitimiert mithin nicht weitergehende Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit, als sie nach allgemeinen Maßstäben zulässig wären.31 Gleiches gilt für die Ausgestaltung sozialer Bezüge und Funktions- bzw. Verantwortungszusammenhänge, auch wenn der Gesetzgeber die Wirksamkeit und Gültigkeit des „personalen Grundzugs“ der Berufsfreiheit hier strikt zu achten hat und deshalb öffentliche, v. a. sozialstaatliche Interessen in stärkerem Umfang zur Geltung bringen darf.32 Denn der „personale Grundzug“ der Berufsfreiheit ist auch dort als gültig anzuerkennen, wo ein Beruf als „Unternehmer“ ergriffen und ausgeübt wird, weil es auch hier um die personale Verwirklichung des Einzelnen geht. Eine Regelung erfolgt hier in den besonderen Zusammenhängen der Unternehmen, so dass das unternehmerische Interesse insbesondere im Rahmen von Berufsausübungsregelungen jedweder Art ein gewichtiger Maßstab sein muss.33 Art. 14 GG setzt dem Anti-Diskriminierungsrecht lediglich dort Grenzen, wo diese die allgemeine wirtschaftlich-vermögensrechtliche Belastbarkeit der Verpflichteten im Übermaß antasten und die freie Entscheidung über das Produktivvermögen negieren.34 Die hierdurch installierte Belastungsgrenze greift hiernach erst in den Fällen ein, in denen die Belastung die Existenz des Unternehmens gefährdet bzw. gefährden würde. Allgemein sind somit die besonderen Bedingungen eines selbstverantwortlichen Handelns im Wirtschaftsverkehr bei der Grundrechtsprüfung, insbesondere bei der Feststellung der Eingriffsintensität und bei Zumutbarkeitserwägungen in Rechnung zu stellen.35
30 In diese Richtung Gubelt, in: von Münch/Kunig, GGK I, Art. 12, Rn. 2a; Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 158). 31 Die Gesetzgebung kann im Bereich des Arbeitsrechts, verpflichtet sein, zum Schutz der Berufsfreiheit zwingende Rechtsnormen zu erlassen, die vor zu weitgehenden vertraglichen (Selbst-)Beschränkungen bewahren (BAG v. 31. 07. 2002 BB 2002, S. 2504 (2505)). Dies gilt auch zugunsten von Unternehmern. 32 Siehe unter § 4 C. I. Vgl. a. BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (363 f.); Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 22. Krit. Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG, Rn. 89. 33 BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (364); Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 46. Anders Podlech, in: AK-GG, Art. 2 I, Rn. 74. 34 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 140 f.; vgl. den Vorbehalt des Art. 14 III GG. Zum Inhalt der (Instituts-)Garantie des Art. 14 GG vgl. Sachs, Verfassungsrecht II, B14, Rn. 57; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG, Rn. 69. 35 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 126.
B. Einschränkbarkeit nach verfassungsrechtlichen Maßstäben
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III. Art. 19 Abs. 2 GG – Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit Auch wenn die Grundrechte Vorbehalte zugunsten deren Einschränkung durch den Gesetzgeber enthalten, sichert Art. 19 Abs. 2 GG für alle Freiheitsgrundrechte einen unantastbaren Wesensgehalt, der die für die jeweilige Rechtseinrichtung typischen, sie essenziell kennzeichnenden Züge umschließt.36 Verboten sind somit pauschale Rangentscheidungen zwischen Grundrechten, stets muss nämlich auch von einem zurücktretenden Grundrecht „etwas“ übrig bleiben.37 Auch wenn über die (dogmatische) Einordnung und Relevanz der „Wesentlichkeitsgarantie“ gestritten wird,38 so zeigt doch gerade die hier aufgeworfene Problematik, dass es für eine ausgewogene und interessengerechte Problemlösung förderlich sein kann, wenn feststehende Grenzen, innerhalb derer ein Ausgleich stattzufinden hat, benannt werden. So ist auch beim Abschluss eines Arbeitsvertrags ein unverzichtbarer Kern der Freiheitsrechte von beiden Vertragsparteien zu beachten.39 Dadurch ist eine im letzten unentziehbare Rückzugsgrenze für die individuelle Selbstbestimmung des Einzelnen sichergestellt.40 Für einen definierbaren Kern der hieraus resultierenden unternehmerische Freiheit, der unantastbar ist und gesetzesübergreifend eine einheitliche Bedeutung hat, streiten als Argumente vor allem die fehlende Sachkompetenz der Arbeitsgerichte, deren fehlende Risikotragung und verfassungsrechtliche Vorgaben.41 Auch das BVerfG geht (im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG) davon aus, dass den Unternehmen hier in jedem Fall ein unantastbarer angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative verbleiben müsse.42 36 Merten, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 20, Rn. 60. s. a. den übereinstimmenden Wortlaut des Art. II-112 I 1 EVerfE und Art. II-114 EVerfE. 37 Dies gilt jedenfalls für die Vertreter einer absoluten Wesensgehaltstheorie (vgl. Stern, Staatsrecht III/2, § 85 II 4, III 1, 2a, 2c c aa; Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 224, 230; i. Erg. abl. Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 28; Drews, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG, 2005, S. 75 f., 294, speziell zur Berufsfreiheit S. 218 ff.; Art. 19 II GG als absolute Schranken-Schranke). Auch in Richtung eines absoluten Verständnisses tendiert das BVerfG (BVerfG v. 19. 10. 1983 BVerfGE 65, S. 196 (210); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (366)). 38 Vgl. Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 26 ff.; ausf. Drews, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG, 2005, S. 59 ff. Versteht man die Vorschrift des Art. 19 II GG trotz ihrer mittlerweile prononcierten Zurücksetzung ggü. dem Übermaßverbot (s. Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 27) richtig, so bietet sie gleichwohl ein wichtiges Kriterium für den Abwägungsprozess (Stern, Staatsrecht III/2, § 82 III 4 c). 39 BVerfG v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (411); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 104. Allg.: Boemke, ZfA 2001, S. 245 (254); Dieterich, RdA 1995, S. 129 (130); Nolte/ Tamms, JuS 2006, S. 130 (131). 40 Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 2d. Die Privatautonomie stünde sonach nicht zur beliebigen Disposition (Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 2 I, Rn. 145). 41 Hierzu insg. Walker, ZfA 2004, S. 501 (507 ff.). 42 BVerfG v. 12. 10. 1994 BVerfGE 91, S. 207 (221); v. 14. 10. 1970 BVerfGE 29, S. 260 (267); v. 16. 05. 1961 BVerfGE 12, S. 341 (347 f.); LRH, Art. 2 GG, Rn. 23; Vogt, RdA 1984, S. 140 (147); vgl. a. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 24.
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§ 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit
IV. Durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützter Kernbereich unternehmerischer Handlungsfreiheit Immer muss sich der Gesetzgeber mit seinen Arbeitgeberbelastungen im Bereich des Zumutbaren halten.43 Ob jemand überhaupt Unternehmer wird (Gründungsfreiheit) und ob er es bleibt (Beendigungsfreiheit), ob und wie lange also jemand das Unternehmerrisiko übernimmt, gehört zum unantastbaren Bereich der unternehmerischen Freiheit.44 Auch wenn unternehmerische Berufe – im Zuge entsprechender staatlicher Einschränkungen – z. B. der Vertrags-(abschluss-), Dispositions-, Marktfreiheit etc. entbehren, sehen sie sich im Kern ausgehöhlt.45 Gerade die Bestimmung und konsequente Umsetzung einer unternehmenspolitischen Lenkungs- bzw. Organisationsentscheidung, die auf die Bereiche Außendarstellung, Personalpolitik, Produktpräsentation etc. ausstrahlt, befindet sich im Kernbereich unternehmerischer Freiheit.46 Dementsprechend muss dem Unternehmer in jedem Fall ein Gestaltungsspielraum verbleiben, innerhalb dessen er grundsätzlich frei darüber bestimmen kann, in welcher Weise er mit welchem Produkt ein ebenfalls autonom bestimmtes Nachfragesegment bedienen will; m. a. W. muss der Unternehmer dem Grunde nach frei über das Angebot seines Unternehmens am Markt bestimmen können.47 1. Kein (Gleichheits-)Recht auf Arbeit Da die Privatautonomie das Einstellungs- bzw. Auswahlermessen des (privaten) Arbeitgebers umschließt, ist Art. 12 Abs. 1 GG prinzipiell ein „Gleichheitsrecht auf Arbeit“ bzw. ein „Recht auf Arbeit“ oder auch nur ein „Recht am Arbeitsplatz“ unbekannt.48 Das Freiheitsrecht unterscheidet sich insoweit vom Gleichheitsrecht des 43 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 59. Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen zur Beschränkung der Berufsfreiheit den Akzent immer stärker auf den Maßstab der Zumutbarkeit verlegt (BVerfG v. 24.04. 1991 BVerfGE 84, S. 133 (148, 153); Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 2 f, g, IV 5 b f, Fn. 299, m. w. N.). 44 Papier, DVBl 1984, S. 801 (813); Reichold, ZfA 2007, S. 257 (271). Dem Arbeitgeber muss in jedem Fall die Möglichkeit erhalten bleiben, die Größenordnung seines Unternehmens zu bestimmen bzw. sein Unternehmen aufzugeben (v. Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 369 (374)). 45 Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 7, 115; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 140 f.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 12 III 2 („uneingeschränkte negative Partnerwahlfreiheit“); s. a. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 11. 46 Vgl. nur Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 41, 43; Hergenröder, in: HWK, Art. 12 GG, Rn. 60; Buchner, NZA 1991, S. 577 (587). Krit. zum Begriff des „Kernbereichs“ aufgrund der Heterogenität des Unternehmertums: Dieterich AuR 2007, S. 65 (67). 47 Nur so wird gewährleistet, dass die für unser Wirtschaftssystem unverzichtbare Interdependenz zwischen Anbieter und Nachfrager im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen berücksichtigt werden kann. 48 BVerfG v. 21. 02. 1995 BVerfGE 92, S. 140 (150). Eine staatliche „Bewirtschaftung“ von Arbeitsplätzen ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen (Richardi, in: MünchArbR I, § 9,
B. Einschränkbarkeit nach verfassungsrechtlichen Maßstäben
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Art. 33 Abs. 2 GG. Dessen Gleichbehandlungsanspruch bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst lässt sich auf private Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse nicht übertragen.49 Dem Unternehmen steht es grundsätzlich frei, wen es einstellt. Ist ein Arbeitsplatz vorhanden, so liegt es in seiner Hand, eine Auswahl zu treffen. 2. Kein Recht auf Bestandsschutz für den innegehaltenen Arbeitsplatz Ebenso folgt aus Art. 12 Abs. 1 GG prinzipiell kein Recht auf Bestandsschutz für den innegehaltenen Arbeitsplatz.50 Das Kündigungsrecht als Korrelat bzw. garantierter Bestandteil der arbeitsrechtlichen Vertragsfreiheit kann daher als solches zwar unter sozialstaatliche Einschränkungen gestellt werden, darf als solches aber nicht ganz ausgeschaltet oder übermäßig erschwert werden.51 3. Kein Kontrahierungszwang zu Lasten des Arbeitgebers Es ist anerkannt, dass arbeitsvertragliche Regelungen nicht zu einer rechtlich oder faktisch unlösbaren und damit schlechthin unzumutbaren Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber führen dürfen.52 Trotz der sozialen Funktions- und Verantwortungszusammenhänge im Arbeitsrecht darf der Arbeitgeber nicht unzumutbar an Arbeitnehmer gebunden werden – dies muss besonders in Bezug auf seine Auswahlentscheidung gelten.53 Dementsprechend lehnt die h. M. einen unmittelbaren Kontrahierungszwang54 des Arbeitgebers als denkbar stärkste Einschränkung der Vertrags- und Rn. 6). Gleiches gilt bzgl. Art. 15 I GRCh, welcher ein „Recht, zu arbeiten“ gewährleistet (Jarass, EU-Grundrechte, § 20, Rn. 19). 49 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 64; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (278). 50 So Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 72. Ebenso Etzel, in: KR, § 1 KSchG, Rn. 18 – der sozialstaatlich gebotene Schutz umfasst nur den Schutz vor willkürlichen und grundlosen Kündigungen; abw. Schleusener, NZA 1999, S. 1078 (1081). 51 Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts wäre mit Art. 12 I GG unvereinbar (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 59). Die international vernetzte Wettbewerbswirtschaft ermögliche den nationalen Wirtschaftsordnungen keinen dauerhaften individuellen Kündigungsschutz auf unrentabel gewordenen Arbeitsplätzen (so Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 466). 52 s. nur Tettinger/Mann, in: Sachs, Art. 12 GG, Rn. 79. 53 Daher gegen eine Einstellungspflicht bei Ermessensreduzierung auf Null für den privaten Arbeitgeber: Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (30). Bedenklich deshalb EuGH v. 03. 02. 2000 AP Nr. 18 zu § 611a BGB, hierzu Reichold, JZ 2004, S. 384 (387). 54 = absolute Einstellungs-/Beschäftigungspflicht als zwangsrechtlich wirksamer Erfüllungsanspruch; vgl. a. die Def. bei Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920, S. 7: „Kontrahierungszwang ist die auf Grund einer Norm der Rechtsordnung einem Rechtssubjekt ohne seine Willensbildung im Interesse eines Begünstigten auferlegte Verpflichtung, mit diesem einen Vertrag zu bestimmten oder von unparteiischer Seite zu bestimmenden Inhalt abzuschließen“. Siehe z. B. a. § 22 PBefG, § 21 II LuftVG, § 5 II, IV PflVG; § 319 d BGB (RegE).
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§ 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit
Abschlussfreiheit und (unverhältnismäßige) Sanktion für Diskriminierungen ab.55 Gerade das liberale Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG, das die unternehmerische Freiheit bzw. die in ihr enthaltenen Teilfreiheiten wie die arbeitgeberische Vertragsfreiheit schützt, lässt sich nicht so weit reduzieren, dass die unternehmerische Auswahlentscheidung gänzlich ausgeschlossen wird.56 Entsprechend hat sich auch der Anti-Diskriminierungsgesetzgeber in § 15 Abs. 6 AGG (vgl. auch § 611a Abs. 2 2. Hs. BGB a. F.; § 81 Abs. 2 SGB IX a. F.) entschieden, woraus ein allgemeiner Standard bei Diskriminierungen zu entnehmen ist.57 Andere fordern Beschäftigungspflichten wenigstens als Sanktion bei Verstößen gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG.58 § 15 Abs. 6 AGG lässt seinem Wortlaut nach die Möglichkeit offen, nach Vorschriften außerhalb des AGG Kontrahierungszwänge als Sanktion vorzusehen.59 Aber selbst Autoren, die davon ausgehen, dass sich z. B. aus dem Sozialstaatsprinzip Beschäftigungspflichten herleiten lassen, halten absolute oder starre Beschäftigungsquoten bloß in äußerst engen Grenzen für statthaft.60 Nur 55 Vgl. nur BAG v. 27. 07. 2005 NZA 2005, S. 1243 (1245); v. 07. 11. 2002 NZA 2003, S. 1139 (1139). I. d. S. a. Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 33, 45 ff., § 40, Rn. 73, 233; Larenz/Wolf, AT BR, § 34, Rn. 45; Hanau, in: GS Kahn-Freund (1980), S. 457 (473); Zuleeg, RdA 1984, S. 325 (328, 330); a. A. wohl Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (329); Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 126 im Bereich des Art. 9 III GG; Schreier, KJ 2007, S. 278 (284); Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (402) für die Behindertendiskriminierung. Generell a. A. Baer, ZRP 2002, S. 290 (293); Perreng, FA 2003, S. 293 (295). Siehe aber a. zu RL 76/207/EG: EuGH v. 10. 04. 1984 EuGH Slg. 1984, S. 1891 (1907) (von Colson u. Kamann). Ein Kontrahierungszwang im allg. Zivilrecht wird nicht ausgeschlossen (vgl. § 19 I AGG; s. a. § 21 II ADG-E; Maier-Reimer, NJW 2006, S. 2577 (2582); a. A. Korell, Jura 2006, S. 1 (6 ff.)). 56 Art. 12 I GG setzt Beschäftigungspflichten o. ä. Beschränkungen dort Grenzen, wo die Pflicht zur Beschäftigung bestimmter Personen mit den personalen Berufsmodalitäten des Verpflichteten unvereinbar sind (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 65, 140 f.). Verhaltensfreiheit setzt stets Verhaltensalternativen voraus, zw. denen sich der Freiheitsträger entscheiden kann (Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II 2b). 57 Rädler, ZRP 1997, S. 5 (8); Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3444 f.). Differenzierend Bauer, in: NJW-Editorial, Heft 20/2005, S. III. s. a. § 5 VII DiskE ArbVG Henssler/Preis, NZA, Beil. Heft 23/2006, S. 6 (8). Eine Ausn. besteht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beim beruflichen Aufstieg benachteiligt (dann: u. U. Anspruch im Wege der Naturalrestitution auf Vertragsänderung, Hansen, NZA 2001, S. 985 (987)). 58 Zumindest i. R. der Verhältnismäßigkeit, vgl. Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 30; Model/Müller, GG, Art. 2, Rn. 17. Sie bedürften allerdings einer gesetzlichen Grundlage (Neuner, JZ 2003, S. 57 (57 ff.)). Gem. § 319e BGB RegE sollte der Benachteiligte einen Anspruch auf eine „benachteiligungsfreie Behandlung (Folgenbeseitigung)“ haben, d. h. einen Anspruch auf Abschluss des Vertrags (s. hierzu die (System-)Kritik von Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (469)). 59 Ein Kontrahierungszwang als Folge einer unzulässigen Diskriminierung kann über § 823 I BGB oder § 826 BGB i. V. m. § 249 I BGB erreicht werden (Thüsing, NJW 2003, S. 3441 (3444 f.)). Zu einem Kontrahierungszwang über § 823 II BGB i. V. m. § 75 I BetrVG s. BAG v. 05. 04. 1984 AP Nr. 2 zu § 17 BBiG; s. a. BVerfG v. 19. 05. 1992, NJW 1992, S. 2409 (2409 ff.) – abl. Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (56 f.)). 60 Vgl. z. B. § 18 II AGG. Im Allg. werden auch nach ihnen nur relative oder abdingbare Quoten verhältnismäßig sein (z. B. Abdingung durch kompensatorische Abgabepflicht – s. § 77 SGB IX) (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 65).
C. Zwischenergebnis
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in besonders gelagerten Ausnahmefällen kommt ein solcher Abschlusszwang in Betracht, etwa die Übernahmepflicht eines Jugendvertreters (§ 78a Abs. 2 BetrVG).61 Soweit sich die Befürworter für Kontrahierungszwänge in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit aussprechen, ist zu entgegnen, dass sich solche Zwänge bereits außerhalb jeder Zumutbarkeitsgesichtspunkte befinden.62 Für den Arbeitgeber gilt damit das Prinzip, dass kein diskriminierungsschutzrechtlicher Abschlusszwang – weder in der Form eines Kontrahierungszwanges noch als Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages – besteht.63
C. Zwischenergebnis Sowohl auf europäischer als auch auf nationalstaatlicher Ebene ist dem Grundsatz nach anerkannt, dass das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit mittels Diskriminierungsschutzrecht eingeschränkt werden kann; gleichfalls sind aber bei der Durchsetzung von Diskriminierungsverboten das Gebot der Verhältnismäßigkeit sowie ein unabdingbares Mindestmaß an unternehmerischer Freiheit zu wahren. Das freie Auftreten am Markt bzw. die autonome Bestimmung über das Angebot bilden hierbei den Kern unternehmerischer Freiheit. Das Übermaßverbot und der Kernbereich der unternehmerischen Berufsfreiheit spiegeln sich besonders darin wider, dass dem Unternehmer ein unentziehbares Maß an freier Marktbetätigung verbleiben muss, welches insbesondere nicht durch (absolute) Einstellungs- bzw. Beschäftigungspflichten als 61
Oder i. R. des § 10 I 1 AÜG. Hierbei handelt es sich nur um punktuelle Regelungen i. S. singulärer Ausnahmefälle zur Abdeckung spezieller rechtspolitischer Anliegen des Gesetzgebers, die nicht als Durchbrechung des Grundsatzes der Abschlussfreiheit des Arbeitgebers gewertet werden können (so Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 48). Zum Telos des § 78a BetrVG vgl. z. B. Houben, NZA 2006, 769 (770). Insg. krit. hierzu Blaha/Mehlich, NZA 2005, S. 667 (668 ff.). Vgl. a. §§ 1, 10 ff. des ASG von 1968. 62 Es dürfte sogar schon an der Erforderlichkeit einer solchen Sanktion fehlen, da die allg. anerkannte Sanktion des mittelbaren Kontrahierungszwangs, einem durch die Verpflichtung zum Schadensersatz wg. unerlaubter Handlung mittelbar wirkenden Zwang zu einem Vertragsabschluss, über Schadensersatzansprüche als ebenfalls wirksames, aber milderes Mittel zur Verfügung steht (Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 I GG, Rn. 519). Die freie unternehmerische Entscheidung bewahrt hier auch vor indirekten staatlichen Beeinflussungen der Unternehmensführung (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 126). 63 I. d. S. erscheint der gesetzliche Ausschluss nach § 15 VI AGG noch unzureichend. Eine Absage ist a. der Forderung nach best. privatrechtlich festgeschriebenen quotenmäßigen Begünstigungen von Merkmalsträgern zu erteilen (Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (21); a. A. Schiek, NZA 2004, S. 873 (883)). Eine solche Regelung ist mit der Vertragsfreiheit nicht vereinbar (Bergmann, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 3, Rn. 16a). Eine starre Quotenregelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang einräumt oder die zur Bevorzugung des unterrepräsentierten Geschlechts bei nicht gleicher Qualifikation führt, bewirkt überdies eine (unzulässige) Diskriminierung der Männer (EuGH v. 06. 07. 2000 NZA 2000, S. 935 (938) (Abrahamsson); v. 28. 03. 2000 NZA 2000, S. 473 (475) (Badeck); BAG v. 21. 01. 2003 NZA 2003, S. 1036 (1038); v. 22. 06. 1993 AP Nr. 193 zu Art. 3 GG (m. Anm. Pfarr).). Zur reserved-discrimination-Rspr. des EuGH, s.a. Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (468).
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§ 6 Einschränkbarkeit und Kernbereiche unternehmerischer Freiheit
diskriminierungsrechtliche Folgen konterkariert werden darf.64 Soweit diese Grenzen der Beschränkbarkeit unternehmerischer Freiheit Beachtung finden, sind Eingriffe des Diskriminierungsschutzes von Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gedeckt. Die hieraus resultierende Abgrenzung von gerechtfertigtem Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Handlungsfreiheit soll im Folgenden erarbeitet werden.
64 Diese Grundsätze können auch nicht unter Berufung auf internationale Standards unterlaufen werden, denn den Normen des Völkerrechts räumt das Grundgesetz keinen Vorrang vor seinen grundrechtlichen Gewährleistungen ein (Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 III 3d).
§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit durch Diskriminierungsschutz Aus den bisherigen Feststellungen folgt, dass die unternehmerische Freiheit sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene ein anerkanntes Schutzgut darstellt. Hieraus ergibt sich ein Rechtfertigungszwang für jegliche Eingriffe in dessen Schutzbereich. Da der arbeitsrechtliche Diskriminierungsschutz unterschiedlich stark in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreift, stehen sich unternehmerische Freiheit und Diskriminierungsschutz zum Teil scheinbar unversöhnlich gegenüber.1 Die sich hierbei ergebenden Konflikte führen zu der Aufgabe, die beiden Schutzgüter einander so zuzuordnen, dass keines der beiden unverhältnismäßig eingeschränkt wird.2 Im Folgenden soll nun die Trennlinie zwischen unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz aufgezeigt werden. Insbesondere für Fälle, bei denen der Unternehmer mit diskriminierenden Kundenwünschen konfrontiert wird, soll die Frage beantwortet werden, ob und inwieweit es dem Unternehmer zuzumuten ist, die rechtliche Verantwortung für das Verhalten Dritter zu übernehmen. Von Teilen der Literatur werden Nachfragewünsche weithin als unerheblich für die Wirkung von Diskriminierungsschutzregeln betrachtet.3 Die Tendenz geht insgesamt dahin festzustellen, dass eine unternehmerische Marktausrichtung das Diskriminierungsverbot grundsätzlich nicht durchbrechen kann.4 Die Unterscheidung aufgrund von Nachfragewünschen wird in der Regel mit der Begründung abgelehnt, dass primär wirtschaftliche Gründe – die jeden (konkurrierenden) 1
Tendenziell handelt es sich um Gegenprinzipien (Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (25); ähnlich Wiedemann, RdA 2005, S. 193 (198)). Diskriminierungsverbote stellen imperativisch ein Verhaltensgebot auf, das in einem Spannungsverhältnis zur Vertrags- (Inhalts- und Abschluss-) freiheit des Arbeitgebers steht (vgl. Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1014)). Letztere wird einmal eingeengt, weil best. Kriterien für den Umgang mit dem Bewerber im vorvertraglichen Bereich und für die endgültige Entschließung bei der Wahl des Vertragspartners ausgeschlossen werden; zum zweiten ist die Abschlussfreiheit begrenzt, weil Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen § 7 I AGG entstehen (§ 15 AGG), s. Eichenhofer, DVBl. 2004, S. 1078 (1080, 1085). 2 Soweit normativer Harmonisierungsbedarf besteht, soll die Rechtsordnung nicht an einem inneren Widerspruch leiden (vgl. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 61). 3 Vgl. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5; Rolfs, Arbeitsrecht, § 8 AGG, Rn. 2; Bertelsmann, ZESAR 2005, S. 242 (243). 4 In diesem Sinne Schlachter, in: ErfK (2006), § 611a BGB, Rn. 23. Nach Thüsing taugen diskriminierende Kundenwünsche allein jedenfalls nicht zur Rechtfertigung (Thüsing, RdA 2001, S. 319 (323 f.)).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
Unternehmer grundsätzlich gleichermaßen träfen – zur Rechtfertigung von Diskriminierungen nicht zu tolerieren seien, dass die Schwierigkeit einer Abgrenzung zwischen noch tolerierbaren und nicht mehr hinzunehmenden Vorurteilen bestehe und dass durch die Zulassung einer solchen Differenzierung die Vorurteile verfestigt würden, die das jeweilige Diskriminierungsverbot gerade beseitigen möchte.5 Dem Arbeitgeber wird aufgrund der Schädigungswirkung solcher Kundenreaktionen andererseits von Teilen der Lehre innerhalb bestimmter Grenzen zugestanden, die Erwartungen Dritter als objektiven, unbeeinflussbaren Faktor zu berücksichtigen.6 Diese Problemstellung soll im Folgenden kritisch untersucht werden.
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel Bevor die mögliche Reichweite der Rechtfertigung eines Eingriffs in die unternehmerische Freiheit im Einzelnen ausgelotet wird, bleibt zunächst festzuhalten, dass es sich bei dem staatlich verfolgten Diskriminierungsschutz ausweislich § 1 AGG um ein rechtmäßiges und gesamtgesellschaftlich anerkanntes Ziel handelt.7
I. Die Zwecke des Diskriminierungsschutzrechts Die Verhinderung der unberechtigten Benachteiligung bestimmter Bevölkerungskreise ist nicht zuletzt Ausprägung des Grundrechts auf Menschenwürde, deren Wahrung erklärtes Ziel der Anti-Diskriminierungsvorschriften ist; denn schon die Feststellung von Unterschieden braucht den Ausgangspunkt des Gemeinsamen, des Mensch-Seins.8 Aus diesem allgemeingültigen Geltungsanspruch entwickelt sich ein weitgehender gesellschaftlicher Konsens, dass gewisse (tatsächlich oder vermeintlich) bestehende Unterschiede zwischen Personen – entsprechend der vorstehend genannten Merkmale – regelmäßig keinen Anlass dafür bieten sollen, rechtlich erhebliche Entscheidungen hieran auszurichten.9 5 So zusammenfassend Hahn, Altersdiskriminierung, 2006 S. 114 f.; s. a. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4, 17, 42, 48 – Kundenerwartungen hingen immer mit der tats. Verteilung von Rollen zusammen, die das Anti-Diskriminierungsrecht überwinden wolle. 6 Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 54; Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320). 7 So schon Art. I-2, I-3 III EVerfE. Vgl. statt vieler Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 141; Senne/Senne, in: FS Leinemann (2006), S. 53 (53). Grdl. zur notwendigen Schutzwürdigkeit des Interesses: Gallwas, Grundrechte, Rn. 383. 8 Vgl. BGBl. 1969 II, S. 962 (962 f.); Kirchhof, in: HStR V, § 124, Rn. 1, 11; Thüsing, in: HWK, § 611 BGB, Rn. 184; Reich, EuZW 2008, S. 132 (133) – menschenrechtliche Ausrichtung des Diskriminierungsschutzes; das Grundrecht ist daher nicht disponibel (Versteyl, Die Obergrenze arbeitsrechtlichen Schutzes, 2005, S. 81). 9 Zur Bedeutung der Gleichheitsgrundsätze für den einzelnen Arbeitnehmer vgl. Bepler, NZA, Beil. Heft 18/2004, S. 3 (8); Lieb, ZfA 1996, S. 319 (319). Im Zentrum der Überlegungen
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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1. Diskriminierungskonsens als Anlass zur Positivierung von Anti-Diskriminierungsvorschriften Das Ziel der Anti-Diskriminierungsvorschriften erschließt sich demgemäß aus der einem jeden Diskriminierungsverbot zugrundeliegenden gesellschafts- und sozialpolitischen Grundhaltung. Die Anerkennung von regelungsbedürftigen Anti-Diskriminierungsfällen ist einem ständigen Wertewandel unterworfen.10 Schaut man sich die geschichtliche Entwicklung der arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbote an, so wird deutlich, dass der Weg von einer gesellschaftlichen Überzeugung von der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit einer Gesellschaftsgruppe (im Sinne einer intersubjektiven Übereinstimmung) über eine politische Anerkennung und Forderung bis hin zur rechtlichen Durchsetzung eines weiteren Aspekts des Anti-Diskriminierungsrechts führt, sofern sich diese Ansicht zu einer gesellschaftlichen Konvention verfestigt.11 Zwar sind die Kataloge der Merkmale in Art. 3 Abs. 3 GG, § 1 AGG abschließend,12 aber abschließend nur im Sinne von Mindestsicherungen gegen Diskriminierung.13 So rücken weitere Anknüpfungsmerkmale – wie etwa die Nationalität14, das Vermögen, die Rauchereigenschaft15, die Haartracht16, die Augenfarbe, allgemein die physische Erscheinung17, genetische Merkmale18 etc. – ins Blickfeld des steht die Kernaussage der Verbote, die bestimmte Differenzierungen als Würde- und Rechtsverletzung brandmarkt. 10 Dadurch kann es zu einer weiteren Ausdehnung des Katalogs geschützter Merkmale kommen (Blanke, NZA 2006, S. 1304 (1306)). Herrmann (in: ZfA 1996, S. 19 (53)) hält diese Entwicklung für zwangsläufig; ähnlich Thüsing, ZfA 2002, S. 249 (249). Anders bislang der EuGH (EuGH v. 11. 07. 2006 NZA 2006, S. 839 (839)). 11 Vgl. Hanau, in: GS Kahn-Freund (1980), S. 457 (471); Neuner, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz durch Privatrecht (2006), S. 74 (86); Thüsing, ZIP 2005, S. 2149 (2150); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (266). Best. Lebenssachverhalte wurden erst nach jahrzehntelanger Praxis von den Gerichten als Diskriminierungstatbestände definiert (Huep, RdA 2001, S. 325 (331)). Als weitere Kriterien werden z. B. genannt: die politische Überzeugung, Familienstand, Sitten; „Race, color, […], sex, gender reassignment, marital status, family status, […], or other status“ (Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (464)). 12 Model/Müller, GG, Art. 3, Rn. 18. 13 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 27. Schon jetzt gibt es Überlegungen, weiteren Arbeitnehmergruppen bes. Diskriminierungsschutz angedeihen zu lassen. Neuner (in: JZ 2003, S. 57 (66)) fordert etwa eine Generalklausel in bezug auf veränderbare Merkmale. Als gewichtige Faktoren sind nach der Wertung des Art. 3 III GG politische Anschauung, Herkunft und Sprache zu nennen (Baer, ZRP 2002, S. 290 (294)). Zum Grundproblem des selektiven Ansatzes der Richtlinien vgl. Reichold/Hahn/Heinrich, NZA 2005, S. 1270 (1272 f.). 14 Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 224. Vgl. § 75 I BetrVG, Art. 45 II AEUV. 15 Zur Schutzbedürftigkeit der Nichtraucher: Wank, in: ErfK, § 28 BDSG, Rn. 12; Klein, JuS 2006, S. 960 (960). Hierzu a. Amann, F.A.Z. v. 22. 12. 2007, Nr. 298/S. C2; Knipp, ARBlattei SD „Einstellung“, 640, Rn. 118. 16 Vgl. Wisskirchen, BB 2006, S. 1491 (1491). 17 Le Friant, AuR 2003, S. 51 (51); dies., NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 49 (55); Mauer/ Holthausen, NZA 2003, S. 1370 (1371); Thüsing, ZIP 2005, S. 2149 (2150). 18 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 210 f.
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
Diskriminierungsschutzes.19 Das normierte Verbot folgt dem in der Regel undifferenzierten gesellschaftspolitischen Willen, gewissen ökonomisch oder sonstwie benachteiligten Gruppen rechtlichen Schutz zu gewähren und hierzu Unterscheidungen nach dem die Gruppe prägenden Merkmal zu untersagen.20 Dass einem jeden Diskriminierungsverbot ein solcher Wille, bzw. ein gewisser gesellschaftlicher „Mainstream“, zugrunde liegt, wird schon daraus ersichtlich, dass auch nach der Ausweitung des Diskriminierungsschutzes weiterhin nur bestimmte – konsensfähige – Opfergruppen in das Anti-Diskriminierungsrecht Einzug gefunden haben, obwohl es daneben durchaus weitere Gesellschaftsgruppen gibt, die einen solchen Schutz verdienen würden.21 Allein die Schutzwürdigkeit oder Schutzbedürftigkeit einer Gruppe führt nicht automatisch zur rechtlichen Statuierung und Anerkennung eines dementsprechenden Diskriminierungsschutzes.22 2. Diskriminierungsverbote als Herabsetzungsverbote Jedoch gewinnt hier Relevanz, dass auch der Diskriminierungsschutz nicht dazu führt und führen soll, dass jegliche Unterscheidungen nach genannten Merkmalen ausgeschlossen werden. Vielmehr bleibt es vielfach innerhalb eines gewissen Rahmens freigestellt oder entspringt sogar dem Willen der durch das Diskriminierungsverbot geschützten Gruppe, weiterhin für gewisse Differenzierungen und Abgrenzungen an dem Merkmal festzuhalten.23 Mit Ausnahmen des Merkmals der Rasse sind alle Merkmale Ausdruck real existierender Unterschiede und es wäre unangemessen, wollte man versuchen, diese Unterschiede einzuebnen. Die Diskriminierung von Einzelnen oder von Gruppen fordert nur dann über die gesellschaftliche Ächtung hinaus auch rechtliche Abwehr, wenn sie sich als Ausdruck einer Haltung bekundet, die dem anderen die Gleichwertigkeit als Person bestreitet und die damit seine Gleichrangig19 Ähnlich Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (277). Vgl. die Aufzählung in Art. II-81 I EVerfE. Auch die Anerkennung der GRCh als Erkenntnisquelle i. S. d. Art. 6 II EU führe im Hinblick auf Art. 21 GRCh zu einer Ausweitung (Preis, NZA 2006, S. 401 (410)). Insoweit wird befürchtet, dass durch eine Addition zu vieler Merkmale in Diskriminierungsverboten der Schutzeffekt relativiert oder minimalisiert wird (Wendeling-Schröder, in: FS Schwerdtner, S. 269 (286 f.)). 20 So beruht der Diskriminierungsschutz hinsichtlich des Geschlechts wesentlich auf der gemeinen Überzeugung, dass eine Frau nur aufgrund ihres Frau-Seins nicht ggü. einem Mann benachteiligt werden soll. 21 Minderheiten seien aber nicht a priori förderungswürdig (so Bergmann, in: Seifert/ Hömig, GG, Art. 3, Rn. 19a). 22 Umfassend habe der Gesetzgeber das Konzept der Anti-Diskriminierung aufgegriffen, um auf eine materielle gesellschaftliche Veränderung zw. den Menschen hinzuwirken und damit ein möglichst positives Gleichstellungsergebnis zu erzielen, Reichold, ZfA 2007, S. 257 (261 f.) – Gesellschaftspolitik mittels Privatrecht. 23 Zumindest in anderen Gesellschaftsbereichen entflammt nicht einmal eine Diskussion darüber, ob sich eine solche Differenzierung an im Arbeitsrecht geschützten Merkmalen überhaupt an wie auch immer gearteten Rechtsprinzipien – z. B. dem Diskriminierungsschutz – stoßen könnte.
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keit als Mitglied der Rechts- und Sozialgemeinschaft in Abrede stellt („Zurücksetzung durch Herabsetzung“).24 So verstanden ist der Schutz der Würde des geschützten Menschen tatsächlich das grundlegende Ziel besonderer Diskriminierungsverbote.25 Es geht nicht um das Verbot marktgerichteter Differenzierungen, sondern um das Verbot ausgrenzender Diskriminierungen – damit soll nicht Marktrationalität eliminiert, sondern dieser zum Erfolg verholfen werden.26 Mit Diskriminierungsverboten wird dem folgend das auch im Interesse der Allgemeinheit liegende Gleichberechtigungsziel des allgemeinen Gleichheitssatzes verfolgt, zudem als rechtsstaatliche Dimension des Diskriminierungsschutzes der individuelle und kollektive Schutz der Arbeitnehmer.27 Beide Werte, denen sich unsere Kultur verpflichtet weiß, bilden das grundlegende Anliegen und die Zielrichtung des Diskriminierungsschutzes. Besonders in den Bereichen, in denen es besonders schutzbedürftige, aufgrund einer gemeinsamen Merkmalseigenschaft abgrenzbare soziale Gruppen gibt, ist prinzipiell anerkannt, dass deren Schutz durch die Bekämpfung von Vorurteilen und die Integration durch Einbindung in Arbeitsprozesse (Förderung der sozialen Eingliederung und Marktintegration) – z. T. trotz entgegenstehender Marktrationalitäten – auch im Arbeitsrecht gewährleistet werden muss.28 Die Anti-Diskriminierungsregelungen haben 24
So Adomeit/Mohr, AGG, Einleitung, E. II. Rn. 250, 256 („sozial verwerflich“); Picker, ZfA 2005, S. 167 (172); Hanau, in: FS Adomeit (2008), S. 237 (239); Richardi, in: Staudinger (2005), § 611 BGB, Rn. 73; ders., ZfA 2008, S. 31 (42); s. a. Adomeit, HFR 2008, S. 92 (97 f.); ders., in: FS Westermann (2008), S. 19 (26) „eine Art böser Wille“; Bayreuther, NZA 2008, S. 986 (989) – Bekämpfung „xenophobische“ Präferenzen; Lobinger, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 99 (141 f.); Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (28) – Unterscheidung als Ausdruck der Geringschätzung; Senne/Senne, in: FS Leinemann (2006), S. 53 (56); einschränkend Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (377). In weiten Bereichen sieht sich der Diskriminierungsschutz demnach a. kaum grundlegender Kritik ausgesetzt, sodass es zu keiner grundlegenden streitbaren Kollision von Diskriminierungs- und Unternehmerschutz kommt. Strittig kann mithin nicht das Ziel, sondern nur der Weg sein (s. Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (417)). 25 Ebenso Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 93; Monen, Das Verbot der Diskriminierung, 2008, S. 71; Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (29); das Hauptaugenmerk auf die iustitia distributiva legt dagegen Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (380), m. w. N. Insoweit versteht sich der Diskriminierungsschutz als Menschen, nicht als Minderheitenrecht (so Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, Einleitung, Rn. 6). 26 Reichold, ZfA 2007, S. 257 (271) – Schutzgut ist Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG. 27 Vgl. EuGH v. 29. 11. 2001 NZA 2002, S. 143 (146) (Griesmar); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (267 f., 279, 281); differenzierend zw. Schutz- und Präventivwirkung: Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 (1320). Grdl. Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 7 III, S. 25 f. Beim Arbeitnehmerschutz geht es in diesem Zshg. um „heteronome Chancengleichheit“ (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 161). Zum Schutzziel der US-amerik. Anti-Diskriminierungsvorschriften vgl. U.S. SC Griggs vs. Duke Power Co., 401 U. S. 424 (1965). 28 Dieses Ziel, das von den Diskriminierungsverboten des § 4 TzBfG, § 3 I Nr. 3 AÜG, die an eine vertragliche Gestaltung anknüpfen, überschritten wird, wird oft im Zshg. mit Diskriminierungsschutz erwähnt; s. nur BT-Dr. 16/1780; vgl. a. Art. 137 I EG; Erwägungsgründe Nr. 3, 4, 8, 9, 11 und 12 RL 2000/78/EG; KOM (1999) 564 endg., S. 1 (2); ebenso Wendeling-
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durch ihr Ziel der Überwindung sozialer Imparität auch eine die Vertragsfreiheit entfaltende Komponente; sie bewahren den Diskriminierungsopfern ihre Vertragschance und erweisen sich somit als Garanten für Freiheit.29 Der von den Gegnern eines Anti-Diskriminierungsgesetzes mancherorts befürchtete „Tod der Privatautonomie“30 droht nicht nur durch eine übermäßige Intervention in Freiheitsrechte, sondern auch durch eine unzureichende Berücksichtigung jener materialen Freiheitselemente, zu denen der substantielle Schutz vor Diskriminierungen essentiell gehört.31 Verbot und Verfolgung von Diskriminierung gebieten sich so verstanden als innersystemische Selbstschutzakte.32 Soweit die Ziele von Diskriminierungsschutz auch in dem Bedürfnis nach gesellschaftlicher Veränderung gesehen werden,33 geht es ebenfalls nicht um Bedarfslen-
Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, Einleitung, Rn. 3 (soziale Eingliederung); Zacher, in: HStR II, § 28, Rn. 37; Lobinger, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 99 (161); Schreier, KJ 2007, S. 278 (279); Waltermann, NJW 2008, S. 2529 (2532); krit. hierzu Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (21). Eine Gesellschaft, die bestimmte Bevölkerungskreise ausgrenzt, gefährdet ihren inneren Frieden, weil sie Widerstand durch Benachteiligte sowie entsprechende Solidarität durch Dritte provoziert (Neuner, JZ 2003, S. 57 (59)). Gerade das Eingliederungsziel kann als Teil der durch die Lissaboner Agenda eingeführten Europ. Beschäftigungsstrategie eingeordnet werden (vgl. hierzu die beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europ. Kommission, ABl. EG Nr. L 22/18 (2001); ABl. EG Nr. L 60/ 60 (2002); KOM (2003) 176 endg., S. 1 (2 ff.); s. a. unter http://europa.eu.int/comm/lisbon_strategy/reports/index_de.html. Zur Bemühungen der dt. Politik zur Integration älterer Beschäftigter vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 37 f. 29 Vgl. Reichold, JZ 2004, S. 384 (390 f.); Schreier, KJ 2007, S. 278 (283 f.). In letzter Konsequenz gehe es bei den Diskriminierungsverboten um die Bedingungen fairen Vertragsschlusses angesichts faktischer Ungleichheit (so Eichenhofer, DVBl 2004, S. 1078 (1085); ähnlich Monen, Das Verbot der Diskriminierung, 2008, S. 71. 30 So Adomeit, NJW 2002, S. 1622 (1623); Säcker, ZRP 2002, S. 286 (289). 31 Vgl. Baer, ZRP 2002, S. 290 (292); Neuner, JZ 2003, S. 57 (59); Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 (1321); ebenso aus ökonomischer Sicht: Zintl, in: Pies/Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 143 (151); krit. zu dieser Argumentation: Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), S. 298 (339 ff.). 32 So Picker, ZfA 2005, S. 167 (172, 180). Ähnlich BVerfG v. 18. 07. 1972 BVerfGE 33, S. 303 (329 ff.); Schiek, in: AK-GG, Art. 20 I-III, Kap. V, Rn. 60, 64; Korell, JURA 2006, S. 1 (7); grdl. Dieterich, RdA 1995, S. 129 (129 ff.). Erweitert man also den Schutz der Privatautonomie um eine faktische Komponente – also bspw. die tats. Möglichkeit zum Vertragsschluss – wird durch den Diskriminierungsschutz die Vertragsfreiheit der geschützten Personen erhöht (s. a. BVerfG v. 26. 07. 2005 BVerfGE 114, S. 1 (34)). Eingehend Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Geltungsmacht, 2004, S. 93 ff. 33 Generell sollen die mit dem AGG angestrebten Gesellschaftsveränderungen zwar gefördert, nicht aber durchgesetzt werden können, solange in einer pluralen Privatrechtsgesellschaft gewisse Meinungen bzw. Vorurteile ungehindert auch gegen Minderheiten in die Tat umgesetzt werden können (vgl. Skidmore, KJ 2002, S. 45 (54)). Daher habe das Anti-Diskriminierungsrecht die Veränderung gesellschaftlicher Strukturen, Vorurteile und überkommener Rollenstrukturen zur Aufgabe, vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4, 48; Hjort/ Richter, AR-Blattei SD „Gleichbehandlung I“, 800.1, Rn. 89; Schiek, AGG, Einleitung, Rn. 55 ff.; Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (377); Hahn, Altersdiskriminierung, 2006,
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kung, sondern um die Verdeutlichung und Überwindung missbilligenswerter Voreingenommenheiten. Soweit die Integration eines Merkmalsträgers somit infolge einer vorurteilsbelasteten unternehmerischen Personalmaßnahme versagt oder zumindest erschwert wird, sollen Diskriminierungsverbote schützend zugunsten von Arbeitnehmern eingreifen und ihre Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu Nichtmerkmalsträgern absichern.34 Rechtlich ausgeschlossen ist eine unterscheidende Maßnahme damit nicht allein wegen einer Abweichung von dem positiven Ideal einer allgemeinen Gleichbehandlung, sondern nur wegen einer Diskriminierung, die auch unter den Vorzeichen der Privatautonomie und der ebenfalls grundrechtlich geschützten Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers jenseits der äußersten Toleranzgrenzen individueller Wertungen und Entscheidungen liegt und deshalb verfassungsrechtlich schlechterdings unannehmbar ist.35 Dies ist dann der Fall, wenn die unterscheidende Maßnahme des Unternehmers auf Vorurteilen gegenüber bestimmten Merkmalsträgern beruht, die jeglicher objektiven Grundlage und jedem Bezug zur objektiven Eignung des Arbeitnehmers entbehren und die deshalb durch die Diskriminierungsverbote unterbunden werden sollen36. Vorurteile sind in diesem Fall Ausdruck der gesellschaftlich akzeptierten Voreingenommenheit, die bekämpft werden soll. Eine solche Vorurteilsbelastung besteht im Bereich der (geschlechtsbedingten) Diskriminierung z. B. immer dann, wenn die Unterscheidung an die traditionelle Rollenverteilung (zwischen Mann und Frau im Berufsleben) anknüpft, sei es aus direkter Sicht des Unternehmers, sei es, dass der Unternehmer mit seinem Angebot den Rollenbildern innerhalb der Kundschaft genügen will.37 Die Freiheit zur unterscheidenS. 20 f., m. w. N.; vgl. a. Lobinger, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 99 (122 ff.). 34 Vgl. EuGH v. 11. 10. 2007 NZA 2007, S. 1271 (1273) (Paquay/SPRL). Mit dem Ziel der Sicherung der Chancengleichheit befasste sich auch die Tagung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vom 29./30. 11. 2007 mit dem Titel „Chancengleichheit als MehrWert“. 35 In diese Richtung Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 72. Demnach verbleibe a. Raum für alle sonstigen (v. a. subjektiv geprägten) Beweggründe, also für beliebige, ggf. auch unsachliche Motive, so dass sich der Arbeitgeber für einen Bewerber aus Gründen wie Sympathie, Fußballtalent, Nichtraucher oder Eingebung entscheiden könnte. Differenzierungen, die auf anderen Unterschiedlichkeiten der Personen oder der Lebensumstände beruhen, bleiben von dem Differenzierungsverbot gerade unberührt (BVerfG v. 18. 12. 1953 BVerfGE 3, S. 225 (241 f.); v. 16. 11. 1993 AP Nr. 9 zu § 611a BGB; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 I GG, Rn. 507 f.). Der Antrag, die Geltung des allg. Diskriminierungsverbots für Einstellung durch private Arbeitgeber zu empfehlen, wurde vom 52. DJT 1978 abgelehnt (hierzu Hanau, in: Gs. Kahn-Freund (1980), S. 457 (471)). Grdl. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II 2b, § 76 IV 6c. Zu weitgehend jedoch Adam (in: NZA 2003, S. 1375 (1375)). 36 Zur Voraussetzung der objektiven Eignung vgl. BAG v. 19. 08. 2010 NZA 2010, S. 1412 (1416 f.); v. 18. 03. 2010 NZA 2010, S. 872; v. 18. 03. 2010 – Az.: 8 AZR 466/09 – n. v.; LArbG Berlin-Brandenburg v. 10. 11. 2010 – Az.: 17 Sa 1410/10 – zit. n. juris; fehlt es an einer objektiven Eignung des Bewerbers, befindet er sich nicht in einer vergleichbaren Situation mit dem Bewerber, der den Vorzug erhalten hat. 37 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4. Denn allein aus der faktischen Ausübung einer Tätigkeit durch eine bestimmte Merkmalsgruppe ergibt sich kein objektiver besonderer Bezug dieser Gruppe zu der Tätigkeit. Zu verallgemeinernd jedoch Brors, in: Däubler/Bertz-
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den Behandlung ist folglich dann einzuschränken, wenn sie zu gezielten Diskriminierungen führt, die individuelle Missachtung wegen eines Merkmals ausdrücken.38 In anderen Fällen, in denen die Differenzierung gerade Ausdruck einer objektivierbaren nachfrageorientierten unternehmerischen Entscheidung ist, sind die Verbote nicht geeignet, die Ziele des Diskriminierungsschutzes durchzusetzen und zu gewährleisten.
II. Die Stellung von unternehmerischer Freiheit zu den Zwecken des Diskriminierungsschutzes Verfolgt ein Unternehmer (zur Vermarktung seiner Produkte oder Dienstleistungen) eine bestimmte Außendarstellung, die sich mittelbar oder unmittelbar an ein geschütztes Merkmal anlehnt, steht er damit potenziell mit einen Diskriminierungsverbot in Konflikt. Diese Strukturproblematik im Überschneidungsbereich von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz entsteht dabei aus einer Divergenz zwischen unternehmerischem Handlungsanspruch und Marktverhalten auf der einen und der Forderung nach diskriminierungsfreiem Unternehmerhandeln auf der anderen Seite.39 1. Die Diskriminierungsschere Das Phänomen lässt sich mithin aus zwei einander (zunächst) entgegenstehenden Ausgangspositionen erklären. a) Nicht diskriminierender Arbeitsmarkt Auf der einen Seite bildet die poltische und nunmehr auch rechtlich (§ 1 AGG) festgeschriebene Forderung nach einem diskriminierungsfreien Arbeitsmarkt, auf dem unrechtmäßige Unterscheidungen40 ausgeschlossen sind, die erste Ausgangsposition. Der Arbeitgeber soll im Idealfall Stellenbewerber und Arbeitnehmer unterschiedslos behandeln. Er soll sich dabei nur von „objektiven“ und „sachlichen“ Erwägungen leiten lassen. Entscheidend soll etwa nur die „reine Qualifikation“ des Bewerbers um den angestrebten Arbeitsplatz sein. „Sachfremde“ oder „emotionale“ Motive oder Auswahlgründe sollen dem Arbeitgeber möglichst verwehrt werden.41 bach, AGG, § 8, Rn. 48 – Kundenerwartungen hingen immer mit der tatsächlichen Verteilung von Rollen zusammen, die das Anti-Diskriminierungsrecht gerade überwinden wolle. 38 Siehe auch Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 121. 39 Dies gilt jedenfalls für solche Diskriminierungsmerkmale, an die entsprechend obiger Ausführungen ggf. auch ein spezielles Angebot gelehnt werden könnte. 40 Genauer: Unterschiede in der Behandlung – oder Entscheidungen, die eine einzelne Person betreffen –, die auf einer Überlegung beruhen, die von einer Rechtsnorm aus den Entscheidungsmotiven ausgeschlossen ist. 41 Zum Abstellen auf die Motivlage vgl. a. Deinert, RdA 2007, S. 275 (277, 279); v. Medem, NZA 2007, S. 545 (547).
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Dies sei auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten stets eine kluge Lösung. Daher halte der Diskriminierungsschutz den Arbeitgeber letztendlich zu einem ökonomisch sinnvolleren Verhalten an. b) Diskriminierender Güter- und Dienstleistungsmarkt Der politischen Forderung nach Anti-Diskriminierung steht allen voran das praktische Bedürfnis nach marktgerechter Differenzierung entgegen. Die moderne Marktwirtschaft beruht auf einem höchst diversifizierten Angebots- und Nachfragemarkt, der unterschiedlichste Bedürfnisse befriedigen will und dies auch soll. Freies Unterscheiden, Bewerten und Wählen eröffnet die Möglichkeit, die unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse, Interessen und Wünsche zu entwickeln und am Markt zu artikulieren.42 Innerhalb dieser Marktpluralität wird – wenn auch mit abgestufter Intensität – ständig, auch nach den geschützten Merkmalen, unterschieden. aa) Auf merkmalsnaher Differenzierung beruhende Ausrichtung am Markt Aus Sicht des Anbieters handelt es sich bei einer merkmalsgeleiteten Differenzierung um bloßes marktorientiertes Verhalten. Die bestehende Wirtschaftsverfassung enthält den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien.43 Dabei stellt sich der Wettbewerb am Markt als ein fortwährender Erkenntnisprozess dar, bei dem der einzelne Unternehmer dazu aufgerufen ist, Nachfragewünsche aufzuspüren und mittels eines stimmigen Angebots zu befriedigen, um so ein bestimmtes Marktsegment erfolgreich erschließen zu können. Mithin befindet sich der Unternehmer in einer gestaltungsbedürftigen Situation, in der er in Abhängigkeit zu dynamischen Nachfragewünschen steht, denen er sein Angebot anpassen muss. Die Nachfragefreiheit ruft als Reaktion die entsprechenden Angebote hervor und mit ihnen die Chance, beide bestmöglich zur Deckung zu bringen. Ein Unternehmer, der den Konkurrenzkampf überstehen will, muss sein Angebot so ausrichten, dass er möglichst viele Kunden anspricht. Das erfordert auf einem hart umkämpften Angebotsmarkt nicht zuletzt die Besetzung von Nischen. Unternehmer sind dazu gezwungen, ihre Innovations- und Improvisationsfähigkeit immer wieder dadurch unter Beweis zu stellen, dass sie „neue Märkte“, d. h. neue Angebotsfelder erschließen. Da der Markt ausdifferenziert ist, kann ein solches marktorientiertes Unternehmerhandeln beim ersten Ansehen mitunter auch zu einer geschäftstätigen Markterschließung aufgrund von Diskriminierung führen.44 In diesen Fällen ist dem unternehmerischen Handeln z. B. eine Unterscheidung nach einem geschützten Merkmal quasi immanent. Als Paradigmata 42 43 44
So auch Picker, ZfA 2005, S. 167 (172). BVerfG v. 08. 02. 1972 BVerfGE 32, S. 311 (317). Vgl. auch Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83.
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hierfür lassen sich die oben aufgezeigten Problembeispiele benennen: das FrauenFitnessstudio, das asiatische Restaurant oder das Kaufhaus für jugendliche Mode. Bei aller Unterschiedlichkeit ist diesen Anbietern gemeinsam, dass ihr unternehmerisches Handeln auf die Befriedigung eines bestimmten Nachfragewunsches (unbeobachtete Atmosphäre, asiatisches Essen, junge Mode) ausgerichtet ist. In allen hier interessierenden Fällen geht es um real existierende Nachfragewünsche, da ein diskriminierendes Unternehmerhandeln zur Verfolgung eines nicht existenten Nachfragewunsches schon aus ökonomischen Gründen zum Scheitern verurteilt ist. Ein ausdifferenziertes unternehmerisches Marktangebot schwebt also in der Regel nicht im luftleeren Raum, sondern bedient ein zunächst vermutetes und im Erfolgsfall auch vorgefundenes Nachfragepotenzial im Rahmen einer gewissen Nische. Zu Recht wird insoweit darauf hingewiesen, dass §§ 1, 7 AGG nur die arbeitsrechtlichen Beziehungen regeln. Soweit daher im allgemeinen Zivilrechtsverkehr – wie in den vorgenannten typischen Beispielsfällen – das Marktprinzip nicht durch besondere Differenzierungsverbote (vgl. §§ 19 ff. AGG) eingeschränkt worden ist, sind die zur Realisierung eines bestimmten unternehmerischen Erfolgs getroffenen Angebotsausrichtungen auf ein bestimmtes (gegebenenfalls antizipiertes, d. h. nicht notwendig aktuell existierendes) Nachfragesegment zulässig und im Rahmen des Kernbereichs unternehmerischer Freiheit grundrechtlich geschützt.45 Dem Unternehmer steht es demnach insbesondere frei, eine auf merkmalsnaher Differenzierung beruhende Ausrichtung am Markt zu wählen. Die Möglichkeit einer selektiven Marktausrichtung hat der deutsche Gesetzgeber speziell in §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 AGG durch Unterscheidungsmöglichkeiten jenseits der arbeitsrechtlichen Bereiche grundlegend anerkannt. Hier kann mit Ausnahme des § 19 AGG die Marktausrichtung des Unternehmens prinzipiell ohne Bindung an die Wertungen des AGG erfolgen.46 Gemeinsam ist vorliegenden Fällen auch, dass ein am Nachfragewunsch orientierter Marktauftritt (auch) durch die Anstellung bzw. Delegierung „bestimmter“, nach geschützten Merkmalen ausgesuchter Arbeitnehmer glaubwürdig verfolgt werden kann. Nur so ist zu erklären, warum Diskriminierungsverbote, die sich auf die Unterbindung diskriminierender Personalmaßnahmen beziehen, auf den Marktauftritt als solchen auswirken können. 45 s. o. unter § 3 C. III. 1. a) bb) (3), IV, § 6 B. IV. Für eine Anerkennung solcher Ausdifferenzierungen i. R. der Ausnahmetatbestände: Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 63 – dies gelte grds. auch für Positionen in der Binnenorganisation des Arbeitgebers, soweit sie zum Zwecke der glaubhaften Darstellung einer best. Unternehmensphilosophie mit den Angehörigen einer best. Merkmalsgruppe besetzt werden müssten. 46 Vgl. hierzu BT-Dr. 16/1780, S. 44 – die Möglichkeit zur gezielten Ansprache bes. Kundenkreise sei „Bestandteil einer auf Wettbewerb beruhenden Gesellschaft“; Boemke/ Danko, AGG, § 6, Rn. 9; s. a. Schiek, in: Riesenhuber, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, 2007, S. 37 (50). Das bedeute im Kern nichts anderes, als ein Recht des Anbieters, aus Wettbewerbsgründen diskriminieren zu dürfen (so Pfeiffer, in: FS Canaris (2007), S. 981 (993); s. insoweit a. Adomeit/Mohr (in: AGG, § 8, Rn. 32, 40), wonach Kundenwünsche, die nicht gegen § 19 I, II AGG verstoßen, für die Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit i. R. d. arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutzes beachtenswert seien.
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Gerade in den Fällen, in denen der Unternehmer mit seiner Ausrichtung verfassungsrechtlich abgesicherte Kundeninteressen (wie etwa die Bewahrung der Privatund Intimsphäre) bedienen will, wird deutlich, dass es regelmäßig um anerkennenswerte Nachfragekategorien geht. Versagte man dem Unternehmer die Orientierung an diesen Interessen, machte man dadurch den Kundenwusch tendenziell unerfüllbar und eliminierte damit gleichzeitig das gesamte Marktsegment. Hierdurch tritt die diversifikationshemmende Wirkung einer Lösung zutage, die den tatsächlich ausdifferenzierten Güter und- Dienstleistungsmarkt nicht anerkannte. bb) Diskriminierendes Kundenverhalten Auf der Nachfrageseite existiert hierzu ein spiegelbildliches Kundenverhalten. Auch Kunden handeln nicht diskriminierungsfrei ohne Ansehung von Produkten oder Verkaufsdarstellung. Die Nachfrager entscheiden sich aus den unterschiedlichsten (z. B. emotionalen), nicht unbedingt – mitunter jedoch vordergründig – unsachlichen Erwägungen für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen. Nicht zu verkennen ist, dass dabei in einigen Fällen auch Kriterien eine Rolle spielen, nach denen ein Unternehmer gemäß dem arbeitsrechtlichen Anti-Diskriminierungskonzept gerade nicht differenzieren soll. Kunden wollen durch ein stimmiges Angebot von dem jeweiligen Produkt überzeugt werden und etwa in einem Chinarestaurant von chinesischen Köchen bekocht und asiatischen Kellnern oder Kellnerinnen bedient werden. Dieses Verhalten muss weder aus politischer, noch aus gesellschaftlicher und erst recht nicht aus ökonomischer Sicht unerwünscht sein. Auch die Diskriminierungsverbote sind von ihrem Zweck her nicht darauf ausgelegt, die Bedienung bestimmter Nachfragefelder auszuschließen, da ein solches unternehmerisches Handeln gerade nicht aus Vorurteilen gegenüber einem Merkmalsträger resultiert. Indem die Vielgestaltigkeit möglicher Marktnischen anerkannt wird, die grundsätzlich jeden merkmalsorientierten Nachfragewusch in jede Richtung zulässt, findet auch jeder Merkmalsträger seinen Platz. Man erwartet in einer pluralen Konsumgesellschaft ein breites Nachfragespektrum. Die Selektionsbefugnis des privaten Kunden muss grundsätzlich für jedes erhebliche Lebensgeschehen akzeptiert werden, denn die freie Begründung einer privat-gesellschaftlichen Beziehung, die nicht den Ausschluss anderer zur Voraussetzung hätte, ist kaum je einmal denkbar.47 Um die Wirtschaftsleistung des Unternehmens voranzubringen bzw. zu verstetigen, ist der Unternehmer darauf angewiesen, dass weiterhin neue, auf spezifischen Vorlieben und Überlegungen beruhende Kundenwünsche geboren werden, die von ihm dann bedient werden können.48 Im Rahmen 47
So zu Recht Picker, ZfA 2005, S. 167 (173). Aus wirtschaftspolitischer Sicht steht zu vermuten, dass das (z. B. deutsche) Wirtschaftsmodell von dem Bestehen unterschiedlichster Kundenwünsche geprägt und abhängig ist. Dann aber darf es auch dem Anbieter grds. nicht verwehrt sein, seine Offerte an den erlaubten Wünschen seiner Klientel auszurichten. Ein „gleichgeschalteter“, den gleichen Interessen 48
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einer auf Pluralität beruhenden Marktgesellschaft ist davon auszugehen, dass der Unternehmer dabei sowohl sachlich (auch: merkmalsnah) differenzierenden als auch unsachlich-diskriminierenden Nachfragekategorien begegnet. 2. Daraus resultierende Gefahr für unternehmerisches Handeln In Ansehung dieser beiden Ausgangspositionen wird eine gegenläufige Ausrichtung von gesetzlichem Diskriminierungsschutz und tatsächlichem Güter- und Dienstleistungsmarkt sichtbar.49 Insofern befindet sich das Arbeitsrecht zwischen Marktgesetz und Marktansprüchen.50 Der Unternehmer hat insoweit die Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf nichtdiskriminierende interne Arbeitsbeziehungen und diskriminierungsbeladene externe Kundenbeziehungen zu überwinden.51 Soweit einem Unternehmer mittels der besonderen arbeitsrechtlichen Chancen- und Risikoverteilung die Folgen unternehmerischen Handelns auferlegt werden,52 ist ihm mittels Entscheidungsfreiheit der Einfluss auf das Unternehmen zuzugestehen. Hierbei ist seine erfolgsnotwendige Verpflichtung zur Marktorientierung zu bedenken. Wenn den Unternehmern in immer weitreichenderer Form ausdifferenzierte Verkaufslösungen (bzw. deren Umsetzung) durch Diskriminierungsverbote verwehrt werden, der Markt, auf dem sich diese Unternehmer behaupten sollen, jedoch maßgeblich auf Diversifikation beruht, dann ergibt sich ein Auseinanderlaufen von gesetzlichen und ökonomischen Zielen. Dies birgt für den Unternehmer die Gefahr, dass er zugunsten einer rechtmäßigen Unternehmensführung Marktsegmente und damit Erfolgschancen einbüßt. Der Diskriminierungsschutz ist bei einer breiten Anwendung seiner Unterscheidungsverbote auf die unternehmerische Marktbetätigung dazu geeignet, dem Unternehmer die Markterschließung in gewissen Bereichen zu verwehren.53 Auf diese Weise würden die Anti-Diskriminierungsvorschriften nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch den Güter- und Dienstleistungsmarkt regulieren, soweit der Anbieter zur Leistungserbringung auf Arbeitnehmer angewiesen ist. Nachfragekategorien würden nicht mehr bedient werden (können) und rechtlich in Frage gestellt. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass hierin eine Überwirkung der Verbote liegt, folgender Nachfragemarkt könnte die heutige Wirtschaft mutmaßlich nicht einmal ansatzweise auslasten. 49 Diskriminierungsverbote können so als Gefahr für unternehmerisches Handeln betrachtet werden, vgl. a. Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (378, 385 ff.). 50 Gerade das AGG stellt nur auf die Anbieterseite ab (Flohr/Ring, AGG, Einl., Rn. 49; s. a. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5). Allg. Picker, ZfA 2005, S. 353 (353). 51 In diesem Sinne Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (385). 52 s. o. unter § 3 C. IV. 6. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 128 f. 53 Krause (in: FS Adomeit, S. 377 (385)) sieht dies als Folge der Dominanz der Arbeitsbeziehungen ggü. den Kundenbeziehungen. Problematisch erscheint in jedem Fall eine durch die Arbeitsrechtsordnung produzierte Abkoppelung der Arbeitsbedingungen vom Markt. In dem Maße, wie dem einzelnen Unternehmer seine freie Entscheidung verwehrt wird, wird ihm gleichzeitig ein Stück weit die Möglichkeit genommen, sich innovativ und damit zukunftsorientiert am Markt zu engagieren.
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die ihren Anwendungsbereich im Hinblick auf das allgemeine Zivilrecht auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, beschränkt und dabei den Anbieter und nicht den Nachfrager vor Augen hat.54 Dem Arbeitgeber darf nicht verwehrt werden, sein Unternehmen an Kundenwünschen und damit am Nachfragemarkt auszurichten, da Kundenzufriedenheit und Kundenbindung die Existenzvoraussetzungen für sein Unternehmen bilden.55 Der direkte Kontakt zur Kundschaft ist dabei ein entscheidendes Element; in diesen Fällen könnte der Arbeitgeber fähig sein, z. B. das Erscheinungsbild einer Verkäuferin gegenüber der Kundschaft zu beurteilen, sofern seine Forderung unter Beachtung der guten Sitten erhoben wird und auf einem objektiven mit dem Interesse des Unternehmens verbundenen Grund beruht. Speziell das hohe Verfassungsgut der Berufswahlfreiheit gebietet es, dem Unternehmer nicht die Betätigung im Bereich ganzer Marktsegmente durch die Beschränkung seiner Entscheidungsfreiheit (zumindest faktisch) zu untersagen. Dies gilt umso mehr, als dass Grad und Ausmaß staatlicher Berufsregelungen in erster Linie von den Problemen des einzelnen Berufs bestimmt sein müssen und dass dabei zu berücksichtigen ist, welche Bedeutung das einzelne Differenzierungsverbot im betreffenden Lebensbereich hat.56 Der freie Marktauftritt und die freie Bestimmung des Angebots bilden nach den bisherigen Feststellungen den Kernbereich unternehmerischer Freiheit. Gerade wenn ein Unternehmer ein ausgewähltes Publikum ansprechen will, könnten sich ihm im Falle des Eingreifens von Diskriminierungsverboten mitunter unüberwindliche Hürden in den Weg stellen. Eine Durchsetzung der Differenzierungsverbote führte hier zur Verhinderung der Ausschöpfung von Marktmöglichkeiten. Verpflichtungen aus Diskriminierungsverboten müssen jedoch wirtschaftliche Freiheit und das damit zusammenhängende wirtschaftliche Risiko genügend berücksichtigen.57 Dies gilt umso mehr, sofern unternehmerisches Handeln von real existierenden Nachfragewünschen und nicht von Vorurteilen gegenüber Merkmalsträgern geleitet wird. Dass ökonomische Ziele durch politische Erwägungen begrenzt oder gar konterkariert werden können, gilt unbestritten. Sicherlich darf ein (behaupteter) Nachfragewunsch nicht die Legitimationsbasis dafür bilden, durch die darauf folgende Außendarstellung des Unternehmens ausgeschlossene Arbeitnehmer herabzuwürdigen.58 Jedoch muss eine Beschränkung unternehmerischer Freiheit mit Augenmaß und unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben geschehen. Wenn ein auf Gewinn und Markteroberung ausgerichtetes wirtschaftliches Vorgehen (als Essenz unterneh54 So Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (385) u. Hinw. auf Art. 3 I h RL 2000/43/EG, § 19 I Nr. 1 AGG. 55 Vgl. Mauer/Holthausen, NZA 2003, S. 1370 (1371). s. a. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 128. 56 Vgl. BVerfG v. 06. 03. 2002 BVerfGE 105, S. 73 (111); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 376. 57 Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 376. 58 Vgl. Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14.
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merischen Handelns) durch Diskriminierungsschutz völlig untersagt wird, gerät der Schutz an die Grenze des Art. 12 Abs. 1 GG, da dann sogar die Berufswahlfreiheit des Unternehmers, der in seinem Marktsegment auf eine differenzierende Außendarstellung angewiesen ist, im Kern betroffen ist. 3. Ziel der Erhaltung der unternehmerischen (Re-)Aktionsfähigkeit Nach der Rechtsprechung des BVerfG geht das Grundgesetz bei aller wirtschaftspolitischen Neutralität von einer freiheitlichen Grundordnung aus.59 Unabdingbar hierfür ist u. a. ein dem Grunde nach freies und konkurrenzfähiges Unternehmertum.60 Bereits eingangs wurde das Auftreten am Markt im Rahmen des freien Wettbewerbs der als Anbieter und Nachfrager auftretenden Unternehmen als Kernbestandteil und Basis (freier) unternehmerischer Tätigkeit herausgestellt, die sowohl im nationalen als auch im europäischen Recht besonderen Schutz erfahren.61 Darunter fällt insbesondere die vollständige Ausschöpfung bestehender Marktmöglichkeiten. Für die Steuerung und Korrektur der Marktwirtschaft durch Interventionen gilt das Prinzip der Marktkonformität;62 es bedeutet, dass die wirtschaftliche Entscheidung, die der einzelne Wirtschaftende für ökonomisch richtig hält, nicht durch die Entscheidung ersetzt werden soll, die eine politische Instanz oder eine Behörde für wirtschaftlich richtig hält – demzufolge muss der Staat den Unternehmern die wesentlichen Entscheidungen über ihre Personalstruktur belassen.63 Das Arbeitsrecht bildet generell einen integralen Bestandteil der von unsicheren Marktbedingungen gekennzeichneten Wirtschaftsverfassung, welche durch das Prinzip der Marktwirtschaft bestimmt wird.64 Es muss daher so ausgestaltet sein, dass es neben dem Arbeitnehmerschutz genügend Flexibilität aufweist, um den erforderlichen Spielraum für Anpassungen an marktbedingte und wirtschaftliche Notwendigkeiten zu gewährleisten.65 Dem Unternehmer wird in der Marktwirtschaft die Übernahme des Unternehmerrisikos auferlegt, wobei ihm hierfür eine ausreichende unternehmerische Entscheidungsfreiheit zuzugestehen ist, um eine gerechte Verteilung von (Markt-)Chancen und Risiken zu erreichen. Der Unternehmer muss insbesondere im Rahmen seiner 59 Grundlegend BVerfG v. 15. 01. 1958 BVerfGE 7, S. 198 (198 ff.); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, S. 290 (336 ff.). 60 Dieterich, AuR 2007, S. 65 (66). 61 s. insb. o. unter § 3 C. III. 1. a) bb); s. a. Möllers, NJW 2005, S. 1973 (1975). 62 Zacher, in: HStR II, § 28, Rn. 59. 63 Kirchhof, in: HdbStR VII, § 183, Rn. 8; Zacher, in: HStR II, § 28, Rn. 59. In diese Richtung a. Gotthardt, in: HWK, § 307 BGB, Rn. 5. 64 Arbeitsrecht und Marktwirtschaft stehen damit in einer Wechselbeziehung (Zöllner/ Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 1, § 1 II; Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (201)). Dieser Zshg. muss berücksichtigt und bei den gesetzgeberischen Maßnahmen beachtet werden (Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 2). 65 Vgl. Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 13; Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 11; Schaub, in: ArbR-Hdb., § 2, Rn. 8; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 46; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 167.
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Personalentwicklung die Möglichkeit haben, alle Teile eines Unternehmens so zu qualifizieren, dass alle Menschen in einer Organisation ihre Fähigkeiten optimal einsetzen und ihre Aufgaben effizient und erfolgreich ausführen können.66 Ihm geht es dabei nicht zuletzt um eine grundsätzlich legitime Risikobeschränkung bezogen auf das konkrete Arbeitsverhältnis.67 Denn am Markt bestehen kann nur derjenige Unternehmer, dem es gelingt, sich, seine Entscheidungen und sein Werkzeug zu ihrer Umsetzung, den Betrieb, den ständigen Wandlungen des Marktes anzupassen.68 Da die Wettbewerbsposition eines Unternehmens und damit auch der Umsatz und die Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen unterliegen,69 muss es dem Unternehmer – entgegen der teilweise geforderten und oftmals kritisierten Marktresistenz des Arbeitsrechts70 – möglich sein, durch Besetzung von Marktfeldern auf neue Nachfragewünsche zu reagieren.71 Eine auf Wettbewerb und autonome unternehmerische Entscheidungen aufgebaute Wirtschaftsordnung, in der sich der Wirtschaftsprozess nach den Regeln des Marktes richtet, auf dem Anbieter und Nachfrager zusammentreffen, kann den Sektor Arbeit nicht ausgliedern und anderen Gesetzmäßigkeiten unterstellen, sondern hat die unternehmerischen Rahmenbedingungen wie die Ertrags- und Marktsituation zu berücksichtigen.72 Einem Ar66
Vgl. Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. D., Rn. 1468; Blaha/Mehlich NZA 2005, S. 667 (672); Feudner, NZA 2000, S. 1136 (1136); Horstkötter, PersR 2005, S. 396 (396); Hunold, NZA 2000, S. 802 (806). Ähnlich zur allokativen Funktion der Marktwirtschaft: Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 1 III 3. Ähnlich Mauer/Holthausen, NZA 2003, S. 1370 (1373). A. A. Huber, NZA 2005, S. 1340 (1341). 67 Zu diesem Bedürfnis: Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 171; Hromadka/Maschmann, § 5 I, Rn. 43; Hohenstatt/Stamer/Hinrichs, NZA 2006, S. 1065 (1066 f.); Moritz, NZA 1987, S. 329 (331 f.). Vgl. a. BAG v. 27. 06. 2006 NZA 2006, S. 1276 (1281). Ähnliches gilt für die Zulässigkeit von Fragerechten (Buchner, NZA 1991, S. 577 (580)). Zum Bedürfnis eines Ausgleichs zw. Vertragsfreiheit und der darin enthaltenen Möglichkeit einer risikoadäquaten Kalkulation und Diskriminierungsschutz in der Versicherungswirtschaft s. Hensche, NZA 2004, S. 828 (829 f.). 68 Ob eine unternehmerische Entscheidung richtig oder falsch war, entscheidet allein ihr Erfolg am Markt (Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 12), denn es besteht kein subjektives verfassungskräftiges Recht auf die Erhaltung des Geschäftsumfanges bzw. einer Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten (Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 24), gerade im marktverfassten EG-Wirtschaftsraum (Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 60). Die Ausübung der wirtschaftlichen Freiheiten durch die einzelnen Marktteilnehmer erfolgt allg. nicht in einem Verhältnis harmonischer Symbiose, sondern in einem Konkurrenzverhältnis zueinander (Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (578)). Grdl.: Friedman, Kapitalismus und Freiheit (1962, 2002), S. 50. 69 Dies anerkennend EuGH v. 05. 10. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5039 (5065); BVerfG v. 20. 04. 2004 BVerfGE 110, S. 274 (288); v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (265). 70 Vgl. nur Schiek, KJ 2002, S. 18 (30); dagegen Picker, ZfA 2002, S. 469 (500). 71 Dies folgt erst recht daraus, dass es dem Privaten weitreichend zugestanden wird, mit seinem rechtsgeschäftlichen Handeln selbst marktferne bzw. marktexterne Ziele zu verfolgen (vgl. hierzu Neuner, JZ 2003, S. 57 (63)). Grdl. Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 3, 1981, S. 109 f. 72 So Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 2. Dabei kommt der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens, der sich auch auf (richtige) unternehmerische Entscheidungen gründet,
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beitgeber sollte es daher so weit wie möglich unbenommen sein, seine Einstellungsentscheidungen sowie die Ausübung seines Direktionsrechts nach betriebswirtschaftlich vernünftigen Kriterien zu treffen.73 Mithin stellt sich die Aufgabe, auch bei Anlehnung der Maßnahmen an geschützte Merkmale die Marktgesetze angemessen zu berücksichtigen.74 a) Anerkennung auf Differenzierung beruhender Angebote Aufgrund des facettenreichen Gesamtmarkts, der keinen Diskriminierungsbeschränkungen unterliegt, ergeben sich Nachfragepotentiale auch in Bereichen, die der Unternehmer nur mithilfe von passgenauen, an merkmalsnahen Kundenwüschen ausgerichteten Marktauftritten ausschöpfen kann.75 Diese wirtschaftlichen Gesichtspunkte erfordern eine insoweit flexible Unternehmensführung, für die der Diskriminierungsschutz vor den dem Betriebserfolg dienenden Interessen des Arbeitgebers zurückweichen müsste.76 Dem Unternehmer ist es infolge seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit erlaubt, sein Marktauftreten auf eine besondere merkmalsgeprägte Klientel (Geschäft für junge Mode; Bar für Homosexuelle; Finanzdienstleistungsunternehmen mit frauenspezifischer Anlageberatung) oder einen speziellen merkmalsnahen Nachfragewunsch (chinesisches Restaurant) auszurichten.77 Die Entscheiunmittelbar den im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern zugute. Grdl. zur Vereinbarkeit von privatem Gewinnstreben und öffentlichem Wohl: Locke, 2nd Treatise of Governement, V, §§ 27, 37, 45, 51; Friedman, The Social Responsebility of Business is to Increase its Profits, New York Time Magazin v. 13. 09. 1970, S. 32 f., 122 ff.; hiergegen Suchanek, in: Pies/ Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 112 ff. 73 Ähnlich Schaub, in: ArbR-Hdb., § 112, Rn. 21 f. Es gibt keine umfassende (rechtliche) Bindung des Arbeitgebers, den Einstellungsbewerbern die Arbeitsplätze unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes etwa nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung o. ä. Kriterien zuzuteilen (Schiek, NZA 2004, S. 873 (879)). 74 Ggf. ist hiernach die Rücksicht auf Unternehmens- und Marktbedingungen als tragfähiger Grund einer Differenzierung in der Unternehmenspolitik anzuerkennen, vgl. Junker, Arbeitsrecht, § 1, Rn. 12 f.; Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 48 (mit Nachw. aus der Rspr.); ders., in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (271), der einen solchen Ausnahmegrund zumindest beim allg. Gleichheitssatz anerkennt. Im U.S.-amerik. Recht gibt es daher Ausnahmen aufgrund von occupational requirements. Zum Zshg. zw. wirtschaftlicher Stagnation und der Tendenz der U.S.-Gerichte, in solchen Zeiten Gleichberechtigungsgesetze restriktiv auszulegen, um Diskriminierungsschutz zu begrenzen, s. Seifert, DRiZ 1994, S. 241 (246 ff.). 75 Vgl. a. Monen, Das Verbot der Diskriminierung, 2008, S. 166 f. 76 In diese Richtung Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 142; Zöllner, NZA, Beil. Heft 3/2000, S. 1 (4); grdl. Breuer, in: HdbStR VI, § 147, Rn. 35; das U.S.-Recht spricht insoweit von legitimate interests; generell abl. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5. 77 Ähnlich Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 22, 29; Dörner, in: Dörner/Luczak/ Wildschütz, Abschn. B, Rn. 162; Fuchs, in: Bamberger/Roth, AGG, § 8, Rn. 2; Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327); Waltermann, NZA 2005, S. 1265 (1267); Wank, NZA, Beil. Heft 22/ 2004, S. 16 (23), der jedoch noch weiter differenzieren und eine Ausnahme nur dann anerkennen will, soweit es um eine Organisation zur Verwirklichung der Ziele einer bestimmten Gruppe und um Information und Beratung im Einzelfall geht. Vgl. a. Annuß, BB 2006, S. 1629 (1633); Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (395). Insg. abl. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5.
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dungskompetenz über die rein unternehmensbezogene Strategie der Verkaufspolitik gehört zu den tragenden Säulen unternehmerisch wirtschaftlichen Handelns, die für eine längerfristige Existenzsicherung jedes Unternehmens eine Existenzfrage ist.78 Dies gilt uneingeschränkt in den Bereichen, in denen das Angebot auf ein geschütztes Merkmal, mithin ein bestimmtes Geschlecht, eine bestimmte ethnische Herkunft oder sexuelle Identität etc. ausgerichtet ist.79 Solche Angebote – insbesondere innovative Formen – werden in freien marktwirtschaftlichen Ländern nicht nur geduldet sondern sozial akzeptiert, als Bereicherung des Gesamtangebots sogar gefordert und begrüßt.80 b) Differenzierung als praktizierte Pluralität Gerade die Verschiedenartigkeit der einzelnen Geschäftsideen und deren unterschiedliche Umsetzung sind Elemente einer grundsätzlich liberal-individualistischen, pluralen Gesellschaftsform.81 Der freie Angebotsmarkt erkennt an, dass er einen seinerseits heterogenen und konsumsouveränen Nachfragemarkt bedienen muss.82 Das impliziert ein System, nach dem ein Anbieter auf unterschiedlichste Kundenwünsche und -präferenzen mit einer individuellen Offerte reagieren muss.83 Ein erfolgreiches unternehmerisches Handeln macht es zwingend erforderlich, dass es sich nach den Konsumwüschen der Kunden richtet. Denn zum einen entscheiden die Konsumenten über den Gewinn und Verlust des Unternehmers mittels individueller Wahlakte, indem sie im Rahmen ihrer Konsumfreiheit kaufen oder vom Kauf 78 So Vogt, RdA 1984, S. 140 (147). Daneben muss dem Unternehmer zugestanden werden, mittels einer individuellen Vergütungsphilosophie eine Corporate Identity herbeizuführen (Hromadka/Maschmann, § 3 III, Rn. 98); s. a. den liberalen Ansatz v. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 18 IV 2. 79 Ähnlich Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 16; ebenfalls für eine Berücksichtigung des unternehmerischen Zwecks des Unternehmens oder der Tätigkeit: Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83. 80 Dies wird vom AGG-Gesetzgeber zumindest für das allg. Zivilrecht anerkannt (vgl. BTDr. 16/1780, allg. Begründung zu Abschnitt 3 AGG und zu § 20 AGG). 81 Auch Art. I-2 EVerfE benennt den Pluralismus als grundlegenden Wert der EU. Auch Art. I-3 III Art. EVerfE und der Leitspruch der EU (Art. I-8 EVerfE) betonen die generelle Schutzwürdigkeit der Vielfalt innerhalb der EG. Art. 1 II UNESCO-Erklärung gibt allen Personengruppen das Recht, verschieden zu sein. s. a. Brox/Walker, BGB AT, § 2, Rn. 25; Rüthers/ Stadler, BGB AT, § 2, Rn. 10, § 3, Rn. 5, 12a; Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (19 f.); Schiek, AGG, Einleitung, Rn. 43; für den kirchlichen Bereich: Schnabel, ZfA 2008, S. 413 (437 ff.); Skidmore, KJ 2002, S. 45 (54). Picker sieht insoweit anthropologische, rechtliche und ökonomische Grundpostulate (in: ZfA 2005, S. 167 (174)). 82 Zur Konsumentensouveränität in den Wirtschaftswissenschaften vgl. Knight, Socialism: The Nature of the Problem, Ethics 50 (1940), April, S. 253 (265); Penz, Consumer sovereignty and human interests, Cambridge 1986, S. 12 ff.; Smith, Der Wohlstand der Nationen (1776), 1978, S. 558. Die Souveränität des Konsumenten geht im ökonomischen Verständnis so weit, dass „niemand, auch nicht der Monopolist, ein Gut absetzen [kann], wenn es der Konsument nicht kaufen will“ (Recktenwald, Wörterbuch der Wirtschaft, 1987, S. 318). 83 Vgl. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 11; Schütt, Status-Recht 2008, S. 297 (297).
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absehen;84 und zum anderen steht der Unternehmer regelmäßig mit den Offerten anderer Anbieter in Konkurrenz.85 Die Kontrolle des Angebots ist allein Aufgabe des Marktes, d. h. des Wettbewerbs „als Entdeckungsverfahren“.86 Marktsegmentierung ist eine notwendige Funktionsbedingung für die Leistungsfähigkeit einer marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaft.87 Diese ökonomisch (marktgesetzlich) anerkannte Heterologie wird grundsätzlich auch vom deutschen Arbeitsrecht erkannt und dadurch respektiert, dass es die vorgefundene Pluralität der Lebensstile, die vielfach bestehende reale Ungleichheit der Vertragsparteien und deren Freiheit, diese Verschiedenheit zu mehren oder zu mindern, nicht negiert, sondern die vorgefundenen Ordnungsstrukturen und die Abhängigkeit von der Wirklichkeit akzeptiert.88 Über die Grundsätze der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit schützt schon das Grundgesetz prima facie jede Form der Diskriminierung.89 Speziell die Offenheit des Vertragsrechts für die Realisierung individueller Präferenzen ist für den Privatautonomiegedanken von grundlegender Bedeutung.90 Demzufolge erfassen weder das AGG noch die zugrunde liegenden Richtlinien den Fall, dass ein bestimmtes Merkmal eine Ungleichbehandlung gebietet.91 Gerade die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist dem Grundsatz nach liberal geregelt. Insoweit existiert eine rechtliche Ungleichbehandlung auf Grund von gesellschaftlichem oder marktlichem Unterscheiden, die als Garant von Pluralismus und Marktmecha-
84 Aus ökonom. Sicht grdl. Knight, Journal of Political Economy 40 (1932), S. 433 (444). Dem souveränen Konsumenten steht ein ebenso ohnmächtiger Unternehmer gegenüber; denn wer Gewinne sucht, muss tun, was andere wollen (v. Noppeney, Zwischen Chicago-Schule und Ordoliberalismus, 1998, S. 78 unter Hinw. auf die Lehre von Knight – der Unternehmer als Werkzeug in den Händen der Konsumenten (Knight, The New Deal and Liberalism, in: IRA of Chicago, Report of the [1st Annual] Midwest Conference on Industrial Relations, 1934, S. 35 (40)). 85 Zu den gerechten Auswirkungen vollständigen Wettbewerbs aus ökonomischer Sicht vgl. grdl. Knight, The Ethics of Competition, 1923, S. 54 ff. 86 Vgl. zu diesem v. von Hayek geprägten Begriff s. BGH v. 28. 6. 2006 JuS 2006, S. 1019 (1021). 87 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 13. 88 Vgl. Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 14, 43, 205, § 125, Rn. 102; Preis, in: ErfK, § 611 BGB, Rn. 7; Medicus, AT BGB, § 17, Rn. 177; Elderhorst, AuA 2005, S. 160 (160); Schieck, AuR 2003, S. 44 (51). Dies erkennt a. das Konzept des Gender Mainstreaming an (Horstkötter, PersR 2005, S. 396 (398); Krell, PersR 2005, S. 51 (55)). 89 Vgl. Heun, in: Dreier, Art. 3 III GG, Rn. 138; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 III, Rn. 347; Neuner, JZ 2003, S. 57 (59). Freiheit im Privatrecht bedeutet immer a. Differenzierungs- und Diskriminierungsfreiheit (Eichenhofer, DVBl 2004, S. 1078 (1080); Reichold/Hahn/Heinrich, NZA 2005, S. 1270 (1273); Säcker, ZEuP 2006, S. 1 (1)). A. A. Raab, RdA 1995, S. 36 (38). 90 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 24; Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (365 f.); ähnlich Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (27). 91 Flohr/Ring, AGG, § 7, Rn. 167; Thüsing, NZA 2001, S. 1061 (1062): „Verbot der Unterscheidung, aber kein Gebot zur Unterscheidung“.
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nismus unverzichtbar ist.92 Soweit unter gleichheitsfördernder Sozialpolitik nicht nur die Beseitigung ungleicher Startchancen aufgrund ungleicher gesellschaftlicher Bedingungen verstanden wird, sondern auch die Abmilderung bis hin zur Aufhebung entstandener Ungleichheiten – auch wenn diese aus gleichen Startchancen erwachsen sind – liegt darin eine freiheitsbeschränkende Ausdehnung der Chancen- auf die Ergebnisgleichheit.93 Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet nicht Egalisierung, sondern erlaubt und erfordert Differenzierung.94 Die Verfassung schützt die Freiheit anders zu sein bzw. anders zu bleiben und zielt auf die Gewährung von Rechtsgleichheit, aber nicht allgemein auf den Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung oder dem Verlust ihrer „Identität“.95 Unter sozialem Vorwand betriebener Egalitarismus, der durch materielle Gleichstellung aller Bürger das Ergebnis unterschiedlicher Freiheitsnutzung nivellierte, würde nicht nur die Selbstverantwortung für die eigene wirtschaftliche Existenz aufheben, sondern auch die Grundlagen für einen leistungsfähigen Sozialstaat beseitigen.96 Im Übrigen wäre eine Berufsausübungsregelung mit Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn sie die Sonderbetroffenheit und Ungleichheiten außer Acht ließe, die typischerweise innerhalb eines Berufs bestehen und damit einen Teil der Berufsgruppe – hier etwa besondere Anbieterkreise, die einen bestimmten (merkmalsangelehnten) Kundenkreis bedienen wollen – ohne zureichenden Grund unverhältnismäßig belastete.97 92 Picker, ZfA 2005, S. 167 (172 ff.) – hierdurch werde das friedlich-freie Koexistieren und das ökonomisch-wettbewerbliche Kooperieren gesichert; s. a. Neuner, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz durch Privatrecht (2006), S. 74 (86). 93 In diese Richtung Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG, Kap. VIII, Rn. 37, 40; Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 119; Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 48a, S. 424; Kirchhof, in: HStR V, § 124, Rn. 3; Zacher, in: HStR II, § 28, Rn. 39 f. – der Versuch absoluter Egalisierung würde – so sehr er schon in sich zum Scheitern verurteilt wäre – zur totalitären Aufhebung der Gesellschaft führen; s. a. Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1148). 94 Gröschner, in: Dreier, Art. 20 GG (Sozialstaat), Rn. 38; Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (20). Zur Unverzichtbarkeit von Diskriminierungen im privaten Bereich vgl. a. Neuner, JZ 2003, S. 57 (63). Ähnlich Säcker, ZRP 2002, S. 286 (289). 95 Vgl. Bergmann, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 3, Rn. 17, 19a; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 34 f., 139; insoweit ist das Benachteiligungsverbot nicht als Identitätsgebot zu verstehen (so Wiedemann/Thüsing, NZA S. 1234 (1234)). 96 So die Befürchtungen v. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 I, Rn. 28; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 I, Rn. 108. Der Kampf gegen Vorurteile und ihre Konsequenzen darf daher nicht in einen Zwang zur Egalität umschlagen, der dem Ziel chancengleicher Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung jedes Individuums diametral entgegengesetzt wäre (Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 124). Im EU-Gleichbehandlungsrecht ist demgegenüber kein formales, sondern ein materielles Gleichheitsverständnis maßgebend (so a. Schiek, NZA 2004, S. 873 (875); vgl. aber a. den überzogenen formalen Ansatz in EuGH v. 04. 06. 1992 EuGH Slg. 1992, S. 3607 (3612 ff.) (Bötel)). 97 Vgl. BVerfG v. 09. 02. 1982 BVerfGE 59, S. 336 (356); v. 16. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 292 (327); v. 23. 01. 1968 BVerfGE 23, S. 50 (53, 55 ff.); Breuer, in: HdbStR VI, § 148, Rn. 36; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 58. Hier ist schon an die Erforderlichkeit der gesetzgeberischen Maßnahme ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Stern, Staatsrecht III/2, § 84 II 3a b).
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Zu fordern ist daher ein ausreichender Schutz der Privatautonomie, die die Voraussetzung für Markt und Wettbewerb und Vielfalt bildet.98 Ohne sie wäre jeder Pluralismus beseitigt, in dem sich die unterschiedlichen Vorlieben und Vorbehalte der Menschen weitestmöglich friedlich entfalten können, weil gerade eine solche Gesellschaftsform diese Gegensätze marktmäßig ausgleicht.99 Denn die Vielfalt und die Dezentralisation der Entscheidungskompetenzen auf dem Markt gleichen grundsätzlich die Diskriminierung durch einen Anbieter bei anderen aus.100 Systemimmanente Diskriminierungen sind insofern quasi der Preis einer jeden freiheitlichen Wirtschaftsordnung.101 Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass die unternehmerische Marktausrichtung für sich genommen keinem rechtswidrigen Zweck, etwa dem Verkauf fremdenfeindlicher bzw. antisemitischer Literatur, dienen darf.102 c) Umsetzung der differenzierenden Angebote durch eine stimmige Personalauswahl und corporate-identity-Anweisungen Da dem Unternehmer demnach ein marktnahes differenzierendes Angebot auch dann nicht verwehrt ist, wenn es sich an ein geschütztes Merkmal anlehnt, bezieht sich die unternehmerische Freiheit sachlogisch auch auf die Umsetzung der Produktdarbietung im inneren und äußeren Unternehmensbereich, insbesondere auf die freie, nachfrageorientierte Personalauswahl.103 Sofern ein Unternehmer durch seine Geschäftsausrichtung wegen eines bestimmten Merkmals sowohl weite Kunden- als auch Arbeitnehmerkreise ausschließt, ist dies prinzipiell eine Folge von Wettbewerb 98 Neuner, JZ 2003, S. 57 (59); in diese Richtung a. BT-Dr. 16/1780, Begründung zu § 8 I AGG; Picker, ZfA 2005, S. 167 (173); Säcker, ZRP 2002, S. 286 (289). 99 Gerade die notwendig „diskriminierende“ Freiheit zur Auswahl der Partner stellt sicher, dass sich die freie Gesellschaft unter breitestmöglicher Güterstreuung und deshalb größtmöglicher Verteilungsgerechtigkeit organisiert und weiterentwickelt (so Picker, ZfA 2005, S. 167 (176)). Im allg. Zivilrechts ist anerkannt, dass Maßnahmen zur gezielten Ansprache von Kundenkreisen aus dem Kreis der Diskriminierung ausgeklammert sind, da sie sozial erwünscht und Bestandteil unseres freien Wettbewerbs sind (Flohr/Ring, AGG, § 20, Rn. 412). 100 Isensee, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 238 (272). 101 Gerade die Differenzierung nach den (u. U. geschützten) Merkmalen gehört zur Freiheit der Arbeitgeber (Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (28)). Die ökonomische Begründung der notwendigen Differenzierung folgt denn auch daraus, dass die Kräfte und Fähigkeiten, die Kreativität und Innovationsbereitschaft durch die Aussicht auf Freiheitsgewinn und dadurch eröffnete Gewinnmaximierung mobilisiert werden (in diese Richtung Picker, JZ 2003, S. 540 (543); aus europ. Sicht: Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (576)). 102 Vgl. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 34. Lingemann (in: PWW, AGG, § 8, Rn. 6) fordert insoweit eine teleologische Reduktion: rechtmäßig müsse der Zweck der Differenzierung sein, ein rechtswidriger Unternehmenszweck allein schade nicht – auch i. R. einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung zum Personenschutz könne die Nichteinstellung gehbehinderter Mitarbeiter daher zulässig sein. 103 Ähnlich – wenn auch unter Abstellung auf Authentizitätsgesichtspunkte – Krause, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 23; Mauer/Holthausen, NZA 2003, S. 1370 (1374); s. a. Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 104; abl. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5.
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und Privatautonomie, mit der der Unternehmer eher sich selbst ausschließt als andere.104 Grundsätzlich unterliegt es der freien unternehmerischen Entscheidung, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen, also zu bestimmen, welche Voraussetzungen für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgabe erforderlich sind.105 Der Arbeitgeber gibt das grundlegende Angebot vor, mit dem sich das Unternehmen am Markt behaupten soll. Die Umsetzung dieses Angebots kann er dann (u. a.) durch ein passendes Personalkonzept verfolgen.106 Die Möglichkeit des Unternehmers zum freien Marktauftritt steht damit denjenigen Stimmen in der Literatur entgegen, die verlangen, ein Arbeitgeber habe stets einen sachlichen Grund für eine Anstellung anzuführen und zu belegen, um sich nicht dem Vorwurf einer Diskriminierung aussetzen zu müssen, und die so (Einstellungs-)Entscheidungen privater Arbeitgeber unter einen generellen Rechtfertigungszwang stellen möchten.107 Ein Konflikt mit Diskriminierungsschutzaspekten ergibt sich, wenn sich die Offerte zur umfassenden Markterschließung an ein geschütztes Merkmal anlehnt. Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko, dass das von ihm zu verantwortende Unternehmensbild am Markt positiv aufgenommen wird; zudem umfasst der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG gerade auch die Außendarstellung des Unternehmens, das selbst darüber entscheiden kann, wie es sich und seine Produkte im Wettbewerb präsentieren kann.108 Demzufolge hat sich die unternehmerische Entscheidungsfreiheit 104 So Neuner, JZ 2003, S. 57 (62). Wenn man dem Unternehmer gestattete, Angebote zu entwickeln, die sich an ein geschütztes Merkmal anlehnen und die daher zu ihrer Umsetzung die Beschäftigung best. Merkmalsträger erfordern, könnte die unternehmerische Freiheit im Gleichlauf mit dem Diskriminierungsschutzgedanken der Schaffung von Märkten dienen, die die soziale Eingliederung fördern (zu diesem Schutzziel vgl. Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 (1320)). 105 BAG v. 10. 11. 1994 EzA Nr. 77 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Buchner, NZA 1991, S. 577 (579); Hunold, NZA 2000, S. 802 (802); Kaehler, NZA 2006, S. 519 (529); Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (21). 106 Zust. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 47. 107 Vgl. Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, S. 20 ff. In diese Richtung a. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 126 ff.; ders., in: FS Weber (1974), S. 793 (800 ff.). Für eine solche Auslegung des § 611 a I 3 BGB a. F. Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (21, 27 ff.) – zumindest bei „sozialer Machtstellung“ des Arbeitgebers. Vgl. a. Papier, DVBl 1984, S. 801 (813); Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (414 f.). Auch der von der Arbeitsgesetzbuchkommission erarbeitete und 1977 veröffentlichte Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes wollte bestimmen, dass der Arbeitgeber ein Bewerber nur aus sachbezogenen, den zu besetzenden Arbeitsplatz betreffenden Gründen abweisen darf (vgl. dort Art. 3 IV). Hiergegen zu Recht u. a. Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 72, 84 ff., 103 ff., § 40, Rn. 148 ff.; Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (20 f.); Thüsing, RdA 2001, S. 319 (324); s. a. Hanau, in: Gs. Kahn-Freund (1980), S. 457 (466 f.). Zum Meinungsstreit a. die Anm. v. Schwarze zu HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 (9 f.). 108 Vgl. nur BVerfG v. 08. 03. 2005 BVerfGE 112, S. 255 (262); v. 26. 10. 2004 BVerfGE 111, S. 366 (373); v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 252 (266).
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gerade dort zu erweisen, wo ein Arbeitgeber eine Marketingstrategie verfolgt, die die Ausrichtung an einem „diskriminierungsbelasteten“ Marktbereich bedeutet, denn ein solches Vorgehen kann oftmals denknotwendig nur mit der Auswahl von Bewerbern anhand eines geschützten Merkmals erfolgen.109 Das verfassungsrechtlich geschützte Auftreten nach außen erfolgt insbesondere bei Dienstleistungen durch die Arbeitnehmer, genauer durch die individuellen Auftritte der Arbeitnehmer, die mit dem Kunden in Kontakt treten.110 Die vom Unternehmer gewählte Außendarstellung, mithilfe derer er seine Produkte bzw. Dienstleistungen absetzen will, soll durch die Auswahl der Arbeitnehmer im Innenbereich konsequent umgesetzt werden können; damit soll der Unternehmer vor den Kunden so auftreten können, dass er sich nicht durch die mittels der Diskriminierungsverbote eingeschränkte Personalauswahl in (formalen oder inhaltlichen) äußeren Widerspruch zu seiner öffentlichen Präsentationsform begibt. Gerade wenn der Arbeitnehmer als wichtigstes Aushängeschild des Unternehmens und zentraler Ansatzpunkt zur Umsetzung einer Verkaufsstrategie unmittelbar in Kontakt mit den Kunden tritt (insbesondere also bei Verkaufspersonal), werden zugunsten von unternehmerischer Freiheit Differenzierungsmöglichkeiten vermehrt anerkannt.111 Ginge man hier von einer Vorrangstellung des Diskriminierungsschutzes aus, dann nähme man dem Unternehmen mitunter die Möglichkeit, den Markt hinsichtlich der (zumindest vermeintlich) erkannten Nachfragenische zu besetzen.112 Sein unternehmerisches Handeln wäre ihm dann in Gänze verwehrt. An dieser Stelle wird deutlich, weshalb durch ein Diskriminierungsverbot durchaus ein Eingriff in die Berufswahlfreiheit des Unternehmers stattfinden kann. Da sich ein Diskriminierungsverbot dann als Berufswahlverbot auswirkt, wenn dem Unternehmer seine Art der Marktausschöpfung insgesamt untersagt wird, ist ein Eingriff in die Berufsfreiheit bei „diskriminierenden“ Geschäftsausrichtungen am stärksten. Hier stellt sich die Frage, in welcher Form die Eingriffswirkung die Schutzbedürftigkeit des Un109 Vgl. Blomeyer, in: MünchHdbAR, § 97, Rn. 28; Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379); ähnlich Oberwetter, AGG, § 8, S. 23. Abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4. An diesen Stellen müsse der Diskriminierungsschutz weichen – ArbG Bonn v. 08. 03. 2001 NZARR 2002, S. 100 (101) (krit. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 67; Rolfs, Arbeitsrecht, § 611a BGB, Rn. 17); ähnlich Thüsing, JZ 2006, S. 223 (227); Waltermann, NZA 2005, S. 1265 (1267). A. A. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 17, 25; Müller-Glöge, in: MüKoBGB, § 611a Rn. 41, 44 unter Hinw. auf BAG v. 14. 03. 1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB (m. Anm. Scholz); differenzierend Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a, Rn. 53; Annuß, BB 2006, S. 1629 (1633)). 110 Der Unternehmer kann z. B. den Kunden durch die Präsentation von Ware eine bes. Einkaufsatmosphäre und ein Einkaufserlebnis vermitteln, das auch eine gewisse „Inszenierung“ des Verkaufsvorgangs voraussetzt (Junker, Arbeitsrecht (2006), § 1, Rn. 65). 111 Bspw. beim Verkauf von Damenoberbekleidung (vgl. LAG Köln v. 19. 07. 1996 NZARR 1997, S. 84; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 137; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492)). Zweifelnd Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 661. Zu den Grenzen vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320) unter Hinw. auf eine Entscheidung des ArbG Hamburg v. 07. 03. 1985 DB 1985, S. 1402 (1402). 112 Vgl. insoweit die allg. Kritik von Picker, ZfA 2005, S. 353 (358) – man zwängte ihn in ein normatives Korsett, das die autonome und im Wortsinne „unternehmerische“ Entscheidung am Markt bis zur Lähmung beengte.
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ternehmers beschreibt und wie diese im Bereich merkmalsnaher Unterscheidungen Berücksichtigung finden kann. 4. Berücksichtigung der unternehmerischen Freiheit im Rahmen der Ausnahmetatbestände (Abwägungsmodell) Für die Freiheit des Unternehmers streiten die zu den Diskriminierungsverboten gehörenden Ausnahmetatbestände, deren Reichweite indes alles andere als gesichert erscheint. Die Ausleuchtung des Schutzes unternehmerischer Handlungsfreiheit im Bereich einzelner arbeitsrechtlicher Unterscheidungsverbote zeigt ein differenziertes Bild, wobei feststeht, dass die Verbote verschieden streng sind („Ungleichbehandlung der Gleichbehandlung“) und daher jeweils unterschiedlich stark in die Vertrags- und Entscheidungsfreiheit des Unternehmers eingreifen.113 Im Bereich der Ausnahmemöglichkeiten soll es sich insgesamt erweisen, inwieweit dem Schutz der unternehmerischen Freiheit Rechnung getragen werden kann.114 In diesem Zusammenhang bildet der „bloß sachliche Grund“ sicherlich die Grenze, auf die eine Diskriminierungsschutzregel mithilfe einer Ausnahmebestimmung überhaupt reduziert werden kann.115 Die Normierung von Differenzierungsmöglichkeiten zeigt, dass schon der Gesetzgeber gewillt ist, Diskriminierungsverbote nicht allen anderen Rechtsgütern ausnahmslos voranzustellen. Vielmehr sollen Diskriminierungsschutz und der Schutz der hierdurch potenziell eingeschränkten Rechtsgüter an dieser Stelle ineinandergreifen.116 Es ist darauf zu achten, dass in allen Geschäftsbereichen der Schutz des freien Marktauftritts gewährt werden muss, auch wenn hierdurch in manchen Bereichen eher Kollisionen zwischen unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz als in anderen entstehen. Insoweit könnte eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Normzweck des Art. 157 AEUV, nämlich eine gleichmäßige Belas-
113 Umfasst wird die Spannbreite von einem gewissen Ermessensspielraum in § 4 TzBfG an bis in die Nähe der absoluten Gleichbehandlung beim Verbot der Geschlechtsdiskriminierung. Unterschiedliche Anforderungen an Rechtfertigungsgründe sah noch § 5 I Nr. 1, 2 ADG-E für die jew. Benachteiligungsverbote vor (vgl. hierzu den Standpunkt v. Eichenhofer (dargestellt in: NZA 2003, S. 480)). I. d. S. a. der erste ADG-Entwurf (§ 319d BGB). Zu den unterschiedlichen Maßstäben s. a. Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (279). Insoweit stimmt das Kafka-Zitat: „Alle Menschen sind gleich – nur manche sind gleicher“ (zit. v. Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (162)). Im U.S.-amerik. Recht wird zw. verschiedenen Standards der Überprüfung (mere rationality – middle level review – strict scrutiny) unterschieden; vgl. Gunther/Sullivan, Constitutional Law, 2004, S. 662 ff. 114 In diese Richtung Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 31; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 16; Wiedemann/Thüsing, NZA, S. 1234 (1235). 115 So bzgl. § 319d BGB (Reg-E): Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (467 f.). 116 Beachtenswert ist, dass europ. Unternehmer durch das Gleichbehandlungsgebot zunehmend in die Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Missstände genommen werden; daher komme dem „Einfallstor“ unternehmerischer Gestaltungsfreiheit – der Rechtfertigungsmöglichkeit – eine hohe Bedeutung zu (insoweit krit. Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1148)).
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tung der Arbeitgeber, den Blick dafür schärfen, welche Auswirkungen von Diskriminierungsverboten auf private Arbeitgeber ausgehen.117 Fraglich ist jedoch, ob die Ausnahmebestimmungen ausreichen, um den erforderlichen Schutz unternehmerischer Freiheit garantieren zu können. Die einzelnen Ausnahmevorschriften sind von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt und daher sowohl auslegungsfähig als auch -bedürftig. Damit stellt sich im Hinblick auf die als Problemfälle bezeichneten Konstellationen die Frage, ob auch nach Anwendung des gesetzlichen „Rahmen“-Rechts im Bereich der Ausnahmevorschriften und nach Beachtung der hierzu aufgestellten Maßstäbe der Rechtspraxis eine Abwägungsoffenheit verbleibt, die unter Heranziehung der Grundsätze des notwendigen Schutzes unternehmerischer Freiheit möglicherweise geschlossen werden kann. a) Ausreichender Schutz unternehmerischer Freiheit bei Differenzierungsmöglichkeit aus sachlichen Gründen Die Möglichkeit zur Ausrichtung am Markt, um auf Nachfragewünsche reagieren zu können, ist als legitimes unternehmerisches Interesse zu qualifizieren. Sofern demzufolge auf diejenigen Verbote abgehoben wird, die eine Ausnahmemöglichkeit aus jedem sachlichen unternehmerischen Interesse zulassen, also im Bereich von § 4 TzBfG, § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG und dem Verbot mittelbarer Diskriminierung,118 ist ein solcher Lösungsansatz möglich. Unternehmerische Freiheit lässt sich mittels Subsumtion unter den Begriff „sachlicher Grund“ in ausreichendem Maße berücksichtigen. b) Unzureichender Schutz unternehmerischer Freiheit über die Ausnahmemöglichkeiten für wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen Im Rahmen der Ausnahmetatbestände der §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 10 AGG bzw. § 611a Abs. 2 BGB a. F. wurde bislang nur selten versucht, ein differenziertes Bild davon zu entwerfen, inwiefern hier ein Ausgleich von Diskriminierungs- und unternehmerischem Schutz stattfinden soll.119 Problematisch erscheint ein genereller Lö117 Insofern kommt indes keine unterschiedliche Belastung der Arbeitgeber in den unterschiedlichen EU-Ländern in Betracht – wohl aber eine unterschiedliche Belastungsintensität auf verschiedene inländische Arbeitgeber, die i. d. R. zufällig mit Fällen mittelbarer Diskriminierung konfrontiert werden. Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung muss zunehmend eine Ungleichbehandlung mit außerhalb des EU-Bereichs tätigen Arbeitgebern in den Blick genommen werden. 118 s. o. unter § 5 A. II. 3., § 5 C. I. 2. b) aa) (1); § 5 C. VIII. 2.; § 5 C. IX. 2. 119 Adomeit (in: HFR 2008, S. 92 (98)) betrachtet insb. § 8 I AGG als Ausfluss unternehmerischer Freiheit entspr. Art. 16 GRCh. Insb. Thüsing (in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 26 ff.; ders., RdA 2001, S. 319 (319 ff.)) hat versucht, abstrakte Kategorien zu entwerfen, nach denen ein konkreter Fall eingeordnet und beurteilt werden kann. Dies soll sicherstellen, dass dem Diskriminierungsschutz entgegenstehende Prinzipien Berücksichtigung finden. Aber selbst im Bereich so ausdifferenzierter Systeme, die die Anwendbarkeit der Ausnahmetatbe-
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sungsansatz im Bereich der Ausnahmevorschriften aufgrund ihres strengen Wortlauts. Das europäische und das deutsche Anti-Diskriminierungsrecht gehen davon aus, dass die differenzierende Behandlung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung auf eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ zurückzuführen sein muss (Art. 4 RL 2000/43/EG, Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG, § 8 Abs. 1 AGG).120 Damit wird die Voraussetzung der „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung“ zum Zentralbegriff, über den nach vorherrschender Ansicht der notwendige Schutz unternehmerischer Freiheit mittels wertender Entscheidung im Anschluss an eine Interessenabwägung zwischen dem Gleichbehandlungsinteresse der geschützten Personen und dem Differenzierungsinteresse des Arbeitgebers grundsätzlich stattzufinden habe.121 Dies führt dazu, dass die vom Arbeitgeber vorgebrachte Ausnahmebegründung im unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Arbeitnehmer konkret ausgeübten (bzw. in Aussicht genommenen) Tätigkeit stehen muss.122 Eine Ungleichbehandlung kann also nicht durch Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit zulässig werden.123 Adomeit/Mohr gestatten dem Arbeitgeber, den (antizipierten) Kundenwünschen mittels seiner Personalpolitik Rechnung zu tragen, wenn die Kunden mit ihren Auswahlentscheidungen nicht gegen die §§ 19 ff. AGG verstießen124 – daher genüge es, wenn die Kunden für ihr Verhalten einen sachlichen Grund hätten (§ 20 Abs. 1 S. 1 AGG). In diesem Fall erwachse daraus für die Innenbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG.125 Nach diesem Modell fiele es nicht schwer, den notwendigen Schutz unternehmerischer Freiheit im Rahmen der Ausnahmetatbestände zu installieren. Die Anforderung ist jedoch generell nur dann „entscheidend“ für eine bestimmte berufliche Tätigkeit, wenn die Tätigkeit ohne sie nicht oder nicht ordnungsgemäß stände nach verschiedenen, dem Diskriminierungsschutz entgegenstehenden, Interessen in Fallgruppen unterteilen, findet der Schutz unternehmerischer Freiheit, wie hier im Kern verstanden als die Möglichkeit zur autonomen Bestimmung über das Angebot am Markt, nur ansatzweise Eingang. Letztlich laufen die Meinungen zu diesem Punkt darauf hinaus, dass ein Geschäftskonzept als Rechtfertigungsgrund entweder generell oder überhaupt nicht anerkannt wird. 120 Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (467). Zum Maßstab der RL 2006/54/EG s. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 13. Im Bereich der allg. Gleichbehandlung: Hueck/Nipperdey, § 48a, S. 424. Grdl. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 5, III 4, 4 c, § 84 IV 4. 121 Vgl. Annuß/Rupp, in: HWK, § 8 AGG, Rn. 2; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 20; Belling, in: Erman, AGG, § 8, Rn. 2; Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 3; Fuchs, in: Bamberger/Roth, AGG, § 8, Rn. 2; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 8; Kaehler, NZA 2006, S. 519 (535); s. a. Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (26). 122 s. a. stellv. Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327); Preis/Greiner, RdA 2003, S. 244 (245). Auch das US-Recht fordert einen notwendigen Zusammenhang mit dem zu besetzenden Arbeitsplatz (business justification) (s. Wiedemann, in: FS Friauf (1996), S. 135 (136 f.)). 123 BT-Dr. 16/1780, S. 36; Belling, in: Erman, AGG, § 8, Rn. 2. 124 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 32. Ähnlich Annuß/Rupp, in: HWK, § 8 AGG, Rn. 2. 125 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 32.
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durchgeführt werden könnte.126 Speziell diese Einschränkung führt dazu, dass lediglich solche arbeitgeberseitigen Maßnahmen aus dem Verbotsbereich ausgenommen werden können, bei denen ohne eine Unterscheidung Arbeitnehmer mit Arbeitsaufgaben betraut werden müssten, die für ihre Erfüllung (wenigstens nahezu) ungeeignet wären.127 So dient es regelmäßig einem rechtmäßigen Zweck, Personen merkmalsbedingt nicht zu beschäftigen, wenn das Merkmal zu einem Unvermögen führt, die vertragsgemäßen Leistungen in einer für den Arbeitgeber sinnvollen Art und Weise zu erbringen.128 Hier nähert man sich auch nach Teilen der Literatur Kategorien, in denen Arbeitnehmern ansonsten die physisch-reale Möglichkeit zur Arbeitsleistung fehlen würde.129 Die Möglichkeit fehlt auch im Fall des Nichtvorliegens einer gültigen Ar126 Vgl. zu diesem Maßstab insb. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 10 f. unter Hinw. auf BAG v. 27. 04. 2000 – Az.: 8 AZR 295/99, Kurzwidergabe in AuA 2000, S. 281 (281); Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 10; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 6; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 12; Thüsing/Wege, FA 2003, S. 296 (298, 300); dies., NZA 2006, S. 136 (138); insb. wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz speziell nach den Anforderungen an eine Unterscheidung getroffen habe (Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 10); s. a. Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (26) – eher subjektive Auslegung. 127 Voggenreiter, in: Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 29. Zum insg. schwer zu verortenden Diskriminierungsmaßstab vgl. Annuß, BB 2006, S. 1629 (1630); Bauer, NJW-Editorial, Heft 20/2005, S. III; Bauer/Evers, NZA 2006, S. 893 (893); Thüsing, in: FS Leinemann (2006), S. 817 (820). Allg. die Kritik von Bauer, NZA 2005, S. 32 (32 f.) zur Schaffung eines „lernenden Gesetzes“. Gegen einen bloßen Willkürmaßstab: Temming NZA 2007, S. 1193 (1194) unter Kritik an EuGH v. 16. 10. 2007, NZA 2007, S. 1219 (1222) (Palacios). Weiter erscheint insoweit jedenfalls vom Wortlaut her der U.S.-amerik. Maßstab für mögliche Ausnahmen, wonach keine unzulässige Differenzierung – etwa nach dem Geschlecht – vorliegt, wenn das geschützte Merkmal vernünftigerweise für den normalen Betrieb eines Geschäfts oder eines Unternehmens notwendig ist – „Bona fide occupational qualification reasonably necessary to the normal operation of that particular business or enterprise“; s. Title VII of the Civil Rights act of 1964, 42 U.S.C.A. § 2000e-2 E (2); tats. muss der Arbeitgeber aber auch hier i. R. einer BFOQ nachweisen, dass alle oder fast alle (all or substancially all) Personen einer geschützten Gruppe nicht in der Lage sind, eine bestimmte Arbeitsleistung, die für den Bestand des Betriebs unerlässlich (essential) ist, zuverlässig und erfolgreich auszuführen, wozu keine stereotype Hypothesen eingebracht werden dürfen – vgl. Western Air Lines, Inc. vs. Criswell, 472 U.S. 400, 105 S.Ct. 2743, 86 L. Ed. 2d 321 (1985); Monen, Das Verbot der Diskriminierung, 2008, S. 270. 128 Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 8. Das AGG will nämlich niemanden (a. nicht mittelbar) zur Einstellung ungeeigneter Arbeitnehmer verpflichten (Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (10)). Auch vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips und der Menschenwürdegarantie muss die unternehmerische Freiheit insoweit gewahrt werden, da sie essentiell der Schaffung von Arbeitsplätzen und damit der Existenzsicherung dient; ähnlich Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, S. 32 (36)). 129 s. o. unter § 5 C. I. 2. b) aa) (2). Die berufliche Anforderung müsse für die betreffende Tätigkeit „unbedingt notwendig“ bzw. „unerlässlich“ sein (vgl. KOM 1999, 566 endg., S. 9; Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 6; Korthaus, Das neue Anti-Diskriminierungsrecht, 2006, S. 104. A. A. Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 46). Entscheidend sei mithin, wie weit die Kategorie der tats. Unmöglichkeit gefasst werde (für ein eher weites Verständnis bspw. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26; in diese Richtung a. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 8, Rn. 12).
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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beitserlaubnis (§ 284 Abs. 1 SGB III, § 4 Abs. 3 AufenthG).130 Auch darf die (Nicht-) Behinderung dann als Unterscheidungskriterium für Tätigkeiten, die eine besondere körperliche Konstitution oder Sorgfalt erfordern, herangezogen werden, wenn die besondere Anforderung mit der konkreten Art der Behinderung nicht in Einklang zu bringen ist.131 Möglich erscheint danach etwa der Ausschluss von Querschnittsgelähmten für eine Tanzdarbietung132 oder auch die Ablehnung eines Gehbehinderten als individuellen Personenschützer.133 Auch bestimmte (merkmalsnahe) Qualifikationen, insbesondere Sprachkenntnisse, entscheiden (in der Diktion des § 8 Abs. 1 AGG) über die generelle Eignung des Arbeitnehmers für die zu übertragende Arbeitsaufgabe, sofern sie für die konkrete Berufsausübung essentiell sind.134 Abgestellt werden kann insoweit ausnahmsweise sogar auf die Eigenschaft „Muttersprachler“, sofern die konkrete Tätigkeit dies erfordert, etwa die Beachtung komplizierter, nicht erlernbarer asiatischer Verhaltensregeln bei Geschäftsabschlüssen oder die Beherrschung von Idiomen, die typischerweise nur ein Muttersprachler leisten kann.135 Schon nach dem Wortlaut der Ausnahmevorschriften („entscheidend“) lässt sich eine Unzumutbarkeitsgrenze des Diskriminierungsschutzes allenfalls dort finden, wo es dem Arbeitgeber (nahezu) unmöglich wird, die Arbeitsleistung des Arbeitneh130 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 45; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 36; Müller, DÖD 2007, S. 73 (75). 131 Vgl. hierzu etwa Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 33. 132 Wank, in: FS Richardi (2007), S. 441 (458). 133 Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 4. Dagegen grds. nicht die Ablehnung Behinderter wg. ästhetischer Kriterien (Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 30 – selbst bei erheblichen Entstellungen; Ausn.: die Marketingstrategie würde a. zum Ausschluss Nichtbehinderter führen oder gehandelte Ware stünde im Zshg. mit dem äußeren Erscheinungsbild (z. B. Kosmetikartikel) und das Aussehen (etwa wg. einer Hauterkrankung) schiene der behaupteten Wirksamkeit zu widersprechen); s. a. Gourmelon, DÖD 2007, S. 241 (243). 134 s. Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 39 EGV, Rn. 59; Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 99 f.; Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (461). Vgl. a. Art. 3 I Unterabs. 2 EWG-VO Nr. 1612/68. Vgl. zudem Busch, AiB 2006, S. 400 (402); Grobys, NJW-Spezial 2006, S. 417 (417). s. a. bereits o. unter § 5 C. IV. Zur Zulässigkeit einer Kündigung wg. mangelhafter deutscher Sprachkenntnisse: HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 ff. (m. Anm. Schwarze); s. hierzu Flohr/Ring, AGG, § 3, Rn. 109, die es grds. ablehnen und Adomeit, NJW 2003, S. 1162 (1162), der hierin ein notwendiges Mittel der Kommunikation im Arbeitsprozess sieht, das insb. Unfälle zu vermeiden hilft. Ebenso ArbG Berlin v. 13. 12. 2007 LAGE § 15 AGG Nr. 1 – keine Benachteiligung wegen seiner „ethnischen Herkunft“ bei Beendigung der Beschäftigung in einem Landschaftsbaubetrieb wg. „mangelhaften Kenntnissen der deutschen Sprache“; Arbeitgeber hätten generell das Recht, ihre Auswahl für die Besetzung eines Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung der „Kenntnisse des Deutschen in Wort und Schrift“ zu treffen; s. hierzu aber a. LAG Berlin-Brandenburg v. 16. 10. 2007 AE 2008, 14 (14 f.). 135 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 43; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 37. Für eine generelle Zulässigkeit Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25; Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 13; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 22 – i. d. R. erreichten Nicht-Muttersprachler auch nach jahrelangem Aufenthalt im Ausland kein vollständig gleichwertiges Sprachniveau. A. A. Gourmelon, DÖD 2007, S. 241 (243); Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (9).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
mers zu verwerten. Dies entspricht einem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, der insbesondere in § 275 BGB seinen Ausdruck gefunden hat, wonach eine Obligation erlischt, wenn sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist,136 denn die Vereinbarung einer Gegenleistung gehört zu einem der beiden unabdingbaren Bestandteile eines Austauschvertrages.137 Entsprechend begründet auch ein Arbeitsvertrag im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB gegenseitige Leistungspflichten, die der Entstehung nach durcheinander bedingt sind.138 Insoweit hat das Leistungsvollzugsinteresse des Arbeitgebers auch bei der Beurteilung einer Differenzierung besondere Beachtung zu erfahren.139 Eine effektive Ausübung der Tätigkeit muss in jedem Fall gewährleistet sein.140 Alles andere liefe auf eine mit der geltenden Rechtsordnung unvereinbare Negierung des Interesses des Arbeitgebers an der Primärleistung (Erfüllungsinteresse) hinaus.141 In allen genannten Fällen bestehen eine Diskrepanz zwischen Personalkostenaufwand und Wertschöpfung und ein Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma.142 Sofern ein Unternehmer aus der Anstellung oder Beschäftigung eines Arbeitnehmers keinen effektiven Nutzen ziehen und sein Gewinnziel verfolgen kann, ist ihm insoweit auch nicht die Tragung des Wirtschaftsrisikos zuzumuten. Ihm würden Soziallasten aufgebürdet, die zwar einem anerkennenswerten Ziel entspringen, die jedoch – auch in Anerkennung der weitgehenden legislativen Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Lastenverteilung – gesamtgesellschaftlich und nicht mittels eines sachlich nicht begründbaren Sonderopfers der Arbeitgeber getra-
136
Schaub, NZA 2003, S. 299 (301). Vgl. auch Preis, AR Bd. I, § 15 III 3. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 69. Zur synallagmatischen Verknüpfung: Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, § 13, Rn. 3 ff. 138 Buchner, NZA 2004, S. 1121 (1126). I. d. S. – bezogen auf die Grenzen von Diskriminierungsschutz – a. Bauer, NZA 2005, S. 1046 (1048)). Generell ergibt sich hieraus, dass nach der Leistung des Arbeitnehmers unterschieden werden darf (zur Geltung des Leistungsprinzips als Unterscheidungsmerkmal vgl. Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 47). Zum U.S.amerik. Recht vgl. Hodgson vs. Robert Hall Clothes Inc., 473 F. 2d 589 (3d Cir. 1972). 139 Vgl. BVerfG v. 21. 06. 2006 NZA 2006, S. 913 (913); v. 09. 11. 1999 NZA 2000, S. 139 (139 ff.), vgl. a. BVerfG; v. 11. 02. 1992 (BVerfGE 85, S. 226 (226 ff.). Ebenso Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 29; Moritz, NZA 1987, S. 329 (330 f.). 140 Vgl. auch Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14. Insoweit rechtfertigt auch die fremdbestimmte Organisation der Arbeitsleistung oder die tats. Ungleichgewichtigkeit der Arbeitsvertragsparteien materiell keine Abweichung von den Risikogrundsätzen, die sonst in einem schuldrechtlichen Austauschverhältnis gelten, hierzu allg.: Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. A Rn. 4. Der Arbeitgeber unterliegt ansonsten einer marktgesetzwidrigen Verpflichtung, Arbeitnehmer zu präferieren, die für ihn der Statistik nach ökonomisch weniger attraktiv sind als ohne Einschränkung einsetzbare Bewerber. 141 So wie hier Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 58; Raab, RdA 1995, S. 36 (43). 142 Ähnlich Linck, in: Schaub (2005), ArbR-Hdb., § 129, Rn. 1. s. a. die Begründung des BAG im Urteil v. 21. 06. 2005 NZA 2006, S. 316 (320). s. a. Wank, in: MünchHdbAR, § 122, Rn. 8. Zu kurzgreifend daher Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), Einl., Rn. 57 ff. (unter dem Stichwort „effiziente Märkte“). Zum Risiko des Eintretens oder Zutagetretens einer Inäquivalenz vgl. Roth, in: MüKo-BGB, § 313, Rn. 62 f., 71 f. 137
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gen werden müssen.143 Denn diese verfolgen in den genannten Fällen mit ihrem Interesse am Leistungsvollzug einen berechtigten geschäftlichen Belang. Die Differenzierung bezieht hier ihre Begründung ausschließlich aus dem verletzten Leistungsvollzugsinteresse und hat nichts mit dem im Streit stehenden Merkmal zu tun.144 In diesen Fällen reicht das legitime Ziel des Diskriminierungsschutzes mithin nicht aus, um die weitreichende Beschränkung unternehmerischer Freiheit zu rechtfertigen. Sofern der Unternehmer chinesisches Essen durch chinesische Kellner servieren, Hip-Hop-Musiksendungen von jungen Ansagern moderieren oder Rollstühle von Rollstuhlfahrern verkaufen lassen möchte, um Kundenwünschen möglichst genau entsprechen zu können, ist diese Grenze nicht erreicht. Mag auch die unterschiedliche Behandlung bzw. Bevorzugung bestimmter Arbeitnehmer, die zur Benachteiligung anderer Merkmalsträger führt, für den Unternehmer aus dessen subjektiver Sicht wesentlich und entscheidend sein, so ist sie es jedoch nicht aus der objektiven Sicht der Diskriminierungsverbote. Denn in allen fraglichen Fällen ist es regelmäßig nicht abwegig, dass die Arbeitsaufgabe auch ohne Unterscheidung sachgemäß ausgeführt werden könnte.145 Beispielsweise ist es auch einem deutschen Gamsbartträger möglich, chinesisches Essen zu servieren oder einem 70-jährigen Pensionär, TechnoMusik anzusagen.146 In jedem Fall wäre der Differenzierungsgrund aus objektiver Sicht für die Erfüllung der Arbeitsleistung nicht wesentlich und entscheidend. Lässt man jedoch nur dort Ausnahmen zu, wo ein Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts zwingend erforderlich ist, d. h. ein Arbeitnehmer des anderen Geschlechts nicht die Möglichkeit besäße, die konkrete Tätigkeit überhaupt auszuüben, so wäre der hierbei entstehende Raum derart eingegrenzt, dass die unternehmerische Freiheit unzumutbar beschränkt werden würde. Denn dass sich etwa auch ein männlicher Schauspieler rein physisch in der Lage sieht, die Rolle der Scarlet OÏHara aus143
Vgl. Peters-Lange/Rolfs, NZA 2000, S. 682 (683); Picker, ZfA 2005, S. 167 (179, 182); Reuter, in: FS Wiedemann (2002), S. 449 (472 f.). In diese Richtung a. die Kritik v. Buchner, NZA 2004, S. 1121 (1124, 1126). Vgl. a. den Maßstab des BVerfG in den Urteilen v. 10. 11. 1998 BVerfGE 99, S. 202 (212 f.) und v. 23. 01. 1990 BVerfGE 81, S. 156 (200 f.). Gerade das BVerfG verlangt eine „besondere Verantwortungsbeziehung“ zu der auferlegten Aufgabe, einen präzisen sachlichen Grund für die Sonderbelastung (BVerfG v. 26. 05. 1981 BVerfGE 57, S. 139 (166 ff.); ebenso Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 61). A. A. EuGH v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (409) (Nikoloudi); v. 03. 02. 2000 NZA 2000, S. 255 (257) (Mahlburg); vgl. a. die Argumentation des Europ. Kommission in EuGH v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1242) (Tele Danmark). Nach Joussen (in: NZA 2002, S. 702 (706)) handelt es sich hierbei um eine politische Frage. 144 So a. die Begründung von Tele Danmark in EuGH v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1242) (Tele Danmark); s. a. BAG v. 21. 03. 2002 NZA 2003, S. 112 (114); Schaub, in: ArbRHdb., § 178, Rn. 59; krit. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 27. 145 Eine Differenzierungsmöglichkeit würde daher nach dem U.S.-amerik. „essence-of-thebusiness-test“ ausscheiden. I. d. S. zur Frage des Kopftuchverbots Thüsing/Wege, ZEuP 2004, S. 399 (417). s.a. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 18. 146 U. U. könnte eine nach den ersten Fällen ausgeschlossene Person die Aufgabe im Ergebnis sogar besser bewerkstelligen, als die vom Unternehmer bevorzugte.
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zufüllen, kann nach diesem engen Verständnis kaum widerlegt werden. Auch für das Vorführen eines Bikinis wären zumindest Männer mit androgyner Statur körperlich nicht von vornherein ausgeschlossen. Indes würde der Arbeitgeber so dazu gezwungen, die ausgemachte Marktlücke mittels eines – unter dem Maßstab einer allgemeinen Verkehrsanschauung – unpassenden Werbeauftritts zu besetzen; ein ernsthaftes Unternehmerhandeln wäre ihm sonach faktisch unmöglich gemacht. Auch schützenswerte Interessen Dritter – etwa die Intimsphäre weiblicher Kunden – werden nach diesem engen Verständnis vollständig ausgeblendet. Aus diesem Grund war allgemein anerkannt, dass die Ausnahmeklausel im Wege einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots weiter zu interpretieren sei.147 Da es jedoch gilt, eine Aushöhlung der Diskriminierungsverbote infolge einer extensiven Auslegung der Ausnahmetatbestände zu vermeiden, verbietet sich eine subjektivierende Auslegung der Begriffe „wesentlich und entscheidend“ aus dem Blickwinkel der Arbeitgeberinteressen. In diesem Zusammenhang ist ausschließlich auf die objektive Eignung des Bewerbers bzw. Arbeitnehmers für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgabe abzustellen.148 Sofern aber eine Unterscheidung ausgeschlossen werden kann, ohne dass dadurch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine schlechtere Arbeitsleistung zu erwarten steht, ist der Differenzierungsgrund gerade keine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ für die in Aussicht genommene Tätigkeit; eine anderweitige Auslegung erfolgte contra legem.149 Diese Auffassung entspricht auch dem weitgehend anerkannten Ziel, das interpretatorisch enge Verständnis von § 611a Abs. 1 S. 2 BGB a. F. auch für die Auslegung des § 8 Abs. 1 AGG beizubehalten.150 Speziell der Begriff „entscheidend“ legt es nahe, dass die Eignung des Arbeitnehmers für die Aufgabe mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade von dem herangezogenen Differenzierungsgrund abhängen soll.151 147 Vgl. nur Annuß, BB 2006, S. 1629 (1632). Schon der vom EuGH (EuGH v. 21. 05. 1985 NJW 1985, S. 2076) und Art. 2 II Gleichbehandlungsrichtlinie geforderte Katalog der Bundesregierung gingen über den Wortlaut der Ausnahmevorschrift hinaus. Die Bundesregierung hat als Entscheidungshilfe für die Gerichte in einer Stellungnahme rechtliche und tats. Gründe an die Europ. Kommission gegeben, die sie (rechtlich unverbindlich) hierunter subsumieren will (BArbBl. 11/1987, S. 40 ff.). (Vgl. hierzu insb. Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 348 f.). 148 Vgl. hierzu Wank, in: FS Richardi (2007), S. 441 (444 f.); s. a. BAG v. 18. 03. 2010 – NZA 2010, 1129 ff.; LAG Hamburg v. 29. 10. 2008 – Az. H 3 Sa 15/08 – zit. nach juris; ausf. zu Möglichkeiten einer objektiven Bestenauslese: Gourmelon, DÖD 2007, S. 241 (242 ff.). 149 Teilw. a. A. offenbar Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (386). I. d. R. wird der Schutz der unternehmerischen Freiheit, insb. die Berücksichtigung von Nachfragewünschen, ausschließlich i. R. des § 8 AGG diskutiert, vgl. statt vieler nur Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 8 ff. Grdl. zur Auslegung von Ausnahmevorschriften: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 353 ff. 150 Vgl. hierzu o. unter § 5 C. I. 2. b) aa). 151 Nach der US-amerik. Rechtsprechung und Gesetzgebung liegt keine unzulässige Differenzierung vor, wenn das geschützte Merkmal vernünftigerweise für den normalen Betrieb eines Geschäfts oder eines Unternehmens notwendig ist, vgl. Title VII of the Civil Rights act of 1964, 42 U.S.C.A. § 2000e-2 E (2); Stern, Staatsrecht III/1, § 62 I 5a; erörtert wird u. a. das
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Allein die Formulierung des § 8 Abs. 1 AGG ermöglicht – ähnlich der sprachlich engen Ausnahmeumschreibung der „unverzichtbaren Voraussetzung“ des § 611a BGB a. F., die bereits die Frage nahelegte, ob im Bereich dieser Bestimmung unternehmerischen Interessen überhaupt hinreichend Rechnung getragen werden konnte152 – keine ausreichende Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit.153 Gegen einen ausreichenden Schutz unternehmerischer Freiheit im Rahmen der Ausnahmetatbestände spricht auch die Vorgehensweise zahlreicher Stimmen im Schrifttum, die die unternehmerische Freiheit erst unter dem Prüfungspunkt der Angemessenheitskontrolle im Rahmen des § 8 Abs. 1 AGG berücksichtigen wollen, nachdem sie die vom Unternehmer antizipierten Kundenwünsche bereits eingangs der Subsumtion im Rahmen der Prüfungspunkte „berufliche Anforderung“ bzw. „rechtmäßiger Zweck“ als mögliche Unterscheidungsgründe eliminiert haben.154 Da, wie gezeigt, die Ausrichtung des Unternehmens an Nachfragewünschen zum Kernbereich unternehmerischen Wirkens zählt, verbietet sich eine separate Berücksichtigung von Kundenwünschen und unternehmerischer Freiheit. Hieraus ergäbe sich zu sehr die Gefahr, dass die Wertigkeit der Nachfrageorientierung als essentielle Voraussetzung unternehmerischen Handelns verkannt wird. Sonach lässt sich die nach Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Berücksichtigung des zentralen Gegenstandes unternehmerischer Freiheit nicht durch eine weite Auslegung der den Diskriminierungsverboten zugeordneten Ausnahmetatbestände erreichen, sofern diese nicht nur einen sachlichen Rechtfertigungsgrund, sondern eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung verlangen.155 Die Ausnahmevorschriften regeln vielmehr – unabhängig von der Freiheit des Arbeitgebers zur marktmäßigen Betätigung – entsprechend ihrem engen Wortlaut solche Fälle, in denen dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Merkmalseigenschaft für die vorgegebene ArbeitsaufSpannungsverhältnis zw. der Verpflichtung des Arbeitgebers, darauf zu achten, dass unqualifizierte Arbeitnehmer nicht zur Gefahr für Außenstehende werden können (negligent hiring). 152 Denn der Richter ist verpflichtet, sich i. R. seiner Gesetzesauslegung und Anwendung im Bereich des Wortlauts der einschlägigen Normen aufzuhalten 153 Auch die Voraussetzung der BFOQ ist strenger als die Ausnahmeregelung des § 8 I AGG, da hiernach ein Arbeitgeber nur dann unterscheiden darf, wenn er beweist, dass er Grund zu der Annahme hatte, dass kein Beschäftigter in der durch die Anforderung ausgeschlossenen Gruppe zur Ableistung der Arbeitsplatzanforderungen in der Lage war (vgl. grdl. Dothard vs. Rawlinson, 433 U.S. 321 (1977); Schieck, AuR 2003, S. 44 (47 f.)). Testfrage ist: wäre die Stelle dauerhaft unbesetzt geblieben, wenn sich nur Arbeitnehmer ohne das geforderte Differenzierungsmerkmal beworben hätten? (s. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 14) Ausf. zum amerik. „essense of the business“-Test: Thüsing, RdA 2001, S. 319 (321 ff.). Nur dort, wo das Merkmal nicht bloß erwünschte Nebeneigenschaft ist, sondern der Arbeitnehmer gerade dafür bezahlt wird, es Bestandteil seiner entgoltenen Leistung ist, ist das Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung. Bei Differenzierungen aus Gründen des Alters können neben dem Fehlen einer „bona fides occupational qualification“ auch „reasonable factors other than age“ eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, was jedoch eng interpretiert wird (vgl. Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (409 f.)). 154 Siehe nur Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 18 und davor. 155 Anders Schöbener/Stork, ZEuS 2004, S. 43 (78 f.).
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gabe die objektive Eignung (weitestgehend) fehlt. Unter die Ausnahmetatbestände sind neben der o. g. Kategorie, in denen Arbeitnehmern ansonsten die physischreale Möglichkeit zur Arbeitsleistung fehlen würde, vornehmlich solche Fälle zu subsumieren, in denen bei strikter Durchsetzung von Diskriminierungsschutz Leib und Leben anderer gefährdet werden würde156 oder in denen die Differenzierung der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden, der persönlichen Sicherheit oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient.157 Die mit der jeweiligen Tätigkeit unmittelbar verbundenen Gefahren für besonders hochwertige Rechtsgüter ziehen aus objektiver Sicht wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen nach sich, auf die der Arbeitgeber eine unterscheidende Maßnahme stützen kann. Diesem Ergebnis steht nun der unabweisbare Wille des Arbeitgebers gegenüber, der sich auf einem differenzierenden und z. T. diskriminierenden Nachfragemarkt behaupten muss und der – naheliegend – davon ausgeht, dass Kundenwünsche existieren, die von einem merkmalsorientierten Angebot effektiver und damit erfolgreicher erfüllt werden können als durch ein unternehmerisches Handeln, das unterschiedslos funktioniert und das die Diversifikation der Nachfrageseite ignoriert.158 Dieser Spielraum kann aufgrund des engen Verständnisses insbesondere des § 8 Abs. 1 AGG nicht auf die Ausnahmetatbestände beschränkt bleiben. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB, venire contra factum proprium), der dem Missbrauchspotenzial des AGG begegnen und „professionelle Diskriminierungskläger“ von Ansprüchen ausschließen soll,159 ist als mögliches Korrektiv alleine unzureichend, um die unternehmerische Freiheit zu gewährleisten.160 156 So Picker, JZ 2003, S. 540 (543). Beispielhaft zur Frage nach einer HIV-Infektion: Ehrich, DB 2000, S. 421 (423 f.). 157 Entsprechend den Bestimmungen aus § 20 I 2 Nr. 3, 4 AGG. 158 Es bleibt mithin bei der Erkenntnis, dass der unternehmerischen Freiheit bei Arbeitsverhältnissen in Bezug auf deren funktionale Kompatibilität mit der betrieblichen Organisation ein gewisser Spielraum einzuräumen ist (so Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/ Stein, AGG, § 8, Rn. 4). 159 Zur Anerkennung dieser Rechtsfigur im Diskriminierungsrecht vgl. etwa BAG v. 12. 11. 1998 AP Nr. 60 zu § 611a BGB; LAG Hamburg v. 23. 06. 2010 NZA-RR 2010, S. 629 (630 f.); LAG Hamm v. 26. 06. 2008 LAGE Nr. 5 zu § 15 AGG; LAG Baden-Württemberg v. 13. 08. 2007 FA 2007, S. 313 (313); LAG Berlin v. 30. 03. 2006 – LAGE Nr. 1 zu § 611a BGB 2002; ArbG Kiel v. 09. 02. 2006 – Az. 5 Ca 1995d/05; Diller, NZA 2007, S. 1321 (1321 ff.); s. a. unter www.agg-hopper.de. Die Missbilligung folgt hier daraus, dass die Rechtsausübung nach Art der Begleitumstände verwerflich ist und kein schutzwürdiges Interesse des Ausübenden besteht (s. v. Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 369 (390)). Vgl. nur den Fall junger Jurastudenten, die sich in NRW auf einseitige Stellenanzeigen bewarben (erwähnt in: HAZ v. 11. 11. 2006 S. II/1). 160 Ebenso Wank (in: NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (25). Hierüber werden lediglich objektiv ungeeignete oder nicht ernsthafte Bewerbungen ausgeschlossen (Linck, in: Schaub, ArbR-Hdb., § 33, Rn. 93 f.; Rolfs, Arbeitsrecht, § 611a BGB, Rn. 7; a. A. Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 22 (28), der die Eignung der Kandidaten erst bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigen will – vgl. insoweit BAG v. 18. 03. 2010 – NZA 2010, 1129 ff.). Zur Darlegungslast vgl. BAG v. 27. 04. 2000 AuA 2000, S. 281 (281 f.). Zur Beweisführung
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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Fraglos existieren Wirtschaftsbereiche, in denen Unternehmer weniger als andere darauf angewiesen sind, ihr Angebot präzise auf unterschiedliche Kundenwünsche hin auszurichten. Etwa im Bereich der Daseinsvorsorge sind notwendige Ausrichtungen an differenzierenden Kundenbegehren kaum denkbar. Indes ist auch hier vorstellbar, dass z. B. ein Energieversorgungsunternehmen, das sich auf den Verkauf von Strom aus regenerativen Energien spezialisiert hat, seine Vertriebssparte lieber mit Arbeitnehmern besetzen will, die der Partei „Die Grünen“ zugeneigt sind, als mit anderen Parteianhängern, weil es sich hiervon eine bessere Imagewerbung und eine breitere Kundenakzeptanz verspricht. Wie hier setzen Arbeitgeber auch in anderen Bereichen objektiv nachvollziehbar darauf, dass die Auswahl von Arbeitnehmern nach bestimmten merkmalsorientierten Kriterien neue Nachfragepotenziale erschließt oder jedenfalls die vorhandene Kundenakzeptanz verstärkt.161 Will man dem Unternehmer an dieser Stelle zu seinem Recht auf marktmäßige Betätigung verhelfen, bedarf es der Suche nach einem alternativen Lösungsansatz. 5. Keine Freiheit vor Diskriminierungsverboten im Bereich des Tarifrechts Die Eingriffswirkung in die unternehmerische Freiheit könnte durch ein Ausweichen auf das Gebiet der Tarifverträge abgemildert werden.162 Vorstellbar sind Klauseln, die dem Arbeitgeber in Bezug auf bestimmte Geschäftsfelder zur Ausschöpfung von Marktmöglichkeiten ausnahmsweise und zusätzlich zu den gesetzlich normierten Ausnahmetatbeständen eine Differenzierung anhand eines geschützten Merkmals gestatten. Indes beträfe eine solche Klausel inhaltlich einen Bereich, der aufgrund der unternehmerischen Freiheit, den auch die Tarifverträge zu respektieren haben (vgl. § 1 TVG), einer tarifvertraglichen Regelung grundsätzlich nicht zugänglich ist.163 Damit scheidet eine Lösung über das Tarifrecht aus. durch ein sog. „Testing“-Verfahren vgl. BT-Dr 16/1780, S. 47; Thüsing, NZA 2006, S. 774 (776). 161 Hierbei handelt es sich um ein über den derzeitigen Diskriminierungsschutz hinausragendes Bedürfnis. So ist z. B. ein Fall denkbar, in dem eine private Krankenkasse für einen Posten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit bekennende Raucher ausschließt. Auch wenn dieser Fall (eventuell: noch) nicht den Diskriminierungsschutz berührt, illustriert er dennoch das marktbedingte Bedürfnis nach unternehmerischer Entscheidungs- und Unterscheidungsfreiheit. 162 Eine Abmilderung soll sich hier zukünftig aus § 15 III AGG ergeben, wobei die Wirksamkeit der Regelung deutlich in Zweifel gezogen wird (vgl. stellv. die Kritik v. Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (337 f.). s. a. Bauer/Evers, NZA 2006, S. 893 (897); zu den Rechtsfolgen diskriminierender Kollektivvereinbarungen Wiedemann, NZA 2007, S. 950 (950 ff.)). Problematisch ist, dass § 15 III AGG ausdr. nur für Entschädigungsansprüche, nicht für materiellen Schadensersatz gilt (Flohr/Ring, AGG, § 15, Rn. 305). 163 s. o. unter § 3 C. IV. 5. Die Rechtsordnung kann die Tarifautonomie nur insoweit einschränken, als die Anti-Diskriminierungsnormen a. dort Geltung beanspruchen, vgl. nur EuGH v. 20. 03. 2003 NZA 2003, S. 506 (506) (Kutz-Bauer); v. 08. 11. 1983 Slg. 1983, S. 3431 (3446 f.) (Vereinigtes Königreich); BAG v. 27. 05. 2004 NZA 2004, S. 1399 (1399); v. 20. 08.
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
6. Erfordernis einer teleologischen Reduktion der Diskriminierungstatbestände Da folglich weder über die Auslegung der Ausnahmevorschriften noch über das Tarifrecht ein ausreichender Schutz unternehmerischer Freiheit hergestellt werden kann, lohnt sich der genaue Blick auf den normativen Sinn des Diskriminierungsschutzes sowie dessen Verhältnis zu dem hier interessierenden Kernbereich der Freiheit. Erwägenswert erscheint eine Rückbesinnung auf das eigentliche Anliegen (die Rechtsidee) von Diskriminierungsschutz als wichtiges Korrektiv zur Erlangung sachgemäßer Ergebnisse im Einzelfall.164 Auch der vielfach hervorgehobene Einwand des Rechtsmissbrauchs, der dem Missbrauchspotenzial des AGG begegnen soll, stützt sich darauf, dass es nicht der Verwirklichung der Diskriminierungsschutzziele dient, wenn Bewerbungen berücksichtigt werden, die allein mit dem Ziel der Entschädigung eingereicht werden.165 Nur wenn man der Frage nachgeht, was durch ein intersubjektiv anerkanntes und später positiviertes Diskriminierungsverbot eigentlich verboten werden soll, welchem Telos die Regelung also folgt, lässt sich konkreter bestimmen, inwieweit die unternehmerische Freiheit überhaupt einzuschränken ist, um dem grundlegenden Ziel gerecht zu werden.166 Diese Bereiche sind auszuloten, um im konkreten Fall bestimmen zu können, ob eine Unterscheidung noch als zulässig oder nichtig bzw. sanktionswürdig behandelt werden muss.167 Besonders bei der Frage der Reichweite der Beschränkungswirkungen der Anti-Diskriminierungsregelungen spielt deren Schutzzweck eine entscheidende Rolle, da die differenzierende Regelung diesem Zweck nicht entgegenlaufen darf und zudem fair und gleichmäßig angewendet werden muss.168 An dieser Stelle hilft die Überlegung weiter, welchen übergeordneten Zweck ein Diskriminierungsverbot verfolgt, d. h. auf welchem gesamtgesell-
2002 SAE 2004, S. 70 (70); LAG Rheinland-Pfalz v. 26. 06. 2007 AuA 2007, S. 687 (687); Lingemann/Gotham NZA 2007, S. 663 (663); Rieble/Zedler, ZfA 2007, S. 273 (283). 164 Vgl. insoweit a. Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406); Richardi, NZA 2006, S. 881 (884). Grdl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333. Die Bestimmung der gesellschaftlichen Grundhaltung, die jedem Diskriminierungsverbot zugrunde liegt, kann dazu dienen, den Bereich zu konkretisieren, in dem dem Prinzip des Diskriminierungsschutzes noch oder gerade nicht mehr Rechnung zu tragen ist. Hier stellt sich mithin die Frage, ob die Ungleichbehandlung unvereinbar ist mit jener Wertung oder politischen Logik, auf dem bzw. der das Verbot der Benachteiligung ruht (vgl. Reichold, JZ 2004, S. 384 (391); Schwarze, Anm. zu BAG v. 20. 08. 2002 (SAE 2004, S. 221 ff.), SAE 2004, S. 224 (226)). 165 s. Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 64. 166 Ähnlich Neuner, JZ 2003, S. 57 (62). Vgl. a. Schiek, AGG, Einleitung, Rn. 41 ff. Grdl. zur „ratio legis“: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 336. Dabei ist der gesamtgesellschaftliche Wertekonsens zurate zu ziehen, der dem Diskriminierungsverbot jew. zugrunde liegt (vgl. Mankowski, JZ 2004, S. 121 (127)). Allg. Stern, Staatsrecht III/2, § 84 III 3b b; Möllers, NJW 2005, S. 1973 (1977). 167 Zu den empirischen Darstellungen zur Benachteiligung potenzieller Diskriminierungsopfer vgl. nur www.destatis.de; www.pub.arbeitsamt.de. 168 Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 75, 77; Preis, in: ErfK (2006), § 612 BGB, Rn. 65.
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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schaftlichen Konsens die Verbotsregelung bzw. deren Ächtungswirkung beruht.169 Insofern hat man sich des Ziels zu vergewissern, das mit dem Diskriminierungsverbot verfolgt wird, um die Erlaubtheit einer ungleich belastenden Maßnahme beurteilen zu können.170 Umgekehrt dient diese teleologische Absicherung dazu, das Diskriminierungsverbot nicht ins Leere laufen zu lassen.171 Aus den vorstehenden Überlegungen, die das Interesse an Differenzierung auf Seiten des Arbeitgebers herausgestellt haben, ergibt sich, dass die Diskriminierungsverbote nicht generell gegen jegliche Differenzierungen und Benachteiligungen intervenieren und damit tatsächlich bestehende Unterschiede negieren wollen. Die Verbote sollen die Integration von Merkmalsträgern im Arbeitsleben gewährleisten und sie vor herabsetzenden Unternehmerentscheidungen schützen. Ein herabsetzender Charakter ergibt sich in diesen Fällen daraus, dass die Entscheidung auf Vorurteilen basiert, die mit einem geschützten Merkmal in Verbindung stehen. Der Unternehmer wertet in diesem Fall einen Arbeitnehmer pauschal und objektiv unbegründet aufgrund dessen (fehlender) Merkmalsträgerschaft ab, wodurch dessen ebenbürtiger Geltungsanspruch gegenüber anderen Menschen verletzt wird.172 Die Verbote von unmittelbarer Diskriminierung wenden sich deshalb nur gegen solche Unterscheidungen, die auf einer vorurteilsbelasteten Motivation basieren, welche der unterscheidenden Maßnahme ein herabsetzendes und würdeverletzendes Gepräge verleiht.173 Das Diskriminierungsschutzrecht will die natürlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Arbeitnehmern anerkennen und nur dort schützend eingreifen, wo an die Unterscheidungsmerkmale Voreingenommenheiten in Bezug auf die mögliche Arbeitsleistung geknüpft werden, die sich sachlich nicht belegen lassen, sondern vielmehr einer
169 Für eine Berücksichtigung des Schutzzwecks der Diskriminierungsverbote: NollertBorasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 6; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83. 170 Z. B. ist das Verbot der mittelbaren Diskriminierung nicht gegen eine bestimmte innerfamiliäre Rollenverteilung gerichtet, sondern es schützt nur vor Nachteilen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, namentlich gegen eine ungleiche Vergütung und gegen typische nachteilige Folgen dieser Rollenverteilung für die beruflichen Chancen der Frauen (so Schwarze, Anm. zu BAG v. 20. 08. 2002 (SAE 2004, S. 221 ff.), SAE 2004, S. 224 (226); ähnlich Wiedemann, FS Friauf (1996), S. 135 (142); tendenziell anders die Rspr. des EGMR, vgl. EuGHMR v. 22. 02. 1994 Serie A 280-B, Z. 28 (Burghartz); hierzu Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 13). 171 Dies soll jedenfalls dann der Fall sein, wenn das geschützte Merkmal selber (in abgewandelter Form) als Anknüpfungspunkt für eine Rechtfertigung herangezogen wird (so Schmidt/Senne (in: RdA 2002, S. 80 (86)). s. a. EuGH v. 08. 11. 1990 AP Nr. 23 zu Art. 119 EWG-Vertrag (vgl. o. unter § 5 A. II. 3); Wank, Anm. zu BAG v. 01. 07. 1993 BAG AP Nr. 36 zu § 123 BGB. 172 Zum Schutz des Würdeanspruchs des Menschen durch Diskriminierungsverbote vgl. bereits o. unter § 7 A. I. 2. 173 Siehe bereits o. unter § 7 A. I. 2. Ebenso Adomeit/Mohr, AGG, Einleitung, E. II. Rn. 250; Deinert, RdA 2007, S. 275 (279) m. w. N.; Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (40); s. a. Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30); Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 93.
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
unsachlichen und objektiv herabsetzenden Wertung entspringen.174 Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht einfach anhand der allgemeinen Kriterien beantworten, die die Diskriminierungsverbote aufstellen, sondern ist abhängig von einer objektiven Einzelfallbewertung, welche insbesondere das Moment der notwendigen (ethisch neutralen) Unterscheidung des Unternehmers im Bereich des Marktauftretens zu berücksichtigen hat. Entscheidend ist dabei, ob die merkmalsangelehnte Differenzierung des Arbeitgebers von dessen Voreingenommenheit gegenüber einer Gruppe von Merkmalsträgern geprägt ist, die auch unter dem Aspekt der Marktausrichtung nicht sachlich nachvollzogen werden kann.175 In diesem Fall beruhte die Unterscheidung gerade auf Handlungsmotiven, die mithilfe der Diskriminierungsverbote ausgeschlossen werden sollen. Sofern die merkmalsgesteuerte Personalmaßnahme jedoch objektiv durch eine auf Differenzierung beruhende Nachfrageausrichtung bedingt und vorurteilsfrei wäre, wäre sie nach der ratio legis der Diskriminierungsschutzvorschriften nicht verboten.176 Insbesondere bei der Auswahl eines Vertragspartners sollen die Diskriminierungsverbote nicht dazu führen, dass automatisch derjenige ausgewählt werden muss, der eines der geschützten Merkmale aufweist.177 Der Pluralismus, dessen Schutz und Aufrechterhaltung das politische Rational hinter der AntiDiskriminierungsgesetzgebung ist,178 würde ausgehöhlt, wenn eine schematische Anwendung des Gleichheitsgebots zu einer materiellen Diskriminierung führte.179 Die Unternehmen haben in der Marktwirtschaft die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, ob, inwieweit, in welcher Weise und zu welchen Bedingungen sie am Markt 174 Ähnlich wird die Zulässigkeit einer Differenzierung danach bemessen, dass die unternehmerische Zwecksetzung nicht ihrerseits geg. die Zwecke der Benachteiligungsverbote verstoßen darf, Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83 – nennt als Negativbeispiel den Umstand, dass in einer Arbeitsgruppe nur Angehörige eines Geschlechts arbeiten und ein Abweichen hiervon die „Homogenität des Teams“ stören könnte (so jedoch akzeptiert vom ArbG Hannover v. 15. 11. 1990 EzA § 611a BGB Nr. 6). 175 Dabei geht es nicht darum, das Eingreifen der Diskriminierungstatbestände einseitig nach der subjektiven Motivlage des Arbeitgebers zu beurteilen (hiergegen insb. ArbG Osnabrück v. 03. 07. 2007, NZA 2007, S. 983 (984); vgl. a. Hamacher/Ulrich, NZA 2007, S. 657 (658); von Medem, NZA 2007, S. 545 (547)), sondern die vom Diskriminierungsschutz nicht beabsichtigte übermäßig freiheitsbeschränkende Wirkung zu Lasten unternehmerischen Markthandelns auszufiltern. 176 Um des Freiheitsschutzes willen soll nicht jede Handlung, die für eine geschützte Person nachteilig ist, allein deshalb untersagt werden. I. Erg. ähnlich zur Anerkennung zulässiger Unternehmenskonzepte: Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 36, 51, 54. 177 Ausgeschlossen werden soll bloß, dass gerade das Diskriminierungsmerkmal den Ausschlag geg. seine Auswahl gegeben hat, Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (375). Diesem Maßstab entspricht es, wenn Diskriminierungsschutzziele nicht darin gesehen werden, überkommene Gesellschaftsstrukturen (z. B. geschlechtsspezifische Rollenverteilungen) verurteilen bzw. verändern, sondern lediglich rechtlich nachteilhafte Anknüpfungen an die Merkmale verhindern zu wollen, da die Merkmale vom Gesetzgeber als regelm. irrelevant für die Effektivität der Erbringung der Arbeitsleistung angesehen werden. 178 Vgl. o. unter § 7 A I. 2., II. 3. b). 179 Vgl. Schnabel, ZfA 2008, S. 413 (438).
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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anbieten und damit am Wirtschaftsprozess teilnehmen wollen.180 Dem Unternehmer steht es hiernach insbesondere frei, eine auf merkmalsnaher Differenzierung beruhende Ausrichtung am Markt zu wählen.181 Soweit ein solches Angebot für dessen Umsetzung eine merkmalsangelehnte Personalmaßnahme (z. B. eine Einstellung) erfordert, kann die Freiheit des Unternehmers durch das Eingreifen von Diskriminierungsschutznormen betroffen werden. Trifft der Arbeitgeber hierbei seine nach einem geschützten Merkmal differenzierende Entscheidung vorurteilsfrei, sind die Diskriminierungsverbote schon nicht geeignet, Herabsetzungen zu begegnen, sofern das Ziel der Nachfrageerschließung objektiv keinen abwertenden, herabwürdigenden Charakter besitzt. Der Unternehmer nimmt in diesem Fall deshalb eine unterscheidende Behandlung vor, weil er hierdurch sein Angebot und die damit zusammenhängende Außendarstellung des Unternehmens effektiv an (vermuteten) Nachfragepotenzialen ausrichten will. Soweit er sich zur Abdeckung einer Marktnische auf ein bestimmtes Angebot, mit dem er sich im Wettbewerb behaupten will, und einen damit verbundenen Außenauftritt festlegt, handelt er grundsätzlich rein rational und damit bar jeder (objektiv) herabsetzenden Wirkung gegenüber Arbeitnehmern, mit denen er einen bestimmten Außenauftritt nicht durchführen kann.182 Erforderlich wird demnach jeweils eine am Zweck des Diskriminierungsverbots orientierte Einschränkung desselben, so dass unternehmerische Entscheidungen, die sich auf die Marktausrichtung als solche beziehen, ohne auf Vorurteile gegenüber Merkmalsträgern zu rekurrieren, nicht den Beschränkungen des Verbots unterfallen. Eine ausschließlich absatzmarktorientierte Personalentscheidung des Arbeitgebers folgt einem grundlegenden ökonomischen Leitbild; ist der Absatzerfolg nicht merkmalsbezogenen Vorurteilen geschuldet, ist sie vernünftig (d. h. auf einen größtmöglichen Vertragserfolg gerichtet) und aus diesem Grund nicht geeignet, in Konflikt mit der Menschenwürdegarantie zu geraten. Folglich besitzen Diskriminierungsverbote keinen Geltungsanspruch in Bereichen, in denen sich der Unternehmer in Ausübung seiner Gestaltungsfreiheit für eine bestimmte Marktausrichtung entscheidet und dabei seine Personalentscheidung vorurteilsfrei an ein geschütztes Merkmal an180
So Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 1 III 1. Siehe aber a. Thüsing, in: MüKoBGB (AGG), Einl., Rn. 57. Diese Freiheit biete die Chance auf eine materielle Richtigkeitsgewähr, so Säcker, ZRP 2002, S. 286 (287); s. a. Reuter, in: FS Wiedemann (2002), S. 449 (449 f.); ähnlich Picker, ZfA 2005, S. 167 (173)). 181 s. o. unter § 3 C. III. 1. b) bb) (3), IV, § 7 A. II. 1. b) aa). Generell muss akzeptiert werden, dass der Unternehmer marktorientiert handeln und damit mehr oder weniger deutlich seine gesamte Unternehmenspolitik auf Nachfragewüsche ausrichten darf. Nur so kann er im Wettbewerb mit anderen bestehen. 182 Speziell die freiheitlich-soziale Arbeitsverfassung des Grundgesetzes baut neben den Verfahren individueller und kollektiver Privatautonomie (arbeitsrechtliche Vertragsfreiheit und Tarifautonomie) zur Förderung individueller Selbstbestimmung vor allem auf den Verfahrensformen wettbewerblich-antagonistischer Interessenauseinandersetzung auf (Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 89 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 2 I, Rn. 136). Gegen das Argument des rationalen Arbeitgeberhandelns: Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (377).
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lehnt, um ein Marktsegment überhaupt erfolgreich erschließen zu können.183 Da die Unterscheidung hier nicht zu einer Stigmatisierung der ausgegrenzten Arbeitnehmer führt, sollte ein Verhalten, das in einer durch Pluralismus geprägten Gesellschaft sozial und wirtschaftlich unverzichtbar und deshalb aller Systemlogik nach erlaubt ist, nicht mit den Folgen von Diskriminierungsschutz verbunden werden.184 Die Frage kann mithin nicht sein, ob der Unternehmer auf Kundenwüsche reagieren kann, sondern lediglich, wie solche beachtenswerten Nachfragefaktoren von solchen unterschieden werden können, die ausschließlich auf herabwürdigenden Vorurteilen beruhen185 und die der Unternehmer nicht noch bedienen sollte. Von den herabsetzenden Diskriminierungen müssen folglich solche Differenzierungsansätze abgesondert werden, die vielleicht vordergründig die Benachteiligungsvoraussetzungen im Sinne der Diskriminierungsverbote erfüllen, in denen der Arbeitgeber jedoch ein an sich legitimes und anerkennenswertes wirtschaftliches Interesse an nachfragegeleiteter Marktorientierung verfolgt.186 In letzteren Fällen kann der an sich untersagten Differenzierung ein Zweck zugrunde liegen, der auch im Lichte der Diskriminierungsverbote rechtmäßig ist. Als Beispiel dient eine Damen-Sauna, die für die Durchführung der Aufgüsse ausschließlich weibliches Personal sucht, weil ein männlicher Bewerber bei einer verständigen Kunden-Prognose nicht akzeptiert werden würde, und deren Arbeitgeber nicht aufgrund von Vorurteilen gegenüber dem männlichen Geschlecht, sondern aufgrund des Schamgefühls seiner Kundinnen differenziert. In diesen und gleichgelagerten Fällen besteht unter teleologischem Aspekt kein ausreichender Sinnzusammenhang zwischen Tatbestand (von Benachteiligung betroffener Arbeitnehmer) und Rechtsfolge (Anwendbarkeit der Diskriminierungsschutznormen, d. h. Verbotswirkung). Die Rechtsfolgen der Diskri183 Im Kernbereich unternehmerischer Entscheidungsgewalt – der Ausrichtung des Unternehmens auf den Nachfragesektor – sind ökonomische Überlegungen, die grds. als Rechtfertigungselement einer Diskriminierung entfallen, zur substantiellen Wahrung unternehmerischer Freiheit somit gestattet. Hier steht das Handeln des Arbeitgebers grds. nicht in Konflikt mit Wertungen der Diskriminierungsverbote. 184 Picker, ZfA 2005, S. 167 (174). 185 Paradebeispiel für ein solches Vorurteil ist der pauschale Hinweis auf die geringere Körperkraft einer Frau, vgl. hierzu Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 48; Schiek/Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (863 f.); a. A. LAG Hamm v. 18. 12. 1987 NZA 1988, S. 586 (LS); Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 73. Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 32 sieht hierin ein Verbot von statistical discrimination – d. h., dass die Anknüpfung an ein geschütztes Merkmal nur Hilfskriterium ist, um nach einem anderen, schwieriger nachprüfbaren eigentlich angestrebten und u. U. sachlich gerechtfertigten Kriterium zu unterscheiden. Der Arbeitgeber muss demnach allg. die körperliche Leistungsfähigkeit des Bewerbers zum Einstellungskriterium machen (vgl. Preis, in: ErfK (2006), § 612 BGB, Rn. 55). 186 Ähnlich Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406) für den Bereich der mittelbaren Diskriminierung; s. a. Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (376) zum (nach ihrer Sicht hinzunehmendem) Problem der Verhinderung ökonomisch rationalen Verhaltens durch Diskriminierungsverbote. Dabei hängen die Anforderung an das unternehmerische Interesse davon ab, welche(s) Merkmal(e) von der Arbeitgebermaßnahme konkret betroffen (ist) sind und um welche Form der Diskriminierung es sich handelt. Vgl. auch das Bsp. bei Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 104.
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minierungsverbote sollen den Arbeitnehmer nicht vor jeglicher Unterscheidung, sondern lediglich vor dem Risiko schützen, in herabsetzender Weise benachteiligt zu werden. Die Maßnahme des Arbeitgebers ist hier lediglich als eine bloße Ausrichtung auf bestimmte (nach einem geschützten Merkmal differenzierende) Kundenwünsche zu werten. Aus der objektiv begründbaren und ausschließlich gewinnorientierten Vorgehensweise kann u. a. im Beispielsfall geschlossen werden, dass der Unternehmer nicht aufgrund unsachlicher Ressentiments gegenüber den durch die Maßnahme ausgeschlossenen Arbeitnehmern handelt.187 Er erhofft sich – nachvollziehbar aufgrund des Schamgefühls als objektivem Anknüpfungspunkt der Kundeninteressen – eine tatsächliche Gewinnsteigerung aus dem Einsatz bestimmter Arbeitnehmer; nur aus diesem Grund fällt er eine merkmalsangelehnte Personalentscheidung. In diesen Fällen differenziert der Arbeitgeber ausschließlich, um real existierende oder zumindest aufgrund einer sachlichen Begründung vermutete Marktpotenziale ausschöpfen zu können. Solchen ökonomischen Gründen, die in der geltenden Wirtschaftsordnung generell als lauter zu bezeichnen sind, wollen die Diskriminierungsverbote ihrem Grundanliegen nach gar nicht entgegentreten.188 Die allgemeine Anerkennung und soziale Akzeptanz ausdifferenzierter unternehmerischer Marktausrichtung, die sich u. a. auch auf Gruppen von Trägern geschützter Merkmale beziehen kann, kann demzufolge eine würdeverletzende Herabsetzung objektiv ausschließen. Von vornherein verbietet sich dann das Eingreifen von Diskriminierungsschutzvorschriften, so dass auch keine Abwägung zwischen unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz stattzufinden hat. Das Anti-Diskriminierungsrecht erfasst grundsätzlich weder die Steuerung von Kundenpräferenzen189 noch deren unternehmerische Antizipation, vielmehr lassen die Vorschriften den Nachfragemarkt in ihrer unmittelbaren Anwendungsweise unberührt. Jeglicher Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist legitimationsbedürftig.190 Soweit diese Freiheit durch Diskriminierungsverbote wie in den hier genannten Problemfällen in ihrem Kerngehalt, der freien Marktausrichtung,191 betroffen wird, ist insoweit ein besonders hoher Begründungsaufwand erforderlich.192 Grundsätzlich stellt der Diskriminierungsschutz einen hochwertigen Belang dar, der geeignet ist, 187 Die alleinige Bestimmung des Angebots in Abhängigkeit real existierender Kundenwünsche, die selbst keinen herabsetzenden Charakter haben, ist per se als vorurteilsfrei zu qualifizieren. 188 Diskriminierungen wirken zwar freiheitskonform im liberalistischen Sinne, aber nicht marktkonform (vgl. Coester, in: FS Canaris (2007), S. 115 (124)) – demgegenüber handelt es sich bei einer unternehmerischen Marktausrichtung in jedem Fall prima facie nicht um marktwidriges Verhalten. 189 In diese Richtung Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (385). 190 s. o. unter § 3 C. VI. 191 s. o. unter § 6 B. III, IV. 192 s. o. unter § 6 B. II, III. An dieser Stelle gebietet es der Wesensgehalt des Art. 12 I GG, die Möglichkeit des Unternehmers zur freien marktausgerichteten Betätigung möglichst unangetastet zu lassen, vgl. dazu auch die Überlegungen – freilich für eine Abwägung i. R. des § 8 AGG – von Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 10.
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einen Eingriff zu legitimieren; dies jedoch nur insoweit, als der Eingriff dem eigentlichen Zweck der Diskriminierungsschutznormen, nämlich der Vermeidung von Herabsetzungen,193 dient. Die hier geforderte Einschränkung hat sich an dieser Differenzierung zu orientieren. Es ist keine Begründung denkbar, warum auch in den zuvor beschriebenen Fällen, in denen der Unternehmer vorurteilsfrei zur Bedienung von Nachfragekategorien handelt, eine Unterscheidung mit zivilrechtlichen Sanktionen belegt werden sollte. Entgegen den Marktansprüchen wäre es dem Anbieter ansonsten nicht erlaubt, sich an entsprechenden Kundenwünschen zu orientieren und diese tragfähig zu bedienen, obwohl dies einem beiderseitigen Nutzen entspräche.194 Indessen lassen die gesetzlichen Anti-Diskriminierungsregeln eine vom Prinzip der unternehmerischen Freiheit geforderte angemessene Einschränkung vermissen.195 Damit bedürfen die gesetzlichen Schutzregeln entgegen ihrem – auch und gerade in Zusammenschau mit den Ausnahmetatbeständen – weitreichenden Wortsinn196 gemäß der vorgenannten Teleologie der Vorschriften einer Einschränkung, die im Gesetz nicht enthalten ist. Denn in vorliegendem Fall besteht eine Gesetzeslücke in dem Sinne, dass es an einer unter Wertungsgesichtspunkten angemessenen Rechtsnorm (hier: Diskriminierungsschutznorm) mangelt.197 Die teleologische Reduktion einer Norm gehört insoweit zu den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden.198 Danach wird in den Fällen vorurteilsfreier Differenzierung aus Gründen der Marktausrichtung bereits die Tatbestandsmäßigkeit der Benachteiligungsverbote ausgeschlossen. Der infolge der Einschränkung entstehende verbotsfreie Bereich ist der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit zuzurechnen. Schon der weite Ermessensspielraum sowohl des europäischen als auch des nationalen Gesetzgebers bei der Verwirklichung von Diskriminierungsschutz199 erlaubt es, den insofern zu weit gefassten Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote so zurückzuführen, dass die genannten Kernaspekte unternehmerischer Betätigungs193
s. o. unter § 7 A. I. Zumindest solange diese Marktorientierung (vgl. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 165 ff.) nicht zu (tatsächlichen!) Lasten Dritter geht, würden Unternehmerinteressen unzulässig gefährdet. Dies gilt umso mehr, als dass der Merkmalskatalog immer weiter ausgedehnt wird und der Diskriminierungsschutz infolgedessen immer breitere Anwendung findet. 195 Vgl. o. unter § 7 A. II. 4. b); grdl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 401. Dabei ist das Prinzip der unternehmerischen Freiheit aufgrund der Ausnahmetatbestände grds. gesetzesimmanent! 196 s. o. unter § 5 B. III. 2. a) aa), § 7 A. I., II. 4. b). 197 Vgl. BVerfG v. 14. 02. 1973 BVerfGE 34, S. 269 (287); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 391. 198 BVerfG v. 19. 06. 1973 BVerfGE 35, 263 (270 ff.). Gerade wenn der Wortlaut eines Gesetzes über dessen Sinn und Zweck hinausgeht, kann eine einschränkende Auslegung geboten sein (vgl. BVerfG v. 29. 06. 2004 ArbuR 2004, 350; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 210). 199 s. EuGHMR v. 13. 04. 2006 NZA 2006, S. 1401 (1402); Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 14, Rn. 22 ff.; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 13 EGV, Rn. 7. 194
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freiheit von den Verbotswirkungen nicht betroffen werden. Für den Unternehmer streiten hier die Anforderungen des Wesensgehalts des Art. 12 Abs. 1 GG in Bezug auf die Gewährleistung unternehmerischer Freiheit und die angesprochene ratio legis der Diskriminierungsschutznormen. Hieraus ergibt sich für den Rechtsanwender zur Vermeidung sinn- und zweckwidriger Ergebnisse das Gebot, die Diskriminierungsverbote insoweit teleologisch zurückzuführen, als dass solche Bereiche von vornherein von den Verbotswirkungen ausgespart werden, in denen der Unternehmer seine (Personal-) Entscheidung nachfrageorientiert und im Sinne von Vorurteilsfreiheit vernünftig trifft.200 Gestünde man dem Arbeitgeber diesen Bereich freier unternehmerischer Betätigung nicht zu, gewönnen die Diskriminierungsverbote jene systemsprengende Kraft, die ihnen an anderer Stelle wiederholt vorgeworfen wurde.201 Denn ohne die Möglichkeit des Unternehmers, sich auf Marktbedingungen einzustellen und sein Unternehmen hierauf auszurichten, nähme man der gesamten Anbieterseite einen essentiellen Bestandteil ihrer (Re-)Aktions- und Gestaltungsmöglichkeiten.202 Der strengere öffentlich-rechtliche Ansatz einer Festlegung auf Sachkriterien für die Einstellung in den öffentlicher Dienst, für den in Art. 33 Abs. 2 GG das Recht des gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern gesichert wird,203 ist in dieser Absolutheit 200
Das Erfordernis einer teleologischen Reduktion folgt dabei aus der Erkenntnis, dass ansonsten, also bei einer weiteren Anwendung von Diskriminierungsschutz, keine effektive Gewährleistung von unternehmerischer Handlungs- und Innovationsfreiheit als allgemein gültiger Marktbedingung erreicht werden könnte. 201 Vgl. nur die Kritik von Bauer/Preis/Schunder, NZA 2006, S. 1261 (1263); Richardi, NZA 2006, S. 881 (881); Willemsen/Schweibert NJW 2006, S. 2583 (2592). Allg. Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1144). Indem der Unternehmerschutz qua Diskriminierungsverbotsregel begründungspflichtig werde und sich einem generellen Begründungszwang annähere, werde das Grundprinzip auf den Kopf gestellt und laufe dem bisherigen System diametral entgegen (ähnlich Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (163); Lieb, ZfA 1996, S. 319 (321, 344)). Zum erweiterten Rechtfertigungszwang vgl. Thüsing, NZA 2006, 774 (775); s. a. die Anm. v. Schwarze zu HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 (10). Speziell das Recht, einen Vertrag ohne Angabe von Gründen abzuschließen oder zu verweigern, werde durch die Ermessensbeschränkungen durch die Diskriminierungsverbote und den damit verbundenen Begründungszwang besonders intensiv betroffen (vgl. nur ArbG Wuppertal v. 10. 12. 2003 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 2 a; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 12 III 1, 2; Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (50)). Vgl. a. Richardi/Annuß, in: Sartorius (1999), § 611a BGB, Rn. 19 („systemsprengende Wirkung“) sowie die Kritik des DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (VII). Gerade die Einführung eines Rechtfertigungszwanges zu Lasten des Arbeitgebers (entspr. Art. 3 I, 33 II GG) wird als systemfremd kritisiert, (vgl. Scholz, ZfA 1981, S. 265 (274 ff.); Zöllner, AcP 176 (1976), S. 221 (225 ff.); s. a. Friedrich, in: KR, § 13 KSchG, Rn. 180). 202 Fremdbestimmung von oben ersetzte insoweit die Selbstbestimmung von unten und die freie marktorientierte Autonomie durch schutzorientierte Heteronomie. In diese Richtung Picker, ZfA 2005, S. 353 (357); Reichold, JZ 2004, S. 384 (386 f.). Anders Baer, ZRP 2002, S. 290 (293). Zu weitgehend BVerfG v. 09. 10. 2000 NJW 2001, S. 3406 LS; ebenso krit. Bayreuther, NZA 2005, S. 341 (342). 203 Hierzu BVerfG v. 20. 04. 2004 BVerfGE 110, S. 304 (321 ff.); v. 21. 02. 1995 BVerfGE 92, S. 140 (151); BAG v. 07. 07. 2004 NZA 2004, Heft 18, S. VIII (VIII). Zur Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf das Privatrecht vgl. Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 5, Rn. 60;
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nicht auf privatrechtliche Verhältnisse, die den Marktgesetzen unterworfen sind, übertragbar.204 Beachtenswert ist insoweit, dass das Zivilrecht mit seinem Grundsatz vertraglicher Selbstbestimmung einer anderen Struktur folgt als das zur Neutralität verpflichtete öffentliche Recht205 und die Übertragung der Diskriminierungsverbote dieser Strukturdivergenz ausreichend Rechnung tragen muss.206 (Soziale) Ungleichwertigkeiten im Privatrechtsverkehr wollen zwar nicht übersehen, aber eben auch nur systemkonform überwunden werden,207 etwa indem dem Unternehmer auch im Rahmen der Anwendung zwingender Gleichstellungsgebote genügend Raum privatautonomer, d. h. insbesondere marktgerechter Rechtsgestaltung gewährt wird.208 Aus diesen Gründen sollte mittels der hier vorgeschlagenen teleologischen Reduktion der Verbotsnormen darauf geachtet werden, dass die Anwendung der Regelungen des AGG nicht von einem Misstrauen gegenüber Freiheit und Marktmechanismen geprägt wird.209 Dies gilt besonders in Ansehung des Rechtfertigungs- und Medicus, AT BGB, § 1, Rn. 11; Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (62, 65 ff.); Reichold, JZ 2004, S. 384 (389 f.) („Veröffentlichrechtlichung des Zivilrechts“); Stern, in: FS Wiedemann (2002), S. 133 (138) („Konstitutionalisierung des Privatrechts“); insb. zur Anwendung einer zuteilenden Sozialgerechtigkeit i. S. der iustitia distributiva: Picker, ZfA 2005, S. 167 (169). 204 Bauer/Preis/Schunder, NZA 2006, S. 1261 (1261); Reichold, ZfA 2003, S. 518 (529); grdl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 60; Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 8d. Zur hieraus resultierenden Bedrohung für die Privatautonomie vgl. Schwarze, ZTR 1996, S. 1 (3). Ein Symptom des öffentlich-rechtlichen Einschlags ist ein fortschreitender Paternalismus, der dem i. R. der Privatautonomie gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht regelm. entgegensteht (vgl. Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG, Rn. 55b f.; Klumpp, NZA 2006, S. 904 (905)). 205 Neuner, JZ 2003, S. 57 (63). Zur staatlichen Neutralitätspflicht vgl. z. B. BVerfG v. 26. 06. 2002 BVerfGE 105, S. 279 (294 f.). 206 I. d. S. Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 69; Larenz/Wolf, AT BR, § 1 I; Siekmann/Duttge, Grundrechte, Rn. 1037 f.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 21 ff. Grundrechtsträger treten nämlich als eigenverantwortlich, autonom und mit privatnütziger Zielsetzung handelnde Mitgestalter der ökonomischen Ordnung auf (Papier, DVBl 1984, S. 801 (807)). s. a. Raulf/Gunia, NZA 2003, 534 (539) sowie die Kritik von Lieb, ZfA 1996, S. 319 (345). Daher dürfe der Private differenzieren, auch und gerade wg. solcher Unterscheidungsmerkmale, die im öffentlichen Recht nach dem Grundgesetz geschützt sind (Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 6c; Boemke, ZfA 2001, S. 245 (258)). 207 Die Anti-Diskriminierungsrichtlinien, ihre Dogmatik und Strukturen entstammen dem anglo-amerik. Modus des problemorientierten, „topischen“ Rechtsdenkens, so dass sie das dt. Arbeitsrecht strukturell von weit außen anstrahlen (Krause, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 19; Fischer, FA 2006, S. 37 (38); s. daher zum Kritik auslösenden Bsp. des Verzichts auf das Verschuldenserfordernis i. R. des § 15 II AGG: Hergenröder, Anm. zu EuGH v. 22. 04. 1997, JZ 1997, S. 1174 (1174) (Gefährdungshaftung für Arbeitgeber); Maier-Reimer, NJW-Editorial Heft 30/ 05, S. III; DAV in BR-Dr. 329/06, NZA 2006, S. VII (VIII). Vgl. a. Art. 189 III EWGV a. F. Grdl. Larenz/Wolf, AT BR, § 2, Rn. 24 ff. 208 In diese Richtung Picker, ZfA 2005, S. 167 (177); Reichold, JZ 2004, S. 384 (386 f.). Ähnlich Huep, RdA 2001, S. 325 (329). 209 Ansonsten müsste sich nicht etwa die Freiheitsbeschränkung, sondern der Freiheitsgebrauch legitimieren, wodurch die Gefahr einer Inkongruenz von Staatsgesetz und Marktgesetz drohte (vgl. Picker, ZfA 2002, S. 469 (500); ders., ZfA 2005, S. 353 (362); Säcker, ZRP 2002, S. 286 (288); ders., ZEuP 2006, S. 1 (3); ähnlich Zöllner, in: NZA, Beil. Heft 3/2000, S. 1 (5)).
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Begründungsaufwandes, den tatbestandlich weit ausgreifende Unterscheidungsverbote selbst bei offensichtlich sinnvollen Regelungen erzwingen.210 Nur eine Beschränkung der Diskriminierungsschutzvorschriften auf deren Schutzziele führt die Normen regelgerecht auf deren eigentliches Anliegen zurück und bewahrt dem Unternehmer ein für seine wirtschaftliche Betätigung wesentliches Maß an Beweglichkeit im Rahmen seiner Teilnahme am Wettbewerb. Demnach sind die Diskriminierungsverbote dahingehend zu präzisieren, dass vom Diskriminierungsschutz solche Konstellationen nicht erfasst werden sollen, in denen der Arbeitgeber frei von jeglicher Voreingenommenheit eine Entscheidung in der begründeten Annahme trifft, das gewählte Angebot lediglich mittels einer merkmalsangelehnten Personalmaßnahme effektiv, d. h. wirtschaftlich erfolgreich, umsetzen zu können. 7. Vorurteilsfreiheit als objektive Grenze zwischen erlaubter Differenzierung und verbotener Diskriminierung Zuvor wurde das Erfordernis herausgestellt, den Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote entsprechend ihren Schutzzielen um solche Fälle zu reduzieren, in denen der Unternehmer allein aus Gründen der Marktausrichtung differenziert. Die Furcht der Arbeitgeber vor verminderter personalpolitischer Dispositionsfreiheit aufgrund der Diskriminierungsverbote211 ist danach nur dort berechtigt, wo die Freiheit sinnwidrig dazu genutzt wird, Arbeitnehmer aufgrund marktferner Beweggründe auszugrenzen. Hieraus resultiert das Problem, die objektive Grenze zwischen nachfrageorientiertem und vorurteilsbelastetem Unternehmerhandeln zu bestimmen. Diese Grenze darf nicht zu Lasten des Arbeitnehmers auf Bereiche ausgedehnt werden, in denen keine eignungsbezogene Begründung für die Benachteiligung wegen eines Merkmals gefunden werden kann. Andererseits darf eine zu enge Grenzziehung nicht dazu führen, dass dem Arbeitgeber eine marktmäßige Betätigung an sich verwehrt wird. a) Ausreichender Schutz unternehmerischer Freiheit für Tendenzunternehmen bei tendenzbezogenen Maßnahmen und für Interessenverbände von Merkmalsträgergruppen Ein dogmatisches Konzept zur Umsetzung des Schutzes unternehmerischer Freiheit (im weiteren Sinne) bietet das Tendenzschutzprinzip, das in § 9 AGG für Religionsgemeinschaften seine besondere Anerkennung gefunden hat.212 Die Freiheit erfährt hier allgemein Anerkennung, indem der Tendenzschutz als Ausprägung einer 210 Vgl. Buchner, NZA 1991, S. 577 (579); Lieb, ZfA 1996, S. 319 (321); Schwarze, Anm. zu BAG v. 20. 08. 2002 (SAE 2004, S. 221 ff.), SAE 2004, S. 224 (224). 211 Vgl. Kossens/Maaß, NZA 2000, S. 1025 (1032). 212 Hierzu Leuchten, NZA 2002, S. 1254 (1260); Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (469). Einschränkend ArbG Hamburg v. 04. 12. 2007 ArbuR 2008, 109 (110 f.); abl. Lehming, in: taz v. 12. 12. 2007, abrufbar unter http://www.tagesspiegel.de.
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besonderen konzeptionellen Aufstellung213 im Rahmen der Anwendung der Diskriminierungsschutzvorschriften Beachtung findet.214 Insbesondere Gewerkschaften215 oder politischen Parteien216 wird eine der jeweiligen Tendenzrichtung folgende Personalauswahl im tendenznahen Bereich zugestanden.217 Gleiches gilt für Presse- und Medienunternehmen, sofern ein ausreichender Tendenzbezug vorhanden ist und die Tendenz ihrerseits nicht herabsetzend wirkt.218 Die besonderen „Ausrichtungen“ von Kirchen, Gewerkschaften, politischen Parteien usw. werden allgemein akzeptiert und es wird im Ergebnis kaum Anstoß daran genommen, dass sich die jeweiligen Programmatiken auch in der Personalauswahl bzw. -behandlung niederschlagen.219 In diesen Bereichen besteht ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Tendenzbetriebe ihr Programm nur wirksam und glaubwürdig mithilfe nach geschützten Merkmalen ausgesuchter Arbeitnehmer verfolgen können. Der Gedanke der Tendenzaufstellung kann somit als besonderer Ausfluss der im Diskriminierungsrecht gebräuchlichen Regel, wonach sich die Begründung einer Differenzierung direkt aus der Tätigkeit ergeben muss,220 für alle tendenznahen Diskriminierungsfälle verallgemeinert und dabei auf solche Fälle bezogen werden, in denen eine differenzierende tendenzbezogene Maßnahme im Streit steht.221
213 Grundrechtlichen Tendenzschutz für die Verfolgung ihrer jeweiligen geistig-ideellen Zielsetzung (Tendenzautonomie) genießen Betriebe, die unmittelbar und überwiegend der Verwirklichung unter dem bes. Schutz des Grundgesetzes stehender (politischer, koalitionspolitischer, konfessioneller, erzieherischer, etc.) Unternehmensziele dienen (vgl. Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 227 ff.). 214 Vgl. nur Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 36 f. u. Hinw. auf ArbG Bonn v. 14. 09. 1987 NJW 1988, S. 510 (510 f.); Voggenreiter, in: Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 34. Allg. zum Tendenzschutz im Bereich des Anti-Diskriminierungsrechts: Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 275; Hromadka/Maschmann, § 5 I, Rn. 49, § 7 III, Rn. 124; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 42; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Dahnz/ Grimminger, AuA 2006, S. 522 (522); Müller, DÖD 2007, S. 73 (81); z. T. krit. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 172; Berger-Delhey, AfP 2006, S. 422 (422 ff.). 215 Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 18; Ehrich, DB 2000, S. 421 (426). A. A. Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492 f.); Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (172). 216 BAG v. 07. 09. 1995 AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; v. 28. 02. 1991 Az.: 2 AZR 357/90 – nv –; LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NZA 1998, S. 312 (312). 217 s. o. unter § 5 C. X. Vgl. a. LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NZA 1998, S. 312 (312); Adomeit/ Mohr, AGG, § 8, Rn. 55; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 65. 218 Hinsichtlich Pressearbeit: Belling, in: Erman, AGG, § 8 Rn. 3; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 67. 219 Vgl. Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 13; Wendeling-Schröder, in: WendelingSchröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 21. Eine Frage mit Tendenzbezug wird insb. als zulässig erachtet, weil der Arbeitnehmer i. d. R. die Aufgabe habe, das Unternehmen nach außen zu vertreten (Thüsing, in: HWK (2004), § 123 BGB, Rn. 16). 220 Richardi, NZA 2006, S. 881 (887); s. a. den Bericht d. HAZ v. 11. 11. 2006 S. II/1. 221 Vgl. insoweit Thüsing, RdA 2001, S. 319 (324) unter Hinw. auf ein Urteil des ArbG Bonn, das den Gedanken aus § 118 BetrVG entnommen und auf die geschlechtsbedingte Diskriminierung übertragen hatte (ArbG Bonn v. 08. 03. 2001 NZA-RR 2002, S. 100 (101)).
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Die im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts zu erwartende Unterteilung in einen – nicht mehr autonom von den Kirchen zu bestimmenden – tendenznahen und einen (ohne besondere Differenzierungsmöglichkeiten ausgestatteten) tendenzfernen Bereich222 beschränkt dabei die Kirchenautonomie in ausgewogener Art und Weise.223 Indem die Reichweite des Tendenzschutzgedankens zugleich die Grenze besonderer Differenzierungsmöglichkeiten markiert, wird den allgemeinen Anforderungen der Diskriminierungsschutzvorschriften ausreichend Rechnung getragen. Die Differenzierung in Tendenznähe und -ferne ist auf andere Tendenzbereiche zu übertragen.224 So darf eine Tageszeitung, die eine ablehnende Haltung gegenüber Scientology hat, einen Angehörigen dieser Gemeinschaft bei der Besetzung der tendenznahen Stelle des innen- oder kulturpolitischen Redakteurs ausschließen, nicht jedoch bei der Besetzung der Stelle des Sportreporters.225 Allgemein gilt danach, dass an die Rechtfertigung einer Unterscheidung um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je wichtiger die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers für die Tendenzverwirklichung ist.226 Ein tendenzfeindlicher Bewerber muss bei der Einstellungsentscheidung weiterhin unberücksichtigt bleiben dürfen, weil er die zu erfüllende Aufgabe nicht leisten kann.227 Das Tendenzunternehmen muss aber im Einzelfall darlegen, dass die Differenzierung erforderlich ist, um seine (grundrechtlich) geschützte Position zu vertreten und zu verwirklichen. Fraglich bleibt damit, ob man die im Bereich des Tendenzschutzes anerkannten Ausnahmemöglichkeiten auf den Bereich der besonderen Marktausrichtung übertra222 s. o. unter § 5 C. VI. 1. b); s. a. Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 21. 223 Sie beschränkt Differenzierungspotenziale nur so weit, wie das Tendenzunternehmen im allg. arbeitsrechtlichen Bereich agiert. 224 Im Bereich der politischen Parteien stellt das BAG ebenfalls auf die jew. bekleidete Position des Arbeitnehmers ab; vgl. BAG v. 07. 09. 1995 AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; v. 28. 02. 1991 Az.: 2 AZR 357/90 – zit. nach juris. Ähnlich für Gewerkschaften: Ehrich, DB 2000, S. 421 (426). 225 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 42 – auch könne eine sich gezielt an Muslime wendende Zeitung einen christlichen Bewerber ablehnen; ähnlich Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 26; abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 45. Eine Differenzierung sei auch zulässig, wenn eine Zeitschrift für Homosexuelle heterosexuelle Redakteure nicht einstellen wolle, weil diese ihrem Anliegen nicht gerecht werden könne (Belling, in: Erman, AGG, § 8 Rn. 3; Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 3, Rn. 439). Ähnlich hinsichtlich der Bevorzugung von Frauen durch eine feministische Frauenzeitschrift: Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83. Einschränkend für Fälle, in denen ein Arbeitgeber einen rechtswidrigen (z. B. antisemitischen) Zweck verfolgt: Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 11 f.; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 8, Rn. 17. 226 Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 26; Richardi/Annuß, in: Sartorius (1999), § 611a BGB, Rn. 56; s. a. Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 232. 227 Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 227 f. – eine abweichende religiöse oder politische Einstellung, die normalerweise die Arbeitsleistung und damit das Arbeitsverhältnis nicht zu berühren vermag, stelle in Tendenzunternehmen bei den sog. Tendenzträgern die Qualifikation zur Arbeitsleistung in Frage, sobald sie sich in der Arbeitsleistung selbst oder in einem außerdienstlichen Verhalten manifestiere.
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gen kann. Die Ausnahmeklausel des § 9 AGG zugunsten der Kirchen erklärt sich daraus, dass sich die Religionsgemeinschaften durch ihre Personalauswahl nicht in Widerspruch zu ihrer Lehre und ihren tradierten religiösen Werten setzen sollen.228 Sofern man z. B. den religiösen Inhaltskatalog mit einer allgemeinen unternehmerischen Marktausrichtung vergleicht, ergibt sich die Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen eine größtmögliche Glaubwürdigkeit nach außen vermittelt werden soll. Ein der Ausrichtung augenscheinlich widersprechender Arbeitnehmer (etwa der verheiratete Priester in einer katholischen Kirche) würde bei der anvisierten Glaubens„Zielgruppe“ aller Erwartung nach auf Ablehnung stoßen und den Unternehmensbestand nachhaltig negativ beeinflussen. Ähnliches gilt auch bei merkmalsnahen Unterscheidungen, die der Unternehmer auf ein an Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten orientiertes, merkmalsangelehntes Verkaufsprogramm stützt. Auch er ist bestrebt, sich bei seiner Personalauswahl nicht in Widerspruch zu seinem Marktauftritt (z. B. durch einen männlichen Trainer in einem Frauen-Fitnesstudio) zu setzen, sondern diesen für seine eigene Organisation (corporate identity) konsequent zu umzusetzen.229 Soweit man den Tendenzschutz im Diskriminierungsrecht mit dessen materieller Grundlage im Grundgesetz begründet,230 ist bei der Interpretation zu beachten, dass auch der Schutz des Unternehmers über Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich getragen wird. Letztendlich scheitert eine Übertragung der Ausnahmemöglichkeiten aber an der Unvergleichbarkeit der jeweiligen Diskriminierungsschutzbereiche und am Willen des Gesetzgebers, der die weitreichenderen Ausnahmegründe gerade nur für die Bereiche der Differenzierung nach der religiösen Überzeugung geschaffen hat.231 Anerkennenswert bleibt das Ziel des Unternehmens, seine Personalpolitik so zu gestalten, dass hierdurch die autonom gewählte Tendenzausrichtung wirksam umgesetzt werden kann. Es soll auch unter der Herrschaft der Diskriminierungsschutzvorschriften nicht gezwungen sein, sich infolge der (mittelbar) erzwungenen Einstellung eines tendenzfeindlichen Bewerbers mit seiner Leitidee wahrnehmbar in Widerspruch zu setzen.232 So werden jüdische Gemeinden in Deutschland weiterhin Juden bei der Einstellungsentscheidung bevorzugen dürfen, und Gewerkschaften
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Belling (in: NZA 2004, S. 885 (885)) spricht in diesem Zshg. auch von „Unternehmensphilosophie“. Der bes. „Unternehmenszweck“, der verfassungsrechtliche Schutz eben der Tendenzverfolgung und die grds. freie Entscheidung des Arbeitnehmers, sich eben dem Betrieb anzuschließen, erlauben hier die Berücksichtigung von gem. § 1 AGG geschützter Eigenschaften (ähnlich Moritz, NZA 1987, S. 329 (332 f.)). 229 In diese Richtung auch Thüsung/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1146). 230 So Richardi (in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 26), der den Tendenzschutz ebenfalls in die Nähe der allg. unternehmerischen Authentizitätswahrung rückt. Zum Tendenzschutz in der Verfassung vgl.: Art. 9 III, 21, 140 GG. 231 BT-Dr. 16/2022, S. 11 f. Auch Thüsing (in: Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 339) erkennt in § 8 AGG keine allg. Tendenzklausel. 232 Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 227 f.
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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können für ihre Verbandspresse Vertreter (neo-)marktliberaler Auffassungen ablehnen.233 Auch für die Leitung, Repräsentation und Vertretung von merkmalsausgerichteten Interessenverbänden (z. B. Frauen- oder Schwulenverbände, Interessenverbände ethnischer Minderheiten) können Funktionsträger nach einer dementsprechenden Merkmalseigenschaft ausgesucht werden.234 Diese Interessengruppen, welche sich der Betreuung und Integration einer speziellen Schutzgruppe angenommen haben, können ihre nach außen handelnden Stellen, z. B. für hohe Repräsentanten (Vorstände von Vereinen, Geschäftsführer von Interessenverbänden) und anderen zentrale Positionen, etwa im Bereich der Verbandsleitung oder der Mitgliederbetreuung, merkmalsnah besetzen.235 Objektiver Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung ist hier zwar nicht der grundrechtlich geschützte Tendenzschutz, dafür aber die erhöhte Glaubhaftigkeit einer Interessenvertretung im politischen und gesellschaftlichen Umfeld durch eine Person, die sich in einer identischen Interessenlage befindet.236 Gerade den hohen Repräsentanten kommt für die glaubhafte Außendarstellung der Betreuungsleistung und damit der überzeugenden Angebotsverbreitung eine entscheidende Funktion zu.237 Zwar könnte sich z. B. auch ein Mann zum Experten in Frauenfragen entwickeln; die Glaubwürdigkeit einer Frau, die aus persönlicher Erfahrung und eigenem Erleben heraus argumentiert, kann dadurch aber regelmäßig nicht ersetzt werden.238 Demzufolge dürfen z. B. auch Homosexuellen-Verbände traditionell denkende Katholiken ablehnen.239 Auch die Identifikationsmöglichkeit für die Angehörigen der Merkmalsgruppe spielt bei herausgehobenen, repräsentativen Stellungen eine die Differenzierung tragende Rolle. 233
Vgl. Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (27 f.). BT-Dr. 16/1780, S. 35; ArbG München v. 14. 02.2001 NZA-RR 2001, S. 365 (365) – nur weibliche Geschäftsführerin eines katholischen Frauenverbandes; zust. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 31; Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 64; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 1. In diese Richtung a. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 32; Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 70; Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 4; hinsichtlich einer Beschäftigung Älterer bei den „Grauen Panthern“: Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 55. Vorsichtig Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 35 – allenfalls bei wesentlichen oder leitenden Positionen innerhalb des Verbands; a. A. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 114. 235 Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 59 – Stellen mit gesteigerter Öffentlichkeitswirkung. In diese Richtung a. Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83. In diesen Fällen würde ein Verzicht auf eine differenzierende Personalauswahl den Zuspruch und die Akzeptanz seitens der (potenziellen) Verbandsangehörigen, deren Interessen vertreten werden sollen, gefährden. 236 Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25; Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 70. 237 Z. B. die gezielte Einstellung eines türkischen Geschäftsführers bei einem Verein für Türken in Deutschland mit dem Ziel, Missstände bei der Integration aufzuzeigen und zu überwinden (Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 21 – das Interesse an einer „authentischen“ Interessenvertretung überwiege hier – nicht jedoch bei der Besetzung einer Stelle als Sekretär/-in; ebenso Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 12). 238 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 31. 239 Vgl. Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (27 f.). 234
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
b) Potentiale unternehmerischer Freiheit bei der Anwendung vorurteilsfreier Benachteiligungen mittels marktbestimmter Maßnahmen Die Diskriminierungsverbote haben gemeinsam zum Ziel, Vorurteile gegenüber potenziell von Diskriminierung betroffenen Merkmalsträgern im Hinblick auf sämtliche rechtserheblichen Entscheidungen des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis betreffend zu eliminieren.240 Die von den Verboten betroffenen privaten Unternehmen, die an Rechtssicherheit241 und Vertrauensschutz242 interessiert sind, müssen abschätzen können, welche rechtlichen und praktischen Folgen hierdurch auf sie zukommen und entsprechend disponieren können.243 Demnach sind die Diskriminierungsverbote dahingehend zu präzisieren, dass sie sich nur gegen solche Benachteiligungen richten, die von der Voreingenommenheit des Arbeitgebers gegenüber Merkmalsträgern geprägt sind. Anhand der oben (im Kapitel § 5) aufgezeigten Problemfälle soll nunmehr versucht werden, die Vorurteilsfreiheit als Grenze der Anerkennung von nach geschützten Merkmalen differenzierender nachfrageorientierter Unternehmenspolitik einzelfallbezogen nachzuzeichnen und verbleibende Differenzierungspotentiale kategorisch aufzuzeigen.244 aa) Entscheidende berufliche Anforderungen Dem Arbeitgeber sind Unterscheidungen nach geschützten Merkmalen entsprechend der gesetzlichen Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 1 AGG dort erlaubt, wo ein Arbeitnehmer, der den Merkmalsanforderungen nicht entspricht, nicht einmal die physisch-reale Möglichkeit besäße, die konkrete Tätigkeit überhaupt auszuüben. Darüber hinaus in den Bereichen, in denen bei strikter Durchsetzung von Diskriminierungsschutz Leib und Leben anderer gefährdet werden würde oder bei denen die 240
s. o. unter § 5 A. II. 1., 2., § 7 A. I. Vgl. zu diesem Grds.: EuGH v. 10. 02. 2000 NZA 2000, S. 313 (316) (Deutsche Telekom); v. 16. 05. 2000 NZA 2000, S. 889 (890) (Preston); BVerfG v. 03. 12. 1997 BVerfGE 97, S. 67 (79); v. 14. 01. 1987 BVerfGE 74, S. 129 (152). Zum Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit s. BVerfG v. 26. 07. 2005 BVerfGE 114, S. 1 (53); v. 20. 04. 2004 BVerfGE 110, S. 304 (321). 242 Vgl. hierzu EuGH v. 27. 01. 2005 ZIP 2005, S. 230 (230 ff.) (Junk); (einschränkend) v. 13. 04. 2000 EuGH Slg. 2000 I-2737 (2783) (Karlsson); BVerfG v. 03. 12. 1997 BVerfGE 97, S. 67 (79); v. 08. 06. 1977 BVerfGE 45, S. 142 (168); BAG v. 23. 03. 2006 NZA 2006, S. 971 (975); LAG Rheinland-Pfalz v. 26. 06. 2007 AuA 2007, S. 687 (687). Krit. im Hinblick auf die Diskriminierungsschutzbestimmungen: Podlech, in: AK-GG, Art. 2 I, Rn. 19a; Richardi, NZA, Beil. Heft 18/2004, S. 12 (14); a. A. offenbar Riesenhuber/Domröse, NZA 2005, S. 568 (569). Grdl. Larenz/Wolf, AT BR, § 2, Rn. 32 ff. 243 So Herms/Meinel, DB 2004, S. 2370 (2373); Klumpp, NZA 2005, S. 848 (850) – dies gebiete auch der Präventionszweck der Richtlinien; Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (569) zum europarechtlichen Standpunkt. 244 Vgl. insoweit a. die Fallgruppenbildung bei Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (388 ff.). 241
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Differenzierung allgemein der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient.245 Hier geht es dem Arbeitgeber angesichts dieser hochrangigen Schutzziele um zwingende Anforderungen an die objektive Tauglichkeit des Arbeitnehmers für die vorgesehene Arbeitsaufgabe. Eine Ablehnung erfolgte hier nicht aufgrund von Vorurteilen, sondern sie hat einen strikten objektiven Eignungs- und Pflichtenbezug, so dass die Differenzierung jeweils „entscheidend“ im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG für die Tätigkeit ist. bb) Merkmalseigenschaft als zentraler Leistungsbestandteil (1) Entgegen der herrschenden Ansicht liegen in den „klassischen“ Ausnahmefällen, bei denen der Arbeitnehmer gerade für seine Merkmalseigenschaft bezahlt wird, dies also zentraler Bestandteil seiner entgoltenen Leistung ist,246 keine wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderungen im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG vor.247 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang als wichtigste Beispiele Schauspielrollen am Theater oder im Fernsehen248, Stellen für Mannequins249, Sänger250, Tänzer251 oder Erotik-Darsteller252, die jeweils mit Arbeitnehmern eines bestimmten Geschlechts, 245 Vgl. hierzu bereits o. unter § 7 A. II. 4. b). s. a. Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 57; BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008, S. 99 (102). 246 Zu dieser Kategorisierung Roesner, AGG, Kap. D, S. 230; Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322). Es müsse sich um die eigentliche Aufgabe der Arbeitnehmers handeln (Bauer/Göpfert/ Krieger, AGG, § 8, Rn. 23 f. unter Hinw. auf den amerik. „essence of the business“-Test). Entscheidend soll hier sein, ob das merkmalsbedingte Erscheinungsbild in die auszuübende Tätigkeit miteinbezogen wird oder ob die Tätigkeit eine merkmalsnahe Zielgruppe prägend für die Tätigkeit ist (vgl. Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 22). 247 Für eine Einordnung unter die Ausnahmetatbestände u. a. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26, 48, 52; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 35. 248 Für die differenzierende Besetzung männlicher oder weiblicher Rollen am Theater oder im Fernsehen vgl. BT-Dr. 8/3317; BArbBl. 11/1987, S. 40; Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 179. Zur Besetzung der Rolle des „jugendlichen Liebhabers“ s. Bertelsmann, ZESAR 2005, S. 242 (243); Schrader, DB 2006, S. 2571 (2573). s. a. Voggenreiter, in: Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 21; Lingemann/Müller, BB 2007, S. 2006 (2011). Im U.S.-Recht vgl. Wilson vs. Southwest Airlines Co., 517 F.Supp. 292 (N.D.Tex. 1981); EEOC vs. JoeÏs Stone Crab, Inc., 220 F.3d 1263 (11th Cir. 2000). A. A. Perreng, FA 2003, S. 293 (295). 249 Siehe nur LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008 ZTR 2008, 500 (501) (anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08); Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 48; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 137. 250 Vgl. etwa Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 151; Richardi, ZfA 2008, S. 31 (47); Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322). 251 BAG v. 01. 07. 1993 AP Nr. 36 zu § 123 BGB; v. 15. 10. 1992 AP Nr. 8 zu § 611 a BGB; 21. 02. 1991 AP Nr. 35 zu § 123 BGB; Richardi, NZA 2006, S. 881 (883). 252 Z.B. des Playboy-Bunnies vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 25; WendelingSchröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 10. Eine Unterscheidung sei möglich, wenn sexuelle Reize im Zentrum der geschäftlichen Aktivitäten stünden (Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (389)). Ähnlich Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 35. Im U.S.Recht: St.Cross vs. Playboy Club, Case No. CSF 22618 – 70, Appeal No. 773 (N.Y. State Div. Of Human Rights, 1971); Bohemian Club 187 Cal. App. 3 d at 21, 231 Cal. Rptr. At 781 – 82 (client
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
eines bestimmten Alters, einer bestimmten Hautfarbe bzw. mit (nicht)behinderten Arbeitnehmern besetzt werden sollen. Allen Konstellationen ist gemeinsam, dass die physisch-reale Möglichkeit der Berufsausübung für die Bewertung der Ausnahmemöglichkeit jeweils keine Rolle spielt. Vielmehr könnte tatsächlich auch ein (gegebenenfalls zierlicher) Mann als Tänzer in einer CanCan-Vorstellung auftreten oder sich im Playboy-Magazin ablichten lassen. Damit kommt eine Subsumtion dieser Sachverhalte unter die eng auszulegenden Ausnahmetatbestände nicht in Betracht.253 (2) Dennoch ist der überwiegenden Meinung darin zu folgen, dass in diesem Bereich differenzierende Anforderungsprofile zuzulassen sind.254 Denn der Unternehmer entspricht mit seiner selektiven Personalmaßnahme lediglich den Mindestanforderungen, die einen potenziell erfolgreichen Marktauftritt erst durchführbar machen. Die Beschäftigtenauswahl muss nach dem Merkmal differenzieren, um überhaupt sinnvoll eine wirksame Orientierung an eine Nachfragekategorie und damit einen Absatzerfolg erzielen zu können.255 Diese gemeinhin anerkannten Sonderfälle sind als Ausdruck eines legitimen und schützenswerten unternehmerischen Interesses zu verstehen. Der Arbeitgeber verfolgt hier jeweils das grundlegende und alleinige Ziel, seine Verkaufsidee erfolgreich am Markt zu platzieren. Dabei benötigt er für seine Außendarstellung Mitarbeiter, mit denen er das Ziel wirksam erreichen kann. Die Evidenz der Zulässigkeit genannter Ausnahmesituationen folgt daraus, dass sich der in Aussicht genommene Marktauftritt generell nicht verwirklichen ließe, sofern dem Unternehmer die Differenzierung versagt werden würde. Augenscheinlich kann eine weibliche Schauspielrolle in einer Fernsehserie grundsätzlich nicht mit einem Mann besetzt werden, ohne dabei auf Ablehnung beim Großteil des Publikums zu stoßen, weil schon das angestrebte Verständnis der Rollenfigur infolge der „Fehlbesetzung“ in der Regel nicht mehr vermittelt werden könnte. Ein weiblicher Charakter könnte so nicht tiefgründig dargestellt und eine Liebesszene nicht ernsthaft gespielt werden. Ebenso könnte die Rolle des Hauptdarstellers in einer Biographie über Carl Lewis nicht überzeugend von einem behinderten, etwa querschnittsgelähmten, Schauspieler ausgefüllt werden.256 Auch die Besetzung der Rolle des Martin Luther
preference for male service personnel, based upon the supposed „inhibiting effect women employees might have on men“ in a private club, cannot make sex into a BFOQ). 253 s. o. unter § 7 A. II. 4. b). 254 Vgl. nur BT-Dr. 8/3317; BArbBl. 11/1987, S. 40; Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 179. Aufgrund des weitgehenden Konsenses spricht die Lit. in diesen Fällen auch von einer Orientierung „am gesunden Menschenverstand“ bzw. von einer Ausnahmemöglichkeit „aus der Natur der Sache“. Vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4 – bzgl. Fälle, in denen ein anderer Arbeitnehmer die verlangte Tätigkeit „per se“ nicht leisten könne. Grdl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334. Im U.S.-Recht: EEOC vs. JoeÏs Stone Crab, Inc., 220 F.3d 1263 (11th Cir. 2000). 255 In diese Richtung a. Annuß/Rupp, in: HWK, § 8 AGG, Rn. 2. 256 In diese Richtung etwa Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 38, nicht jedoch die Ablehnung eines gehbehinderten Opernsängers, wenn nicht ein besonderes künstlerisches Konzept eine bestimmte Besetzung erfordere.
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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King257 oder des Malcom X in einem Kinofilm mit einem (gegebenenfalls geschminkten) weißen Schauspieler könnte dem Anspruch des Films, nämlich die Darstellung des Anti-Diskriminierungskampfes der schwarzen Bevölkerung in den USA, nicht ernsthaft gerecht werden. Der Teil der Literatur, der in diesem Zusammenhang darauf hinweist, der weiße Schauspieler, der sich für die Rolle eines Schwarzen bewirbt, müsse sich an seinen künstlerischen Fähigkeiten messen lassen und nicht an seiner Hautfarbe,258 verkennt, dass zentrale Botschaften von filmischen Werken über die anschauliche, detailgetreue optische Wirkung vermittelt werden, die auch mit einer guten schauspielerischen Leistung bzw. einer künstlichen äußerlichen Veränderung des Aussehens nicht kompensiert werden könnte.259 Ebenso könnten junge Hip-HopMode nicht durch 60-jährige Models und Ballkleider nicht überzeugend von Männern auf einer Modenschau bzw. in einem Katalog vorgeführt werden.260 Gleichfalls wäre es einem Opernregisseur verwehrt, eine ansprechende und erfolgreiche Inszenierung der Zauberflöte darzubieten, wenn er nicht die Sopran-, Mezzosopran- und Alt-Stimmen gezielt mit Frauen, bzw. die Tenor-, Bariton- und Bass-Stimmen mit männlichen Sängern besetzen könnte. Ferner würde der Salsa-Auftritt einer Tanzschule zu Werbezwecken, der mit zwei Männern besetzt wäre, allenfalls zu Belustigung führen, jedenfalls aber keine seriöse tänzerische Ausbildungsleistung wirksam versprechen können. Schließlich würde auch die Darstellung eines nackten Mannes im Playboy-Magazin die Grundidee des Produktes – dem Verkauf einer Zeitschrift an männliche Leser mittels erotischer Reize – konterkarieren. Sämtlichen Fällen ist mithin gemeinsam, dass bereits die Geschäftsdurchführung durch das Wirken der Diskriminierungsverbote zwar nicht physich-real oder rechtlich unmöglich gemacht, wohl aber tatsächlich derart beeinflusst wäre, dass der Geschäftsauftritt von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Der Unternehmer trifft hier gerade deshalb eine selektive Personalauswahl, weil er überhaupt nur so eine Erfolgschance für seinen angestrebten Marktauftritt erreichen kann. Ein erfolgreicher Marktauftritt wäre ihm zumindest faktisch unmöglich gemacht, da der Arbeitgeber den Auftritt mit seinem Arbeitnehmer ansonsten der Lächerlichkeit preis geben müsste.261 Jedenfalls stieße er bei verständiger Würdigung der Umstände – entgegen dem von ihm verfolgten Zweck – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf offene Ablehnung
257
Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 20. Vgl. Annuß, BB 2006, S. 1629 (1632); Perreng, FA 2003, S. 293 (295) – z. Zt., als „Othello“ geschrieben wurde, sei die Rolle auch von einem Weißen gespielt worden; ebenso Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14 – traditionell würden in Deutschland auch Farbige durch Weiße dargestellt; a. A. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 40; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25 – bei entsprechender Entscheidung des Regisseurs. 259 Vgl. auch Waltermann, ZfA 2007, S. 305 (315); ders., NZA 2005, S. 1265 (1267) – wer Felix Krull spielt, könne nicht 60 sein. 260 Vgl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33. 261 Etwa im Falle der Vorführung von Dirndl-Mode auf einer Modenschau durch einen Dressman. 258
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und Unverständnis bei der Kundschaft.262 Die jeweils zu erwartende ausbleibende Kundenakzeptanz machte einen Marktauftritt a priori sinnlos. Die konkret beabsichtigte, auf ein bestimmtes Marktsegment zielende Berufswahl wäre dem Unternehmer somit aufgrund des Fehlens jeglicher Etablierungschance auf dem Wettbewerbsmarkt faktisch versagt.263 Als entscheidender Beurteilungsmaßstab für die Beschränkung unternehmerischer Freiheit und Ausdruck der Abhängigkeit des Unternehmers von Nachfragepotentialen in einem marktwirtschaftlichen System kann nur das Interesse des Arbeitgebers an einem freien Marktauftritt dienen. Maßgebend ist dann, wie sich die Merkmalseigenschaft auf die Ausschöpfung von Marktmöglichkeiten auswirkt.264 Abzustellen ist insoweit auf einen durchschnittlichen objektiven Erwartungshorizont. Demzufolge darf der Unternehmer die Erfolgschancen des Marktauftritts nach den gewöhnlich zu erwartenden Umständen bemessen und braucht sich nicht Ausnahmereaktionen, wie etwa die mögliche Begeisterung des Publikums für einen 90-jährigen Don Juan-Darsteller, entgegenhalten zu lassen. Die Bedienung der anvisierten Zielgruppe (z. B. heterosexuelle Männer durch das Playboy-Magazin) wäre unter Anwendung der Anti-Diskriminierungsregeln in den zuvor diskutierten Fällen jedenfalls verwehrt.265 Damit sieht sich die unternehmerische Freiheit hinsichtlich eines Kernaspektes beschränkt. (3) Diese Beeinträchtigung des freien Marktauftritts und damit des Wesens unternehmerischer Betätigungsfreiheit wäre hier nicht durch das Eingreifen höherrangiger Diskriminierungsschutzziele gerechtfertigt, wenn die Diskriminierungsverbote bereits nicht geeignet wären, diese Ziele zu verwirklichen. Der grundlegende Zweck der Verbote – die Bekämpfung und Überwindung von herabsetzenden Maßnahmen, welche mit Vorurteilen belastet sind, die mit einem geschützten Merkmal verbunden sind266 – könnte dann nicht erreicht werden, sofern die merkmalsorientierte Auswahl der Personalmaßnahme nicht mit einer Voreingenommenheit des Arbeitgebers gegenüber Merkmalsträgern in Verbindung steht. Fraglich ist nunmehr im Hinblick 262
s. insoweit bereits o. unter § 7 C. I. 2. b) aa) (2) (b). Thüsing beschreibt den Bereich folgerichtig als tatsächliche Unverzichtbarkeit im eigentlichen Sinne, in den v. a. Fälle biologischer Notwendigkeit fallen, in denen der Arbeitgeber die Stelle zwingend hätte unbesetzt lassen müssen, wenn sich nur Bewerber ohne die gewünschte Merkmalseigenschaft gemeldet hätten (s. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322)). 264 Richardi, in: Staudinger (1999), § 611 BGB, Rn. 159 stellt (diesem Aspekt nachgelagert) auf das Interesse am Leistungsvollzug des Arbeitsverhältnisses ab. Ähnliches dürfte dort gelten, wo ein unternehmerischer Beruf wesensgemäß auf die Mitarbeit ganz bestimmter Arbeitnehmer angewiesen ist. Dass ein Unternehmer, dem das Recht genommen würde, Arbeitnehmer nach seiner Wahl einzustellen, auch in seiner freien Berufswahl beschränkt werden kann, wird gerade in diesen beiden Fällen deutlich. Denn mangels entsprechender Austauschbarkeit oder entspr. Beliebigkeit, welche Arbeitnehmer eingestellt werden, „schlägt“ die Unmöglichkeit einer entsprechend freien Berufsausübung direkt in eine Beschränkung der freien Berufswahl „um“. Generell abl. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5 unter Hinw. auf die Umgehungsrisiken. 265 Ähnlich für das Personal in einer von Männern besuchten Nachtbar Kaehler, NZA 2006, S. 519 (538). 266 s. o. unter § 7 A. I. 2., II. 6. 263
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auf den Schutzzweck der verschiedenen Diskriminierungsverbote, inwieweit von der differenzierenden Regelung überhaupt eine irgendwie herabsetzende Wirkung ausgeht, da sich die Verbote nur gegen die irrationale Berücksichtigung pauschalierender Vorurteile wenden, aber nicht gegen die Ausschöpfung einzelner Marktsegmente. Insofern ist entscheidend, ob sich die merkmalsangelehnte Unterscheidung in den vorgenannten Fällen objektiv (eignungsbezogen) begründen lässt.267 In den Beispielen zur Besetzung von Schauspielrollen ist der objektive Anknüpfungspunkt die Originalvorlage bzw. das Drehbuch, die einer Rolle ein bestimmtes Geschlecht, ein bestimmtes Aussehen oder eine Eigenschaft zuweisen. Zu berücksichtigen ist hier zudem jeweils der Anspruch des Regisseurs, historische oder künstlerische Stoffe möglichst originalgetreu umzusetzen, um die Botschaft bzw. Intention des Werkes vermitteln zu können.268 Bei der Besetzung bestimmter Sangesrollen gilt Ähnliches für die Vorlage des Gesangsstückes; im Übrigen ergibt sich aus der allgemein anerkannten Zuweisung von Stimmlagen zu einem bestimmten Geschlecht ein objektiver Ansatzpunkt für eine differenzierende Personalentscheidung. Auch die traditionelle Ausübung des Paartanzes durch einen Mann und eine Frau oder die ganz überwiegend heterosexuelle Ausrichtung der Playboy-Leserschaft, die ausschließlich auf weibliche sexuelle Reize positiv reagiert, stellen insoweit objektive Anhaltspunkte dar, die ihrerseits selbst keinen herabsetzenden Charakter aufweisen.269 Dabei ist der Anknüpfungspunkt jeweils unmittelbar mit der Geschäftsidee, d. h. mit dem eigentlichen Marktauftritt (z. B. einer bestimmten schauspielerischen Darstellung) verbunden.270 Somit besteht in allen Fällen ein objektiver Merkmalsbezug, der die gewinnträchtige Umsetzung der jeweiligen Geschäftsidee unmittelbar bedingt.271 Mangels Vorurteilsbelastung der differenzierenden Maßnahme sind die Diskriminierungsverbote hier bereits ungeeignet, um ihren Normzweck – die Bekämp267
Thüsing (in: RdA 2001, S. 319 (322)) spricht insoweit a. von Fällen der Authentizitätswahrung als Unterfälle tats. Unverzichtbarkeit im eigentlichen Sinne i.S. einer ausnahmslos zu rechtfertigenden Stufe möglicher Ungleichbehandlung. In diesen Fällen folge die Besetzung einer Stelle nach objektiven Maßstäben. 268 Ohne auf aufwendige Kompensationsmaßnahmen (etwa der aufwendigen Maskenbildung bei einem weißen Schauspieler für die Rolle eines Schwarzen) zurückgreifen zu müssen. In diese Richtung a. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 40; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25. 269 Vgl. insoweit LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NJW 1998, S. 1429 (1429). 270 Unter dieser Voraussetzung hat das Auswahlkriterium jew. einen hinreichend engen Tätigkeitsbezug, der nachweislich den Erfolg der Tätigkeit wesentlich bestimmt. Nach diesem Maßstab wird eine Unterscheidung nach dem Geschlecht bspw. dort möglich, wo sexuelle Reize im Zentrum der geschäftlichen Aktivitäten stehen (vgl. Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (389)); etwa für eine Ausnahme für das „Playboy-Bunny“: Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 25; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 10. Ebenso für „Oben-Ohne“-Tänzerinnen oder für einen „live girls chat 1-2-1“: Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 14; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 12. 271 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4 spricht insoweit von direkten beruflichen Anforderungen, bei denen das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, die Art der Tätigkeit zu bestimmen, mit der konkreten Ausgestaltung des Stellenprofils direkt zusammenfalle.
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fung von auf Voreingenommenheit beruhenden Maßnahmen – zu erfüllen, so dass der Anwendungsbereich der Verbote um diese Fälle teleologisch zu reduzieren ist. (4) Die Ausnahme der freien unternehmerischen Entscheidung vom Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote ist sowohl hier als auch in den nachstehenden Fallgruppen umfassend zu verstehen. Sie betrifft jede Phase des Arbeitsverhältnisses. Die Freiheit zur Verfolgung des Marktauftritts muss daher nicht nur im Rahmen der Einstellungsentscheidung, sondern auch im Fortlauf des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden, etwa wenn der Arbeitgeber sein Direktionsrecht in diese Richtung betätigt.272 Dementsprechend kann eine Modelagentur, die für die Besetzung einer Modenschau für Damenmode engagiert wurde, nicht nur weibliche Models bevorzugt einstellen, sondern auch im Rahmen der bereits bestehenden Beschäftigungsverträge vorrangig weiblichen Mannequins diese Arbeitsaufgabe zuweisen. Der Arbeitgeber wird auch nicht dauerhaft ein Arbeitsverhältnis aufrechterhalten müssen, das er nach seinem gewünschten Außenauftritt nicht benötigt.273 Wenn sich also eine Agentur im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheit dazu entschließt, künftig, anders als bisher, nur noch Modenschauen für Damenmode mit Personal beschicken zu wollen, kann sie unter Beachtung der allgemeinen Kündigungsvoraussetzungen gezielt alle bei ihr angestellten männlichen Modelle entlassen. Diese Grenze ist im laufenden Arbeitsverhältnis zumindest dann anzuerkennen, wenn dem Arbeitgeber keine zumutbaren milderen Alternativmaßnahmen zur Verfügung stehen (etwa der einvernehmliche Einsatz des betroffenen Arbeitnehmers im Hintergrundbereich) und der Konflikt zwischen dem Interesse des Arbeitgebers mit der Merkmalseigenschaft des Arbeitnehmers bei Abschluss des Arbeitsvertrags für den Arbeitgeber nicht erkennbar war.274 272 Wenn er bspw. den Mitarbeitern zur glaubhaften Imagedarstellung eine negativ gefasste Kleidungsvorschrift in Bezug auf das Tragen religiöser Symbole untersagt. Ähnlich Thüsing, JZ 2006, S. 223 (223). Differenzierend Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379). Zur Bedeutung dieser Grundsätze, die auf allen Ebenen und in jeder Phase der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung wirken, vgl. Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 16; Larenz/Wolf, AT BR, § 1 I 1, Rn. 2 ff., § 2, Rn. 17 f.; Medicus, AT BGB, § 17, Rn. 176; Bepler, NZA, Beil. Heft 18/ 2004, S. 3 (7 f.); Löwisch, ZfA 1996, S. 293 (294); Picker, in: Recht und Freiheit, 2003, S. 25 (25 f.); Stoffels, NZA 2000, S. 690 (691) („Konsensprinzip“); s. a. Säcker, ZEuP 2006, S. 1 (1). Die Gesetzesbegründung zum AGG erkennt dies freilich ausdr. nur für das allg. Zivilrecht an (s. BT-Dr. 16/1780, allg. Begründung zu Abschnitt 3 AGG). 273 Dies widerspräche dem Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses (Quecke, in: HWK, § 1 KSchG, Rn. 288). 274 Zu diesen Einschränkungen vgl. BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (960); BAG v. 22. 05. 2003 NZA 2004, S. 399 (399); v. 20. 12. 1984 NJW 1986, S. 85 (85 f.); LAG Hamm v. 18. 01. 2002 NZA 2002, S. 675 (677); Hoevels, NZA 2003, S. 701 (702); Hunold, NZA 2000, S. 802 (805 f.). Vgl. a. § 81 IV 1 Nr. 1 SGB IX. Diese Grundsätze haben auch dann zu gelten, wenn sich die Ungeeignetheit des Arbeitnehmers aus einer im Zshg. mit dem geschützten Merkmal stehenden Schutzvorschrift ergibt (ebenso Jacobs, ZfA 2002, S. 679 (697); Kamanabrou, Anm. zu EuGH v. 04. 10. 2001 EzA § 611a BGB Nr. 16 (Tele Danmark), S. 24 ff.; a. A. Brors, Anm. zu BAG v. 27.03.3003 (SAE 2004, S. 41 ff.), SAE 2004, S. 43 (45); Hanau, in: Gs. Kahn-Freund (1980), S. 457 (470)). § 8 II AGG (entspr. § 612 III BGB a. F.) bezieht sich ausdr.
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(5) Demgegenüber sind das Bestehen von Vorurteilen und damit das Eingreifen der Diskriminierungsverbote anzunehmen, sofern die differenzierende Entscheidung mit Unterschieden begründet wird, die für die Umsetzung der Geschäftsidee unerheblich sind. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn für die Rolle eines asiatischen Statisten ein asiatisch aussehender Deutscher abgelehnt und nur aus Asien stammende Arbeitnehmer akzeptiert werden würden.275 Hier ließe sich kein objektiver Anknüpfungspunkt für die konkrete Differenzierung finden, der die erfolgreiche Umsetzung des Marktauftritts als solche bedingen könnte. Auch in den Fällen einer sogenannten anreizbezogenen Geschäftsausrichtung, in denen die besondere Attraktivität einer Personengruppe für die Anbahnung von Kundenbeziehungen ausgenutzt werden soll („sex sells“), greifen die Diskriminierungsverbote Platz:276 Zwar könnte auch im Falle der Besetzung der Stellen für Fernsehansagen277, im Hostessenwesen auf Messen278, bei Bewirtungen279 oder von Servicepersonal im Flugverkehr280 mit jungen blonden Damen darauf abgestellt werden, dass deren Akzeptanz bei den männlichen Kunden nachweislich erhöht wäre.281 Indessen führte der Verzicht auf die Unterscheidung hier gerade nicht dazu, dass die Erfolgschance des Marktauftritts an sich – z. B. die Beförderung von Flugpassagieren – beeinträchtigt wäre.282 Es steht erfahrungsgemäß zu erwarten, dass die männlichen Passagiere auch einen Steward – wenn auch u. U. ein wenig enttäuscht – akzeptieren und dessen Serviceleistungen annehmen werden. Die in der Regel heterosexuelle Ausrichtung männlicher Flugpassagiere führt gerade nicht zu einem objektiven Merkmalsbezug, der die gewinnträchtige Beförderung von (männlichen) Flugpassagieren unmittelbar bedingt.283 Hier fehlt die unmittelbare nur auf die Vergütung (vgl. Richardi, NZA 2006, S. 881 (886 f.)). s.a. Hueck/Nipperdey, § 69, S. 719, 725, 733. 275 In diese Richtung Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26. 276 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 9. 277 Vgl. Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 9. 278 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42, es müsste nach „host/hostess“ gesucht werden. 279 Vgl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 23, 36. 280 Gamillscheg, in: FS Floretta (1983), S. 171 (178). Im US-Recht: Wilson vs. South-west Airlines 517 F. Supp. 292 (N.D. Tex. 1981); Diaz vs. Pan American, 442 F.2d 385 (5th Cir. 1971): weibl. Geschlecht jew. keine BFOQ für Flugbegleitung. 281 Sobald man den Zweck der beruflichen Tätigkeit also dahingehend erweiterte, dass der Arbeitnehmer von den Kunden angenommen werden solle (Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (387)), diente die Unterscheidung auch hier der Umsetzung eines speziellen Marktauftritts. 282 Im Hinblick auf das Stewardess-Beispiel wird gleichsam darauf hingewiesen, dass es auch nach dem US-amerik. Maßstab („essence-of-the-business-test“) darauf ankomme, ob das eingeforderte Merkmal von der eigentlichen Tätigkeit gefordert wäre. Dies sei nicht der Fall, weil im Zentrum der geschäftlichen Tätigkeit der Transport mit dem Flugzeug und der damit verbundene Service stünden (so Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (387) u. Hinw. auf Yuracko 92 Calif. L. Rev. 147 (2004) – Untergiebigkeit des „essence-of-the-business-test“). 283 I. Erg. eine Unterscheidungsmöglichkeit ebenfalls abl. Roesner, AGG, Kap. A, S. 12, Kap. B, S. 115 (Aussehen keine Grundvoraussetzung); Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327); Müller, DÖD 2007, S. 73 (81); Richardi, NZA 2006, S. 881 (883); Wisskirchen, DB 2006,
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Verbindung zwischen dem eigentlichen Marktauftritt und dem Anknüpfungspunkt für die differenzierende Maßnahme, so dass davon auszugehen ist, dass eine solche Maßnahme auf Vorurteilen beruht, welche durch die Diskriminierungsverbote gerade ausgeschlossen werden sollen.284 Das vom Unternehmer anvisierte Kundensegment (männliche Flugpassagiere) kann also auch ohne differenzierende Betrachtung weiterhin bedient werden, ohne dass mit einer breiten Ablehnung zu rechnen ist.285 Allgemein lässt sich in diesem Zusammenhang auch anführen, dass die Differenzierung hier auf der Popularität der traditionellen Rollenerwartung beruht, weil der Arbeitgeber auf Kundenerwartungen reagiert und eine Stelle aus wirtschaftlichen Überlegungen vorzugsweise „sozial rollengerecht“ besetzen möchte.286 Ein solcher Rollenbezug ist jedoch gerade unerheblich, da er mit der objektiven Eignung des Arbeitnehmers für die Tätigkeit als solcher in keiner relevanten Beziehung steht.287 cc) Unterscheidungen aus sittlichen, therapeutischen, fürsorgerischen oder pädagogischen Gründen (1) Ähnlich der vorgenannten Fallgruppe soll nach herrschender Meinung auch eine Fixierung auf ein bestimmtes Merkmal (insbesondere Geschlecht und ethnische Herkunft) aus sittlichen, therapeutischen, fürsorgerischen oder pädagogischen Gründen zulässig sein.288 Nach hier vertretener Ansicht lassen sich diese Sachverhalte S. 1491 (1492)). Ähnlich Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 21, die jedoch darauf hinweisen, dass Frauen dennoch für den Job der Flugbegleitung besser geeignet sein könnten. Zu den Grenzen a. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 29; Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320) unter Hinw. auf eine abl. Entscheidung des ArbG Hamburg v. 07. 03. 1985 DB 1985, S. 1402 (1402): Benachteiligung wg. des weibl. Geschlechts nicht zulässig für die Tätigkeit eines Verkäufers von Landmaschinen, wenn ein Hersteller weibliche Verkäuferinnen deshalb ablehnt, weil die persönliche Kontaktpflege mit in- und ausländischen Kunden männlichen Geschlechts die Teilnahme an Vergnügungen erfordere, die einer Frau nicht zugemutet werden könnten (zust. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42). Zu weitgehend daher Raab, in: Soergel, BGB, § 611a, Rn. 37. 284 Krause formuliert diesbezüglich die Forderung, dass durch die Qualität der Produkte bzw. Dienstleistungen überzeugt werden und nicht durch Stimulierung überredet werden solle (Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (389) unter Hinw. auf Bartlett 92 Mich. L. Rev. (1994), S. 2541 (2578 f.)). 285 Daher sind die Kundenpräferenzen in diesen Fällen zwar nachvollziehbar, können das mit dem Anti-Diskriminierungsrecht verfolgte Schutzziel jedoch nicht überwiegen (Bauer/ Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 13). 286 Vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4. 287 Der Rollenbezug soll durch die Diskriminierungsverbote gerade aufgehoben werden, vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4; s. a. Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 7 – maßgebliches Abgrenzungskriterium sei, ob Personen, die ein Merkmals des § 1 AGG tragen, für den Arbeitgeber den Zweck ihrer Tätigkeit gleichermaßen erfüllen können. 288 Vgl. Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 26; Rolfs, Arbeitsrecht, § 611a BGB, Rn. 17; Richardi, NZA 2006, S. 881 (883 f.). Vgl. a. EuGH v. 08. 11. 1983 Slg. 1983, S. 3431 (3449) (Vereinigtes Königreich). Speziell zur Aufrechterhaltung eines so-
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ebenfalls nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 1 AGG subsumieren, weil das Fehlen der gewünschten Merkmalseigenschaft auch hier dem Arbeitnehmer nicht dessen (physisch-reale) Befähigung zur Erfüllung der beruflichen Pflichten nimmt. So wäre z. B. auch ein männlicher Angestellter an sich ohne weiteres in der Lage, in einer Damensauna die Aufgüsse zu machen, so dass der Anforderung des weiblichen Geschlechts keine „entscheidende“ Bedeutung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG zukäme. (2) Allerdings könnte auch in diesem Zusammenhang eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Diskriminierungsverbote um solche Fälle in Betracht kommen. Dafür müsste der Verzicht des Arbeitgebers auf eine differenzierende Personalmaßnahme zur Undurchführbarkeit seines Marktangebotes führen; außerdem dürfte die Unterscheidung nicht auf merkmalsbasierenden Vorurteilen beruhen, sondern müsste sich auf objektive Anhaltspunkte stützen, die ihrerseits keinen herabsetzenden Charakter aufweisen. Im Bereich der körperbezogenen Dienstleistungen wird oftmals die Intimsphäre der Kunden bzw. Patienten berührt. Aus diesem Grund besteht in diesen Konstellationen das dringende Bedürfnis des Unternehmers, sein Angebot so auf die Kundenbedürfnisse auszurichten, dass der Schutz dieser Sphäre so weit wie möglich gewahrt wird.289 Auch hier dient die Anerkennung einer Differenzierungsmöglichkeit letztendlich dem Geschäftsinteresse des Unternehmers, der sein Produkt oder seine Dienstleistung nur dann mit Aussicht auf Erfolg am Markt anbieten kann, wenn er im Rahmen seines Angebots den Schutz der Intim- oder auch Privatsphäre von Patienten, Betreuten oder auch Kunden ausreichend gewährleistet.290 Daher können bei der Betreuung Jugendlicher eines bestimmten Geschlechts Pflege- und Aufsichtspersonen nach ihrem Geschlecht ausgewählt werden, sofern die Betreuung den Privatzialpädagogischen oder therapeutischen Konzepts vgl. BArbBl. 11/1987, S. 40. Zweifelnd LAG Düsseldorf NZA-RR 2002, S. 345; Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 662. A. A. Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. B, Rn. 147. Z. T. wird im U.S.-Recht dort eine Ausnahme gemacht, wo entweder die Wahrung der Intimsphäre des Kunden die Beschäftigung eines Arbeitnehmers mit einem best. Merkmal (z. B. Geschlecht) erfordert, vgl. Fesel vs. Masonic Home of Del., Inc., 447 F.Supp. 1346 (D. Del. 1978); Backus vs. Baptist Medical Center, 510 F. Supp. 1191 (E.D. Ark. 1981); Brooks vs. ACF Industries, 537 F. Supp. 1122 (S.D.W. Va. 1982); Jennings vs. N.Y. State Office of Mental Health, 786 F. Supp. 376 (S.D. N.Y. 1992); Healey vs. Southwood Psychatric Hospital, 78 F.3 d 128 (3 d Cir. 1996); Griffin vs. Michigan Dept. Of Corrections, 654 F.Supp. 690 (E.D. Mich. 1982). 289 So Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rn. 121; s. a. Wendtland, in: Gaier/Wendtland, AGG, § 2, Rn. 101 ff. Etwa beim Zugang zum Hebammenberuf – a. A. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 14. Krause (in: FS Adomeit (2008), S. 377 (388)) spricht insoweit aus Sicht der Kunden von körperbezogenen Kundenpräferenzen. Z. T. wird auch allg. auf die physische Integrität abgestellt. Dies geht über die strengen Grundsätze des amerik. Arbeitsrechts hinaus, das eine Differenzierungsmöglichkeit jedoch ebenfalls grds. anerkennt, vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (322). Für ein generelles Verbot offenbar Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (172). 290 Insbesondere indem er nur Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts mit der Ausführung betraut, vgl. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 661.
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bzw. Intimbereich der Jugendlichen berührt – so etwa im Falle des Schwimm- und Sportunterrichts oder der Erziehungstätigkeit in einem Mädcheninternat, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Arbeitszeit mit Nachtdienst belegt ist, bei dem auch die Schlafräume, Waschräume und Toiletten der Internatsschülerinnen betreten werden müssen.291 Sofern die Tätigkeiten eng an der Privatsphäre (potenzieller) Geschäftskunden des Unternehmers angesiedelt sind und das in Aussicht genommene Geschäft diese Sphären der Kunden betrifft, sollen diese z. B. nicht mit Mitarbeitern konfrontiert werden müssen, deren sexuelle Identität bei den Kunden (bezogen auf den konkreten Geschäftsbereich) nachvollziehbar auf Ablehnung oder zumindest erhebliche Irritationen stößt.292 Aus ähnlichen Gründen soll etwa im ärztlichen Behandlungsbereich nach dem Merkmal des Geschlechts unterschieden werden können. In der Gynäkologie können z. B. bevorzugt Arzthelferinnen, im Bereich der Urologie dagegen vornehmlich Arzthelfer eingesetzt werden. Dies gilt verstärkt bei einer Ausrichtung auf Patientinnen mit mohamedanischem Glauben.293 Aufgrund der unmittelbaren Betroffenheit des intimsten Bereichs steht in diesen Fällen zu erwarten, dass Patienten Arbeitnehmer eines anderen Geschlechts ablehnen würden. Nichts anderes kann für die Position des Arztes (der Gynäkologin bzw. des Urologen) oder den Hebammenberuf gelten.294 Anders als im vorgenannten Bereich der klassischen Ausnahmemodelle führt ein Verzicht auf eine differenzierende Auswahlentscheidung in diesen Fällen jedoch nicht ohne weiteres zur Erfolglosigkeit des Marktangebots, da z. B. männliche Gynäkologen wie auch weibliche Arzthelferinnen in urologischen Praxen durchaus akzeptiert sind. Aus der Beachtung der Diskriminierungsverbote folgte für den Unternehmer jedoch zumindest der Entfall desjenigen Marktsegmentes (d. h. Pa291 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008 ZTR 2008, 500 (501) (anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08); Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 73. Gleiches gilt bei auf ein Geschlecht ausgerichteten Wohnheimen oder Betreuungsanstalten bzw. in einer Sammelunterkunft ohne Möglichkeit der Trennung der Geschlechter. Vgl. a. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 662; Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (280); zu den Grenzen: BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008, S. 99 (102)). 292 Vgl. o. unter § 5 C. I. 2. b) aa) (2) (c). So a. das BAG (Transsexueller als Sprechstundenhilfe/Arzthelferin eines Frauenarztes) v. 21. 02. 1991 AP Nr. 35 zu § 123 BGB; v. 23. 06. 1994, AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung; vgl. a. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 51; Müller-Glöge, in: MüKo-BGB (2005), § 611a BGB, Rn. 41; Linck, in: Schaub, ArbR-Hdb. § 33, Rn. 49; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 3; Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320)). 293 Vgl. BAG v. 21. 02. 1991 NJW 1991, S. 2723 (2726); ArbG Hamburg v. 10. 04. 2001 PflR 2001, S. 322 (322 f.); Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 33; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492). Ebenso Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 34, sofern die Nichtbeschäftigung männlicher Pflegekräfte ultima-ratio ist, d. h. Männer auch nicht in anderen Tätigkeitsbereichen eingesetzt werden können; allg. KOM (1999) 566 endg. v. 25. 11. 1999, S. 11. Krit. Strick (in: NZA 2000, S. 695 (700)), der darauf hinweist, dass der in der BAG-Entscheidung einstellende Chirurg selbst ein Mann war. 294 In diese Richtung BAG v. 21. 2. 1991 AP Nr. 35 zu § 123 BGB – Arbeitsverhältnis mit transsexuellem Bewerber wirksam angefochten; vgl. a. LAG Berlin v. 16. 05. 2001 PflR 2001, S. 439 (439); ArbG Hamburg 10. 04. 2001 PflR 2001, S. 322 (322); Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (172); zurückhaltender Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 84. Abl. Brors, in: Däubler/ Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 15.
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tientenkreises), der aus den genannten nachvollziehbaren Gründen eine Behandlung durch eine Person gleichen Geschlechts wünscht. Hieran anknüpfend befürworten einige Stimmen dort eine Selektionsmöglichkeit, wo Patienten ausdrücklich keine Behandlung durch eine andersgeschlechtliche Person akzeptierten.295 Diese Ansicht führte aber dazu, der Differenzierungsmöglichkeit des Arbeitgebers eine Erkundigungspflicht hinsichtlich der aktuellen Patientenwünsche vorzuschalten. Eine solche Pflicht ist abzulehnen. Sie stellte den Arbeitgeber vor einen unzumutbaren Aufwand, sie würde bei den Patienten für Irritationen sorgen und zu Abschreckung führen. Sie wäre im Fall der Praxisgründung, d. h. vor dem Aufbau eines Patientenstammes, schlicht nicht durchführbar, da der Arbeitgeber seine Einstellungsentscheidung sofort treffen können muss. Daher kann die Möglichkeit zur Differenzierung nicht von der empirisch erforschten, mitunter ständig wechselnden Kundenakzeptanz abhängen.296 Vielmehr unterliegt es bereits der freien unternehmerischen Entscheidung, inwieweit das Angebot auf Patientenkreise ausgerichtet werden soll, die ausschließlich eine Behandlung durch eine Person gleichen Geschlechts wünschen. Folgerichtig ist hinsichtlich der Betrachtung der Marktwirkung von Diskriminierungsverboten allein aus verständiger Sicht darauf abzustellen, ob das vom Arbeitgeber anvisierte Kundensegment auch bei einem Verzicht auf eine differenzierende Personalentscheidung erschlossen werden kann. Dies ist in vorliegenden Konstellationen nicht der Fall, sobald der Arbeitgeber einen Kunden- bzw. Patientenkreis erschließen möchte, der ausschließlich eine Behandlung durch eine Person gleichen Geschlechts wünscht. Die konkrete Ausrichtung des Unternehmens bestimmt hier also die marktbeschränkende Wirkung der Diskriminierungsverbote. Dies lässt sich auf andere im Streit stehende körperbezogenen Dienstleistungen, welche den Intimbereich von Patienten bzw. Kunden betreffen, übertragen – etwa auf Pflegetätigkeiten297, Massagen298, die Betreuung in Frauen-Fitnessstudios299 oder auch die Beratung beim Verkauf von Unterwäsche, Miederwaren oder Badebekleidung.300 Auch hier erscheint eine merkmals295 s. ArbG Bonn v. 31. 03. 2001 PflR 2001, S. 318 (320) – Differenzierung unzulässig, wenn eine Pflegekraft bei weiblichen Patienten eingesetzt werden kann, die eine Intimpflege durch männliche Pfleger nicht ablehnten (zust. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42; Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 34). Ähnlich soll ein Ausschluss von Männern aus dem Hebammenberuf trotz des notwendigen Vertrauensverhältnisses zu Frauen nicht geboten sein, solange Schwangere die Auswahl unter weiblichen und männlichen Hebammen haben (Ekkertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 57). 296 Überdies ändert sich die Belegung ständig und die Belegzeiten werden allgemein verkürzt, so dass hier eine pauschalierende Betrachtung anzustellen ist (Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 33). 297 ArbG Hamburg 10. 04. 2001 PflR 2001, S. 322 (322); Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 68; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 1; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 3; Kaehler, NZA 2006, S. 519 (538). 298 Olsen vs. Marriot Internation, Inc. 75 F.Supp. 2 d 1052 – 81 FEP Cases 855 (D.C. Ariz. v. 22. 11. 1999) – weibl. Geschlecht keine BFOQ für Massagetätigkeit. 299 Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48. 300 Auch bei einem Einzelhandelsgeschäft mit Anprobemöglichkeit, vgl. LAG Köln v. 19. 07. 1996 AR-Blattei ES 800 Nr. 128; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42; Oberwet-
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orientierte Differenzierung nicht zwingend, weil etwa Personen anderen Geschlechts die Tätigkeit ebenso durchführen und dabei Akzeptanz finden könnten. Allerdings ist es in diesen Fällen genauso möglich, dass der Unternehmer sein Angebot gerade (auch) auf die Zielgruppe ausrichten möchte, die eine Behandlung bzw. Beratung durch eine Person gleichen Geschlechts wünscht. Dann würde der (erzwungene) Verzicht auf eine differenzierende Personalmaßnahme die Erschließung des besonderen Nachfragesegments in Frage stellen. Insofern wäre dem Unternehmer eine Kundenwunschorientierung unmöglich gemacht. Einem Unternehmer, dem man die entsprechende Auswahlmöglichkeit versagte, würde man damit seine Ausrichtung auf die genannten (Dienstleistungs-)Bereiche verleiden oder zumindest außerordentlich erschweren.301 Das bestimmte Geschlecht des Arbeitnehmers für die in Aussicht genommene Stelle ist hier jeweils Voraussetzung dafür, dass die potentiellen Patienten oder Kunden, die mit der Leistung in Kontakt treten, aufgrund ihres Geschlechts nicht bzw. so wenig wie möglich in ihrer Intim- oder auch Privatsphäre tangiert werden. Deutlich wird diese Wirkung in anderen Bereichen, die ebenfalls hohe Anforderungen an den Intimschutz stellen, etwa die Sicherheitskontrolle am Flughafen, welche die Einstellung zugunsten eines ausgewogenen, an dem Passagieraufkommen orientierten Geschlechterverhältnisses verlangt.302 Versteht man die genannten Bereiche als Ausdruck einer im Grundsatz geschützten Unternehmenspolitik, die zu ihrer erfolgreichen Umsetzung auf Patienten- bzw. Kundeninteressen Rücksicht zu nehmen hat, so wird erkennbar, dass es dem Arbeitgeber zuzugestehen ist, sich mit seiner Arztpraxis, seinem Fitness-Studio, seinem Solarium oder seiner Sauna auf ein bestimmtes Kundensegment auszurichten und diese Marktpositionierung mithilfe einer folgerichtigen Personalpolitik umzusetzen; dies gilt durchgängig, auch wenn es im Einzelfall durchaus Patienten oder auch Kunden geben mag, die keinen Wert auf den ausschließlichen Kontakt mit einer Person gleichen Geschlechts legen. Ebenso findet bei der Betreuung von schutz- bzw. obhutsbedürftigen Gruppen wie Kriminalitätsopfern, Prostituierten, Strafgefangenen303, Migranten (z. B. türkischen Frauen)304, Frauen, die als Opfer häuslicher Gewalt Zuflucht in einem Frauenhaus ge-
ter, AGG, § 8, S. 23; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 1; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (199) – denn aus sachlichen, rechtlich nicht zu missbilligenden Gründen seien Frauen (bzw. allg.: eine bestimmte Gruppe) in diesem Fall aus Sicht der Kunden besser zur Berufsausübung geeignet als (eine) andere; a. A. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 20; Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 49. 301 Ähnlich Kaehler, NZA 2006, S. 519 (538). 302 Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 22; vgl. auch § 81 d StPO. 303 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 51 – Beschäftigung ausschließlich männlicher Sozialarbeiter zur Resozialisierung männlicher Strafgefangener; Annuß/Rupp, in: HWK, § 8 AGG, Rn. 2; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 28 – Betreuung von männlichen FußballHooligans. 304 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 44; Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (9); dagegen Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 39.
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sucht haben305 oder allgemein Fällen, in denen es um physische bzw. psychische Integrität geht, eine Ausrichtung auf einen speziellen Bevölkerungsausschnitt statt.306 Auch hier steht zu erwarten, dass viele der zu Betreuenden nur eine Betreuungsleistung in Anspruch nehmen, die von einem Angehörigen der gleichen Bevölkerungsund Interessengruppe erbracht wird. Dementsprechend möglich ist eine psychotherapeutische Betreuung missbrauchter Jugendlicher nur von Personen, die sexuell auf das jeweils andere Geschlecht ausgerichtet sind, um jeden Verdacht eines sexuellen Interesses auszuschließen.307 Ein Arbeitgeber, der diesem Teil ein annehmbares Betreuungsangebot unterbreiten möchte, müsste eine insoweit differenzierende Personalentscheidung treffen. Ferner ist es privaten pädagogischen Einrichtungen möglich, ihre Betreuungsleistung auf eine Zielgruppe hin auszurichten, die die Obhut durch Personen eines bestimmten Geschlechts wünscht. Diesbezüglich ist es sowohl denkbar, dass die Betreuungsleistung durch Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts308 bzw. zumindest auch durch eine männliche Bezugsperson309 erfolgen soll, was eine geschlechtsspezifische Personalauswahl zur Herstellung eines entsprechenden Verhältnisses erforderte; zum anderen kann die Betreuung durch Personen eines bestimmten Geschlechts gewünscht sein, wenn auch die Gruppe der Betreuenden ausschließlich dieses Geschlecht aufweist.310 In diesen Zusammenhang gehört schließlich auch die Ausrichtung auf Zielgruppen, die die Betreuung durch möglichst wenig verschiedene Obhutspersonen erwarten, was einen Ausschluss von Teilzeitbeschäftigung verlangte. Vergleichbares gilt für Stellen, die sich auf die Beratung bestimmter Merkmalsgruppen spezialisiert haben, etwa für Frauen311, Schwule und Lesben312 oder Jugend305
Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 28; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 60; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 8. Vgl. a. ArbG Köln v. 06. 08. 2008 – Az.: 9 Ca 7687/07 – zit. nach juris. 306 Vgl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 60; Wendeling-Schröder, in: WendelingSchröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 8; Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (388 f.). Z. T. wird dabei entspr. der speziellen Marktausrichtung darauf abgestellt, ob das Betreuungsangebot des Trägers eine Ausübung ausschließlich durch Zugehörige einer bestimmten Merkmalsgruppe erfordert. 307 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 68; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 38 – demgegenüber sei Homosexualität prinzipiell kein Grund, einen homosexuellen Bewerber für eine Stelle als Betreuer in einem „normalen“ Jugendwohnheim ungeeignet zu machen. Insg. abl. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 70 – dies zementierte Vorurteile. 308 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 35 für die Betreuung von Schülern aus sozialen Brennpunkten; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 64; a. A. LAG Düsseldorf 01. 02. 2002 NZA-RR 2002, S. 345 (345); offengelassen in BAG v. 14. 03. 1989 NZA 1990, S. 24 (24). 309 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7. 310 BAG v. 28. 05. 2009 AP Nr. 1 zu § 8 AGG; LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008 ZTR 2008, S. 500 (501) (Mädcheninternat); Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 51. Allein der hohe Jungenanteil an einer Schule rechtfertigt es indes nicht, bei der gebotenen Auswahlentscheidung ausschließlich auf das Geschlecht abzustellen (BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008, S. 99 (99)). 311 ArbG Köln v. 06. 08. 2008 – Az.: 9 Ca 7687/07 – zit. nach juris.
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liche.313 Dementsprechend ist die bevorzugte Einstellung einer Arbeitnehmerin für die Stelle einer Frauenbeauftragten denkbar, sofern der Aufgabenbereich auch zentral die Beratung von Frauen zum Gegenstand hat.314 (3) In den Fällen, in denen eine spezielle Marktausrichtung im beschriebenen Sinne stattfindet, erfolgt die Differenzierung regelmäßig nicht aufgrund von Vorurteilen, sondern anhand objektiver, eignungsbezogener Anknüpfungspunkte. Im Bereich der körperbezogenen Dienstleistungen ist der objektive Bezugspunkt das Schamgefühl derjenigen, die mit dem Angebot bestimmungsgemäß in Kontakt kommen.315 Dies beruht seinerseits nicht auf Vorurteilen, sondern ist im Falle des Schamgefühls sogar über den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und auch § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AGG rechtlich geschützt.316 Im Bereich der Betreuung obhutsbedürftiger Gruppen differenziert der Arbeitgeber objektiv anhand der besonders schutzwürdigen Vertrauensbeziehung zwischen den Angehörigen der gleichen Gruppe, die in diesem Bereich Voraussetzung für die möglichst vorbehaltlose Annahme der Betreuungsleistung ist.317 Dies ist seiner312
Belling, in: Erman, AGG, § 8, Rn 3; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 67. 313 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 36. 314 Zur Unterscheidungsmöglichkeit: LAG Hamm v. 10. 04. 1997 NZA-RR 1997, S. 315 (315); LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NZA 1998, S. 312 (312); Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 1; vgl. aber BAG v. 12. 11. 1998 NZA 1999, S. 371 (371) – Geschlecht keine unverzichtbare Anforderung für Gleichstellungsbeauftragte; hierzu Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320); anders bei Frauenreferentin für politische Partei: LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NZA 1998, S. 312 (312), zust. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 65. Krit. Wolff, AuA 2006, S. 512 (513). 315 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008, ZTR 2008, S. 500 (501) (anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08); Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 33; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 8; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201). Thüsing spricht insoweit von Fällen der Unverzichtbarkeit im weiteren Sinne – als weitere, nur teilweise zu rechtfertigende Kategorie möglicher Ungleichbehandlung, bei der eine Abwägung der Interessen erforderlich ist –, die in allen Fällen anzunehmen seien, in denen die Minderleistung ihren durch Dritte reflektierten Grund in biologischen Unterschieden hat und dadurch die Scham ggü. dem anderen Geschlecht relevant werde. Entscheidend sei dabei allein, dass das Schamgefühl tats. der Grund für die Differenzierung ist, egal wie vernünftig oder verbreitet es ist. Alternativ wird etwas unpräzise formuliert, dass diese Ausnahme in Betracht kommen soll, wenn der „Anstand“ dies erfordere (vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (320, 323)). 316 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 34, 50; Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (388). Da der Unternehmer in diesen Fällen bes. menschlichen Instinkten nachkomme und nicht bloßen Vorurteilen über die schlechtere Arbeitsweise eines best. Geschlechts nachhänge, folge die Differenzierungsmöglichkeit hier direkt aus der unternehmerischen Freiheit. 317 In diese Richtung Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 29; Preis, AR, Bd. I, § 34 VI. Dadurch soll das bes. Vertrauensverhältnis, das zu einer gleichgeschlechtlichen Person entwickelt werden kann, ermöglicht bzw. geschützt werden (Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 57). Ähnlich Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (388 f.) – das Erfordernis von Vertrauensbeziehungen solle privilegierten Gruppen nicht per se vorenthalten werden können; Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 14 – das Vertrauensverhältnis müsse mit
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seits nicht herabsetzend, weil die Einfühlung in die Vorstellungswelt und das Empfinden der Kunden etwa im Bereich der Gewalterfahrung besonders von Angehörigen derselben Gruppe erwartet werden kann.318 Aus dem gleichen Grund verfängt auch nicht der Einwand, dies perpetuierte im Bereich der Migrantenbetreuung Integrationshindernisse, ausreichend sei eine sichere Beherrschung der jeweiligen Herkunftssprache.319 Außerdem besteht gerade in den Fällen des Gewaltschutzes ein besonderes Bedürfnis für die Wahrung der psychischen Integrität des Opfers, das sich mit einer Betreuung durch eine Person der „Tätergruppe“ tendenziell nicht verträgt. Speziell bei der Betreuung von Strafgefangenen eines bestimmten Geschlechts gründet sich eine entsprechende Personalauswahl auf den Gedanken eines offenen und unbefangeneren Umgangs zwischen den Beteiligten, welcher die Resozialisierungschance erhöht. In Fällen der merkmalsangelehnten Maßnahmenauswahl durch Betreuungseinrichtungen stellt das besondere Nähe- und Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und zu Betreuendem den objektiven Ansatzpunkt dar, der entscheidend gegen eine vorurteilsbelastete Arbeitgeberentscheidung spricht. Werden in einer Einrichtung ausschließlich Angehörige eines Geschlechts betreut, spielt die Möglichkeit zu einer offeneren und von vornherein unbelasteteren Vertrauensbeziehung zwischen Personen gleichen Geschlechts eine entscheidende Rolle.320 Soll die Betreuung gezielt durch Mitarbeiter beiderlei Geschlechts bzw. zumindest auch durch eine männliche Bezugsperson erfolgen, kann sich aus erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen, welche hierin eine Voraussetzung für eine optimale (Kinder-)Betreuung sehen, ein objektiver Bezugspunkt ergeben.321 Gleiches gilt für das Ziel, speziell kleine Kinder mit möglichst wenigen und daher vollzeitbeschäftigten Bezugspersonen konfrontieren zu wollen. Da ein Ausschluss von Teilzeitbeschäftigung sowohl nach § 4 Abs. 1 TzBfG als auch unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung bereits aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein kann,322 sind insoweit auch Maßnahmen denkbar, die auf die Kundenbetreuung mit möglichst kontinuierlichen Ansprechpartnern abzielen. In diesem Fall kann ausnahmsweise auch die allgemeine Vertrauensbeziehung im Geschäftsverkehr (etwa der Gruppenzugehörigkeit stehen und fallen. Abl. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, S. 169 (172). 318 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 13 für die Fälle einer Frauenreferentin bzw. der Geschäftsführerin eines Frauenverbandes, da den Tätigkeiten gerade ein legitimer Zweck, nämlich der Abbau von Diskriminierungen, zugrunde liege. 319 Vgl. hierzu Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 25; ebenso Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 39. 320 Folgerichtig daher LAG Düsseldorf v. 01. 02. 2002 NZA-RR 2002, S. 345 – pädagogisches Konzept, nach dem ein Heimerzieher ein Mann sein solle, reicht für sich genommen nicht aus (ebenso Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 39). 321 Vgl. auch den Fall des ArbG Osnabrück (v. 05. 02. 2007 NZA 2007, S. 626 (627 f.)), das ein Interesse als möglich erachtet, wenn berufliche Anforderungen (hier: eine best. pädagogische Ausrichtung) einen gewissen Prozentsatz jüngerer Arbeitnehmer erfordern. 322 s. o. unter § 5 C. VIII. 2. a).
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bei der Betreuung von Bankkunden durch möglichst wenige, vollzeitbeschäftigte Berater) für ein Differenzierungspotential sprechen. Für das Beispiel der Beratungsstellen ergibt sich nicht automatisch die objektive Anforderung einer hervorgehobenen Schutz- und Vertrauensbedürftigkeit, der durch einen Zugehörigen der gleichen Merkmalsgruppe von Beginn an einfühlsamer, offener und damit potenziell wirkungsvoller begegnet werden kann. In denjenigen Bereichen, in denen die Beratung persönliche, private, intime und vor allem merkmalsspezifische Fragen sowie kritische Lebenssituationen betrifft, ist eine solche Anforderung jedoch regelmäßig anzunehmen.323 (4) Dagegen kann eine merkmalsnahe Differenzierung nicht damit begründet werden, dass Kunden einer Person, die ein bestimmtes geschütztes Merkmal besitzt bzw. gerade nicht besitzt, allgemein mehr vertrauten. Dementsprechend kann sich eine Handwerksfirma nicht unter dem Gesichtspunkt der Marktausrichtung darauf berufen, bevorzugt einheimische Mitarbeiter einstellen zu wollen, weil Kundenbesuche durch ausländische Arbeitnehmer von den Kunden (z. B. wegen Sicherheitsbedenken) abgelehnt werden würden.324 Im allgemeinen Geschäftsverkehr besteht nämlich gerade keine besonders schutzwürdige Vertrauensbeziehung, die als objektiver, vorurteilsfreier Anknüpfungspunkt die Markterschließung bedingte. Vielmehr gründet sich hier der Ansatzpunkt auf Ressentiments, die ihrerseits herabsetzenden Charakter haben. Der bloße Wunsch der Kunden nach einem Mitarbeiter, der die gleiche Gruppenzugehörigkeit wie sie besitzt (etwa der Wunsch deutscher Kunden nach einer Reparatur ihrer Waschmaschine durch einen deutschen Mechaniker), stellt keinen ausreichenden objektiven Bezugspunkt dar.325 Der entsprechende Kundenwunsch beruht vor allem auf Vorurteilen. Ebenso kann der Vertrauensschutz keine hinreichende objektive Erklärung für merkmalsnahe Unterscheidungen im Bereich der Vermögensbetreuung liefern; wenn es z. B. um die unternehmerische Ausrichtung auf Anlagestrategien für Frauen oder eine gezielte Vermögensberatung älterer Menschen geht.326 323 Vgl. insoweit ArbG Köln v. 06. 08. 2008 – Az.: 9 Ca 7687/07 – zit. nach juris; Bauer/ Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 36; z. B. a. die Beratung durch „Dr. Sommer“. 324 Vgl. insoweit die Rs. Feryn (EuGH v. 10. 07. 2008 NZA 2008, S. 929 (929 ff.). 325 In diese Richtung Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (388 f.). 326 A. A. ArbG Bonn v. 08. 03. 2001 NZA-RR 2002, S. 100 (100) – erklärtes Ziel des Finanzdienstleistungsunternehmens war die Beratung von Frauen in besonderen frauenspezifischen Lebenssituationen ausschließlich durch Frauen, womit es auch nach außen hin werbend tätig wird. Das auf speziell weibliche Belange ausgerichtete Unternehmenskonzept sei keine reine Marketingstrategie, sondern auf eine besondere frauenpolitische Zielsetzung ausgerichtet. Insgesamt sei das Stellenprofil nicht lediglich neutrale Finanzdienstleistung, sondern spezifisch kundenorientierte Beratung mit biographisch-persönlichem Verständnis, wie sie eben in dieser Vertrauenssituation nur eine Frau den Kundinnen gleichen Geschlechts entgegenbringen könnte. Zust. Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 64. Abl. wg. fehlenden Berufsbezug Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 20, 26, 44; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 67; offenbar a. Oberwetter, AGG, § 8, S. 23 – eine Finanzberatung für Frauen könne ohne Weiteres auch von Männern durchgeführt werde; es gehe nicht in erster Linie um Empathie oder Sympathie, sondern um eine fachlich kompetente
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Zwar bestehen im Bereich der Vermögensberatung gegenüber anderen Geschäftsbereichen erhöhte Anforderungen an die Vertrauensbeziehung im Kunden-Berater-Verhältnis. Indes bedingt diese Vertrauensanforderung gerade keine merkmalsangelehnte Entscheidung. Eine objektive Verbindung wäre konstruiert. Das Vertrauen resultiert in diesem Bereich maßgeblich aus Sachverstand und Seriosität des Beraters. Diese Eigenschaften stehen jedoch in keinem sachlich begründbaren Zusammenhang mit einem geschützten Merkmal, etwa dem Alter des Beraters.327 Sofern sich der Unternehmer darauf beruft, dass die Kunden älteren Beratern per se mehr Seriosität zuschrieben und jenen damit mehr Vertrauen entgegenbrächten, beruhte dieser Anknüpfungspunkt auf der diskriminierungsschutzrechtlich relevanten Voreingenommenheit gegenüber jüngeren Arbeitnehmern.328 Überdies ist anzunehmen, dass ein Verzicht auf eine differenzierende Personalmaßnahme nicht dazu führen würde, eine spezielle Anlagestrategie nicht mehr vermarkten zu können, da regelmäßig kein greifbarer Zusammenhang zwischen der Person des Beraters und dem Vermögensberatungsprogramm bestehen wird. Da bei einer Anlagestrategie stets die Gewinnmaximierung im Mittelpunkt des Interesses steht und nicht etwa die emotionale Anbindung an ein Produkt (wie z. B. bei einem Roman), kann die Qualität der Beratung in keinem Zusammenhang mit dem Geschlecht des Beraters stehen. Ebenso dürfte die Stelle eines Nachtportiers in einem Frauenhotel nicht geschlechtsspezifisch ausgeschrieben werden, da in diesem Fall die Skepsis der Hotelgäste gegenüber einem Mann auf Vorurteilen beruhte.329 Zwar geht das erhöhte Gefahren- und Gewaltpotential für Frauen in den Nachtstunden von Männern aus; dies könnte auch objektiv durch eine Kriminalitätsstatistik belegt werden, so dass der Wunsch der weiblichen Hotelgäste nach einer Vermeidung von männlichen Begegnungen in den Nachtstunden denkbar und nachvollziehbar wäre. Im Unterschied zum Beispiel der Betreuung missbrauchter Jugendlicher nur von Personen, die sexuell auf das jeweils andere Geschlecht ausgerichtet sind, besteht in diesem Fall jedoch kein signifikant erhöhtes Schutzbedürfnis der Kundinnen. Da in diesem Fall auch keine Berührung des Privatoder Intimbereichs der Hotelgäste stattfindet, ließe sich eine merkmalsnahe Differenzierung auch nicht auf ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis stützen.330 Ebenso kann die Betreuung bzw. Beratung von Personen einer bestimmten Altersgruppe nicht zum Anlass genommen werden, den Betreuer nach dessen Alter auszusuchen, da die Qualität der Betreuungsleistung objektiv in keinem Zusammenhang Finanzdienstleistung. Das unternehmerische Konzept sei nicht durch die eigentliche Aufgabe selbst zwingend vorgegeben. Dass weibliche Kunden eine Finanzberatung durch einen Mann generell schlechter akzeptierten, sei nicht erwiesen. 327 Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33. 328 Auch ist die Entscheidung für eine best. Geldanlageform im Vergleich zu anderen Produkten nicht übermäßig mit Emotionen verbunden, die von einem Mitarbeiter des gleichen Geschlechts besonders gut nachempfunden werden könnten. 329 A. A. Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30). 330 Zudem wäre dieses Gefahrenpotential nach einer sorgfältigen Personalauswahl weitestgehend auszuschließen und ohne konkrete Anhaltspunkte ggü. dem jew. Beschäftigten nicht objektivierbar.
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mit dem Alter des Betreuers steht.331 Insoweit dürfte auszuschließen sein, dass sich z. B. ein Jugendlicher einem jüngeren Betreuer eher anvertrauen bzw. diesen mehr respektieren würde als einen älteren und umgekehrt. Genauso können allgemeine Lebenserfahrung und damit das Alter keine ausschlaggebenden Kriterien sein für die objektive Qualität einer Eheberatung oder einer Beratung in kritischen Lebenssituationen.332 Insoweit ist vielmehr auf die spezifische Erfahrung, Qualifikation und Schulung der Beratungsperson in eben diesen Bereichen abzustellen. dd) Schutzwürdige Sicherheitsinteressen (1) Auch der Schutz der Sicherheitsinteressen von Kunden bzw. Patienten kann eine nach einem geschützten Merkmal differenzierende Personalmaßnahme zulässig machen. Entsprechend der vorgenannten Voraussetzungen für eine Ausnahme dieser Fälle aus dem Anwendungsbereich der Diskriminierungsschutznormen steht auch beim Einsatz 65-jähriger Piloten,333 bei der Beschäftigung ausschließlich deutscher und nicht türkischer bzw. türkischstämmiger Türsteher in einem überwiegend von Türken oder Deutschen türkischer Herkunft besuchten Lokal334 oder beim Verzicht auf das Kopftuch im OP-Saal335 zu erwarten, dass die Nachfrageseite ein Angebot, welches naheliegende Schwächen im Sicherheitsbereich aufweist, nicht akzeptieren und in Anspruch nehmen wird. Insoweit sind auch diese Ausrichtungen von Unternehmen auf sicherheitsbewusste Kunden Ausdruck unternehmerischer Freiheit. (2) Im Zusammenhang mit den Altersgrenzen geht es dem Unternehmer um das Ziel, mit dem Einsatz relativ junger Arbeitnehmer den Sicherheitsinteressen der Kunden zu genügen, die sich ihrerseits objektiv mit der durchschnittlich abnehmenden körperlichen Leistungsfähigkeit im Alter sowie der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit begründen lassen.336 Im Türsteher-Beispiel können sich die Interessen im Einzelfall darauf gründen, dass ein türkischer bzw. türkischstämmiger Türsteher von türkischen Besuchern schon optisch eher als Autorität akzeptiert wird. Zudem ist er aufgrund seiner eigenen Sozialisation und Lebenserfahrung mutmaßlich eher in der Lage, Konfliktpotenziale, die von dieser ethnischen Gruppe ausgehen, zu entschärfen. Darüber 331
A. A. wohl Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 36. A. A. Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 9. 333 Zur Zulässigkeit von Höchstaltersgrenzen vgl. bereits o. unter § 5 C. VII. 1. b). 334 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14 – gleiches gelte für die Betreuung russlanddeutscher Jugendlicher durch einen Sozialarbeiter entspr. Herkunft; Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 16. In diesen Fällen ist jedoch fraglich, ob tats. keine Vorurteilsbezogenheit der Kundschaft vorliegt und Grund für die Differenzierung ist. 335 Bachmann, SAE 2003, S. 336 (339); s. a. Thüsing/Wege, ZEuP 2004, S. 399 (417). 336 Ein Luftfahrtunternehmen, das Piloten über ein normiertes Höchstalter hinaus beschäftigt, setzt sich insb. für den Fall eines Versagens dieses Piloten der Gefahr erheblicher Vorwürfe von Fluggästen und Öffentlichkeit aus. Dies zu vermeiden, hat der Arbeitgeber ein anerkennenswertes, auch wirtschaftliches Interesse (BAG v. 20. 02. 2002 NZA 2002, S. 789 (792)). Zum Streit über die allg. Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit im Alter vgl. o. unter § 5 C. VII. 1. b). 332
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hinaus wird bei Maßnahmen des Türstehers der Diskriminierungseinwand bei der Abweisung von Gästen weitestgehend ausgeschlossen. Auch diese objektiven Gesichtspunkte stehen den Zielen des Diskriminierungsschutzes nicht entgegen. Mithin liegen auch insoweit die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Diskriminierungsverbote vor. Entscheidend ist hier wiederum, dass der objektive Bezugspunkt unmittelbar mit dem eigentlichen Marktauftritt verbunden ist, so dass er die gewinnträchtige Umsetzung der jeweiligen Geschäftsidee unmittelbar bedingt. Hierzu ist allgemein erforderlich, dass der Marktauftritt einen sicherheitsrelevanten Bereich (Luftverkehr) betrifft oder ein konkretes Gefährdungspotenzial (Einlasskontrolle) aufweist.337 (3) Hingegen können allgemeine Sicherheitsinteressen von Kunden in einem nicht spezifisch gefahrgeneigten Bereich keine Vorurteilsbelastung ausschließen. Dies gilt etwa für die Konstellation, in der Kunden bei Handwerkern, die in ihrem Haus Reparaturen durchführen, einheimische Arbeitnehmer bevorzugen, weil sie bei fremdländischen Handwerkern eine erhöhte Angst davor haben, bestohlen zu werden. Aus den gleichen Gründen ist es unter Diskriminierungsschutzgesichtspunkten abzulehnen, wenn ein privater Sicherheitsdienst ausschließlich Männer in der Erwartung einstellen möchte, dass dies eher dem Sicherheitsverständnis seiner Kunden entsprechen werde.338 ee) Merkmalsorientierte Geschäftsausrichtung (1) Die zentrale Frage nach der Gewährleistung eines freien Marktauftritts wird, abgesehen von den vorgenannten speziellen Kategorien, oftmals unter dem Begriff
337 Als ähnliche Sonderkonstellationen sind daneben aus den entspr. Gründen a. Ausnahmemöglichkeiten anzuerkennen, in denen der Arbeitgeber zur Wahrung des Betriebsfriedens die Einstellung von Arbeitnehmern aus merkmalsbedingten Gründen (z. B. ethnische Herkunft) ablehnt, sofern ansonsten Spannungen oder Konflikte i. R. der Belegschaft konkret drohen. Beispielhaft wird die Einstellung eines Serben in ein Unternehmern, in dem zahlreiche Kroaten arbeiten, genannt (Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 341; zust. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 44 – in Analogie zu § 20 I 2 Nr. 1 AGG). Denkbar ist auch Verbot des Tragens islamischer Kopftücher aufgrund befürchteter Konflikte innerhalb der Belegschaft (Schiek, AGG, § 3, Rn. 15). Zu diesem Schutzmotiv des Arbeitgebers vgl. a. Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (27); abl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 28 f.; Brors, in: Däubler/ Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 44; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14. 338 Demgegenüber werden öffentlich-rechtliche Tätigkeiten im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit (Bundeswehr, Polizei, Tätigkeiten im Justizvollzugsdienst) als Beispiele genannt, bei denen eine Unterscheidung nach dem Geschlecht stattfinden könnte (vgl. Art. 2 II RL 76/207/EWG; Art. 2 V, 3 IV RL 2000/78/EG; BArbBl. 11/1987, S. 40 ff.; EuGH v. 15. 05. 1986 Slg. 1986, S. 1663 (1687) (Johnston); die generelle Ausnahme vom Dienst an der Waffe (vgl. Art. 12a IV 2 GG a. F.) wurde in der Rspr. des EuGH hingegen nicht mehr anerkannt vgl. EuGH v. 11. 01. 2000 NJW 2000, S. 497, 499; Art. 12a IV 2 GG a. F.). Als Kategorie einer Unverzichtbarkeit i. w. S. nennt sie Thüsing als Fälle, in denen ein legitimes öffentliches Interesse an der Unterscheidung besteht (vgl. Thüsing, RdA 2001, S. 319 (323); ebenso Preis, AR, Bd. I, § 34 I 1c aa).
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der „Authentizitätswahrung“ diskutiert.339 Im Rahmen der Ausnahmetatbestände wird insofern aus Sicht der Nachfrageseite von authentitätsbezogenen Kundenpräferenzen gesprochen, wobei die Reichweite dieser Kategorie und die Einordnung der Fallbeispiele unter diesen Begriff nicht einheitlich erfolgen.340 Aus Sicht des Unternehmers besteht das Problem spiegelbildlich darin, inwieweit es ihm zu gestatten ist, einen marktorientierten Geschäftsauftritt zu wählen und diesen mittels einer folgerichtigen Außendarstellung, d. h. insbesondere durch eine merkmalsgerichtete Personalauswahl zu verfolgen.341 Auch in diesem Zusammenhang gilt es zu bedenken, dass es in den hierzu genannten Beispielen – Frauenbuchladen, Modegeschäft für Jüngere, Nationalitätenrestaurant – nicht um die merkmalsbedingte physisch-reale Möglichkeit des Arbeitnehmers geht, die Arbeitsleistung zu erbringen, und damit nicht um entscheidende berufliche Anforderungen im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG.342 Denn auch ein Mann kann grundsätzlich ohne weiteres Frauenbücher und ein 60-jähriger junge Trendmode verkaufen, ebenfalls besitzen deutsche Kellner die Fähigkeit, in einem indischen Restaurant zu bedienen. (2) Vielmehr stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit auch in diesen Konstellationen eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Diskriminierungsverbote zugunsten unternehmerischer Freiheit in Betracht kommt. Dafür müsste auch hier der Verzicht des Arbeitgebers auf eine differenzierende Personalmaßnahme zur Undurchführbarkeit seines Marktangebotes führen; außerdem dürfte die Unter339
Der Ausnahmegrund wird weithin anerkannt; indes werden hierunter unterschiedlich weite Ausnahmemöglichkeiten subsumiert, vgl. nur die Darstellung im BArbBl. 11/1987, S. 40 ff. und bei Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 29 f.; Preis, AR, Bd. I, § 34 I 1c aa; Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 61, 63 f.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 329; Annuß, BB 2006, S. 1629 (1632 f.); Wank, NZA, Beil. Heft 22/ 2004, S. 16 (23); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492). Für eine Einordnung der SchauspielerFälle unter diesen Aspekt etwa Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14. Der Gedanke des Authentizitätsschutzes tritt auch in Fällen des Tendenzschutzes deutlich hervor. Hier soll z. B. ein kirchlicher Verkündigungsauftrag eine Unterscheidung rechtfertigen können – etwa das Priesteramt in der kath. Kirche; vgl. BArbBl. 11/1987, S. 40 ff.; Hromadka/Maschmann (2005), § 5 I, Rn. 37. 340 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 20. 03. 2008 ZTR 2008, S. 500 (501) (anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08); s. a. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26; Belling, in: Erman, AGG, § 8 Rn. 6; Fuchs, in: Bamberger/Roth, AGG, § 8, Rn. 2; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 12; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 8; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 3; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7. An dieser Stelle verdeutlicht sich das Kernproblem, inwieweit die Berücksichtigung von Kundenwünschen zur Möglichkeit einer merkmalsbedingten Ungleichbehandlung führen kann. Hierzu Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 63; Thüsing, in: Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 337. Im US-amerik. Recht kennt man ebenfalls das Problem der sog. customer preferences. Präferenzen eines Arbeitskollegen werden demgegenüber als co-worker preferences bezeichnet. 341 Insoweit tendenziell für eine Unterscheidungsmöglichkeit Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 29 f.; Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (400). Differenzierend Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 20. 342 s. o. unter § 7 A. II. 4. b).
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scheidung nicht auf merkmalsbasierenden Vorurteilen beruhen, sondern müsste sich auf objektive Anhaltspunkte stützen, die ihrerseits keinen herabsetzenden Charakter aufweisen dürfen. (a) Für die Untersuchung zu nennen sind zunächst die Beispielsfälle, die im Rahmen dieser Kategorie diskutiert werden. Dies sind der Frauenbuchladen, der gezielt Frauen als Verkäuferinnen beschäftigen möchte,343 das Modegeschäft für Jüngere oder Ältere, das Verkaufspersonal entsprechenden Alters bevorzugt344 und Nationalitätenrestaurants, die ihre Speisen gerne von Mitarbeitern der „passenden“ ethnischer Zugehörigkeit servieren und zubereiten lassen möchten.345 Exemplarisch sind auch die Bevorzugung eines Arbeitnehmers thailändischer Herkunft für die Stelle eines Thai-Chi-Lehrers, eines schwulen Kellners in einer Bar bzw. Disko für Homosexuelle346 oder eines querschnittsgelähmten Menschen für den Verkauf von Rollstühlen. Überdies zu nennen sind Fälle, in denen der Unternehmer zum Zwecke einer bestimmten Außendarstellung bei denjenigen Arbeitnehmern, die mit Kunden in Kontakt treten, das sichtbare Tragen religiöser Symbole untersagt, etwa das Kopftuch 343 Vgl. Adomeit, HFR 2008, S. 92 (98); Kaehler, NZA 2006, S. 519 (538). Ähnliches gilt für das Beispiel eines Parfumverkäufers. Abl. Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48 – kein ausreichender Zusammenhang. 344 s. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 10; Hromadka/Maschmann, § 5 I, Rn. 27; Waltermann, ZfA 2007, S. 305 (315); Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 112; ähnlich Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30); a. A. Bertelsmann, ZESAR 2005, S. 242 (243) – weder hippe Verkäufer/innen bis 25 bei H&M, noch Damen und Herren ab 50 Jahre bei Peek&Cloppenburg. Gleiches gilt für Arbeitnehmerinnen weiblichen Geschlechts beim Verkauf von Damenbekleidung, vgl. Fuchs, in: Bamberger/Roth, AGG, § 8, Rn. 2. Für eine Differenzierungsmöglichkeit bei einem auf Jugendliche ausgerichteten Musiksender, der einen jungen Redakteur bzw. Moderator sucht: Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 33; Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327); Linsenmaier, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 22 (26); Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (23); Wolff, AuA 2005, S. 82 (83); insb. wenn die jugendzentrierte Ausrichtung eine herausragende Stellung in der Unternehmenskultur einnimmt, entspr. dem US-amerik. „essence-of-the-business“-Maßstab, vgl. hierzu Thüsing, RdA 2001, S. 319 (321). Abl. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5; Leuchten, NZA 2002, S. 1254 (1257) bei nur geringfügigen Altersunterschieden. Insg. abl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 25 f. 345 Vgl. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26, 42; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42; Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 107; Wendeling-Schröder, in: WendelingSchröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7 – äußeres Erscheinungsbild entscheidend; Adomeit, HFR 2008, S. 92 (98) (auch der Chef); Bayreuther, NZA 2008, S. 986 (989); Thüsing, RdA 2007, S. 307 (310). In diesen Fällen soll der Unternehmer darauf bestehen können, dass seine Mitarbeiter ein der Nationalität angepasstes Erscheinungsbild haben und so das Konzept glaubwürdig vermitteln können – so u. a. Schaub, in: ArbR-Hdb. (2005), § 112, Rn. 54. Gleiches gilt im US-amerik. Recht, vgl. Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (400); vgl. auch Sec. 5 (2) des britischen Race Relations Act 1976; a. A. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 27; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25 – auch andere Personen könnten sich die notwendigen Kenntnisse aneignen und vermutete Präferenzen von Gästen dürften nicht ungefiltert auf die Einstellungspolitik durchschlagen. Will der Unternehmer ein entspr. Ambiente, genüge z. B. eine einheitliche Kleidung (Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 42). 346 Vgl. hierzu Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 37; Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (243); allg. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3; abl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 52; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 68.
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einer Mode-Verkäuferin für das gehobene Kundensegment347 bzw. das einer Verkäuferin in einem Frauenbuchladen348 oder auch die Kleidung in den Farben der Morgenröte eines Bhagwan-Anhängers in einem Supermarkt, der von seinen Mitarbeitern eine weiße Einheitskleidung verlangt.349 Entscheidend für das Bedürfnis nach einer Differenzierungsmöglichkeit ist in allen vorgenannten Fällen zum einen die (Marketing-)Strategie, mit welcher der Unternehmer seine Außendarstellung betreiben und sich auf ein bestimmtes Publikum hin ausrichten will; bedeutend ist zum anderen die Erwartung der Personen, mit denen der Arbeitgeber in Geschäftsbeziehungen tritt. Zur Einordnung des jeweils gewählten Marktauftritts existieren Fälle, in denen der Unternehmer sein Geschäft hinsichtlich der Kundenzielgruppe auf spezielle Merkmalsträger (z. B. Frauen, Ältere, Homosexuelle) bzw. auf einen bestimmten merkmalsbedingten bzw. -ausschließenden Nachfrageaspekt (etwa Thai-Chi-Training durch einen Arbeitnehmer thailändischer Herkunft, der Betrieb eines indischen Restaurants mithilfe von indisch aussehendem Personal, der Verkauf von Frischware durch weiß gekleidete Verkäufer)350 hin ausrichtet – sich also allgemein für einen merkmalsorientierten Marktauftritt entscheidet. Diese Fallgruppen sind von solchen zu unterscheiden, bei denen sich allgemeine Marktangebote auf ein merkmalunspezifisches Kundensegment (z. B. das gehobene Verkaufspublikum im Kopftuch-Fall351 oder der konservative Mandantenstamm einer Anwaltskanzlei352) beziehen.353 Nach wohl überwiegender Ansicht sollen speziell in ersteren Konstellationen Differenzierungen erlaubt sein.354 Dem ist lediglich unter der weiteren Voraussetzung der Vorurteilsfreiheit der Unterscheidung zuzustimmen.355 Denn nur in Fällen, in denen sich 347
s. o. unter § 5 C. VI. 3. Abl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 43. 349 Vgl. Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379); Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 64. 350 Vgl. Preis, AR; Bd. I, § 34 I 2b; Thüsing, NZA 2001, S. 1061 (1061). 351 Das Kaufhaus, bei dem die Arbeitnehmerin beschäftigt war, begründete die Kündigung mit dem Willen, seinen Kunden einen noblen und exklusiven Eindruck vermitteln zu wollen. Das Tragen eines „islamischen Kopftuchs“ im Verkauf sei nicht mit der erklärten Geschäftspolitik des Kaufhauses zu vereinbaren, durch das Angebot hochpreisiger Markenware das obere Marktsegment zu besetzen. Da Kunden, die bereit seien, viel Geld für exklusive Kleidung auszugeben, dezent und unauffällig gekleidetes Verkaufspersonal erwarteten, seien Umsatzeinbußen nicht auszuschließen. Man habe einen ländlich-konservativ geprägten Kundenkreis, der mit Ablehnung auf ein Kopftuch reagieren würde, was zu Umsatzeinbußen führen würde (vgl. hierzu u. a. Junker, Arbeitsrecht (2005), § 1, Rn. 63). 352 Vgl. zu diesem Beispiel auch Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 116. 353 Etwas enger wird insoweit auch z. T. darauf abgestellt, ob sich die Tätigkeit nach der Verkehrssitte ausschließlich an Kunden eines Geschlechts richtet und deshalb eine best. merkmalsbedingte Zielgruppe prägend für die Tätigkeit ist, vgl. Richardi, in: Staudinger (2005), § 611a BGB, Rn. 64. Das Merkmal müsse quasi „Teil der zu erbringenden Dienstleistung“ sein (Hahn, Altersdiskriminierung, 2006; S. 114). 354 In diese Richtung ArbG München v. 14. 02. 2001 NZA-RR 2001, S. 365 (Frauenverband); Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 53 (Frauenbuchladen, Nachtbar); Richardi, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 11, Rn. 22, 26); Krause, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 23. 355 Dazu sogleich. 348
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der Arbeitgeber auf ein besonderes Marktsegment, das vom allgemeinen Markt deutlich abgrenzbar ist, hin ausrichtet bzw. sich zur Eroberung von Marktnischen auf die Bedienung eines merkmalsangelehnten Nachfrageaspekts konzentriert, macht er von seiner unternehmerischen Freiheit in relevanter Weise Gebrauch – bezogen auf das Zusammenspiel von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz. Die Freiheit dient nämlich im Rahmen eines von Pluralität geprägten Marktes dazu, ein passendes Angebot für ausdifferenzierte Kundenwünsche entwerfen und umsetzen zu können.356 Nur insoweit ergibt sich aus den Auswirkungen der Diskriminierungsschere das Bedürfnis, die Bewegungsfreiheit des Unternehmers sowie dessen (Re-)Aktionsmöglichkeiten auf dem Nachfragemarkt zu erhalten.357 Folglich ergibt sich auch nur in solchen Fällen die Notwendigkeit einer Unterscheidung unmittelbar aus der unternehmerischen Disposition,358 in denen der Unternehmer einen merkmalsorientierten Marktauftritt verfolgt. (b) Auch im Falle merkmalsorientierter Marktauftritte führt der Verzicht des Arbeitgebers auf eine differenzierende Personalmaßnahme in einigen Konstellationen zur Undurchführbarkeit seines Marktangebotes. So ist es etwa dort, wo sich der Unternehmer auf Kunden einer bestimmten Glaubensrichtung ausgerichtet hat – etwa die jüdische Kundschaft eines koscher schlachtenden Metzgers –, naheliegend, dass diese einen Mitarbeiter mit anderslautender Konfessionszugehörigkeit aufgrund ihrer Glaubensgrundsätze schlechthin nicht akzeptieren würden.359 Ähnliches gilt in den in der Literatur diskutierten Fällen mit Auslandsberührung, bei denen auf Grund gesetzlicher Vorschriften, religiöser Überzeugungen oder kultureller Besonderheiten des jeweiligen Landes z. B. nur Geschäftspartner eines bestimmten Geschlechts akzeptiert werden, insbesondere wenn der Arbeitnehmer in den fremden Kulturkreis eintauchen und dort seine Tätigkeit verrichten soll.360 Exemplarisch zu nennen sind in diesem Zusammenhang die bevorzugte Beschäftigung von männlichen Arbeitnehmern in arabischen Ländern, in denen Frauen als Geschäftspartner nicht akzeptiert werden (insbesondere der nichtmuslimische Pilot in Mekka)361, außerdem die 356
s. o. unter § 7 A. II. 3. s. o. unter § 7 A. II. 1.–3. 358 Vgl. Raab, in: Soergel, BGB, § 611a BGB, Rn. 37. 359 Vgl. hierzu Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 26; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 45 (ebenso für die Anforderung, ein Schächter müsse Jude sein); Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 3; Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (26); Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 348. 360 Gesprochen wird insoweit auch von kulturkreisüberschreitenden Kundenpräferenzen, vgl. hierzu Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 33, 50; Thüsing, RdA 2007, S. 307 (309 f.); Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 8 unter Hinw. auf Mitteilung der BRD an die EU-Kommission bei der Umsetzung von Art. 2 II RL 76/207/EWG, BArbBl. 11/1987, S. 4; abl. Zwanziger, in: Kittner/Däubler/Zwanziger, AGG, § 8, Rn. 11. Im U.S.-Recht: Fernandez vs. Wynn Oil Co., 653 F.2d at 1273, 1276 – 77 (9 th Cir. 1981) – männliches Geschlecht keine BFOQ für Tätigkeit im Handel mit Südamerika. 361 Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 26; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 9. Zum Fall der Beschäftigung von Frauen für den Aufbau einer Tochter357
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z. T. strikte Ablehnung jüdischer Verkäufer in arabischen Ländern362 oder die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer für asiatische Länder, in denen Vorgesetzte nicht wesentlich jünger als ihre Untergebenen sein dürfen, wenn sie ernst genommen werden sollen.363 Bestünde man in diesen Fällen auf die Durchsetzung westlicher Diskriminierungsschutzstandards, so würde die Erschließung dieses Kulturraums als Nachfragesegment aufgrund der zu erwartenden fehlenden Kundenakzeptanz insgesamt gefährdet werden.364 Auch hier wird dem Unternehmer eine bestimmte Marktausrichtung somit unmöglich gemacht. (c) Hinsichtlich der Kundenakzeptanz des jeweiligen Angebots ist den übrigen Beispielsfällen, in denen ein merkmalsorientierter Marktauftritt verfolgt wird, gemeinsam, dass grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Verzicht auf eine unterscheidende Personalmaßnahme das Marktangebot für die Kunden unannehmbar machen würde. Denn auch der qualifizierte männliche Verkäufer eines Frauenbuchladens, der ältere Verkäufer in einem Modegeschäft für junge Trendmode oder der asiatische Kellner in einem griechischen Restaurant würden vom Publikum nicht generell abgelehnt werden. Insoweit kann die Marktausrichtung auch nicht dahingehend verengt werden, dass der Unternehmer ein Angebot für diejenigen Kunden schaffen möchte, die lediglich eine Person einer bestimmten Merkmalsgruppe akzeptieren. Denn bei verständiger Würdigung der Beispielsfälle ist es regelmäßig auszuschließen, dass Kunden ihre Kaufentscheidung insoweit von einer Merkmalseigenschaft des Mitarbeiters abhängig machen. Weder dürften Kundinnen eines Frauenbuchladens darauf bestehen, von einer Frau beraten zu werden, noch würden Jugendliche vom Kauf einer Jacke absehen, weil sie sich einem älteren Verkäufer gegenübersehen.365 Allerdings ist in den meisten der oben genannten Beispielsfälle nicht von der Hand zu weisen, dass eine merkmalsorientierte Personalauswahl dazu führen kann, dass eine Marktausrichtung überzeugender und erfolgreicher umgesetzt werden könnte als bei einem Verzicht auf eine Differenzierung.366 Gesprochen wird demzufolge von Fällen, in denen die vertraglichen Leistungen von den Angehörigen einer bestimmten Merkmalsgruppe weniger erfolgreich erbracht werden können, weil
Gesellschaft im Iran: Oberwetter, AGG, § 8, S. 23; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 79; Roesner, AGG, Kap. B, S. 115; a. A. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5. 362 Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 58. 363 Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (389 f.). 364 Für eine zulässige Ungleichbehandlung in diesen Fällen daher Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 36. 365 A. A. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 10 – hier gehe es um eine best. Zielgruppe, die sich von Mitarbeitern eines gewissen Alters idR nicht mehr angesprochen fühle. 366 Das LAG Rheinland-Pfalz (v. 20. 03. 2008 – ZTR 2008, S: 500 (501), anhängig BAG – Az: 8 AZR 536/08) stellt in Anlehnung an die Rspr. des BVerfG in einem Fall der Geschlechtsdiskriminierung darauf ab, dass die Minderleistung i. R. der beruflichen Tätigkeit biologisch bedingt sein müsse, wenn auch nicht unmittelbar, sondern auch reflektiert durch Dritte, mit denen der Arbeitnehmer zu tun hat; ähnlich Schleusener, in: Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 8, Rn. 24.
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Dritte sie in dieser Position spürbar weniger akzeptieren.367 Aus der Perspektive des freien Unternehmers ist die Unterscheidung hier die notwendige Voraussetzung zur erfolgreicheren Erschließung (abgrenzbarer) Markt- bzw. Kundensegmente.368 Hier ist zu erwägen, dass bestimmte Arbeitnehmer aufgrund ihrer Merkmalseigenschaft negative Kundenreaktionen hervorrufen oder aber jedenfalls das Geschäftskonzept nicht gleich effektiv umsetzen können.369 Dies sucht der Anbieter dadurch zu vermeiden, dass er bestimmte Arbeitnehmer (z. B.: Frauen) einstellt, die sein Produkt authentischer und damit wirksamer und potenziell gewinnbringender am Markt anbieten können oder wenigstens jenen Kontakt zwischen Arbeitnehmer und Kunde vermeidet.370 Da insoweit maßgeblich auf die zu erwartende Kundenakzeptanz abgestellt wird, kommt es mitunter darauf an, ob der Arbeitnehmer bei der Ausübung seiner Arbeitsaufgabe eine Berührung mit der Öffentlichkeit hat, insbesondere mit (potenziellen) Kunden, Geschäftspartnern o. ä.371 Sowohl die Ansprache von Frauen in einem Frauenbuchladen durch weibliche Verkäuferinnen als auch der Verkauf von junger Mode an Jugendliche durch ebenfalls junge Verkäufer, die Durchführung eines Thai-Chi-Trainings durch einen Sportlehrer thailändischer Herkunft, die Gestaltung des Musik-Programms eines auf Jugendliche ausgerichteten Musiksenders durch einen jungen Moderator bzw. Redakteur, die Beratung von Rollstuhlkunden durch einen querschnittsgelähmten Arbeitnehmer oder auch die Bedienung durch schwule Männer in einer Bar für homosexuelle Männer372 erhöhen nachvollziehbar die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der Außendarstellung und damit Kundenakzeptanz und Erfolgschancen des Marktauftritts. Dieser ist in der gewünschten Form für den Unternehmer mutmaßlich erfolgversprechender, als er es ohne die Unterscheidung sein würde.373 Hierfür spricht zum einen das tendenziell erhöhte Einfüh367 Vgl. Schaub, in: ArbR-Hdb. (2005), § 24; Rn. 3; Schlachter, in: ErfK (2006), § 611a BGB, Rn. 23. Thüsing (in: RdA 2001, S. 319 (323)) spricht hier von Unverzichtbarkeit i. w. S. als weiterer, nur teilw. zu rechtfertigender Kategorie möglicher Ungleichbehandlung, bei der eine Abwägung der Interessen erforderlich ist. 368 Ebenfalls für eine Berücksichtigung des unternehmerischen Zwecks des Unternehmens oder der Tätigkeit über den Tendenzschutzgedanken hinaus: Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83. Anders Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4, die jedoch den Begriff der unternehmerischen Freiheit auf ein Streben nach Gewinnsicherung unzulässig verkürzt. 369 Vgl. nur Kaehler, NZA 2006, S. 519 (538). 370 Vgl. LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NJW 1998, S. 1429 (1429 f.); Dörner, in: Dörner/ Luczak/Wildschütz, Abschn. B; Rn. 162; Thüsing, RdA 2001, S. 319 (323). A. A. offenbar Schiek/Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (863). 371 Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30). 372 Vgl. hierzu Basedow, ZEuP 2008, S. 230 (243); allg. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3; abl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 52; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 8, Rn. 68. 373 Vgl. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 63 f.; Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327); Linsenmaier, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 22 (26); Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (23); Wolff, AuA 2005, S. 82 (83); abl. Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5. Der Arbeitgeber, der präsumtiv weniger leistungsstarke Bewerber zu Gunsten statistisch besser befähigter Kräfte zurückweist, verhält sich schlechterdings ökonomisch rational (Hu-
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lungsvermögen von Verkäufern, die sich in der gleichen ,MerkmalssituationÐ wie der Kunde befinden, vor allem hinsichtlich der Wünsche, Vorzüge und Fragen der Kundschaft. Weiterhin gehen die Kunden davon aus, dass sich ein Verkäufer aus ihrer Gruppe in der gleichen Interessenlage wie sie befindet und daher ihre Wünsche am besten erfüllen kann. Deshalb kann insofern prognostiziert werden, dass eine Umsetzung der Marktausrichtung mit einem entsprechenden Merkmalsträger die Chance einer breiteren Kundenakzeptanz besitzt. In der vorliegenden Fallgruppe machte ein Verzicht auf eine merkmalsangelehnte Unterscheidung den Marktauftritt somit nicht undurchführbar,374 jedoch weniger erfolgversprechend.375 Es liefe dem Sinn und Zweck der Anti-Diskriminierungsvorschriften zuwider, wenn sich der Arbeitgeber ohne weiteres derjenigen Arbeitnehmer bedienen könnte, mit denen er seinen Markterfolg angesichts des Vorliegens oder Nichtvorliegens bestimmter geschützter Merkmale im Sinne des § 1 AGG am leichtesten erreichen könnte.376 Nur in Verbindung mit der erstgenannten Voraussetzung, nämlich der Eingrenzung unternehmerischer Freiheit auf merkmalsorientierte Marktauftritte, ergibt sich hier der hinreichende Bezug zum Ziel der Erhaltung der unternehmerischen (Re-)Aktionsfähigkeit zur Bewältigung von heterologen Markt- bzw. Nachfragegegebenheiten. (3) Hinsichtlich der objektiven Anknüpfung für eine Differenzierung wird in den vorgenannten Fällen in der Literatur vornehmlich darauf abgestellt, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten (nach einem geschützten Merkmal definierten) Personengruppe das zu verkaufende Produkt bzw. die Dienstleistung authentischer erscheinen lasse. Dem Unternehmer müsse es möglich sein, das objektive Kundeninteresse an „Glaubwürdigkeit“ zumindest durch diejenigen Arbeitnehmer mit Kundenkontakt zu befriedigen.377 Unabhängig von diesen zum Teil recht unpräzisen Kategorisierungen ist auch hier festzustellen, inwieweit der Unternehmer eine vorurteilsbelastete Maßnahme ergreift, so dass die Diskriminierungsverbote geeignet sind, durch die Einschränkung unternehmerischer Freiheit ihr übergeordnetes Schutzziel zur erreichen. Entsprechend den bereits zuvor (Kategorien aa) – dd)) geprüften Voraussetzungen beruht die erhöhte Erfolgsaussicht einer merkmalsangelehnten Personalmaßnahnold, NZA 2000, S. 802 (804)). Allg. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 1 I 1 a. Abl. bei nur geringfügigen Unterschieden: Leuchten, NZA 2002, S. 1254 (1257). 374 Insoweit weist auch das BAG i. R. der Kopftuch-Entscheidung darauf hin, dass durch die Beschäftigung einer kopftuchtragenden Verkäuferin weder ein von der Klägerin zu führendes Verkaufsgespräch unmöglich gemacht noch ein von ihr betreuter Verkaufsvorgang so behindert werde, so dass nicht mehr von einer branchenüblichen Tätigkeit einer Verkäuferin einerseits oder von einer wirtschaftlich wertlosen Arbeitsleistung der Klägerin oder einer den Arbeitgeber schädigenden Tätigkeit gesprochen werden könne (BAG v. 10. 10. 2002 RdA 2003, S. 240 (242)). 375 Denn die Unterscheidung dient hier der effektiveren Besetzung von Marktnischen; ihre Untersagung führt jedoch nicht (zwangsläufig) zur Unterbindung der unternehmerischen Betätigung an sich. 376 Belling, in: Erman, AGG, § 8; Rn. 7; Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 9. 377 Zum Aspekt der erhöhten Glaubwürdigkeit vgl. u. a. Schaub, in: ArbR-Hdb. (2005), § 112, Rn. 54.
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me dann nicht auf einer subjektiven Voreingenommenheit gegenüber Trägern geschützter Merkmale, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer gerade wegen (des Fehlens) einer Merkmalseigenschaft für den Vertrieb eines Produkts bzw. einer Dienstleistung besser geeignet ist. In den Fällen mit Auslandsberührung wird der Einfluss von Kundenerwartungen deshalb eher akzeptiert, weil eine fremde Kultur und Wertegemeinschaft generell zu beachten sei und der Arbeitgeber u. U. im Wettbewerb mit anderen stehe, die nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden seien.378 Objektiver Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung ist hier also vor allem die Anerkennung abweichender Wertvorstellungen in anderen Kulturkreisen. Eine Unterscheidung mag hier zwar aus deutscher Sicht herabwürdigend wirken, sie entspricht jedoch innerhalb des fremden Kulturkreises allgemeingültigen Anschauungen und bestimmt die internationale Reichweite von Diskriminierungsverboten unterschiedlich. Im Übrigen ist ein objektiver Differenzierungsgrund vornehmlich dann anzunehmen, wenn aus der Merkmalseigenschaft im Rahmen einer Prognose aus der Sicht eines verständigen Außenbetrachters ein objektiver Wissens- bzw. Qualifikationsvorsprung gegenüber anderen Arbeitnehmern resultiert. So kann z. B. von jugendlichem Verkaufspersonal aufgrund dessen natürlicher Verbindung mit der Jugendkultur, die beim Kauf von Mode bei Jugendlichen eine wesentliche Rolle spielt, im Vergleich zu älteren Verkäufern eher erwartet werden, dass es in der Lage ist, die Wirkung eines bestimmten Kleidungsstückes auf jugendliche Kunden vorherzusagen. So interessiert sich ein Jugendlicher bereits aufgrund seiner eigenen Lebenssituation erwartungsgemäß eher für aktuelle Trends und Vorlieben von Jugendlichen im Modebereich. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er selbst zugleich Käufer jugendlicher Mode ist und somit die Bedürfnisse der Nachfrageseite automatisch erfährt. Auch pflegt er im Vergleich zu einem deutlich älteren Verkäufer vermehrt den Kontakt zu anderen Jugendlichen und kann hierdurch ein Gespür für die Modewünsche dieser Zielgruppe entwickeln. Indem er die Interessen der jungen Käufer somit besser antizipieren kann, ist er für eine Modeberatung für die Umsetzung der besonderen Marktausrichtung prädestiniert. Entsprechendes gilt für einen jungen Redakteur bei einem auf Jugendliche ausgerichteten Musiksender.379 Insofern stellt es allgemein ein diskriminierungsfernes Bedürfnis eines Unternehmens, das ein altersunspezifisches Nachfragesegment bedient, dar, eine Belegschaft mit ausgewogener Altersstruktur zu beschäftigen,
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Vgl. BArbBl. 11/1987, S. 40 ff.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 337; Hromadka/Maschmann (2005), § 5 I; Rn. 37; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492). A. A. Alenfelder; Das neue AGG, Kap. A, Rn. 67; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201). 379 Gleiches gilt für den Verkauf von Jugendreisen oder Handy-Klingeltönen, da auch diese Produkte ihren Hauptabnehmermarkt in einem best. (hier: jugendlichen) Marktsegment sehen (vgl. Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (30 f.); a. A. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 26; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 19 – die Zielsetzung, mittels einer entsprechenden Personalpolitik ein junges und dynamisches Firmenimage zu präsentieren, verfestige überholte gesellschaftliche Vorstellungen, die Anti-Diskriminierungsgedanken widersprächen.
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um so einen inneren Bezug zu jeder möglichen Käufergruppe zu bewahren.380 Auch die höhere Kompetenzerwartung an einen Thai-Chi-Lehrer thailändischer Herkunft gegenüber etwa einem deutschen Lehrer stützt sich auf die regelmäßig begründete Annahme, dass jemand, in dessen Heimatland die Menschen bereits im Kindesalter Kampfsporttechniken erlernen, einen quasi natürlichen Qualifikationsvorspruch gegenüber Sportlern aus Ländern hat, in denen solche Bewegungsabläufe keinen verbreiteten Volkssport darstellen. Im Falle des Spezialitätenrestaurants charakterisiert die ethnische Herkunft des Personals die Dienstleistung gegenüber dem Kunden; dieser zahle seine Gebühren für ein „ethnisches Flair“.381 Nur ein Kellner mit passendem Erscheinungsbild kann die vom Gast gewünschte Lokalatmosphäre erzeugen. Auch kann der Gast gerade von Service-Personal der entsprechenden Ethnie erwarten, dass dieses ihn hinsichtlich der Speisen- und Getränkeauswahl qualifiziert berät. Denn in der Regel wird nur ein Kellner mit passendem ethnischem Hintergrund den Gast über Geschichte, Sprache und Kultur, die mit einem auf ein Land besonders ausgerichteten Restaurant und dessen Küche in enger Verbindung stehen, umfassend aufklären und entsprechende Fragen beantworten können.382 Entscheidend sind insoweit die Assoziationen, die beim Gast hervorgerufen werden, wenn er bereits im ersten Moment davon ausgehen kann, dass sich das Personal quasi natürlich mit dem Produkt auskennt, unabhängig von der dargebotenen corporate identity oder dem individuell vom Arbeitnehmer erlernten Wissen. Speziell bei einem Koch der entsprechenden nationalen Herkunft stützt sich die von vornherein höhere Kundenakzeptanz auf die verständige Annahme, dass der Koch Wissen um den Geschmack und die traditionelle Zubereitung der (fremdländischen) Speisen bereits früh durch den natürlichen Kontakt mit dem Essen zu Hause, gegebenenfalls auch durch die Überlieferungen innerhalb der Familie erworben hat.383 Auch schreiben Kunden, die am Kauf eines Rollstuhls interessiert sind, einem Verkäufer, der selbst auf einen Rollstuhl angewiesen und daher mit ihrer Lage konfrontiert ist, ein höheres Einfühlungsvermögen, ein schärferes Problembewusstsein und damit insgesamt ein größeres Verständ380 Zu den weiteren Argumenten für eine Unterscheidungsmöglichkeit nach dem Alter zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur s. o. unter § 5 C. VII. 1. b). 381 So Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 24. 382 Dies gilt noch verstärkt für Reise- oder Fremdenverkehrsbüros, die sich auf die Beratung für bestimmte Länder bzw. Kundschaft derselben ethnischen Herkunft spezialisiert haben, vgl. insoweit Roesner, AGG, Kap. B, S. 115. 383 Vgl. a. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 26, 42 – abhängig von dem Restaurantkonzept könne entscheidend nicht nur das Aussehen, sondern auch die tatsächliche ethnische Herkunft sein. Anschaulich ist insoweit das Beispiel des bevorzugten Japaners für eine Stelle als SushiMeister im japanischen Restaurant, vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 11 ff. Bestandteil des Marketingkonzeptes muss es hier sein, einen Herkunftsbezug zwischen der angebotenen Ware oder Dienstleistung und der äußeren Gestaltung des Betriebs und den Beschäftigten herzustellen (Lokalkolorit eines japanischen Restaurants) (Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14). A. A. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 25; Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48; differenzierend Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 42, je nachdem, ob Koch nur kochen soll oder sich (dabei) den Gästen präsentieren soll; dagegen Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 42.
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nis für ihre Bedürfnisse zu als z. B. einem Verkäufer mit einer anderweitigen Behinderung. Nur der erstgenannte ist zwangsläufig schon selbst in Situationen geraten, in denen er erfahren hat, welchen konkreten Anforderungen ein Rollstuhl im Alltagsbetrieb genügen muss. Aus Sicht eines verständigen Kunden besteht mithin allgemein gefasst jeweils eine besondere Nähebeziehung zwischen dem Produkt bzw. der Dienstleistung und dem Arbeitnehmer, die sich auf objektive Anhaltspunkte stützt.384 In diesem Zusammenhang wird häufig darauf abgestellt, dass das Aufgreifen des an sich untersagten Differenzierungsmerkmals eindeutig tätigkeitsbezogen ausgestaltet sein müsse, mithin ein unmittelbarer Berufs- bzw. Tätigkeitsbezug der (merkmalsangelehnten) Anforderungen erforderlich sei.385 Diese allgemeine Voraussetzung wird in vorliegenden Fällen von der besonderen Marktausrichtung des Unternehmers (s. o.) in Verbindung mit der besonderen Nähebeziehung zwischen dem Produkt bzw. der Dienstleistung und dem Arbeitnehmer, die sich auf objektive Anhaltspunkte stützt, konkretisiert und ausgefüllt. Auch nach dieser Voraussetzung muss daher eine objektiv zu beurteilende Sonderverbindung zwischen der merkmalsbezogenen Berufsanforderung und der konkret auszuübenden Tätigkeit bestehen.386 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob ein Wissens- bzw. Qualifikationsvorsprung des bevorzugten Arbeitnehmers gegenüber dem Merkmalsträger tatsächlich besteht, ob also der thailändische Thai-Chi-Lehrer seinen Kampfsport wirklich besser beherrscht als jeder deutsche Bewerber. Entscheidend ist lediglich, ob die Kunden eine solche Vorabeinschätzung aufgrund objektiver Umstände teilen und daher eher bereit sind, auf das Angebot einzugehen bzw. ob ein verständiger Unternehmer eine solche Kundenreaktion aufgrund objektiver Umstände erwarten darf.387 Im Kopftuch-Fall fehlt demzufolge eine besondere Nähebeziehung zwischen der kopftuchlosen Verkäuferin und Produkten bzw. Dienstleistungen wie Mode, Modeaccessoires, Typenberatung oder Outfit-Gestaltung, es sei denn, es handelt sich speziell um den Verkauf von Kopfschmuck oder Frisuren. Denn in letzteren Fällen kann ein Wissens- und Qualifikationsvorsprung von Arbeitnehmerinnen erwartet werden, die sich auch für ihr eigenes Äußeres mit der Wirkung z. B. von Haar-Design auseinanderset384
Vgl. insoweit a. Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (389). Oftmals wird die Grenze zulässiger Unterscheidung (mithilfe positiver und negativer Anknüpfung) dahingehend umschrieben, dass zw. dem grds. verbotenen Unterscheidungsmerkmal und der Tätigkeit ein enger Zusammenhang bestehen müsse (vgl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 10; Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 47). Indem hier noch deutlicher auf die Beziehung zw. dem Produkt und dem Merkmalsträger wg. der Merkmalseigenschaft abgestellt wird, wird der unmittelbare Bezug zur Ausübung von unternehmerischer Freiheit hervorgehoben. 385 In diese Richtung etwa Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4; ebenfalls für eine Tätigkeitsbezogenheit der Anforderungen: Belling, in: Erman, AGG, § 8 Rn. 4; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 7. 386 Sonach unterscheiden sich die jeweiligen Anforderungen an eine zulässige Differenzierung im Ausgangspunkt hinsichtlich des Betrachtungsmaßstabs. 387 Denn mittels dieser Einschätzung muss der Arbeitgeber einen werbewirksamen Außenauftritt planen können. Weitergehend Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 42 – da es für die Diskriminierung nicht auf die Intention ankomme, müsse die Unterscheidung durch die Fähigkeiten für die Tätigkeit gerechtfertigt sein.
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zen und die Gestaltungsmöglichkeiten anschaulich am eigenen Körper präsentieren können.388 Verallgemeinerungsfähig ist dies bei einer Burka, da diese die Arbeitnehmerin mangels (für den Verkauf objektiv relevanter) Kommunikationsmöglichkeit in der Regel ungeeignet für Arbeitseinsätze im Dienstleistungsbereich macht.389 Ebenso knüpft das Verbot einer Kleidung in den Farben der Morgenröte gegenüber einem Bhagwan-Anhängers in einem Supermarkt, der von seinen Mitarbeitern eine weiße Einheitskleidung verlangt, objektiv an den Zweck weißer Dienstkleidung an, der unmittelbar mit dem Produktverkauf zusammenhängt und der darin besteht, den Eindruck von Frische und Sauberkeit (auch im Sinne einer Qualifikationsvoraussetzung) zu vermitteln und einzelne Mitarbeiter für die Kunden erkennbar dem Personal zuzuordnen.390 (4) Insbesondere im Zusammenhang mit den Restaurant-Fällen wird darauf hingewiesen, dass es nicht um eine Benachteiligung bestimmter Arbeitnehmergruppen, sondern um die Bevorzugung einer einzelnen Gruppe gehe, um den Charakter der Lokalität zu wahren.391 Insoweit kommt es also nicht zu einem Marktausschluss des Arbeitnehmers, sondern lediglich zu einer Markttrennung,392 welche die Marktchancen der Beteiligten zum Teil verringert, dafür aber für andere speziell zugeordnete Marktsegmente signifikant erhöht.393 Dementsprechend werden griechische Kellner von indischen Restaurants eher abgelehnt, wohingegen sie in griechischen Restaurants gegenüber Kellnern mit einer anderen ethnischen Herkunft im Vorteil sind.394 Die gewünschte Pluralität der Marktauftritte führt hier zu einer Diversifikation der Marktchancen der arbeitssuchenden Merkmalsträger. Soweit einer Benachteiligung in einem konkreten Fall (indisches Restaurant) erhöhte Erwerbschancen in einem anderen Bereich (griechisches Restaurant) im Rahmen eines identischen Berufsfeldes (Kellnerberuf) gegenüberstehen, besitzt die Maßnahme keinen herabsetzenden Cha388
Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 3, Rn. 369; gegen ein zulässiges Kopftuchverbot für Friseurinnen Lingemann/Müller, BB 2007, S. 2006 (2011). 389 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 49; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/ Stein, AGG, § 8, Rn. 22. 390 So Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379); zust. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 64. Die rote Bekleidung des Bhagwan-Anhängers würde das einheitliche Bild zerstören. 391 Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (382). 392 Vgl. insoweit auch den Gesetzgeber zum Allg. Zivilrecht: BT-Dr 16/1780, allg. Begründung zu Abschnitt 3 AGG; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 13; Thüsing, in: MüKoBGB (AGG), § 8, Rn. 20; ders., JZ 2006, S. 223 (227). 393 Die Beeinträchtigung derjenigen Arbeitnehmergruppen, die im Einzelfall infolge ihrer „falschen“ Herkunft nicht zum Zuge kommen, halte sich demzufolge in Grenzen (Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (382)). 394 Gleiches gilt z. B. auch für jüngere und ältere Modeverkäufer bei H&M und Peek & Cloppenburg. Das Verhalten der Arbeitgeber führt in diesen Fällen nur dazu, dass sich die Arbeitnehmer i. S. einer Markttrennung auf verschiedene Restaurants verteilen. Ein Marktausschluss ist mit in dieser Weise ethnisch motivierten Auswahlentscheidung jedenfalls in größeren Städten mit einem breiten Angebot unterschiedlich „authentischer“ Restaurants nicht verbunden (Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (382); Thüsing, RdA 2007, S. 307 (310); ähnlich Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 13).
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rakter. Sie ist nur Ausdruck eines ausdifferenzierten Nachfrage- und Angebotsmarktes und steht als solcher den Zielen der Diskriminierungsverbote nicht entgegen. Besonders im Rahmen von Einstellungen gebraucht der Unternehmer seine wirtschaftliche Freiheit in dem Sinne, dass er den für seinen Marktauftritt geeignetsten Bewerber bewusst auswählt. Im Vergleich zum Erwählten werden die diesen Anforderungen nicht entsprechenden Konkurrenten abgelehnt und damit notwendig zurückgesetzt. In dieser Zurücksetzung liegt grundsätzlich keine Herabsetzung im Sinne eines Unwerturteils über die Person, sondern die Zurücksetzung ist die schlichte Konsequenz aus der Entscheidung des Anbieters für einen anderen Bewerber, der eben im Hinblick auf die angelegten Auswahlkriterien geeigneter erscheint.395 Folglich spricht eine Unternehmensausrichtung im Rahmen einer Markttrennung tendenziell für die Zulässigkeit einer differenzierenden Personalmaßnahme. Allerdings muss auch hier noch die Vorurteilsfreiheit der Maßnahme festgestellt werden. Das Kriterium der Markttrennung ist insoweit ein Indiz, das gegen die Vorurteilsbelastung einer differenzierenden Arbeitgebermaßnahme spricht.396 Umgekehrt führt eine unterscheidende Maßnahme, die zu einem Marktausschluss des Arbeitnehmers führt (etwa die Ablehnung einer kopftuchtragenden Friseurin) nicht zwangsläufig zur Unzulässigkeit einer Differenzierung, da auch in diesem Fall immer noch andere Gründe die Vorurteilsbelastung der Maßnahme ausschließen können (s. o.). (5) Soweit die besondere Verbindung zwischen Produkt und Arbeitnehmer jedoch nicht besteht, ist davon auszugehen, dass die merkmalsbedingte Unterscheidung auf Vorurteilen beruht, die von den Diskriminierungsverboten gerade ausgeschlossen werden. Dies führt unmittelbar zur Anwendbarkeit der Diskriminierungsschutzvorschriften und zum Verbot der Unterscheidung, da in diesen Fällen auch bzw. erst recht kein Rechtfertigungsgrund ersichtlich ist. So liegt eine objektiv begründbare Nähebeziehung nicht vor bei weiblichen Verkaufskräften für Haushaltsgeräte bzw. Kosmetik-Artikel oder männlichen Verkäufern für Baumarktartikel397 oder Autos.398 Hier ist 395 I. d. S. Hanau, in: FS Adomeit (2008), S. 237 (239 f.) – der Bewerber, der den Zuschlag bekomme, werde positiv und nicht etwa der Abgewiesene negativ diskriminiert; ähnlich Adomeit, in: FS Westermann (2008), S. 19 (24) – eine andere Wertung führte zu einem nach § 15 VI AGG ausgeschlossenen Kontrahierungszwang. 396 Hiervon systematisch abw. wollen Meinel/Heyn/Herms (in: AGG, § 8, Rn. 13) den Gedanken der Marktsegmentierung als „quantitatives“ Element i. R. der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Einordnung unter die Rechtfertigungsgründe einführen. Abzustellen sei auf den regionalen Arbeitsmarkt: je geringer die Auswirkungen hierauf seien, desto eher erweise sich eine Differenzierung als verhältnismäßig. So sei die Besetzung einer Stelle als SushiMeister in einem japanischen Restaurant mit einem Japaner in einer deutschen Großstadt – ebenso wie die Anforderungen an das Bedienungspersonal in ausländischen Spezialitätenrestaurants – erkennbar von geringerer Auswirkung auf die Beschäftigungschancen anderer Interessenten auf dem (regionalen) Arbeitsmarkt; denn abgewiesene Bewerber verfügten über eine Vielzahl von anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. I. Erg. dürften sich aus beiden Vorgehensweisen ähnliche Konsequenzen ergeben. 397 Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 49. 398 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 26. Anders für den Verkauf von Bartpflegeartikeln: Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 54. Im US-Recht: Coker vs. Dixie
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jeweils neben der Berufsausbildung der geübte Umgang mit den Produkten entscheidende Qualifikationsvoraussetzung und nicht die Befolgung tradierter Rollenbilder.399 Fernliegend erscheint auch die objektive Verbindung zwischen dem Geschlecht Frau und hierauf abgestimmter Literatur. So kann z. B. von einer weiblichen Verkäuferin im Vergleich zu einem Mann kaum erwartet werden, dass sie eher in der Lage ist, die Wirkung eines bestimmten Romans auf weibliche Kunden vorherzusagen. In diesem Fall kann sie die Neigungen und Interessenlagen der Kundschaft, die mit den Titeln angesprochen werden sollen, auch nicht aufgrund ihrer eigenen Wahrnehmung besser nachempfinden; denn das Buch erzielt ebenso eine Wirkung auf männliche Leser, die regelmäßig nicht objektivierbar und damit abgrenzbar zu der auf weibliche Leserinnen ist. Ebenso stehen schwule Bedienungen in einer Bar bzw. Diskothek für homosexuelle Männer in keiner objektiven Beziehung zum Unternehmensgegenstand.400 Ähnlich der unter aa) genannten Fallkonstellationen handelt es sich hierbei vorwiegend um anreizbezogene Marktauftritte, die von den Diskriminierungsverboten ausgeschlossen werden (s. o.). Erst wenn der sexuelle Reiz im Zentrum der Geschäftsbeziehung steht – etwa bei einer homosexuell-erotischen Darbietung oder Animation – ist eine Unterscheidung nach der sexuellen Identität, ebenso wie nach dem Geschlecht, vorurteilsfrei. Genauso hat die Anforderung eines Verzichts auf ein Kopftuch bei einer Verkäuferin in einem Frauenbuchladen nichts mit dem Unternehmenszweck zu tun, der auf den Verkauf literarischer Werke und eine darauf bezogene kompetente Beratung gerichtet ist.401 Ferner besteht auch aus Sicht eines ländlich-konservativ geprägten Kundenkreises kein objektiver Anhaltspunkt dafür, dass eine muslimische Kopftuchträgerin weniger qualifiziert in Sachen Modeberatung ist als z. B. kopftuchlose christliche Verkäuferinnen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die unzulässige Weisung des Inhabers eines koscheren Restaurants gegenüber einer muslimischen Serviererin, bei der Arbeit kein Kopftuch zu tragen, auch wenn dies den Erwartungen der Gäste entspricht, solange die Koschheit als solche nicht in Frage gestellt wird.402 Abzulehnen ist auch das Geschäftsmodell einer Bank, die türkische Kunden dadurch besonders erfolgreich ansprechen will, dass sie
Motors, Inc., Not Reported in F. Supp. 2 d 2002 WL 32123992 (E.D. La. 2002) – männliches Geschlecht keine BFOQ für Autoteileverkäufer. 399 Da es sich beim Autofahren um eine Tätigkeit handelt, die von Angehörigen beiderlei Geschlechts unterschiedlich gewissenhaft und technisch versiert ausgeübt wird, liegen auch keine objektiven Anknüpfungspunkte vor, die für eine vorurteilsfreie Bevorzugung von Männern für Mechaniker- oder Mechatronikerberufe oder Frauen für Kraftfahrberufe oder als Fahrlehrerinnen in (Frauen-) Fahrschulen sprechen könnten. 400 A. A. Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 33 – unter dem Gesichtspunkt der Authentizität. 401 Ebenso Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 43 – denn von einer Angestellten in einem Buchladen dürfe der Kunde erwarten, dass sie ihn berate und das gewünschte Buch beschaffe – ob sie dabei ein Tuch auf dem Kopf oder einen Kreuzanhänger um den Hals trage, habe ihn nicht zu interessieren. 402 A. A. Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 45.
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einen türkischen Geschäftsführer einstellt.403 Hier findet mit der Spezialisierung auf türkische Kunden zwar eine merkmalsorientierte Marktausrichtung statt, indes gibt es keine objektive Nähebeziehung zwischen der Position des Geschäftsführers und den Anlage- und Finanzprodukten der Bank. Insbesondere reicht insoweit der bloße Kundenwunsch nach einer Beratung durch einen Angehörigen der gleichen Merkmalsgruppe nicht aus, um eine Vorurteilsbelastung auszuschließen. Anders als bei der Besetzung der Geschäftsführerstelle in einem Interessenverband der türkischen Gemeinde in Deutschland geht es hier nicht um die Vertretung und Repräsentation türkischer Interessen nach innen und außen. Nur hierfür ist ein hohes Maß an Verständnis für die Bedürfnisse und Problemlagen der türkischen Mitbürger, das von einer türkischstämmigen Person eher erwartet werden kann, unabdingbare Voraussetzung. Der Geschäftsgegenstand ist der Vertrieb von Anlageformen. Dies setzt zwar ebenfalls ein hohes Maß an Vertrauen im Rahmen der Kunden-Berater-Beziehung voraus; dieses Vertrauen findet jedoch keinen vorurteilsfreien Anknüpfungspunkt an das Merkmal, nach dem unterschieden wird. Auch darf eine ländliche Metzgerei spanische oder indische Fachverkäufer nicht aufgrund ihres fremdländischen Aussehens ablehnen, auch wenn der Metzger sein Geschäft „Deutsche Traditionswurstwaren“ nennt.404 Im Gegensatz zu den Restaurant-Beispielen erwartet der Gast, der nur kurz in der Metzgerei verweilt, in der Regel keine ethnisch besonders abgestimmte Verkaufsatmosphäre; er ist daher grundsätzlich auch nicht bereit, für eine bestimmte Ausrichtung zu bezahlen, bzw. seine Kaufentscheidung hiervon abhängig zu machen.405 Eine objektive Verbindung zwischen dem Verkaufspersonal und dem Fleischwaren-Produkt resultiert in keiner Form aus der ethnischen Herkunft des Personals.406 Ähnlich können auch kein junges Personal für „Szene-Bars und Cafes“, die sich an junges Klientel wenden, keine homosexuelle Bedienung in einem Schwulencaf¦ und keine Frauen als Kellnerinnen in einem Frauencaf¦ bevorzugt ausgesucht 403
Das LG Frankfurt (v. 17. 01. 2001 EzA Nr. 26 zu § 138 BGB) lehnte den Wunsch einer türkischen Bank, einen türkischen Geschäftsführer einzustellen, im konkreten Fall ab, da die Erforderlichkeit nicht dargelegt worden sei; zust. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 43; Meinel/ Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 24 – anders als i. F. des Spezialitätenrestaurants charakterisiere die ethnische Herkunft hier nicht die Dienstleistung gegenüber dem Kunden, dieser zahle seine Gebühren nicht für ein „ethnisches Flair“; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 38; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14; a. A. Kaehler, NZA 2006, S. 519 (536). 404 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 17. Ebenso verbiete sich die Zurückweisung einer Sekretärin am Empfang unter Hinw. auf ihren Akzent, der dem Unternehmensbild widerspreche (Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 43). 405 Ähnlich Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7 zum Vergleichs-Bsp. einer urbayerischen Schankwirtschaft und einem urbayerischen Metzgerladen (nur teilw. zust. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 17); zur Einteilung des bayerischen als ethnischen Begriff vgl. Müller, DÖD 2007, S. 73 (75). Ähnliches dürfte für die Auswahl einer Kassiererin bzw. eines Verkäufers im türkischen Supermarkt gelten, vgl. Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 116. 406 Insb. das Wissen um die Verkaufsprodukte wird durch die allg. Fachverkäufer-Ausbildung verobjektiviert.
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werden,407 da auch insoweit keine Nähebeziehung zwischen Arbeitnehmer und Produkt besteht. Eine jüngere Bedienung ist grundsätzlich durch eine ältere ohne Qualitätsverlust im Servicebereich austauschbar. Zudem steht der Ausschank von Getränken in keinerlei Verbindung mit der sexuellen Identität bzw. dem Geschlecht der Bedienung. Auch modisch-ästhetische Erwägungen, wie etwa die hautfarbliche Zusammensetzung einer Gesangsgruppe,408 stehen grundsätzlich in keiner unmittelbaren Beziehung zum Angebotsgegenstand, d. h. hier einer künstlerischen Gesangsdarbietung. Ebenfalls nicht möglich ist die Einstellung ausschließlich deutscher Arbeitnehmer durch Automobilbauer unter dem Hinweis darauf, dass nur auf diese Weise das „Made-in-Germany“-Image bewahrt werden könne;409 denn letztendlich steht die Produktqualität eines Fahrzeugs in keinem objektiven Zusammenhang mit der ethnischen Herkunft seiner Erbauer, auch wenn Kunden hiermit gewisse subjektiv geprägte Wertschätzungen verbinden.410 Ebenso kann z. B. eine Anwaltskanzlei mit konservativem Selbstverständnis katholische Bewerber solchen evangelischen Glaubens nicht deshalb vorziehen, weil sie erstere a priori als sittsamer oder tugendhafter einschätzt und sich hiervon eine größere Mandantenakzeptanz erhofft. Denn auch hier beruht diese Einschätzung auf inakzeptablen Vorurteilen gegenüber Bewerbern evangelischen Glaubens. Gleiches gilt für die Bevorzugung eines Rentners für ein gewerbliches Housesitting, weil dieser gegenüber einer 18-Jährigen für gewissenhafter bei der Arbeitsausübung gehalten wird. Ebenso steht die Qualifikation eines Taxifahrers oder Chauffeurs grundsätzlich in keiner Verbindung mit seiner Nationalität oder ethnischen Herkunft.411 Unerheblich, weil bloß anreizbezogen, ist auch eine angenommene Vorliebe russischer Männer für schöne blonde Frauen, die es nicht rechtfertigt, die Verkaufstätigkeit in einem Juweliergeschäft Männern vorzuenthalten.412 Unter Anlegung dieses Maßstabs ist es beispielsweise auch nur selten vorstellbar, dass ein Kunde bzw. ein anderer Dritter legitimerweise die (Nicht-)Behinderung des Per-
407 Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 36; Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 115; a. A. Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 48; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/ Stein, AGG, § 8, Rn. 7, 33. 408 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 14; vgl. a. Fuchs/ Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 107. 409 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 24. 410 Anders verhält es sich in dem Beispiel von Elderhorst (in: AuA 2005, S. 160 (160)): Türkische Mitarbeiter bei Ford entwickelten eine Fahrzeugvariante („Döner-Transit“) samt entsprechender Marketing- und Vertriebsmethoden. Hier wurden Produkt- und Marketingkonzept sowie deren Umsetzung im Verkaufsprozess gezielt durch türkische Menschen übernommen, so dass sie sich mit ihrem kulturellen Wissen und Selbstverständnis besonders für die Erreichung der Zielgruppe eigneten. Näher zum Ansatz des diversity management u. unter § 7 A. II. 8. 411 Daher geg. die Einrichtung der Wunschkategorie „deutscher Fahrer“ bei einer Taxizentrale: Schiek, AGG, § 3, Rn. 15 u. Hinw. auf OLG Düsseldorf v. 28. 05. 1999 ZIP 1999, S. 1357 (1357). 412 Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (389 f.) u. Hinw. auf Ames vs. Cartier. Inc., 193 F. Supp. 2 d 762 (S.D. N.Y. 2002).
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sonals einfordert.413 Eine solche Nachfrage bzw. die hierauf gestützte Marktausrichtung würde nahezu denknotwendig ausschließlich auf Ressentiments beruhen, denen das Diskriminierungsverbot gerade begegnen will.414 Dementsprechend ist die pauschale Abwertung von blinden EDV-Fachleuten, gehörlosen Zeichnern oder gelähmten Lehrkräften415 durch Arbeitgeber von vornherein unzulässig herabsetzend. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich der Unternehmer darauf beruft, er folge insoweit nur solchen (diskriminierenden) Kundenwünschen. Schließlich können hiernach etwa erwartete allgemeine Berührungsängste von Kunden mit dunkelhäutigen Pastoren,416 einem geistig behinderten Verkäufer, einer kopftuchtragenden Vermögensberaterin oder einer weiblichen Autoverkäuferin in keinem Fall Anlass zu einer Differenzierung geben.417 (6) Zusammenfassend bestimmt sich die Grenze zwischen zulässiger Marktausrichtung und unzulässiger Diskriminierung in sämtlichen Fällen objektiv danach, ob der durch die Diskriminierungsverbote erzwungene Verzicht des Unternehmers auf eine merkmalsnah differenzierende Behandlung dazu führen würde, dass sich der Arbeitgeber in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit beschränkt sieht. Dies ist dann der Fall, wenn er sein Geschäft zum einen hinsichtlich der Kundenzielgruppe auf spezielle Merkmalsträger oder auf einen bestimmten merkmalsbedingten bzw- -ausschließenden Nachfrageaspekt hin ausrichtet – sich also für einen merkmalsorientierten Marktauftritt entscheidet. Zum anderen muss der Verzicht auf eine differenzierende Maßnahme in diesem Fall dazu führen, dass die vertraglichen Leistungen von den Angehörigen einer bestimmten Merkmalsgruppe weniger erfolgreich erbracht werden können, weil Dritte sie in dieser Position nicht oder spürbar weniger akzeptieren. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, sieht sich die unternehmerische Freiheit in einem wesentlichen Gebiet eingeschränkt. Diese Beschrän413
Ähnlich pauschal und damit unzulässig ist die Zuweisung nur von Bewerberinnen durch die Arbeitsagentur wg. eines entspr. Kundenauftrags (vgl. Schiek, AGG, § 3, Rn. 15 u. Hinw. auf BAG v. 05. 02. 2004 BAGE 109, 265 (278)). 414 Auch Thüsing (in: Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 357) erkennt an, dass sich eine Behinderung weit häufiger auf die Ausübung der wesentlichen Arbeitsplatzfunktionen auswirkt, als die übrigen in § 1 AGG genannten Merkmale. 415 Vgl. zu diesen Beispielen Dahesh, in: Der Tagesspiegel v. 03. 12. 2007, abrufbar unter http://www.tagesspiegel.de/politik/div/%3Bart771, 2431472. 416 Auch darf der Arbeitgeber keinen polnischen ggü. einem dt. Mitarbeiter benachteiligen, weil er den Deutschen von vornherein für ehrlicher oder fleißiger hält. Es handelt sich bei der Rasse und ethnischen Herkunft um Kriterien, die regelm. nichts mit der Arbeitsleistung zu tun haben, so dass eine Rechtfertigung in diesem Bereich nur selten in Betracht kommen wird. Ähnlich Schiek, Europäisches Arbeitsrecht, Teil 2, Kap. B, Rn. 69; Thüsing, ZfA 2001, S. 397 (399 f.). Sehr strikt ist auch die U.S.-amerik. Rspr. für farbige Arbeitnehmer (vgl. hierzu Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 40). Im Title VII Civil Rights Act ist für die Rassendiskriminierung keine Rechtfertigung anerkannt. 417 Vgl. Rolfs, NZA, Sonderbeil. 1/2008, S. 8 (9 f.). Auch soll die pauschale und von den persönlichen Eigenschaften des Bewerbers abstrahierende Erwartungshaltung von Kunden, die mit einer traditionellen Altersstruktur Authentizität und Glaubwürdigkeit des Unternehmens verbinden, keinen sachlichen Grund zur Selektion darstellen können.
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kung kann dann nicht durch Diskriminierungsschutzinteressen legitimiert werden, wenn die Ziele des Schutzes durch die Arbeitgebermaßnahme nicht beeinträchtigt werden. Dies ist anzunehmen, sofern objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer gerade wegen (des Fehlens) einer Merkmalseigenschaft für den Vertrieb eines Produkts bzw. einer Dienstleistung besser geeignet ist und daher die merkmalsangelehnte Personalmaßnahme nicht auf einer subjektiven Voreingenommenheit gegenüber Trägern geschützter Merkmale beruht. Dies wiederum ist vornehmlich in den Fällen zu unterstellen, bei denen zwischen dem bevorzugten Arbeitnehmer und dem angebotenen Produkt bzw. der Dienstleistung aufgrund der Merkmalseigenschaft eine besondere objektive Nähebeziehung im Sinne eines im Rahmen einer verständigen Würdigung zu erwartenden Wissens- bzw. Qualifikationsvorsprungs gegenüber den benachteiligten Arbeitnehmern besteht. ff) Gesetzliche Schutzbestimmungen Soweit darüber hinaus Ausnahmegründe anerkannt werden, wenn sie durch gesetzliche Schutzbestimmungen oder aufgrund von Gesundheitsgefahren für den Arbeitnehmer geboten sind,418 so wird hierdurch zwar das Interesse des Arbeitgebers an der Erbringung der Arbeitsleistung gewahrt;419 allerdings betreffen diese Fälle nicht die unternehmerische Freiheit im Sinne dieser Untersuchung, so dass die Belastungswirkungen für Arbeitgeber, die mit der zunehmenden Beschränkung dieser Ausnahmemöglichkeit verbunden sind,420 hier nicht näher beleuchtet werden sollen. Gleiches gilt für die Beschränkungen unternehmerischer Freiheit, die aus der besonderen
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Z. B. geschlechtsspezifische Beschäftigungsverbote (Arbeitsschutzvorschriften, Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG), hierzu EuGH v. 26. 10. 1999 NZA 2000, S. 25 (26) (Sirdar); v. 05. 05. 1994 AP Nr. 3 zu Art. 2 RL 76/207/EWG (Habermann-Beltermann); BAG v. 19. 03. 2002 NZA 2002, S. 1231 (1231); BAG GS v. 16. 03. 1962 AP Nr. 19 zu § 1 HATG; v. 14. 07. 1954 AP Nr. 1, 2, 3 zu Art. 3 GG; Knipp, AR-Blattei SD „Einstellung“, 640, Rn: 84, 87a; Jacobs, ZfA 2002, S. 679 (697). Zu § 16 BGleiG und § 64 a BBergG s. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 47; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 28; abl. Meinel/Heyn/ Herms, AGG, § 8, Rn. 7. 419 Speziell dann, wenn der Vertragszweck auf eine Beschäftigung von kurzer Dauer gerichtet ist, z. B. bei einem zeit- oder zweckbestimmten Arbeitsverhältnis, und der Arbeitnehmer gerade während dieser Zeit bedingt durch ein Beschäftigungsverbot ausfällt, ist der Vertragszweck überhaupt nicht erfüllbar (Wank, Anm. zu BAG v. 01. 07. 1993 AP Nr. 36 zu § 123 BGB). Vgl. a. EuGH v. 08. 09. 2005 NZA 2005, S. 1105 (1108); v. 19. 11. 1998 EuGH Slg. 1998-I, S. 7358 (7374) (HØE Pedersen u. a.). 420 Insb. der EuGH hat Differenzierungen aus Gründen schwangerschaftsbedingter Beschäftigungsverbote bzw. konkreter Gesundheitsgefahren (für Mutter und Kind) eine Absage erteilt (vgl. EuGH v. 27. 02. 2003 NZA 2003, S. 373 (375) (Busch); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1243 (1246) (Melgar); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1242) (Tele Danmark); v. 03. 02. 2000 NZA 2000, S. 255 (257) (Mahlburg)). Dem ist das BAG unterdessen gefolgt (vgl. BAG v. 06. 02. 2003 NZA 2003, S. 848 (849)).
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Beweislastsituation421 oder dem mittelbar wirkenden Kontrahierungszwang aus § 15 AGG (vgl. § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F.) resultieren.422 gg) Allgemeine Schlussfolgerungen zur Systematisierung der untersuchten Wechselbeziehung Aus den vorstehenden Untersuchungen lassen sich verallgemeinerbare Strukturen ableiten. Die Möglichkeit des Unternehmers, bei personellen Maßnahmen anhand von geschützten Merkmalen zu unterscheiden, ergibt sich zunächst aus den gesetzlich normierten Rechtfertigungsgründen. Um die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers, mittels derer er sich an einem von Pluralität geprägten Markt positionieren und behaupten muss, mit den Diskriminierungsschutzzielen in Einklang zu bringen, sind daneben in jeder Phase des Arbeitsverhältnisses weitere Unterscheidungen anhand geschützter Merkmale zuzulassen. Während die Möglichkeit zur Kundenorientierung im Tendenzschutzbereich aufgrund anerkannter Differenzierungsmöglichkeiten gesichert erscheint, ist der Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote in anderen Fällen teleologisch zu reduzieren, sobald die unternehmerische Freiheit ansonsten durch die Verbote beschränkt werden würde, ohne dass dies den grundlegenden Zielen der Verbote diente. Abstrakt umschrieben ist die Zulassung einer Differenzierung hierfür auf Fallkonstellationen zu beschränken, die folgende Voraussetzungen erfüllen: (1) Undurchführbarkeit des Marktangebots bzw. erhebliche Erschwerung bei merkmalsorientiertem Marktauftritt Erste Voraussetzung ist, dass die unternehmerische Freiheit durch einen Verzicht auf eine merkmalsangelehnte Unterscheidung so beschränkt werden würde, dass eine bestimmte Kundenwunschorientierung unmöglich gemacht werden würde. Dies ist regelmäßig in Fällen anzunehmen, in denen der Arbeitnehmer gerade für seine Merkmalseigenschaft bezahlt wird (Schauspieler, Mannequin, etc.), ohne dass das Merkmal einen lediglich anreizbezogenen Nebenaspekt der Tätigkeit darstellt. Weiterhin auch dort, wo eine Unterscheidung aus sittlichen, therapeutischen, fürsorgerischen, pädagogischen Gründen, aufgrund von Sicherheitsinteressen oder aus religiös bzw. kulturell verwurzelten Gründen stattfindet, sofern der Unternehmer sein Geschäft auf eine Zielgruppe hin ausrichtet, die ihre Entscheidung für ein bestimmtes Unternehmen nachvollziehbar von eben jenen Gründen abhängig macht. Denn bei der Bewertung, ob die Benachteiligung eines Merkmalsträgers regelmäßig einem rechtmäßigen Zweck dient, ist zu berücksichtigen, ob die Leistung von Kunden, Patienten etc. 421 Vgl. hierzu bereits o. unter § 5 B. III. 2. a) dd). s.a. BVerfG v. 16. 11. 1993 BVerfGE 89, 276 (285); Boemke, ZfA 2001, S. 245 (249)). 422 Vgl. hierzu Treber, NZA 1998, S. 856 (858). Krit. zur systembrechenden Abschreckungs- und Sühnefunktion des § 15 II AGG (§ 611a II BGB a. F.): Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (35 ff.); s. a. Wendeling-Schröder, DB 1999, S. 1012 (1013).
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abgenommen wird.423 Würde der Arbeitgeber infolge der Diskriminierungsschutzvorschriften dazu gezwungen werden, einen Arbeitnehmer zur Akquisition von Aufträgen einzusetzen, und die Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit zu einer bestimmten Merkmalsgruppe führte aller Voraussicht nach zur Erfolglosigkeit der Bemühungen, würde der grundlegende Zweck des Arbeitsverhältnisses in Frage gestellt.424 In Anlehnung an die dem unantastbaren Kernbereich der unternehmerischen Freiheit geschuldeten Maßstäbe bedeutet dies, dass die Merkmalseigenschaft nach dieser Voraussetzung einen zulässigen Unterscheidungsgrund darstellen kann, wenn ihretwegen das vom Unternehmer bestimmte Angebot (auch zukünftig) nicht verwirklicht werden könnte – etwa weil der Bewerber durch sie bzw. ohne sie für den angestrebten Marktauftritt ungeeignet oder wesentlich eingeschränkt wäre.425 Ein Totalausfall eines Geschäftszweigs ist dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht zuzumuten.426 Für die Zulässigkeit einer differenzierenden Maßnahme ist sonach entscheidend, inwieweit der Arbeitgeber objektiv in der Lage ist, das von ihm anvisierte Kundensegment gerade mithilfe dieser Unterscheidung erfolgreich erschließen zu können.427 Im Falle der Undurchführbarkeit des Marktangebots wäre ein bestimmtes unternehmerisches Agieren am Markt gänzlich ausgeschlossen. Aufgrund dieser Eingriffswirkung liegt bei einer absolut-subjektiven Betrachtungsweise eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit des Unternehmers vor,428 die nur zur Ab423 Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 8. Vgl. insoweit a. Müller-Glöge, in: MüKoBGB (2005), § 611a BGB, Rn. 41; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201). Der Diskriminierungsschutz erschwerte oder verhinderte ansonsten den marktgemäßen, leistungsentsprechenden und marktgeforderten Einsatz geeigneter Arbeitskräfte und schränkte die betriebsgerechte, unternehmerisch sinnvolle Personalwirtschaft ein, vgl. Picker, ZfA 2005, S. 353 (366, 372); Reichold, JZ 2004, S. 384 (391). 424 Vgl. Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (387). 425 Dies entspricht vom Grds. her der älteren BAG-Rspr. zur Reichweite von Diskriminierungsverboten, vgl. BAG v. 11.12.03 BAGE 11, 270 (272 f.); v. 01. 07. 1993 AP Nr. 36 zu § 123 BGB; v. 15. 10. 1992 AP Nr. 8 zu § 611a BGB; v. 06. 10. 1962 AP Nr. 24 zu § 9 MuSchG; in diese Richtung a. LAG Hamm v. 18. 01. 2002 NZA 2002, S. 675 (677); ähnlich HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 f. S. a. Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 37, § 41, Rn. 82 ff.; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 53; Adam, NZA 2003, S. 1375 (1380); Braun, MDR 2004, S. 64 (70). Der Diskriminierungsschutz soll bei einer Zweckverfehlung nicht eingreifen (Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 23; Belling, NZA 2004, S. 885 (888)). Daher muss es dem Unternehmer in allen Bereichen des Diskriminierungsschutzes aus beiderseitigem Interesse möglich sein, den Merkmalsträger mit einer unter unternehmerischen Gesichtspunkten gebotenen Arbeitsaufgabe sinnvoll zu betrauen. Vgl. BAG v. 10. 05. 2005 NZA 2005, S. 1237 (1238); Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 21. 426 Ebenso Oberwetter, AGG, § 8, S. 23. 427 Die auf die Erfolgsvoraussetzungen bezogene Einteilung der relevanten Marktsegmentbesetzung grenzt die für eine Einschränkung der Diskriminierungsverbote relevanten Differenzierungsmöglichkeiten ein (objektivierte erfolgsbezogene Eingrenzung). Vgl. aus anderer Richtung: Perreng/Nollert-Borasio, AiB 2006, S. 459 (462). 428 In den genannten Fällen, in denen dem Unternehmer die marktmäßige Betätigung verwehrt wird, da ihm die Untersagung der unterscheidenden Maßnahme ein nachfrageorientiertes Handeln jedenfalls im Hinblick auf ein bestimmtes Kundensegment unmöglich macht, liegt eine Einschränkung der Wahlfreiheit vor. Zu den fließenden Übergängen zwischen Berufs-
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wehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, d. h. hier den Diskriminierungsschutz, erfolgen darf.429 Dann ist ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse anzuerkennen, welches grundsätzlich zu einer Unterscheidungsmöglichkeit führt.430 Ein Differenzierungspotential abseits der Wirkung der Diskriminierungsverbote eröffnet sich dem Arbeitgeber mithin in jenen Fällen, in denen er einen bestimmten merkmalsangelehnten Marktauftritt verfolgt, dessen Umsetzung nur dann eine realistische Erfolgschance bietet, sofern hierfür eine nach einem geschützten Merkmal differenzierende Personalmaßnahme ergriffen wird.431 Im Übrigen ist eine Beschränkung unternehmerischer Freiheit auch anzunehmen, wenn die Ausrichtung auf ein bestimmtes Nachfragesegment erheblich erschwert wird, und der Unternehmer sein Geschäft hinsichtlich der Kundenzielgruppe auf spezielle Merkmalsträger oder auf einen bestimmten merkmalsbedingten bzw- -ausschließenden Nachfrageaspekt hin ausrichtet – sich also für einen merkmalsorientierten Marktauftritt entscheidet. Indem insoweit die Möglichkeit des Unternehmers, eine merkmalsorientierte Marktausrichtung zu verfolgen,432 berücksichtigt wird, werden auch keine allgemeinen wirtschaftlichen Gründe (insbesondere Gewinnsteigerung und Gewinnsicherung), die für die Anwendung der Diskriminierungsverbote grundsätzlich unbeachtlich sind,433 zugunsten des Unternehmers herangezogen. Vielmehr handelt es sich bei der Möglichkeit der Marktausrichtung um einen entscheidenausübungs- und -wahlfreiheit vgl. BVerfG v. 20. 03. 2001 BVerfGE 103, S. 172 (183); v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (253); v. 18. 12. 1968 BVerfGE 25, S. 1 (12); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 111 II. 1. h). 429 Vgl. o. unter § 6 B. II. Andernfalls wäre die frei Wahl des Berufes für den Arbeitgeber, die unter einem bes. hohen Schutz der europ. sowie der dt. Rechtsordnung steht, beseitigt und damit insg. unzumutbar belastet. Insoweit darf der Diskriminierungsschutz den Marktmechanismen nicht zuwiderlaufen. 430 Denn das zentrale Element der freiheitlichen Grundsätze der Privatautonomie liegt darin, dass niemand zu einer Rechtfertigung seines legitimen rechtsgeschäftlichen Verhaltens verpflichtet ist – in diese Richtung Bayreuther, NZA 2006, S. 417 (419); Gragert, NZA 2000, S. 961 (970); weitergehend (i. S. einer Freiheit zur Willkür): Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 7 III, S. 27; Picker, JZ 2003, S. 540 (540), Fn. 5). Anders wie hier Müller-Glöge, in: MüKo-BGB, § 611, Rn. 593 – jedoch ebenfalls tendenziell für eine strengere Ausrichtung an unternehmerischen Interessen i. R. der Auswahl von Arbeitnehmern bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen (ebenso Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (21)). Zu weitgehend daher Papier, DVBl 1984, S. 801 (813), der dem abgelehnten Bewerber einen Anspruch auf eine sachlich begründete Ablehnung zugestehen will. 431 Schlachter stellt im Bereich der Rechtfertigungstatbestände ähnlich darauf ab, ob die (merkmalsangelehnte) berufliche Anforderung für den Unternehmenserfolg erweislich entscheidend ist (Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3). 432 Der Arbeitgeber ist nach der hier vertretenen Lösung weitgehend frei, einen merkmalsorientierten Marktauftritt zu wählen, sofern dieser der erfolgreichen Bedarfsdeckung dient (s. o. unter § 3 C. III. 1. b) bb) (3), VI.). Aus dieser Freiheit folgt dann die Möglichkeit des Arbeitgebers, für die Präsentation seines Angebots auch den geeigneten Arbeitnehmer anhand eines Merkmals auszuwählen. 433 s. hierzu näher u. unter § 7 B. III.
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den Aspekt unternehmerischer Freiheit, der mit den Diskriminierungsschutzzielen zu harmonisieren ist. Aus der Zusammenschau der genannten Beispiele wird deutlich, dass Fälle als diskriminierungsschutzwürdig diskutiert werden, in denen der Unternehmer durch die Unterscheidungsverbote in seiner verfassungsrechtlich verbürgten Kernfreiheit, nämlich der autonomen Entscheidung über das Auftreten am Markt, beschränkt werden würde. Die Berücksichtigung dieser Beschränkungswirkung ist wesentlich für den (zukünftigen) Bestand des Unternehmens, da die Marktstellung eines Unternehmens zumindest auf lange Sicht über dessen Bestandsfähigkeit im Wettbewerb entscheidet.434 Insoweit bekommt auch die Perspektive des zeitgemäßen, sozialbewussten Arbeitgebers Relevanz, der den (Fort-)Bestand und die Leistungsfähigkeit seines Unternehmens anstrebt; dieser Aspekt ist ein wichtiger Maßstab zur Beurteilung der Möglichkeiten zur Abweichung von den Grundsätzen des Diskriminierungsschutzes.435 Das Abstellen auf eine besondere Ausrichtung des Unternehmens, also ein abgrenzbares Marktsegment oder einen besonderen Nachfrageaspekt, führt schließlich dazu, dass das Eingreifen von Diskriminierungsverboten in diesem Fall gerade nicht jeden Unternehmer gleichermaßen trifft. (2) Vorurteilsfreiheit als objektive Grenze zwischen erlaubter Differenzierung und verbotener Diskriminierung – objektiv-eignungsbezogene Anknüpfung der Unterscheidung als Bewertungskriterium Zur Beantwortung der Frage, welches auf Differenzierung beruhende unternehmerische Auftreten nicht vom Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote umfasst ist, kommt es zudem auf die Vorurteilsfreiheit der Unterscheidung an. Entscheidendes Kriterium für die Reichweite von Diskriminierungsschutz ist nämlich, ob die konkrete unternehmerische Zwecksetzung gegen das Gleichbehandlungsziel gerichtet ist.436 Nur dann ist eine Rechtfertigung der Beschränkung unternehmerischer Freiheit durch höherrangige Diskriminierungsschutzinteressen überhaupt möglich. Auch 434 Zu dem Aspekt der Wesentlichkeit des Unterscheidungsgrundes für den Bestand des Unternehmens s. Kania/Merten, ZIP 2007, S. 8 (9), die dem Unternehmer insoweit eine Einschätzungsprärogative zugestehen. Diese sollte sich aber genauer auf die Marktausrichtung beziehen (s. dazu u. unter § 7 A. II. 7. c)), da diese unmittelbarer Ausdruck unternehmerischer Freiheit ist. 435 Vgl. Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 2 unter Hinw. auf BAG v. 12. 11. 1998 AP Nr. 16 zu § 611a BGB. Die Erwartungen des Marktes sind mithin dann erheblich, wenn ihre Beachtung ,bestandswichtigÐ in dem Sinne ist, dass die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit in dem betreffenden Marktsegment anderenfalls auf mittlere Sicht gefährdet wäre, vgl. Annuß BB 2006, S. 1629 (1633); dagegen Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 21 wg. der mit der notwendigen Prognose verbundenen Unsicherheiten. 436 Vgl. a. Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 73. Dies verbietet den Anspruch auf eine Lösung, nach der sich jeder Fall, der sich im potenziellen Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes bewegt, abschließend beurteilt werden kann, denn die Abgrenzung von systemkonformem Gebrauch und systemschädlichem Missbrauch wirtschaftlicher Macht kann in einer Marktordnung nicht nur an abstrakten Kriterien abgelesen werden, sondern ist Ausdruck einer einzelfallbezogenen Wertung.
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wenn unternehmerische Freiheit – wie gezeigt – nicht grenzenlos gewährleistet wird, so bedarf es zur Beschränkung ihres Kernbereichs jedenfalls eines Gesetzes, welches die Einschränkung der freien Marktbetätigung final zum Gegenstand hat. Dies ist bei den arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverboten, die den Würdeschutz zum Zweck haben, dann nicht der Fall, wenn die Unterscheidung keinen herabsetzenden Charakter aufweist. In diesen Fällen besteht gerade kein Konflikt mit dem Schutzzweck des einschlägigen Diskriminierungsverbotes, weil der gesellschaftliche Ächtungskonsens diese Ausnahmesituationen nicht einschließt. Die Diskriminierungsverbote erfüllen hier nicht mehr ihren grundlegenden Zweck, nämlich Arbeitnehmer davor zu schützen, aufgrund einer geschützten Merkmalseigenschaft herabgewürdigt zu werden;437 vielmehr würde durch ihr Eingreifen die Verbotswirkung zu Lasten eines pluralistisch ausgestalteten allgemeinen Marktsystems überschießend ausgedehnt. Zweite Voraussetzung für eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Diskriminierungsverbote ist demnach, dass die Differenzierung mit den Diskriminierungsschutzzielen nicht im Konflikt steht, weil sie nicht mit der Voreingenommenheit gegenüber Merkmalsträgern in Verbindung steht, gegen die sich die Diskriminierungsverbote wenden.438 Zur Begründung dieser besonderen Voraussetzung für das jeweilige Arbeitsverhältnis sind konkrete Gründe des Arbeitgebers im Sinne objektivierbarer Interessen im Rahmen der Kundenbeziehung als objektive Anknüpfungspunkte für seine Unterscheidung erforderlich. Diese müssen eine Vorurteilsbelastung der Maßnahme ausschließen.439 Dabei muss der Anknüpfungspunkt jeweils unmittelbar mit der Geschäftsidee, d. h. mit dem eigentlichen Marktauftritt verbunden und darf seinerseits nicht rechtswidrig sein, insbesondere keinen herabsetzenden Charakter besitzen.440 Im Falle einer nachfragegeleiteten unternehmerischen Entscheidung scheidet die (objektiv zu bestimmende)441 herabsetzende Wirkung der 437
Vgl. Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), Einl., Rn. 53. Inwieweit die Anknüpfung an geschützte Merkmale als Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot klassifiziert werden kann, bestimmt sich mithin danach, ob in den genannten Beispielen der Unternehmer mit seinem speziellen Angebot das Ziel der (merkmalsangelehnten) gewinnorientierten Marktausschöpfung verfolgt. 439 Zum Nachweis, dass der tats. Einstellungspraxis des Unternehmens keine eigenen Vorurteile zugrunde liegen: EuGH v. 10. 07. 2008 NZA 2008, S. 929 (931). 440 Mithin darf dem Arbeitgeber nicht verwehrt werden, die Eignung des Arbeitnehmers für den gewählten Marktauftritt zu bewerten; die Wertung hat sich aber an den Nachfragebedürfnissen zu orientieren. 441 Vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 98; anders: Adomeit/Mohr, AGG, Einleitung, E. I. Rn. 243, II. 260, § 1 Rn. 41 – „das AGG werde erst verletzt, wenn die Nichteinstellung eines Arbeitnehmers ,wegenÐ (§ 7 I AGG) eines geschützten Merkmals erfolgt (ebenso Deinert, RdA 2007, S. 275 (279), m. w. N.). Die Rechtswidrigkeit liegt nach dieser Ansicht also im Subjektiven, in einem Motivationszusammenhang, in der Gesinnung“. Demgegenüber spielt die innere Haltung des Diskriminierenden („bad/evil motives“ – vgl. USC Kolstad v. American Dental Association 119 S.Ct 2118, 2125 (1999)) im US-amerik. Recht eine maßgebliche Rolle für die Bemessung von punitive damages (Steinbrück, Jura 2004, S. 439 (445)). In EuGH v. 17. 07. 2008 NZA 2008, S. 932 (933 f.) wird ausschließlich auf den Willen des Arbeitgebers abgestellt, keine Marokkaner einzustellen. 438
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Maßnahme aus, sofern der Nachfragewunsch selber diskriminierungsfrei ist. Ausschlaggebend ist hiernach, dass sowohl der Nachfragewunsch als auch die Haltung des Arbeitgebers vorurteilsfrei sind. Abzustellen ist insoweit auf einen durchschnittlichen objektiven Erwartungshorizont.442 Hinsichtlich der Maßnahme besteht nach dem Maßstab eines verständigen Außenbetrachters ein objektiver Merkmalsbezug, der die gewinnträchtige Umsetzung der jeweiligen Geschäftsidee unmittelbar bedingt. In Fällen, in denen der Arbeitnehmer gerade für seine Merkmalseigenschaft bezahlt wird (Schauspieler, Mannequin, etc.) und auch dort, wo eine Unterscheidung aus sittlichen, therapeutischen, fürsorgerischen, pädagogischen Gründen, aufgrund von Sicherheitsinteressen oder aus religiös bzw. kulturell verwurzelten Gründen stattfindet, existieren regelmäßig solche objektiven Anknüpfungspunkte. Im Übrigen ist ein vorurteilsausschließender Differenzierungsgrund vornehmlich in den Fällen anzunehmen, in denen aus der Merkmalseigenschaft bei verständiger Würdigung der gegebenen Umstände eine besondere Nähebeziehung zwischen dem Produkt bzw. der Dienstleistung und dem Arbeitnehmer, insbesondere ein zu erwartender Wissensbzw. Qualifikationsvorsprung gegenüber anderen Arbeitnehmern resultiert.443 Die tatsächlichen Unterschiede zwischen Merkmalsträgern und Nicht-Merkmalsträgern dürfen an dieser Stelle nicht rechtlich negiert werden, indem dem Unternehmer die Pflicht zur Herbeiführung von Ergebnisgleichheit aufgebürdet wird.444 Die objektive Eignung des Arbeitnehmers für den konkreten Marktauftritt rückt so in den Mittelpunkt der Überlegungen zur Zulässigkeit einer Differenzierung,445 da der wirtschaftliche Erfolg des Arbeitgebers weitgehend von der Qualität der Belegschaft ab442 Maßgebend sind demnach die gewöhnlich zu erwartenden Umstände. In jedem Fall darf es bei der Beurteilung keine Rolle spielen, dass die Eignung im Einzelfall von der Einschätzung des Arbeitgebers abweichen kann. Entscheidend ist die sachlich begründete Erwartung, gerade mit dem bevorzugten Arbeitnehmer das Angebot auf das in Aussicht genommene Marktsegment abstimmen zu können. 443 In diesem Fall existiert ein innerer Zusammenhang zwischen dem vom Arbeitgeber anvisierten Nachfrageausschnitt und dem Differenzierungsmerkmal. Hier geht es dem Unternehmer regelm. gerade nicht darum, tradierte Rollenbilder zu übernehmen, die mithilfe der Anti-Diskriminierung gerade überwunden werden sollen. 444 Vgl. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 243; Classen, JZ 2004, S. 613 (613); Reichold, JZ 2004, S. 384 (388). A. A. wohl EuGH v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (409) (Nikoloudi); Schimmelpfeng-Schütte, NZA 2006, S .21 (21). s. a. Joussen, NJW 2003, S. 2857 (2861). 445 Vgl. – wenn a. mit anderem Ansatz – Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 2, 48; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 55 („Kriterium der ökonomischen Nutzenmaximierung“); v. Koppenfels-Spies, AuR 2004, S. 43 (46); Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 4. Selbst der öffentliche Arbeitgeber hat bei Einstellungen insoweit einen Beurteilungsspielraum, der nur beschränkt gerichtlicher Kontrolle unterliegt, denn es ist grds. nicht Aufgabe der Gerichte, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen (BAG v. 07. 07. 2004 NZA 2004, Heft 18, S. VIII (VIII); v. 01. 07. 1993 BAG AP Nr. 36 zu § 123 BGB; s. a. BAG v. 18. 03. 2010 – NZA 2010, 1129 ff.; LAG Baden-Württemberg v. 13. 08. 2007 FA 2007, S. 313 (313)). Zum Standpunkt des geeigneten Arbeitnehmers vgl. BVerfG v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (407 f.). Ein Verstoß gegen Art. 2 I, 3 I RL 76/ 207/EWG kommt auch nach Ansicht des EuGH nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einer von ihm für geeignet befundenen Bewerberin ablehnt (EuGH v. 08. 11. 1990 AP Nr. 23 zu Art. 119 EWG-Vertrag).
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hängt.446 Dass dieses unter Marktgesichtspunkten rationale Arbeitgeberhandeln regelmäßig frei von herabsetzenden Motiven ist, folgt nicht zuletzt aus den allgemeinen Marktmechanismen.447 Hierbei geht es nicht um die liberal-ökonomische These, dass der Markt alles richte.448 Der Markt selbst hat jedoch eine rationalisierende und egalisierende Funktion.449 Diese drängt die Marktteilnehmer, wollen sie sich am Markt behaupten und weiter Gewinne erzielen, auf die Anwendung irrationaler Kriterien im Geschäftsleben zu verzichten.450 Bei der Beurteilung differenzierender Maßnahmen gilt es zu bedenken, dass ein Unternehmer tendenziell nach wirtschaftlich-rationalen Überlegungen und nicht aus niederen Beweggründen handelt, auch weil dem Unternehmer im Fall nachgewiesener Diskriminierung ein nicht unerheblicher Imageschaden droht.451 Selbst bei weitgehender Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers stehen Kompetenz und Qualifikation des Bewerbers maßgeblich im Vordergrund jeglicher Maßnahmen. Die ökonomische Rationalität des freien Marktes bietet zwar keine Gewähr dafür, dass nicht irrationale, diskriminierende Elemente in die Einstellungspolitik einfließen,452 indes fordert sie Gesetzgeber und Rechtsanwender dazu auf, bei Aufstellung und Anwendung einer zwingenden oder mit einschneidenden Sanktionsfolgen versehenen gesetzlichen Regelung vorsichtig zu agieren.453 Diese Vorsicht kann vorliegend nur mittels der dargestellten teleologischen Reduktion der Diskrimi446 Vgl. BVerfG v. 19. 05. 1992 BVerfGE 86, S. 122 (130); Boemke, ZfA 2001, S. 245 (257); Moritz, NZA 1987, S. 329 (331). s. a. Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 206. 447 Körber, EuR 2000, S. 932 (951). Zum Funktionsschutz des Marktes durch Art. 12 I GG vgl. Möllers, NJW 2005, S. 1973 (1976 f.). Marktwirtschaft und Autonomie der Marktteilnehmer bedingen daher einander. 448 Hiergegen z. B. Baer, ZRP 2002, S. 290 (292). 449 So etwa Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (392). Der Vertrag trage seine Legitimität und Dignität in sich (Säcker, ZRP 2002, S. 286 (287)). Aus ökonomischer Sicht geht man von solchen Marktfunktionen aus und beschreibt die Folge als „pareto-optimales Ergebnis“; grdl. Smith, The Theory of Moral Sentiments, in: ders., The Works, Reprint of the Edition (London & Edinburgh 1811, 1812) in fife Volumes, 1963, S. 141; Friedman, The Social Responsebility of Business is to Increase its Profits, New York Time Magazin v. 13. 09. 1970, S. 32 f., 122 ff.; Friedman/Friedman, Free to Choose. A personal statement. (1980), S. 2, 189 ff.; hierzu Suchanek, in: Pies/Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 105 (109 ff.); aus rechtlicher Sicht: Thüsing, in: FS Wiedemann (2002), S. 559 (569). 450 Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 127; in diese Richtung a. Richardi, in: MünchArbR I, § 14, Rn. 54; Schiefer, NZA 2002, S. 770 (770). Insofern decken sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen (s. Vogt, RdA 1984, S. 140 (154)). Vgl. a. Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 3, 1981, S. 108 ff. 451 So die Annahme von Wolff, AuA 2006, S. 512 (516). Vgl. grdl. die alte Vertragslehre Schmidt-Rimplers, nach der dem Vertragsschluss die Wahrscheinlichkeit innewohne, dass die Parteien beim Vertragsschluss zum „richtigen“ Ergebnis gelangt seien (Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1947), S. 130 (156); ders., in: FS Nipperdey (1955), S. 5 ff.); hierzu BVerfG v. 19. 10. 1993 BVerfGE 89, S. 214 (231 f.); (einschränkend) Richardi, in: MünchArbR I, § 14, Rn. 51 ff. 452 So zu Recht Hanau, in: Gs. Kahn-Freund (1980), S. 457 (470). 453 Ähnlich Roth, in FS Everling (1995), S. 1231 (1231); Stoffels, NZA 2000, S. 690 (691); s. a. EuGH v. 24. 01. 1991 EuGH Slg., S. I-107 (124) (Alsthom Atlantique); Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 7 III, S. 27; Lieb, ZfA 1996, S. 319 (344); Schwarze, ZfA 2003, S. 447 (463)). Grdl. Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 15.
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nierungsverbote gewährleistet werden. Tatsächlich spielt es für die hierzu vorzunehmende Abgrenzung eine tragende Rolle, ob der Unternehmer die differenzierende Maßnahme ausschließlich aus Gründen der Marktorientierung trifft,454 d. h. ob er nach objektiven Maßstäben davon ausgehen darf, dass er mittels der Unterscheidung einen besonderen Nachfragewunsch bedienen kann, oder ob die Diskriminierung von unsachlichen Ressentiments getragen wird.455 Für das Eingreifen der Reduktion ist insoweit allgemein zu verlangen, dass die zu erwartende Kundenpräferenz objektiv an die Eignung des Arbeitnehmers für die Arbeitsaufgabe anknüpft, wodurch eine Vorurteilsbelastung der unterscheidenden Maßnahme ausgeschlossen werden kann. In diesen Fällen spricht der Aspekt der Markttrennung tendenziell für die Vorurteilsfreiheit einer differenzierenden Personalmaßnahme. Hingegen führt der Marktausschluss des Arbeitnehmers infolge einer unterscheidenden Maßnahme zwar nicht zwangsläufig zur Unzulässigkeit einer Differenzierung, wohl aber zu gesteigerten Begründungslasten. Kann die Differenzierung nach diesen Maßstäben ausreichend begründet werden, sind die Diskriminierungsverbote mangels Vorurteilsbelastung der differenzierenden Maßnahme bereits ungeeignet, um ihren grundlegenden Zweck zu erfüllen. Dieser besteht nämlich in der Bekämpfung und Überwindung von herabsetzenden Maßnahmen, welche auf Vorurteilen beruhen, die mit einem geschützten Merkmal verbunden sind. Indem insoweit auf das Vorhandensein objektiver und damit grundsätzlich handhabbarer Differenzierungsgesichtspunkte, insbesondere einen aus verständiger Sicht zu erwartenden Wissens- und Qualifikationsvorspruch der bevorzugten Person, abgestellt werden kann, gelingt regelmäßig eine Abgrenzung zwischen noch tolerierbaren Unterscheidungsgründen und nicht mehr hinzunehmenden Vorurteilen.456 Insoweit ist anzuerkennen, dass der Unternehmer sein Angebot in Richtung auf antizipierte Nachfragewünsche konzipieren kann, ohne dass er damit in Konflikt mit den Diskriminierungsschutzzielen gerät.457 Aus einer Bewertung der konkreten Eignungsvoraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Vorurteilsbelastung der Maßnahme ergibt sich ein Bezug zu dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers.458 Da die 454
Zu diesem Begriff vgl. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 165 ff. Ähnlich differenzierend Baer, ZRP 2002, S. 290 (293). 456 Gleichzeitig lassen sich die relevanten Marktauftritte rechtssicher und nachvollziehbar eingrenzen. Hier verläuft aus Sicht des Diskriminierungsschutzes die Grenze zw. notwendiger Chancengleichheit als Vorbedingung des Freiheitsgebrauchs und freiheitsgefährdender bzw. -nivellierender Intervention mittels Diskriminierungsrecht; zumal der Diskriminierungsschutz nicht final auf den Ausgleich einer materiellen oder strukturellen Ungleichgewichtslage (hierzu Schwarze, ZTR 1996, S. 1 (4 f.)) ausgerichtet ist (vgl. Korell, Jura 2006, S. 1 (8); ähnlich Coester, in: FS Canaris (2007), S. 115 (118)). 457 A. A. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 48 – Kundenerwartungen hingen immer mit der tats. Verteilung von Rollen zusammen, die das Anti-Diskriminierungsrecht gerade überwinden wolle. 458 Das Differenzierungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt in Fällen ohne Vorurteilsbelastung hier das Individualinteresse des benachteiligten Beschäftigten – vgl. zu dieser Zuordnung Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 13. Tats. geht es hier um eine Reduzierung der 455
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Maßnahmen in den objektiv zu begründenden Fällen nichts mit einer Voreingenommenheit gegenüber Merkmalsträgern zu tun haben, sind die Unterscheidungen auch nicht geeignet, Vorurteile zu verfestigen, die das jeweilige Diskriminierungsverbot gerade beseitigen möchte. Diese Überlegungen widersprechen nicht der neuesten Rechtsprechung des EuGH zur Geschlechtsdiskriminierung, wonach eine Maßnahme nicht mit der Unfähigkeit, eine der wesentlichen Voraussetzung des Arbeitsvertrags zu erfüllen oder der Unerlässlichkeit der Arbeitnehmerin für das ordnungsgemäße Funktionieren des Unternehmens, begründet werden kann.459 In den abgegrenzten Fällen wird deutlich, dass hier der Zweck, insbesondere der Würdeschutz- und Integrationsgedanke von Anti-Diskriminierungsrecht gar nicht erreicht und daher auch nicht zur Legitimation herangezogen werden kann.460 Tatsächlich unterfallen jene Fälle nicht mehr dem Anwendungsbereich der Diskriminierungsschutzvorschriften. In Bezug auf das Arbeitgeberverhalten ergibt sich die Grenze zwischen zulässiger Nachfrageorientierung und unzulässig abwertender Diskriminierung aus der Vorurteilsfreiheit des Zusammenhangs zwischen (antizipiertem) Kundenwunsch und geschütztem Merkmal. Mithilfe der sich aus dieser Bewertung ergebenden Differenzierungspotenziale ist der Unternehmer in der Lage, sich einem diversifizierten Nachfragemarkt zu stellen und ausdifferenzierte (nichtdiskriminierende) Kundenwunschkategorien merkmalsnah zu besetzen. (3) Ausschluss diskriminierender Anknüpfungspunkte Die Diskriminierungsverbote untersagen jegliche pauschalen Bewertungen von Arbeitnehmern wegen eines geschützten Merkmals. Im Umkehrschluss zu vorgenannten Kategorien ist hiervon regelmäßig dann auszugehen, wenn die unternehmerische Ausrichtung nicht einem der aufgeführten Ausnahmebereiche unterfällt; insbesondere darf keine besondere objektivierbare Nähebeziehung zwischen dem Angebotsgegenstand (dem Produkt bzw. der Dienstleistung) und dem merkmalsnahen Anforderungsprofil bestehen.461 Das Bestehen von Vorurteilen und damit das Eingreifen der Diskriminierungsverbote sind dann anzunehmen, wenn die differenzierende Diskriminierungsverbote auf deren teleologische Zielrichtung und nicht um eine reine Interessenabwägung auf Rechtfertigungsebene. 459 EuGH v. 27. 02. 2003 NZA 2003, S. 373 (375) (Busch); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1242 f.) (Tele Danmark); v. 03. 02. 2000 NZA 2000, S. 255 (257) (Mahlburg); vgl. hierzu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 II, Rn. 310. Dem EuGH zust. Fuchs, in: Bamberger/Roth (2003), BGB, § 611a Rn. 8, 13; Schiek, NZA 2004, S. 873 (879). Vgl. aktuell a. BAG v. 02. 08. 2006 NZA 2006, S. 1411 (1413). 460 Der Arbeitgeber darf etwa bei einem Arbeitnehmer, der seine im Fitnessbereich angesiedelte Arbeit z. B. wegen einer Kombination aus Behinderung und hohem Alter nicht mehr richtig schafft, nicht gezwungen werden so zu tun, als sei dies nicht so, um einer Diskriminierungsklage vorzubeugen. 461 Bzw. keine unmittelbare Verbindung zwischen dem eigentlichen Marktauftritt und dem Anknüpfungspunkt für die differenzierende Maßnahme.
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Entscheidung mit für die Umsetzung der Geschäftsidee unerheblichen (insbesondere in Verbindung mit einer traditionellen Rollenerwartung stehenden) Unterschieden begründet wird oder die angreifbare Maßnahme allgemein auf Vorurteilen hinsichtlich der Merkmalsgruppe beruht.462 Insgesamt ist man sich einig, dass eine Differenzierung aufgrund bloßer abwertender Vorurteile (des Arbeitgebers bzw. Dritter) grundsätzlich unzulässig sein soll.463 Dort, wo die Maßnahme des Arbeitgebers, die aufgrund eines geschützten Merkmals differenziert, auf pauschalen, intoleranzgeprägten Herabsetzungen beruht, greift der Diskriminierungsschutz ein und stellt so den Arbeitnehmerschutz sicher. Auszuschließen bleiben daher auch unter dem Gesichtspunkt unternehmerischer Freiheit grundsätzlich alle Konstellationen, in denen eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer bei einer Tätigkeit einzig auf Grund von (im Sinne des Diskriminierungsschutzgedankens verachtenswerten) Voreingenommenheiten der Kundschaft gegenüber einer Merkmalsgruppe weniger erfolgreich ist als ein Kollege ohne diese Merkmalszugehörigkeit.464 (4) Berücksichtigung der Grenze auch zugunsten des arbeitgeberseitigen Informationsinteresses Unverzichtbar ist der Schutz der unternehmerischen Freiheit mithin dort, wo zu befürchten ist, dass der Unternehmer eine bestimmte Geschäftsausrichtung bei einem Verzicht auf eine nach einem geschützten Merkmal unterscheidende Maßnahme nicht mit Erfolgschancen durchführen kann, wobei die Unterscheidung nicht auf Vorurteilen gegenüber Merkmalsträgern beruhen darf. Jenseits der genannten Grenze muss konsequenterweise eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers oder wenigstens ein Fragerecht auf Seiten des Arbeitgebers in einer Bewerbungssituation bestehen.465 In den hier beschriebenen Konstellationen geht es unter anderem um die Ausrichtung des Unternehmens auf Kundenwünsche mittels einer folgerichtigen Personalauswahl, so dass den vorvertraglichen Informationen ein entscheidendes Gewicht 462 Vgl. insoweit auch Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 42: Allein das marktbezogene Aufgreifen von Vorurteilen rechtfertige keine Differenzierungen, sei es auch noch so lukrativ. 463 So EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (911 f.); v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (409) (Nikoloudi); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1243) (Tele Danmark); Schieck, AuR 2003, S. 44 (48) gegen das Argument, die Kundschaft möge keine arabischen, türkischen oder schwarzen Geschäftspartner. 464 Vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 17; Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 54; Thüsing, in: HWK (2004), § 611a BGB, Rn. 31; Krause, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 23. 465 Vgl. etwa LAG Hamm v. 18. 01. 2002 NZA 2002, S. 675 (677); Ehrich, DB 2000, S. 421 (424); v. Koppenfels-Spies, AuR 2004, S. 43 (43). Z. T. a. A. offenbar Moritz, NZA 1987, S. 329 (335). Speziell i. R. der Diskussion um die Zulässigkeit einer Frage im Bewerbungsgespräch sind Grundsätze anerkannt, nach denen eine Zumutbarkeitsgrenze zugunsten des Arbeitgebers eingezogen wurde, vgl. BAG v. 07. 09. 1993 AP Nr. 7 zu § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung; v. 03. 02. 1970 aufgeführt bei Etzel, BlStSozArbR 1970, S. 238 (238 f.). Zum grds. Anerkenntnis des Kriteriums der Leistungsfähigkeit in anderen Bereichen vgl. nur BAG v. 12. 04. 2002 NZA 2002, S. 1081 (1081); v. 30. 01. 1986 NZA 1987, S. 555 (555).
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zukommt.466 Durch die Beschränkung auf die sachliche Relevanz der Frage für das konkret anzubahnende Rechtsverhältnis wird das Interesse der Unternehmer in den beschriebenen Ausnahmefällen bereits hinreichend eingeschränkt.467 Diese eignungsbezogene Beschränkung von Diskriminierungsschutz dient letztendlich auch dem Schutz der Arbeitnehmer, da der Bewerber vor Überforderung geschützt wird.468 Ein Bewerber, der seine Defizite im Bewerbungsgespräch offenbart hat und dennoch eingestellt wurde, kann sich auf die Erkennbarkeit des Defizits bei der Einstellung berufen, wenn es später einmal Anlass für eine Arbeitgebermaßnahme sein sollte.469 Anforderungen der Literatur, wonach Bewerbungsunterlagen generell nur noch ohne Lichtbild und ohne Angabe von Alter etc. erbeten werden dürfen,470 könnten in den hier herausgearbeiteten Ausnahmebereichen zu Szenarien führen, in denen ein Arbeitgeber seine Informationsinteressen nicht mehr sinnvoll befriedigen und so im Rahmen einer Einstellung nicht mehr gewährleisten kann, ob der Bewerber für die vorgesehene Tätigkeit überhaupt geeignet ist.471 c) Bewertung der unternehmerischen Entscheidung nach Darlegungs- und Beweiskriterien Die Beweislastverteilung in § 22 AGG führt dazu, dass der Arbeitgeber einem faktischen Begründungszwang unterliegt, wodurch ihm die Berufung auf eine marktgerechte Differenzierung erschwert wird.472 Selbst in dem Fall, dass ihm Gründe der freien Marktausrichtung tatsächlich zur Seite stehen, ist nicht gesichert, dass ihm 466 Schützt die Rechtsordnung primär das Leistungsinteresse des Arbeitgebers, so muss sie ihm konsequenterweise die Instrumente zur Verfügung stellen, die zu dessen Sicherung erforderlich sind (Raab, RdA 1995, S. 36 (43)). Hierzu gehört die sanktionierte Verpflichtung, bei Vertragsabschluss Umstände offen zu legen, die diesem Interesse zuwiderlaufen (ebenso Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 II, Rn. 310; s. a. Knipp, AR-Blattei SD „Einstellung“, 640, Rn. 3). 467 Ein übertriebener Diskriminierungsschutz ist hier schon deshalb unangebracht, da dem Fragerecht des Arbeitgebers aufgrund von Unterlassungsanreizen ein System von checks und balances immanent ist, das verhindert, dass von dem Instrument übermäßig Gebrauch gemacht wird (Mankowski, JZ 2004, S. 121 (122 f.)). 468 So Löwisch, ZfA 1996, S. 293 (314); Thüsing/Lambrich, BB 2002, S. 1146 (1153). 469 Auch besteht ein Interesse der Allgemeinheit daran, dass die Kündigung ggü. Arbeitnehmern möglich ist, wenn der Unternehmer ansonsten an einer erfolgreichen Wettbewerbstätigkeit gehindert wird. (s. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 24 II 1b). 470 I. d. S. Bauer, NZA 2006, S. 774 (776); Schrader, DB 2006, S. 2571 (2571); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1494). Nach Busch (in: AiB 2006, S. 400 (403)) soll auch die Frage nach einer bestehenden Arbeitserlaubnis nunmehr unzulässig sein. 471 Vgl. auch die Kritik von Preis/Bender, NZA 2005, S. 1321 (1322). 472 In diese Richtung Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 73; ähnlich Lembke, in: HWK, § 106 GewO, Rn. 126; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1494 f.), die daher zu einer Verobjektivierung der Einstellungsentscheidung rät. Schon eine umfangreiche Dokumentationspflicht (z. B. bei Bewerbungsverfahren) steht im Widerspruch zur Privatautonomie, nach der eine Verpflichtung eines Arbeitgebers gerade nicht begründet werden kann, einem abgelehnten Bewerber die Gründe für seine Ablehnung mitzuteilen (vgl. Flohr/Ring, AGG, § 22, Rn. 502).
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diese auch wirklich zuerkannt werden.473 Der Arbeitgeber läuft somit bei jeder seiner rechtserheblichen Entscheidungen Gefahr, einen sanktionsbewährten Rechtsverstoß zu begehen.474 Die Problematik liegt hier weniger im Einvernehmen darüber, dass ein Arbeitnehmer nicht wegen eines geschützten Merkmals diskriminiert werden darf, als in der Schwierigkeit, ein Verfahren zu finden, wie die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers gesichert, diskriminierende Erwägungen aber ausgefiltert werden können.475 Um auszuschließen, dass der Schutz unternehmerischer Freiheit zum Deckmantel verachtenswerter, auf Vorurteilen und Ressentiments beruhender Motivlagen wird, ist vom Unternehmer, der für das Vorliegen einer zulässigen Differenzierung die Darlegungs- und Beweislast trägt,476 zu verlangen, dass er – sobald eine personelle Maßnahme von einem Arbeitnehmer unter einem diskriminierungsschutzrechtlichen Aspekt gerichtlich angegriffen wird – ein auf einen bestimmten Marktauftritt ausgerichtetes unternehmerisches Konzept vorlegt, das objektiv nachvollziehbar eine differenzierende Personalauswahlentscheidung nach sich zieht, und welches er konsequent umsetzt. aa) Schlüssiges Unternehmerkonzept Für die Durchsetzung seiner speziellen wirtschaftlichen Betätigung ist dem Unternehmer zuzumuten, dass er zur Überprüfung seiner Ziele ein Geschäftskonzept plausibel darlegt und nachweisbar konsequent umsetzt. Nur mittels einer schlüssigen und hinreichenden Substantiierung kann ausgeschlossen werden, dass er seine Freiheit missbraucht, um herabsetzende Personalmaßnahmen durchzusetzen.477 Der Unter473 So a. die Befürchtungen v. Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (164); Neef/Neef, NZA 2006, S. 1241 (1244). Richtungsweisend Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (200). 474 Dies gilt bes. dann, wenn sich mehrere Merkmalsträger um eine Stelle bewerben oder sich ein Diskriminierungskläger auf die Benachteiligung aufgrund mehrerer Merkmale beruft (Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (24)). Die Beweisschwierigkeiten machten die Erfolgsaussichten einer auf das AGG gestützten Klage einer abgelehnten behinderten Transvestitin, ausländischer Herkunft, höheren Alters und nicht christlichen Glaubens, die einer esoterischen Lebensanschauung frönt, so gut wie sicher (i. d. S. Picker, JZ 2003, S. 540 (542)). Müsse sich der Arbeitgeber jedes Mal rechtfertigen, sei die Verlockung übermächtig, es mit einer Klage wenigstens zu versuchen (Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 70; ähnlich Prütting, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 1311 (1324)). Damit sei nicht mehr die Schutzwürdigkeit des Diskriminierten, sondern die Sanktionsmöglichkeit des Diskriminierenden bestimmend. 475 Zum Beleg einer diskriminierungsfreien Praxis genannt werden u. a. eine diskriminierungsfreie oder sogar im Hinblick auf die einzelnen Schutzgruppen ausgewogene Einstellungspraxis in der Vergangenheit, die Durchführung von Mitarbeiterschulungen, der Abschluss einer den Diskriminierungsschutz fördernden Betriebsvereinbarung, die Schaffung einer paritätisch besetzten Schlichtungsstelle, die Einführung von diversity controlling und einer AntiDiskriminierungspolizei, die Aufnahme von Verhaltensregeln in die Betriebsordnung (vgl. Bauer/Evers, NZA 2006, S. 893 (896); Wolff, AuA 2005, S. 82 (85)). 476 s. o. unter § 5 B. III. 2. a) dd). 477 Ein solches Konzept füllt das Verbot des Missbrauchs der unternehmerischen Freiheit aus und stellt quasi das geronnene – gerichtlich nicht überprüfbare – Ergebnis der Betätigung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit dar.
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nehmer hat somit zunächst ein plausibles, widerspruchsfreies und mit betriebswirtschaftlichen, unternehmenspolitischen und betriebsorganisatorischen Gründen belegtes Unternehmerkonzept, das den Marktauftritt des Unternehmens definiert, konkret und hinreichend substantiiert vorzutragen.478 Dieses Konzept hat das Gericht daraufhin zu überprüfen, ob der Unternehmer sich von äußeren ökonomischen Gesichtspunkten (Kundenwünschen) leiten lässt oder ob er willkürlich oder aus sachfremden Motiven handelt, etwa weil er lediglich seine von diskriminierenden (etwa auf Geringschätzung oder Verachtung, Vorurteil oder Hass beruhenden) oder chauvinistischen (auf nicht verifizierten Rollenstereotypen aufbauenden) Vorurteilen geprägte Motivlage in eine Konzeptform gegossen und nur dazu „erdichtet“ hat, um eine tatsächliche Diskriminierung zu verdecken.479 Da der Arbeitgeber selbst die Ausrichtung des Unternehmens bestimmt, darf der Diskriminierungsschutz hierüber nicht umgangen werden.480 An dieser Stelle ist anhand der oben dargelegten objektiven Grenze zu bestimmen, ob das Konzept unter den aufgezeigten engen Bereich der Ausnahmetatbestände subsumiert werden kann.481 Ist dies nicht der Fall, bleibt zu untersuchen, ob es auf einer Differenzierung beruht, die infolge der teleologischen Reduktion der Diskriminierungsverbote aus deren Anwendungsbereich fällt. Dafür hat der Unternehmer im ersten Schritt darzulegen, dass die Ausübung seiner unternehmerischen Freiheit durch einen Verzicht auf die von ihm in Aussicht genommene merkmalsangelehnte Unterscheidung so beschränkt werden würde, dass eine bestimmte Kundenwunschorientierung unmöglich gemacht werden würde. Insbesondere in den oben aufgezeigten Kategorien wird dies in Betracht kommen, sofern das Konzept die Ausrichtung auf eine 478 Ähnlich ArbG Osnabrück v. 05. 02. 2007 NZA 2007, S. 626 (627 f.); Annuß/Rupp, in: HWK, § 8 AGG, Rn. 2; Bauer/Krieger NZA 2007, S. 674 (674 f.)); Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 16; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 83; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 8, Rn. 3; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 7, 9; vgl. zu diesen Darlegungsanforderungen a. BT-Dr. 16/1780, Begründung zu § 20 AGG in Anlehnung an BVerwG v. 25. 08. 1993 BVerwGE 94, S. 82 (83 ff.); BAG v. 28. 05. 2009 AP Nr. 1 zu § 8 AGG; v. 19. 03. 2010 AP Nr. 2 zu § 8 AGG. Vgl. a. zum Bsp. eines unzureichenden (pädagogischen) Konzepts: BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008, S. 99 (102); s. a. LAG Hessen v. 06. 03. 2008 AuR 2008, S. 315 (316). Allg. zum Gebot einer ausreichenden Substantiierung der sachlichen Rechtfertigung: Löwisch, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 423 (442); Schrader, NZA 2000, S. 401 (404); Walker, ZfA 2004, S. 501 (515 ff.). Zu den daraus folgenden Dokumentationsobliegenheiten: Kleinebrink, DB 2008, S. 1858 (1858 ff.). 479 Vgl. Gilberg, NZA 2003, S. 817 (821); Picker, ZfA 2005, S. 167 (171); s. a. Schiek/ Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (863); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (280). I. d. F. wäre eine Berufung auf die freie unternehmerische Entscheidung rechtsmissbräuchlich (vgl. Mühlhausen NZA 2007, S. 1264 (1267 f.)). Zu weitgehend daher BAG v. 15. 08. 2006 NZA 2007, S. 255 (255 f.). Anders Krause (in: FS Adomeit (2008), S. 377 (387)), der die Ausnahmemöglichkeiten jedoch ausschließlich am Maßstab des § 8 I AGG („rechtmäßiger Zweck“) bemisst. 480 Vgl. a. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4, 17; Schmidt, in: Schiek, AGG, § 8, Rn. 5, die wg. des Umgehungsrisikos eine Unterscheidungsmöglichkeit weitgehend ausgeschlossen sehen. 481 s. o. unter § 7 A. II. 4. b), 7. b) aa).
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Zielgruppe umfasst, die ihre Entscheidung für ein bestimmtes Unternehmen nachvollziehbar von eben jenen Gründen abhängig macht.482 Gelingt ihm das nicht, kann er sich alternativ darauf berufen, dass die Ausrichtung auf das von ihm bestimmte Nachfragesegment zumindest erheblich erschwert werden würde, wenn das Geschäft nach dem Konzept hinsichtlich der Kundenzielgruppe auf spezielle Merkmalsträger oder auf einen bestimmten merkmalsbedingten bzw- -ausschließenden Nachfrageaspekt hin ausgerichtet wird – also einen merkmalsorientierten Marktauftritt vorsieht. Im zweiten Schritt hat der Unternehmer darzulegen, dass die Unterscheidung keinen herabsetzenden Charakter aufweist.483 Zur Begründung sind konkrete objektive Anknüpfungspunkte für die Unterscheidung erforderlich, welche eine Vorurteilsbelastung der Maßnahme ausschließen. Dabei muss der Anknüpfungspunkt jeweils unmittelbar mit der dem Konzept zugrunde liegenden Geschäftsidee, d. h. mit dem eigentlichen Marktauftritt verbunden und darf seinerseits nicht rechtswidrig sein, insbesondere keinen herabsetzenden Charakter besitzen. Hierbei kann er sich insbesondere auf die oben dargestellten objektiven unternehmerischen Interessen berufen.484 Im Übrigen kann er sich auf sein Konzept beziehen, wenn es vorsieht, dass aus der Merkmalseigenschaft bei verständiger Würdigung der gegebenen Umstände eine besondere Nähebeziehung zwischen dem Produkt bzw. der Dienstleistung und dem Arbeitnehmer, insbesondere ein zu erwartender Wissens- bzw. Qualifikationsvorsprung gegenüber anderen Arbeitnehmern resultiert. Diese Darlegungsanforderungen führen über die Hervorhebung eines Unternehmerkonzeptes, welches plausiblen, wirtschaftlichen Gesichtspunkten folgt und die u. U. vordergründige Nähe zum Diskriminierungsmerkmal aufhebt, zu einer für beide Seiten adäquaten Lösung. Ein Unternehmer, der die Ausnahmemöglichkeit in herabsetzendem Sinne gebrauchen will, dürfte regelmäßig daran scheitern, ein derartiges Geschäftskonzept zur Darlegung einer Nachfrageorientierung ausreichend plausibel zu belegen. Mithilfe dieser Darlegungslast könnten die meisten der Fälle von den belastenden Wirkungen des Diskriminierungsschutzes abgesondert werden, in denen „Ungleichbehandlung“ sprachlich wie sachlich ein Verhalten beschreibt, das 482 s. o. unter § 7 A. II. 7. b) bb) – ee), jew. unter Punkt (2), gg). s. a. Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 33. Soweit auf den Erfolg abgestellt wird, ist dem Unternehmer jedoch insb. bei neuen Konzepten ein weiter Prognosespielraum zuzubilligen (ähnlich Annuß, BB 2006, S. 1629 (1633)). 483 Die differenzierende Entscheidung darf nicht mit für die Umsetzung der Geschäftsidee unerheblichen (insb. i. V. m. einer traditionellen Rollenerwartung stehenden) Unterschieden begründet werden oder die Maßnahme allg. auf Vorurteilen hinsichtlich der Merkmalsgruppe beruhen. 484 s. o. unter § 7 A. II. 7. b) aa) – ee), jew. unter Punkt (3), gg). Dargelegt werden muss jew. ein objektiver Merkmalsbezug, der die gewinnträchtige Umsetzung der jeweiligen Geschäftsidee unmittelbar bedingt. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4 spricht insoweit von direkten beruflichen Anforderungen, bei denen das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, die Art der Tätigkeit zu bestimmen, mit der konkreten Ausgestaltung des Stellenprofils direkt zusammenfalle.
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als Unterscheidungs-, Bewertungs- und Auswahlverhalten für den gesellschaftlichen wie den Privatrechtsverkehr schlechterdings konstitutiv ist.485 In Ansehung der geltenden Grundsätze darf das Konzept nicht nachgeschoben werden, um eine tatsächlich diskriminierende Maßnahme zu rechtfertigen. bb) Darauf beruhendes Personalkonzept Grundsätzlich unterliegt es der freien unternehmerischen Entscheidung, zu bestimmen, welche Voraussetzungen für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgaben erforderlich sind.486 Gerade privatrechtliches Unternehmerhandeln, speziell die Begründung und inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsvertrags, unterfallen damit den freiheitlichen Grundsätzen der Privatautonomie.487 Auch hinsichtlich der Beurteilung, ob ein bestimmter (Nicht-)Merkmalsträger für eine Arbeitsaufgabe, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung der Marktausrichtung steht, besser geeignet ist, hat der Arbeitgeber eine Einschätzungsprärogative.488 Das Arbeitsgericht prüft jedoch vollumfänglich nach, inwieweit sich das Konzept konkret und unumgänglich auf die Arbeitsplatzsituation des durch die Maßnahme betroffenen Mitarbeiters auswirkt.489 Der Arbeitgeber muss darlegen, weshalb die Merkmalseigenschaft bzw. deren Fehlen der konkreten, vom Arbeitgeber angestrebten oder ausgeführten Marktbetätigung entgegensteht und daher die differenzierende personelle Maßnahme bedingt.490 Diese Voraussetzung wird regelmäßig erfüllt sein, wenn der Unternehmer ein merkmalsorientiertes Konzept verfolgt.491. Insbesondere dadurch, dass ein Unternehmer Produkte oder Dienstleistungen anbieten will, die sich an einem bestimmten Merkmal auf Seiten der Kunden orientieren (Fitnessstudio für Frauen; Mode für Jugendliche), wird eine nachfragebedingte Anforderung installiert. Die Maßnahme wird im Falle eines differenzierenden Unternehmerkonzepts in einen sinnreichen, überzeugenden und folgerichtigen Zusammenhang mit der Personal485
Vgl. insoweit a. die Differenzierung von Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 336; Picker, ZfA 2005, S. 167 (171). Insofern gibt es tatsächlich kein „Grundrecht des Arbeitgebers auf Diskriminierung beim Abschluss von Arbeitsverträgen“ (s. Richardi/Annuß, in: Sartorius (1999), § 611a BGB, Rn. 14). 486 BAG v. 10. 11. 1994 und 07. 11. 1996 AP Nr. 65, 82 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 (2). 487 Vgl. BVerfG v. 19. 05. 1992 BVerfGE 86, S. 122 (130). 488 Dagegen für eine Beurteilung aus Kundensicht: Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201). 489 Erforderlich ist ein Bedingungszusammenhang zw. Unternehmerentscheidung und differenzierender Maßnahme (vgl. Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (18)). 490 Vgl. die Darlegungsanforderungen in EuGH v. 30. 06. 1988 EuGH Slg. 1988, S. 3575 (3582) (Kommission/Frankreich); BAG v. 16. 10. 2007 AP Nr. 22 zu § 8 TzBfG; s. a. Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (213). Ähnlich bei reinen Austauschkündigungen (vgl. Mauer/Holthausen, NZA 2003, S. 1370 (1370)). 491 Ein Restaurantbetreiber, dessen Geschäftskonzept ein indisches Ambiente vorsieht, hätte demzufolge z. B. darzulegen, dass er zur Umsetzung seines Konzepts einen indischen Koch sowie indische Kellner einstellen möchte.
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maßnahme gebracht werden können. Durch diese Voraussetzung wird sichergestellt, dass die Differenzierung tatsächlich nur aus Gründen der den kundenorientierten Marktauftritt schützenden unternehmerischen Freiheit gewährt wird. Entgegen den Stimmen, die die unternehmerische Freiheit unter Hinweis auf Missbrauchsgefahren generell zurückdrängen wollen,492 stellt die Frage des Missbrauchs eine Tatfrage dar, die allein vom erkennenden Richter beantwortet werden muss und nicht zur pauschalen Abqualifizierung unternehmerischer Gestaltungsfreiheit führen darf. cc) Konsequente Umsetzung Schließlich hat der Arbeitgeber die stringente Umsetzung seines Konzepts sowohl nach innen als auch nach außen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.493 Zur Umsetzung seines Konzepts muss der Unternehmer konsequent vorgehen; er hat dafür insbesondere auch die Personalstruktur in seinem Unternehmen den Anforderungen seines Angebotes lückenlos anzupassen.494 Nur so kann ihm eine glaubwürdige und damit erfolgversprechende Darstellung der Gesamtorientierung an der strategisch ausgerichteten Unternehmenspolitik gelingen. Denn gerade diese grundlegende Leitungsmacht, mittels derer er sein Unternehmen strategisch am Markt ausrichten will, schützt Art. 12 Abs. 1 GG unter dem Stichwort ,unternehmerische FreiheitÐ. Ein stetig verfolgtes Unternehmerkonzept ist hiernach immer ein entscheidendes Indiz für die Betätigung unternehmerischer Freiheit im Sinne eines bestimmten Auftretens am Markt. Er darf sich insbesondere durch andere personelle Maßnahmen nicht in Widerspruch zu seinem dargelegten Unternehmens- und Personalkonzept setzen, da das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit nach dem Grundsatz widerspruchsfreien Verhaltens zu einem „Glaubwürdigkeitsrisiko“ und damit zu Schwierigkeiten bei der Beweisführung führt.495 Entsprechend der zum Kirchenrecht entwickelten Grundsätze kann die Erhaltung oder Förderung der Glaubwürdigkeit eine differenzierende Maßnahme z. B. dann nicht mehr rechtfertigen, wenn in gleich gelagerten Fällen von Verstößen gegen das Unternehmerkonzept Ausnahmen gemacht bzw. keine Sanktionen ergriffen wurden oder wenn schwerere Verstöße nur Anlass für mil492
Vgl. nur Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 15. Vgl. Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschn. D, Rn. 1429; vgl. zur Beweislast auch EuGH v. 10. 07. 2008 NZA 2008, S. 929 (931). 494 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 16; Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 5; Oberwetter, AGG, § 8, S. 23; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (202). 495 So Däubler, RdA 2003, S. 204 (208). Dort, wo der Unternehmer seine Glaubwürdigkeit verloren hat, weil er in dem fraglichen Unternehmensbereich ein Verhalten geduldet hat, das mit seinem vorgetragenen Verkaufsmodell im Widerspruch steht, kann er seine Maßnahme nicht mehr begründen. Das Unternehmerkonzept muss „tatsächlich gelebt werden“ (Bauer/Göpfert/ Krieger, AGG, § 8, Rn. 16; Schiek/Horstkötter, NZA 1998, S. 863 (863)). Vgl. a. BAG v. 16. 10. 2007 AP Nr. 22 zu § 8 TzBfG; v. 26. 01. 2005 NZA 2005, S. 1059 (1062); Kaiser, NZA Beil. Heft 1/2005, S. 31 (36); im anderen Fall käme u. U. sogar eine Anzeige wg. Prozessbetrugs in Betracht (Berkowsky, in: MünchHdbAR, § 138, Rn. 11). 493
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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dere Maßnahmen gaben.496 Wichtig ist jeweils, dass der Arbeitgeber ein unternehmerisches Konzept mit dem Ziel der Nachfragebefriedigung entwickelt hat und konsequent verfolgt.497 Nur so kann ausgeschlossen werden, dass das Konzept als Vorwand dient, um Vorurteilen eine Gelegenheit zu bieten. Durchbrechungen eines solchen Konzeptes müssen jedoch aus Gründen der Praktikabilität insoweit zulässig sein, als sie die Ausnahme zur Regel darstellen und aus praktischen Gründen (Vertretungssituation, Arbeitskräftemangel, usw.) unvermeidbar sind.498 Im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast obliegt es mithin zunächst dem gemäß § 22 AGG beweisbelasteten Arbeitgeber, vorzutragen und unter Beweis zu stellen, dass sein differenzierendes Personalkonzept einer bestimmten Marktausrichtung entspringt und welche das ist; es liegt sodann an dem Beschäftigten, die Nichteinhaltung des Konzepts darzulegen und zu beweisen. Hiernach steht dem Arbeitgeber der Nachweis offen, dass es sich um eine zulässige Durchbrechung des Personalkonzeptes handelt.499 dd) Gerichtlicher Prüfungsumfang Erfüllt der Arbeitgeber diese Darlegungsanforderungen, verbleibt es darüber hinaus bei einer bloßen Missbrauchs- bzw. Evidenzkontrolle durch die Gerichte hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der unternehmerischen Entscheidung bezüglich der Marktausrichtung des Unternehmens sowie den hieraus folgenden Anforderungsprofilen.500 Auch wenn sich dem Verfassungsrecht keine prozessualen Beschränkungen im Sinne eines „Grundsatzes der Gerichtsfreiheit unternehmerischer Entscheidungen“ entnehmen lassen, muss der Unternehmer dennoch zu deren Durchsetzung befähigt sein.501 Die Arbeitsgerichte sind nicht befugt, hier die „bessere“ Unternehmer496 I. d. S. Däubler, RdA 2003, S. 204 (207); Schliemann, NZA 2003, S. 407 (412). Ähnlich Sandmann, ZfA 2004, S. 537 (578). 497 Vgl. BArbBl. 11/1987, S. 40 ff.; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3. 498 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 17 unter Hinw. auf BAG v. 18.03. 2003 DB 2004, S. 319 (319) zu § 8 III TzBfG; zust. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 19; Zwanziger, in: Kittner/Däubler/Zwanziger, AGG, § 8, Rn. 3; ähnlich Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 10 – Abweichen vom Organisationskonzept nicht ohne sachlichen Grund. 499 Ähnlich Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 19. 500 So a. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 8, Rn. 16, 19; Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 5; Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 73; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 11; in diese Richtung auch BAG v. 19. 03. 2010 AP Nr. 2 zu § 8 AGG. Zum Maßstab vgl. insb. v. Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 369 (374); Mühlhausen NZA 2007, S. 1264 (1267). Die Bestimmung, ob ein inhaltlich konkretisierter Dienstleistungsbedarf nur mit merkmalsnahen oder –fernen Beschäftigten abgedeckt werden soll (inhaltliches Imagekonzept), gehört danach zum Bereich der nur beschränkt überprüfbaren „Unternehmenspolitik“. Einschränkend für den Bereich der Kündigungen: LAG Hamm v. 17. 07. 2008 NZA-RR 2009, S. 13 (13); Däubler, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 7, Rn. 269 – anders als das KSchG enthielten die Richtlinien und das AGG keinen stillschweigenden Vorbehalt zugunsten freier unternehmerischer Entscheidungen. 501 Vgl. Feudner, NZA 2000, S. 1136 (1138). s. a. Walker, ZfA 2004, S. 501 (518 ff.).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
entscheidung an die Stelle derjenigen des Arbeitgebers zu setzen.502 Der Unternehmer muss solange zu einer unternehmerischen Richtungsvorgabe befähigt sein, wie er seine Freiheit nicht im Sinne einer herabsetzenden Diskriminierung unter dem Deckmantel wirtschaftlicher Autonomie missbraucht. Durch die genannten Voraussetzungen wird mittels eines tauglichen Überprüfungsinstrumentariums ausgeschlossen, dass die unternehmerische Entscheidungsfreiheit zu einer Grundrechtsfreiheit zur Diskriminierung mutiert. Sie sichern den gerechten Interessenausgleich zwischen unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz ab, da auf diese Weise unternehmerische Kernkompetenzen und die grundlegenden Ziele der Diskriminierungsbestimmungen gewahrt werden. Will der Arbeitgeber von seinem unternehmerischen Handlungsspielraum Gebrauch machen, empfiehlt sich für ihn dringend eine gründliche und ausführliche Planung und (bestenfalls von Dritten bezeugte) Dokumentation sämtlicher Umsetzungsschritte. Denn im Falle eines späteren Diskriminierungsrechtsstreits wird der schlüssigen Darlegung bzw. Begründung des Arbeitgebers seines Geschäftskonzepts sowie dessen stringente Umsetzung entscheidende Bedeutung zukommen. 8. Diversity management – (Anti-)Diskriminierung als arbeitgeberseitiges Interesse Abgesehen von der vorstehenden Prüfungsstruktur ist nicht in allen Fällen eine Abgrenzung unzulässiger Diskriminierungen erforderlich. Eine wichtige Verbindungslinie zwischen unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz wird in Zukunft verstärkt das moderne Personalkonzept des diversity managements darstellen.503 Dies kann unter zwei Aspekten geschehen. Auf der einen Seite wirkt das Instrument auf eine von Wirtschaftlichkeitsaspekten geleitete unternehmerische Entscheidungsfindung hin. Das Privatrecht geht grundsätzlich davon aus, dass niemand, der vernünftig ist, ein seinen Interessen dienendes Rechtsgeschäft nur deshalb nicht tätigt, weil der Vertragspartner Besonderheiten und Eigenarten aufweist, die er nicht schätzt.504 Der im Zusammenhang mit der Schaffung des AGG vielfach kritisierte Zwang zu umfangreichen Dokumentationen im Bereich des Einstellungsverfahrens kann so positiv betrachtet dazu beitragen, objektiv messbare und transparente Personalentscheidungen zu entwickeln und damit insgesamt Arbeitsverhältnisse rationaler zu gestalten505 Neben der Verwendung merkmalsangelehnter Marktausrichtungen 502 Vgl. Franzen, NZA 2001, S. 805 (811); Stahlhacke, in: FS Schwerdtner (2003), S. 199 (204 f.). 503 Vgl. hierzu u. a. Böhmer, AuA 2008, S. 8 ff.; Jablonski, AuA 2008, S. 30 ff.; Klaffke, PERSONAL 2008, S. 24 (24 ff.). 504 Richardi, in: Staudinger (1999), § 611 BGB, Rn. 86; Lobinger, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 99 (107). 505 Vgl. Krell, Chancengleichheit durch Personalpolitik, 2008, S. 1 ff.; Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 153.
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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des Unternehmens, die mittels einer stimmigen Personalentwicklung vorbereitet, umgesetzt und nachvollzogen werden, sind weitere aktive Maßnahmen zur Förderung der personellen Vielfalt denkbar, durch welche die Unternehmen im Wettbewerb profitieren können.506 Das diversity management hat zur Aufgabe, unzulässige, weil unsachliche Benachteiligungen vorbeugend zu verhindern bzw. nachträglich zu unterbinden; es sorgt so für ein besseres soziales Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit und zwingt den Arbeitgeber zu rationaleren und damit wirtschaftlicheren Unternehmensentscheidungen, da Diskriminierung tendenziell Kosten verursacht und human ressources verschwendet.507 Diversity management fokussiert unternehmensintern auf die Qualitäten und Kompetenzen (= Personalvermögen) der Mitarbeiter in der jeweiligen Erwerbslebensphase, um die individuelle Leistungsbereitschaft und Motivation und damit die Effektivität und Wirtschaftlichkeit bis zum Ende der Berufstätigkeit zu sichern und entsprechend Krankenstand, Fehlzeiten und Unproduktivität positiv zu beeinflussen.508 Sofern es Unternehmen mithilfe der hier geforderten unternehmerischen Freiheit zur Initiative gelingt, die Merkmalsvielfalt in der Belegschaft aufzugreifen und positiv für sich einzusetzen, können sie gerade unter Herrschaft der neuen Anti-Diskriminierungsvorschriften neue Marktsegmente besser erschließen bzw. durchdringen und so eine „Vielfaltsdividende“ erreichen.509 Auf der anderen Seite zeigt diversity management dem Unternehmer Möglichkeiten auf, die (zur Unterscheidung eigentlich geschützter) Eigenschaften seiner Angestellten positiv, nämlich ökonomisch vorteilhaft für seine Unternehmensstrategie zu nutzen, um die optimale Nutzung der Potenziale aller Beschäftigten zu gewährleisten und gleichzeitig soziale Eingliederung potenzieller Diskriminierungsopfer zu för-
506 Vgl. zu diesem Effekt etwa den Bericht der EU-Kommission „Kosten und Nutzen personeller Vielfalt in Unternehmen“ (EU-Kommission 2003, Unternehmensumfrage, einblick 1/ 05, S. 3); s. a. Hayen, AuR 2007, S. 6 (6). 507 Insbes. durch Demotivation, Fehlzeiten, Diskriminierungsklagen, etc. (vgl. Krause, Arbeitsrecht, § 4, Rn. 19; Elderhorst, AuA 2005, S. 160 (160); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1498); Becker, The Economics of Discrimination, S. 15 ff.). In diese Richtung a. MüllerGlöge, in: MüKo-BGB, § 611, Rn. 623; Reichold, Arbeitsrecht, § 10 II Rn. 60; Wank, in: FS Richardi (2007), S. 441 (442); s. a. Dieball, zit. v. Burow, HAZ v. 09. 06. 2007 S. II/1, Nr. 132. Krit. hierzu Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (392). Ungerechtigkeit verursacht nach dem Weltentwicklungsbericht 2006 der Weltbank wirtschaftliche Kosten und die Gesamtgesellschaft wird dadurch ineffizienter (vgl. hierzu Huber, NZA 2005, S. 1340 (1341); Zintl, in: Pies/ Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 143 (151)). Der Ausschluss ineffizienter Unterscheidungen hätte den positiven Effekt, dass langfristige Bindungen zw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterstützt würden (so Wiedemann/Thüsing, NZA S. 1234 (1242)). 508 Elderhorst, AuA 2005, S. 160 (163); Jablonski, AuA 2008, S. 31 f.; ähnlich Krause, ZfA 2005, S. 687 (704); Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 ff. Vgl. a. Art. 3 II EG; Art. 1 I a RL 2002/73/EG; hierzu Rust, NZA 2003, S. 72 (75). 509 Zu dieser Terminologie und allg. zum Konzept Stuber, AGG, Kap. 3, S. 27 ff. Anders Alenfelder, Das neue AGG, Kap. B, Rn. 43 ff., der sich lediglich den Begriff zu Eigen macht.
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
dern.510 Hierdurch erschließen sich unter Berücksichtigung der Vielfalt von Menschen bei der Gestaltung der internen und externen Unternehmensentwicklung Möglichkeiten, die sich im Sinne von Kunden- und Mitarbeiterorientierung ergeben und Potenzial, welches Unterschiedlichkeit, Vielfalt, Verschiedenartigkeit von Menschen für die Unternehmensentwicklung in sich trägt, sobald sich persönliche Besonderheiten als Stärke integrieren lassen.511 Wertschöpfungspotenziale werden somit durch eine dynamische Entwicklung von Verantwortung und Kernaufgaben in Einklang mit den sich verändernden individuellen Qualitäten und Kompetenzen genutzt.512 Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass ein an ein geschütztes Merkmal angelehntes Auftreten am Markt mit den Zielen von Diskriminierungsschutz in Einklang liegen kann.513 So verstanden stellt diversity management ein taugliches Instrument auf dem Gebiet externer und interner Beziehungsfelder dar, mit dessen Hilfe der durch die teleologische Reduktion der Diskriminierungsverbote entstehende Freiraum für unternehmerische Betätigung positiv im Sinne aller Beteiligten des Arbeitsverhältnisses gestaltet werden kann.
9. Zwischenergebnis Aufgrund der innerhalb einer Marktwirtschaft strukturell bedingten Abhängigkeit des Unternehmers von der Nachfrageseite und der Gefahr des Auseinanderlaufens von liberalem Nachfrage- und restriktiv bestimmtem Angebotsbereich besteht die Gefahr, dass ein weit angewendeter Diskriminierungsschutz dem Unternehmer die 510
Vgl. etwa das Bsp. bei Elderhorst (in: AuA 2005, S. 160 (160)): Türkische Mitarbeiter bei Ford entwickelten eine Fahrzeugvariante („Döner-Transit“) samt entspr. Marketing- und Vertriebsmethoden. Hier wurden Produkt- und Marketingkonzept sowie deren Umsetzung im Verkaufsprozess durch türkische Menschen übernommen, so dass sie sich mit ihrer kulturellen diversity besonders für die Zielgruppe eigneten. Vgl. a. Fend, FTD v. 02. 10. 2008, S. 31 zur fortschrittlichen Diversity-Situation u. a. bei Microsoft; „Multikulti hinterm Ladentisch“, in: Der Tagesspiegel v. 19. 03. 2008 zu verschiedenen diversity-Ansätzen in Berliner Unternehmen – z. B. Einsatz türkischer oder türkischstämmiger Kundenberater im Stadtteil Kreuzberg. Ähnlich zum Konzept des Gender Mainsteaming: Horstkötter, PersR 2005, S. 396 (398); Krell, PersR 2005, S. 51 (52). In diese Richtung a. Schieck, AuR 2003, S. 44 (51); WendelingSchröder, NZA 2004, S. 1320 (1323); dies., in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (270). Zur besseren Verwendung der Humanressources älterer Beschäftigter s. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 38 f. m. w. N., 76; ausf.: „Die Wiederentdeckung der Älteren in den Unternehmen“, NZA-Sonderbeil. Heft 7/2008. 511 Elderhorst, AuA 2005, S. 160 (160). Aus ökonomischer Sicht handelt es sich jeweils um sog. „Win-Win“-Potenziale (vgl. Mackenbrock, in: Pies/Leschke, Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, 2004, S. 125 (127 ff.), der für ein Corporate-Citizenship-Konzept i.S.e. aufgeklärten Eigeninteresses des Unternehmens plädiert). 512 Elderhorst, AuA 2005, S. 160 (163). s. a. Budras, „Unternehmen entdecken die älteren Mitarbeiter“, in: F.A.Z., 04. 07. 2007, Nr. 152/S. 21. 513 Schon jetzt dürften solche Unternehmen mit der Befolgung der Diskriminierungsschutzgebote weniger Probleme haben, die international aufgestellt sind, die (dadurch) eine starke Diversity-Kultur besitzen und solche, die sich präventiv Compliance und Risikomanagement zugewendet haben (Löw, zit. in: AuA 2007, S. 22 (22)).
A. Diskriminierungsschutz als grundsätzlich legitimes Ziel
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Erschließung der von ihm gewählten Nachfragesegmente verwehrt. Dadurch sieht sich der Arbeitgeber in seiner Berufswahlfreiheit beschränkt. Als allgemeine Leitlinie muss hiernach gelten, dass die Beschränkungswirkung des Diskriminierungsverbots für die Ausschöpfung des Marktes durch den Unternehmer bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Differenzierung Berücksichtigung finden muss.514 Während im Bereich des Tendenzschutzes anerkannt ist, dass für die Besetzung von Positionen in tendenznahen Bereichen Personal im Sinne der ideologischen Unternehmensausrichtung und gegebenenfalls zu Lasten von Trägern geschützter Merkmale ausgesucht werden kann, kann die unternehmerische Freiheit im Übrigen nicht allein durch die Anwendung der eng gefassten Ausnahmetatbestände gesichert werden. Vielmehr bedarf es daneben einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs der Diskriminierungsverbote, wenn die Differenzierung Ausdruck nachfrageorientierter ökonomischer Betätigung ist. Nach der hier vertretenen Lösung sind die Verbotssätze gar nicht erst anwendbar, sofern es um eine (mutmaßliche) Diskriminierungssituation geht, bei der der Unternehmer aber in Wahrheit unter Anwendung seiner unternehmerischen Freiheit einer marktmäßigen Betätigung nachgeht und vorurteilsfrei eine merkmalsangelehnte Unterscheidung trifft, um ein bestimmtes Nachfragesegment überhaupt erst abdecken zu können. Ein solches Vorgehen ist von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt; ihm stehen die grundlegenden Ziele des Diskriminierungsschutzes bei genauer Betrachtung nicht entgegen. In diesen Fällen ist eine teleologische Reduktion des jeweiligen Diskriminierungsverbots vorzunehmen, so dass der Unternehmer mit einem solchen Verbot erst gar nicht konfrontiert wird.515 Aufgrund der weitgehenden Freiheit des Arbeitgebers, sein Angebot marktausgerichtet zu bestimmen, darf er sich für seinen Geschäftsauftritt auch an grundsätzlich geschützte Diskriminierungsmerkmale anlehnen, so dass ihm in diesen Fällen auch eine vom Merkmal bestimmte Außendarstellung durch entsprechend ausgewählte Arbeitnehmer möglich ist, ohne dass diskriminierungsschutzrechtliche Wirkungen eingreifen. Entscheidet sich der Arbeitgeber in diesem Sinne für einen Marktauftritt, welcher ihm nur Erfolgsaussichten bietet, sofern er die Möglichkeit besitzt, nach einem geschützten Merkmal differenzieren zu können, liegt ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit vor. Im Falle einer merkmalsorientierten Marktausrichtung sieht sich die Freiheit beschränkt, soweit die Kundenwunschorientierung dem Unternehmer erheblich erschwert wird. Diese Eingriffe können ihrerseits nur dann durch höherwertige Diskriminierungsschutzziele gerechtfertigt werden, wenn die Unterscheidung überhaupt geeignet ist, diese Ziele zu gefährden. Als Ergebnis bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass der Kernbereich unternehmerischer Entscheidungsfreiheit, soweit er sich auf die marktausgerichtete Ange514
Der Unternehmer müsse bei seiner wirtschaftlichen Tätigkeit Chancen am Markt ausloten (können), denn niemand könne volle Freiheit seines Handelns beanspruchen, ohne gleichzeitig Risiken zu tragen (Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 6). 515 Gegen eine teleologische Reduktion: Kreft, RdA 2006, Beil. Heft 6, S. 38 (45).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
botsbestimmung durch den Unternehmer bezieht, mit den Schutzwecken arbeitsrechtlicher Diskriminierungsverbote nicht in Konflikt steht, soweit der Unternehmer vorurteilsfrei handelt. Dies ist im Rahmen einer einzelfallabhängigen Wertung festzustellen und grundsätzlich immer dann anzunehmen, wenn die Unterscheidung auf einem objektiv zu bestimmenden, eignungsbezogenen Anknüpfungspunkt beruht, der die gewinnträchtige Umsetzung der jeweiligen Geschäftsidee unmittelbar bedingt. In der Regel kommt es insoweit darauf an, dass eine besondere Nähebeziehung zwischen dem vom Arbeitgeber anvisierten Nachfrageausschnitt und dem Differenzierungsmerkmal besteht, nach dem die Eignung des Arbeitgebers für einen entsprechenden Außenauftritt bestimmt werden soll. Kann ein solcher Zusammenhang nicht nach objektiven Kriterien begründet werden, in dem Sinne, dass der vom Arbeitgeber prognostizierte Eignungsvorsprung des bevorzugten Arbeitnehmers aus objektiver Sicht nicht wahrscheinlich erscheint, handelt der Arbeitgeber aufgrund einer merkmalsbezogenen Vorurteilsbelastung irrational und damit entgegen dem originären Schutzzweck der Diskriminierungsverbote. Nur in den erstgenannten Fällen stellen die Merkmale ausnahmsweise rationale Unterscheidungskriterien dar, nach denen der Arbeitgeber selektieren können muss. Dies gilt insbesondere, wenn die merkmalsorientierten Ungleichbehandlungen nicht zu einer systematischen Benachteiligung bestimmter Arbeitnehmergruppen, d. h. zu einer Marktdiskriminierung sondern zu einer grundsätzlich hinnehmbaren Markttrennung führen.516 Solange der Anbieter keine Monopolstellung besitzt, können die Arbeitnehmer in der Regel auf andere Anbieter ausweichen, die sich gegenüber dem Merkmal neutral verhalten oder den zuvor abgelehnten Arbeitnehmer sogar präferieren.517 Insbesondere das diversity management begreift die Marktsegmentierung als Ansatz zu Produkt- und Marktkommunikationsdifferenzierung, letztendlich zur Umsatzgenerierung und ermöglicht so die sinnvolle Weiterentwicklung von Eigenständigkeit und Individualität von Unternehmen und Individuum.518 Andererseits wird vom Unternehmer zukünftig verstärkt verlangt, dass er sich bei seinen Ansprüchen an den Arbeitnehmer präzise und konsequent an den Anforderungen der konkret beabsichtigten Außendarstellung orientiert, wobei er diese gerade im Einstellungsverfahren so früh, so genau und so umfangreich wie möglich formulieren sollte. Unter dieser Voraussetzung ist eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Diskriminierungsverbote geboten. Die hiernach verbleibenden Fälle unterfallen dem Anwendungsbereich der Diskriminierungsschutzregeln. Einzubeziehen sind hierbei insbesondere die Konstellationen, in denen der Unternehmer (i) selbst vorurteilsgeprägt handelt oder (ii) mit ein516 So a. der Gesetzgeber zum Allg. Zivilrecht: BT-Dr. 16/1780, allg. Begründung zu Abschnitt 3 AGG. Vgl. a. Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 20. Zur Herausbildung eines altersspezifischen Marktsektors vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 48. A. A. Linck, in: APS, § 611a, Rn. 34. 517 So a. Reichold, JZ 2004, S. 384 (392). Die Arbeitnehmer können dadurch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, das ihnen eine Marktwirtschaft definitionsgemäß eröffnet und eröffnen muss (s. Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 54). 518 Vgl. nur Elderhorst, AuA 2005, S. 160 (160 f.).
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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deutig vorurteilsgeprägtem Verhalten Dritter gegenüber seinen Arbeitnehmern konfrontiert wird. Entgegen dem vorgenannten Bereich fielen daraufhin getroffene benachteiligende Maßnahmen gerade nicht unter den Bereich unternehmerischer Handlungsfreiheit, sondern folgten lediglich eigenen diskriminierenden Haltungen bzw. den durch einen Dritten herangetragenen Herabwürdigungen des Arbeitnehmers. Im folgenden Verlauf soll nunmehr untersucht werden, ob diese verbleibenden Fälle ausnahmslos vom Diskriminierungsschutzrecht ausgeschlossen werden, oder ob auch dort ein Ausnahmebereich denkbar ist, in dem der Diskriminierungsschutz zugunsten unternehmerischer Handlungsfreiheit zu begrenzen ist.
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens Nach den vorstehenden Ausführungen werden die arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbote im Wege ihrer Reduzierung auf Tatbestandsseite entsprechend ihrem Schutzzweck nicht auf solche Fälle angewendet, in denen der Unternehmer aufgrund einer merkmalsangelehnten Marktausrichtung eine vorurteilsfreie Personalentscheidung trifft. Nunmehr soll untersucht werden, ob die übrigen Fälle, in denen der Unternehmer aufgrund von (herangetragenen) Vorurteilen einen Merkmalsträger diskriminiert, durchweg gerechtfertigten Beschränkungen durch Diskriminierungsverbote unterliegen. Abstrakter formuliert geht es um die Frage, ob die Diskriminierungsverbote auf ihrer Rechtsfolgenseite ausnahmslos gelten oder ob in Einzelfällen die unternehmerische Freiheit auch hier zu berücksichtigen ist. Konkret soll dies nunmehr anhand von Fällen überprüft werden, in denen sich Unternehmer ausschließlich aufgrund des Verhaltens Dritter (insbesondere von Kunden) zu einer diskriminierenden Maßnahme veranlasst sehen.519
I. Die Problematik des diskriminierenden Kundenverhaltens Bereits oben wurden Fälle aufgezeigt, in denen Dritte, insbesondere Kunden, den Unternehmer durch ihr diskriminierendes (in der Regel belästigendes)520 Verhalten dazu anhalten, selbst eine benachteiligende Maßnahme (Umsetzung, Versetzung
519 Vgl. bereits o. unter § 5 C. XI. 2. b). Dem EuGH lag bspw. eine Anfrage des Arbeidshof te Brussel vor, ob eine Benachteiligung wg. der ethischen Herkunft gerechtfertigt sein könne, wenn entsprechende Kundenwünsche dahingehend geäußert würden, dass sie nur von „einheimischen“ Monteuren bedient werden wollen (EuGH [Vorabentscheidungsersuchen, Arbeidshof te Brussel)] v. 06. 02. 2007 – Az. C-54/07 [Rs: II/101/07 v. 19. 4. 2007]). Näher dazu u. unter § 7 E. III. 2. 520 Vgl. Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (342).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
etc.) gegenüber seinem Arbeitnehmer zu ergreifen.521 Dies kann praktisch auch dadurch geschehen, dass die Dritten es pauschal ablehnen, mit einem bestimmten Arbeitnehmer Geschäfte abzuschließen, weil dieser Moslem, behindert oder schwul ist. Auch dieses Verhalten übt auf den Arbeitgeber Druck gegen die konkrete Beschäftigung des Arbeitnehmers aus. Erfasst wird das benachteiligende Verhalten Dritter allerdings nur, sofern es irgendwie mit der Ausführung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Tätigkeit in Zusammenhang steht, da auch die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 12 AGG grundsätzlich keine Benachteiligungen umfasst, die den Beschäftigten lediglich zufällig bei Ausübung der geschuldeten Tätigkeit treffen.522 In vorliegendem Zusammenhang sind vor allem die Fälle beachtenswert, in denen die Dritte Person vom Unternehmer nicht nur ein diskriminierendes Verhalten gegenüber einem Arbeitnehmer einfordert, sondern diese Forderung mit einer Ankündigung verbindet, wonach dem Unternehmer für den Fall der Nichtbefolgung des Diskriminierungswunsches eine für das Unternehmen nachteilige Folge in Aussicht gestellt wird; insbesondere wenn der Kunde droht, von einem Geschäft abzusehen, wenn sein diskriminierender Wunsch nicht erfüllt werden sollte. In diesen Fällen muss sich der Unternehmer entscheiden, ob er dem diskriminierenden Kundenwunsch widerstehen und die nachteilige Folge hinnehmen will, oder ob er zum Wohle des Unternehmens auf den Kundenwunsch eingehen und den Arbeitnehmer seinerseits benachteiligen soll.523 An dieser Stelle bedarf es der Rückkehr zu der Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Fürsorgepflicht in jedem Fall zum Beistand verpflichtet ist, oder ob er diesen ab einer gewissen Grenze verweigern und stattdessen den Arbeitnehmer benachteiligen darf.
II. Derzeitiger Meinungsstand In der Literatur zeigt man sich bei der Beantwortung der Frage, inwieweit Erwartungen der Kunden eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können, tendenziell zurückhaltend.524 521
s. o. unter § 5 C. XI. 2. a), § 7 A. II. 1. b). Vgl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 12, Rn. 50, 52; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 27 unter Hinw. auf § 4 BeschSchG; ähnlich Buschmann, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 12, Rn. 10 – Zshg. mit dem Arbeitsverhältnis erforderlich. 523 Ein Wertungswiderspruch ergibt sich bei der Ausgestaltung der Haftung des Arbeitgebers für Dritte (vgl. §§ 12 III, IV, 15 AGG) an dieser Stelle daraus, dass der (nichtdiskriminierende) Arbeitgeber weitgehend in die Pflicht genommen wird, andererseits jedoch keine unmittelbare Haftungsnorm des (diskriminierenden) Angestellten bzw. Kunden geschaffen wurde (so a. die Kritik v. Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, S. 32 (35); ähnlich Thüsing, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 3 (8). Für eine Lösung über § 826 BGB: Zenthöfer, FAZ v. 24./25. 11. 2007 (Nr. 274) C 2 unter Hinw. auf Keiser. s. a. Flohr/Ring, AGG, § 7, Rn. 177; BT-Dr. 16/ 1780, S. 34). 524 Vgl. nur Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4; Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 17 ff., § 12, Rn. 11; Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (32); Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406); Thüsing/Wege, ZEuP 2004, S. 399 (420). Großzügiger Eich, NJW 522
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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In der Rechtssache Feryn (C-54/07)525 hatte sich der EuGH mit dem Diskriminierungsvorwurf gegen einen belgischen Unternehmer zu befassen, welcher nach einer erfolglosen Bewerbersuche öffentlich beklagt hatte, es hätten sich auf seine Anzeigen lediglich Marokkaner beworben. Diese wolle er aber nicht einstellen, weil die Kunden diese nicht wollten. Er sei kein Rassist, müsse sich aber nach den Kundenwünschen richten; ansonsten müsse er sein Unternehmen schließen.526 In dem Vorabentscheidungsverfahren erklärte der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen in nur drei Sätzen, dass Kundenerwartungen die Anwendbarkeit der Richtlinie nicht beeinflussen würden; dies sei auch unproblematisch, da das Anti-Diskriminierungsrecht der Gemeinschaft insoweit für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorge.527 Nach dieser Ansicht werden Fälle, in denen ein Arbeitnehmer wegen seines Merkmals bei einer Tätigkeit einzig auf Grund solcher herabsetzenden Vorurteile (mutmaßlich) weniger erfolgreich ist als ein Kollege (oder Mitbewerber) ohne diese Merkmalseigenschaft, als Rechtfertigungsgründe unter Hinweis auf Wortlaut und den Telos des jeweiligen Verbots kategorisch abgelehnt.528 Allein die diskriminierenden Vorurteile Dritter erlaub1980, S. 2329 (2331). Differenzierend Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327). Vgl. a. den Überblick bei Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (383). 525 EuGH v. 10. 07. 2008 NZA 2008, S. 929 (929 ff.) = NJW 2008, S. 2767 (2767 ff.); vgl. AblEU Nr. C 82/21 v. 14. 04. 2007. 526 Wörtlich: „Ich muss mich nach den Forderungen meiner Kunden richten. Wenn sie sagen, ,ich will dieses bestimmte Produkt oder ich will es so oder so ausgeführt habenÐ, und wenn ich dann sage, ,das mache ich nicht, ich schicke diese Leute doch vorbeiÐ, dann werden sie mir sagen, ,ich brauche diese Tür nicht unbedingt von IhnenÐ. Dann kann ich mein eigenes Geschäft schließen. Wir müssen den Forderungen unserer Kunden nachkommen. Es ist nicht mein Problem, ich habe dieses Problem in Belgien nicht verursacht. Ich will, dass die Firma läuft und dass wir am Jahresende unseren Umsatz erreichen, und wie schaffe ich das? Indem ich es so mache, wie der Kunde es will!“ 527 Vgl. Schlussanträge (GA Maduro) v. 12. 03. 2008 – Rs. C-54/07. In seiner Entscheidung der Rechtssache hat sich der EuGH zu der Problematik nicht geäußert. Die Bemerkungen des EuGH lassen allenfalls erahnen, dass der Gerichtshof einen Rechtfertigungsgrund hierin nicht zu erblicken vermag. Vgl. hierzu die Kritik in FAZ v. 11. 07. 2008, S. 11: „Irrsinn, … Unternehmer haften für ihre Kunden“; Schütt, Status-Recht 2008, S. 297 (297); vorsichtiger Lindner, NJW 2008, S. 2750 (2751 f.). Zu den Folgen für das Bewerbungsverfahren s. Böhm, DB 2008, S. 2193 (2193 f.). 528 Vgl. Alenfelder; Das neue AGG, Kap. A, Rn. 67; Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4, 10 ff., 42; Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 172; Rolfs, Arbeitsrecht, § 8 AGG, Rn. 2; Röder/Krieger, FA 2006, S. 199 (201); Schieck, AuR 2003, S. 44 (48); dies., NZA 2004, S. 873 (879) – dies sei in Übereinstimmung mit der U.S.-amerik. Rspr. hinzunehmen; Schiek, in: Schiek, AGG, § 3, Rn. 15, § 8, Rn. 5 unter Hinw. auf EuGH v. 10. 04. 1984 Slg. 1984, S. 1921 (1941) (Harz) – hier werden jedoch nur allg. Ausführungen zur Sanktionswirkung der RL 76/207/EWG gemacht; vgl. a. ArbG Karlsruhe, gem. Pressemitteilung des LAG BadenWürttemberg v. 27. 06. 2007 – Ablehnung eines männlichen Bewerbers für die Stelle eines Filialleiters eines Geschäftes, das sich auf Damenmoden und -bademoden spezialisiert hatte. Differenzierend nach diskriminierenden und neutralen Kundenerwartungen: Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 336; ders., RdA 2007, S. 307 (309); ähnlich Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 40 – Maßstab: § 19 I, II AGG; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 14; Bayreuther, NZA 2008, S. 986 (988 f.) – Unterscheidung von „xenophobischen“ und authentizitätsbezogenen Kundenpräferenzen; Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
ten es dem Arbeitgeber nicht, diese durch seine Einstellungspraktiken nachzuzeichnen, da Kundenerwartungen keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellten und nicht tätigkeits- sondern umfeldbezogen seien.529 Den Arbeitgeber treffe hier das gleiche Risiko wie seine Konkurrenten, die ebenfalls dem Gleichbehandlungsgebot unterlägen.530 Es sei eine unvollkommene Umsetzung der Gleichbehandlungspflicht, wolle man Ausnahmen zulassen, einzig weil Dritte diskriminierende Vorurteile hegten, denn die Grenzziehung zwischen noch tolerierbaren Vorurteilen und nicht mehr hinzunehmenden wirtschaftlichen Einbußen wäre willkürlich, und ein Maßstab hierfür sei nicht in Sicht.531 Die Berücksichtigung insbesondere der (xenophobischen) Abneigung der Kunden gegenüber den Angehörigen anderer Merkmalsgruppen widerspräche diametral dem Ziel des Anti-Diskriminierungsrechts und verfestigte überholte gesellschaftliche Vorstellungen, die mit den Anti-Diskriminierungsregeln gerade bekämpft werden sollten.532 Die Gleichstellung von Diskriminierung aufgrund von tatsächlichen oder antizipierten Präferenzen Dritter und Diskriminierung aufgrund eigener Präferenzen entspreche der Zielsetzung der Diskriminierungsverbote, zur Überwindung der Diskriminierung in der sozialen Realität beizutragen.533 Der Dienstleister, der von Kunden angewiesen werde, zu diskriminieren, sei selbst Opfer von Diskriminierung und könne folglich seine eigenen Rechte aus dem AGG gegen solche Diskriminierungen geltend machen, anstatt die (279). Auch im US-amerik. Recht begegnet man der Anerkennung von Ausnahmemöglichkeiten zugunsten von customer preferences tendenziell mit größerer Vorsicht. Die guidelines der EEOC (29 C.F.R. 1604.2 [a] [1] [III]) als a. die h. Rspr. gehen davon aus, dass Wünsche von Mitarbeitern oder Kunden nie eine merkmalsspezifische Diskriminierung rechtfertigen können (vgl. Silver vs. North Shore University Hospital, 490 F. Supp. 2 d 354 (S.D. N.Y. 2007) – customersÏ preferences kein Rechtfertigungsgrund für Diskriminierung; Bollenbach vs. Board of Educ. of Monroe-Woodbury Cent. Sch. Dist., 659 F. Supp. 1450, 1472 (S.D.N.Y. 1987) – männliches Geschlecht auch bei Wunsch religiöser Eltern keine BFOQ für Schulbusfahrer; Ray vs. University of Ark., 868 F. Supp. 1104 (E.D. Ark. 1994) – „Nichtweißsein“ keine BFOQ für Tätigkeit als Polizist an Universität mit mehrheitlich „schwarzen“ Studierenden; vgl. a. Monen, Das Verbot der Diskriminierung, 2008, S. 271; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 334 m. w. N; Krause, in: FS Adomeit, S. 377 (381); Hahn, Altersdiskriminierung, 2006, S. 114, m. w. N. 529 So Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 20; Schiek, AuR 2003, S. 44 (48); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1493 [Fn. 21], 1495). Dementsprechend sei etwa die Erwartung eines Kaufhausinhabers, eine Beschäftigung von Menschen dunkler Hautfarbe werde zu Umsatzeinbußen führen, nicht tätigkeitsbezogen und kein wesentliches Unternehmensinteresse (so Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 8). 530 Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 20; Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406); ders., RdA 2001, S. 319 (323); ähnlich Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 54. 531 Die Grenzziehung zwischen noch tolerablen Vorurteilen der Kunden und nicht mehr hinzunehmenden wirtschaftlichen Einbußen wäre rational nicht mehr zu ziehen (vgl. BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (960); Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 20; Bittner, Jura 2004, S. 39 (41 f.); Thüsing, JZ 2006, S. 223 (227)). 532 Hanau, ZIP 2006, S. 2189 (2199); Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (390); ähnlich Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4. 533 So Schiek, AGG, § 3, Rn. 15; ähnlich Belling, in: Erman, AGG, § 8, Rn. 7.
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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Diskriminierung weiterzugeben.534 Ansonsten könnte sich ein Unternehmen durch diskriminierende Praktiken einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, der seine Mitbewerber zur Nachahmung zwingen würde, um den Nachteil auszugleichen, wodurch eine geschützte Personengruppe aus einem bestimmten Berufsfeld gänzlich verdrängt würde.535 Es sei auch mit der Arbeitgeberverpflichtung zum Schutz vor Benachteiligungen gegenüber Kunden aus § 12 Abs. 4 AGG nicht vereinbar, wenn der Arbeitgeber seine eigenen Benachteiligungsakte auf die Erwartungen oder Wünsche von Dritten oder Geschäftspartnern stützen könnte.536 Diskriminierungsverbote seinen notfalls gegen den Markt durchzusetzen.537 In diesen Konstellationen müsse darauf vertraut werden, dass die Kundenpräferenzen mangels eines entsprechenden Angebots allmählich austrockneten und auf diese Weise diskriminierungsfreie Nachfrage entstehe.538 Ein anderer Teil der Lehre geht davon aus, dass Erwartungen der Personen, mit denen der Arbeitgeber in Geschäftsbeziehungen tritt, eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen sollen, wenn andernfalls der Bestand eines Unternehmens nachhaltig gefährdet werden würde.539 Zum Teil wird auch die Ansicht vertreten, dass die Angemessenheitskontrolle im Gegensatz zum zwingenden Recht die Möglichkeit biete, in wirtschaftlichen Krisenzeiten (Rezession, Krise, Depression, ökonomische Schwierigkeiten während der Aufbauphase des Unternehmens, Insolvenznähe) von dem Schutzstandard einer Gesetzesnorm abzuweichen, so dass zumindest im Fall einer nachgewiesenen Unternehmenskrise eine Rechtfertigung erleichtert werden müsste.540 Nur sehr gravierende 534
Schiek, AGG, § 3, Rn. 15. Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (391). 536 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 4; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 8, Rn. 22; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 15. 537 Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (391) unter Hinw. auf Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 60, 66. 538 Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (391); ähnlich Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 17. 539 Vgl. Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 9; Richardi/Annuß, in: Sartorius (1999), § 611a BGB, Rn. 54; Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 20; Zwanziger, in: Kittner/Däubler/ Zwanziger, AGG, § 8, Rn. 4; Krause, ZfA 2005, S. 687 (703 f.); Thüsing, JZ 2006, S. 223 (227); ders., RdA 2007, S. 307 (309); Thüsing/Wege, ZEuP 2004, S. 399 (421); ähnlich NollertBorasio/Perreng, AGG, § 12, Rn. 21 – die Wichtigkeit des Kunden für den Bestand des Unternehmens sei neben der Schwere des diskriminierenden Verhaltens einschließlich dessen Außenwirkung und einer Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 9; Däubler, ZfA 2006, S. 479 (484); Eichenhofer, DVBl. 2004, S. 1078 (1083); vorsichtig Buschmann, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 12, Rn. 30. s. a. BVerfG v. 14. 01. 1987 BVerfGE 74, S. 129 (156 f.); Jarass, EU-Grundrechte, § 22, Rn. 13; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 102; Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, S. 1017 (1026). Dieser Ansatz sei auch europarechtskonform (Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406)). Abl. Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (390); s. a. OLG Düsseldorf v. 28. 05. 1999 ZIP 1999, S. 1357 (1359). Zum US-Schrifttum: Thüsing, RdA 2001, S. 319 (319). 540 Versteyl, Die Obergrenze arbeitsrechtlichen Schutzes, 2005, S. 84 ff. m. w. N. 535
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wirtschaftliche Lasten, die bereits die Substanz der Unternehmertätigkeit berühren, scheinen – dann als Ausformung der verfassungsrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit – hiernach geeignet, den Diskriminierungsschutz zurücktreten zu lassen.541 Auch bei Totalverlust eines konkreten Geschäfts oder einer bestimmten Geschäftsbeziehung wird eine solche Grenze angedacht, wobei in der Regel hinsichtlich der Schwere der Diskriminierung und der Bedeutung der Kundenbeziehung für das Unternehmen differenziert wird.542 Die Reaktion auf einen diskriminierenden Kundenwunsch sei dann ,bestandswichtigÐ und damit zulässig, wenn die Nichtberücksichtigung von Kundenwünschen die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit in dem Marktsegment auf Dauer gefährde.543 Das BAG verlangt in diesem Zusammenhang „konkrete wirtschaftliche Beeinträchtigungen“.544 Es verlangt eine konkrete Darlegung drohender Schäden, nennt aber selbst keine exakte Grenze.545
541
Müller, DÖD 2007, S. 73 (81); Preis/Greiner, RdA 2003, S. 244 (246); wohl a. Lingemann/Müller, BB 2007, S. 2006 (2011). 542 Vgl. Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 43 – Abbruch von Kundenbeziehungen nur i. F. andauernder und schwerer Benachteiligungen; Annuß/Rupp, in: HWK, § 12 AGG, Rn. 4; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 41 f. („Opfergrenze“ in „Extremfällen“); Belling, in: Erman, AGG, § 12, Rn. 8; Boemke/Danko, AGG, § 8, Rn. 49, 52 – vorrangig: geeignete Um-/ Versetzung des benachteiligten Arbeitnehmers; Lingemann, in: PWW, AGG, § 12, Rn. 16; Oberwetter, AGG, § 8, S. 23; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 10, 15 – drohender Verlust des wesentlichen Kundenstamms; Schmidt, in: Schiek, AGG, § 12, Rn. 14; Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 147; Simon/Greßlin, BB 2007, S. 1782 (1788); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492); ähnlich für die Grenze des § 12 IV AGG: Schlachter, in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 4; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 12, Rn. 47 – anders bei Massengeschäften, dann i. d. R. Pflicht zur Erteilung von Hausverbot bzw. Hausverweis (ebenso Müller, DÖD 2007, S. 73 (83); ähnlich Buschmann, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 12, Rn. 30); differenzierend Schmidt, in: Schiek, AGG, § 12, Rn. 14; abw. Löwisch, Arbeitsrecht, 139; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 26. Zur Grenze der Funktionsunfähigkeit eines Unternehmens: BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (352). 543 Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 9; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 8, Rn. 15; Annuß, BB 2006, S. 1629 (1633). 544 Vgl. BAG AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung; zust. Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 26. s. a. BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (35). Ähnlich Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 42; Löwisch, Arbeitsrecht (2004), Rn. 147 („nennenswerter Umsatzrückgang“); Lingemann, in: PWW, AGG, § 8, Rn. 5 (nachweisliches Drohen von erheblichen wirtschaftlichen Schäden), 14; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 8, Rn. 3 – nachweisliche erhebliche Einbußen; ebenso entspr. Insam, DB 2005, S. 2298 (2300) („schwere wirtschaftliche Nachteile“). 545 In seinem Urteil zur Mitbestimmung bei Ladenöffnungszeiten führte das BAG dagegen aus, Umsatzeinbußen von „schlimmstenfalls 4 – 6 % seien unwesentlich, so dass der Mitbestimmung ggü. der unternehmerischen Freiheit der Vorzug gewährt wurde (BAG v. 31. 08. 1982 NJW 1983, S. 953 (957)).
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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Nach wiederum anderer Ansicht sollen die Erwartungen der Personen, mit denen der Arbeitgeber in Geschäftsbeziehung tritt, eine unterschiedliche Behandlung sogar stets rechtfertigen.546
III. Eigene Stellungnahme – Untersuchung: Zumutbarkeitsgrenze in Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens Sonach bedarf der Überprüfung, ob eine konkrete Grenze der Diskriminierungsschutzwirkung besteht, die dem Unternehmer in Ausnahmefällen Raum für eine diskriminierende Behandlung seiner Arbeitnehmer belässt. Fraglich ist hiernach, inwieweit sich der Unternehmer auf diskriminierendes Kundenverhalten berufen kann, um eine benachteiligende Personalmaßnahme zu rechtfertigen. 1. Grundsatz: Vermutung zugunsten der Durchsetzung der Diskriminierungsschutzwirkung Die Folgen der Diskriminierungsverbote regeln grundsätzlich die Fälle, in denen der Unternehmer selbst vorurteilsgeprägt handelt, indem er ohne objektive Rechtfertigung eine vorurteilsgeprägte Personalentscheidung vornimmt. In solchen Konstellationen bedarf es regelmäßig des gesetzlichen Korrektivs der Diskriminierungsverbote, um herabsetzende Behandlungen sanktionieren zu können. Soweit die Tatbestandsvoraussetzungen der Diskriminierungsverbote erfüllt sind, ist ihre Diskriminierungsschutzwirkung gegenüber der unternehmerischen Freiheit durchzusetzen, um den Diskriminierungswirkungen abzuhelfen. a) Diskriminierungsverbote als legitimes Mittel zur Bekämpfung diskriminierender Behandlungen Das legitime Ziel der Erreichung von Diskriminierungsschutz im Privatrecht kann gemeinhin (auch) durch zivil- und arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote verwirklicht werden.547 Der Staat kann generell mit nicht marktkonformen Mitteln bis 546 In diese Richtung Müller-Glöge, in: MüKo-BGB (1997), § 611a, Rn. 28; Richardi/ Annuß, in: Staudinger, BGB (1999), § 611a, Rn. 53; dagegen Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406) – dieser Ansatz sei nicht europarechtskonform. Nach LAG Berlin v. 14. 01. 1998 NJW 1998, S. 1429 (1429) ist den Arbeitgebern in Grenzen zuzugestehen, die Erwartungen und Einstellungen Dritter als objektive, unbeeinflussbare Faktoren zu berücksichtigen (vgl. a. Eich, NJW 1980, S. 2329 (2331)). Krause (in: FS Adomeit, S. 377 (387)) ist grds. für eine Einbeziehung von Kundenpräferenzen in die rechtliche Kontrolle; anhand von Einzelfallwertungen der gegenläufigen Interessen sollen diese dann ggf. die Zwecke des Diskriminierungsschutzes überwiegen können; zu den von ihm gebildeten Fallgruppen s. dort S. 388 ff. 547 So anerkennend Picker, ZfA 2005, S. 167 (182); Thüsing, NZA 2006, S. 774 (775).
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hin zu Zwangsmaßnahmen ordnend, steuernd und regulierend in den Wirtschaftsmechanismus und speziell in die Berufsfreiheit der Unternehmer eingreifen;548 in diesen Zusammenhang gehört es, wenn den Freiheitsrechten Diskriminierungsverbote zugeordnet werden, die im Falle der Verletzung Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche bereithalten.549 b) Geeignetheit und Erforderlichkeit allgemeiner Folgen von Diskriminierungsverboten aa) Geeignetheit der Diskriminierungsschutzvorschriften Um die unternehmerische Freiheit zur Differenzierung für den Bereich herabsetzender Benachteiligungen wirksam zu beschränken, müssten die Anti-Diskriminierungsnormen geeignet sein, die den Verboten zugrunde liegenden legitimen Ziele zu erreichen.550 Diesbezüglich werden mehrere Punkte angeführt, die gegen die Wirksamkeit von Diskriminierungsverboten im Allgemeinen sprechen sollen.551 Zum einen wird auf die auch unter dem AGG fortbestehende faktische Möglichkeit einer arbeitgeberseitigen Diskriminierung hingewiesen, die auch mittels Verboten nicht effektiv ausgeschlossen werden könne.552 Unter wirkungsanalytischem Aspekt 548
Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 90. Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 3a; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III 1b (Fn. 276); Bepler, NZA, Beil. Heft 18/2004, S. 3 (4). Da allein Arbeitgeber über die Möglichkeit verfügen, Arbeitnehmer, die aufgrund eines Merkmals (etwa einer Behinderung) benachteiligt sind, in den Arbeitsmarkt zu integrieren, können sie a. mithilfe von Diskriminierungsschutz dazu angehalten werden, ihrer Eingliederungsfunktion – etwa durch die Normierung eines privilegierten Vertragsabschlusses – nachzukommen (vgl. BVerfG v. 26. 05. 1981 BVerfGE 57, S. 139 (170)). 550 Nach der Definition zur Geeignetheit des Mittels ist es ausreichend, dass das Ziel durch das eingesetzte Mittel gefördert werden kann (BVerfG v. 23. 01. 1990 BVerfGE 81, S. 156 (192). Bei jeder gesetzlichen Regelung muss i. S. einer Folgenbetrachtung die Frage gestellt werden, ob man dem Ziel eines möglichst vorurteilsfreien, d. h. an objektiven Effizienzkriterien ausgerichteten Beschäftigungsmarkts näher kommt. Hier ist zu bedenken, dass Anti-Diskriminierung notwendig immer andere diskriminiert (Wendeling-Schröder, in: FS Schwerdtner (2003), S. 269 (286)); zur Figur der umgekehrten Diskriminierung (reserve discrimination) im U.S.-Recht: Regents of the University of California vs. Bakke, 438 U. S. 265 (1978); Wygant vs. Jackson Board of Education, 476 U. S. 267 (1986); Richmond vs. J.A. Croson Co., 488 U. S. 469 (1989)). Infolge des Diskriminierungsschutzes sei die Möglichkeit zur affirmative action beschränkt (Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Art. 3 II, III, Rn. 452). 551 Z. T. werden die Verbote pauschal als unwirksam bzw. nicht hilfreich für die Merkmalsträger bezeichnet (z. B. Westenberg, NJW 2003, S. 490 (492)). Nur eine gesellschaftliche Ächtung einer Differenzierung könne eine Änderung der tats. Lage bewirken (vgl. Picker, ZfA 2005, S. 167 (169) – „Menschheitstraum“; Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. 5, S. 11 (21) – „zahnlose“ Bekämpfung von Diskriminierungen). 552 Gerade bei Merkmalen, die sich im äußeren Erscheinungsbild des Arbeitnehmers niederschlagen (Alter, z. T. Behinderung) (Schaub, NZA 2003, S. 299 (300); Waltermann, NZA 2005, S. 1265 (1268)). Der Arbeitgeber habe faktisch immer Möglichkeiten, Diskriminierungsschutz zu umgehen (Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 668; pointiert Picker, ZfA 549
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wird die Kontraproduktivität des Diskriminierungsschutzes in Feld geführt,553 denn Diskriminierungsschutz führe zusammen mit besonderen Arbeitnehmerschutzvorschriften zu einer Verteuerung des Produktionsfaktors der abhängigen Arbeit und dadurch grundsätzlich (zunächst) zur Zurückhaltung der Arbeitgeber (Konträrfolge).554 Solange man der hier vertretenen Meinung folgt, nach der dem Unternehmer auch in Ansehung der Diskriminierungsverbote ein ausreichender Spielraum verbleibt, um sich auch an diskriminierenden Nachfragewünschen ausrichten zu können (vgl. § 7), bestünde für den Arbeitgeber kein Bedürfnis, sich aus wirtschaftlichen Gründen den Geboten der Diskriminierungsschutznormen zu widersetzen.555 Im Ergebnis steht außer Zweifel, dass die Diskriminierungsschutznormen insbesondere durch ihre Sanktionswirkung die Motivation der Arbeitgeber fördern können, ihre Personalentscheidungen im Hinblick auf (potenzielle) Diskriminierungsgefahren selbst zu reflektieren und auf in dieser Weise unsachliche Beweggründe, auf eine Benachteiligung nach dem jeweiligen Merkmal, eher zu verzichten.556 bb) Erforderlichkeit Diskriminierungsverbote dürfen auch nur als geeignete Mittel eingesetzt werden, soweit sie die geringsteinschneidenden Folgen hervorrufen.557 Zum Teil wird in der arbeitsrechtlichen Literatur die Frage gestellt, ob nicht bereits vor dem AGG beste2005, S. 167 (178)). Arbeitgeber könnten drohende Schadensersatzansprüche z. B. dadurch umgehen, dass sie die zu besetzende Stelle ganz streichen (vgl. BAG v. 27. 07. 2005 NZA 2005, S. 1243 (1245)). Irgendwelche „sachlichen“ Gründe ließen sich oftmals vorschieben (vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 52 – die Bewerberin war zu jung, unerfahren, unsympathisch, kontaktarm, usw.; vgl. hierzu auch die Tipps von Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1494)). 553 Dieterich, RdA 1995, S. 129 (134); Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 (1323). 554 Vgl. etwa BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (37); Grosse-Brockhoff, NZA 2005, S. 1284 (1285) – wer schützt die Diskriminierten vor Anti-Diskriminierung?; s. a. die Befürchtungen des BVerfG (BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (35); hierzu Buchner, NZA 2004, S. 1121 (1121 ff.)). s. a. ArbG Marburg, DB 2005, S. 1860 (1860) und die Kritik des Arbeitgeberverbandes am AGG, abgedr. in „Arbeitgeber verunsichert“, HAZ Nr. 162 v. 14. 07. 2006, S. 2. Nach einer BDI-Befragung (abrufbar unter www.bdi-panel.emnid.de) sehen sich 60 % der Betriebe durch das AGG in ihrer Bereitschaft zu Neueinstellungen gehemmt. 555 Eine Umgehung der gesetzlichen Vorschriften ist v. a. dann zu befürchten, wenn der Schutz den Marktmechanismen zuwiderläuft (Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 668). 556 Um das Verbot der Diskriminierung wirksam durchzusetzen, wurden gerade von der Rspr. diverse Instrumente entwickelt – so etwa die abgestufte Beweislast oder das erschwerte Nachschieben von Kündigungsgründen im Prozess. Dies spricht – neben der weiten gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative (BVerfG v. 06. 10. 1987 BVerfGE 77, S. 84 (106)) – für die Geeignetheit der Anti-Diskriminierungsvorschriften (i. Erg. ebenso Baer, ZRP 2002, S. 290 (292)). Sie sind grds. geeignet, Vorurteilen entgegenzuwirken und eine gewisse Transparenz von Entscheidungskriterien zu bewirken (Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (20)). 557 Dem Grundsatz des mildesten Eingriffs folgend – vgl. BVerfG v. 23. 01. 1990 BVerfGE 81, S. 156 (192 f.); Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 16.
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hende Instrumente einen hinreichenden Diskriminierungsschutz geboten haben.558 Soweit sich jedoch die Politik auf den Diskriminierungsschutz als Zielvorgabe verständigt, sind hierzu umfassende Regelungen notwendig.559 Überdies verlangt der EuGH klare, transparente Umsetzungsakte, die nur durch eine explizite, zweifelsfrei verbindliche und konkret-bestimmte Umsetzung erfolgen können.560 Eine umfassende alternative, ebenso wirksame oder sogar wirksamere gesetzgeberische Maßnahme zur Verwirklichung dieses erweiterten Schutzes des Arbeitnehmers, die gleichzeitig die Berufsfreiheit des Arbeitgebers weniger stark einschränkt, ist aber nicht ersichtlich; zumal der Gesetzgeber durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (v. a. im Bereich der Ausnahmetatbestände) sowie die hier geforderte Maßgabe einer Orientierung der Anti-Diskriminierungswirkung an den eigentlichen Schutzzielen dem Rechtsanwender die Möglichkeit eröffnen, die belastenden Folgen für die Unternehmerseite auf das erforderliche Maß zu begrenzen. c) Ergebnis: Unerheblichkeit allgemeiner Belastungswirkungen Die Verfolgung von Anti-Diskriminierungsgrundsätzen stellt grundsätzlich ein anerkennenswertes staatliches Interventionsziel dar.561 Das Ziel wird in erster Linie mithilfe einfachgesetzlicher, sanktionsbewährter Diskriminierungsverbote verfolgt, worin legitime Mittel zu erkennen sind, die auch geeignet und erforderlich sind, um das Diskriminierungsschutzziel zu erreichen. Da die Diskriminierungsverbote regelmäßig nur die Berufsausübungsfreiheit des Unternehmers beschränken, die aus vernünftigen Allgemeinwohlgründen verkürzt werden kann,562 führt legitimer Diskriminierungsschutz grundsätzlich zu einer angemessenen Einschränkung unterneh558
Den gravierenden Fällen von Ungleichbehandlung könne man mit allg. privatrechtlichen Mitteln (insb. §§ 138, 305 ff., 826 BGB) entgegentreten (Fischer, FA 2006, S. 37 (38); Müller in: HAZ Nr. 131 v. 08. 06. 2006 S. 13; Säcker, ZEuP 2006, S. 1 (3 f.); vgl. auch den 15. Bericht der BRD nach Art. 9 des Int. Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung v. 07. 06. 2000 (S. 20), wonach Diskriminierungen nach damaligem Rechtsstand bereits in weitem Umfang ausgeschlossen sein sollten). Zur richterrechtlichen Anerkennung des Schutzes s. BGH v. 23. 11. 1998 NJW 1999, S. 1326 (1326 f.); LG Karlsruhe v. 11. 08. 2000 NJW-RR 2002, S. 111 (111 ff.). Z. T. wird a. eine Lösung über Straf- (vgl. bereits §§ 130, 185 StGB) und Ordnungswidrigkeitentatbestände angedacht (Bauer, NZA 2006, S. 774 (775)). Auch finde eine gesellschaftliche Sanktionierung über Presseberichte und Kundenboykotte statt (Reichold, JZ 2004, S. 384 (390)). Ähnlich die Wirkungsweisen von soft law, benchmarking, naming and shaming u. ä. (vgl. Schaub, in: ArbR-Hdb. (2005), § 179, Rn. 9; WendelingSchröder, NZA 2004, S. 1320 ff.). 559 I. Erg. ebenso Eichenhofer, DVBl 2004, S. 1078 (1086). O. g. Erwägungen seien durch die stattgebende Entscheidung des EuGH v. 28. 04. 2005 obsolet geworden (so Sagan, NZA 2006, S. 1257 (1258)). 560 EuGH v. 28. 10. 1998 EAS Nr. 55 zu Art. 119 EGV (Kommission/Hellenische Republik); v. 08. 07. 1999 EAS Nr. 50 zu Art. 119 EGV (Kommission/Frankreich). 561 Diskriminierungsschutz darf also nicht durch die Absolutsetzung gegenläufiger Freiheitskonzeptionen aus dem privatrechtlichen Diskurs verdrängt werden (Neuner, JZ 2003, S. 57 (59)). 562 s. o. unter § 6 B. II.
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merischer Freiheit. Aus diesem Grundsatz lässt sich – entsprechend dem Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen Diskriminierungsverbot und Ausnahmetatbestand – eine Vermutung dafür herleiten, dass eine Differenzierung, die an ein geschütztes Merkmal (mittelbar oder unmittelbar) anknüpft, – auch in Ansehung der Ausnahmetatbestände – unzulässig ist. Daraus folgt gleichfalls, dass allgemeine Belastungen der Unternehmer, die mit den Diskriminierungsschutzvorschriften einhergehen, nicht zu besonderen Ausnahmemöglichkeiten führen können.563 Nach anderer Ansicht sollen finanzielle Belastungswirkungen564 oder besondere Anforderungen an die innerbetriebliche Arbeitsorganisation durch Diskriminierungsvorschriften deren Wirkung beschränken können.565 Die arbeitsrechtlichen Bindungen dürften die Unternehmen nicht so stark beschränken – sei es durch finanzielle Belastungen oder Folgewirkungen566 –, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere auch mit Blick auf das internationale Feld, verlieren könnten.567 Zur Elimination tatsächlich diskriminierender Aspekte etwa bei der Bewerberauswahl sollten daher die Anforderungen an den „Anscheinsbeweis“ des Arbeitnehmers (z. B. im Hinblick auf die Indiztauglichkeit von Statistiken) präziser und an den Übergang der Beweis-
563 Vgl. nur BAG v. 14. 08. 2007 NZA 2008, S. 99 (102); LAG Hessen v. 06. 03. 2008 AuR 2008, S. 315 (316 f.); Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (379 ff.); Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (14). 564 Vgl. hierzu einerseits die INSM-Studie v. 15. 08. 2007 (s. HAZ v. 16. 08. 2007 (Nr. 190), S. 2; abrufbar unter www.insm-tagebuch.de), nach der sich die Kosten des AGG in Deutschland nach einem Jahr auf 1, 73 Mrd. EUR beliefen, und auf der anderen Seite die Studie der AntiDiskriminierungsstelle des Bundes (abrufbar unter www.antidiskriminierungsstelle.de) v. 14. 08. 2008, die eine direkte Kostenbelastung von lediglich 26 mio. EUR hochgerechnet hat. Vgl. hierzu a. Bt.-Dr. 16/10728. 565 Zu den bes. Arbeitgeberbelastungen etwa aufgrund des umfangreichen, von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers unabhängigen Pflichtenkatalogs hinsichtlich der Beschäftigung sbM aus dem SGB IX (s. §§ 71 I, 73, 77, 80, 81 I, III, IV, V, 84 II, 93, 95 II 3, 125) vgl. nur BAG v. 14. 03. 2006 NZA 2006, S. 1214 (1215); v. 19. 10. 2005 NZA 2006, S. 155 (158, 160); Cramer, NZA 2004, S. 698 (700, 706, 711 f.). Zum Begriff der unverhältnismäßigen Kosten vgl. § 8 IV 2 TzBfG; hierzu BAG v. 21. 06. 2005, NZA 2006, S. 316 (319 f.); v. 23. 11. 2004 NZA 2005, S. 769 (772). 566 s. Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 61. Grdl. Rüthers, NJW 2003, S. 546 (546 ff.). Gerade bei Diskriminierungsverstößen bei Tarifvertragsbestimmungen bzw. Sozialplanregelungen erfolgt eine richterliche Anpassung nach oben, so dass die Gleichstellung zu einer erheblichen finanziellen Belastung führen kann (ArbG Berlin v. 22. 08. 2007- Az.: 86 Ca 1696/ 07 – zit. nach juris; Steinau-Steinrück/Schneider/Wagner, NZA 2005, S. 28 (30)). Vgl. zu den allg. Belastungsgrenzen aber a. LAG Baden-Württemberg v. 18. 06. 2007 AuA 2007, S. 624 (624). 567 Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 7; s. a. § 81 IV 3 SGB IX; Preis, AR, Bd. I, § 40 V 3. Zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen oder finanziellen Belastung im Zshg. mit Diskriminierungen vgl. EGMR v. 21. 02. 1997 RJD 1997-I, Z. 34 (van Raalte); v. 16. 09. 1996 RJD 1996-IV, Z. 41 (Gaygusuz); v. 29. 10. 1987 Serie A 126, Z. 38 ff. (Inze); Grabenwarter, EMRK, § 26, Rn. 5, m. w. N.
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last in Zukunft differenzierter sein,568 etwa im Hinblick auf die konkrete Größe und wirtschaftliche Belastbarkeit des Betriebs.569 Gemeinsam ist den Benachteiligungsverboten jedoch, dass sie eine Berufung auf die Kosten- oder Arbeitsmarktsituation ausschließen.570 Soweit sich aus Diskriminierungsschutzvorschriften Kosten- und Organisationsbelastungen für den Unternehmer ergeben oder soweit hierdurch besondere Anforderungen an seine innerbetriebliche Arbeitsorganisation gestellt werden, sind diese als unvermeidbare Folgen arbeitnehmerschützender Regelungen grundsätzlich hinzunehmen.571 Eine denkbare Belastungsgrenze für den Fall der Existenzgefährdung572 allein durch Kosten der Umsetzung dürfte kaum jemals in Betracht kommen. Die Furcht der Arbeitgeber vor erweiterten Arbeitnehmerrechten als Ursache stärkerer administrativer Belastungen573 können somit nicht unter Rückgriff auf die Gewährleistung unternehmerischer Freiheit ausgeräumt werden. Angedacht werden in diesem Zusammenhang eine Freistellung der Unternehmen von den Kosten für Diskriminierungsbekämpfung durch die öffentliche Hand, mittels einer marktlichen Lösung in Form von Unterstützungsleistungen über eine allgemeine Finanzierung durch Steuern,574 um dadurch den Diskriminierungsschutz verstärkt
568 Zu den mit der Beweislastverteilung des § 22 AGG einhergehenden Dokumentationspflicht, zum Verwaltungsaufwand und zur Kostenbelastung vgl. Steinau-Steinrück/Schneider/ Wagner, NZA 2005, S. 28 (31); Thüsing/Wege, NZA 2006, S. 136 (139). 569 In diese Richtung etwa Berger-Delhey, ZTR 2001, S. 162 (164); Grobys, NZA 2006, S. 898 (902); Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (21). Vgl. auch § 81 III, IV SGB IX und den Ansatz von Feudner (in: NZA 2000, S. 1136 (1142 f.)). 570 Vgl. nur EuGH v. 08. 11. 1990 DB 1991, S. 286 (286) (Dekker) zur Diskriminierung Schwangerer; s. a. LAG Niedersachsen v. 13. 07. 2007 LAGE Nr. 13 zu § 1 KSchG Interessenausgleich; Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (279 f.); ders., Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht, 2001, S. 60 („Benachteiligung gegen den Markt geboten“); allgemeiner Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492). 571 Eine Diskriminierung kann demnach nicht mit dem finanziellen Nachteil gerechtfertigt werden, den der Arbeitgeber erleiden würde (EuGH v. 20. 03. 2003 NZA 2003, S. 506 (508) (Kutz-Bauer); v. 27. 02. 2003 NZA 2003, S. 373 (375) (Busch); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1242) (Tele Danmark); v. 08. 11. 1990 Slg. 1990, S. 3968 (3973) (Dekker); BAG v. 15. 01. 1955 BAGE 1, S. 258 (265 f.); ähnlich Steiner, NZA 2008, S. 73(74)). Ebenso für das U.S.-Recht: UAW vs. Johnson Controls, Inc., 499 U.S. 187, 111 S.Ct. 1196, 113 L.Ed.2d 158 (1991). 572 Zu dieser allg. Belastungsgrenze Grenze vgl. BVerfG v. 24. 07. 1962 BVerfGE 14, S. 221 (241); v. 07. 10. 1969 BVerfGE 27, S. 111 (131); v. 09. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 250 (271 f.) – jew. zur Grenze der Erdrosselungswirkung; BAG v. 28. 09. 1972 AP Nr. 28 zu § 615 BGB Betriebsrisiko; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 14 GG, Rn. 30. s. o. unter § 6 B. III., IV. 573 Vgl. Kossens/Maaß, NZA 2000, S. 1025 (1032). 574 Vgl. Adam, Anm. zu BAG AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung; Buchner, NZA 2004, S. 1121 (1128 ff.); Peters-Lange/Rolfs, NZA 2000, S. 682 (684). Grdl. Papier, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 18, Rn. 61. Aus ökonomischer Sicht: Friedman, Kapitalismus und Freiheit (1962, 2002), S. 227 ff. („negative Einkommenssteuer“).
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als staatliche Aufgabe zu begreifen.575 Sowohl im MuSchG als auch im SGB IX findet (zumindest teilweise verstärkt durch das am 01. 01. 2006 in Kraft getretene AAG)576 eine Tendenz zur Verstaatlichung des Diskriminierungsschutzes statt.577 Alternativ wird für eine Umlegung der Kosten auf alle Arbeitgeber plädiert, um Wettbewerbsverzerrungen unter den Arbeitgebern, die aus unterschiedlichen Gründen verschieden stark mit potenziellen Diskriminierungsfällen belastet sind, zu vermeiden578 und um die geringere wirtschaftliche und finanzielle Belastbarkeit kleinerer Unternehmen zu berücksichtigen, z. B. mittels einer Staffelung der Beiträge nach Arbeitgebergröße.579 Solche Entscheidungen oblägen jedoch dem Gesetzgeber und sind jedenfalls de lege lata nicht durchzusetzen. Lösungen, die die Kleinunternehmen aufgrund deren besonderer Belastung mit den Diskriminierungswirkungen (Kostenund Organisationsaufwand)580 generell aus dem Anwendungsbereich der Diskrimi-
575 Vgl. Krause, Arbeitsrecht, § 1, Rn. 19, § 4, Rn. 32; Peters-Lange/Rolfs, NZA 2000, S. 682 (682) – jew. krit. zur In-Pflicht-Nahme des Privatrechts für politische Ziele). Grdl. Stern, Staatsrecht III/2, § 84 IV 7b b. Dagegen Buchner, in: MünchHdbAR, § 40, Rn. 30, 181; Schimmelpfeng-Schütte, NZA 2006, S. 21 (21); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (279). 576 Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen v. 22. 12. 2005, BGBl. I, 3686; s. BT-Dr. 16/39 S. 9 ff., 16/46, S. 5 ff., 16/243, S. 4 ff.; hierzu (insb. zur Ausweitung des U2-Verfahrens) Giesen, NJW 2006, S. 721 (721 f.). 577 Vgl. insoweit a. BT-Dr. 16/1780, allg. Begründung zu Abschnitt 3 AGG; § 77 V SGB IX i. V. m. § 15 I Nr. 1 e SchwbAV. Durch eine Lastenverteilung können Anreize zur Diskriminierung entfallen (so die Argumentation v. BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (36); BVerwG v. 13. 12. 2001 NZA 2002, S. 385 (386); s. a. BVerfG v. 15. 12. 1987 BVerfGE 77, S. 308 (337)). 578 Der Staat könne dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Benachteiligten (die für den Unternehmer tendenziell Kosten bedeuten, die über dem Marktpreis lägen, grdl. Zöllner/Loritz/ Hergenröder, Arbeitsrecht, § 2 I 5) herstellen, dem Arbeitgeber die gerechte Chance gewähren, sich auf Auswahlkriterien zu berufen, die den unterschiedlichen „Marktwert“ verschiedener Bevölkerungsgruppen widerspiegelten, und ihnen so die Hilfe leisten, die ihnen bei Wahrung des Marktprinzips prinzipiell gleiche Marktchancen sichere (in diese Richtung Gravenhorst, NZA 2003, S. 803 (804); Picker, ZfA 2005, S. 353 (390); Rieble/Klebeck, NZA 2003, S. 23 (24). 579 Dies könne einer möglichst gerechten Verteilung der berufsunspezifischen Kostenlast dienen (Ausgleichsfunktion) (s. dazu BVerfG v. 01. 10. 2004 NZA 2005, S. 102 (103); v. 13. 12. 2001 NZA 2002, S. 385 (386). Vgl. insoweit a. EuGH v. 10. 02. 2000 NZA 2000, S. 313 (316 f.) (Deutsche Telekom). A. A. offenbar EuGH v. 19. 11. 1998 EuGH Slg. 1998 I-7358 (7361) (HØE Pedersen u. a.); Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 17. Die Schaffung gleicher Lohnkostenbelastungen für Arbeitgeber war schon früh gemäß dem wettbewerbsrechtlichen Normzweck des Art. 119 EGV a. F. als Ziel anerkannt (vgl. o. unter § 5 C. I. 1., 2. a)). 580 Zu diesen Sonderbelastungen vgl. BT-Dr. 16/1780, Begründung zu § 12 I AGG; Alewell/ Koller, BB 2002, S. 990 (991); Bauer, NJW-Editorial Heft 20/2006; Gilberg, NZA 2003, S. 817 (817); Grosse-Brockhoff, NZA 2005, S. 1284 (1285). Zur mangelnden Vorbereitung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU – zur Definition s. Amtsblatt EG L 107/8 v. 30. 04. 1996) auf das AGG vgl. Hassel (in: AuA 2006, S. 50). Krit. zu diesem Argument Weigand, in: KR, § 23 KSchG, Rn. 17.
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nierungsvorschriften oder zumindest des § 22 AGG nehmen wollen,581 steht der eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegen.582 Sie sind daher im Ergebnis ebenso abzulehnen583 wie eine Verschärfung der Verbotswirkung für Monopolisten bzw. für Unternehmen, die über eine relevante Marktstärke verfügen,584 da auch hier die Verbotswirkungen vom Gesetz her allen Arbeitgebern gleichermaßen zugeordnet werden und die Grenze der Unzumutbarkeit im Rahmen einer Generalbetrachtung in aller Regel nicht tangiert wird. 2. Überwiegender Schutz unternehmerischer Freiheit im Einzelfall – Erfordernis der Berücksichtigung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit bei diskriminierendem Kundenverhalten Aus vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass Diskriminierungsverbote, soweit sie sich ihrem Schutzzweck entsprechend gegen herabsetzende Personalmaßnahmen von Arbeitnehmern wenden, legitime, geeignete und erforderliche Mittel darstellen, um die unternehmerische Handlungsfreiheit einzuschränken. Die Folgen der Diskriminierungsverbote sind grundsätzlich unerheblich. Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die durch die gesetzliche Missbilligung gewisser Unterscheidungen (§ 1 AGG) und speziell durch die Vorschrift des § 12 Abs. 4 AGG ein581
Vgl. hierzu Buchner, NZA 2004, S. 1121 (1126) (Gebot zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Arbeitgebern); Gragert, NZA 2000, S. 961 (961 ff.); Junker, NZA, Beil. Heft 16/2004, S. 3 (6); Krause, ZfA 2005, S. 687 (696) unter Hinw. auf Junker, Gutachten B für den 65. DJT (2004) (zust. Moll, Bd. II/1, N 9 (19 ff., 44 ff.); abl. Pfarr, Bd. II/1, N 47 (48, 52, 62 ff.)); Weigand, in: KR, § 23 KSchG, Rn. 14. Allg. zu Ausnahmen für Kleinbetriebe (Kleinbetriebsklauseln) vgl. nur § 23 I 2, 3 KSchG, § 8 VII TzBfG; § 71 I 3 SGB IX; EuGH v. 30. 11. 1993 EuGH Slg. 1993, S. 6215 (6219 f., 6223) (Kirsammer-Hack); BVerfG v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (177 f.); BAG v. 21. 02. 2001 NZA 2001, S. 951 (953 f.). 582 Von einer Dispensregelung für Kleinunternehmen hat der europ. Normgeber bewusst abgesehen, da das Phänomen der Diskriminierung unabhängig von der Unternehmensgröße und der Beschäftigungszahl auftrete (so KOM (1999) 565 endg., S. 1 (31 f.); EuGH v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1243) (Tele Danmark); v. 03. 02. 2000 NZA 2000, S. 255 (257) (Mahlburg); krit. dagegen der WSA in seiner Stellungnahme zum Entwurf der RL 2000/78/EG (ABl. EG 2000, Nr. C 204, S. 82)). 583 EuGH v. 08. 11. 1983 Slg. 1983, S. 3431 (3448) (Vereinigtes Königreich); Schieck, NZA 2004, S. 873 (880); s. a. BAG v. 06. 11. 2003 NZA 2005, S. 218 (218); Preis, NZA 2005, S. 714 (716). Nach KOM (1999) 565 endg., S. 1 (27 ff.) überträfen die Vorteile eines erhöhten Diskriminierungsschutzes den (nur „in geringem Maße anfallenden“) negativen Kosteneffekt bei weitem. 584 A. A. Bepler, NZA, Beil. Heft 18/2004, S. 3 (8); Thüsing, NZA, Beil. Heft 16/2003, S. 41 (44 f.); Wiedemann/Thüsing (in: NZA 2002 S. 1234 (1236). Grdl. Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 13. Ähnlich Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 69 f., 129; ders., AcP 164, S. 407 (417 f.); Picker (in: JZ 2003, S. 540 (544)), der jedoch nur für diesen Bereich überhaupt Diskriminierungsschutz für erforderlich hält; Hanau, in: GS Kahn-Freund (1980), S. 457 (468, 470, 475).
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fachgesetzlich konkretisiert wird, folgt, dass sich der Arbeitgeber gerade in Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens grundsätzlich schützend vor seinen Arbeitnehmer stellen muss. Fraglich bleibt, ob in den Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens Bereiche denkbar sind, in denen unterscheidende Maßnahmen ausnahmsweise zu gestatten sind.585 a) Das Erfordernis der Berücksichtigung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit nach allgemeinen Grundsätzen Es stellt sich zunächst die Frage, ob in den vorgenannten Bereichen die unternehmerische Freiheit nach allgemeinen Überlegungen überhaupt noch Berücksichtigung finden kann. Nach der formalen Struktur der Diskriminierungsverbote wird zunächst ein Hemmnis aufgestellt, welches besagt, dass der Adressat der Norm nach dem genannten Merkmal nicht unterscheiden bzw. das geschützte Merkmal nicht als Anknüpfungspunkt für eine differenzierende Bewertung machen darf. In Bezug auf die rechtlich anerkannten Merkmale wird durch diese Vorgabe ein einfachstrukuriertes Verbot aufgestellt, das zunächst einmal – aufgrund der Basis einer breiten politischen und gesellschaftlichen Überzeugung586 – eine Richtigkeitsvermutung für sich hat. Auch ein genereller verfassungsrechtlicher Freiheitsvorrang, den ein Teil der Lehre befürwortet,587 kommt in dieser Allgemeinheit nicht in Frage;588 zumindest ergeben sich aus ihm keine konkreten Anhaltspunkte, die der unternehmerischen Frei585 Nachdem zunächst durch die Bestimmung der Schutz- und Anwendungsbereiche von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz versucht wurde, Scheinkollisionen auszuschließen und dadurch die Anzahl an Kollisionssituationen zu minimieren, stellt das Ziel nunmehr eine den bisher genannten Grundsätzen im Übrigen gerecht werdende Lösung dar. 586 s. o. unter § 7 A. I. 587 Für eine prinzipiell staatsfreie Wirtschaft (Selbstbestimmung als „Leitidee zivilrechtlichen Denkens“): Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 76, 87 ff. („Primat der Freiheit“); Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 I GG, Rn. 507 („Präponderanz der Freiheit ggü. der Gleichheit“); Sodan, DÖV 2000, S. 361 (364, 368). Vgl. a. BVerfG v. 19. 10. 1993 BVerfGE 89, S. 214 (231 ff.). Z. T. wird für den Bereich des allg. Zivilrechts ein Regel-Ausnahme-Modell von Vertragsfreiheit und Freiheitsbeschränkung i. S. eines „in dubio pro libertate“ befürwortet (für die Berufswahl s. BVerfG v. 08. 03. 1983 BVerfGE 63, S. 266 (286); für Berufsausübungsregelungen: Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 12, Rn. 58; Reichold, ZfA 2007, S. 257 (267); grdl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1947) S. 130 (156); ders., in: FS Nipperdey (1955), S. 5 ff.). Aus diesem Grunde gegen ein allg. privatrechtliches ADG: Dreier, in: Dreier, Art. 2 I GG, Rn. 63. 588 Vgl. Dreier, in: Dreier, Art. 2 I GG, Rn. 38; Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8b, § 20 IV 2a; III/ 2, § 82 II 2 g, § 84 IV 6c a; zu den Problemen des Schemas im Zshg. mit der Altersdiskriminierung vgl. Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (21). In Wahrheit können sich hier beide Seiten auf ihren Freiheitsschutz berufen (vgl. BVerfG v. 27. 01. 1998 BVerfGE 97, S. 169 (175 ff.); grdl. Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 5, Rn. 60). Unbeschränkte Freiheit würde auch die Freiheit zu Beschränkung dieser Freiheit implizieren. Dieses „Freiheitsparadoxon“ führt insb. zu Problemen, wenn die eine (weitgehend unbeschränkte) Freiheit zur Beschränkung der Freiheit anderer genutzt wird (Externalität) (vgl. hierzu etwa Wagner-von Papp, AcP 205 (2005), S. 342 (350)).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
heit hier zur Durchsetzung gegen die Diskriminierungsvorschriften verhelfen könnten.589 Allerdings wurde bereits oben festgestellt, dass Beschränkungen der Freiheit einem generellen Rechtfertigungszwang unterliegen und dass hierbei ein unantastbarer Kernbereich unternehmerischer Freiheit zu beachten ist.590 Somit entspricht das Erfordernis, die unternehmerische Freiheit bei der Durchsetzung jedweden Diskriminierungsschutzes ausreichend und angemessen zu berücksichtigen, allgemeinen und grundlegenden Rechtsprinzipien.591 Zu diesen Grundsätzen gehören etwa der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der Grundsatz der Praktikabilität oder der Gedanke, dass auch Differenzierungen aus dem Gesichtspunkt des Herkömmlichen zulässig sein können.592 Auch der Grundsatz von der Einheit der Verfassung gebietet es, einzelne Normen nicht losgelöst von jeglichem Zusammenhang mit anderen Rechtsprinzipien zu betrachten.593 Unternehmerische Interessen sind dem Arbeitnehmerschutz jedenfalls nicht pauschal unterzuordnen. Vielmehr ist zu fordern, dass sich die Auswahl- und Abschlussfreiheit gerade dort behauptet, wo gemeinhin undifferenziert von einer „typischen“ Diskriminierungslage ausgegangen wird.594 Die unternehmerische Freiheit ist grundsätzlich in allen Bereichen der Durchsetzung von Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht zu berücksichtigen. Ein striktes (absolutes) Diskriminierungsverbot ist daher generell abzulehnen.595 Festzuhalten bleibt, dass der Abso589
Eine konkrete Eingriffsschranke ergibt sich aus einem solchen allg. Prinzip nicht (BVerfG v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (336)). Einem generellen Freiheitsvorrang können stets die Umstände des Einzelfalles entgegenstehen (Bayreuther, NZA 2005, S. 341 (342) unter Anlehnung an BVerfG v. 12. 11. 1958 BVerfGE 8, S. 274 (325 ff.)). Hinzu kommt der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. 590 Vgl. o. unter § 3 C. VI. und unter § 6 B. IV. Sofern Diskriminierungsschutz eine Beschränkung unternehmerischer Freiheit bedeutet, muss er sich diesen Maßgaben stellen, vgl. Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (367). 591 Vgl. a. Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 73; Krause, in: FS Adomeit (2008), S. 377 (386); Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1 (30 ff.);. Grdl. gegen eine egalitär-sozialstaatliche Konzeption: Gröschner, in: Dreier, Art. 20 GG (Sozialstaat), Rn. 37; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG, Kap. VIII, Rn. 42; a. A. wohl Schiek, in: AK-GG, Art. 20 I-III, Kap. V, Rn. 63. 592 Vgl. L/R/H, Art. 3, Rn. 216; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 60. 593 LRH, Art. 2 GG, Rn. 23. Die Effektivität der Grundrechtsbindung der Staatsgewalt ist ein weiterer Aspekt, der dazu auffordert, von der Beschränkungsmöglichkeit in Art. 12 I 2 GG nur unter Beachtung eines ausreichend gesicherten Schutzes des Unternehmers Gebrauch zu machen (vgl. Bergmann, in: Seifert/Hömig, GG, Art. 3, Rn. 19a; Stern, Staatsrecht III/1, § 72 III 5, 5b). 594 s. Herrmann, ZfA 1996, S. 19 (47). Diese angemessene Berücksichtigung von berechtigten unternehmerischen Interessen ist a. vor dem Hintergrund zu gewährleisten, dass Ausnahmen von zwingenden Verboten nach allg. A. eng auszulegen sind (EuGH v. 03. 10. 2000 NZA 2000, S. 1227 (1230) (Simap)). Dieser Auslegungsgrundsatz darf nicht dazu dienen, dem Diskriminierungsschutz zuwider laufende Prinzipien pauschal abzuwerten. 595 So u. a. Hergenröder, in: HWK, Art. 3 GG, Rn. 137; Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/ EGV, Art. 141 EGV, Rn. 61; Rossi, EuR 2000, S. 197 (212 f.); Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (467). Insb. das dem Diskriminierungsschutz zugrunde liegende Gerechtigkeitsdenken stößt bei einem absoluten Verständnis der Verbotsregelung an seine Grenzen (Dürig, in: Maunz/
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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lutheitsanspruch bei gesamtgesellschaftlicher Betrachtung weder Gültigkeit beansprucht, noch als politisches Ziel überhaupt existiert. Dies bedeutet, unternehmerische Freiheit bei der Ausformung und Auslegung der Diskriminierungsvorschriften tatsächlich zu berücksichtigen,596 auch wenn letztere europäisches Recht umsetzen.597 b) Konkretisierung des Erfordernisses in Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens durch § 12 Abs. 4 AGG Unternehmerische Freiheit hat sich demgemäß den Diskriminierungsschutzzielen nicht generell unterzuordnen. Sofern also die Initiative zu einer nach einem geschützten Merkmal differenzierenden Maßnahme nicht vom Unternehmer ausgeht, gilt es die Abstinenz von merkmalsnahen Entscheidungen jedenfalls dann zu hinterfragen, wenn sich die Einschränkung negativ auf das Unternehmen auswirken kann. Es handelt sich um Konstellationen, die sich – ähnlich den Konstellationen der anerkannten Möglichkeiten zur (echten) Druckkündigung598 – dadurch auszeichnen, dass der Arbeitgeber (ursprünglich ohne eigenen Antrieb) von Dritten zu einer belastenden Maßnahme gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer gedrängt wird, die ohne den Druck nicht nur überflüssig, sondern nach der gesetzlichen Wertung auch unzulässig wäre. Die besondere Drucksituation, der der Arbeitgeber nicht in jedem Fall ohne wirtschaftliche Einbußen ausweichen kann, könnte insoweit eine besondere Bewertung möglicher Auswirkungen erforderlich machen und dem Arbeitgeber einen erweiterten Differenzierungsspielraum im Anwendungsbereich der Diskriminierungsschutzregeln gestatten. aa) Marktgebundenheit des Arbeitgeberhandelns Auch in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der am Markt tätige Unternehmer maßgeblich vom Marktverhalten Dritter abhängig ist.599 Zum Berufsrisiko des Unternehmers gehört die Abhängigkeit vom Markt und von seiner eigenen Orga-
Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 52). Im U.S.-amerik. Recht werden Merkmale wie Rasse und Hautfarbe oder Behinderung von den Ausnahmevorschriften demgegenüber gänzlich ausgeklammert (vgl. Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 324). 596 Grdl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 91 f.; Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 121; Rädler, ZRP 1997, S. 5 (8); Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 (1322). A. A. Schiek, NZA 2004, S. 873 (879). 597 Insb. aufgrund der in den Richtlinien enthaltenen Umsetzungsspielräume; in den anderen Bereichen dürfte die RL, sofern sie Art. 12 I GG verletzt, auch gegen das weitgehend inhalts- und strukturgleiche europ. Grundrecht der Berufs- und Unternehmerfreiheit verstoßen und damit nichtig sein, so dass auch insofern eine Direktwirkung des Art. 12 I GG eintreten würde (vgl. Streinz, in: HdbStR VII, § 182, Rn. 33; s. a. nachfolgend unter § 7 D. IV.). 598 s. o. unter § 3 C. IV. 1. Vgl. a. Schleusener, NZA 1999, S. 1078 (1078 ff.). 599 s. o. unter § 3 C. VI, § 7 A. II. 1., 2. In diese Richtung a. Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 7. Zum polygonalen Verhältnis Staat – Händler – Arbeitnehmer – Käufer vgl. Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1 (8).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
nisation.600 Daher kann er sich unerwünschten Einwirkungen von außen nicht einfach widersetzen, ohne im Einzelfall negative Auswirkungen auf seine Geschäftstätigkeit befürchten zu müssen. Speziell in Situationen, in denen Kunden diskriminierende Nachfragewünsche äußern, steht der Unternehmer aufgrund dieser Abhängigkeit im inneren Konflikt mit seiner Fürsorgeverpflichtung gegenüber seinen Arbeitnehmern.601 bb) Anerkennung unternehmerischer Risikotragung Freies unternehmerisches Handeln geht untrennbar mit dem Eingehen wirtschaftlicher Risiken einher.602 Die Risiken verwirklichen sich in Geschäftseinbußen, können aber auch zum völligen Scheitern führen, so dass der Unternehmer sein Geschäft aufgeben muss und Kapital und Betätigungsmöglichkeiten verliert. Gerade bei der Einführung neuer Geschäftskonzepte, die eine erkannte Marktnische erschließen sollen, werden Investitionen unter tendenziell unwägbaren Renditeerwartungen getroffen. Daher ist in die Überlegungen zur Reichweite von Diskriminierungsschutz einzustellen, ob mit der Einschränkung der unternehmerischen Freiheit eine erhebliche Risikoverlagerung zu Lasten des Unternehmers stattfindet.603 Die Marktwirtschaft verlangt von den Marktteilnehmern (gerade im marktwirtschaftlichen Konkurrenzmodell) Risikobereitschaft und muss ihnen deshalb ausreichende Verhaltensfreiräume, insbesondere privatrechtliche Instrumente zur Risikoabschätzung und Rechtssicherheit garantieren.604 Der Grad der Risikotragung muss daher auch im Rahmen der Anwendung der Diskriminierungsverbote berücksichtigt werden.605 Ansonsten könnte die Innovationsbereitschaft des Unternehmers, der zur Umsatzsicherung und -steigerung neue Konzepte entwickeln muss, übermäßig beeinträchtigt werden.
600 BAG v. 23. 04. 1980 AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 76, 129, 249. 601 Auch die Rspr. erkennt grds. an, dass zumindest vertragliche Verpflichtungen vom Arbeitgeber diskriminierendes Verhalten abverlangen können (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 23. 04. 2007 NZA-RR 2007, S. 630 (630). 602 Vgl. bereits o. unter § 3 C. IV. 6. S a. schon BVerfG v. 30. 04. 1952 BVerfGE 1, S. 264 (277); BAG v. 13. 08. 1980 AP Nr. 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 06.08. 1953 BAGE 18, S. 87 (100 ff.); Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 75. 603 Vgl. allg. BAG v. 11. 05. 2000 NZA 2000, S. 1106 (1109); Braun, MDR 2004, S. 64 (67). 604 Gotthardt, in: HWK, § 307 BGB, Rn. 22; Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (582) – eine Rechtsordnung, die diese Rahmenbedingungen durch ein überzogenes Bemühen um sozialen Ausgleich missachte, stehe in der Gefahr, ihr eigenes freiheitliches Fundament zu untergraben. 605 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 376. Zur ähnlichen Problematik im Bereich betrieblicher Altersversorgung vgl. Raulf/Gunia, NZA 2003, S. 534 (535) (Grds. der risikoadäquaten Kalkulation); Rengier, NZA 2006, S. 1251 (1255); Steinmeyer, NZA 2004, S. 1257 (1259). Im Versicherungsbereich ist die Berücksichtigung der Alters- und Geschlechtsabhängigkeit des Risikos anerkannt (s. § 20 II AGG) und z. T. sogar gesetzlich vorgeschrieben, vgl. § 157 VVG, §§ 12 I Nr. 1 VAG (hierzu Flohr/Ring, AGG, § 20, Rn. 419). s. a. Art. 5 RL 2004/113/EG. Zum US-amerik. Recht: vgl. US SC: City of Los Angeles, Departement of water and power vs. Manhart, 535 US 702; 55 L ED 2 d 657, 666.
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cc) Fehlende Beherrschbarkeit von Diskriminierungen durch Drittverhalten Entscheidend gegen eine unbeschränkte Einstandspflicht des Arbeitgebers in den Fällen von diskriminierendem Verhalten Dritter spricht in Zusammenhang mit den vorgenannten Aspekten, dass der Arbeitgeber in solchen Fällen regelmäßig keinen substanziellen Einfluss auf das Verhalten des Dritten hat.606 Die Diskriminierungsgefahr ist dann nicht von ihm beherrschbar. Das Kriterium der Beherrschbarkeit einer Gefahr ist jedoch wesentlich für die Zurechnung der Verantwortlichkeit für die aus der Gefahr resultierenden negativen Folgen.607 Nach dem Prinzip der Risikobeherrschbarkeit ist das Risiko einer Vertragsstörung der Partei zuzuordnen, aus deren Sphäre es stammt.608 Einem Zurechnungsadressaten soll danach das Risiko nach generell-typischen Kriterien ohne Rücksicht auf sein Verschulden auferlegt werden, wobei die Sphäre, der das Risiko zugeordnet werden muss, in einem räumlich-organisatorischen Sinne zu verstehen ist.609 Denn jede Partei kann die Wahrscheinlichkeit einer Störung, die ihrem räumlich-organisatorischen Bereich entspringt, am ehesten prognostizieren.610 Inhaltlich lässt sich das Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos mit der (im Rahmen der Privatautonomie anerkannten) Praktikabilitätserwägung begründen, dass denjenigen die Risikobelastung trifft, der regelmäßig in der Lage ist, Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden schon in seiner Sphäre zu treffen.611 In Fällen diskriminierenden Verhaltens Dritter liegt die Ursache für die Störung des Arbeitsverhältnisses jedoch in der Regel gerade außerhalb der Verantwortungssphäre von Arbeitnehmer und Arbeitgeber.612 Vielfach 606 Zu den begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers vgl. Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 43; Buschmann, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 12, Rn. 30; vgl. a. die Differenzierung bei Zwanziger, in: Kittner/Däubler/Zwanziger, AGG, § 12, Rn. 7. 607 Vgl. nur Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, 1998, S. 19 ff., m. w. N. 608 In diesem Sinne Bäumler, Der Anwendungsbereich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 57, 60 f. unter Hinw. auf Canaris, RdA 1966, S. 41 (43) und Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 3 ff., 77 ff., 383 ff.; s. a. Beckers, Die Außenhaftung des Arbeitnehmers, 1996, S. 32, 171 Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, § 35, Rn. 11. s. a. bereits o. unter § 3 C. IV. 6. Der Zweck dieses Prinzips besteht in dem Ziel, die Vertragsparteien zu einer Minimierung von Risiken und Schäden zu bewegen. Zum Prinzip der Beherrschbarkeit als Voraussetzung für einer Risikohaftung im Arbeitsrecht: Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (539 ff.). 609 Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 87. 610 Bäumler, Der Anwendungsbereich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 60. Ähnlich Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (537, 539 f.). Vorsichtig selbst zur Organisationspflicht des Arbeitgebers BAG v. 16. 05. 2007 NZA 2007, S. 1154 (1164). 611 Bäumler, Der Anwendungsbereich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 61, der in diesem Zshg. a. auf einfachgesetzliche Grundsätze des allg. und bes. Schuldrechts hinweist; Canaris, RdA 1966, S. 41 (43); in diese Richtung a. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 9; Göpfert/Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1712) – jew. unter Hinw. auf den Grds. der Eigenverantwortung; vgl. insoweit a. BAG v. 27. 11. 1974 AP Nr. 82 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht. 612 A. A. offenbar Deinert, RdA 2007, S. 275 (282), der i. Ü. über die Konstruktion gemeinschaftsrechtskonform begründeter Schadensersatzverpflichtungen ggü. diskriminieren-
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wird es sich um Situationen handeln, in denen die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers tatsächlich eingeschränkt sind, während der Arbeitnehmer u. U. durchaus in begrenztem Umfang eine Gefahrsteuerung vornehmen kann. Auch wenn der Aspekt einer verminderten Beherrschbarkeit der Gefahrenlage durch den Arbeitgeber nicht dazu verleiten darf, die betrieblichen Rahmenbedingungen, die ein erhöhtes Risiko in sich bergen, als Kausalfaktoren auszublenden,613 führt die fehlende Gefahrbeherrschung durch den Arbeitgeber jedenfalls dazu, dass man die Zurechnung der besonderen Gefahren des Arbeitsprozesses nicht auf diesen Gesichtspunkt stützen kann,614 sondern weitere Aspekte heranziehen muss. Insoweit treten dann Gesichtspunkte in den Vordergrund, die danach fragen, welche Partei den Nutzen aus dem betrieblichen Geschehen zieht (Nutznießungsgedanke) und wer die Risiken versichern bzw. am Markt weitergeben kann (Absorptionsprinzip).615 Zum anderen gilt es zu bewerten, inwieweit die betriebliche (fremdnützige) Tätigkeit ein (erhöhtes) Diskriminierungsrisiko in sich birgt, d. h. ob es sich um eine insoweit gefährliche oder eher mit allgemeinen Risiken belastete Tätigkeit handelt, aufgrund derer sich ebenfalls eine besondere Risikotragung durch den Arbeitgeber nicht begründen ließe. Der Arbeitgeber hat insbesondere auf das Verhalten von Kunden grundsätzlich keinen Einfluss;616 er ist im Rahmen des Wettbewerbs am Markt vielmehr auf die Gunst der Kunden angewiesen und insoweit von deren Nachfrageverhalten abhängig. Da das Risiko, mit einem unsachlichen, diskriminierenden Kundenverhalten konden Dritten zu einer gewissen Beherrschbarkeit des Verhaltens gelangt. Zu den Möglichkeiten der Intervention geg. einen diskriminierenden Beschäftigten: Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 12, Rn. 31 ff. 613 Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, 1998, S. 20. 614 Vgl. auch Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (341). 615 Vgl. BAG (GS) 12. 06. 1992 AP Nr. 101 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 89 ff.; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, 1998, S. 21 f. Dazu sogleich. 616 In diese Richtung a. Alenfelder; Das neue AGG, Kap. A, Rn. 95; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 4; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 12, Rn. 33; Müller, DÖD 2007, S. 73 (83) – genannt werden als (präventive/reaktive) Maßnahmen: Einwirkung auf den Geschäftskunden, um diesen zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen dessen diskriminierenden Arbeitnehmer zu bewegen; (strafbewehrte) Vereinbarung einer Pflicht zur benachteiligungsfreien Vertragsdurchführung mit betriebsfremden Dritten und die Aufklärung des Dritten über das AGG; vgl. a. Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 134 – Verbreitung eines Unternehmenskodex auch an den Kunden, Aufnahme von Diskriminierungsverboten in die eigenen AGB; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 12, Rn. 2 – Belieferungssperre, Vertragskündigung; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 12, Rn. 19, 21 (ggf. Lokalverweis); Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 12, Rn. 46 f. – bei Tätigkeiten, die das Risiko einer Belästigung erhöhen, sind präventive Schutzmaßnahmen zu treffen; Göpfert/ Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1715); Müller-Bonanni/Sagan, ArbRB 2007, S. 50 (51); Simon/ Greßlin, BB 2007, S. 1782 (1788): Hinweise bzw. Aufforderungen an den Dritten, das Verhalten zu ändern, ggf. über Weblogs (s. Zielke/Stauf, AiB 2007, S. 104 (106)). Meinel/Heyn/ Herms (in: AGG, § 12, Rn. 26) verlangen im Falle schwerwiegender Benachteiligungen ggf. a. den Abbruch von Geschäftsbeziehungen; ebenso Suckow, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 12, Rn. 35.
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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frontiert zu werden, von beiden Teilen des Arbeitsverhältnisses gar nicht beherrscht werden kann, ergibt sich das Erfordernis einer Risikoaufteilung,617 die jedenfalls nicht generell zu Lasten des Arbeitgebers ausfallen darf. Ansonsten würde man die Legitimation der Arbeitgeberhaftung direkt aus dem Unternehmerrisiko herleiten und auf die größere wirtschaftliche Potenz des Arbeitgebers, also auf eine bloße finanzielle Billigkeitserwägung reduzieren.618 Auch in diskriminierungsnahen Bereichen – wie z. B. in Fällen des Mobbings – ist anerkannt, dass sich der Arbeitgeber nur dann das herabsetzende Verhalten Dritter zu Lasten eines seiner Arbeitnehmer zurechnen lassen muss, falls ihn ein eigenes Organisationsverschulden trifft oder er einen (vertraglichen) Einfluss auf den Dritten zur Unterbindung des Verhaltens hat.619 Dementsprechend wird auch die allgemeine Schutzpflicht des Arbeitgebers gem. § 12 Abs. 1 AGG, die u. a. ausgelöst wird, wenn die Benachteiligung von betriebsfremden Dritten ausgeht, funktional dadurch begrenzt, dass der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich – entsprechend seiner beruflichen Organisations- und Gestaltungssphäre – dafür verantwortlich und in der Lage sein muss, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.620 Für die Bestimmung der Reichweite der Diskriminierungsschutznormen muss zudem die fehlende Möglichkeit einer anfänglichen Risikokalkulation berücksichtigt werden.621 Zwar ist das Risiko eines diskriminierenden Kundenkontakts letztlich vom am Markt tätigen Unternehmer veranlasst622 – der Arbeitnehmer erbringt eine fremdnützige Tätigkeit für den Arbeitgeber und kann sich aufgrund des Arbeitsverhältnisses einer Diskriminierung durch Dritte nur unter erhöhten Schwierigkeiten entziehen;623 indessen wird dieses gegenüber Beherrschbarkeitsgesichtspunkten schwächere Zuordnungskriterium dadurch überlagert, dass der Arbeitnehmer regelmäßig eher 617 Vgl. hierzu allg. Bäumler, Der Anwendungsbereich der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 57 ff., 66 ff., 87. 618 Ähnlich, wenn auch in anderem Zusammenhang, Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001, S. 62. 619 Vgl. BAG 16. 05. 2007 NZA 2007, S. 1154 (1160, 1163 f.); LAG Thüringen v. 10. 04. 2001 NZA-RR 2001, S. 347 (347); Reinfeld, in: Moll, MAH, § 32, Rn. 59. 620 BT-Dr. 16/1780, S. 37; Boemke/Danko, AGG, § 8, Rn. 16; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 1; Weidenkaff, in: Palandt, AGG, § 12, Rn. 2. 621 Vgl. insoweit die Argumentation für den Rechtsfolgenbereich bei Schlachter, in: ErfK, AGG, § 7, Rn. 6 f.; Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 94; Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 133; Bauer/Arnold, NJW 2006, S. 6 (11); Lieb, ZfA 1996, S. 319 (342 f.); Nicolai, ZfA 1996, S. 481 (488 f., 502). Einschränkend Kokott, RdA 2006, Beil. Heft 6, S. 30 (37); Kreft, RdA 2006, Beil. Heft 6, S. 38 (43). s. a. BAG v. 27. 06. 2006 NZA 2006, S. 1276 (1281); Joussen, NZA 2006, S. 963 (966 f.). 622 Grdl. zum „Veranlassungsprinzip“, wonach derjenige, der einen Interessenkonflikt veranlasst, damit rechnen muss, dass er auf Kritik stößt und mit Reaktionen rechnen muss: Stern, Staatsrecht III/2, § 82 III 4 b. 623 Weitergehend Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (342). Dass sich der Arbeitnehmer einer Belästigung gar nicht entziehen kann, kann indes nicht angenommen werden, da der Arbeitnehmer in erheblichen Fällen berechtigt sein dürfte, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, um der Diskriminierung auszuweichen.
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
als der Arbeitgeber die Möglichkeit besitzt, auf die Diskriminierungssituation deeskalierend einzuwirken. Zudem trägt der Gedanke des Veranlassungsprinzips nur soweit, als dass der Arbeitgeber nicht aufgrund jeder denkbaren, auch unerheblichen, Schädigung aufgrund diskriminierenden Kundenverhaltens mit einer den Arbeitnehmer benachteiligen Maßnahme reagieren darf.624 Wie die Betriebsrisikolehre625, die dem Arbeitgeber für sein freies Auftreten am Markt, das er durch eine Vielzahl von Geschäften am Markt mit Dritten im Rahmen seiner eigenen Organisation erfolgreich gestalten will, die mit diesen Geschäften einhergehenden Risiken grundsätzlich aufbürden will, trägt auch hier der Beherrschbarkeitsgedanke die besondere Risikozurechnung nur so weit, wie beherrschbare und vorhersehbare Risiken in der Arbeitgebersphäre vorliegen, nicht aber für unvorhersehbare oder gar für neutrale Risiken;626 im Übrigen gibt es kein allgemeines Prinzip, wonach derjenige, der den Nutzen zieht, auch das Risiko tragen müsse.627 Dass der Arbeitgeber grundsätzlich das Wirtschaftsrisiko trägt, ist kein Gegenargument, da er dieses Risiko dann auch beherrschen können muss.628 Nur dort, wo Risiken beherrschbar sind, kann der Gesichtspunkt der Verhinderung von Schädigungen (hier: des Unternehmens infolge der Diskriminierungsschutzwirkungen) keine Rolle spielen. Da die Risikoverteilung dem Ziel, eine optimale Risikovorsorge zu treffen, verpflichtet ist,629 muss es dem Arbeitgeber notfalls möglich sein, zukünftige Risiken mithilfe einer arbeitnehmerbelastenden Maßnahme zu vermeiden. Die unternehmerische Garantenpflicht kann nicht abseits jeder Zurechnungsgesichtspunkte, besonders der Beherrschbarkeit der (Diskriminierungs-)Gefahr630, existieren.631 Auch im (mit dem Diskriminierungsschutzrecht verwandten) Deliktsrecht wird grundsätzlich
624 Im Ggs. zu den Grundsätzen der Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, die dem Arbeitgeber bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten das höhere Haftungsrisiko auferlegen, liegen die Risiken hier gerade außerhalb der Einflusssphäre und damit der Beherrschbarkeit des Arbeitgebers. Eine Risikoverteilung allein nach dem Veranlassungsprinzip widerspräche auch dem Charakter des Arbeitsvertrags als Austauschvertrag, da auch dem Arbeitnehmer an einem Leistungsaustausch gelegen ist. s. a. Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (540) (s. Fn. 96). 625 Vgl. BAG v. 09. 07. 2008 NZA 2008, S. 1407 (1408 f.); v. 23. 06. 1994 AP Nr. 56 zu § 615 BGB; Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 403 ff.; Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, § 37, Rn. 17 ff.; Canaris, RdA 1966, S. 41 (45 ff.). 626 Vgl. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 71. 627 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 72. 628 Ähnlich Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 691 f. 629 Bäumler, Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 57 ff. 630 Vgl. Bäumler, Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 60, 87 f. unter Hinw. auf Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 87. 631 Vgl. insoweit die allg. Kritik am Haftungssystem des AGG für die Folgen aus dem diskriminierenden Verhalten Dritter von Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, S. 32 (35); Thüsing, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 3 (8). Zur Garantiehaftung vgl. o. unter § 5 B. III. 2. a) cc). s. a. Flohr/Ring, AGG, § 7, Rn. 177; Benecke, RdA 2008, S. 357 (361) m. w. N.; BT-Dr. 16/ 1780, S. 34.
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anerkannt, dass ein Arbeitgeber dann nicht für eine Folge einstehen muss, wenn diese außerhalb des (konkret) vorhersehbaren und beherrschbaren Geschehens liegt.632 Zu weit ginge die generelle Risikoauferlegung zu Lasten des Arbeitgebers unter dem Gesichtspunkt, dass solche Risiken mittlerweile vom Arbeitgeber versicherbar sind.633 Die Risikoverteilung nach einem solchen ,AbsorptionsgedankenÐ ist nach dem vorrangigen Ziel der präventiven Risikovermeidung ebenfalls nur in den Fällen sinnvoll, in denen ein Risiko vom Arbeitgeber beobachtet und prognostiziert werden kann. Die bloße Möglichkeit, Auswirkungen der Realisierung des Diskriminierungsrisikos aufzufangen, reichen für eine undifferenzierte Risikoverteilung nicht aus. Aufgrund der fehlenden Beherrschbarkeit der Diskriminierungsgefahr durch Drittverhalten ist somit die Einstandspflicht für das herabsetzende Verhalten Dritter durch das Gebot zur Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angemessen einzuschränken. dd) § 12 Abs. 4 AGG als einfachgesetzliche Ausprägung der Zumutbarkeitsschranke Aufgrund des Zusammenspiels von Verantwortlichkeit und Risikozurechnung kann eine Einstandspflicht für das Verhalten Dritter nicht weiter gehen, als der Schutzgedanke des Anti-Diskriminierungsrechts und das Gesetz es verlangen. § 12 Abs. 4 AGG erlaubt seinem Wortlaut nach Maßnahmen gegenüber dem von Diskriminierung betroffenen Arbeitnehmer. Nach dem Zweck der Vorschrift haben sich die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen zwar aufgrund des Schutzzwecks des Gesetzes vorrangig gegen den Diskriminierenden zu richten;634 sofern dies jedoch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich, insbesondere individuell nicht durchsetzbar,635 oder unzumutbar ist,636 kommen nach zustimmungswürdiger An-
632 Diese (Haftungs-)Einschränkung wird i. d. R. über die Adäquanztheorie (s. BAG v. 15. 11. 2001 EzA Nr. 68 § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung) herbeigeführt. Zur Anwendbarkeit in Mobbingfällen s. BAG v. 24. 04. 2008 DB 2008, S. 2086 (2088). 633 Zum Gedanken der Absorption von Risikofolgen näher Bäumler, Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 61 ff.; Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 89 ff. 634 Annuß/Rupp, in: HWK, § 12 AGG, Rn. 3; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 20 – dies stehe mit dem Grundgedanken im Einklang, dass für die Beseitigung einer Beeinträchtigung immer zunächst beim Störer selbst anzusetzen sei. Auch im Falle eines bloßen Diskriminierungsverdachts ist der Arbeitgeber zum Einschreiten verpflichtet (Göpfert/Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1711); a. A. Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 2). 635 § 12 IVAGG bietet keine eigenständige, vom allg. Arbeits- und Vertragsrecht losgelöste Möglichkeit, entspr. Maßnahmen durchzuführen (Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 21). 636 Z. T. werden bei Maßnahmen, die sich ausschließlich gegen den Benachteiligten richten, erhöhte Anforderungen an die Darlegung der Geeignetheit der Maßnahme zur Vermeidung zukünftiger Benachteiligungen verlangt (so Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 20). Richtig ist insoweit, dass eine solche den Diskriminierten wiederholend belastende Maßnahme einer (ggü. einer Maßnahme gegen den Diskriminierenden) erhöhten Begründungslast unterliegt. Der
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sicht nachrangig auch Maßnahmen gegenüber dem Diskriminierten in Betracht.637 Die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers zur Organisation der betrieblichen Abläufe bleibt insoweit in jedem Fall bestehen.638 Insofern handelt es sich letztendlich auch dabei um Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung bzw. um – wenn auch paternalistische – Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten im Sinne des § 12 Abs. 1, 4 AGG. Die Bestimmung in § 12 Abs. 4 AGG zeigt bereits nach ihrem Wortlaut deutlich, dass der Gesetzgeber jene Fälle, in denen der Arbeitgeber selbst benachteiligt, anders beurteilt als solche Fälle, in denen die Benachteiligung von Dritten herrührt,639 da er speziell für letztere Fälle eine Verhältnismäßigkeitsgrenze installiert hat. Die Formulierung in § 12 Abs. 4 AGG, wonach der Arbeitgeber zum Schutz der Beschäftigten als vertragliche Nebenpflicht die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen als Reaktion auf eine Diskriminierung zu ergreifen hat, offenbart, dass die arbeitgeberseitige Garantenpflicht eine Zumutbarkeitsgrenze kennt.640 Durch die Installation des Verhältnismäßigkeitsmaßstabs im Rahmen dieser Handlungsanweisung kommt zum Ausdruck, dass sich die Schutzpflicht nicht auf alle Schwerpunkt im Falle der Überprüfung dürfte jedoch i. R. der Erforderlichkeit liegen, da eine Maßnahme ggü. dem Diskriminierenden i. d. R. ein milderes Mittel darstellen wird. 637 Ebenso Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 44; Annuß/Rupp, in: HWK, § 12 AGG, Rn. 3; Boemke/Danko, AGG, § 8, Rn. 33, 49; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 26; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 3, die ansonsten das Einverständnis des Betroffenen zur Voraussetzung erhebt; ähnlich Schmidt, in: Schiek, AGG, § 12, Rn. 14, sofern die Maßnahme nicht ihrerseits eine Maßregelung i. S. d. § 16 AGG darstelle; ebenso Boemke/Danko, AGG, § 8, Rn. 33; abl. Buschmann, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 12, Rn. 22, 29; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 12, Rn. 58 – kontraproduktiv, es sei denn, es werde von dem Betroffenen selbst ausdrücklich erwünscht; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 12, Rn. 48; Zwanziger, in: Kittner/ Däubler/Zwanziger, AGG, § 8, Rn. 4. 638 Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 20. 639 Bspe.: ein Kunde belästigt die Sekretärin des Geschäftspartners durch sexuelle Bemerkungen; ein Gast beschimpft eine Kellnerin wg. ihrer Hautfarbe; im Betrieb des Geschäftspartners werden ausländische Mitarbeiter mit fremdenfeindlichen Äußerungen konfrontiert – vgl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 12, Rn. 50, 52. 640 Vgl. a. BAG v. 25. 10. 2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing = NZA 2008, S. 223 (226 ff.); Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 32 ff.; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 12, Rn. 19; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 12, Rn. 36 ff. Gleiches gilt, sofern der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Schadensersatz wg. des diskriminierenden Verhaltens Dritter verlangt, da die Zumutbarkeitsgrenze zugleich einen Rahmen für mögliches Organisationsverschulden des Arbeitgebers zieht. Nur unterhalb dieser Grenze droht ihm eine Schadensersatzverpflichtung nach § 280 I BGB i. V. m. § 12 AGG bzw. § 15 AGG i. V. m. § 12 AGG. Ebenfalls einschränkend zur Arbeitgeberhaftung: Simon/Greßlin, BB 2007, S. 1782 (1783 ff.); dem folgend Grobys, NJW 2006, S. 2950 (2950); Müller-Bonanni/Sagan, ArbRB 2007, S. 50 (50) – Haftung nur i. F. eines Organisationsverschuldens. Für eine Haftung nach § 15 AGG: Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15, Rn. 20 f., die jedoch ebenfalls auf die Einbeziehung von Zumutbarkeits- und damit auf Verschuldenskriterien abstellen; vgl. a. Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 12, Rn. 11 – Haftung nach § 15 AGG ohne Exkulpationsmöglichkeit bei Verletzung einer Organisationspflicht (ähnlich Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 5, 30 f.).
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schlechthin denkbaren Situationen und Abwehrmaßnahmen bezieht, sondern nur auf solche, die in Ansehung des Diskriminierungsschutzziels tragbar erscheinen und insoweit vom Arbeitgeber erwartet werden können.641 Berücksichtigung finden müssen hierbei in jedem Fall die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten des Arbeitgebers.642 Handlungspflichten können auch nur insoweit angenommen werden, wie der Arbeitgeber durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen Einfluss auf das Risiko nehmen kann, dass seine Beschäftigten weiterhin Opfer von Benachteiligungen werden.643 Was insoweit erforderlich ist, bestimmt sich objektiv und nicht nach subjektiven Einschätzungen von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer.644 Entscheidend für die Beurteilung einer Maßnahme nach § 12 AGG ist vor allem deren Effektivität hinsichtlich der Schaffung eines diskriminierungsfreien Arbeitsklimas.645 Bei der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen hat der Arbeitgeber jedoch einen Beurteilungsspielraum, solange er in dem ernsthaften Willen handelt, die Benachteiligung für die Zukunft zu unterbinden.646 Im Gegensatz zum Grundsatz der generellen Einstandspflicht des Arbeitgebers für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB)647 wird die Einwirkungspflicht auf Dritte aufgrund der begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten des Arbeitgebers an dieser Stelle begrenzt.648 Die Beachtung der Zumutbarkeitsgrenze ist schon daher angezeigt, weil der Arbeitgeber im Übrigen keine Möglichkeit hat, sich der Haftung für das Verhalten Dritter – abseits einer Haftung über § 278 bzw. nach § 831 BGB – zu entziehen.649 Mangels Erfüllungsgehilfeneigenschaft kann eine Zurechnung nach 641 Generell hat der Arbeitgeber i. R. v. § 12 AGG nur dann angemessene Maßnahmen gegen bestehende Benachteiligungen zu ergreifen, wenn es sich um ein Fehlverhalten im Zshg. mit der geschuldeten Tätigkeit handelt, der Beschäftigte also seine vertraglichen Nebenpflichten verletzt (Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 17). 642 So Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 4 unter Hinw. auf BT-Dr. 15/4538, S. 34; Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 2, Rn. 140. 643 Boemke/Danko, AGG, § 8, Rn. 46. Die – ungeschriebene – Grenze der Verpflichtungen des Arbeitgebers nach § 12 AGG verlaufe dort, wo der Bereich der Arbeit ende und die Teilnahme Beschäftigter am allg. Leben beginne (so Suckow, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 12, Rn. 4, 18; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 12, Rn. 1). 644 So zu § 12 I AGG Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 2, Rn. 140. 645 Vgl. Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 12, Rn. 11. 646 Suckow, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 12, Rn. 37. Speziell die Wahl der Mittel i. R. des § 12 IV AGG obliege allein dem Arbeitgeber (Müller-Bonanni/Sagan, ArbRB 2007, S. 50 (52)). 647 Vgl. hierzu insb. BAG v. 25. 10. 2007 NZA 2008, S. 223 (226 ff.). 648 Ein Verstoß gegen § 12 IV AGG infolge einer Benachteiligung durch Dritte kann nur vorliegen, wenn es auf die Motivation des Dritten und nicht die des Arbeitgebers ankommt. Eine Begrenzung dieser weit gespannten Verantwortlichkeit kann nicht durch Begrenzung der Motivationszurechnung, sondern nur durch Begrenzung der Haftung erreicht werden (so Hanau, ZIP 2006, S. 2189 (2195)). 649 Insb. eine präventiv durchgeführte AGG-Schulung befreit den Arbeitgeber nicht von seinen repressiven Pflichten nach § 12 III, IVAGG (Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 10; Falke, in: Rust/Falke, AGG, § 12, Rn. 31; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 10 f.). Zur Pflich-
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§ 278 BGB bei Diskriminierungen, die von (betriebsfremden) Dritten (z. B. Kunden des Arbeitgebers) ausgeht, nicht stattfinden.650 Umgekehrt ist der Arbeitgeber hiernach nicht gehalten, auf eine arbeitnehmerbelastende Reaktion, die auf eine diskriminierende Außeneinwirkung als geeignetes Mittel erscheint, zu verzichten; dies gilt nach dem Maßstab des § 12 Abs. 4 AGG jedenfalls dann, wenn der Zweck der Anti-Diskriminierungsvorschriften außer Verhältnis zu den negativen Folgewirkungen des Verzichts für das Unternehmen stünde. Zwar enthält die Norm vornehmlich die Verpflichtung des Arbeitgebers, aktive AntiDiskriminierungsmaßnahmen gegenüber Dritten zu ergreifen (s. o.); dieselbe Grenze muss jedoch auch für die Konstellationen gelten, in denen der Arbeitgeber auf das diskriminierende Verhalten des Dritten nur dadurch reagieren kann, dass er seinerseits eine diskriminierende Maßnahme gegenüber seinem Arbeitnehmer ergreift. In beiden Situationen wird auf den Arbeitgeber von außen Druck ausgeübt, dem er in gewissen (nach dem Gesetz: unzumutbaren) Fällen nicht widerstehen muss. Der Unterschied besteht jeweils nur in den Auswirkungen des diskriminierenden Verhaltens Dritter auf den Unternehmer. Im ersten Fall kann er dem Verhalten dadurch ausweichen, dass er es duldet und keine Schutzmaßnahmen ergreift, im zweiten Fall ist eine Ausweichbewegung nur in der Art und Weise möglich, dass der Unternehmer die Diskriminierung quasi weiterreicht und seinerseits eine diskriminierende Entscheidung gegenüber seinem Arbeitnehmer trifft. Zwar betrifft die Maßnahme nur im zweiten Fall seinen Vertragspartner, der die Gefahr nicht veranlasst hat und dem er in der konkreten Situation dem Grunde nach zum Schutz verpflichtet ist; nach dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 4 AGG soll der Unternehmer jedoch generell nur bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit dem diskriminierenden Verhalten Dritter entgegentreten müssen.651 Die gesetzliche Lösung verhindert aus einem allgemeinen Gedanken heraus eine vollständige Risikozurechnung zu Lasten des Arbeitgebers aufgrund dessen allgemeiner arbeitsvertraglicher Schutzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer; diese stellt lediglich eine sichtlich beschränkte Nebenpflicht dar,652 so dass die Unzumutbarkeitsgrenze insoweit übertragbar ist.653 Weiter kann entspretenstellung in dem Fall, dass es trotz Schulung zu einer Benachteiligung kommt, vgl. Göpfert/ Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1717). 650 Müller, DÖD 2007, S. 73 (84 f.). Daneben erkennt a. § 7 III AGG an, dass keine Verletzung der Vertragsbeziehung zw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorliegt, wenn die Benachteiligung nicht von Beschäftigten, sondern von Dritten ausgeht. 651 Nach § 12 III AGG ist auch die Inpflichtnahme bei diskriminierendem Verhalten anderer Arbeitnehmer nunmehr durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt. Im europ. Recht ist eine solche Unzumutbarkeitsgrenze insb. nach Art. 2 V RL 2000/78/EG („einzelstaatliche Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“) gedeckt (vgl. Bittner, Jura 2004, S. 39 (43 f.)). Vgl. a. § 7 II DiskE ArbVG, Henssler/Preis, NZA Beil. Heft 21/2007, S. 6 (8 f.). 652 Für eine Risikozurechnung bei fehlender Beherrschbarkeit wg. der Schutzpflicht (s. §§ 617 f. BGB, § 62 HGB): Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (541 ff.). 653 In diesen Konstellationen kommt dem Diskriminierungsschutz somit kein genereller Vorrang zu (vgl. grdl. Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 102; für den Bereich des Verfassungsrechts: Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8b; a. A. Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (285)). Zu
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chend den zur Druckkündigung anerkannten Grundsätzen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinem diskriminierten Arbeitnehmer nicht reichen.654 Folglich kann es hinsichtlich des Übermaßverbotes keinen Unterschied machen, ob der Arbeitgeber – dem bei einer fremdbestimmten Unterscheidung nach einem geschützten Merkmal eine zu missbilligende Diskriminierungsabsicht regelmäßig fernliegt – aufgrund des Drittverhaltens zu einer Abwehrmaßnahme gegenüber dem Diskriminierenden verpflichtet werden soll oder selbst zu einer (unausweichlichen) diskriminierenden Maßnahme angehalten wird. Daraus folgt, dass dann, wenn das Unternehmen diskriminierenden Kundenwünschen ausgesetzt ist, die Freiheit des Arbeitgebers, diskriminierende Maßnahmen zu treffen, um dem Nachfragewunsch nachzukommen, mit den Anforderungen der Garantenpflicht des § 12 Abs. 4 AGG ins Verhältnis zu setzen ist. Ergibt sich hierbei, dass der Verzicht auf eine diskriminierende Maßnahme für den Arbeitgeber unzumutbare Folgen nach sich zöge, wäre die Schutzpflicht gegenüber seinem Arbeitnehmer begrenzt und ein diskriminierendes Verhalten seinerseits nicht ausgeschlossen.655 Auch wenn in diesen Fällen die strengen Anforderungen der Ausnahmetatbestände nicht erfüllt sind, folgt aus den Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AGG, dass die Grundsätze unternehmerischer Freiheit durchweg Beachtung finden müssen.656 Die Freiheit besteht auch hier darin, in Ansehung der Marktabhängigkeit von Unternehmen besonderen (hier: diskriminierenden) Nachfragewünschen folgen zu können. In Fällen, in denen diskriminierendes Kundenverhalten eine Reaktion des Unternehmers erfordert, führt die Unzumutbarkeitsgrenze des § 12 Abs. 4 AGG über den Zumutbarkeitsgedanken zu dem Postulat, einen angemessenen Ausgleich zwischen beiden Schutzgütern herzustellen. In diesen Fällen darf nicht einseitig auf das Ziel der Diskriminierungsschutznorm abgestellt werden, sondern es bedarf einer Abwägung
den Grenzen des Gestaltungsauftrags des Gesetzgebers im Bereich der Privatautonomie vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 543. 654 Vgl. zur Druckkündigung etwa Insam, DB 2005, S. 2298 (2298 f.). Auch die einschneidendsten Arbeitgeberpflichten nach dem SGB IX werden nach § 81 III, IV 3 SGB IX beschränkt, wonach die Pflichten des Arbeitgebers ihre Grenze im Falle der Unzumutbarkeit finden (zu dieser Grenze s. BAG v. 14. 03. 2006 NZA 2006, S. 1214 (1216 f.); v. 19. 10. 2005 NZA 2006, S. 155 (159); vgl. im U.S.-Recht die Grenze „sigificant difficulty or expense“ in § 42 U.S.C. § 12 111 (10) (A)). 655 Ähnlich Schlachter, in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 3 f. 656 Da arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz die Freiheit des Unternehmers hier einschränkt, kann er nur in Ansehung dieser Grundsätze stattfinden, um so dem Rechts- und Gerechtigkeitsgrundsatz „audiatur et altera pars“ Geltung verschaffen zu können (Belling, NZA 2004, S. 885 (888)); ebenfalls geg. eine einseitige Berücksichtigung: Bryde, in: v. Münch/ Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 41). Grdl. Papier, DVBl 1984, S. 801 (813). Tendenziell abw. Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 656. Allg. auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum hinweisend: Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 22.
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mit den (nichtdiskriminierenden) unternehmerischen Interessen im Einzelfall.657 Denn bei den Auswirkungen des Diskriminierungsschutzes könnte es sich im Einzelfall um unzumutbare Eingriffe handeln.658 Bei einem solchen Befund ist dem dann übermäßig belasteten Unternehmer eine Ausnahme von der Verbotsregel zuzubilligen.659 Zusammenfassend erscheint es in Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens erforderlich, einen Weg zu finden, unternehmerische Freiheit und Diskriminierungsschutz derart einander zuzuordnen, dass keines der beiden jeweils anerkennenswerten Ziele übermäßig gefährdet wird. Der in § 12 Abs. 4 AGG installierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zeichnet dafür die Richtung vor, beide Interessen gegeneinander abzuwägen und einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. 3. Schonender Ausgleich als Lösungsansatz – Unzumutbarkeit als Belastungsgrenze In Fällen diskriminierenden Verhaltens Dritter lassen sich Verpflichtungen des Unternehmers aus Diskriminierungsschutzvorschriften ausweislich der in § 12 Abs. 4 AGG installierten Zumutbarkeitsgrenze nur rechtfertigen, soweit sie die wirtschaftliche Freiheit und das damit zusammenhängende wirtschaftliche Risiko angemessen berücksichtigen.660 Zur Bewältigung des Zielkonfliktes zwischen unzulässiger Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit einerseits und einer notwendigen Bekämpfung von Diskriminierungen andererseits bedarf es einer interessengerechten, ausbalancierten Lösung. Um dem Problem einer am Einzelfall orientierten Abwägung, die die im Privatrechtsverkehr erforderliche Rechtssicherheit tendenziell gefährdet, zu begegnen, soll nachfolgend eine Leitlinie erarbeitet werden, die eine Orientierungshilfe dafür bieten soll, inwieweit sich der Arbeitgeber durch den arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutz tatsächlich in seiner Entscheidungs-
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Vgl. a. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 41; Hoevels, NZA 2003, S. 701 (702); Thüsing, JZ 2006, S. 223 (227). Bemühungen des BAG um eine Konkordanz seien im KopftuchUrteil zumindest erkennbar (so die Einschätzung v. Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406)). M. a. W. resultiert das diesbezügliche Abwägungserfordernis aus der Verantwortung des Arbeitgebers für das Verhalten Dritter. 658 Zur Unverhältnismäßigkeit grds. zumutbarer Eingriffe: Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 579 ff. – gegen eine schematische Gleichbehandlung. 659 Eine weitergehende Handlungspflicht ergibt sich in diesen Fällen scheinbar daraus, dass es der Anti-Diskriminierungsgesetzgeber versäumt hat, eine eigene Sanktionsmöglichkeit gegen den diskriminierenden Dritten zu schaffen (zur Kritik hieran vgl. bereits o. unter § 5 B. III. 2. a) cc); s.a. Kamanabrou, ZfA 2007, S. 327 (342 f.); Lobinger, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 99 (145)). Dieses Versäumnis darf jedoch nicht mittels einer Ausweitung der Pflichtenstellung des Arbeitgebers ausgeglichen werden. 660 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 376. Generell geg. die Legitimierung einer Unterscheidung durch Marktüberlegungen: Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (467); vgl. a. die Kritik v. Hromadka, ZfA 2002, S. 383 (383)).
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freiheit beschränkt sieht und in denen er mit unzumutbaren Folgekosten der Diskriminierungsverbote belastet wird.661 Da die unternehmerische Freiheit nach zahlreichen Stimmen im Rahmen der durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägten Ausnahmetatbestände zu den einzelnen Diskriminierungsverboten zu berücksichtigen ist, ist an diesen Einbruchstellen jeweils eine grundrechtskonforme Auslegung in Betracht zu ziehen.662 Aufgrund des engen Wortlauts der Ausnahmetatbestände ist eine Lösung mithilfe einer ausladenden Interpretation indes versperrt.663 Deshalb bedarf es insoweit – wie gezeigt – der Heranziehung der in § 12 Abs. 4 AGG enthaltenen Übermaßschranke, d. h. der Grenze unzumutbarer Belastung durch Diskriminierungsschutzvorschriften. Um im Einzelfall – unter Bestimmung eines gebotenen Mindestschutzes des Arbeitnehmers vor Diskriminierungen und unter Einhaltung des materiellen Regel-AusnahmeVerhältnisses – zu einem vertretbaren, an ausgleichender Gerechtigkeit orientierten Ergebnis zu gelangen, muss eine Abwägung der betroffenen (Grund-)Rechtspositionen der Privatrechtssubjekte stattfinden, also der unternehmerischen Freiheit und dem Diskriminierungsschutz.664 Beide Positionen sind hierdurch zu einem verhältnismäßigen (= angemessenen) Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu bringen, d. h. nach dem Leitbild der praktischen Konkordanz zum schonendsten Ausgleich im Sinne der Herstellung „optimaler Verhältnismäßigkeit“.665 Die kollidierenden Interessen sind dabei in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass die Beteiligten jeweils keinen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt werden666 Zunächst ist es hierbei Sache des Gesetzgebers, im Rahmen seiner wirtschaftspolitischen Rechtssetzung einen Interessenausgleich zwischen den Parteien herbeizuführen, wobei er wirtschaftslenkende Maßnahmen, die die Freiheitssphäre Einzelner (auch: mächtiger Wirtschaftunternehmen) beschneiden, an den im Einzelfall ein661 Zur Problematik der Gefährdung der Rechtssicherheit durch Einzelfallabwägung vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 10, Rn. 103. Für einen im Grds. ähnlichen Lösungsansatz: Kuras, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 11 (21), der diesbezüglich jedoch den Gesetzgeber in der Pflicht sieht. 662 Vgl. Rittstieg, in: AK-GG, Art. 12 GG, Rn. 72; Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 5c, e. 663 Siehe bereits o. unter § 7 B. II. 4. b). 664 Zu diesem Abwägungserfordernis vgl. nur BVerfG v. 18. 12. 1968 BVerfGE 25, S. 1 (12); Buchner, in: MünchHdbAR, § 39, Rn. 20 ff.; Fischer, in: FS Leinemann (2006), S. 19 (33). Krit. zur Beliebigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung: Möllers, NJW 2005, S. 1973 (1973); demgegenüber Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8b. 665 So das BVerfG im Anschluss an Hesse (Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 317 ff.) seit seiner Leitentscheidung v. 15. 01. 1958 BVerfGE 7, S. 198 (204 ff.); s. a. BVerfG v. 18. 07. 2005 NJW 2005, S. 2289 (2291); v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959). Zur Kritik an den Interpretationsmethoden s. Stern, Staatsrecht III/1, § 75 IV 5e; III/2, § 82 III 3 c). Zu weitgehend Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Geltungsmacht, 2004, S. 112 ff., 126. 666 BVerfG v. 21. 06. 2006 NZA 2006, S. 913 (913). Allg. zur Anerkennung des Prinzips im Arbeitsrecht: BAG v. 23. 09. 2004 NZA 2005, S. 359 (362); v. 20. 12. 1984 NJW 1986, S. 85 (86). Verfehlt der Gesetzgeber diesen Maßstab, ist die Ausgestaltung verfassungswidrig (Epping, Grundrechte, Rn. 543).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
schlägigen Rechten zu messen hat.667 Der grundrechtseinschränkende Gesetzgeber ist so zum Schutz individueller Freiheit einem Begründungs- und Rechtfertigungszwang unterworfen.668 Das Problem der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den hier betroffenen gegenläufigen Prinzipien verschiebt sich durch den weiten Prognosespielraum des Gesetzgebers, der in seinen Regelungen Auslegungsspielräume belässt, um billige Lösungen zu ermöglichen, auf die Rechtsanwendungsebene.669 Dort hat auch der Richter bei der ihm obliegenden Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts (grund-)rechtliche Freiheitsverbürgungen als verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten und die entgegenstehenden Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.670 Das Problem eines angemessenen Ausgleichs zwischen dem Schutz unternehmerischer Freiheit und arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverboten ist dabei auf verschiedenen Rechtsebenen angesiedelt. Grundlegend findet man den Widerstreit in der Auseinandersetzung abstrakter Rechtsprinzipien angelegt, wie dem intraprinzipiellen Streit zwischen Freiheit und Gerechtigkeit671 oder dem Konflikt von Rechtsund Sozialstaat.672 Indes handelt es sich auch in diesen Bereichen nicht um reine Ge-
667 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 III, Rn. 376 (s. a. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (1999), GG I, Art. 3 III, Rn. 347 – speziell zu Verpflichtungen der Privatrechtssubjekte auf die Differenzierungsverbote); dagegen eindringlich für eine ausnahmslose Einzelfallbetrachtung bei Beschränkungen unternehmerischer Freiheit: Dieterich, AuR 2007, S. 65 (67 ff.). 668 Stern, Staatsrecht III/2, § 82 I 4, § 82 II 2d, § 84 II 4b. Häufig ist es daher das „einfache“ Gesetz, das den Grundrechtskollisionen vorbeugt und mögliche Kollisionsfälle präventiv schlichtet (Stern, Staatsrecht III/2, § 82 I 4, II 2d). Gerade unter diesem Leitgedanken ist die Privatrechtsordnung auszugestalten (so die Forderung v. Podlech, in: AK-GG, Art. 2 I, Rn. 59e). Die Verfassung markiert nämlich nur den gebotenen Mindestschutz und die maximal zulässige Freiheitsbeschränkung (Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 GG, Rn. 220 f.). Ähnlich in Bezug auf die Ausgestaltung unternehmerischer Vertragsfreiheit: Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406). 669 In diese Richtung Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 108. 670 LRH, Art. 2 GG, Rn. 23, 376. Mit der Figur der „praktischen Konkordanz“ sind die Entscheidungsmaßstäbe nicht unwesentlich auf Faktoren eines richterlichen Dezisionismus gegründet (so Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 2 g). 671 Dazu einerseits Kramer, Die Krise des liberalen Vertragsdenkens, 1974; Medicus, Abschied von der Privatautonomie im Schuldrecht? Erscheinungsformen, Gefahren, Abhilfen, 1994. Andererseits Schiek, Differenzierte Gerechtigkeit: Diskriminierungsschutz und Vertragsrecht, 2000. Die abstrakten Prinzipien entspringen beide dem Rechtsstaatsprinzip (s. schon BVerfG v. 17. 08. 1956 BVerfGE 5, S. 85 (205 f.)). 672 Ein Antagonismus zwischen beiden Rechtsprinzipien besteht aber nur, wenn man die dem Rechtsstaatsprinzip zugeordnete individuelle Freiheit aus dem sozialen Kontext löst und die Gleichheitsidee, die durch das Sozialstaatsprinzip konkretisiert wird, zum Selbstzweck erhebt (so Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG, Kap. VIII, Rn. 36). Grds. besteht dann ein Gegensatz von liberalem Freiheitsprinzip und (sozialem) Gleichheitsprinzip (vgl. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 20, Rn. 34; aber a. Schiek, in: AK-GG, Art. 20 I-III, Kap. V, Rn. 64). Zum gleichen Problem im europ. Recht s. Bleckmann, Staatsrecht II, § 3, Rn. 59.
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gensätze;673 vielmehr folgt im Ergebnis auch hieraus, dass unterschiedliche Blickpunkte zu einem harmonischen Gesamtbild zusammengefügt werden müssen.674 Überdies bilden diese prinzipiellen Gesichtspunkte nur den äußersten Rahmen für eine Ausgleichslösung,675 so dass bei der Suche nach der Grenze der Einschränkbarkeit von unternehmerischer Freiheit allein mit verfassungsrechtlichen Globalprinzipien kaum argumentiert werden kann.676 Das Problem ist daher im Bereich grundrechtlicher und vor allem einfachgesetzlicher Normen zu behandeln, da sich dort stärker richtungsweisende und damit für einen praktikablen Lösungsansatz verwertbare Schlüsse ergeben.677 Der Lösungsweg über § 12 Abs. 4 AGG ist insoweit vorzugswürdig, weil er versucht, den Konflikt auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts zu lösen. Jeweils muss es aber im Grunde um den Versuch gehen, Freiheit zu wahren und zu sichern, ohne Gleichheit zu vernachlässigen, so dass ein Ergebnis gefunden werden kann, das sowohl unternehmerischer Freiheit als auch Diskriminierungsschutz Rechnung trägt.678
673 Die Freiheit des Rechtsstaates war nie absolut, sondern fand ihre Grenzen in der Gemeinschaftsgebundenheit des Einzelnen; die Anerkennung der Freiheit und Würde der einzelnen menschlichen Person schließt folgerichtig in sich, dass sie in jedem Menschen gleichermaßen respektiert werden müssen (Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 2a, b) – gemeint ist „Gleichheit in Freiheit“ und nicht „Gleichheit statt Freiheit“ (Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 158 ff.). Auch der Sozialstaat will nicht Gleichheit ohne Freiheit (BVerfG v. 18. 07. 1972 BVerfGE 33, S. 303 (329 ff.)). Insofern wird die angenommene Antithese liberaler und sozialer Rechtsstaat zur Synthese (Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdbVerfR, § 17, Rn. 169). 674 Übergeordnet geht es hier um die Frage nach der jew. Präferenz einer sozialgestaltenden oder einer eher liberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die dazu führt, den Freiheits- und Gleichheitsrechten jew. engere oder weitere Grenzen zu ziehen (zu einer grdl. Einordnung der verfassungstheoretischen Konzeptionen: Stern, Staatsrecht III/1, § 66 I 2, II 2, 2b; daneben Siekmann/Duttke, Grundrechte, Rn. 574; zusammenfassend Rittstieg, in: AK-GG, Art. 12 GG, Rn. 42, m. w. N.; s. a. Haselbach, Autoritärer Liberalismus und Soziale Marktwirtschaft, 1991, S. 84 ff.). Die Gestaltungsvarianten haben jedoch immer die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Wesentlichkeitsgarantie zu wahren (Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG, Kap. VIII, Rn. 41; für einen ökonomischen Mittelweg (i. S. d. „Ordoliberalismus“) Erhard, Deutsche Wirtschaftspolitik. Der Weg der sozialen Marktwirtschaft, 1962, S. 1 ff.; Hahn, Marktwirtschaft und Sozialromantik, 1993, S. 121 ff.; vgl. a. Becker, Die soziale Frage im Neoliberalismus, 1965, S. 124 ff., 223 ff., 278 ff.). 675 Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 71 ff.; s. insoweit auch die Warnung v. Reichold (in: JZ 2004, S. 384 (384 f.) vor einem „Sozialprivatrecht“. 676 Vgl. Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 16; Walker, ZfA 2004, S. 501 (511 f.). Sie entbehren für die Bewertung des Einzelfalls subsumtionsfähiger konkreter Anhaltspunkte. Dies entspricht der gegen eine Verstaatlichung des Privatrechts gerichteten Forderung, die Verfassung wegen ihres fragmentarischen und prinzipienhaften Charakters „lediglich“ als Rahmenordnung zu qualifizieren, die dem Gesetzgeber Spielraum in der Ausfüllung gewähre (vgl. Stern, in: FS Wiedemann (2002), S. 133 (143)). Anders Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Geltungsmacht, 2004, S. 112 ff. 677 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 60. Für eine Auflösung des Konflikts auf der Ebene von Grundrechtskollisionen: Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 IV 2b. 678 Vgl. hierzu die Beschreibung der Positionen durch Picker, JZ 2003, S. 540 (540).
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a) Schonender Ausgleich auf der Ebene des deutschen Verfassungsrechts Soweit der Diskriminierungsschutz verfassungsrechtlich normiert ist, handelt es sich bei der Kollision von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsverboten um einen – für das Arbeitsrecht typischen – Fall der Grundrechtskollision.679 Das Mittel der Konfliktlösung soll nach überkommener Meinung die situationsabhängige Abwägung der kollidierenden Verfassungsgüter mit dem Ziel der Herstellung eines angemessenen Ausgleichs bzw. praktischer Konkordanz sein.680 Die fallbezogenen Grundrechtsabwägungen zwischen den verschiedenen betroffenen Grundrechtsträgern müssen dabei dem nunmehr auch einfachgesetzlich installierten Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen.681 Nach allgemeiner Ansicht sind dabei auch die schrankenlos gewährten Rechte aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG einem angemessenen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechten zuzuführen.682 Erforderlich wird demnach eine Abwägung der Diskriminierungsschutznormen mit den jeweils betroffenen Interessen des Arbeitgebers.683 Bei dem zu schaffenden sachgerechten Ausgleich zwischen den zumindest hier gegenläufigen Interessen beider Parteien, die als rechtlich gleichgeordnete Rechtssubjekte jeweils Grundrechte für sich in Anspruch nehmen können, ist besonders die Wechselwirkung zwischen berufsregelnden Vorschriften betreffend die unternehmerische Freiheit und solchen betreffend die unselbständigen Arbeitnehmer zu beachten.684 Über den Ausgleich von Rechtspositionen kann allgemein gesagt 679
Vgl. hierzu insb. BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959). Zu den hierzu entwickelten Lösungsversuchen s. Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 23 f. Bisweilen wird die Lösung von Grundrechtskonflikten in der Behauptung einer Rangordnung der Grundrechte gesehen (vgl. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 2e). Prinzipiell haben jedoch die Grundrechtsnormen als Teil der Verfassung gleichen Rang, sodass die „Einheit der Verfassung“ Normabstufungen nicht zulässt (der Grds. „Lex superior derogat legi inferiori“ gilt nur zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht). Schließlich hilft der Gedanke einer Rangordnung auch in den Fällen nicht weiter, in denen eine Kollision vorliegt, bei der mehrere Grundrechtsträger sich gegeneinander auf dasselbe Grundrecht (hier v. a. Art. 12 I GG) berufen (v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG I, Vorb. Art. 1 – 19, Rn. 46). Dies schließt jedoch nicht aus, dass i. R. der Güterabwägung eine unterschiedliche Bewertung der jeweils kollidierenden Verfassungsrechtsgüter möglich ist (Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 2e, f). 680 Vgl. BVerfG v. 18. 07. 2005 NJW 2005, S. 2289 (2291); v. 24. 02. 1971 BVerfGE 30, S. 227 (243); LAG Hamm v. 18. 01. 2002 NZA 2002, S. 675 (677); Baer, ZRP 2002, S. 290 (291). 681 BVerfG v. 20. 03. 2001 BVerfGE 103, S. 172 (183); Lerche, in: HdbStR V, § 122, Rn. 3 ff. So bezogen auf den ersten ADG-Entwurf auch Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (468); s. a. Britz, VVDStRL 64 (2005), S. 355 (373). 682 So etwa Sachs, in: HdbStR V, § 126, Rn. 129. Grdl. BVerfG v. 24. 02. 1971 BVerfGE 30, S. 173 (193). 683 Vgl. Lobinger, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 99 (117). Grdl. Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 7 III, S. 25 ff. Speziell zur Reichweite des Fragerechts des Arbeitgebers: Mankowski, JZ 2004, S. 121 (121, 126 f.). 684 Denn der Freiheit von Beruf und Arbeit eines abhängig Beschäftigten steht auf der anderen Seite die Freiheit der unternehmerischen Berufsausübung gegenüber, so dass der Gesetzgeber beiden konkurrierenden Grundrechtspositionen ausgewogen Rechnung tragen
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werden, dass die Breite und Intensität der jeweils umstrittenen Freiheitsbeschränkung (Eingriffsintensität) und damit die Wirkung eines Eingriffs in eine Rechtsposition eingehend analysiert und als maßgebliche Abwägungsaspekte berücksichtigt und gewichtet werden müssen.685 Lässt sich kein Ausgleich erreichen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat.686 Aber auch die einfachgesetzlichen Diskriminierungsverbote müssen sich an Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen687 – entweder hinsichtlich ihrer eigenen Vereinbarkeit mit der deutschen Verfassung oder aber im Rahmen ihrer Anwendung und der Auslegung der in ihnen enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln. Insofern stellt das in § 12 Abs. 4 AGG niedergelegte Verhältnismäßigkeitsprinzip das gesetzgeberische Instrument zur Herstellung eines Ausgleichs zwischen arbeitnehmerischem Schutzbedürfnis und unternehmerischer Autonomie dar. b) Schonender Ausgleich auch zwischen dem Schutzgut der unternehmerischen Freiheit und europäischem (Anti-Diskriminierungs-)Recht Sofern Diskriminierungsverbote vom europäischen Recht für den Einzelnen verbindlich normiert oder durch nationales Recht umgesetzt werden, stellt sich das Problem, dass aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts eine Kontrolle und Anwendung am Maßstab deutscher Grundrechte (des Art. 12 Abs. 1 GG) grundsätzlich nicht stattfindet. Fraglich ist daher, inwieweit solche Verbote überhaupt auf den Schutz des Unternehmers Rücksicht nehmen (müssen). aa) Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit durch europäische Normen Unter § 5 wurde festgestellt, dass europäisches Anti-Diskriminierungsrecht die unternehmerische Freiheit mindestens ebenso einschränkt, wie dies durch vergleichbare nationale Regelungen geschieht.
muss (vgl. BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959); v. 07. 02. 1990 BVerfGE 81, S. 242 (255); BAG GS v. 27. 09. 1994 AP Nr. 103 zu § 611 BGB (Haftung des Arbeitnehmers) (m. Anm. Schlachter). 685 Vgl. BVerfG v. 06. 03. 2002 BVerfGE 105, S. 73 (110 f.); v. 01. 03. 1979 BVerfGE 50, 290 (365); v. 11. 06. 1958 BVerfGE 7, S. 377 (402). 686 BVerfG v. 05. 06. 1973 BVerfGE 35, S. 202 (238 ff.); vgl. auch LAG Hamm v. 18. 01. 2002 NZA 2002, S. 675 (677); Stern, Staatsrecht I, § 4 III 8b; III/2, § 82 II 2 f, g. 687 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 3; Pfeiffer, in: KR (2004), Vor §§ 611a ff. BGB, Rn. 14; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 5e. Dies gilt auch, soweit sie europ. Vorgaben umsetzen (vgl. dazu u. unter § 7 B. III. 3. b)).
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
bb) Verstärkung der Beschränkungswirkung durch die EuGH-Rechtsprechung Diese Wirkung wird verstärkt durch die Rechtsprechung des EuGH, die insgesamt dahin tendiert, das europäische Anti-Diskriminierungsrecht auszuweiten, teils durch die Schaffung von Richterrecht, teils durch die weite (arbeitnehmerfreundliche) Auslegung europäischer Anti-Diskriminierungsvorschriften.688 Dabei zeichnet der EuGH die äußersten Grenzen des Diskriminierungsschutzes nur unzureichend und vernachlässigt eine Berücksichtigung gegenläufiger Prinzipien, insbesondere den von ihm dem Grundsatz nach anerkannten Schutz unternehmerischer Handlungsfreiheit.689 Der wesentliche Grundrechtsgehalt der Berufsfreiheit in Gestalt eines Kernbereichs unternehmerischer Freiheit wird vom Gerichtshof weder klar herausgestellt noch konkret als absolute Grenze für europäisches Diskriminierungsschutzrecht benannt. Allgemein besteht eine Schwierigkeit bei der Behandlung von Grundrechtsbegrenzungen im Recht der Gemeinschaft darin, dass der EuGH oft nur unzureichend zwischen der Bestimmung von Schutzbereich und Schranken (insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) unterscheidet und seine Entscheidungen generell nur sehr spärlich begründet, so dass die tragenden Erwägungen nicht immer erkennbar werden.690 cc) Einfluss der unternehmerischen Freiheit auf europäisches Anti-Diskriminierungsrecht – fehlende Ausgleichswirkung des Art. 12 Abs. 1 GG Für den angemessenen Schutz unternehmerischer Betätigungsfreiheit wäre der EuGH aufgerufen, Art. 12 Abs. 1 GG bzw. vergleichbare (europäische) Freiheitsgrundsätze als taugliche Grenzen des Diskriminierungsschutzes anzuerkennen. (1) Allgemein: Berücksichtigung deutscher Grundrechte im europäischen Recht – Vorrang von europäischen Bestimmungen vor den Grundrechten Nach der Rechtsprechung des EuGH, dem die Auslegung des Gemeinschaftsrechts allein zugewiesen ist,691 hat das eigenständige (supranationale) Europäische Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedstaaten höheren Rang als alles staatliche Recht
688 Vgl. stellv. Hergenröder, Anm. zum Draehmpaehl-Urteil des EuGH v. 22. 04. 1997 (JZ 1997, S. 1174 (1175)). 689 In diese Richtung auch Rengeling, DVBl 2004, S. 453 (456). 690 Näher dazu u. unter § 7 D. II. 4. a). s. a. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 II 9a. 691 Zu diesem Auslegungsmonopol vgl. Art. 234 EG; BVerfG v. 08. 04. 1987 BVerfGE 75, S. 223 (234); BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1165)). Die Auslegungsentscheidung des EuGH bindet grds. auch die nationalen Gerichte, also auch das BVerfG (Scholz, in: Maunz/ Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 74, Art. 23 GG, Rn. 24 f.).
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einschließlich der Verfassung.692 Nach seinem Verständnis ist die Ausübung von Hoheitsrechten der Gemeinschaft durch Verfassungsbestimmungen der Mitgliedstaaten in keiner Weise beschränkt.693 Jedenfalls soweit unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht betroffen ist, werden die Grundrechte des Grundgesetzes durch Gemeinschaftsrechtsnormen zumindest ihrer Anwendbarkeit beraubt (Anwendungsvorrang).694 Das Gemeinschaftsrecht greift demnach unmittelbar gestaltend in die Rechtsordnungen ein und stellt einen Rechtskörper dar, der für die Mitgliedstaaten sowie deren Bürger verbindlich und auch von den innerstaatlichen Gerichten (auch im Kollisionsfall) anzuwenden ist.695 Grundlegend hierfür sind in Deutschland die Integrationsbestimmungen aus Art. 23 Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 1 GG, durch die die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt wird, Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen, insbesondere die Europäische Union zu übertragen; hierdurch wird die deutsche Rechtsordnung für die unmittelbare Geltung und Anwendbarkeit des supranationalen Rechts, welches das deutsche Recht insoweit verdrängen kann, geöffnet.696 Die Ermächtigung erstreckt sich dabei auch auf die mehr oder weniger weitgehende Freistellung von grundrechtlichen Bindungen.697 Begrenzt wird die Integrationsermächtigung gem. Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG durch die sog. verfassungsrechtliche Struktursicherungsklausel (Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG), derzufolge die Europäische Union „demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet“.698 Der Verweis auf Art. 79 Abs. 2, 3 GG in Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG nennt ebenfalls materiell-rechtliche Schranken, die kein Rechtsakt i. S. d. Art. 23 Abs. 1 GG überschreiten
692 EuGH v. 15. 07. 1964 EuGH Slg. 1964, S. 1251 (1269 f.) (Costa./ENEL); fortgeführt durch EuGH v. 11. 01. 2000 EuGH Slg. 2000, S. I-69 (95 ff.) (Kreil); für die Frage nach dem Vorrang von Bestimmungen des EG-Rechts vor dem GG und seinen Grundrechten vgl. auch BVerfG v. 09. 06. 1971 BVerfGE 31, S. 145 (173 f.). 693 EuGH v. 17. 12. 1970 EuGH Slg. 1970, S. 1125 (1135) (Internationale Handelsgesellschaft); daher krit. Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (5)). 694 Vgl. EuGH v. 20. 10. 1993 EuGH S1 g. 1993, S. 5135 (5202) (Spotte); v. 13. 07. 1989 EuGH Slg. 1989, S. 2743 (2757) (Rinner-Kühn); BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (1000); v. 28. 01. 1992 BVerfGE 85, S. 191 (204); BAG v. 20. 09. 1995 AP Nr. 4 zu § 57 b HRG; v. 09. 10. 1991 AP Nr. 95 zu § 1 LohnFG; vgl. a. Art. 10, 234 und 249 EG. 695 EuGH v. 15. 07. 1964 EuGH Slg. 1964, S. 1251 (1269 f.) (Costa./ENEL); vgl. a. Wißmann, in: ErfK, Vorb. EG, Rn. 1, 20. Abl. ggü. einem absoluten, uneingeschränkter Vorrang des Gemeinschaftsrechts: Huep, RdA 2001, S. 325 (327) (Fn. 34); Störmer, AöR 123 (1998), S. 541 (546)). 696 Zu den Integrationsermächtigungen vgl. v. a. das G. zur Änderung des GG vom 21. 12. 1992 (BGBl. I, S. 2086; BGBL. II, S. 1251, 1253, 1947); BVerfG v. 12. 10. 1993 BVerfGE 89, S. 155 (183); s. auch BVerfG v. 23. 06. 1981 BVerfGE 58, S. 1 (27 f.). 697 BVerfG v. 23. 06. 1981 BVerfGE 58, S. 1 (29, 40 f.); v. 25. 10. 1967 BVerfGE 22, S. 293 (297 f.). Vgl. a. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art.2 I GG, Rn. 83. 698 Vgl. hierzu insb. BVerfG v. 07. 06. 2000 BVerfGE 102, 147 (163 f.); v. 08. 04. 1987 BVerfGE 75, S. 223 (234 ff.); v. 22. 10. 1986 BVerfGE 73, S. 339 (376).
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darf.699 Vor allem durch die Rechtsprechung des EuGH ist inzwischen ein breiter Katalog grundrechtlicher Gewährleistungen mit unmittelbarem Geltungsanspruch auch für das Gemeinschaftsrecht entstanden, der, wie die Rechtsprechung des BVerfG inzwischen ausdrücklich bestätigt hat, dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im wesentlichen vergleichbar ist, also auch aus Sicht des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG genügt.700 Dass sich zwischen dem Standard der nationalen Grundrechtsgewährleistungen und dem Standard jener gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsgarantien im Einzelfall noch Unterschiede und gegebenenfalls auch konkrete Defizite ergeben (können), ist dabei unbestritten.701 Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG fordert von der EU indes keinen mit dem Grundgesetz identischen, sondern lediglich einen „im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz“.702 Soweit sich daneben konkrete Schutzlücken im Grundrechtsstandard ergeben, muss diese die Rechtsprechung des BVerfG über das von ihr entwickelte „Kooperationsverhältnis“ zwischen eigener (subsidiärer) Gerichtsbarkeit und der des EuGH schließen.703 Im Maastricht-Urteil hat das BVerfG bestätigt, dass es auch künftig die Grundrechtssicherung im Einzelfall dem EuGH überlassen und sich auf die Forderung nach einer generellen Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsstandards beschränken werde.704 In der Bananenmarkt-Entscheidung hat das Gericht klargestellt, dass es sich das Eingreifen nur und erst für den (theoretischen) Fall vorbehält, dass europäischer Grundrechtsschutz generell nicht mehr gewährleistet ist (Eventualvorbehalt).705 Folglich hat das europäische Anti-Diskriminierungsrecht auch für deutsche Gerichte Vorrang vor nationalem (Verfassungs-)Recht.706 Probleme stellen sich in solchen Fällen, in denen der Wesensgehalt 699 Hierzu gehören u. a. der Schutz der Grundprinzipien der Rechts- und Sozialstaatlichkeit, der individuellen Freiheit und der Menschenrechte, ausf. Streinz, in: HdbStR VII, § 182, Rn. 34 ff. Weitergehend zunächst das BVerfG, das als Grenze allg. den „Grundrechtsteil“ benennt, vgl. BVerfG v. 29. 05. 1974 BVerfGE 37, S. 271 (280). Verengung der Grenze in „Eurocontrol I“ (BVerfG v. 23. 06. 1981 BVerfGE 58, S. 1 (40): die Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil des GG zu Grunde liegen) und „Solange II“ (BVerfG v. 22. 10. 1986 BVerfGE 73, S. 339 (376, 387): „Wesensgehalt“). Ähnlich Randelzhofer (in: Maunz/Dürig, Art. 24 I GG, Rn. 76, 90, 95), der sich insoweit an Art. 19 II GG bzw. „Art. 79 III + X“ orientiert. 700 Vgl. bereits o. unter § 3 C. II. 5. Grdl. EuGH v. 14. 05. 1974 EuGH Slg. 1974, S. 491 (507) (Nold); näher hierzu BVerfG v. 18. 07. 2005 NJW 2005, S. 2289 (2291); v. 07. 06. 2000 BVerfGE 102, S. 147 (163 f.) (Bananenmarktordnung); BVerfG v. 22. 10. 1986 BVerfGE 73, S. 339 (378). Krit. Zachert, NZA 2001, S. 1041 (1042). 701 So etwa Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 79 III 3c. 702 Vgl. BVerfG v. 22. 10. 1986 BVerfGE 73, S. 339 (376). 703 Näher zum Inhalt dieses Kooperationsverhältnisses insb. BVerfG v. 29. 05. 1974 BVerfGE 37, S. 271 (284 f.) (Solange I-Entscheidung); v. 22. 10. 1986 BVerfGE 73, S. 339 (376, 387) (Solange II-Entscheidung); Massing, NJW 2006, S. 264 (264 f.). 704 BVerfG v. 12. 10. 1993 BVerfGE 89, S. 155 (175, 178, 188) (Maastricht). 705 BVerfG v. 07. 06. 2000 BVerfGE 102, 147 (164) (Bananenmarktordnung); vgl. Bauer/ Arnold, NJW 2006, S. 6 (10). Dieser Nachweis werde jedoch praktisch nicht zu führen sein. Es handele sich um eine bloße „Drohgebärde“ (Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 94; ähnlich Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 I GG, Rn. 78, 159). 706 Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III GG, Rn. 24; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 3 II GG, Rn. 77.
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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der (nationalen) Grundrechte durch einen Akt der Gemeinschaftsgewalt berührt wird.707 In solchen Fällen muss die grundrechtliche Kontrollkompetenz des BVerfG nach einer gewichtigen und zustimmungswürdigen Mindermeinung im Kern bestehen bleiben.708 Dies ist in vorliegendem Zusammenhang gerade für solche Fälle bedeutsam, in denen unmittelbar anwendbare Diskriminierungsverbote des Gemeinschaftsrechts die unternehmerische Freiheit in ihrem Wesenskern betreffen. Im Falle der nationalen Umsetzung von Anti-Diskriminierungsrichtlinien sind der nationale Gesetzgeber (vollzugsmäßig) wie auch die nationalen Gerichte beteiligt, weshalb diese im Rahmen ihrer Umsetzungen oder Anwendungen an das nationale Verfassungsrecht gebunden sind (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG).709 Folgerichtig ergibt sich dort eine Konkurrenzzuständigkeit des BVerfG und dementsprechend die verfassungsrechtliche Überprüfbarkeit der Diskriminierungsverbote.710 (2) Konkret: Schutzwirkung des Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber europäischen Anti-Diskriminierungsvorgaben Inwieweit die in Art. 12 Abs. 1 GG enthaltene Berufsfreiheit auch Schutz gegen Rechtsakte des europäischen Rechts bietet, ist kein spezielles Problem dieses Grundrechts, sondern hängt von der allgemeinen Frage der Geltung nationaler Grundrechte gegenüber europäischem Gemeinschaftsrecht ab.711 Insoweit muss auch diesbezüglich eine Begrenzungswirkung im Hinblick auf Eingriffe in den Kernbereich unternehmerischer Freiheit anerkannt werden, sofern es sich um mangelhaften Schutz unternehmerischer Betätigungsfreiheit handelt. Auch wenn ein „Kontrolldefizit“ auf europäischer Ebene gegenüber dem Grundrechtsschutz in Deutschland insgesamt kaum feststellbar ist, schließt dies ein Eingreifen des BVerfG in Einzelfällen für die Zukunft im Rahmen des Kooperationsverhältnisses nicht aus, wenn die Berufs707
Vgl. Art. 23 I 3 GG; s. a. BVerfG v. 12. 10. 1993 BVerfGE 89, S. 155 (175, 188); Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 I GG, Rn. 70, 100, 102. Vorsichtig Wegener, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 220 EGV, Rn. 30. Mit seinem Honeywell-Beschluss hat das BVerfG zuletzt klargestellt, dass eine Ultra-vires-Kontrolle des Handelns europäischer Organe durch das BVerfG europarechtsfreundlich ausgeübt werden muss und daher auf hinreichend qualifizierte Kompetenzverstöße beschränkt ist; dies sei dann der Fall, wenn das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffenen Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zu Lasten der Mitgliedstaaten führt (BVerfG v. 06. 07. 2010 NZA 2010, S. 995 (1001)). 708 Benannt wird der Wesensgehalt insoweit als absolute Grenze. Vgl. Scholz, in: Maunz/ Dürig, Art. 23 GG, Rn. 24; in diese Richtung a. Stern, Staatsrecht III/1, § 75 I 5d; vgl. a. Hilf/ Hörmann, NJW 2003, S. 1 (2); Zachert, NZA 2000, S. 621 (625). 709 Vgl. Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 93; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 I GG, Rn. 131, 135 ff.; Streinz, in: HdbStR VII, § 182, Rn. 31; Kokott, RdA 2006, Sonderbeil. Heft 6, S. 30 (30); ähnlich Kreft, RdA 2006, Beil. Heft 6, S. 38 (39 f.). Vgl. a. EuGH v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (409) (Nikoloudi). 710 Vgl. Pfeiffer, in: KR (2004), Vor §§ 611a, 612a, 613a BGB, Rn. 14; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 I GG, Rn. 161; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 25. Ähnlich Körner, NZA 2001, S. 1046 (1053 f.); Störmer, AöR 123 (1998), S. 541 (547). 711 Vgl. Dieterich, in: ErfK, Art. 3 GG, Rn. 86, 89 ff.
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freiheit durch Akte des europäischen Rechts unzumutbar beschränkt wird.712 Mithin können trotz des Vorrangs des allgemeinen Gemeinschaftsrechts die Kernbereiche der unternehmerischen Freiheit nicht völlig ausgeblendet werden. dd) Notwendiger Ausgleich auf europäischer Ebene Trotz allem bleibt der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes gegenüber Gemeinschaftsrechtsakten bestenfalls äußerst eingeschränkt, so dass sich die Frage stellt, inwieweit der unternehmerischen Freiheit in Zukunft bereits auf der Ebene des Gemeinschaftsrecht Rechnung zu tragen ist. (1) Problem: Mangelhafter, ineffektiver Schutz der unternehmerischen Freiheit auf europäischer Ebene Bereits oben wurde angedeutet, dass der EuGH im Hinblick auf das Verhältnis von Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit tendenziell eine Linie zu Lasten unternehmerischer Berufsfreiheit vertritt. Das Problem hängt mit der Frage zusammen, inwieweit die Grundrechte des Gemeinschaftsrechts gegenüber Maßnahmen der Mitgliedstaaten anwendbar sind.713 Da das Gemeinschaftsrecht innerhalb des Primärrechts keine Normenhierarchie kennt, haben Grundrechte wie die Berufsfreiheit jedenfalls keinen Vorrang vor sonstigem (etwa diskriminierungsschützendem) Primärrecht.714 Für das vorliegende Problem ist jedoch entscheidend, inwieweit das Europarecht auch solche Rechtsprinzipien – namentlich die Berufsfreiheit der Unternehmer – berücksichtigt. Neben dem generellen Problem unbestimmter Einschränkungsregeln für europäische Grundrechte715 kommt insoweit in der Regel zu wenig zum Tragen, dass sich der Grundrechtsschutz auch auf den Unternehmer als Arbeitgeber bezieht; der grundrechtliche Schutz wird vielmehr oft zu einseitig als Arbeitnehmerschutz verstanden.716 Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, dass der ge712 Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 12 I, Rn. 35. Ähnlich Deinert, AuR 2007, S. 424 (425); Konzen, ZfA 2005, S. 189 (209); a. A. Thüsing, ZfA 2006, S. 241 (242). 713 Zum Zusammenspiel der europ. Grundrechte mit den europ. Sozialrechten vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 3, Rn. 59; allg. Stürmer, NZA 2001, S. 526 (527 f.). 714 So Wißmann, in: ErfK, Vorb. EG, Rn. 5, 7. Umgekehrt erkennt der EuGH keinen allg. Vorbehalt ggü. dem Grds. der Gleichbehandlung von Männern und Frauen an (vgl. EuGH v. 26. 10. 1999 NZA 2000, S. 25 (26) (Sirdar)). Gerade im Gemeinschaftsrecht wird das Europarecht in Ansehung seiner den Diskriminierungsschutz vorantreibenden Wirkung (speziell die dort aufgestellten Diskriminierungsverbote) als Quelle der Verbesserung von individuellen Freiheitsräumen und Grundrechtsschutz betrachtet (vgl. Bryde, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 5 (5 f., 9 f.); Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 12 („radikale Durchsetzung“). 715 Siehe hierzu bereits o. unter § 6 A. Vgl. zum Art. II-112 EVerfE Alber/Widmaier, EuGRZ 2006, S. 113 (113 ff.). 716 So a. die Feststellungen von Bryde, RdA 2003, Sonderbeil. Heft 5, S. 5 (6); Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1149) („strukturelle Eindimensionalität des Gemeinschaftsrechts“). Zu manchem mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip kaum zu vereinbarenden Ergebnis kann der EuGH nur kommen, weil er die Beeinträchtigung des Arbeitgebers nicht einmal als Abwägungsbelang
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meinschaftsfreundliche EuGH den arbeitnehmerschützenden Zielen europäischer (Anti-Diskriminierungs-)Normen ein denkbar hohes Gewicht beimisst. Er greift in noch stärkerem Maße als z. B. die deutsche Rechtsprechung auf teleologische Gesichtspunkte zurück – notfalls unter Außerachtlassung von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte gemeinschaftlicher Vorschriften – und scheint im Rahmen seines lakonisch-apodiktischen Urteilsstils, der häufig zu einem notorischen Begründungsdefizit führt, die praktische Wirksamkeit und Effektivität insbesondere der Richtlinien im Sinne von Ergebnispflichten allen anderen Erwägungen voranzustellen.717 Hierfür bedient er sich besonders der Lehre vom „effet utile“, nach der Gemeinschaftsrecht so auszulegen ist, dass es möglichst große Wirksamkeit entfaltet.718 Im Bereich des Anti-Diskriminierungsrechts verstärkt sich diese Zweckmäßigkeitsrechtsprechung dadurch, dass der EuGH, der keine Ergebnisverantwortung für den Rechtsstreit hat, in diesem Bereich nunmehr jedes Diskriminierungsschutzziel über den von ihm herangezogenen allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung als maßgebend bestimmen kann.719 Der Gerichtshof nimmt überdies formelhaft an, dass Ausnahmen von allgemeinen Regeln generell eng auszulegen seien.720 Schließlich ist die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch den EuGH (bzw. dessen Kontroll- oder Prüfdichte zugunsten gegenläufiger Prinzipien) von einer er-
berücksichtigt. Ähnlich der EuGHMR v. 29. 06. 2004 EuGRZ 2005, S. 31 (35 ff.), vgl. Pabel, EuGRZ 2005, S. 12 (14). Einem solchen Vorgehen ist entgegenzuhalten, dass die Verabsolutierung des Zwecks einer Norm unter Außerachtlassung anderer Zwecke zu fragwürdigen Ergebnissen kommen muss (so Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 32). 717 In diese Richtung a. (überwiegend krit.): Callies, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EGV, Rn. 50 ff.; Schwier, Der Schutz der „Unternehmerischen Freiheit“ nach Art. 16 GRCh, 2008, S. 103, 237 ff.; Frenz, EWS 2005, S. 104 (105 f.) („wirkungsbezogener Ansatz“); Hailbronner, NZA 2006, S. 811 (811); Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1147, 1149) – der EuGH judiziere mehr autoritativ als argumentativ und betreibe Begriffsjurisprudenz; Lindner, NJW 2008, S. 2750 (2751) – zweckpragmatisch-teleologische Struktur der EuGH-Argumentation; Nicolai, ZfA 1996, S. 481 (484, 486); Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (273 f.); s. a. Kokott, RdA 2006, Sonderbeil. Heft 6, S. 30 (33 f.); v. Roetteken, NZA 2001, S. 414 (415 f.). Vgl. dazu die Rspr.-Grundsätze in EuGH v. 04. 07. 2006 NZA 2006, S. 909 (911 f.); v. 10. 03. 2005 EuZW 2005, S. 406 (409) (Nikoloudi); v. 04. 10. 2001 NZA 2001, S. 1241 (1243) (Tele Danmark); v. 10. 04. 1984 EuGH Slg. 1984, S. 1891 (1909) (von Colson u. Kamann). Vgl. hierzu a. BAG v. 27. 06. 2006 NZA 2006, S. 1276 (1280). Krit., wenn a. zum gegenteiligen Effekt, Temming NZA 2007, S. 1193 (1196 f.) unter Hinw. auf EuGH v. 16. 10. 2007, NZA 2007, S. 1219 (1222) (Palacios). 718 Vgl. Birk, in: MünchHdbAR, § 18, Rn. 104 f., § 19, Rn. 359; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 GG, Rn. 20; Reichold, ZESAR 2006, S. 55 (57); Wißmann, RdA 1995, S. 193 (198). 719 Vgl. EuGH v. 22. 11. 2005 AuR 2006, S. 167 (169) (Mangold). Ähnlich die Befürchtungen v. Preis (in: NZA 2006, S. 401 (405)). Schöbener (in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (164)) weist insoweit auf den in Europa insg. schwach ausgeprägten Schutz unternehmerischer Freiheit hin, der dazu führt, dass der EuGH auch nach einer wertenden Rechtsvergleichung keinen nennenswerten Bindungen unterliegt. 720 Siehe etwa EuGH v. 03. 10. 2000 NZA 2000, S. 1227 (1230) (Simap); v. 26. 10. 1999 NZA 2000, S. 25 (26) (Sirdar); v. 15. 05. 1986 EuGH Slg. 1986, S. 1663 (1686) (Johnston); vgl. a. Walcher, NZA 2003, S. 1083, 1085.
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heblichen Ungenauigkeit und Zurückhaltung gekennzeichnet.721 Der EuGH zeigt hierdurch eine Tendenz zur Relativierung der von ihm in ständiger Rechtsprechung eigens entwickelten grundrechtlichen Schutzstandards zu Gunsten eines alle anderen Rechtsprinzipien überragenden Integrationsziels.722 (2) Strukturgleicher Schutz unternehmerischer Betätigungsfreiheit auch auf Gemeinschaftsebene Das Recht der freien Berufsausübung (mitsamt der unternehmerischen Freiheit) ist dennoch als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt, den der EuGH zu wahren hat und dessen Anwendbarkeit und Berücksichtigung gerade bei der nationalen Umsetzung einer EG-Richtlinie anzuerkennen ist.723 Da die unternehmerische Freiheit hier nahezu strukturgleich gewährleistet wird, muss sie gegenüber dem Diskriminierungsrecht entsprechende Anerkennung finden wie Art. 12 Abs. 1 GG auf nationaler Ebene. (3) Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch auf Gemeinschaftsebene Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Europarecht entscheidend für einen angemessenen Ausgleich kollidierender Rechtsgüter.724 In der Rechtsprechung des EuGH entfaltet sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip (trotz der oben angespro721 Sie wird daher mitunter als defizitär kritisiert oder gar als „Leerformel“ bzw. „Pseudobegründung“ bezeichnet (vgl. die entspr. Kritik bei Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 38 f.; Caspar, DÖV 2000, S. 349 (357 ff.); Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (6); ähnlich Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 45; a. A.: Alber/Widmaier, EuGRZ 2006, S. 113 (117); vgl. a. den Überblick bei Havelkov, ZEuS 2008, S. 305 (310 ff.)). Der EuGH billigt den Rechtsakten der Gemeinschaft eine weitgehende Einschätzungsprärogative zu, die bei komplexen Sachverhalten nur noch eine Evidenzkontrolle ermöglicht (s. EuGH (GrK) v. 22. 11. 2005 NJW 2005, S. 3695 (3697) (Mangold); v. 05. 10. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5039 (5068 f.) (Bananen); v. 18. 03. 1980 EuGH Slg. 1980, S. 907 (1009 f.) (Valsabbia)). Dies gilt v. a. für den Interessenkonflikt zw. Wirtschaftslenkung und Unternehmensinteressen (vgl. stellv. EuGH v. 11. 03. 2003 NZA 2003, S. 427 (429) (Dory); v. 26. 10. 1999 NZA 2000, S. 25 (26) (Sirdar)). 722 Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme beschränkt sich regelm. auf die Feststellung, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme könne nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Zieles offensichtlich ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder offensichtlich unverhältnismäßig sei (s. etwa EuGH v. 19. 11. 1998 EuGH Slg. 1998, I-7358 (7375) (HØE Pedersen u. a.); i. Erg. ebenso Havelkov, ZEuS 2008, S. 305 (319 ff.); Schöbener, in: Gs. Tettinger (2007), S. 159 (164 f. )), was bislang noch in keinem Fall aus der Rspr. zur Berufsfreiheit vorgekommen ist (Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG, Rn. 27; zu den Ausnahmen Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 27). Vgl. insoweit die Schlussfolgerungen in BVerfG v. 18. 07. 2005 NJW 2005, S. 2289 (2303) (Sondervotum des Richters Gerhardt). 723 Vgl. schon oben unter § 3 C. II. 5., § 5 B. II. 4.; s. a. EuGH v. 09. 09. 2003 NZA 2003, S. 1137 (1138) (Rinke); v. 12. 12. 2002 NZA 2003, S. 211 (212) (Caballero); Hilf/Hörmann, NJW 2003, S. 1 (3); allg. Picker, ZfA 2005, S. 167 (184). 724 Vgl. Art. II-112 I EVerfE. Zur Geltung i.R. der EMRK vgl. Pabel, EuGRZ 2005, S. 12 (13 f.).
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chenen Defizite) sowohl als eigenständiges allgemeines Rechtsprinzip des Wirtschaftsverfassungsrechts als auch als Maßstab zulässiger Grundrechtsbeschränkungen.725 Speziell im Zusammenhang mit Beschränkungen der Berufsfreiheit durch Diskriminierungsverbote ist hiernach eine Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten und wird vom EuGH jedenfalls ansatzweise auch vorgenommen.726 Die Prüfung folgt dabei dem überkommenen dreigliedrigen Schema Geeignetheit-Erforderlichkeit-Angemessenheit, innerhalb derer die geringere Eingriffsschwere von Ausübungsregelungen – verglichen mit Berufswahlbeschränkungen – berücksichtigt werden kann.727 Dies ist gerade dann geboten, wenn der Unternehmer als Grundrechtsträger in seiner Freiheit gravierend beeinträchtigt wird.728 Die Kontrolldichte muss einzelfallorientiert erfolgen und darf nicht in einer Weise reduziert werden, die dazu führt, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung ins Leere geht.729 ee) Ergebnis: Schonender Ausgleich auch im europäischen Anti-Diskriminierungsrecht Der Schutz von Berufs- und unternehmerischer Freiheit existiert nahezu strukturgleich sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.730 Bei der Durchführung gemeinschaftlicher Regelungen müssen die Mitgliedstaaten die Erfordernisse des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsordnung beachten.731 Da eine Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 12 Abs. 1 GG in unmittelbarer Form angesichts der Vorrangwirkung europäischen Rechts gegenüber deutschem Verfassungsrecht allen-
725 Vgl. EuGH v. 19. 03. 2002 NZA 2002, S. 501 (503) (Lommers); v. 11. 01. 2000 NZA 2000, S. 137 (138) (Kreil); v. 18. 09. 1986 EuGH Slg. 1986, S. 2536 (2544) (Kommission/ Deutschland); s. auch BVerfG v. 12. 10. 1993 BVerfGE 89, S. 155 (193); Kluth, AöR 122 (1997), S. 557 (579 f.); Schwarze, EuZW 2001, S. 517 (521). 726 EuGH v. 11. 01. 2000 NZA 2000, S. 137 (138) (Kreil); EuGH v. 13. 12. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5571 (5581) (SMW Winzersekt); Schwarze, NJW 2005, S. 3459 (3465); ausf. Havelkov, ZEuS 2008, S. 305 (308 ff.). 727 So die Feststellungen von Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 15 GRCh, Rn. 5, 10; ders., in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 16, Rn. 37. 728 Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 27; Picker, ZfA 2005, S. 167 (184). 729 Vgl. die entspr. Forderungen von Alber/Widmaier, EuGRZ 2006, S. 113 (115). Zu den zukünftigen Ausnahmebereichen (insb. GAP) vgl. EuGH v. 05. 10. 1994 EuGH Slg. 1994, S. 5039 (5058 f.) (Bananen); Jarass, EU-Grundrechte, § 21, Rn. 27). 730 Vgl. Bryde, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 5 (5); Störmer, AöR 123 (1998), S. 541 (575). Zum entspr. Ausgleich zw. Art. II-76 EVerfE (Unternehmerfreiheit) und Art. II-80 ff. EVerfE (Gleichheitsrechte) über die Grundsätze des Art. II-112 EVerfE (insb. Verhältnismäßigkeit) vgl. Alber/Widmaier, EuGRZ 2006, S. 113 (115 f.). Ähnlich Heinze, in: KassHdb 12, Rn. 42. 731 EuGH v. 08. 10. 1986 EuGH Slg. 1986, S. 2909 (2912) (Keller); BAG v. 26. 04. 2006 NZA 2006, S. 1162 (1165); in diese Richtung auch Hanau, in: FS f. Adomeit (2008), S. 237 (242). Zum mangelhaften Rechtsschutz der Unternehmer vgl. Bryde, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 5 (10).
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falls nur sehr eingeschränkt möglich erscheint,732 kommt der Beachtung des europäischen Grundrechts der unternehmerischen Freiheit vor dem Hintergrund der Positivierung in Art. 16 GRCh entscheidende Bedeutung zu. Daneben sind der europäische Gesetzgeber sowie der EuGH dazu aufgerufen, in ihren Maßnahmen betreffend den Diskriminierungsschutz ausreichende Überlegungen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der freiheitsbeschränkenden Wirkung anzustellen.733 Letztlich läuft der Schutz unternehmerischer Freiheit jeweils darauf hinaus, ein Prinzip, welches den Unternehmer beschränkt, einer detaillierten Abwägung mit der Freiheit zu unterziehen.734 Im Ergebnis besteht auch auf europäischer Ebene ein Abwägungsbedürfnis, wobei der Auslegungsgrundsatz des „effet utile“ nicht als Argument missverstanden werden darf, mit dem sich alles, was der Verwirklichung des (diskriminierungsrechtlichen) Gemeinschaftsrechts dienen soll, ohne weitere Reflexion begründen ließe.735 Dem folgend darf das Prinzip des Schutzes unternehmerischer Handlungsfreiheit auch hier nicht übergangen werden.736 Eindimensionale Betrachtungen und Lösungswege verkennen die Ausbalancierung von Freiheit und Pluralität der freiheitlichen Grundordnung sowie der maßhaltenden und maßgebenden Formel vom sozialen Rechtsstaat. Eine Abwägung birgt jedoch die Gefahr, dass zur Einschränkbarkeit der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit fast jedes Ergebnis begründbar ist.737 Hauptaufgabe bleibt damit, für die Abwägung objektivierte Kriterien zu finden, die das Abwägungsergebnis transparent und berechenbar machen.
732 Vgl. Massing, NJW 2006, S. 264 (264 f.); s. unter § 7 B. III. 3. b). A. A. Preis, NZA 2006, S. 401 (408). 733 In diesem Sinne a. Havelkov, ZEuS 2008, S. 305 (353 ff.). Daneben gebieten es die Auslegungsspielräume, die sich dem dt. Rechtsanwender (a. i. R. der Richtlinien) darbieten, dem auch auf europ. Ebene installierten Schutz unternehmerischer Freiheit ausreichend Rechnung zu tragen (vgl. nur Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 6; Preis, AR, Bd. I, § 34 I 38; vgl. auch Art. 2 V RL 2000/78/EG). 734 Angesichts des zunehmenden Gleichlaufs von europ. und nationalem Recht in diesem Bereich stellt es nicht viel mehr als eine Frage der Betrachtungsebene dar, ob man a. europ. veranlasste Diskriminierungsverbote an einem mit Art. 12 I GG inhaltlich vergleichbaren europ. Schutz unternehmerischer Freiheit überprüft, ob man sie an den Grundsätzen des Art. 12 I GG „orientieren“ möchte oder ob man sie „vorsichtshalber“ einer Prüfung im Hinblick auf Art. 12 I GG unterzieht. s. a. Burgi, EWS 1999, S. 327 (329); Schönberger, NJW 2003, S. 249 (252). 735 Kaiser, NZA 2000, S. 1145 (1149); Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (462). 736 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 2 EGV, Rn. 10, 21. Diese Forderung greift die Hinweise zur Kritik am AGG auf (s. o. unter Fn. 46), die besagen, dass sich die geg. das AGG vorgebrachten Bedenken insb. gegen die Vorgaben des Richtlinienrechts selbst richteten. Der tats. Vorwurf gelte also der Nachlässigkeit der (alten) Bundesregierung im Zshg. mit den Beratungen und dem Erlass der Richtlinien im Europäischen Rat. Die hier vertretene Ansicht nimmt insoweit gerade keine „Verspätung“ der Bedenken an. 737 So die Befürchtung von Walker, ZfA 2004, S. 501 (511).
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c) Zwischenergebnis Allgemein lässt sich festhalten, dass eine effiziente Kontrolle des Gemeinschaftsgesetzgebers im Hinblick auf die Berufs-, Unternehmer- und Abschlussfreiheit und insbesondere eine wirkliche Verhältnismäßigkeitsprüfung mit entsprechender Abwägung bisher unterbleiben.738 Auch die Rechtsprechung des EuGH ist dem Vorwurf ausgesetzt, die Anti-Diskriminierungspolitik und die Wirksamkeit der sie umsetzenden Richtlinien und damit den europäischen Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber anderen Grundprinzipien zu privilegieren.739 Festgestellt wurde bereits, dass der EuGH die von ihm entwickelten Berufs- und unternehmerischen Freiheiten weitreichend beschränkt. Europäische, verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Diskriminierungsverbote müssen – auch wenn sie bisweilen vorbehaltlos normiert sind – einen angemessenen Ausgleich zu entgegenstehenden Rechtsgütern (hier: der unternehmerischen Freiheit) suchen.740 Hier kann das bereits erwähnte Konzept des schonendsten Ausgleichs bei einer konsequenten Anwendung seinen Beitrag dazu leisten, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen jedenfalls an dieser Stelle des Aufeinandertreffens zu versöhnen und damit dem eigentlichen Ziel des gesamten Arbeitsrechts – nämlich dem Interessenausgleich – dienen. 4. Umsetzung des schonenden Ausgleichs im Bereich diskriminierenden Drittverhaltens Damit stellt sich nunmehr die Frage, wer die herausgearbeiteten Grundsätze des Schutzes unternehmerischer Freiheit zu berücksichtigen hat und wo in der hier behandelten Problematik die Zumutbarkeitsgrenze hinsichtlich einer Beschränkung dieser Freiheit verläuft. a) Adressat der Verpflichtung, für einen schonenden Ausgleich zu sorgen Zunächst ist zu bestimmen, wer für einen angemessenen Freiheitsschutz verantwortlich zeichnet oder genauer: wer die Zulässigkeit einer Differenzierung zu beurteilen hat. Generell ist der Staat derjenige, der Grundrechtskollisionen letztlich aufzulösen hat, wenn sie nicht von den privaten Grundrechtsberechtigten selbst bereinigt 738
Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), S. 298 (326), m. w. N.; Repgen, in: Isensee, Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2006), S. 11 (35). 739 Ähnlich Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 359. 740 Maßgeblich bleibt daher der Ausgleich der widerstreitenden Rechtsgüter durch Abwägung als Kollisionsschlichtungsinstrument (s. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 4 f.; Stern, Staatsrecht III/2, § 82 III 4, 4 c; Picker, JZ 2003, S. 540 (544)). Ähnlich Tettinger/Stern, GRCh, Art. 15, Rn. 16; Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (397); Kirchner, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz durch Privatrecht (2006), S. 37 (44); allg. Penski/Elsner, DÖV 2001, S. 265 (265). s. a. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 41; Wendeling-Schröder, NZA 2004, S. 1320 (1321).
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werden.741 Diese Aufgabe kann er grundsätzlich durch alle drei Gewalten erfüllen.742 Hier geht es um eine sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung, die die sozialpolitische Verantwortung für die Einzelheiten des arbeitsrechtlichen Regelungssystems tragen.743 aa) Der Gesetzgeber als Freiheitsgarant Allgemein wird bei Eingriffen in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter, soweit den Grundrechtsbestimmungen Gesetzesvorbehalte beigefügt sind, die primäre Regelungskompetenz des Gesetzgebers anerkannt, um Grundrechtskollisionen vorzubeugen oder wenigstens aufzulösen.744 So erweist sich etwa das Privatrecht (einschließlich des Arbeitsrechts) als ein generelles Kollisionsauflösungsinstrument.745 Es ist mithin vornehmlich die aus der Legislativbindung des Art. 1 Abs. 3 GG folgende Aufgabe des Gesetzgebers, dem Einfluss der Grundrechte auf das Privatrecht Rechnung zu tragen, eine grundrechtsadäquate Ordnung der Privatrechtsbeziehungen herzustellen und andere Rechtsgüter gegen das Gebot der Gleichbehandlung bzw. den Grundsätzen des Diskriminierungsschutzes abzuwägen.746 Dass der Gesetzgeber hier einen dem Grunde nach verhältnismäßigen Lösungsweg gewählt hat, kann darin erkannt werden, dass Ausnahmetatbestände normiert wurden, die zum Teil unterschiedlich streng ausfallen, je nachdem, ob sie „inneren“ oder „äußeren“ Merkmalen zugeordnet werden.747 So greift bei Benachteiligungen wegen angeborener („innerer“) Eigenschaften, die auf das Schicksal eines Menschen zielen, gar nicht anders sein zu können, wie Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität, der strenge Rechtfertigungsmaßstab des § 8 Abs. 1 AGG. Hiernach sind dem Unternehmer unterscheidende Maßnahmen – im Anwen741
Dieterich, in: ErfK, Art. 12 GG, Rn. 22; Stern, Staatsrecht III/2, § 82 III 2. Auf Verfassungsebene, auf Gesetzesebene, durch Verwaltungsentscheidung und durch die Gerichtsbarkeit (Stern, Staatsrecht III/2, § 82 III 2). 743 Kuras, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, S. 11 (15). 744 BVerfG v. 26. 07. 2005 BVerfGE 114, S. 1 (34); v. 12. 11. 1958 BVerfGE 8, S. 274 (329 f.). 745 Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 4b a, III 2 b a. Letztendlich lässt sich beinahe das gesamte Arbeitsrecht als rechtliche Ausformung eines solchen Ausgleichs verstehen (ähnlich Bayreuther, NZA 2006, S. 417 (419)). Zu dieser Strukturierung a. Möllers, NJW 2005, S. 1973 (1975). 746 Vgl. nur Bleckmann, Staatsrecht I, § 20 IV 2d, Staatsrecht II, § 10, Rn. 103. 747 Zu dieser Unterscheidung vgl. BVerfG v. 08. 04. 1997 BVerfGE 95, S. 267 (316); Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 III GG, Rn. 32; ähnlich Schiek, AGG, Einleitung, Rn. 43. Ähnliches gilt für Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit. Nur bei Diskriminierung wg. der Sprache, des Glaubens, der politischen Anschauungen oder der Gewerkschaftszugehörigkeit trifft diese Feststellung nicht zu, wobei bzgl. dieser Merkmale unterstellt werden kann, dass auch sie für den einzelnen Betroffenen einen unabänderlichen und damit „quasi inneren“ Wert besitzen, der einen strengen Ausnahmemaßstab rechtfertigt. Neuner (in: JZ 2003, S. 57 (62)) spricht insoweit von einer „irreversiblen Prägung“. Wiedemann (in: RdA 2005, S. 193 (194)) differenziert ähnlich zw. Schutz der Person und Schutz der sozialen Stellung. 742
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dungsbereich der Diskriminierungsvorschriften748 – nur in eng umgrenzten Fällen erlaubt, in denen die Eignung des Arbeitnehmers für die Arbeitsaufgabe wesentlich und entscheidend vom (Nicht-)Vorliegen eines geschützten Merkmals abhängt.749 Über § 12 Abs. 4 AGG greift eine weitere Verhältnismäßigkeitsgrenze lediglich in Fällen des diskriminierenden Verhaltens Dritter ein. Der Bereich unternehmerischer Entscheidungsfreiheit ist innerhalb dieser Diskriminierungsbereiche somit an strenge Anforderungen gebunden. Demgegenüber werden Merkmale, die an einen vertraglich frei gewählten Arbeitnehmerstatus (Teilzeit- bzw. befristete Beschäftigung) anknüpfen, mit dem schwächeren Rechtfertigungsmaßstab des sachlichen Grundes verknüpft.750 Auch der anerkannt weite Gestaltungsspielraum des Zivilgesetzgebers, die durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägten Ausnahmetatbestände und die Installation des abwägungsoffenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in eng umrissenen Fällen sprechen dafür, dass der Gesetzgeber von seiner Regelungskompetenz hinsichtlich einer angemessenen Berücksichtigung unternehmerischer Interessen wirksam Gebrauch gemacht hat.751 Innerhalb dieser Einfallstore unternehmerischer Freiheit ist die Rechtsprechung berufen, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. bb) Der Richter als Garant für die Berücksichtigung der Freiheitsgarantie Die rechtsprechende Gewalt trägt als die streitschlichtende Instanz des Staates schlechthin und bei Grundrechten als deren „Hüter“ die Hauptlast bei der Auflösung von Kollisionssituationen, indem sie durch verfassungskonforme Auslegung bei jeder Entscheidung auch die grundrechtlichen Imprägnierungen beachtet.752 Die Gerichtsbarkeit ist aber erst dann auf den Plan gerufen, wenn der dem Gesetzgeber obliegende Ausgleich zwischen den kollidierenden grundrechtlichen Schutzgütern der Privatrechtssubjekte (s. o.) nicht erfolgte (etwa weil die maßgeblichen Vorschriften Auslegungs- bzw. Abwägungsspielräume lassen) oder misslungen ist, da die Auflösung wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 97 Abs. 1 GG) vorrangig und pri748
Vgl. o. unter § 7 A. II. 6. Gegen diese Differenzierung Adomeit/Mohr, AGG, Einleitung, A. III. Rn. 96. 750 Vgl. a. Thüsing, ZfA 2002, S. 249 (249). Zur Frage der Anerkennung eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung s. o. unter § 5 C. IX. 2. Zur Ausnahmestellung der drei modernen Benachteiligungsverbote in § 4 TzBfG, § 3 I Nr. 3, 9, 10 AÜG s. a. Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (281). Auf der anderen Seite bildet der „bloß sachliche Grund“ aber sicherlich die Grenze, auf die eine Diskriminierungsschutzregel mithilfe einer Ausnahmebestimmung überhaupt reduziert werden kann (so bezogen auf § 319d BGB (Reg-E): Wiedemann/Thüsing, DB 2002, S. 463 (467 f.)). 751 Vgl. a. Rädler, ZRP 1997, S. 5 (8). Die Grundsätze vermeiden das Übermaß, indem sie individualisierend von einer allg. Regel abweichen (vgl. Kirchhof, in: HdbStR V, § 124, Rn. 166). A. A. wohl Kuras, RdA 2003, Beil. Heft 5, S. 11 (21). Krit. im Hinblick auf die Subsumierbarkeit: Bauer, NZA 2006, S. 774 (774). 752 Vgl. Stern, Staatsrecht III/1, § 75 III 2b, § 76 IV 5c, III/2, § 82 III 2 d. 749
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mär am Maßstab des „einfachen“ Rechts zu erfolgen hat. Der Richter muss die gesetzgeberischen Wertungen und Rechtsgüterabwägungen der Privatrechtsnormen – insbesondere das Bekenntnis zur Privatautonomie – beachten, auch wenn die Anwendung bürgerlich-rechtlicher Normen der Bedeutung der Grundrechte (mediatisiert durch das Gesetzesrecht) gerecht werden muss.753 Allerdings kann der Gesetzgeber nur die typische Schlichtungsarbeit leisten; denn weder durch kollisionsvermeidende Interpretation noch durch Schlichtung seitens des Gesetzgebers lassen sich alle denkbaren Kollisionssituationen auflösen.754 Die Feinabstimmung zur Lösung der verbleibenden Fälle muss im konkreten Fall von den Gerichten unter Beachtung der überkommenen Methodenlehre „nachgeliefert“ werden, wodurch der Richter, dem die Auslegung des nationalen und zwar auch des angeglichenen Rechts obliegt,755 zum „wahren Herrn des Diskriminierungsrechts“ wird.756 Zur Herbeiführung einer grundrechtsadäquaten Lösung fällt dem Richter mittels des Abwägungs- und Verhältnismäßigkeitsgebots die entscheidende Ausgleichsrolle zu.757 Der Arbeitsrichter ist also dazu aufgerufen, die den Diskriminierungsverboten beigeordnete Zumutbarkeitsgrenze des § 12 Abs. 4 AGG in Fällen diskriminierenden Verhaltens durch Dritte so anzuwenden, dass die unternehmerische Freiheit ausreichend Berücksichtigung erfährt.758 Um die Gefahren dieser Methode (Unsicherheiten, Willkür, Dezisionsgefahr) zu bannen, ist es notwendig, die Kriterien für die Abwägung so weit wie möglich zu objektivieren und die Grenze der Unzumutbarkeit hiernach zu bestimmen. b) Rechtsdogmatische Umsetzung Zur Durchsetzung des Schutzes unternehmerischer Freiheit führt allgemein das Instrument der verfassungskonformen Auslegung der Diskriminierungsverbote zu annehmbaren Ergebnissen. Nach zahlreichen Stimmen in der Literatur führt man den Ausgleich der entgegenstehenden Rechtspositionen im Rahmen der Ausnahme753 Vgl. Richardi, in: MünchArbR I, § 9, Rn. 44; Stern, in: FS Wiedemann (2002), S. 133 (144 ff.). Dem Richter obliegt demnach vorrangig eine Gesetzesbindung, die nur in Ausnahmen der Verfassungsbindung weichen darf. 754 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 I GG, Rn. 107 f., 112. Zur (subsidiären) Verpflichtung der Fachgerichte, den objektiven Wertentscheidungen der Grundrechte mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen, vgl. a. BVerfG v. 30. 07. 2003 NZA 2003, S. 959 (959). 755 So Birk, in: MünchArbR I, § 18, Rn. 126, 129 ff. 756 Vgl. Fuhlrott, RdA 2006, S. 58 (58) unter Hinw. auf Thüsing; in diese Richtung a. Gamillscheg, Arbeitsrecht I, S. 142; Picker, JZ 2003, S. 540 (545); Stern, in: FS Wiedemann (2002), S. 133 (148); Thüsing, ZfA 2006, S. 241 (255 f.). Vgl. umgekehrt aber a. Gamillscheg (in: Arbeitsrecht I, S. 143) mit Kritik am Dezisionismus. 757 Dieterich, in: ErfK, Einl. GG, Rn. 45, Art. 3 GG, Rn. 18; Perreng, FA 2003, S. 293 (295). 758 Aus der Grundrechtsbindung der Arbeitsgerichtsbarkeit folgt, dass sie ggf. im Wege der Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe des AGG bzw. einer Rechtsfortbildung die verfassungsmäßigen unternehmerischen Grundfreiheiten zu wahren hat. Ähnlich Blaha/Mehlich, NZA 2005, S. 667 (672); vgl. a. Thüsing, ZfA 2007, S. 241 (246).
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tatbestände zu dem jeweils einschlägigen Diskriminierungsverbot durch.759 Die verfassungskonforme Auslegung soll in diesem Fall ergeben, dass der Ausnahmetatbestand so weit auszulegen ist, dass die ungleichbehandelnde unternehmerische Entscheidung als gerechtfertigt anzusehen ist.760 Unverhältnismäßigen Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit sei vorrangig im Bereich des Ausnahmetatbestandes des § 8 Abs. 1 AGG zu begegnen, indem dieser so auszulegen sei, dass ein Ausgleich zwischen Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit gefunden werde.761 Eine Rechtfertigung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen eines Ausnahmetatbestandes entspräche jedenfalls den Regel-Ausnahme-Strukturen des Anti-Diskriminierungsrechts. Da die unternehmerische Freiheit im Rahmen der Ausnahmetatbestände – etwa aufgrund deren Wortlauts als Auslegungsgrenze – wie gezeigt jedoch nicht ausreichend Berücksichtigung finden kann,762 ist dieser Lösungsweg alleine am Ende unzureichend. Nur unter Einbeziehung der Unzumutbarkeitsgrenze des § 12 Abs. 4 AGG in Fällen von diskriminierendem Verhalten Dritter kann dem Gedanken des schonenden Ausgleichs zwischen unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz ausreichend Rechnung getragen werden. Hier zieht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Eingriffen der Diskriminierungsverbote dort eine Grenze, wo der Unternehmer mit dem diskriminierenden Verhalten Dritter konfrontiert und zu einer Reaktion gezwungen wird.763 In Anlehnung an diese Verhältnismäßigkeitsgrenze soll im Folgenden eine – neben den wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderungen – zusätzliche Ausnahmekategorie im Rahmen der Ausnahmetatbestände aufgezeigt werden, die durch verfassungskonforme Auslegung der Diskriminierungsschutzregeln zu erreichen ist. Zusammenfassend ist der Richter als Rechtsanwender berufen, sich der Anwendbarkeit des in Betracht kommenden Diskriminierungsverbotes zu vergewissern, indem er das grundlegende Schutzziel des Verbotes heranzieht. Handelt es sich um Fälle, in denen sich der Unternehmer im Hinblick auf sein diskriminierendes Verhalten auf die Veranlassung durch einen Dritten beruft, hat der Richter hiernach – entsprechend dem Maßstab des § 12 Abs. 4 AGG – eine Verhältnismäßigkeitsprüfung 759
Für eine Berücksichtigung der unternehmerischen Freiheit im Bereich der Ausnahmetatbestände: Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 3; Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406). Ähnlich Belling, NZA 2004, S. 885 (888); Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (327). Allg. Walker, ZfA 2004, S. 501 (534). 760 Die Anerkennung weiterer, ungeschriebener Rechtfertigungsgründe sei jedenfalls mit den Richtlinienvorgaben nicht zu vereinbaren (Flohr/Ring, AGG, § 8 Rn. 179). Zudem könnten sich Arbeitgeber nur insoweit auf in den Richtlinien zugelassene Ausnahmen berufen, wie der nationale Gesetzgeber tatsächlich von seiner Möglichkeit, Ausnahmetatbestände zu schaffen, Gebrauch gemacht habe. 761 In diese Richtung Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 46, 49; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 GG, Rn. 65, 89 ff. 762 s. o. unter § 7 A. II. 4. b). 763 In sämtlichen anderen Fällen hat der Arbeitgeber aus dem Blickpunkt seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit die Vorgaben der Diskriminierungsvorschriften zu befolgen und benachteiligende Unterscheidungen zu unterlassen.
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vorzunehmen. In diesem Rahmen hat er die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Die dabei zu bestimmende Zumutbarkeitsgrenze soll nun im Folgenden konkretisiert werden. c) Grenzen des Diskriminierungsschutzes in den Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens Nach den bisherigen Feststellungen ist die unternehmerische Entscheidungsfreiheit auch in Fällen diskriminierenden Drittverhaltens unter Heranziehung der Verhältnismäßigkeitsgrundsätze aus § 12 Abs. 4 AGG angemessen zu berücksichtigen. Aufgrund der begrenzten Zurechenbarkeit der Diskriminierungsgefahren zu Lasten des Unternehmers sind an dieser Stelle – ausnahmsweise – die aus den Grundrechten entstehenden Belastbarkeitsgrenzen und die Schutzwirkung des Art. 12 Abs. 1 GG zu Gunsten der Unternehmen besonders zu berücksichtigen.764 Dies hat auch das BAG in seinem Kopftuch-Urteil grundsätzlich anerkannt.765 Wie gezeigt schließt der Wortlaut des § 12 Abs. 4 AGG, nach dem der Arbeitgeber bei Verstößen von Dritten gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigen zu ergreifen hat, keine diskriminierenden Maßnahmen gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer aus. Nach hier vertretener Auffassung gebietet die Verantwortung des Arbeitgebers für das Verhalten Dritter, die nicht bzw. nur eingeschränkt seinem Einfluss unterliegen, hier eine Risikoverteilung bezüglich der Diskriminierungsgefahr zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und nachfolgend die Abwägung von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz.766 Dieses Gebot eines schonenden Ausgleichs spricht gegen jene Lösungen, die dem Unternehmer eine Berufung auf das Verhalten Dritter generell erlauben oder verwehren. Speziell der erstgenannte Ansatz ist im Hinblick auf die dann unterlaufene Wirksamkeit von Diskriminierungsschutz zu weitgehend. Aber auch die generelle Verwehrung einer Berufung auf diskriminierendes Drittverhalten führt zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung eines Abwägungsbelanges, nämlich der unternehmerischen Freiheit. Dies offenbart sich deutlich in Ansehung der Meinung, die die unternehmerischen Interessen in Fällen von Unternehmensgefährdungen anerkennen will. Versetzt man sich in eine Lage, in der der ohne Diskriminierungsmotivation handelnde Unternehmer von einem Dritten dazu veranlasst wird, eine diskriminierende Maßnahme gegenüber einem einzelnen Arbeitneh764 Ebenso Müller-Glöge, in: MüKo-BGB (2005), § 611a, Rn. 41. Vgl. a. BVerfG v. 16. 03. 1971 BVerfGE 30, S. 292 (311). s. a. Schaub, in: ArbR-Hdb., § 2 Rn. 7. 765 I. Erg. ebenfalls für eine Interessenabwägung: Schleusener, in: Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 8, Rn. 11. 766 Dabei geht es nicht darum, die Diskriminierungsverbote einer maßstabslosen generellen Verhältnismäßigkeitsschranke zu unterwerfen, sondern um die Installation eines materiellen Schutzbereichs unternehmerischer Freiheit. Zu dem Zielkonflikt a.: Hjort/Richter, AR-Blattei SD „Gleichbehandlung I“, 800.1, Rn. 140.
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mer zu ergreifen, weil ansonsten die Existenz seines Unternehmens gefährdet ist,767 steht unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten außer Zweifel, dass in dieser Situation die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers Vorrang vor den Belangen des Diskriminierungsschutzes haben muss. Denn der Bestand des Unternehmens bildet das Untermaß der Berücksichtigung unternehmerischer Belange. Vernachlässigte man sie, fände die gebotene Einbeziehung der Berufsfreiheit des Unternehmers in die Schutzgüterabwägung nicht mehr statt. Ferner stünde in diesem Fall nicht nur der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers trotz Diskriminierungsschutzwirkung weiterhin zur Disposition, so dass ein effektiver Arbeitnehmerschutz hierüber gar nicht erreicht werden könnte; gleichfalls ignorierte ein solcher Ansatz die Schutzbelange der übrigen (insoweit unbeteiligten) Kollegen. Der Bestand des Unternehmens darf daher von den Diskriminierungsschutzwirkungen in Fällen von diskriminierendem Drittverhalten nicht angetastet werden.768 Gleiches gilt in den Fällen, in denen die Substanz des Unternehmens in erheblichem Umfang betroffen wird, etwa weil ein Kundengeschäft, welches einen wesentlichen Teil des Gesamtumsatzes des Unternehmens ausmacht, im Falle der Widersetzung gegen den diskriminierenden Kundenwunsch zu scheitern droht. Auch hier ist der Bestand des Unternehmens und damit der aller zugehörigen Arbeitsplätze bei einem Verzicht auf die unterscheidende Maßnahme (zumindest mittelfristig) gefährdet. Diese gewichtigen Belange der gesamten Belegschaft in Zusammenschau mit den grundlegenden unternehmerischen Bestandsschutzinteressen überwiegen das Diskriminierungsschutzinteresse eines einzelnen Arbeitnehmers. Da der Diskriminierungsschutz grundsätzlich auf die herabsetzenden und würdeverletzenden Wirkungen von Diskriminierungen abstellt,769 ist zu differenzieren zwischen der diskriminierenden Druckausübung und der hierdurch veranlassten Maßnahme des Arbeitgebers, die aus ökonomischen Sachzwängen und gerade nicht aus einer herabwürdigenden Intoleranz heraus erfolgt.770 Zu trennen ist ebenfalls sorgfältig zwischen der von Außen auf das Unternehmen wirkenden „Druck“-situation, die mit der Gefahr wirtschaftlicher Schäden unmittelbar verbunden ist, und der fortbestehenden Eignung des Arbeitnehmers zur Ausübung seiner Arbeitsaufgabe, die nicht einmal im geringsten tangiert sein muss, um dennoch eine unterscheidende Arbeitgebermaßnahme als wirksam zu erachten.771 Aus diesen Unterscheidungen ergibt sich jeweils 767
Zu denken ist etwa an eine Konstellation, in der der einzige Kunde des Unternehmens mit Abwanderung droht, sollte der Unternehmer den betroffenen Arbeitnehmer nicht versetzen, weil der Kunde Vorbehalte wg. dessen Behinderung hat. 768 Entspr. den zu § 8 IV 2 TzBfG anerkannten Grundsätzen wird man unverhältnismäßige Kosten ebenfalls nicht erst dann bejahen, wenn der Arbeitgeber durch die Nichtbefolgung der Kundenwünsche in eine wirtschaftliche Zwangslage gerät (vgl. Preis, in: ErfK, § 8 TzBfG, Rn. 31; z. T. wird hier sogar eine weitgehende Kostenneutralität gefordert (Schüren, in: MünchHdbAR (Ergänzungsband), § 162, Rn. 73)). 769 Vgl. o. unter § 7 A. I. 2. 770 Zum Nachweis, dass der tats. Einstellungspraxis des Unternehmens keine eigenen Vorurteile zugrunde liegen: EuGH v. 10. 07. 2008 NZA 2008, S. 929 (931). 771 Vgl. entsprechend Insam, DB 2005, S. 2298 (2299).
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die unter Diskriminierungsgesichtspunkten verminderte Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei diskriminierenden Maßnahmen, mit denen der Arbeitgeber lediglich auf Kundenwünsche reagiert gegenüber solchen, die von ihm selbst ausgehen. Insoweit ist anzuerkennen, dass der Diskriminierungsschutz in Fällen von diskriminierendem Drittverhalten nicht streng anzuwenden ist, sondern nach der gesetzlichen Wertung abwägungsoffen gestaltet ist. Mithin ist eine Benachteiligungsmöglichkeit wenigstens dann gegeben, wenn der Verzicht auf die diskriminierende Maßnahme einen maßgeblichen Teil der Substanz des Unternehmens berühren würde. Jede andere Lösung würde die Abhängigkeit des Unternehmers von äußeren Nachfragewünschen in unverhältnismäßiger Weise verkennen. Ebenso wie die Auferlegung von Schutzpflichten nach § 12 AGG kann die gebotene Zurückhaltung mit Maßnahmen gegenüber dem Diskriminierten immer nur so weit gehen, wie der Arbeitgeber rechtlich oder tatsächlich zur (anderweitigen) Pflichterfüllung in der Lage ist.772 Eine Befolgung der Diskriminierungsverbote ist dem Unternehmer in Fällen nachhaltiger Substanzgefährdung faktisch gerade nicht möglich, ohne den gesamten Bestand zu gefährden. Aber auch diese Grenze berücksichtigt unternehmerische Interessen noch nicht angemessen (im Sinne des § 12 Abs. 4 AGG), sofern man sich die fehlende, insbesondere rechtliche, Möglichkeit des Unternehmers, das Verhalten des Dritten beeinflussen zu können, vergegenwärtigt.773 Noch deutlicher als im Bereich der mittelbaren Diskriminierung wird der Arbeitgeber bei einer Versagung der differenzierenden Maßnahme als Garant in eine Art „Mithaftung“ für gesamtgesellschaftliche Defizite genommen, indem ihm zugemutet wird, eine Beschränkung seines Gestaltungsermessens im Hinblick auf solche Kriterien hinzunehmen, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegen.774 Aus der Perspektive des so vereinnahmten Arbeitgebers bemisst sich die Schwelle zur Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber allein nach dem Maß der Schädlichkeit des Kundenverhaltens für das Geschäft.775 Die Tatsache, dass der Unternehmer in den genannten Fällen für ein Drittverhalten verantwortlich 772 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 12, Rn. 9. Beachtenswert ist insg. der Wille des Gesetzgebers, dass die Verpflichtung immer nur so weit gehen darf, wie der Arbeitgeber zur Pflichterfüllung in der Lage ist (BT-Dr. 16/1780, S. 37). 773 Vgl. zu diesem Aspekt o. unter § 3 C. IV. 1, 6, § 7 C. II. 3. s. a. Bachmann, SAE 2003, S. 336 (337) (Fn. 18); Bäumler, Schadensteilung im Arbeitsverhältnis, S. 57, 60 f.; Canaris, RdA 1966, S. 43 (43 ff.)); Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 3 ff., 77 ff., 383 ff.; Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (539 ff.). 774 Raab, in: Soergel, BGB, § 612, Rn. 62, 73. In diese Richtung a. Hergenröder, in: HWK (2004), Art. 3 GG, Rn. 101. Das Institut ziele auf Änderung soziologischer Befunde mit rechtlichen Mitteln (Pfeiffer, in: KR (2004), § 611a BGB, Rn. 39). 775 Nicht aber danach, welche Motive die Kunden haben. Daher kann die Frage, inwieweit ein Unternehmer auf diskriminierendes Kundenverhalten reagieren darf, nicht davon abhängen, ob sich das Verhalten als xenophob oder authentitätsbezogen darstellt. So aber offenbar Bayreuther, NZA 2008, S. 986 (988 f.); ähnlich differenzierend Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 40. Nach der hier vertretenen Lösung sind sog. „authentätsbezogene“ Kundenpräferenzen ggf. bereits i. R. der Anwendbarkeit von Diskriminierungsverboten auszuscheiden (s. o. unter § 7 A. II. 6, 7.).
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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gemacht wird, rechtfertigt somit schädlichkeitsbezogene Beschränkungen der Diskriminierungsschutznormen. Die Schwelle zur Rechtfertigung einer differenzierenden Personalmaßnahme liegt folglich unterhalb einer Existenzgefährdung des Unternehmens, denn andernfalls kann die Verkraftbarkeit einer Sozialleistung generell nicht mehr unterstellt werden.776 Insgesamt sind daher Kriterien, die für die Feststellung einer nachhaltigen Substanzgefährdung, z. B. einer Insolvenznähe des Unternehmens, erheblich sind, noch zu wenig weitreichend, um die Grenze unzumutbarer Belastungen nachzubilden. Dies folgt insbesondere daraus, dass Diskriminierungsschutz den einzelnen Arbeitnehmer schützen will; auch die Pflichten des Arbeitgebers werden im Rahmen einer Einzelfallentscheidung bemessen. Demnach muss sich auch die Schädlichkeitsgrenze auf einen konkreten Arbeitsplatz und nicht auf das gesamte Unternehmensergebnis beziehen.777 Gerade wenn Kundenwünsche dazu führen, dass der Unternehmer – sofern ihm eine differenzierende Personalmaßnahme verwehrt wird – wirtschaftliche Einbußen erleidet, muss eine Grenze bereits anhand von Vermögenseinbußen und damit unterhalb der Substanzbeeinträchtigung installiert werden können, sofern die unterscheidende Maßnahme ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Abwendung der Vermögenseinbuße darstellt, mithin mildere Maßnahmen nicht in Betracht kommen bzw. ausgeschöpft sind.778 Solange die gewählte Maßnahme zur Erfüllung der Schutzpflichten gegenüber dem Beschäftigten nach § 12 AGG geeignet ist, kann
776 Vgl. nur Buchner, NZA 2004, S. 1121 (1126); Bittner, Jura 2004, S. 39 (43 f.); die heutige Rspr. erkennt auch in anderen Bereichen eine solche Grenze als Korrelat zum vom Unternehmer übernommenen Wirtschaftsrisiko dem Grunde nach an. Zum Maßstab das § 7 BUrlG, der Unternehmerbelange über das Merkmal der dringenden betrieblichen Gründe berücksichtigt, vgl. BAG AP Nr. 150 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Dörner, in: ErfK, § 7 BUrlG, Rn. 23 f., 26. Solche Gründe sind danach nicht nur anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber durch die Arbeitsbefreiung zum gewünschten Termin ein Schaden entsteht, sondern bei jeder erheblichen Beeinträchtigung von Kundenbeziehungen. Vgl. daneben zum Betriebsrisiko o. unter § 3 C. IV. 6. Siehe hierzu BAG v. 09. 03. 1983 AP Nr. 31 zu § 615 BGB Betriebsrisiko; v. 30. 01. 1991 AP Nr. 33 zu § 615 BGB Betriebsrisiko; vgl. a. Roth, in: MüKoBGB, § 313, Rn. 78. 777 Ähnlich Bittner, Jura 2004, S. 39 (43 f.). 778 In diese Richtung a.: BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (36 f.); HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 (6 f.); Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 26. Ähnlich für den Bereich der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht: Preis, in: ErfK, § 611 BGB, Rn. 616 unter Hinw. auf BAG v. 18. 12. 1972 AP Nr. 82 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; für den Bereich der Druckkündigung: BAG v. 31. 01. 1996 AP Nr. 13 zu § 626 BGB Druckkündigung; v. 19. 06. 1986 AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; v. 18. 09. 1975 AP Nr. 10 zu § 626 BGB Druckkündigung; Schleusener, NZA 1999, S. 1078 (1078); ausdr. für eine Anlehnung an diesen Maßstab: Hanau, ZIP 2006, S. 2189 (2199); anders Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 12, Rn. 11 (s. aber a. dort Rn. 14); vgl. a. Thüsing/Wege, ZEuP 2004, S. 399 (421). Unbestr. kann die Verwehrung einer differenzierenden Maßnahme zu erheblichen Umsatzeinbußen bei nichtdiskriminierenden Arbeitgebern führen (Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406)). Allg. zur Schweregrenze unzulässiger Sozialbindung: Leisner, in: HdbStR VI, § 149, Rn. 151.
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
der Arbeitgeber unter dem Kriterium der Angemessenheit auch die Wahrung seiner geschäftlichen Interessen berücksichtigen.779 Dies gilt entsprechend den Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsgebots, die in die Abwägung eingestellt werden müssen,780 obschon finanzielle Nachteile des Arbeitgebers als Unterscheidungsgrund ansonsten fraglich erscheinen;781 denn dem Unternehmer wird durch den Diskriminierungsschutz grundsätzlich abgefordert, Umsatzeinbußen hinzunehmen und eventuelle Nachteile (z. B. der Frauenarbeit) in einer Mischkalkulation abzufangen.782 Dass dem Diskriminierungsschutzrecht eine auf Kosten abstellende Zumutbarkeitsgrenze generell nicht fremd ist, beweisen aber schon die Regelungen des SGB IX;783 insbesondere bei unzumutbaren oder unverhältnismäßigen Aufwendungen wird der Arbeitgeber von den im SGB IX ausgestellten betriebsorganisatorischen 779
Annuß/Rupp, in: HWK, § 12 AGG, Rn. 4. Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Arbeitgeber z. B. von bes. Interessengruppen dahingehend unter Druck gesetzt wird, dass er eine (bislang tendenziell benachteiligte) Merkmalsgruppe nunmehr erheblich fördern soll – a. zu Lasten von (bislang mutmaßlich bessergestellten) Nichtmerkmalsträgern i. S. einer „umgekehrten“ Diskriminierung. Auch hierbei sind die Schranken des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu achten, so dass eine Förderung jedenfalls nicht mittels einer starren Quote oder auf Kosten anderer besser qualifizierter Bewerber stattfinden darf (vgl. Art. 157 IV AEUV, Art. 2 IV RL 76/207/EWG; EuGH v. 19. 03. 2002 NZA 2002, S. 501 (502) (Lommers); v. 17. 10. 1995 EuGH Slg. 1995 I-3051 (3077) (Kalanke)). Im Gegensatz hierzu kann ein U.S.-amerik. Gericht einem Arbeitgeber, dem eine systemic discrimination nachgewiesen werden konnte, z. B. aufgeben, eine best. Quote seiner Arbeitsplätze Frauen zur Verfügung zu stellen, oder verstärkt um weibliche Arbeitnehmer zu werben, oder bei zukünftigen Einstellungen oder Beförderungen benachteiligte Gruppen ausschließlich oder zu einem best. Prozentsatz zu berücksichtigen („to remedy past discrimination“, s. Friedman/Strickler, The law of Employment Discrimination, 2005, S. 1021 ff.; Smith/ Craver/Clark, Employment Discrimination Law, 2006, S. 213 ff.; Zimmer/Sullivan/White, Employment Discrimination Law, 2005, S. 943 ff.; vgl. die Leitentscheidungen Local 28, Sheet Metal Workers International Association vs. EEOC, 478 U.S. 421 (1986); United States vs. Paradise, 480 U.S. 149 (1987). Zur fehelenden Übertragbarkeit dieser Möglichkeiten wg. der Besonderheiten des amerik. Prozessrechts (insb. der class action) s. Wiedemann, Gleichbehandlung, 2001, S. 81. 781 Vgl. nur EuGH v. 20. 03. 2003 NZA 2003, S. 506 (508) (Kutz-Bauer); v. 27. 02. 2003 NJW 2003, S. 1107 (Busch); BAG v. 13. 02. 2002 NZA 2003, S. 215 (217); ArbG Frankfurt v. 29. 05. 2007 DSB 2007, Nr. 9, 20 (red. Leitsatz) m. Anm. Vahle. Nach T. d. L. scheiden reine Kostenargumente bzw. ökonomische Erwägungen generell aus (Schiek, NZA 2004, S. 873 (875); Wiedemann, in: FS 50 Jahre BAG (2004), S. 265 (279)). Dies entspricht dem amerik. Grundsatz des „dollar cost alone is not determinative“, vgl. hierzu Thüsing, RdA 2001, S. 319 (321). Allg. zur dt. Rspr.: Buchner, NZA 2004, S. 1121 (1122). Krit. Reichold, ZfA 2003, S. 518 (529). 782 BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (35); Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1492); ähnlich gegen eine Berücksichtigung allg. wirtschaftlicher Überlegungen BAG v. 07. 11. 2002 NZA 2003, S. 1139 (1142); Neuner, JZ 2003, S. 57 (64). 783 Vgl. insb. § 81 III, IV SGB IX. Die Behindertenförderung untersteht hier dem Vorbehalt des von Staat und Gesellschaft Leistbaren (sozialstaatlicher und finanzverfassungsrechtlicher Maßgabevorbehalt). 780
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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Pflichten befreit. Im Sinne des Gesetzes ist ein Arbeitgeber dann unzumutbar beschränkt, wenn die Kosten für den Arbeitgeber unverhältnismäßig hoch wären, weil etwa die Maßnahme (hier: das Unterlassen der differenzierenden Maßnahme) einen erheblichen finanziellen Aufwand erfordert und das Arbeitsverhältnis in absehbarer Zeit endet.784 Die wirtschaftliche Lage des Gesamtunternehmens ist u. a. dann unzumutbar belastet, wenn die Maßnahme nur unter der Gefahr des Verlustes anderer Arbeitsplätze durchführbar ist oder sie zu unzumutbaren Belastungen anderer Arbeitnehmer des Unternehmens führt, bzw. wenn die Kosten für den Arbeitgeber785 unverhältnismäßig hoch wären und eine schlechte Kosten-Nutzen-Relation zu besorgen ist.786 Aus ähnlichen Verhältnismäßigkeitsgründen besteht auch für eine Obergrenze im Schadensersatzrecht (zumindest bei Nicht-Bestqualifizierten) ein praktisches Bedürfnis.787 Die genannten Maßstäbe können auf die hier gesuchte Erheblichkeitsschwelle sinngemäß übertragen werden.788 Im Rahmen der Bewertung der von § 12 Abs. 4 AGG eingeforderten Verhältnismäßigkeitsgrenze ist im konkreten Fall zu beachten, dass der Arbeitgeber hier in einem greifbaren Konflikt zwischen Arbeitnehmerschutz und der Berücksichtigung von Geschäftsinteressen steht, so dass insbesondere eine Beendigung der Kundenbeziehung regelmäßig nicht verlangt werden kann.789 Zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers beugt diese Lösung auch einer späteren Kündigungsgefahr vor. Sofern ein Kunde etwa damit droht, bei Nichtumsetzung seiner diskriminierenden Forderung den Auftrag zu entziehen, könnte die Widersetzung durch den Arbeitgeber dazu führen, dass der Beschäftigungsbedarf des Arbeitnehmers nach dem Auftragsverlust wegfällt, so dass der Arbeitgeber ihn mittels einer betriebsbedingten Kündigung freisetzen könnte.790 Demgegenüber wäre eine (präventiv-diskriminierende) Maßnahme, die den Druck des Dritten beseitigt, auch aus Sicht des Arbeitnehmers die mildere Maßnahme, die dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur vorgezogenen Reaktion eröffnet. Unter Abwägung der Umstände kann der Arbeit784
Rolfs/Paschke, BB 2002, S. 1260 (1263). Trotz der möglichen finanziellen Unterstützung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe durch Zuschüsse durch das Integrationsamt gem. § 77 V SGB IX i. V. mit § 15 I Nr. 1 e, 26, 27 SchwbAV, vgl. a. § 34 SGB IX. 786 Vgl. Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 8, Rn. 36 f.; Stähler, NZA 2002, S. 777 (781). Vgl. auch Art. 5 S. 3 und Erwägungsgrund Nr. 21 RL 2000/78/EG. 787 Vgl. nunmehr § 15 II 2 AGG. Der Arbeitgeber sei u. U. finanziell überfordert, wenn er sich einer Vielzahl von Bewerbern gegenübersieht, die als Nicht-Bestqualifizierte einen Anspruch auf Schadensersatz erheben. Die Obergrenze sei daher sinnvoll (so etwa WendelingSchröder, DB 1999, S. 1012 (1014)). 788 Ein drohender Schaden für andere Arbeitnehmer kann hiernach eine unterscheidende Arbeitgebermaßnahme rechtfertigen. Näher zu den Fällen unverhältnismäßiger Kostenbelastungen: BAG v. 21. 06. 2005 NZA 2006, S. 316 (320); v. 23. 11. 2004 NZA 2005, S. 769 (772); LAG Niedersachsen BB 2003, S. 905 (906). 789 Ähnlich Flohr/Ring, AGG, § 12, Rn. 263; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 4; Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 147; Wisskirchen, DB 2006, S. 1491 (1496). 790 In diese Richtung auch Deinert, RdA 2007, S. 275 (278). 785
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
nehmer daher etwa auch bei drohendem Verlust eines Kundens durch eine einseitige (gegen den Willen des Arbeitnehmers) erfolgende Handlung des Arbeitgebers geschützt werden.791 Entgegen der Ansicht des BAG im Rahmen seiner Kopftuch-Entscheidung,792 wonach Grundrechte nicht „auf einen möglichen Verdacht hin beiseite gestellt werden können“, ist daran zu erinnern, dass auch der Verdacht für sich genommen bereits eine belastende Personalmaßnahme des Arbeitgebers rechtfertigen kann.793 Dementsprechend ist auch die konkrete Gefahr schädlicher Auswirkungen auf das Geschäft zu berücksichtigen, wobei dann dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts eine entscheidende Rolle bei der Risikoverteilung zukommt.794 Hieraus ergibt sich eine entsprechende Unzumutbarkeitsgrenze in Fällen diskriminierenden Kundenverhaltens, die an (die konkrete Gefahr von) Vermögeneinbußen anknüpft und die jedenfalls oberhalb der Substanzbeeinträchtigung liegen muss. d) Lösungsvorschlag: Erhebliche Schädlichkeit als objektive Zumutbarkeitsgrenze Aufgrund der besonderen Verantwortlichkeit des Unternehmers für das Verhalten Dritter795 (hier: im Bereich diskriminierender Kundenwünsche) in Verbindung mit vorstehenden Erwägungen ist grundsätzlich bei jeder (drohenden) erheblichen schädlichen Auswirkung der Nichtbefolgung des diskriminierenden Wunsches von einem Zurücktreten der Fürsorgepflicht hinter die freie unternehmerische Entscheidung auszugehen.796 Entscheidend hierfür spricht insoweit das Vorliegen einer besonderen Konstellation, in der auf der einen Seite eine Garantenstellung des Arbeitgebers für
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Ähnlich Worzalla, Das neue AGG, Kap. C., S. 147; Wolf, AuA 2007, S. 26 (27). s. o. u. § 5 C. VI. 3. 793 Stichwort: Verdachtskündigung (hierzu ausf.: Hoefs, Die Verdachtskündigung, S. 141 ff.). Vgl. insoweit den berechtigten Hinw. v. Bachmann, SAE 2003, S. 336 (338). 794 Vom Arbeitgeber darf insoweit nicht verlangt werden, Kunden- oder Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, da ein solches Vorgehen selbst schon die konkrete Gefahr einer Betriebsstörung und Schädigung des Unternehmensimages mitbringen würde (so Bachmann, SAE 2003, S. 336 (338)). 795 Vgl. hierzu grdl. Canaris RdA 1966, S. 41 (43); Koller, Risikozurechnung, 1979, S. 77 ff., 383 ff. Vgl. bereits o. unter § 3 C. IV. 1, 6; s.a. Langenbucher, ZfA 1997, S. 523 (539 ff.). 796 A. A. Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 8, Rn. 19 f. Die Einordnung der der Unternehmerentscheidung zugrunde liegenden Kundenwünsche als Ausdruck stupider Vorurteile oder sachlich bzw. kulturell begründeter Präferenzen können insoweit zu keiner anderen Bewertung führen. Anders offenbar Thüsing, JZ 2006, S. 223 (227). Zu dieser Differenzierung vgl. o. unter § 5 C. XI. 2. Auch die individuellen Verhältnisse des Unternehmens (wie z. B. die Betriebsgröße) haben grds. keinen Einfluss auf diese Schädlichkeitsgrenze. Nach a. A. sollen Maßnahmen gegen diskriminierendes Kundenverhalten regelm. nur bei einer Monopolstellung des Arbeitgebers in Betracht kommen (i. d. S. die Diskussion in AuA 2007, S. 22 (25)). 792
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nicht beherrschbares Drittverhalten797 und auf der anderen Seite die (gegebenenfalls konkret drohenden) schädlichen Auswirkungen für das Unternehmen bestehen. Das kumulative Zusammenwirken von mangelnder Zurechenbarkeit und drohender Schädigung – jeweils zu Lasten des Unternehmens – führen dazu, dass die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung im Rahmen des Abwägungsprozesses höher zu bewerten ist. Werden die hier genannten Grenzen überschritten, dann wird dem Arbeitgeber eine Belastung zugemutet, die fernab von seiner unternehmerischen Risikotragung liegt.798 Gerade wenn Kundenwünsche dazu führen, dass der Unternehmer – sofern ihm eine differenzierende Personalmaßnahme verwehrt wird – wirtschaftliche Einbußen erleidet, muss eine Grenze installiert werden, die den Unternehmer vor jeglichem erheblichen Schaden bewahrt.799 Ein Schaden in diesem Sinne kann dabei im Verlust einer Kundenbeziehung, einer Umsatzeinbuße, im Verlust von Marktanteilen, in einem Lieferausfall, in der Verschlechterung der Kosten-Nutzen-Relation beim Einsatz des betroffenen Arbeitnehmers o. ä. liegen. Die Erheblichkeitsschwelle ist nach den Umständen des Einzelfalls vom Tatrichter zu bestimmen und bemisst sich vornehmlich nach dem Verhältnis von Schadenshöhe zu dem Betrag, den der Arbeitgeber mit dem betroffenen Arbeitnehmer monatlich erwirtschaftet. Unerheblich dürfte hiernach etwa der drohende Verlust einer Kundenbeziehung im Rahmen von Massengeschäften sein, sofern sich die Umsätze der einzelnen Geschäfte auf jeweils kleine Beträge beschränken.800 Ab dieser Grenze würde der Verzicht auf eine unterscheidende Maßnahme den Arbeitgeber im Rahmen seiner vernünftigen Geschäftsausübung unverhältnismäßig belasten. Daher sind ihm in diesen Fällen, nach Erwägung bzw. Ausschöpfung milderer Maßnahmen, auch solche Schritte gegenüber dem diskriminierten Arbeitnehmer gestattet, durch die dieser eine Benach-
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Auch i. F. mittelbarer Diskriminierung handelt es sich für den Unternehmer um eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung, obwohl gesetzestreues Verhalten vorliegt (Birk, in: MünchHdbAR, § 19, Rn. 326), wobei dort durch die Berücksichtigung unternehmerischer Interessen im Rechtfertigungsbereich die Belastungswirkung des Verbots abgemildert wird (s. o. unter § 7 A. II. 4. a)). 798 Vgl. a. Gutzeit, NZA 2003, S. 81 (86); Lieb, ZfA 1996, S. 319 (345); Rüthers, NJW 2003, S. 546 (549, 552). s. a. EuGH v. 21. 02. 1991 Slg. 1991, S. 534 (550) (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest). A. A. offenbar Buchner, in: MünchHdbAR, § 41, Rn. 30; Hromadka/Maschmann, § 5 I, Rn. 43. 799 In diese Richtung a. BVerfG v. 18. 11. 2003 NZA 2004, S. 33 (36 f.); HessLAG v. 19. 07. 1999 LAGE 2000, S. 1 (6 f.). Ähnlich Linck, in: Schaub, Hdb-AR, § 33, Rn. 26; für die Fürsorgepflicht: Preis, in: ErfK, § 611 BGB, Rn. 616; a. A. Schiek, AGG, § 3, Rn. 15. Unbestritten kann die Verwehrung einer differenzierenden Maßnahme zu Umsatzeinbußen bei nichtdiskriminierenden Arbeitgebern führen (Thüsing, NJW 2003, S. 405 (406)). Allg. zur Schweregrenze unzulässiger Sozialbindung Hueck/Nipperdey, Bd. I, § 7 III, S. 27; Leisner, in: HdbStR VI, § 149, Rn. 151. Zu möglichen Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers ggü. dem diskriminierenden Dritten vgl. Deinert, RdA 2007, S. 275 (280 f.). 800 Ein drohender Umsatzverlust von über 100 E dürfte regelm. erheblich sein. Für eine generelle Duldungspflicht des Arbeitgebers bei Massengeschäften: Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 12, Rn. 47; ebenso Müller, DÖD 2007, S. 73 (83); ähnlich Buschmann, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 12, Rn. 30).
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teiligung erfährt.801 Insoweit verbietet sich für die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers auch eine Differenzierung nach den genauen Gründen für das diskriminierende Verhalten Dritter. Aus der Perspektive eines Arbeitgebers, der für das Verhalten der Kunden verantwortlich gemacht wird, kann allein das Maß der Schädlichkeit erheblich sein für die Abgrenzung, nicht aber, welche Motive die Kunden haben. Eine unter diesen Voraussetzungen unterscheidende Maßnahme gegen den Diskriminierten stellt auch keinen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 16 AGG dar, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht wegen der Geltendmachung seiner Rechte nach dem AGG, sondern wegen des drohenden Unternehmensschadens benachteiligt.802 Insoweit ist es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, den Arbeitnehmer zu den gleichen Bedingungen weiterhin zu beschäftigen und abzuwarten, ob sich seine Befürchtungen dahingehend realisieren, dass sich eine erhebliche Schädigungswirkung entfaltet. Lediglich in Bagatellfällen, in denen die Grenze zu einer vermögensrelevanten Schädigung nicht überschritten wird – etwa im Falle des Scheiterns eines einzelnen Verkaufsvorgangs über einen geringen Betrag zu Lasten eines Großkonzerns – behält das Diskriminierungsschutzziel durchweg die Oberhand. Das AntiDiskriminierungsrecht muss demnach bei nachgewiesener, nicht unerheblicher Schädlichkeit des Verzichts auf eine differenzierende Maßnahme auf die unternehmerische Freiheit Rücksicht nehmen. e) Möglichkeiten des Arbeitgebers, den Schädigungsnachweis zu führen Mithin wird der Arbeitgeber von den Verpflichtungen aus den Diskriminierungsverboten befreit, sofern er die vorgenannten Unzumutbarkeitsgründe substantiiert darlegen und beweisen kann.803 Im Kopftuchurteil hätte es mithin grundsätzlich eines Nachweises der Schädlichkeit bedurft, um eine differenzierende Maßnahme ge801 Hiergegen Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 12, Rn. 20 – vielmehr müsse ausgeschlossen sein, dass der betroffene Beschäftigte durch eine solche „Schutzmaßnahme“ eine Benachteiligung erfahre. Schlachter (in: ErfK, AGG, § 12, Rn. 3 f.) sieht als mögliche Rechtsfolge von § 12 IV AGG zumindest die Änderung der Zuständigkeit (des betroffenen Arbeitnehmers) für Kontakte mit den diskriminierenden dritten Personen (ebenso: NollertBorasio/Perreng, AGG, § 12, Rn. 20; Simon/Greßlin, BB 2007, S. 1782 (1788); ähnlich MüllerBonanni/Sagan, ArbRB 2007, S. 50 (51)), was i. Erg. einer Versetzungsbefugnis aufgrund des Drittverhaltens nahe kommt (ähnlich Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 43; Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 134; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 12, Rn. 47). Bei einer internen Versetzung sei jedoch darauf zu achten, dass dem Beschäftigten keinen finanziellen Nachteile durch den Entzug des Aufgabenbereichs treffen, wie dies bei Außendienstmitarbeitern der Fall sein könne (Adomeit/Mohr, AGG, § 12, Rn. 43). Insg. abl. Buschmann, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 12, Rn. 29. 802 Vgl. zu diesem Vorwurf Göpfert/Siegrist, ZIP 2006, S. 1710 (1715); vgl. a. Rudolf/ Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, Kap. 8, Rn. 137. 803 Zu den Erschwernissen der Darlegungslast im Anti-Diskriminierungsbereich vgl. u. a. BAG v. 27. 04. 2004 AP Nr. 12 zu § 8 TzBfG. Insg. krit. hierzu Rüthers, NJW 2003, S. 546 (550). Vgl. auch Peters-Lange/Rolfs, NZA 2000, S. 682 (686 f.).
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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genüber der Verkäuferin zu rechtfertigen.804 Verlangt wurde insoweit ein gesicherter Erfahrungssatz, dass Kunden ein bestimmtes Merkmal nicht akzeptieren werden; ansonsten sei es dem Arbeitgeber bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis zunächst einmal zuzumuten, den betroffenen Beschäftigten vertragsgemäß einzusetzen und abzuwarten, ob sich seine Befürchtungen in einem entsprechenden Maße realisieren und ob etwaigen Störungen nicht auf andere Weise begegnet werden kann.805 Entscheidend ist der wahrscheinliche Eintritt von nachteiligen (wirtschaftlichen bzw. finanziellen) Folgen aufgrund einer fehlenden merkmalsnahen Eignungsvoraussetzung. Um die Möglichkeit einer schädlichen Auswirkung nachweisen zu können, muss der Arbeitgeber substantiiert darlegen können, dass der Abbruch des geschäftlichen Kundenkontakts allein auf das geschützte Merkmal des Arbeitnehmers zurückzuführen ist und nicht andere Gründe hat.806 Dem Arbeitgeber kann aber regelmäßig nicht zugemutet werden, abzuwarten, bis eine geschäftsschädigende Wirkung bei seinem Unternehmen eingetreten ist, ohne Maßnahmen gegen den abgelehnten Arbeitnehmer zu ergreifen. Unter dem Aspekt des vorbeugenden Selbstschutzes muss eine personelle Maßnahme auch schon dann möglich sein, wenn es noch zu keiner Schädigung gekommen ist. Notwendig ist, dass der Gefährdung wirksam entgegentreten werden kann. Daher erscheint es interessengerecht, dem in den vorliegenden Fällen ansonsten schutzlosen Arbeitgeber bereits frühzeitig eine Reaktion zu ermöglichen. Maßgeblich ist hierfür die Gefährdung von Rechtsgütern oder Interessen des Arbeitgebers oder des Unternehmens. Dabei muss das vom Arbeitgeber nachzuweisende konkrete Gefährdungsmoment so beschaffen sein, dass eine durch Tatsachen belegte Wahrscheinlichkeit von Einbußen und ihrer Verursachung besteht.807 Möglich ist insoweit, dass der Unternehmer einen Schadenseintritt (etwa einen Umsatzrückgang) bereits konkret beziffern kann. Daneben existieren Fälle, die einen genauen Nachweis verlangen, dass negative Kundenreaktionen im konkreten Fall oder aber in vergleichbaren anderen Fällen bereits in Aussicht gestellt wurden. Die objektiven Umstände müssen generell die Prognose zulassen, dass eine (Weiter-)Beschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen erhebliche schädliche Auswirkungen für das Unternehmen mit sich bringen würde. Hierfür bedarf es eines Wahrscheinlichkeitsurteils, wobei die für eine Schädigung sprechenden Umstände überwiegen müssen, um eine Maßnahme gegenüber dem rechtschaffenen Arbeitnehmer rechtfertigen zu können. Dabei kommt es nicht auf subjektive Vermutungen oder Wertungen des Arbeitgebers an. Die objektiven Umstände müssen einen verständigen und gerechten Arbeitgeber zu einer bestimmten nachfragegeleiteten Differenzierung 804 Allein Irritationen im Publikumsverkehr können eine Unterscheidung nicht rechtfertigen (vgl. Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 22) – erforderlich sind begründete Befürchtungen oder Erfahrungen, dass massive Ablehnungen durch Kunden erfolgen, die sich in messbaren und wesentlichen Umsatzeinbußen niederschlagen. 805 BAG v. 10. 10. 2002 NZA 2003, S. 483 (483); Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 8, Rn. 8. 806 Qualitätsmängel, schlechte Wirtschaftslage etc., Hoevels, NZA 2003, S. 701 (702). 807 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 8, Rn. 22; ähnlich Müller, DÖD 2007, S. 73 (81) – Einbußen müssen „konkret drohen“.
388
§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
veranlassen können.808 Der bloße Wunsch bzw. die reine Annahme des Arbeitgebers, mit einem bestimmten (Nicht-)Merkmalsträger einen größeren Geschäftserfolg erzielen zu können, reicht nicht aus, um eine Unterscheidung rechtfertigen zu können. Aus objektiven Tatsachen muss sich eine auf das Arbeitsverhältnis bezogene nachprüfbare und erkennbare Entwicklung ergeben; hierbei sind sämtliche mit der erwarteten Schädigung in Zusammenhang stehenden Umstände zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbesondere abweisende, herabsetzende oder abfällige Unmutsbekundungen und Reaktionen aus dem Kundenkreis gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer oder gegenüber Arbeitnehmern in der gleichen Merkmalssituation, frühere Kundenreaktionen in anderen vergleichbaren Situationen, Erfahrungen des betroffenen Arbeitnehmers mit gegen ihn gerichteten Diskriminierungen in anderen Bereichen usw. Ein weiteres Kriterium für die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist die Unausweichlichkeit der Kundenreaktion, d. h. dass insoweit Ausweichmöglichkeiten des Arbeitgebers abseits von Personalmaßnahmen zu bedenken sind – etwa die Umleitung von bestimmten Kundenströmen. Beachtung finden muss insofern jedoch die Zumutbarkeit der Wahrnehmung von Ausweichmöglichkeiten, so dass grundsätzlich nicht verlangt werden kann, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Nachfragewunsch zukünftig nicht mehr bedient. Die Gefährdung muss allgemein so gravierend sein, dass ein vorbeugender Selbstschutz durch eine belastende personelle Maßnahme gegenüber dem diskriminierten Arbeitnehmer notwendig erscheint; der Arbeitgeber darf keine andere adäquate Schutzmöglichkeit haben. Droht ein umsatzstarker Kunde des Arbeitgebers mit Abwanderung, weil er unbegründete Vorbehalte gegenüber dem Vertriebsleiter des Unternehmens wegen dessen jugendlichen Alters hat, hat der Unternehmer demgemäß vorrangig zu prüfen, ob er dem Kunden die Qualifikation des Vertriebsleiters erläutern bzw. versichern oder dem Kunden einen anderen Vertriebsmitarbeiter zuweisen kann, der für die Aufgabe ebenso gut geeignet ist. Ob die Versagung der Differenzierung nach einem geschützten Merkmal geeignet ist, die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit in einem Marktsegment auf mittlere Sicht zu gefährden, beurteilt der Arbeitgeber im Rahmen einer ihm zustehenden Einschätzungsprärogative.809 Deshalb muss ihm schon vor einem Schadenseintritt810 zumindest dann ein Anscheinsbeweis zu Hilfe kommen, wenn er darlegen kann, dass er sein Unternehmen auf einen bestimmten Kundenkreis hin ausgerichtet hat und dass dieser Kundenstamm die Merkmalseigenschaft, an die sich sein unternehmerisches Handeln anlehnt, besonders präferiert oder aber ablehnt.811 In diesen 808
Ähnlich Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 8, Rn. 12. So Annuß, BB 2006, S. 1629 (1633); zust. Zwanziger, in: Kittner/Däubler/Zwanziger, AGG, § 6, Rn. 4; dagegen Boemke/Danko, AGG, § 6, Rn. 9 unter Hinw. auf die KopftuchEntscheidung – konkreter Tatsachenvortrag erforderlich. 810 Ihm darf nicht zugemutet werden, erst auf einen eingetretenen Schaden reagieren zu dürfen; vgl. zu dieser allgemeingültigen Überlegung Dörner, in: ErfK, § 7 BUrlG, Rn. 23; Schinz, in: HWK, § 7 BUrlG, Rn. 29. 811 Insoweit können z. B. Erkenntnisse aus der Markt- und Marketingforschung herangezogen werden. A. hier geht es letztendlich um die Bewahrung unternehmerischer Handlungs809
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
389
Fällen trägt der Arbeitgeber, der hier ausschließlich von seiner unternehmerischen Freiheit Gebrauch macht, in ausreichendem Maße Gründe vor, die einen Schadenseintritt für den Fall der Nichtdiskriminierung vermuten lassen und die nach Darlegungsgesichtspunkten hinreichend konkret sind. Im Kopftuchurteil hätte insoweit substantiiert dargelegt werden müssen, dass das Unternehmen einen besonders exklusiven Kundenkreis ansprechen will, der eine gewisse modische Linie bei den Verkäuferinnen voraussetzt und Kopftücher regelmäßig als eine unangemessene Berufskleidung einer Modeverkäuferin empfindet.812 Die Erbringung des Gefährdungsnachweises hängt somit generell davon ab, dass der Schadenseintritt wahrscheinlicher ist als das Ausbleiben des Schadens. Gelingt dem Unternehmer eine solche Substantiierung, obliegt ihm der Nachweis des kausalen Zusammenhangs zwischen der Nichtbefolgung des diskriminierenden Kundenwunsches und dem Schadenseintritt, wobei diesbezüglich insbesondere zeitlichen Zusammenhängen eine Indizwirkung zukommen kann. In dieser Beziehung ist davon auszugehen, dass der Kausalitätsnachweis umso eher gelingen wird, je wichtiger der Kunde für die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ist, so dass auch hierüber gewährleistet wird, dass nur erhebliche Schadensfolgen zu einer Ausnahmemöglichkeit führen können. Auch ist hinsichtlich der Art der Personalmaßnahmen (Versetzung, Kündigung, usw.) dahingehend zu differenzieren, wie intensiv sich die Maßnahme belastend auf den Arbeitnehmer in seiner arbeitsvertraglichen Stellung auswirkt. f) Grenzen der freien Arbeitgeberentscheidung Da sich Maßnahmen im Sinne von § 12 Abs. 4 AGG vorrangig gegen den Diskriminierenden wenden und weil Betriebsgröße und die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten des Arbeitgebers Berücksichtigung finden müssen,813 ist besonders bei größeren Unternehmen darauf zu achten, dass eine Maßnahme zu Lasten des Arbeitnehmers lediglich als ultima ratio zum (paternalistischen) Schutz des Arbeitnehmers und der Unternehmensbelange in Betracht zu ziehen ist.814 fähigkeit (vgl. Pfeiffer, in: KR, AGG, Rn. 84; Wank, NZA, Beil. Heft 22/2004, S. 16 (23); a. A. offenbar Hoevels, NZA 2003, S. 701 (703)). 812 In diese Richtung a. Adomeit/Mohr, AGG, § 8, Rn. 62 – gerade wenn das Kundenverhalten durch religiöse Kopfbedeckungen, gruppenspezifische Kleidungsstücke oder Embleme veranlasst werde, minderten solche „selbstbestimmten“ Persönlichkeitsdaten tendenziell die Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers. Anders offenbar Adam, NZA 2003, S. 1375 (1379). 813 So Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 12, Rn. 4 u. Hinw. auf BT-Dr. 15/4538, S. 34; Schrader/Schubert, Das neue AGG, Kap. 2, Rn. 140. 814 Annuß/Rupp, in: HWK, § 12 AGG, Rn. 3. Zu den insoweit milderen Maßnahmen s. o. unter Fn. 1644. Keine grdl. anderen Maßstäbe können in den Fällen gelten, in denen die Diskriminierung nicht von Kunden, sondern von Kollegen des Diskriminierungsopfers, d. h. von anderen Arbeitnehmern des Arbeitgebers ausgeht (s. a. Bittner, Jura 2004, S. 39 (42); entspr. Insam, DB 2005, S. 2298 (2300)), sofern der Arbeitgeber seine allg. Fürsorgepflicht ggü. dem diskriminierten Arbeitnehmer und seine ihm von den Diskriminierungsvorschriften (insb. § 12 I-III AGG) auferlegten konkreten Schutzpflichten erfüllt hat. Dann ist auch hiermit das Zu-
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§ 7 Rechtfertigung und Grenzen der Beschränkung unternehmerischer Freiheit
Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier eine Abwägung zugunsten beider Parteien des Arbeitsverhältnisses einfordert, darf der Arbeitgeber in den fraglichen Fällen überdies nur geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen gegenüber seinem Arbeitnehmer ergreifen. Eine aufgezwungene benachteiligende Entscheidung hat grundsätzlich darin zu bestehen, dass er die Situation in der Form befriedet, dass er den von dem Kundenverhalten betroffenen Mitarbeiter aus dem unmittelbaren Kontakt mit dem Kunden herauszieht.815 Hierbei bieten die allgemeinen Grenzen des Direktionsrechts sowie die zwingenden Voraussetzungen einer Änderungskündigung gem. § 2 KSchG einen ausreichenden Schutz vor überzogenen Maßnahmen des Arbeitgebers. Diese Grenzen bestehen unabhängig davon, dass eine differenzierende Maßnahme in vorgenannten Fällen ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Um den Zielen des Diskriminierungsschutzes ausreichend Rechnung zu tragen, ist folglich auch zugunsten des von der differenzierenden personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers eine Zumutbarkeitsgrenze einzuziehen. Für diese Grenze ist nach der Art der Personalmaßnahme und der Intensität deren nachteiliger Wirkung auf den Arbeitnehmer zu unterscheiden; sie besteht hiernach darin, dass selbst eine nachgewiesene Schädlichkeit für das Unternehmen keine Entlassung rechtfertigen würde.816 Dies gebietet bereits die Tatsache, dass der Arbeitnehmer in dieser Situation unverschuldet einer doppelten Belastung ausgesetzt ist, nämlich zum einen dem diskriminierenden Kundenverhalten und zum anderen der nachfolgenden Maßnahme des Arbeitgebers. Eine echte Druckkündigung aufgrund diskriminierenden Kundenverhaltens ist damit generell ausgeschlossen. Die Grenze möglicher Personalmaßnahmen gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seiner ohnehin hohen Darlegungs- und Beweispflicht nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG genügt. Nicht zuletzt die existentielle Abhängigkeit des Arbeitnehmers begründet hier in Zusammenschau mit den Anti-Diskriminierungsgrundsätzen eine erhöhte Schutzbedürftigkeit, die durch ein Entlassungsverbot zu berücksichtigen ist.817 Hierdurch wird die Möglichkeit des Arbeitgebers kompensiert,
mutbare getan. Hat der Arbeitgeber also alle Maßnahmen ergriffen, die von ihm hiernach erwartet werden können, und drohen dem Unternehmen dennoch schädliche Auswirkungen durch das diskriminierende Verhalten eines anderen Beschäftigten, so ist auch hier die Grenze der Einwirkungsmöglichkeit erreicht. 815 Dieser benachteiligende Weg könnte jedoch vom Arbeitnehmer als Maßregelung empfunden werden. Daher sollte eine solche Maßnahme, die auf eine Um- oder Versetzung hinausläuft, zuvor mit dem Betroffenen besprochen werden. 816 Ähnlich Adam, Anm. zu BAG AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung; Hoevels, NZA 2003, S. 701 (703). Vgl. zu dieser Grenze auch BAG v. 25. 10. 2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; Zenthöfer, FAZ v. 24./25. 11. 2007 (Nr. 274) C 2. A. A. Deinert, RdA 2007, S. 275 (282). Eine Suspendierung des Arbeitnehmers kommt nur bei bes. überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers in Betracht (vgl. BAG (GS) v. 27. 02. 1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht), die sich nicht in der erwarteten negativen Kundenreaktion erschöpfen dürfen, so dass a. eine solche Maßnahme zu Lasten des Arbeitnehmers regelm. ausscheidet. 817 In diesem Sinne Versteyl, Die Obergrenze arbeitsrechtlichen Schutzes, 2005, S. 71 ff.; a. A. Thüsing, in: MüKo-BGB (AGG), § 12, Rn. 14. Dies gilt, a. wenn eine einmal eingetretene
B. Die Behandlung verbleibender Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens
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auf diskriminierende Wünsche Dritter bei drohenden schädlichen Auswirkungen mit eigenen benachteiligenden Maßnahmen gegenüber seinem Arbeitnehmer reagieren zu können. g) Zwischenergebnis Aus allem ergibt sich, dass nach den Maßgaben des § 12 Abs. 4 AGG die Benachteiligungsverbote zugunsten des Unternehmers durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip mitunter begrenzt werden. Beschränkungen des Anti-Diskriminierungsrechts sind in diesem Sinne dort anzuerkennen, wo der Unternehmer mit dem diskriminierenden Verhalten Dritter, insbesondere Kundenwünschen, konfrontiert wird. Verbleibt dem Unternehmer dabei lediglich die Möglichkeit, gegenüber dem diskriminierten Arbeitnehmer eine benachteiligende Personalmaßnahme zu ergreifen, da ansonsten mit erheblichen schädlichen Auswirkungen zu Lasten des Unternehmens zu rechnen ist, ist ihm eine solche differenzierende Maßnahme zu gestatten, solange er nur die mildeste der jeweils geeigneten Abwehrmaßnahmen ergreift. Dem Arbeitgeber obliegt es in diesen Fällen, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts negativer wirtschaftlicher Folgen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Begrenzt ist die Freiheit zu einer unterscheidenden Maßnahme jedoch insofern, als dass es dem Arbeitgeber verwehrt ist, den Arbeitnehmer aus diesen Gründen zu entlassen.
Veränderung des Bildes in der Öffentlichkeit nur schwer reparabel ist, und jedenfalls nicht mit einer Versetzung des Arbeitnehmers wieder ungeschehen gemacht werden kann.
§ 8 Fazit Insbesondere durch die Umsetzung der europäischen Anti-Diskriminierungsrichtlinien werden Diskriminierungsverbote, die ursprünglich den Staat trafen, zunehmend auf die Rechtsbeziehungen zwischen seinen Bürgern übertragen. Das Arbeitsrecht stößt hierdurch vermehrt auf Konfliktsituationen zwischen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und Diskriminierungsschutz. Die unternehmerische Freiheit erfährt dabei an zahlreichen Stellen Beschränkungen; insbesondere das AGG gerät mit dem Wesen der Freiheit, verstanden als Möglichkeit zur Marktausrichtung, in Konflikt. Markt und Wettbewerb leben aus dem Miteinander von Freiheit und individueller Verantwortung, dem eine extensive Auslegung und Anwendung der Diskriminierungsvorschriften tendenziell entgegensteht. Die Begrenzungen von unternehmerischer Freiheit lassen sich jedoch grundsätzlich mit den legitimen Zielen von Diskriminierungsschutz rechtfertigen. In den hier besonders hervorgehobenen Grenzgebieten des Anwendungsbereichs von Diskriminierungsschutznormen hat sich die Entscheidungsfreiheit zum allgemeinen Wohl1 jedoch dann durchzusetzen, wenn ansonsten die Freiheit als solche, d. h. in Form des freien Auftretens am Markt zur Ausschöpfung von Marktmöglichkeiten, belastet werden würde, ohne dass dem überwiegende Diskriminierungsschutzziele tatsächlich entgegenstehen. Gleiches gilt dann, wenn die Diskriminierung von Dritten ausgeht und der Arbeitgeber sich infolgedessen einer erheblichen schädlichen Auswirkung auf sein Unternehmen gegenüber sieht. Beide Bereiche zulässiger Differenzierungen fußen auf den Grundsätzen unternehmerischer Freiheit, die in § 12 Abs. 1 GG und auf europäischer Ebene in Art. 16 GRCh ihren Ausdruck gefunden hat. Sie muss von der Rechtsprechung entsprechend abgesichert werden. Dabei kann eine Orientierung an den hier entwickelten Leitlinien stattfinden. Insgesamt sollte die Möglichkeit erhalten bleiben, dass Unternehmer einem ausdifferenzierten Nachfragesektor mit vielfältigen Angeboten begegnen können, um dem gegenüber tatsächlichen Unterschieden grundsätzlich toleranten Grundgedanken unserer Wertegesellschaft Ausdruck zu verleihen. Abzulehnen ist der Zwang zu einem Privatverhalten, das mit dem Verbot freier Unterscheidung, Bewertung und Auswahl auch im marktlichen und gesellschaftlichen Bereich unserer pluralen Gesellschaftsform entsprechende – wesensimmanente – anthropologische und ökonomische Unterschiede bzw. Erfordernisse ignoriert. Gerade das oftmals äußerst kritisch betrachtete AGG kann beweisen, dass sich Arbeitnehmerschutz und Marktfreiheit nicht ausschließlich kontradiktorisch zueinander verhalten. Will sich der Unter1
Vgl. Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, § 111 I 1.
§ 8 Fazit
393
nehmer auf den Gebrauch seiner unternehmerischen Gestaltungsfreiheit im Sinne der Befolgung von Marktwünschen berufen, ist es für ihn im Streitfall vor Gericht jedoch unerlässlich, ein plausibles und zielgerichtetes, auf die Kundenwünsche zugeschnittenes Unternehmenskonzept darzulegen. Sofern ihm dies gelingt, sollten keine im Hinblick auf Nachfragekategorien notwendigen Unterscheidungen durch ein Verbot sinnvoller Differenzierung untersagt werden. Insgesamt bedarf es daher mehr Differenzierung bei der Anti-Diskriminierung. Im Rahmen der zunehmenden Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten nimmt die notwendige Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden an Bedeutung zu.2 Ein undifferenziertes Diskriminierungsschutzrecht widerstreitet daher auch den ökonomischen Zwängen einer zunehmend breiteren, weithin schon zum globalen Wettbewerb gezwungenen Wirtschaft. Sofern es jedoch gelingt, unternehmerische Freiheit als Voraussetzung zur Schaffung des Wohlstandes aller wahrzunehmen, und im Rahmen des diversity managements die Anlehnung an geschützte Merkmale als beiderseitige Chance zur Marktausschöpfung und damit zur Wohlstandsmehrung zu begreifen, steht der Vereinbarkeit von unternehmerischer Freiheit und Diskriminierungsschutz nichts im Wege.
2
Vgl. insoweit Böhmer, AuA 2008, S. 8 (10).
§ 9 Zusammenfassung/Thesen .
1.
Infolge der deutschen Umsetzung europäischer Anti-Diskriminierungsrichtlinien stellt sich verstärkt die grundlegende Frage nach einem angemessenen Ausgleich zwischen Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit.1
2.
Das freie Auftreten am Markt mittels eines Angebots zur Kundeakquise, d. h. zur Ausschöpfung von Nachfragepotentialen, ist wesentlicher Bestandteil unternehmerischer Freiheit. Dazu gehört, dass sich der Unternehmer auf einem als Erkenntnisprozess verstandenen Markt frei mit seinem Angebot orientieren kann.2
3.
Unternehmerische Entscheidungsfreiheit findet auf europäischer Ebene, die sich traditionell durch ein liberales Marktzugangsverständnis auszeichnet, maßgeblich über das vom EuGH entwickelte Grundrecht der Berufsfreiheit, die Grundfreiheiten des AEUV sowie nunmehr über den speziellen Art. 16 GRCh rechtlichen Schutz.3
4.
Entscheidender materieller Schutzgehalt ist die freie marktliche Betätigung einschließlich der freien Wahl des Vertragspartners; er legt dem eingreifenden Normgeber eine Begründungslast auf.4
5.
Unternehmerische Entscheidungsfreiheit findet auf nationaler Ebene zuvörderst über Art. 12 Abs. 1 GG seinen rechtlichen Schutz, der mittelbar auch auf das Arbeitsrecht einwirkt.5
6.
Inhaltlich umfasst der Schutz u. a. die Arbeitsvertrags- und Dispositionsfreiheit sowie die freie Außendarstellung im Wettbewerb.6
7.
Der Schutz unternehmerischer Freiheit ist auf deutscher und europäischer Ebene inhaltlich und strukturell vergleichbar.7 Der Schutz führt bei Eingriffen jeweils zu einem Rechtfertigungszwang zu Lasten des Eingreifenden.8
1 2 3 4 5 6 7 8
s. o. unter § 1 C., D., § 2 A. s. o. unter § 3 B. s. o. unter § 3 C. II. s. o. unter § 3 C. II. 2., 5. s. o. unter § 3 C. III. 1. b) cc), c). s. o. unter § 3 C. III. 1. b) bb). s. o. unter § 3 C. III. 1. c), § 7 D. II. 5. s. o. unter § 3 C. III. 1. c).
§ 9 Zusammenfassung/Thesen
395
8.
Die unternehmerische Freiheit ist im Arbeitsrecht als Strukturprinzip anerkannt; sie legitimiert sich durch die Pflicht des Unternehmers zur Risikotragung und ermöglicht es dem Arbeitgeber, die Angebotspolitik autonom festzulegen und mittels stimmiger Außendarstellung umzusetzen.9
9.
Die unternehmerische Freiheit erfährt in vielfältiger Weise Beschränkungen, die sich nach allgemeinen Eingriffsgrundsätzen vollziehen, wobei Schutzpflichtund Sozialschutzgedanken zugunsten der Arbeitnehmer eine zentrale Rolle spielen.10
10. Insbesondere durch (europäische und nationale) allgemeine Gleichbehandlungsgebote sowie spezielle Diskriminierungsverbote wird in die unternehmerische Freiheit in vielfältiger Weise eingegriffen.11 11. Der Diskriminierungsschutz lässt sich nach den einzelnen, unbestimmten und tendenziell weit auszulegenden Anknüpfungsmerkmalen unterteilen.12 Je nach Ausgestaltung der zugehörigen Rechtfertigungstatbestände bestimmt sich nach dem Wortlaut des Gesetzes die Möglichkeit zur Berücksichtigung unternehmerischer Freiheit.13 12. Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit durch allgemeine Kosten- und Organisationsbelastungen, die durch Diskriminierungsschutz verursacht werden, sind vom Arbeitgeber hinzunehmen.14 13. Problematisch ist an den Schnittpunkten von Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit zum einen die Einschränkung freier Marktausrichtung, sofern der Unternehmer ein Angebot formuliert hat, welches er nur mittels einer Personalmaßnahme umzusetzen vermag, die nach geschützten Merkmalen differenziert;15 zum anderen geht es um Fälle diskriminierenden Kundenverhaltens, in denen der Anbieter vom Nachfragenden zu einem diskriminierenden Verhalten bestimmt wird, soweit der Unternehmer durch Diskriminierungsschutzregeln dazu angehalten wird, seinerseits auf diskriminierende Maßnahmen zum Schutz des Unternehmens zu verzichten.16 14. Einschränkbar ist die unternehmerische Freiheit über die Schranke des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nach den Grundsätzen der Drei-Stufen-Theorie. Durch die Belastungen infolge des Diskriminierungsschutzes kann in Ausnahmefällen auch die Wahlfreiheit des Unternehmers betroffen sein, wodurch die Rechtfertigungs9
s. o. unter § 3 C. IV. s. o. unter § 4. 11 s. o. unter § 5 B. 12 s. o. unter § 5 C. 13 s. o. unter § 5 C XI. 14 s. o. unter § 5 C. XI. 1, § 7 B. III. 15 s. o. unter § 5 C. XI. 2. a). 16 s. o. unter § 5 C. XI. 2. b).
10
396
§ 9 Zusammenfassung/Thesen
anforderungen steigen.17 Eine absolute Grenze sichert die Wesensgehaltsgarantie, die insbesondere ein Grundmaß an freier nachfrageorientierter Marktausrichtung bewahrt und die Installierung eines Kontrahierungszwanges zu Lasten des Arbeitgebers verbietet.18 15. Das grundlegende Ziel der Diskriminierungsverbote, die einem gesellschaftlichen Konsens über verachtenswerte Motive nachgebildet werden, ist der Ausschluss herabsetzender, die Menschenwürde verletzender Behandlungen anderer aufgrund bestimmter Eigenschaften.19 16. Um den Diskriminierungsschutz, der sich als Ziel einen nichtdiskriminierenden Arbeitsmarkt vornimmt, und die unternehmerische Freiheit, die in Abhängigkeit zu einem pluralistisch ausgestalteten Güter- und Dienstleistungsmarkt steht, miteinander zu vereinbaren, bedarf es der Erhaltung der Reaktionsfähigkeit des Unternehmers im Wettbewerb zur Absicherung des Schutzes marktmäßiger (zur Ausschöpfung von Marktsegmenten differenzierender) wirtschaftlicher Betätigung.20 17. Je weiter dem Arbeitgeber im Rahmen der Rechtfertigungstatbestände unterscheidende Maßnahmen gestattet werden, desto weniger intensiv wird die unternehmerische Freiheit durch das Diskriminierungsverbot betroffen, so dass mittelbare sowie die statusbezogenen Verbote (§ 4 TzBfG, § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG), die sachliche Unternehmerentscheidungen gewähren, der unternehmerischen Freiheit grundsätzlich ausreichend Raum bieten.21 18. Aufgrund ihres engen Wortlauts sind die übrigen Ausnahmetatbestände (insbesondere § 8 Abs. 1 AGG) nicht geeignet, die Erfordernisse unternehmerischen Handelns ausreichend zu sichern.22 19. Als Instrument zur Wahrung der sich aus den Grundsätzen der Risikotragung legitimierenden unternehmerischen Freiheit bedarf es daher der teleologischen Reduktion der Diskriminierungsverbote unter folgenden Gesichtspunkten:23 20. Wo die Anwendung eines Differenzierungsverbotes dazu führen würde, dass dem Unternehmer die Nachfrageausrichtung seines Unternehmens unmöglich gemacht bzw. – im Falle eines merkmalsorientierten Marktauftritts – erheblich erschwert werden würde, sieht sich die unternehmerische Berufswahl- bzw. -ausübungsfreiheit beschränkt. Die Verbotsnormen gelangen in diesen Fällen – entsprechend ihrem Schutzzweck – mangels Eignung zur Durchsetzung der Diskriminierungsschutzziele dann nicht zur Anwendung, sofern die Differenzierung 17 18 19 20 21 22 23
s. o. unter § 6 B. I., II. s. o. unter § 6 B. III., IV. s. o. unter § 7 A. I. s. o. unter § 7 A. II. 1 – 3. s. o. unter § 7 A. II. 4. a). s. o. unter § 7 A. II. 4. b). s. o. unter § 7 A. II. 6.
§ 9 Zusammenfassung/Thesen
397
nicht herabsetzend auf pauschale Vorurteile abhebt, welche in Verbindung mit den geschützten Merkmalen stehen, sondern sich auf objektive, eignungsbezogene Anknüpfungspunkte stützt, insbesondere die sachliche Nähe des Arbeitnehmers zum angebotenen Produkt bzw. Dienstleistung im Sinne eines Qualifikations- und Wissensvorsprungs.24 21. Das unternehmerische Handeln im Sinne der Ausrichtung auf ein bestimmtes Nachfragesegment sowie dessen konsequente Umsetzung im Unternehmen ist im Erkenntnisverfahren vom Arbeitgeber in der Form eines Geschäftskonzeptes darzulegen und zu beweisen.25 22. Als Verbindungslinie zwischen Diskriminierungsschutz und unternehmerischer Freiheit kann zum Wohle beider Arbeitsvertragsparteien zukünftig das Prinzip des diversity managements dienen.26 23. Im Übrigen stellt der Diskriminierungsschutz ein legitimes Mittel zur Erreichung legitimer Ziele dar, das zur Zielerreichung regelmäßig auch geeignet und erforderlich ist, so dass der Diskriminierungsschutzgedanke in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich überwiegt.27 24. Lediglich in Fällen, in denen Arbeitnehmer und Unternehmer mit dem diskriminierenden Verhalten Dritter konfrontiert werden, installiert § 12 Abs. 4 AGG eine Verhältnismäßigkeitsgrenze im Hinblick auf die Anforderungen des Diskriminierungsschutzes.28 In diesem Bereich wird vom Arbeitsrichter ein schonender Ausgleich zwischen Diskriminierungsschutzzielen und unternehmerischen Interessen verlangt.29 Da der Unternehmer besonders im Falle diskriminierenden Kundenverhaltens die Diskriminierungsgefahr nicht beherrschen kann, ist er von den Restriktionen der Diskriminierungsverbote – bis zur Grenze einer unmittelbar auf das diskriminierende Verhalten Dritter gestützten Kündigung – befreit, wenn das Unternehmen bei Verzicht auf die Befolgung des Diskriminierungswunsches erhebliche wirtschaftliche Schäden hinnehmen müsste. Um dies zu beweisen, steht dem Arbeitgeber ein Anscheinsbeweis zur Seite, wenn er darlegen kann, dass er sein Unternehmen auf einen bestimmten Kundenkreis hin ausgerichtet hat und dass dieser Kundenstamm die Merkmalseigenschaft, an die sich sein unternehmerisches Handeln anlehnt, besonders präferiert oder aber ablehnt.30
24 25 26 27 28 29 30
s. o. unter § 7 A. II. 7. b). s. o. unter § 7 A. II. 7. c). s. o. unter § 7 A. II. 8. s. o. unter § 7 B. I., II. s. o. unter § 7 C. I., II. s. o. unter § 7 D. s. o. unter § 7 E.
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Sachwortverzeichnis Absatzmarkt 42 Abschlussfreiheit 37, 57, 84 f. Abwägungsgebot 114, 183 f., 247 ff., 357 ff. Allgemeines Gleichbehandlungsgebot 99 f., 103 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 34, 115 ff., 197 Alter 187 Altersgrenze 191, 193, 290 Altersstruktur 195, 299 Änderung AGG 36 Anforderung 118 ff., 139 ff., 155, 159, 167, 248 ff., 272 Anreizbezogenheit 304, 306, 309 Antidiskriminierungsgesetz(-entwurf) 33, 34 Arbeitnehmerüberlassung 203 Arbeitgeber 41 Arbeitsgenehmigung 172, 250 f, Arbeitsmarkt 232 Arbeitsplatzwahlfreiheit 55 Arzt, Arzthelferin 144, 282 Ausland 147 f., 177, 295 f., 299 Ausnahmetatbestände 108, 118 ff., 139 ff., 248 ff., 254, 377 – bei Unterscheidungen aufgrund der Rasse und ethnischen Herkunft 165 f. – bei Unterscheidungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung 176 f., 179 f. – bei Unterscheidungen aufgrund der Staatsangehörigkeit 170, 171 f. – bei Unterscheidungen aufgrund der Teilzeit- sowie der befristeten Arbeit 201 f. – bei Unterscheidungen aufgrund des Alters 189 ff. – bei Unterscheidungen aufgrund von Arbeitnehmerüberlassung 205 f. – bei Unterscheidungen wegen der (Schwer-)Behinderung 157, 158 ff. – bei Unterscheidungen wegen der sexuellen Identität 154
– bei Unterscheidungen wegen des Geschlechts 137 ff. Außendarstellung 57, 60, 73, 146, 183, 220, 232, 237 f., 244 f., 246, 261, 294 Authentizität 146 ff., 166, 292, 298 Befristung 201 Begriffe 92 ff. Behinderung 155 f. Belästigung 98 Benachteiligung 92 f. Bereichsausnahme 116, 194 Berufsausübung 46, 54, 55 ff., 89, 215 f. Berufsfreiheit 43, 46, 48, 49, 54 ff. Berufswahl(-freiheit) 48, 54, 85, 91, 195, 213 f., 217, 310 Beweislast 125, 319, 325, 341 f., 386 Bewerber 71, 319 Biologische Unterschiede 114, 135 Buchladen 148, 292, 296 Chancengleichheit 88, 231, 243 Charta der Grundrechte der Europäischen Union 30, 48, 51, 104 f. Corporate-identity 62, 73, 244 f. Deliktsrecht 128 Differenzierung 92, 228, 240, 294 Direktionsrecht 72, 85, 99 Diskriminierender Kundenwunsch 185, 212, 233, 235 f., 288, 331, 378 ff. Diskriminierung 93, 94 – mittelbare 96, 137 – unmittelbare 94 f. – verdeckte 95 Diskriminierungskonsens 226 ff. Diskriminierungsverbote 94, 99 f., 113, 116, 130 ff., 272 – im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung 203 ff.
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Sachwortverzeichnis
– im Bereich der Teilzeit- sowie der befristeten Arbeit 199 ff. – wegen der Gewerkschaftszugehörigkeit 207 f. – wegen der politischen Anschauung 113, 207 – wegen der Rasse und ethnischen Herkunft 113, 164 ff. – wegen der Religion oder der Weltanschauung 113, 175 ff. – wegen der (Schwer-)Behinderung 113, 155 ff. – wegen der sexuellen Identität 153 ff. – wegen der Staatsangehörigkeit 170, 171 f. – wegen des Alters 187 ff. – wegen des Geschlechts 113, 130 ff. Diversifikation 233 ff., 236, 256 Diversity management 326 ff. Drittwirkung 66 ff., 110 Eigentum(-sfreiheit) 50, 51, 62 Eingriff 82 ff. Eingriffsschranken 91, 213, 215 ff. Einstandspflicht 123 f., 332, 349, 355 Entgeltgleichheit 131 Entscheidungsfreiheit 41 ff., 59, 68 ff. Entwurf, ADG-E 33 f. Ergebnisgleichheit 100 Erheblichkeitsschwelle 185, 384 ff. Ethnische Herkunft 164 ff. Europäische Menschenrechtserklärung 104, 206 Europäischer Gerichtshof 46 f., 364 ff. Europäisches Primärrecht 102 f., 131 f. Europäisches Sekundärrecht 105 ff., 133 f. Europarecht 44 ff., 83 ff., 102 ff., 131 f., 363 ff. Finanzaufwand 210, 341 Fragerecht 71, 150, 154, 161 f., 196 f., 318 Freizügigkeit 170 Garantenpflicht, -stellung 77, 354, 357, 378 ff., 384 Generalklauseln 127 Gesamtschau 63 Geschäftskonzept 320 Geschlecht 130
Gesetzgebungsverfahren 31 ff. Gesundheit, Gesundheitsschutz 149, 191, 272, 308 Gewerbefreiheit 50, 56, 62 Gewerkschaftszugehörigkeit 207 Gleichbehandlung(-sgrundsatz) 99 f., 103 f., 110 Gleichheitssatz 94, 101, 103, 111 f. Grundfreiheiten 46, 83, 170 ff. Grundrechte 53 ff., 67, 83, 85, 362 Handwerker 288, 291 Herabsetzungsverbote 228 ff., 259, 264 Herkunft 164 Hostess 142 f., 279 Informationsrecht 71, 150, 161, 196, 318 Interessenverband 271, 285 Intimsphäre 144, 154, 254, 281 ff. Kellner 147, 235, 292, 302 Kontrahierungszwang 150, 221 f. Konzept 320 ff. Kopftuch(-urteil) 28, 176 f., 180 ff., 290, 304 Kostenbelastung 341 f., 382 f. Kundenorientierung 57, 74, 80, 148, 162 f., 183 f., 191, 253, 309 Kundenwunsch 42, 57, 81, 122, 148, 153, 191, 237, 253, 263, 291 ff., 309, 316 f., 320 f., 331 f. Kündigungsfreiheit 58, 68 ff., 117, 194 Marketingstrategie 146, 246, 294 Markt 37, 42, 47, 59, 315 Marktangebot 148, 211 f., 233 ff., 241 f., 281, 291 ff., 309 ff. Marktauftritt 42, 50, 57, 72, 73, 74, 76, 80, 81, 146, 155, 183, 202, 210, 233, 237, 238, 240, 260, 274, 279, 283, 291 ff., 309, 320 Markterschließung 75, 233 f., 244 f., 282 Marktfreiheiten 46, 47, 48, 170 Marktgebundenheit 347 Marktorientierung 51, 59, 60, 233, 236 f., 262, 274, 291 ff. Marktpluralität 233, 241 f., 309 Marktsegment 157, 189, 211, 233, 234, 235, 236, 237, 241 f., 260 f., 273 ff., 283, 291 ff., 310, 312
Sachwortverzeichnis Markttrennung 302 f., 316 Marktwirtschaft 37 f., 45 f., 80, 238 f., 241 f., 260 f. Maßregelungsverbot 386 Menschenwürde 27, 111, 226, 261 Merkmal(-sträger) 92, 93, 95, 114, 160, 211, 235, 273, 296, 298, 374 f. Merkmalsorientierter Kundenwunsch 233, 235 f., 240, 261, 291 ff. Mittelbare Diskriminierung 96 ff., 137 f. Mode 141, 144, 190, 234, 283, 292 f., 299 Nachfrageorientierung 60, 66, 73, 80, 153, 183, 211, 233, 234, 236 f., 261, 274, 291 ff., 311 Nachfrage(-wunsch) 42, 153, 191, 234, 291 ff., 309, 316 f., 321, 332 Nähebeziehung 287, 301, 305, 308, 314, 317 f. Obhut 280 ff. Objektiver Merkmalsbezug 301, 314 Pädagogik 143 ff., 280 ff. Parteizugehörigkeit 207 f. Personalauswahl 244, 275, 318, 323 Personalkonzept 323 f. Persönlichkeitsrecht 85, 128, 286 Pilot 191, 290 f., 295 Pluralität 233, 241 ff., 260, 295, 302 politische Anschauung 207 f. Positive Maßnahme 120, 196 Präventivmaßnahmen 121 Privatautonomie 35, 47, 57, 64 f., 86, 244, 349 Privatsphäre 143, 145, 154, 281 ff. Qualifikationsvorsprung 314 Rasse 164 ff. Raucher 227 Rechtfertigung 99 f., 113 f., 118, 225 ff. Rechtfertigungserfordernis 81, 209, 263 Rechtfertigungsmöglichkeiten 99 f., 113 f. – bei Unterscheidungen aufgrund der Rasse und ethnischen Herkunft 165 f.
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– bei Unterscheidungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung 176 f., 179 f., 269 f. – bei Unterscheidungen aufgrund der Staatsangehörigkeit 170, 171 f. – bei Unterscheidungen aufgrund der Teilzeit- sowie der befristeten Arbeit 201 f. – bei Unterscheidungen aufgrund des Alters 189 ff. – bei Unterscheidungen aufgrund von Arbeitnehmerüberlassung 205 f. – bei Unterscheidungen wegen der (Schwer-)Behinderung 157, 158 ff. – bei Unterscheidungen wegen der sexuellen Identität 154 – bei Unterscheidungen wegen des Geschlechts 132 f., 134 f., 137 ff. Rechtfertigungszwang 52 f., 209, 245, 346, 360 Rechtsfolgen 109, 122 f. Rechtsmissbrauch 256 f. Redakteur 269, 299 Regelungsvorbehalt 215 f. Religion 175 Religionsgemeinschaft 177, 179 f., 268 Restaurant 166, 179, 191, 234, 292 ff., 300 f. Richtlinien 105, 107 f., 133 Richtlinienkonforme Auslegung 106 f., 117 Richtlinienwirkungen 105 ff. Risikobeherrschbarkeit 70, 77 f., 349 ff., 380 f. Rollenbild, -erwartung 231, 280, 304, 317 f. Sachgrund 137, 201 f., 205, 248 Schadensersatz 123 f. Schädigungsnachweis 386 ff. Schamgefühl 143, 280 ff. Schauspieler 141, 160, 166, 189, 253, 273, 274 f. Schonender Ausgleich 358 ff., 371 f., 377 Schulungsmaßnahmen 121 f. Schutzpflichten(-wirkung) 86 f., 121 f., 217 f., 356 Schwerbehinderung 155 Selbstbestimmungsrecht 177 f., 179 sexuelle Identität 153 Sicherheitsinteresse 290 f. Sozialauswahl 193 ff.