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German Pages 1002 [1008] Year 1995
G E I L E R , SÄMTLICHE W E R K E III
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AUSGABEN DEUTSCHER LITERATUR DES XV. BIS XVIII. J A H R H U N D E R T S
herausgegeben von Hans-Gert Roloff
J O H A N N E S GEILER VON K A Y S E R S B E R G SÄMTLICHE WERKE
WALTER DE G R U Y T E R · B E R L I N · N E W YORK 1995
JOHANNES GEILER VON KAYSERSBERG SÄMTLICHE WERKE herausgegeben von
GERHARD BAUER
ERSTER TEIL DIE D E U T S C H E N S C H R I F T E N
Erste Abteilung: Die zu Geilers Lebzeiten erschienenen Schriften
DRITTER BAND
WALTER DE GRUYTER•BERLIN · N E W YORK 1995
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Geiler von Kaysersberg, Johannes: Sämtliche Werke / Johannes Geiler von Kaysersberg. Hrsg. von Gerhard Bauer. — Berlin ; New York : de Gruyter. NE: Bauer, Gerhard [Hrsg.]; Geiler von Kaysersberg, Johannes: [Sammlung] Teil 1. Die deutschen Schriften. Abt. 1. Die zu Geilers Lebzeiten erschienenen Schriften. Bd. 3. - (1995) (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts) ISBN 3-11-013995-2
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Zum dritten Band der Edition Die Aufnahme von Geilers {Seelenparadies} in die Erste Abteilung des Ersten Teils der Ausgabe bedarf der Rechtfertigung, enthält jene doch die seinen Lebzeiten erschienenen Schriften. Johannes Geiler ist am 10. Μαπζ 1510 gestorben. Sein {Seelenparadies} hat Matthias Schürer am zwen vndzweintzigisten tag des Brachmonat (S. 878,12), also am 22. Juni 1510, ψ drucken beendet. Der Widmungsbrief des Herausgebers Jakob Otther ist auf den 5. Juni 1510 datiert (S. 8,13). Geilers Werk wäre mithin streng genommen der Zweiten Abteilung zuzuordnen, welche die nach seinem Ableben erschienenen Schriften enthalten soll. Dies nicht %u tun haben mich %wei Gründe bewogen. Die Ungunst der Verhältnisse bringt erstens mit sich, daß die nach Sichtung des überlieferten Geiler-Corpus von mir auf wenigstens elf Bände geplante Edition aller Werke Geilers1 mit dem dritten Bande enden muß2. Es wäre aber wenig sinnvoll gewesen, mit diesem Band eine neue Abteilung %u beginnen, die dann von den nach Geilers Tod erschienenen zahlreichen Werken nur dieses eine enthalten hätte. Zweitens erlaubt die Überlieferungslage3 die Feststellung, daß der Prediger selber bei der Publikation seiner { Seelenparadies in einem Maße Hand angelegt hat wie bei kaum einem anderen seiner Werke. 1 2
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Siehe die Übersicht in Band 1, S. XI. Zu den Gründen siehe Gerhard Bauer: Johannes Geiler von Kaysersberg: Ein Problemfall für Drucker, Herausgeber, Verleger, Wissenschaft und Wissenschaftsförderung. In: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Uteratur 5 (1994), S. 559-589. Hierzu ausführlich und ungemein detailreich Herbert Schmidt,Seelenparadies' und ,Paradisus animae'. Studien zu einem Predigtwerk Johannes Geilers von Kaysersberg und seiner lateinischen Vorlage. Phil. Diss. Mannheim 1994. Für alles Folgende verweise ich auf diese grundlegende Arbeit, die hoffentlich in Kiir^e gedruckt vorliegen wird. Ich zitiere nach dem xerokopierten Onginalexemplar.
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Zum dritten Band der Edition
Da seine Mitwirkung an der Korrektur ausdrücklich hervorgehoben wird4, habe ich esfür gerechtfertigt gehalten, den Druck als offenkundige Publikation letzter Hand ihres Verfassers ψ betrachten und damit die Edition der seinen Lebzeiten erschienenen deutschen Schriften abzuschließen. Daß Geiler die Predigten den Reuerinnen im Straßburger St. Magdalenenkloster5 in den Jahren 1503 bis 1505 gehalten hat, wird durch eine Reihe von Datumsangaben erhärtet. Insbesondere der Abschluß des Predigt^ klus ist für den mitwoch nach Sant Erhardts tag (S. 878,7), also für den 15. Januar 1505, eindeutig belegt. Weniger genau läßt sich eruieren, wann Geiler über das {Seelenparadies) ψ predigen begann. Es konnte bereits Anfang 1503 gewesen sein. Dann müßte der Prediger allerdings im Sommer eine längere Pause eingelegt haben, da er sich, Anfang Juli von Kaiser Maximilian ihm beordert, sogleich nach Konstant und von dort nach Füssen auf den Weg machte, vom Kaiser empfangen wurde, mehrfach vor ihm und dem ganzen Hofe predigte und nach dem 2. August — auf den ein Brief datiert ist, den Geiler aus Füssen an Wimpfeling schrieb6 — noch seinen Freund Friedrich von Zollern, den Bischof von Augsburg, besuchte. Der Zeitpunkt seiner Rückkehr nach Straßburg ist unbekannt. Geiler könnte sehr wohl auch erst danach, also im Spätsommer oder Herbst 15031, ψ predigen begonnen haben. Verläßliche Daten, worauf sich Überlegungen %ur Chronologie stützen können, sind einzig die Hinweise auf Sant Margareten = 20. Juli 1504 (S. 679,18); Sant Jacobs obent b%w. Sant Jacobs tag = 24. b^w. 25. Juli 1504 (S. 680,16f.); Sant Laurentzien obent = 9. August 1504 (S. 680,18f.); Sanctus Lucas = 18. Oktober 1504 (S. 762,11); Sant Erharts tag = 8. Januar 4
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So wird betont, daß Geiler das {Seelenparadies) nicht nur gepredigt, sondern die Aufzeichnung des Texts mit fleiß überlesen und corrigiert habe (S. 8,24f.); vgl. auch S. 3,3. Wenn Douglass, Justification S. 211, auch das Münster als Predigtort nennt, dann kann ich dafür im Text keinen Anhaltspunkt finden. Wortlaut bei Dacheux, Jean Geiler, X 496f. Anm. 2. Schmidt S. 33 Anm. 184 verweist auf %wei Textstellen, die als Indizien für solch späte Datierung des Predigtbeginns betrachtet werden können.
Zum dritten Band der Edition
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1505 (S. 866,17) sowie der bereits erwähnte Termin der Schlußpredigt mitwoch nach Sant Erhardts tag = 15. Januar 1505 (S. 878,7). Welche Überlegungen immer daran geknüpft werden: sie bleiben hypothetisch. Auch die Hinweise auf Geilers Korrekturtätigkeit sind nur scheinbar eindeutig. Der Titelvermerk hat* geprediget / und zuletst corrigiert (S. 3,3) verlegt beide Tätigkeiten ins fahr Tausent Fünffhundert und dreü (S. 3,6f.). Das stimmt überein mit der Bemerkung (S. 8,22—26), der von Schwester Susanna Hörwart, der Priorin des Reuerinnenklosters, nachgeschriebene Text sei darnach mit fleiß überlesen und corrigiert worden vom genannten doctor. Nach Cristi unßers herren geburt tausent. fünffhundert / und dreü gezalt. Unerwähnt bleibt beide Male, daß Susanna Hörwart nur einen Teil der Predigten niederschrieb8 und Schwester Ursula StingeP die Niederschrift bis %um Januar 1505fortführte. Schmidt10 vermutet ansprechend, daß der Herausgeber Otther b%w. der Drucker Schürer den Titel unverändert aus dem handschriftlichen Original übernahm, das sich in der Klosterbibliothek befunden haben mußxx. Es gab offensichtlich den Stand der Dinge Predigtbeginn im Jahre 1503 wieder. Dann aber würde die 8
S. 680,11-24 wird ihr Tod am 10. August 1504 vermeldet und mitgeteilt, daß darnach hat weiter geschriben und mit fleiß biß zü dem end volffirt schwöster Ursel Stingelin.
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Von ihrer Hand stammt u. a. auch das Seelbuch von St. Magdalena (Cod. 179 der Bibliothek des Grand Seminaire in Straßburg), das sie ab 1518 führte. Ich verdanke sowohl den Hinweis darauf als auch einen Mikrofilm der Handschrift meinem Schüler Herbert Schmidt. AaO. S. 34. Im Text finden sich öfters Hinweise Geilers auf Handschriften und/oder Drucke seiner Werke in der Bibliothek des Magdalenenklosters; vgl. etwa: tractat Gersonis / den ich eüch geteütschet hab . . . den söllend ir leßen (S. 189,27—29); hab ich eüch dick geseyt / geprediget / und ouch in geschrift verlaßen die leßend (S. 685,10f.); was das sey / haben ir ein eigne predig von in geschrifft (S. 706,14f.); als ich eüch dick gesagt hab / und ouch als ich meine / in geschrifft habenn (S. 739,25f.); ir habents dick genügsamlichen von mir gehört / und habend des genügsame und clare berichtung von
mir in geschrift (S. 817,25—27). Otther, seit 1507 Geilers Sekretär und ιφ'gleich Hausgeistlicher des Reuerinnenklosters, hatte zweifellos freien Zugang allem.
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Zum dritten Band der Edition
Titelformulierung auch den Schluß zulassen, daß Geiler den mit- oder nachgeschriebenen Text sogleich, also nicht erst nach dem 15. Januar 1505 oder gar erst unmittelbar vor seinem Tode12 — korrigierte. Allerdings bleibt auch diese Schlußfolgerung hypothetisch. Schmidt13 stellt Riickverweisungen wie als vor mals in einer predig gerürt ist / im drey und dreissigesten capitel (S. 710,16f.) zusammen und versteht sie als Indizien ßir nachträgliche Einßigung. Da die selteneren Vorausweisungen des Typs will ich eüch har nach / ob gott will / klerer außlegen (S. 165,7) sämtlich ähnlich vage formuliert sind, könnten sie schon beim Predigtvortrag oder bei der unmittelbar danach erfolgten Überarbeitung eingefügt worden sein, da man — wie Schmidt zweifellos Recht vermutet — bei späterer Einfügung etwa im Rahmen der Drucklegung wohl eine exaktere Formulierung würde erwarten können. Mit- oder nachgeschrieben hat die Predigten zunächst die Priorin des Reuerinnenklosters, Schwester Susanna Hörwart. Sie stammte aus Augsburg und gehörte, was KraumeXA wahrscheinlichgemacht hat, dem dortigen Adelsgeschlecht der Herwarth an. Man darf vermuten, daß sie auch die Textgrundlage der 1508 in Augsburg gedruckten Predigen Teütsch Geilersxs nach dort vermittelt hat. Geiler, den enge Beziehungen mit dem Kloster der Reuerinnen verbanden16, fand in ihr ein liebhaberin gottes / und des nechsten / ein uffrichterin und handthaberin der reformatz und geistliches lebens (S. 680,13—15), folglich eine geschätzte Mitstreiterin bei seinem Bemühen um die Reformierung des Klosterlebens. Sie hat sich auch anderweit um die Verbreitung von Predigten Geilers verdient gemacht von einer 12
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Wie dies offenbar Adolf Vonlantben: Geilers Seelenparadies im Verhältnis zur Vorlage. In: Archiv ßir Elsässische Kirchengeschichte 6 (1931), V. 232 b%n>. 273, vermutet hat. AaO. S. 34f. Kraume, Gerson-Übersetzungen J". 117. Die (Deutschen Predigten]) in dieser Ausgabe Band 2. Siehe da%u insbesondere Lusjan Pfleger: Geiler von Kaysersberg und das S. Magdalenenkloster in Straßburg. In: Straßburger Diö^esanblatt 37 (1918), S. 24-32 und 56-63.
Zum dritten Band der Edition
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gaistlichen leer ... von Übungen der tagenden, die Geiler den Konventualen von St. Magdalenen am 27. Dezember 1498 gepredigt hatte11, stellte sie eine Version für die weltlichen her, bei welcher sie darzu vnnd daruon gethon / was / vnd wie sie gut gedunckt hatt, die der Prediger mit anderen Texten den Schwestern im Reuerinnenkloster %u Freiburg übersandte18. Gestorben ist sie am 9. August 1504, an Sant Laurentzien obent / bald nach den zweyen nach mittag / was freytag, nachdem sie siech worden uff Sant Jacobs obent / in der nacht / deren sunn uffgieng an Sant Jacobs tag / was der obent uff mitwoch da stieß sy das heiß febres an (S. 680,15—20). Im Seelbuch des Klosters hat Ursula Stingel, dessen erste Schreiberin19, %um 9. August entsprechend vermerkt. Gedenckent durch gott Swester Susanna Herwortr(?)in ein priorin diß closters XVciiij° (S. 74). Sie hat auch die Niederschrift der -/Vft#gA;« weiter- und ψ Ende geführt. Ob sie der verstorbenen Mitschwester etwa auch im Amt der Priorin nachfolgte, ist unbekannt. 17 18
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Diese Ausgabe Band 2, S. 444,2ff. { S e n d b r i e f } , Β i i f f . des Exemplars der Staatsbibliothek Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesify Signatur R Db 8256, abgedruckt auch bei Dacheux, Älteste Schriften S. 223f . Der Brief datiert zwar ins fahr 1499, doch stammt der Druck erst von 1543, wie sich u. a. aus dem beigedruckten {Barbali^-Dialog ergibt, der von Niklas Manuel Deutsch stammt. Zu diesem vgl. etwa den Katalog Nikiaus Manuel Deutsch. Maler Dichter Staatsmann. Bern 1979, darin insbesondere Hugo Wagner: Nikiaus Manuel — Leben und künstlerisches Werk, .V. 17—41, und Paul Zinsli: Nikiaus Manuel, der Schriftsteller, S. 75-91. Der Dialog abgedruckt beifakob Baechtold (Hrsg.): Nikiaus Manuel. Frauenfeld 1878 (— Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz und ihres Grenzgebietes Bd. 2), S. 133-202; siehe das? auch Nikiaus Manuel Deutsch, aaO. S. 508 (Nr. 341). Sie bezeichnet das 1518 begonnene Buch unmißverständlich als geschriben jnn der heiligen gehorsam durch die hende einer swester diß closters zu den ruweren genannt S. vrsula stingelerin (Straßburg, Grand Seminaire, Cod. 179, j . 2). Seine letzten Eintragungen stammen aus den fahren derfranzösischen Revolution; vgl. etwa den Schlußeintrag S. 138: anno 1794 den 17 Äugst seint wür alle welche von unsrem Kloster noch hier gewesen seint jn der Zahl 14 jn das collegia eingethun worden weillen wür der eid nicht haben wollen thun nehmlich den der gleicheit undt freiheit, 6 monat darnach seint wüdter frei wordten.
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Zum dritten Band der Edition
Herausgegeben hat die Predigten Jakob Otther (um 1485—1547)20. Der aus Lauterburg Gebürtige begann 1505 das Studium in Heidelberg und wurde 1507 Geilers Sekretär und Hausgeistlicher im Straßburger Reuerinnenkloster. Nach weiteren Studien in Freiburg, die er 1517 abschloß, engagiert er sich seit etwa 1524 immer stärker fiir die Sache Luthers und der Reformation. Wenn Dacheux allerdings seinen ersten Hinweis, Geilers Sekretär sei „un jeunepretre de la diocese de Spire"2X gewesen — wobei er sich auf die Verfassernennung der Ausgabe der lateinischen Sermones de oratione dominica Geilers, die 1509 per Jacobum Ottherum Nemetensem erfolgte22, berufen kann — wenig später23 durch die Angabe erweitert, Otther sei dort „von seinem Oheim" erlogen worden, dann kann sich dies auf keine konkreten Zeugnisse stützen, ebenso wenig wie die Behauptung von Douglass2*, er habe in seiner Jugend die Humanisten Wimpfeling und Jodocus Galt% in Speyer kennengelernt. Bis 1513 gab er, gestützt auf den Nachlaß Geilers, über den er offenbar noch immer verfügen konnte, auf lateinisch Geilers {Navicula sive speculum fatuorum) (1510), die