Sämtliche Werke. Band 23 Politische Schriften I: [Der kluge Hoff-Meister] [Politischer Academicus] 9783110795622, 9783110793925

The Complete Works of Christian Weise begin with volume 23, an edition of his "Political Writings," textbooks

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Der Kluge Hoff-Meister
Politischer Academicus
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Sämtliche Werke. Band 23 Politische Schriften I: [Der kluge Hoff-Meister] [Politischer Academicus]
 9783110795622, 9783110793925

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w e is e , s ämtl ic h e werke x x i i i

ausgaben deutscher literatur des xv. bis xviii. jahrhunderts herausgegeben von Hans-Gert Roloff

c h ris tian weise s ämtl ic h e werk e

christian weise sämtliche werke herausgegeben von

hans-gert roloff

dreiundzwanzigster band politische schriften i bearbeitet von

hans-gert roloff und gerd-hermann susen

De Gruyter

ISBN 978-3-11-079392-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-079562-2 ISSN 0179-0900 Library of Congress Control Number: 2022938444 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: SatzBild, Sabine Taube, Kieve Druck: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Der

Kluge Hoff⸗ Meister/ Das ist /

Kurtze und eigentliche Nachricht/ wie ein sorgfaͤltiger Hoff-Meister seine Untergebenen in den Historien unterrichten/

und sie noch bey junger Zeit also anfuͤ hren sol/ da⸗ mit sie hernach ohne Verhindernuͤ ß die Histo⸗ rien selbst lesen und nuͤ tzlich anwenden koͤnnen.

Vormahls unter dem Titel

Der Fundamental-Historie

zusammen getragen: Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbes⸗ sert und zum andernmahle in Druck gegeben Von

Christian Weisen.

Mit Churfl. Saͤchs. Privilegio. Franckfurt und Leipzig Im Ritzschischen Buchladen zu finden.

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Christian Weise

Dem Hoch-Edel-Gebohrnen Herrn / HERRN

Wilhelm von Koßpoth

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Auf Seubtendorff/ Groß-Städeln und Wolffis/ etc. Chur- und Hoch-Fürstl. Sächs. Magdeb. hochansehnlichem respective würcklichem geheimden und Cammer-Rathe/ Ober-Hauptmann in Thüringen/ Ober-Steuer-Einnehmern und Ambts-Hauptmann in Weißenfels/ etc.

Meinem Hochgeneigten Patron und Beförderer.

HOch-Edelgebohrner Herr. Es ist bekannt/ wie dero hochgeschätzte Tugend sich iederzeit durch eine ungemeine und mehr als gütige Leutseligkeit begleiten läßet: Und dannenhero würde gegenwärtige Zuschrifft allerseits zu entschuldigen ǀ seyn/ wenn ich nichts sagte als dieses/ ich hätte Gelegenheit gesucht/ durch einen glückseligen Zutritt/ etliche Blicke von dero hochgeneigtem Gemüthe zu genießen. Weil aber dergleichen Blicke allbereit vielfältig auff meine Wenigkeit herab geschicket worden; Und über die Hoch-Fürstl. Gnade/ damit unser Augustéum Väterlich erleuchtet wird/ aller hohen Ministres Gunst und Liebe nach sich zeucht: kan ich desto gewissere Hoffnung schöpffen/ es werde diese Kühnheit einen gewündschten Platz in dero Genehmhaltung antreffen. Es ist eine kurtze Schrifft/ welche allhier dargeleget wird: Doch die Kürtze selbst zielet auff einen weitläufftigen Nutz/ welcher so wohl bey Hoch-Adelicher/ als anderer Jugend/ vielleicht zu einigem Nachruhme des Augustéi selbst ausschlagen sol. Derowegen wolle mein hochgeneigter Patron geruhen durch ein angenehmes Urtheil zu erweisen/ was ich anderweit hierinnen hoffen und verlan- ǀ gen dürffe. Meine gantze Vergeltung bestehet in diesem/ dass ich den großen GOtt inständig anruffe/ er wolle bei diesem angehenden Jahre/ dero erleuchteten Sinn mit neuer Krafft ausrüsten/ und vielen Hoch-Fürstlichen Personen zur Vergnügung/ dero Hoch-Adelichen Familie zur Freude/ endlich vielen Clienten zum Troste/ lauter Segen/ Gedeyen und Wolwesen auff-

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wachsen laßen. Was meine gehorsamste Auffwartung betrifft/ kan dieselbe nicht eher erwiesen werden/ als biß durch dero gütigsten Befehl eröffnet wird/ zu welcher Zeit/ wo/ und in welchen Stücken ich mich darstellen solle/ als

Er. Hoch-Adl. Excel. Weißenfels/ den 31. Dec. Unterdienstlich gehorsamer 1675 Christian Weise. ǀ

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Vorbericht.

Geneigter Leser/

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ES ist zu bejammern/ daß die Historischen Studia mehrentheils bey der Jugend sehr weit hinaus gesparet werden/ und offt etliche zwanzig Jahr dahin fließen/ ehe man sich an eine Jahrzahl gewöhnen lernet. Denn gleichwie alle Sachen/ welche man zwischen dem zehenden und zwanzigsten Jahre begriffen hat/ in dem Gedächtnüß am allerbesten bekleiben/ und sich nicht so leicht vergessen laßen/ als das andere/ welches in folgenden Jahren gelernet wird: Also ist nicht zu läugnen/ wer die Historien mit Nutz gebrauchen wil/ der muß sein Gedächtnüß mit vielen Namen und Zahlen überhäuffen; und kan dannenhero diejenige Zeit sehr löblich und ersprießlich darzu anwenden. Gesetzt auch/ man wolte der Jugend Unverstand vorschützen/ als wären die Sa- ǀ chen mehrentheils vor ihre Gedancken zu hoch; So ist es zwar nicht ohne/ man wird ein Kind zu keinem perfecten Historico machen; Doch ist es auch nicht ungereimt/ daß man allmählich einen Grund leget/ darauff hernach der reiffe Verstand etwas kluges bauen kan. Und ich pflege offt also zu sprechen: Kan ein Kind die Spiel-Karte kennen lernen/ und kan es alle Männer und Farben sehr vernünftig unterscheiden; Warumb sol ein Knabe/ wenn er spielende darzu geführet wird/ nicht eben so viel in der Land-Charte begreiffen? Ingleichen sind die Kinder-Spiele/ in welchen viel zu rechnen und zu zehlen ist/ gar leicht zu behalten; Warumb sol es ein so großes Wunder-Werck seyn/ wenn die Knaben an etliche Jahr-Zahlen nach und nach gewiesen werden? Ja die Namen der Länder/ ­Städte und Personen/ laßen sich endlich so mercken/ als sonst ein Wort aus dem Vocabulario nachgesagt wird. Und dannenhero bin ich offt mit mir ǀ zu Rathe gegangen/ wie man doch der edlen und zarten Jugend/ mit etlichen vor­theil­

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haftigen Handgriffen/ möchte zu statten kommen. Weil ich nun mehrentheils erwachsene Leute vor mir gehabt/ und allezeit befunden/ wie schwerlich die Versäumnüß/ welche bey den Knaben nicht geachtet wird/ sich in folgenden Jahren verbessern und gleichsam auswetzen lässet: Als habe ich endlich an etlichen jungen Ingeniis einen Versuch gethan/ wie weit es bey diesem Alter zu bringen sey; und nachdem solches von guten Freunden sehr nützlich nachgethan und gebrauchet worden/ kan ich nicht vorbey/ in diesem kurtzen Vorberichte etliche Regeln beyzutragen/ welche in dergleichen Verrichtungen sehr nöthig und durch die Erfahrung selbst bestätiget sind. Gestalt ich der guten Hoffnung lebe/ es werde von manchen mit Danck angenommen/ oder doch/ in Betrachtung der guten Intention, nicht von allen verachtet werden. ǀ

I. ANfangs/ ehe man sich recht schicket/ die Historien anzugreiffen/ muß einige Wissenschafft aus der Geographie vorhergehen: Da nehme man die Charte von Europa, und zeige erstlich die vornehmsten Länder: Das ist/ Spanien/ Franckreich/ England/ Italien/ etc. und frage continuirlich bald da bald dort/ biß durch die vielfältige Repetition alles bekannt wird. Alsdann zeige man die Haupt-Städte in den Ländern/ das ist/ Paris/ Londen/ Madrit/ etc. Und weil nichts in den Charten so sichtbar und kentlich ist/ als die Flüße und Meer-Ufer/ so nehme man allmählich die vornehmsten Flüße mit darzu/ das ist der Rhein/ der Rhodan/ der Tagus etc. Wenn nun die Charte etlichermaßen bekannt worden ist/ so darff man nicht dencken/ es sey nun alles gut; Sondern weil die jungen Leute dergleichen Sachen bald wieder ausschwitzen/ so muß alle Tage eine Repetition vorgehen. Und kan man sich nicht besser helfen/ als wenn man die Knaben selbst einander fragen lässet. Denn es entsteht eine kleine æmulation, daß einer immer den andern fragen wil/ was er nicht weiß: und also ǀ sieht sich der Fra-

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gende in der Charte umb/ und indem er sucht/ wird seine Memorie gestärcket: Der andere/ weil er ingleichen den unbekannten Namen hin und wieder suchen muß/ wird auch von Tage zu Tage in den Ländern bekannter. Ist Europa durch/ so kan man Teutschland und nach Belieben andere darzu nehmen. Nur daß Maße gehalten werde/ und dieses Studium allzeit mehr einem Spiele als einer ernsthaftigen Information ähnlich sey. Wie denn eben aus diesen Ursachen/ nicht so wol die ordentlichen Stunden/ als sonsten nach Tische/ vor Essens/ oder wenn sich eine Neben-Stunde fügen will/ die Zeit anzuwenden ist.

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MIt denen Jahr-Zahlen/ daran die Historien gebunden sind/ geht es bißweilen etwas mühsamer zu. Denn ob zwar etliche Ingenia sich gleichsam auf den Winck darein zu finden wissen; So sind doch hingegen etliche so langsam/ daß sie mit großer Mühe dahin gebracht werden/ wie sie ein Seculum von dem andern unterscheiden sollen. Und da muß man die gegenwärtige Jahrzahl ansehen: Siehe itzt schreiben wir z. e. 1676. vorm Jahre schrie- ǀ ben wir 1675 u. s. f. Vor hundert Jahren schrieben wir 1576. etc. Und als Christus gebohren ward/ da hieß es 1. 2. 3. endlich 100. 200. biß auff unsere Zeit. Auff diese maße giebt sich endlich der Verstand/ daß er sich in die Zahlen schicken kan.

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UNd dergleichen Vorspiele können der Gelegenheit nach wol im achten Jahre practiciret werden. Endlich wenn der Grund also geleget ist/ so nehme man die Historien vor/ wie sie von mir kurtz sind zusammen gezogen worden. Und ob es zwar so unnützlich nicht seyn solte/ wenn sie an statt ihrer lateinischen Exercitien/ solche vertiren müsten: So ist doch diese Beschwerligkeit darbey/

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daß ein Knabe das Latein nicht wol setzen kan/ wenn der teutsche Stylus nicht nach der lateinischen Art eingerichtet ist. Nun habe ich mehr auff teutsche Redens-Arten und Connexiones gesehen/ welche de verbo ad verbum nimmermehr in andern Sprachen anzubringen sind. Am besten ists/ man setze etliche Knaben zusammen/ und laße sie einen Paragraphum nach dem andern laut lesen/ und wenn solches ordentlich von einem Capitel zu dem andern getrieben worden/ so wird man im ǀ Ausgange sich verwundern/ wie durch dergleichen laute Repetition dem Gedächtnüsse geholffen wird. Ich muß gestehen/ in meiner Jugend wusten wir die Autores mehrentheils außwendig/ welche wir lasen: nicht daß wir mit vielen auswendig lernen wären geplagt und excarnificirt worden; Sondern weil wir alle pensa durch lautes und offtmahliges Lesen/ gleichsam durch die Augen und durch die Ohren zugleich/ dem Verstande einbildeten.

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IV. WEnn nun zum Exempel die teutsche Historie offt ist gelesen worden/ so ist es nicht uneben/ in folio etliche Bogen einzuhefften/ und nach Art der gebräuchlichen Chronologien kurtze Tabellen zu machen/ damit die Synchronismi der andern Republicen è regione hernachmahls beygetragen werden/ und also mit der Zeit eine Historie mit der andern verglichen wird. Oder wolte man Herrn Schraders zu Helmstädt Tabulas Chronologicas mit weißem Papiere durchschießen laßen/ und solche darzu notiren/ auch etliches von dem gedruckten unterstreichen/ so wäre es desto bequemer. Unterdessen muß man allezeit fragen/ oder sie selbst untereinander fragen ǀ laßen/ wenn ist Carolus M. Keyser worden? Wenn ist sein Geschlechte in Teutschland abgestorben? Wenn hat D. Luther angefangen zu disputiren? Wenn ist die Augspurgische Confession verlesen worden? etc. Ja es muß auch umgekehrt gefragt werden: Was ist 1530. 1517. 912. 800. etc. vorgangen? Denn die Kinder sind wie jener einfältige Schulmeister/ der

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kunte wol antworten/ Sem war Noah Sohn/ auff die Frage aber/ wer Sems Vater wäre/ muste er still schweigen. Derohalben muß es auff allen Seiten herumb gekehret werden/ damit der Verstand wol excoliret wird.

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V. Nebenst diesem muß man bißweilen die Knaben im Hause/ im Garten/ ober wo es bequem ist/ und da es nicht das Ansehen hat/ als wenn sie studieren solten/ herumbführen (von den Sachen freundlich und annehmlich reden/ auch einen nach dem andern fragen/ höre/ erzehle mir/ wie ist es mit der Augspurgischen Confession hergangen? Wie hat sich der teutsche Krieg entsponnen? Wie hat dem Pabste der teutsche Friede gefallen? Und da müssen sie angehalten werden/ daß sie alles förmlich ǀ und deutlich vorbringen lernen. Maßen es bey einem Menschen die anständigste Tugend ist/ wenn er seine Gedancken mit geschickten Worten an den Tag geben kan: und sonderlich die Historien/ welche von dergleichen Beschaffenheit sind/ daß sie mehrentheils in Discursen, das ist/ in geschickten Reden müssen gebraucht werden. Ich weiß wol/ daß der Anfang schwer ist; Allein man muß Gedult haben/ und allezeit zurücke dencken/ wie man selbst in diesem Alter gewesen ist/ wil es nicht gehen/ so helffe man ihnen ein/ man sage es selbst vor/ und setze bißweilen ein Præmium drauff/ wer seine Erzehlung am besten ablegen kan.

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WEil ich hier an die Historischen Erzehlungen gedacht habe/ so muß ich etwas anführen/ welches hier und anderswo sehr dienlich ist/ und welches ich bey einem klugen Præceptore gesehen habe. Die Knaben musten alle Abende/ ehe sie zum Gebet und hernach zu Bette gelaßen wurden/ etwas erzehlen/ was sie im Hause

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gesehen hatten/ es mochte so schlecht und so abgeschmackt herauskommen/ als es wolte: Den andern Abend musten sie dergleichen auffschreiben und vorlegen. Denn er sagte: ǀ einem jungen Menschen muß die Zunge gelöset werden/ daß er geschickt und ordentlich von den Sachen reden kan/ die er gesehen hat. Und man gehe nur in die Richter-Stuben/ und höre/ wie bißweilen auch kluge und eingebildete Leute/ wenn sie von gesehenen und gehöreten Dingen ein Zeugnüß beybringen sollen/ alles untereinander werffen/ und wie offt der Richter und die Beysitzer aus der Erzehlung nichts nehmen können. Drumb woraus was kluges werden sol/ bey dem fange man in der Jugend an. Ferner/ sagte er/ laße ich sie schreiben; erstlich damit sie alle Gedancken hurtig auff das Papier bringen lernen/ und nicht über einem Briefe hernach etliche Stunden und etliche Bogen unnützlich verderben; Zum andern damit sie ihr Teutsches orthographicè, und nicht wie die einfältigen Weiber/ lernen zu Marcke bringen. Endlich beschloß er: Ein lateinisches Exercitium ist aller Ehren werth; Allein wer damit denckt seine Untergebene durch die Welt zu bringen/ der ist entweder selbst nicht in der Welt gewesen/ oder er hat den Weltlauff noch schlecht in acht genommen. ǀ

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VII. Derohalben wolte man nun solche kindische Erzehlung darbey treiben/ so würde hernach die Zunge in den Historien desto fertiger seyn. Ich weiß nicht/ ob ich dieses auch begehren sol. Wenn einer Historie gedacht wird/ kan von dem Informatore etwas weitläufftig erzehlet werden. Zum exempel/ wenn der Augspurgischen Confession erwähnet wird/ kan man gedencken/ was vor schreckliche Sachen von den Lutheranern hin und wieder ausgesprenget worden/ als gläubten sie keinen Gott/ und hielten nichts von den H. Sacramenten/ und wie sehr die Widersacher sich geschämet/ daß sie bey Ablesung der Confession ein anders hören müssen; Wie der Keyser selbst das Exemplar zu sich genommen/

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wie die Confession in allen Sprachen versetzet worden/ und dergleichen. Also wenn an die Zerstörung Magdeburg gedacht wird/ kan leicht ein und ander betrübtes Exempel angeführet werden/ welches darbey vorgelauffen ist. Denn die Knaben hören gerne etwas neues erzehlen/ und wenn solche Umstände vorkommen/ lernen sie die Sache desto leichtlicher behalten. Allein ich weiß wol/ in diesem Stücke sind ǀ manche Informatores selbst nicht geübt/ und gehöret auch eine expedite Natur darzu/ daß man alle Stunden so geschickt ist. Es mag es versuchen/ wer Lust hat. Ich kenne Personen/ die es mit Nutzen practiciret haben.

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Sonsten wird es auch thunlich seyn/ bey iedweder Historie das Verzeichnüß der Keyser/ welche am Ende beygefüget ist/mit zu nehmen/ weil dieses allenthalben gleichsam der Schlüssel ist/ dadurch man die Historien zu fassen pflegt/ wenn man weiß/ was vor ein Herr eben die Zeit im Lande regieret hat. Doch ebenfalls/ wie gedacht/ durch fleißiges lesen/ und fragen. Die Könige hätte ich leicht beyfügen können: Doch die Messe befiehlt zu eylen; und es ist leicht aus einem Chronologo, ja aus der Historia selbst zu suppliren.

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IM übrigen hat es nichts zu bedeuten/ wenn gleich bey denen andern Studiis dieses Nebenwerck/ zwey biß drey Jahr continuiret und immerzu wiederhohlet wird: Es sey denn daß ein Knabe mit einem extraordinar-gutem Ingenio begabt wäre. Denn eine Sache lernet sich geschwinde: Allein ǀ was zum Grunde sol geleget werden/ damit darff es nicht heißen: Qvod cito fit, cito perit. Sondern iemehr es getrieben wird/ desto vollkommener wird der folgende Nutz seyn. Wolte man bey guter Zeit mit den Avisen

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e­ inen Anfang machen/ und solche lesen laßen/ würde es umb so viel desto mehr zuträglicher seyn. Und möchte alsodann ein junger Mensch in die Historien selbst hinein gewiesen werden/ da er befinden wird/ mit was vor Lust die Sachen zu lesen sind/ wenn man schon von den Haupt-Stücken einen ziemlichen Vorschmack erhalten hat. Da hingegen ein andrer sich umb gantz unbekannte Händel wenig zu bekümmern pflegt. Im übrigen wil ich nicht verbieten/ die ersten drey Monarchien in etwas bekannt zu machen: Wiewol solches nicht so nothwendig ist/ vornehmlich einem Politico, als die letzte Monarchie. Doch kan es füglich in Erklärung des Justini oder anderer Autorum geschehen. Wie denn auch bey Lesung der Biblischen Historien im alten Testament eine Erinnerung der Synchronismorum viel zu der Sachen helffen kan. Und werden Herrn Schraderi Tabellen sehr viel bey der Sache thun/ welche nochmahls von mir ǀ zu fleißigem Gebrauche recommendiret werden.

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X. ZWar wie hernach die Autores zu lesen/ auch der Stat von allen Republicquen etlicher maßen zu begreiffen ist/ solches gehöret an einen andern Ort. Itzt habe ich mit kindischen Gedancken zu thun gehabt/ und gestehe es gern/ daß ich solche Erinnerung denenselben zu Dienste und Gefallen geschrieben habe/ welche ihr Glücke in dergleichen Auffwartungen suchen/ und hoher Patronen Gunst darinnen verdienen müssen/ daß sie bey derselben Jugend treu und sorgfältig erscheinen.

XI. WAs nun die Historien selbst betrifft/ welche in kurtzen Capiteln angeführet werden/ so habe ich mehr auff die neuen als auff die alten Sachen gesehen. Denn mein Fundament ist dieses: Es sind

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wenig Gemüther/ welche den cursum Historicum gantz abwarten. Wer nun von den alten anfängt/ und darnach ablässt/ der kan sich seiner Historien wenig bedienen: Hingegen wer von dem neuen sich anfangs berichten lässt/ der kan es mit gutem Nutze auff den gegenwärtigen Stat appliciren/ gesetzt/ ǀ er habe die alten Geschichten nicht so genau behalten. Uber dieses wird heute zu Tage die alte Historie mehr darumb geliebet/ weil offt in denen gegenwärtigen Prætensionibus einige Erläuterungen daher gehohlet werden. Drumb wer das neue nicht erkannt hat/ wird von dem alten schlecht judiciren. Also ist dieses mein Rath/ man lerne sich erstlich in das neue schicken/ und nehme hernach/ wenn der Grund geleget ist/ bey heranwachsendem Judicio das alte/ auch wol ohne Information darzu: denn wie Hr. Conringius numehr die alte Historie von Teutschland in den meisten Stücken erkläret hat/ solches müssen auch die Außländer rühmen: wie auch Hr. Sagittarius in Jena bißhero eine und die andere Special-Historie ordentlich und deutlich vorgestellet hat/ das wird schon so bekannt/ daß auch allbereit gewündschet wird/ es möchte in der angefangenen Curiosität fortgefahren werden/ damit also die Historie in ihren zweiffelhaftigen Puncten/ nach und nach ihre Vollkommenheit erlangen möge.

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WAs noch übrig ist/ so bitte ich/ es wolle der geneigte Leser sich diese Arbeit gefallen laßen/ und in Betrachtung ǀ des Nutzens/ welcher hierinne bey der Jugend gesucht wird/ ein annehmliches Urthel beytragen/ oder doch zum wenigsten mit einem widrigen Judicio so lang anstehen/ biß die Erfahrung und die Probe selbst den Ausschlag gegeben hat. Ich beschließe mit dieser Erklärung des Kupfer-Titels:

Ein Kind schaut in die Welt/ Und lernet durch die Welt sich selbst erkennen

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Denn was der Zeit-Lauff in sich hält / Das kan man einen Spiegel nennen/ Darbey der Mensch sein eigen Thun besieht. Ach was ist dran gelegen/ Daß sich die Jugend so bemüht! Wer solchen Samen streut/ Der findt im Alter Fruchtbarkeit. ǀ

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NB.

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HIer ist mit wenigem zu erinnern/ daß in der ersten Edition ein Irrthum mit dem Bogen A vorgelauffen. Denn es war Anfangs ein Bogen gleichsam zur Probe gedruckt/ und weil nicht gnug Exem­ plaria waren zugeschossen worden/ so muste er wieder umbgesetzt werden. Also beliebte es dem Autori noch etwas zu verbessern: Allein in der Druckerey waren die unrechten Bogen mit untergelauffen/ daß also unterschiedene gute Freunde nicht gewust/ wie sie mit der teutschen Historie dran wären. Hier ist nunmehr der Sache abgeholffen/ und hat sich der geneigte Leser keines Irrthums in diesem Stücke weiter zu befahren. Inzwischen wird man sehen/ ob es möchte beliebet werden/ den andern Theil/ und in solchem die Beschaffenheit des teutschen Reichs/ eben auff dergleichen Manier verfertiget/ zu lesen. GOTT befohlen. 〈1〉

Das I. Capitel. Die Historie Von Teutschland. I. WAs Teutschland vor Zeiten vor freye Völcker gehabt/ solches ist aus den alten Geschichten bekannt. Endlich machten sich die Francken an die Gallier/ welche dazumahl unter Römischer Devotion lebeten/ und weil das Römische Regiment sehr verwirrt durch einander gieng/ fügte sich das Glücke/ daß die Francken des Landes Meister wurden/ und solches Franckreich nenneten. Doch gleichwie die Francken in Gallien Meister spieleten; also kamen sie auch wieder zurücke/ und brachten die meisten Völcker in Teutschland unter ihre Botmäßigkeit. In solchem Zustande ward Carolus M. in Franckreich König/ welcher die Kriege wider die Sachsen/ Beyern/ Hungarn und Nordländer glücklich vollendete. 〈2〉

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II. WEil nun gedachter Carolus M. so wol dem Pabste als dem Römischen Volcke sonderbare Freundschafft erwiesen hatte/ so ward er Ao. 800. in der Christ-Nacht zum Römischen Keyser öffentlich ausgeruffen. Und also kam das Keyserthum auf die Francken/ welche nicht allein von teutschem Geblüte waren/ sondern auch das teutsche Reich würcklich inne hatten. Maßen auch diese Dignität bey

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Caroli M. Nachkommen erhalten ward/ biß dessen Geschlechte/ oder daß ich recht sage/ die Teutsche Linie von seinem Geschlechte mit Ludwigen dem IV. 912. abstarb. Zu welcher Zeit die Frantzöische Linie zwar noch überblieben war: doch weil die Teutschen nach ihrer alten Freyheit strebten; oder weil die Frantzöischen Könige untüchtig waren/ und sich selbst von ihren Ober-Hofmeistern (Majoribus Domus) regieren ließen/ so erwehlten die Teutschen Conradum I. welcher bey des Caroli Nachkommen war Hertzog in Francken worden.

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III.

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DEnn Carolus M. hatte zwar das gantze Teutschland bezwungen; doch weil er an allen Orten nicht seyn kunte/ setzte er in 〈3〉 alle Provintzen gewisse Grafen oder Richter ein/ welche dem Volcke zur Gerechtigkeit helffen musten. Allein nach dessen Tode begunten die Grafen erstlich solches Richter-Ambt erblich zu machen; hernach zogen sie die Länder selbst an sich: ja sie brachten es durch Heyrathen/ durch Kauffen/ oder andre Wege dahin/ daß endlich grosse Fürstenthümer wiederumb entstunden/ dergleichen nicht allein der erwehlte Keyser Conrad/ sondern auch die Hertzogen zu Sachsen unter sich hatten. Gestalt auch nach Keyser Conrads Tode 919. Henricus Auceps, Hertzog zu Sachsen/ auff den Keyserlichen Thron erhoben wurde. Wiewol er mit dem Königlichen Titul zu frieden gewesen/ und sich niemahls Keyser genennet/ biß sein Sohn und Nachfolger Otto I. 962. Rom eingenommen/ und sein Keyserthum wieder bestätiget hat.

IV. WEil nun lauter Teutschen zu dieser höchsten Ehre in der Christenheit gezogen worden/ geriethen endlich die Leute auff diese Einbildung/ als hätte Conradus I. ein Gesetz gemacht/ daß kein

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Ausländer ins künfftige solte Keyser werden: welches man in seinem Werth und Unwerthe laßen mag. 〈4〉 Dieses eintzige wäre zu wündschen/ der Pabst hätte die Keyserliche Gewalt nicht so hefftig verfolget/ wie unten sol gedacht werden. So gerieth es leider dahin/ daß/ nachdem Friedericus II. Anno 1250. gestorben/ der Pabst seine Person so wol spielete/ damit über zwantzig Jahr lang kein rechter Keyser kunte erwehlet werden. Endlich kamen doch die Churfürsten/ welche in diesem langwierigen Interregno vollends zu ihrer Freyheit gelanget waren/ auff einen Schluß/ daß Rudolph von Habspurg/ ein Graff aus der Schweitz/ zum Keyser erwehlet ward. Doch dieser muste zu frieden seyn/ daß er sein Ansehen in Teutschland befestigte/ und kunte sich also wenig bekümmern/ wie der Pabst und Italien in Keyserlichem Gehorsam erhalten würden.

V. ZWar das Glücke bot ihm schöne Gelegenheit an die Hand/ dadurch er seine Familie sonderlich erheben kunte. Denn als Teutschland noch ohne Keyser war/ hatte der König in Sicilien Fridericum, Hertzogen in Oesterreich/ hinrichten laßen: Und weil kein OberHerr da war/ welcher sich des entledigten Lehns anmaßen kunte/ hatte Ottocarus, König in Böhmen/ zugegriffen und Oe- 〈5〉 sterreich mit denen benachbarten Provintzen zu seinem Reiche gezogen. Nun wolte er dem neuen Keyser davor keine Rechenschafft geben/ und widersetzte sich so lange/ biß er mit Gewalt darzu gezwungen ward. Also nahm Rudolphus das abgenommene Lehn/ und übergab solches seinem Sohn Alberto, welcher hiermit das Haus Oesterreich gestifftet hat/ dessen Glantz noch bey dieser Zeit durch die gantze Welt erkannt und gepriesen wird.

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DOch als Rudolphus 1291. starb/ war nicht sein Sohn Albertus, sondern Adolphus ein Graff zu Nassau/ zum Keyserthum erhoben; bis endlich 1298. Adolphus abgesetzet/ und Albertus an die Stelle erwehlet ward. Gleichwol nach Alberti Tode 1308. wolten die Churfürsten sehen laßen/ daß sie das Keyserthum nicht gedächten erblich zu machen/ und erwehlten also keinen Oesterreicher/ sondern Henricum VII. einen Hertzog zu Lützelburg/ welchem 1313. in dem Heil. Abendmahl von einem Münche mit Giffte vergeben wurde.

VII.

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HIerauff gerieth Teutschland in groß Unglück. Denn vier Chur-­ Fürsten 〈6〉 erwehlten Ludwigen/ Hertzogen in Beyern: drey Churfürsten hingegen gaben ihre Stimme Friedrichen von Oesterreich: Oder daß ich recht sage/ der Brandenburgische Gesandte/ welcher auff seines Chur-Fürsten Befehl den Oesterreicher wehlen solte/ gab sein Votum, wider des Herrn Wissen/ dem Hertzoge in Beyern: davor er auch in dem Gefängnüß Hungers sterben muste. Zwar was die beyden Keyser belanget/ so behielt doch Ludwig die Oberhand. Endlich starb er 1347. zu gar gelegener Zeit: denn der Pabst hatte ihn schon etliche mahl in den Bann gethan/ hatte auch 1346. Carolum IV. Königs Johannis in Böhmen Sohn/ und Henrici VII. des Keysers Enckel allbereit vorgeschlagen. Und dieser Carolus ist es/ welcher 1356. die güldene Bulle heraus gegeben/ darinnen ein Fundamental-Gesetz/ meistentheils von der Keyserlichen Wahl/ und von den Freyheiten der Chur-Fürsten enthalten ist.

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VIII. DIeser Carolus hatte einen Sohn Wenceslaum, welcher von schlechten Tugenden war. Damit er nun ihm gleichwol einen Weg zum Keyserthum bähnete/ brachte er die Churfürsten durch große Geschencke 〈7〉 dahin/ daß Wenceslaus 1376. zum gewissen Nachfolger bestätiget ward. Gestalt er auch nach des Herrn Vaters Tode 1378. solche Ehre würcklich antrat/ biß er endlich aus unterschiedenen Ursachen wieder abgesetzet ward 1400. Und da folgte ihm Rupertus ein Pfaltzgraff am Rhein; nach dessen Tode 1411. Sigismundus Wenceslai Bruder zu der Keyserlichen Würde gelangete. Und eben kurtz vor derselben Zeit hatte Johann Huß zu Prag in Böhmen wider den Pabst gelehret/ und absonderlich darauf gedrungen/ daß man das H. Abendmahl unter beyderley Gestalt genießen solte. Weil nun 1414. wegen der damahligen Spaltung im Pabsthum zu Costnitz ein allgemeines Concilium ausgeschrieben wurde/ dahin sich der Keyser selbst verfügte/ ward Johann Huß auf sicheres Geleite dahin citiret; allein da er kam/ hieß es/ man dürffte den Ketzern keinen Glauben halten/ und damit muste sich der unschuldige Mann 1415. verbrennen laßen. Zwar dem Keyser zu schlechtem Nutze. Denn die also genannten Husiten fiengen einen solchen Lärmen in Böhmen an/ daß/ obgleich Sigismundus nach des Brudern Tode 1418. hätte die Cron Böhmen erlangen sollen/ solches 〈8〉 gleichwol biß 1436. außgestellet blieb/ da sich endlich die Böhmen zu einem Vergleiche bewegen ließen.

IX. ALs aber Sigismundus 1437. starb/ hatte er keinen Sohn; doch seine Tochter war Alberto von Oesterreich vermählet worden: Drumb weil dieser die beyden Königreiche Ungarn und Böhmen allbereit erblich besaß/ ward er auch 1438. zum Keyser erwehlet. Und von dieser Zeit an ist die Käyserliche Crone von dem Hause Oesterreich nicht abgewendet worden. Denn als Albertus II. starb 1439. folgte

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zwar in den erblichen Königreichen Ladislaus, der erst nach des Vatern Tode gebohren ward: doch zu dem Käyserthum gelangete sein nächster Vetter Fridericus III. welcher das Glück hatte/ daß er von 1440. biß 1493. regierte/ und also dem Augusto zu Rom/ welcher 56. Jahr regieret hat/ am nächsten kam.

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ZWar als Fridericus numehr als ward/ brachte ers bey denen Churfürsten so weit/ daß sie 1486. seinen Sohn Maximilianum I. zum Römischen Könige/ das ist/ zum Nachfolger am Käyserthum bestätigten: Welcher auch 1493. die Besitzung 〈9〉 würcklich erlanget hat. Und dieser Zeit fiel das Glücke gleichsam mit einem Hauffen dem Hause Oesterreich zu. Denn erstlich als Carolus, Hertzog in Burgundien und Herr über die Niederländischen Provintzen/ 1477. in der Schlacht vor Nancy wider die Schweitzer geblieben war/ heyrathete Maximilianus dessen hinterlassene Tochter und einzige Erbin Mariam. Darnach vermählete er seinen Sohn Philippum mit der Johanna, Ferdinandi Königs in Spanien Tochter/ und brachte ihm und seinen Nachkommen also die unvergleichliche Erbschafft zu wege.

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XI.

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ENdlich als Maximilianus I. starb 1519. war sein Sohn Philippus schon vor 13. Jahren todt. Derohalben bemühete sich Philippi Sohn Carolus V. umb die Käyserliche Cron. Doch weil er Spanien schon hatte/ gönnete ihm Franciscus I. König in Franckreich die Ehre nicht/ und setzte sich hefftig darwider. Allein das Glücke war Carolo so günstig/ daß er im Chur-Fürstlichen Collegio die meisten Stimmen erhielt. Alldieweil nun solche Wahl mit vieler Beschwerligkeit war erkaufft worden/ wolte Carolus V. bey seinen Leb-Zeiten der 〈10〉 Sache etwas leichter und genauer abhelf-

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fen/ und brachte es 1531. dahin/ daß sein Bruder Ferdinandus I. welcher zu Madrit gebohren/ und dahero nur dem Geschlechte nach ein Teutscher war/ auch wider etlicher Churfürsten Willen/ zum Römischen Könige/ das ist/ zum gewissen Nachfolger im Keyserthum erwehlet ward: Wiewol sich die Churfürsten/ absonderlich der von Sachsen/ zu Cadan in Böhmen sich zu einer gütlichen Genehmhaltung bewegen ließ; weil absonderlich der Römische König versprach/ es solten die Protestirenden weder von dem Cammer-Gerichte/ noch sonsten/ ihrer Religion wegen beschweret werden.

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XII. DOch der Keyser hatte sich dazumahl nicht wol vorgesehen: Denn als er nach dieser Zeit noch lange lebte/ und sein Sohn Philippus, welcher 1527. gebohren/ numehr begunnte groß zu werden/ hätte er die Römische Königliche Crone dem Bruder gerne wieder entwandt. Allein es wolte sich nicht fügen/ und ward derohalben das Haus von Oesterreich in zwey Linien abgetheilet/ als in die Carolinische/ welche Spanien behielt; 〈11〉 und in die Ferdinandische/ welche Oesterreich/ nebenst Böhmen und Ungarn/ mit dem Keyserthume biß auf unsern LEOPOLDUM erhalten hat.

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XIII. DOch wir müssen in der Historie zurücke sehen/ und das Religions-Werck betrachten/ welches nun über anderthalb hundert Jahr viel Ursache zu schreiben gegeben hat. Denn der Pabst hatte seine Macht in Teutschland so wol als in andern Ländern so fest gestellet/ daß er nunmehr in der Einbildung stund/ es könte ihm nichts abgeschlagen und versagt werden. Doch als er zu S. Peters-­Münster in Rom/ welches er bauen ließ/ viel Geld bedurfte/ schickte er unterschiedene Ablaß-Krämer aus/ welche den Leuten

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Vergebung der Sünden umb Geld anbieten solten. Als nun ein solcher Krämer/ Tetzel genannt/ sich im Sachsen-Lande einstellete/ schickte es Gott so wunderlich/ daß D. Martin Luther/ Professor zu Wittenberg/ solches nicht vertragen kunte/ sondern 1517. öffentliche Theses anschlug/ wie solche Krämerey dem wahren Glauben zuwider lieff/ und wie man Vergebung der Sünden gar durch andere Mittel suchen und erlangen müste. 〈12〉

XIV. 10

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NUn wolte dieses den Pfaffen nicht in den Sinn/ daß sie eben von der Sache solten disputiren laßen/ davon sie bißhero so große Einkommen gezogen hätten. Drumb ward Lutherus 1518. auff den Reichs-Tag nach Augspurg citirt, und weil er nicht revociren wolte/ that ihn der Pabst in den Bann/ und meynte/ nun müste sein Widersacher verlohren seyn. Doch Lutherus respectirte den Päbstlichen Bann so wenig/ daß er solchen 1520. nebenst dem Päbstlichen Rechte/ oder dem Jure Canonico, öffentlich verbrannte. Und von dieser Zeit an/ geschach der öffentliche Abfall von der Römischen Kirche. Zwar der neue Käyser Carolus V. wolte es auff dem Reichs-Tage zu Worms 1521. wieder gut machen/ maßen Lutherus auff gegebnes sicheres Geleite dahin citiret ward: Doch als weder Drohungen noch Verheißungen bey ihm verfangen wolten/ ward er auch von dem Käyser in die Acht erkläret.

XV. 25

DAzumahl schien die Sache sehr gefährlich/ nachdem ein armer Münch den Pabst und den Käyser zu öffentlichen Feinden hatte. Gleichwol regierte GOTT die 〈13〉 Hertzen vieler Fürsten/ absonderlich des Chur-Fürsten zu Sachsen/ daß dieser theure Rüstzeug GOttes muste unbeleidiget bleiben. Ja als der Käyser 1529. auff dem Convent zu Speyer die Acht/ welche Lutherum betroffen hatte/

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lieber wider alle Lutherisch-gesinnte wolte ergehen laßen/ so traten Chur-Sachsen und Brandenburg nebenst andern Fürsten und Ständen auf/ und protestirten darwider; Dahero auch die Lutheraner noch heutiges Tages die Protestirenden genennet werden. Also ward die Sache auff den künfftigen Reichs-Tag verschoben/ welcher das folgende Jahr zu Augspurg angieng: Und da ward 1530. die Confession vor dem Käyser und allen versamleten Ständen öffentlich übergeben und verlesen: Wie sie auch von der Zeit an die Augspurgische Confession genennet wird.

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XVI.

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HIerauff kamen die Protestirenden Stände zu Schmalkalten in Hessen zusammen/ und schlossen ein Bündnüß auff 5. Jahr/ und als solche verflossen waren/ verlängerten sie es 1535. auff zehen Jahr. Doch nach dieser Zeit kam eine Zwietracht nach der andern unter die Bundsverwand- 〈14〉 ten/ also daß der Keyser die Gelegenheit ergreiffen/ und etliche aus den Fürsten überziehen wolte. Denn Franciscus I. König in Franckreich/ welcher ihnen meistentheils den Rücken gehalten/ war numehr auch gestorben. Absonderlich stund der Churfürst zu Sachsen/ Johann Friedrich/ und der Land-Graf zu Hessen/ Philippus/ in großer Gefahr; Drumb wolten sie zuvorkommen/ rückten mit ihrem Volcke in Beyern/ und kündigten dem Keyser Krieg an. Nachdem sie aber in Beyern nicht viel ausrichteten/ zog sich der Krieg in die Sächsischen Länder/ und da war der Churfürst 1547. so unglücklich/ daß er nicht weit von Mühlberg an der Elbe gefangen ward. Zwar der Land-Graff war nicht dabey: Doch ließ er sich durch falsche Worte so weit bringen/ daß er sich vor dem Keyser stellete. Und also musten sich alle beyde in langwieriger Gefängnüß herumbführen laßen.

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XVII.

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UNterdessen nahm der Keyser Johann Friedrichen die Chur/ und gab solche dem nechsten Vetter von der Albertinischen Linie/ Hertzog Moritzen/ in Meynung/ dieser würde numehr dem Hause Oesterreich nicht 〈15〉 zu wider leben. Allein als er sahe/ daß die Vorbitten wegen der gefangenen Fürsten gantz vergebens waren/ und der Keyser sich also einer allzu weiten Herrschaft in Teutschland anmaßen wolte/ machte er 1552. ein heimlich Bündnüß mit Heinrichen II. König in Franckreich/ und erschreckte den Keyser zu Inspruck so sehr/ daß er bey tunckler und ungestümmer NachtZeit davon eilete/ und seinen Bruder/ nebenst denen numehr freygelaßenen Fürsten zurücke ließ. Also gieng Ferdinandus mit auff Passau/ und beschloß noch dasselbe Jahr den bekannten Passauischen Vertrag/ da der Augspurgischen Confession Verwandten in den völligen Reichs-Frieden mit eingeschlossen worden. Gestalt auch dieser Vertrag auff dem Reichs-Tage zu Augspurg 1555. durch den Religions Frieden vollkomen bestätigt ward.

XVIII. 20

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VOn der Zeit an war in Teutschland hin und wieder Uneinigkeit genug/ doch schlug es keinmahl zu einem allgemeinen Kriege hin­aus. Endlich/ als 1582. Pabst Gregorius den neuen Calender/ gleichsam als ein absoluter Herr/ denen Ständen aufdringen wolte/ und gleichwol die Protesti- 〈16〉 renden sich darzu nicht verstunden: So erwuchs allmählig der Argwahn/ als wenn auf Catholischer Seite etwas gesucht würde/ davor man sich in acht zu nehmen hätte. Und weil die also genannte Reformirte Religion in vielen Fürstlichen Höfen nach und nach auf zu wachsen begunnte/ merckten sie wol/ daß sie unter der Augspurgischen Confession nicht allezeit würden verborgen bleiben/ und daß eine Zeit kommen könte/ da man ihnen den Religions-Frieden abdisputiren möchte. Derhalben stärckten sie die andern in dem Verdachte wi-

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der die Catholischen/ biß 1606. die Stadt Donawerth gleichsam in das Netz gelocket ward. Denn der Apt zum H. Creutz daselbst wolte Procession halten/ welches fast in 50. Jahren nicht geschehen. Da stund der gemeine Pöbel auff und überfiel die Münche. Solcher Ursachen wegen ward die Stadt in die Acht erkläret/ und ob sie gleich in den Schwäbischen Creyß gehörete/ ward doch die Execution vom Hertzoge in Beyern vollzogen/ und muste sich die gantze Bürgerschafft reformiren oder verjagen laßen. Hierauf ward nach langen heimlichen Correspondentzen/ endlich 1610. ein Bündnüß geschlossen/ wel- 〈17〉 ches sie die Union nenneten. Und da hätte sich Henricus IV. König in Franckreich zu einem Ober-Haupte brauchen laßen/ wenn er nicht von einem Meuchel-Mörder wäre hingerichtet worden. So geriethen die Anschläge etwas in das stecken/ und ward Fridericus V. Churfürst zu Heydelberg das OberHaupt in der Union.

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XIX. DAs ist gewiß/ wäre der König in Franckreich nicht umbkommen/ so hätte Teutschland den bevorstehenden Krieg etwas eher empfunden. Doch gab es ein Vorspiel mit der Jülichischen Streit-Sache/ davon wir unten etwas berichten. Ja die Catholischen wolten sich auch gegen der Union versichern/ und schlossen ein ander Bündnüß/ welches sie die Liga nenneten. Also mangelte nichts zu einem blutigen Kriege/ als eine rechtschaffene Ursache. Diese fand sich nun in Böhmen. Denn da hatten die Stände sub utraque, das ist/ welche das H. Abendmahl unter beyderley Gestalt nahmen/ 1609 vom Käyser Rudolpho mit grossen Unkosten einen Majestät-Brieff ihrer Freyheit wegen erhalten: doch weil sein Nachfolger Matthias, ihren Gedancken nach/ offt 〈18〉 wider die erworbne Freyheit etwas geschehen ließ/ und absonderlich seinen Vetter Ferdinandum II. 1617. zum Könige in Böhmen vorschlug/ gab es unter den Ständen sehr widerwärtige Anschläge/ biß 1618. etliche Käyserisch-gesinnte von dem Schlosse zu Prage in den Graben

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herunter gestürtzet wurden. Nun erfolgete Käysers Matthiæ Todt 1619: Derhalben versahen sich die Böhmen bey dem Hause Oesterreich schlechter Gnade/ und machten Fridericum den Churfürsten zu Heydelberg zum Könige: ungeacht Ferdinandus von den übrigen Churfürsten zum Käyser erwehlet ward.

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HIerauf kam es zum öffentlichen Kriege/ und ob wol die Ungarn auch abfallen/ und den Fürsten in Siebenbürgen/ Bethlem Gabor/ zum Könige haben wolten; ging Ferdinandus doch mit den Ligistischen Völckern auff den nächsten Feind in Böhmen loß/ und schlug ihn 1620. in der Schlacht auf dem weißen Berge vor Prag aus dem Felde; daß Fridericus in Schlesien/ von dar in die Marck/ und endlich gar in Holland entweichen muste. Also ward Böhmen wieder Käyserisch: die gantze Pfaltz aber schenckte der Key- 〈19〉 ser Maximiliano dem Hertzoge in Beyern/ und machte ihn an des Friderici Stelle 1623. zum Churfürsten.

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WEil nun Fridericus mit allen Helffers-Helffern in die Acht erkläret war/ thaten etliche Fürsten/ als Hertzog Christian von Braunschweig/ Administrator zu Halberstadt/ der Fürst zu Jägerndorff/ auch ein unächter Grafe zu Mannsfeld den Keyserlichen nicht geringen Widerstand. Biß der Niedersächsische Creyß sich befahrete/ es möchte wegen etlicher Personen leicht die gantze Nachbarschafft in Ungelegenheit gerathen. Und dannenhero kamen sie 1625. zusammen/ und machten eine gewisse Defensions-­ Verfassung/ darzu der König in Dennemarck/ als Hertzog in Holstein/ sich zum Ober-Haupte brauchen ließ. Doch der Käyser meynte/ es wäre auff ihn angesehen/ und gieng auff sie loß/ hatte auch 1626. bey Königs-Lutter/ nicht weit von Braunschweig/ das

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Glück/ daß er in der Schlacht das Feld behielt. Also gieng es bunt untereinander/ biß der König in Dennemarck 1629. zu Lübeck Frieden machte/ und die Stände des Niedersächsischen Creyses nicht mit einschloß. 〈20〉

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ALso erklärte der Keyser die Vornehmsten in die Acht/ als Christian Wilhelmen von Brandenburg/ Administratorn zu Magdeburg; Ingleichen die Hertzoge zu Mecklenburg. Und zwar Magdeburg wurde von dem Capitel Hertzog Augusto, des Churfürsten zu Sachsen Sohne/ numehr völlig angetragen: da hingegen der Pabst seiner eingebildeten Gewalt nach (doch mit schlechtem Fortgange) solches Leopoldo Wilhelmo des Keysers Sohne vorschlug. Aber Mecklenburg ward Alberto von Friedland/ Fürsten von Wallenstein/ gäntzlich eingeräumet.

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UBer diesem glücklichen Fortgange machten sich die Catholischen die Rechnung/ als wäre das Spiel gewonnen/ und meynten/ die Lutheraner würden numehro bald zu dämpfen seyn. Derhalben ward noch dieses 1629ste Jahr ein Edict publiciret/ es solten alle geistliche Güter/ welche seit dem Religions-Frieden von 1555. wären eingezogen worden/ mit allen Nutzungen völlig wieder erstattet werden. Denn sie bezogen sich auf den geistlichen Vorbehalt/ das ist/ auff den Artickel des Religion-Friedens/ da Fer- 〈21〉 dinandus I. in Krafft Käyserlicher Vollmacht beschlossen hatte/ wer von geistlichen Personen die Religion änderte/ solte der Beneficien/ doch seiner Ehren unschädlich/ verlustig seyn. Doch weil die Protestirenden sich niemahls darzu verstanden/ sondern allezeit darwider gesprochen hatten/ wolte man auch diesesmahl bey dem alten Rechte bleiben. Denn gewiß/ wenn dieses hätte gesche-

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hen sollen/ so wäre das gantze Lutherthum in Catholische Hände gerathen. Wie denn der Churfürst zu Sachsen selbst/ welcher stets bey dem Keyser gehalten/ sein Glück in acht nehmen/ und sich auff der Zusammenkunfft in Leipzig 1631. wider ihn erklären muste.

XXIV.

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INzwischen nahm der Wallensteiner Mecklenburg ein/ und wie der Hertzog in Pommern seine Besatzung nicht zulaßen wolte/ gieng er auf ihn loß/ und wolte also die Herrschafft auff der OstSee behaupten. Doch als er Stralsund vergebens belagerte/ kam Gustavus Adolphus König in Schweden 1630. in Teutschland an/ und gab vor/ seine Vettern die Hertzoge zu Mecklenburg wären unbilliger Weise aus ihrem Gebiete vertrieben; Darnach wolte er nicht lei- 〈22〉 den/ daß sich der Wallensteiner einen Herrn über die Ost-See nennete; Und endlich waren andere Ursachen/ welche zu weitläufftig sind. Hierauff wurden die Keyserlichen mit schlechtem Widerstande aus Pommern und Mecklenburg vertrieben.

XXV. 20

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INzwischen musten die Protestirenden Stände wegen der Geistlichen Güter wachsam seyn/ und kamen derhalben 1631. zu Leipzig zusammen: Doch wolten sie mit dem Schweden noch keine Gemeinschafft haben/ biß die Keyserlichen Magdeburg einnahmen/ und die berühmte Stadt zu einem Steinhauffen machten; Da nahmen sie den König in Schweden mit in das Bündnüß/ und erhielten eben in diesem Jahre 1631. die Schlacht vor Leipzig/ da die Protestirenden endlich sahen/ daß ihre Sache nicht gantz verspielet war. Und also gieng der Schwede auff Erffurt/ Würtzburg/ Mäyntz/ ja endlich in Beyern/ biß er wieder in das Sachsen-Land gelocket ward; Da gerieth es vor Lützen 1632. zu einer Schlacht/ vor welcher

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der König selbst im recognosciren auff der 〈23〉 Wahlstatt blieb; Doch den Keyserlichen zu schlechtem Vortheil/ indem sie zum andern mahle das Feld räumen musten.

XXVI. NAch diesem vertrauete der Keyser dem Wallensteiner/ der etwas in Ungnaden gewesen/ wiederumb das Ober-Commando: Doch waͤre dieser listige General nicht 1634. zu Eger überfallen worden/ so hätte eine Verrätherey mögen ausbrechen/ welche dem Hause Oesterreich schlechten Vortheil würde gebracht haben. Indessen führete Graf Oxenstirn die Schwedische Armee/ und setzte den Krieg mit gutem Glücke fort/ biß 1634. in der Schlacht vor Nördlingen alles auff einmahl verloren ging. Da sonderte sich Chur-Sachsen von der Schwedischen Parthey/ und machte 1635. mit dem Keyser zu Prag Friede. Hingegen muste der König in Franckreich/ welcher den Schweden bißhero heimlich beygestanden/ sich mit Oesterreich und Spanien in öffentlichen Krieg einlaßen. Dieses gab dem Schweden einen solchen Muth/ daß sie 1636. die Schlacht vor Witstock in der Marck erhielten. 〈24〉

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XXVII. NUn war Teutschland des Krieges schon lange müde gewesen/ und hatte es an gütlichen Tractaten 1630. zu Regenspurg/ 1637. zu Cölln/ auch 1640. zu Regenspurg/ und hierauff so wol zu Cölln und Hamburg nicht ermangelt: doch es schien so schwer/ daß sich die Handlungen fruchtlos zerschlugen. Also gewonnen die Schweden 1642. noch eine Schlacht vor Leipzig/ und nachdem bald hierauff zu Münster mit den Frantzosen/ zu Osnabrück mit den Schweden Friedens-Handlung gepflogen ward/ so ward von Sachsen und Beyern ein allgemeiner Stillstand 1646. beliebt/ da unterdessen Franckreich und Schweden mit dem Keyser noch ferner zu thun

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hatten. Doch wie es mit dem Frieden etwas langsam herging/ hatten die Schweden das Glück/ daß sie 1648. Prag einnahmen. Also eilten sie mit dem Frieden/ daß er beyderseits noch dieses Jahr beschlossen ward/ und Prage so wol den Anfang als das Ende des Krieges empfinden muste.

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IN diesem Frieden ward den Frantzosen Elsas mit aller Souve­ rainität abgetre- 〈25〉 ten; der Schwede bekam an der Ost-See Vor-Pommern und Stetin/ ingleichen Wißmar; an der West-See Bremen und Vehrden/ doch als ein Vasall des Reichs: die andern Fürsten wurden mit Klöstern und Geistlichen Gütern abgefunden. Der Pfaltz-Graff bekam die achte und neu-bestätigte Chur-Stelle/ so lange das Haus Beyern bestehen wird: Auch ins gemein ward wegen der Religion dieses beschlossen/ daß alles in diesen Stand solte gesetzet werden/ wie es Anno 1624. zu welcher Jahres-Zeit es seyn möchte/ gewesen wäre. Und obwol der Päbstliche ­Nuncius wegen der Geistlichen Güter sehr protestirte/ ward doch der Friede Anno 1650. zu Nürnberg gäntzlich vollzogen/ und hatte der Pabst nichts mehr in seiner Gewalt/ als daß er Anno 1651. eine Bulle wider diesen Frieden herauß gab/ darinn er alle von dem Eyde loßzehlete/ welcher in dem Schlusse war geleistet worden: doch weil es den Catholischen Ständen selbst eine Schande war/ als hätten sie nicht gewust/ was sie beschließen oder beschweren solten; ist durch GOttes Hülffe dieser Ursachen wegen der Friede noch erhalten worden. 〈26〉

XXIX. NUn hat es zwar an particular-Streitigkeiten nicht gemangelt/ davon etliche unten berühret werden; Doch ist aller Streit noch also beygeleget worden/ daß unser gantzes Vaterland niemahls

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den Schaden an allen Orten empfunden hat. Dannenhero als Ferdinandus III. Anno 1657. Todes verbliche/ und die Keyserliche Wahl über ein Jahr auffgeschoben wurde/ traten die Rheinischen Chur-Fürsten/ mit Zuziehung andrer Fürsten/ zusammen/ und beschlossen die Rheinische Alliantz. Doch hierauf ward unser Leopoldus erwehlet 1658. welcher 1660. das sonderbahre Glück erlebte/ daß in der gantzen Christenheit/ das eintzige Portugal außgenommen/ Friede geschlossen ward.

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XXX. OB nun wol der Türcke 1662. und folgende Jahre in Teutschland groß Schrecken verursachte; Auch sonsten etliche Ursachen vorgefallen/ darbey man sich einiger Widerwertigkeit besorget hat: ist doch alles in gutem Zustande blieben/ sonderlich weil in besagtem Jahre 1662. ein öffentlicher Reichs-Tag in Regenspurg 〈27〉 angestellet worden/ welcher numehr in das dreyzehende Jahr nach einander gehalten wird: allermaßen durch solches Mittel die gesambten Stände leichtlicher zu einem Schlusse gelangen können. Endlich/ als der König in Franckreich 1672. die Holländer mit Krieg überzog/ und etliche Reichs-Stände mit in sein Bündnüß gelocket hatte/ kam der Krieg dem Römischen Reiche so nahe/ daß man wider Franckreich nothwendig brechen muste. Nun steht es noch bey GOTT/ ob dieses instehende Jahr 1676. einen bestätigten Friede oder einen continuirten Krieg mit sich bringen werde. 〈28〉

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Das II. Capitel. Die Historie Von Spanien. I. 5

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SPanien gehörete vor Zeiten unter die Römer: Hernachmals nahmen es die Gothen ein/ welche sich mehrentheils zur Christlichen Religion bekenneten. Aber 713. kamen die Mohren oder Mauri, welche der Saracenischen oder Mahometischen Religion zugethan waren/ aus Africa, und machten sich fast das gantze Land unterwürffig. Wiewol die Christen wurden dieses Joches bald überdrüßig/ und suchten nach und nach die Heyden wieder herauß zu schlagen. Und weil nun einer hier/ der andre da sein Heyl versuchte/ ward das Land in viel Königreiche abgetheilet/ welche noch diese Stunde in des Königs Titul ordentlich erzehlet werden.

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II.

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ENdlich kam ein Königreich zu dem andern/ biß das meiste auff Castilien und Arragonien bestund. Da fügte sich nun 〈29〉 das Glück/ daß Henricus IV. König in Castilien 1474. keinen Erben als seine Schwester Isabellam hinterließ/ und solche an Ferdinan­ dum Catholicum König in Arragonien vermählet wurde. Also kam Spanien meistentheils wieder unter ein Haupt/ und fehlete nichts mehr als Portugal/ Navarren und Granaten. Doch Granaten/ welches die Saracenen noch inne hatten/ ward 1491. eingenommen/ und erfolgte das Jahr hierauf das bekannte Edict, daß alle Jüden

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und Saracenen/ welche sich auf etliche hundert tausend Mann belieffen/ das Land räumen/ und ihre besten Sachen zurücke laßen musten. Was Portugal und Navarra betrifft/ davon sol bald Meldung geschehen.

III. ES hatte aber Ferdinandus Catholicus (welcher Zu-Namen den sonderbahren Eyfer in der Religion bedeuten solte) dieses Glücke/ daß die neue Welt/ das ist/ America oder West-Indien unter ihm entdecket wurde. Dann Christophorus Columbus ein Genueser/ weil er entweder aus natürlichen Ursachen abnahm/ oder aus eines verirreten Schiffers Tage-Re- 〈30〉 gister gelesen hatte/ es müste gegen Abend noch ein großes Land verborgen seyn; als entdeckte er der Republic von Genua sein Vorhaben/ wie er solches suchen wolte. Allein er ward vor einen Auffschneider gehalten. Hierauff gedachte er in Portugal anzukommen/ ließ sich auch bey dem König in England anmelden: doch war alles vergebens. Biß er in Spanien kam/ und nach langem Hoffen bey der Königin Isabella Audientz erlangete: welche sich also weit bereden ließ/ daß sie gedachten Columbum 1492. zu Schiffe fortschickte. Da er denn nach vielfältiger Mühe etliche Americanische Insuln angetroffen/ und mit großem Schatze an Golde und Edelgesteinen wieder in Spanien gekehret. Als nun hierauff unterschiedene Reisen vorgenommen wurden/ fuhr Americus Vesputius 1497. aus/ und entdeckte das rechte feste Land; wie es auch von ihm den Namen bekommen/ daß es/ wiewol mit einer andern Pronunciation, America genennet wird.

IV. EBen umb dieselbige Zeit/ 1497. hatten die Portugesen einen Weg umb Afri- 〈31〉 ca nach Capo bonæ Spei, und von dar weiter

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in Ost-Indien gesucht/ und brachten die köstlichen Gewürtze in Europa, welche sonst durch das rothe Meer nach Alexandrien/ und so dann nach Venedig geführet wurden. Dannenhero als die Spanier West-Indien entdecket hatten/ griffen die Portugesen zu und nahmen Brasilien weg: Zwar nachdem die Spanier solches nicht vertragen wolten/ legte sich der Pabst Alexander VI. darzwischen/ und verglich diese beyden Nationen so weit/ daß/ weil die gantze Welt 360. Grad/ oder/ ein Grad zu 15. Meilen gerechnet/ 5400. Teutsche Meilen im Umzirck hat/ die Spanier 180. Grad oder 2700. Teutsche Meilen gegen Abend/ die Portugesen so viel gegen Morgen fahren solten. Und solches ist auch beständig gehalten worden; außer daß die Portugesen in Brasilien geblieben/ und die Spanier in den Philippinischen Insuln Meister worden sind.

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DOch daß wir wieder auff den Ferdinandum Catholicum kommen/ so hatte er zwar einen Sohn Johannem, doch derselbe starb 1497. und seine Gemahlin 〈32〉 Margaretha, Keysers Maximiliani Tochter/ welche gleich schwanger war/ brachte vor übermäßiger Betrübnüß ein todes Kind auf die Welt. Also waren nun lauter Töchter noch übrig. Und zwar Isabella die Erstgebohrne hatte sich 1490. an Alfonsum VI. König in Portugal/ verheyrathet; Doch weil er das Jahr darnach den Hals von dem Pferde gestürtzet/ und also die Gemahlin zur Witwe worden war/ ward sie zum andern mahle 1497. an Emanueln, König in Portugal/ vermählet/ da sie denn 1498. in der Geburt eines Sohnes starb. Und ob wol dieser Sohn Michaël alsobald in dem andern Jahre zu einem allgemeinen Erben/ so wol in Spanien als in Portugal erkäret wurde; starb er doch 1500. und machte auch diese Hoffnung zu nichte. Da kam also die Reyhe an die andere Tochter Johanna, welche Philippum von Oesterreich/ Keysers Maximiliani I. Sohn/ zum Gemahl hatte. Und dieses ist eben das erste Verbündnüß des Hauses Oesterreich mit Spanien.

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VI. ZWar Ferdinandus Catholicus hatte sich dieses Tochtermanns nicht zu er- 〈33〉 freuen: Denn 1506. begehrte er/ der Schwieger-Vater solte sich in sein Königreich Arragonien begeben/ er wolte schon das Königreich Castilien im Namen seiner Gemahlin regieren. Doch Philippus starb unversehens/ und blieb also Ferdinandus bey der vollen Regierung: brachte auch das Königreich Navarren unter seine Botmäßigkeit 1512./ davon in der Frantzöischen Historie wird geredet werden. Endlich starb er 1516. und hatte zum Nachfolger des Philippi Sohn/ Carolum, welcher unter den Spanischen Königen dieses Namens der erste war; Doch weil er 1519. die Keyserliche Crone darzu erlangte/ dessentwegen Carolus V. genennet wird. Was nun zwischen diesem Keyser/ und dem Könige in Franckreich Francisco I. vorgelauffen/ solches ist in die Frantzöische Historie gesparet worden. Und gewiß Carolus V. hätte das Keyserthum seinem Sohne Philippo II. leicht zuwenden können/ wenn er nicht vor der Zeit seinen Bruder Ferdinandum I. zum Nachfolger bestätigt hätte. Also geschahe es/ nachdem Carolus V. abgedancket/ und 1558. im Closter gestorben war/ daß sein Sohn nur in den Spanischen 〈34〉 und andern darzu gehörigen Provintzen succedirte/ da inzwischen Teutschland durch eine abgesonderte Linie regiert ward.

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VII. OB nun wol von langer Zeit her zwischen Spanien und Franckreich keine beständige Freundschafft war gehalten worden/ so gab sich doch bald bey Antritt Philippi II. eine neue Ursache hervor. Der Pabst Paulus IV. aus dem Geschlechte Caraffa, that einen Fürsten von Columna in den Bann/ damit er seinen Vetter dadurch bereichern könte. Allein die Columneser suchten bey Spanien Hülffe/ und erlangten solche unter dem Duc de Alba, damahligen Gubernator in Meyland: Hingegen der Pabst sahe auff Franckreich/

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und bekam Hülffe unter dem Hertzoge von Guise. Damit blieb der Krieg nicht in Italien; sondern zog sich ferner in Niederland und in Franckreich/ wie denn Philippus II. in eigner Person S. Qvintin in Piccardien belagerte/ und einnahm 1557: Und weil er in der Belägerung S. Laurentii Closter nothwendig verderben muste/ ließ er dem Laurentio zu Ehren das weltberühmte Escurial mit unsäglichen Unkosten bauen/ welches 〈35〉 nunmehr 1671. durch einen unglücklichen Brand meistentheils eingeäschert worden.

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DOch nach solcher Feindschafft/ ward zwischen beyden Cronen 1559. zu Cambresi in einem Schlosse/ nicht weit von Camerach in Niederland/ ein vollkommner Friede geschlossen/ also daß Philippus II. in Spanien Henrici II. in Franckreich Tochter sich vermählen ließ. Wiewol diese Vertrauligkeit bekam bald einen ziemlichen Stoß; Denn weil Carolus V. als Keyser vor dem Könige in Franckreich die Oberstelle gehabt/ so wolte numehr ­Philippus II. nicht weichen/ und fing durch seine Gesandten auf dem Concilio zu Trident 1563. einen solchen Præcedentz-Streit an/ welcher weder dazumahl/ noch in folgender Zeit/ hat können verglichen werden. Und numehr solte ich den Anfang des Niederländischen Kriegs erzehlen. Doch damit die Historie nicht zerrissen wird/ wil ich erstlich anführen/ wie Spanien mit Portugal vereinigt worden.

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Anno 1578. ward König Sebastian in Portugal/ in einer Schlacht wider 〈36〉 die Africanischen Mohren umbracht/ und succedirte ihm also seines Groß-Vatern Bruder Henricus, welcher zuvor ein Cardinal gewesen/ und numehr so alt war/ daß er an keine Heyrath/ vielweniger an Leibes-Erben gedencken durffte. Dannenhero

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als er starb 1580./ erhub sich ein Streit unter den Erben/ welcher aus der beygefügten Genealogie am besten zu verstehen ist: Henricus Isabella Eduardus König in Portugal. seine Schwester/ sein Bruder. Keysers Caroli V. Gemahlin. Philippus II. Catharina König in Spanien. Johannis Hertzogs von Breganza Gemahlin. Denn es fragte sich/ ob des Bruders Tochter/oder der Schwester Sohn das beste Recht zu der Nachfolge hätte. Wiewol der König in Spanien war der mächtigste/ und konte leicht gewinnen. Also hatte von derselben Zeit an der Spanier über Ost- und West-Indien zu gebieten. 〈37〉

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X. NUn wollen wir wieder zurück sehen/ was mit Niederland vorgelauffen ist. Denn nachdem Maximilianus die Burgundische Maria geheyrathet/ und hierdurch die Erbschafft der wichtigen und reichen Provintzen an sich gebracht hatte/ muste er dieselben in der alten und hergebrachten Freyheit bleiben laßen/ also daß nichts beschlossen ward/ welches die Land-Stände/ oder die also genannten Staten nicht gebilliget hätten. Auch Carolus V. ob er zwar wider die Lutheraner und Reformirten etwas scharff mit der Spanischen Inqvisition verfuhr; so ließ er doch die Politische Freyheit unverändert. Gestalt auch das Gouvernement allzeit einer Person von dessen Geblüte anvertrauet war/ ob sie gleich Weibliches Geschlechtes war. Doch so bald Philippus II. zur Regierung kam/ ließ sich alles zu einer großen Enderung an. Denn erstlich machte er unterschiedene Bischöffe/ die vor diesem nicht gewe-

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sen waren: welches schon der Freyheit einen Stoß gab/ weil die Unkosten von den andern Einkommen musten abgezogen werden. Zum andern führete er die Spanische Inqvisition ein/ und 〈38〉 schickte den Hertzog von Alba, einen grausamen Castilianer/ zum Gubernator, 1567. welcher auch sein Ambt so wol in acht nahm/ daß innerhalb fünff Jahren/ über 18000. Personen durch den Scharffrichter/ und über 100000. Menschen durch die Soldaten hingerichtet worden. Ja der Staten Rath ward abgeschaffet/ und zu höchstem Nachtheile der Kauff-Leute/ solte nun eine iedwede Wahre mit dem zehenden Pfennige verzollet werden.

XI.

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NUn war es nicht ohne/ ehe der Hertzog von Alba in das Land kam/ so hatten sich etliche verwegene Buben/ nicht allein an die Kirchen auff dem Lande/ sondern auch in Städten/ ja gar in Antwerpen/ gemacht/ die Bilder daraus geworffen/ und allerhand Muthwillen verübet. Und solches ward den Reformirten Schuld gegeben/ welche einwandten/ die Catholischen hätten selbst den unverständigen Pöbel angehetzt/ damit nur die Inqvisition desto leichter möchte eingeführet werden. Ja immittelst war der König selbst zu einer sehr hefftigen Impression gebracht worden/ daß sein Sohn Carolus, nachdem er den Niederländern 〈39〉 entweder heimlich beygestanden/ oder auch hernach/ ihnen zur eingebildeten Erleichterung/ den Vater selbst hinrichten wolte/ 1568. im Gefängnüß sterben muste.

XII. ALso gieng der Niederländische Krieg an/ weil die Unterthanen mit ihrem suppliciren nicht gehöret wurden/ sondern noch darzu als Geüsen/ oder Bettler/ sich musten zurücke weisen laßen. Ja als die guten Holländer sich mit ihren Schiffen noch in England auff-

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gehalten hatten/ kam von der Königin Elisabeth 1572. der Befehl/ daß sie einen andern Auffenthalt suchen solten. Da giengen sie desperat fort/ und sahen/ daß Briel/ ein beqvemer Hafen an dem Munde der Maase nicht sonderlich verwahret war: Machten sich derohalben an die Thore/ sprengten sie mit Petarden auff/ und wurden des Ortes Meister. Doch so weit kamen sie noch nicht/ daß sie dem König in Spanien gäntzlich hätten abgesagt: sondern/ ob gleich die Grausamkeit so hoch stieg/ daß des Hertzogs von Alba Sohn/ eben in dem Jahre 1572./ in der Holländischen Stadt Naerden alle Bürger in der Kirche hinrichten ließ; schoben sie doch alle Schuld auff die Ungerechten 〈40〉 Diener/ und baten mitten in der Feindseligkeit umb eine leidliche Regierung. Derowegen ward auch der von Alba 1573. zurücke beruffen/ und kam Ludovicus von Reqvesenco an seine statt. Welcher 1576. starb/ und hierdurch den Spanischen Soldaten gute Freyheit machte/ daß sie mitten in Freundes Lande die berühmte Stadt Antwerpen plünderten. Wiewol die Stände auch hierdurch Anlaß bekamen/ die Gentische Pacification zu schließen/ davon unten Cap. 9. num. 8. gedacht wird.

XIII. HIerauff kam Johannes von Austria, Caroli V. unächter Sohn zum Gouvernement; Und weil sich keine Besserung ereignen wolte/ kamen die sieben Provintzen/ Gelderland/ Holland/ Seeland/ Utrecht/ West-Frießland/ Ober-Yssel/ und Gröningen zusammen/ und schlossen zu Utrecht 1579. einen genauen Bund/ da sie eine gantz neue Forme ihres gemeinen Wesens auffrichteten/ und endlich 1581. dem Könige in Spanien allen Gehorsam öffentlich auffkündigten. Wiewol sie traueten ihren Kräfften nicht allerdings/ und rufften mit Zuthuung der Brabantischen Stände Franciscum von Alençon, des Königs in Franckreich Bruder/ umb Hülf- 〈41〉 fe an: Doch als dieser den Titel als Hertzog von Braband weg hatte/ und numehr darauff dachte/ daß er die Niederländer möchte

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dienstbar machen; Jagten sie ihn zum Lande hinaus/ und absonderlich die sieben vereinigten Provintzen erwehlten Wilhelmen von Nassau/ Printzen von Uranien zu ihrem Stadthalter. Doch dieser vortreffliche Held ward 1584. zu Delfft von einem Meuchelmörder unversehens erschossen. Also sahen sich die verlaßenen Niederländer 1585. nach der Engländer Hülffe umb.

XIV.

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WIewol die Königin in England wolte sich zu keiner Hülffe verstehen/ biß ihr die Niederländer etliche Festungen zur Versicherung einräumeten/ und über dieß dem Englischen Gesandten eine gewisse Stelle in dem Staten-Rathe vergönneten. Und also hatten sie fast auff dieser Seite verspielt/ wenn sie nicht in Zeiten die Resolution gefasset hätten/ der Außländischen Hülffe müßig zu gehen/ und ihre eigene Kräffte nach äußerstem Vermögen an zu strecken. 〈42〉 Wie sie denn aus dem Hause Uranien einen erblichen Stadthalter erwehleten/ und den Engländischen Gesandten etwas disgustirt von sich ließen. Inzwischen merckte Spanien gar wol/ daß der Niederländische Krieg so leicht nicht könte beygeleget werden: Absonderlich weil König Henricus IV. in Franckreich 1595. in öffentliche Feindseligkeit gerieth. Drumb ward auff Mittel gedacht/ wie man das Hauß Oesterreich in Teutschland in das Niederländische Wesen recht einwickeln möchte: gestalt auch deßwegen Albertus des Käysers Bruder 1596. zum Gubernator bestätigt ward. Ob nun wol 1598. zu Vervins in Niederland die Streitigkeiten mit Franckreich beygeleget wurden: so starb doch Philippus II. und hinterließ seinen Sohn Philippum III. welcher das Haus Oesterreich noch tieffer hinein bracht/ indem er Alberto seine Schwester Isabella Clara Eugenia A. 1599. vermählete/ und ihr/ an statt der Morgengabe/ das gantze Niederland zuerkennete. Und diese Prinzessin wolte ihr Heyl an dem festen Hafen Ostende versuchen: Doch nachdem die Belagerung 1601. angefangen war/ und unzehlich viel 〈43〉 tausend Menschen inner- und außerhalb geblieben

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waren/ kunten sie doch kaum nach dreyen Jahren die Ubergabe erhalten.

XV. ICh hätte oben gedencken sollen/ was die Spanier 1588. vor eine nachdrückliche Niederlage gegen die Engländer erlitten: Allein ich habe es in das Capitel von England versparet. Hier wil ich nur dieses gedencken/ welcher maßen nach dem Tode der Königin Elisabeth/ 1605. das alte Feuer aus der Asche wieder hätte können hervorbrechen/ indem der König in Spanien gar zu einen hohen Zoll auff die Engländischen Kauffleute legte. Doch der Handel ward nebenst dem gantzen Haupt-Wercke in dem Madritischen Frieden 1605. wieder verglichen. Also hatte Spanien mit den Holländern allein zu thun. Und zwar etliche waren so klug gewesen/ und hatten den Rath gegeben/ weil Holland seine Kräffte der Kauffmanschafft dancken müste/ und gleichwol Spanien numehr so wol über den Ost-­ Indischen/ als über den West-Indischen Handel zu gebieten hätte/ so möchte man ihnen die Handlung verbieten/ und kein Schiff weder zu Sicilien 〈44〉 noch zu Lisabon von den Holländern annehmen. Wiewol dieses geschahe/ ihnen zu schlechtem Schaden; Alldieweil sie in solcher Noth den Weg selbst in Indien suchten/ und ihren sonderbaren Nutzen daraus machen kunten.

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XVI. BEy so bewandten Sachen sahen die Spanier endlich/ daß der Krieg mit Holland wenig Nutzen brachte: Derohalben dachten sie auff Mittel/ wie man den Krieg ohne Nachtheil der Königlichen Ansprüche beylegen möchte. Was nun der gelehrte Mann Lipsius 1595. in einem Briefe gerathen/ man solte denen Vereinigten Provintzen auff eine Zeitlang Friede vergönnen/ damit sie außer Furcht

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lebten/ und also ihre Einigkeit beyseite setzen/ hingegen aber unter sich selbst eine und andere Streitigkeit hervor suchen könten; So wäre es also dann eine geringe Sache/ daß man sich in die Zwistigkeiten einmischete/ und einem Hülffe leistete; damit würden alle beyde verspielet haben: Solches ward numehr nach langer Mühe so weit gebracht/ daß 1609. ein zwölff-jähriger Stillstand 〈45〉 getroffen ward/ in welchem die vereinigten Niederländer/ tanqvam liberi, das ist/ als freye und souveraine Leute von dem Könige in Spanien erkennet wurden. Wiewol hernach das Wörtlein tanqvam nicht pro nota veritatis, vor ein Merckmahl der Wahrheit/ sondern similitudinis, (der Gleichheit) außgeleget ward.

XVII.

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UNd gewiß hatten die Spanier den Holländern deßwegen einen kurtzen Friede vergönnet/ daß sie unter einander solten uneinig werden/ so fehlete es wenig/ daß die Hoffnung nicht erfüllet ward. Denn zu Leyden war ein Professor Jacobus Arminius, welcher von den scharffen Calvinisten in etwas abwiche/ und in etlichen Stücken auff der Papisten/ auch wol auff der Socinianer Seite getreten war. Diesem widerstund ein andrer Professor, Fran­ cis­cus Gomarus, und also wurden zwey Secten/ der Arminianer und der Gomaristen. Zwar Arminius starb 1609. doch hinterließ er solche Schüler/ welche den Streit noch ärger machten. 〈46〉 Und als 1610. der Streit-Sachen halber ein National-Synodus angestellet ward/ gaben die Arminianer eine Supplication-Schrifft ein/ welche sie Remonstrantiam nenneten/ dahero sie auch numehro Remonstrantes geheißen werden: Gestalt die Gomaristen hingegen eine andere Schrifft entgegen setzeten/ welche sie Contra-­Remonstrantiam hießen/ dahero sie Contra-Remonstrantes genennet werden. Nun ward auf einen neuen Synodum gedacht/ da man diesen gefährlichen Streit möchte beylegen. Aber weil die Remonstrantes übermannet waren/ ersonnen sie einen andern Fund/ und sagten/ es wäre nicht von nöthen/ daß alle sie-

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ben Provintzen zusammen kämen/ indem eine iegliche Krafft ihrer Majestät volle Freyheit hätte von der Religion zu urtheilen. Und also spielte sich der Zwiespalt auch in die Politischen Händel hinein/ daß die Provintzen fast in Uneinigkeit gerathen wären. Doch der Sache ward mit Gewalt gerathen/ indem Johann von Olden-­ Barneveld/ das Haupt der Arminianischen faction, im 73. Jahr seines Alters öffentlich enthauptet ward/ die andern/ unter welchen der berühmte Hugo Grotius, in das 〈47〉 Gefängnüß gewiesen worden. Also fing sich 1618. zu Dortrecht ein allgemeiner Synodus an/ da nicht allein die Holländischen Theologi, sondern auch andere aus Teutschland/ Franckreich/ England/ Schweitz/ und wo sich sonst Reformirte auffhielten/ zusammen kamen. Und da wurden die Arminianer mit ihrer Lehre verdammet/ und aus dem vereinigten Niederlande gewiesen. Wiewol diese Glaubens-Genoßen hernach/ als die Gefahr nicht so groß mehr war/ 1625. wiederumb/ iedoch mit gewissen Bedingungen/ eingenommen worden.

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XVIII. WEil nun die Spanier vergebens auff einen innerlichen Krieg gehoffet hatten/ gieng der Krieg 1621. wieder von neuen an. Und da hatten die Holländer im Anfange schlechten Vortheil: denn in Teutschland hatten die Spanier den Pfaltz-Grafen vertrieben/ und spielten in der Nachbarschafft Meister. In Franckreich verfolgte der König die Hugonotten oder die Calvinisten selbst: Anders woher hatten sie auch wenig Hülffe zu hoffen. Endlich nachdem das ­Glücke wunderlich gelauf- 〈48〉 fen war/ gieng der Holländische Admiral Peter Hein 1628. in West-Indien/ und eroberte die Spanische Silber-Flotte von 300. Tonnen Goldes. Nun hatte die Ost-Indische Flotte erst vor einem Jahre Schiffbruch erlitten/ und über 100. Tonnen Goldes eingebüßet/ daß also Spanien schlechte Mittel wuste/ den Krieg fort zu setzen. Hingegen wuchs den Holländern der Muth/ daß sie ihr Glücke besser suchten/ und Hertzogenbusch/ Mastricht/ Wesel und andre Oerter einnahmen.

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UBer dieses ward das Haus Oesterreich 1635. mit Franckreich in einen hefftigen Krieg verwickelt/ dadurch die Holländer gleichfals bessere Lufft bekamen/ nachdem die Spanier sich gegen zwey Feinde wehren musten. Ja 1640. fiel gantz Portugal mit allen zugehörigen Landschafften von Spanien ab/ und begab sich unter den Hertzog von Braganza. Die Ursache ward der Regierung zugeschrieben/ welche nicht viel anders als in Niederland/ etwas zu scharff war geführet worden. Und solchen Abfall wusten etliche Münche so heimlich zu spielen/ daß die Spanier nichts 〈49〉 nichts davon erfuhren/ als biß Johannes IV. zu Lisabon öffentlich vor ­einen König außgeruffen worden. Es ist auch zu verwundern/ daß weder in Ost-Indien noch in Brasilien/ noch anderswo ein eintziger Portugesischer Ort bey der Spanischen Devotion verblieben ist. Die Catalonier fielen zwar auch ab/ und begaben sich unter Franckreich: Doch diese musten wieder zum Gehorsam.

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IN solcher Widerwertigkeit sahe Spanien gar wol/ daß wider die Vereinigten Niederländer nicht viel zu erhalten wäre. Derohalben ward 1648. zu Münster in Westphalen der Friede geschlossen/ in welchem die sieben vereinigten Provintzen vor freye und ­souveraine Leute erkläret/ und von allen Ansprüchen des Königreichs Spanien loßgezehlet wurden. Bald dar- auff machte eben in diesem Jahre der Keyser mit Franckreich Friede. Doch der Spanische Krieg wurde continuirt biß 1659. da der König Ludovicus XIV. des Königs in Spanien Philippi IV. Tochter/ Mariam Teresiam, als ein Pfand des Pyreneischen Friedens/ zur Gemahlin bekam. 〈50〉 Und zwar in diesem Frieden muste Spanien etliche wichtige Oerter in Niederland an Franckreich überlaßen.

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XXI. ALs der König in Franckreich die Spanische Gemahlin heim-führete/ muste sie in Spanien sich aller Succession, so wol auff die Königreiche selbst/ als absonderlich auff Niederland begeben/ wenn etwan die Männliche Linie gäntzlich hätte verfallen sollen. Doch nachdem Philippus IV. 1665. starb/ und nur einen Sohn/ Carolum II. von 4. Jahren hinterließ/ machte der König in Franckreich im Namen seiner Gemahlin eine Prætension auff Niederland. Denn er sagte/ in Niederland würde das Ius Devolutionis in acht genommen/ Krafft dessen die Kinder aus der ersten Ehe alles erbeten/ was bey wärender Ehe von dem Vater wäre erworben worden/ also daß die Kinder aus der andern Ehe sich keines Rechtes anmaßen dürfften. Nun aber wäre Niederland 1599. der Isabella Clara Eugenia übergeben worden/ biß diese Provintzen 1633./ eben da der Königin Frau Mutter noch gelebet/ durch derselben Todes-Fall wieder an Spanien kommen/ und 〈51〉 gleichsam auff das neue wäre erworben worden. Ob nun wol solch recht mehr von Privat-Gütern/ als von den Fürstenthümern selbst zu verstehen war/ ging er doch 1667. mit bewehrter Hand hinein/ und bemächtigte sich vieler ansehnlicher Oerter/ biß 1668. zu Aken Friede gemacht/ und der Frantzose bey den meisten eingenommenen Plätzen gelaßen ward.

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XXII. EBen dieses Jahr 1668. gerieth Spanien mit Portugal in gewisse Friedens-Tractaten/ und nachdem 28. Jahr umb die Wiedereroberung dieses Königreichs war gestritten worden/ ward es vor frey und souverain erkläret. Wiewol der Friede machte in Portugal eine innerliche Veränderung. Denn Alfonsus VI. war nach seines Vatern Tode 1656. König worden/ hatte auch numehr zwey Jahr/ die also genannte Princesse d’Aumale aus Franckreich zur Gemahlin gehabt; als er so wol des Throns als der Gemahlin beraubet

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wurde: Unter dem Vorwand/ er wäre zu der Regierung und zu dem Ehstande ungeschickt. Und da nahm sein Bruder Petrus das Königreich unter dem Titul eines 〈52〉 Königlichen Regenten ein. Ja als die Päbstliche Dispensation erfolgte/ ward ihm gleichfals des Brudern Gemahlin beygeleget. Unterdessen muste sich Alfonsus in die Insul Tercera verweisen laßen.

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ALs der Akische Friede geschlossen ward/ besorgte sich Spanien/ es möchte hiermit nicht gar zu lange Bestand haben/ absonderlich weil Franckreich allbereit weitaussehende Consilia zu schließen begunte. Drumb ward mit großen Unkosten eine Alliantz geschlossen mit England/ Schweden und Holland/ welche man wegen dieser drey hohen Confœderirten insgemein die Tripel-Alliantz zu nennen pflegte: Und solte das Absehn auff die Beschützung des Pyreneischen und Akischen Friedens gerichtet seyn. Allein der König in Franckreich bemühete sich lange/ biß er diese Alliantz zerriß/ und den König in England so weit vermochte/ daß er 1672. die Holländer mit Krieg überzog/ und seine Bundesgenoßen vor Feinde erklärete.

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INdessen gingen die Frantzosen zu Lande auf die Holländer loß/ und hatten 〈53〉 anfangs unglaubliche Progressen/ also daß viel meyneten/ es würde nun umb die Freyheit der vereinigten Provintzen geschehen seyn. Alldieweil aber in diesem Feldzuge nicht allein viel Stände in Teutschland auf das äußerste verderbet wurden/ sondern auch die Spanischen Niederlande in ziemlicher Gefahr stunden/ so kunte es nicht anders seyn/ der Keyser muste nebenst dem Könige in Spanien 1673. den Krieg wider Franckreich ergreiffen. Wie das Glücke noch lauffen wird/ solches stehet bey

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GOtt. Doch sieht man allbereit/ daß die Frantzosen etwas von ihrer hochmüthigen Hoffnung nachgelaßen haben. Und wird ein beständiger Friede von beyderseits Unterthanen verlanget. 〈54〉

Das III. Capitel. Die Historie Von Franckreich. I. 5

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FRanckreich gehörete gleichfals vor Zeiten unter die Römer/ biß das Keyserthum in Orient versetzet/ und Italien in allerhand Unruhe gelaßen ward: da begunte diese benachbarte Provintz der Keyserlichen Regierung müde zu werden/ und ließ es gar leicht geschehen/ daß 420. Pharemundus, oder teutsch Warmund/ König in Francken/ das meiste Theil einnahm/ und ein neu Königreich bestätigte. Aus dieses Pharemundi Geschlechte kam 451. Meroveus, von welchem alle Nachkommen Merovingi genennet worden. Wie denn 495. Clodovæus sich aus denselben zur Christlichen Religion bekennete.

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DOch diese Merovingische Könige begingen zwey große Fehler: Erstlich/ daß sie das Recht der Erstgeburt nicht in 〈55〉 acht nahmen/ und offt/ nachdem viel oder wenig Erben waren/ im Lande vier auch wol mehr Könige hatten. Zum andern/ daß die Könige sich der Regierung nicht viel annahmen/ und alle Gewalt ihren Majoribus Domûs, oder Ober-Hoff-Meistern überließen. Denn also kam endlich Carolus Martellus so weit/ daß er in der That König war/ und nur der bloße Name fehlete. Ja Caroli Sohn/ Pipinus, steckte sich hinter den Pabst/ und brachte es dahin/ daß

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Childericus, der letzte aus dem Merovingischen Geschlechte/ 750. in ein Closter gestoßen/ und er selbst zum Könige gekrönet ward. Pipinus starb 768. und hinterließ sein Königreich C ­ arolo M. seinem Sohne/ von welchem die Nachkommen Carolingi genennet worden.

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III. GLeichwie aber Caroli M. Vorfahren an den Merovingis gehandelt hatten: also musten die Carolingi in kurtzer Zeit eben dergleichen erfahren. Denn es kamen andere Majores Domûs auff/ welche die Könige gantz unterdruckten/ und ihre Gewalt hingegen groß machten. Drumb als 987. Ludovicus V. starb/ und sein nechster 〈56〉 Vetter/ Carolus, Hertzog in Lothringen hätte zu der Cron gelangen sollen/ drang sich Hugo Capetus, von welchem die Nachkommen Capetingi heißen/ auf den Thron/ und ließ Carolum mit seinen Kindern im Gefängnüß sterben. Und zwar aus diesem Geschlechte theilten sich viel Fürsten aus/ welche theils von 1204. biß 1262. das Käyserthum zu Constantinopel besaßen; theils in Sicilien und Neapolis zum Königreiche gelangten; theils anderswo reiche Fürstenthümer davon brachten. Doch itzund sind nur die Könige in Franckreich mit etlichen wenigen Fürsten vom Geblüte noch übrig.

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IV. WAs nun des Capeti Nachkommen betrifft/ so regierten sie das Land ohne sonderbahren Verlust biß auff das Jahr 1327./ da gerieth Franckreich in solche Uneinigkeit mit England/ daß es wenig fehlete/ sie hätten eine neue Linie aus Engländischen Königen rechnen müssen. Es ist der Mühe werth/ daß wir eine kleine Genealogie vorhersetzen/ welche so wol an diesem Orte/ als auch in den nachfolgenden eine gute Nachricht erstatten wird. 〈57〉

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Robertus haeres Ducatus Borbonii, unde linea BORBONIA Philippus IV. Pulcher

Isabella uxor & Eduardi III. Reg. Angl. Ludovicus X. † 1315. Philippus V. † 1320. Carolus Pulcher. † 1327.

Carolus haeres Comitatus Valesii, undè linea VALESIA.

Philippus Valesius postea R. G.

Blanca posthuma

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Philippus III. Audax R. G.

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Ludovicus IX. Rex Gall.

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〈58〉 Als nun Carolus Pulcher 1327. starb/ und seine Gemahlin schwanger hinterließ/ zanckte sich Eduardus III. König in England mit dem Philippo Valesio erstlich wegen der Vormundschafft. Doch als eine Tochter gebohren ward/ schützte Philippus das Salische Gesetz vor/ als welches die Weiber von der Succession in Franckreich gantz ausgeschlossen hätte/ und maßete sich derowegen als der nechste Agnate der Cron an.

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SOlches verdroß den König in England/ welcher seine Gemahlin vor eine nähere Erbin hielt/ und das Salische Gesetz vor ein bloßes Gedichte ausgab: Drumb fiel er in Franckreich/ und erhielt 1346. bey dem Dorffe Cressy eine so glückliche Schlacht wider die Frantzosen/ darinnen nur drey Königliche Personen/ die andern ungezehlet/ umb das Leben kamen. Hierauff ging er vor den Hafen Calis, und nahm denselben 1347. denen Frantzosen zu großem Schaden ein/ alldieweil durch Beyhülffe dieses Hafens die Englän-

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dischen Soldaten ungehindert in Franckreich übersetzen kunten. Ja 1365. versahe es König Johannes, Philippi Sohn/ so sehr/ daß er von den Engländern 〈59〉 gefangen ward/ und erst in dem 5. Jahre hernach mit schweren Bedingungen loß kam. Also ward das Glücke denen Engländern von Tage zu Tage günstiger/ biß endlich Carolus VII. kaum eine Stadt übrig behielt und Henricus VI. König in England 1431. zu Paris vor einen König in Franckreich ausgeruffen und gekrönet ward. Und eben aus diesen Ursachen pflegt der König in England noch heutiges Tages das Frantzöische Wapen und Titul zu führen.

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VI. WIewol in England risse dazumahl die Uneinigkeit zwischen der rothen und weißen Rosen ein/ davon unten sol gemeldet werden; Und also hatte Carolus VII. gute Gelegenheit das Reich wieder einzunehmen; Gestalt er auch diese Gäste völlig hinaus wiese/ biß auff den einzigen Hafen Calis, welchen die Engländer noch über hundert Jahr behielten. Als aber Carolus starb 1461. folgete sein Sohn Ludovicus XI. ein vortrefflicher Statist/ welcher endlich die Könige in Franckreich recht absolut gemacht hat. Denn zuvor waren dem Könige 12. Pairs oder Pares an die Seite gesetzt/ das ist/ drey Ertz-Bischöffe/ drey Bischöffe/ 〈60〉 drey Fürsten/ drey Grafen/ welche fast mehr galten/ als im Römischen Reiche die Churfürsten. Solchen spielete Ludovicus alle Gewalt aus der Hand/ und nachdem er frey hatte Krieg zu führen und Schatzungen auff zu legen/ war es ihm leicht das andere nach zu holen. Und ob gleich etliche Fürsten einen Krieg wider ihn erregten 1465./ welchen sie Bonum publicum nenneten/ dadurch sie ihre alte Freyheit zu beschützen gedachten: So wuste doch dieser schlaue Fuchs zwischen ihnen allerhand Uneinigkeiten anzurichten/ daß solches Bonum publicum ohne Nutzen des Gemeinen Wesens angefangen und vollendet ward.

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OB nun wol dieser Ludovicus noch so klug war/ so ward er doch in der Burgundischen Sache hefftig betrogen. Denn es waren die Burgundischen Fürsten/ als abgefundene Herren aus dem Königlichen Hause durch Heyrathen und andere Mittel zu der Besitzung aller 17. Provintzen in Niederland gelanget/ und hatten so viel Macht/ daß sie auch die benachbarten Könige erschrecken kunten. Aus solchen war der letzte Carolus, Philippi Boni Sohn/ 〈61〉 welcher 1467. zur Regierung kam. Dieser war so hochmüthig/ daß er die gantze Welt zu bezwingen gedachte/ und weil er meynte/ wenn die Schweitzer überwunden wären/ so würde Italien leicht nach zu holen seyn/ und könte man also Franckreich gleichsam im Sacke eingeschlossen haben; so fieng er einen unnöthigen Krieg mit den Schweitzern an/ und gab vor/ sie hätten den Burgundischen Kauffleuten zwey Karren voll Schaff-Felle genommen. Doch er ward in dreyen Schlachten schändlich geschlagen/ daß er auch in der letzten vor Nancy in Lothringen 1477. in einem Moraste jämmerlich verderben muste. Nun hinterließ er nur eine eintzige Tochter Mariam, welche Ludovicus wol an seinen Sohn Carolum VIII. hätte verheyrathen können: Doch weil er solches nicht achtete/ und vielmehr diese Länder unter einem vermeynten Prætext der Frantzöischen Lehn an sich ziehen wolte/ ward unterdessen Maria an Maximilianum von Oesterreich vermählet. Da entstund nun ein gefährlicher Krieg/ welcher endlich 1482. also beygeleget ward/ es solte Maximilianus Erbe bleiben/ aber Carolus VIII. solte die Margaretam, 〈62〉 Maximiliani Tochter/ welche dazumal noch ein Kind war/ zu seiner künftigen Gemahlin annehmen/ und gleichsam als zum Brautschatze etliche Stücke in Niederland behalten. Also ward Margareta nach Paris geführet/ damit sie nach geschehener Verlobung/ der Frantzöischen Lebens-Art von Kindheit an gewohnen möchte.

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VIII. ANno 1483. starb Ludovicus XI. und kam also Carolus VIII. zu der Regierung. Dieser bewiese Maximiliano einen unerhörten Possen. Denn nachdem die Burgundische Maria gestorben war/ suchte Maximilianus eine andere Gemahlin/ dabey er sich ­einer neuen Erbschafft versichern könte. Nun hatte der Hertzog in klein Brittanien/ Franciscus, eine eintzige Tochter Annam hinterlaßen/ umb diese bewarb er sich/ und brachte es 1489. so weit/ daß sie in Vollmacht an seinen Legaten getrauet wurde/ welcher auch hernach das bloße Bein in Gegenwart vieler Personen zu der Braut in das Bette stoßen muste/ gleich als solte dieses den Beyschlaff in Vollmacht bedeuten. Nun verdroß es den König in Franckreich/ daß diese benachbarte Provintz solte in Oesterreichische 〈63〉 Hände kommen; Und weil Maximilianus wegen anderer Verrichtungen an die Heimführung nicht gedencken kunte/ spielte es Carolus VIII. dahin/ daß die Braut sich 1491. entführen ließ. Also muste Maximilianus erstlich seine vermeynte Gemahlin in einem fremden Ehebette sehen: Zum andern muste er leiden/ daß ihm seine Tochter Margareta wieder nach Hause geschickt wurde. Und welches am schlimmsten war/ so hatten sich die Niederländischen Provintzen so ausgezehret/ daß wenig Mittel verhanden waren/ deshalben einigen Krieg anzufangen. Also ward 1493. Friede gemacht/ und versprach der Frantzose etliche Städte/ welche er im Namen seiner künfftigen Gemahlin besessen hatte/ wieder einzuräumen.

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IX. NAch diesem zog Carolus in Italien/ und nahm das Königreich Neapolis ein/ welches er aber bald qvittiren muste. Doch hiervon wird in der Italiänischen Historie besser zu reden seyn. Er starb aber 1498. ohne Erben/ und kam sein nechster Vetter Ludovicus XII. zu der Cron. 〈64〉 Dieser stieß seine vorige Gemahlin von

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sich/ und heyrathete des Caroli Witwe/ damit sie nicht an einen andern vermählet/ und die Erbschafft von klein Britannien der Cron entzogen würde. Sonsten setzte Ludovicus den Krieg auff Neapolis fort/ und wickelte sich endlich auch in die Meyländische Sache/ also/ daß offt Krieg entstund/ und wieder Friede gemacht wurde. Gestalt 1507. die beyden Könige in Franckreich und Spanien/ zu Savona persönlich zusammen kamen und den Frieden darumb bestätigten/ weil sie in Willens waren/ die Republic Venedig mit gesambter Macht an zu fallen und aus zu rotten. Wie von diesen allen in der Italiänischen Historie weitläuftiger gehandelt wird.

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ES war aber die Republic Venedig kaum überfallen und fast in die äußerste Noth gesetzet worden/ als der Pabst Julius II. zurücke dachte/ was er gethan hätte/ und wie unbesonnen er so viel mächtige Häupter in Italien gelocket hätte. Darumb trat er heimlich zu den Venedigern/ und trachtete dahin/ wie er dieser vornehmen Gäste möchte loß werden. Doch der Käy- 〈65〉 ser und der König in Franckreich merckten die Falschheit/ und fiengen zu Pisa ein Concilium an/ darinnen sie den Pabst verklagten. Der Pabst stellete sich/ als wäre er nur mit dem Frantzosen in Feindseligkeit gerathen/ und that den König 1512 in den Bann. Allein wie der Bann nichts verfangen wolte/ sagte er/ wenn Peters Schlüssel nicht helffen könte/ so müste Pauli Schwerdt helffen; warff also die Schlüssel in die Tyber/ und zog selbst in den Krieg. Hierauff ward die berühmte Schlacht vor Ravenna gehalten/ in welcher zwar die Frantzosen obgesieget/ und hernach die Stadt jämmerlich zugerichtet haben: Doch weil die Schweitzer sich wider Franckreich erkläreten/ und 1513. die herrliche Victorie vor Novara erhielten/ musten die Frantzosen unverrichteter Sachen wieder nach Hause gehen.

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XI. ALs der Pabst Ludovicum XII. in den Bann that/ traff solcher Donnerschlag alle Helffershelffer mit: Unter solchen war Johannes von Albret, König zu Navarra. Weil nun Ferdinandus Catholicus, König in Spanien/ ohne dieß seine Gräntzen biß 〈66〉 an das Pyreneische Gebirge erstrecken wolte/ ließ er sich von dem Pabste die Execution auftragen/ und jagte diesen König zum Lande hinaus/ daß er auff der Seite gegen Franckreich sich in dem Ländgen Bearn, mit dem bloßen Titel des Königreichs behelffen muste. Dannenhero als des ietzigen Königs in Franckreich Groß-Vaters Vater die letzte Erbin dieses Geschlechtes heyrathete/ ist ihm auch der Titul zugewachsen/ daß sich die Könige in Franckreich von Navarra schreiben/ die aber in Spanien das Land behalten. Doch wieder auf die Historie zu kommen/ so hätte Ludovicus zwar seinen Bunds-Genoßen helffen/ und das Land wieder erobern sollen: Doch Ferdinandus, der eine Zeitlang Frieden bedurffte/ damit er das neue Königreich nach den Spanischen Sitten einrichten kunte/ brauchte sich zweyer verschlagener Münche/ welche 1513. einen heimlichen Frieden bey Franckreich auswürckten/ darbey des Königs von Navarren nicht gedacht ward. Sonst ist dieser Krieg darumb denckwürdig/ weil eben in diesem heiligen Feldzuge als Pompollona die HauptStadt in Navarren 1512. belagert ward/ Igna­tius Lojola von einer Stück-Kugel getroffen/ und 〈67〉 zum Soldaten-Wesen ungeschickt gemacht worden; Welcher dannenhero nach der Zeit den heiligen Jesuiter-Orden erdacht hat.

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XII. ANno 1515. starb Ludovicus XII. und in Ermangelung eines Männlichen Erbens/ succedirte der nächste Vetter Franciscus I. Nun war noch eine Tochter Claudia übrig/ welche allbereit 1501. in den damahligen Friedens-Tractaten mit dem Keyser an Carolum des Keysers Enckel war verlobet worden. Doch weil dieser Carolus

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schon ein gewisser Erbe von Spanien war/ schien die Heyrath vor Franckreich etwas gefährlich/ weil hierdurch eine Præten­sion erwachsen wäre/ auf alle Provintzen/ welche gleichfals durch Weibliche Erbschaft waren an Franckreich kommen. Also wurden sie anders Sinnes/ und vermählten die Claudiam an Franciscum I. Nun kam Carolus 1516. zu dem Königreiche ­Spanien/ und wolte diesen Schimpf auf sich nicht ersitzen laßen: Allein es war von nöthen/ daß er seine Sachen in Spanien erst recht befestigte/ und also ward noch dieses Jahr zu Noyon in Franckreich Friede geschlossen/ in welchem Franciscus zwar Carolo seine Tochter zur künftigen Gemahlin versprach/ aber ebenfals ohne Effect. 〈68〉

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ANno 1519. als Carolus, hernach mit dem ZuNamen der V./ Keyser worden/ und Franciscus mit seiner Hoffnung zurücke stehen muste/ fieng die alte Feindschafft wieder an zu brennen/ daß die Sache in einen gefährlichen Krieg hinaus schlug. Denn Franciscus fiel erstlich in Navarren/ und wolte den alten König wieder einsetzen. Hernach ging er 1522. in Italien/ und suchte den alten Streit auff Meyland wieder hervor. Wiewol da er selbst mit zu Felde ging/ ward er in der Schlacht vor Paphy 1525. gefangen/ und auff Madrit in Spanien geführet. Also muste er 1526. ehe er wieder loß kam/ den Madritischen Frieden eingehn/ und darinn schwere Puncte bewilligen. Zum Exempel/ er wolte alle Prætension auff Neapolis und Meyland fahren laßen/ über die Niederländischen Provintzen keine Herrschafft suchen/ und endlich die verwittibte Königin aus Portugal Eleonoram, Caroli V. Schwester/ zur Gemahlin annehmen. Wiewol außer dem Puncte wegen der Gemahlin hat er wenig gehalten. Denn als er nach Paris kam/ gab er vor/ ein König könte nichts schließen/ 〈69〉 wenn das Parlament nicht darein gewilligt hätte: Ließ also den Frieden öffentlich vernichten/ und zog 1527./ zwar vergebens/ vor Neapolis. Ja er machte ein

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heimlich Bündnüß mit dem Türcken/ daß sie unter andern 1529. Wien belagerten.

XIV. DOch mitten in solcher Feindseligkeit kamen zwey Königliche Weibs-Personen 1529. zu Camerich in Niederland zusammen/ und brachten es so weit/ daß endlich wieder Friede gemacht ward. Doch es schien bald/ die Ruhe möchte nicht lange währen. Denn vor eins steckte sich der Frantzose hinter die Schmalkaltischen Bundes-Genoßen in Teutschland. Vors andre suchte er die Italiänischen Fürsten und den Pabst auff seine Seite zu bringen/ und vermählte seinen Sohn Henricum II. mit der Catharina Medicea, des neuen Hertzogs von Florentz Tochter. Vors dritte/ hatte er einen heimlichen Gesandten nach Meyland geschicket/ welcher zu Meyland gebohren und von dannen verwiesen war: Weil er nun/ unwissend daß er ein Gesandter wäre/ eingezogen und hingerichtet ward/ wolte der König die Schmach gerochen 〈70〉 wissen. Endlich starb 1535. der Hertzog zu Meyland/ und da ging die Fran­tzöische Prætension von neuen an/ und damit der Krieg leichter zu führen war/ machten die Frantzosen auch eine Prætension auff Savoyen. Dannenhero als Carolus V. 1536. wieder aus Africa kam/ zog er auff Rom/ und beschwerte sich daselbst hefftig wider diese Feinde. Hingegen Franciscus I. kam 1537. auff diesen wunderlichen Rath/ daß er Carolum V. weil er Herr über Flandern war/ auch zu Gent in Flandern war gebohren worden/ unter dem Vorwand/ dieses Flandern wäre ein Frantzöisches Lehn/ als einen Vasallen und Lehns-Mann nach Paris citirte/ da er sehen solte/ wie ihm als einen Ungehorsamen die Besitzung des Lehens abgesprochen würde. Ungeacht die angemaßte Oberherrschafft über Flandern so wol in dem Madritischen als in den Camerichischen Frieden war gantz und gar wiederruffen worden. Doch nachdem der Pabst sich sehr bemühet hatte/ schlug es 1538. zu Nice in Savoyen auf einen zehenjährigen Stillstand hinaus.

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WIewol dieser zehen-jährige Stillstand lief bald zum Ende. Denn Franciscus I. 〈71〉 machte ein scharffes Bündnüß mit dem Türcken/ und als er etliche Gesandten dahin abfertigte/ wurden sie auff den Fluß Padus, im Meyländischen Stat/ aufgefangen und heimlich umbgebracht. Da suchte Franciscus alle alte Ursachen wieder hervor/ und wolte haben/ Carolus V. hätte seinem erstgebohrnen Sohne das Hertzogthum Meyland versprochen. Drumb als der Käyser mit dem Africanischen Kriege nicht allzuglücklich verhindert ward/ fiel Franciscus seine Länder 1542. zugleich an fünff Orten an. Doch Carolus V. erholete sich/ und kam 1544. mit Heeres-Krafft in Franckreich/ also daß viel reiche Bürger auß Paris tieffer in das Land hinein flüchteten. Endlich muste der Frantzose nachgeben/ und eben dieses Jahr in der Vorstatt zu Soissons ­einen neuen Frieden machen.

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ANno 1547. starb Franciscus I. und hinterließ seinen Sohn Henricum II. Dieser bekam eine köstliche Ursache zum Kriege/ indem er/ wie in der teutschen Historie n. XVII. gedacht wird/ sich mit Churfürst Moritzen wider den Keyser vereinigte/ und unter dem Titul eines Beschützers von Teutschland die drey herrlichen Bisthümer in Lothringen 〈72〉 Metz/ Tull und Verdun einnahm/ und dem Römischen Reiche entzog. Und weil der Keyser hierauf mit einer großen Macht gegen Franckreich zuging/ schloß Henricus 1553. ein schändliches Bündnüß mit dem Türcken/ in welchem ihm der Türckische Keyser gegen Erlegung einer gewissen Summa Geldes/ sechzig Kriegs-Schiffe/ und fünff und zwantzig Raub-Schiffe versprechen muste. Und fürwar man muß erschrecken/ wenn man das Jurament lieset/ womit der König dieses Bündnüß bestätigt hat. Es lautet aber also: Ich schwere und gelobe/ daß ich alles/ was mir bewust ist/ und bewust werden mag/ dem allerhöchsten

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Sultan dem Türckischen Keyser offenbahren und entdecken wil/ dessen Reich GOtt bestätigen und bekräfftigen wolle: Ich wil derer/ so Freundschafft mit ihm halten/ Freund seyn/ und seiner Widersacher Feind/ ich wil die gefangenen Türcken aus dem Gefängnüß seiner Feinde erledigen. etc. NB. Ich weiß/ daß die Frantzosen solches nicht gestehen. Es wird aber citirt von Dominic. Arumæo ad A. B. discurs. 6. num. 8. 〈73〉

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XVII. ALs sich nun die Sache zu einem höchstgefährlichen Kriege anließ/ ward endlich 1556. in einem Closter nicht weit von Camerich ein Stillstand auf fünff Jahr bewilligt. Doch es war schlechter Bestand dabey/ indem 1557. der Krieg wieder angieng/ davon in der Spanischen Historie n. VII. gedacht worden. Biß endlich 1559. zu Camerich oder zu Cambresi nicht weit davon/ ein neuer Friede geschlossen ward/ mit der Bedingung/ es solte Philippus II. König in Spanien/ Caroli V. Sohn/ Henrici II. Tochter zur Gemahlin nehmen. Doch als das Beylager/ zwar in Abwesenheit des Bräutigams/ gehalten ward/ und Henricus II. sich im Thurnier erlustigen wolte/ sprang das Visir an der Sturmhaube unversehens auff/ da er die Lantze brach/ und fuhr ihm ein Splitter in das Auge/ daß er in wenig Tagen mit großen Schmertzen den Geist auffgeben muste.

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XIIX. HIerauff gerieth Franckreich in einen jämmerlichen Zustand. Denn Franciscus II./ sein Sohn/ ein Herr von 16. Jahren/ succedirte/ dieser ließ sich leicht be- 〈74〉 wegen/ daß er den Krieg wider die Reformirten anfieng/ welche damahls zu erst die Hugonotten genennet wurden: Vielleicht aus diesen Ursachen/ weil man die Kinder mit dem Könige Hugo, welcher des Nachts auff der Gas-

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se herum reiten solte/ an etlichen Orten pflegte furchtsam zu machen; Und die guten Leute in dieser Verfolgung bey finsterer Zeit/ gleich als dieses Nacht-Königs Bediente/ ihre Zusammenkunfft halten musten. Wiewol Franciscus II. starb 1560./ und kam also der Bruder Carolus IX. von 11. Jahren darzu. Da maßete sich die Mutter Catharina Medicea des Regiments an/ und weil die Frantzöischen Fürsten solches nicht vertragen wolten/ führete sie die Hertzogen von Guise aus dem Hause Lothringen in das Land/ und machte sie dermaßen gewaltig/ daß sie endlich unter dem Vorwand einer Blutfreundschafft mit Carolo M. gar nach der Cron strebten. Also schlugen sich die andern Fürsten zu den Hugonotten/ und wuste man endlich nicht/ ob ein Religions- oder Regions-Krieg geführet wurde. Biß 1572. das verfluchte Blut-Bad zu Pariß am Bartholomæus-Abende außgeführet worden. Denn des 〈75〉 Königs Schwester Margaretha ward mit Henrico (welcher damahls König von Navarren genennet ward/ hernach mit dem ZuNamen des Vierdten in Franckreich succedirte) vermählet/ und weil er ein Hugonott war/ so wurden die meisten Fürsten und Häupter derselbigen Parthey in das Netz gelockt/ und auff das Zeichen mit der großen Glocke allenthalben unbarmhertzig niedergemacht/ also daß in wenig Tagen so wol zu Paris/ als in andern vornehmen Städten/ mehr als 100000. Menschen jämmerlich umbkamen. Henricus der Bräutigam erhielt sich noch/ weil er sich zu der Catholischen Religion bekennete: Wiewol er bald/ nachdem er Lufft bekam/ wieder zu den Hugonotten übertrat.

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DOch hiermit ward der Religions-Streit nicht beygeleget/ sondern die Verbitterung schlug erst in volle Flammen aus. Und als Carolus IX. sich 1574. in einer gefährlichen Kranckheit zu tode geblutet hatte/ kam der Bruder Henricus III./ welchen die Polen zum Könige erwehlet hatten/ auff der Post in das Reich/ und erhielt also die Cron. Allein die Guisen wolten 〈76〉 sich des Reichs

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bemächtigen/ und machten mit dem Spanier ein Bündnüß/ welches sie Ligam sanctam hießen/ gleich als solten hierdurch die Ketzer außgetilget werden; da es doch mehr dahin angesehen war/ daß die Frantzöische Macht geschwächet/ und die erbliche Linie aus ihrem Rechte gesetzet würde. Auch der König blieb bey der Einfalt/ es wäre gar wol gethan/ und merckte nicht/ daß mit den Hugonotten seine treuesten Leute würden außgetilget werden: biß ihm von der Guisischen Faction die Stadt Paris verboten wurde. Da wachte der König auf/ beschrieb zu Blois einen Reichs-Tag/ und als Henricus Hertzog von Guise nebenst seinem Bruder dem Cardinal/ aus großer Verwegenheit daselbst erschienen/ wurden sie 1588. überfallen und hingerichtet: Catharina Medicæa grämte sich hierüber zu tode. Der König selbst ward das Jahr hernach 1589. auf dem Wege nach Paris von Jacob Clemens einem Münche mit einem vergiffteten Messer erstochen.

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XX. DA war nun kein näherer Erbe/ als Henricus IV. von Bourbon, von welcher 〈77〉 Linie oben num. IV. etwas berühret worden. Weil er aber der Reformirten Religion zugethan war/ that ihn der Pabst in den Bann/ und ward also das Reich wider ihn sehr unruhig. Ja die Catholischen zogen den alten Cardinal von Bourbon, Henrici Vetter/ hervor/ und hießen ihn allbereit Carolum X. Andre zielten auff Carolum den Hertzog von Mayenne aus dem Hause Guise. Die Spanier unterdessen vergnügten sich/ daß Franckreich unruhig war. Biß er 1593. sich resolvirte/ und/ ohne Begrüßung des Pabsts/ die Catholische Religion/ nicht so wol mit dem Hertzen/ als mit dem Munde annahm. Und hier wäre es 1594. bald umb des Königs Leben geschehen gewesen/ indem ein Meuchelmörder/ der ihn in die Brust stoßen wolte/ aus versehen den Mund traff/ und zwey Zähne heraus stieß. Wiewol die Jesuiten/ welche solches angestifftet/ wurden aus dem Lande verbannet/ und durfften nichts als eine Schand-Seule zurücke laßen. Inzwischen als der

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König in Spanien seine Cabala noch immer fortsetzete/ kündigete ihm Henricus IV. Krieg an. Doch solcher ward 1598. durch den Frieden zu Vervins 〈78〉 in Niederland beygelegt. Als aber Henricus mit dem Hertzoge zu Savoyen wegen der Marggraffschafft Saluz noch zu streiten hatte/ wolte der Spanier dem Hertzoge beystehen/ und muste man sich einer neuen Ruptur besorgen/ biß auch diese Sache 1602. zu Lyon friedlich verglichen ward. Zu welcher Zeit ein wichtiges Bündnüß zwischen Franckreich und den Schweitzern mit sonderbahrer Solennität ist vollzogen worden.

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HIerauff starb die schöne Gabrielle von Estree, des Königs Liebste Concubine 1599. in Kindes-Nöthen/ und begunte er numehr Lust zu einem rechtmäßigen Erben zu empfinden. Derohalben ließ er die Margareta, welche er an der Blut-Hochzeit geheyrathet/ 1600. von sich/ und legte sich die Mariam Mediceam aus dem Hause Florentz bey. Und nach diesen fielen zwar etliche Sachen vor/ welche den Frieden zweifelhaftig machten/ indem Henricus IV. so wol den Niederländern wider Spanien/ als auch in Teutschland den Uniirten Fürsten sehr zugethan war. Doch alle Rathschläge/ welche noch so listig mochten angesponnen seyn/ giengen auff einmahl 〈79〉 zurücke/ indem gedachter Henricus 1610. von einem Meuchelmörder/ Franz von Ravaillac, in der Kutsche erstochen ward. Weil nun der erstgebohrne Sohn Ludovicus XIII. kaum 9. Jahr alt war/ vertrat die Frau Mutter Maria Medicea die Vormundschafft/ und da ward es zu Bestätigung des Friedens so weit gemittelt/ daß dem jungen Könige 1615. Anna eine Königliche Princessin aus Spanien beygeleget wurde/ welche er aber biß 1621. nicht berühren durffte.

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XXII. ZWar die Königin liebte die Außländer mehr als die einheimischen Fürsten/ und absonderlich hatte sich ihr Landes-Mann/ ein Florentinischer Marquis von Ancré, so angenehm gemacht/ daß ihm zu gefallen viel Fürsten ins Gefängnüß gehen musten/ biß endlich der König 1617. diesen hochmüthigen und geitzigen Italiäner/ vor dem Thore der Königlichen Residenz in Pariß erschlagen ließ/ und den toden Cörper dem Pöbel zu allem Muthwillen dahin gab. Also kam der Hertzog von Luyne in des Königs Gnade/ und weil dieser gut Spanisch gesinnet war/ so brachte er 〈80〉 den König/ eben zu der Zeit/ da er den Uniirten in der Pfaltz und anderswo in Teutschland hätte beystehen sollen/ auf andere Gedancken/ daß er die Hugonotten verfolgte/ und also einen innerlichen Krieg führen muste. Endlich ward der Cardinal Richelieu so beliebt/ daß er 1625. zum obersten Stats-Minister erkläret und gleichsam als ein andrer König mit einer hohen und ungewöhnlichen Gewalt versehen ward.

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XXIII. DIeser Richelieu hatte sein gantzes Intent dahin gerichtet/ wie er die Spanische Macht verhindern/ und die Frantzöische Monarchie vor andern/ erheben möchte. Weil nun die Hugonotten bißhero sehr waren verfolget worden/ sie aber wegen vieler Festungen einen trotzigen Muth hatten; als wolte er sich mit außwärtigen Händeln nicht verwickeln/ ehe er im Reiche alle besorgliche Unruhe gestillet oder gedämpfet hätte. Derohalben brachte er es so weit/ daß 1625. Carolus Stuart König in England/ welcher bißhero in Spanien eine Gemahlin gesuchet hatte/ mit Ludovici XIII. Schwester vermählet wurde. Denn also vermeynte er/ die Hugonotten würden 〈81〉 numehr aus England nicht viel zu hoffen haben. Ferner griff er zu/ und ließ 1626. etlichen vornehmen Herren/ welche sich nach seiner Art nicht beqvemen wolten/ die

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Köpffe nehmen. Zwar wegen England ward er betrogen/ indem die Engländer 1627. einen Anfall auff Aqvitanien thaten/ und ihre Glaubens-Genoßen beschützen wolten: Doch als sie unverrichteter Sache abziehen musten/ gieng der Cardinal noch dasselbe Jahr vor Rochelle, welches der Hugonotten Hauptstadt war/ und ob es gleich unmöglich schien/ daß eine Seestadt solte gefährlich belagert werden/ so wagte es der Cardinal doch so kühn/ daß er mitten in der See/ zwischen etlichen kleinen Insulen/ mit unglaublicher Mühe einen Thamm auffrichtete/ daher alle Zufuhre aus England und Holland abgeschnitten ward/ daß sich die gute Stadt 1628. aus Hunger ergeben muste. Weiter schickte er das Kriegs-Volck über das Alpen-Gebürge auff Mantua/ davon in der Italiänischen Historie gedacht wird. Auch in Teutschland steckte er sich heimlich hinter den Schweden/ biß nach der Nördlingischen Schlacht der öffentliche Krieg so wol wi- 〈82〉 der den Keyser als wider Spanien 1635. ausbrach. Und in solchem Kriege war Hertzog Bernhard von Sachsen in Frantzöischen Diensten so glücklich/ daß er 1638. Brysach/ eine unvergleichliche Festung im Elsaß/ einnahm/ und hiedurch der Cron Franckreich dieses edle Land in die Hände spielete.

XXIV. EBen dieses Jahr 1638. gebahr die Königin/ welche nun 23. Jahr unfruchtbar gewesen/ ihren ersten Sohn Ludovicum XIV., und weil des Königs Bruder/ Jean Baptista Gaston, schon auf das Königreich gehoffet/ und bißhero viel Uneinigkeit gestifftet hatte/ ward er hierdurch noch mehr offendirt, daß er allerhand Argwahn unter die Leute brachte/ welche doch nicht sonderlich geachtet wurden. Endlich starb Richelieu 1642. und folgte ihm der König Ludovicus XIII. bald 1643. hernach. Also ward die Königin zu der Vormundschafft gelaßen/ welche den Cardinal Mazarini, des Cardinals Richelieu gewesenen Secretarium, eines Sicilia­ nischen Kauff-Manns 〈83〉 Sohn/ zu ihrem vornehmsten Bey­stande annahm. Und gewiß/ im Anfange ließ sich die Regierung glücklich

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an/ biß 1648. nachdem der Friede zu Münster zwischen Teutschland und Franckreich geschlossen worden/ eine Faction wider den Cardinal und wider den König selbst entstund. Denn ob sich wol der schlaue Fuchs dazumahl außwickelte/ und 1650. die vornehmsten Fürsten ins Gefängnüß führen ließ/ muste er doch 1651. sich vor einen Verräther öffentlich außschreyen laßen/ und seine Sicherheit außerhalb Franckreich zu Broel im Ertz-Stiffte Cölln suchen. Und es ist zu beklagen/ daß in wärendem Exilio unter andern Raritäten/ welche Mazarini zusammen geschafft/ auch seine herrliche und unvergleichliche Bibliothec zerstreuet und zertheilet worden. Allein da der König im vierzehenden Jahre zu seiner vollen Majorennität gelangte/ und die innerliche Unruhe gleichwol auch in der Abwesenheit des Cardinals fortgetrieben ward/ schickte sichs 1652. daß Mazarini mit voller Ehre und Gewalt wieder in Franckreich kam. 〈84〉

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XXV. UNd dieser Cardinal brachte es endlich ohne Vermittelung anderer Potentaten dahin/ daß nicht weit von Jean de Luz auff der Pyrenäischen Gräntze 1659. mit Spanien Friede geschlossen ward. Maßen auch zu Bestätigung dieser Freundschafft des Königs in Spanien Philippi IV. ältiste Tochter/ Maria Teresia, dem Könige in Franck­reich Ludovico XIV. beygeleget wurde. Hierauff starb Mazarini 1661. und hinterließ dem Könige einen großen Schatz. Und seithero ist in Franckreich kein solcher Stats-Minister mehr bestätigt worden/ alldieweil der König das jenige selbst ausführen wil/ was er von dem Cardinal gelernet hat. Seine erste Probe erwiese er 1662./ indem er die Finantz-Räthe/ und absonderlich den Ober-Auffseher Niclas Fouquet über die Finantzen scharff zur Rechnung zog/ und die Schwämme/ welche viel in sich gesoffen hatten/ redlich auszudrücken wuste.

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EBen dieses Jahr ward der Hertzog von Crequi, welcher zu Rom Fran- 〈85〉 tzöischer Gesandter war/ von des Pabsts Leib-Wache hefftig geschimpfft/ indem sie etliche von seinen Leuten biß in den Pallast verfolgeten/ in die Fenster schossen/ ja selbst seine Gemahlin auff der Gasse in der Kutsche angriffen. Solches empfand nun der König sehr hoch/ und wolte den Schimpff durch den Krieg gerochen wissen: Gestalt er/ zu Bezeugung seiner Feindschafft/ die Stadt Avignon/ welche zwar in Franckreich liegt/ doch unter des Pabsts Botmäßigkeit ist/ mit bewehrter Hand überwältigte. Doch wie der Pabst sahe/ daß die Sache immer gefährlicher werden möchte/ und daß Petrus noch einmahl müste Buße thun/ wenn er den Hahn krehen hörete/ so gieng er 1664. die Friedens-Tractaten zu Pisa ein/ und schickte den Cardinal Chigi seinen nächsten Vetter zu dem Könige/ da er gantz demüthig umb verzeihung bitten muste.

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WAs ferner die Unruhe in Niederland 1667. und den hierauff erfolgten Frieden zu Aken betrifft/ davon ist in der Spanischen Historie num. XXI. erzehlet 〈86〉 worden. Jetzt steht es dahin/ wie der Krieg/ welchen der Frantzose 1670. mit Lothringen/ 1672. mit Holland/ 1673. mit Teutschland und Spanien angefangen hat/ noch ablauffen werde. Der meisten Bürger und Ausländer Wundsch geht dahin/ GOtt wolle die Friedens-Tractaten glückseliger laßen fortgehen/ als sie bißhero zu Cölln und Niemägen abgelauffen sind. 〈87〉

Das IV. Capitel. Die Historie Von England. I. DAs Reich Britannien hat vorzeiten/ wie man meynet/ von tausend Jahren her/ eigene Könige gehabt/ biß endlich Julius Cæsar eine Römische Provintz daraus gemacht. Doch als die Keyserliche Gewalt in Occident abzunehmen begunte/ und die Britannier von den Schottländern hefftig angefochten wurden/ kamen die Angli und die Sachsen aus Teutschland zu Hülffe/ und machten sich endlich umb das Jahr 495. das gantze Reich unterwürffig. Und diese gaben dem Lande einen andern Namen/ daß es nicht mehr Britannien/ sondern England hieß. Hierauf bracht es Gregorius M. der Pabst ungefehr 590. dahin/ daß die Christl. Religion daselbst angenommen ward. Ja endlich ward Inas König der West-Sachsen in England so andächtig/ daß er 727. auff Rom zog/ und ein gewisses Kopff-Geld von seinen Unterthanen bewilligte/ 〈88〉 welches sie den Peters-Groschen nenneten. A. 1017. kamen die Dennemärcker und bemächtigten sich des Reichs. Da suchten die alten Könige bey den Normännern in Franckreich Hülffe/ und erlangeten zwar solche: Doch musten sie den Normännern die Succession versprechen. Gestalt auch 1066. als Eduardus der letzte König aus den West-Sachsen ohne Erben verstarb/ Wilhelm aus Normandien in dem Königreiche succedirte.

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ALso hatten die Engländischen Könige zugleich die Frantzöische Provintz Normandien/ und war dannenhero kein Wunder/ daß zwischen beyden Königen vielfältige Kriege geführet wurden/ biß 1202. die Engländer aus der gantzen Landschafft getrieben und die Frantzosen wiederumb in der Besitzung ihrer Gräntze bestätiget wurden. Indeß wärete der heimliche Haß/ biß 1327. eine neue Ursache ausbrach/ davon in der Frantzöischen Historie n. IV. gedacht wird. Und da war das Glück so groß/ daß die Engländer die Herrschafft über gantz Franckreich gleichsam in den Händen hatten. Nur ihre Uneinigkeit/ da- 〈89〉 von ich itzo melden werde/ machte alle Anschläge und alle Hoffnung zu nichte. Denn 1377. starb Eduardus III. und hinterließ seines verstorbenen Sohns Sohne Richardo II. das Königreich: Die andern zwey lebenden Söhne wurden so abgetheilet/ daß Edmundus Hertzog zu Jorck ward/ und das Wapen der weißen Rose bekam/ hingegen Johannes das Hertzogthum Lycester und das Wapen der rothen Rose erhielt. Weil nun Richardus II. in Gefängnüß 1399. von Henrico IV. aus der rothen Rose umgebracht ward/ erhub sich unter diesen beyden Rosen/ das ist/ unter diesen beyden Geschlechtern/ welche die Rosen führeten/ eine solche Verbitterung/ daß immer einer den andern vom Throne stieß/ und das arme Reich fast alle Jahr mit Königlichem Blute besudelt ward.

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NAch langem Streite behielt Henricus VII. aus dem Hause Lycester die Oberhand/ und nachdem er 1485. zu der Cron gelangete/ brachte er die übrigen aus dem Hause Jorck umbs Leben/ und heyrathete die letzte Erbin. Also ward die doppelte Rose in einen Schild gebracht/ 〈90〉 und England begunte etwas ruhiger zu werden. Dieser Henricus VII. war ein kluger Herr/ und führete die Engländer zu den Schiff-Fahrten an/ welche biß hieher in dem

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wolgelegenen Lande gar schlecht waren getrieben worden. Weil er nun zu solchem Vorhaben der Spanier Freundschafft benöthiget war/ vermählete er seinen erstgebohrnen Sohn Arthurum 1502. mit der Catharina, Ferdinandi Catholici Tochter. Wiewol Ar­ thu­rus starb 1503. und der Vater Henricus VII. folgete ihm nach 1509. Also kam der andre Sohn Henricus VIII. zu dem König­ reiche. Und weil dieser das Bündnüß mit der Cron Spanien gern bestätigen wolte/ erhielt er vom Pabst Julio II. die Dispensation, daß er des Brudern Witwe heyrathen möchte: mit welcher er 1515. eine Tochter Maria zeugete.

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IV. WEil aber diese Gemahlin ferner unfruchtbar blieb/ und der König entweder aus Lust zu einem Männlichen Erben/ oder aus Begierde zu andern Frauen-Zimmer/ derselben überdrüßig ward/ 〈91〉 brachten es etliche Räthe/ welche dem Hause Oesterreich nicht allerdings gewogen waren/ so weit/ daß er die Catharina 1532. öffentlich verstieß/ und an ihre statt eines Edelmanns Tochter/ Annam Bolenam, welche der vorigen Königin als eine Cammer-Jungfer aufgewartet/ zur Gemahlin annahm. Nun wolte der Pabst in dieses Beginnen nicht einwilligen/ drumb bestach der König etliche Universitäten mit Gelde/ daß sie die Ehe mit des Bruders Witwe/ welche der Pabst gebilliget hatte/ vor unkräftig sprachen. Ja als der Pabst den Spaniern zu Gefallen mit dem Banne drohete/ ließ er 1534. auff öffentlichem Reichs-Tage des Pabsts Gewalt abschaffen/ machte sich selbst zum Pabste in England/ und zog den also genannten Denarium Petri in seine Königliche Cammer. Indessen verthädigte er doch die Päbstische Religion/ und ließ die andern Glaubens-Genossen mit Schwerdt und Feuer verfolgen. Und da sahe man mit großer Verwunderung/ daß der König/ welcher 1521. ein Buch wider D. Luthern geschrieben/ und dannenhero zur Danckbarkeit vom Pabst Leone X. den Titul Defensoris

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〈92〉 Fidei erhalten; numehr von Pabst Paulo III. als ein Verfolger des Römischen Stuhls/ in den Bann gethan ward.

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IMmittelst hatte der König bey seiner neuen Gemahlin die Lust gebüßet/ und nachdem er eine Tochter Elisabeth 1533. mit ihr gezeuget/ beschuldigte er sie Ehebruchs/ und ließ sie 1536. mit dem Beile hinrichten: Vermählete sich auch den Tag darauff mit der Jana Semeria, welche 1537. in der Geburt starb/ und einen Sohn Eduardum IV. hinterließ. Hierauff gab er bey der Maria, des Her­tzogs von Guise Tochter/ Heyraths-Gedancken vor: Allein er bekam den Korb/ und gerieth also zu dem Hertzoge von Cleve/ dessen Tochter Anna 1539. in England geschicket wurde. Und zwar durch diese Heyrath vermeynte er die Schmalkaltischen Bundes-­ Verwandten auff seine Seite zu bringen/ damit er vor dem Hause Oesterreich desto sicherer wäre. Doch als er sich mit dem Käyser wieder versöhnete/ wandte er vor/ die Gemahlin wäre ihm zu häßlich/ und schickte sie mit solcher Entschuldigung wieder nach Hause. Ferner nahm er 1540. die 〈93〉 Catharinam Havvardam, des Herzogs von Nordfolck Tochter/ zu der Ehe: doch sie gerieth bey ihm in den Verdacht/ als wäre sie keine reine Jungfer gewesen/ und muste sich 1542. mit dem Beile hinrichten laßen. Also kam die Catharina Parra eines Edel-Manns Witwe in sein Eh-Bette/ welche ihn überlebte/ und nach seinem Tode sich wieder verheyrathete mit Thoma dem Bruder der Janæ Semeriæ.

VI. HEnricus VIII. starb 1547. und hatte ein Testament gemacht/ erstlich solte sein Sohn Eduardus VI. succediren/ auff dessen Todes-­ Fall aber solte die Tochter Maria, nach dieser die andere Tochter Elisabeth folgen. Nechst diesen hatte er auch befohlen/ die Ca-

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tholische Religion allein zu treiben und zu beschützen. Doch was diesen Punct wegen der Religion betrifft/ so waren die Vormünder des jungen Königs denen Reformirten mehr zugethan/ und brachten es so weit/ daß nicht allein das Reich/ sondern auch absonderlich die beyden Engländischen Universitäten Oxfort und Cantelberg mit solchen Religions-Verwandten erfüllet wurden. Sonsten er- 〈94〉 weckte dieser junge Eduardus eine vortreffliche Hoffnung/ indem er allbereit in dem 15. Jahre seines Alters nicht allein sieben Sprachen verstanden/ sondern auch in Philosophischen und Politischen Wissenschafften ziemlich weit kommen war. Doch als er im 16. Jahre 1553. starb/ machte er alle diese Hoffnung auff einmahl zu nichte.

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VII. NUn hätte dem Väterlichen Testamente nach die Maria succediren sollen: Allein der Vormund Dudlejus, Hertzog von Northumberland/ hatte seinen Sohn an die Janam Grajam, welche von des Henrici VIII. Schwester herstammete/ vermählet: Und weil er unter diesem Vorwande zu der Königlichen Cron zu gelangen gedachte/ hatte er Eduardo gerathen/ er solte ein neues Testament machen/ und die beyden Schwestern ausschließen/ alldieweil Maria aus einem unrechtmäßigen/ Elisabeth aber aus einem befleckten Ehe-Bette entsprossen wären: hingegen solte er Janam Grajam zur Erbin einsetzen. Wiewol dieser böse Anschlag hatte einen schlimmen Außgang. Denn 〈95〉 Maria behielt die Ober-Hand/ und welche dem Dudlejo beygestanden/ dieselbigen wurden alle schändlich hingerichtet. Und bey dieser Königin begunte sich die Catholische Religion wieder hervor zu thun: absonderlich weil sie 1554. ­Philippum II. König in Spanien zum Gemahl erkiesete/ welcher auch das gantze Reich unter die Spanische Gewalt gebracht hätte/ wenn sie nicht 1558. ohne Erben gestorben wäre. Es wird erzehlet/ daß die Frantzosen in der damahligen Unruhe 1557. den Hafen Cales wieder aus Engländischen Händen gerissen/ habe

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Maria in viel Tagen vor übermäßiger Traurigkeit nichts gessen/ biß sie auch in solchem Kummer sich eine tödtliche Kranckheit an den Hals gezogen. Indessen war der Pabst so gütig/ daß er auff künfftige gute Hoffnung Irrland zu einem Königreiche erhub/ damit es künfftig in den Titul mit gebracht würde.

VIII.

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ALso verlohr der König in Spanien die Hoffnung wegen England/ und kam numehr die Reyhe an der Königin Schwester Elisabeth. Diese war der Reformir- 〈96〉 ten Religion zugethan/ und muste sich bey der Schwester Leben aus Furcht einer Verrätherey über etliche Jahr im Gefängnüß auffhalten. Sie wäre auch leicht umb ihr Leben kommen/ wann der Spanier nicht die Schottländische Maria gefürchtet hätte. Ich wil die Genealogie hieher setzen: Henricus VII. Angl. R.

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Henricus VIII. Angl. R.

Margareta nupta Jacobo IV. Reg. Scotiæ.

Eduardus VI. Maria nupta Elisabeth. Philippo II. Reg. Hisp.

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Jacobus V. Rex. Scot.

Maria hæres Regni Scotici, nupta primùm Francisco II. Reg. Gall. postea Henrico Stuardo unde prodiit. Jacobus VI. Hæres Scotiæ & Angliæ.

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〈97〉 Also furchte sich der Spanier/ wenn Elisabeth aus dem Wege geräumet würde/ und Maria seine Gemahlin unversehens verfallen solte/ so möchte sich der Frantzose mit gutem Rechte der Engländischen Cron anmaßen. Und daß solche Furcht nicht vergebens gewesen/ ward dazumahl klar. Indem die Schottländische Maria/ vielleicht aus Antrieb ihres Frantzöischen Gemahls/ auch die Elisabeth verwarff/ als eine in Ehbruch erzeugte Person/ und numehr als die nechste Erbin/ den Titul und das Wapen von England führen wolte. Wiewol das Parlament stund auff der Elisabeth Seite/ und ward also diese Prætension in Franckreich zu schanden.

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IX. HIermit ward Elisabeth 1559. gekrönet/ und hatte zuförderst e­ inen mächtigen Freyer an dem Könige in Spanien/ hernach an andern Herren und Potentaten. Doch sie beschloß/ eine Jungfer zu bleiben/ und zu regieren/ weil sie doch durch Heyrathen die Herrschafft und das Regiment einem andern überlaßen müste. Und also war sie geschäfftig die Reformirte Religion wieder auffzurichten. Gestalt 〈98〉 es auch höchlich zu verwundern ist/ daß ein Weibs-Bild in einem so verwirrten und zerrütteten Reiche so eine wichtige Veränderung außgeführet hat. Erstlich zwar schloß sie 1559. mit Franckreich zu Cambresi einen Frieden/ mit der Bedingung/ es solte Cales innerhalb 8. Jahren wieder abgetreten werden. Doch als die Königin 1562. mit den Hugonotten in Franckreich ein Bündnüß machte/ und sich den berühmten Hafen Havre de Grace zur Versicherung einräumen ließ; der Frantzose aber den Hafen wieder einnahm; so ward zwar 1564. ein neuer Friede geschlossen: allein wegen Cales wolte man sich auff Frantzöischer Seiten nicht verstehen.

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IN wärender Zeit gab die Schottländische Maria in England etwas zu sorgen. Denn nachdem ihr Gemahl Franciscus II. in Franckreich 1560. gestorben/ war sie wieder in Schottland gezogen/ und hatte daselbst 1565. Henricum Stuart den nächsten Erben des Reichs nach ihr/ geheyrathet: wie sie denn 1566. einen Sohn Jacobum VI. gebohren hat. Allein es funden sich etliche Personen/ welche die 〈99〉 Ehliche Liebe zwischen beyden hefftig verstöreten: Absonderlich hatte sich ein Italiänischer Musicus, David Rizius, bey der Königin so sehr insinuiret/ daß der König/ gleich wie sie mit dem Sohne Jacobo schwanger gieng/ mit etlichen gewaffneten Leuten in ihr Gemach drang/ und den Italiäner an ihrem Tische erstechen ließ. Hierauff ward der König 1567. im Bette erstickt/ und hatte sich Graff Hodvvel zu solcher That gebrauchen laßen. Ob die Königin Wissenschafft darumb gehabt/ davon ward unterschiedlich geurtheilet. Doch weil der Grafe seine Gemahlin verstieß/ und die Königin heyrathete/ ward nichts gutes gemuthmaßet. Zwar der Grafe muste bald durchgehen; wie er auch in Dennemarck in höchster Unsinnigkeit gestorben ist. Die Königin muste ihrem Sohne das Reich abtreten/ und einen gewissen Vormünder regieren laßen. Also zog sie in England/ und wolte sich mit der Elisabeth/ als ihrer nächsten Anverwandtin/ besprechen. Doch der Zutritt ward ihr aus unterschiedenen Ursachen nicht vergönnet/ sondern sie muste an einem gewissen Orte in genauer Verwahrung bleiben. Aus Beysorge sie möch- 〈100〉 te so wol wegen der Catholischen Religion/ als auch wegen der Anverwandschafft mit gefährlichen Anschlägen schwanger gehen.

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UNd gewiß/ die Königin Elisabeth hatte sich in diesem Stücke sehr wol vorgesehen. Denn was sie auch in ihrem Gefängnüß vor Händel mit den aus- und inländischen Catholischen angesponnen/

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solches ist nicht zu beschreiben. Absonderlich wuste sie/ daß der König in Spanien die Begierde gegen England noch nicht abgeleget hatte. Drumb ward die Sache so gespielet/ daß 1570. eine Päbst­ liche Bulle bey der Nacht in Londen angeschlagen ward/ in welcher der Pabst die Königin/ als eine ketzerische Person/ des Reichs unwürdig erklärete/ und alle Unterthanen von ihrer Pflicht loßzehlete. Und meynte man numehr/ die Spanische Macht solte sich gegen England wenden. Doch die Niederländische Unruhe brachte viel Verhinderung. Und Elisabeth/ als sie etliche Anschläge erfahren hatte/ ließ sich desto eher mit den Staten in Niederland in ein Bündnüß ein. Wiewol sie dazumahl bey Spa- 〈101〉 nien noch contestirte/ daß solches alles dem Könige und ihren Nachbarn zum besten angesehen wäre.

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XII. INdessen begunte die Freundschafft sehr abzunehmen/ also daß unterschiedene Schiff-fahrten angestellet wurden/ welche den Spaniern in America viel zu schaffen machten; gestalt Franciscus Dracus diesen Ruhm davon gebracht/ daß er 1580. die gantze Welt umbschiffet/ und mit guter Beute zurücke kommen. Endlich resolvirte sich die Königin 1585. und nahm die vereinigten Niederländer in ihren völligen Schutz. Und weil die Schottländische Maria einer Zerrüttung nach der andern beschuldigt ward/ also daß man endlich trachtete/ die Elisabeth aus dem Wege zu räumen/ ward 1587. das Urtheil gefället/ und Maria auff öffentlicher Bühne enthauptet. Hierauff that Pabst Sixtus V. 1588. die Königin wieder in den Bann/ und trug dem Könige in Spanien die Execution auff. Also ward in Spanien eine Flotte außgerüstet/ welche/ ehe sie noch in See ging/ schon über 120. Tonnen Goldes kostete/ und hernach alle Tage über 〈102〉 30000. Ducaten erfoderte: Damit wolte man England überwältigen. Doch der Hertzog von Parma/ welcher Gubernator in Niederland war/ kunte/ wegen der Holländischen Flotte/ sich nicht mit den Spaniern conjungiren;

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hingegen hatten die Spanier große und schwere Schiffe/ damit in der Engländischen See gegen die kleinen und geschwinden Schiffe wenig kunte ausgerichtet werden. Dannenhero ward die gantze Armade theils durch der Engländer Geschwindigkeit/ theils auch durch Ungewitter so verderbet/ daß die wenigsten Schiffe wieder nach Hause kamen.

XIII.

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SO bekam England etwas Lufft/ und damit die Spanier nicht ferner dergleichen so wol gegen das Königreich selbst/ als auch gegen Irrland versuchen möchten/ legten sie allen Fleiß an/ in der See formidabel zu seyn. Wie auch endlich 1591. die Ost-Indische Compagnie in England bestätiget wurde. Endlich ging die Engländische Flotte 1596. auff den berühmten Ort Cadix/ nahm denselben ohne sonderlichen Widerstand ein/ und kehrte mit gu- 〈103〉 ter Beute von zwantzig Millionen zurücke. Ingleichen trat die Königin mit dem Könige in Franckreich in ein genau Bündnüß wider Spanien/ und war übel zu frieden/ daß der Vervinische Frieden 1598. ohne sie beschlossen ward. Hierauff versuchte man 1600. zu Bononien in Franckreich/ ob ein Vergleich zu treffen wäre: Doch weil die Königin die Præcedenz wider Spanien suchte/ da sie doch dem in Franckreich allezeit die Oberstelle gegönnet hatte/ so zerschlugen sich die Tractaten/ und blieb die Feindseligkeit biß auff den Todt der Königin/ welcher 1603. erfolgete.

XIV. 25

DA hatte sie nun allbereit den König in Schottland Jacobum VI. zum Erben und Nachfolger bestätiget. Und weil er numehr in England und Schottland König war/ so entstund ein Streit unter beyden Nationen/ welche in dem Königlichen Titul solte oben an stehen/ biß endlich das Mittel erfunden ward/ daß man alle beyde

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Reiche unter dem Namen Magnæ Britanniæ oder Groß-Britannien beschloß. Dannenhero ward auch der König Jacobus, welcher in Ordnung der Schottlän- 〈104〉 dischen Könige der sechste war/ numehr der erste genennet. Und da ward es 1604. so weit gemittelt/ daß zwischen Spanien und England ein vollkommener Friede erfolgete/ und 1605. zu Madritt seine prächtige Vollziehung erlangete. Inzwischen waren die Catholischen und insonderheit die Jesuiten übel zu frieden/ daß die Reformirten allenthalben solten Meister spielen. Derowegen geriethen sie 1605. auf eine Verrätherey/ welche in allen Historien wenig ihres gleichen hat. Denn es hatten etliche einen Keller unter dem Parlement-Hause gemietet/ solchen mit Pulver heimlich angefüllet/ und vermeynten also den König und alle Großen des Königreichs nebenst mehr als 30000. Personen in die Lufft zu sprengen. Allein durch GOttes Verhängnüß ward diese grausame That offenbahret/ und musten viel Catholische/ sonderlich die Jesuiten/ das Land räumen. Damit auch der König ins künfftige desto sicherer seyn möchte/ ward 1607. ein scharffes Jurament von allen Unterthanen gefodert/ daß sie den König vor ihren Ober-Herrn hielten/ und nichts/ was der Pabst/ oder die Päbstlichen hierinn befehlen wür- 〈105〉 den/ annehmen wolten; Welches zwar zu Rom nicht allzu wol auffgenommen ward: Jedennoch seine Execution erlangen muste. Und von der Zeit an sind viel Collegia bey den Catholischen auffgerichtet worden/ in welchen niemand als gebohrne Englander informirt werden. Denn also meynen sie allzeit guten Samen zu behalten/ wenn sich in dem Reiche eine Veränderung begeben möchte.

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XV. SOnsten war der König Jacobus sehr gelehrt/ maßen er auch an seinen erstgebohrnen Printzen Henricum Fridericum, (welchen er zwar 1612. im 19. Jahre verlohren) ein herrlich Buch geschrieben/ und solches Δώρον βασιλικόν, das ist/ ein Königliches Geschencke genennet hat. Im übrigen war er so friedfertig/ daß er auch

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keinen bloßen Degen sehen kunte. Und dannenhero hat er nichts feindseliges vorgenommen/ außer daß er seinem Eydam Friderico dem Pfaltz-Grafen etliche Völcker zu Hülffe geschickt; und daß 1622. die Engländer mehr auff Unkosten der Kauffleute unter einander/ als auf sonderliche Beyhülffe der Königl. Cammer die Stadt Ormus in Persien eingenommen/ die Portugesischen Kauffleute daraus gejaget/ 〈106〉 und ihren Handel daselbst bestätiget haben. Endlich starb er 1625. und hinterließ seinen unglückseligen Sohn Carolum Stuart, welcher bißhero in Hoffnung einer Heyrath sich lange in Spanien persönlich aufgehalten/ aber doch hernach in Franckreich 1626. des Königs Schwester zur Gemahlin bekam.

XVI.

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OB er nun wol sich zu der Reformirten Religion bekennete/ und dannenhero/ der Frantzöischen Schwägerschafft ungeacht/ sich der Hugonotten in Franckreich etlicher Maßen annehmen wolte; Meynten doch die meisten/ er möchte in Spanien eine gute Affection gegen den Päbstischen Glauben eingesogen haben. Dannenhero wolten sich die Reformirten in bessere Sicherheit setzen/ und damit nicht unter dem Mantel der äußerlichen Ceremonien etwas fortschleichen könte/ gaben sie vor/ man müste neben der Päbstischen Religion auch alles abschaffen/ was bey derselben gebräuchlich wäre. Und diese nenneten sich Puritaner/ weil sie das Ansehen haben wolten/ als hätten sie alles auff das reineste reformiret. Absonderlich eyferten sie wider die Bischöffe/ welche in ihrer Kirchen/ nicht 〈107〉 anders als bey uns die Superintendenten/ noch waren geduldet worden/ gaben vor/ sie wären ein Merckmal des Antichrists/ indem sie die Geistliche Regierung wider GOttes Befehl suchten. Zwar solche Lehre war schon bey Zeiten der Königin Elisabeth von 1568./ auch hernach unter dem Könige Jacobo im schwange gegangen: Allein wie Carolus die Sache mit den Bischöffen zu scharff suchte/ und die Puritaner allenthalben verfolgete/ ließ sich alles zu einer gefährlichen Veränderung an.

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Endlich stieß Wilhelmus Laudus der Ertz-Bischoff zu Cantelberg dem Fasse gar den Boden aus. Denn die Schottländer hatten ihre Kirchen bißhero seit 1566. ohne die äußerlichen Ceremonien auff recht Puritanisch gehalten/ ungeacht Jacobus VI. 1609. die Bischöffe als Königliche Commissarien wieder in etwas eingeführet hatte. Als nun dieser Laudus 1637. ihnen eine neue Form vorschreiben wolte/ kam es zu einem grausamen Auffstande. Und ob wol der König seine Autorität wolte erhalten wissen/ kamen doch die Schottländer desto eher 1638. in dem Synodo zu Glaßgau zusammen/ und beschlossen/ nicht allein keine neue Ceremonien an- 〈108〉 zu nehmen/ sondern auch alle Bischöffe zu verjagen.

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XVII. DIeses Werck gefiel etlichen Engländern wol/ indem sie meynten/ des Königs Gewalt könte auf solche Maße am besten beschnitten werden/ und drungen ingleichen auf die Bischöffe loß/ biß sie 1640. aus dem Parlamente verstoßen wurden. Inzwischen stund Irrland noch in gutem Friede. Denn weil in demselben Königreiche mehr Catholische als Calvinisten zu finden waren/ brachte es der Vice-Re, Thomas Wentvvort Graf zu Straffort/ auf Gutachten des Königs selbst so weit/ daß beyde Religionen in gleiche Freyheit gesetzet wurden. Solches verdroß die unruhigen Köpffe in England/ welchen der Friede nichts nütze war: Darumb rufften sie den Grafen von Straffort nach Hause/ beschuldigten ihn/ als hinckte er zu sehr auff der Papisten Seite/ zwungen auch den König/ daß er ihn 1641. muste öffentlich mit dem Beile hinrichten laßen. Hierauff sahen die Catholischen in Irrland/ daß ihre Freyheit nicht lange wären möchte: De- 〈109〉 rohalben wurden sie gantz rasend/ und machten einen solchen Auffstand/ darinnen mehr als 300000. Calvinisten meistentheils eines grausamen Todes sterben musten. Und solche Schuld muste der König hernach allein über sich nehmen.

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WEil nun der König/ welcher sonst das Parlament oder die gesammten Land-Stände nur auff eine gewisse Zeit zu verschreiben pflegte/ numehr muste geschehen laßen/ daß sie von 1640. an stets beysammen blieben/ und er dannenhero bey so gefährlichen Begebenheiten sich in Londen nicht allzu sicher wuste/ gieng er 1642. fort/ und wolte sich in dem festen Hafen Hull besser ver­ sichern. Allein der Commandant Joh. Hotham ließ den König in vollem Regen-Wetter vergebens auffwarten/ vorgebende/ er hätte keinen Befehl vom Parlamente. Als nun der König unverrichteter Sachen abzog/ erklärete er den Commandanten in die Acht: Hingegen nahm sich das Parlament seiner an/ und hiermit brach es zu einem vollen Kriege aus. 〈110〉 Und als die Königliche Parthey von Tag zu Tage schwächer ward/ muste sich der obengedachte ­Laudus 1645. mit dem Beile hinrichten laßen. Endlich kam des Parlaments General/ Fairfax/ 1646. vor Oxfort/ weil er hörete/ daß sich der König darinnen aufhalten solte/ und wolte ihn heraus haben. Doch der König hatte noch so viel Gelegenheit/ daß er seine Kinder nach Franckreich und Holland heimlich fortschaffen kunte: Er selbst machte sich in unbekannten Kleydern nach Schottland.

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NUn schien es/ als wolten sich die Schotten ihres Königes besser annehmen. Allein wie Fairfax kam/ und ihnen 100000. Pfund Sterlings/ das ist so viel als ungefehr fünff Tonnen Goldes auszahlete/ lieferten sie ihm 1647. den König/ doch mit diesem Bedinge/ daß ihm kein Leyd angethan/ und er in seine Dignität völlig wieder eingesetzet würde. Und solches versprach Fairfax nicht allein/ sondern er empfing zu besserer Bestätigung das Heil. Nachtmahl. Nichts destoweniger führete er den König auff die Insul Wicht/ und gab vor/ der König müste so lange in Ver- 〈111〉 hafft bleiben/ biß man mit allen Tractaten einig wäre. Ob sich nun wol die Schotten

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beschwereten/ als würde der gegebenen Parole nicht nachgelebet/ so ward der König dennoch 1648. auff Londen geführet/ da sie ihn vor Gerichte zohen/ und endlich den Process machten/ daß er als ein Verräther des Vaterlandes öffentlich mit dem Beile solte enthauptet werden. Gestalt solches auch den 30. Jan. 1649. vollzogen ward.

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XX. HIerauff beschlossen die Engländer eine freye Republic zu behalten/ schlugen derohalben die Königlichen Wapen ab/ veränderten die Müntze/ und wolten also die vorige Regierung in Ewigkeit nicht mehr wissen noch hören. Weil auch im Parlamente das Oberhaus/ welches aus Fürsten/ Grafen und Herren bestehet/ bey dem Unterhause/ das ist/ bey den gemeinen Edelleuten und Bürgerstands-Personen/ in Verdacht gerieth/ es möchte der Königl. Regierung mehr als des Volcks Freyheit zugethan seyn/ wurde das Oberhaus gantz abgeschafft/ und hingegen solte Olivier ­Cromvvel, ein gemeiner von Adel/ nebenst 〈112〉 andern 40. Personen aus dem Unterhause dem Regimente vorstehen. Und bey solcher Freyheit entstund eine große Verwirrung in der Religion. Denn ob gleich zuvor die Bischöffe ihrer Gewalt waren entsetzet worden/ so hatten doch alle Kirchspiele ihre Presbyteria, welche theils aus Priestern/ theils aus weltlichen Kirchen-Vorstehern versamlet wurden. Doch nun thaten sich die Independenten gewaltig hervor/ welche vorgaben/ es dürffte kein Mensch in Geistlichen Sachen dem andern unterworffen seyn/ sondern der geringste dependirte so wol von GOTT allein/ als der Vornehmste. Und solchen Leuten war Cromvvel desto günstiger/ weil er leicht schließen kunte/ die Bischöffe möchten sich endlich nach einem Könige sehnen. Inzwischen weil es numehr frey stund zu glauben/ was man wolte/ indem sich keiner von dem andern weisen und urtheilen ließ; So entstunden so viel närrische Secten/ welche an statt der Heil. Schrifft allerhand Träume und possierliche Einfälle

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zu ihrer Glaubens-Regul annahmen. Und dieses sind die Leute/ welche insgemein Qvacker genennet werden. 〈113〉

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DOch daß wir wieder auff unsere Erzehlung kommen/ so waren die Schotten mit des Königs Tode gar nicht zu frieden; Nahmen derowegen seinen Sohn Carolum II. 1650. und kröneten ihn zu ihrem Könige. Allein Cromwel/ als er sich wegen der Irrländer versichert und sie gehorsam gemacht hatte/ gieng auch in Schottland/ und bekam die Haupt-Stadt Edenburg ein. Da spielte der junge König desperat, und gieng in England: Dem begegneten die Parlementischen mit 80000. Mann/ und griffen ihn mit solcher Macht an/ daß er selbst kaum entrinnen/ und sich drey Tage lang ungessen und ungetruncken auf einen Eichbaum verstecken kunte. Also muste er endlich in verstelleten Kleydern zu Fuße fort reisen/ und weil in allen Häfen scharffe Auffsicht gehalten wurde/ wagte er sich nur in einem geringen Fischer-Schiffgen über die See in Franckreich hinüber/ Anno 1651./ wo er allbereit wuste/ daß er seine Frau Mutter antreffen würde. 〈114〉

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NUn hatte zwar Cromvvel eine neue Regierung angefangen; Doch kunte der Pöbel/ welcher in Londen sehr mächtig ist/ leicht auff eine neue Unruhe gerathen. Derohalben muste er auswärtig einen Krieg vor die Hand nehmen/ darbey die Unterthanen etwas zu sorgen hätten/ und der innerlichen Enderung vergessen möchten. Also rieb er sich 1652. an die Holländer/ und gab vor/ sie hätten in dem Engländischen Meere den Herings-Fang so lange getrieben/ da gleichwol kein Zoll davon wäre abgestattet worden/ und was der Zunöthigungen mehr waren. Zwar die Holländer wären dieser Ungelegenheit gern befreyet gewesen: Allein wie keine Unterhand-

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lung verfangen wolte/ musten sie ihr bestes thun. Soward auff beyden Theilen viel Schaden gethan/ und wenig Seyde gesponnen/ biß endlich 1654. wieder Friede geschlossen ward.

XXIII. HIerauff kündigte Cromvvel noch dasselbige Jahr den Spaniern den Krieg an/ vorgebende/ als ob die Engländer von dieser Nation in America sehr wä- 〈115〉 ren beschweret und verunruhiget worden. Machte derohalben mit den Frantzosen und Portugesen ein starck Bündnüß/ und setzte den Krieg 1655. würcklich fort/ wie er denn 1658. das Glücke hatte/ daß er den festen Hafen Dün­kirchen aus Spanischen Händen wegbekam. Doch ehe dieser Krieg zu Ende gieng/ starb Cromvvel 1658. Und hatte man sich zu verwundern/ daß er/ als ein bloßer und nicht gar zu reicher Edelmann seine Sachen so klug und listig fortgesetzt/ daß er 1653. den Titul Protector angenommen/ und sich von den Ständen ordentlich den Eyd schweren laßen. Ja es war so weit kommen/ daß ihm von dem Parlamente/ welches aus lauter Cromwelischen Creaturen bestund/ die Königliche Crone 1657. angeboten ward. Allein er vergnügte sich Königlicher Protector zu heißen/ und im übrigen ein König mehr in der That/ als im Namen/ zu seyn.

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XXIV. ALs nun Cromvvel todt war/ hatte sein ältister Sohn Richard die Succession im Protectorat, der andere Sohn war Vice-Re in Irrland. Doch die 〈116〉 Söhne konten zwar des Vatern Dignität, aber nicht seine Klugheit mit erben: Derohalben wurde man der Regierung bald überdrüßig/ also/ daß unterschiedliche Große sich umb die Hoheit bewarben. Und als die Sache sehr schwer zu erhalten schien/ ging General Monck/ welchen der König hernach zum Hertzog von Albemarle machte/ und welcher vielleicht das

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Protectorat nicht abgeschlagen hätte/ auff Londen/ und gab den Rath/ man solte das Parlament nach den alten Gesetzen einrichten. Da nun solches geschahe/ und die vornehmsten Standes-­ Personen wieder etwas zu sprechen hatten/ welche an der übermäßigen Freyheit/ sonderlich an den auffrührischen Qvackern/ die numehr seit 1656. einen Lärmen nach dem andern anfingen/ ein hohes Mißfallen trugen; als brachte es Monck leicht so weit/ daß ein Schluß gemacht ward/ den verjagten König wieder in das Reich zu beruffen.

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SOlches ward auch 1661. zu Wercke gerichtet/ nachdem der König hin und 〈117〉 wieder bald in Franckreich/ bald in den Spanischen Niederlanden/ bald in Holland böses und gutes erfahren müssen. Denn dieser Carolus II. ward durch eine ansehnliche Flotte aus Holland abgeholet/ und als die Crönung mit hohen Solennitäten vollzogen war/ ging das Urtheil über die Richter des vorigen Königs/ welche mehrentheils zu schrecklicher Leib- und Lebens-Straffe gezogen wurden. Cromwels Söhne wurden flüchtig/ und weiß man diese Stunde noch nicht/ wo sie hinkommen. Des toden Protectors Cörper selbst/ wurde aus dem Sarge/ darinn er mit Königlicher Pracht begraben war/ herfürgezogen/ und/ ungeachtet des gräulichen Gestancks/ öffentlich auffgehenckt. Alsdenn verheyrathete sich der König 1662. mit der Catharina/ des Königs in Portugal Schwester/ und bekam die Festung Tanger in Africa an dem Gaditanischen Freto zum Heyrath-Gute. Ferner ward das Religions-Wesen wieder vor die Hand genommen/ und ob wol große Schwürigkeiten im Wege stunden/ muste doch England und Schottland 1663. sich zu der Bischöfflichen Regierung beqvemen. 〈118〉

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XXVI. NUn mochte vielleicht der König zu Bestätigung der innerlichen Ruhe einen außwärtigen Krieg bedürffen. Drumb ob wol 1662. mit Holland ein genauer und freundlicher Vergleich war auffgerichtet worden; Dennoch aber als 1664. auff der Gold-Küst Guinea in Africa die Holländer mit den Engländern in Streit geriethen/ zog sich der Krieg 1665. auch in Europa/ und wurden also alle verglichene und beygelegte Prætensiones wieder hervor gesucht. Ja damit der Krieg zur See desto beqvemer möchte geführet werden/ so nahm der Bischoff von Münster Engländisch Gold/ und fiel die Holländer zu Lande an/ wegen der Prætension auff die Herrschafft Borklo. So gingen die See-Schlachten scharff zusammen. Biß endlich die mächtige Stadt Londen 1666. im Sept. einen unsäglichen Feuer-Schaden erfahren muste: dannenhero man auch auf Engländischer Seite desto eyfriger zum Frieden eilete/ welcher 1667. zu Breda in Niederland beschlossen ward. 〈119〉

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XXVII. ALso ward England und Holland wieder gut Freund/ daß sie auch zusammen in die Tripel-Alliantz traten/ davon in der Spanischen Historie n. XXIII. gesagt worden. Allein wie kräfftig dieses Bündnüß gewesen/ solches hat sich bald darauff außgewiesen. Denn als 1671. ein Holländisch Schiff vor einem Engländischen nicht die Segel gestrichen/ ward die Sache so hoch empfunden/ daß man in kurtzer Zeit eine Veränderung besorgen muste. Doch die Engländer verbargen alle Feindseligkeit so lange/ biß 1672. die Holländer ihre Smyrner-Flotte erwarteten: derselben laureten sie auff den Dienst/ und fielen dieselbe/ ehe der Krieg angekündiget war/ in ihrer Sicherheit an. Doch glückte es diesen nicht allzuwol/ indem die Holländer das wenigste von ihren Schiffen im Außgange vermisseten. Also schlug sich der König in England auff die Frantzöische Parthey/ und halff die Holländer mit dem Gelde aus

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Franckreich bekriegen. Ob er gemeynet hat/ wenn Holland würde unterdrücket seyn/ wolte er mit Frantzöischer 〈120〉 Macht die völlige Souverainität erhalten/ davon mögen andere urtheilen. Das ist gewiß/ nachdem das Parlament den Krieg nicht billigte/ und das Frantzöische Glück in Holland nicht mehr so günstig erscheinen wolte/ ließ sich der König in England durch die Spanische Mediation 1674. bewegen/ daß er einen particular-Frieden/ ohne Franckreich/ mit den Holländern einging. Indessen sind noch viel Engländische Trouppen in Frantzöischen Diensten geblieben/ und haben sich an die scharffen Avocatoria nicht gekehret. 〈121〉

Das V. Capitel. Die Historie Von Dennemarck Und Schweden.

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I. ES wird unvonnöthen seyn gar zu weit in die alte Historie zu gehen/ wie durch die Könige in Dennemarck/ England und andere Länder eingenommen und regieret worden. Wir wollen den Anfang von Waldemaro III. nehmen. Dieser starb 1375. und hinterließ zwey Töchter. Eine war Ingeburga, und hatte Heinrichen von Mecklenburg/ des Königs in Schweden Bruder/ zur Ehe. Die andere war Margareta Hacqvini Königs in Norwegen Gemahlin/ von welchem sie allbereit einen Sohn Olaum VI. gebohren hatte. Weil man nun durch die andere Tochter das Königreich Norwegen mit Dennemarck vereinigen kunte/ so muste Ingeburga zurücke stehen: Hingegen ward Olaus König in 〈122〉 Dennemarck/ als er auch 1387. starb/ blieb die Mutter Margareta bey der Regierung. Unterdessen wolte Albertus, der Ingeburgæ Sohn/ sein Recht nicht fahren laßen/ und versuchte sein Heil/ absonderlich weil der Vetter Albertus, König in Schweden/ auf seiner Seite stund/ welcher das Dänische Weiber-Regiment sehr hönisch hielt/ und der Königin zu Spott einen Wetzstein schickte/ darauff sie ihre Nadeln und Scheren schleiffen solte. Doch als dieser König in einer unglücklichen Schlacht gefangen ward/ kam er nicht eher zu sei-

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ner Freyheit/ als biß er 1397. das Königreich verschworen/ und der Margaretæ alles überlaßen hatte.

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ALso machte Margareta noch dasselbe Jahr in dem Reichs-Tage zu Calmar diesen Schluß/ daß hinfüro diese drey Königreiche Dennemarck/ Schweden und Norwegen/ allezeit unter einem Haupte verbleiben/ und doch ein iegliches seine Gesetze und andere Gewohnheiten behalten solte. Endlich starb Margareta 1412. und setzte Ericum X. Hertzogen in Pommern zum Erben ein/ welcher der Ingeburgæ Toch- 〈123〉 ter-Sohn war/ und allbereit 16. Jahr mit Ihr regieret hatte. Dieser Ericus starb 1439. gleichfals ohne Erben/ und succedirte ihm also seiner Schwester Sohn/ Christophorus, Hertzog in Beyern: welcher auch nach seinem Tode 1448. keine Erben hinterließ.

III. HIerauff erwehlten die Dennemärcker Christianum I. Grafen zu Oldenburg: hingegen satzten die Schweden einen aus ihrem Mittel Carolum Canuti Sohn auff den Königlichen Stuhl. Doch dieser Carolus schickte 1457. seine besten Sachen heimlich auff Dantzig/ und machte sich bald hernach/ indem er besorgte/ die Schweden möchten mit seiner Regierung nicht zu frieden seyn. Also ward Christianus König in Dennemarck/ auch von den Schweden angenommen. Allein das Regiment wolte den Schweden nicht gar zu lange gefallen: drumb ward endlich Carolus wieder von Dant­ zig in das Reich beruffen: Doch mit großem Unwillen der Denne­ märcker/ welche nicht ruheten/ biß Carolus starb 1470. 〈124〉

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IV. DAmit wolten die Schweden keinen König haben/ und ward Steno Stur zu einem bloßen Gubernator erwehlet. Doch nach dessen Tode 1497. ließen sie wiederumb die Dänischen Consilia etwas gelten/ und machten Johannem, des verstorbenen Christiani Sohn/ auch zu ihrem Könige. Wiewol solche Vereinigung nicht allzu lange wärete/ maßen 1503. ein neuer Gubernator, Steno Stur, und nach dessen Tode 1507. noch ein andrer/ Svanto Stur gesetzet ward.

V. NUn war Johannes König in Dennemarck und Norwegen schon gestorben 1513. und hatte seinen Sohn Christianum II. oder Christiernum, wie er insgemein genennet wird/ zum Erben hinterlassen. Dieser war ein grausamer Tyrann/ und weil er sich in Norwegen in ein gemein Holländisch Mädgen/ welches er Columbulam nennete/ verliebet hatte/ ward er ihrer Mutter/ der alten Sigbritta, so unterthan/ daß er ohne ihr Gutbefinden nichts vornehmen wolte. Auch als er sich 1515. mit Isabella, Caroli V. Schwester/ vermählete/ 〈125〉 ließ er sich doch von der Concubine nicht abhalten/ bis sie/ vielleicht aus beygebrachtem Giffte/ ­eines jählingen Todes verblich. Inzwischen wolte er das Königreich Schweden nicht aus seinen Händen laßen/ und brachte eine große Macht zusammen/ daher der Schwedische Gubernator in einer Schlacht überwunden/ und nunmehr 1520. die Haupt-Stadt Stockholm eyfrig belägert ward. Doch die Belägerung verzog sich etwas lang/ und nahm Christiernus also Anlaß auf einen betrüglichen Anschlag zu gedencken. Er brachte den Schwedischen Ertz-­ Bischoff/ Gustav Troll, auff seine Seite/ und versprach durch ihn/ es solte numehr alles vergessen und vergeben seyn/ wenn sie als gehorsame Unterthanen ihre Stadt eröffnen/ und den König annehmen würden. Solchen Worten traueten die Schweden/ und

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ergaben sich. Da ging es nun zwey Tage in vollen Freuden her/ daß iederman mit dem neuen Regimente zu frieden war. Allein am dritten Tage trat der Ertz-Bischoff auff/ und führete eine schwere Klage wider die vornehmsten Herren. Also wurden 70. aus ihrem Mittel/ und zwar aus dem Kerne des 〈126〉 Schwedischen Adels/ in das Gefängnüß geworffen/ daraus sie nach einander auff den Marck geführet/ und unschuldig enthauptet wurden. Solches ist geschehen den 20. Novemb. 1520. und wird ins gemein das Stockholmische Blut-Bad genennet.

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UNter solchen enthaupteten Herren war auch Ericus Wasa, ein Reichs-Rath/ welcher dem Steno Stur etwas verwandt war. Dessen Sohn Gustavum nahm Christiernus mit in Dennemarck gefangen. Allein als 1521. die Ochsentreiber aus Dennemarck in Teutschland gingen/ verkleydete sich Gustavus vor einen Knecht/ und kam also unbekannter Weise auf Lübeck/ da gab er sich bey dem Rathe an/ und weil die Hansee-Städte ohne diß mit Christierno übel zu frieden waren/ erhielt er alle Nothdurfft/ daß er in Schweden hinüber kommen kunte. Da brachte er die Dolkerlen/ das ist/ die Kerlen/ welche in den Thalen das Kupfer graben/ auf seine Seite/ durch derer Hülffe nicht allein der Vice-Re Theodorus geschlagen/ sondern auch Gustavus selbst auff den Königlichen Thron 1523. gesetzt ward. 〈127〉

VII. 25

DIeses Exempel machte die Dennemärcker gleichfals munter/ daß sie in eine genaue Verbündnüß zusammen traten. Und als Christiernus dieses inne ward/ gerieth er in solche Furcht/ daß er alle Schätze/ ja auch die Privilegia des Königreichs/ in etliche Schiffe zusammen packte/ und damit in Holland davon reisete. Derohal-

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ben hatten die Stände desto mehr Anlaß auff einen neuen König zu dencken. Maßen sie auch 1523. Fridericum I. den Hertzog in Holstein/ Christierni Vatern Bruder erwehlten. Immittelst meynte Christiernus von Carolo V. seinem Schwager viel zu erlangen: Doch weil dieser mit eigener Kriegs-Unruhe belästiget war/ ging alle Hoffnung zurücke/ biß die Gemahlin 1526. zu Gent in Flandern vor übermäßiger Bekümmernüß ihr Leben auffgab. Also wuste der verlaßene König keinen Weg zu der geringsten Erstattung seiner vorigen Ehre. Biß ihm Carolus V. noch die Gütigkeit in geheim erwiese/ daß er 1531. mit etlichen Holländischen Schiffen sein Heil versuchen kunte. Wiewol als er in Norwegen angelanget war/ und 1532. von dar auff 〈128〉 Coppenhagen ging/ ward er gefangen/ und muste auff dem Schlosse Sunderburg in der Insul Alsen über 16. Jahr in einem engen und schlechten Gemach gefangen liegen. Biß ihm endlich bessere Wartung vergönnet/ und er auf das Schloß Calundeburg in Seeland/ welches er selbst schön hatte erbauen laßen/ zu mehrer Beqvemligkeit geführet ward/ da er denn nach zehen Jahren 1559. im 77. Jahre seines Alters sein Leben beschlossen hat.

VIII. ES ist aber bekannt/ wie in Teutschland das Reformations-Werck angefangen worden. Weil nun die Stadt Lübeck bey guter Zeit die Warheit angenommen hatte/ begunnte Gustavus Wasa 1521. ­einen guten Vorschmack davon zu bekommen; und dannenhero als er auf den Thron gesetzet ward/ brachte er es so weit/ daß 1527. die Bischöffe in der Versamlung zu Arose in einem öffentlichen Revers, sich der weltlichen Regierung und der meisten Einkünften begaben: und hierauff ward 1529. zu Orebroe in der gantzen Reichs-Versamlung die Päbstische Religion abgeschaffet. Solchem folgete der König in Denne- 〈129〉 marck/ und wolte sich gleicher Gestalt zu einer Reformation schicken. Allein da Fridericus 1533. starb/ empöreten sich die Catholischen/ und wolten seinen

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Sohn Christianum III. nicht zum Könige haben/ weil sie wusten/ daß er die Lutherische Religion mit allem Ernste fortpflantzen würde. Allein dieses schlug zu einer großen Unordnung hinaus. Denn die Lübecker wolten/ unter dem Scheine der Religion bey zu stehen/ etwas von Dennemarck abzwacken. Der Graff von Oldenburg stellete sich/ als wolte er den gefangenen Christiernum wieder loß machen. Ja es waren etliche/ welche dem Engländer bald eine Lust zu diesem Königreiche erwecket hätten. Doch ­Christianus III. hatte das Glück/ daß er 1536. die Haupt-Stadt Coppenhagen einnahm/ und hierauff wurden sieben Bischöffe/ welche die Königliche Wahl verhindert hatten/ abgesetzt. Also daß 1537. die völlige Reformation durch D. Pommern angestellet/ und so wol in Dennemarck als in Norwegen Lutherische Bischöffe oder Super­ intendenten eingeführet wurden. Hiermit begab sich der König 1538. in den Schmalkaltischen Bund/ 〈130〉 und ward also gegen den Catholischen desto besser versichert. Endlich starb dieser Gottselige und löbliche König 1559. und hinterließ so wol einen Bruder Adolph/ von welchem die Gottorffische Linie der Hertzoge in Holstein herstammet; Als einen Sohn Fridericum II. welcher an seine Stelle König ward.

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BAld darauff starb Gustavus König in Schweden 1560. und hinterließ drey Söhne/ Ericum, Johannem und Carolum. Ericus II. ward König/ und weil der König in Dennemarck das Schwedische Wapen noch im Titel führete/ entstund 1563. zwischen beyden Nationen ein hefftiger Krieg/ welcher mit beyderseits großem Schaden über sieben Jahr geführet ward. Doch in wärender Zeit hatte Ericus von der Königin Elisabeth in England den Korb bekommen/ und ward dannenhero so grausam/ daß er nicht allein seinen Bruder Johannes/ weil er ein Königlich Polnisches Fräulein geheyrathet/ nebenst der Gemahlin bey der Nacht unversehens in gefängliche Hafft bringen ließ; sondern auch über 60. vorneh-

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me Herren mit eigener 〈131〉 Hand ermordete. Ja nachdem er sich mit allerhand Unzucht beflecket hatte/ wolte er eines gemeinen Musquetirers/ oder wie andere sagen/ eines Scharffrichters Tochter/ zur Gemahlin haben/ und ließ solche 1568. öffentlich krönen. Hiermit wurden die Schweden ungedultig/ und holten Johannem aus dem Gefängnüß/ erwehlten ihn zum Könige/ und stießen hingegen Ericum in die Verwahrung.

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X. OB nun wol dieser neue König Johannes den Krieg mit Dennemarck fortsetzte: Dennoch weil die Schweden mit schlechtem Vortheil ihrer Sachen warnahmen/ kam es 1570. durch Vermittelung des Käysers und des Königs in Franckreich dahin/ daß zu Stetin Friede gemacht ward. Gestalt auff beyden Theilen alle Prætension auff des andern Königreich gäntzlich auffgehoben ward. Und seit diesem ist nichts sonderliches vorgelauffen/ als daß die Lieffländische Unruhe noch immer gewäret/ und endlich 1583. verglichen worden/ davon in der Polnischen Historie wird gesaget werden. 〈132〉

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XI. ES hatte aber Johannes König in Schweden ein Polnisches Fräulein zu der Ehe/ und weil er sahe/ daß die Erben gar wenig werden wolten/ und seine Gemahlin die nächste war/ ließ er den erstgebohrnen Sohn Sigismundum in der Catholischen Religion erziehen/ damit solcher zu der Polnischen Crone möchte geschickt werden. Und dannenhero fügte sich das Glücke/ daß gedachter Sigismundus als der nächste zur Cron 1587. von den Ständen erwehlet wurde. Als aber Johannes der Vater 1592. starb/ kam der Sohn/ und wolte das Schwedische Reich einnehmen. Doch hatte er so viel Jesuiten bey sich/ daß er also nicht eher zu der Crönung

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gelassen ward/ als biß er eydlich versprochen/ die Augspurgische Confession im Reiche hand zu haben/ auch keinen Catholischen in ein wichtiges Ambt zu befördern. Hiermit ward er gekrönet/ und hinterließ bey seiner Rückreise in Polen/ Carolum seines Vatern Bruder/ als einen Gubernator. Zwar solchs gefiel den Catholischen nicht/ darumb hielten sie bey Sigismundo an/ er solte sich der Königlichen Majestät nicht so berauben laßen: 〈133〉 Carolus wäre so viel als König: und er selbst dürffte in der Religion sein Recht nicht gebrauchen. Also ging er mit einer Polnischen KriegsMacht in Schweden/ ungeacht er geschworen hatte/ keine Ausländische Nation in das Reich zu bringen. Doch die Schlacht lieff unglücklich ab/ daß er die Flucht nahm/ und 1598. auff öffentlichem Reichs-Tage des Königlichen Stuhls entsetzet ward.

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UNterdessen erkläreten sich die Schweden/ des Sigismundi erstgebohrenen Sohn Uladislaum vor ihren König zu erkennen/ wofern er als ein dreyjähriger Printz in Schweden geschickt/ und allda in der Augspurgischen Confession erzogen würde. Doch die Polen wolten solche Bedingungen nicht eingehen/ biß die Schweden zufuhren/ und Carolum ihren bißherigen Gubernator 1604. auff dem Reichs-Tage als einen König ausruffeten/ und ihm ordentlich die Huldigung leisteten. Wiewol die Crönung erst 1608. erfolgete. Also gab es einen schweren Krieg zwischen beyden Cronen/ davon aber in der Polnischen Historie mehr Meldung geschicht. 〈134〉

XIII. IN wärender Zeit hatte Christianus IV. in Dennemarck die Regierung angetreten/ nachdem Fridericus II. 1588. gestorben/ und er nach abgelegter Minderjährigkeit 1596. gekrönet worden. Als nun die Schweden wider Polen ihre Waffen führeten/ begab sichs/ daß

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die Dänischen Schiffe welche durch den Sund in Preußen giengen/ feindlich angehalten wurden; Ja die Norwegen/ als Dänische Unterthanen solten sich an etlichen Orten zu Schwedischer Contribution verstehen. Solches brach 1611. zu einem öffentlichen Kriege aus/ da Christianus IV. das Glücke hatte/ die feste Stadt Calmar in Schweden mit stürmender Hand einzunehmen. Wiewol es wäre zu wündschen gewesen/ die Dänen hätten ihrer Victorie nicht mißbraucht/ und nicht alle Kinder und Weiber ohne Unterscheid niedergehauen. Hierauff wird erzehlet/ Carolus IX. in Schweden habe Christianum IV. in Dennemarck zu einem Duell ausgefodert: Doch dem sey endlich wie ihm wolle/ das ist gewiß/ Carolus starb bald hierauf/ und hinterließ einen Sohn Gustavum Adolphum, welcher im Teutschen Kriege 〈135〉 sehr bekant worden ist; ingleichen eine Tochter Catharina/ welche an Pfaltz-Zweybrück vermählet ward/ davon König Carolus Gustavus gebohren ist/ wie unten sol erzehlet werden.

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XIV. NAch dieser Zeit hat so wol der König in Dennemarck/ als der in Schweden/ sich wider das Haus Oesterreich im Teutschen Kriege gebrauchen laßen/ davon in der teutschen Historie 1. 21. 24. seqq. gehandelt wird/ biß Gustavus Adolphus in der Schlacht vor ­Lützen 1632. umb das Leben kam/ und seine Tochter ­Christina, dazumal ein Fräulein von 6. Jahren/ zu der succession übrig blieb. Doch der Teutsche Krieg war noch nicht beygeleget/ als 1643. eine Uneinigkeit zwischen beyden Nordischen Cronen entstund. Denn die Schweden gaben vor/ es wolte der König in Dennemarck/ weil er im Sunde die zwey Schlösser Elsenburg und Cronenburg/ als die Schlüssel von der Ost-See inne hatte/ sich der vollen Herrschafft über die gantze See anmaßen. Auch die Holländer/ welche zwischen beyden gern eine Gleichheit erhalten/ und damit ihre nutzbare Handlung in Polen versichern wolten/ traten auff Schwedische Seite/ und brachten 〈136〉 es so weit/ nachdem

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sie beyderseits die Kräffte an einander probiret hatten/ daß 1645. ein guter Friede erfolgete.

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AO 1648. starb Christianus IV. nachdem er seinen Cron-Printz Christianum V. 1647. verlohren hatte. Also folgete ihm der andre gebohrne Sohn Fridericus III. Denen Schweden war dieses Jahr sehr glückselig/ indem sie durch den Osnabrückischen Frieden einen sonderbahren Vorthel erhalten hatten. Derowegen als 1650. im Junio der Friede zu Nürnberg war bestätiget worden/ kröneten sie die Königin Christina im October zu Stockholm/ maßen sie allbereit 1634. zu der Succession öffentlich benennet war. Und gewiß/ diese Königin kunte vor eine gelehrte und unvergleich­ liche Person passiren: Allein die überflüßige Curiosität/ die Welt zu besehen/ oder auch andere Ursachen trieben sie an/ daß sie 1654. ihrem Vetter/ Carolo Gustavo, dem Pfaltz-Grafen/ welcher in Teutschland Schwedischer Generalissimus gewesen/ die Crone und das Reich abtrat. Sie selbst gieng 1655. auff Inspruck/ und nahm daselbst öffentlich die Päbstliche Religion an. Gestalt sie auch bißhero bald zu 〈137〉 Rom/ bald anderswo keine bleibende Stelle gehabt hat.

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DIeser Carolus Gustavus ward bald im Anfange seiner Regierung in den Polnischen Krieg verwickelt/ davon im folgenden Capitel gedacht wird. Doch ehe er auff derselben Seiten zur Ruhe kam/ trat der König in Dennemarck mit dem Kayser und Churfürsten zu Branden­burg 1657. in ein Bündnüß/ und weil er 1634. war aus dem Ertzstifft Brehmen gesetzt worden/ auch nach dem Osna­ brückischen Frieden keine Erstattung davor erhalten hatte/ so ­gieng der König in Dennemarck mit der Armee in Brehmen. Doch

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als der Schwede sein Volck aus Polen führete und 1658. bey dem überaus harten Winter über den gefrohrnen Belt aus der Insul Fühnen in Seeland gedrungen war/ schickte sich alles zum Frieden/ welcher diß Jahr zu Rothschild in Dennemarck geschlossen ward: Da der Schwede das Land Schonen und darbey die Festung Elsenburg am Sunde/ nebenst andern Ländern und Insuln erlangete. 〈138〉

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XVII. OB nun wol dieser Friede auff ewig solte geschlossen seyn/ auch die Könige selbst durch mündliche Unterredung einander alles gutes versprachen/ weiß ich doch nicht was der König in Schweden vor Ursache hatte den Krieg noch dasselbe Jahr wieder an zu fangen. Sie gaben vor/ als hätten sie aus Dennemärckischen Briefen/ welche intercipirt worden/ gefährliche Anschläge ersehen. Also giengen sie vor die Hauptstadt Coppenhagen/ und formirten eine Belagerung: Doch es war zu spät/ absonderlich weil die Holländer durch den Sund bey gutem Winde durchdrungen/ und die Stadt entsetzten. Darumb ward es so weit gebracht/ daß 1660. zu Coppenhagen ein neuer Friede geschlossen/ und dem Dennemärcker etliche Oerter in Norwegen wieder eingeräumet wurden. Wiewol der König in Schweden erlebte diesen Frieden nicht/ denn er starb den 13. Febr. 1660. und hinterließ einen eintzigen Sohn C ­ arolum XI. dazumahl von 5. Jahren. Maßen auch das Jahr ­hierauff 1661. der Friede zwischen Moscau und Schweden er­folgete. 〈139〉

XVIII. WAs Dennemarck betrifft/ so gebrauchte sich der König des Friedens zu seinem sonderbahren Vortheil. Denn von der Zeit ­Friderici I. an hatten die Stände des Reichs so viel Gewalt/ daß sie dem Könige/ wenn er gewehlet wurde/ eine gewisse Capitula­

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tion, oder wie sie es nenneten/ die Handfeste vorlegeten. Doch als durch Beystand der Bürger die Haupt-Stadt wider die Schweden glücklich war defendirt worden/ und numehr ein Reichs-Tag gehalten ward/ brachte der König die Geistlichen/ die Bürger/ und die Bauern auff seine Seite/ daß sie ihm die Handfeste erließen/ und Ihn vor einen vollkommenen Erb-König erkenneten. Also musten die Edelleute/ so ungern als sie wolten/ endlich ihren Willen darein geben.

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VOn dieser Zeit an ist in beyden Königreichen keine sonderbahre Veränderung vorgelauffen. In Dennemarck zwar starb 1670. der König Fridericus III. und hinterließ die Crone seinem erstgebohrnen Christiano VI. welcher sich allbereit mit einem Casselischen Fräulein vermählet 〈140〉 hatte. Schweden hatte sich mehrentheils Frantzöisch erkläret/ und von derselben Crone/ zu Unterhaltung der Milice, Subsidien-Gelder genommen. Doch endlich traten sie mit in die Tripel-Alliantz/ doch mit schlechter Beständigkeit/ indem sie aus Faveur der Frantzöischen Parthey/ dieses Jahr 1675. in die Marck eingefallen sind/ und daselbst die Feindseligkeit wider Teutschland erwiesen haben. Dannenhero sie auch von dem Römischen Reiche/ von Dennemarck und Holland vor Feinde erkläret worden. Und stehet numehr dahin/ was der Krieg vor einen Ausgang gewinnen werde. 〈141〉

Das VI. Capitel. Die Historie Von Polen. I. POlen ist vor Zeiten von gewissen Fürsten regieret worden/ welche wir anietzo nicht berühren können. Doch 830. ward Popielus II. oder Pompilius, aus GOttes gerechter Straffe/ wegen eines grausamen Mordes an seinen nächsten Vetern/ von den Meusen gefressen. Und als numehr kein Erbe verhanden war/ so gab es viel Weitläufftigkeit/ wegen eines andern Fürsten/ biß endlich Piastus ein Bürger zu Crusviez, wegen seiner mildreichen Gutthätigkeit/ die er in der neulichen Hungers-Noth gegen viel Leute erwiesen hatte/ auff den Thron erhoben/ und vor einen Fürsten angenommen worden. Gestalt auch dieses Piastische Geschlecht sehr lange in ­Pohlen regieret hat: Wie auch die Hertzoge von Liegnitz in ­Schlesien/ ihr Geschlechts-Register von ihm her geführet haben/ und also der gäntzliche Stamm erst vor kurtzer Zeit ausgestorben ist. 〈142〉

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II. AUs dessen Nachkommen nahm Micislaus 965. die Christliche Religion an/ und ließ eben am Sontage Lætare alle Heydnische Götzen abreißen und den Kindern Preiß geben/ welche sie endlich in das Wasser wurffen. Dannenhero auch an diesem Sontage in Polen und Schlesien ein solches Kinderspiel zum Gedächtnüß gehal-

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ten wird/ daß sie einen Götzen umbher tragen/ mit Koth besudeln/ und endlich in das Wasser schmeißen. Dessen Sohn Boleslaus ward von Keyser Otto III. durch Aufsetzung einer Königlichen Crone 999. zu der Königlichen Dignität erhoben. Des Boleslai Enckel war Casimirus, welcher als ein Unmündiger seine Mutter muste regieren laßen. Weil aber die Polen das Weiber-Regiment nicht vertragen kunten, flohe die Königin mit dem besten Schatze in Teutschland: Casimirus aber der Sohn zog in Franckreich/ und ward daselbst zu Cluniac ein Benedictiner Münch. Die Polen hatten unterdessen keinen Herrn/ und lebten in voller Unruhe/ daß sie aus Noth ihre Gesandten in Franckreich schickten/ und den rechtmäßigen Herrn wieder 〈143〉 begehrten. Welchen sie auch 1041. nach erfolgter Päbstlicher Dispensation erhielten/ doch mit angehänckter Bedingung/ es solten sich alle Polacken über den Ohren wie Münche abscheren laßen.

III.

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DEr letzte aus dem Päbstischen Stamme war Casimirus M. welcher 1370. durch einen schweren Fall auff der Jagt sein Leben beschloß. Und dieser hat zwar dem Königreiche viel zu gute gethan: doch war er der Unkeuschheit sehr ergeben/ gestalt auch seine vornehmste Concubine Esther eine Jüdin/ so viel bey ihm auswürckte/ daß die Jüden in Polen noch diese Stunde sehr viel Freyheiten be­ sitzen. Es hatte aber Casimirus noch eine Schwester hinterlaßen/ welche an den König in Ungarn vermählet war. Derohalben ward ihr Sohn Ludovicus zugleich König in Polen/ und vereinigte diese beyden Königreiche. Allein er starb auch 1382. und hinterließ nur zwey Töchter. Die älteste Maria war an Sigismundum (der endlich Keyser worden ist) vermählet/ und brachte ihm Ungarn erblich mit. Allein die Polen hatten ein besser Hertz zu der jüngsten 〈144〉 ­Hedwig. Weil nun Jagello/ der Groß-Fürst in Littauen/ solche zur Gemahlin nahm/ und sich derentwegen zu dem Christlichen Glauben bekennete/ ward er von den Polen zum Könige angenommen/

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und ließ sich in der Tauffe Uladislaus nennen. Und also ist Polen mit Litthauen vereinigt worden.

IV. ANno 1434. starb dieser Jagello oder Uladislaus, und hinterließ seinen Sohn Uladislaum III. Dieser ward 1440. auch zum Königreich Ungarn beruffen/ weil unterdessen Albertus der Keyser/ Sigismundi Eydam und Erbe/ gestorben war/ und erst nach seinem Tode ein junger Printz Ladislaus auf die Welt kam. Nun hatte dieser König die Reiche wieder vereiniget/ und brachte den Türcken in solches Schrecken/ daß er mit Schimpf umb Friede bitten muste. Doch der Pabst schickte einen Cardinal in Ungarn/ und ließ den Rath geben/ man dürffte dem Türcken keinen Frieden halten/ absonderlich weil die Christen wider diesen Erbfeind vor dißmahl gute Progressen hätten. Dieses that der König/ und brach den beschwornen Frieden: Wiewol 〈145〉 mit solchem Unglücke/ daß er und seine Leute 1444. in der Schlacht bey Varna, nicht weit vom schwartzen Meere/ biß auffs Haupt erleget wurden. So folgete in Polen der Bruder Casimirus IV. In Ungarn ward ein Königlicher Stadthalter Johannes Hunniades Corvinus, und in Böhmen ward Georgius Podiebrazky König.

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V. HIer müssen wir etwas von den Teutschen Ordens-Rittern gedencken. Es hatten sich dieselben zu Jerusalem erstlich zu Beschützung der Christen gebrauchen laßen/ welche ihre Wallfahrten zu dem heiligen Grabe verrichteten. Allein als die Türcken zu mächtig wurden/ gingen sie 1220. in Preußen/ und verjagten die Barbarischen Heyden/ welche das Land inne hatten. Nach der Zeit maßeten sich die Teutschen Herren einer überaus tyrannischen Herrschafft über die Unterthanen an/ biß 1454. durch Hülffe des Königs

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in Polen das halbe Preußen abfiel/ daß also Dantzig/ Elbingen/ Thoren/ Marienburg und andere Oerter die Freyheit erhielten/ und im Königreiche Polen als Land-Stände tractirt wurden. Da hingegen Königs- 〈146〉 berg nebenst den andern Oertern noch unter dem Großmeister des Teutschen Ordens verbleiben musten.

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ALs Casimirus die Teutschen Herren dergestalt gedemüthiget hatte/ starb er 1492. Doch war sein Sohn Ladislaus nach des ­Podiebrazky Tode 1471. König in Böhmen worden/ hatte auch/ nachdem Matthias Corvinus König in Ungarn gestorben/ 1490. dieselbe Cron erhalten. Allein der andere Sohn Johannes Albertus, welcher von den Polen zum Könige erwehlet ward/ gönnete dem Bruder die Ungarische Cron nicht/ und richtete viel Zerrüttungen an/ biß er etliche mahl schändlich geschlagen/ und zu bessern Gedancken gebracht wurde. Dieser Johann Albertus starb ohne Gemahlin 1501./ und folgte ihm der dritte Bruder ­Alexander, welcher gleichfalls 1506. keine Erben hinterließ. Also ward ­Sigismundus der vierdte Bruder zum Könige in Polen erwehlet. Und dieser Sigismundus kam 1515. nebenst dem Bruder Ladislao aus Ungarn zu dem Keyser Maximiliano I. auff Wien/ eine genaue Erbverbrüderung unter sich selbst zu stiff- 〈147〉 ten und das Haus Oesterreich mit in die Succession einzuschließen. Wiewol solches nach der Zeit keinen Fortgang erreichet hat.

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ANno 1516. starb Ladislaus in Ungarn/ und folgte ihm der Sohn Ludovicus, von welchem dieses Wunder erzehlet wird/ daß er vor der Zeit gebohren/ und keine Haut mit auf die Welt bracht/ vor der Zeit im andern Jahre gekrönet/ im zehenden Jahre zur Regierung gelaßen worden/ im vierzehenden Jahre einen Bart bekommen/ im

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funfzehenden sich verheyrathet/ auch endlich vor der Zeit 1526. im ein und zwanzigsten Jahre in der Schlacht vor Mohaz von den Türcken erschlagen worden. Nun war seine Schwester Anna noch übrig/ welche an Ferdinandum I. vermählet ward/ und also die Cron Ungarn auff Oesterreich brachte/ wo sie auch biß auf diese Zeit geblieben ist.

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VIII. IMmittelst hatte der Groß-Meister in Preußen von dem Könige in Polen seine Anfechtung. Denn dieser gab vor/ Preußen gehörte mit in die Sarmatischen 〈148〉 Gräntzen/ und müste also vor ein Polnisches Lehen gehalten werden. Nun wolte Albertus von Branden­ burg/ der damahlige Großmeister/ sich nicht darzu verstehen/ sondern beruffte sich auff das Römische Reich/ welchem er mit Lehen und Pflicht zugethan wäre: Maßen er auch in Reichs-Tägen seine Session allezeit gehabt hätte. Wären ja seine Vorfahren zu einer neuen Pflicht gezwungen worden/ so würde er zu dieser unbilligen Sache nicht gehalten seyn. Wiewol das Römische Reich war dazumahl im Kriege wider Franckreich verwickelt/ und konte also wenig Hülffe versprechen. Derhalben ergriff Albertus einen neuen Vorschlag/ und begab sich 1525. unter die Polnische Devotion, doch dergestalt/ daß er sich mit des Königs in Dennemarck Tochter vermählete/ und ein erblich Herzogthumb aus dem Lande machen durffte. So ward diese gantze Landschafft dem Römischen Reiche entzogen. Doch was die Einkünffte belanget/ welche aus Teutschland dem Großmeisterthum zustunden/ so werden s­ olche noch biß dato von einem genossen/ welcher den Titul Groß­ meister füh- 〈149〉 ret und zu Margentheim in Francken ordentlich seine Residenz hat.

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NAchdem Sigismundus 1548. gestorben war/ und sein Sohn/ Sigis­mundus Augustus, den Thron besaß/ wurden die Teutschen Ordens-­Ritter/ welche Lieffland eingenommen hatten/ und sich von einem sonderlichen Großmeister regieren ließen/ durch die Moscowiter hefftig gedränget. Derohalben wolten sie sich dem Könige in Dennemarck ergeben/ und ihn vor ihren Herrn erkennen. Allein als dieser keine frembde Ungelegenheit über sein Reich ziehen wolte/ musten sie ihren Schutz in Polen suchen. Also ward gantz Lieffland der Polnischen Cron unterthan: Aber der Großmeister/ Gotthard Kettler, ließ sich 1559. zum Hertzog in Curland bestätigen.

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SIgismundus Augustus starb 1572./ und hinterließ zwey Töchter: Catharina war an Johannem, König in Schweden/ verheyrathet: Anna war noch in Polen. Als nun die Polen wegen der Religion kein gut Hertze zu Schweden hatten/ schien es/ wer die Anna heyrathen würde/ der möch- 〈150〉 te den Vorzug in der Königlichen Wahl erhalten. Nun hatte Henricus III./ des Königs in Franckreich Bruder/ das Glück/ daß ihm nicht allein zum Beylager Hoffnung gemacht sondern/ auch er selbst gekrönet wurde. Doch bald drauff kam die Zeitung/ der Bruder Carolus IX. wäre in Franckreich gestorben: Also wolte Henricus lieber in einem absoluten Reiche zu gebieten haben/ als in Polen verbleiben/ und machte sich dannenhero bey der Nacht heimlich auf/ und hinterließ einen Brief an die Stände des Reichs/ darinnen er zwar versprach wieder zu kommen; doch weil solchem wenig geglaubt wurde/ auch die Polen keinen König begehrten/ welcher sich außerhalb des Landes auffhalten möchte/ setzten sie Henricum wieder ab: und als Anna dem Hertzoge in Siebenbürgen/ Stephan Balsor, versprochen ward/ kam er auch noch dasselbe Jahr auf den Königlichen Thron.

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Zwar etliche Stände hätten lieber Maximilianum II. den Keyser erwehlet: doch die andere Parthey war mächtiger/ und muste sich zuletzt die Stadt Dantzig/ welche allezeit gut Keyserisch gewesen war/ 1578. zu ei- 〈151〉 ner guten Geldbuße/ und zu besserer Devotion beqvemen.

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XI. NAch dieser Zeit hatte der König wegen Lieffland viel mit dem Moscowiter zu thun/ biß er ihm das gantze Land 1582. abgedrungen hatte. Hierauff waren die Polen nicht wol zu frieden/ daß der König so mächtig ward/ und stiffteten eine Unruhe nach der andern. In Lieffland widersetzte sich die Stadt Riga/ als sie den neuen Calender annehmen solte/ biß er 1586. unverhofft und ohne Erben dahinstarb. Da entstund eine treffliche Uneinigkeit unter den Ständen. Etliche erwehleten Sigismundum aus Schweden/ und ließen ihn den 9. Augusti 1587. krönen. Andere berufften Maximilianum von Oesterreich/ Keysers Rudolfi II. Bruder/ und krönten ihn den 12. Augusti eben dieses Jahr. Doch Maximilianus war unglücklich/ und ließ sich 1588. von dem Feinde gefangen nehmen. Also kam er nicht eher loß/ als biß er 1589. nebenst dem Keyser allen Ansprüchen auf die Polnische Cron abgesaget hatte. Gestalt auch Sigismundus sich hernach allezeit an Oesterreich gehalten/ und zwey 〈152〉 Schwestern nach einander aus diesem Hause sich vermählet hat. Wie aber das Königreich Schweden verlohren worden/ solches ist oben in der Schwedischen Historie beschrieben.

XII. AO. 1610. begehrten die Moscowiter Uladislaum des Königs Sohn zu ihrem Groß-Fürsten/ nachdem sie eine sonderliche Niederlage erlitten hatten. Doch weil die Polen in Moscau allzu grausam hauseten/ und die Stadt Smolensko 1611. von dem Moscowiter so wol

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beschützet worden/ daß sie lieber sich selbst mit Weib und Kind in die Lufft gesprenget/ ehe sie wolten den Polen zu Theil werden: so wandte sich das Hertz wieder von ihnen/ und musten die Polen in großer Kälte und Unordnung nicht ohne Verlust wieder nach Hause kehren.

XIII.

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SOnst hatten die Polen noch allezeit auf der Türckischen Seite Friede gehabt. Doch als Osmann der Käyser 1621. Lust bekam die Moldau gäntzl. von der Polnischen Confœderation abzureißen/ und derohalben mit einer grausamen Macht in Polen 〈153〉 einfiel/ schickte Sigismundus seinen Sohn Uladislaum mit 8000. Mann voran/ daß er den Feind so lange auffhalten solte/ biß er mit dem auffgebotenen Adel folgen könte. Wiewol die Türcken wolten des Königs nicht erwarten/ und giengen auff diese Armee loß/ mit solchem Verluste/ daß sie nicht allein 60000. Mann einbüßeten/ sondern auch der Käyser selbst/ im Angesichte der Polnischen Milice, das Feld räumen und davon ziehen muste.

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WAs Lieffland betrifft/ so hatte sich das meiste Theil an Polen ergeben. Doch Revel war unter Schwedischer Protection geblieben. Weil nun zwischen Polen und Schweden zu Anfange dieses Seculi ein langwieriger Krieg entstund/ so wickelte sich die Unruhe auch in Lieffland/ biß Gustavus Adolphus 1627. die Haupt-Stadt Riga einnahm/ und also in der gantzen Landschafft Meister spielete: Da musten die Polen auff einen Stillstand gedencken/ biß auff 1635.; Welcher auch hernachmahls von diesem Jahre an auff sechs und zwantzig Jahr hinauß gesetzet ward. 〈154〉 Immittelst starb Sigismundus 1632./ und nachdem sein Sohn Uladislaus in dem R ­ eiche folgete/ brachte es dieser Held gegen die Moscowiter so weit/ daß

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sie 1634. einen Frieden beschlossen/ und alles wieder zurück gaben/ was innerhalb 200. Jahren von Polen und Litthauen war abgezwacket worden.

XV. DIeser Uladislaus hatte einen Bruder Johann Casimir, welcher 1640. von dem Könige in Spanien zum Vice-Re in Portugal beruffen wurde. Als er aber seine Reise durch Franckreich setzen wolte/ und gleichwol zwischen beyden Cronen dazumahl öffentlich Krieg geführet ward/ muste er sich als ein Spanischer Diener gefangen geben. Und in solcher Gefangenschafft gefiel ihm das geistliche Leben wol/ daß er nach erhaltener Freyheit 1643. auff Rom zog/ und sich in den Jesuiter-Orden begab. Doch als er 1646. auch den Cardinals-­Hut erlangete/ und wider des Pabsts Willen eine Crone auff dem Wapen führen/ auch einen höhern Titul als die andern haben wolte/ zog er wieder in Polen/ und nachdem der Bruder 1648. ohne Erben 〈155〉 starb/ erhielt er Päbstliche Dispensation, daß er so wol das Reich antreten/ als auch des Bruders Witbe zur Gemahlin nehmen durffte.

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XVI. VOr dieser Zeit war die Unruhe mit den Cosacken angegangen. Denn dieses Volck wohnet in der Ukraine umb den Fluß Dnieper oder Borysthenes, hat die Griechische Religion/ und ist allezeit mehr unter dem Schutze als unter der vollkommenen Herrschafft des Königs in Polen gewesen. Weil nun 1638. die Jesuiten eine Reformation vornehmen wolten/ und über dieses der Brantewein-­ Handel den Juden versetzet ward/ waren sie sehr auffrührisch/ also daß der König alle Soldaten unter ihnen abdancken/ und den gewöhnlichen Ducaten nebenst einem Zippelpeltze jährlich nicht reichen wolte. Nach dieser Zeit war der Cosackische General

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B ­ ogdan Chmilinzky von etlichen Polen beleidigt worden/ und als er die Klage bey dem Könige Uladislao anbrachte/ hörete er diesen Bescheid: Hastu keinen Sebel? Gleich als wolte er sprechen/ es wäre leichter geschehen/ daß Privat-Rache gesuchet/ als vom Könige die Straffe begehret würde. Chmilinzky war 〈156〉 damit wol zu Frieden/ und hieng seine rauberische Cosacken an sich/ welche es mit Plündern und Rauben so grob machten/ daß endlich die Polen sich zur Defension schicken musten. Und erstlich zwar hatten die Cosacken sich mit den Tartarn verbunden: doch als ihnen 1649. auch hernach 1651. der Friede mit Gewalt abgedrungen ward/ fielen sie 1654. zu dem Moscowiter/ und ergaben sich sambt der gantzen Ukraine in seine Devotion: Gestalt er auch dieses Glücke wol gebrauchte/ und noch dasselbe Jahr die Festung Smolensko mit Accord wieder einbekam.

XVII. ALs nun Polen sonst Unglück genug zu erwarten hatte/ kam der Schwedische Krieg darzu. Denn ob zwar Krafft des sechs und zwantzig jährigen Stillstandes 1635. die Freundschafft wären solte biß 1661. so waren doch 1654./ als Carolus Gustavus in Schweden zum Könige erkläret worden/ die Polen mit ihrer Protesta­tion erschienen/ und hatten ihr Recht auff die Cron etwas empfindlich gesucht/ daß also der Schwede 1655. in Polen hinein drang. Und da war das Glücke Anfangs 〈157〉 gantz auff Schwedischer Seiten/ daß er Posen/ Warschau/ Crackau/ und andere Plätze mit leichter Mühe einbekam/ und König Casimirus seine Zuflucht in ­Schlesien nehmen muste. Doch als Litthauen sich Schwedisch erklären wolte/ gefiel solches dem Moscowiter nicht. Wie er denn mit großer Macht in Lieffland einfiel/ und darinnen unmenschliche Grausamkeit verübte. Uber dieses trat der Churfürst von Brandenburg von dem Schweden ab/ ja die Polnischen Völcker/ welche unter Schweden gedienet hatten/ rufften ihren alten König wider. Darumb wäre es mit Schweden gar schlecht abgelauffen/ wenn sie nicht

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1657. durch den Dennemärckischen Krieg wären mit Gelegenheit aus Polen herausgelocket worden. Doch folgten die Polen durch Zuthun des Churfürsten zu Brandenburg biß in Pommern hinnach/ biß die Schweden 1660. mit dem Polen in dem Preußischen Closter Olive Friede machten/ in welchem dem Könige in Polen der Schwedische Titul auff seine Lebens-Zeit vergönnet/ dem Könige in Schweden aber die Herrschafft auff Lieffland bestätiget wurde. 〈158〉

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XVIII. INzwischen wärete die Unruhe mit den Cosacken und dem Moscowiter noch immer/ und kam die Confœderation im Reiche selbst darzu. Denn die Armee wolte erstlich bezahlet seyn und machte/ unter dem Vorwand Qvartier zu suchen/ böse Händel. Auch als der König den Cron-Marschall Lubomirsky/ gleich als hätte er diese Confœderation erhalten/ wider der Polen hergebrachte Freyheit 1664. in die Acht erklärete/ und hierdurch den gantzen Adel stutzig machte/ so gieng der innerliche Krieg mit allem Ernste wieder an/ biß Lubomirsky 1666. den Frieden eingieng/ und besserer Sicherheit willen sich aus dem Reiche auff Breßlau begab/ gestalt er auch daselbst bald darauff sein Leben beschloß. Endlich erfolgete der Moscowitische Friede 1667./ und weil die Cosacken sich numehr auf dieser Seiten keines völligen Schutzes zu versichern hatten/ nahmen sie eine andere Resolution, und fielen zum Türcken.

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XIX. EBen dieses Jahr starb die Königin in Polen/ welche die Frantzöische Faction im Reiche sehr geheget hatte/ maßen auch 〈159〉 dieses keine geringe Ursache zu der innerlichen Unruhe gegeben hat/ weil sie wider die Gesetze des Reichs/ noch bey Lebzeiten des Königs/ einen gebohrnen Frantzosen zum Nachfolger vorschlagen

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wolte. Hierauff resolvirte sich der König Johann Casimirus und danckte vom Königreiche ab den 16. Sept. 1668/ zog hierauff in Franckreich in ein Closter/ biß er auch daselbst gestorben ist. Immittelst erwehlten die Polen einen andern König aus ihrem Mittel/ Michael Wiesenowiecky den 19 Jun. 1669./ welcher sich das Jahr drauff mit des Käysers Fräulein Schwester vermählete. Inzwischen machten die Türcken in Podolien große Unruhe/ und nahmen die berühmte Festung Caminiec ein/ doch mit solchen Conditionibus, daß Podolien mit andern benachbarten Ländern numehr dem Türcken solte unterworffen seyn/ die Polen hingegen einen jährlichen Tribut an die Pforte zahlen solten. Hierauff waren die Polen mit dem Könige übel zu frieden/ wolten die Tractaten nicht halten/ ja sie begehrten gar an den König/ er solte abdancken. In solchen Zerrüttungen starb er den 10. Nov. 1673. 〈160〉

XX. WEil nun der Türcken-Krieg wieder von neuen angieng/ eileten die Polen zu der neuen Wahl/ und erwehlten den 20. Maji 1674. den Cron-Feldherrn Johann Sobiesky/ welcher zwar mit der Armee dem Feinde entgegen gehet/ doch/ weil der Moscowiter mit seiner versprochenen Hülffe nicht erscheinet/ so ist im Haupt-Wercke noch nicht viel verrichtet worden. Inzwischen ist das Türckische Glücke gleicher maßen etwas verhindert/ und möchte man wol beyderseits einen reputirlichen Frieden wündschen. Sonsten hat der König eine Frantzöische Gemahlin/ und läßet sich dannenhero ansehen/ es möchte diese Parthey im Reiche mit der Zeit wieder beginnen mächtig zu werden. 〈161〉

Das VII. Capitel. Die Historie Von Italien. I. ALs Julius Cæsar, und nach ihm Augustus im Röm. Reiche die Monarchie wieder einführeten/ und hernach das Regiment vielen gefährlichen Veränderungen unterworffen war/ kam das Käyserthum endlich auff Constantinum M. welcher den Christl. Glauben annahm/ und 330. von Rom auf Byzanz zog/ und dieselbige Stadt nach seinem Namen Constantinopel nennete. Nun hatte er drey Söhne/ und verordnete es also/ daß einer/ nemlich Constans, Italien regieren solte. Doch dieser ward umbracht/ und gerieth das Land in solche Confusion, daß die Gothen/ Wenden/ Hunnen/ und andere Barbarische Völcker fast nach Belieben darinnen hauseten/ und das schöne und wolgebauete Italien zur Wüste­ney machten.

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II. ENdlich behielt Theodoricus der Gothen König 491. die Oberhand/ also 〈162〉 daß der Griechische oder Constantinopolitanische Keyser Zeno, welcher es nicht ändern kunte/ ihm die Possession confirmirte/ und das Königreich Italien völlig überließ. Und diese Gothen hatten zu Veron ihre Residentz/ und richteten Italien sehr löblich wieder auf/ biß Keyser Justinianus, welcher das Corpus Juris zusammen tragen laßen/ 550. einen glücklichen Ein-

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fall that/ und sich des gantzen Landes bemächtigte. Es war aber ein Castrate Narses, welcher das Commando über die Armee führete. Als nun der Keyser starb 565. und seiner Schwester Sohn Justinus II. an das Regiment kam/ ward gedachter Narses von der Keyserin schimpflich gehalten/ also daß er die Longobarden aus Ungarn und Oesterreich in Italien lockte/ und ihnen Gelegenheit gab/ ein und ander Theil abzuzwacken/ biß endlich Alboinus 571. sich zum Könige in Italien erklärete. Inzwischen schickten die Griechischen Keyser einen Gouverneur in Italien/ welcher die übrigen Provintzen regieren muste. Solcher ward Exarchus genennet/ und hatte seine Residentz zu Ravenna: biß endlich Aistulphus der Longobarden König 752. 〈163〉 Ravenna einnahm/ und den letzten Exarchum wieder in Griechenland verjagte.

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ALso war die Stadt Rom/ in welcher der Pabst/ als ein vornehmes Mitglied/ dazumahl lebte/ in großer Gefahr/ und weil er von Constantinopel keine Hülffe zu hoffen hatte/ wandte er sich zu den Frantzosen/ und erhielt erstlich/ daß Carolus Martellus, der vornehmste aus den Fürsten/ sich des Päbstlichen Stuhls annahm. Hernachmahls ließ er sich mit den Frantzosen noch in ein genauer Bündnüß ein/ und erließ ihnen den Eyd/ welchen sie dem Könige Chilperico geschworen hatten/ daß sie solchen in ein Closter stoßen/ und an seine Stelle den Pipinum, Caroli Martelli Sohn/ zum Könige erwehlen mochten. Also war Pipinus wiederumb danck­bar: auch dessen Sohn Carolus M. brachte es so weit/ daß die Longobarder aus gantz Italien 773. vertrieben wurden. Hierauff wusch eine Hand die andere: Carolus M. überließ dem Pabste ein groß Theil von Italien/ gleich als wäre solches das Patrimonium Petri, welches dem Päbstlichen Stuhle allbereit von Constantino Magno geschenckt wor- 〈164〉 den. Hingegen beredete der Pabst das Röm. Volck/ daß Carolus M. 800. in der Christ-Nacht als Römischer Käyser außgeruffen ward. Gestalt auch

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hernachmahls Nicephorus zu Constantinopel/ welcher aus einem Patritio war zum Käyser gemacht worden/ leicht willigen kunte/ daß numehro zwey Käyser/ einer in Orient, der andere in Occident, regieren solten.

IV. HIerdurch ward nicht allein Italien/ sondern auch die Stadt Rom mit dem Pabste/ dem Käyser unterworffen: wie es denn hernach in der Theilung bey des Caroli M. Nachkommen also gehalten ward/ daß der jenige/ welcher Italien besaß/ auch zugleich den Titul ­Augusti oder des Käysers führete. Doch ihre eigene Un­ einig­keit war Ursache/ daß unterschiedene Herren sich in Italien auff­worffen/ welche entweder als Fürsten oder Könige/ oder auch gar als Käyser regieren wolten/ und weil der Pabst den nächsten muste am liebsten haben/ so ließ er sich wenig anfechten/ ob die Teutschen Könige ein besser Recht auff das Käyserthumb hätten. Endlich drang Käyser Otto I. durch/ überwand 962. den 〈165〉 ­Berengarium, und ward vom Pabste als Römischer Keyser gekrönet.

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V. WEil nun der Pabst dem Keyser unterthan war/ suchte man allerhand Mittel/ die Keyserliche Gewalt zu brechen/ und ein freyes Pabsthum auffzurichten: Drumb ging es sehr wunderlich durch einander/ und hatte bald die Keyserliche/ bald die Päbstische Faction die Oberhand: biß Gregorius VII. der zuvor Cardinal Hildebrand hieß 1076. den Keyser Henricum IV. in den Bann that/ auch aus unrechtmäßiger Gewalt einen andern Keyser Rudolphum erwehlete. Wiewol Henricus war nicht faul/ und wolte diesen Pabst absetzen: allein die Verfolgung war zu groß/ weil absonderlich die Teutschen Fürsten/ auch der Sohn Henricus V. selbst wider ihn

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verhetzet wurden/ daß er also endlich gleichsam im Elende sterben muste. Zwar Henrico V. ging es nicht besser. Denn als er auff Rom kam 1111. wolte ihn der Pabst nicht krönen/ biß er die Investi­tur aller geistlichen Fürsten zu Päbstlichen Händen übergeben hätte. Doch dazumahl zwang er den Pabst/ daß er von solchem Begehren abstehen muste. 〈166〉 Allein er ward letzlich der großen Unruhe müde/ und überließ 1122. im Convent zu Worms das Recht/ die geistlichen Personen durch den Ring und den Stab zu bestätigen/ dem Pabste. Wodurch alle geistliche Fürsten mehr des Pabsts als des Keysers Diener worden sind/ und das Keyserthum gleichsam einen Arm verlohren hat.

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DOch dieses war den Päbstlichen noch nicht genug/ sondern sie suchten noch ferner dem Teutschen Reiche alle Krafft zu entziehen. Nun fand sich in Teutschland eine beqveme Gelegenheit. Denn 1138. ward Conradus III. Hertzog in Schwaben zum Keyser erwehlet. Nun hatte der vorige Keyser Lotharius seine Tochter an Henricum Superbum, Hertzogen in Beyern und Sachsen/ vermählet/ und hatte dieser große Hofnung gehabt/ das Keyserthum zu erlangen. Da er sich aber betrogen fand/ und 1140. aus Bekümmernüß starb/ schlug sich sein Bruder Gvelfus zu dem Pabste/ und erklärete sich wider den Keyser. Weil nun gedachter Keyser Conradus zu Weiblingen in Schwaben gebohren war/ 〈167〉 fügte sichs/ daß in der ersten Schlacht die Päbstlichen dieses Wort hatten: Hie Welff; die Keyserlichen hingegen. Hie Weiblingen. Und hieraus haben sie Anlaß genommen/ daß von der Zeit an in viel hundert Jahr hinaus/ die Päbstliche Faction den Namen der ­Gvelfen, und die Keyserliche den Namen der Gibellinen geführet hat. Denn also hatten die Italiäner das Wort Weiblingen nach ihrer Mund-Art zerlästert.

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VII. HIer fiel dem Pabste noch ein Kunststück ein/ wie er das Teutsche Blut mit schlechter Mühe dämpfen und vergießen möchte. Darumb überredete er 1147. Conradum, es wäre Schande/ daß man die Saracenen im gelobten Lande solte herrschen laßen: man solte mit gesambter Macht hineindringen/ und die Blut-Hunde aus den heiligen Oertern verjagen. Also ward eine schöne Armee nach der andern aus Teutschland geführet/ und nachdem sie in fremden Orten verschmachten und verderben muste/ hatte der Pabst schlechte Verhinderung/ seine Rolle zu spielen. Endlich starb Conradus 1152. und überließ das Keyserthumb 〈168〉 seines Brudern Sohne/ Friderico I. welcher ins gemein wegen des rothen Bartes Barbarossa genennet worden. Dieser wolte sich zwar seiner Autori­tät durchaus nicht begeben/ und brachte den Pabst offt zum Gehorsam. Allein weil er im gelobten Lande viel ausrichten wolte/ und indessen die Fürsten in Teutschland einen Auffruhr nach dem andern erweckten/ war er selbst Ursache/ daß sein guter Vorsatz/ den Pabst zu bendigen/ nicht von statten ging. Denn gesetzt/ daß der Keyser einen Pabst erwehlete/ so ward von der andern Faction ein andrer dargegen erwehlet/ biß endlich Alexander III. des Keysers Feind/ die Ober-Hand behielt. Ob aber dieser Pabst 1177. zu Venedig dem Keyser auff den Hals getreten/ oder ob diese Fabel aus einem Gemählde zu Venedig erdacht worden/ solches mag iemand anders nachsuchen. Letzlich starb Fridericus 1190. in Syrien/ als er wider die Saracenen streiten wolte/ da er doch mit besserm Ruhme sein Leben vor des Teutschen Reichs Auff­nehmen gewaget hätte.

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VIII. HIerauff succedirte sein Sohn Henricus VI. welcher die letzte Erbin von 〈169〉 Sicilien geheyrathet/ und sich also dieses Königreich/ dem Pabste zu schlechter Vergnügung/ zugeeignet hatte.

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Derohalben muste auch dieser Keyser viel Verfolgung ausstehen. Ja als er starb/ ward auff Päbstlicher Seite die Sache so gespielet/ daß Fridericus II. sein Sohn vom Keyserthume ausgeschlossen ward/ biß er 1218. nach der andern Absterben darzu gelangete. Doch er hatte sich kaum in dieser Würde bestätiget/ als er mit dem Pabste zu thun kriegte/ und endlich 1223. eine Armee in Italien führete. Da kam zu allem Glücke Johannes der König von Jerusalem/ und bat umb Hülffe wider die Saracenen: dieser vermittelte den Frieden zwischen beyden Partheyen/ und gab dem Keyser seine Tochter Jolanta zur Gemahlin. Wiewol der Pabst hetzte sie beyde so zusammen/ daß der Keyser seinen eigenen Schwieger-Vater aus dem Königreiche trieb/ und sich 1229. zu Jerusalem krönen ließ. Und dieses ist der Ursprung/ warumb sich die jenigen/ welche Könige in Sicilien sind/ zugleich im Titel von Jerusalem schreiben/ wie heutiges Tags der König in Spanien zu thun pflegt. 〈170〉

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NAch dieser Zeit erhub sich der Streit zwischen der Gvelfischen und Gibellinischen Faction auff das neue/ und ward Fridericus bald mit der Päbstlichen Excommunication, bald mit einem Gegen-Käyser geplaget. Ja Innocentius III. war 1245. so unverschämt/ daß er an die Teutschen Fürsten einen Befehl abgehen ließ/ sie solten in einer Insul im Rheine so lange eingeschlossen werden/ biß sie einen neuen Käyser erwehlet hätten. Auch Henricus des Käysers Sohn ward 1249. gefangen und in Bononien geführet/ da er/ aller angebotenen Ranzion ungeacht/ biß in das 22ste Jahr/ und also biß an seinen Todt verbleiben muste. Und unter solchen Verfolgungen starb Fridericus II. 1250. Nach welcher Zeit das langwierige Interregnum erfolget/ darinnen sich der Pabst von der Käyserlichen Jurisdiction gäntzlich loß gemacht.

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X. ZWar Friderici Sohn/ Conradus, nahm das Königreich Neapolis und Sicilien ein: Doch ward ihm bald mit Giffte vergeben/ und muste sich dessen Sohn Conradi- 〈171〉 nus gäntzlich ausschließen laßen/ unter dem Vorwande/ diese Königreiche wären ein Päbstlich Lehn/ und könten also nach Belieben auff einen andern Besitzer gebracht werden. Gestalt auch der Pabst 1264. Carolum Ludovici IX. Königs in Franckreich Bruder beruffen/ und ihm das gantze Lehen zuerkennen ließ. Nun rüstete sich Conradinus mit Hülffe etlicher teutscher Fürsten/ sonderlich Friderici von Oesterreich/ und wolte Carolo entgegen ziehen. Allein er büßete 1268. die Schlacht ein/ und ward gefangen. Wie er denn bald hierauff neben dem Hertzoge von Oesterreich auf Gutachten des Pabsts Clementis IV. durch den Scharffrichter öffentlich enthauptet ward. Doch setzte Conradinus vor seinem Tode den Manfredum, seines Vaters Conradi unächtigen Bruder/ zum Erben ein.

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XI. INzwischen blieb Carolus König/ und ließ seine Frantzosen mit den Unterthanen so schlimm und liederlich umgehen/ als sie nur selber wolten. 〈172〉 Drumb wurden die Sicilianer des Regiments bald müde/ und machten 1282. an dem andern Oster-Feyer­tage ­einen heimlichen Anschlag/ daß/ so bald zur Vesper geläutet ward/ ein allgemeiner Anfall auff die Frantzosen geschahe/ und nicht einer beym Leben blieb. Und solches wird ins gemein die Sicilianische Vesper genennet. Hiermit berufften sie Petrum, König in Arragonien, welcher die Constantiam, des Manfredi Tochter/ geheyrathet hatte/ und des Conradini Handschuh/ den er vor dem Tode von sich geworffen/ als ein Zeichen seiner Erbschafft/ mit sich führete. Also ward er gekrönet/ und weil die Frantzosen unterdessen in Neapolis blieben/ entstunden zwey Königreiche/ eines das Neapolitanische/ das andere das Sicilianische/ maßen

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1288. solches durch einen Frieden verglichen/ auch 1296. durch eine Heyrath bestätiget ward/ davon unten weiter sol gedacht werden.

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DOch kurtz nach dieser Zeit beging Pabst Clemens V. einen großen Fehler/ daß er 1305. den Apostolischen Stuhl von Rom auf Avignon in Franckreich ver- 〈173〉 legte. Denn da hatten die Römer Gelegenheit ihre Freyheit besser in acht zu nehmen: auch die Italiänischen Fürsten und Städte kunten mit desto leichterer Mühe ihre Herrschafft erweitern. Doch Teutschland war es wenig gebessert. Denn Ludovicus VI. der Keyser muste sich vielfältig verfolgen laßen/ biß Carolus IV. an die Stelle kam/ welcher sich gegen den Pabst besser accommodiren kunte. Endlich versetzte G ­ regorius XI. den Päbstlichen Stul wieder auf Rom 1377. Doch als er das folgende Jahr starb/ erfolgete eine grausame Trennung/ indem die Römischen Cardinäle Urbanum VI. die Frantzöischen hingegen zu Avignon Clementem VII. erwehleten. Denn da zertheilete sich gleichsam die gantze Christenheit. Italien/ Teutschland und England hielt es mit dem Römischen: Franckreich und Schottlend sahe auff den Frantzöischen. Spanien blieb neutral. Und welches sehr ärgerlich war/ so that ein Pabst den andern in den Bann. Ja selbst in Italien kam Ladislaus der König zu Neapolis, und wolte sich der Stadt Rom bemächtigen/ verjagte den Pabst/ daß er zu Viterbo sich auffhalten muste. 〈174〉 Hernach kamen etliche Cardinäle 1409. zu Pisa zusammen/ und setzten alle beyde Päbste ab/ und erwehlten einen neuen. Wodurch sie nicht mehr als dieses erhielten/ daß nun drey Päbste auff einmahl regieren wolten/ welche einander in den Bann thaten. Johannes XXIII. war zu Rom. Gregorius XII. zu Rimini in Italien. Benedictus XIII. in Franckreich/ von dar er in Spanien fliehen muste.

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XIII. DAmit nun diesem Unwesen endlich abgeholffen würde/ ward 1414. durch Zuthuung des Römischen Käysers ein freyes Conci­ lium zu Costnitz ausgeschrieben/ in welchem alle drey Päbste abgesetzet/ und an ihre Stelle 1417. Martinus V. erwehlet worden. Als aber in diesem Concilio die Päbstliche Gewalt trefflich beschnitten ward/ und 1431. zu Basel dieses Concilium solte fortgesetzet werden/ beschrieb Eugenius IV. ein ander Concilium zu Ferrar 1438./ welches das Jahr hernach auff Florentz verleget ward. Und da kam der Käyser von Constantinopel Johannes, und versprach/ wofern ihm wider den Türcken 〈175〉 würde geholffen werden/ so wolte er den Pabst auch in seiner Kirche vor das OberHaupt erkennen. Allein wie der Griechische Patriarche mit diesem Anerbieten nicht zu frieden war/ brachte es der Pabst dahin/ daß er ohne Hülffe gelaßen/ und also Constantinopel bald hierauff in Türckische Hände gespielet ward. Inzwischen citirten die Väter des Concilii zu Basel Pabst Eugenium vor sich/ und weil er nicht erschien/ erwehlten sie an seine Stelle einen Hertzog von Savoyen/ welcher Felix V. genennet ward. Wiewol dieser nach zehen Jahren/ aus Liebe zur Einigkeit/ selbst wieder abdanckete.

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XIV. ALs nun das Pabsthum sich etwas wieder erholete/ kam Alexander VI. 1492. auf den Stuhl/ welchen man mehr eine Bestie/ als einen Menschen heißen mag. Dieser hatte einen unächten Sohn/ welcher Cæsar Borgia hieß/ und den bekannten Machiavellum, als einen Secretarium brauchte/ dessen Symbolum war: Aut Cæsar, aut nihil. Und dannenhero bemächtigte er sich vieler kleiner Herrschaften/ welche 〈176〉 bißhero entstanden waren/ und gedachte mit der Zeit gantz Italien/ ja wol das gantze Käyserthum zu bemeistern. Allein da sich etliche Cardinäle etwas widrig anließen/ wolte er solcher Verhinderung auff einmahl abhelffen/

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und stellete ein Pancket an/ in welchem zwar der Wein in aller Gegenwart aus einer Flasche eingeschencket ward: doch in der Mitten war ein Unterscheid/ und hatte der Pabst befohlen/ ein Theil zu vergifften/ und solches den Cardinälen vorzusetzen. Wiewol GOTT fügte es anders/ daß sich der Mundschencke verirren/ und dem Pabst den verfälschten Wein vorsetzen muste. Also starb er plötzlich 1503. und sein Huren-Sohn ward mit genauer Noth gerettet. Doch kunte er wegen übermäßiger Leibes-Schwachheit sein ­Glücke nicht fortsetzen.

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HIerauff zog Pabst Julius II. viel Güter zu sich/ welche Cæsar ­Borgia abgezwackt hatte/ und weil er eines Martialischen Gemüthes war/ verhetzte er den Käyser nebenst Franckreich und Spanien wider die Venediger/ und brachte sie 1509. in große Confusion. Allein wie er endlich sahe/ daß 〈177〉 er sich des Kriegs wenig würde zu erfreuen haben/ und daß er viel mächtige Nachbarn in Italien gelocket hätte/ welche ihm mehr Schaden thun könten/ als die Venediger/ so zog er sich allmählig von dem Bündnüß zu­ rücke/ und lösete die Venediger von dem Banne. Solches gefiel dem Käyser nicht/ doch nahm er sich der Sache wenig an. Hingegen merckte der König in Franckreich/ es würde meistentheils wider ihn gerichtet seyn/ und brachte es mit des Käysers Gutachten so weit/ daß etliche Cardinäle zu Pisa ein Concilium wider den Pabst ausschrieben; gieng hierauff mit der Armee so wol auff den Pabst/ als auff die Venediger loß. Ob nun wol alle/ welche sich des Concilii zu Pisa theilhafftig gemacht hatten/ in den Bann erkläret worden/ auch zu dem Ende ein ander Concilium zu Rom angestellet ward/ welches von der Kirche S. Johannis in ­Lateran gemeiniglich Lateranum genennet wird; dennoch muste der Pabst sich zur Gegenwehre stellen/ und wird erzehlet/ er habe die Peters-­Schlüssel aus Zorn in die Tyber geworffen/ sagende/ wenn Peters Schlüssel nicht helffen wolte/ so müste Pauli Schwerdt

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­ elffen. ­Allein die Päbst- 〈178〉 lichen sponnen bey dieser Sache h wenig Seide/ und wäre in der Schlacht vor Ravenna 1512. da des Pabsts Kriegs-Volck fast biß auff das Haupt erleget ward/ nicht der Frantzöische General geblieben/ hätte es umb Rom selbst mißlich gestanden. So verzog sich die Sache/ und starb unterdessen Julius II. 1513. derohalben brachte es der neue Pabst Leo X. dahin/ daß der König in Franckreich sich zu dem Lateranischen Concilio accommodirte und in einen Frieden willigte.

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XVI. UNd gewiß/ weil die Spanier numehr in Italien mächtiger waren/ schien es/ als wolte der Päbstliche Stuhl mehr von der Frantzöischen Freundschafft halten. Dannenhero als 1527. zwischen beyden Cronen wegen des Königreiches Neapolis ein neuer Krieg erwachsen war/ und der Pabst Clemens VII. Carolo V. heimlich zuwider war/ kam die Spanische Armee unversehens vor die Stadt Rom/ nahm dieselbe mit stürmender Hand ein/ und verübete unvergleichliche Grausamkeit/ 〈179〉 mit Plündern/ Rauben/ Schänden und dergleichen. Zwar der Pabst war auff die Engelburg entwischet/ und nachdem er gantzer sieben Monat belagert worden/ kam die Sache zu gutem Vergleiche. Maßen auch der Keyser sich erklärete/ solches alles wäre wider sein Geheiß und Vorwissen geschehen. NB.  Numehr theilet sich die Italiänische Historie in gar zu viel unterschiedene Herrschafften aus; Derohalben wird es füglicher fortgesetzet werden/ wenn wir erstlich den Pabst/ hernach das Königreich Neapolis/ also dann Venedig/ Meyland/ Florentz/ Mantua/ Modena und Parma nacheinander betrachten.

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INdem sich nun der Keyser mit dem Pabste verglichen/ ward er/ zu Bononien 〈180〉 gekrönet 1530. nach der alten Gewohnheit/ da man in der eiteln Einbildung stund/ es müste der Keyser nach der Teutschen Cron auch die Römische empfangen. Wiewol als die Procession angestellet und dessentwegen eine höltzerne Brücke von dem Pallast biß in die Kirche geleget ward/ zerbrach dieselbige von der großen Menge Volcks. Also daß schon dazumahl prophezeyet wurde/ dieser Käyser würde gewiß der letzte seyn/ der über dergleichen Brücke gegangen wäre. Gestalt auch biß auff diese Stunde kein eintziger Käyser die Römische Cron weiter gesucht hat.

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INzwischen hatten sich die Protestirenden in Teutschland trefflich ausgebreitet/ und so offt der Käyser wegen der Religion etwas schließen wolte/ provocirten sie auff ein freyes und allgemeines Concilium. Solches ward endlich 1545. zu Trident auff der Italiänischen Gräntze vom Pabst Paulo III. angesetzt. Doch trugen die Protestirenden groß Bedencken ihre Theologos hinzuschicken. Es kam auch des Käysers Victorie in Sachsen 1547. darzu/ also daß der Pabst in Sorgen stund/ der Käy- 〈181〉 ser möchte sich hinter das Concilium stecken/ und wie vor diesem zu Costnitz und zu Basel geschehen/ den Apostolischen Stuhl etwas genauer einschrencken. Drumb musten die Medici sprechen/ die Lufft wäre nicht gesund/ daß die Zusammenkunfft sich mit guter Manier dissolviren kunte. Zwar Julius III. beruffte solches Concilium wieder zusammen 1551. Doch wie Mauritius der Churfürst zu Sachsen mit seinem Volcke den Käyserlichen in Tyrol zusprach/ gerieth auch diese Zusammenkunfft wieder in Confusion. Endlich brachte es Pius IV. so weit/ daß 1562. dieses Concilium wieder angefangen/ und das Jahr darauff vollendet wurde. Wiewol die Kirche

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in Franckreich sich zu dem Concilio noch nicht verstanden hat/ angesehen dem Pabste mehr Gewalt eingeräumet wird/ als dieses Königreich vertragen kan/ welches seit 1430. die Sanctionem Pragmaticam angenommen hat/ darinn die Frantzöische Kirche sich zu dem Costnitzischen/ und hernach zu dem Baselischen beqvemet. Und von dieser Zeit an ist der Päbstliche Stuhl mehr bemühet gewesen/ seine Autorität zu erhalten/ als zu vermehren. Dannenhero ist 〈182〉 auch nichts vorgelauffen/ daß man sonderlich auffzeichnen solte/ ohne was in den nachfolgenden wird hin und wieder eingemischet werden.

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XIX. Neapolis. OBen n. XI. ist gedacht worden/ wie Sicilien an die Könige in Ara­ gonien gerathen; hingegen Neapolis noch von den Frantzosen regieret worden. Aus diesen Königen entsprungen endlich zwey Weiber/ welche in den Historien ihrer Boßheit halben ziemlich berühmet sind. Die erste Johanna kam 1343. ins Regiment/ und hatte Andream ihren Vetter König in Ungarn zum Eh-Gemahl. Doch sie ließ ihn bald stranguliren/ und gerieth derohalben mit den Ungarn in einen gefährlichen Krieg. Endlich nachdem sie einen Mann nach dem andern gehabt/ starb sie 1382. Die andere Johanna ward gekrönet 1419. und nachdem sie zwey Männer gehabt/ und sich ferner keines Erbens getrösten kunte/ setzte sie Alfonsum den König in Arragonien und Sicilien zum Erben ein. Hernach änderte sie ihren Sinn/ und wolte 〈183〉 Ludovicum, Johannis II. Königs in Franckreich andern Sohn/ zum Nachfolger haben. Als sie nun starb 1435. wolte zwar Alfonsus sein Erbtheil einnehmen; Allein Renatus des Ludovici Sohns-Sohn widersetzte sich mit Hülffe der Genueser dergestalt/ daß Alfonsus mit seinen drey Brüdern gefangen ward.

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ZWar Alfonsus kam durch Hülffe Philippi des Hertzogs zu Meyland wieder auff freyen Fuß/ und als er 1442. Neapolis belagerte/ erfuhr er endlich durch einen Uberläuffer/ daß man durch die Cloacen in die Stadt kommen kunte. Und also war der Frantzosen Herrschafft über Neapolis vor diesesmahl zum Ende gelauffen. Was nun ferner erfolget/ darzu werden wir diese Genealogie von nöthen haben. 〈184〉 Ferdinandus Arragoniæ & Siciliæ R.

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Alfonsus V. à Johanna script hæres † 1458. Ferdinandus è Concubina batus fit Rex Siciliæ & Neapoleos. Alfonsus. Fridericus.

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Ferdinandus † 1496.

Johannes II. Rex Arragoniæ post fratrem, qvia legitimum non habebat hæredem. Ferdinandus Catholicus.

Henricus.

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XXI. GEdachter Alfonsus kunte von seiner Gemahlin keinen Sohn zeugen/ drumb muste er in Arragonien seinen Bruder Johannes succediren laßen. In Neapolis aber setzte er seinen unächten Sohn/ Ferdinandum zum Herrn ein/ welcher die Unterthanen hefftig druckte/ also daß sie offt nach 〈185〉 einem andern Regimente wündschten. Als er nun starb 1494./ war des Renati Geschlecht in Franckreich ausgestorben. Dannenhero gab Carolus VIII. der König in Franckreich vor/ er wäre dessen Erbe/ und hätte nun also gutes Recht die Prætension auff Neapolis zu suchen. Maßen er auch noch dieses Jahr sein Heil versuchte/ und das gantze Königreich ohne allen Widerstand einnahm. Doch wie die Frantzosen offtmahls viel einnehmen/ und wenig erhalten können/ also wärete es nicht lange/ so musten sie GOTT dancken/ daß sie noch einen offenen Weg in ihr Vaterland zurücke funden. Und ward dahero Ferdinandus in seinem Königreiche bestätigt/ welcher 1496. seines Vatern Bruder Fridericum zum Nachfolger hatte.

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XXII. ZWar Fridericus/ ward 1501. von dem neuen Könige in Franckreich Ludovico XII. wieder mit Kriege überzogen: Derhalben sahe Ferdinandus Catholicus gar wol/ der gute König würde sich dieses mächtigen Feindes nicht allezeit erwehren können/ und spielte also ein Politisch Stückgen. Denn er schlug sich zu den Frantzosen/ 〈186〉 und halff seinen eigenen Vetter zu dem Lande hinaus jagen. Hernach theilte er mit Ludovico XII. das Königreich. Allein als dieser meynte/ er wäre noch so sicher/ fieng Ferdinandus einen Streit wegen der Gräntzen an/ und schlug die Frantzosen 1503. wieder hinaus. Gestalt auch die Spanier von der Zeit an das Königreich vollkommen besessen haben. Denn dieses war ein geringes/ daß Franciscus I. 1527. die Stadt vergebens belagerte/ und unverrichteter Sachen davon ziehen muste.

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DOch 1647. hätte sich fast eine Gelegenheit gefunden/ welche der Frantzöischen Parthey wäre zuträglich gewesen. Denn als der Vice Re den Zoll auff allerhand essende Wahren steigern wolte/ trat ein gemeiner Fischer auff/ welcher Thomas Agnello, oder ins gemein Masaniello genennet ward/ und machte die Stadt dermaßen auffrührisch/ daß er mehr als 100000. Mann von der Bürgerschafft auff seine Seite brachte/ und dergleichen Dinge sich unterstund/ welche nothwendig vor eine Fabel gehalten würden/ wenn sie nicht zu unsrer Zeit und bey Menschen-Ge 〈187〉 dencken geschehen wären. Er hatte gleichsam absolute Macht zu befehlen/ und welchen er straffte/ den kunte kein Mensch erlösen. Er gab Ge­setze/ und niemand/ ja der Ertzbischoff selber/ durffte sich ungehorsam erweisen. Endlich als er zehen Tage mit Wachen/ Sorgen und Befehlen zugebracht hatte/ gerieth er in Unsinnigkeit/ und ward also von den seinigen verlaßen/ wie er denn bald von der Königlichen Parthey todt geschossen ward. Inzwischen wolten sich die Frantzosen dieses Auffruhrs bedienen/ und schickten den Hertzog von Guise, daß er den unruhigen Pöbel bey solchen Gedancken erhalten solte. Allein der Frantzöische Succurs kam nicht zu rechter Zeit/ und der König in Spanien schickte seinen natürlichen Sohn/ Don Joan de Austria, dahin/ welcher die Unter­ thanen besänfftigte/ und den Herzog von Guise gefangen bekam. Also bleibt Neapolis unter Spanien.

XXIV. AO. 1671. empörete sich die Stadt Messina in Sicilien/ und nachdem 1673. 〈188〉 der Krieg zwischen Spanien und Franckreich wieder angegangen/ nahm der Frantzose solche Rebellen in seinen Schutz/ und suchte die alte Prætension auf Sicilien wieder herfür: wie er denn allbereit in seinem Namen einen Vice-Re daselbst bestätiget hat. Doch die meisten zweifeln/ daß solches gar

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zu langen Bestand haben werde. Und muß man den Außgang dem ­Glücke und der Zeit überlaßen.

XXV. Venedig. VOn dieser Stadt ist bekannt/ daß im fünfften Seculo, als Attila der Hunnen König gantz Italien verheeret/ etliche Leute auf den kleinen Insuln des Adriatischen Meeres ihre Sicherheit gesucht/ und allda ein Haus nach dem andern gebauet/ biß diese herr­ liche und unvergleichliche Stadt daraus entsprungen ist. Doch wir wollen uns umb die alten Geschichten nicht bekümmern: dieses mag genug seyn. Anno 1203. gieng Balduinus Graf in Flandern mit Hülffe der Venediger auff Constantinopel/ nahm solche ein/ unter dem Vorwand/ als wolte er die Unruhe zwischen 〈189〉 den Keyserlichen Brüdern vergleichen. Doch als wenig Hofnung darzu war/ nahm er das Keyserthum selbst ein/ und muste denen Venedigern zum Recompens die meisten Insuln in Griechenland überlaßen. Also wuchs diese Stadt/ und zog absonderlich die gantze Ost-­Indische Handlung zu sich/ indem die Wahren über das rothe Meer/ von dar auff Alexandria/ und endlich auff Venedig gebracht wurden. Gestalt auch dazumahl gantz Europa mit Venedischen Factoren und Handels-Leuten erfüllet ward. Endlich gerieth diese Republic mit der Stadt Genua 1380. in einen gefährlichen Krieg/ da die ­Genueser durch Hülffe der neu-erfundenen Feuer-­ Büchsen solchen Vortheil hatten/ daß die Venediger Friede bitten musten. Doch da sie denselben nicht erhalten kunten/ fochten sie desperat, und erhielten die volle Victorie. Wie sie denn nach derselben Zeit/ als Italien durch die Gvelfische und Gibellinische Faction sehr zerrüttet ward/ unter dem Schein ihre Nachbarn zu be­schützen/ viel Städte und Länder umb das Adriatische Meer her­ umb/ unter ihre Botmäßigkeit brachten. 〈190〉

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FErner fügte sich das Glücke/ daß Jacobus König in Cypern eines Patritii zu Venedig Tochter 1462. heyrathete. Denn ob gleich in den Gesetzen enthalten war/ es solte sich kein Patritius mit ausländischen Fürsten in einige Schwägerschafft einlaßen/ so ward es doch mit dieser Person gemittelt/ weil sie versprach/ in Ermangelung eigener Leibes-Erben/ die Republic zum Erben einzu­setzen. Gestalt sie auch solches gehalten/ und nach dem Tode ihres Gemahls 1476. das Königreich würcklich übergeben hat. Wie es aber 1571. an die Türcken kommen/ wird unten in der Türckischen Histo­rie gedacht werden.

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NUn konte es nicht fehlen/ die Venediger musten durch ihr übermäßiges Glücke der benachbarten Potentaten Haß und Neid auff sich laden: Absonderlich weil sie dem Pabste keine freye Hand auch in ihrem Kirchwesen überlaßen wolten. Drumb entstund die gefährliche Unruhe/ davon num. XV. gesaget worden. Wiewol die Republic resolvirte sich zu einer ungläublichen Großmüthigkeit/ und brachte es dahin/ daß 〈191〉 nachdem 1509. alles verlohren war/ 1517. alles wieder in den vorigen Stand gesetzet ward. Dannenhero war dieser Schade viel nachdencklicher/ daß die Portugesen e­ inen Weg in Ost-Indien gesucht hatten. Denn also verlohren sie ein großes Theil der Handlung/ welche bißhero allein von ihnen war getrieben worden. Wie es auch den Venedigern vorgeworffen wird/ als hätten sie dazumahl ein Bündnüß mit dem Türcken gemacht/ daß er am Munde des rothen Meeres auff die Christen auffpassen/ und ihnen die freye Schiff-Fahrt ab-disputiren solte.

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XXVIII. AO. 1605. gerieth die Republic mit Pabst Paulo V. in einen neuen Streit. Denn es hatte nun den Pabst von langer Zeit her verdrossen/ daß die Venediger in ihrem Rathe keine Geistlichen zu der ge­ringsten Stimme laßen wolten; da doch in andern Ländern allenthalben die Geistlichen als Reichs-Stände respectiret würden. Nun kam eine neue Ursache darzu/ denn die Jesuiten hatten sich in Venedig eingeschlichen/ 〈192〉 und wolten nunmehr unterschiedene Güter an sich ziehen. Drumb ward vor nöthig befunden/ zwey alte Gesetze/ welche allbereit vor 30. Jahren gegeben waren/ zu verneuern. Erstlich/ daß niemand ohne des Raths Erlaubnüß eine Kirche bauen durffte/ und zum andern/ daß kein Weltlich Gut könte in Geistlichen Händen verbleiben/ wenn es gleich im Testament oder sonst verschrieben würde. Solches gefiel dem Heiligen Vater nicht/ daß in der Nachbarschafft sein Respect nicht solte besser in acht genommen werden. Als er nun Ursache an ihnen suchte/ begab sichs/ daß zwey Geistliche/ welche gewissen Anzeigungen nach/ Unzucht/ Mord und Zauberey verübet hatten/ vor das Weltliche Gerichte gezogen wurden. Dannenhero that er die gantze Republic 1606. in den Bann.

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XXIX. NUn hatten die Jesuiten prophezeyet/ es würden die Personen im Rathe in allerhand Factiones gerathen: doch solches schlug gar anders hinaus. Denn als die Venediger sahen/ daß mit demüthigen und friedfertigen Handlungen wenig zu erhalten war/ boten sie dem Pabste die Spitze/ 〈193〉 und erwiesen/ daß sie nicht gesinnet wären/ eines Haares breit zu weichen. Dieses ist lächerlich: Als die Republic im Banne war/ und des Pabsts Meynung nach keine Kirchen-­Ceremonien exerciren solte/ trieben sie doch den Gottes-­Dienst unverändert fort. Die eintzigen Jesuiten hatten so ein zartes Gewissen/ daß sie in der verbanneten Kirche nichts vorneh-

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men wolten. Doch der Rath traff ein ander Mittel/ und jagte sie insgesambt zur Stadt hinaus/ da sie doch allbereit ein ehrliches von jährlichen Einkommen besaßen. Also muste sich der Pabst weisen laßen. Die Geistlichen wurden aus dem Gefängnüß nach Rom geliefert/ und der Bann ward mit gutem Respect auffgehoben.

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ALs dieses kaum vorbey war/ kriegten sie mit dem Hause Oesterreich zu thun. Denn sie beschwerten sich/ Ferdinandus II. welcher hernach Keyser worden/ und dazumahl zu Grätz in Steyer­ marck Hof hielt/ ließ seine Unterthanen/ so gegen das Adriatische Meer zu wohnen/ und die Uschochen genennet werden/ gar zu viel Freyheit/ daß sie der Kauffmannschafft zum Schaden al- 〈194〉 ler­ hand Ungelegenheit treiben möchten. Uber dieses mochte Ertz-Hertzog Ferdinand etliche in seinen Schutz genommen haben/ welche von dem Rathe waren in die Acht erkläret worden. Also ging 1616. der Krieg an. Doch als die Venediger Gradisca in Friaul lange vergebens belagert hatten/ schlug sich der König in Spanien ins Mittel/ und also ward wieder Friede. Was unlängst in Candia vorgelauffen/ solches wird in die Türckische Historie gesparet.

XXXI. Meyland.

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DEr Streit wegen Meyland verhält sich also. Es ward dieser Stat von etlichen Herren nach einander regiert/ welche sich Vice-­ Comites oder Vice-Grafen nenneten. Endlich starb der Vice-Grafe Galeacius und hinterließ einen Sohn Philippum-Mariam, und eine Tochter Valentinam, welche an Ludovicum Hertzog zu Orleans/ Königs Ludovici XII. in Franckreich Groß-Vater vermählet wurde. Nun starb Philippus Maria bald hernach/ und verließ nur

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eine unächte Tochter Blancam, welche dem Francisco Sfortia 〈195〉 beygeleget ward. Dieser Sfortia maßete sich des Erbtheils an: Allein 1500. ward er von den Frantzosen wieder herausgejaget. Immittelst kam der Krieg wider die Venediger ins Mittel/ und weil der Pabst diesen mächtigen Nachbar nicht gerne gleichsam in der Vormauer vor Italien leiden möchte/ gerieth das Bündnüß desto leichter zur Ruptur, wie oben num. XV. gedacht worden. Und in diesem Kriege wider den Pabst musten die Frantzosen wieder aus Meyland heraus. Ja als sie 1525. noch einmahl ihr Heyl versuchen wolten/ ward der König vor Paphy gefangen: hingegen ward Sfortia wieder in das Herzogthum eingesetzt: Nach dessen Tode 1535. wolten sie zwar viel Prætensiones machen: doch der Keyser zog es als ein Reichs-Lehen zu sich/ und belehnete seinen Sohn ­Philippum II. damit. Dahero ist dieser Stat noch unter dem Könige in Spanien/ der es als ein Lehen vom Reiche erkennet. Nun wollen etliche vorgeben/ Carolus V. hätte in seiner Capitula­tion versprochen/ kein lediges Lehen einem andern zu conferiren/ sondern dasselbe vielmehr/ zu Keyserlicher Unterhaltung/ aus­ ge­setzet blei- 〈196〉 ben laßen: gleichwol wäre hier darwider gehandelt worden. Doch es wird geantwortet: Maximilianus I. habe noch vor 1500. seinem Sohne Philippo die Anwartschafft auff diesen Stat verschrieben/ und wäre also das Lehen nicht auffs neue conferirt, sondern bey dem Geschlechte in vorfallender Gelegenheit bestätiget worden.

XXXII. Florentz. DIese Stadt ist zu Rudolphs von Habspurg Zeiten durch Geld zur Freyheit gelanget/ hat auch an Reichthum und anderer Herrligkeit über die maßen zugenommen/ wenn nicht die innerliche Un­einig­keit zwischen dem Adel und dem andern Volcke das fernere Wachsthum verhindert hätte. Endlich erhub sich die Familie derer von Medices, daß sie/ ungeacht der kleinen Gefährlig-

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keiten/ welche zuweilen entstunden/ das meiste Ansehen in der Republic erhielten. Als nun aus dieser Familie Clemens VII. Pabst worden/ erhielt dieser in dem Frieden 1530. von Carolo V. daß sein Vetter Alexander des Keysers unächte Tochter zur Gemahlin bekam/ und gleich- 〈197〉 sam zum Braut-Schatze/ Hertzog zu Florentz ernennet wurde. Zwar Alexander ward 1537. umbracht/ und hinterließ keine Erben. Doch succedirte ihm ein weitläufftiger Vetter Cosmus I. mit welchem sich folgendes begeben hat. Es hatte dieser Hertzog dem Pabste Pio V. unterschiedlich Geld vorgestrecket/ drumb wolte er ihn aus freundlicher Danckbarkeit zum Könige machen/ und ihm den Titul eines Königs von Italien beylegen. Solches mißfiel dem Keyser Maximiliano II. welcher einwandte/ Italien hätte keinen König/ sondern den Keyser. Damit nun der Pabst nicht in Schanden stecken blieb/ machte er ihn 1569. zum Groß-Hertzoge: doch mit dem Bedinge/ daß der Hertzog von ­Savoyen in der Päbstlichen Capelle solte über ihm sitzen.

XXXIII. Mantua. 20

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MAntua war numehr von zweyhundert Jahren her von gewissen Haupt-Leuten oder Marggrafen regieret worden/ als Carolus V. 1536. Fridericum von Gonzaga zu einem Hertzoge von Mantua mach- 〈198〉 te. Und dieser Fridericus heyrathete 1531. die letzte Erbin von der Herrschafft Montferrat, und erweiterte hierdurch sein Gebiete. Denn ob wol der Hertzog von Savoyen eine Anverwandschafft von Witekindo M., und also von mehr als fünffhundert Jahren her/ vorschützte/ dannenhero er als ein Männlicher Erbe den Vorzug behaupten wolte; So erhielt er doch nichts. Anno 1612. erhub sich ein neuer Streit. Denn es starb Franciscus III. und hinterließ aus einer Savoyischen Gemahlin eine Tochter. Als nun Francisci Bruder Vincentius sich der Succession anmaßete/ beschwerte sich der Hertzog in Savoyen/ daß man das Land nicht bey der Weiblichen Succession verbleiben ließe/ welche

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doch einmahl wäre introduciret worden. Wiewol er richtete wieder nichts aus.

XXXIV. AO. 1627. starb Vincentius ohne Leibes-Erben. Da war nun der nechste Vetter der Hertzog von Nevers Carolus, welcher dazumahl wegen seiner Güter/ die er in Franckreich hatte/ gar zu sehr auff der Frantzöischen Parthey stund. Weil aber der König in Spanien sich wegen I-〈199〉 talien eines nicht allzu guten Nachbars besorgete/ hintertriebe er es am Keyserlichen Hofe/ daß ihm die Lehen versaget wurde. Ob dazumahl der Spanier und der S ­ avoyer gedacht haben/ die Länder unter sich zu theilen/ oder ob der Keyser dem Hertzoge von Gvastale, einen Vetter aus dem Hause Mantua, solches Lehen zuwenden wollen/ davon wil ich nicht ur­ theilen. Doch als die Keyserlichen die Festung Casal im Montferrat zu bezwingen gedachten/ schickte der Cardinal R ­ ichelieu, wider aller Menschen Hoffen und Vermuthen/ die Frantzöische Hülffe über das Schweitzer-Gebirge/ und verhinderte nicht ­allein die Oester­reichischen Progressen: sondern er druckte den ­Hertzog von Savoyen dergestalt/ daß er fast sein gantzes Land dem Frantzosen überlaßen muste. Endlich glückte es den Keyserlichen/ daß sie 1630. Mantua einbekamen. Denn sie intercipirten einen Brieff von den Venedigern/ daß sie wolten 4000. Mann zu Hülffe schicken: solchen Brieff ließen sie in die Stadt bringen/ subornirten aber ihre eigene Soldaten/ die sich vor Venediger ausgeben musten. So ward Mantua überrumpelt/ und schändlich aus- 〈200〉 geplündert. Doch schlug sich der Pabst ins Mittel/ und würckte einen Stillstand aus/ biß auff dem damahligen Reichs-­ Tage zu Regenspurg ein voller Friede geschlossen ward/ da der Savoyer sein Land wieder bekam/ der von Nevers in Mantua und Montferrat eingesetzet ward/ doch mit dem Bedinge/ daß er sich bey dem Käyser demüthigst aussöhnen muste. Nun hätte ­Savoyen wegen Montferrat auch gerne einige Satisfaction gehabt:

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Drumb wurden 1631. zu Querasque im Piemont die Tractaten vorgenommen/ da der Hertzog von Mantua etwas versprechen muste zu bezahlen. Sonsten hat sich bißhero das Haus Mantua mehr an Oesterreich gebunden/ also daß auch Käyser Ferdinandus III. 1651. eine Gemahlin/ als die ietzo verwittibte Käyserin/ dahero erlesen hat.

XXXV. Modena. 10

MOdena gehörete vor diesem zu Ferrar. Denn als Borsus 1452. vom Käyser Friderico III. zum Hertzoge von Modena und Regio war gemacht worden/ bestätigte ihn Pabst Paulus II. 1470. zum Hertzo〈201〉 ge von Ferrar. Was hernach vorgelauffen/ wird durch folgende Genealogie erkläret: Borsus Hercules I, ejus Frater & Successor.

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Alfonsus I. cujus prima uxor Lucretia Alexandri VI. Pont. filia; ­altera Laura qvædam obscuri generis. Hercules II. ex Lucretia.

Alfonsus ex Laura.

Alfonsus II.

Cæsar.

Ao. 1597. starb Alfonsus II. ohne Erben und da wolte Cæsar als der nächste Agnat succediren: allein der Pabst wandte ein/ ­Laura wäre ein gemein Weibesbild gewesen/ und hätten dannenhero keine Fürsten von ihr können gebohren werden. Derohalben zog er auch das Hertzogthum Ferrar wieder zu der Päbstlichen Cammer. Doch an Modena kunte er sich nicht vergreiffen/ weil es ein

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Reichs-Lehn war: Und also erhielt Cæsar 1598. bey dem Käyser die Investitur. 〈202〉

XXXVI. NAch der Zeit haben sich die Hertzogen an Franckreich gewendet: Drumb als 1656. der Krieg wider Spanien noch wärete/ ließ sich Franciscus der Hertzog so weit verleiten/ daß er den Meyländischen Stat verunruhigte. Doch der Keyser machte den Hertzog zu Mantua zu des Römischen Reichs Vicario durch Italien/ und gab ihm volle Gewalt/ den von Modena zu straffen. Der Frantzose beschwerte sich/ solches wäre wider den Münsterischen Frieden/ da der Keyser versprochen hätte/ sich in die Spanischen Kriegs-Händel nicht zu mischen: Allein er bekam zur Antwort/ es wäre Reichs-Lehen/ und da käme es dem Keyser zu/ alle Unruhe zu verhüten. Endlich ward die Sache in dem Pyrenäischen Frieden 1659. wieder vertragen.

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XXXVII. Parma. DIese Hertzogen kommen vom Pabst Paulo III. welcher 1534. erwehlet ward. Denn dieser machte seinen unächten Sohn/ Petrum Aloysium, zum Hertzoge von Parma und Placenz. Und ob zwar 〈203〉 der gedachte Petrus 1547. umbbracht ward/ blieb doch dessen Sohn Octavius bey der Succession. Nun war ihm unter andern das Hertzogthum Castro nicht weit von Rom zugewendet worden. Darumb als Pabst Urbanus VIII. sehr geitzige Vettern hatte/ begunten sie auch auff das wolgelegene Hertzogthum ein begieriges Auge zu werffen. Dannenhero weil der damahlige H ­ ertzog Odoardus solches mit vielen Schulden beschweret hatte/ gebot ihm der Pabst/ er solte dieselben abführen: als auch diesem Befehl nicht nachgelebet wurde/ ließ er 1643. Befehl ergehen/ als wäre

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Castro an die Päbstliche Cammer verfallen. Aber die Sache gerieth zum Kriege/ und weil der Pabst numehr alt war/ hingegen der Hertzog nicht weichen wolte/ ward 1664. Friede gemacht. Doch bald nach Urbani VIII. Tode kam Innocentius X. an die Stelle/ und nachdem er den gantzen Vergleich wiederruffen hatte/ schlug er Castro zur Päbstlichen Cammer. Also daß diese Stunde noch an keine discameration, wie sie reden/ gedacht worden ist. Zwar als der König in Franckreich 1664. mit dem Pabste zu Pisa Tractaten pflog/ ward 〈204〉 auch dieses bedinget/ daß der Hertzog/ wenn er 1600000. Pfund zahlen würde/ den Stat Castro wieder haben solte. Doch die Sache ist hernach so zweifelhafftig gemacht worden/ daß dieser Punct noch sol erfüllet werden.

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DIeses mag von Italien genug seyn. Denn obgleich etliche Städte und Herrschafften noch darinne zu befinden sind/ davon man etwas reden könte; so müssen sich dieselben doch nach den andern accommodiren. Wie denn die berühmte Republic Genua selbst/ nachdem sie ein großes Capital von ihrem pahren Gelde/ schon zu Caroli V. Zeiten/ an Spanien geliehen hat/ sich allezeit an dasselbe Königreich/ und an die Nachbarn im Meyländischen Stat halten muß. 〈205〉

Das VIII. Capitel. Die Historie Von der Türckey. I. UM das Jahr Christi 622. ward der Gotteslästerliche Mahometh gebohren/ und als er sich erstlich zur Kaufmannschafft gehalten/ hernach etliche räuberische Araber an sich gehangen hatte/ fieng er an auff eine neue Religion zu dencken/ dabey er sich einer großen Macht und weltlichen Herrligkeit versichern könte: und machte dannenhero aus der Jüdischen/ Christlichen und Heidnischen Religion einen wunderlichen Mischmasch/ und brachte die verwirrten Gedancken in den Alkoran zusammen. Hierauff gab er vor/ er stammete von der Sara/ Abrahams des Ertzvaters Weibe/ und nennete seine Glaubensgenossen die Saracenen. Und weil es ihm in Arabia leicht war etliche Räuber zusammen zu führen/ glückte es ihm/ daß er die Stadt Mecha einnahm. Gestalt er auch nach dieser Zeit an alle umliegende Potentaten schrieb/ und sich in dem Titul einen Boten des großen Gottes nennete. 〈206〉

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II. NAch seinem Tode breiteten sich die Saracenen in Asia und Africa treflich aus/ wie sie auch 713. biß in Spanien hinein gedrungen sind. Als nun die Türcken/ ein Volck vom Gebürge Caucasus, aus dem Geschlechte der andern Tartern/ ein besser Land suchen wolten/ und den Saracenen in Asia ziemlich nahe kamen/ geriethen

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sie in vielfältige Streitigkeiten/ biß sich die Türcken mit den Saracenen ungefehr im zehenden Seculo verglichen/ und die Mahometische Religion angenommen haben. Weil nun diese Türcken meistentheils auff den Untergang des Griechischen Keyserthums gezielet haben/ auch biß auff diese Stunde den Käyserlichen Titel zu führen pflegen: als wollen wir ein wenig in das gedachte Käyser­thumb zurücke sehen/ wie solches nach und nach in den endlichen Untergang gerathen ist.

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AO. 330. verlegte Constantinus M. seinen Käyserlichen Sitz von Rom auff Byzanz/ und nennete solche Stadt nach seinem Nahmen Constantinopel. Doch als seine Söhne so wol der Religion/ 〈207〉 als der Politischen Uneinigkeit wegen/ die Länder hefftig angriffen/ und einander auff das äußerste verfolgten/ ging es sehr unordentlich zu/ biß Keyser Theodosius zum Regimente kam. Der führete endlich seine Sachen löblich aus/ und machte in seinem Tode 395. ein Testament/ sein Sohn Arcadius solte zu Constantinopel und im Orient/ der andre Sohn Honorius solte zu Rom und im Occident Keyser seyn. Darauff ward das Keyserthum in das Griechische und Lateinische abgetheilet.

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WIe es nun zu Rom und in Italien hergangen/ ist oben berichtet worden. Doch zu Constantinopel ging es nicht viel besser zu. Denn es ist nicht zu beschreiben/ wie die Kinder wider ihre Eltern/ die Brüder unter einander/ auch die Anverwandten eine Verrätherey nach der andern gestifftet/ und bald einem die Augen ausge­ stochen/ bald einen andern ins Closter gestoßen/ bald sonsten eine Grausamkeit verübet haben. Also waren die Saracenen schon so kühn/ daß sie 671. Constantinopel belagerten/ auch sonst einen

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Theil nach dem andern von Natolia oder Klein-Asien abzwackten. 〈208〉

V. ICh wil nur ein grausames Exempel anführen/ welches auch sonsten der Italiänischen Historie zu statten kömmt. Anno 780. starb Käyser Leo IV. mit dem Zunamen Porphyrogenitus, der hatte eine Gemahlin Irene aus dem Scythischen Volcke erwehlet. Weil nun der Sohn Constantinus VII. noch minder-jährig war/ trat die Mutter die Vormundschafft an. Und Nicephorus des verstorbenen Leonis Bruder/ der sich lieber des Käyserthums angemaßet hätte/ muste sich 792. die Augen ausstechen laßen. Endlich wolte der junge Käyser nach erfülltem Alter das Regiment antreten. Doch die Regier-süchtige Mutter fuhr zu/ und beraubte ihren eigenen Sohn 797. der Augen/ daß er in höchsten Schmertzen sein Leben beschloß. Hierauff blieb sie bey der Gewalt/ und suchte Gelegenheit mit Carolo M. dem damahligen Könige in Franckreich vermählet zu werden. Als solches nicht fortgieng/ stund Nicephorus, der ­Patricius zu Constantinopel (ich wolte ihn fast einen Reichs-­ Cantzler nennen) wider die Käyserin auff/ verjagte sie 802. in die Insul Lesbus/ und setzte sich auff den 〈209〉 Thron. Ob nun dieser Nicephorus sich mit Carolo M. verglichen/ daß er den Titul des Occidentalischen Käyserthums ungehindert führen mochte/ solches wird von etlichen geglaubet/ von etlichen verworffen. Doch ist es so ungereimt nicht/ daß ein Käyser/ welcher mit Gewalt das Reich zu sich gezogen hatte/ die Nachbarn auff solche weise mag zu Freunden gemacht haben.

VI. EBen dieser Nicephorus muste sich bey den Saracenen zu einem jährlichen Tribute verstehen/ und weil in nachfolgender Zeit das

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Käyserliche Regiment in steter Uneinigkeit/ und mit vielfältigen Blutschulden zerrüttet ward/ hatten die Ungläubigen mehr als zu viel Gelegenheit/ ihre Macht zu erweitern. Endlich als Syrien und Palæstina von langen Jahren her unter den Saracenen war gedruckt worden/ und die Christen/ welche das H. Grab besuchten/ ohne Verfolgung nicht dahin reisen kunten/ machte sich Gottfried der Hertzog von Bouillon auff/ übergab das Hertzogthum Lothringen/ welches er inne hatte/ seinem Bruder/ und nahm das Königreich Jerusalem 1099. mit gewaffneter Hand ein. 〈210〉 Und solches ward numehr von Christlichen Königen regieret/ biß 1187. da kamen die Saracenen und zwungen den letzten König Gvido, daß er das Reich verschweren muste: Gestalt er auch ins künftige sein Wesen in dem bloßen Königreiche Cypern fortsetzen kunte. Zwar als Gvido starb/ heyrathete seine Witwe Almericum/ welcher durch des Keysers Beystand 1196. ein Theil von Palæstina wieder eroberte/ und wo es wahr ist/ was etliche vorgeben/ dasselbe als ein Vasall des Teutschen Keysers recognoscirte. Ja nach dem Tode Almerici vermählete sich die Königin an Johannem einen Grafen von Brene/ der ins gemein Brennes genennet wird/ dessen Tochter/ Jolanta, Keyser Friderico II. endlich das Recht und die Prætension auff das Königreich Jerusalem zugebracht hat/ wie in der Italiänischen Historie n. VIII. erzehlet worden.

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WEil dieses vorging/ war zu Constaninopel große Unruhe. Denn Isaacius Commenus der Keyser ward von seinem eignen Bruder Alexio 1195. der Augen und des Reichs beraubet. Der blinde 〈211〉 Isaacius wolte das Unrecht nicht ohne Rache vorbey laßen/ und ruffte Balduinum einen Grafen von Flandern/ aus der Königlichen Frantzöischen Linie/ welcher dazumahl einen Zug wider die Saracenen im gelobten Lande vorhatte/ umb Hülffe an. Dieser ließ sich leicht erbitten/ und weil die Venediger ihre Schiffe darzu her gaben/ nahm er 1203. Constantinopel ein/ und setzte den blinden

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Käyser wieder auff den Thron. Allein es wärete nicht lange/ so entstund ein Auffruhr/ in welchem ein anderer Käyser erwehlet/ und Isaacius nebenst seinem Sohne umbracht wurde. Da kam Balduinus 1204. und nahm die Stadt zum andern mahle ein/ ließ sich auch öffentlich zum Käyser proclamiren. Wie er denn der Republic zu Venedig wegen geleisteter Hülffe eine ansehnliche Vergeltung thun muste.

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VIII. VOn der Zeit an ward das Griechische Käyserthum von Lateinischen oder Occidentalischen Herren regieret. Unterdessen waren viel aus der Griechischen Käyser Freundschafft/ welche ein näher Recht behaupten wolten/ also/ daß unterschiedliche 〈212〉 Neben-Keyser zu Nicea, Heraclea, und sonderlich zu Trapezunt am Ponto Euxino entstunden. Doch 1262. bemächtigten sich die Griechen der Stadt Constantinopel wieder/ und machten also mit dem Lateinischen Regiment ein Ende.

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IX. NAch dieser Zeit fingen die Türcken an ihre Macht auszubreiten/ gestalt Ottoman oder Osman, von welchem noch ietzund die Ottomannische Pforte genennet wird/ sich 1303. vor einen Fürsten auffwarff/ und etliche mahl mit seinen räuberischen Streiff-Rotten biß an die Vorstädte in Constantinopel hinein drang. Anno 1326. nahm dieser Ottoman die Stadt Prusia oder Bursia in B ­ ithynien ein/ und wolte numehr daselbst als ein König residiren. Es gebrauchte sich aber Orchanes Ottomans Sohn eines schlauen Fundes gegen die Bürgerschafft. Denn bey der Ubergabe hatte er geschworen/ es solte allen ein freyer Abzug verstattet seyn. Doch als die Bürger fort wolten/ behielt er alle Kinder zurücke vorgebende/ man müste sie zuvor zu ihrem Verstande kommen laßen/ daß sie sagen könten/

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ob ihnen beliebte weg zu ziehen. 〈213〉 Weil nun die guten Leute ihre Kinder verlaßen solten/ auch über dieses ein großes Theil von ihren Gütern zu der Kinder Unterhalt abgefodert ward/ so ließen sich die meisten behandeln/ daß sie da blieben/ und die Stadt bey der volckreichen Bürgerschafft erhielten.

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ANno 1327. kam Orchanes nach des Vatern Tode zu der vollen Regierung/ und weil unterdessen zu Constaninopel der alte Andronicus von seinem Enckel Andronico belagert auch vom Throne gestoßen/ und mit Verlust der Augen in ein Closter verschlossen ward/ so fügte sichs/ daß die Türcken 1331. Nicæa in Bithynien einnahmen/ wo sich vormahls/ zu der Lateinischen Keyser Zeiten/ ein Gegen-Keyser auffgehalten hatte. Endlich starb Orchanes 1358. und hinterließ seinen Sohn Amurath I.

XI. DIeser gebrauchte sich der UnChristlichen Unruhe zu Constantinopel sehr wol. Denn als die Bulgaren dem Keyser viel zu schaffen machten/ ward Amurath in der Noth umb Hülffe angesprochen. 〈214〉 Allein er schickte zwar Volck/ doch mit dieser Gelegenheit nahm er Adrianopel weg/ und verlegte seinen Sitz dahin. Und weil er sahe/ daß er sich formidabel gemacht hatte/ wolte er auch die Nachbarn bey dieser Meynung erhalten/ und nahm die Gewohnheit am ersten an/ daß er aus lauter Christen-Kindern eine Armee unterhielt/ welche er Janitscharen nennete. Denn solche wurden nicht allein von Jugend auff in allen Kriegs-Ubungen wol unterrichtet; sondern die Christen selbst/ welche nicht viel zu leben hatten/ suchten durch dieses Mittel/ zwar durch Verläugnung ihres Heylandes/ fortzukommen.

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XII. ALs nun 1372. Amurath umbgebracht ward/ folgete ihm der Sohn Bajazeth. Dieser belagerte 1396. Constantinopel. Und ob er zwar unverrichteter Sachen davon ziehen muste/ wolte er doch 1399. sein Heyl noch einmahl versuchen. Allein Tamerlanes, welcher in Parthen und Syrien/ ja auch in Persien große Thaten gethan/ und viel Länder verwüstet hatte/ kam wider ihn angezogen/ erhielt die Schlacht/ und nachdem er den Bajezeth 〈215〉 selbst gefangen hatte/ sperrete er ihn in einen großen eisernen Vogelbauer/ und ließ ihn zu Spott und Schande in gantz Asien mit herumbführen/ biß er aus Grimm und Verdruß 1402. den Kopf an den eisernen Gittern entzwey stieß. Tamerlanes starb bald hernach 1404. und weil die Söhne nicht einig waren/ ging das große und mächtige Reich unversehens und auf einmahl zu grunde.

XIII. ALso succedirten in dem Türckischen Reiche Bajazeths Söhne/ und stieß allezeit einer den andern vom Throne/ biß endlich Mahomet I. 1414. allein überblieb. Dessen Sohn Amurath II. nachdem er 1422. die Regierung angetreten/ 1424. Constantinopel noch einmahl sehr hefftig belagerte. Ja es kam so weit/ daß Theodorus, Keysers Johannis zu Constantinopel Bruder/ von ihm 1441. Hülffe begehrte/ die Stadt zu belagern. Dieses einzige hielt die Christen noch auff/ welche sonst trefflich auff die Neige kommen waren. Denn 1442. ward Castriora, der König in Epiro, von den Türcken überwunden/ und muste seine Söhne zu Geiseln geben. Allein 〈216〉 Georgius, einer von den Söhnen/ welchen die Türcken wegen seiner Helden-Thaten mit dem großen Alexander verglichen/ und ihn also in ihrer Sprache Scanderbeg nenneten/ fiel von ihnen ab/ nahm das Väterliche Reich wieder ein/ und that den Türcken großen Widerstand.

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EHe dieses geschach/ rieb sich der Türcke an Ungarn: doch König Vladislaus begegnete ihm mit solcher Tapferkeit/ daß er 1443. umb Friede bitten muste/ welcher auff Seiten Vladislai bey dem Heil. Evangelio beschworen ward. Doch als der Pabst diesen Frieden zerrisse/ erfolgte 1444. die Schlacht vor Verna, davon in der Polnischen Historie num. IV. gedacht worden. Es wird erzehlet/ in dieser Schlacht wären die Türcken schon in der Flucht gewesen/ und hätten sich die Christen allgemach nach der Beute umbgesehen; so habe Amurath endlich ein Fähnlein unter den Christen mit dem Crucifix erblicket/ und habe gebeten/ wenn er ein solcher Gott sey/ wie die Christen wollen gegläubet haben/ so solte er diese Boßheit straffen/ daß sie den Frieden bey seinem Namen bestä- 〈217〉 tiget/ und doch hernach gebrochen hatten. Und hierauff wäre er in die Christen hinein gedrungen/ hätte sie über der Beute in Confusion bracht/ biß alles fast auff das Haupt erleget worden.

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INdem nun nach Amuraths Tode 1451. der Sohn Mahometh II. im Reich folgete/ hatte Constantinus der Keyser zu Constantinopel mit seinen Brüdern dergleichen Streit und Widerwillen/ daß endlich die Türcken ungehindert vor die Stadt rückten/ solche 1453. einnahmen/ und hiedurch dem Griechischen Keyserthume ein betrübtes Ende machten. Wie denn auch nach dieser Zeit der ­Türcke sich des Keyserlichen Titels angemaßet hat. Zwar es hatte sich noch David/ ein kleiner Keyser von den Griechen/ zu ­Trapezunt auffgehalten: Allein die Türcken überwältigten ihn 1461. und löschten endlich den letzten Funcken des Keyserthumes aus. Maßen auch Scanderbeg 1467. starb/ und das Reich völlig in Türckische Hände gerissen ward. 〈218〉

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XVI. MAhomeths Sohn war Bajazeth II. welcher nach des Vatern Tode 1481. zu regiren anfieng. Als dieser seinen Bruder Zemes nach der Türckischen Manier wolte stranguliren laßen/ gieng er durch/ und nahm den Christlichen Glauben an. Nun furchte sich der Keyser/ der Bruder möchte mit Beyhülffe etlicher Christlichen Potentaten in das Reich kommen/ und seine Rache suchen: Derowegen als er sich in Italien begab/ ließ sich der Pabst durch Türckische Consilia so weit einnehmen/ daß der gute Mensch mit Giffte heimlich hingerichtet ward. Doch Bajazeth selbst entlieff der Straffe nicht: Indem sein eigener Sohn Selimus ihm 1512. Gifft beybrachte. Und dieser Selimus bezwang die Mamelucken in Egypten/ und brachte das gantze Königreich 1517. unter seine Devotion. Es heißt aber Mamelucke auf ihre Sprache so viel als ein Gekauffter. Weil nun vor Zeiten die Sultane in Egypten viel Christen-Kinder kauften/ und solche zum Kriege erzogen/ wie in der Türckey die Janit­scharen; wurden sie Mamelucken genennet. Endlich hatten sie umb das 〈219〉 Jahr 1250. einen aus ihrem Mittel zum Sultan gemacht/ mit dem Bedinge/ daß er nicht heyrathen solte. Und dergleichen Wahl-Regiment war daselbst geblieben/ biß auf die Zeit/ da Selimus eine neue Forme der Republic mit sich brachte.

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XVII. SElimus starb 1520. an einer hitzigen Kranckheit/ und hinterließ einen Sohn Solimannum, welcher in den Historien sehr bekannt ist. Denn 1521. gieng er in Ungarn und nahm die berühmte Festung Griechisch-Weissenburg ein. Ferner 1522. machte er sich an die Insul Rhodis/ und jagte die Johanniter heraus/ welche darnach 1529. aus Vergünstigung des Keysers und des Pabsts in die Insul Malta gezogen sind/ und die Malteser Ritter genennet worden. Immittelst schickte Soliman 1525. Gesandten an Ludovicum König in Ungarn/ und weil sie etwas schimpflich waren empfangen wor-

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den/ entstund ein heftiger Krieg/ da Ludovicus der König selbst 1526. in der Schlacht vor Mohaz sein Leben/ einbüßete. Nun hatte er keine Erben/ als die Schwester/ welche an Ferd. I. (damahligen Ertzhertzog von Oesterreich/ hernach Keysern) vermählet war. 〈220〉 Drumb maßete sich dieser der Ungarischen Cron nicht unbillig an. Allein etliche Ungarn berufften Johannem den Weywoden in Siebenbürgen/ welcher sich auff die Türckische Seite hing/ und mit solcher Hülffe die Hauptstadt Ofen einbekam. Also nahm der Türcke Ursache 1529. Wien in Oesterreich zu belagern/ biß er nach 70. grausamen Stürmen letzlich davon ziehen muste. Da denn endlich die zwey Ungarischen Könige sich mit einander verglichen/ und einer den andern bey seinen Herrligkeiten bleiben ließen.

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ZWar 1540. starb der König Johannes, und wie er stets auff türckischer Seite gehalten hatte/ also begab sich die Witwe nebenst dem unerzogenen Sohne in Solimanni Schutz. Wiewol mit schlechtem Fortgange. Denn der Türcke bemächtigte sich der Hauptstadt Ofen/ unter dem Scheine/ als wolte er den jungen König in seinem Stat conserviren: da er doch nichts anders suchte/ als die Stadt mit dem Lande vor sich allein zu behalten. So kunte sich dieser Erb-Feind desto leichter des schönen und gesegneten Landes anmas- 〈221〉 sen. Indessen hatten sich die Maltheser fest gesetzet/ und machten dem Türcken mit ihren Kriegs-Schiffen viel zu thun. Drumb gieng die gantze Flotte 1565. vor Maltha/ und wolte des Ortes Meister werden: doch als die klare Unmögligkeit sich ereignete/ zogen sie wieder davon. Endlich belagerte Soliman die F ­ estung Sigeth in Ungarn 1566. und starb daselbst in dem Lager. Doch der Groß-Vezier Sinan Bassa verbarg den Todt so lange/ biß er der ­Festung Meister ward/ und unterdessen der Sohn Selimus II. nach erhaltener Post sich eingestellet hatte. Dieser Selimus wolte eine Türckische Kirche oder Mosche bauen: weil aber im Gesetz versehen ist/ daß keiner etwas auffrichten darff/ welcher nicht zuvor ein

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Land zu dem Keyserthume gebracht hat; suchte er Gelegenheit an der Insul Cypern/ welche den Venedigern zuständig war/ überfiel solche unverwarnter Sachen/ und überwältigte sie 1571. Ob nun wol die Christen durch Vorschub des Pabsts und Königs in Spanien/ bey den Echinadischen Insuln nicht weit von Corintho eine über die maß herrliche Victorie erhielten/ weiß ich doch nicht/ warumb man sich 〈222〉 dieses Sieges nicht besser gebraucht/ und das herrliche Land dem Tyrannen überlaßen hat.

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XIX. NAch Selimi Tode 1574. folgete sein Sohn Amurath III. welcher dem Frauen-Zimmer so ergeben war/ daß er auch 102. Kinder zeugete. Seine vornehmste Verrichtung ist diese gewesen/ daß er 1584. die Tartarn/ welche in dem Taurischen Chersoneso wohnen/ und vor diesem in voller Freyheit lebten/ gleichsam zu einer Türckischen Provintz gemacht: also daß sie gezwungen sind/ dem Türcken Kriegs-Volck zu schicken/ und endlich der Cham oder Fürste selbst gewärtig seyn muß/ daß er abgesetzet/ und ein andrer vom Türcken an die Stelle erhoben wird. Ferner fieng er in Ungarn 1591. einen blutigen Krieg an/ welcher erst in 15. Jahren seine Endschafft erreichet hat. Er starb aber 1595. und da ließ sein Sohn und Nachfolger Mahometh III. 19. Brüder stranguliren und zehn schwangere Concubinen vom Vater im Meere ersäuffen. Als er nun den Krieg wieder den Römischen Keyser und sonderlich wieder Ungarn fortgesetzet hatte/ starb 〈223〉 er 1603. und hinterließ seinen Sohn Achmet, welcher 1606. mit dem Keyser einen gewissen Frieden beschloß. Und da sonst der Türcke allzeit auff das Occidentalische Keyserthum dannenhero eine Prætension gemacht hatte/ weil das Orientalische dem andern zu gebieten hätte/ und noch nicht recht erwiesen wäre/ daß Carolus M. solte von dem Orientalischen Keyser einige cession erhalten haben: so ward es verglichen/ daß ins künfftige/ wenn Briefe geschrieben würden/

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beyderseits der Keyserliche Titul solte gebraucht/ und ein Keyser von dem andern Bruder genennet werden.

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Hierauff ist der Janitscharen bermuth von Tag zu Tage größer worden/ also daß sie nicht mehr unter allzustrenger Kriegs-disciplin, sondern vielmehr in Ruhe und Wollust leben wolten. Biß endlich ein Keyser solches gleichsam mit seinem Leben bezahlen muste. Die folgende Genealogie wird zu der Sache dienlich seyn: 〈224〉 Mahometh III. † 1603.

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Achmeth † 1617. Osmannus II strangulatus 1622.

Mustapha bis electus bis detrusus. Amurathes † 1640.

Ibrahim strangulatus Achmeth II. 1640.

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Denn als Achmeth 1617. starb/ folgete ihm zwar der Bruder Mustapha. Doch der Sohn Osmannus II. stieß ihn 1618. in ein Kloster. Hierauff gieng Osmann in Polen und wolte sein sonderlich G ­ lücke daselbst suchen. Als er aber 1622. eine schreckliche Niederlage erlitten hatte/ und solche lieber den Janitscharen Schuld geben wolte/ so fassete er eine Resolution/ Constantinopel zu verlaßen/ und ins künfftige zu Damasco in Syrien seine Hoffhaltung auffzuschlagen: indem er vermeynete/ an denselben Orten gehorsamere Unterthanen anzutreffen/ und der Janitscharen Gewalt in etwas

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zu beschneiden. Und zu solchem Ende gab er vor/ er wolte eine 〈225〉 Wallfahrt nach Mecha zu des Mahomeths Grabe thun. Allein er kunte es so heimlich nicht halten/ daß nicht etliche von den Räthen den Anschlag erkundiget hätten. Diese wolten ihm zureden; Doch wie nichts auszurichten war/ brachten sie den gantzen Handel vor die Janitscharen/ welche in voller Raserey zulieffen/ und den Keyser selbst strangulirten.

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XXI. ALso ward Mustapha wieder aus dem Kloster gezogen/ und auff den Thron gesetzt. Doch weil dieser des geruhigen Lebens numehr gewohnet war/ danckte er selbst wieder ab 1623. und ließ Amurathem, Osmanni Bruder/ an die Stelle treten. Diesem folgte 1640. der dritte Bruder Ibrahim, welcher sich endlich gegen die Janitscharen etwas grausam erweisen wolte/ dennoch aber nichts anders zu Lohne hatte/ als daß er 1648. in einem Aufflauffe ergriffen und stranguliret ward. Sein Sohn Achmet war dazumahl ein Knabe von 8. Jahren. (Wie es denn merckwürdig ist/ daß der Römische und Türckische Keyser 1640. in einem Jahre gebohren sind.) Und also hatte die Keyserliche Mut 〈226〉 ter in der Regierung große Gewalt/ biß er zu seinem völligen Alter gelangete.

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XXII. EHe aber solches geschahe/ ward die Republic Venedig in einen schweren Krieg mit dem Türcken verwickelt. Denn 1645. nahmen die Malteser Ritter ein reichbeladenes Schiff mit etlichen Keyser­ lichen Concubinen weg/ und führeten es in einen Venedischen Hafen. Weil nun der Türcke sich an den Maltesern nicht revengiren kunte/ fiel er in die Insul Candia/ welche den Venedigern zustund/ überwältigte etliche Festungen/ und ob er gleich allemahl nicht gar zu glücklich kriegete/ belagerte er doch endlich die Haupt-­

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Festung Candia so lange/ biß die Venediger 1669. einen Frieden eingehen/ und die Festung übergeben musten. Indeß haben sie in der Insul/ Kraft des Friedens/ Suda, Spinalonga, Carabusa und nicht weit davon etliche kleine Insuln behalten.

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XXIII. INzwischen hatte sich Ragotzky/ der Fürst in Siebenbürgen/ 1657. wider den König in Polen gebrauchen laßen/ und hatte die Schwedischen Progressen ziem- 〈227〉 lich secundirt. Nun ward der Türckische Keyser dazumahl mit Polen in gutem Vernehmen/ und suchte Ursache den Ragozky zu straffen. Und als bey Anfange dieses Krieges 1659. der Fürste starb/ nahmen die Türcken 1660. mit desto geringerm Widerstande die vortreffliche Festung Groß-­ Waradin weg/ und setzten einen andern Fürsten Michael Abaffy in Siebenbürgen ein. Bald darauf beschwerten sich die Türcken/ Graf Serini in Ungarn wolte ihnen eine Festung zu nahe an die Gräntzen bauen/ und fingen deßwegen 1661. einen Krieg an/ darinnen sie 1663. Neuhäusel überwältigten. Ob nun wol das Teutsche Reich eine ansehnliche Hülffe in Ungarn schickte/ und zuletzt die Türckische Macht nicht allerdings formidabel war; Auch dannenhero zu guter Victorie sehr viel Hofnung gemacht wurde: Dennoch weil man sich besorgte/ der Türcke möchte mit Venedig Friede schließen/ und mit voller Macht auf den Keyser loß gehen; über dieses auch der König in Spanien sehr schwach ward und bey dessen vermuthlichem Tode leicht ein Krieg wider Franckreich entstehen kunte: so ward 1664. ein Stillstand auff 20. Jahr beliebet. 〈228〉

XXIV. SEit dem nun 1667. die Cosacken sich unter Türckische Devotion begeben haben/ ist der Krieg wider Polen geführet worden/ darinnen die herrliche Festung Caminiec endlich verlohren ist. Ob der

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Türcke die Malcontenten in Ungarn heimlich unterhält/ daß sie noch so lange bey Kräfften bleiben/ daran werden wenig zweifeln. Sonsten ist seit 1670. ein hefftiger Mißverstand zwischen dem Keyser und seiner Mutter erwachsen/ weil diese in Verdacht kam/ als wündschte sie lieber einen andern Sohn auf dem Throne zu sehen. Und dannenhero hat er sich auch etliche Jahr in Constantinopel nicht sehen laßen/ aus Beysorge/ die Väterliche Tragœdie möchte an seiner Person noch einmahl gespielet werden. Im übrigen wäre es zu wündschen/ der Lügen-Prophet Mahometh/ hätte in diesem Stücke wahr geredet/ daß seine Lehre nur 1000. Jahr bestehen solte: alldieweil die gesetzte Zeit verflossen ist. 〈229〉

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Das IX. Capitel. Die Historie Von der Schweitz/ Und Holland. I.

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WEil in vorhergehenden Capiteln hin und wieder von diesen beyden Republicen gedacht wird/ als scheinet es nicht von nöthen zu seyn/ daß wir große Weitläufftigkeit allhier gebrauchen: wie denn aus eben diesen Ursachen/ beyde in ein Capitel zusammen geschlossen werden.

II. Schweitz. 15

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DIe Schweitzer haben schon zu Ludovici Pii Zeiten/ und also kurtz nach Carolo M. große Freyheit erlanget/ nachdem sie mit ihrer Hülffe so viel thaten/ daß die Saracenen/ welche aus Africa in Italien gefallen waren/ wieder zurück musten. Nach der Zeit erhub sich eine Unei-〈230〉 nigkeit zwischen dem Adel und dem andern Volcke/ also daß sich der Adel an dem Pabst hinge/ hingegen das gemeine Volck von Friderico II. in des Reichs Schirm und Schutz 1240. entweder angenommen/ oder doch bestätiget ward. Hierauff folgte das lange Interregnum, da erwehlten die Schweitzer in Ermangelung eines Keysers Rudolphen Grafen von Habspurg zu

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ihrem Haupt-Manne/ und bewilligten ihm ein gewisses Schutzgeld. Allein der Adel wolte sich nicht begütigen laßen/ biß 1260. der Pöbel auffstund/ und alle vom Adel zum Lande hinaus jagte. Endlich ward Rudolph von Habspurg 1273. zum Keyser erwehlet/ der brachte es so weit/ daß der Adel wieder nach Hause kam/ und die Bürger sich durch Käyserliche Vöigte regieren ließen.

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III. NAch Rudolphi Tode wolte sein Sohn Albertus die Väterliche Jurisdiction in der Schweitz fortsetzen: Allein sie schlugen sich zu Keyser Adolphen/ und erweckten also auf der Seite von Oesterreich einen gewaltigen Haß wider sich. Dannenhero als Albertus zum Keyserthum gelangte/ setzte er ihnen solche Vöigte und 〈231〉 Ambtleute vor/ welche durch allerhand Hochmuth und Ungerechtigkeit/ dem Volcke dermaßen belästig waren/ daß sie endlich sich zur Gegenwehre stellen musten. Und zwar anfangs waren nur drey Oerter Schweitz/ Ury und Unterwalden/ welche am Neuen Jahrs-Tage 1308. dem geschlossenen Bündnüß nach/ einen listigen Anfall auff die verwahrten Schlösser thaten/ und hernach mit bewehrter Hand alle Ampt-Leute vertrieben. Denn weil des Keysers Todt bald erfolgete und die Söhne anderswo viel zu thun hatten/ blieben sie etliche Zeit in guter Ruhe.

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IV. BAld hernach entstund zwischen den zweyen Keysern Ludwigen und Friederichen von Oesterreich 1314. ein hefftiger Streit/ und indem die Schweitzer aus gewissen Ursachen/ sich auff Ludwigens Parthey gaben/ wolten die von Oesterreich ihr Recht ausführen/ und ließen Hertzog Leopoldum 1315. mit großer Macht wider sie ausziehen. Doch die Berge und die übeln Pässe waren ihnen zu wider/ daß sie mit 〈232〉 großem Schaden und Verlust wieder zu-

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rücke gingen. Darauff verbunden sich die drey Städte/ davon oben gedacht/ auff ewig/ und ließen solchen Bund durch Keyser Ludwigen confirmiren.

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DOch Keyser Ludwig ward endlich selbst vom Pabste verfolget und dannenhero war der Oesterriche Haß den Schweitzern desto besorglicher/ daß also nach und nach ein Ort nach dem andern mit in diesen Bund trat. Lucern 1332. Zürich und Glarus 1351. Zug 1352. Bern 1353. Und diese werden die alten acht Oerter genennet. Endlich sind darzu kommen Freyburg in Uchtland/ Solothurn/ Basel/ Schaffhausen/ Appen-Zell. Ingleichen haben sich andere Confœderirte darzu gefunden/ als der Apt von S. Gallen/ das Land Wallis/ Genff und andere Oerter mehr/ davon die Geographi bessere Nachricht geben. Und ist endlich der Bund aller 13. ­Oerter oder Cantons, wie sie genennet werden/ 1513. erst recht und vollkommen geschlossen worden. Unterdessen ist zwischen den Schweitzern und Oesterreich viel Streit vorgangen. Allein wie 〈233〉 Hertzog Leopoldus, des obgedachten Leopoldi Bruders Sohn/ 1386. einen vergebenen Zug that/ und selbst in der Schlacht vor Sempach blieb/ wurden die also genannten Eydgenossen künfftig in solchen Ruhm gesetzt/ daß auch die benachbarten Potentaten sich umb ihre Freundschafft beworben.

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ZWar von diesen allen ist anitzo nicht viel zu erzehlen. Ihr vollkommener Ruhm ward endlich dadurch bestätiget/ nachdem sie von 1474. biß 1477. Hertzog Carln von Burgund in dreyen Schlachten überwunden; 1499. Maximiliano I. der sie zu dem Schwäbischen Bunde mit Oesterreich zwingen wolte/ sich tapfer wiedersetzet; und 1513. den König in Franckreich/ durch die glückliche

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Schlacht vor Novara gezwungen hatten/ den Meyländischen Stat zu verlaßen. Indem nun die Schweitzer in voller Einigkeit stunden/ und Menschlichen Gedancken nach nichts zu einer innerlichen Unruhe entstehen kunte/ begab sich die Reformation in dem Religions-Wesen/ dadurch die Schweitzer in zwey Secten unterschieden worden. Denn 〈234〉 nachdem Lutherus 1517. wieder Tetzeln disputirt hatte/ trat Zvvinglius zu Zürich 1519. ebenfals auf/ und disputirte wider einen solchen Ablaß-Krämer: und damit er nicht das Ansehen hatte/ als wolte er etwas von Luthero lernen/ fing er eine neue Lehre vom Heil. Abendmahl an/ und legte also den Grund zu der Religion, welche heutiges Tages die Reformirte genennet wird. Nun ließen sich etliche Oerter in der Schweitz zu dieser neuen Lehre bewegen/ etliche blieben Papistisch/ dannenhero entstund ein innerlicher Krieg/ in welchem 1531. Zwinglius selbst in einem Harnische auff der Wahlstadt geblieben ist. Darnach ward die Sache also beygeleget/ es solte ein ieglicher seine Reli­ gion frey zu exerciren haben/ und solte indessen das Bündnüß fest und unverbrüchlich gehalten werden. Immittelst fing Calvinus in Franckreich zu Noyon des Zvvinglii Lehre an zu treiben/ und hatte großen Anhang: allein die damahlige Verfolgung bewog ihn/ daß er Franckreich verließ und sich auff Straßburg/ von dar auff Genff begab: da er auch so berühmt worden/ das die Religions-­ Verwandten ins 〈235〉 gemein von seinem Namen Calvinisten genennet werden.

VII. NAch dieser Zeit haben die Schweitzer mehr mit Bündnüssen und Hülffs-Völckern/ als mit großen Kriegen zu thun gehabt/ wie sie denn ihre Gelder fast von aller Potentaten Höfen gar wol einzuheben wissen. Absonderlich hat der König in Franckreich ein genaues Bündnüß 1602. mit ihnen geschlossen/ welches 1662. mit großen solennitäten ist verneuret worden. Und hat man bey dem ietzigen Kriege wol gesehen/ was der Schweitzer heimliche ­Parthey

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vor Franckreich gewürcket hat. Der Unterscheid in der Religion giebt zwar etlicher maßen Anlaß zu geringer Vertrauligkeit: Doch es ist noch zu keinem verderblichen Fürnehmen ausgebrochen: ohne daß 1652. etwas vorging/ ingleichen auch 1655. etliche Insolentien auf Catholischer Seite verübet wurden/ welches zu einiger ruptur ausgeschlagen wäre/ wenn der König in Franckreich/ dem an der Schweitzer Einigkeit viel gelegen ist/ seine Mediation nicht interponiret hätte. 〈236〉

VIII. Holland. DAvon ist in der Spanischen Historie das meiste gesaget worden/ doch damit diese sonderbare Republic etwas ordentlich bekannt werde/ sol nur allhier eine kurtze Wiederholung geschehen; wie wir denn wenig Sachen/ die oben nicht Platz gefunden/ auff das neue gedencken werden. Als Johannes König in Franckreich (der in England etliche Jahr gefangen gewesen) 1364. starb/ machte er seinen dritten Sohn Philippum zum Hertzoge in Burgund/ dessen Nachkommen wusten sich durch Heyrathen und andere Mittel so wol ein zu laßen/ daß sie die meisten Niederländischen Provin­ tzen unter ihre Gewalt bekamen/ und den benachbarten Königen viel zu schaffen gaben. Der letzte war Carolus, dessen Tochter an ­Maximilianum I. vermählet ward. Da es denn an Auffruhr und Streite nicht ermangelte/ angesehen/ Maximilianus bey Leb-­Zeiten des Herrn Vaters an Kriegs-Mitteln entblößet war/ und hingegen die Niederländer ihre Freyheit durch billige und unbillige 〈237〉 Anschläge zu behaupten suchten. Das ist gewiß/ hätte Hertzog Albertus zu Sachsen nicht seine Hülffe beygetragen/ so wären die Niederländer nicht so bald zum Gehorsam gebracht worden. Von Maximiliano kamen die Provintzen auff Carolum V. von dar auff Philippum II. Wie nun dieser den Hertzog von Alba in das Land geschickt/ und was er gethan/ das ist in der Spanischen Historie n. XII. seqq. ausgeführet. Als aber dessen Nachfol-

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ger ­Reqvesenco 1576. starb/ und also die Provintzen ohne ­einen Gubernator lebten/ kamen die allgemeinen Stände zu Gent zusammen/ und schlossen die bekannte Pacification, darinnen absonderlich die Freyheit beyderseits Religion bestätiget ward. Und wolte der Successor Johannes von Austria seine Autorität anfangs behaupten/ so muste er sich unterschreiben/ und die gedachte Pacification annehmen.

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IX. Doch nach dieser Zeit kunten sich die Catholischen mit denen Reformirten selbst nicht vertragen/ daß also die reformirten sieben Provintzen 1579. in der Utrechtischen Zusammenkunfft vor sich ein 〈238〉 Bündnüß schlossen/ und 1581. dem Könige allen Gehorsam auffkündigten. Wiewol die Catholischen Provintzen hatten ein gutes Hertz zu dem Hertzoge von Alençon, und brachten auch die andern aus dem Utrechtischen Bündnüß darzu/ daß er zu ihrem Herrn erwehlet ward. Allein da er wieder hinaus muste/ ward die Einigkeit auffgehoben. Ich wil nicht sagen/ ob Holland Ursache gewesen/ daß die Catholischen Provintzen nicht in dem Bündnüß geblieben sind; weil sonsten die Stadt Antwerpen das jenige worden wäre/ was itzund Amsterdam ist: daß ist gewiß/ die Catholischen haben sich hierauff Spanisch erklären müssen. Nachdem nun Wilhelm von Nassau der Printz von Uranien und Stadthalter 1584. erschossen ward/ versuchten die vereinigten Niederländer/ ob es bey England besser werden wolte. Doch der Hertzog von Lycester/ welcher von der Königin dahin geschicket ward/ hatte eben dieses in dem Sinne/ was der Hertzog von Alençon gesucht hatte/ so blieb es darbey/ es solte ein Herr aus dem Hause Uranien allezeit Capitäyn/ und Stadthalter verbleiben. 〈239〉

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ZUfälliger Weise etwas von dem Hause Uranien zu gedencken/ so wird es von der Stadt Orange in Franckreich genennet. Denn Henricus, Graf zu Nassau/ heyrathete 1515. die letzte Erbin aus dem Hause Chaion, und bekam das Fürstenthum Orange mit. Dessen Sohn Renatus starb 1544. ohne Erben/ und überließ also seinem Vetter Wilhelmen die succession. Und eben dieser ists/ welcher/ wie gedacht/ zum ersten Stadthalter erwehlet worden. Doch wieder auff die Historien zu kommen/ so hatten die Holländer bey Anfange dieses Seculi in der Ost-Indischen Kauffmanschafft solch Glücke/ daß die Spanier selbsten gern in den 12. jährigen Stillstand 1609. willigten: da hätte nun die Arminianische Sache leicht einen Mißverstand unter den Provintzen erwecket/ wenn nicht in Zeiten wäre vorgebauet worden. Doch als der Krieg 1621. wieder solte angehen/ stiffteten sie die West-Indische Compagnie/ welche hernach 1628. die gantze Spanische Silber-Flotte wegnahm/ und den Spanischen Progressen einen gewaltigen Stoß gab. 〈240〉

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ALs 1648. endlich der Friede mit Spanien/ und dadurch die volle Freyheit erhalten war/ fing es wieder in dem Lande selbst an etwas unruhig zu seyn. Denn es fragte sich/ ob es rathsam wäre/ nach erhaltenem Friede so viel Soldaten auf den Beinen zu halten? Die Provintz Holland sagte nein/ und danckte ihre Völcker ab. Der Printz von Uranien/ Wilhelm/ (welcher nach des Herrn Vaters Heinrich-Friedrichs Tode 1647. die Stadthalter- und Capitäynschafft angetreten hatte) zog die andern Provintzen/ sonderlich Seeland/ auf seine Seite/ nahm sechs Herren aus dem Staten-Rathe im Hage von Holland gefangen/ und schickte 1650. Wilhelmen von Nassau seinen Anverwandten/ mit etlichen tausend Mann/ in der Nacht auf Amsterdam zu/ in willens die Stadt zu überrumpeln/ und vielleicht ein ziemlich Stücke von der Souverainität zu behaupten.

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Doch als die Sache verrathen war/ und die Holländer ihre Schleusen eröffneten/ so musten die Soldaten entweder ersauffen oder wieder zurücke gehn. Maßen auch der Printz/ ohne Zweifel aus Beküm- 〈241〉 mernüß/ nicht lange hernach eben dieses Jahr 1650. gestorben ist

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XII. OB nun wol nach des Printzen Tode ein Sohn Wilhelm Henrich gebohren ward/ so kamen doch die Staten zusammen/ und mortificirten, also zu reden 1651. die Stadthalter- und Capitäynschafft/ und machten andere Gesetze/ Krafft welcher diese hohe Verrichtung bey allen Provintzen insonderheit/ vornehmlich aber bey der extraordinar-Versamlung im Hage bestehen solte. Und in solcher Direction sind viel Kriege geführet worden. Anfangs musten sie 1652. wider die Engländer gehen/ welcher Streit 1654. beygeleget ward. Doch als sie wieder Friede hatten/ ward 1654. Ober-Yßel unter sich uneinig/ und wolten etliche den Gouverneur von West-Frießland annehmen. Ingleichen wolte Gröningen und Omland dergleichen thun/ also war es hohe Zeit/ nachdem sie vertragen waren/ daß ein außwärtiger Krieg darzwischen kam. Denn als die Portugesen 1657. in Brasilien sich der West-Indischen Compagnie widersetzten/ ward dieser Nation Krieg angekün〈242〉 diget/ darinnen zwar die gedachte Compagnie das meiste in West-Indien verlohr/ und kaum den Handel auff die Gold-Küst ­Gvinea in Africa übrig behielt: doch ward in dem Frieden 1661. einige satisfaction versprochen.

XIII. ALs dieser Krieg noch wärete/ mischete sich Holland mit in die Nordischen Händel/ und verhinderte die Schwedischen Progressen. Ferner geriethen die Engländer in Africa mit ihnen in Strei-

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tigkeit/ und entstund ein heftiger Krieg von 1665. biß 1667. da der Friede zu Breda erfolgete. Doch da sich Holland und Seeland wegen der Stadthalterschafft des Printzen von Uranien nicht vergleichen kunten/ und ihre Friedens-Zeit mit vielfältigen disputiren zubrachten/ that das Glücke gleichsam einen vollen Versuch/ was die Provintzen ausstehen kunten/ indem es 1672. von Franckreich/ Cölln und Münster zu Lande/ von England zu Wasser angefallen ward. Was sie Anfangs vor Festungen verlohren/ solches ist noch in frischem Gedächtnüß. Doch war die Unruhe innerlich viel gefährlicher/ biß eben dasselbe Jahr der 〈243〉 Printz von Uranien wieder in seiner Vorfahren Dignität gesetzet/ und hingegen die Herren Witten/ welche der Uranischen Parthey stets zu wieder waren/ und die volle Freyheit behaupten wolten/ unverhörter Sachen von dem rasenden Pöbel massacriret wurden. Weil nun 1674. der Englische Friede erfolgte/ und so wol das Römische Reich schon 1673. neben Spanien mit Franckreich gebrochen hatte/ bekamen diese Provintzen wieder Lufft. Doch scheinet es/ als wenn die Natur selbst mit diesem Lande nicht zu frieden wäre/ indem es vor dem Jahre mit grausamen Sturm-Winden/ itzo mit ungewöhn­ lichen und verderblichen Wasser-Fluthen heimgesuchet worden. GOTT helffe/ daß sie mit uns des Friedenschlusses bald genießen mögen.

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SOweit habe ich sonsten die also genannte Fundamental-­Historie ausgeführet. Alldieweil aber die teutsche Historie wegen der vielfältigen Fürstlichen 〈244〉 Häuser sehr weitläufftig ist/ und in e­ inem Capitel nicht gar zu wol kan beschlossen werden: als habe ich hier einen Anhang beygefüget. Erstlich zwar von dem Hause Sachsen/ unter dessen Regierung wir allhier leben: Zum andern/ von den beyden Häusern Lothringen/ und Savoyen/ welche mehrentheils in die wichtigsten Kriege mit verwickelt werden: Endlich insgemein von allen übrigen Häusern/ welche im Röm. Reiche etliche

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sonderbare Begebenheiten erfahren haben. Denn weder die Kürtze des Buchs/ noch die gegenwärtige Intention wil mir ­anietzo zulaßen/ alles ausführlich zu erzehlen. Und wil ich dergleichen Arbeit/ welche zu tieff in das Jus publicum, oder in die Notitiam Imperii hinein läufft/ entweder andern überlaßen/ oder doch zum wenigsten auff eine künfftige Gelegenheit versparen. 〈245〉

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DAß diese Fürsten Ihr Glorwürdiges Geschlechte/ fast vor allen andern Familien weit hinaus führen können/ solches ist bekannt. Und hat Albinus in seinem Stamm-Buche noch etliche Vorfahren benennet/ welche vor Christi Geburt gelebet haben: Ingleichen hat Elias Reusnerus in seinem Stemmate Witikindeo erwiesen/ wie die ietzigen Hertzogen zu Sachsen von Witikindo M. herstammen/ und hierdurch die Könige in Franckreich und Dennemarck/ wie auch die Hertzogen in Savoyen als ihre Anverwandten erkennen. Dahin wir den curieusen Leser zu weitläufftiger Nachricht wollen verwiesen haben.

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IEtzo wollen wir mehr auff die neuen Historien sehen/ und aus den alten 〈246〉 nur so viel berühren/ als zu Erläuterung der bißherigen Begebenheiten scheinet von nöthen zu seyn. Und zwar so ist es gewiß/ daß aus obgedachtem Geschlechte Dedo zu Anfange des eilfften Seculi von Henrico II. dem Keyser mit dem Marggraffthum Meißen ist beliehen worden. Nun ward solches auf die Nachkommen fortgepflantzet/ und hatte endlich Otto, mit dem ZuNahmen der Reiche/ das Glücke/ daß unter ihm die ersten Bergwercke in Meißen erfunden wurden. Als er starb 1189. hinterließ er zwey Söh-

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ne. Albertus der Erstgebohrne ward Marggraf in Meißen: Dietrich der Andre bekam die Gegend umb Weißenfels/ wie er denn aus diesen Ursachen mehrentheils der Grafe zu Weißenfels ist genennet worden. Doch Albertus starb ohne Erben/ Dietrich aber pflantzte das Geschlechte fort. Und weil unter ihm das Recht auff die Landgraffschafft Thüringen erst an die Marggrafen zu Meißen gebracht worden/ wollen wir diese Genealogie beyfügen. 〈247〉

Henricus Ludovicus Jutta sein Bruder seine Schwester Land-Graff in Hessen und Thüringen † 1227. vermählet an † 1248. Dietrichen/ Marggrafen zu Meißen. Sophia vermählet Henricus des an Henricum ietzigen Hauses zu Hertzog in Brabant. Sachsen Stamm-Herr. Henricus das Kind zu Hessen/ der LandGrafen in Hessen Stamm-Herr.

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III. AO. 1248. starb Henricus der alte Land-Graff in Thüringen/ welcher in denen damahligen Troublen von etlichen war vor einen Keyser auffgeworffen worden: Und also entstund die Frage/ ob Sophia des Brudern Tochter/ oder Henricus der Schwester Sohn zu der Erbschafft am nächsten wäre? Maßen auch dannenhero ein

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langwieriger Krieg mit beyderseits 〈248〉 schlechtem Nutzen geführet ward. Endlich gingen sie diesen Vergleich ein/ es solten die Marggrafen zu Meißen Thüringen behalten; dem Brabantischen Kinde solte Hessen eingeräumet werden. Und ist kein Zweifel/ daß dazumahl schon beliebet worden/ welche Familie die andere überleben würde/ die solte der gantzen Erbschafft theilhafftig werden. Denn eben dieses hat den Grund zu der weltbekannten Erb-Verbrüderung zwischen Sachsen und Hessen geleget/ welche hernach in genaue Artickel verfasset/ und 1373. von Carolo IV. dem Keyser öffentlich bestätiget worden.

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HEnricus, dessen oben gedacht/ starb 1288. und hinterließ einen Sohn Albertus, welcher wegen seines unartigen Gemüthes Degener genennet worden. Dieser brachte das gantze Land Thüringen in unermäßliches Unglück/ alldieweil er seinem unächten Sohne Apicio das Land gerne zugewendet/ und hingegen seine Söhne Fridericum admorsum, das ist/ mit dem gebißnen Backen/ und Dicemannum ausgeerbet hätte. Denn die Söh- 〈249〉 ne nebenst den Landständen wiedersetzten sich so lange/ biß Albertus auf so gefährliche und rachgierige Anschläge kam/ daß er dem Keyser Adolph von Nassau das Land 1294. verkauffte. Indem nun der Keyser wolte Possess nehmen/ hingegen die Söhne das ihrige beschützten/ entstund ein grausames Blutbad/ absonderlich weil des Keysers Volck so unmenschlich hausete/ daß dergleichen fast bey den barbarischen Völckern nicht war erhöret worden. Zwar Keyser Adolph ward abgesetzt: doch blieben Albertus I. und hernach Henricus VII. bey der Prætension, und brachten die arme Landschafft in lauter Unglück/ biß endlich Ludovicus V. an das Regiment kam. Denn dieser hatte mit seinem Neben-Keyser gnug zu thun/ und muste also des vermeynten Rechtens auff Thüringen vergessen. Wiewol im Lande selbst war zwischen dem Adel und Städten/ welche entweder Keyserlich oder Fürstlich gewesen/ ein

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solcher Groll erwachsen/ daß die guten Einwohner auch bey erhaltenem Friede gleichsam die Nachwehen erfahren musten. 〈250〉

V. FRidericus admorsus welcher auch sonsten Fortis genennet ward/ hinterließ einen Sohn Fridericum, welcher mit dem Zunamen Gravis hieß/ und der 1347. von etlichen wider Carolum IV. zum Gegen-Keyser erwehlet ward. Dieser zeugte Fridericum Strenuum, bey welchem sich eine neue Erbverbrüderung angegeben hat. Denn dieser Fridericus vermählte sich 1348. mit Catharina des Grafen von Henneberg Tochter/ und ward ihm das Land Coburg gleichsam zum Braut-Schatze versprochen. Ob nun wol der Graf in dieses Versprechen auff die letzt nicht willigen wolte/ sondern vielmehr ein anders mit den Waffen auszuführen gesinnet war; konte er doch diesen mächtigen Eydam nicht abhalten/ sondern trat endlich die versprochene Landschafft ab. Da denn auff beyden Theilen beliebet ward/ welche Familie am ersten verlöschen würde/ die solte entweder in Coburg oder in Henneberg Erbe seyn. Wie auch die Familie der gefürsteten Grafen zu Henneberg endlich 1583. ausgestorben/ und also das Hauß Sachsen zu der Succession gediehen ist. 〈251〉

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VI. FRiderici Strenui Sohn war Fridericus Bellicosus oder der Streitbare/ welcher zu erst die Chur-Sachsen auff seine Familie gebracht hat. Denn seit 1180. war die Chur bey dem Hause Anhalt/ oder bey der Linie Sachsen-Lauenburg gewesen. Als aber Albertus III. 1422. starb/ und der nächste Agnat Ericus V. nicht allein zu vorher die Mitbelehenschafft versäumet hatte/ sondern auch dazumahl das Lehen nicht suchte: also daß die Land-Stände an den Keyser gelangen ließen/ es möchte derselbe die eröffnete

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Landschafft nach Belieben versorgen: so gab Keyser Sigismundus gedachten Friderico Bellicoso die Chur/ sambt dem darzu gehörigen Chur-Kreyse/ und belehnete ihn 1425. mit gebührenden Solennitäten. Hiermit ist eine neue Chur-Linie entstanden/ welche GOtt biß auff unsere Zeit/ in vollem Flor und allem gesegneten Gedeyen erhalten hat.

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ALs Fridericus Bellicosus starb 1428. folgte ihm sein Sohn Fridericus Placidus oder der Gütige in der Chur und im Marggraffthum Meißen. Der andere 〈252〉 Sohn Wilhelm bekam ein großes Theil von Thüringen. Nun waren etliche unruhige von Adel/ welche zwischen diesen Brüdern einen Haß nach dem anderm erweckten/ biß die Sache in einen öffentlichen Krieg hinausschlug/ da manch schöner Ort in die Asche geleget ward. Doch als die Herren Brüder mündlich mit einander zu sprechen kamen/ ward alle Feindschafft auff einmahl abgethan: wie denn ein gutes Vernehmen zwischen beyden Partheyen geblieben ist/ biß Wilhelm endlich 1482. ohne Erben verschied.

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ZWar Fridericus Placidus war schon 1464. gestorben/ und hatte seinen erstgebohrnen Sohn Ernestum zum Nachfolger in der Chur: der andere Sohn Albertus bekam den besten Theil von Meißen. Und es ist bekannt/ daß beyde in ihren jungen Jahren 1454. aus dem Schloße zu Altenburg von Kuntz von Kauffungen/ Wilhelm Mosen und Wilhelm Schönfels entführet worden; GOtt aber bald mit einer frölichen Erlösung erschienen ist. Denn diese 2. theuren Printzen waren darzu ausersehen/ daß sie die Ernestinische und Albertinische Linien fortpflantzen solten. Ich wil eine kurtze Genealogie setzen. 〈253〉

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Fridericus I. Bellicosus. Fridericus II. Placidus Wilhelmus.

ERNESTUS † 1486.

ALBERTUS † 1500.

Fridericus III. Johannes Georgius Henricus Sapiens Elect. Constans Elect. Lutheri hostis Luthero † 1532. † 1539. addictus † 1525. † 1541. Johannes Mauritius Elect. Fridericus † 1553. El. captivus 1547. † 1554.

Augustus Elector † 1586. Conservator Lineæ ALBERTINÆ.

Joh. Fridericus II. Joh. Wilhelmus † 1595. † 1573. Conservator Lineæ ERNESTINÆ.

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IX. DIese brüderlichen Familien lebten in beständiger Einigkeit/ biß endlich 1542. bald ein Kriegs-Feuer hervorgebro- 〈254〉 chen wäre. Denn es fragte sich/ ob der Churfürst oder Hertzog Moritz im Stiffte Wurtzen die Türcken-Steuer collectiren solte? und weil ein ieglicher sein Recht behaupten wolte/ kamen sie mit bewehrter Hand an einander. Allein Philippus der Landgraff in Hessen brachte es

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so weit/ daß der Krieg/ welcher am Palm-Sontage anging/ an dem Oster-Tage sein Ende erreichete. Dahero auch die jenigen/ welche den Unfrieden lieber auf etliche Jahr hinaus gespielet hätten/ solchen höhnisch den Fladen-Krieg nenneten. Hernach kam die Unruh ins Mittel/ davon in der teutschen Historie num. XVI. und XVII. gedacht wird.

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ES hatte aber Albertus der Stamm-Herr vor die treuen und kostbaren Dienste/ welche er selbst Maximiliano I. in Niederland/ als auch seine Herren Söhne Hertzog George und Hertzog Heinrich/ im Frießland geleistet hatten/ unter andern das Hertzogthum Sagan in Schlesien zur Vergeltung bekommen. Weil sich nun in dem Meißnischen Territorio noch wegen etlicher Belehnungen ei- 〈255〉 nige Unrichtigkeit ereignete/ als ward mit Ferdinando I. 1549. Handlung gepflogen/ und gediehe die Sache dahin/ daß alle Streitigkeit abgethan/ und hingegen das Hertzogthum Sagan wieder an die Cron Böhmen cedirt wurde.

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INzwischen hatte sich die Stadt Magdeburg wieder die Thum-­ Herren gesetzt/ und hatte sie mit Gewalt ausgetrieben: weil nun andere Ursachen darzu kamen/ trug der Keyser 1550. Churfürst Moritzen die Execution auff. Doch als die Stadt sich zu gütlichem Vergleich accommodirte, und hingegen der Keyser wegen der gefangenen Fürsten zu keiner angenehmen Resolution kommen wolte/ hielt der Churfürst die Völcker so lange in den Qvartieren/ biß Henricus II. König in Franckreich sein Bündnüß vollzog/ und wie oben gemeldet n. XVII. die Fürsten erlöset wurden.

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XII. HIerauff ward der Paßauische Vertrag geschlossen. Doch Marggraff Albert von Brandenburg hätte den Krieg lieber continuirt, und wolte also von dem 〈256〉 Vertrage nichts wissen. Drumb fing er eine Unruhe nach der andern an/ biß die benachbarten ­Fürsten auf ihn loß gingen. Und da kam es 1553. in Nieder-­Sachsen zu Sivershausen an der Weser zu einer Schlacht/ da Albertus zwar die Flucht nehmen muste: allein es büßeten unterschiedene ­Fürsten ihr Leben ein; auch Churfürst Moritz selbst ward mit einer Pistolen-­Kugel getroffen/ daß er in zweyen Tagen/ im 33sten Jahre seines Alters den Geist auffgab. Also kam Augustus der Bruder zu der Chur/ welcher bißhero zu Weißenfels seine Residentz gehabt hatte.

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XIII. DIeser Augustus ließ sich so wol den Reichs- als den Religions-­ Frieden sehr angelegen seyn: gestalt er sehr viel darzu cooperirte, daß 1555. auf dem Reichs-Tage zu Augspurg die Protestirenden Stände ihren völligen Frieden erlangeten. Hernach als Hertzog Johann Friedrich zu Gotha etliche Aechter des Reichs in seinen Schutz nehmen wolte/ und ihm von dem Keyser und sämptlichen Ständen 1567. die Execution wider den Hertzog selbst aufgetragen wurde/ gieng er vor Gotha/ 〈257〉 überwältigte die Festung Grimmenstein/ und nahm den Fürsten gefangen. Weil Ihm auch nicht unbewust war/ wie etliche unter dem Prætext der Christlichen Einigkeit eine gefährliche Veränderung in der Religion suchten/ bemühte Er sich durch Hülffe vornehmer Theologorum so lange/ biß nach vielen Zusammenkunfften/ endlich das Christliche Concordien-Buch 1579. im Closter Bergen vor Magdeburg vollendet/ und hernach 1580. in öffentlichen Druck gegeben ward/ also daß alle Kirchen- und Schulbedienten im gantzen Churfürstenthum sich durch eigenhändige Unterschrifft darzu bekennen musten.

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ALs aber dieser Löbliche Chur-Fürst 1586. die Welt gesegnete/ und sein einziger Sohn Christianus I. welchen er unter neun P ­ rintzen allein lebendig erhalten hatte/ zur Regierung kam/ unterstund sich der Cantzler Nicolaus Crellius mit Beyhülffe etlicher Gelehrten die Religion zu ändern/ und hatte sich die Gedancken gemacht/ wenn er denen Reformirten 〈258〉 zu gefallen erstlich den Exorcismum bey der Tauffe würde abgebracht haben/ so könte alsodann ein fernerer Weg zu der Reformation gebahnet werden. Aber diese Wolcke gieng bald vorüber. Denn als der Churfürst 1591. starb/ und die unmündigen Printzen unter der Vormundschafft Hertzog Friedrich Wilhelms von Altenburg lebeten/ wurden diese weit aussehenden Consilia mit Gewalt hintertrieben. Dem Cantz­ ler wurde nach langwierigem Gefängnüß der Kopf abgeschlagen. Andere musten das Land räumen. Und ist also durch GOTTes ­Gnade die reine Lehre biß auf diese Stunde unverfälscht erhalten worden.

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AO. 1602. trat Christianus II. nach abgelegter Minorennität die Churfürstliche Regierung würcklich an/ und erlebete 1609. die verwirrete Streit-Sache wegen Jülich/ Cleve und Berg/ davon dieses kürtzlich zu mercken ist. Als Albertus der Stamm-Herr der ietzigen Linie/ wie schon oben gedacht/ Maximiliano I. in den Niederländischen Kriegen mit Gelde und Volcke/ ja mit seiner eigenen 〈259〉 Müh in Person gedienet hatte/ und numehr eine gewierige Vergeltung erfolgen solte/ ward er zwar anfangs zu der Hoffnung gebracht Stadthalter in Frießland zu seyn: doch weil dieses nur kostbare Weitläufftigkeiten nach sich zog/ so ward ihm durch Recommendation Maximiliani I. von Friderico III. dem Keyser 1483. die Anwartschafft auff die Hertzogthümer Jülich und Berg verschrieben/ welche er

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oder seine Leibes- und Lehens-Erben haben solten/ so bald kein Männlicher Erbe in den gedachten Hertzogthümern würde übrig seyn. Und solche Anwartschafft ward 1486. auff die Ernestinische Linie mit extendiret, auch endlich 1495. von Maximiliano I. als Keysern bestätiget.

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XVI. NUn begab sichs/ daß Wilhelm Hertzog zu Jülich und Berg Graf zu Ravenspurg 1511. starb/ und keine Männlichen Erben hinterließ. Doch hatte seine Tochter Maria sich an Johannem Hertzogen zu Cleve und Grafen zu der Marck vermählet/ und wolte also die Succession dem Hause Sachsen zum præjudiz einnehmen. Doch der Streit verzog sich biß 1521. da 〈260〉 Carolus V. zwar gedachtem Johanni die Belehnung wiederfahren ließ/ aus Beysorge/ der Hertzog möchte sich in dem damahligen Kriege an Franckreich hängen/ und so wol dem Niederlande/ als auch dem teutschen Reiche schädlich seyn. Doch ward indessen einem iedweden sein Recht ausdrücklich vorbehalten.

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XVII. HIerauff vermählte sich der Chur-Printz zu Sachsen Johann Friedrich 1525. mit Sibyllen des gedachten Johannis Tochter. Und also ward 1526. die Sache etlicher maßen also verglichen/ wenn Maria/ Johannis Gemahlin/ keine Männliche Erben hinter sich verlaßen würde/ so solten alsodann die Hertzoge zu Sachsen/ nicht allein in Jülich und Berg/ sondern auch in Cleve succediren. Gestalt dieses hernach 1544. von Carolo V. ist confirmiret worden.

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NUn zeugte Johannes mit der Maria einen Sohn Wilhelmum, welcher 〈261〉 1546. sich Ferdinandi I. Tochter Mariam ehlich beylegen ließ/ und weil besorget ward/ es möchten keine Männlichen Erben erfolgen/ so ward Carolus V. so weit bewogen/ daß er die Succession auch auff die Weiblichen Eltern extendirte. Derohalben als dieses Wilhelms Sohn Johann Wilhelm 1609. ohne Erben starb/ entstund zwar ein Streit auff Seiten der Schwestern: doch erhielt der Chur-Fürst zu Sachsen/ der Weiblichen Belehnung von 1546. ungeacht/ vom Keyser 1611. die investitur, maßen auch solches von den folgenden Keysern geschehen ist.

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WAs aber die Schwestern und Ihre Erben gesucht haben/ und wie sie selbst unter einander durch widerwärtige Prætensiones einander zugesetzet/ solches wird aus der Genealogie klar. 〈262〉

Sibylla nupta Joh. Frid. Elect. Sax. .

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Johannes Wilhelmus † 1609. Maria Eleonora nupta Alberto Friderico Duci Prussiæ. † 1608.

Anna primogenita nupta Johanni Sigismundo. El. Brand.

Anna nupta Philippo Wolfgangus Ludovico Comiti Wilhelmus. Pal. Neoburgico. Wilhelmus qvi duxit Mariam Ferd. I. fil. † 1592

Johannes Cliveniis Mariæ Juliacensis maritus.

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Magdalena nupta Johanni Com. Pal. Bipontino.

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ex hac pro sapia provenit hodiernus Rex Sveciæ.

Sibylla nupta Carolo Marchioni Burgoviæ, ex familia Austriacorum.

〈263〉 Denn die zwey letztern Schwestern begehrten/ es solte die Erbschafft zu gleichen Theilen gehen: wie denn eben darumb der König in Schweden/ welcher aus dem Hause Zweybrüch stammet/ den Titel dieser Fürstenthümer noch zu führen pfleget. Allein wegen der ersten beyden zanckte man sich umb die Primogenitur. Brandenburg wolte durch seine Gemahlin die erstgebohrne Schwester repræsentiren. Neuburg wandte ein/ die Schwester wäre 1608. vor dem Bruder gestorben/ drumb wäre das Recht der Erstgeburt numehr an seine Gemahlin gelanget.

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ALso griffen beyde zu/ und nahm Brandenburg in Cleve/ Neuburg in Jülich die Possession, biß endlich Churfürst Johann Sigismund und der junge PfaltzGraf Wolfgang Wilhelm 1614. persönlich zusammen kamen/ und vermittelst einer Heyrath sich mit einander vertragen wolten. Wiewol bey dieser Zusammenkunft lieffen etliche Verdrießligkeiten vor/ daß diese beyden Häuser in die ­äußerste Uneinigkeit geriethen. Denn Wolffgang Wilhelm/ welcher sonst im Hause Branden- 〈264〉 burg zu heyrathen gedachte/ ging in Beyern/ und suchte nicht allein eine Catholische Gemahlin/ sondern er wandte sich auch von der Augspurgischen Confession/ und fing so wol wider seine Unterthanen/ als auch wider seine eigene Gebrüder eine heftige Verfolgung an. Wie er denn hierdurch erhielt/ daß die Spanischen Völcker/ welche nach dem Niederländischen Stillstande nicht viel zu thun hatten/ ihm zu Hülffe geschickt wurden. Im Gegentheil trat Brandenburg zu den Reformirten, welcher aus vielen Ursachen den Beystand der vereinigten Niederländer erlangete.

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ALso durfte Spanien und Holland die Kriegs-Exercitia auch bey wärendem Stillstande nicht vergessen. Endlich kam Brandenburg und Neuburg 1624. auff einen Vergleich. Indessen ist das sämptliche Haus Sachsen in Osnabrückischen Frieden bey Seinem Rechte erhalten/ und das gantze Werck zu einem Rechtlichen Ausspruche verwiesen worden.

XXII. UNd so viel sey von dieser Streit-Sache gesaget. Es starb aber Christia- 〈265〉 nus II. 1611. ohne Erben/ und folgte Ihm Sein

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Bruder Johannes Georgius I. welcher nicht allein den gantzen teutschen Krieg mit ausgehalten/ sondern auch vor und nach demselben die Früchte des edlen Friedens genossen hat. In der Böhmischen Unruhe stund Er bey dem Keyser/ und erhielt vor die angewandten Unkosten das Marggraffthum Ober- und Nieder-Lausitz. Ao. 1631. trat er mit den Schweden in ein Bündnüß/ und erhielt die Schlacht vor Leipzig/ hatte auch hierauff das Glücke/ daß er Prage einnahm. Doch nachdem Er 1635. in dem Pragischen Frieden sich mit dem Keyser wiederumb verglichen/ und numehr 1636. das Marggraffthum Ober- und Nieder-Lausitz durch völlige Ubergabe in Besitz genommen hatte; trug Er hohe Sorgfalt/ den allgemeinen Friedens-Schluß auszuwürcken/ erhielt vor sich 1646. mit Schweden einen Stillstand/ und erlebte 1648. den Osnabrückischen Frieden.

XXIII. ENdlich starb Er 1656. in gesegnetem Alter/ und hinterließ vier Seulen 〈266〉 Seines Churfürstlichen Hauses/ welche biß auff diese Zeit in Friede und gedeylichem Wolergehen regieret haben. Gestalt auch aller Unterthanen inbrünstiger Wundsch zu GOTT ist/ er wolle noch ferner an dieser gevierdten Zahl ein Zeichen seiner sonderbahren Gnade blicken laßen/ und so wol denen Hoch-Fürstlichen Anverwandten als auch denen gehorsamsten Sächsischen Landschafften ins gemein die Früchte der unverfälschten Religion/ wie denn auch den Segen des Hochlöblichen Regiments in allen Stücken reichlich und väterlich erweisen.

XXIV. OBen num. VIII. ist ein Anfang der Sächsischen Genealogie gemacht worden. Hier wollen wir die beyden Linien biß auff unsere Zeit kürtzlich continuiren. 〈267〉

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Die Albertinische Linie.

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Christianus I. Elect. † 1591.

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Augustus Elect. † 1586.



Johannes Christianus II. Georgius II. Elector † 1611. Elector n. 1613. Augustus Johannes Administrator Georgius I. Magdeburgensis, Elector † 1656. Dux Saxon. n. 1614.

〈268〉

Augustus † 1615.

Christianus in Merseburg n. 1615. Mauritius in Zeiz n. 1619.

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Der Kluge Hoffmeister / Das X. Capitel.

Die Ernestische Linie Fridericus Wilhelmus Electoratûs Administrator † 1602. propagator hic fuit lineæ Altenburgensis extinctæ in Friderico Wilhelmo nepote 1672.

Johannes in Weimar † 1605.

Johannes Wilhelmus † 1573.



Wilhelmus in Weimar † 1662. Ernestus in Gotha † 1675. Bernhardus militiæ Gallicæ Dux, qvi occupavit Brissacum † 1639.

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Joh. Ernestus in Weimar n. 1627.

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Joh. Georgius in Eisenach n. 1634. Bernhardus in Jena n. 1638.

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Fridericus n. 1646. Albertus n. 1648. Bernhardus n. 1649.

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Henricus n. 1650. Chris

tianus n. 1653.

Ernestus n. 1655. Joh. Ernestus n. 1658. 20

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Das XI. Capitel. Die Historie Von Lothringen Und Savoyen. I. Lothringen.

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LOthringen hat den Nahmen von Lothario, Ludovici Pii Sohne/ bekommen/ welchem in der Theilung dieser District auch zugefallen ist. Dieser starb 870. und weil seine Söhne nicht lang leb­ arolo ten/ zanckte sich Ludovicus, König in Teutschland/ mit C ­Crasso Könige in Franckreich wegen Lothringen. Doch bald hatten die Teutschen/ bald wieder die Frantzosen die Oberhand/ biß Henricus Auceps die Frantzosen dahin brachte/ daß sie Lothrin­ gen verschweren musten. Also belehnete Henricus erstlich ­Giselbertum seinen Eydam mit diesen Landschafften: doch Otto I. setzte ihn wegen seines rebellischen Fürnehmens 939. wieder daraus 〈270〉 und machte Conradum den Hertzog in Francken 943. gleichfals zum Hertzoge in Lothringen: Allein wie dieser auch rebellisch werden wolte/ ward Bruno der Ertz-Bischoff zu Cölln des Keysers Bruder 954. zum Hertzoge gemacht.

II. BRuno starb 966. und da begab sich der merckwürdige Handel/ daß Ludovici Transmarini Königs in Franckreich andergebohr-

Der Kluge Hoffmeister / Das XI. Capitel.

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ner Sohn Carolus zu dem Keyser fiel/ und als ein Vasall des ­teutschen Reichs das Hertzogthum Lothringen zu Lehn bekam. Hierdurch ward er bey den seinigen in Franckreich so verhasst/ daß/ nachdem Ludovicus V. Caroli Brudern Sohn 987. ohne Erben verblichen war/ Hugo Capetus einer aus denen Frantzöischen Fürsten auf den Thron gelaßen ward/ er aber Carolus, da er sein Recht mit Gewalt proseqviren wolte/ im Gefängnüß schändlich sterben muste.

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III. ALso ward 1006. Gottfried der Graff Ardenna (vom Ardenner W ­ alde so genant) in Lothringen eingesetzt/ von dessen Geschlechte endlich eine Tochter überblieb/ 〈271〉 welche mit dem Hertzoge von Bouillon vermählet ward. Hiervon ward der bekannte Gottfried von Bouillon erzeuget/ welcher 1099. das Königreich Jerusalem eingenommen hat. Weil nun dieser indessen sich umb das Land Lothringen nicht viel bekümmern kunte/ wolte zwar sein Bruder Wilhelmus gleichsam Erbe seyn: Allein der Keyser Henricus V. wolte es Gottfrieden von Löven/ seinem Schwager/ zuwenden. Endlich blieb es darbey/ daß ein iedweder einen Theil bekam. Wilhelm behielt das Land/ welches noch heutiges Tages Lothringen heißt/ und pflantzte das Geschlechte fort biß auff die ietzigen Hertzoge. Der andere nahm das Theil von Niederland/ und hieß Hertzog in Brabant: gestalt auch aus dessen Nachkommen eben das Brabantische Kind entsprossen ist/ davon in der Hessischen Genealogie gedacht wird.

IV. WAs ferner geschehen ist/ davon ist nicht nöthig viel zu schreiben. Endlich als Carolus Burgundus die Schweitzer wolte übern Hauffen werffen/ fehlte es nicht viel/ Renatus der Hertzog in Loth-

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〈272〉 ringen hätte auch zu dem Lande hinaus gemust. Allein wie Carolus 1477. vor Nancy blieb/ ward Renatus in seinem Lande wieder bestätigt/ und ließ er Carolum zu Nancy, gleichsam zur Danckbarkeit/ daß er ihn nicht bezwungen hatte/ sehr prächtig begraben.

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REnatus starb 1508. und hinterließ zwey Söhne. Antonius blieb Hertzog in Lothringen. Claudius ward Hertzog zu Guise, und machte sich in Franckreich so beliebt/ daß Franciscus I. 1527. ihn zum Pair erklärete. Und dieses ist eben der Ursprung der Guisen, welche nach der Zeit viel Unglück und Zerrüttung im Königreiche gestifftet haben.

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IN diesem Seculo hat Lothringen von Franckreich viel Verfolgung ausgestanden. Denn als der Cardinal Richelieu im Reiche sehr mächtig ward/ und des Königs Bruder Jean Baptista Gaston sich bald widersetzet/ bald wieder versöhnet hatte/ ging dieser endlich in Lothringen/ und hohlete sich daselbst 1632. wieder des Königlichen Bruders Willen und 〈273〉 Wissen eine Gemahlin. Solches ward so übel auffgenommen/ daß der gute Hertzog in Lothringen die Krieges-Last über sich sehen/ und letzlich gar aus dem Lande weichen muste. Nun fieng sich der Spanische Krieg an/ und suchte also der Hertzog diese Parthey biß auff 1656. da mochte er etlichen Frantzöischen Vorschlägen wieder Gehör geben. Doch als die Spanier dessen inne wurden/ ward er zu Brüssel in gefängliche Hafft genommen/ biß der Pyreneische Friede 1659. ihm die Freyheit wieder brachte.

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VII. WIewol diese Freyheit war mit einer großen Dienstbarkeit vermischet. Denn nebenst vielen Landschafften/ die er abtreten solte/ muste er sich verbinden/ alle Krieges-Völcker abzudancken/ mit keinem Auswärtigen einiges Bündniß oder Correspondenz zu unterhalten/ und über dieses dem Frantzöischen Kriegs-Volcke allzeit freyen Durchzug und Qvartier zu vergönen. Ja 1662. ward er vom Könige/ ich weiß nicht/ ob beredet oder gezwungen/ daß er den Titul eines Fürsten vom Geblüte in Franckreich annahm/ und hinge- 〈274〉 gen das gantze Recht auff Lothringen nach seinem Tode an die Cron Franckreich cedirte. Und dieses war die Ur­sache/ daß Carolus seines Brudern Sohn in Teutschland entwiche/ und an dem Keyserlichen Hofe Schutz suchte. Doch der Hertzog ließ sich kurtz hierauff nur etwas mercken/ als wenn ihn dieser Schluß reuen möchte/ da war der König stracks in Waffen/ und nahm 1663. die berühmte Festung Marsal ein/ hätte auch ein mehres versucht/ wenn sich der Hertzog nicht wieder nach des Königs Willen beqvemet hätte.

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VIII. HIerauff gerieth Lothringen mit Chur-Pfaltz 1668. in Streitigkeit/ wegen etlicher Oerter/ die Lothringen vermöge des Friedenschlusses hatte an Pfaltz restituiren sollen. Doch als 1669. die Sache durch Keyserliche Interposition verglichen ward/ indessen aber der Hertzog in Lothringen noch nicht sicher war/ und also etliche Völcker auf den Beinen behielt/ schickte 1670. der König in Franck­ reich seine Armee hinein/ ließ Nancy einnehmen/ und fehlte ­wenig/ der Hertzog wäre selbst gefangen worden. Die Ur­sache war meisten- 〈275〉 theils diese/ der Hertzog hätte denen Tractaten zuwider Volck im Lande gehalten. Doch hat es der Außgang erwiesen/ daß der König mehr auff eine beqveme Straße gesehen hat/ dadurch er das Volck wider die Vereinigten Niederlande/ und letzlich wider

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das Römische Reich hat führen können. Nun ist der alte Hertzog 1675. gestorben/ und ist Printz Carl im Rechte succedirt: wie sich Franckreich mit ihm vergleichen wird/ solches kan der künfftige Friede/ oder wohl auch der continuirte Krieg ausweisen. 5

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IX. Savoyen. DIese Hertzoge führen ihr Geschlechte von Witikindo M. Von 1020. an haben sie die Grafen von Morienne geheißen. Anno 1363. ward das Fürstenthum Piemont der Neapolitanischen Königin Johanna mit bewehrter Hand entzogen/ und erlangte hierauf Amadeus 1416. daß er von Keyser Sigismunden zum Hertzoge in ­Savoyen erkläret ward. Was ferner wegen Montferrat vorgelauffen/ daß ist in der Historie von Mantua erzehlet worden. 〈276〉

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ES ist aber nicht zu läugnen/ seit der König in Spanien etliche Herrschafften in Italien erlanget hat/ ist der Hertzog in Savoyen allezeit in der Mitten gewesen/ wenn Spanien und Franckreich an einander gerathen sind/ und hat gemeiniglich eine Parthey erwehlen müssen. Ob er nun wol in allen Kriegen fast das gantze Land verlohren hat/ so ist er doch in allen Frieden-Schlüßen/ zum Exempel 1526. 1544. 1559. 1598. (wie in der Frantzöischen Historie gedacht ist) wieder restituirt worden. Denn keiner hat dem andern diesen herrrlichen Paß in Italien gegönnet. Zwar 1598. als der Vervinische Frieden beschlossen ward/ hatte Henricus IV. die Marggraffschafft Saluz, einen rechten Schlüssel zu Italien/ noch inne/ und weil der König in Spanien nicht eher Friede machen wolte/ biß auch dieses restituirt wäre/ so gerieth es endlich so weit/ daß zwar der Friede vor sich ging/ doch der Streit wegen Saluz dem Pabste als einem Schieds-Manne überlaßen wurde. Zwar der Pabst

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wolte sich keinen zum Feinde machen/ also wäre es 1601. bald zum Kriege ausgebrochen/ 〈277〉 wenn nicht zu Lyon eben dieses Jahr wäre ein Vergleich getroffen/ und Saluz gegen die Grafschaft Bresse ausgewechselt worden.

XI. NAch diesem verwickelte sich Savoyen mit den Correspondirenden Ständen in Teutschland/ und mag es auch im Wercke gewesen seyn/ daß der Hertzog 1619. zu der Böhmischen Cron ist vorgeschlagen worden. Doch weil die Anschläge zurücke gingen/ ist im Lande Friede geblieben. Denn der Hertzog Carolus Emanuel (welcher 1630. gestorben) hatte eine Spanische Gemahlin. Der Sohn Victor Amadeus hatte des Königs in Franckreich Schwester. 1619. geheyrathet. Also blieb das Vernehmen auf beyden Theilen gleichsam in gleicher Wage bestehen. Wiewol als 1635. der Krieg anging/ kunte man leicht gedencken/ Savoyen werde nicht davon ausgelaßen werden. Es fand sich aber diese Ursache/ Ao. 1637. starb Victor Amadeus, und hinterließ einen Sohn Carl Emanuel II. von 3. Jahren. Nun wolte die 〈278〉 Frantzöische Mutter die Vormundschafft antreten: weil aber noch etliche Brüder/ Mauritius der Cardinal/ und Thomas Printz von Carignan da waren/ und die Vormundschafft nicht wolten fahren lassen/ traten sie auf Spanische Seite/ und fingen einen hefftigen Krieg an: Wiewol mit solchem Fortgange/ daß die Frantzosen das Land einnahmen/ und dasselbe fast zehen Jahr besaßen/ ehe die Sache mit Savoyen verglichen/ und sie allerseits mit Franckreich ausgesöhnet wurden. Hierauf ward Spanien Feind/ und wurde erst 1659. im Pyreneischen Frieden die volle Restitution etlicher eroberten Plätze erhalten.

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DOch ich darff den Königlichen Titul auff daß Reich Cypern nicht vergessen/ welchen Victor Amadeus 1633. angenommen hat. Wenn ich aber den Grund darthun sol/ muß ich eine alte Genealogie hersetzen. 〈279〉 Janus Lusignanus Rex Cypri † 1458.

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Janus Rex Charlotta nupta 1432. Ludovico Duci Sabaudiæ. Charlotta nupta 1459. Ludovico Genevensi, Ludovici Ducis Sabaudici filio.

Jacobus nothus primo Episcopus Nicociensis, Ao. 1462. per arma factus Rex Cypri, ducta Catharina Marci Cornarii Patritii Veneti filia. vid. Hist. Venet. num. XXVI.

Denn hieraus ist bekannt/ daß der Hertzog von Savoyen eine gute Prætension wider Jacobum den unächten Bruder gehabt hätte. Allein weil dieser den Rath zu Venedig eventualiter zum Erben einsetzte/ waren sie mit ihrer Hülffe so mächtig und drungen durch. Hingegen blieb Savoyen bey seinem Rechte/ wie denn Char- 〈280〉 lotta, als sie ohne Erben verstarb/ alle ihre Prætension auff ihres Gemahls Bruder Philippum II. vermacht hat. Doch den Titul selbst hat niemand gebraucht/ biß 1633. da der Hertzog solchen zu erst geführet/ und sich Königliche Hoheit zu nennen begehret hat.

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XIII. Gleichwie man aber diesen Titel nebenst andern Vorzügen dem hohen Hause gerne gönnen muß: also wäre im Gegentheil zu wündschen/ die armen Waldenser hätten nicht so unmenschliche und grausame Verfolgungen ausgestanden. Denn es hat nunmehr vor fünff hundert Jahren Petrus de Waldis in etlichen Stücken die Päbstlichen Mißbräuche in acht genommen/ und sich dannenhero in seiner Lehre von der Römischen Kirche abgesondert/ und weil er zu Lyon und zu Alby in dem Tholoser Gebiete die meisten Nachfolger bekommen/ werden sie mehrentheils die Armen Leute von Lyon oder auch die Albigenser genennet. Weil sie aber in Franckreich aus Anstifften des Pabstes etliche mahl sehr grausam waren tractiret worden/ sonderlich 1206. so haben sich etliche 〈281〉 in England/ etliche in Böhmen/ etliche in die Bergichten Oerter in Piemont gemacht/ und so viel als möglich gewesen/ ihre Religion fortgetrieben. Dannenhero fielen sie auch aus einem Unglück in das andere/ biß der Pabst 1487. Befehl gab/ alle mit der hefftigsten Marter zu vertilgen. Doch dazumahl hatte der Hertzog in Savoyen Philippus II. über diesem Unrecht einiges Mißfallen/ daß er ihnen zuließ/ alle mögliche Gegenwehr zu gebrauchen. Allein was nach diesem 1534. 1560. 1565. und in andern Jahren vorgelauffen ist/ und wie unbarmhertzig die armen Leute mitgenommen worden/ solches wird keiner ohne Threnen und Bestürtzung lesen können. Endlich ist der Blutdürstige Haß 1655. gleichsam auff einmahl ausgeschüttet worden/ da die Einwohner bey hartem Winter gezwungen worden/ ihre Wohnungen zu verlaßen/ und mit Weibern und Kindern in die wüsten Wälder zu weichen. Und was daselbst vor neue Manieren erdacht worden/ die Lente zu peinigen/ dergleichen auch in den Heydnischen Verfolgungen nicht bekannt gewesen/ das ist mehr als zu viel schon auffgezeichnet. End- 〈282〉 lich resolvirte sich ein kleiner Rest/ und satzte sich zur Wehre/ erhielt auch unterschiedene Victorien. Weil nun aus England/ Schweitz und Holland sehr bewegliche Intercessiones darzu kamen/ so ist

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zwar die Verfolgung an sich selbst gestillet worden: doch musten sie auch im Friede etwas arges leiden/ oder etwas ärgers hoffen.

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WIeder auff unsere Erzehlung zu kommen/ so hat der Hertzog starcke Prætension wieder die Stadt Genff/ als auch in etlichen Stücken wieder Genua. Von Genff ist bekannt/ daß 1602. die Savoyer bald in der Nacht wären Meister worden: denn es waren schon sehr viel unvermerckt über die Mauern gestiegen. Doch wie die Sache etwas zu zeitlich verrathen ward/ musten sie auch leiden/ daß alle/ die in die Stadt kommen waren/ ohne Unterschied gehenckt wurden. Mit Genua gab es 1672. einen hefftigen Widerwillen wegen eines Gräntz-Streits. Ob solcher gantz beygeleget/ oder auff beqve­ mere Zeit verschoben 〈283〉 worden/ ist ungewiß. Man hat auch allezeit in Sorgen gestanden/ Spanien möchte sich Genua annehmen/ hingegen möchte Franckreich vor Savoyen stehen: doch der Krieg hat noch zur Zeit die Italiänischen Gräntzen würcklich verschonet.

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DIeses Jahr 1675. ist der Hertzog Carolus Emanuel II. Todes ver­ blichen und weil der Printz Victor Amadeus kaum acht Jahr alt/ und die Mutter/ als Vormündin/ aus Franckreich bürtig ist/ haben die Spanier desto weniger auff diese Nachbarschafft zu bauen. Es wäre denn/ daß ein geschwinder Friede diese und dergleichen andere Sorgen zu nichte machte. 〈284〉

Das XII. Capitel. Von Etlichen Begebenheiten/ Ohne welche die Hiftorie von Teutschland nicht wol mag verstanden werden.

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I. WArumb anitzo alle Fürstliche Häuser/ Ihrem Ursprung und Fortgange nach/ nicht können angeführet werden/ solches ist schon gedacht worden. Doch weil etliche Sachen so wol in dem vorigen Seculo, als absonderlich zu unsrer Zeit/ mit der Haupt-Historie sehr verwickelt sind; als wird mir frey stehen/ dieselben kürtzlich beyzutragen. Nicht als wolte ich das andere vor geringe und zu wissen unnöthig halten; sondern nur weil ich dem ersten Capitel gern eine bessere Erklärung gönnen/ und das übrige auff eine andere Zeit versparen muß. 〈285〉

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II. Die Sache wegen der Berg-Straße. ANno 1461. ward Dietherus, Graf zu Ysenburg/ Churfürst zu ­Mayntz/ weil er aber als Ertz-Bischoff bey dem Pabste das Pallium nicht lösen wolte/ ward ihm/ also zu reden/ ein gegen-Churfürst/ Adolph Graf zu Nassau/ vom Pabste vorgesetzt. Zwischen diesen beyden entstund ein scharffer Krieg/ und nachdem Dietherus

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von dem Pfaltzgrafen am Rhein Hülffe erlanget/ auch hierdurch seine Sache wider den andern wol ausgeführet hatte/ muste er an statt 100000. fl. Unkosten/ welche der Pfaltzgraff liqvidirte, die gantze Bergstraße an ihn versetzen. Doch in den Osnabrückischen Frieden hat Chur-Mayntz die Wiedereinlösung erhalten und ist solche bald darauff 1651. erfolget.

II. Der Schwäbische Bund. 10

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ALs 1487. Keyser Friedrich zu Nürnberg vergebens berathschlagt hatte/ wie im gantzen Reiche ein volles und fried- 〈286〉 fertiges Vernehmen möchte auffgerichtet werden/ traten die Schwaben nebenst etlichen benachbarten Ständen in ein Bündnüß/ und nenneten es die Gesellschafft S. Georgens-Schilds. Damit auch solches möchte in beständiger Autorität erhalten werden/ nahmen sie drey Richter an/ welche alle Streitigkeiten unter den Bundes­ genoßen entscheiden solten. Den ersten gab der Keyser und die Churfürsten. Den andern erwehlten die Prælaten/ Grafen und Herren. Den dritten setzten die freyen Städte. Erstlich zwar solte es nur acht Jahr wären. Allein wie man den mercklichen Nutzen spührete/ ward es auff drey/ hernach auff zwölffe/ endlich auff zehen Jahr verlängert. Ja 1522. ward es noch beliebt/ auff eilff Jahr zu schließen/ nach welcher Zeit/ vielleicht wegen der Kriege zwischen dem Keyser und Franckreich/ das Bündnüß seine Endschafft erreichet hat.

IV. Die Achts-Erklärung wider Pfaltz. AO.1502. starb Georgius mit dem ZuNamen der reiche/ Hertzog in Bey- 〈287〉 ern/ und setzte Rupertum den Pfaltzgrafen am Rhein zum völligen Erben ein. Nun war Albertus IV. Hertzog in Beyern

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als ein näher Agnate gantz übersehen worden: Drumb trug er die Sache dem Keyser vor/ und erhielt einen Befehl/ der Pfaltzgraff solte ein Theil von der Erbschafft zurücke geben. Doch wie er sich säumete/ erfolgete 1504. die Keyserliche Acht/ da sich die Pfaltz sehr muste bepflicken laßen: Gestalt auch die Stadt Nürnberg dazumahl aus der Ober-Pfaltz die Stadt Altdorff erlanget hat. Endlich als Alberti in Beyern Tochter mit Ludovico IV. dem Pfaltz-­ Grafen/ als obgedachten und nunmehr verstorbenen Ruperti Bruder vermählet ward 1511. so ward auch ein gütlicher Vergleich getroffen. Wiewol die Pfaltz-Grafen den Schaden lange Zeit empfinden musten.

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V. Die Würtenbergische Streit-Sache. ANno 1495. ward Eberhardus VI. aus dem Grafen-Stande zu einem Fürsten erhoben. Als aber dessen Vetter 〈288〉 Ulricus 1519. zu der Regierung kam/ und bald darauff wieder den Schwäbischen Bund gehandelt hatte/ muste er das gantze Land verlaßen. Die Sache verhält sich also: Es war einer von Hertzog Ulrichs Schützen von etlichen aus der Stadt Reutlingen bey dem Weine erschlagen worden. Weil die Stadt nun die Thäter ihm nicht überliefern wolte/ überfiel er dieselbe mit Gewalt. Die Bundesgenossen widersetzten sich mit gesambter Macht/ und ehe der Hertzog seine ver­ meynte Hülffe aus Franckreich erhalten kunte/ so befand er sich zu schwach/ daß er sein Land heimlich verlaßen muste. Damit fuhr der Schwäbische Bund zu/ und verkauffte das gantze Herzogthum an den Keyser/ ungeacht/ der Herzog einen kleinen Printzen allbereit hatte/ auch von Maximiliano I. ausdrücklich bedungen worden/ wofern der Männliche Stamm verlöschen würde/ so solte das Land bey dem R. Reich/ und gleichsam als des Keysers Cammer-­ Gut verbleiben.

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ALso blieb die Sache biß 1534. da der Schwäbische Bund zu Ende ging. Da zog Philippus der Landgraff in Hessen 〈289〉 heimlich zu dem Könige in Franckreich/ bewarb sich da umb Hülffe/ und setzte Christophorum Ulrici Sohn wieder in das Land. Weil nun dazumahl die Tractaten zu Cadan mit Chur-Sachsen vorgiengen/ davon Cap. I. num. XI. gedacht worden/ als ward auch in diesem Wercke der Streit so gemittelt/ der Hertzog solte wieder in die volle Besitzung gelaßen werden/ doch mit dem Bedinge/ daß er das Lehen nicht von dem Keyser und dem Reiche/ sondern von dem Hause Oesterreich empfangen solte. Dieses ist also geblieben/ biß 1599. da endlich der Keyser die also genannte Affter-Lehnschafft oder Subinfeudation auffgehoben/ und dem Hause Oesterreich die Anwartschafft vorbehalten hat/ wenn auf allen Fall die Männlichen Erben verlöschen solten.

VII. Der Streit im Ertz-Stifft Cölln.

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AO. 1582. wolte Gebhardus, Chur-Fürst zu Cölln/ das gantze ErtzStifft secularisiren/ und wie er schon die Reformirte Religion anzunehmen willens war/ 〈290〉 also hatte er auch vorgenommen/ sich mit Agnes einer Gräfin von Mansfeld zu vermählen. Doch als die Capitulares die Sache erfuhren/ erwehlten sie Ernsten/ einen Hertzog in Beyern/ zu ihrem Churfürsten/ und muste also Gebhardus zurücke stehen. Jndessen ist die Chur Cölln numehr fast hundert Jahr von lauter Fürsten aus dem Hause Beyern behalten worden.

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VIII. Die Reformation in der Pfaltz. CHur-Pfaltz hatte es mit der Augspurgischen Confession iederzeit gehalten: doch als Ludwig V. 1583. starb/ und einen Sohn Friedrich IV. von neun Jahren hinterließ/ kam die Administration der Chur auff Johann Casimiren den nächsten Agnaten/ welcher in Franck­ reich und Niederland dem Kriege lange Zeit gefolget war/ und bey solcher Gelegenheit die Reformirte Religion eingesogen hatte. Also erzog er seinen Pupillen gleichfalls in dieser Reli- 〈291〉 gion/ und recommendirte ihm ein reformirtes Fräulein aus dem Hause Uranien zur Gemahlin. Doch als Friedrich IV. 1610. starb/ und sein Sohn Friedrich V. (der endlich König in Böhmen werden wolte) kaum 14. Jahr erreichet hatte/ sahe er wol/ daß vermöge der güldenen Bulle Pfaltz-Neuburg dazumahl der Lutherischen Religion zugethan/ die Administration auf sich nehmen würde: Allein weil er sich besorgte/ der Pupille möchte von der Reformirten Religion abgezogen werden/ machte er ein Testament/ und setzte Pfaltz-Zweybrück einen Reformirten zum Vormund ein/ welcher auch alsobald in die Possession trat. Ob sich nun wol Pfaltz-Neuburg sein Recht/ welches in der güldnen Bulle gegründet war/ nicht wolte nehmen laßen/ und solches gerichtlich auszuführen gesonnen war: so verzog sich doch der Process über vier Jahr/ biß der Chur-Fürst selbst sein achtzehendes Jahr und hiermit seine Majorennität erreichet hatte. Damit war es nicht von nöthen weiter etwas zu handeln/ und war immittelst die eingeführte Religion erhalten worden. 〈292〉

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IX. Von der Zwiespalt im Stifft Straßburg. IN diesem Stiffte waren die Canonici zweyerley Religion/ Catholische und Protestirende. Als nun 1592. ein neuer Bischoff zu erweh-

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len war/ zielten die Protestirenden auff Marggraff Johann Georgen zu Brandenburg: Hingegen wolten die Catholischen Carlen Cardinalen und Hertzogen von Lothringen eingesetzt haben. In solchem Streite ward die Catholische Parthey zwar an dem Keyserlichen Hofe gnädiger angesehen/ wie denn auch Hertzog Christian von Hollstein/ als Stiffts-Decanus 1602. eventualiter in die Acht erkläret ward. Doch gerieth es 1604. zu Hagenau/ zu einem gütlichen Vergleiche/ da der Margraff sich des Bisthums begab/ unterdessen wurden den acht Fürsten/ Grafen und Herren Augspurgischer Confession/ gewisse Einkunfften angewiesen/ welche sie funffzehn Jahr nacheinander genießen solten/ doch also/ daß weder die Zahl gemehret/ noch die Catholischen in ihren Einkunfften angegriffen 〈293〉 würden. Und solcher Anstand ward 1620. wieder auff sieben Jahr erlängert. Weil aber nach Verfließung dieser Zeit Ertz-Hertzog Leopold-Wilhelm/ Keyser Ferdinandi II. Sohn/ zum Bischoffe war erwehlet worden/ ergieng 1627. ein Befehl/ es solte Pfaltz-Graff Friedrich-Casimir/ welcher sich einen Stadthalter des Decanats zu Straßburg nennete/ gäntzlich abtreten/ und denen Catholischen das Stifft völlig überlaßen. Doch daß nach der Zeit die Augspurgischen Confessions-Verwandten ihr Theil nicht verlohren haben/ ist aus dem Instrumento Pacis bekannt/ da zwey Canonicate an das Hauß Mecklenburg verschrieben; ingleichen zwey andere zweyen Braunschweigischen Printzen überlaßen worden.

X. Die Hessische Streit-Sache. WEil der gantze Teutsche Krieg auch durch diese Streitigkeiten vom Anfange biß zum Ende continuiret worden/ als wird von nöthen seyn/ den gantzen Ursprung kürtzlich auszuführen. Gestalt auch diese Genealogie darzu helffen wird. 〈294〉

Philippus Magnanimus † 1567.

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Wilhelmus propagator lineæ Cassellensis † 1592.

Mauritius.

Ludovicus † 1604.

Ludovicus in Darmstatt.

Philippus † 1583.

Philippus in Buzbach.

Georgius propagator lineæ Darmstadiensis † 1596.

Fridericus in Homburg propagator lineæ Homburgensis.

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XI. ES starb Philippus/ welcher wegen der Gefängnüs unter Carolo V. bekannt ist/ und machte ein solches Testament: Wilhelm der Erstgebohrne solte die Helffte/ oder zwey Viertheil bekommen/ und zu Cassel residiren. Ludwig solte ein Viertel haben/ zu welchem Marpurg gehörete: die übrigen zwey solten sich iedweder mit e­ inem halben Viertel begnügen laßen. Nun starb Philipp 1583. ohne Erben/ und succedirten die Brüder zu gleichen Theilen. Doch als Ludwig 1604. gleichfals ohne Erben verschied/ hatte er allbereit 1595. ein Testament gemacht/ die Erbschafft solte in zwey Theil/ in das Marpurgische und Gießische getheilet werden: die Marpurgische Helffte solte der Casselischen Linie/ die Gießische Helffte solte der Darmstädtischen zukommen. Nechst diesem solte die Augspurgische Confession beyderseits unverändert bleiben; Und welcher den geringsten Artickel aus dem Testamente anfechten würde/ derselbe solte des gantzen Erbtheils verlustig seyn. 〈296〉

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SOlch Testament ward von Land-Graf Moritzen zu Cassel angenommen: doch weil zu Darmstadt drey Printzen waren/ wolten sie mit der Helffte nicht zu frieden seyn/ und begehrten/ die Erbschafft solte nicht nach den Linien/ sondern nach den Personen eingetheilet werden. Der zu Cassel replicirte, wer das Testament anfechten wolte/ der sey der gantzen Erbschafft verlustig/ und maßete sich also des Landes an. Weil er aber alsobald die Reformirte Religion unter dem Titul der verbesserten Puncten einführete/ und die Universität Marpurg dessentwegen einnahm/ damit er diese Lehre desto füglicher stabiliren möchte/ sagten die Darmstädtischen/ er hätte das Testament in diesem Puncte gebrochen/ und solte also die Erbschafft verlohren haben. Darmstadt appellirte an den Keyser: Cassel wolte die Sache vor den ordentlichen Austrägen erörtert wissen. Doch that der Keyser endlich 1623. den Ausspruch/ Darmstadt solte die gantze Erbschafft haben. Also ward die Universität Gießen/ welche 1608. gestifftet wor- 〈297〉 den/ wieder mit Marpurg 1625. vereinigt/ und wurden die Reformirten daraus gewiesen.

XIII. WEil nun dazumahl der teutsche Krieg in voller Flamme war/ schlug sich Cassel auff die andere Parthey/ und Darmstadt hieng dem Keyser an/ biß endlich 1627. ein vollkommener Vergleich zwischen beyden Häusern auffgerichtet/ und nach Keyserlicher Confirmation, von allen Fürstlichen Personen/ in Gegenwart der sämmtlichen Land-Stände/ öffentlich beschworen ward. Und zwar in diesem Vergleiche war dieses das vornehmste/ daß Marpurg denen Darmstädtischen völlig überlaßen ward. Allein es währete nicht lange/ so schlug sich Cassel zu den Frantzosen und Schweden; Darmstatt ergriffe die Keyserliche Parthey/ daß also die schönen und gesegneten Länder den teutschen Krieg zu ihrem verderb-

Der Kluge Hoffmeister / Das XII. Capitel.

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lichem Untergange wol fühleten. Als auch Land-Graf Wilhelm zu Cassel 1637. mit Tode abging/ führete doch die Land-­Gräfin Emilia aus 〈298〉 dem Hause Hanau/ in Vormundschafft ihres unmündigen Printzens den Krieg tapffer fort. Biß endlich Hertzog Ernst zu Gotha/ als Keyserlicher Commissarius, einen vollen Frieden stifftete 1648. welcher auch hernach durch den Osnabrückischen Friedens-Schluß confirmiret ward. Darmstadt behielt von der streitigen Erbschafft drey Viertheil/ und solte die Universität Marpurg gemein verbleiben/ doch also/ daß die Theologische und Philo­sophische Facultät bey Darmstadt allein zu bestellen verbliebe. Wiewol die Sache blieb nicht lange einig und ward vor rathsam befunden/ Marpurg an Cassel gantz zu überlaßen/ und die Universität Gießen 1650. wieder einzuführen.

XIV. Der Streit im Churfürstenthum Trier. Als im vergangenen Teutschen Kriege 1635. der Krieg wieder Franck- 〈299〉 reich angieng/ ergriff der Chur-Fürst in Trier/ Philip­ pus Christophorus, die Frantzöische Parthey/ und überließ Ihnen die wichtige Festung Ehrenbreitstein/ welche wegen der Mosel und des Rheins wider Teutschland sehr schädlich zu gebrauchen war. Doch die Spanier überfielen ihn ungefehr/ und nahmen ihn mit in Niederland gefangen/ und ward dieser Chur-Fürst 1636. als Ferdinandus III. zum Römischen Könige gewehlet ward/ nicht zu der Wahl admittirt. Mit Ehrenbreitstein aber ging es so schwer zu/ daß es erst nach zwey-jähriger Belägerung 1637. wieder in Keyserliche Hände kam. Endlich ward der Chur-Fürst dem Keyser geliefert/ und erlangte 1645. völligen Perdon. Wie der jetzige ChurFürst von dem Könige in Franckreich dessentwegen verfolget worden/ weil er Ehrenbreitstein nicht überlaßen wollen/ und wie dessen treue Standhafftigkeit bey dem Teutschen Vaterlande allbereit hohen Ruhm erhalten/ solches ist bekannt/ und wird auch bey der Posterität rühmlich gedacht werden. 〈300〉

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XV. Die Succession mit Pommern.

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AO. 1637. starb der letzte Hertzog in Pommern Bogislaus XIV. Wer aber in der Successions-Sache recht wil fundirt seyn/ der muß in etliche Secula zurücke sehen. Ao. 1273. theilte sich der Pommerische Stamm in zwey Linien/ in die Pommerische und in die Stetinische. Nach der Zeit ertheilte Keyser Ludwig 1338. dem Marggrafen zu Brandenburg die Anwartschafft auf die gedachten Hertzogthümer. Nun starb 1464. die Stetinische Linie ab/ und wolte derohalben Fridericus II. der Churfürst zu Brandenburg succediren: Allein der Hertzog in Pommern schützte seine Verwandschafft vor/ und vermittelte es endlich dahin/ daß dem Hause Brandenburg der Titel und die Anwartschafft/ dem Hertzoge in Pommern das Land überlaßen ward. Zwar 1637. als sich die Erledigung des Lehns begab/ hatten die Schweden das Land eingenommen. Dannenhero ward es im Osnabrückischen Frieden so vertragen/ es solte 〈301〉 der Cron Schweden Vor-Pommern und Stetin verbleiben: Brandenburg solte Hinter-Pommern behalten/ und an statt der überlaßenen Provintz etliche Bisthümer zur Compensa­ tion annehmen. Solches ist bißhero also geblieben/ ob gleich 1658. zwischen Schweden und Brandenburg große Streitigkeiten vorfielen/ und Stetin hefftig belagert wurde. Doch was der gegenwärtige Krieg vor einen Ausschlag in dieser Nachbarschafft geben werde/ das ist GOTT bekannt. Bey iedwedem wird ein schleuniger und erfreulicher Friede gewündschet/ welchen GOTT auff Teutschlands Seite nützlich und ersprießlich wolle beschließen laßen.

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Der Kluge Hoffmeister / Ein kurtzes Verzeichnüß

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Ein kurtzes Verzeichnüß Wie die Teutschen Keyser auff einander regieret haben. Und erstlich zwar wie Caroli M. Geschlecht zugenommen/ und hernach wieder abgenommen hat/ solches ist wegen der gantzen Historie von derselben Zeit/ in eine kurtze Genealogie verfasset worden. 〈302〉

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Ludovicus Pius † 840.

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CAROLUS M. † 814.

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Lotharius Rex . Ital. & Imp. abit in monasterium 855.

Ludovicus II. Rex Italiæ & Imper. † 875. Carolus Provinciæ Rex Lotarius Lotharingiæ Rex † 868. Ludovicus Belgii & Saxoniæ Rex.

Ludovicus Rex Germaniæ † 876.

Carolomannus Bavariæ & Pannoniæ, postea Italiæ Rex, pulso Carolo Calvo † 880. Carolus Crassus post fratris mortem Italiæ Rex † 888.

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Carolus Calvus R. Galliæ † 877. post mortem Ludovici II. Imperator.

Ludovicus Balbus Imperator titularis, Italiam nunqvam possidens, † 879.

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Hugo ex Waldrada Concubina

Arnolphus è ­pellicenatus, factus Imperator, in ­Italiamultos habet AntiCæsares † 899.

Carolus Simplex R. G. † 929.

Ludovicus Transmarinus R. G. † 954.

Ludovicus IV. Imperator † 911. in qvo deficit Linea.

Lotharius R. G. † 986. Carolus dux Lotharingiæ obit in carcere

Ludovicus V. R. G. ultimus ex hac familia † 987.

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〈304〉 SO weit gehet Caroli Geschlechte. Denn was sonst von unterschiedenen Familien gedacht wird/ welche sich von diesen Keysern herführen/ solches ist zum Theil sehr ungewiß/ und offtermahls widerleget/ zum Theil gehöret es an diesen Ort nicht: drumb fahren wir nun fort und rechnen die übrigen Keyser von Conrado I. in ihrer Ordnung nacheinander. Conrad ein Hertzog in Francken erwehlet 912. stirbt 918. Eberhard sein Bruder muß sich der Succession begeben. Heinrich I. Auceps genannt/ Ottonis des Hertzogs in Sachsen Sohn † 936. Otto I. Heinrichs Sohn nimmt Rom ein/ und wird zum Keyser gekrönet 961. † 973. Otto II. folget dem Vater † 983. Otto III. sein Sohn † 1002. Heinrich II. Hertzog in Beyern/ Ottonis I. Bruders Sohn/ wird sonst der Heilige genennet/ weil er mit seiner Gemahlin in immerwährender Keuschheit gelebet. Ihm wiedersetzte sich Eckhard/ Marggraff zu Meißen/ welcher das 〈305〉 Keyserthum verlangete. Doch dieser kam bald umb. Er aber lebte biß 1024. zu dieser Zeit fielen die Wenden unter dem Mistevo vom Christlichen Glauben ab/ und erweckten solche Verfolgung/ daß der Wendische Name noch heute zu Tage verhasset ist. Conrad II. oder Cuno ein Hertzog in Francken † 1039. Heinrich III. sein Sohn zugenahmt der Schwartze † 1056. Heinrich IV. sein Sohn von fünf Jahren. Dieser wird von den Sachsen beym Pabste verklaget/ und muß sich 1076. in den Bann thun laßen. Hierauff setzt der Pabst Rudolphen Hertzogen in Schwaben zum Gegen-Keyser ein; doch dieser verliehret die Hand vor Merseburg und stirbt 1080. Ferner erwehlen die Sachsen Hermannen Hertzogen in Lothringen. Doch weil dieser zu Eißleben wohnete/ wird er der Knoblochs-König genannt/ und stirbt an einem Steinwurffe 1087. Nach langen Verfolgungen lehnen sich die Söhne wider den Vater auf/ und stirbt also Heinrich IV. in äußerstem Elende 1106. 〈306〉

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Heinrich V. sein Sohn läßet den Vater 5. Jahr unbegraben stehen/ begiebt sich hernach des Rechts über die Geistlichen † 1122. Lotharius Graf zu Qverffurt und hernach Hertzog zu Sachsen. Ihm widersetzt sich Conrad Hertzog in Schwaben/ doch vergebens. Endlich stirbt er 1137. Conrad III. Hertzog in Schwaben. Ihm widersetzt sich Heinrich der Stoltze Hertzog in Beyern/ welcher mit Lotharii Tochter auch das Hertzogthum Sachsen geerbet hatte. Und weil Heinrichs Bruder Welff oder Gvelf mit in das Spiel kam/ entstund die Faction zwischen den Gvelfen und Gibellinen. Er starb 1152. Friedrich I. Conrads Bruders Sohn/ wegen des rothen Barts zugenahmt Barbarossa; leidet vom Pabste viel Verfolgungen. Heinrich der Löwe Hertzog in Sachsen richtet viel Unruhe an/ biß er endlich in die Acht erkläret wird/ und die Chur Bernharden von Anhalt überlaßen muß. Er der Keyser stirbt endlich im Zuge wider die Saracenen 1190. 〈307〉 Heinrich VI. sein Sohn † 1197. Philipp sein Bruder wird von etlichen erwählet. Andere zielen auf Bertholden Hertzogen von Zäringen. Doch als Berthold ab­ danckt/ wird darneben Otto IV. Heinrichs des Löwen Sohn erwehlet. Also sind zwey Keyser/ biß 1207. Otto Philippens Tochter heyrathet/ und verspricht bey Lebzeiten des Schwähers den Keys. Titel nicht zu führen. Philipp stirbt 1208. Otto wird vom Pabst in Bann gethan/ und stirbt erst 1218. da schon Friederich II. Heinrichs VI. Sohn 1215. mit Bewilligung des Pabsts gekrönet worden. Doch ward er bald mit dem Pabst uneins/ und muste den Bann über sich nehmen. Also erwehlten etliche 1246. Heinrichen Landgrafen zu Hessen. Nach dessen Tode 1248. beruften etliche Wilhelmen Grafen von Holland. Doch Friedrich beschützte sie biß auff seinen Tod 1250. Hier gehet das lange Interregnum an. Denn Conrad Friedrichs Sohn hatte in Italien und Sicilien zu thun/ biß er starb 1254. Wilhelm von Holland starb 1256. Und 1257. erwehlten die uneinigen Fürsten 〈308〉 Richarden des Königs in England Bruder: andere

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berufften Alfonsum X. König in Arragonien: doch keiner trat die Regierung recht an. Wie denn Alfonsus nie in Teutschland kommen ist. Richard aber 1272. in England aus Bekümmernüß starb. Rudolph I. von Habspurg wird erwehlet 1273./ stirbt 1291. Adolph Graff von Nassau wird erwehlet 1292. Doch wird er 1298. wieder abgesetzet/ und kömmet an seine Stelle Albert I. Rudolphs von Habspurg Sohn † 1308. Heinrich VII. Hertzog von Lützelburg/ erwirbt durch Heyrath vor seinen Sohn Johannes die Cron Böhmen: wird 1313. in Italien mit einer vergiffteten Hostie im H. Abendmahl umbracht. Ludwig V. Hertzog in Beyern wird erwehlet 1314. aber von drey Churfürsten wird Friedrich von Oesterreich beniemet und gekrönet. Doch dieser stirbt/ 1330. Ludwig leidet vom Pabste große Anfechtung/ biß er stirbt 1347. Carl IV. Johannis Königs in Böhmen Sohn/ Heinrichs VII. Enckel wird 〈309〉 1346. vom Pabste recommendiret/ doch etliche erwehlten 1347. Eduardum König in England; Andere zielen 1348. auff Friedrichen Landgrafen in Thüringen. Ferner wird 1349. Günther ein Graf von Schwartzenburg beruffen/ biß endlich Carl noch 1354. die Crone und das Reich erhält: er stirbt 1378. Wenceslaus Carls Sohn wird 1400. wieder abgesetzt. Und hierauff wird Friedrich von Braunschweig erwehlet/ doch weil er bald umbkömt/ so folget Rupert ein Pfaltz-Grafe † 1410. Nach ihm wird zwar Jodocus Marggraff in Mähren erwehlet/ doch weil er bald stirbt/ folget Sigismund Wenceslai Bruder † 1437. Albert II. Sigismunds Eydam Hertzog zu Oesterreich wird erwehlet 1438. † 1439. Friedrich III. (IV.) sein Vetter † 1493. Maximilian. I. seyn Sohn † 1519. Carl V. sein Enckel danckt ab. 1556. † 1558.

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Ferdinand I. sein Bruder von 1531. allbereit Römischer König † 1564. 〈310〉 Maximilian II. sein Sohn † 1576. Rudolph II. sein Sohn † 1612. Matthias sein Bruder † 1619. Ferdinand II. sein Vetter † 1637. Ferdinand III. sein Sohn † 1657. sein Sohn Ferdinand IV. wird 1653. zum Röm. Könige erwehlet/ stirbt 1654. LEOPOLDUS Ferdinandi III. Sohn wird erwehlet 1658. GOTT helffe/ daß man lange Zeit zu diesem hochtheuren Namen kein Todes-Merckmahl beyfügen dürffe.

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Geliebter Leser! SO ist die Ordnung der Keyser kürtzlich auff einander gesetzt. Und ist kein Zweifel/ wenn die Sache wol angegriffen/ und auff die vorhergehende Historien gerichtet wird/ es werde sich der handgreifliche Nutz bald ereignen. Zwar es haben etliche viel Sorge getragen/ wie sie durch unterschiedene adminicula memoriæ der Jugend einiges Vortheil erhalten wollen: Allein bey vielen scheinet es/ als wären 〈311〉 die Notiones secundæ schwerer als die Sache selbst. Dannenhero ich auch am meisten von fleißiger repetition halte/ welche bey dem Gedächtnüß das beste zu thun pflegt. Solte ich auch endlich eines von allen erwehlen/ so wolte ich es fast mit Hn. Stendern zu Rudolstatt halten/ welcher alle Imperatores in kurtze Versus memoriales gebracht: gestalt ich rühmen kan/ daß ich etliche angetroffen/ welche bloß durch diese Beyhülffe Seriem Imperatorum nach und außer der Ordnung wol gewust haben. Denn die Verse sind allezeit wegen ihrer Scansion im Gedächtnüß leichter zu behalten/ als etwas in ungebundener Redens-Art. Wiewol ich hätte die andern Könige gleicher gestalt numehr sollen herbeyfügen. Doch wenn die Teutsche Historie wol getrie-

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ben ist/ wird ein sorgfältiger Hofmeister leicht aus einer Chronologie, ja wol aus diesen Hi- 〈312〉 storien selbst/ die Namen und Jahr-Zahlen extrahiren. Immittelst bitte ich/ etliche geringe Druckfehler/ wo sie auch vorkommen möchten/ selbst zu verbessern.

GOTT allein die Ehre!

Christians Weisens Politischer

ACADEMICUS, Das ist:

Kurtze Nachricht/ wie ein zukuͤ nftiger POLITICUS seine Zeit und Geld auff der Universitaͤt wohl anwenden koͤnne.

Amsterdam Bey Adamo Regenfarb. Im Jahr/ 1684.

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Christians Weisens Politischer Academicus, Das ist. Kurtze Nachricht/ wie ein zukünftiger Politicus seine Zeit und Geld auff der Universität wohl anwenden könne.

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Thes. I.

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WEr als ein Politicus auf die Universität zeucht/ der hat allezeit mehr Hindernüsse/ als ein Studiosus Theologiæ. Denn die närrische Welt bildet sich ein/ als wäre dieses ein rech- 〈2〉 ter Politicus, der ein Glaß bescheid thue/ ein Spielchen mit machen/ und zur Noth ein paar überflüssige Flüche über die Zunge schicken könte: Damit wird es den jungen Leuten vor eine Schulfüchserey außgeleget/ wann man die Bücher allzusehr drucken will/ und wer von Natur zu dergleichen Eitelkeit incliniret/ der bedarff ­einen Fiedelmann/ so ist der Tantz fertig.

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II.

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Allein gleich wie das Universität-Leben/ nicht so wohl der gegenwärtigen Ergetzligkeit halber/ als vielmehr in Betrachtung einer zukünftigen Recommendation angefangen wird/ also daß mancher die verflossene Zeit gerne mit gedoppeltem Gelde zurücke kauffen möchte. So mag ein Candidatus Academiæ dergleichen Erinnern mit grossen Danck anneh- 〈3〉 men/ welches vielleicht manchen ehrlichen Menschen aus seinem Verderben gerissen hät-

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te/ wenn er solcher Vermahnung bey guter Zeit wäre theilhafftig worden.

III. 5

Absonderlich wird niemand die nachfolgenden Lehren in Zweifel ziehen/ alldieweil nichts gerathen und gebeten wird/ als worinnen viel Exempel zum lebendigen Zeugniß könten angeführet werden.

IV.

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Es bestehet aber diese Lehre in dreyerley Stücken. 1. Wie man sich als ein kluger Frembdling auf der Universität halten soll? 2. Wie man sich in den Exercitiis manierlich guberniren ­könne? 3. Endlich und zum vornehmsten/ 〈4〉 wie man den Ruhm eines gelehrten Politici davon tragen solle. Und ist also der Mühe werth/ daß ein jedwedes in einem besondern Capitel ausgeführet wird.

Das I. Capitel. Wie sich ein politischer Student in der Frembde klüglich guberniren solle. I. ICh will nicht zu weit gehen/ und von der Pietät gar zu viel sagen/ weil ein junger Mensch in diesen Jahren zum wenigsten an den Kinder-Cathechismum gedencken wird/ welcher gewißlich nicht deßwegen von den Kindern gefodert wird/ daß sie denselben in wenig Jahren vergessen/ und hernach im Alter ein heydnisch Leben führen sollen. 〈5〉

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II. Doch dieses will ich mit kurtzen Worten erinnert haben/ entweder wir müssen GOtt gantz und gar verleugnen/ (welches gleichwohl keiner öffentlich sagen läst) oder wir müssen gläuben/ daß Gott in unsern Sachen das Directorium hat. Ist nun dieses wahr/ so mag man nur trachten/ das man Gott zum Freunde behalt/ das ist/ daß man die Sünde als eine Feindschaft wider Gott wissentlich und vorsetzlich nimmermehr vor eine Freude schätze.

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III.

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Es wird mancher auf der Universität ums Leben bracht/ mancher wird ein Krippel/ mancher geräth in andern Schaden/ davon nicht viel zu sagen ist/ alldieweil viel mehr Exempel am Tage liegen/ als ein ehrlicher 〈6〉 Mann erzehlen darff. Und da weiß ein Weltmann viel Ursachen anzuführen/ wie man sich in diesem Falle so übel vorgesehen hätte/ die wenigsten aber sehen auff den rechten Grund. Hätte man sich um den Herrn deß Glücks besser bekümmert/ so wäre dem Unglück leichte zu rathen gewesen.

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IV.

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Drum bleibt es dabey/ ist jemahls ein Mensch in grosser Gefahr/ da er seine zeitliche und ewige Wohlfahrt gleichsam auf dem Spiel sehen muß/ so ist es auf der Universität/ und dannenhero mag einer bedencken/ ob er jemahls grösser Ursach gehabt/ den Göttlichen Beystand zu ersuchen.

V.

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Doch wir wollen hoffen/ es werde niemand sein Christenthum verleug- 〈7〉 nen/ drum wollen wir nun sehen/ was die menschliche Klugheit dabey zu verrichten hat. Und weil ein Student so viel Glück/ Freundschafft und Respect hat/ so viel als man vermuthend ist von seinem Wechsel/ so ist diese Lehre wohl die vornehmste. L e r n e m i t d e m G e l d e w o h l h a u ß h a l t e n .

VI. 25

Es ist wohl wahr/ die Wechsel stellen sich bey einem Studenten reichlicher ein/ als bey dem andern/ doch dieses hab ich oft gese-

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hen/ daß mancher mit 200. Thalern weiter kommet/ als mancher mit 2000. Thalern/ und die gröste Narrheit ist diese/ daß mancher kein Geld leiden kan/ so lange ein Groschen vorhanden ist/ so muß der Weinschanck/ der Pasteten-Becker / und ich weiß nicht/ wer mehr/ einen beständigen Kauffmann haben. 〈8〉 Ist das Geld hernach weg/ so borgt man 5. Thaler/ und gibt eine Obligation auf 10. Thaler/ und verkaufft ein Buch vor 6. Thaler und 18. Groschen/ und erweiset also/ daß man weder das Geld noch den Geldmangel leiden kan.

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VII.

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Wenn man aber bedencket/ wie schmertzlich und schädlich der Geld-Mangel ist/ und wie man offt eines kahlen Thalers wegen/ allerhand Spott und Verachtung über sich nehmen muß/ so möchte man wohl zurücke dencken und keinen Groschen ohne sonderliche Noth dahin werffen.

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VIII. Wiewohl ein Politicus muß von aussen thun/ als wenn er das Geld verachten könte/ und wer einmahl als ein karger Filz außgeschrien 〈9〉 wird/ der mag sich um den Abgang seines Respects nicht bekümmern. Unterdessen mercke man diese Lehre: W e r Geld verthun will/ der verthue es bey solcher Gelegenheit/ da viel ehrliche Leute als Zeug e n d a r b e y s e y n . Mancher vernascht und versaufft einen Wechsel nach dem andern/ und wenn man sich umsiehet/ so weiß niemand als des Kochs Junge und des Weinschencken Diener davon zu reden/ hingegen wer bißweilen in vornehmer Compagnie seinen Mann præsentiret und etliche Unkosten nicht achtet/ der darff sich sein Geld nicht dauren lassen/ doch davon wird im dritten Capitel zu reden seyn.

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IX.

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Es ist wohl ein artiger Behelff mit dem Spielen/ da man sich der Com- 〈10〉 pagnie wegen artig zu entschuldigen weiß/ allein wer sich in der Fremde in diese Thorheit vertieffet/ der mag sich nur seine Nativität zu einem grossen Unglück stellen lassen/ und dannenhero kan ich dieselben nicht verdencken/ welche oftmahls eine Unwissenheit des Spieles vorschützen und sich vor alber ansehen lassen/ ehe sie den Speck auf der Falle zu ihrem Schaden anbeissen wollen.

X. Mancher wendet groß Geld auf die Kleidung/ und ich weiß/ daß ein mahl ein guter Kerl eine gantze Mühle auf dem Leibe trug/ allein weil reisende Personen/ welche sich sonsten manierlich halten/ der Galanterie wegen nicht allemahl judiciret werden/ so mag man auch an diesem Orte sein Geld gar wohl zu Rathe halten. Ich will geschweigen/ daß 〈11〉 man solche Eitelkeit mehrentheils solchen Personen zu Gefallen annimt/ welche zu dem zukünfftigen Glücke gar ein weniges contribuiren.

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Dann damit ich etwas deutlicher rede/ wer in seinem Studenten-­ Leben Spornstreichs in sein Unglück hinein rennen will/ der fange nur an bey dem Frauenzimmer zu dispendiren. Denn daß ich der Händel nicht gedencke/ welche man dabey zu besorgen hat/ so gehet es wie bei den kleinen Kindern/ wann sie A sprechen/ so müssen sie 23. Buchstaben nach einander lernen/ und wann sich ein solcher Fantast einmal zum spendiren versiehet/ so kommen nicht 23. sondern wohl 100. Gelegenheiten/ da man entweder sich

Politischer Academicus/ Das I. Capitel.

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auf das neue Lesen oder die gantze Affection auf einmahl verschertzen muß. 〈12〉

XII. Gesetzt auch/ daß einer so klug seyn wolte/ daß ihm die Weiber selbst bezahlen müssen/ so hat sich doch kaum der 100. solche Allmosen zu erfreuen/ und wer auch dahin kommt/ der möchte nur der elendeste Mensch und der niedrigste Handwercksmann worden seyn. In Betrachtung daß die schöne Zeit vergebens hingewichen/ die Kräffte des Leibes ziemlich mit genommen werden/ und endlich ein solcher Lohn darauf erfolget/ welchen ehrliche Leute in ihrer Gesellschafft nicht gerne rühmen möchten.

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XIII. Drum sey ein Student in solcher Compagnie zwar höflich und lustig/ und nehme den zufälligen Zeitvertreib mit an/ doch wo er das Hertze daran hangen will/ oder wo er sich 〈13〉 deßwegen ein immerwehrendes Brandmahl in seinem Gewissen will anmachen lassen/ so hat er mein Votum weg/ daß er eine vornehme Stelle im Narren-Register verdienet hat.

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XIV. Nun folget die wichtige Lehre/ man lebe friedlich/ und fange keine Händel an/ dann es ist den Eltern/ den Freunden/ und uns selber eine schlechte Freude/ wenn wir entweder zu Schaden geschlagen werden/ oder doch mit der Relegation zum Thor hinauß müssen. Ja ob zwar das meiste Studenten-Fechten auff eine Discretion geschicht/ daß die Secundanten etwas zu schmausen bekommen/ so hat doch der böse Feind in diesem verbotenen Wercke sein

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Spiel/ daß mancher sein Leben/ seine Seligkeit/ mancher seine Gesundheit oder seine Beförderung dabey verlohren hat. 〈14〉

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Es ist nicht ohne/ mancher kommet in unverdiente Händel/ da er sich mit Ehren nicht heraus wickeln kan/ wofern er den Degen in der Scheide will stecken lassen. Und ob wohl ein Student bey seiner Inscription bey GOtt und seinem heiligen Evangelio schweren muß/ er wolle wegen einer Injurie keine Privat-Rache suchen/ so wolte ich wohl Professores finden/ welche den jenigen vor einen etc. hielten/ der sich in dem geringsten hätte zu nahe treten lassen. Doch hierbey besinne ich mich/ wie ein rechtschaffener vom Adel von mir fragte: ob man sich nicht mit gutem Gewissen schlagen köndte/ wann man sonst seiner Zaghafftigkeit halber in der ganzen Compagnie seinen Respect verliehren solte? Dem gab ich zur Antwort/ es wären zwey Mittel vor dieses Un- 〈15〉 glück. Vor eines solte sich niemand zum Feinde machen/ zum andern solte man Gott bitten/ daß er die Gelegenheit zu unverdienten Händeln abwenden wolle.

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Und in Warheit/ es ist ein Wunderthier/ das viel tausend Leute mit sich in das Verderben geführet/ das heist mit einem Worte P u r s c h - M a n i e r / das man Studenticώς leben/ und den Respect dieses löblichen Ordens mit Waffen und mit Pasquillen defendiren soll. Allein wer die Sache recht bedenckt/ der muß sich über der allgemeinen Eitelkeit verwundern.

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XVII. Dann weil wir noch auf einem Gymnasio sind/ da machen wir einen treflichen Staat von der P u r s c h - M a - 〈16〉 n i e r / und wollen die jenigen lieber auß der Christenheit stossen/ welche nicht den allgemeinen Respect verfechten wollen. Allein/ wenn wir 14. Tage an einem Professor-Tische gessen haben/ so heissen wir alles Schulfüchserey/ wir lachen darüber/ und fragen viel darnach/ ob die Hinderlassenen bey ihrem Respect blieben sind/ und eben so gehts mit dem Studenten-Leben/ wann wir zu einer rechten Charge kommen sind/ da nennen wir alles Kinderpossen/ und fragen nicht darnach/ ob einer unter den Purschen den Troup geführet hat/ oder ob er in dem letzten Gliede nach geschliechen ist.

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XVIII. Und man bedencke doch nur/ wie irresonabel die Studenten ihre Sachen anfangen. Ihnen soll alles frey stehen/ sie wollen des Nachts durch die Gassen schwermen/ wer ihnen 〈17〉 mißfället/ der soll sich auf hunderterley Art schimpfen lassen. Hingegen aber/ wenn jemand anders wider die Studenten ein zweiffelhafftig Wort entfahren läst; da wacht die Pursch-Manier auf/ da will man Häußer und Häscherlöcher stürmen/ und wenn man den gantzen Plunder beym lichten besiehet/ so hat man selbst die meiste Ursach dazu gegeben/ und der gantze Handel ist nicht werth/ daß man deswegen zum Fenster hinaus sieht.

XIX. Ja man betrachte nur dieselben Leute/ welche mehrentheils die Sache treiben/ ich sage nicht welche voran gehen. Denn hierzu werden gemeiniglich junge auch wohl unschuldige Personen ge-

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nommen/ welche wegen ihrer Eltern/ oder sonsten wegen eines andern Respect die 〈18〉 Straffe nicht so sehr befürchten/ sondern welche die ersten Aufwiegler sind/ und heimlich ein Feuer nach dem andern aufblasen. Sind das nicht Müßiggänger/ die zum wenigsten etwas auf dem Fechtboden præstiret haben/ und die hernachmahls so miserable Leute werden/ daß sie entweder ihre Beförderung dahin geben/ oder aus Desparation ihr Blut vor eine Hand voll Thaler in dem Krieg verkauffen müssen.

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Das ist aber ein gedoppeltes Unglück/ daß bey dergleichen Pursalischen Consultationibus, so viel Zusammenkünfte von Nöthen sind/ dabey man des liederlichen Lebens gewohnet/ und das liebe Studiren allmählich an Nagel hänget/ zu ge- 〈19〉 schweigen/ daß die Professores in Comitio darnach viel zu excapituliren/ zu incarceriren und zu relegiren bekommen.

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Nun ist schon oben gedacht/ daß keiner den andern/ wenn er schon etwas verächtlich scheinet/ offentlich verachten soll. Doch hier will ich noch eine sonderbahre Motive beytragen/ denn es schickt sich oft so wunderlich/ das geringe Leute zu etwas grosses erhaben werden/ und die alte Verachtung/ durch eine manirliche Revange bezahlen können. Drum heist es wohl: beleidige niemanden/ du möchtest deinem zukünftigen Patron und Wohlthäter ohne Wissen zu nahe kommen. 〈20〉

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XXII. Von den Sauffgesellschafften wil ich nicht reden/ was ein wenig mehr Verstand hat/ als eine Bestie, der wird leicht erkennen, daß ein Studente/ der seine kluge Vernunft excoliren soll/ durch solche Bestialität wenig wird gebessert werden. Sonderlich da es heist: combibones sunt fures temporis & pecuniæ, oder wie man darzu setzen möchte Fures salutis & sanitatis.

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XXIII. Wiewohl nun wird mich einer fragen/ wo ein Politischer Student sein Logiament und seinen Tisch am füglichsten haben könne? Denn ob sich wohl ein iedweder nach seinem Gelde richten muß/ scheinet es doch/ als wenn die Lehren auf starcke und geringe Wechsel könten practiciret 〈21〉 werden. Und was die Stube betrifft/ so ist es auf den unruhigen Universitæten ein grosses Vortheil/ wenn man den Tisch im Hause hat/ denn man bleibet in seinem Studier-Habit/ viel unnöthiges spatziren gehen verbietet sich selber/ und man hat keine Gefahr von den müßigen Gassaten-­ Gängern/ welche dessentwegen herumb schwärmen/ daß sie wollen Händel haben.

XXIV. Hingegen auf ruhigen Universitæten/ da man der Nachthändel so übrig viel nicht hat/ da ist es bey starcken Tischen nicht allemal rathsam/ daß man Stub und Tisch beysammen hat/ denn wer eine Stunde vor Tisch nirgent hinweiß/ der suchet eine Stube/ da er das liebliche Geleite mit den Tellern fein nahe vernehmen kan/ und damit wird man oftermahls 〈22〉 verhindert. Nach Tische gibt es auch eine Vetirade hierauf/ und wie leicht ist auch der ­fleißigste

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Student zu erbitten/ daß er dem Wetter und der Compagnie zu Ehren/ einen guten Montag machet.

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Weil sich aber die Stube nach dem Tische richten muß/ so halt ich wohl darvor/ man erwehle sich einen Professor, oder sonst einen vornehmen Mann/ dessen Gesellschafft reputirlich ist/ dann es sind wohl gemeine Bürger verdorbene Studenten und was der Gattung mehr ist/ welche viel Pursche zusammen locken/ und wohl gar dem Gelde nach Professor-mäßige Tische halten. Jedennoch manchmahl sich rechtschaffene Leute dabey befinden/ und die rechte Warheit zu bekennen/ so hat ein solcher Wirth schlechten Re- 〈23〉 spect, da ihnen zur Bravade vielmahl Sachen vorgenommen werden/ davon der Richter das beste kriegt.

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Etliche halten viel von den Tischen/ da man bey Sprachmeistern/ bey Fecht- und Tantz-Meistern an Tisch gehet; alldieweil kein Zweiffel ist/ man würde durch die tägliche Conversation in denen Exercitiis vortreflich zu rechte kommen/ allein gleich wie die Exercitia nur ein Nebenwerck seyn sollen/ also gehet es in solchen Gesellschaften sehr liederlich her/ daß man dergleichen Vorschlag nur an Leute thun muß/ welche sich/ Alters und Geschicklichkeit halber/ selber zu guberniren wissen.

XXVII. 25

Es sind noch 2. nachdenckliche Fragen 〈24〉 zurücke/ waß man vor einen Stuben-Gesellen haben/ und was man vor einen Famulum halten soll. Wer es bezahlen kan/ der hat allein gute Bequemligkeit/

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sonderlich wo kein guter Freund vorhanden ist/ dem er vertrauen darf/ denn was hilffts/ wenn einer gleich noch so fleißig seyn will/ und der Stuben-Geselle fängt an zu schmausen/ zu schreyen/ auch wohl gar Taback zu schmeichen? Doch wer einen treuen Freund/ sonderlich einen wohlerkandten Schul-­Cameraden bey sich haben kan/ da man sich beyderseits in den Humor zu schicken weiß/ der mag nur Gott vor ein grosses Theil seiner zeitlichen Glückseligkeit dancken/ denn wer ist vor Kranckheit/ vor Ungelegenheit/ vor anderm Unglück sicher/ und ach wie sanffte thut es/ wenn man die guten Freunde nicht gar zu viel über die Gasse zusammen ruffen darff. 〈25〉

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XXVIII. Solte es aber an guten Freunden mangeln/ und wolte man zugleich die Unkosten wegen der halben Stube/ und des halben Holtzes sparen/ so mag man nur die alte Regel in acht nehmen: sic ames, tanquam osurus, sic oderis, tanquam amaturus/ das ist/ man lasse es in Gruß und Freundschafft beym gleichen bleiben/ will man sich zancken/ so vertrage man sich in Gegenwart des Ofens/ der es alleine gesehen hat/ wird man einmahl vertraulich/ so halte man doch hinter dem Berge/ und offenbahre sein gantzes Hertze nicht. Sagt man viel von seinem Gelde/ so will er was borgen/ entdeckt man seine Unwissenheit/ so wird er zum Verräther/ wann wir einmahl um unsere Beförderung bemühet seyn/ in Summa, die lincke Hand soll nicht wissen/ was 〈26〉 die rechte thut/ und bey politischen Studenten/ sol ein unbekanter Stuben-Gesell nicht wissen/ was der ander thut. Doch GOtt hilft bißweilen einfältigen Leuten zusammen/ welche mit einander auskommen/ und beyderseits die verlauffene Thorheit auf einen guten Ort zu legen wissen.

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Die Famuli sind zweyerley/ entweder es sind arme Studenten/ welche sich wochentlich die Communität bezahlen lassen/ und dahero mit geringen Unkosten gehalten werden/ oder sind Studenten-Jungen/ denen man die Liberey nebst dem Tisch geben muß/ daß sie also manchen das Jahr 40. 50. auch wohl 60. Thaler zu stehen kommen. Denn ich schäme mich/ daß ich die Summa höher setzen soll/ ob ich zwar 〈27〉 meine Erfahrung zum Zeugen anruffen könte. Das ist wahr/ einem Studenten muß man gewisse Stunden zu denen Collegiis vergönnen/ und also hat man weniger Aufwartung. Dahingegen ein Junge nicht allein alle Stunden fertig ist/ sondern auch dem Herrn nachtreten muß/ also daß man seine Dienste viel geschwinder an der Hand haben kan. Allein ich sage dieses/ wer Studirens halber auf die Universität zeucht/ der halte einen Studenten/ der ihm bißweilen was abschreiben/ und durch welchen N. bey rechtschaffenen Leuten gute Bücher borgen kan. Wer aber seinen Stand führen will/ der verschone nur einen armen Purschen/ und lasse dergleichen Aufwartung mehr von ­einem Jungen verrichten.

XXX. Es wäre noch viel zu sagen/ wie 〈28〉 man sich im Hause mit dem Wirthe/ und mit den andern einwohnenden Purschen vertragen solle/ ja wie man sich aus politischer Generosität mit Beth- und Wäsch-Mägden nicht gar zu gemein machen solle. Doch der kurtze Bericht würde zu weitläuftig werden. Ein jedweder hat seine Ehre zu bedencken/ und über dieses werden etliche Erinnerungen zufälliger Weise im nachfolgenden Capitel berühret werden.

Das II. Capitel. Wie sich ein politischer Student in den Exercitiis verhalten soll? Thes. 1. WEr einen Politicum ansiehet/ der in dem ersten Jahre will 〈29〉 fertig werden/ und der alle Künste flugs auf einen Bissen verschlingen will/ derselbe muß sich von Hertzen betrüben/ denn der ordentliche Process verhält sich also. Frühe Morgens um 5. Uhr des Sommers auf die Reut-Schule/ ehe das Wetter zu heiß wird/ dabey bemühet man sich/ daß die Lust zu Studiren vor achten gar schwerlich in Kopf will/ da gibet aber der Fecht-Meister seine Lectiones, und wann die Pürschgen einmahl beysammen seyn/ so wird man vor Tische nicht viel machen. Nach Essens wollen die Medici nicht haben/ das man flugs studiren soll/ und also kommt die Zeit gegen zwey oder drey/ da man Contra-Fechten und die Lectiones practiciren soll/ der Tantz-Meister hat auch seine Stunde um dieselbe Gegend/ da man den Leib ziemlich wieder munter macht. Nun ist der Sprach-Meister noch 〈30〉 übrig/ da auch eine Stunde zum informiren/ und wann das Geld wohl angewendet wird/ noch eine zum repetiren erfodert wird/ ja es kommt wohl ein guter Freund mit einem Trenchier-Collegio, mit dem Frisiren/ mit Feuerwercken/ mit der Architectura militari, und andern Sachen/ auch wohl gar mit der Gauckeltaschen aufgezogen/ zu geschweigen/ daß sich mancher in die Laute/ in die Violdigambe oder auch wohl nur ins Zittrichen verliebt.

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Wer nun bedencket/ wie die meisten Exercitia bey starcker Compagnie getrieben werden/ da manchmahl nach einer Stunde der gantze Tag verderbet wird/ so frage ich nur/ wenn wollen wir studiren/ und wenn wollen wir auf den vornehmsten Zweck dencken? Dessentwegen 〈31〉 die Reise auf die Universität mit so grossen Unkosten angestellet wird/ das ist gewiß/ wenn ein solcher Mensch gelehret wird/ so muß man GOtt vor ein sonderbahres Wunderwerck dancken/ doch es sind auch gute Lehren/ die man dabey behalten kan.

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Vor eines bleibt es wohl gewiß/ daß in allen Exercitiis die M ­ eister so gar vollkommen nicht angetroffen werden/ und also lernet mancher wohl viel Künste/ welche man hernach in Holland/ in Franckreich und anders wo mit doppelten Unkosten wieder abgewehnen muß. Zu dem ist es eine Thorheit/ daß man viel Sachen zu gleich lernen will/ wann gleich die besten Meister von der Welt zusammen verschrieben würden. 〈32〉

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Drum lasse man sich im Anfange mit der Reut-Schule unverworren/ sonderlich wo man das Vultesiren dabey treiben soll/ dann die Morgenstunde hat doch den Vorzug/ und soll auf das Gemüth gewendet werden/ welches durch hefftige Leibes-Ubungen ziemlich geschwächet wird/ das Fechten ist nur dessentwegen nöthig/ daß man bey der Compagnie vor einen rechtschaffenen Kerln gehalten wird. Alleine/ wer die Stunde vor Tische darzu gebrauchen kan/ der ist am klügsten/ weil er sich einen Appetit zum Essen

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machet/ und nach der gethanen Arbeit eine artige Kurtzweil unter die Hände bekommt.

V. Der Tantz-Meister muß auch 〈33〉 seyn/ weil man hierdurch seinen Leib zierlich vorstellen lernet/ und auf den Nothfall vor einer Zusammenkunft/ sonderlich bey ehrlichem Frauenzimmer/ nicht erschrecken darf. Alleine/ da mag man eine Stunde nach Mittage auslesen/ welche nicht so tief in die Zeit hinein reist/ daß man zur Noth/ wo nicht alle Tage/ gleichwohl etwas studiren kan.

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Die andern Exercitien will ich gleichfals keinem verbieten/ sonderlich wenn einer nach Tische sich etwas in der Music versuchen will. Doch wer in der ersten Jugend von der Music nicht viel begriffen hat/ der wird entweder nicht gar zu viel lernen/ oder es würde trefliche Mühe kosten.

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VII. Allhier fället mir ein/ was ein 〈34〉 kluger Frantzose in seinem Buche von dem Glücke grosser Herren und Edelleute sehr artlich zu discurriren weiß/ dann als er auf die Exercitia kommt/ so will er zwar haben/ daß ein jeder seine Probe darinnen ablegen könne. Gleichwohl setzt er dieses hinzu/ man solle nicht dahin streben/ daß man in einem Exercitio vor andern gar zu hoch excelliren wolle/ alldieweil ein solcher Mensch nachmahls nicht vor einen perfecten Cavallier, sondern vor einen perfecten Fechter/ vor einen perfecten Tantz-Meister/ vor einen perfecten Lautenis-

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ten/ und so weiter ausgerufen wird/ da man oft dergleichen Leute auch unter den Bauers Kindern angetroffen hätte.

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Doch weil vielleicht nimand in diesem Stücke so gar excelliren 〈35〉 wird/ daß man sich eines solchen Schimpfs befahren müsse/ so will ich nur dieses sagen: Man dencke/ warum die Universität besuchet wird. Geschiehet es vornehmlich des Studirens halber/ daß man einmahl dem Fürsten und dem Vaterlande nicht mit Fechten und Tantzen/ Lauten-schlagen/ sondern mit klugen Consiliis will zustatten kommen/ so wird man ja nimmermehr so unbarmhertzig gegen seinen Fürsten/ gegen sein Vatterland/ ja gegen sich selbst handeln/ und über einem eiteln Neben-Wercke die Hauptsache selbst versäumen und verderben. Wiewohl dieses eintzige Wort erinnert mich/ daß ich zur Hauptsache schreite/ und im dritten Capitel etwas ausführlicher von dem Academischen studiren handeln muß. 〈36〉

Das III. Capitel. Wie sich ein politischer Academicus im Studiren selbst verhalten solle? Thes. I. DIeses Capitel ist wol das vornehmste/ weil ich gleich als in meiner Profession das meiste dazurathen kan. Wenn ich aber betrachte/ was ein solcher Mensch thut und wiederholen soll/ so muß er theils etwas altes/ theils etwas neues vornehmen. Ich will sagen/ er muß vor eines zusehen/ daß er die Sachen nicht verlernet/ die auff der Schule sind tractiret worden/ und vors ander/ daß er die Haupt-Disciplin und andere hohe Sachen darzu lernet. 〈37〉

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II. Es ist wohl wahr/ die Meisten sind auf der Universität nicht viel klüger/ als die Quartaner bey uns/ wenn sie in Tertiam kommen. Denn die meynen/ ihre gantze Pracht bestehet darinnen/ daß sie die alten Bücher wegwerffen/ und aus neuen Büchern gleichsam neuen Respect verdienen sollen. Da schämet man sich an die Studia humaniora zu gedencken/ und wenn einmahl zu grosser Noth ein Lateinischer Brieff soll geschrieben werden/ dabey man die vormahligen Schul-Sachen hervor suchen muß/ so gehet die gemeine Formul im Schwange/ man müsse einmahl sehen/ wie die Füchs-Acta beschaffen wären.

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In mittelst will ich alle auf ihre 〈38〉 Vernunft fragen/ warum sie denn auf Schulen so lange Zeit zugebracht? Ists etwan darum geschehen/ daß man den gantzen Plunder wiederum vergessen will/ so hätte man das Werck viel sparsamer anfangen können. Doch weil ich nicht weiß/ was in andern Schulen zu lernen/ oder zu vergessen vorgegeben wird/ so will ich diesen Punct nur auf eines appliciren/ denn ich spreche: Will man auf der Schule leben/ so ist dieses die Losung/ disce loqui, wenn man auf die Universität kommt/ so heist es disce ut possis loqui, oder daß ich ein Gleichnüß gebe/ auf der Schule bauen wir einen Wagen/ auf der Universität lesen wir die Wahren zusammen/ welche sich auf diesen Wagen bequemlich laden lassen.

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Will nun jemand den Wagen ge- 〈39〉 brauchen/ so muß er wohl zusehen/ daß er auch in baulichem Wesen erhalten wird/ und also mag man sich bald Gelegenheit schaffen mit guten Freunden Lateinische Briefe zu wechseln/ man mag sich in Gedancken oder bey guten Freunden politische Orationes formiren/ man mag eine Inscription machen/ oder auch wohl gar zum Zeitvertreib einen lateinischen Autorem lesen.

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Denn ich muß allhier eine Thorheit anführen/ welche mehrentheils die besten Schul-Männer in der Hoffnung mit ihren gewesenen Auditoribus gehabt haben. Denn da bildet man sich ein/ als wäre das elende Wesen mit den Exercitiis bißhero nun gar gnung/ und möchte man sich nunmehro auf seine Kunst gar wohl verlassen; 〈40〉 Aber weil zu solchen Sachen ein reifes Judicium

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erfodert wird/ welches auf der Universität je mehr und mehr zunimmet/ so muß man sich in Warheit denn und wenn auf die Probe setzen/ ob sich das Judicium auch in den alten Schul-Künsten etwas glückseliger finden wolle.

VI. Doch was die Universität-Studia betrifft/ so hat er wiederum zweyerley Sachen vor sich zu nehmen/ etliche gehören zum Hauptwercke/ und zu dem Studio selbst/ dessentwegen man so viel Geld verzehren muß. Etliche hingegen sind wohl sehr noth­ wendige/ aber sie müssen mit guter Manier/ ja gleichsam bey der Lust und bey dem Müßiggange vorgenommen werden/ von beyden muß man außführlich handeln. 〈41〉

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VII. Nur dieses gibt mir etwas Nachdencken/ welche Classe man bey denen Politicis mit der Logica und Metaphysica hingehen soll. Denn davor will ich einem bald gut sagen/ daß er an einem gewöhnlichen Collegio nicht vor einen Heller Erudition davon tragen wird. Gleichwohl aber schreyt die gantze Welt/ wer die Logica und Metaphysica nicht verstünde/ der könne kein rechtschaffener Juris Consultus, ferner auch kein guter Politicus seyn.

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VIII. Wiewohl sie haben alle beyde recht. Ein Politicus kan der Logic nicht entrathen/ so fern sie bey der Oratoria sehr gute Dienste thut/ auch so fern die Topica fast in allen Fragen gebrauchet wird/ das Werck 〈42〉 zu untersuchen. Ich will auch hoffen/ daß dieser doppelte Nutz/ die zukünftigen Wochen durch/ etwas besser wird

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zu verstehen seyn. Allein/ es gehe nur ein Politicus in dergleichen Collegia, und sehe darnach/ ob ihm das jenige wird aus der Logica recommendiret werden/ welche zu seiner Profession dienet/ oder ob er nicht viel anmuthige Grillen gleich als zur Straffe wird anhören müssen.

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Derohalben/ wer in ein Collegium Philosophicum kömmt und höret/ wie de genere Logices, de Natura universalium und von dergleichen Eitelkeit viel disputiret wird/ der traue nur meinen Worten/ er wird so klug heraus kommen als er hinein gangen. Es wäre dann/ daß er zu Hause die wichtigen Dubia bey 〈43〉 sich überlegete/ dabey er also dann wohl närrischer heraus kommen könte/ als er hinein gegangen.

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Drum sag ich mit kurtzen Worten/ lernt nur die Terminos oder nur die schlechten Wörter verstehen/ deren man sich in Jure gebrauchen muß/ mit dem übrigen wird es so gar viel nicht zu bedeuten haben/ denn wer sich mit dem disputiren gar zu mausig machen will/ der hat bißweilen mehr Unlust als Respect zu gewarten.

XI. Bey dieser Gelegenheit muß ich was von der lateinischen Sprache gedencken/ so fern als man in Reden dieselbe gebrauchen soll. Denn es ist wohl wahr/ daß im gemeinen Leben/ hundert 〈44〉 Aem­ter wohl bedienet werden/ da kaum einer in 20. Jahren einmahl wegen des Latein-Redens einige Nothwendigkeit verspüret. Inzwischen weil die Universitæten mit den Außländern in der

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Sprache müssen einig seyn/ so kan niemand in deren Collegiis fortkommen/ der die Sprache nicht verstehet/ ja niemand kan sich im disputiren hervor thun/ welcher die Worte nicht in seiner Gewalt hat.

XII. Und je seltzamer die Personen sind/ die als Politici die Sprache und die Logicam auf der Schule getrieben haben/ desto leichter ist der Weg zum Respecte, wenn man nur etwas hierinnen wagen lernet/ wiewohl auf Universitæten heist es/ hastu von der Schule viel weggebracht/ und hastu sonst gute Naturalia, so kanstu bey 〈45〉 dergleichen Fällen eine gelehrte Person bedeuten.

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XIII. Doch dieses sey nur oben hin erinnert/ denn nunmehro fragt sichs/ was ein Politicus von der andern Philosophia lernen und studiren solle? Und zwar die Metaphysica ist heute zu Tage ein Lexicon Philosophicum; da nur die philosophischen Worte ihrem Verstande nach erkläret werden/ drum gehen wir weiter und fragen/ waß ein Politicus von der Physica wissen solle? Und da wird ein guter Mensch seine Zeit sehr übel anwenden/ der sich mit dem Aristotele, mit andern/ welche den Aristotelem entweder nicht verstehen oder nicht verstehen wollen/ herumschlagen will.

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XIV. Denn die Physica ist eine Wis- 〈46〉 senschafft/ welche die Natur/ das ist/ alle Steine/ alle Mineralien/ Gewächse/ Thiere/ ja den Menschen selbst/ auch wohl den Himmel erkundiget/ und da kommet einer sehr zu kurtz/ der die weitläufige Kunst/ in e­ inem

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kurtzen Collegio von einem eintzigen Magister lernen will/ denn weil Aristoteles spricht/ Omnis scientia incipit â Sensibus. Das ist/ was man wissen soll/ daß muß man zuvor in gewissen Exempeln war genommen und ponderirt haben: so werden auch die Aristotelici einen Menschen nicht verdencken/ wenn er allenthalben Leute zu Rathe zeucht/ die eines und das andere erfahren haben.

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Zum Exempel wegen der Me- 〈47〉 tallen/ mache man sich mit e­ inem Bergmanne bekannt/ was die Gewächse betrifft/ da mag ein Gärtner oder Ackermann zu Rathe gezogen werden/ von den Thieren weiß ein Hirte/ ein Jäger/ ein Vogelsteller/ ein Fischer am besten zu reden/ von dem Holtze muß man einen Förster oder Zimmermann umb Rath fragen. Ja es ist kein Handwerck/ daß nicht in einer natürlichen Sache nothwendig was erfahren hat. Ich will nicht von den Schiffern sagen/ welche die Natur des Windes wissen/ oder von denen jenigen/ welche der Artollerie zugethan sind/ und etwas von dem Feuer judiciren können/ diese Leute muß man bey Gelegenheit zu Rathe ziehen/ wenn man à sensibus seine Kunst anfangen 〈48〉 will/ sonst wird die gantze Physica zu einem Lexico Philosophico werden/ das ist/ man wird etliche Terminos erklähren/ und damit das Collegium solenniter beschliessen.

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Und bey so gestalten Sachen/ darf ein Politicus keine sonderbahre Stunden dazu anwenden/ er sey nur so hurtig auf seinen Nutzen gewand/ und versäume keine Conversation das von dergleichen Experimenten etwas vorgeht. Doch nun wird jemand wissen wollen/ was ein Politicus von der Mathematica lernen solle. Und das muß ich beantworten/ nachdem die curieusen Leute in Hol-

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land/ Engeland/ auch wohl Franckreich wegen ihrer Schiffarth durch herrliche disciplin genöthiget werden/ in allen Stücken aus dem Fundament zu treiben/ so gibt es 〈49〉 schlechte Recommendation, wenn man bey ansehnlicher Compagnie als ein Ignorante still schweigen muß.

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XVII. Derohalben wo es möglich ist/ daß man bey einer gelegenen Stunde von der Geometrie, von der Arithmethica auch wohl von der Astronomie was begreiffen kan/ so versäume man die Gelegenheit nicht/ das Collegium mag bey einem Professore, bey einem Magister, oder auch wohl sonst bey einem singularen Grillenfänger gehalten werden/ (wie denn viel Mathematici in ihrer eige­ nen Phantasie dahin leben) so hat es nichts zu bedeuten/ daß man etwas davon lernen kan.

XVIII. Wegen der Astrologie, Physiognomi und sonderlich die Chiromantie, 〈50〉 will ich an meinem Orthe einen jedweden gerne absolviren. Denn welche die heilige Schrifft verdammet/ die kan ich mit gutem Gewissen Narren heissen/ will aber jemand in der Optica, in der Lauffkunst/ auch in der militarischen Architectur, in den Wasserkünsten/ in dem Müntzwesen/ in dem Gewicht und andern Machinen was lernen/ da will ich ihm kein Lob versprechen/ er wird solches eher finden/ als ich es versprechen kan.

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XIX. Ich hätte bald der Mahlerey vergessen/ oder wie man das nothwendige Stück davon nennet/ der Zeugniß Kunst/ welche wohl einem

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jedwedern Politico möchte angewünschet werden/ sonderlich wenn einer in Mathematischen Erfindungen was verrichten/ oder auch wol auff 〈51〉 der Reise was artiges abzeichnen will. Doch wer zu solchen Sachen Lust hat/ der muß die Neben-stunden wohl eintheilen. Denn es würde sich wenig schicken/ über solchen Künsten das Hauptwerck nachzusetzen.

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Ich weiß wohl/ daß ich nun auf den Hauptzweck/ das ist/ auf das Studium Juridicum und Politicum kommen soll/ derentwegen doch ein Studente seine Reise auf die Universität zu nehmen pfleget. Doch mit wenig Worten an die Theologie zu gedencken/ so will mancher Politicus einen Ruhm darinnen suchen/ daß er allerhand Principia von den nataralesten Atheisten/ von den Socinianern/ ja gar von denen Heyden herholen/ damit er nur einen ehrlichen einfältigen Prediger in der Ge- 〈52〉 sellschaft beschämen will. Alleine wer sich an der Göttlichen Lehre so vergreiffen will/ der wird sich leicht verbrennen/ vielmehr mag ein Politicus sehen/ wie er den Papisten und Reformirten in ihrer Schmeicheley begegnen kan/ wann sie etwan mit ihren Persuasionibus die Religion verändern und verachten. Ausser diesen kan ich wohl aus der Erfahrung bezeugen/ daß diese Politici mehrentheils die Frömsten sind/ welche sich in der Theologia rixosa, wie D. Luther redet/ nicht allzusehr vertieffet haben.

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Das Studium Politicum hat erstlich ein Hauptwerck/ und hernach ein sehr nothwendiges Werck/ das Nebenwerck bestehet in den jenigen Sachen/ drauff die Politica entweder zielet oder daraus die Exempel zu ihren Regeln erfolgen müssen/ und wer klug ist

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der fänget deßwegen grosse Collegia nicht an/ sondern er siehet/ wie sich eine Nebenstunde schicken will. 〈53〉

XXII. Denn erstlich haben wir die Geographie, da weiß ich die Stunde noch nicht/ wie man ein recht kluges Collegium darüber halten soll. Denn will ich nur von der Geographia politica reden/ so mag ein künftiger Politicus die Landkarte vor sich nehmen zufoderst die Flüsse hernach die Länder und die Städte fleißig ansehen/ und wiederholen/ so wird der Sachen schon geholffen seyn weil nicht das Judicium kommet sondern die blosse Memoria dabey gebrauchet wird.

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XXIII. Die Chronologia muß mit der Politica verbunden seyn denn obzwar ein Criticus sprechen will durch Annales werden die Chronologischen Jahrbücher verstanden/ welche von Jahr zu Jahr die Begebenheiten aufgezeichnet haben. Hingegen durch die Libros Historiarum werden dieselben Schrifften verstanden/ da nicht so wohl die Zeit als die Sachen so zusammen gehören/ erzehlet wird/ so fraget doch ein Politicus viel darnach/ wo er die Sache lernet/ wenn er aus den Historien nur etwas kluges mercken kan.

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XXIV. Ich habe vor diesem Chronologi- 〈54〉 sche Tabellas gemachet/ welche zwar so weit nicht ausgearbeitet sind/ daß sie den öffentlichen Druck verlangen können/ doch wer sich die Secula nach Christi Gebuhrt wohl einbilden will/ der mag zusehen/ ob er bißweilen eine Stunde noch übrig behält/ da er solche Tabellen

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durchlesen kan. Hat sonsten einer in der Schulen den also genanten klugen Hoffmeister dem Gedächtniß wohl eingebildet/ so wird er ohne fernere Manuduction zum Zeitvertreib eine Historiam nach der andern beym Kopffe kriegen/ und sich erfreuen das jenige außführlich zu lesen/ was an gedachtem Orthe nur in kurtzen Zeilen angedeutet wird.

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Die Avisen haben auch ihren Ruhm/ weil die Geographie, die Historien/ und noch viel andere 〈55〉 Studia sehr füglich haben exerciret werden/ und ich will nicht hoffen/ daß ein Studiosus Politices diese schöne Sache so gar liederlich versäumen wird. Allein/ dieses will ich darbey erinnern/ wer sich über die Avisen machet/ der fahre nicht drüber weg/ wie die gemeinen Leute/ welche nur darnach sehen/ was/ zum Exempel/ aus Ungern/ aus Franckreich/ und aus solchen bekanten Orten herkömmt/ denn es kan auch in andern Orthen etwas mit stehen/ da man die Antecedentia nothwendig muß erfahren haben. Drum lese man alle Stücke mit Fleiß/ und wo man etwas nicht verstehet/ so bemühe man sich gleichwohl bey Gelegenheit solches von klugen Leuten zu erfahren.

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Denn das beste Collegium, das ein 〈56〉 Politicus in dergleichen Sachen halten kan/ ist die Conversation mit rechtschaffenen Leuten/ da allezeit etwas neues und curieuses auf die Bahn kömmt/ welches zu fernerer Nachricht sehr wohl kan gemercket werden/ wie denn auch ein fleißiger Student seinen Spatziergang nicht übel anwendet/ wenn er bey müßigen Stunden die Buchladen besuchet/ ja selbst die Herrn oder die Diener ihm vertraulich

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macht/ daß er von neuen Sachen zum wenigsten die Tittel kennen lernet.

XXVII. Ich hätte bald der Genealogie vergessen/ welche gewiß einem Politico so nothwendig ist/ daß er sonst sein ander Studium mit grossem Verhinderniß fortsetzen wird. Wie aber ein Collegium darüber zu halten sey/ das sehe ich nicht. Wer sich 〈57〉 einmal in die Tabellen schicken lernet/ und wer von guten Freunden so viel Vorschub erlanget/ daß er dieselben im baulichen Wesen erhalten kan/ dem ist es eine blosse Lust und fast ein leichtes Spiel darüber zu continuiren/ wie etwan anders wo die Nachricht hiervon deutlich gnug ist gegeben worden.

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XXVIII. Von der politischen Oratoria darf an diesem Orte nicht viel erinnert werden/ weil solche mehr als zu viel bey uns bekandt ist/ will jemand seine Collectanea bey Gelegenheit vornehmen/ und kluge Reden zu sammen setzen/ will er auch bißweilen vor sich selbst/ entweder alleine/ oder in der Compagnie ein Exercitium anstellen/ so würde es desto besser seyn. Denn gleich wie ein Musicante verderben muß/ wenn er kein 〈58〉 Exercitium hat/ also wird die expedite Art zu reden gar leicht vergessen/ wenn die Zunge nicht immer/ also zu reden/ mit der Scheinen gehalten wird.

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XXIX. Nun kommen wir zu denen Stücken/ darüber man Collegia halten muß/ denn wie heutiges Tages die Studia lauffen/ so muß man die Ethica, die Politica, das Jus naturæ und Gentium, das also

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genante Jus publicum, endlich auch die Notitia imperiorum & Rerum publicarum, sehr wol ausstudiret haben. Ich will nun sagen/ was ein ankommender Student zu seiner Nachricht dabey in acht nehmen muß.

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Ein Collegium Ethicum geht hin/ denn ob man wohl draus nichts ler- 〈59〉 net/ daß des Menschen seiner eigenen Klugheit so gar zuträglich wäre/ so dienets doch dazu/ daß man etliche Terminos verstehen und behalten kan/ welche hernach in wichtigen Collegiis ihren Nutzen erweisen sollen.

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Mit der Politica ist es noch jämmerlicher/ wenn man keine gute Præceptores hat/ denn wer Anfangs de Natura Politices ­gantze Bogen voll dictiren will/ wer darnach in der Materia de societatibus, alle Theologos und JCtos ausschreiben will/ der wird zwar den Ruhm behalten/ daß er in dem Collegio keinen Fleiß gesparet hat. Doch um den nachfolgenden Nutzen mögen sich andere bekümmern.

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Derohalben lasse man sich die ge- 〈60〉 meinen Collegia Politica dazu dienen/ daß man gleichfals aus einem Lexico die Terminos Politicos erkennen lernet/ was zum Exempel Respublica, Monarchia, Aristocratia vor Wörter sind/ darnach wandert man theils in die Statisticam, theils in Politicam specialem hinein.

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XXXIII. Was die Statistica vor ein Ding ist/ das hab ich einmal in gedruckten Tabellen gewiesen/ und wie nur an demselben Orthe die Collectanea damit berühret werden/ so mag ich zwar einen jedweden Studenten mit dieser Weitläufftigkeit nicht beschweren/ daß er viel Historicos lesen und mit grosser Müh die Locos communes daraus excerpiren soll/ doch so viel mag sich ein jedweder recommendiren lassen/ man dencke nur den klugen Staats-­ Regeln et- 〈61〉 was nach/ und wenn so wohl in unserm Lande als auswerts/ oder auch aus den alten Zeiten etwas vorfällt/ so dencke man nach/ ob recht oder unrecht dabey gehandelt worden/ und was man vor eine Regel daraus fassen soll/ was einmahl möglich ist/ was einmahl Gefahr nach sich gezogen hat/ u. s. f. das scheinet immer/ als wann es noch einmahl mit dergleichen Fortgange könne nachgethan werden/ oder wenn man sich zum andern mahle davor fürchten müste.

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XXXIV. Die Politica specialis begreifft so wohl die Erkäntniß des Deutschen Reichs/ als der ausländischen Republiquen in sich/ und weil wir beyderseits die Sachen vor untersuchet haben/ so darf ich hier alles nicht wiederholen. Nur dieses will ich ge- 〈62〉 dencken/ wer ein solch Collegium hält/ der præparire sich eine halbe Stunde zuvor/ ehe er hinein gehet/ und repetire die Sachen/ wenn er heraus kömmt/ denn es sind viel res memoriæ darbey/ welche durch oftmahliges wiederholen wohl behalten werden/ und über diß wird dergleichen Erudition in hohen und vornehmen Gesellschafften am meisten angebracht/ da man nicht um Verzeihung bitten darff/ sein geschrieben Collegium zu holen/ denn so viel wissen wir/ als unser Gedächtniß öffentlich erweisen kan.

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Eines muß ich von dem Jure publico noch gedencken/ welches bey der jetzigen Beschaffenheit aus unterschiedenen Principiis geführet wird. Etliche bekümmern sich um die Gesetze/ und fragen/ was geschehen soll/ 〈63〉 andere sehen auf den Welt-Lauf und reden davon/ was geschiehet/ und ob zwar alle beyde der Sache zu viel thun können/ so haben doch junge Leute treflich grosse Lust an der Gattung/ da man die alten Gesetze aus der neuen Veränderung reformiren will. Denn eben deßwegen war nunmehr vor 14. Jahren der Monzambano, itzo vor drey Jahren der Cæsarinus, Fürst in Erig, in so grossem Ansehen/ weil sie etwas anders schrieben/ als vor diesem die berühmten Juristen gethan hatten.

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Allein die Lehre mag man wohl behalten/ ein anders ist Satyrische Bücher lesen/ ein anders Collegia halten über Sachen/ damit man öffentlich bestehen kan/ hat sich der Autor selbst in den hönischen Schrifften nicht melden dörffen/ so wird man 〈64〉 auch die Meinung bey andern Leuten schwerlich behaupten können. Drum muß man zwar alles wissen/ was in diesen Stücken/ auch wohl gar in confiscirten Pasquillen heraus kommet/ doch muß man seine Wissenschafft also einrichten/ daß man/ also zu reden/ seine Discurse gegen die Gesetze/ gegen den Käyser und das Vaterland verantworten kan. Und HErr Böckler saget wohl recht/ wer den Staat des Vaterlandes wissen will/ der muß sein Fundament aus den Gesetzen/ nicht aus der Uberlegung des Gesetzes her­ holen.

Politischer Academicus/ Das III. Capitel.

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XXXVII. Nun muß ich an eine Disciplin gedencken/ welche man in vorigem Seculo wenig gelernet/ und etwas besser als zu unser Zeit practiciret hat. Da hingegen dieses Seculum treflich geschwinde mit der Lehre/ aber treflich langsam mit dem practiciren zu seyn pfleget. Es ist das Jus 〈65〉 naturæ & Gentium, da man sich bekümmert/ was die kluge Vernunft vor ein Fundament im Handel und Wandel/ in Richten und Verdammen suchen müsse. Nun waren die Leute in vorigem Seculo mehrentheils mit dem Catechismo zu Frieden/ welcher nach Inhalt der zehen Gebot gleich zu verstehen gab/ was unter den Menschen recht oder unrecht heissen mag. Indem aber der gelehrte Grotius sein Buch de Jure Belli & Pacis ­ tücken heraus gegeben/ und als ein guter Historicus in allen S den Consensum Gentium dergestalt untersuchet hat/ daß er auch nichts natürlicher Weise vor gerecht hält/ worinnen sich die gesamten/ oder doch wichtigsten Völcker verglichen hätten.

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XXXVIII. Ich will nicht sagen/ wie viel Autores in diesem Stücke heraus kommen/ und wie viel Atheisten derer 〈66〉 gleichen Autores mit gebracht haben; Denn gesetzt/ es wäre etwas da und dort versehen/ da ein Christlicher Theologus mit gutem Gewissen allerdings nicht schweigen könte/ so wäre doch die Außflucht/ man reformire hier die Leute/ wie sie ein mahl mit Heyden und Türcken/ ja mit den barbarischen Völckern/ am Ende der Erden gewisse Tractaten aufrichten könten. Ungeacht in einem Collegio wohl 10. biß 100. sitzen/ welche die Zeit ihres Lebens keine Barbaren anführen/ auch die Rechte derselben Landschaften gar schwerlich verändern werden.

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XXXIX.

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Drum halte ich viel von demselben Principio, welches die jungen Leute erfreulich auf das Christenthum weiset/ damit wir alle zu thun haben/ nach diesem mag man sehen/ was die verderbte Vernunft von diesem Lichte vor Funcken übrig behalten 〈67〉 habe. Nur dieses will ich zur Nachricht sagen/ wieder die jenigen/ welche das Jus Naturæ mit dunckeln Terminis und überaus schweren Fragen über die Masse schwer machen. Man gedencke doch/ daß die Sachen einem jedweden Menschen sollen eingepflantzet seyn/ daß man auch einen jedweden Menschen daraus richten und überweisen kan / folget also unwiderschreiblich/ daß die gantze Subtilität gantz und gar vergebens sey.

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Doch halte man in Gottes Namen solche Collegia, und wolle das Werck zu weitläufftig scheinen/ so betrachte man die Fragen/ ob sie einen frömmer oder klüger machen/ wo das nicht daraus folgt/ so lauffen Sachen mit unter/ welche man ohne Abbruch der Göttlichen Ehre/ ohne Schaden des Nechsten und ohne Verliehrung seines Gewissens wieder vergessen kan. 〈68〉

XLI. Es ist wohl ein edles Stücke von dieser Wissenschafft/ welche gemeiniglich Jus feciale das Legatum recht genennet wird/ weil die Gesandten sich allezeit darauf beruffen müssen/ wenn sie mit fremden Potentaten etwas zu handeln oder zu zancken haben/ und da muß freylich die Gewohnheit/ und das Herkommen viel zum Fundament helffen.

Politischer Academicus/ Das III. Capitel.

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XLII. Und derohalben greiffet ein Studente zu der Haupt-disciplin, das ist/ zu der Jurisprudenz, und gleich wie meine Qvæstiones darzu dienen/ daß man sich ein bequemes Systema oder eine kurtze Abtheilung der gantzen Disciplin machen kan/ also mag sich ein jedweder dieses deutlich einbilden und die Qvæstiones in dem Gedächtniße gleichsam in gewisse Fächer oder Repositoria eintheilen.

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XLIII. In dem aber die Jurisprudenz der 〈69〉 Menschlichen Societät zum besten her vorgebracht ist/ so lerne man die guten Professores kennen/ denn wer die alten leges gar zu viel allegiret, wer die Philologiam Juridicam, die Historiam Juris und Constultorum, auch andere unnöthige Fragen auf die Bahn bringet/ davon in gemeinem Leben kein Bauer einen Groschen und kein Edelmann keinen Pfennig bezahlen wird/ der mag wohl vor einen gelehrten Mann passiren/ doch will ich nicht hoffen/ daß ein Politicus, wenn er dem Lande nutzen soll/ durch solche Wissenschafft viel werde secundiret werden.

XLIV. Drum pflegen auch die besten Juristen ihre Discurse mehren­ theils auf unsere Land-Gesetze zu appliciren/ ja sie mischen auch artige Casus mit ein/ nicht daß etwan die Studenten über die Histo­rien lachen und einige Ergötzligkeit darbey erfinden sollen/ son- 〈70〉 dern sie können zugleich sehen/ wie man die Juristische Lehre in nöthigen und fast täglichen Exempeln gebrauchen kan.

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Das ist wahr/ wer von dem Jure nichts gehöret hat/ der muß ein oder wohl zwey Collegia vergebens halten/ ehe er nur das Systema in Kopf bekömmt/ hingegen wer auf der Schule nur etwas weniges davon gehöret hat/ daß er sich das erste Collegium kan recht zu Nutz machen/ der bleibe nicht allein bey der Theoria, sondern er bekümmere sich um einen rechtschaffenen Mann/ der in Praxi berühmt ist/ da er den Stylum Curiæ bey Zeiten erlernen/ und hiernechst den wircklichen Ruhm seines Studirens erkennen möge. Und gesetzt/ es wolte mancher sein Geld mit practiciren nicht verdienen/ so mag man doch so viel daraus lernen/ daß man sich einen andern Beystand nicht darf betriegen lassen. 〈71〉

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Das übrige mag ein guter præceptor und die Experienz ersetzen/ nur dieses sey zu guter letzt gesagt/ man befleißige sich mehr auf die Collegia privata, als auf die Lectiones publicas, denn je vornehmer sie sind/ desto mehr Verhinderungen haben sie ­publice fortzufahren/ daß man also lang darauf warten müste/ wenn man das Systema disciplinæ wolte in den Kopf bekommen zu geschweigen/ daß publicè mehrentheils allerhand Casus, Qvæstiones und Controversiæ mit eingemischet werden/ darbey sich ein incipiente gar schlecht helffen kan.

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Hingegen wo ein Professor das Collegium bezahlet kriegt/ da muß er sich nach seinen Leuten richten/ und wo ein Student Geld außgeben muß/ da ist er immer fleißiger/ als wenn er umsonst und gleichsam ohne seinen Schaden das Collegium publicum besuchen mag. Doch wer etliche Stunden publicè mit nehmen will/

Politischer Academicus/ Das III. Capitel.

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dem würde es in vielen Stücken sehr bequemlich ausschlagen/ voraus würde er sich den Professorem zum Freunde machen/ welchem er den Respect erwiesen/ absonderlich wenn die Audi­ to­res nicht in allzu grosser freqvenz erscheinen wollen/ vors 〈72〉 ander/ so würde er auch allezeit was hören/ welches ihm zu seinem Zweck so gar undienlich nicht seyn kan.

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XLVIII. Jemehr wir uns in diesem Stücke vertieffen/ desto mehr fället uns bey/ und auf die letzt möchte ein grosses Buch daraus werden/ drum sey es nochmahls an den kurtzen Regeln genug/ man dencke/ warum das Geld auf der Universität verzehret wird/ und wie jämmerlich der Handel abzulauffen pflegt/ wenn jemand das verzehrte Geld mit seinen Qvalitäten nicht berechnen kan. Es ist sehr angenehm/ wenn man das lustige Studenten Leben in der Freyheit geniessen kan/ allein es ist auch ein grosser Verdruß/ wenn man nach der Zeit den Credit, und endlich seine Wolfahrt dieser Lust halben verliehren soll. GOtt helffe/ daß ein jedweder im Außgange verspüren möge/ mit was vor treuem Hertzen alles und jedes an diesem Orthe gerathen wird.

S. D. G.

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Nachwort der Herausgeber I. Band 23 der Sämtlichen Werke Christian Weises legt zwei Schriften aus dem Bereich der Lehr- und Sachbücher vor: Der Kluge Hoff-Meister (1676 u. a.1) Der politische Academicus (1684 u. a.) Christian Weise (1642–1708) war von 1670 bis 1678 als Professor am Gymnasium illustre Augusteum in Weißenfels tätig; diese Institu­tion war nur wenige Jahre zuvor 1664 durch den Landesherrn Herzog ­August (1614–1680)2 gegründet worden. Zuvor war Weise für kurze Zeit – im ersten Halbjahr 1670 – als Hofmeister der jungen Freiherren von Asseburg, die Mündel des Grafen von der Schulenburg waren, in Arnfurt (bei Magdeburg) tätig gewesen. Weises Lehraufgaben bezogen sich auf die Eloquenz (Rhetorik), die Poesie und die Politik. Er galt als erfolgreicher und sehr beliebter Dozent und erfreute sich als junger Dichter und Buchautor3 bereits eines hohen Ansehens, als 1676 der Kluge Hoff-Meister zum ­ersten Mal erschien. Als akademisch ausgebildeter Gymnasiallehrer verband er seine Tätigkeiten mit der inneren Berufung zum Schriftsteller und zum Poeten auf das Innigste. Sein literarisch-poetisches Werk ist einerseits zutiefst von seinem vielseitigen pädagogischen Impetus durchdrungen; andererseits veranlasste ihn sein hohes Bil1 Angaben, soweit nicht anders angegeben, nach dem Karlsruher Virtuellen Katalog und dem VD17, dem Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts; zur Frage der Datierung des Erstdrucks des Klugen Hoff-Meister vgl. unten III.; einige Kataloge nennen hier als Erstdruck im Sommer 2022 noch das (erschlossene) Jahr 1675. 2 Der Herzog ist Teil der Albertinischen Linie; vgl. 178, 5. 3 Weises literarisches Erstlingswerk war bereits 1668 unter dem Kürzel D. E. mit fingierter Druckerangabe erschienen: Der grünen Jugend Uberflüssige Gedancken.

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dungsengagement zeit seines Lebens zu einer üppigen Produktion von Lehrbüchern, die seiner starken Neigung zur Belehrung, zur geistigen Horizonterweiterung, ja zur Aufklärung huldigten. Er war an der intellektuellen Weiterbildung der jungen Generation stark interessiert, denn darin lag für ihn die Zukunft der Gesellschaft. Ausdrücklich betonte er, dass er demgemäß im Klugen Hoff-Meister einer klaren Aufgabe nachkommen wolle, nämlich der vornehmen Jugend zu dienen: Und dannenhero bin ich offt mit mir zu Rathe gegangen / wie man doch der edlen und zarten Jugend / mit etlichen vortheilhaftigen Handgriffen / möchte zu statten kommen. (6, 29). Weises Ziel war es, eine lebens- und sachbezogene Erziehungsmethode einzuführen, wobei die Kenntnis-Gewinnung auf ihre Verwendbarkeit im praktischen Leben, im Beruf, ausgerichtet war. Dafür steht bei Weise der Begriff der ‚Politica‘: der ‚homo politicus‘, der erworbenes Wissen und praxisbezogene Kenntnisse in der Öffentlichkeit anwenden sollte. In diesem Sinne konzipierte Weise seine erfolgreichen und auch einflußreichen Lehrbücher als ‚politische‘ Literatur. Seine Publikationen waren darauf ausgerichtet, öffentlich Information und Belehrung über die Verhältnisse der Welt in Geschichte und Gegenwart zu bieten. Insofern sind seine ‚politischen‘ Schriften konkret auf die Gesellschaft seiner Zeit bezogene Lehr-Schriften, die ein neues Bildungswesen, das auf die Praxis bezogen war, anstrebten. Aus diesem Grund verdienen die Sachbuch-Publikationen Weises als Lehrbücher, die in ihrer Zeit gemäß ihres Erfolges von starker Wirkung waren, eine angemessene sozialhistorische Berücksichtigung. Weise war seinen Intentionen und seinem Wesen nach einer der produktivsten und erfolgreichsten Schriftsteller der Übergangszeit zwischen ‚alter‘ und ‚neuer‘ Zeit, zwischen dem sogenannten ‚Barock‘ und der ‚Aufklärung‘. Unter diesem historischen Aspekt können wir ihm heute noch bestätigen, dass er einen nachhaltigen literarischen Erfolg für sich verbuchen konnte, und zwar nicht nur als Dramatiker und Romancier, sondern gerade auch als Autor von Lehrbüchern und von Sachliteratur. Dabei ist besonders zu beachten, dass Weises belehrende Schriften zum Teil für die Zeit sehr hohe Ausgabenzah-

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len erreichten, was zugleich belegt, dass sie im weiten Umfeld einer lesefähigen Gesellschaft rezipiert worden sind.4 Wenn sich auch die unmittelbaren Leserkreise heute kaum noch erschließen lassen, so belegen doch diese Zahlen immer wieder ein beachtliches Leserinteresse. Im Rückgriff darauf lässt sich in Ansätzen rekonstruieren, in welchem Maße Weises Schriften und damit seine Mentalität und seine Einschätzung der Vorgänge der Welt und der menschlichen Kommunikation weithin allgemeines Gedankengut wurden. In den vielfältigen Texten lässt sich ein undurchdringliches Geflecht zwischen Autorund Leser-Mentalität in seiner Zeit erahnen. Insofern erscheint eine Edition der sozial- und literaturgeschichtlich bedingten Lehr- und Sachbücher, also der in der und durch die jeweilige Zeit geprägten Informationsliteratur, gerechtfertigt – und das nicht nur in Hinblick auf ihren Produzenten, sondern vor allem auch in Hinblick auf ihre mentalen Wirkungen auf ihre doch wohl beachtlichen Leserkreise. Wir legen hier Christian Weises ersten großen Lehrbucherfolg – Der Kluge Hoff-Meister – sowie seine Empfehlungen an die junge männliche (!) Generation – Der politische Academicus – vor, wie diese sinnvoll und erfolgreich eine akademische Ausbildung absolvieren soll. Der Kluge Hoff-Meister ist allerdings keine Darstellung des Berufsbildes eines Hofmeisters5, der als Erzieher in Adels- und Bürger Dass dies nicht nur für das späte 17. Jahrhundert gilt, sondern sogar auch noch für das 19., bestätigen beispielsweise einige Erwähnungen in der Zeitung für die elegante Welt, Nr. 193 vom 3. November 1808, S. 193 f., in der der Politische Redner als ein Meisterwerk zur Vermittlung der Redekunst gepriesen wurde, oder in der gleichen Zeitung, Nr. 126 vom 27. Juni 1814, S. 126 f., in der ein Autor mit dem Kürzel „S.“ die Curiösen Gedancken von deutschen Versen ausführlicher diskutiert. Selbst die Dramen Weises waren nicht vergessen; eine kleine Miscelle in der Wiener allgemeinen Musik-­Zeitung, Nr. 93 vom 4. August 1846, S. 372, nennt das Trauerspiel Masaniello als Vorläufer von Aubers Die Stumme von Portici und erwähnt zahlreiche Aufführungen zu Weises Lebzeiten. 5 Zu Art und Aufgabe eines Hofmeisters vgl. u. a. F. Neumann: Der Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte der Erziehung im 18. Jahrhundert. 4

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häusern des 17. und 18. Jahrhunderts tätig war, sondern eine didaktisch aufbereitete Darstellung der Geschichte der Staaten Europas, strukturiert nach Völkern und ihren Dynastien – eine historische Netzkarte West-, Mittel- und Ost-Europas vom Mittelalter bis weit in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, also bis in die unmittelbare Gegenwart des Autors. Sie ist didaktisch nüchtern konzipiert und ohne jeden direkten Quellenbezug auf andere Historien-Darstellungen der Zeit.6 Die Meinung und die Mitteilung des Lehrers stehen zur Verfügung – der lehrende Hofmeister sollte sie sich als Lehr- und Lerngegenstand aneignen bzw. den Schülern zur geistigen Aneignung gefällig machen. Eine Diskussion der Fakten ist nicht vorgesehen. Der Hofmeister sollte realiter die Meinungen des Lehrbuchs umsetzen, möglicherweise potenzieren. Es gehörte zu seinen Lehranforderungen, sich auch ‚in der Geschichte‘ auszukennen und sie in Grundzügen zu vermitteln. In dieser Hinsicht hat Weise seinen Text als Lehr- und Lernbuch für die häusliche Erziehung in Adels- und Bürgerkreisen konzipiert. Diss. Halle 1930; Ludwig Fertig: Die Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehrerstandes und der bürgerlichen Intelligenz. Stuttgart 1979; Timo ­Hoyer: Sozialgeschichte der Erziehung. Von der Antike bis in die Moderne. Darmstadt 2015; Detlef Döring: Studien zur Wissenschafts- und Bildungsgeschichte in Deutschland um 1700. Gelehrte Sozietäten – Universitäten – Höfe und Schulen. Hrsg. von Joachim Bahlcke und Mona Garloff. Wiesbaden 2015. 6 Explizit werden lediglich drei Autoren bzw. Quellen im Vorwort genannt: Christoph Schraders Tabulæ Chronologicæ A Prima Rerum Origine Ad C. Julii Cæsaris Monarchiam, erschienen bei Hammius in Helmstedt 1642 und weitere seiner Arbeiten (9, 23 u. a.); Hermann Conringius’ Werke über das Imperium Germanicum, ab 1641 bei Müller ebenfalls in Helmstedt (14, 13) veröffentlicht, und schließlich Caspar Sagittarius, der ab 1672 zahlreiche historische Arbeiten zumeist in Jena bei Bauhofer veröffentlichte (14, 16). Alle drei zählten zu Weises Zeit zu den führenden Historikern. Weiter gibt es in den späteren Kapiteln nur noch eine Angabe: eine Erwähnung von Dominicus Arumaeus‘ fünfbändigem Werk Discursus Academici De Iure Publico aus den Jahren 1620 bis 1623, erschienen in Jena bei Beithmann. Weises An­ gabe 6. num. 8. konnte nicht verifiziert werden (61, 6).

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Der Kluge Hoff-Meister beinhaltet ein ‚standesgemäßes Wissen‘ für junge Leute, das dann durch nachfolgende Studiengänge erweitert werden konnte. Für den Literatur- und Bildungshistoriker unserer Tage ist daran interessant, was in welcher Wertung an die junge Generation vermittelt wurde. Es ging um Grundkenntnisse, die in gewisser Weise ein letztlich soziales System widerspiegeln. Dass Weises vorgetragene Sicht auf die Geschichte zu seiner Zeit nicht unerheblich war, zeigt der – überraschende – Erfolg der Publikation: Der Kluge Hoff-­ Meister ist in vierzehn nachweisbaren Auflagen zwischen 1676 und 1704 erschienen; an dieser Stelle dürfen auch ein Raubdruck aus dem Jahr 1677 und ein posthumer, inhaltlich erweiterter Nachdruck von 1712 nicht vergessen werden.7 Eine Reihe von Veränderungen, Kürzungen, Erweiterungen und Korrekturen lassen erkennen, dass der Autor Christian Weise über 30 Jahre zu seinem Lehrbuch und dessen Konzeption stand. Beachtenswert ist, dass das Werk immer wieder genügend Leser hatte, die daran – und das ist historisch wichtig an diesem Text – ihr Geschichtsbild und ihre Geschichtsauffassung auszurichten schienen, denn ohne ausreichenden Lesebedarf wären die Nachdrucke nicht in dieser Zahl entstanden. Im Klugen Hoff-Meister sind letztlich Züge einer frühbürger­lichen Aufklärungspädagogik erkennbar, vor allem in der Säkularisierung der geschichtlichen Vorgänge. Klerikale Elemente fehlen auffälligerweise, aber auch manche gravierenden Vorgänge der Geschichte wie das Konstanzer Konzil, die Reformation Luthers, die Bartholomäus-Nacht in Paris und die Hinrichtung von Karl I. 1649 in London werden nur sehr zurückhaltend thematisiert.

Gerd Hermann Susen legt in den Abschnitten II und III des Nachwortes seine wichtigen Ergebnisse der komplizierten Drucküberlieferung des Klugen Hoff-Meister vor und teilt die Veränderungen des Textes in den etwas über 30 Jahren, in denen das Werk präsent war, mit.

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II. Die Überlieferungsgeschichte von Christian Weises Klugem Hoff-­ Meister ist überaus komplex aufgrund einiger Mehrfachdrucke in den Jahren 1676, 1677 und 1681. Dies war bis dato jedoch weder den elektronischen noch den alten Papierkatalogen direkt zu entnehmen und muss daher im Folgenden ausführlich dargestellt werden. Die Ausgangslage erschwerend kommen noch eine undatierte und eine offensichtlich falsch datierte Ausgabe mit der Jahresangabe MDCDCV auf dem Titelblatt hinzu, die ebenfalls zeitlich noch zu verorten sind. Darüber hinaus gibt es beim Klugen Hoff-Meister noch ein erst nach der Erstausgabe veröffentlichtes, auf allen Titel­ blättern bis zur Ausgabe I von 16858 jedoch stets als Vorgänger angesprochenes Werk – die Fundamentall. Historie, sonst genandt der Kluge Hoffmeister –, das aus dem Jahr 1677 datiert und in der Edition ebenfalls Berücksichtigung finden muss. Schließlich findet sich 1712 noch eine posthume Ausgabe, die die Geschichte der einzelnen Länder Europas bis zu jenem Zeitpunkt fortschreibt. In den ersten beiden Jahren hat Weise sich mehrfach um den Druck des Klugen Hoff-Meister gekümmert. Nachzuweisen sind zumindest zwei ausführlichere Eingriffe, die zunächst die Ausgaben B und D betreffen sowie einige Jahre später noch einmal eine Überarbeitung (J), die aufgrund des Todes von Wilhelm von Kospoth notwendig wurde, dem der Band ursprünglich gewidmet war. Nach dessen Tod am 26. November 16789 brauchte Weise für die folgen8 Die hier und im Folgenden genutzten Siglen entsprechen stets den endgültig verwendeten und sind daher nicht identisch mit der durch die verschiedenen Kataloge implizierten Reihenfolge. 9 Zu Wilhelm von Kospoth sind verschiedene Materialien überliefert; dazu zählt u. a. das Trauer- Trost- und Ehren-Gedchtnüs / Zu unsterblichen Nachruhm Dem Weiland Hoch-Edlgebohrnen Herrn / Herrn Wilhelm von Koszpoth / Auf Grosz-Stdeln und Gossa / Chur- und Hoch-Frst.Schs. Magdeb. hochansehnlichen respective Wrcklichen Geheimten- und Cammer-Rath / Ober-Hauptmann in Thringen / Ober-Steuer-Einnehmer / und Ammts-Hauptmann zu Weissenfels / Nach dessen in Hall am 26. No-

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den Ausgaben einen neuen Widmungsempfänger, den er in Friedrich von Kospoth, Wilhelms Bruder, fand. Allerdings erlebte auch dieser die letzte Ausgabe des Klugen Hoff-Meister nicht mehr, da er am 14. Oktober 1701 starb.10 Neben einem neuen Titelblatt, einer neuen Widmung, einem neuen Vorwort und einigen ergänzenden Abschnitten arbeitete Weise bei der Gelegenheit zugleich seine bisherige Anmerkung zum Werk (NB) um, die sich nun nicht mehr auf die beiden Ausgaben des Jahres 1676 bezog, sondern alle bisher erschienenen Ausgaben thematisierte, insbesondere die variierende Rechtschreibung. Diese Überarbeitungen, vor allem die beiden der Jahre 1676 und 1677, und die komplizierte Überlieferungsgeschichte der folgenden Bände machen die Edition des Klugen Hoff-Meister zugleich zu einer interessanten Entdeckungsreise in die Geschichte des Buchdrucks des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, da – inclusive der Fundamentall. Historie – insgesamt fünfzehn Auflagen aus den Jahren 1676 bis 1704 mit immerhin acht aus den ersten sechs Jahren bis einschließlich 1681 vorliegen.

vembr. deß 1678. Jahres / erfolgten Seeligen Hintritt / und daselbst gehaltenen hochansehnlichen Leich-Begngns (Halle/Sachsen 1679 bei David Salfeld) mit einer kurzen Biographie und einem Bild Kospoths auf dem Totenbett. 10 Auch zu Friedrich von Kospoth existieren einige Schriften anlässlich seines Todes, darunter etwa die Gedchtnis-Predigt / Dem Weyland Hoch-Wohlgebohrnen Herrn / Hrn. Friedrich von Kospoth / Erb-Herr auf Gossa und Burgau / Seiner Kniglichen Majestt in Bohlen und Chur-Frstlichen Durchlauchtigkeit zu Sachsen hochbestalten Geheimden Rath und Ober-Aufseher in der Graffschafft Mannsfeld / als Derselbe den 14. Octobr. 1701. zu Leipzig auf seinem Erlöser sanft und seelig entschlaffen war / zu gebührender Ehre (Jena 1701 bei Johann Adolph Müller) mit einer etwas ausführlicheren Biographie.

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III. Der kluge Hoff-Meister Christian Weises Der kluge Hoff-Meister ist zwischen 1675 und 1705 in elf Auflagen erschienen – so hat es zumindest eine erste Durchsicht der elektronischen Kataloge KVK und VD17 im Herbst 2021 zu Beginn der Arbeiten am 23. Band der Edition nahegelegt. Bei näherer Überprüfung der Zeugen des Klugen Hoff-Meister allein aus dem Ritzschischen Buchladen (die frühen Ausgaben der Jahre [1675] bis 1677) waren jedoch einige Merkwürdigkeiten zu erkennen, die die durch die Kataloge festgelegte Reihenfolge in Frage stellen ließen: – Die in den Bibliothekskatalogen mit [1675] datierte Ausgabe ist die Einzige, die auf dem Titelblatt kein Datum enthält. – Auf dem Titelblatt der Ausgabe von [1675] findet sich die Formulierung; Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbessert und zum andernmahle in Druck gegeben. Zu fragen wäre somit, wie oft der Text vor diesem andernmahle bereits in Druck gegeben worden ist. Auf dem Titelblatt der Ausgabe von 1676 findet sich eine ver–  gleichbare Formulierung: Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbeßert und zum Druck befrdert. Auch daraus wäre zu folgern, dass es bereits eine vorhergehende Ausgabe gegeben haben muss. – Die Ausgabe von 1676 ist die Einzige, die keine Anmerkung ­Weises zum korrupten Satz des Erstdrucks enthält – HIer ist mit wenigem zu erinnern / daß in der ersten Edition ein Irrthum mit dem Bogen A vorgelauffen. (NB; 16, 1) – und dennoch wegen ihres Titelblatts nicht der Erstdruck sein kann. – Die Ausgabe von 1677 ist vollständig identisch – im Satz und auch in der ornamentalen Ausgestaltung – mit der in den Katalogen auf [1675] datierten Ausgabe. Festzuhalten ist ferner: Die Datierung in den Katalogen auf [1675] durch die drei Bibliotheken in Halle, Hannover und Wolfenbüttel basiert wohl ausschließlich auf dem Datum, mit dem Weise seine Widmung an Wilhelm von Kospoth unterzeichnet hat: Weißenfels /

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den 31. Dec. 1675 (5, 6). Nun wäre natürlich zu fragen, ob ein Buch, dessen Text vielleicht auch nur in Teilen erst am 31. Dezember vollendet wurde, noch im gleichen Jahr veröffentlicht werden konnte. Zwar ist es denkbar, dass ein offizielles Erscheinungsdatum zurückdatiert wurde, etwa wegen der Leipziger oder Frankfurter Messe – aber ­welche Notwendigkeit sollte es dafür gegeben haben? In allen Ausgaben – und damit auch in der von [1675] – findet sich in Abschnitt II. des Vorworts allerdings folgender Absatz, in dem der Autor passenderweise auf die Bedeutung von Jahreszahlen für die Einordnung historischer Fakten eingeht und der sich wohl auf die Entstehungszeit des Werkes bezieht: MIt denen Jahr-Zahlen / daran die Historien gebunden sind / geht es bißweilen etwas mühsamer zu. Denn ob zwar etliche Ingenia sich gleichsam auf den Winck darein zu finden wissen; So sind doch hingegen etliche so langsam / daß sie mit großer Mühe dahin gebracht werden / wie sie ein Seculum von dem andern unterscheiden sollen. Und da muß man die gegenwärtige Jahrzahl ansehen: Siehe itzt schreiben wir z. e. 1676. vorm Jahre schrieben wir 1675. u. s. f. Vor hundert Jahren schrieben wir 1576. etc. (8, 12) Darüber hinaus wird im Text des Klugen Hoff-Meister – neben dem Datum der Widmung – noch vier Mal das Jahr 1675 erwähnt (100, 18; 179, 15; 184, 2; 188, 19); bis auf die erste Erwähnung 11 handelt es sich stets um Todesfälle, unter anderem um den Tod von Karl IV. von Lothringen am 18. September als späteste dieser vier Nennungen; etwas früher (am 12. Juni) war Karl Emanuel II. von ­Savoyen gestorben; dazu schreibt Weise (188, 19): DIeses Jahr 1675. ist der Hertzog Carolus Emanuel II. Todes verblichen. Weise hat das Jahr über also am Text gearbeitet, bevor der Hoff-Meister dann Doch endlich traten sie [die Schweden; d. Hrsg.] mit in die Tripel-­ Alliantz / doch mit schlechter Beständigkeit / indem sie aus Faveur der Frantzöischen Parthey / dieses Jahr 1675. in die Marck eingefallen sind / und daselbst die Feindseligkeit wider Teutschland erwiesen haben. (100, 16) Die Formulierung dieses Jahr 1675. legt nahe, dass der Text in eben diesem Jahr 1675 geschrieben wurde.

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1676 im Druck erschienen ist. Bestätigt wird diese Annahme durch eine Formulierung zum Ende des ersten Kapitels über die deutsche Geschichte: Nun steht es noch bey GOTT / ob dieses instehende Jahr 1676. einen bestätigten Friede oder einen continuirten Krieg mit sich bringen werde. (33, 21) Das instehende Jahr bezeichnet gemäß Grimms Wörterbuch (Sw. instehend) etwas zeitlich noch Bevorstehendes, was ebenfalls auf 1675 als Zeitpunkt der Abfassung des Textes schließen lässt.12 Aus diesen Passagen im Werk lässt sich nun folgern, dass Weise den Text im Laufe des Jahres 1675 verfasst hat und es ihm in dieser Zeit auch gelang, Wilhelm von Kospoth als Widmungsempfänger zu gewinnen, was durch die Formulierung Dero wohlseliger Herr Bruder ließ sich nunmehro vor dreyzehen Jahren die Zuschrifft wohl gefallen in der Widmung an Friedrich von Kospoth in der Ausgabe J von 1688 bestätigt wird. Daher könnte Weise – unterstellt, dass das Vorwort als letztes verfasst wurde – den Satz Siehe itzt schreiben wir z. e. 1676. vorm Jahre schrieben wir 1675. durchaus im Jahr 1676 geschrieben haben, und daraus ergäbe sich zwangsläufig auch das Erscheinungsjahr 1676. Ein weiteres Indiz dafür, die durch die Kataloge suggerierte Reihen­ folge zu überdenken, ergibt sich aus Weises Anmerkung NB in der (vermeintlichen) Ausgabe von 1675: HIer ist mit wenigem zu erinnern / daß in der ersten EDITION ein Irrthum mit dem Bogen A vorgelauffen. Denn es war Anfangs ein Bogen gleichsam zur Probe gedruckt / und weil nicht gnug Exemplaria waren zugeschossen worden / so muste er wieder umbgesetzt werden. Also beliebte es dem AUTORI noch etwas zu verbessern. (16, 1) Daraus lässt sich schließen, dass es vor der frühesten Ausgabe mit einem NB bereits (mindestens) eine noch frühere gegeben haben muss, bei deren Satz es offensichtlich zu einigen Fehlern – einem Irrthum mit dem Bogen A – gekommen war.

Der Satz fehlt zwangsläufig in den überarbeiteten Ausgaben ab 1688.

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Eine vor 1675 erschienene Ausgabe existiert jedoch nicht – kein Katalog verzeichnet sie; auch konnte keine weitere Ausgabe ermittelt werden, deren Erscheinungsdatum erschlossen wurde.13 Alle diese Erkenntnisse führen zu der Schlussfolgerung, dass die Ausgabe von 1676 wegen der fehlenden Anmerkung Weises – dem NB mit dem Hinweis auf einen fehlerhaften Erstdruck (16, 1) – als Erstdruck anzunehmen ist. Wenn nun weiter unterstellt wird, dass der Erstdruck nicht vollständig vernichtet, sondern zumindest in Teilen veröffentlicht wurde, ergibt sich eine Notwendigkeit zur Umordnung der Ausgaben, die durch eine Reihe von Überlegungen unterstützt wird: – Die Erstausgabe kann zwangsläufig keine Anmerkung Weises, kein NB enthalten, denn erst sie liefert ja die Grundlage für die nachträglich ausgeführten Korrekturen und letztlich die entsprechende Anmerkung, daß in der ersten EDITION ein Irrthum mit dem Bogen A vorgelauffen ist (16, 1). Die Ausgabe von 1676 ist die einzige, auf die dies zutrifft. – In der Ausgabe von 1676 sind in Bogen A (also auf den ersten 24 Seiten – von 17, 1 bis 31, 18) einige Satzfehler und Sätze, die in sämtlichen späteren Ausgaben getilgt sind. Hierbei dürfte es sich um die von Weise im NB angesprochenen inkriminierten Passagen handeln. – Eine Ausgabe wie die von [1675], die auf dem Titelblatt behauptet, sie sei zum andernmahle in Druck gegeben, kann nicht die Erstausgabe sein, es muss eine frühere gegeben haben. – Die Ausgabe, die im Katalog auf [1675] datiert ist, unterscheidet sich im Satz und in den ornamentalen Beigaben deutlich von der Ausgabe von 1676; so beginnt etwa in der Ausgabe von 1676 die Widmung unter einer breiten ornamentalen Zierleiste und der Text endet nach der Aufzählung der Funktionen von Wilhelm von Kospoth mit den Worten Meinem Hochgeneigten Patron und Beförderer (4, 1 bis 4, 10), während diejenige von [1675] Die Ausgabe mit der Datierung MDCDCV auf dem Titelblatt ist wegen der Formulierung biß auff das 1688ste Jahr fortgesetzet eindeutig auf die Zeit nach 1688 zu datieren.

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nicht nur auf die Zierleiste verzichtet, sondern auch viel mehr Text komprimiert auf der Seite unterbringt (4,1 bis 4, 14). – Bei der Ausgabe von [1675] handelt es sich also definitiv um einen vollständigen Neusatz; es kann hier somit nicht lediglich ein Bogen umbgesetzt worden sein. Daraus ergibt sich allerdings zwangsläufig die Frage: Gibt es eine Ausgabe, die weitgehend identisch ist mit der Erstausgabe und nur partiell überarbeitet wurde? – Die Formulierung auf dem Titelblatt der Ausgabe von 1676: Anit­ zo aber an unterschiedenen Orten verbeßert und zum Druck befrdert könnte sich nicht auf eine vorhergehende Ausgabe des Klugen Hoff-Meister, sondern auf die Fundamentall. Historie beziehen. Dieser Punkt wäre aber noch zu überprüfen, denn die Fundamentall. Historie datiert aus dem Jahr 1677, also mit Sicherheit nach der Erstausgabe. – Alle folgenden Ausgaben mit Ausnahme von F basieren in ihrer Textgestalt nicht auf der Ausgabe von 1676, sondern auf der von [1675]. Dafür kann es im Prinzip nur eine Erklärung geben: Der maßgebliche Text findet sich nach Weises Vorgabe in der Ausgabe, die die Kataloge auf [1675] datieren; es kann sich dabei also nicht um die erste – fehlerhafte – Ausgabe handeln.14 Diese Überlegungen führen zu dem Schluss, dass die Ausgabe von [1675] auf diejenige von 1676 folgt und demzufolge später zu datieren ist; sie stammt also höchstwahrscheinlich aus dem Jahr 1677 und ist, wie auch die identische Ausgabe von 1677, eine (vorerst) letztgültige Überarbeitung des gesamten Werkes. Weise hat in dieser Ausgabe (D) sein NB eingefügt und damit seine schriftstellerische Arbeit am Klugen Hoff-Meister abgeschlossen – zumindest bis der Tod von Wilhelm von Kospoth eine neue Überarbeitung der einleitenden Worte und in Teilen auch des gesamten Bandes notwendig machte. Offen musste allerdings vorerst bleiben, wie die Worte Denn es war Anfangs ein Bogen gleichsam zur Probe gedruckt / und weil 14 Die Ausgaben K und folgende basieren auf Weises Überarbeitung aus dem Jahr 1688, also auf J.

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nicht gnug Exemplaria waren zugeschossen worden / so muste er wieder umbgesetzt werden genau zu verstehen sind, denn als eine bloße Umsetzung kann die Ausgabe von 1677 nicht gesehen werden, da nicht nur der Text, sondern eben auch sämtliche ornamentalen Beigaben, insbesondere die Zierleisten zu Beginn aller Kapitel, geändert wurden. Vor diesem Hintergrund stellte sich als nächstes die Frage, ob die beiden nun auf 1677 datierten – bis auf das Titelblatt identischen – Ausgaben als wirklich zwei voneinander zu unterscheidende Ausgaben anzusehen sind. Beantwortet hat die Frage schließlich ­Christoph Boveland, der auf Empfehlung von Jörn Münkner, beide von der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, um eine Expertise gebeten wurde. Seiner Durchsicht des Materials verdankt sich die Erkenntnis, dass die Ausgaben von [1675] und 1677 satz- und druckidentisch sind; die ursprüngliche Datierung auf [1675] ist somit falsch, was sich auch aus dem Titelblatt ergibt, das aus demselben Satz stammt wie dasjenige der Ausgabe von 1677 – Boveland geht davon aus, dass das Jahr nur in einem Teil der Auflage fehlt und während des Druckes in der Druckform ergänzt wurde, es sich somit nur um einen einfachen Setzfehler handelt, der schnell korrigiert wurde. Um den alten Katalogeinträgen Rechnung zu tragen, werden die beiden Ausgaben im Folgenden als zwei unterschiedliche Fassungen des Jahres 1677 – eine ohne Jahreszahl und eine mit – als D und E betrachtet. Christoph Boveland ist auch ein weiterer Hinweis zu verdanken, der für die Edition des 23. Bandes der Weise-Edition von Bedeutung ist, weil er die oben formulierte Frage: „Gibt es eine Ausgabe, die weitgehend identisch ist mit der Erstausgabe und nur partiell überarbeitet wurde?“ beantwortete: Ja, es gibt nicht nur eine Ausgabe von 1676, sondern zwei verschiedene, was (bislang) in den Katalogen ebenfalls nicht verzeichnet und nur durch Autopsie zu entdecken war. Weises bereits zitierte Formulierung : HIer ist mit wenigem zu erinnern / daß in der ersten EDITION ein Irrthum mit dem Bogen A vorgelauffen. Denn es war Anfangs ein Bogen gleichsam zur Probe gedruckt / und weil nicht gnug Exemplaria waren zugeschossen

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worden / so muste er wieder umbgesetzt werden. Also beliebte es dem AUTORI noch etwas zu verbessern (16, 1) gilt nicht erst für die Ausgabe von 1677, sondern bereits für eine Überarbeitung aus dem Jahr 1676, in der eine Reihe von Mängeln aus A stillschweigend verbessert, aber noch nicht in einem NB bezeichnet worden sind. Das NB, das in einer zweiten Überarbeitung in D bzw. E erstmalig aufgenommen und schließlich für alle folgenden Ausgaben bis einschließlich I von 1685 übernommen wurde, fehlt allerdings auch in B, was dazu führte, dass bislang die beiden Ausgaben des Jahres 1676 als eine einzige – identische – angesehen wurden, da eine eingehendere Autopsie nicht vorgenommen worden war. Auch vor diesem Hintergrund muss die Geschichte der Ausgaben des Klugen Hoff-Meister also neu geschrieben werden. Insgesamt lässt sich der Verlauf der Drucke grob in drei Phasen einteilen: Die ersten Ausgaben (A, B, D und E) erschienen bei Timotheus Ritzsch – Im Ritzschischen Buchladen, wie dem Titelblatt zu entnehmen ist – in Leipzig und Frankfurt in den Jahren 1676 und 1677. Ihnen allen ist auf den ersten Blick eines gemein: das Frontispiz. Nur in diesen Ausgaben ist es gezeichnet mit N. H. F., bei sämtlichen späteren handelt es sich um eine mehr oder weniger gute Kopie des Originals. Gestochen hat es Nikolaus Häublin; nach Nagler15 war er als Zeichner und Kupferstecher […] in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Leipzig thätig, arbeitete aber auch in anderen Städten. Er hinterliess Portraite in der Manier des Claude Mellan, und auch radierte Bildnisse. Auf solchen Blättern kommt das Monogramm vor. Häublin liess aber auch F weg, und desswegen kommt er auch unter dem Zeichen N H vor.

15 G. K. Nagler (Bearb.): Die Monogrammisten und diejenigen bekannten und unbekannten Künstler aller Schulen, welche sich zur Bezeichnung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens, der Initialen des Namens, der Abbreviatur &c. bedient haben. München 1864, Nr. 2426.

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Über allen Frontispizen16 steht in Kapitälchen der lateinische Satz: A Teneris adsuescere Multum est, der eine Zeile aus Vergils Georgica, Lib. II 272 leicht modifiziert. Dort heißt es: adeo in teneris consuescere multum est – übersetzt: „von früher Jugend an ist an vieles zu gewöhnen“, was sich ohne große Umschweife auf die Thematik des Buches anwenden lässt. Erst auf den zweiten Blick ist eine Reihe von Unterschieden zwischen der Häublinschen Arbeit und den Kupfer-‚Kopien‘ sämtlicher späterer Ausgaben ab F – unabhängig vom jeweiligen Verlag – zu erkennen; neben der fehlenden Signatur sind es vor allem die Feinheit der Pflanzenblätter, die Ausarbeitung des Zirkels und einzelne Buchstaben, insbesondere des großen M von Multum. Beispielhaft sei nachfolgend das Frontispiz der Ausgabe von 1689 als Verdeut­ lichung der Abweichungen von den Ritzschischen Ausgaben aus den Jahren 1676 und 1677 vorgestellt (vgl. S. 262). Für den 23. Band der Sämtlichen Werke Weises gilt also: Die Erstausgabe des Klugen Hoff-Meister aus dem Jahr 1676 ist A; eine Überarbeitung ebenfalls aus dem Jahr 1676 ist B. Die Fundamentall. Historie läuft wegen ihres Erscheinungsjahrs und ihres Bezuges zu B unter der Sigle C. Ein (auf dem Titelblatt undatierter) Neudruck aus dem Jahr 1677 hat die Sigle D und ein damit völlig identischer Druck mit dem Datum 1677 auf dem Titelblatt ist E. Grundlage und damit editio princeps für die im vorliegenden Band der Sämtlichen Werke abgedruckte Fassung des Klugen Hoff-Meister ist die Ausgabe D; das hier vorgestellte Titelkupfer stammt aus der Ausgabe B, weil die Qualität des Kupfers wegen

Nicht in allen Exemplaren der jeweils überlieferten Ausgaben ist ein Frontispiz vorhanden; dieser Umstand wird im Folgenden ignoriert. So hat beispielsweise das für die vorliegende Edition genutzte Exemplar von O kein Titelkupfer. Da es jedoch in einem anderen Exemplar dieser Ausgabe vorhanden ist, wird bei ihrer Auflistung stillschweigend unterstellt, dass auch das hier genutzte Exemplar (aus der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Berlin) ursprünglich eines hatte.

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e­ iniger Unsauber­keiten weder bei D noch bei E für einen Druck ausreichend ist.17 Zur Begründung für diese Entscheidung ist festzuhalten, dass erst D (bzw. E) durch die erste Einfügung des NB (16, 1) als die früheste definitiv autorisierte Fassung des Textes zu gelten hat, da diese Ausgabe die beiden vorhergehenden Ausgaben A und B mit den Worten daß in der ersten Edition ein Irrthum mit dem Bogen A vorgelauffen. Denn es war Anfangs ein Bogen gleichsam zur Probe gedruckt / und weil nicht gnug Exemplaria waren zugeschossen worden / so muste er wieder umbgesetzt werden als fehlerhaft bezeichnet. Aus diesem Grund wurde D auch für eine Reihe von Jahren die Grundlage für Neudrucke (G, H, I). Durch das NB in der Ausgabe von 1677 hat der Kluge Hoff-Meister erst seine endgültige Form erreicht, unabhängig von der späteren Überarbeitung des Jahres 1688 (J), die nach dem Tod Wilhelm von Kospoths notwendig wurde. A (1676) Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister / ǀ Das ist / ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hoffmeister seine Un- ǀ tergebenen in den Historien unterrichten / und ǀ sie noch bey junger Zeit also anfhren sol / damit ǀ sie hernach ohne Verhinderns die Historien ǀ selbst lesen und ntzlich anwenden ǀ knnen. ǀ Vormahls ­unter dem Titul ǀ Der Fundamental-Historie ǀ zusammen getragen: ǀ Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbeßert ǀ und zum Druck befrdert ǀ Von ǀ Christian Weisen ǀ  ǀ Mit Churfl. Der Kluge Hoff-Meister steht damit in der Tradition von Weises Roman Die drey rgsten Ertz-Narren In der gantzen Welt, ursprünglich aus dem Jahr 1672, bei dem die Wiedergabe aufgrund mangelhafter Drucke A und B ebenfalls einem späteren Druck, in diesem Fall C, folgte. Vgl. Christian ­Weise: Sämtliche Werke, Bd. XVII. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. Bearbeitet von ­Hans-Gert Roloff und Gerd-Hermann Susen. Berlin/New York 2006

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Schs. PRIVILEGIO. ǀ Franckfurt und Leipzig ǀ Im Ritzschischen Buchladen zu finden. ǀ  ǀ Weißenfels ǀ Gedruckt bey Joh. Brhln / 1676. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standorte der Exemplare: Mainz, Stadtbibliothek und Gutenberg-Museum Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Der Erstdruck weicht in der Widmung durch umfangreichen ornamentalen Schmuck und eine größere Schrift um eine Seite vom Druck der Ausgaben von 1677 ab und kann im Prinzip daher als ‚repräsentativer‘ gelten. Neben einzelnen, durch den Setzer bedingten Unterschieden findet sich hier lediglich ein (vermuteter) Eingriff Weises: Und über die] Und überdieß die 4, 18 Auffallend sind im weiteren Verlauf folgende regelmäßige Differenzen im Satz: Während A und B stets Deutschland schreiben, heißt es in D immer Teutschland; auch schreibt A stets frantzösisch, während es in D überall frantzöisch lautet.18 Darüber hinaus finden sich in A bei Jahresangaben stets Anno oder Ao., während B und D lediglich einen Punkt nach der Zahl setzen. Ob kleinere Änderungen wie ward Carolus M. in Franckreich König (in B und D; 17, 13) anstatt ward Carolus M. König in Franckreich (A) auf Weise zurückgehen, Weise selbst hat sich in seinem (umgearbeiteten) NB in der Ausgabe J von 1688 dazu geäußert: Wer die letzten Editiones dieses Buches ansiehet / und meine andern Schrifften dargegen hält / der wird gedencken / als wenn ich in der Orthographie ziemlich unbeständig wäre / in dem geschrieben ist Teutsch / Frantzöisch / England etc. Da ich sonst nach der gewöhnlichen Art schreibe / Deutsch / Frantzoisch / Engelland. Doch ich weiß nicht wer in meiner Abwesenheit solche Künste vor sich selbst practi­ciret hat / und da er vielleicht seinem Verstande nach dergleichen Schreibart angenommen / hat er gemeintet / die gantze Schrifft müsse sich mehr nach seiner Einbildung / als nach dem Autor richten.

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scheint fraglich; dennoch werden dergleichen Varianten im Folgenden mitgeteilt. Allerdings zeigen sie prinzipiell, wie Weise seine Texte ausgearbeitet und auch umgestaltet hat, und deshalb sollen sie in dieser Ausführlichkeit dargestellt werden. 16, 1 NB. bis GOTT befohlen] fehlt in A 17, 19 hatte / so] hatte / (davon die Italiänische Historie melden sol) so 18, 21 Sachsen / auff] Sachsen / vermuthlich aus Witikinds Nachkommen / auff 19, 10 Schweitz / zum] Schweitz / anno 1273. zum 23, 5 absonderlich der von Sachsen / zu Cadan in Böhmen sich zu einer gütlichen Genehmhaltung bewegen ließ;]   absonderlich der von Sachsen / bald hernach zu einer gütlichen Genehmhaltung bewegen ließen. Damit endet in A Kapitel XI. 26, 12 Also gieng Ferdinandus mit auff Passau / und beschloß noch dasselbe Jahr den bekannten Passauischen Vertrag / da der Augspurgischen Confession Verwandten in den völligen Reichs-Frieden mit eingeschlossen worden.]   Also muste Ferdinandus den Vertrag zu Passau noch Anno 1552 eingehen / da der Augspurgischen Confeßion Verwandten in den völligen Reichs-Frieden mit eingeschlossen worden. 29, 11 seiner eingebildeten Gewalt nach] seiner vollkommenen Gewalt nach 29, 22 Denn sie bezogen sich auf den geistlichen Vorbehalt / das ist / auff den Artickel des Religion-Friedens / da Fer­ dinandus I. in Krafft Käyserlicher Vollmacht beschlossen hatte / wer von geistlichen Personen die Religion änderte / solte der Beneficien / doch seiner Ehren unschädlich / verlustig seyn. Doch weil die Protestirenden sich niemahls darzu verstanden / sondern allezeit darwider gesprochen hatten / wolte man auch diesesmahl bey dem alten Rechte bleiben. Denn gewiß / wenn dieses hätte geschehen sollen / so wäre das gantze Lutherthum in

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30, 7

30, 19 30, 20 30, 25

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­ atholische Hände gerathen.]   Und gewiß wenn dieses C hätte geschehen sollen / so wäre das gantze Lutherthum in Catholische Hände gerathen. INzwischen nahm der Wallensteiner bis zum Ende des Kapitels]   INzwischen nahm der Wallensteiner Meckelburg ein / und weil ihm Pommern so wol gelegen war / wolte er es darzu haben / damit er eine volle Herrschafft über die Ost-See erlangen könnte. Wie es auch Stralsund belägerte / und sich vernehmen ließ / wenn es mit Ketten am Himmel gebunden wäre / so wollte er darüber trium­ phiren. Und gleichwol hatte der Herzog in Pommern nichts gethan / als daß er ohne Ursach die Keyserliche oder Wallensteinische Besatzung nicht annehmen wollte. Also hatte Gustavus Adolphus König in Schweden gute Gelegenheit in Deutschland einzufallen. Denn erstlich gab er vor / seine Vettern die Herzoge zu Meckelburg wären unbilliger Weise aus ihrem Gebiete vertrieben; Darnach wollte er nicht leiden / daß sich der Wallensteiner einen Herrn über die Ost-See nennete; Und endlich waren andere Ursachen / welchr zu weitleufftig sind. Hiermit kam er Ao. 1630. in die Insel Rügen an / und jagte die Keyserlichen mit schlechtem Widerstande aus Pommern und Meckelburg. INzwischen] INgleichen derhalben 1631.] derhalben Anno 1931. die Schlacht vor Leipzig / da die Protestirenden endlich sahen / daß ihre Sache nicht gantz verspielet war.]   die Schlacht vor Leipzig / da die Keyserlichen auch lernten / daß einer / der nun über zwölff Jahr gesieget hätte / wieder verspielen könnte. NAch diesem vertrauete der Keyser dem Wallensteiner / der etwas in Ungnaden gewesen / wiederumb das Ober-Commando: Doch wäre dieser listige General nicht 1634. zu Eger überfallen worden / so hätte eine Verrätherey mögen ausbrechen / welche dem Hause Oester-

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reich schlechten Vortheil würde gebracht haben. Indessen führete Graf Oxenstirn die Schwedische Armee / und setzte den Krieg]   HIerauff nahm Graff Oxenstirn das Schwedische Commando auf sich und setzte den Krieg  31, 27 gepflogen ward / so ward von Sachsen und Beyern ein allgemeiner Stillstand 1646. beliebt / da unterdessen Franck­reich und Schweden mit dem Keyser noch ferner zu thun hatten.]   gepflogen ward / beliebten sie auff allen Seiten Anno 1646. einen Stillstand der Waffen.  Dies ist die letzte Korrektur in Bogen A, auf die sich Weise in seiner Anmerkung NB bezieht. In der Folge werden noch vereinzelte Rechtschreibkorrekturen vorgenommen; so wurde etwa aus welche sich asolweit (in A und B) zu welche sich also weit (35, 18). Einige Eingriffe scheinen jedoch auch in den späteren Bögen noch auf Weise zurückzugehen, da sie inhaltliche Änderungen betreffen. Diese werden im Folgenden aufgeführt.  40, 23 1568] 1658 Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf Weises Errata-Liste in A, S. 312, zurück.  40,29 Holländer sich mit ihren Schiffen noch in England auffgehalten hatten/]  Holländer sich noch in Engelland auffgehalten hatten/  41, 2 daß sie einen andern Auffenthalt suchen solten.] daß sie mit ihren Schiffen einen andern Auffenthalt suchen solten.  41, 16 Wiewol die Stände auch hierdurch Anlaß bekamen / die Gentische Pacification zu schließen / davon unten Cap. 9. num. 8. gedacht wird.]  fehlt in A  43, 8 1605. das alte Feuer] 1650. das alte Feuer Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf Weises Errata-Liste in A, S. 312, zurück.  60, 2 Denn Franciscus I. machte] Denn Franciscus machte Die Ordnungszahl wird zwar als Kustode gesetzt, aber auf der folgenden Seite vergessen.   91, 15 Columbulam] Colunolam 108, 11 8000. Mann] 80000. Mann

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109, 20 VOr dieser Zeit war die Unruhe mit den Cosacken angegangen. Denn dieses Volck wohnet in der Ukraine umb den Fluß Dnieper oder Borysthenes, hat die Griechische Religion / und ist allezeit mehr unter dem Schutze als unter der vollkommenen Herrschafft des Königs in Polen gewesen. Weil nun 1638. die Jesuiten eine Reformation vornehmen wolten / und über dieses der Brantewein-Handel den Juden versetzet ward / waren sie sehr auffrührisch / also daß der König alle Soldaten unter ihnen abdancken / und den gewöhnlichen Ducaten nebenst einem Zippelpeltze jährlich nicht reichen wolte. Nach dieser Zeit war der Cosackische General Bogdan Chmilinzky von etlichen Polen beleidigt worden / und als er die Klage bey dem Könige Uladislao anbrachte / hörete er diesen Bescheid:]   ZU dieser Zeit gieng die Unruh mit den C ­ osacken an. Denn dieses Volck wohnet in der Ukraine umb den Fluß Dnieper oder Borysthenes, hat die Griechische Religion / und ist allzeit mehr unter dem Schutze als unter der vollkommenen Herrschafft des Königs in Polen gewesen. Nun war der Cosackische General Bogdan Chmilinzky von etlichen Polen noch bey Lebzeiten Königs Vladislai beleidigt worden / und als er die Klage bey dem Könige anbrachte / hörete er diesen Bescheid / 185, 14 1635.] 1625. Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf Weises Errata-Liste in A, S. 312, zurück. 186, 3 1633.] 1623. Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf Weises Errata-Liste in A, S. 312, zurück. 203, 4 Schwaben] Schweden 206, 4 Immittelst bitte ich / etliche geringe Druckfehler / wo sie auch vorkommen möchten / selbst zu verbessern.]   Immittelst bitte ich / etliche geringe Druckfehler / wo sie auch vorkommen möchten / selbst zu verbessern. Hir will ich nichts nennen / als vier Jahr-Zahlen / welche in Eil versehen sind. Pag. 39. pro 1658 l. 1558.

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Pag. 43. pro 1650 l. 1605. Pag. 277. pro 1625. l. 1635 Pag. 278. pro 1623. l. 1633. B (1676)

Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister / ǀ Das ist / ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hoffmeister seine Un- ǀ tergebenen in den Historien unterrichten / und ǀ sie noch bey junger Zeit also anfhren sol / damit ǀ sie hernach ohne Verhinderns die Historien ǀ selbst lesen und ntzlich anwenden ǀ knnen. ǀ Vormahls unter dem Titul ǀ Der Fundamental-Historie ǀ zusammen getragen: ǀ Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbeßert ǀ und zum Druck befrdert ǀ Von ǀ Christian Weisen ǀ  ǀ Mit Churfl. Schs. PRIVILEGIO. ǀ Franckfurt und Leipzig ǀ Im Ritzschischen Buchladen zu finden. ǀ  ǀ Weißenfels ǀ Gedruckt bey Joh. Brhln / 1676. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standorte der Exemplare: Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Tübingen, Universitätsbibliothek Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek19 Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Laut Auskunft der Bibliothek ist die gesamte Signaturengruppe beim Brand im Jahr 2004 vernichtet worden; allerdings ist die Aufarbeitung der Buchfragmente noch nicht so weit gediehen, dass die Bezeichnung „vermut­ licher Verlust“ in „definitiver Verlust“ zu ändern wäre. Ob es sich bei dem ehemals vorhandenen Exemplar um die Ausgabe A oder die Ausgabe B handelte, kann zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt werden. Die Einschätzung,

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Von der Ausgabe A konnten nur zwei Exemplare ermittelt werden, von der Ausgabe B hingegen fünf (gerechnet ohne das (vorerst?) nicht mehr identifizierbare Weimarer Exemplar); diese Verteilung legt nahe, dass der fehlerhafte Druck des ersten Bogens von Ausgabe A in mindestens 10 % der Drucke zu finden ist. Es hat offensichtlich einige Zeit gedauert, bis Weise die Fehler bemerkte. Da diese heute allerdings lediglich durch eine genauere Autopsie festzustellen sind, ist es wenig verwunderlich, dass bislang stets nur von einer Ausgabe des Jahres 1676 ausgegangen wurde.  4, 18 Und über die] Und überdieß die 16, 1 NB. bis GOTT befohlen] fehlt in B Durch abweichenden Zeilenfall und variierende Schreibweisen lässt sich erkennen, dass der gesamte Bogen A, beginnend mit Kapitel I, in B neu gesetzt wurde; so unterscheiden sich beispielsweise die Schreibweisen von bekandt (A) und bekant (B) in 17, 6 oder durcheinander (A) und durch einander (B) in 17, 9. Gemäß den Prinzipien dieser Edition werden solche Setzer-Varianten20 allerdings nicht verzeichnet. Auch bleibt unbeachtet, dass in Bogen A bereits, wie in D insgesamt, Jahreszahlen nicht mehr mit Anno oder Ao. eingeleitet werden; auch findet sich hier noch zweimal die Form frantzösisch, die in D nicht mehr vorkommt. 40, 23 1568] 1658 Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf Weises Errata-Liste in B, S. 312, zurück. 40,28 Holländer sich mit ihren Schiffen noch in England auffgehalten hatten/]  Holländer sich noch in Engelland auffgehalten hatten/ 41, 2 daß sie einen andern Auffenthalt suchen solten.] daß sie mit ihren Schiffen einen andern Auffenthalt suchen solten.

dass es sich um ein Exemplar B handelt, beruht allein auf der Verteilung aller überlieferten Exemplare A und B. 20 Vgl. dazu unten V.

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 41, 16 Wiewol die Stände auch hierdurch Anlaß bekamen / die Gentische Pacification zu schließen / davon unten Cap. 9. num. 8. gedacht wird.]  fehlt in B  43, 8 1605 das alte Feuer] 1650 das alte Feuer Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf Weises Errata-Liste in B, S. 312, zurück.  60, 2 Denn Franciscus I. machte] Denn Franciscus machte Die Ordnungszahl wird zwar als Kustode gesetzt, aber auf der folgenden Seite vergessen.   91, 15 Columbulam] Colunolam 108, 11 8000. Mann] 80000. Mann 109, 20 VOr dieser Zeit war die Unruhe mit den Cosacken angegangen. Denn dieses Volck wohnet in der Ukraine umb den Fluß Dnieper oder Borysthenes, hat die Griechische Religion / und ist allezeit mehr unter dem Schutze als unter der vollkommenen Herrschafft des Königs in Polen gewesen. Weil nun 1638. die Jesuiten eine Reformation vornehmen wolten / und über dieses der Brantewein-Handel den Juden versetzet ward / waren sie sehr auffrührisch / also daß der König alle Soldaten unter ihnen abdancken / und den gewöhnlichen Ducaten nebenst einem Zippelpeltze jährlich nicht reichen wolte. Nach dieser Zeit war der Cosackische General Bogdan Chmilinzky von etlichen Polen beleidigt worden / und als er die Klage bey dem Könige Uladislao anbrachte / hörete er diesen Bescheid:]   ZU dieser Zeit gieng die Unruh mit den Cosacken an. Denn dieses Volck wohnet in der Ukraine umb den Fluß Dnieper oder Borysthenes, hat die Griechische Religion / und ist allzeit mehr unter dem Schutze als unter der vollkommenen Herrschafft des Königs in Polen gewesen. Nun war der Cosackische General Bogdan Chmilinzky von etlichen Polen noch bey Lebzeiten Königs Vladislai beleidigt worden / und als er die Klage bey dem Könige anbrachte / hörete er diesen Bescheid /

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185, 14 1635.] 1625. Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf ­Weises Errata-Liste in B, S. 312, zurück. 186, 3 1633.] 1623. Die Korrektur dieser Jahreszahl geht auf ­Weises Errata-Liste in B, S. 312, zurück. 203, 4 Schwaben] Schweden 206, 4 Immittelst bitte ich / etliche geringe Druckfehler / wo sie auch vorkommen möchten / selbst zu verbessern.]   Immittelst bitte ich / etliche geringe Druckfehler / wo sie auch vorkommen möchten / selbst zu verbessern. Hir will ich nichts nennen / als vier Jahr-Zahlen / welche in Eil versehen sind. Pag. 39. pro 1658 l. 1558. Pag. 43. pro 1650 l. 1605. Pag. 277. pro 1625. l. 1635 Pag. 278. pro 1623. l. 1633. C (1677) Der Kluge Hoff-Meister ist, so sagt es das Titelblatt über alle Ausgaben bis einschließlich I hinweg, die Fortschreibung eines vormahls unter dem Titel Fundamental-Historie verfassten Werkes.21 Die Formulierung Weises zusammen getragen lässt jedoch nicht unbedingt darauf schließen, dass er das Werk vor Erscheinen des Klugen Hoff-Meister als selbständige Schrift veröffentlicht hat; zumindest wird an keiner Stelle im Text ein früherer Druck erwähnt, und ein

Diese Aussage auf dem Titelblatt hat offenbar auch einige Bibliothekare bzw. Archivare veranlasst, die Fundamental-Historie als Vorläufer des Klugen Hoff-Meister anzusehen. So findet sich etwa im VD17 (Stand 7. Dezember 2022) zur Ausgabe G im Verlag von Georg Heinrich Frommann aus dem Jahr 1681 in der Rubrik „Bibliogr. Zusammenhang“ der Vermerk „Früher u. d. T.: Weise, Christian: Der Fundamental-Historie“ (zum Exemplar in Rostock) bzw. in der Rubrik „Anmerkungen,“ nahezu gleichlautend, „Früher u. d. T.: Weise, Christian: Fundamentall Historie“ (zum Exemplar in Leipzig).

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solcher ist auch in keinem Katalog zu finden. Tatsächlich ist die Fundamental-Historie erst 1677 unter dem Titel Fundamentall. Historie in Rostock erschienen. Fundamentall. ǀ Historie / ǀ Sonst genandt ǀ Der Kluge Hoffmeister ǀ Zusammen getragen ǀ von ǀ Christian Weisen / ǀ So itzo aber auf seine eigenen Unkosten ǀ zum Druck hinwieder / und zwar in je- ǀ genwertige Form / befodert hat, ǀ H. M. I. ǀ C. R. ǀ ANNO M. DC. LXXVII. Frontispiz: Das Augsburger Exemplar (Signatur: Stw 11.393), das den Herausgebern zur Verfügung stand, ist Teil eines Sammelbandes mit mehreren eingebundenen Werken. Ein Frontispiz ist hier nicht vorhanden; ob das Original eines enthielt, kann nicht geklärt werden, da das Greifswalder Exemplar wegen einer Bibliotheksrenovierung nicht einsehbar war. Im KVK wird weiter eine Ausgabe in der BSB München aufgeführt, dies allerdings nur, weil eine künftige Digitalisierung (des Augsburger Exemplars) durch die BSB geplant ist. Ein Exemplar ist in München nicht vorhanden. Paginierung: 2, 220 S. Standorte der Exemplare: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek Greifswald, Universitätsbibliothek Die Fundamental-Historie ist jedoch keineswegs, wie es das Titel­ blatt der Hoff-Meister-Ausgaben A bis I suggeriert, der Druck ­einer (möglicherweise handschriftlichen) Grundlage für den Klugen Hoff-Meister, sondern ein Teilnachdruck von B. Dies lässt sich anhand einer Autopsie nachweisen; der Druck folgt stets B und nicht A bzw. D oder E. Bei der Fundamental-Historie handelt es sich um eine gekürzte Fassung von B; ihr fehlen nicht nur die Widmung, das Vorwort inkl. Weises Anmerkung zu den Mängeln eines ersten Druckes – somit der gesamte Text vor dem ersten Kapitel (über die Geschichte Deutschlands) –, sondern auch die diversen im Klugen Hoff-Meister

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publizierten Stammbäume der jeweils regierenden Geschlechter – ohne einen Hinweis, dass die Vorlage für die Fundamental-Historie wesentlich ausführlicher ist. So leitet etwa D die erste Genealogie (38, 29) mit den Worten ein: Dannenhero als er starb 1580. / erhub sich ein Streit unter den Erben / welcher aus der beygefügten Genealogie am besten zu verstehen ist: mit nachfolgender Darstellung der Kinder des spanischen Königs. Anschließend geht es in einem neuen Absatz weiter mit: Denn es fragte sich / ob des Bruders Tochter / oder der Schwester Sohn … In C findet sich lediglich ein einziger Absatz: Dannenhero als er starb A. 1580. / erhub sich ein Streit unter den Erben. Denn es fragte sich / ob des Bruders Tochter / oder der Schwester Sohn … Ebenfalls fehlt eine Passage, die Weise am Ende des neunten Kapitels in B formuliert (162, 24): SOweit habe ich sonsten die also genannte Fundamental-Historie ausgeführet. Alldieweil aber die teutsche Historie wegen der vielfältigen Fürstlichen Häuser sehr weitläufftig ist / und in einem Capitel nicht gar zu wol kan beschlossen werden: als habe ich hier einen Anhang beygefüget. […]  Und wil ich dergleichen Arbeit / welche zu tieff in das Jus publicum, oder in die Notitiam Imperii hinein läufft / entweder andern überlaßen / oder doch zum wenigsten auff eine künfftige Gelegenheit versparen. Den gesamten Passus, in B knapp anderthalb Seiten, ignoriert die Fundamental-Historie, wie auch bereits der inhaltliche Abschluss des Vorhergehenden aufgrund von Platzknappheit gekürzt wurde: Aus dem auf den Englischen Frieden von 1674 sich beziehenden Satz GOTT helffe / daß sie22 mit uns des Friedenschlusses bald genießen mögen. wird einfach – und daher unverständlich: GOtt helfe. In der Fundamental-Historie (und im Klugen Hoff-Meister) folgen nun noch die Kapitel über Sachsen sowie über Lothringen und Savoyen. Auch aus diesem Umstand kann geschlossen werden, dass die Vorlage für die Fundamental-Historie nicht eine frühere (un­

Gemeint sind die Holländischen Provinzen.

22

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Christian Weise

publizierte) Fassung des Hoff-Meister war, sondern dass die Aus­ gabe B einfach neu gesetzt wurde. Der B beschließende Teil, das zwölfte Kapitel, Von Etlichen Begebenheiten / Ohne welche die Historie von Teutschland nicht wol mag verstanden werden, fehlt in der Fundamental-Historie ganz. Sämtliche kleineren Lesarten im Satz sind den bereits oben unter II. kurz erwähnten, unten in V. ausführlicher beschriebenen Freiheiten des Setzers geschuldet und werden deshalb hier nicht einzeln aufgeführt, denn es ist davon auszugehen, dass Weise in die Entstehung dieser Fundamental-Historie nicht eingebunden war. Aller­ dings verfügt dieser Druck, anders als die anderen Ausgaben, über ein Inhaltsverzeichnis, in dem die einzelnen Länder mit den dazugehörigen Seiten aufgeführt sind. Auch wurde die in B am Ende des Bandes gedruckte Errata-Liste in der Fundamental-Historie zur Korrektur der entsprechenden Jahreszahlen genutzt. In Auftrag gegeben (und auch bezahlt) hat den Druck der Rostocker Notar Heino Meyer, auf den das Kürzel H. M. I. C. R. (= Heino Meyer Iuris Consultus Rostochiensis) verweist. So schlüsselt zumindest der BibliotheksVerbund Bayern das Kürzel auf; nach anderen Quellen – etwa dem Rostock University Publication Server – handelt es sich um den Anwalt Heinrich Meyer Junior23, der nicht allein einen Nachdruck von Weises Hoff-Meister finanzierte, sondern auch beispielsweise Aus Petri Lindenbergii, Rostocker Chronicken / ­Kurtzer / an etzlichen Orthen aber vermehrter / Außzug / begreiffend etzliche darin enthaltene Bürgerliche Sachen / so auff eigen Kosten zum Druck befodert hat / H. M. J. Das ursprünglich unter dem Titel Chronicon Rostochiense 1596 bei Myliandrus in Rostock herausgekommene Werk erschien 1677 ebenfalls in Rostock bei ­Riechel. Nach Friedrich Bachmann (Bearb.): Die landeskundliche Literatur über die Grossherzogtümer Mecklenburg. Bibliographische Zusammenstellung. Güstrow 1889 (Nr. 5045a*) sowie Karl Koppmann (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock. Heft 1, Rostock 1890, S. 4, sind Heino Meyer und Heinrich Meyer identisch.

23

Nachwort der Herausgeber

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Aus editionswissenschaftlicher Perspektive ist der Druck der Fundamental-Historie zu vernachlässigen, da es sich mit großer Sicherheit um eine unautorisierte Fassung handelt – man könnte wohl auch von einem ‚Raubdruck‘ sprechen; für die Weise-Rezeption ist er dagegen durchaus von Bedeutung, belegt er doch, dass eine Übersicht über die Geschichte der europäischen Länder auch im norddeutschen Raum auf großes Interesse stieß – warum sonst hätte Meyer den Band nachdrucken lassen sollen? D ([1677]) Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister / ǀ Das ist / ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hoff-Meister seine ǀ Untergebenen in den Historien unterrichten / ǀ und sie noch bey junger Zeit also anfhren sol / da- ǀ mit sie hernach ohne Verhindernß die Histo- ǀ rien selbst lesen und ntzlich anwenden ǀ knnen. ǀ Vormahls unter dem Titel ǀ Der Fundamental-Historie ǀ zusammen getragen: ǀ Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbes- ǀ sert und zum andernmahle in Druck ǀ gegeben ǀ Von ǀ Christian Weisen ǀ  ǀ Mit Churfl. Schs. PRIVILEGIO. ǀ  ǀ Franckfurt und Leipzig ǀ Im Ritzschischen Buchladen zu finden. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standort des Exemplars: Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Weitere Exemplare befinden sich in: Hannover, Gottfried Wilhelm Leibnitz Bibliothek Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Die Ausgabe D bzw. die bis auf das Titelblatt identische Ausgabe E ist die editio princeps für den vorliegenden Band. Insgesamt sind die im Folgenden gelisteten Eingriffe der Herausgeber zu verzeichnen:

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Christian Weise

9, 6 nach dem] nachdem   14, 6 Geschichten] Geschichte   22, 13 Niederländischen] Niederländische   25, 27 Und] und   29, 7 Brandenburg] Brandeburg   33, 15 dreyzehende] deryzehende   35, 16 König in England] Köni-in England   38, 20 Anfang] Ansang   39, 9 der Schwester] der chSwester   41, 19 wird.] wird   43, 18 verbieten] verbieen   43, 19 Sicilien] Sivilien   46, 21 vereinigten] vereinigte   50, 8 gar leicht] garleicht   53, 13 werden] werdet   55, 16 VIII.] VIII   58, 24 er wolte] erwolte   61, 4 gefangenen] gefangene   68, 24 glückseliger laßen] glückseligerlaßen   70, 5 Engländer] Englander 70, 13 III.] III   73, 31 erzehlet/] erzehlet   80, 18 Reformirten] Reformiren   88, 2 Frantzöischer] Frantzöicher   94, 9 1536.] 1536   96, 12 1598.] 1598   98, 13 Curiösität] Cariösität   99, 11 König] Konig   99, 27 Denn] Den   100, 3 gehalten ward/] gehalten / ward/   104, 23 hat.] hat   108, 8 bekam] bokam   116, 5 den Pabst] Pden abst   118, 6 1223.] 1223   120, 28 XXIII.] XXXIII. Hier handelt es sich um einen inhaltlichen Eingriff; der Gegenpapst Johannes XXIII. amtierte von 1410 bis 1415.   122, 21 meistentheils] meistentheis   125, 24 ein.] ein,   126, 4 erfuhr] erfahr   127, 3 zeugen/] zeugen   129, 1 zu langen] zulangen   129, 10 Geschichten] Geschichte   130, 22 also] aso   132, 21 XXXI.] XXX.   133, 4 wider] wieder Die heutige orthographische Unterscheidung zwischen ‚wieder‘ im Sinne von ‚erneut‘ und ‚wider‘ im Sinne von ‚gegen‘ wurde zu Weises Zeit nicht gemacht, wie Grimms Wörterbuch (Sw. wi(e)der) zu entnehmen ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, wurde gegebenenfalls eingegriffen.   140, 17 395.] 395   141, 14 797.] 797   142, 24 WEil] WEeil   146, 19 Keyser] Keysey   147, 3 Bruder] Bruden   148, 4 Keysern)] Keysern   149, 31 geschrieben] geschreiben   154, 1 IX.] VIII.   154, 18 Unei-nigkeit] Unei-einigkeit   155, 27 1315.] 1215.   165, 22 AO.] AO   166, 1 schlechtem] schechtem   166, 2 Vergleich] Vergelich   167, 6 wider] wieder   167, 29 ließen/] ließen   168, 16 auff einmahl] auffeinmahl   170, 14 ereignete] ereigenete   172, 23 Stamm-Herr] Stamm Herr   178, 11 1615.] 1615   185, 16 Ao.] Ao   189, 14 Erklärung] Erkärung   191, 7

Nachwort der Herausgeber

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Tochter] Tochtor   191, 20 worden. Weil] worden / Weil   191, 21 Gewalt. Die] Gewalt / Die   193, 9 Reli-gion / Reli-gien/   195, 4 Buzbach.] Buzbach   195, 7 Homburgensis.] Homburgensis   202, 24 Schwartze] Schwartze/   204, 30 Oesterreich] Oesterrich E (1677) Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister / ǀ Das ist / ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hoff-Meister seine ǀ Untergebenen in den Historien unterrichten / ǀ und sie noch bey junger Zeit also anfhren sol da- ǀ mit sie hernach ohne Verhindernß die Histo- ǀ rien selbst lesen und ntzlich anwenden ǀ knnen. ǀ Vormahls unter dem Titel ǀ Der Fundamental-Historie ǀ zusammen getragen: ǀ Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbes- ǀ sert und zum andernmahle in Druck ǀ gegeben ǀ Von ǀ Christian Weisen ǀ  ǀ Mit Churfl. Schs. PRIVILEGIO. ǀ  ǀ Franckfurt und Leipzig ǀ Im Ritzschischen Buchladen zu finden. ǀ 1677. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standorte der Exemplare: Augsburg, Universitätsbibliothek Bayreuth, Universitätsbibliothek Berlin, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF München, Bayerische Staatsbibliothek F (1681) Mit dem Tod des Verlegers Timotheus Ritzsch am 1. Februar 1678 im 65. Lebensjahr endet die erste Phase der Drucke des Klugen Hoff-Meister. Benjamin Christoph Ritzsch, sein zweiter Sohn, über-

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nahm den väterlichen Betrieb und führte ihn noch einige Zeit weiter.24 In den elektronischen Katalogen werden nach 1678 unter dem Namen Ritzsch nur noch wenige Veröffentlichungen angezeigt. Neben einigen Werken von Christian Weise (Politischer Redner und Neu-Erleuterter Politischer Redner) handelt es sich im Wesentlichen um lateinische Publikationen von Johann Joachim Zimmermann und Benedict Carpzov. Zuletzt ist der Name Ritzsch – bzw. der von Timotheus Ritzsch‘ Schwiegersohn Jacob Gerdesius – im Jahre 1700 zu finden. Allein der Umstand, dass in etwa die Hälfte aller Drucke der Nachfolger von Timotheus Ritzsch aus nichtliterarischen – vorwiegend lateinischen – Werken von Christian Weise bestand, belegt nicht nur die offensichtlich enge Verbindung, die zwischen dem Autor und seiner Verlegerfamilie bestand, sondern auch die Bedeutung von Weise als Lehrbuchautor jener Zeit. Die zweite Phase der Drucke des Klugen Hoff-Meister umfasst lediglich ein Jahr – 1681 – mit immerhin den drei Ausgaben F, G und H. Alle entstanden bei Timotheus Ritzsch’ Nachfolgern: bei Benjamin Christoph Ritzsch und bei Timotheus‘ beiden Schwiegersöhnen: bei Bartholomäus Molau und bei Georg Heinrich Frommann. Eine Durchsicht der drei Bände führt zu der zunächst doch überraschenden Erkenntnis, dass ihre Vorlagen keineswegs identisch sind, was vor dem Hintergrund der bisherigen Druckgeschichte eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Die bei Benjamin Christoph Ritzsch verlegte Ausgabe (hier: F) hat als Grundlage A, während Georg Heinrich Frommann (hier: G) und Bartholomäus Molaus Witwe (hier: H) dagegen korrekt D bzw. E als Vorlage verwendeten. Darüber hinaus ist festzustellen, dass Ritzsch, Frommann und Molau jeweils verschiedene (jetzt allerdings ungezeichnete) Frontispize nach der Vorlage von Nikolaus Häublin anfertigen ließen. Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister. ǀ Das ist: ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hoffmeister seine ǀ Untergebenen in 24 So schreibt es J. Braun in der Allgemeinen deutschen Biographie, Bd. 28, Leipzig 1889, S. 705.

Nachwort der Herausgeber

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den Historien unterrichten / ǀ und sie noch bey junger Zeit also anfhren sol ǀ damit sie hernach ohne Verhindernß ǀ Die Historien selbst lesen und ntzlich ǀ anwenden knnen. ǀ Vormahls unter dem Titul ǀ Der Fundamental-Historie ǀ zusammen getragen: ǀ Anitzo aber an unterschiedenen Orten verbes- ǀ sert und zum Druck befrdert ǀ Von ǀ Christian Weisen. ǀ  ǀ Franckfurt und Leipzig ǀ Im Ritzischen Buchladen zu finden.  ǀ Weißenfelß / ǀ Gedruckt bey Joh. Brhln / 1681. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standorte der Exemplare: Halberstadt, Das Gleimhaus Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Leipzig, Universitätsbibliothek Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Zwei Unterschiede lassen sich in der Ausgabe von Ritzsch im Vergleich zu A feststellen: Da ist zunächst die Datierung der Widmung, die nun lautet: Weissenfels, den 31. Dec. 1680 – eine Änderung, die die anderen beiden Ausgaben des Jahres 1681 nicht haben. Da ­Weise schon seit 1678 Rektor des Zittauer Gymnasiums war, dürfte die Angabe auf Ritzsch zurückgehen und nicht mit dem Autor abgesprochen sein. Dann hat F die Errata-Liste am Ende von A umgesetzt und die entsprechenden Fehler im Satz korrigiert. Auf weitere durch den Setzer bedingte Varianten soll hier nicht eingegangen werden. G (1681) Der Kluge Hoff-Meister ist das einzige Buch Weises, das von ­Georg Heinrich Frommann herausgebracht wurde; der inhaltliche Schwerpunkt seines Verlagsprogramms lag eher auf evangelischer Erbauungs­literatur, wie etwa August Pfeiffers Evangelische Erquick-­

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Stunden Oder Auserlesene / anmuthige / lehrreiche / auff den Kern der ordentlichen Evangelien eingerichtete und applicirte / und frommen Christen zu ihrer Sabbatischen Seelen-Lust dienliche Exempel und Historien (1683) belegt. Die Ausgaben G und H sind identisch und unterscheiden sich nur minimal in einem Punkt auf dem Titelblatt; während bei Frommann zu lesen ist: Franckfurt und Leipzig / Bey Georg Heinrich Frommann / Buchhndl. zu finden. 1681 steht bei Molau: Franckfurt und Leipzig / Bey Barthol Molauens sel. Witwe zu finden. 1681. Der Setzer musste also lediglich den Verlegernamen austauschen und konnte den gesamten Satz (inklusive des Frontispizes) für beide Verlage verwenden. Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister ǀ Das ist / ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hof-meister ­seine ǀ Untergebenen in den Historien unterrichten / ǀ und sie noch bey junger Zeit also anfhren soll / da- ǀ mit sie hernach ohne Verhinderniß ǀ die Historien selbst lesen und ntzlich anwenden ǀ knnen. ǀ Vormals unter dem Titel ǀ Der Fundamental-Historie ǀ zusammen getragen: ǀ Anitzo aber auffs neue vermehrt und verbessert / ǀ und zum dritten Mal in Druck gegeben ǀ Von ǀ Christian Weisen. ǀ Mit Churfl. Schs. Privilegio. ǀ Franckfurt und Leipzig / ǀ Bey Georg Heinrich Frommann / ǀ Buchhndl. zu finden. ǀ 1681. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standorte der Exemplare: Eutin, Landesbibliothek Halle, Franckesche Stiftungen Bibliothek Leipzig, Universitätsbibliothek Rostock, Universitätsbibliothek

Nachwort der Herausgeber

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Diese Ausgabe ist zusammen mit der Ausgabe H die erste mit farbigem Titelsatz; in der Folge werden die meisten ebenfalls mit roter Farbe gesetzt. Zugleich wurden noch einige Fehler, die hier unter den Eingriffen bei D zu finden sind, verbessert, beispielsweise Curiösität statt Cariösität (98, 13) oder den Pabst statt Pden abst (116, 5); einige andere dagegen – etwa XXXI. statt XXX (132, 21) blieben unkorrigiert. H (1681) Der Verlag von Molau ist der kurzlebigste von denjenigen, die den Klugen Hoff-Meister publizierten. Zwischen 1678 (dem Todesjahr von Timotheus Ritzsch) und 1681 (dem Erscheinungsjahr des Hoff-Meister) erschienen laut VD17 lediglich sechs Bücher, davon zwei religiösen und zwei politischen Inhalts. Bereits Valentin Albertis Gründliches Gutachten / über Etliche neu aufgewärmte Päpstische Schrifften aus dem Jahr 1679 trägt den Vermerk: bey Barthol. Molaus / sel. Wittib zufinden. Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister / ǀ Das ist / ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hof-meister seine ǀ Untergebenen in den Historien unterrichten / ǀ und sie noch bey junger Zeit also anfhren soll / da- ǀ mit sie hernach ohne Verhinderniß die Historien ǀ selbst lesen und ntzlich anwenden ǀ knnen. ǀ Vormals unter dem Titel ǀ Der Fundamental-Historie. ǀ zusammen getragen: ǀ Anietzo aber auffs neue vermehrt und verbessert. ǀ und zum dritten Mal in Druck gegeben ǀ Von ǀ Christian Weisen. ǀ Mit Churfl. Schs. Privilegio. ǀ Franckfurt und Leipzig / ǀ Bey Barthol Molauens sel. Witwe ǀ zu finden. ǀ 1681. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12°

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Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standorte der Exemplare: Erfurt, Universitätsbibliothek Erfurt / Forschungsbibliothek Gotha Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek I (1685) Vier Jahre nach den vorhergehenden Ausgaben beginnt die letzte, längste Phase der Druckgeschichte; der Kluge Hoff-Meister erschien erneut, diesmal bei Johann Caspar Meyer in Frankfurt und Leipzig. Es blieb, neben den lateinischen Werken Schediasma Curiosum De Lectione Novellarum (1685) und Nucleus Logicae (1691), das einzige deutschsprachige Werk Weises, das Meyer während seiner Wirkungszeit von 1682 bis 1706 verlegte. Vorlage für die Ausgabe ist D bzw. E; allerdings finden sich einige neue Fehler im Satz, vor allem bei den Jahreszahlen. Manche dieser Fehler wurden in den folgenden Ausgaben korrigiert, weil sie offensichtlich waren, andere ziehen sich durch bis in die letzte Ausgabe von 1704. Einige Beispiele werden in den Varianten zu den jeweiligen Bänden angesprochen. Wie auch schon die drei vorhergehenden Verleger ließ Meyer das Frontispiz neu stechen, verzichtete dabei aber ebenfalls auf die Signatur des Stechers. Es handelt sich bei I um die letzte Ausgabe, die Wilhelm von Kospoth gewidmet ist. Möglicherweise ist dies damit zu begründen, dass Meyer und Weise erst sehen wollten, ob das immerhin schon neun Jahre alte Werk noch auf Interesse stieß, bevor sich Weise mit Blick auf aktuelle Vorkommnisse an eine umfangreichere Überarbeitung machte und dazu auch einen neuen Widmungsempfänger suchte. Der ǀ Kluge Hoff- ǀ Meister / ǀ Das ist / ǀ Kurt­ ze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hof-Meister seine ǀ Untergebenen in den Historien unterrichten / ǀ und sie noch bey junger Zeit also anfhren soll ǀ damit sie hernach ohne Verhinderniß die Historien ǀ selbst lesen und ntzlich

Nachwort der Herausgeber

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anwenden ǀ knnen. ǀ Vormals unter dem Titul ǀ Der Fundamental-Historie ǀ zusammen getragen: ǀ Anietzo aber auffs neue vermehret und verbes- ǀ sert / und zum Druck gegeben ǀ Von ǀ Christian Weisen. ǀ Mit Churfl. Schs. Privilegio. ǀ  ǀ Franckfurt und Leipzig ǀ Verlegts Johann Caspar Meyer. ǀ Gedruckt bey Joh. Wilhelm Krgern / 1685. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 12 Bl., 312 S. Standorte der Exemplare: Berlin, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF Braunschweig, Universitätsbibliothek der TU Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Tübingen, Universitätsbibliothek Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Zittau, Christian-Weise-Bibliothek  6, 22 24, 19

begreiffen?] begreiffen 1521] 1522 Im Gegensatz zu anderen Fehlern zieht sich dieser nicht durch die weitere Druckgeschichte. 29, 19 dieses 1629ste Jahr] dieses 1627ste Jahr 31, 25 1642] 1442 Dieser Fehler, der durch die umliegenden Jahreszahlen leicht als solcher zu erkennen ist, findet sich lediglich noch in J. 41, 18 davon unten Cap. 9. num. 8.]  davon unten Cap. 7. 9. num. 8. 41, 29 Brabantischen] Hier endet in I S. 40, während in D noch zwei weitere Zeilen vorhanden sind. Bislang waren beide Ausgaben stets textidentisch auf den Seiten. Durch den großzügigen Druck von S. 41 in D gelang es dem Setzer, S. 41 in I wieder entsprechend der gleichen Seite in D zu beenden. 47, 6 nachdem Philippus IV. 1665. starb] nachdem Philippus IV. 1675. starb Dieser Fehler zieht sich durch alle folgenden

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Ausgaben, da er als solcher nicht ohne Weiteres zu erkennen ist; Philipp IV. starb am 17. September 1665.  59, 5 1529. zu Camerich] 1525. zu Camerich  65, 15 1625. zum obersten] 1652. zum obersten  69, 11 umb das Jahr 495.] um das Jahr 1495.  75, 20 schloß sie 1559.] schloß sie 1556.  80, 7 daraus gejaget] Ab S. 106 laufen D und I in ihren Seiten bis zum Ende von S. 109 asynchron.  80, 8 Endlich starb er 1625.] Endlich starb er 1652.  89, 1 Das V. Capitel] Das IV. Capitel  93, 18 nach zehen Jahren 1559. im 77. Jahre seines Alters] nach zehen Jahren 1559. im Jahr seines Alters Dies ist ein Fehler, der allein in dieser Ausgabe zu finden ist. 108, 11 mit 8000. Mann voran/] mit 80000 Mann voran/ 110, 19 so waren doch 1654./] so waren doch 1554./ 120, 1 auch 1296. durch eine Heyrath] auch 1269. durch eine Heyrath 123, 6 Julius II. 1513.] Julius II. 1512. 137, 21 Petrus 1547.] Petrus 1546. 192, 12 1599. da endlich der Keyser] 1589. da endlich der Keyser 195, 3 Ludovicus † 1604.] Ludovicus † 1583. 202, 14 Otto III. sein Sohn † 1002] Otto III. sein Sohn † 1001 203, 34 Und 1257. erwehlten] Und 157. erwehlten 205, 1 sein Bruder von 1531.] sein Bruder von 1931. 205, 7 Ferdinand III. sein Sohn † 1657] Ferdinand III. sein Sohn † 1656 J (1688) Obwohl Wilhelm von Kospoth bereits am 26. November 1678 gestorben war und mittlerweile vier neue Ausgaben erschienen waren, dauerte es noch bis zur Ausgabe von 1688, ehe Weise eine neue Widmung schrieb. Bei der Gelegenheit griff er letztmals in den Text des Buches ein, und zwar in einem umfangreicheren Maße als bei den

Nachwort der Herausgeber

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Überarbeitungen der Jahre 1676 und 1677. Mit dieser Ausgabe nahm der Kluge Hoff-Meister seine letztgültige Gestalt an. Christian Weisens ǀ Kluger Hoff- ǀ Meister / ǀ das ist ǀ Kurtze und eigentliche Nach- ǀricht / wie ein sorgfltiger Hoffmeister ǀ seine Untergebenen in den Historien un- ǀ terrichten / und sie noch bey junger Zeit also ǀ anfhren sol / damit sie hernach ohne ver- ǀ hinderns die Historien selbst lesen und ǀ ntzlich anwenden ǀ knnen / ǀ Bißhero zu unterschiede- ǀ nen mahlen heraußgegeben / ǀ vorietzo aber ǀ aufs neue ber sehen / an vielen ǀ Orten verbessert / und biß auf das ǀ ietzige Jahr fortgesetzet. ǀ Mit Chur Schs. Privilegio. ǀ  ǀ Leipzig und Franckf. ǀ M. DC. LXXXVIII. ǀ Verlegts Johann Caspar Meyer. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 13 Bl., 323 S. Standorte der Exemplare: Berlin, Bibliothek der Stiftung Deutsches Historisches Museum Berlin, Akademie der Wissenschaften Greifswald, Universitätsbibliothek Halle, Franckesche Stiftungen Bibliothek Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Diese Ausgabe ist die erste, die auf die Erwähnung Vormals unter dem Titul Der Fundamental-Historie zusammen getragen auf dem Titelblatt verzichtet; dennoch hat Weise seine Anmerkung SOweit habe ich sonsten die also genannte Fundamental-Historie ausgeführet. (162, 24) bei seiner Überarbeitung nicht gestrichen, obwohl sie ja ihren Bezug verloren hat und für den Leser daher unverständlich wird.

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4, 1

Dem Wohlgebohrnen Herrn HERRN

Friedrich von Koßpoth/

auf Seubtendorff und Wölffis / Churfl. Sächs. Hochansehnlichen Geheimen Rath / auch hochbestalten Ober Aufseher der Graffschafft Manßfelt/ und Creiß-Einnehmern der Graffschafft StollBerg etc. Meinem Hochgeneigten Patrone.

Wolgebohrner Herr. Ich unterstehe mich eine Kühnheit zu begehen / welche grosser Entschuldigung von nöthen hat. So unbekand als ich bin / so getrost hab ichs gewagt / dero Erlauchten Nahmen dieser geringen Schrifft vorzusetzen. Und nichts kan mich rechtfertigen / als daß auch zuvor ein Preißwürdiger Koßpoth an diesem Orte gestanden hat. Dero wohlseliger Herr Bruder ließ sich nunmehro vor dreyzehen Jahren die Zuschrifft wohl gefallen: und da ich zwar nicht wissen kan / ob meine Begierde der vornehmen Jugend zudienen / oder ob meine bloße observantz zur damahligen Affection etwas contribuiret; so werde ich mich gleichwol in der Hoffnung nicht versündigen / wenn ich mir auch dieses mal ein geneigtes Gesicht versprechen wolte. Die Brüderliche Tugend / die Liebe zur courieusen Wissenschaft / und das Verlangen der Politischen Welt nützlich zu seyn / macht das Andencken einer wohlseligen Person desto unsterblicher. So wol auch die ähnlichen Lineamente des Gesichtes von einer ungemeinen Gleichheit zeugen müssen / so wenig kan derjenige Diener hier unglückselich seyn / der sich albereit an einem Orte gewisser Gütigkeit hat erfreuen dürffen. Dannenhero geruhen Sie mit geneigten Händen anzunehmen /

Nachwort der Herausgeber

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was einem Koßpothe vor diesem angestanden hat. Sie massen sich gleichsam einer Brüderlichen Erbschafft an / und bestätigen den vormahligen Ausspruch / daß ich mich als einen Koßpothischen Diener rühmen möge. Denn womit ich sonsten die genossene Gnade belohnet habe / darinnen sol auch ietzo meine Vergeltung bestehen. Ich wil sagen / was dem Vermögen abgehet / das sol ein demüthiger Wunsch ersetzen: daß der grosse GOtt zu dem selbst belieblichen Aufnehmen Dero Preißwürdigen Familie, so dann auch zu allen hohen Verrichtungen / welche sich mit dem Wachsthum des Vaterlandes verbunden haben / alles Segenreiche ge­ deyen ertheilen wolle. Dergestalt soll mein Mund und meine Feder stets in der Bekändtnüs bleiben / daß ich lebenslang heissen werde E. Wolgebornen Excellentz Zittau den 1. Octob. Unterdienstlich gehorsamer 1688 Christian Weise. 6, 1 Geneigter Leser NAchdem ich an eine neue Edition dieses zwar kleinen / aber gleichwol offt verlangten Buches / gedencken sol / so kan ich nicht vorbey etwas zu erinnern / warum ich mich bewegen lassen / hin und wieder einige Dinge zuverändern. Denn als ich anfangs diese fundamental Historie zusammen trug / geschah es an einem Orte / da ich von allen Büchern entblösset war / und also meinem Gedächtnüsse das meiste zutrauen muste. Wie es nun zu geschehen pfleget / daß man bey solchen Fällen etliche Dinge auf das genaueste nicht untersuchen kan; so hätte ich nach der Zeit wohl wünschen mögen / an unterschiedenen Orten einige Reforma­tion anzustellen. Immittelst weil ich von dem geschriebenen Exem­plar in Drucke nicht abweichen durffte / wofern ich dazumal etliche vornehme Personen in ihrer Vergnügung nicht turbiren wolte: bin ich zufrieden gewesen / daß alles unverändert bleiben möchte: indem absonderlich bey der Junged keine Gefahr daher entstehen konte. Nun ich aber nachgehends gemerckt / daß die geringen Sachen mehr beliebet worden / als ich Anfangs hätte ­hoffen können;

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habe ichs endlich der Mühe werth geacht / alles mit Fleiß durchzugehen / und gewisse Redens-Arten nach der Historie besser einzurichten / etliche Dinge gantz auszulassen / und vornehmlich die Historien biß auf unsre Zeit zu continuiren. Sonsten beziehe ich mich auf die Vorrede der ersten Edition, welche nochmahls hier wiederholet wird. Und was ich wegen der Chronologischen Tabellen hin und wieder gedacht / darinnen habe ich mir zwar besser gerathen / also daß ich von Christi Geburth / biß auf unsere Zeit / etwas aufgesetzet / und alles dergestalt eingerichtet habe / damit weder zu viel noch zuwenig / und doch genung vorhanden ist. Allein ich kan es nicht zum Druck geben / wenn ich nicht selbst darbey bin / und daß ich in meiner Druckerey Anstalt darzu machen sol / das will mir auch / wegen gewisser Schrifften / nicht wol angehen. Im übrigen kan ich dieses nicht verhalten / daß ich ehstes / wo Gott Gnade verleyht / meine Politicam curiosam in deutscher Sprache heraus zugeben gedencke / darin ich weisen will / wie ein rechtschaffener Hoffmeister seinen Untergebnen die Politischen Principia de naturâ Reipubl. 2. die Notitiam Rerum publ. specialium. 3. den Anfang zur also genandten Statistica, bey bringen könne. Denn ich kan billich nicht mehr als den Anfang dieses dritten Theiles versprechen / da man die lebendige Vollkommenheit mehr in geheimen Cantzleyen / in Gesandschafften / in hohen Zusammenkünfften / das ist / unter activen Staats-Leuten zuerwarten hat. Da ich nun dieses versprochne Werck nicht gar zulange schuldig bleiben will / wünsche ich in gesegneter Friedens-Zeit allen geneigten Liebhabern recommendirt zu seyn. 13, 4

mit was vor Lust die Sachen zu lesen sind / wenn man schon von den Haupt-Stücken einen ziemlichen Vorschmack erhalten hat.]   wie begierig das das Gemüthe und wie glücklich der Fortgang in den übrigen sey / wenn man schon von den Haupt-Stücken einen ziemlichen Vorschmack erhalten hat.

Nachwort der Herausgeber

291

16, 1 NB NOch etwas weniges mus hier erinnert werden. Wer die letzten Editiones dieses Buches ansiehet / und meine andern Schrifften dargegen hält / der wird gedencken / als wenn ich in der Orthographie ziemlich unbeständig wäre / in dem geschrieben ist Teutsch / Frantzöisch / England etc. Da ich sonst nach der gewöhnlichen Art schreibe / Deutsch / Frantzoisch / Engelland. Doch ich weiß nicht wer in meiner Abwesenheit solche Künste vor sich selbst practiciret hat / und da er vielleicht seinem Verstande nach dergleichen Schreibart angenommen / hat er gemeinet / die gantze Schrifft müsse sich mehr nach seiner Einbildung / als nach dem Autor richten. Und würde ich meine Ungedult etwas empfindlicher gewiesen haben / wenn ich bey dieser läppischen und einfältigen Censur einige Gefahr im Wercke selbst hätte besorgen müssen. Doch habe ich einmahl bey Gelegenheit daran gedencken / und einem iedweden raisonablen Menschen dieses anheim stellen wollen / wie ungereimt in einem Buche die kahlen Buchstaben verwechselt werden / nachdem der Autor capable gewesen ist / die Sachen und die Worte vor sich in Ordnung zu bringen. Mit einem Worte: ich halte von der deutschen Schreibart am meisten / wie sie in hohen Raths Stuben und Cantzleyen gebraucht wird / und also gefält mir auch die Orthographie am besten / welche man dahero zu lernen hat. Nochmahls zu allem Glücke befohlen. 20, 15

21, 26

Oder daß ich recht sage / der Brandenburgische Gesandte / welcher auff seines Chur-Fürsten Befehl den Oesterreicher wehlen solte / gab sein Votum, wider des Herrn Wissen / dem Hertzoge in Beyern: davor er auch in dem Gefängnüß Hungers sterben muste. Zwar was die beyden Keyser belanget / so behielt doch Ludwig die Oberhand.]   wiewohl nach vielen Streiten behielt doch Ludwig die Oberhand. 1437] 1436 Dieser sicher auf den Setzer zurückgehende Fehler zieht sich, wie auch die meisten falschen Jahreszahlen im Folgenden, durch sämtliche späteren Ausgaben –

292

25, 1

25, 3 27, 30 28, 14 29, 6 30, 10 31, 25 32, 7 32, 15 33,21

Christian Weise

mit Ausnahme der von 1704, die an dieser Stelle 1439 hat. Kaiser Sigismund starb am 9. Dezember 1437 in Mähren. lieber wider alle Lutherisch-gesinnte wolte ergehen laßen / so] lieber auf alle die jenigen extendiren wollte / welche sich bishero in ihrer Lehre nach dem Pabste nicht gerichtet hatten: So Lutheraner] Evangelischen zum Könige in Böhmen vorschlug] zum Könige in Böhmen hatte Krönen lassen: die gantze Pfaltz] die Chur-Pfalz ALso erklärte der Keyser die Vornehmsten in die Acht/] ZUvor aber hatte der Keyser die Vornehmsten dieses Creisses in die Acht erkläret belagerte] belagert hatte 1642] 1442 Elsas] die Landgraffschafft Elsas zu welcher Jahres-Zeit] zu anfang des Jahres Nun steht es noch bey GOTT / ob dieses instehende Jahr 1676. einen bestätigten Friede oder einen continuirten Krieg mit sich bringen werde.] fehlt in J; ergänzt hat Weise die folgenden Abschnitte:

XXXI. DIeser Streit ward 1679. durch den Nimägischen Frieden wieder beygeleget. Doch also daß Franckreich ziemlichen Vortheil darbey gehabt. Und nachdem sich unterschiedene Neuerungen wiederum hervor thun wolten / sonderlich als 1681. die Stadt Straßburg in Frantzösische Hände verfiel / war keine geringe Apparentz zum Kriege biß 1684. zu Regenspurg ein zwantzig Jähriger Stillstand getroffen war / welcher bißanhero zwischen Furcht und Hoffnung ist erhalten worden. Vornehmlich weil Franckreich etwas wieder Chur-Pfaltz zuhaben vermeinet. Denn 1685. starb Carolus Churfürst zu Heidelberg ohne Erben / und succedirte ihm der

Nachwort der Herausgeber

293

n ­ ächste agnate Philipp Wilhelm Hertzog zu Neuburg. Weil aber des verstorbenen Chur-Fürstens Fr. Schwester an den Hertzog von ­Orleans des Königs in Franckreich Bruder vermählet ist / so mangelt es an vielfältiger Praætension nicht / und stehet zu erwarten wie das Werck möchte gehoben werden. Gott helffe das alle redliche Patrio­ten / welche wegen des Deutschen Friedens bekümmert seyn / sich mit der Zeit in ihrer Furcht betrogen finden.

XXXII. SOnsten war dem Vaterlande nicht wol zu muthe / wie der Türcke noch vor Außgange des getroffenen Stillstandes seine Armee in Ungarn führte / und 1683. die Stad Wien belagerte. Gleichwol da Gott die Gnade gegeben hat / daß der Entsatz glücklich von statten gegangen / und die Türckische Macht in schändlicher Confusion zurücke gejaget worden / sind numehr der Welt die Augen auffgethan / daß man sich vor dem Orientalischen Waffen so gar ein stoltzes concept nicht weiter machen darff. Es ist auch bey so vielen Victorien sonderlich nach dem die Hauptstadt Ofen wieder­ um in Käyserliche Devotion kommen die Sache mit dem Königreiche Ungarn in einen solchen Stand gesetzet / daß zu Ende des Jahres 1687. und also noch bey Lebzeiten des Käysers die Stände den Erb-Printz Joseph zum Könige angenommen / und sich hiermit unterschiedener Rechte begeben haben. 34, 24 38, 8 40,3 45, 4

daß alle Jüden] daß alle verstockte Jüden eingeäschert worden.] eingeäschert / und hernach eben so prächtig allerdings nicht repariret worden. ein/ ] völlig ein/ Doch der Sache ward mit Gewalt gerathen / indem Johann von Olden-Barneveld / das Haupt der Arminianischen faction, im 73. Jahr seines Alters öffentlich enthauptet ward / die andern / unter welchen der berühmte Hugo Grotius, in das Gefängnüß gewiesen worden. Also

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Christian Weise

fing sich 1618. zu Dortrecht ein allgemeiner Synodus an / da nicht allein die Holländischen Theologi, sondern auch andere aus Teutschland / Franckreich / England / Schweitz / und wo sich sonst Reformirte auffhielten / zusammen kamen. Und da wurden die Arminianer mit ihrer Lehre verdammet / und aus dem vereinigten Niederlande gewiesen. Wiewol diese Glaubens-Genoßen hernach / als die Gefahr nicht so groß mehr war / 1625. wiederumb / iedoch mit gewissen Bedingungen / eingenommen worden.]   Doch der Sache ward mit Gewalt gerathen / indem zu Dortrecht 1618. ein allgemeiner Synodus angesetzet ward / da nicht allein die Holländischen Theologi, sondern auch andere aus Deutschland / Engelland / Schweitz / und wo sich sonst Reformirte auffhielten / zusammen kamen. Und da wurden die Arminianer mit ihrer Lehre verdammet. Johann von Olden-Barneveld / das Haubt von der Arminianischen Faction, ward im 73. Jahr seines Alters öffentlich enthaubtet / viel andere / darunter auch der berühmte Hugo Grotius, musten in das Gefängnüß / und alle welche sich zu dieser Lehre bekanten / sollten aus den vereinigten Niederlanden gewiesen werden. Wiewol diese Glaubens-Genossen hernach / als die Gefahr nicht so groß mehr war / 1625. wiederum / iedoch mit gewissen Bedingungen / eingenommen worden. 47, 6 1665] 1675 48, 29 Wie das Glücke noch lauffen wird / solches stehet bey GOtt. Doch sieht man allbereit / daß die Frantzosen etwas von ihrer hochmüthigen Hoffnung nachgelaßen haben. Und wird ein beständiger Friede von beyderseits Unter­thanen verlanget.]   Darbey aber Spanien wenig Vortheil gehabt / indem die Graffschafft Burgund nebenst andern Niederländischen Städten in Nimägischen Frieden 1679. an Franckreich muste überlassen werden. Auch nach dem Frieden wurde auf der Seite von Franckreich viel Dependentien hervor gesucht / welche noch zu den

Nachwort der Herausgeber

50, 10 52,24 53, 5

53, 21 53, 22 54, 6 55, 16 57, 20

58, 19

295

abgetretenen Plätzen gehören sollten / also daß es wieder zur ruptur kam / darbey Luxemburg und viel Plätze mehr verlohren gingen / biß endlich 1684. der zwanzig Jährige Stillstand auch an diesem Orte die gesamten Länder etwas ruhig gemacht hat. das meiste Theil einnahm/] etwas davon einnahm/ welcher seine Gemahlin vor eine nähere Erbin hielt/] welcher wegen seiner Frau-Mutter ein näher Recht zuhaben vermeinte/ biß endlich Carolus VII. kaum eine Stadt übrig behielt und Henricus VI. König in England] zumal weil der König Carolus VI. in Franckreich seinem Sohn Carolum VII. biß auf wenig Städte enterbte / und den Feinden so viel Platz machte / daß Henricus VI. König in Engelland drey Ertz-Bischöffe] drey Ertz- oder gefürstete Bischöffe als im Römischen Reiche die Churfürsten.] als im Römischen Reiche die Fürsten und Stände. aller 17. Provintzen] der meisten Provintzen entführen ließ.] mit ihm vermählen ließ. Sonst ist dieser Krieg darumb denckwürdig / weil eben in diesem heiligen Feldzuge als Pompollona die HauptStadt in Navarren 1512. belagert ward / Ignatius Lojola von einer Stück-Kugel getroffen / und zum Soldaten-Wesen ungeschickt gemacht worden; Welcher dannenhero nach der Zeit den heiligen Jesuiter-Orden erdacht hat.] fehlt in J einsetzen. Hernach ging er 1522. in Italien / und suchte den alten Streit auff Meyland wieder hervor. Wiewol da er selbst mit zu Felde ging / ward er in der Schlacht vor Paphy 1525. gefangen / und auff Madrit in Spanien geführet.]   einsetzen / welcher Krieg darum denckwürdig ist / weil Ignatius Lojola, der sich in der Haubt-Stadt ­Pompolana befand / auch etlicher Meinung nach / gar Commandante darinnen gewesen / in der Belagerung durch eine Stückkugel getroffen / und zum Soldaten-­

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Wesen ungeschickt gemacht worden. Dannenhero er nach der Zeit den Jesuiter-Orden eingeführet hat. Als dieser Krieg nicht wol von statten ging, suchte ­Franciscus den alten Streit mit Meyland wiederum hervor da er in Person mit zu Felde zog / ward er in der Schlacht vor ­Paphy 1525. gefangen / und auff Madrit in Spanien ge­führet. 60, 7 erstgebohrnen Sohne] jüngsten Sohne 62, 9 und machte sie dermaßen gewaltig/] dermaßen gewaltig/ 63, 7 biß ihm von der Guisischen Faction die Stadt Paris verboten wurde.] biß er sich vor der Guisischen Faction nicht länger in Pariß zubleiben getrauete. 63, 27 annahm. Und hier wäre es 1594. bald umb des Königs Leben] Biß sich der Pabst selber bewegen ließ ihm die volle absolution zuertheilen. Es wäre aber darauff 1594. bald um des Königs Leben diese Sache 1602. zu Lyon friedlich verglichen ward. Zu 64, 7 welcher Zeit] diese Sache 1601. zu Lyon friedlich verglichen ward. Nach welcher Zeit 1602. 65, 2 ZWar die Königin liebte die Außländer mehr] Zwar die Königliche Frau Mutter liebte die Außländer mehr 68, 20 Jetzt steht es dahin / wie der Krieg / welchen der Frantzose 1670. mit Lothringen / 1672. mit Holland / 1673. mit Teutschland und Spanien angefangen hat / noch ablauffen werde. Der meisten Bürger und Ausländer Wundsch geht dahin / GOtt wolle die Friedens-Tractaten glückseliger laßen fortgehen / als sie bißhero zu Cölln und ­Niemägen abgelauffen sind.]   Anno 1670. nahm der König dem Hertzoge von Lothringen sein Land. Anno 1672. kam es zu einem gefährlichen Kriege wieder die vereinigten Niederländer / darein der Käyser / Spanien / und unterschiedene Reichs-Fürsten mit eingewickelt worden / welcher doch 1679. durch den Nimägischen-­Frieden beygeleget worden. Endlich ist auch der zwantzig Jähri-Stillstand erfolget / und bishero in seinen Würden geblieben.

Nachwort der Herausgeber

75, 20 78, 11

82, 7 82, 29

88, 8

297

Indessen hat der König im Reiche selbst das Edict von Nantes 1685. wiederruffen / und eine so grausame Verfolgung wieder alle Hugonotten angefangen / daß sie entweder die Religion abschweren / oder mit höchster Gefahr sich davon begeben müssen. Was hierauff erfolgen wird / das steht in Gottes händen. zwar schloß sie 1559.] zwar schloß sie 1556. Wie auch endlich 1591. die Ost-Indische Compagnie in England bestätiget wurde. Endlich ging die Engländische Flotte 1596. auff den berühmten Ort Cadix / nahm denselben ohne sonderlichen Widerstand ein / und kehrte mit guter Beute von zwantzig Millionen zurücke.]   Wie sie denn 1591. den Weg in Ost- und West-Indien suchten / 1596 den berühmten Ort Cadis ohne sonderbaren Wiederstand überrumpelten / und mit einer guten Beute von 20. Millionen zurücke kehrten / bis endlich mit der Zeit rechte Compagnien der Kauffleute bestätiget wurden. und wolte sich in dem festen Hafen Hull besser versichern.] und wollte sich in Hull / da er ein gutes Magazin wuste / wol versichern. Nichts destoweniger führete er den König auff die Insul Wicht/] Nichts destoweniger als sich der König auf die Insul Wicht retirien wollte / nahm er ihn daselbst gefangen/ Indessen sind noch viel Engländische Trouppen in Frantzöischen Diensten geblieben / und haben sich an die scharffen Avocatoria nicht gekehret.] fehlt in J; ergänzt hat Weise den folgenden Abschnitt:

XXVIII. Nach dieser Zeit spielte der König seine Person sehr wol / in dem er außwärtig von allen streitenden Personen als ein Mediator respectiret ward / und im Reiche den Grund zu einer vollen ­Souverainität

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dermassen zulegen wuste / daß ihm die vornehmsten Städte ihre Privilegia in die Hände lieferten / die er nach seinen Gefallen ändern möchte. Dieses gab nur zu allerhand Wiederwärtigkeit Anlaß / daß kein Erbe vorhanden war: Denn also waren zwey heimliche Partheyen. Eine hielt es mit des Königs Bruder Jacobo, die andere begunte auf Jacobum, Hertzog von Montmouth, zu reflectiren / welchen der König in währenden Exilio mit einer gewissen Dame gezeuget hatte / weil dieser vorgab / der König / sein Herr Vater / wäre mit derselben Dame rechtmäßig getrauet worden. Aber als des Königs Todes-Fall erfolgte 1685. nahm der Königliche Bruder bald Possession, und als Montmouth, der dazumal ausser Landes war / mit etlichen Völckern ankam / und eine Diversion machen wolte / ward er gefangen und mit dem Beile hingericht. Nun hat sich der König Jacobus II. zur Catholischen Religion bekennet / und weil diese Religion durch scharffe Pœnal-Gesetze bißhero ist auß dem Reiche verbannet gewesen / hat er ein Edict publiciren lassen / darinnen einem jedwedern die Freyheit seines Gewissens gelassen wird. Denn also bekommen die Catholischen zum wenigsten einen sichern Fuß in dem Reiche / und stehet es dahin / ob ein Parlament werde können versamlet werden / darinnen die Pœnal-Gesetze durchaus möchten annulliret werden. 89, 1 90, 8

Das V. Capitel. ] Das IV. Capitel. Endlich starb Margareta 1412. und setzte Ericum X. Hertzogen in Pommern zum Erben ein / welcher der Inge­ burgæ Tochter-Sohn war / und allbereit 16. Jahr mit Ihr regieret hatte. Dieser Ericus starb 1439. gleichfals ohne Erben / und succedirte ihm also seiner Schwester Sohn / Christophorus, Hertzog in Beyern: welcher auch nach seinem Tode 1448. keine Erben hinterließ.]   Wiewohl dieses wollte sich allerdings nicht practiciren lassen. Immassen es die Erfahrung hernachmahls erwiesen hat. Denn als Margaretha starb 1412. setzte sie zwar ­Ericum X. Hertzogen in Pommern zum Erben ein / welcher der Ingeburgæ Tochter Sohn war / und allbereit

Nachwort der Herausgeber

90, 16

299

16. Jahr mit ihr regieret hatte. Doch dieser machte es vor eins in Schweden so bund / daß Sie den Reichs-Marschal Carolum Canuti oder Knutsohn zum Procurator des Reichs an nahmen / und die Dännemärcker waren gleichfals seiner überdrüssig / daß er 1439. in Pommern davon weichen muste / und ward also Christophorus Hertzog in Bayern / Erici Schwester Sohn / erstlich von den ­Dänen / hernach gar schwerlich von den Schweden zum Könige angenommen / welcher doch nach seinem tode 1448. keine Erben hinterließ. HIerauff erwehlten die Dennemärcker] Weise hat die Abschnitte III. bis V. weitgehend umgeschrieben:

III. HIerauf erwehlten die Dännemärcker Christianum I. Graffen zu Oldenburg / und als sie den Schweden Krafft der vormaligen Vereinigung diesen König auch recommendiren wolten / waren diese nicht zufrieden / sondern machten den vorigen Gubernator ­Carolum Canuti zum Könige. Mittlerweile ward es in Schweden so wunderlich unter einander gespielt / daß sich Carolus im Reiche nicht länger traute / und 1457. mit seinen besten Sachen heimlich nach Dantzig fortging. Also kam Christianus auch in Schweden zum Königreiche / doch mit schlechten Bestande / weil die Schweden ihren Carolum bald wieder berufften / und ihn mit grossen Unwillen der Dännemärcker wieder auf den Thron setzten. Dieser starb 1470.

IV. OB nun wol dazumal auf Dänischer Seiten viel guts versprochen ward / so blieben doch die Schweden bey ihren Gedancken. Denn sie wolten keinen König haben / sondern erwehlten des vorigen Königs Schwester Sohn Steno Stur zu ihrem Gubernator, und im

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solchem Stande starb Christianus König in Dennemack 1481. und succedirte sein Sohn Johannes, der ließ sich das Schwedische Werck eifrig angelegen seyn / biß Steno Stur 1497. sein Gouvernement abtrat und ihn zum Könige krönen ließ. Doch das fremde Regiment wolte den Schweden nicht in den Kopff / und kam also Steno Stur 1503. ziemlich wieder in seine Dignität / und als er 1504. starb ward dessen Vetter Svanto Stur zum Gubernator gesetzt / welchem 1512. sein Sohn Steno Stur der jüngere folgte / obgleich in Schweden allemal etliche Grossen überblieben / die aus Haß gegen der Sturischen Familie das Dänische Regiment gerne wieder eingeführet hätten.

V. ANno 1513. starb König Johannes, und hinterließ seinen Sohn Christianum II oder Christiernum, wie er ins gemein genennet wird. Dieser war ein grausamer Tyrann / und weil er sich in Norwegen in ein gemein Holländisch Mädgen / welches Columbulam nennete / verliebet hatte / ward er ihrer Mutter / der alten ­Sigbritta, so unterthan / daß er ohne ihr Gutbefinden nichts vornehmen wolte. Auch als er sich 1515. mit Isabella Caroli V. Schwester / vermählete / ließ er sich doch von der Concubine nicht abhalten / biß sie vielleicht aus beygebrachten Giffte / eines jählingen Todes verblich. Inzwischen wolte er das Königreich Schweden nicht aus seinen Händen lassen / und brachte eine große Macht zusammen / daher der Schwedische Gubernator in einer Schlacht überwunden / und numehr 1520. die HauptStadt Stockholm eyfrig belägert ward. Doch die Belägerung verzog sich etwas lang / und nahm Christiernus also Anlaß auf einen betrüglichen Anschlag zu gedencken. Er brachte den Schwedischen Ertz-­Bischoff / Gustav Troll, auf seine Seite / und versprach durch ihn / es solte numehr alles vergessen und vergeben seyn / wenn sie als gehorsame Unter­thanen ihre Stadt eröffnen / und den König annehmen würden. Solchen Worten traueten die Schweden / und ergaben sich.

Nachwort der Herausgeber

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Da ­gieng es nun zwey Tage in vollen Freuden her / das iederman mit dem neuen Regimente zu frieden war. Allein am dritten Tage trat der Ertz-Bischoff auff / und führete eine schwere Klage wieder die vornehmsten Herren. Also wurden 70 aus ihrem Mittel / und zwar aus dem Kerne des Schwedischen Adels / in das Gefängnüß geworffen / daraus sie nach einander auf den Marckt geführet / und unschuldig enthauptet wurden. Darauf ward den Soldaten die gantze Stadt Preiß gegeben / welche so grausam gegen alt und jung / Männer und Weiber verfahren / daß man solches wie es vom 20. November 1520. und etliche tage hernach getrieben worden / nicht unbillich das Stockholmische Blut-Bad nennen kan. 92, 11 95, 3 96, 28

97, 8

UNter solchen enthaupteten Herren] UNter denen enthaupteten Herren eines Scharffrichters Tochter/] noch eines geringeren Mannes Tochter/ Als nun die Schweden wider Polen ihre Waffen führeten / begab sichs / daß die Dänischen Schiffe welche durch den Sund in Preußen giengen / feindlich angehalten wurden; Ja die Norwegen / als Dänische Unterthanen solten sich an etlichen Orten zu Schwedischer Contribu­tion verstehen. Solches brach 1611. zu einem öffentlichen Kriege aus/]   Als nun die Schweden in Pohlen und Moßkau die Waffen mit ziemlichen Successe führten / meinte der König in Dännemarck / es würde nunmehro gelegen seyn gegen Schweden zu agiren und gab also vor / der König in Schweden schriebe sich Herr über Lapland / auf der Norwegischen Gräntze würden allerhand Neuerungen gesucht / auch auf der See würde alles unsicher gemacht: Damit brach es 1611. zu einem öffentlichen Kriege hinaus/ und nicht alle Kinder und Weiber ohne Unterscheid niedergehauen. Hierauff wird erzehlet / Carolus IX. in Schweden habe Christianum IV. in Dennemarck zu einem Duell ausgefodert: Doch dem sey endlich wie ihm

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wolle / das ist gewiß/]   indem sie mit allen Kindern und Weibern ohne unterscheid sehr unbarmherzig umgegangen. Ob hierauf Carolus IX. den Christianum IV. zu einem Duell außgefodert / das lassen wir dahin gestellet seyn. Das ist gewiß/  97, 12 bald hierauf/] bald hierauf 1611.  97, 14 welche an Pfaltz-Zweybrück vermählet ward / davon König Carolus Gustavus gebohren ist / wie unten sol erzehlet werden.]   die an Pfaltz Zweybrück vermählet ward / davon König Carolus Gustavus gebohren ist / wie unten soll erzehlet werden. Was den Krieg betrifft / so ward er Anfangs noch eifrig fortgesetzt / bis endlich ein Friede 1613. beliebet ward / welcher auch in folgender Zeit so feste gehalten worden / daß 1619. die beyden Könige Persönlich auf den Gräntzen mit einander in ein Gespräche traten / und einander aller Freundschafft versicherten.  98, 11 allbereit 1634.] allbereit 1628. 100, 10 VOn dieser Zeit an] Weise hat Abschnitt XIX. weitgehend überarbeitet und noch einen Abschnitt XX. beigefügt.

XIX. Hierauff starb der König in Dännemarck Fridericus III. 1670. und hinterließ die Crone seinem Erstgebohrnen Sohne Christiano VI. welcher sich allbereit mit einer Casselischen Printzessin vermählet hatte. Immittelst blieb Schweden bey ziemlicher Autorität / und ob sie wol mit in die Tripel Alliance traten / hatte diese Crone doch die Ehre bey allen streitenden Partheyen die mediation auf sich zunehmen / biß entlich bey dem Holländischen Kriege 1672. die Frantzösische Parthey wiederum erwehlet ward. Da sich nun Brandenburg wieder Franckreich erklärte / und in eigner Person in Elsas gieng / zogen die Schweden 1675. in die Marck / und wolten den Churfürsten dahin bringen / daß er zurücke ziehen sol-

Nachwort der Herausgeber

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te: Allein er überrumpelte sie in solcher eil / daß sie höchst confuse wieder hinaus musten / und damit ward Schweden vom Römischen Reiche / Dännemarck und Holland vor Feinde erkläret. Das meiste im Hertzogthum Bremen kam an die Lüneburger. Wißmar gieng an Dännemarck / Stetin an Brandenburg. Doch im Nimägischen Frieden 1679. wurde alles wieder gut und restituiret. Wie denn absonderlich zu Lunden in Schonen eben in diesem Jahre die Friedens-Artickel beyderseits beschlossen und unterschrieben worden.

XX. IN beyden Reichen hat sich bißhero was sonderlichs zugetragen. Der König in Dännemarck hat sich des Hertzoglichen theils von Schleßwig und Holstein bemächtiget / und hat man noch biß dato wegen der Restitution nichts zuvernehmen. In Schweden ist im grossen Reichs-Tage 1683. von den gesamten Reichs-Ständen die volle Gewalt überlassen worden: wie denn auch in der nachfolgenden grossen Commission die Güter welche vornehmlich unter der Regierung der Königin Christina der Crone entwendet worden / zu vortrefflichen Nutzen des Königes wieder eingezogen sind. Ob bey ietizigen Conjuncturen was zu besorgen stehet / solches wird die Zeit eröffnen. 101, 14 Gestalt auch dieses] Gestalt dieses 107, 26 AO. 1610. begehrten die Moscowiter] Weise hat die Abschnitte XII. bis XIV. umfangreich überarbeitet und zugleich um eine Reihe von Ereignissen ergänzt.

XII. ALs aber die Polen den Schwedischen Verlust nicht vergessen konten / gab es eine Ungelegenheit nach der andern / biß sich der Krieg erstlich in Lieffland / darnach in Moßkau hinein zog. Die ­Sache

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verhält sich also. Anno 1605. war in Moßkau Boris Federowiz zum Regimente kommen / und als er dem Volcke nicht allerdings anstund / trat einer auff / der sagte / er wäre Demetrius, Johannis Basilidis Sohn / der suchte eine Heyrath in Polen / und erlangte aus diesem Königreiche so viel Hülffe / daß er sich in Moßkau auf den Thron setzen konte. Doch wie er Beylager halten wolte / waren die Russen rebellisch und schlugen ihn todt / und machten einen andern Czar / Basilium Ivanowitz, allein die Polen hatten wieder einen andern fertig / der sich noch einmal vor den Demetrium außgab / also wurden die Polen wieder mächtig / daß der Czar 1609. von Schweden Hülffe bitten muste / und dieses ward auch gar gerne gethan / weil Polen sonst durch die Conqveste von Moßkau gegen Lieffland grossen Vortheil würde gehabt haben. Wiewol Schweden und Polen befunden sich bey dieser untreuen Nation endlich betrogen. Denn Pohlen wurde Hoffnung gemacht / als wenn des Königs Sohn Uladislaus solte Czar werden; bey den Schweden gab man vor / des Königs Bruder Carl Philipp solte zu der Dignität gelangen / biß endlich auf beyden Seiten die Hoffnung verlohren war / und indem beyde theile gegen Moßkau was zu suchen hatten / ward zwischen Polen und Schweden 1616. ein kurtzer Stillstand beliebet.

XIII. INdem aber der Krieg 1620. sonderlich gegen Lieffland angegangen war / bekamen die Polen auch gegen die Türcken etwas zu thun / mit welchen sie bißhero noch ziemlich Friede gehabt. Denn der Käyser Osmann wolte die Moldau gerne von der Polnischen Confœderation abreissen / und kam in eigner Person mit einer grausamen Macht in Polen an. Der König Sigismundus schickte seinen Sohn etwan mit 60000. Mann voran / daß er den Feind so lange auffhalten solte / biß er selbst mit dem aufgebothenen Adel folgen könte. Wiewol die Türcken wolten des Königes nicht erwarten / wolten das Polnische Läger anfallen / aber als sie mehr als

Nachwort der Herausgeber

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60000. Mann darbey einbüsseten / muste der Keyser im Angesichte der Polnischen milice das Feld räumen / und einen reputir­ lichen Frieden zurücke lassen.

XIV. Immittelst waren die Schweden in Liefland glückselig / da der König Gustavus Adolphus 1621. die Haubt-Stadt Riga einnahm / und folgende Jahre hernach / sich im Lande so feste setzten / daß die Polen 1629 in einen Stillstand auff 5. Jahr / und 1635. in einen andern Stillstand auf 26. Jahr willigten. Immittelst starb Sigismundus 1632. und nachdem sein Sohn Uladislaus IV. in dem Reiche folgte / brachte es dieser Held gegen die Moßkowitter so weit / daß sie 1634. einen Frieden beschlossen / und alles wieder zurücke gaben / was innerhalb 200. Jahren von Polen und Litthauen war abgezwacket worden. 110, 29 Uber dieses trat der Churfürst von Brandenburg von dem Schweden ab / ja die Polnischen Völcker / welche unter Schweden gedienet hatten / rufften ihren alten König wider. Darumb wäre es mit Schweden gar schlecht abgelauffen / wenn sie nicht 1657. durch den Dennemärckischen Krieg wären mit Gelegenheit aus Polen herausgelocket worden. Doch folgten die Polen durch Zuthun des Churfürsten zu Brandenburg biß in Pommern hinnach/]   Und hiermit fiel das meiste Polen wieder zu ihrem alten Könige / und wär es dergestalt mit Schweden gar schlecht abgelauffen / wenn sie nicht 1657. durch den Dennemärckischen Krieg wären mit Gelegenheit aus P ­ olen herausgelocket worden. Doch folgten die Polen durch zuthun des Churfürsten zu Brandenburg / welcher die Schwedische Parthey verlassen hatte / biß in Pommern hinnach / und ward dazumal Stetin vergebens belagert/

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112, 6

Inzwischen machten die Türcken in Podolien große Unruhe / und nahmen die berühmte Festung Caminiec ein / doch mit solchen Conditionibus, daß Podolien mit andern benachbarten Ländern numehr dem Türcken solte unterworffen seyn / die Polen hingegen einen jährlichen Tribut an die Pforte zahlen solten. Hierauff waren die Polen mit dem Könige übel zu frieden/]   Allein dieser König war nicht allerdings glückselig wegen unterschiedener innerlicher Wiederwärtigkeit / sonderlich als die Türcken / welche wegen der Cocacken mit Polen noch nicht versöhnet waren 1672. die sonst unüberwindliche Festung Caminiec in Podolien wegschnapten / und sich hiermit einen freien Weg in das Königreich gemacht hatten. Hierauf ward ein Friede mit den Türcken geschlossen / doch mit solchen Conditionibus, daß Podolien mit andern benachbarten Ländern numehro den Türcken sollte unterworffen seyn / und die Polen noch darzu einen jährlichen Tribut an die Pforte zahlen sollten. Also waren die Polen mit dem Könige übel zu frieden/ 112, 16 WEil nun der Türcken-Krieg] Auch in diesem Kapitel hat Weise den letzten Abschnitt überarbeitet.

XX. WEil nun der Türcken-Krieg wiederum von neuen anging / eilten die Polen zu der neuen Wahl und erwehlten den 20. May 1674. den Cron Feld-Herren Johann Sobiesky / welcher noch ziemlich Glücke gegen den Türcken hatte / doch weil er sich weder auf die Seinigen / noch auf die Moßkowitter verlassen konte / machte er 1676. einen Friede / also daß Caminiec den Türcken verblieb / der Tribut aber gantz erlassen wurde. Also ward Polen mit den Türcken ruhig / biß 1683. Wien belagert ward / da stifftete der Pabst eine also genandte heilige Liga mit dem Keyser / Polen und Venedig / und erboth sich auff allen theilen zu grosser Geld-Hülffe / die

Nachwort der Herausgeber

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aus den geistlichen Gütern solte gezogen werden / damit bißhero gegen den Türcken feindlich agiret / wiewol nicht mit eben dem successe, wie auf Keyserlicher und Venetianischer Seite geschehen ist. 120, 1 121, 23 123, 6 125, 10

auch 1296.] auch 1269. 1492. auf den Stuhl/] 1429. auf den Stuhl/ 1513. derohalben] 1512. derohalben eingemischet werden.] Weise hat anschließend den Abschnitt XIX. neu hinzugefügt, sodass sich im Folgenden die Zahlen jeweils um eins unterscheiden.

XIX. Dieses eintzige muß berühret werden / daß von 1676. Pabst Innocentius XI. zuvor Benedictus Odeschalchi den Stuel besessen hat / bey dessen Regierung viel anzumercken ist. Erstlich hat er durch gute Haußhaltung die Apostolische Kammer von den hefftigen Schulden ziemlich befreyet: Er hat in der Stadt Rom viel ärgerliche Dinge abgeschafft / auch da der Türcken Krieg angegangen ist / hat er viel Tonnen Goldes aus den geistlichen Gütern gezogen / und dem Keyser / dem Könige in Polen / wie auch den Venetianern zuhülffe geschickt. Auch bißhero hat er eine sonderliche Großmüthigkeit sehen lassen / da er den Königlichen Abgesandten die Freyheit der Qvartiere nicht gestatten wil / obgleich der Frantzösische Ambassadeur Marqvis de Lavardin sich im Nahmen des Königes hefftig und bedrohlig wiedersetzet hat. Auch dieses darff nicht vergessen werden / daß die Secte der Qvietisten unter diesem Pabste offenbar worden / die unter der Anführung eines Spanischen Priesters Michaëlis de Molinos auf die Gemüths-­ Ruhe / auf die Verbindung mit GOtt / und kurtz davon zu reden / auf den Enthusiasmum zielet / auch von sehr viel Personen angenommen ist. Molinos hat sich bey der Inquisition abgeschworen / viel andere haben dergleichen gethan / doch scheint das Werck

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noch nicht gehoben seyn / und mag der Pabst selbst im Hertzen vor dieser Secte keinen grossen Abscheu tragen. 128, 24 Also bleibt Neapolis unter Spanien.] Also bleibt Nea­ polis unter Spanien / aus Sicilien, darinnen die Stadt Messina 1671 revoltirt / und einen Vice-Roy aus Franck­ reich 1673. bekommen / hat sich wieder nachgehends zur Spanischen Devotion bequemen müssen. 128, 25 XXIV.] Dieser Abschnitt wurde zum Teil in den vorhergehenden eingearbeitet und als eigenständiger Abschnitt gestrichen, sodass mit XXV. die Nummerierung wieder übereinstimmt. 131, 10 vor 30. Jahren] vor 300. Jahren 136, 5 eine Gemahlin / als die ietzo verwittibte Käyserin / dahero erlesen hat.] eine Gemahlin dahero erlesen hat. Wiewol der ietzige Hertzog hat vor etlichen Jahren den andern Staaten in Italien zu schlechter Vergnügung die Festung Casal in Montferrat mit Frantzösischen Volcke besetzen lassen. 137, 15 wieder vertragen.] wieder vertragen. Jetzo dienet es dieser Familie zu sonderlichen respecte daß der König in Engelland eine Gemahlin daher gesuchet / und sich hiedurch so wol in Italien als zu Rom gute Freunde gemacht hat. 137, 21 Petrus 1547. umbbracht] Petrus 1546. umbbracht 138, 12 erfüllet werden.] erfüllet werden. Wiewol bey der ietzigen Wiederwärtigkeit / zwischen dem Pabste und Franckreich / wird bisweilen davon geredet / als wenn man die Restitution nochmals urgiren wollte. 138, 21 halten muß.] halten muß. Obwol unlängst die Nachbarschafft wenig helffen konnte / da Franckreich etliche Schiffe 1864. vor die Stadt schickte / und dieselbe mit Bomben einwerffen sehr übel zurichtete / mehrentheils darum / weil sie auff Verboth des Königs etliche Schiffe außgerüstet hatten / auch den Erben des Hauses Flisco

Nachwort der Herausgeber

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die sich in Franckreich aufhielten / und derer Vorfahren Verrätherey wegen aus der Stadt waren gejaget worden / keine Satisfaction geben wollten. Und muste dazumal der Doge selbst 1685. nebst 4. andern Raths-Herren in Person bey dem Könige um Pardon bitten und den Frieden erhalten. 152, 27 SEit dem nun 1667.] Weise hat den Abschnitt XXIV. überarbeitet und einen weiteren hinzugefügt.

XXIV. Seit dem nun 1667. die Cossaken unter Türckische Devotion sich begeben haben / ist der Krieg wieder Polen biß 1676. geführet worden / und weil dazumal zwischen dem Keyser und Franckreich der Krieg geführet ward / suchten die Malcontenten in Ungarn / sonderlich Töckely bey dieser Gelegenheit / da der Käyser ihr Vornehmen nicht hindern könte die Ungarische Freyheit zu behaupten: Allein nachdem Nimägischen Frieden 1679. durfften sie ihren eigen Kräfften nicht trauen / und beredeten den Türcken so lange / daß er noch vor Außgange des zwantzig jährigen Stillstandes in Ungarn kam / und hierauf die Käyserliche Residentz Stadt Wien 1683. belagerte. Damit ward der Entsatz versucht / und weil nebenst dem Hertzoge von Lothringen / der die Keyserliche Armee commandirte / der König in Polen / der Churfürst zu Bäyern und Sachsen in hoher Person mit ihren Völckern zugegen waren / führte Gott die Sache so glücklich hinaus / daß die Türcken mit Hinterlassung aller Sachen die Flucht schändlich nehmen / und den leichtfertigen Friedebruch ziemlich theuer bezahlen musten. Hierauff ist der Krieg in Ungarn schon in das Fünffte Jahr sehr glücklich fort ge­setzet worden / also daß Neuheusel / Gran / Stulweisenburg / ­Esseck / Erla und andere herrliche Festungen neben der HaubtStadt Ofen in Keyserlichen Händen stehen. So hat sich auch Venedig wieder den Türcken erkläret / und hat nechst den guten

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Progressen in Dalmatien fast das gantze Land Morea, nebst der Stadt Athen unter ihre Gewalt gebracht.

XXV. Indem nun die Türckische Monarchie durch so vielfältig Un­ glücke ziemlicher massen erschüttert worden / wolte man entlich in Constantinopel wissen / wem man die Schuld zuschreiben solte. Und da es nicht zu leugnen war / daß der Keyser sich bißhero mehr bey dem Frauenzimmer / und auf der Jagt / als in Staats-Sachen divertiret hatte / wurde er den 8. Novemb. 1687. abgesetzet / und an dessen stelle sein Bruder Solimann aus seinem fast viertzig Jährigem Gefängnüsse hervorgezogen. Auch damit man die Janitscharen und andere Soldaten besser gewinnen möchte / sind vieler vornehmen Herren Güter eingezogen worden. Doch ob die Regierung eines Keysers / der in Staats-Sachen nicht erzogen worden / bey so gefährlichen Zeiten etwas fruchtbarliches nach sich ziehen / oder ob des Lügen-Prophetens Mahomets Weissagung möchte erfüllet werden / indem er zuvor gesagt / seine Lehre würde über 1000. Jahr nicht bestehen / darinnen wird die Göttliche Providentz am besten zurathen wissen. 158, 8 nicht interponiret hätte.] nicht interponiret hätte. Numehr scheinet es / als wenn man sich vor Franckreich etwas zubesorgen hätte. Denn die neue Festung Hünnigen liegt der Stadt Basel zimlich nahe / so werden auch unterschiedene Prætensiones auf die Stadt Genff gemacht / welche die andern Cantons leicht in einige Gefahr mit verwickeln könten. 161, 27 ALs dieser Krieg noch wärete /] Weise hat den zweiten Teil von Abschnitt XIII. überarbeitet und einen neuen Abschnitt XIV. hinzugefügt.

Nachwort der Herausgeber

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XIII. Als dieser Krieg noch wärete / mischete sich Holland mit in die Nordischen Händel / und verhinderte die Schwedischen Progressen. Ferner geriethen die Engelländer in Africa mit ihnen in Streitigkeit / und entstund ein hefftiger Krieg von 1665. bis 1667. da der Friede zu Breda erfolgete. Doch da sich Holland und Seeland wegen der Stadthalterschafft des Printzen von Uranien nicht vergleichen kunten / und ihre Friedens-Zeit mit vielfältigen disputiren zubrachten / that das Glücke gleichsam einen vollen Versuch / was die Provintzen ausstehen kunten / indem es 1672. von Franckreich / Cölln und Münster zu Lande / von Engelland zu Wasser angefallen ward. Und da ist nicht zu beschreiben / was vor Plätze und Festungen gleich als in einem Sturme verlohren wurden. Hätte sich auch die Stadt Amsterdam nicht unter Wasser / und in gute Defension gesetzt / möchte dieser Streich wol übel abgelauffen seyn. So verzog sich die Sache daß sich die Holländer in etwas recolligiren konten. Wie sich der Printz in Uranien absonderlich der Gelegenheit bediente / und gleich als wenn bißhero die militarischen Dinge nicht wol wären administriret worden / und seiner Vorfahren Dignität als Capitain und Stadthalter gesetzet ward. Darbey die Herren Witten / welche der Uranischen Parthey stets zu wieder waren / und die volle Freyheit behaubten wolten / unverhörter Sachen von dem rasenden Pöbel massacriret wurden. Wiewol diese Gefahr ist in allem glücklich überwunden worden / alldieweil 1674. ein particular-Frieden mit Engelland erfolgte / die Frantzosen auch die meisten Plätze wieder evacuirten / biß durch den Frieden zu Nimägen 1679. alles völlich verglichen war.

XIV. Jetzo siehet es auf Seiten Engelland etwas besorglich aus / vornehmlich wegen der Bantamischen Sache / damit es folgende Beschaffenheit hat. Bantam in der Insel Java, wo die Holländer ihre vornehmste Stadt Batavia haben / ward von einem Könige regie-

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ret / welcher 1860. seinem Sohne das Regiment abtratt. Doch weil dieser sich der väterlichen Ordnung nicht gemäß bezeugen wolte / maste sich der Vater des Königreichs wieder an / und Belägerte den Sohn in Bantam. Die Holländer kamen dem jungen Könige zu ­hülffe / und bestätigten ihn in seinem Königreiche / daß der Vater in ein Gefängnüs wandern muste. Da nun die Frantzosen und Engelländer dem alten Könige mochten beygestanden haben / wurden sie alle / sonderlich die Engelländer / mit grossem Schaden aus Bantam gewiesen / und ward die Handlung den Holländern allein überlassen. Nun suchen die Engelländer bey der Ost-Indischen Compagnie in Holland satisfaction, und machen den Schaden so groß / daß man in guten schwerlich wird auseinander kommen. Stehet also zuerwarten / was die Zeit geben wird. 173, 20 Und also ward 1526.] Und also war 1626. 177, 16 ENdlich starb Er 1656.] Weise hat den Abschnitt XXIII. und XXIV. überarbeitet und auch die Genealogie ergänzt.

XXIII. Entlich starb er 1656. in gesegnetem Alter / und hinterließ vier Seulen seines Churfürstlichen Hauses / welche nicht allein viel Jahre in Friede und gedeylichen wolergehen regieret haben; sondern auch numehro den glorwürdigen Nachfolgern ihre Tugend und ihr Glücke wol erhalten. Gestalt auch aller Unterthanen inbrünsti­ger Wuntsch zu Gott ist / er wolle noch ferner an den gesamten Churund hochfürstlichen Häusern ein Zeichen seiner sonderbaren Gnade blicken lassen / und so wol denen hochfürstl. Anverwandten / als auch denen gesamten Sächsischen Landschafften / insgemein die Früchte der unverfälschten Religion wie denn auch den Segen des hochlöblichen Regiments in allen Stücken reichlich und väterlich erweisen.

Nachwort der Herausgeber

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XXIV. Oben num. VIII. ist ein Anfang der Sächsischen Genealogie gemacht worden. Hier wollen wir die Eintheilung der Albertinischen und Ernestinischen Lienie gleichfalls in kurtzen Tabellen entwerffen.] Die nun folgenden beiden Stammbäume hat Weise jeweils um eine Generation erweitert und bei den früheren einzelne Daten ergänzt. Allerdings sind dem Setzer dabei Fehler unterlaufen; so lautet das Geburtsjahr von Johann Georg II. nun nicht mehr 1613 (178, 4), was korrekt wäre, sondern 1611. 182, 14 IN diesem Seculo] Weise hat den Abschnitt VI. über­ arbeitet und erweitert.

VI. IN diesem Seculo hat Lothringen von Franckreich viel Verfolgung ausgestanden. Denn Anno 1624. starb Henricus ohne Erben / und kam die succession an des Bruders Sohn Carolum / denn der andere Bruder war geistlich / wiewol er nach der Zeit geheyrathet und einen Sohn Carolum gezeuget hat / der anietzo die Keyserlichen Waffen mit sonderlichen Ruhme dirigiret hat. Dieser regierende Hertzog Carolus nun kam dessentwegen in Ungelegenheit. Denn als der Cardinal Richelieu, im Reiche sehr mächtig war / und des Königs Bruder Jean Baptista Gaston sich bald wiedersetzet / bald wieder versöhnet hatte / gieng dieser endlich in Lothringen / und holete sich daselbst 1632. wieder des Königlichen Bruders Willen und Wissen eine Gemahlin. Solches ward so übel auffgenommen / daß der gute Hertzog in Lothringen die Kriegs-Last über sich sehen / und letzlich gar aus dem Lande weichen muste. Nun fieng sich der Spanische Krieg an / und suchte also der Hertzog diese Parthey biß auf 1656. da mochte er etlichen Frantzösischen Vorschlägen wieder Gehör geben. Doch als die Spanier dessen inne

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wurden / ward er zu Brüssel in gefängliche Hafft genommen / biß der Pyreneische Friede 1659. ihm die Freyheit wieder brachte. 183, 20 HIerauff gerieth Lothringen] Auch den Abschnitt VIII. hat Weise überarbeitet und erweitert.

VIII. Hierauff gerieth Lothringen mit Chur-Pfaltz in Streitigkeit / wegen etlicher Oerter / die Lothringen vermöge des Friedenschlusses hatte an Pfaltz restitutiren sollen. Gestalt zu dreyen unterschiedenen mahlen das Kriegs Feuer zu brennen anfieng 1664. 1665 und 1668. Doch als 1669. die Sache durch Käyserliche Interposition verglichen ward / in dessen aber der Hertzog in Lothringen noch nicht sicher war / und also etliche Völcker auff den Beinen behielt / schickte 1670. der König in Franckreich seine Armee hinein / ließ Nancy einnehmen / und fehlete wenig / der Hertzog wäre selbst gefangen worden. Die Ursach war meistentheils diese; der Hertzog hätte denen Tractaten zuwieder Volck im Lande erhalten. Doch hat es der Außgang erwiesen / daß der König mehr auf eine be­qveme Straße gesehen hat / dadurch er das Volck wieder die Vereinigten Niederlande / und letzlich wieder das Römische Reich hat führen können. Hiemit schlug sich der alte Hertzog in nachfolgenden Kriege auf die Käyserliche Seite / und machte den Frantzosen manchmal zuschaffen / biß er 1675. starb. Nun ist der Vetter Printz Carl zwar in dem Rechte succediret / allein da Franckreich das gantze Land allbereit zu einer Provintz gemacht / ist bißhero von der Restitution wenig zu hoffen gewesen. Immittelst hat er 1678. die verwittibte Königin in Polen des Käysers Frau Schwester geheyrathet / davon auch allbereit etliche Printzen verhanden sind. Und wenn er sich nicht bey der Armee befindet / so hat er seinen ordentlichen Auffenthalt zu Insprug.

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188, 19 DIeses Jahr 1675.] Weise hat den letzten Abschnitt XV. dieses Kapitels ebenfalls umgearbeitet.

XV. Anno 1675. starb der Hertzog Carl Emmanuel II. und hinterließ einen Sohn Victor Amadeus von 9. Jahren / weil nun die Mutter / als Vormünderin aus Franckreich bürtig war / und die Frantzösischen Waffen ohne dem in derselben Gegend die Oberhand hatten / ist so wohl dazumahl / als bey erfolgter Majorennität die Parthey von Franckreich erhalten worden. Wie denn selbiger Cron zugefallen nochmals eine hefftige Verfolgung wieder alle Hugonotten und Waldenser ergangen ist. 192, 11 biß 1599. da endlich] biß 1589. da endlich 195, 3 Ludovicus † 1604.] Ludovicus † 1583. 197, 27 Wie der jetzige Chur-Fürst von dem Könige in Franckreich] Wie der nachfolgende Chur-Fürst Carolus Caspar im Kriege 1673. und hernach von dem Könige in Franckreich 197, 30 bey dem Teutschen Vaterlande allbereit hohen Ruhm erhalten/] bey dem Deutschen Vaterland nicht geringen Ruhm erhalten/ 198, 20 ob gleich 1658. zwischen Schweden und Brandenburg große Streitigkeiten vorfielen / und Stetin hefftig belagert wurde. Doch was der gegenwärtige Krieg vor einen Ausschlag in dieser Nachbarschafft geben werde / das ist GOTT bekannt. Bey iedwedem wird ein schleuniger und erfreulicher Friede gewündschet / welchen GOTT auff Teutschlands Seite nützlich und ersprießlich wolle beschließen laßen.]   obgleich 1658. in dem damaligen Kriege zwischen Schweden und Brandenburg mit Hülffe der Käyserlichen Völcker Stetin belagert wurde: auch in dem neulichen Kriege 1677. die Stadt nach einer

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langwierigen und schweren Belagerung an Brandenburg übergieng. Denn der nachfolgende Friede zu Nimägen brachte alles wieder in den vorigen Stand / ausser daß etliche Ländereyen so die Cron Schweden jenseit des OderStroms besessene dem Churfürsten abgetreten worden. 202, 14 Otto III. sein Sohn † 1002.] Otto III. sein Sohn † 1001. 204, 6 wird erwehlet 1292.] wird erwehlet 1291. 205, 7 sein Sohn † 1657] sein Sohn † 1656 K (1689) Die Ausgabe K unterscheidet sich auf den ersten Blick nur in einem Punkt von der Ausgabe J: im zweifarbigen Titelblatt; auch bei genauerem Hinsehen sind keine weiteren Unterschiede zu erkennen, die eigentlich zu erwarten wären, etwa bei der Gestaltung der Seiten­zahlen. Vor allem bei den mangelhaft gesetzten Paginas, die – eingeklammert und mit schließendem Punkt – zwischen zwei kreisförmigen Elementen angeordnet sind, lässt sich sonst ein Neusatz leicht erkennen. Bei den Ausgaben K und J ist dies jedoch anders: Übereinstimmend fehlen etwa auf den Seiten 9 und 18 die schließenden Klammern; auf Seite 27 fehlt der rechte Kreis und auf Seite 123 der Punkt, um nur einige identische Ausprägungen zu nennen. Andere Übereinstimmungen, die ebenfalls nicht auf einen Neusatz schließen lassen, sind beispielsweise Fehler, die bei einem neuen Satz sicher nicht entstanden wären: Ein hervorragendes Beispiel findet sich auf S. 83: Weil nnn die Hugonotten bishero sehr waren verfolgt worden/. Es dürfte nahezu ausgeschlossen sein, dass ein Setzer in zwei verschiedenen Setzvorgängen ausgerechnet beim gleichen Wort mitten im vierten Bogen ein zuvor falsch in den Setzkasten einsortiertes n anstelle eines u greift, um nun zu setzen. Diese Beobachtungen führen zu folgender Schlussfolgerung: Da Weise die Widmung auf den 1. Octob. 1688 datiert, ist zu vermuten, dass J erst gegen Ende des Jahres erschienen ist. Möglicherweise wurden zu viele Exemplare gedruckt, die 1688 nicht alle verkauft

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werden konnten. Um nun 1689 nicht die Restauflage eines ‚alten‘ Werkes anzubieten, wurde nicht nur die Jahreszahl angepasst, sondern zugleich durch das zweifarbige Titelblatt ein Neudruck suggeriert. Diese Vermutung lässt sich durch die zahlenmäßige Verteilung der Exemplare belegen: Während von J immerhin fünf überliefert sind, existiert nur noch ein Exemplar von K. Christian Weisens ǀ Kluger Hoff- ǀ Meister / ǀ das ist / ǀ Kurtze und eigentliche Nach- ǀ richt / wie ein sorgfltiger Hoffmeister ǀ seine Untergebenen in den Historien un- ǀ terrichten / und sie noch bey junger Zeit also ǀ anfhren sol / damit sie hernach ohne ver- ǀ hinderns die Historien selbst lesen und ǀ ntzlich anwenden ǀ knnen / ǀ Bißhero zu unterschiede- ǀ nen mahlen heraußgegeben / ǀ vorietzo aber ǀ aufs neue bersehen / an vielen ǀ Orten verbessert / und biß auf das ǀ ietzige Jahr fortgesetzet. ǀ Mit Chur Schs. Privilegio. ǀ  ǀ Leipzig und Franckf. ǀ M. DC. LXX XIX. ǀ Verlegts Johann Caspar Meyer. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 15 Bl., 321 S. Standort des Exemplars: Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt L (1691) Mit dieser Ausgabe erhält das Titelblatt seine letztgültige Form, indem statt biß auf das ǀ ietzige Jahr fortgesetzet (wie J und K formulieren) von nun an stets biß auff das 1688ste Jahr fortgesetzet zu lesen ist. Der Neusatz von L orientiert sich, abgesehen vom leicht abweichenden ornamentalen Schmuck, an K und übernimmt damit auch die hier bereits in J auftauchenden Fehler; so schreibt L etwa Ludovicus † 1583. statt Ludovicus † 1604. (195, 3). Davon abgesehen

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sind K und L meist zeilen-, stets aber seitenidentisch. Insgesamt sind nur sehr wenige neue Fehler festzustellen, die aber wohl stets auf den Setzer zurückgehen, beispielsweise steht in J und K noch BAld darauff starb Gustavus König in Schweden 1560. (94, 22), während L hier die Jahreszahl 1506 hat. Christian Weisens ǀ Kluger ǀ Hoffmeister / ǀ das ist ǀ Kurtze und eigentliche Nach- ǀ richt / wie ein sorgfltiger Hoffmeister ǀ seine Untergebenen in den Historien un- ǀ terrichten / und sie noch bey junger Zeit also ǀ anfhren soll / damit sie hernach ohne Ver- ǀ hinderns die Historien selbst lesen und ǀ ntzlich anwenden ǀ knnen / ǀ Bißhero zu unterschiede- ǀ nen mahlen herausgegeben / ǀ ­vorietzo aber ǀ auffs neue bersehen / an vielen ǀ Orten verbessert / und biß auff das ǀ 1688ste Jahr fortgesetzet. ǀ Mit Churfl. Schs. Privilegio. ǀ  ǀ Leipzig und Franckf. ǀ Verlegts Johann Caspar Meyer. ǀ M. DC. XCI. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 15 Bl., 321 S. Standort der Exemplare: Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitäts­ bibliothek Görlitz, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek M (1695) Von dieser Ausgabe sind lediglich zwei Exemplare überliefert, daher scheint die Auflagenhöhe dieses neuen Druckes wohl weitaus niedri­

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ger gewesen zu sein als bei N. Warum der Druck noch im gleichen Jahr wiederholt wurde, ist unklar; möglicherweise war die Auflagenhöhe viel zu niedrig angesetzt, sodass nachgedruckt werden musste. Es ist aber auch nicht völlig auszuschließen, dass das Frontispiz während des Druckvorgangs unbrauchbar wurde; anders lässt es sich nicht erklären, dass für die Folgeauflage ein neues angefertigt wurde. Christian Weisens ǀ Kluger ǀ Hoffmeister / ǀ das ist ǀ Kurtze und eigentliche Nach- ǀ richt, wie ein sorgfltiger Hoffmeister ǀ seine Untergebenen in den Historien un- ǀ terrichten  / und sie bey noch junger Zeit also ǀ anfhren soll / damit sie hernach ohne Ver- ǀ hinderniß die Historien selbst lesen und ǀ ntzlich anwenden ǀ knnen / ǀ Bishero zu unterschiede- ǀ nen mahlen herausgegeben / ǀ vorietzo aber ǀ auffs neue bersehen / an vielen ǀ Orten verbessert / und biß auff das ǀ 1688ste Jahr fortgesetzet. ǀ Mit Churfl. Schs. Privilegio. ǀ Leipzig und Franckf. ǀ Verlegts Johann Caspar Meyer. ǀ M. DC. XCV. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 15 Bl., 321 S. Standort der Exemplare: Zittau, Christian-Weise-Bibliothek Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek N ([1695]) Diese Ausgabe ist, anders als im Fall von D und E, ein auf M beruhender Neusatz, denn es wurde nicht nur das Titelblatt mit der Jahreszahl ausgetauscht, sondern auch der gesamte Text neu gesetzt, die Aus­ gabe mit neuen ornamentalen Beigaben versehen und auch ein neues Frontispiz auf der Grundlage des vorhergehenden angefertigt. M und N sind somit zwei völlig unterschiedliche Ausgaben.

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Die Datierung dieser Ausgabe wird durch die fehlerhafte Angabe auf dem Titelblatt erschwert: M. DC. DCV. wäre korrekt umgerechnet – wenngleich falsch25 geschrieben – 2205; der Einordnung in das Jahr 1695 liegen die folgenden Überlegungen zugrunde. – Der Setzer der Meyerschen Druckerei verwendet über alle Ausgaben ab J26 hinweg stets Punkte, um bei den Jahreszahlen die Tausender von den Hundertern und diese von den Zehnern und Einern zu trennen: M. DC. LXXXVIII., M. DC. LXX XIX., M. DC. XCI., M. DC. XCV. und M. DCC. IV. Bei der Zahl M. DC. DCV. würde also der Fehler wegen des Punktes hinter dem ersten C (also 1600) im hinteren Teil liegen, bei den Zehnern und Einern. Daraus folgt, dass das zweite D nicht zu viel, sondern falsch ist – es gehört an seine Stelle ein X, denn wie der Ausgabe von M. DCC. IV. zu entnehmen ist, hätte der Setzer für 1705 M. DCC. V. geschrieben. – Wie zuvor bereits angesprochen, ziehen sich gelegentliche falsche Jahreszahlen durch die Editionsgeschichte des Klugen Hoff-Meister. Insbesondere Lebens- und Wirkungsdaten längst verstorbener Herrscher ferner Länder, die für den Setzer nicht zu verifizieren waren, werden anstandslos übernommen – auch wenn sie nicht korrekt sind. Da in N Fehler zu bemerken sind, die in M nicht vorkommen, ist N also nach M erschienen. O wiederum bringt neue Fehler, woraus zu entnehmen ist, dass O nach N gesetzt wurde. – N hat also als frühestes Erscheinungsjahr 1695 und als spätestes 1704; keines dieser Jahre lässt sich plausibel aus der Zahl M. DC. DCV. – besser aus DCV – herleiten, mit der Ausnahme eben von 1695. In den elektronischen Katalogen wird in der Regel auf die falsche Datierung hingewiesen, zumeist mit der Anmerkung: „Nach Dünnhaupt

Der Setzer hätte für das Jahr 2205 schreiben müssen MM. CC. V. Die erste Meyersche Ausgabe von 1685 (I) ist die einzige, die auf dem Titelblatt den Drucker nennt; nur hier wird die Jahreszahl, möglicherweise aus Platzgründen, mit arabischen Ziffern gesetzt.

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erschienen 1705; ebenfalls dort zitiert, nach Wolfskehl: 1695“. Eine Begründung für die jeweilige Datierung wird jedoch nicht gegeben. Christian Weisens ǀ Kluger ǀ Hoffmeister / ǀ Das ist ǀ Kurtze und eigentliche Nach- ǀ richt / wie ein sorgfltiger Hoffmeister ǀ seine Untergebenen in den Historien un- ǀ terrichten / und sie noch bey junger Zeit also ǀ anfhren soll / damit sie hernach ohne Ver- ǀ hinderniß die Historien selbst lesen ǀ und ntzlich anwenden ǀ knnen / ǀ Bißhero zu unterschiede- ǀ nen mahlen herausgegeben / ǀ vorietzo aber ǀ auffs neue bersehen / an vielen ǀ Orten verbessert / und biß auff das ǀ 1688ste Jahr fortgesetzet. ǀ Mit Churfl. Schs. Privilegio. ǀ  ǀ Leipzig und Franckf. ǀ Verlegts Johann Caspar Meyer. ǀ M. DC. DCV. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 15 Bl., 321 S. Standorte der Exemplare: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz27 Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitäts­ bibliothek Erfurt, Universitätsbibliothek Erfurt  / Forschungsbibliothek Gotha Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Leipzig, Universitätsbibliothek O (1704) O orientiert sich an N, wie den Fehlern bei einigen Jahreszahlen zu entnehmen ist; der Satz ist meist zeilen-, stets aber seitenidentisch mit N. In der Ausgabe O finden sich schließlich noch einige neue 27 Da es sich hier um einen Kriegsverlust handelt, lässt sich nicht mehr fest­ stellen, um welche der beiden Ausgaben des Jahres 1695 es sich gehandelt hat.

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­ ehler bei den Jahreszahlen, die etwa in M und N nicht vorhanden F sind (etwa 201, 21: Ludovicus Transmarinus R. G. † 929, das bislang stets Ludovicus Transmarinus R. G. † 954 lautete); da diese Fehler allein in O auftauchen, ist O als letzte zu Lebzeiten Weises veröffentlichte Ausgabe anzusehen. Von den fünf überlieferten Ausgaben haben lediglich drei ein Frontispiz (die Exemplare in Dresden, Halle und Weimar); dies ist ein bemerkenswert hoher Prozentsatz, der bei anderen Ausgaben so nicht zu sehen ist. Christian Weisens ǀ Kluger ǀ Hoffmeister / ǀ Das ist ǀ Kurtze und eigentliche Nach- ǀ richt / wie ein sorgfltiger Hoffmeister ǀ seine Untergebenen in den Historien un- ǀ terrichten / und sie noch bey junger Zeit also ǀ anfhren soll / damit sie hernach ohne Ver- ǀ hinderniß die Historien selbst lesen und ǀ ntzlich anwenden ǀ knnen / ǀ Bißhero zu unterschiede- ǀ nen mahlen herausgegeben / ǀ vorietzo aber ǀ auffs neue bersehen / an vielen ǀ Orten verbessert / und biß auff das ǀ 1688ste Jahr fortgesetzet. ǀ Mit Churfl. Schs. Privilegio. ǀ  ǀ Leipzig und Franckf. ǀ Verlegts Johann Caspar Meyer. ǀ M. DCC. IV. Frontispiz: A Teneris Adsuescere Multum est Format: 12° Paginierung: 28 Bl., 321 S. Standorte des Exemplars: Berlin, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitäts­ bibliothek Halle, Franckesche Stiftungen Bibliothek Leipzig, Universitätsbibliothek Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Nachwort der Herausgeber

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P (1712) Posthum erschien noch eine Ausgabe in zwei verschiedenen Drucken, die die Geschichte der europäischen Länder bis 1712 weiterführte; die Versionen unterscheiden sich neben der Angabe zum Verleger insbesondere im Erscheinungsbild des Titels: es gibt eine ‚einfache‘ Version mit lediglich schwarzen Lettern ohne und eine mit roten ­Zeilen mit einem Frontispiz – es ähnelt dem bereits bekannten aus den früheren Ausgaben von Nikolaus Häublin, ist aber auch hier unsigniert. Christian Weisens ǀ Kluger ǀ Hoffmeister / ǀ Das ist: ǀ Kurtze und eigentliche Nachricht / ǀ wie ein sorgfltiger Hofmeister ǀ Seine Untergebenen ǀ in den ǀ Histo­ rien unterrichten ǀ Und sie noch bey junger Zeit also anfhren soll / damit ǀ sie hernach ohne Verhinderniß die Historien selbst ǀ lesen und ntzlich anwenden knnen. ǀ Bißhero zu unterschiedenen mahlen ǀ herausgegeben; ǀ Vorietzo aber auffs neue bersehen / an vielen Orten ǀ verbessert / auch mit verschiedenen ǀ Neuen Anhängen ǀ vermehret / ǀ Und biß auff das Jahr 1712. fortgesetzet. ǀ Mit Churfl. Schsis. Privilegio. ǀ  ǀ Hamburg und Leipzig / Verlegts Johann Caspar Meyer / ǀ Zu finden / bey Samuel Heyl / 1712. Das andere Titelblatt der Ausgabe mit schwarzen Lettern wurde mit leicht abweichendem Zeilenfall neu gesetzt und endet nach der Linie mit: Hamburg und Leipzig, ǀ Zu finden bei Samuel Heyl, 1712. Format: 12° Paginierung: 11 Bl., 324, 288 S. Standorte des Exemplars: Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitäts­ bibliothek Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Greifswald, Universitätsbibliothek Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt

324

Christian Weise

Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek Es handelt sich bei beiden Ausgaben jeweils um einen Neusatz, der sich an O orientiert, wie sich beispielsweise aus dem falschen Datum bei Ludovicus Transmarinus R. G. † 954 (201, 21) erkennen lässt. Der Verleger hat ein neues Frontispiz stechen lassen, das sich grob an dem der Ausgaben A bis O orientiert. Sowohl das obere wie das untere Drittel entsprechen der ursprünglichen Vorlage; der mittlere Teil hingegen zeigt eine mit Bäumen gesäumte Allee, die zu einem hochherrschaftlichen Haus hinführt. Im Hintergrund sind Berge zu sehen. Die Widmung fehlt wie auch das NB, dafür gibt es lebende Kolumnentitel mit den jeweils vorgestellten Ländern. Auch hier finden sich wie in den Vorgängern zahlreiche falsch abgeschriebene Jahreszahlen, etwa das Todesdatum von Johann Wilhelm von Sachsen, das statt 1609 in O nun 1606 lautet. Der Text Weises, der auf S. 324 mit GOTT allein die Ehre endet, beschließt den ersten Teil der Bände von 1712. Es folgt ein (auch in der zweifarbigen Ausgabe) einfarbiges Titelblatt: Christian Junkers ǀ Fortsetzungen ǀ Zu ǀ Hn. Christian Weisens ǀ Klugen ǀ Hofmeister / ǀ Vom Jahr 1687. bis 1712. ǀ  ǀ  ǀ HAMBURG, ǀ Zu finden bey Samuel Heyl / Buch- ǀ hndler in der St. Johannis Kirche. Auf S. 3 beginnt dann Abschnitt XXXIII. mit der Historie von Teutschland, es folgen bis S. 213 die Ergänzungen zu den jeweiligen Weiseschen Kapiteln. S. 214 f. leitet dann einen weiteren Nachtrag ein:

Nachwort der Herausgeber

325

Neuer Anhang. Bey dem Unterricht in den vornehmsten Stücken der Universal-­ Historie / welchen das gegenwärtige Büchelgen denen Anfängern dieses edlen Studii geben soll und kan / achten wir vor ohnumgänglich / daß annoch vielerley hinzugefüget werde; nemlich ein Bericht / I. vom Königreich Preussen; II. von dem Moscowitischen Reiche; III. eine Ordnung aller Könige in Europa; und IV. eine Ordnung aller Weltlichen Churfürsten; weil daran in Erlernung der Historie / ein nicht geringes gelegen ist / daß man der Namen und der verschiedenen Linien in den Hohen Häusern / bey Zeiten gewohnet werde / und dieselben nach und nach ins Gedächtniß bringe / mit den hierzu benöthigten Jahr-Zahlen / dieweil / wo dieses nicht geschiehet / viel Mühe vergeblich angewendet wird bey jungen Lehrlingen.

326

Christian Weise

IV. Der Politische Academicus Wendet sich der Kluge Hoff-Meister mittels eines Lehrers an Schüler, zielt der politische Academicus direkt auf angehende Studenten ab, indem Weise versucht, folgende Fragen zu beantworten, um entsprechende Verhaltensregeln zu propagieren: 1. Wie man sich als ein kluger Frembdling auf der Universität halten soll? 2. Wie man sich in den Exercitiis manierlich guberniren könne? 3. Endlich und zum vornehmsten / wie man den Ruhm eines gelehrten Politici davon tragen solle. (210, 9) Der relativ kurze Politische Academicus verzeichnet lediglich drei Nachdrucke. Hier ist, anders als beim Klugen Hoff-Meister, kein zeitlicher Schwerpunkt auszumachen. Die letzte Ausgabe des Werkes datiert aus dem Jahr 1708, also aus Weises Todesjahr. Da nicht geklärt werden kann, ob der Druck posthum erfolgte oder nicht, wurde die Ausgabe als D aufgenommen. Sämtliche Ausgaben, so sagt es das Titelblatt, erschienen bei Adamo Regenfarb in Amsterdam. Dieser fingierte Verleger taucht in sämtlichen elektronischen Katalogen nur in Verbindung mit dem Politischen Academicus auf. Wellers Verzeichnis der falschen und fingierten Druckorte bemerkt dazu für die Ausgabe von 1685: ­Weise, Chr., Politischer Academicus d. i. Nachricht, wie ein zukünftiger Politicus seine Zeit und Geld auf der Universität wol anwenden könne. Amsterdam (Hauenstein in Leipzig). N. A. ebd. 1696; Amsterdam, bey Adamo Regenfarb. 1708.28 Die Wirkungsdaten des Verlegers Thomas Heinrich Hauenstein erstrecken sich über die Jahre von 1653 bis 1684; unklar ist, ob er oder sein Nachfolger Ludolph Heinrich Hauenstein den Politischen Academicus in das Verlagsprogramm aufnahm, das – neben latei Emil Weller: Die falschen und fingirten Druckorte. REPERTORIUM der seit Erfindung der Buchdruckerkunst unter falscher Firma erschienenen deutschen, lateinischen und französischen Schriften. Leipzig: 21864, S. 38 f. Die Ausgabe des Politischen Academicus von 1684 führt Weller nicht auf.

28

Nachwort der Herausgeber

327

nischen Werken – durch Ratgeberliteratur geprägt war. Dazu zählen unter anderem Johann Ferdinand Behams Von Rostauscherrecht, Neun und achzig außerlesene Decidirte Casus, und Resolvirte Fragen (von 1685) oder das ohne Namensnennung erschienene Gantz neuer und accurater chiromantischer Wegweiser / Oder Neuerfundene kurtze und leichte Anweisung / Wie man / mit Vermeydung aller Confusion und Contradiction, nach einigen gegebenen General-Reguln In kurtzer Zeit / Etwa binnen 14. abgewechselten Stunden / aus denen Händen eines Menschen von allerhand Beschaffenheiten und Zufällen desselben wahrscheinlich kan urtheilen lernen (von 1707). Warum Weises Academicus unter einem fingierten Verleger­ namen erschien, konnte nicht geklärt werden; inhaltliche Gründe dafür sind nicht zu erkennen. Hauenstein hat nach Weller29 nur noch einen weiteren Band mit falschen Angaben herausgegeben: Der Freygebige Geitzige / In sich haltend Einige angenehme kurtze Liebes-­Avanturen, Welche Zu vergönneter Gemüths-Ergetzung ans Licht gegeben Von einem Der die Thorheiten der Welt Im Hertzen Belachet. Als Verlegerangabe ist hier zu finden: Clln / Bey ­Peter Marteau hinterlassenen Erben. Anno 1708. A (1684) Christian Weisens ǀ Politischer ǀ Academicus. ǀ Das ist: ǀ K ­ urtze Nachricht / wie ein ǀ zuknftiger Politicus seine Zeit ǀ und Geld auff der Universitt ǀ wohl anwenden ǀ knne. ǀ  ǀ Amsterdam ǀ Bey Adamo Regenfarb. ǀ Im Jahr / 1684. Format: 12° Paginierung: 1 Bl., 72 S. Standort des Exemplars:

Emil Weller, a. a. O., S. 60.

29

328

Christian Weise

Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Weitere Exemplare befinden sich in: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Braunschweig, Universitätsbibliothek der TU Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Hirzenhain, Fürst zu Stolberg-Wernigerodesche Bibliothek Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Kiel, Universitätsbibliothek Mannheim, Universitätsbibliothek Osnabrück, Universitätsbibliothek Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek Zittau, Christian-Weise-Bibliothek Die Ausgabe A ist die editio princeps für den vorliegenden Band. Insgesamt sind die im Folgenden gelisteten Eingriffe der Herausgeber zu verzeichnen: 211, 13 gantz und gar] gantz und und gar   211, 13 (welches] welches   215, 7 Handwercksmann] Handwersmann   215, 25 zu schmausen] zuschmausen   221, 1 dem] deme   228, 16 daß] da   229, 1 welches] welches ches   230, 3 werden/] ­ wrden/   231, 7 haben/] haben   234, 16 an der] ander   235, 14 Chronologischen] Chronogischen   237, 13 XXVIII.] ­XXVII.   238, 2 Rerum publicarum] Rerumpublicarum   238, 14 Bogen] Bogen gen   239, 5 Weitläufftigkeit] Wäutläufftigkeit   240, 25 den Gesetzen] dem Gesetzen   241, 16 nichts] ichts B (1685) Diese Ausgabe ist in der Regel nicht als selbständige Schrift ver­ öffentlicht worden, sondern zusammen mit dem Väterlichen Testa-

Nachwort der Herausgeber

329

ment zusammengebunden. Daher ist auch das Titelblatt entsprechend anders gestaltet. Christian Weisens ǀ Politischer ǀ Academicus. ǀ nebst dessen ǀ Vterlichen ǀ Testament / ǀ Darinnen gewiesen wird / ǀ Wie nicht allein ein zu- ǀ knfftiger Politicus seine Zeit ǀ und Geld auf Universitten anwen- ǀ den / sondern auch sein Christenthum ǀ also beobachten soll / daß Er auff die- ǀ ser Welt ein gutes Gewissen behal- ǀ ten / im Tode aber der ewigen ǀ Seligkeit sich versichern ǀ knne. ǀ Amsterdam ǀ  ǀ Bey Adamo Regenfarb. 1685. Format: 12° Paginierung: 72, 156 S. Standorte der Exemplare: Berlin, Bibliothek der Stiftung Deutsches Historisches Museum Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Hildesheim, Stadtarchiv Hildesheim Leipzig, Universitätsbibliothek Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek C (1696) Christian Weisens ǀ Politischer ǀ Academicus, ǀ Das ist: ǀ Kurtze ǀ Nachricht / ǀ Wie ein zukünfftiger ǀ Politicus ǀ Seine Zeit und Geld auff der ǀ Universitt wohl anwenden ǀ knne. ǀ  ǀ Amsterdam / ǀ Bey Adamo Regenfarb. ǀ Im Jahr 1696. Format: 12° Paginierung: 1 Bl., 72 S.

330

Christian Weise

Standorte der Exemplare: Münster, Universitäts- und Landesbibliothek Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Wuppertal, Stadtbibliothek D (1708) Christian Weisens ǀ Politischer ǀ ACADEMICUS, ǀ Das ist: ǀ Kurtze ǀ Nachricht / ǀ Wie ein zukünfftiger ǀ POLITICUS ǀ Seine Zeit und Geld auf der ǀ Universitt wohl anwenden ǀ knne ǀ  ǀ Amsterdam / ǀ Bey Adamo Regenfarb. ǀ Im Jahr 1708. Format: 12° Paginierung: 72 S. Standorte der Exemplare: Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Greifswald, Universitätsbibliothek Nürnberg, Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Nachwort der Herausgeber

331

V. In der Regel sind nahezu alle Varianten sowohl beim Klugen Hoff-Meister als auch beim Politischen Academicus der graphischen, grammatischen und auch formalen Freiheit der jeweiligen Setzer geschuldet; es lassen sich beispielsweise zahlreiche Unterschiede in der Schreibweise einzelner Wörter auch innerhalb eines Bandes, manchmal gar auf einer Seite finden. So steht etwa – um nur ein Beispiel zu nennen ‒ lassen gleichberechtigt neben laßen. Diesen großen Spielraum des Setzers zu dokumentieren, würde nicht nur weitgehend nichtssagende ‚Bleiwüsten‘ schaffen, sondern auch in keinem Zusammenhang mit Christian Weises literarischem oder wissenschaftlichem Schaffen stehen, da aus den Varianten keine nen konsistenten Schlussfolgerungen über die jeweiligen Intentio­ des Verfassers zu ziehen sind. Aus diesem Grund haben sich die Heraus­geber entschlossen, die Setzer-Lesarten nicht aufwendig zu verzeichnen, sondern sich auf die mit großer Wahrscheinlichkeit Weise zuzuordnenden Änderungen zu beschränken. Diese sind im Einzelnen unter den Varianten verzeichnet. Für die vorliegende Ausgabe gelten generell folgende Prinzipien: – Langes s (ſ) wird als rundes s wiedergegeben; Geminationen ( oder ) werden aufgelöst. – Die Minuskeln ,  und  werden stets zu ä, ö und ü; die jeweiligen Majuskeln werden dagegen nicht modernisiert. Es bleiben also Ae und Oe; Ue findet sich im vorliegenden Band nicht, da etwa stets Uber statt Ueber geschrieben wurde. Nicht verändert werden Ligaturen wie Æ, æ etc. –  I und J werden zur besseren Lesbarkeit nach heutigen Gepflogenheiten aufgelöst; i und j bleiben dagegen unverändert: iederman wird somit nicht zu jedermann. – Ein durch Trennung entstehendes ss wird im Fließtext generell zu ß; so wird ein las-sen stets zu laßen, da dies die vorherrschende Form im Klugen Hoff-Meister ist.

332

Christian Weise

– Längere Abstände zwischen zwei Sätzen innerhalb eines Ab­ satzes werden ignoriert, es werden keine damit vom Setzer bzw. von Weise eventuell intendierten Absätze eingefügt. – Auf den Kopf gestellte u bzw. n – in einem Falle gar ein m – werden korrigiert (auch in lateinischen Wörtern), aber nicht als Eingriff aufgeführt. – Kürzel hinter lateinischen Wörtern (etwa Prætensionib9) werden aufgelöst (hier zu Prætensionibus). – Unterschiedliche Schreibweisen wie etwa Urthel bzw. Vorthel und Urtheil bzw. Vortheil werden nicht vereinheitlicht, beide Fassungen bleiben bestehen. – Die im Klugen Hoff-Meister in der Ausgabe D und folgende stets verwendete Form Frantzöisch wird nicht korrigiert zum heutigen Französisch, da es zu Weises Zeit durchaus gebräuchlich war, wie etwa Heinrich Volcken von Wertheims Vollkommenes Neues Frantzöisch- und Teutsches Titular Buch aus dem Jahre 1704 belegt. –  dz wird je nach grammatikalischem Kontext aufgelöst zu daß oder das. In den beiden Texten lässt sich keine einheitliche Verwendung des Satzbildes oder des Satzspiegels feststellen – eine Praxis, die zu ­Weises Zeit durchaus der Regel entsprach. Die Herausgeber haben sich bemüht, einheitliche und auch nachvollziehbare Prinzipien für die Gestaltung zu erarbeiten, die daher teilweise vom Erscheinungsbild der Bände abweichen. So gibt es etwa im politischen Academicus, Ausgabe A, ab S. 52, Kap. XXI bis einschließlich S. 53, Kap. ­XXXIII (234, 24 bis 235, 20) und noch einmal am Ende (ab Kap. XLVII., S. 71; 244, 24) einen inhaltlich unmotivierten Wechsel in eine kleinere Schriftgröße, der wohl aus Platzgründen vorgenommen wurde, um die Zahl von drei Bögen nicht zu überschreiten; dies geht einher mit einer vermehrten Auslassung von Virgeln, die stillschweigend ergänzt worden sind. Da der Setzer von Ausgabe B platzökonomischer arbeitete, entfällt hier die kleinere Schrift (bis auf die letzten beiden, um auch hier 72 Seiten einzuhalten), sodass die Ausgabe insgesamt ein gefälligeres Bild ergibt.

Nachwort der Herausgeber

333

VI. Aufgrund persönlicher und ökonomischer Umstände war es nicht durchführbar, von allen Ausgaben jeweils ein Exemplar selbst in Augen­schein zu nehmen. Auch waren einige Bücher wegen ihres Erhaltungszustandes überhaupt nicht zugänglich. Soweit es möglich war, wurden die Bibliothekare bzw. die Archivare befragt und um Kopien gebeten. Eine Autopsie durch die Herausgeber war nicht umzusetzen beim Klugen Hoff-Meister bei den Ausgaben H und M und beim Politischen Academicus bei den Ausgaben C und D Abschließend sei allen gedankt, die mit Rat und Hilfe zur Erstellung des Nachworts beigetragen haben: Caterina Anrecht (Klassik Stiftung Weimar), Christoph Boveland (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), Elisabeth Dlugosch (Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg), Nicole Domka (Eberhard Karls Universität Tübingen), Gisela Glaeser (Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg), Dirk Glettner (Franckesche Stiftungen Halle), Anne Herter (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Dana Lämmerhirt (Universitätsbibliothek Leipzig), Anne Liewert (Staatsund Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky), Christian Michel (Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover), Gerhard Mittermeier (Bayerische Staatsbibliothek München), Jörn Münkner (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), Christian Richter (Wissenschaftliche Stadtbibliothek Mainz), Thomas Stern (Sächsische Landes­bibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden)

Inhalt

Der Kluge Hoff-Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Politischer Academicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Nachwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts Herausgegeben von Hans-Gert Roloff

A D L

144 Wolfgang Caspar Printz, Ausgewählte Werke · Band III: Realien. Hrsg. von Helmut K. Krausse. VI, 357 S. – 1993 145

Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band IV, 2. Teil: Adriatische Rosemund. Hrsg. von Ferdinand van Ingen. Bearb. von Volker Meid. IV, 351 S. – 1993

146 Daniel Czepko, Sämtliche Werke · Band VI: Briefwechsel und ­Lebenszeugnisse. Hrsg. von Hans-Gert Roloff und Marian Szyrocki †. Bearb. von Lothar Mundt und Ulrich Seelbach. VI, 474 S. – 1995 147 Johannes Geiler von Kaysersberg, Sämtliche Werke. Erster Teil: Die deutschen Schriften. Erste Abteilung: Die zu Geilers Lebzeiten erschienenen Schriften · Band III. Hrsg. von Gerhard Bauer. XXX, 975 S. – 1995 148

Johann Christoph Gottsched, Ausgewählte Werke · Band V, 4. Teil: Erste Gründe der gesamten Weltweisheit. Kommentar. Hrsg. von Phillip M. Mitchell. Bearb. von István Gombocz. VI, 283 S. – 1995

149

Christian Weise, Sämtliche Werke · Band XIII: Lustspiele IV. Hrsg. von Hans-Gert Roloff unter Mitarb. von Susanne Kura. IV, 325 S. – 1996

150

Daniel Czepko, Sämtliche Werke · Band II/1: Vermische Gedichte. Lateinische Gedichte. Hrsg. von Hans-Gert Roloff und Marian ­Szyrocki †. IV, 821 S. – 1996

151

Georg Wickram, Sämtliche Werke · Band X: Kleine Spiele. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. IV, 391 S. – 1997

152

Daniel Czepko, Sämtliche Werke · Band II/2: Vermische Gedichte. Deutsche Gedichte. Hrsg. von Hans-Gert Roloff und Marian Szyrocki †. Bearb. von Lothar Mundt und Ulrich Seelbach. IV, 611 S. – 1997

153

Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band XIV: Ethische Schriften. Hrsg. und bearb. von Ferdinand van Ingen. IV, 693 S. – 1997

Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts Herausgegeben von Hans-Gert Roloff

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154

Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band XVII/1: Heidnische Gottheiten. Hrsg. und bearb. von Ferdinand van Ingen. IV, 697 S. – 1998

155

Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band XVII/2: Heidnische Gottheiten. Hrsg. und bearb. von Ferdinand van Ingen. IV, 333 S. – 1999

156

Spieltexte der Wanderbühne · Band V/1: Italienische Spieltexte. Hrsg. von Alfred Noe. IV, 620 S. – 1999

157

Spieltexte der Wanderbühne · Band V/2: Italienische Spieltexte. Hrsg. von Alfred Noe. IV, 675 S. – 1999

158 Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band XVI: Beschreibung der Stadt Amsterdam. Hrsg. und bearb. von Ferdinand van Ingen. IV, 629 S. – 2000 159

Christian Weise, Sämtliche Werke · Band XVI: Schauspiele III. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. Bearb. von Hans-Gert Roloff und Susanne Kura. IV, 379 S. – 2002

160 Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band III/2: Weltliche Lyrik: Cats-Übersetzungen. Hrsg. und bearb. von Ferdinand van Ingen. IV, 429 S. – 2003 161

Georg Wickram, Sämtliche Werke · Band IX: Losbuch. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. IV, 263 S. – 2003

162

Christian Weise, Sämtliche Werke · Band XIX: Romane III. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. Bearb. von Hans-Gert Roloff und Gerd-Hermann Susen. IV, 382 S. – 2004

163

Christian Weise, Sämtliche Werke · Band XVIII: Romane II. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. Bearb. von Hans-Gert Roloff und Gerd-Hermann Susen. IV, 229 S. – 2005

164

Christian Weise, Sämtliche Werke · Band XVII: Romane I. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. Bearb. von Hans-Gert Roloff und Gerd-Hermann Susen. IV, 319 S. – 2006

Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts Herausgegeben von Hans-Gert Roloff

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165

Spieltexte der Wanderbühne · Band VI: Kommentar zu Band I–V. Hrsg. von Alfred Noe. XC, 296 S. – 2007

166

Bartholomäus Ringwaldt, Ausgewählte Werke. Hrsg. von Federica Masiero. 2 Bde. V, 1207 S. – 2007

167 Martin Opitz, Lateinische Werke · Band 1: 1614–1624. Hrsg., über­ setzt und kommentiert von Veronika Marschall und Robert Seidel. XLII, 477 S. – 2009 168 Martin Opitz, Lateinische Werke · Band 2: 1624–1631. Hrsg., übersetzt und kommentiert von Veronika Marschall und Robert Seidel. ­XXXIII, 561 S. – 2011 169 Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band XVIII/1: Coelum astronomico-poeticum. Lateinischer Text und Übersetzung. Hrsg. und übers. von Reinhard Klockow. XX, 877 S. – 2011 170 Thomas Naogeorg, Sämtliche Werke · Band VI/1: Regnum Papisticum. Lateinische Fassung von 1553. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. IV, 143 S. – 2015 171

Thomas Naogeorg, Sämtliche Werke · Band VI/2: Regnum Papisticum. Deutsche Fassung von 1555. Das Ppstisch Reych von Burkhard Waldis. Hrsg. von Hans-Gert Roloff. IV, 292 S. – 2015

172 Martin Opitz, Lateinische Werke · Band 3: 1631–1639. Hrsg., übersetzt und kommentiert von Veronika Marschall und Robert Seidel. ­XXXIII, 657 S. – 2015 173 Johann Rist, Sämtliche Werke · Band III: Dichtungen 1634–1642. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. IV, 783 S. – 2017 174

Johannes Adelphus, Ausgewählte Schriften · Band IV: Realienband. Hrsg. von Bodo Gotzkowsky. XXII, 592 S. – 2018

175 Johann Rist, Sämtliche Werke · Band VIII: Dichtungen 1644–1646. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. IV, 473 S. – 2018

Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts Herausgegeben von Hans-Gert Roloff

A D L

176

Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band XVIII/2: Coelum astro­ nomico-poeticum. Kommentar von Reinhard Klockow. 751 S. – 2019

177

Johann Rist, Sämtliche Werke · Band IX: Dichtungen 1647–1648. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. IV, 377 S. – 2019

178

Johann Rist, Sämtliche Werke · Band X/1: Neuer Teutscher Parnass 1652. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. IV, 456 S. – 2019

179

Johann Rist, Sämtliche Werke · Band X/2: Neuer Teutscher Parnass 1652. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. VI, 429 S. – 2019

180 Philipp von Zesen, Sämtliche Werke · Band XIX: Neues Buß- und ­Gebetbuch. Hrsg. und bearb. von Ferdinand van Ingen. IV, 251 S. – 2020 181

Johann Rist, Sämtliche Werke · Band XI: Dichtungen 1653–1660. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. VI, 507 S. – 2020

182

Johann Rist, Sämtliche Werke · Band XII: Verstreute Schriften. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. V, 541 S. – 2020

183

Johann Christian Hallmann, Sämtliche Werke · Band 4: Leich-Reden, Todten-Gedichte, Grab-Schrifften. Hrsg. von Ulrich Seelbach. IV, 589 S. – 2021

184

Johann Christian Hallmann, Sämtliche Werke · Band 5: Adlers­flügel, Ehren-Stern, Leopoldus, Hochzeits- und Glückwunschgedichte. Hrsg. von Ulrich Seelbach. IV, 256 S. – 2022

185

Christian Weise, Sämtliche Werke · Band 14: Schauspiele I. Hrsg. von Nicolas von Passavant. IV, 510 S. – 2022

186

Johann Rist, Sämtliche Werke · Band 13: Realien, Textkommentar und Register. Hrsg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. IV, 654 S. – 2022

187

Christian Weise, Sämtliche Werke · Band 23: Politische Schriften I. Hrsg. von Hans-Gert Roloff und Gerd-Hermann Susen. IV, 336 S. – 2023