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German Pages 381 [388] Year 2004
WEISE, S Ä M T L I C H E W E R K E XIX
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AUSGABEN DEUTSCHER LITERATUR DES XV. BIS X V I I I . J A H R H U N D E R T S
herausgegeben von Hans-Gert Roloff
CHRISTIAN WEISE SÄMTLICHE WERKE
W A L T E R DE G R U Y T E R • B E R L I N • N E W YORK
C H R I S T I A N WEISE S Ä M T L I C H E WERKE herausgegeben von
HANS-GERT ROLOFF NEUNZEHNTER
BAND
ROMANE III bearbeitet von
HANS-GERT ROLOFF und GERD-HERMANN SUSEN
WALTER D E G R U Y T E R • B E R L I N • NEW YORK
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. ISSN 0179-0900 ISBN 3-11-017861-3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© Copyright 2004 by Walter de Gruyter G m b H & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: Dörlemann Satz G m b H & Co. KG, Lemförde Druck: Gerike G m b H , Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Der
Politische Nascher / Auß Unterschiedenen Gedancken hervor gesucht/ und Allen Liebhabern zur Lust/ allen I N T E R E S S E N T E N ZU Nutz/ nunmehro in Druck befordert/ von R . I.
O.
LEIPZIG/
Bey Johann Fritzschen/ zufinden.
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Uber das Kupffer-Blat. Die Hände von der Butte. Die Trauben wollen nicht grob angegriffen seyn/ Sie sind von solcher Art/ 5 Die man vor beßre Leute spart. Sieh auff den harten Stecken! Und wilstu süsses lecken/ So thuts ein andrer Safft als dieser Trauben Wein. Was dir nicht werden kan/ 10 Da dencke nicht daran/ Und was dir nicht gehert/ Daß laß' auch unverseert/ Fort / fort / der Stecken kommt / die Hände von der Butte! (a iif)
Seinem
Besten Freunde wil
Der AUCTOR Dieses Gegenwartige uberreichet und zugeschrieben haben. Mein Freund/ ich sehne mich die Schulden abzutragen/ Damit ich deiner Treu vorlangst verbunden bin: Allein so lang ich noch mein Glucke muß verklagen/ So streicht die beste Zeit ohn allen Dienst dahin. Im Hertzen bin (ich) reich / und durfftig im Vermögen/ Die Wundsche gelten nicht so viel als baares Geld; (a iij") Denn sonsten trug ich dir das C A P I T A L entgegen/ Das alten Schrot und Korn zu seiner Wehrung halt. Ich bin dir wol bekand/ du bist mir nicht verborgen/ O b gleich mein Haußgen weit von deinem Hause steht; Du kennest meine Lust / ich kenne deine Sorgen/ So bald ein Liebes-Brieff von uns zurucke geht. Wolan in dem ich schon den Zahl-Termin verliehre/ D a fleucht das schlechte Buch auß meiner blöden Hand: Ist dir nun was gedient mit Brieffen und Pappiere/ Das nach dem Freunde schmeckt/ so nimm das liebe Pfand. Man hat mich offtermahls daran erinnern müssen/ Bald schien es mir zu früh/ bald wieder gar zu spat. (a 4r) Nun aber sol die Schrifft mir etwas besser fliessen/ In dem es dich / mein Hertz / zum Stern/erwahlet hat. Du findest einen Traum und gleichsam einen Wascher/
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Christian Weise
Da manch geschriebnes Blat nur Possen bey sich fuhrt; Doch werden hier zugleich Politisch-arme Nascher Durch einen stillen Griff biß an die Brust gerührt. Der Kützel sticht die Welt/ sie wil was neues lesen/ Und wer was neues bringt/ der soll auch lustig seyn: Derhalben findet sich ein angenehmes Wesen/ Das mischet Lust und Schertz in seine Lehren ein. Den Lastern bin ich feind; Drumb dürffen die Personen Bey dieser Höhnerey nicht allzu sauer sehn/ (a 4V) Man lasse keinen Schimpff bey seiner Tugend wohnen/ So wird in solcher Schrifft auch keinem weh geschehn/ Ich bin es so gewohnt/ und schreibe lauter Sachen/ Die meines Wissens nie der Welt begegnet sind: Hingegen muß ich auch von Grund des Hertzens lachen/ Daß mancher mit mir zürnt/ der sich getroffen find. Ich treffe keinen nicht / der Pfeil steckt im Gemüthe/ Damit verletzt er sich gantz wider meine Schuld. Hier steht C R E S C E N T I O , dem ich ein Werck verbiete/ Was hilfft nun diß Verbot in frembder Ungedult? Jedoch es mag so gehn. Ich kan es leicht gestatten/ Daß man sein Ebenbild in dieser Fabel sieht/ ( a vr) Denn ich verberge mich in unbekandten Schatten Und lebe vor dem Zorn des Neiders unbemüht Du bist es/ liebster Freund / an welchen ich gedencke/ Du wirst in dieser Schrifft auch einmahl auffgestellt. Und also nim allhier dich selbsten zum Geschencke/ So lang ein Denckmahl ist/ daß dir und mir gefallt. Villeicht vergönnet mir das Glücke beßre Zeiten/ Daß ich mehr in der That als schriftlich dienen kan/ Da sol es kostlich seyn umb Lieb und Gunst zu streiten/ Anitzo nim ein Wort zu unsrer Losung an. Was vor ein Wort? Ach schweig/ du hast es schon errathen/ Derhalben lebe wohl/und bleibe/wer du bist. ( a V ) Ein ander halte viel auff Cronen und Ducaten Ich lobe diesen Freund/ der nicht zukauffen ist. (a 6r)
Beliebter Leser! Es sind an dieser Ostermesse gleich sechs Jahr/ als in einem gedruckten Tractätgen des Politischen Naschers gedacht ward. Nun weiß ich nicht/ warumb der Titul so kräfftig war/ daß man die Schrifft selbsten gerne in öffentlichen Drucke gesehen hatte. Hingegen weiß ich auch nicht/ warumb ich die geschriebenen Bogen lieber hatte unter meinen alten Sachen vermodern lassen. Das wüste ich/ daß es an unzeitigen C E N S O R I B U S (A 6") nicht mangeln würde/ wenn ich zu der Außfertigung stimmen mochte. Denn wer die Schale/das ist/ die blossen Fabeln von aussen ansieht/ und den Kern/ das ist / die verborgenen Tugend-Lehren nicht zugleich kosten wil/ der meynet/ die Zeit/ das INGENIUM, ja wol gar Pappier und Verlag wären schrecklich übel angewendet worden. Wenn es auch möglich wäre/ daß die Welt mit lauter ernsthafften und sauersehenden Leuten besetzet würde / so wolte ich fast selber gestehen/ es konte dergleichen Arbeit im Gewissen nicht verantwortet werden. Immittelst weil ich befinde/ daß nach dem Unterschied eines lusti- ( a 7 r) gen oder melancholischen Temperaments auch die Artzney etwas unterschiedlich seyn muß/ so wil ich hoffen/ es werde zum wenigsten ein einziges Gemüthe was gutes hierauß gelernet haben. Es sind Privat-Sachen/ welche hier einen Text nach dem andern bekommen. Werden nun des Weltberühmten E R A S M I R O T E R O D A M I Sachen nicht verworffen / gesetzt daß er auff die höchsten Fürsten und Potentaten bißweilen sehr stachlicht ist: wer wolte mich so gar verdammen/ wenn ich auch mit solchen Gedichten in die Compagnie würffe / derer sich einer oder der andere unter gemeinen Leuten ( a 7") wieder mein Wissen annehmen mochte. Ich wil doch des vornehmen Mannes Worte anfuhren/welche er in seinen Sprüchwortem/ CHILIAD.
3. CENT. 3. NUM. I.
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Christian
Weise
gebraucht/ da er gleich von der betrüglichen S I M U L A T I O N gehandelt hat. R E M N O T A M U S , N O N H O M I N E S . O P T A M U S E S S E NULLOS,
IN
Q V O S HLBC C O N G R U A N T .
ET
SI
NUNC
TALES
N U L L I S U N T , Q V O D FAXIT C H R I S T U S , TALES O L I M F U E R U N T , &
IMPOSTERUM
FORTASSE
FUTURI
SUNT.
Und weiter:
DE
MALIS LOQVOR, B O N O S N O N L.SDAM, IMO N E MALOS Q V I D E M : Q V A N D O Q V I D E M G E N E R A L I S D E V I T I I S DISPUTATIO AD N U L L I U S P E R S O N « P E R T I N E T I N J U R I A M . A T Q V E ( a 8r)
UTI-
NAM PAUCIORES
POS-
SINT.
Endlich:
OPORTERE,
ESSENT,
IN Q V O S HJEC C O M P E T E R E
R U R S U M ADMONEO, NEMINEM HIS
CUM
NULLIUS
DESIGNETUR
NOMEN.
OFFENDI Sl
QUIS
H U J U S M O D I N O N E S T , N I H I L AD SE P E R T I N E R E C O G I T E T : SIN AGNOSCIT SUUM MALUM, A D M O N I T U M SE PUTET. ILLE SIBI G R A T U L E T U R , H I C M I H I G R A T I A S AGAT.
Ich gebrauche mich mit Fleiß eines bekandten Buches / welches ein jedweder nachschlagen kan. Wiewohl ich so viel Ursache nicht habe meine Sache gegen die Politischen-Näscher außzuführen/ als vielleicht Erasmus an dem angezogenem Orte gegen die Kirchen-Nascher thun ( a 8 V) muste. Denn ich kan mir nicht einbilden / daß jemand solte so unverschämt seyn / gleichsam mit Gewalt eine Stelle in der Nascher-Rolle einzunehmen/ absonderlich nach dem hier alle Nascher sampt und sonders abgewiesen werden / mit angehengter Bitte / gleich wie ein jedweder seinen freyen Lauff in den Naschen hat/gleich wie auch ein jeglicher das Maul vor sich und nicht vor einen andern verbrennt; Also wolle mir niemand die Freyheit in Dencken und Dichten verbieten. Zwar wenn ich sagte / dieses kurtze Buch begriffe ein Theil von der Philosophie / so wurde ohne Zweiffei ein Commandante (a 9 r) in der Bastion A D S . S V A R E Z I U M mir alle D i s c i P L I N A S an dem Finger her zählen / und hierunter gleichwol nicht einen S Y L L O G I S M U M finden / welcher nach diesem Näscher schmeckte. Doch ich sehe / daß ein solcher Freund genaucher Nachricht von nothen hat. Was die Politica ist/ das wollen itzt auch die Kinder wissen / wenn sie nur sagen können/ es sey
Der Politische
Näscher/Vorrede
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eine Klugheit das gemeine Wesen wol zu coNSERViren. Und es ist auch gar recht geantwortet. Indessen frage ich/ weil eine D I S C I P U N von nöthen ist/ darinnen die Erhaltung der Menschlichen Gesellschafft vorgeschrieben wird/solte nicht auch eine Lehre von nothen seyn / da- (a 9") rinn ein jedweder Mensch insonderheit angewiesen würde / wie er sein PrivatGlücke erhalten/ und alle besorgliche Unfälle klüglich vermeiden kondte? Ich halte es allerdings darvor / und wenn ich der alten Griechen kluge und nachdenckliche Sprüche bey mir betrachte/so muß ich gestehen / daß sie mit allem Ernste auff solche Privat-Besserung gezielet haben. Daß aber in dieser Materie keine S c H O L A S T i s c h e D I S C I P L I N angehen wil/da man sich mit leeren D E F I N I T I O N I B U S und D I V I S I O N I B U S herumb schlagen müste/daran ist das Menschliche Leben Schuld / welches sich nach den Umbständen richten muß. Ich (a 10") habe zwar zu Ende des Werckes gewiesen / wie ich dergleich Fundamental-Cur gegen die Nascher in guter Ordnung vorzunehmen gedachte: Allein wo keine E R R A T A gelesen werden / da lernt man sich nicht schämen; Wo man sich nicht schämt / da denckt man noch auff keine Enderung; Wo man nicht Lust hat anders zu werden/da ist alle Tugendlehre umbsonst. Drumb vergleiche ich solche Schrifften den kleinen Steubern/welche das Wild außspüren und aufftreiben: gesetzt daß hernach die Englischen Docken/das ist/die ernsthaftigen Lehrer den Preiß behalten. Uber dieses weiß ich wol/ das mancher in diesen Blattern sei- (a 10") nen Zeit-Vertreib suchen / und auff der Reise oder sonsten bey müssigen Stunden eine Nascherey nach der andern belachen wird. Wie kondte ich nun meinem Nächsten besser dienen/ als daß ich ihn gleichsam zwinge/ auch mitten im Müssiggange etwas zu lernen. Er meynet über etliche Possen zu lachen/ und siehet / was ein Mensch bedarff / wenn er nicht wil zum Gelachter werden. Er dencket Zucker zu lecken / und schlucket die Arztney mit in die Seele hinein. Er suchet einen Comoedianten / und kommt auß einer Philosophischen Schule zurücke. Denn eben darumb sind aller-
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Christian Weise
hand lustige Verse mit eingemi- (a 11') sehet / weil ich weiß / wie kräfftig die Reime den Menschlichen Gemüthe zusetzen. Nun wie dem allen / hier steht der Nascher allen Liebhabern zum Dienste / und jemehr seine Erzählung mochte beliebet werden / desto weniger soll mich thauren/ daß ich die müssige Nebenzeit bey meinen jungen Jahren darauff gewendet habe. Und weil in dieser Vorrede schon einmahl etwas Lateinisches mit unter gelauffen ist / so muß ich auß des P L U T A R C H I T I M O L E O N T E C A P . 7 . dieses außschreiben: P H I L I P P O M A C E D O N I , QUI S E R M O N E M I N T E R POCULA CAVILLOSE I N T U L I T DE CANTILENIS
{a
11")
& TRAGCEDIIS,
QUAS
DIONYSIUS
RAT, ATQUE A M B I G E R E
FINXIT
SE;
MAJOR
T E M P O R E I L L I V A C A S S E T F A C E R E : N O N INSCITFE DIONYSIUS
ATQUE
OMNES,
JUNIOR:
QUI
QUO
TEMPORE,
VIDEMUR
BEATI,
RELIQUE-
QUONIAM
INQUIT,
ISTAS
OCCURRENS
TU ET
COMPOTATIONIBUS
EGO IN-
DULGEBAMUS.
Wil ein Ungelehrter wissen was es deutsch heisse? Wer nicht saufft / nicht spielt/ nicht viel spatziren geht/ der hat auch bey grosser Arbeit Zeit gnug etwas lustiges zu schreiben. Hier mit befehle ich mich in des geneigten Lesers gute Gewogenheit/ nicht zweifflend/ es werde mir das Glücke so gün- (a 12 r ) stig seyn / daß ich meinen anitzo unbekandten Nahmen in bekandten Auffwartungen recommendiren könne. Doch wündsche ich / es mochte mein bereitwilliges Gemüthe eher als der Nähme bekand werden. Gestalt auch hier keine andre Unterschrifft erfolget / als daß ich jederzeit heissen wil. Der niemahls Ungetreue Unbekandte. (a 12")
Das I. Capitel. CRESCENTIO, ein junger Mensch von 16. Jahren/ hatte numehr seine Eltern verlohren / und muste sich bey seinem Vormunde kümmerlich aufhalten / als ihm angesaget ward / er mochte sich nach einem Herrn umbsehen/bey dem er umb das Brod aufwarten konte / weil seine geringe Mittelchen nicht ferner zulangen wolten/ wo man nicht das übrige Bißgen von Wiesen und Aekkern umb liederlich Geld Verstössen solte. Nun war bey dem lieben Menschen noch die volle Jugend/daß er nicht wüste / ob es besser oder schlimmer mit ihm ablauffen würde/wenn er anderswo dienen müste. Derohalben/ weil sein Vetter auf eine berühmte Messe reisen wolte / so nahm er von etlichen Freunden Recommendation-Schreiben / und machte sich fertig seinen ersten Ausflug auf der Land-Kutsche zu ( 2 ) thun/unwissend/wer ihm hernach das Geld vor des Schusters Calesche vorstrecken würde. Doch ehe der Auffbruch geschähe/ mochte der Vormund noch etwas zu berechnen haben / drumb stellete er auf des armen Kindes Unkosten ein artig Valet-schmäußgen an / und bath nebst dem obgedachten Vetter unterschiedene Gaste darzu / welche den Reise-Segen aus dem Bier-Glase heraus langen solten. Und welches das Schlimmste war/so muste Crescentio / als ein junger Lecker / vor dem Tische stehen / und umb sein eigen Geld aufwarten. Doch er lebte ohne Sorgen/und wüste nicht/daß ihm etliche Thaler in der Tasche waren gesünder gewesen / als den Gasten das Bier im Wanste. Unterdessen gieng der Schmauß allerdings ohne Nutzen nicht ab / in dem die Gesellschafft auf einen Discours geriethe/ daraus Crescentio in seiner wunderlichen Reise vielmahls Trost/ Lehre und Erinnerung zuschopffen hatte. Denn es war unter dem NachGerichte ein Gemüse/ als das Neue vom Jahre/ aufgesetzet / und
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Christian Weise
da wolte einer die Probe von der Rarität etwas zeitlich nehmen / fuhr also mit dem Löffel in die Schüssel / und von dar gleiches weges zu ( 3 ) Halse. Allein das Werck war erst von dem Feuer kommen / und brachte dem curieusen Nascher so einen Klump Hitze in den Rachen/daß er vor Angst nicht wüste/ ob er den Bissen noch weiter in den Schlund hinunter befordern/oder ob er die Hertzens-Noth dem Nachbar in das Gesichte husten solte. Dieses gab Gelegenheit von den unzeitigen Naschern zu reden / welche offt an statt eines delicaten Stückgens etwas anders in die Kehle bekommen/und hernach mitten in der Quaal vor den Spott nicht sorgen dürffen. Einer sagte: „Ich habe ein Buch gelesen/das heist der Grobianus/ da wird eines jungen Menschen gedacht / der die MareksBeine so gerne ausgesogen / und endlich an statt des Marckes ein leibhafftig Unschlit-Liecht so hurtig in den Leib geschlucket hatte/ daß ihm der Docht war an dem Gaumen kleben blieben." Der andere sagte: „Und ich besinne mich aus dem Eulenspiegel / daß ihm ein Pfaff hatte eine Bratwurst vom Roste weggefressen; drumb hatte er hernach eine Wurst von Luder bestellet / damit war der Pfaff und seine Kochin abscheulich betrogen worden." (4) Der dritte ließ sich also vernehmen: „Ihr Herren / ihr habet treflich rare Autores gelesen/daraus ihr eure Historien excerpiret. Es ist Schade / daß ihr eure Locos Communes nicht heraus gebet / es wäre doch so ein Werck/dadurch man seinen Nahmen in dem Franckfurter Catalogo konte bekandt machen. Zwar ich weiß nicht / ob ich mit meinen geringen Sachen darbey erscheinen darff. Es ist im vorigen Seculo ein Historicus gewesen / der heist Hubertus Thomas von Lüttig / und hat des Pfaltz-Graffen Friderici II. Leben beschrieben/ bey dem steht eine artige Begebenheit: Denn der gedachte Pfaltz-Graff solte in Caroli V. Verrichtungen nach Madrit reisen / und traff in dem Hungerleiderischen Spanien lauter solche Wirths-Häuser an / da Schmahl-Hanß Küchen-Meister war. Einmahl fragt er den Wirth aus Schertz/ob er nicht was guts von Wildpret hätte? Der
Der Politische Näscher/Das I. Capitel
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Spanier machte eine prächtige Mine und sagte mit voller Grandezze: Wenn es bezahlt würde/solte kein Mangel seyn. Es währete auch nicht lange/ so kahm eine gebratene Keule auf den Tisch/ darüber sich die reisende Gesellschafft dergestalt erbarmete / daß es wenig fehlete/ ( 5 ) die Diener hatten die Knochen mit gefressen. Der Fürst fragte den Wirth / ob man nicht vor Geld und gute Worte noch so ein Stücke zur kalten Küche auf die Reise haben kónte? Und da war es wieder gut/die Keule war fertig / und früh morgens auf gute Hoffnung einer delicaten Mittags-mahlzeit eingepacket. Aber zu allem Unglück mochte der Wirth einem Diener den Zaum vom Pferde gestohlen haben / derohalben wolte sich dieser etwas umbsehen / ob er etwan den Diebstahl wieder antreffen kónte: Gucket also unter andern in ein Kammerchen / und wird daselbst nicht seines Zaumes / sondern einer frischen und neu-abgezogenen EselsHaut gewahr. Also machte er sich bald die Rechnung / dem Wirthe mochte ein solcher Cabali umbgefallen seyn/welchen er nun an statt des Wildprets verspeiset hatte. Als er auch den Wirth zur Rede setzte / gab er ein Lachen dran / und sagte: „Ihr N a r r e n / das k o n t ihr l e i c h t wissen / d a ß h i e r u m b kein W i l d p r e t ist; W a r u m b h a b t ihr m e i n e n Esel gefressen? I h r h a b t ihn e i n m a h l im L e i b e / u n d ich h a b e das Geld d a r v o r im B e u t e l / d a m i t s i n d wir g e s c h i e d e n . " Der Streit ( 6 ) kahm vor den Fürsten / und da lieff die Nascherey auf eine solche Verdrießlichkeit hinaus / daß die meisten ihre Mahlzeit in originali wieder hin zehleten/und der Wirth von seinem Wildpret wenig vermissen durffte." Der vierdte war ein alter Gasconier/ der ließ die Reyhe auch an sich kommen / „ihr Herren"/ sagt er/ „ich halte nicht viel auf Historien-bücher/aber etwas habe ich auf meiner Reise erfahren/ welches ich ietzo wohl werde erzehlen dürffen: Als ich in meiner Jugend durch Schlesien reisete / ward ich an dem Fürstl. Hofe zu Liegnitz bekant. Da kahm ein Bauer zum Kellermeister / und bat / er möchte ihn doch den Wein kosten lassen/ welchen der Fürst zur Tafel gebrauchte / er wolte gerne
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Christian Weise
danckbar seyn und ein paar fette Ganse in seine Küche verehren. Der Kellermeister stellete sich/als wäre dieses wider sein Eyd und Pflicht/und wurde er in die höchste Ungelegenheit kommen / wenn dergleichen solte von ihme erfahren werden. Allein der Bauer war lüstern worden / und hielte inständig an/ man mochte ihm nur willfahren. Damit ließ sich jener behandeln/ führte ihn in den Keller / und bat nochmahls / er ( 7 ) mochte sich nicht lange säumen / und hernach die Sache keinem Menschen offenbahren. Hierauff schenckte er einen Nossel-Becher aus dem Baumol-Fasse ein / warff etliche lebendige Schmerlen darunter / und sagte: Er solte nun geschwinde geschwinde damit zu Leibe wischen/nach dem es auch gar sachte hinunter geschlichen war / fragte der Kellermeister / ob er noch eins wolte? Doch der gute Nascher entschuldigte sich: Nee d a r W e i n 6s fer m i c h ze f a t t . Ja freylich war er vor ihn zu fett / und wüste der arme Stümper nicht / was er gesoffen hatte / weil seine alte Mutter den Salat nicht mit Oel und Eßig/ sondern mit blosser Buttermilch zu machen pfleget. Allein der ärgste Possen kahm hernach / als die Schmerlen in dem Leibe ungedultig wurden / und von einem Orth zum andern herumb zappelten. Denn hiervon war dem Bauer so angst/ daß er als ein rasender Mensch an den Wanden und Fassern herumb kratzete. Und vielleicht wäre was Böses darzu geschlagen / wenn der Kell e r m e i s t e r nicht b e y Zeiten mit e i n e m starcken Truncke S p a n i -
schen Weine die muthwilligen Fische gedampffet hatte." Dieser Handel ward wohl belacht/und ( 8 ) als Crescentio sein Votum ziemlich laut darzu geben wolte/wante sich der Vormund umb / und sagte: „Junge/ stecke die Pfeiffe ein / sonst wird dein zukünfftiger Herr den Tact darzu geben. D u w i r s t n o c h v i e l N a s c h e r in der W e l t k e n n e n l e r n e n / e h e d u aus d e i n e m e i g e n e n T o p f f g e n wirst naschen k ö n n e n . J a d u w i r s t u n t e r so v i e l P o l i t i s c h e N a s c h e r g e r a then/die wohl poßirlicher angreiffen/ und die auch m a n i r l i c h e r b e t r o g e n w e r d e n / als d i e L e u t e / d a r von w i r g e r e d e t h a b e n . D r u m b n i m m d i e L e h r e m i t
Der Politische Näscher/Das II. Capitel
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a u f d e n W e g . U n d w e n n d u von n i c h t s w i l t P r o f e ß i o n m a c h e n / s o g i b A c h t u n g / w i e e i n N a s c h e r in d e r Welt über den andern k o m m e t / und wie e n d l i c h alle b e y d e das M a u l v e r b r e n n e n / o d e r d o c h e i n e Q u a a l in d e r K e h l e zu L o h n e h a b e n . " Der einfaltige Tropff wüste die Rede nicht auszulegen. Doch meynete er/wenn ihm ein Nascher begegnen würde / so wolte er es endlich an seinem Auslachen nicht ermangeln lassen. Zwar der Vetter gedachte bey sich: Du ehrlicher Vormund / du hast dem Unmündigen sein Guth auch ziemlich be- (9) nascht / du darffst ihm nicht wünschen / daß er alle Nascher kennen lerne / er mochte sonst bey seiner Wiederkunfft mit dem Priegel addiren / mit der Faust in den Haaren subtrahiren/und mit Maulschellen multipliciren / daß endlich gar ein beschissen Facit heraus kahme. Indessen sagt er zu Crescentio / „gebt euch zu Frieden / wenn auf der Reise etwas fürkommt/so wil ich euch schon erinnern / daß ihr einen Nascher vor den andern unterscheiden solt." Also gieng der Schmauß zum Ende / sie nahmen endlich Abschied/und solte nunmehr bey antretenem Tage die Reise von statten gehen.
Das II. Capitel. Nun wil ich nicht lange sagen / was Crescentio hin und wieder vor Abschied genommen. Denn ein arm Kind/ das keine Eltern hat/siehet gemeiniglich bey seiner Abreise wenig Thranen vergiessen; und hat derhalben auch wenig Anlaß / daß er sich an seinen Augen grossen Schaden thun sol. Drum sag ich kürtzlich: die Kutsche kam vors Vetters Thür / die Reise-Compagnie nahm ihren Platz/und Crescentio kriegte die Oberstelle / daß er auf der lin- {10) cken Seite rücklings fahren muste. Als sie ins gesampt ihre Morgen-Devotion verrichtet / saß einer neben dem Vetter oben an/der hatte den gantzen Sack voll Rosinen und Mandelkern. Ob er nun wohl kein Studente war / so
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Christian Weise
mochte ihm doch dieser Studenten-Haber so wohl bekommen / daß er allezeit etwas darvon kostete / und dem armen Maule wenig Feyertage gab. Weil nun Crescentio diese Instruction hatte / er solte die Nascher observiren/ winckte er seinem Vetter gegen über/ und wolte ihn seine erste Experientz zu verstehen geben. Allein der Vetter meynete/ das Fahren käme ihm ungewohnet vor/und winckte ihm mit einer ernsten Mine/er solte stille sitzen. Es wahrere aber nicht lange/ daß die Compagnie an einem Berge absteigen muste/ so fragte der Vetter / was ihm gemangel hätte? Da sagte er: „Habt ihr denn nicht den Politischen Nascher gesehen / der so geitzig in die Rosinen und Mandelkern hinein stürmete?" Der Vetter versetzte: „O ihr Fantast / das ist noch ein schlechter Näscher/ die Politischen Nascher sehen anders aus." Crescentio wandte ein / wer solche gute Sachen verschluckte / der müste ja ein Politischer Na- ( 1 1 ) scher seyn. Denn wenn er ein Bauer-Nascher wäre / so würde er Buch-Eckern oder gebackene Hutzeln zu sich gestecket haben. Und da sähe der Vetter wol/daß er ihm das Verstandniß offnen solte. Drum sagte er: „Die N a s c h e r e y m i t d e m M a u l e ist e i n g e r i n g e T h u n . Ein P o l i t i s c h e r N a s c h e r ist/der sich u m b ein Glücke/ u m b eine Lust oder sonst u m b e i n e n V o r t h e i l b e k ü m m e r t / d e r i h m n i c h t zuk o m m t / u n d d a r ü b e r er s i c h o f f t in s e i n e r H o f f n u n g b e t r o g e n f i n d e t . W o l l e t i h r n u n in d e r g l e i c h e n U n g l ü c k n i c h t g e r a t h e n / so w e r d e t m i t f r e m d e n S c h a den klug/und gebt Achtung / wie andere betrogen w e r d e n . " Crescentio bekandte seine Unschuld/ und gab so viel zu verstehen / er würde diese Lehre schwerlich in den Kopff bringen/wenn er nicht zuvor aus etlichen Exempeln die Manier gelernet hatte. Der Vetter/welchen wir Philander heissen wollen / versprach / er wolte sich nach etwas umbsehen. Indem kahm ein verdeckter Wagen den Berg herunter gefahren / darauf / allem Ansehen nach / ein Patiente liegen mochte. Und weil ein junger Kerl neben her lieff/ so (12) fragte Philander / wer da geführet würde? der junge Mensch sagte / es wäre sein Vater /
Der Politische Näscher/Das II Capitel
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ein Priester nicht weit von dar / der hatte vor einem halben Jahr ein groß Unglück gehabt / und wolte sich besserer Wartung halben zu einem Barbierer in der Stadt in die Cur verdüngen. Denn dazumahl waren Catholische Soldaten in ihrem Dorffe gewesen / die hätten einen Pater bey sich gehabt / mit diesen hatte sein Vater von der Religion wollen disputiren. Als aber der Pater die Lehre vom Fegfeuer nicht behaupten können / waren die Soldaten mit eisernen und hölzernen S Y L L O G I S M I S d a z w i schen kommen / daß der arme Mann nunmehro ein halb Jahr sein Fegefeuer ausgestanden hatte / und nicht wüste/ wie er sich wieder helffen solte. Philander ließ sich des guten Mannes Unglück leid seyn / und wünschet ihm guten Fortgang zur Cur. Aber als der Wagen vorbey war/ sagte Philander: „Vetter/ da sehet ihr einen Politischen Nascher in einem schwartzen Kleide. Was hat den Mann angefochten/ daß er sich an einem solchen Orte in einen weitlâufftigen Disputât einlast? Er hat die Ehre wollen haben / daß ein Pater von ( 1 3 ) ihm ist A D A B S U R D U M gebracht worden / das ist / er hat aus dem Politischen Disputations-Tôpffgen was naschen wollen. Doch wiewol hatte er gethan / wenn er wäre davon blieben. Solche Discurse sind wie Speck auf der Falle/ dadurch die Soldaten nur Ungelegenheit suchen / einen ehrlichen Mann zu schimpffen. Verspielt er/ so ist die Schande ohne diß da: Gewinnt er/ so kommt Mars / dadurch wird A R S secundirt. I N T E R P O C U L A & A R M A N O N E S T DISPUTANDUM." Crescendo dachte/ wenn er noch etliche Nascher mit seiner guten Außlegung vor sich sehen solte / so möchte sich der Verstand allmählich finden. U n d weil sie nun über den Berg waren / satzten sie sich wieder auf die Kutschen. Indem kamen sie in ein Städtgen/ da sie Mittags-Mahlzeit halten wolten/ und da wolte Crescentio scharffsichtig seyn / ob er einen neuen Nascher auslachen kônte. Allein es wolte nicht viel zu lachen geben. Denn die Wirthin hatte ein Jammerbânckgen hinter dem Ofen gebauet/ und ließ so laute Seufftzer mit unter die Thânen hervor springen / daß man leicht schliessen kônte/ wie gern sie von den Gästen etwas von Mitleiden erbetteln
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Christian
Weise
wolte. Cre- {14) scentio fragte den Kutscher / „was muß die Frau wol gessen haben / davon sie solch Reissen im Leibe hat?" Und hierbey meynt er/ es wäre ein trefflicher Possen von ihm auf die Bahn gebracht worden. Der Kutscher war unwillig / daß der junge Kerl seine bekante Wirthin schimpffen wolte / und gab ihm zur Antwort: „Sie hat einem Quarck die Spitze abgebissen / und hat kein Saltz darzu gebrauchet: wenn ihr was einnehmet/so titschet Saltz und Pfeffer darzu"/ und hiermit gieng er zur Thür hinaus. Philander nahm seinen Vetter auf die Seite/ und sagte: „Ihr tummer Kerl / wolt ihr auch ein Politischer Näscher werden? da meynet ihr / es wäre eine treffliche Sache / daß man in der Compagnie einen Possen reisse. Aber wie schmackt es / da ihr an den groben Kutscher das Maul verbrant. O last andere Leute unvexirt / heutiges Tages ist in dem Stücke das Wechsel-Geld auf 500. pro Cento gestiegen." Er hatte kaum ausgeredet / so wolte einer aus der Gesellschafft wissen / was der Wirthin fehlete / welche auch gar willig war ihr Betrübniß zu erzehlen / und gleichsam von dem Hertzen abzuweltzen. Derhalben kam sie sachte her- {15) vor geschlichen/ und machte anfangs so jammerliche Minen / wie die thorichten Jungfern im Dom zu Magdeburg / daß man leicht schliessen kunte/ es müste ihr entweder ein guter Freund gestorben / oder ein arger Feind lebendig worden seyn. Endlich fuhr sie mit der Schürtze über das Gesichte / und sagte: „Ach ihr lieben Leute / ich wolte / es wäre mir jemand gestorben / oder daß mir zehnerley Kranckheiten waren in die Kaidaunen gefahren / es solte mich nicht so schmertzen/als daß jetzige Unglücke/darüber ich noch Erde kauen werde. Ach gedencket nur/was ich vor ein armes Weib bin/ es ist nun ein Jahr / daß meine eintzige Tochter mit einem wohlhabenden Fleischer in diesem Stadtgen Hochzeit gemacht hat/und da hatte ich mir lauter Freude und Herrligkeit eingebildet / wenn ich nun solte Großemutter heissen. Aber mich deucht/die Großemutter ist mir belohnet worden. Denn vor sechs Wochen Hessen sie tauffen / und wie mein Eydam noch den halben Rausch im Kopffe hatte/gieng er aufs Feld / und
Der Politische Näscher/Das II. Capitel
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wolte sehen/ was der Bier-Baum macht / in dem laufft ihm ein Wolff aus dem nechsten Gesträuche übern Weg/und weil er eine Büchse bey sich (16) hat / so reicht er dem Unthier eins mit der Kugel / daß er alle viere in die hohe kehret. N u n hat er den Fanck gethan / und meynete in seiner Narrheit/ er müste sich einen guten Freund mit machen / drumb gieng er zu unsern alten Gevatter/den Herrn Bürgermeister und sagte / er hatte ihm lange nichts verehret / er wolte ihm hier einen Wolff schencken. Der Bürgermeister bedanckt sich / und last alle Gerber und Kürschner zusammen fordern / die sollen ihm einen guten Rath geben/ob sich das Fell besser zum Beltze als zur Mütze schicken mochte. Doch/ o ich armes Weib! wie sie recht nach der Bestie sehen / so ist es kein Wolff / sondern ein leibhafftiger Schaffer-Hund / der irgend einen Wolff mochte zum Vater oder zum Schwager haben / damit wird das Handwerck auffstützig / wil meinen Eydam vor unredlich halten / und macht uns solch Unglück / daß sie schon etliche 100. Gülden darmit zugesetzet haben. Ich halt auch/ wenn es u m b und u m b kommt/so m u ß mein armes Kind mit dem Schelme zum Thore hinnaus wandern. O hatte ich mein Kind einem Schaferknecht gegeben / so wäre ich doch sicher gewesen / daß er über einen scha- (17) bizigten Hundefelle nicht wäre zum Bettler worden." Hiermit gieng das Winseln und Weinen wieder an. Crescend o hatte der vorigen Lehre schon vergessen / und wolte auch was darzu reden / „wer fragt nach dem Hunde"/ sagt er / „besser ein H u n d / denn ein Kind. Ich habe mein Tage manchem H u n d e das Liecht ausgeloschet / und ich sehe nicht/ wer mir was darumb thun wil." Doch der Kutscher schnitt ihm wieder mit einem garstigen Messer übers Maul / u n d sagte: „Schweigt doch stille / es ist noch nichts versäumet/wenn ihr etwa einen Schinderkarn wolt vor der Thüre haben." O b n u n wohl Philander mit seinem Vetter nicht zu friden war / so gab er doch dem Kutscher auch einen Verweiß / er mochte nicht zu gemeine werden / sonst wolten sie ihm weisen / wie viel ein Kutscher mit Herren reden solte. Sonst war in der Compagnie ein Student /
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dem wolte der poßirliche Hunde-Proceß nicht in den Kopff: Es waren ja rechte Narren-Possen / daß man eine Katze mochte todt schlagen/und ein blosser Hund solte unehrlich machen. Es wäre Wunder/daß die Leute nicht eine Straffe drauff setzten / wenn ein Floch zu todte geknickt wurde. Gott hatte (18) dem Menschen die Herrschafft über die wilden Thiere gegeben / warumb solte so ein Hund Aaß ein absonderlich Privilegium haben. Endlich beschloß er: „Wenn mir der Possen begegnete / so wolte ich kurtze Arbeit machen / und alle meine Anklager vor Hunde halten/ das ist / ich wolte sie todt schlagen." Ein Handelsmann / der vor diesem ein Schuster gewesen/und nunmehr als ein Politischer Nascher auch etwas von dem Kauffmanns-Respecte kosten wolte/ hatte viel von den HandwercksInnungen zu schwatzen: Die ehrlichen Zunffte waren eingeführet / ihre Articul und Gewonheiten wären von Fürsten und Herren bestätiget/ und eine Obrigkeit thate wohl / daß sie über allen Puncten steiff und fest hielte. Indem nun der Student dargegen behaupten wolte/ man solte die altvaterischen Handel abschaffen / und ehrliche Leute nicht vor die liebe lange Weile umb ihre zeitliche Wohlfahrt bringen/ so war ein Gerichts-Verwalter in der Gesellschafft/ der sagte / „ihr Herren / es wäre viel von der gemeinen Nothdurfft zu reden / wer alles wüste. Wen es angehet/ der mag es bessern. Doch wil ich einen artigen Streich erzehlen: mein Knecht hatte (19) vor zwey Jahren eine Schinder-Betze todt geworffen / so kahm der Schinder / und brachte mir den Karn vor den Hof. Mein Gesinde scheuete sich / und wolte das unredliche Ding nicht angreiffen. Doch meine Frau war am klügsten/die sagte: der Karn muß ohne Menschen Hände weggeschaffet werden. Hiermit befahl sie dem Knechte/ er solte Stroh darunter legen / und den Bettel zusammen verbrennen. Damit mochten sie hernach ihr Eigenthumb aus der Asche wieder suchen." Philander hatte zugehoret. Endlich war diß sein Ausschlag: „Ich wil das Herkommen in seinem Werth und Unwerth lassen. Aber eine Schwachheit muß ich doch darbey anführen / daß die gemeinen Leute sich so viel wissen / wenn sie
Der Politische Näscher/Das III. Capitel
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einen Burgermeister zum Gevatter haben. Da sol alle Welt grosse Augen auffsperren/ wenn sie einmahl in des Bürgermeisters Hauß gehen / sie mögen gleich einen Hund oder einen Wolff auf dem Puckel tragen. O hatte er sein Wildpret zu Hause behalten/ und hätte sich mit seinem Burgermeister nicht so viel gewust / so hatte er ietzo etliche 100. Gülden mehr im Beutel. Denn ich zweiffei dran / daß ihm nunmehro seiner (20) Schwiegermutter Gevatter die halben Unkosten vorschiessen wird." Und hiermit hatte der junge Crescentio wieder was gelernet.
Das III. Capitel. Das groste Unglück war / daß man sich bey dieser betrübten Wirthin einer schlechten Mahlzeit versehen muste/ drumb suchte ein jedweder sein Bißgen Schincken und Knackwürste herfür / und versorgten sich biß auf eine bessere Herberge. Also ward Crescentio bald fertig. Und weil er gleichwohl nunmehr zum ersten mahl 3. Meilen von seinem Vaterlande weg war/ so wolte er sich an dem fremden Orte etwas umbsehen. Nun war ein Gasthoff gegen über / da wohnet ein sehr poßirlicher Wirth drinne / der stund gleich an der Thür/ und war übel zufrieden/ daß er die Gaste nicht bekommen hatte. Und also hatte er Gelegenheit / an dem jungen Menschen eine Revenge zu suchen. Denn es war aussen vorm Thore eine wüste Kirche etwas in die Hohe gebauet / da wolte Crescentio wissen/ was dieses zu bedeuten hatte / und weil er gleich den alten Erbarn Mann vor sich sähe/ so meynte er/ dieser würde sein O R A C U L U M (21) D E L P H I C U M seyn. Doch/indem der Wirth den Vogel aus den Federn kante / so gab er ihm diese Beschreibung. „Mein Herr"/ sagt er/ „ich sehe / daß er frembd ist / und es wäre Schade / daß er die Rarität nicht besehen solte / er wird von dem wunderlichen Echo gehöret haben/welches bey der Kirche ist/ er gehe nur dort nauf/ und trete bey die grosse Thür. Wenn da eine
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Menschen-Stimme singt / so giebts einen Wiederschall naturlich wie eine Trompete; und wenn eine Trompete geblasen wird/so klingets wie eine Menschen-Stimme. Auf der andern Seite/ wenn ein Mensch redet / so gibt es ein Echo/ als eine Motete von 6. Stimmen / und wenn eine Pistole loß geschossen wird/ so klinget es/ als wenn 10. Bauernknechte in der Schencke zusammen lachten; und unten ist ein Gewölbe / darinne ist ein Brunn/ und wer da hinnein siehet / der siehet einen lebendigen Stockfisch." Crescentio verwunderte sich über die Sachen / und sagte / seine Geferten müssen gewiß nichts darvon wissen/er zweiffeite nicht/sie würden deßwegen eine Stunde langsamer lassen anspannen. Aber der Gastwirth hielt ihm zurück/ „bey Leibe" / sagt er / „laß er diß keinen ( 2 2 ) Menschen erfahren / ich sehe ihn für einen ehrlichen Menschen an/ und rede mit ihm in Vertrauen / aber ich wil nicht hoffen / daß er mich verrathen wird. Es ist neulich eine Rede auskommen / als hatte das Echo seinen Ursprung von einem verborgenen Schatze / und derowegen hat die Obrigkeit verboten / keinem fremden Menschen etwas darvon zu gedencken. Es stehet ihm frey/ ob er darnach sehen wil. Doch hielt ich davor / er spatzierte alleine hinauf." Hiermit gieng er in das Haus zurück / und des Kutschers Knecht ruffte dem Crescentio zu der Kutsche. Nun wolten sie sich allbereit zu rechte setzen / und konte der gute Kerl leicht schliessen/daß man seinetwegen keine Stunde verziehen dürffte. Drumb erdacht er einen Ranck / und sagte zu seinem Vetter/ das Fahren wäre ihm übel bekommen / er wolte ein bißgen der Kutsche nachlauffen. Weil nun der Steinweg ohne diß etwas langsam zu fahren war / so bedürfft es keine Müh den Consens zu erhalten. Doch der Kutscher fuhr die rechte Hand zu dem Thore hinaus / er gieng auf die lincke Hand zu der Kirch. Und da rufft und schrie er an allen Ecken/ es wolte keine Trompete und keine ( 2 3 ) Moteta heraus klingen. Auch in dem Brunnen sähe er wol (ein) Ebenbild / aber er wüste nicht / daß er einem Stockfische solte so ahnlich sehen. Endlich ward er ungedultig / und wolte wieder herunter gehen/ so kam
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des hohnischen Gastwirths PR^CEPTOR, und fragt ihn/was er da gesucht hätte? Crescentio wolte sich nicht bloß geben. Doch gedacht er / die Kirche wäre artig gebauet/ d r u m b hatte er wollen probiren / ob auch ein Echo drinnen wäre. Der Praceptor sagte: „Mein Herr / es ist wahr/ daß hier das beste Echo in der gantzen Welt anzutreffen ist. Aber es ist ewig Schade / daß er zur unrechten Zeit kommt / unser Organist ist gleich heute frühe auf die Messe gezogen/und hat das Echo mitgenommen/ und vielleicht wird ers daselbst auf dem Rathhause u m b Geld hören lassen." Wer war froher als unser Crescentio / da er horete / daß der Gang nicht vergebens gethan wäre / und daß er sich auf der Messe wurde rühmen können/ er hatte das Echo in seinem Vaterlande besucht. Aber die Freude ward ihm trefflich zu Wasser/als er die Kutsche aus den Augen verlohren hatte. Er war noch nicht weit auskommen/ sähe nunmehr zum (24) erstenmahl die weite Welt vor sich. N u n hatte er wol die gebahnte Landstrasse vor Augen/ aber wer nie darbey gewesen ist/der kan auch aus der offenen Strasse fallen. Zu seinem Glücke sähe er einen Schiebkarner kommen/ den fragte er/ob ihm nicht eine blaue Kutsche begegnet wäre/ und von diesem vernahm er/ sie wäre vorbey gefahren/ doch würde sie etwas weit seyn; wenn er sie einhohlen wolte / mochte er nur in der Strasse bleiben. Und damit er auch die Strasse mercken konte/ solte er nur auf das Schiebkarner Gleis achtung geben. Er bedanckte sich vor die Lehre / und trug sich fort / wiewol mit solcher Beschwerligkeit/ daß ihm sein blosser Rump so schwer zu tragen ward / als wenn er einen lebendigen Stockfisch auf dem Puckel gesackt hatte. Nach langer M ü h sähe er einen Weg von der Straße abgehen / darauf ein Bauer mit dem Schiebkarren war in die Mühle gefahren und also gieng er der Spur nach / kam in die Mühle / und fragte den Müller / ob keine blaue Kutsche da vorbey gefahren wäre. Der Müller war ein Schalck / und sagte/ ja sie waren hierauf zukommen / doch hatten sie die Kutsche wieder zurück geschickt / und (25) waren zu Wasser fortgegangen / wenn er hernach wolte / so müste er seinem Knappen ein gutes Trinck-
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geld geben / daß sie den Kahn zu rechte machten. W e m war leider als unserm ehrlichen Crescentio? Das Geld war in seinem Beutel nicht dicke / und wenn es n u m e h r an ein Trinckgeld nach dem andern gehen solte/ so war die Rechnung leicht zu machen/ wie lange die Herrligkeit wahren würde. Doch die Noth war da/ und durffte man keine Zeit verliehren. Derhalben wolte er einen Reichs-Thaler geben/ wenn ihn jemand so weit führen würde / biß er seinen Vetter zu sehen kriegte. Denn er meynte / alle Welt müste wissen/wer sein Vetter wäre. Aber mitten in der Vexirerey kam des Eseltreibers Frau heraus gelauffen/ und sagte/ „was habt ihr mit dem lieben Menschen vor Possen. Ich habe auch einen Sohn in der Frembde/und weiß die Stunde nicht/wo er sich auf der Strasse verirret hat/und wo ein ehrlich Mensch ihn zurechte weiset." Hiermit führte sie ihn über etliche Brücken/ und wieß ihn die Landstrasse/ da er seiner Gelegenheit ferner nachgehen mochte. In wahrender Zeit wolte Philandern bange wer- (26) den / weil er den armen J ü n g l i n g nicht nachfolgen sahe/und hatte lieber stille gehalten / wenn sie nicht vor Abends gern ein gewisses Wirthshaus erreichet hätten. Also sähe er sich offte vergebens u m b / und besorgte sich immer des ärgsten / wüste auch nicht/ ob er folgen würde/oder ob er sich aus grosser Bangigkeit wieder nach seinem Vaterlande gewendet hatte. Also kamen sie an den bestimmten Ort/ und Hessen sich die Abend-Mahlzeit wol bek o m m e n . Der einfaltige Crescentio hätte inzwischen einen Boten angepackt/ mit welchem er in Mitter-Nacht in das Wirthshaus nachkam / doch weil die Leute schon im Schlaffe lagen/muste er mit hungrigen Magen zubinden/ und die froliche Morgenrothe erwarten. W i e wohl er horete keine froliche Stimme/als er den Vetter sähe von der Streue aufstehen. Auch da er aus Angst die Ursachen seines Aussenbleibens anführete / lieff die gantze Predigt da hinaus/ er wolte Näscher suchen/ und trüge einen poßirlichen Näscher mit sich in der Kappe herumb. Also schämete sich der gute Mensch / und bat/ man mochte ihm diesen Fehler zu gut halten/ ins künftige wolte er sich nicht
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mehr so verfüh- ( 2 7 ) ren lassen. Und wohl dem/der mit Vexation klug wird/ daß er sich nicht zu immerwahrender Vexation beqvemen muß. Doch daß wir bey unserm Crescentio bleiben / so hatte er den Tag über nicht viel zu sich genommen / der Abend war ohne Mahlzeit hingelauffen / der Morgen ward mit Predigten und Ausputzern zugebracht / daß er auch an das Essen nicht gedencken kunte. Allein die Natur wolte sich nicht die lange vexiren lassen/ drum ließ er die andern ihre Sitze zu recht machen / er wüste / daß der Vetter in dem Nahrungs-Kastgen etwas von Kuchen verstecket hatte/ darüber wolte er eine COMCEDIE INVENTIREN
DE A N T I P A T H I A FAMELICI
&
PLACENTAE.
Doch er war im finden unglücklich. Denn der Kutscher hatte etwas von unhöflichen Kase-Kuchen darbey gelegt. Ungeacht nun der gute Mensch sonst keinen Kase zu essen pflegte / war er doch vor dißmahl so heißhungrig / daß er Ober- und UnterRinde zusammen hinein schluckte. Hiermit nahm ein jeder seinen Platz/ und als das Fuhrwerck etwas hurtig dahin rollete/ m o c h t e d i e N a t u r / n i c h t LUCTAM CARNIS & S P I R I T U S , s o n d e r n V E N T R I C U L I & CASEI a l l m e h l i c h z u v e r s t e h e n g e b e n / (28)
daß
der arme Nascher herunter steigen/ und vor die promovirten Kuchen redlich büssen muste. Philander war ungedultig über den wunderlichen Menschen/ und meynete erstlich/ er wolte ihm auf dem Wege kranck werden. Allein wie das Geheimnis mit dem Kase heraus kam/ so durffte weder der Kutscher noch Crescentio vor das Auslachen sorgen. Wiewohl dieser hatte lieber im Bette gelegen/ und die Tragoedie von dem krancken Herman gespielet / als daß er andere Leute solte lachen sehn. Denn es ist eine grosse Plage/wenn man mit hungrigen Bauche andere soll essen sehen: Aber es ist vielleicht noch schmertzlicher / wenn man mit betrübten Gemüthe die andern lachen höret. Denn bey dem Essen sattiget der Geruch noch etwas/ allein bey dem Lachen ist auch der eusserliche T h o n zuwider. Und also gieng es: Auf einen bösen Bissen ein bittrer Trunck.
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Das IV. Cap. N u n wäre viel zu schreiben / was die gesampte C o m p a g n i e vor Possen über die K a s e gemacht. D o c h weil ein Leser darüber k o m m e n m o c h t e / d e m mit solcher materie (29) nicht gedienet 5 wäre/ so will ich nur das Lied herbey setzen/ welches der Studente aus der C o m p a g n i e in G e d a n c k e n nach einander abfassete/ u n d hernach zur Mittags-Mahlzeit aus d e m K o p f e hersang. 1. 10
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Ist daß nicht haßlich Wesen Mit den beschmißnen Käsen/ Da sitzt ein Cavallier/ Der wolte Butter-Kuchen Im Narren-Kastgen suchen / Und fand den Quarck dafür. 2. Der Hunger war die Wurtze / Drumb gieng in einer Kürtze Der gantze Kuchen drauf/ Jedoch der arme Magen/ Der wolt es nicht vertragen Und schlug den Rachen auf. 3.
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Da gieng das gantze Wesen Mit Eyern und mit Käsen Ins freye Feld dahin / Und bey dergleichen Sachen War unser Spott und Lachen Der Nascherey Gewinn. 4.
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Es last sich übel fasten / Wo sich der Narren-Kasten
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So stinckich losen wil: ( 3 0 ) Man hungert auf der Reise / Und gleichwohl aus der Speise Wird mit ein Narren-Spiel: 5. Mich düncket auf der Messe Komt alles zum Processe / Der Kutscher hats gethan / Und hat ihm nur zum Possen Den Kuchen eingeschlossen / Wie er nicht leugnen kan. 6. Wohlan/ihr Herren Hascher/ Hier kommt ein braver Nascher/ Der wird euch bald bemühn / Und vor den Stadt-Regierer / Den Kase-Jubelierer Vor das Gerichte Ziehn. 7.
Immittelst last uns lachen / Wir werden durch die Sachen Im Reisen wohl vergnügt / Wer weiß/ zu welchem Glücke Noch ein verborgnes Stücke Im Narren-Kastgen liegt. Die Compagnie lachte darüber / allein Crescentio war in der Schule solcher Vexirung nicht gewohnt gewesen / darumb meynte er / es müste auch anderswo alles mit dem Schwerdte ausgefochten werden. Und dannenhero / als der Studente in den Hof gieng / und sich an der Stall-Thure (31) etwas umbsehen wolte / schliech er sachte hinter ihm drein / und versetzte ihm von hinten zu etliche Kopfstosse / fassete ihn hiermit bey
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den Haaren und gesegnete ihm das Lachen. Nun war der Student nicht faul/ und stellte sich zur Wehr/ ungeacht er in seinem besten Vortheil angegriffen war. Doch als sie sich etliche mahl bey dem Stalle in allem Unflate herumb geweltzet hatten / kamen andere darzu und machten Friede. Ich halte auch/Crescendo hätte nun leicht Friede angenommen / wie es in Schulen pfleget herzugehen / da eine Ohrfeige der Freundschafft schlechten Abbruch thut. Allein der Student war zum höchsten A F F R O N T I R T , und wolte von dem Geelschnabel Blut sehen; Es wäre ein Hausveix/ ein Spulwurm/ eine Backofen-Klincke/ und was sonst vor Ehrentitul herausfuhren. Philander ließ ihn etwas ausrasen/darnach sagte er zu ihm: „Monsieur/er begreife sich. Wenn er des Wesens zuviel machet / so fallt er bey der hiesigen Obrigkeit in Straffe/ und macht/ daß wir entweder alle da verziehen/ oder doch ihn im arrest zurücke lassen müssen. Will er mit Narren unverwirret seyn/ so mache er keine Lieder auf sie. Oder hat er nun (32) das Pech angegriffen/ so mag er zusehn/ wie er nicht tieffer hinein greifft." Eben dieses erinnerten die andern auch/ welche lieber gesehen hatten / daß alle beyde wären in arrest gezogen worden / weil sie von der Stall-Thüre einen solchen Geruch mit gebracht hatten/ davor man in der Kutsche die Nase nicht wohl verstecken kunte. Doch sie Hessen den Eisenfresser alleine/und Philander nahm seinen Crescentio vor. „Der Anfang"/ sagte er/ „lässet sich schlecht an / wo ihr so fort fahret / so wolte ich/ ihr wäret / wo der Pfeffer wächst. Ist euch mit keinem Spotte gedienet/ so nehmet keine spottliche Possen vor / und lernet vielmehr aus solcher Vexirung/ was zu eurem Besten gereichet. Absonderlich gewohnet euch keinen Handel mit Ohrfeigen an / sonst werdet ihr das Maul verbrennen/ daß euch die Zähne vor die Füsse fallen. Da gehen die jungen Narren / und meynen / sie haben statlich genascht/ wenn sie einen andern hinter das Ohr schmeissen/doch wenn die Reihe wieder zurücke geht/ so wünschet mancher/der BettelTantz wäre nicht angefangen." Die Predigt hätte noch länger gewähret. Allein der Kutscher kam gelauffen und bat / sie ( 3 3 )
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mochten ihm einen guten Rath mittheilen / wie er sich verhalten solte. Der Studente hatte sich theuer verschworen / wo ihm das junge Ventgen wieder in das Gesichte/ sonderlich auf die Kutsche käme / er wolte ihm ein Maß umb die Ribben legen / darbey er seiner Thorheit vergessen solte. Doch Philander hatte schon darauf gesorgt/daß er ihn mit einem Fuhrwagen / welcher gleich im Wirthshause war / vollends biß auf die Messe befordern wolte. Drum ließ er auch dem Studenten sagen/der junge Kerl solle nicht mitfahren; Weil sie aber ihm so viel zu willen waren / so mochte er auch zuvor die Kleider reine machen/ damit die Compagnie von dem Stancke verschonet bliebe. Also ließ er die Kochin den Reise-Rock in die Contribution nehmen. Indessen aber war Crescentio mit dem Fuhrmanne durchgegangen. Und wird derhalben nicht von nothen seyn / auf die übrige Reise viel Achtung zu geben. Auch Crescentio kunte bey dem Fuhrmanne wenig Possen machen/ biß er auf die Messe kam/ und seinen Vetter im Wirthshause besuchte. {34)
Das V. Cap. Er hatte aber kaum einen Tag ausgeruht/ als er seine Recommendation-Schreiben herum trug / und sich bemühen wolte/ ob er eine Aufwartung/ oder sonst ein Dienstgen bey der Schreiberey ausforschen konte. Der erste Brief war an einem Priester / der sprach ihm zwar freundlich zu/ doch gab er schlechten Trost wegen der Condition. Der andre Brief war an einem DOCTOR M E D I C I N Ä . Doch als dieser horete / daß er bey seiner Facultat nicht herkommen wäre / daß er auch nicht Lust hätte diese Profession zu ergreiffen/ so war eine kaltsinnige Complimente der gantze Lohn vor die Bemühung. Der dritte Brief war nur gleichsam zum Uberfluße an einem Kerl mitgenommen / der selber anderswo dienen muste/ und bey dem schlechte Hofnung war / daß er einem Patron bedeuten solte. Doch zu allem Glücke hatte dieser Nachricht/ daß ein Doc-
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einen hübschen Menschen bedürffte/ dem er in der Schreiberey trauen mochte. Also gab er ihm an demselben Orte ADDRESSE, und vermittelt es im Nahmen seines Herrn (35) so weit / daß der Handel noch den Tag richtig ward. Da nahm er nun von seinem Vetter volligen Abschied/ und bedanckte sich vor alle Treu/ bat darneben / wenn er auf der Reise ihm zu wieder gelebt hatte/mochte er alles lassen vergessen und vergeben seyn. Philander sagte: „Nun/ l i e b e r Vetter/ ich sehe es gern/ d a ß e u c h e i n P l a t z g e n b e s c h e r e t ist/ s e h e t n u r / d a ß i h r das G l ü c k e n i c h t v e r s c h e r t z e t . S e y d w a c h s a m u n d m u n t e r / t r e u u n d v e r s c h w i e g e n / ja e n d l i c h s t i l l u n d g e d u l t i g . Ja w e n n i h r e i n e n N a s c h e r a n s i c h t i g w e r d e t / so b e s s e r t e u c h z w a r a u s s e i n e r Thorheit/ doch sagt eure G e d a n c k e n k e i n e m M e n s c h e n / s o n s t l a u f t d i e N a s c h e r e y ü b e r e u e r n Kopf h i n a u s . G o t t g e b e e u c h s e i n e Gnade/ u n d h e l f f e / d a ß i h r e u e r n N a h m e n m i t d e r T h a t f ü h r e t / u n d als ein rechtschaffener Crescentio wieder nach Hause k o m m e t . " Hierauf nahm er seinen Rantzel/ und ließ sich in das Hauß führen/ wo er den Dienst antreten solte. Da ward ihm auch bald eine Kammer angewiesen/ und umb Essen-Zeit hatte er die Ehre mit der Kochin auf dem (36) Anrichte-Tische zu speisen. Auff dem Abend gab ihm der D O C T O R etliche A C T A , die er als Morgen abschreiben solte/ und meynet/ er würde schon wissen/ was einem rechtschaffenen Copisten zukäme. Allein der gute Crescentio wolte es gar zu kostlich machen/ legte sein Pappier in qvarto/ zog umb und umb doppelte Linien / und schrieb hernach die A C T A mit einer kleinen Feder hinein/ als man immermehr ein E X E R C I T I U M S C H O L A S T I C U M , in das also genannte reine Buch eintragen mochte. Umb den Mittag/ als er gleich die Leisten mit Blumen und Zügen ausputzen wolte / sähe der D O C T O R darnach/ und muste des einfaltigen Kerlen lachen. „Was"/ sagte er / „habt ihr vor Plancken umb die Schrifft gezogen/ ihr fürchtet euch gewiß/sie will darvon lauffen? Seht doch die Briefe an / die euch vorgeleget werden / und TOR J U R I S
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schneidet die Federn recht grob/ sonsten werdet ihr wenig Copialen-Gebühr verdienen"/ damit wüste er wieder was neues. Gegen den Abend gieng der D O C T O R ZU etlichen guten Freunden auf ein Scharwentzeln/ und da hatte Crescentio die Ehre vor dem Tische aufzuwarten. Nun war er in der Karte so unbekant nicht / und ( 3 7 ) wüste auch etlicher massen die Spiele zu JUDICIREN: Wie denn heutiges Tages die liebe Jugend in solchen E X E R C I T I I S nicht verseumet wird/ sonderlich wo die Kinder vor dem Tische stehen/ und dem Vater zuruffen durffen: Vater/ seyd ihr nicht ein Narr / ich hatte Schellen gespielt; oder da sie wohl gar in der Zeche mit sitzen / und den Vater labeth machen. Allein der D O C T O R muste zur unglückseligen Stunde ausgegangen seyn/denn er mochte feige oder trotzig spielen/so war ihme das Glücke zu wieder/ also daß er in denselben Sitze über funffzig Thaler zu losen gab. Dessen aber ungeacht war er lustig/ und blieb bey der Abend-Mahlzeit da/ in Hofnung vor Mitternacht das Seinige wieder zu erwerben. Zwar das Spiel wäre dasselbemahl verhindert/ weil sich unterschieden FrauenZimmer einstellte/ welche hernach ihre Zeit-Vertreibung in der Music suchten / zu welchem Ende sich ein artiger Falsist eingestehet hatte/ welcher die anmuthigsten Lieder in ein liebliches Octavgen fistuliren kunte. Wie es denn sehr lang werden wolte/ wenn der geneigte Leser auf diesem kurtzen Blate alle Stückgen verlangte/welche etliche Stunden {38) hinter einander angestimmet wurden. Endlich ließ sich der gedachte Musicante also hören: 1. Ich s u c h e was/ u n d darfs nicht sagen / D i e Z u n g e s c h ä m t sich selbst vor m i r / U n d d o c h kan ich der Lust-Begier M i c h im G e d a n c k e n nicht entschlagen. D e n n o b mirs gleich nicht werden k a n / H a b ich d o c h m e i n e L u s t d a r a n .
Christian Weise 2. Ich suche was / ach wie so schone Strahlt dieses Wesen a u f mich zu? W i e stört es meine Lebens-Ruh / D a ß ich das Leben selbst verhöhne / W e n n dieses Licht / das mir beliebt/ N i c h t seine Strahlen von sich giebt. 3. Ich suche was / und weiß die Stelle/ W o solches anzutreffen ist / J e d o c h wie starker m i c h gelöst/ J e scharffer sind die Unglücks-Falle / D a ß ich vergebens Wache steh / U n d auch umbsonst zurücke geh. 4. Ich suche was / und kans nicht finden / Ich suche / was ich suchen kan / U n d gleichwohl m u ß der süsse W a h n Als ein geringer Rauch verschwinden/ Dieweil das schnöde Glücke spricht/ M e i n Hertz verdiene solches nicht.
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5. Ich suche was / und darffs nicht n e h m e n / Gesetzt / daß es gefunden sey / U n d doch kan ich der Schmeicheley M i c h n i m m e r m e h r im Hertzen schämen/ O b gleich das angenehme Ziel Z u K o t h und Wasser werden will. 6. Ich suche was / und in dem Suchen W i r d M u t h und Geist bey mir vergnügt: W e n n sich das Finden anders fugt /
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Will ich das Suchen nicht verfluchen / Denn ob mirs gleich nicht werden kan/ Hab ich doch meine Lust daran.
7. Die Freude darf mir niemand wehren/ Der mir die Sache rauben kan / Ich bin entzuckt / und dencke dran Und halt diß im höchsten Ehren / Das noch von weiten auf mich zielt Und heimlich im Gedancken spielt.
Nun war das Lied kaum zum Ende/ als des DOCTORS Liebste ihre Meynung vorbrachte. „Das Lied"/ sagte sie / „ist ohne Zweiffei von einen jammerlichen Liebhaber gemacht/ der seine Hochzeit im Gedancken hält / wie jener/ der sich einbilden kunte / er hatte Rephüner zu essen/ ob er gleich auf dem Tische kaum SteifFmatz oder Schwartzmuß zum besten hatte. Doch mich dünckt/ (40) die Spieler und Scharwentzel-Bruder sind auch hierinnen abgemahlt/ die suchen einen PROFIT und wissen / daß er aus des Nachbars Beutel konte gehoben werden. Aber doch/ wenn die Karte nicht fallen will / so hat man genung / daß man in Gedancken gewuchert/ auch offit vor die güldene Hofnung etliche silberne Rundstückgen dahin gegeben hat. Und da heist es: Das Geld/ das mir nicht werden kan / Seh ich doch mit Verlangen an / Und habe meine Freude dran."
Eine alte Matrone saß darbey und hatte den Händeln zugehoret / die sagte endlich: „Ihr jungen Leute / was habt ihr doch an den vielen Possen vor Freude/ wenn ich ein Lied bestellen solte/ so wolt ich eines hören/ das etwas geistlich und andachtig mit untergienge." Der Falsist war hoflich / und begehrte/ sie mochte nur befehlen / er wolte sich bemühen/ auch etwas
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aus der andächtigen Tabulatur zu versuchen. Als ihm aber freygestellet ward nach Belieben zu singen/ fiel i h m dieses ein / worinn das Vorige wiederlegt und auf einen bessern G r u n d gestellet ward. (41) 1. Ich suche nichts/ und wenn im Hertzen Gleich ein Verlangen mit mir spielt / So hab ich dennoch wenig Schmertzen Und wenig Angst bey mir gefühlt. Denn was mir Gott nicht gerne giebt/ In solches bleib (ich) unverliebt. 2. Was helffen mich die schonen Früchte / Darzu der Weg verschlossen liegt? Ich koste lieber ein Gerichte/ Das wurcklich meinen Mund vergnügt. Wer immer hofft/ wird nimmer satt/ Und kostet keinmahl/ was er hat. 3. Einander spiele mit den Traumen/ Und schlaffe gleichsam/ wenn er wacht / Ich will mein Glücke nicht verseumen / Wodurch mich Gott gesegnet macht / Darüber will ich mich erfreun / Und ohne frembde Sorgen seyn. 4. Gott weiß/ was wir von nothen haben / Drumb giebt er gnung und nicht zu viel / Verlangt nun jemand frembde Gaben / So steckt er sich ein ander Ziel/ Daß nur im Schatten ferne steht / Und als ein Schatten-Werck vergeht.
Der Politische Näscher/Das V Cap.
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5. Gesetzt/ ich wolte taglich dencken / Ach hatt ich jens / ach hatt ich diß / (42) So würd ich zwar mein Leben krancken / Doch blieb ich allzeit ungewiß Und endlich fände mich der Todt Noch mitten in der Sorgen-Noth/ 6. Vielleicht muß ich noch heute sterben / Warumb soll ich den letzten Tag Mit solcher Traurigkeit verderben / Die viel entzeugt und nichts vermag? Wer nicht nach hohem Sachen strebt / Der hat im Tode gnug gelebt.
7. Wohlan/ das ist ein lustig Leben/ Das vor dem Tode nicht erschrickt / Drumb wil ich mich in alles geben / Was Gott nach seinen Willen schickt. Denn weil mirs nicht entgehen kan / So hab ich rechte Lust daran.
Crescentio horte m i t voller A n d a c h t zu / u n d ob er gleich ein unverstandiger J ü n g l i n g w a r / fehlete es doch nicht viel / d a ß er nicht von seinem Herrn judiciret hatte / was er vor ein abscheulicher Nascher wäre/ i n d e m er f r e m b d e Geld begehrte / u n d über die Sehnsucht sein eigenes d a h i n schleuderte: D a m a n doch keinen Bauer so einfältig antreffe / welcher ein R o t h k a h ligen in der Stube vor Z e h n andre geben wolte / die noch a u f d e m Z a u n e sitzen/ u n d so leicht in die freye Lufft davon fliegen / als d a ß sie in (43) den Meisekasten kriechen. Die obgedachte M a t r o n e w a r auch besser vergnügt als zuvor/ u n d sagte: „Ach w a r u m b werden nicht lauter solche Lieder gesungen/ die bessere Krafft und ohne Zweiffei auch
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besseren Segen haben? D e n n freylich sind die Leute so u n b e d a c h t s a m u n d w o l l e n den l i e b e n G o t t allezeit R E F O R M i r e n / wie er s i c h in s e i n e n G a b e n n a c h ihrer e i n g e b i l d e t e n K l u g h e i t h a l t e n s o l l / u n d w i s s e n n i c h t / wie n a r r i s c h d i e K i n d e r s i n d / w e n n sie l a u t e r Z u c k e r e s s e n w o l l e n / d a v o n sie n i c h t s als S p u l w ü r m e i m L e i b e u n d s c h w a r t z e Z a h n e im M u n d e zu L o h n e h a b e n . A m b e s t e n ist es / wer zu f r i e d e n i s t / was er in s e i n e r S c h u s s e l f i n d e t . W e n n m a n g l e i c h in f r e m b d e K ü c h e n h i n e i n g u c k t / u n d g e r n e was rares d a r a u s n a s c h e n w i l l / so w i r d d a s M a u l n u r w a s s r i c h / u n d der B a u c h wil v o n s o l c h e n G e d a n c k e n n i c h t s a t t w e r d e n . " Und dieses war wieder eine Nascher-Predigt / daraus Crescentio seine Klugheit erbauen kunte. (44 )
Das VI. Cap. Sonsten war in der Gesellschafft eine junge Frau/ welche vor etlichen Jahren einen artigen jungen Mann geheyrathet hatte/ die saß immer in melancholischen Gedancken/ biß sie das letzte Lied singen horete/ da ersähe sie ihre Gelegenheit und fragte den Musicanten / ob er die Lieder selbst machen konte. Und als er sich zu der geringen Arbeit verstund / bat sie ihn / er mochte ihr doch ein Lied setzen von den unvergnügten Leuten/ die endlich an der Welt verzweifeln/ und in den Himmel ihre Vergnügung suchen müssen. Denn sie konte nicht leugnen/ daß sie allenthalben Freude gesucht / und dennoch nirgend einen Tropffen davon angetroffen hatte. Dieser bat ferner / sie mochte so gütig seyn / und etwas deutlicher davon reden / so konte man auch in den Versen der Melancholie naher kommen. Hierauf versprach sie ehestes Tages einen schrifftlichen Auffsatz zu überschicken / überließ ihm unterdessen die Melodey/ darauf sie den Text mochte gerichtet wissen. Als er auch seiner Schuldigkeit nachleben wolte / fiel ihm eine I N V E N T I O N (45)
Der Politische Näscher/Das VI. Cap.
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bey/welche fast nicht nothig ist anzuführen. Doch damit der geneigte Leser siehet / daß in diesem Schatten lauter lebhaffte Begebenheiten abgebildet werden / so ist das jenige/ welches allbereit in den drey Hauptverderbern in Teutschland eingebracht ist / und diesen Anfang hat. Ach was ist der Menschen Leben / Anders als ein Wirbel-Wind! D a wir stets in Sorgen schweben U n d niemahls vergnüget sind/ D a wir zwischen Angst und Schmertzen/ Zwischen Furcht und H o f n u n g stehn / U n d mit unvergnügtem Hertzen Unserm Todt entgegen gehn.
Wiewohl als es überschickt ward / hatte es nicht die G R A C E , welcher man wäre vermuthend gewesen. Es mochte seyn / daß ihr die Geistlichen Gedancken wieder vergangen waren/ oder daß sie ihr rechtes Anliegen nicht klar genung entdecket hatte/ darumb sie mehrentheils wolte vor eine unvergnügte Person angesehen seyn. Und da hätte Crescentio ein Exempel von den geistlichen Naschern abnehmen mögen / welche bißweilen so andachtig seyn / daß man meynte / sie würden in ein Kloster gehn / oder mit des Augustini Mutter (46) sprechen: EVAVOLEMUS, EVAVOLEMUS. (Denn also pflegten es die alten Weiber zu PRONUNciren) doch ehe die Stunde vorüber ist/ so kommt das liebe EVAVOLEMUS wieder in eine Eitelkeit/ darbey der vorigen Hitze trefflich vergessen wird. Wiewohl in solchem Stücke ist auch eine Politische Nascherey verborgen/ denn entweder wollen sie vor den Leuten als heilige Personen angesehen werden / die sich noch bey lebendigen Leibe mochten CANONIsiren lassen/ oder weil sie von keiner Vergnügung wissen wollen / so wünschen sie jemand anzutreffen / der ihnen das Leid klaget / und aus hertzlichem Mittleiden pinseln und pümpeln hilfft / damit sie desto eher fertig werden. Der obgedachte Musicante machte es auch recht / daß er an statt des vorigen / dieses Lied / zwar in einer andern Meldung vor ihrer Thüre Musiciren ließ:
Christian Weise 1. Gute Nacht/du falsches Leben / Deine Freud ist lauter Quaal / Die sich dir zum Dienste geben Irren hundert tausendmahl. Ach mich dünckt / ich hab es kriegt Denn mein blödes Hertze liegt Unvergnügt (47} 2. Alle Tage m u ß ich hoffen / Und so bald die Nacht entsteht / Ist das Ziel noch nicht getroffen Welches durch die Nacht vergeht/ So wird alles falsch gefügt / Und die Zucker-Hoffnung liegt Unvergnügt. 3. Auch das weiche Feder-Bette Drückt mich als ein harter Stein / Weil ich in der Sorgen-Kette Wachsam m u ß gefesselt seyn / Da der Schlaff die Welt besiegt/ Ist der Wahn/der mich betriegt Unvergnügt. 4. Ja die ungewissen Traume Finden sich/und stellen mir Lauter ungestallte Baume Ohne Frucht und Blatter für. Also wird mein Geist bekriegt / Und der matte Corper liegt Unvergnügt.
Der Politische
Näscher/Das VII. Cap.
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5. Ach mein Leben/soll ich sterben / Weil du mir zu wider bist / Und dieweil mir dein Verderben Auch im Leben todtlich ist! Ach der Jammer hat gesiegt! Ach die Seele stirbt und liegt Unvergnugt. (48) 6. Gute Nacht/ ich geh zum Grabe / W e n n ich sterbe/ stirbt die Noth / Und die Sorge/ die ich habe / Uberlebt nicht meinen Todt. Auch der blasse Corper schmiegt Sich zur Erden/ da er liegt Wohlvergnügt.
Also klang das Sterbe-Lied/ welches sich gar recht vor dieselben Personen schickt/ die immer durch die gantze Woche sterben / da doch auf dem Sonntag nichts zu begraben im Hause ist. Immittelst muß man sich verwundern/ wie SENECA SO gar klug geredet hat/ ANIMI PRAVA VOLUPTAS DOLOR, die Klage selbst ist zur Lust worden/ und wie ein musicalisches LAMENTO am angenehmsten / klingt / so wollen die Verse offt den Preiß erhalten / welche von lauter Unglucke/Noth und Sterben zu singen und sagen wissen.
Das VII. Cap. Doch wir müssen wieder zu unserm Crescentio kommen / welcher sich gleichfals in der Musick vertieffet hatte / daß er schon dazumahl Verlangen trug bessere INFORMATION in solchem Stücke zu geniessen. Allein es schien noch zu zeitlich / darum {49} war seine Geschickligkeit genung probiret / daß er seinem
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Principaln die Fackel recht vortragen kunte. Auf dem Morgen wüste der Doctor nicht / wie er sich wegen des gestrigen Schadens erhohlen solte/ und weil die Compagnie Verlaß genommen hatte bey ihm einzusprechen / fiel ihm desto eher ein Possen ein / darbey er guten Vortheil zu gewinnen verhoffte: Absonderlich nachdem sein Crescentio etliche Proben ablegte / daß ihn der Pamphilius und dessen Consorten nicht unbekandt waren. Denn er gab ihm Befehl / er solte sich oben auf die Decke niederlegen / und durch ein enges Loch auf den Tisch herunter gucken: Wenn sich nun die Karte so glucklich fugen würde / daß er dem Gegentheil etwas abtrotzen konte / solte er sachte klopffen / wenn aber nichts zu hoffen wäre/ solte er stille liegen. Was geschieht? Nach Mittag stelleten sich die Gaste ein/und ohne weitlaufftiges Complimentiren/grieffen sie nach dem Buche der vier Konige. Der Doctor stellete sich bald/ als müste er revenge haben / und gieng hurtig draufloß; Bald that er furchtsam/ als dürffte er sich nicht noch einmahl in Schaden setzen. Mit einem Worte/ nach (50) dem der Mercurius droben laut oder stille war / nachdem war der Scharwentzel-Knecht unten hurtig oder verzagt. Und mit solchem Betrüge that er einen reichen Fischzug nach dem andern / biß einer aus dem Hauffen hinter dem Possen kam / weil vielleicht der Sterngucker oben etwas zu hefftig mochte gestürmet haben. Derhalben bedachte sich dieser geschwind/ was darbey zuthun wäre. Und als er vier Scharwentzel in die Hände kriegte/da hingegen der Doctor nur einen aufliegen hatte / klopffete er heimlich unter dem Tische. Der Doctor meynte/ seine Karte müste unstreitig besser seyn und wolte sich nicht schrecken lassen/ biß auf beyden Theilen zwey hundert Thaler besser geboten ward. Am Ende lagen die Scharwentzel da / und der Doctor muste seinen Gewinn fahren lassen. Wie auch dieser sich verwunderte / wo die gute Karte müste herkommen seyn / sagte dieser: „Ich wil ihm aus dem Traume helffen / jetzund war ichs/ der klopfte." Nahm hiermit sein Geld und gieng darvon. Also ward endlich die gantze Gesellschaft zerstört / und der Doctor hatte nichts zum besten / als
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daß er den Unmuth an dem Crescendo auslassen (51) durffte. Wiewol dieser war in wenig Tagen schon so klug worden / daß er mit allem Trotze antwortete/wo er ihm deswegen viel Handel machen wolte/ so solten alle Leute das lose Stückgen mit dem Spiele erfahren. Und hierdurch ward dießmahl gar bald Friede gemacht. Inzwischen erkennete der Doctor / was dieses vor Thorheit ist/ wenn man die Aufwarter etwas unehrliches sehen last. Denn es mag darnach vorgehen / was da wil / so haben sie ihren Trotzkopf aufgesetzt / und wollen entweder recht behalten/oder die Heimligkeit soll gleich an den Tag kommen. Und wie schmertzlich diese Dienstbarkeit sey/ ja mit was vor Geld man bißweilen daß Stillschweigen erkauffen müsse / das erfahren dieselben am besten / die keine Mittel wissen / von der herrschenden Magd / oder von dem i M P E R i E U s e n Knechte loß zukommen. Der vornehme Mann lebt noch / der sich einmahl bey einer fremden Ehfrau von der Kinder-Muhme ertappen ließ / und er wird am besten wissen / was die leichtfertige Muhme bißhero vor Stipendien-Gelder von ihm genossen hat. Die Bestie soll sich auch gegen ihre Tochter rühmen/ sie wolte gehn / (52) und die Steuer an dem und dem Orte aufheben. Und heisset nun das nicht eine schandliche Hure zum Fürsten annehmen / und sein Hauß mit einem verdrießlichen Capital von etliche 1000. Thaler Huren-Geld beschweren. Doch solche Nascher verbrennen sich also das Maul/ und mögen das ausgelegte Geld vor das Artzt-Lohn rechnen. Was aber unserm Doctor betrifft/ so merckt er wol/ daß er nun bey diesem Aufwärter schlechten Respect behalten würde/ und dachte auf Gelegenheit/ wie er ihn mit Manier an einem andern Herrn brachte. Nun hatte er eine vornehme Gerichts-Bestallung/ und in solcher ein kostlich Dorff / welches etwas von dem andern Gütern abgelegen war / dahin wolte er einen Clienten von seinen alten Schreibern zum Unter-Verwalter setzen / und mischte die Karte so gut/ daß dieser Crescentio als ein Copist mit hinaus zog. Denn ob er gleich gern wäre in der Stadt geblieben / da er sein Glücke besser fortzusetzen vermeynte/ so ward ihm doch das
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lustige und froliche Landleben mit solchen schonen Farben vorgemahlt/ und von den ACCIDENTIBUS ward ihm so ein gutes Stücke versprochen/ daß er ( 5 3 ) nicht allein gar wol zu frieden war / sondern auch lieber bey dem kostlichen Dienste auf eine Liebste gedacht hatte. Denn sein alter Praceptor hatte ihm die trostliche ETYMOLOGIE gelehret / CRESCENTIUS käme von d e m D I C T O , C R E S C I T E & MULTIPLICAMINI.
Das VIII. Cap. Es ist aber nicht zu beschreiben / was der gute Kerl vor einen Närrischen Herrn bekam. Denn der Mensch war so stoltz und aufgeblasen/ daß er alles nach seinem Kopffe andern und reformiren wolte / ungeacht er nur ein blosser Unter-Verwalter war. Derhalben war der liebe Crescentio immer geschäfftig/ bald Befehle zu publiciren/ bald die Partheyen in der ANTICAMERA ZU verhören/ bald von den Verbrechern die Gebuhren einzuholen/ denn daß Dorff hatte in der gemeinen Bauer-Casse nicht so viel übrig / daß man eine rechte Verfassung wegen eines beständigen Häschers machen kunte / und also muste der Copiste bald einen Secretarium/bald einen Gewaltiger bedeuten. Das erste Gesetze betraff die Bauer-Knechte/welche bißweiln etwas zu {54) lang in die Nacht die Schencke besuchten / und hernach die Entschuldigung einwanten/ sie hätten sich in der Zeit verrechnet/ weil der Seiger ziemlich weit entlegen ware/ denn er gab Ordre/ der Hirte solte an statt des Zapffenschlages durch das Dorff herumteuten / und welcher sich hernach würde auf der Bier-Banck betreten lassen/ der solte entweder acht Tage im Hundeloche stecken/ oder zwey alte Schock Straffe erlegen. Zwar diese Ordnung hätte bald einen lacherlichen Ausgang gewonnen. Denn als die Bauren an dem Doctor als Ober-Verwalter vergebens appelliret hatten/ weil dieser seinen gewesenen Schreiber und immerwährenden d i e n t e n bey Ehren erhalten wolte / so muste der Hirte seine Abend-Music anstimmen. AI-
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Näscher/Das VIII. Cap.
lein die Schweine waren der ungewöhnlichen Sau-Glocke ungewohnt / und rissen sich zu gantzen Compagnien aus den Koben heraus/ daß man nie so viel Unruhe im Dorffe gemercket hatte/ als da der künstliche Unter-Verwalter ein Gesetze wieder die Unruh promulgiren wolte. Auf dem Morgen ward das gantze Dorff vor die Gerichts-Stube P E R E M P T O R I ^ C I T I R T , und ( 5 5 ) da solten die Knechte / welche sich auf ihren wegen befunden/ und die Schweine wieder nach Hause getrieben hatten / der Straffe unterworffen seyn. Denn ob sie gleich einwenden wolten / der Hirte hatte einen Aufruhr gemacht/ und würde niemand begehren/ daß man sein Vieh solte im stich lassen / darauf ein Landmann seine groste Wohlfahrt bauen müste; so blieb es doch darbey/ V E R B A L E G I S stünden hier klar / es solte sich kein Bauer-Knecht / nach abgeblaßnen Zapfenschlage/in dem Dorffe finden lassen/ und solchen müste S T R I C T E nachgelebet werden. Nach langen DiSPUTiren / ExciPiren/ REPLiciren/
LAMENTiren/FULMiNiren/
surPLiciren
und
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PENSiren kam es auf 8. Tage Bedenckzeit / darinn sie überhaupt zehn Schock Straffe/ und drittehalb Schock Gerichts-Gebühren erlegen/ oder in achtagige Gefängnis gehen solten: Mit angehenckter Bedrohung/ wer ins künfftige dem Befehle wiedersprechen würde / der solte dem Buckel auf einen unbarmherzigen Staupbesen gefast machen. Das war der erste GerichtsACTUS. Auf den Abend nahmen die Leute ihre Schweine besser in acht/ wenn etwa der gefahrliche Musicante (56) wieder Lärmen blasen möchte. Indessen hatten sich etliche Bauer-Knechte unter dem Gesichte geschwartzt/ und kamen mit ihren Kühhornern vor des Unter-Verwalters Pallast angestochen / und bliesen so graß und ungestüm / daß man hatte meynen sollen/ der Nacht-Jager brächte ein Holtz-Weib durch das Dorff gejagt. Was hat aber mein Unter-Verwalter zu thun? Er greifft nach seinen Hauß-Prügel/und wischt damit unter die unbändigen Pursche hinaus. Allein (er) erkante niemanden/ und als er einen unter dem Gesichte zeichnen wolte/ so ward er erst gewahr / daß er an statt des Prügels die Fliegen-Klatsche erwischt hatte /
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damit gab es auf eine Bauer-Nase ein schlechtes Merckmahl. Endlich fuhr er zu / und wolte dem vornehmsten sein Horn wegnehmen. Allein dieser wehrete sich etwas / und schmierte indessen ein bißgen Marek von einen Kuhfladen um das Mundstücke / und ließ den frommen Herrn hiermit in seine Residenz hinein wischen. Crescentio gab unterdessen einen S P E C T A T O R , und meynte/ es gienge ihm an den Gebuhren was ab/wenn er sich die Bauren zu Feinden machte. Doch rühmete er sich gegen dem ( 5 7 ) Herrn/ was er vor Thaten begangen hätte / wieß auch zum Zeichen seiner TapfTerkeit eine Hahn-Feder / die er auf dem Miste gefunden / und sagte/ der Radeisführer hatte solche zum Feldzeichen auf dem Hute geführet. Die nachfolgende Nacht gab es schlafflosser Stunden / weil er sich besann / wie man bey Ermangelung der Zeugen den Proceß füglich vor die Hand nehmen mochte. Doch zu allem Unglücke rieß sich ein Pferd im Stalle loß / und machte einen kleinen Tumult. Da meynete dieser furchtsame Gerichts-Herr die schwartzen Bravademacher wolten gar über die Mauren steigen / und befahl seinem Crescentio / er solte in das Horn blasen/ und die Nachbarn zusammen ruffen. Wiewol dieser entschuldigte sich / er hatte solches sein Lebetage nicht versucht / und dazu würde es wenig helffen / weil die Bauren bey Leibes-Straffe nicht aus den Häusern dürfften. Bey so bestalten Sachen muste er selber vor das Mundstück treten / und die Probe von dem Colfonium nehmen/ damit die Bauern ihre Horner einschmieren. Da überlieff nun dem Herrn Unter-Verwalter eine solche Boßheit / daß er die Hitze hernach mit einem Kübel Buttermilch kaum ( 5 8 ) zu stillen vermochte / und weil die Sache mit dem Pferde von dem Knechte entdecket ward/ blieb alles bis auf frühen Morgen verschoben. Die Sonne hatte aber kaum ihre Richterbanck auf dem Firmament eingenommen/ so hatte der Unter-Verwalter einen Richt-Stuhl/ genant Hohe-Pflaster als eine Reliquie von Pontio Pilato / besetzt/ und muste die Dorfschafft vor ihm erscheinen. Da war viel zu klagen und wenig zu beweisen / indem die Knechte so unhöflich waren/daß sie den jenigen vor einen
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S c h e l m halten w o l t e n / der i h n e n das geringste S c h u l d gäbe. So k u n t e das zierliche OFFICIUM JUDICIS langer nicht stille sitzen / u n d k a m das DECRETUM heraus / die Bauren solten alle s a m m t u n d sonders schweren/ ob sie nicht darvon w i ß t e n . Zwar die alten ehrlichen Schoppen / w e l c h e noch der Zeit von den vorigen Verwaltern i n g e d e n c k waren/ hatten ihre g u t e n Ursache: M a n dürffte k e i n e n z u m Eyde nothigen/ d e m e nicht zuvor etliche A n z e i g u n g e n waren dargethan worden / es wäre gleichwol eine Gewissens-Sache/darüber m a n die höhere O b rigkeit a u c h n e h m e n muste. D o c h es halff nichts / die Bauren solten schweren. (59) Crescentio v e r w u n d e r t e sich / w a r u m b die Bauren so schwerlich k o n t e n z u m Schweren gebracht werden / da er doch gehöret hatte/ w i e so gar umsonst u n d vor die lange W e i l e in der Schencke viel tausend S c h w ü r e nach einander abgeleget w ü r d e n . Endlich b l i e ß er seinem Herrn ins O h r e / das H o r n u n d die Feder w a r e n Beweises genung/ w e n n der H e r r Doctor so viel in H ä n d e n hatte/ so Hesse er alles in die ACTEN hefften u n d verschickte es z u m Versprechen. U n d diese W e i ß heit ließ sich von e i n e m hören/ der vier W o c h e n bey e i n e m PRACTICO die Fackel getragen hatte. Hiermit solten alle Knechte ihr M a u l a n den K ü h - H o r n e probieren/ ob m a n irgend sehen könte/ wer die Gusche darnach gewehnet hatte: Sie m u s t e n auch die H ü t e aufweisen / ob irgend ein Loch vorhanden wäre / darein sich die Hahn-Feder schickte. In Summa/es w a r d ein Inquisitions-Proceß daraus / der d e n Bauren n u r d a r u m b ann e h m l i c h war/weil m a n keiner ADVOCATen darbey bedurffte / u n d in dessen ein Tag nach d e m andern o h n e Straffe d a h i n lieff. Endlich erfuhr der Doctor das Unwesen / k a m selbst h i n a u s u n d legte d e n P l u n d e r in aller G ü t e b e y / (60) d a ß also weder Scharffrichter n o c h Hascher eine Gebühr davon e i n z u n e h m e n hatten.
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Das IX. Cap. Wiewol der Herr Oberverwalter hatte kaum den Rücken gewendet / so ward (der) S U B S T I T U T E S wieder lüstern/und wolte seine AuTORitat in einem neuen Gesetze sehen lassen. Denn die Bauer-Knechte hatten die Mode/ daß sie an ihren Rocken grüne Seidene Püschel trugen / wieder dieselben ließ er folgendes Placat/ an die Schencke / an die Kirche und an seinen Pallast anhefften. Wir Bastian Schoß / Hoch-Adelicher Gerichts-Verwalter zu Rückmersdorffi entbieten allen und jeden / welche dieses lesen / unserm Gruß und R E S P E C T I V E Gnade. Und nach dem es leider in dieser Gemeine R ü c k m e r s d o r f f dahin kommen/ daß die Bauer-Knechte aus übermaßiger Hoffart ihre Rocke mit grünen seidenen Püscheln bezeichnen/ und also die Farbe / welche JUL I U S C J E S A R in seinem Lorbeer-Crantze getragen / gemein und verächtlich machen; Uns aber Krafft tragenden Ampts obliegen (61) wil/ dergleichen ärgerliche und weitaussehende Consequentzen abzuschaffen/und hingegen alle tugendhaffte und lobliche Gewonheiten einzuführen; Als befehlen wir ernstlich / dräuen auch E V E N T U A L I T E R alle Leibes- und Lebens-Straffe/ daß ins künfftige alle Hoffart in diesem Stücke unterlassen/und hingegen an dessen statt gelbe Questen von Wolle aufgehefftet werden. Daran geschieht unsere Meynung/ und sind wir in unsere Gerichts-Pflicht-Verwandten mit allen Gnaden gewogen. D A T U M UT SUPRA.
B a s t i a n S c h o ß M. P. AD
MANDATUM
DN.
PRJETORIS
PROPRIUM CRESCENTIO.
Die Knechte rufften den Herrn Schulmeister darzu/ und baten ihn/ er mochte doch den neuen Befehl lesen/ in Meynung/ es würde Anstalt gegen einem Soldaten-Marche gemacht: Allein wie sie den Inhalt verstunden/ da rufften alle ingesampt/ was hat uns der kahle Placker Kleider-Ordnung vorzuschreiben /
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die Gerechtigkeit k o m m e t u n s e r m J u n c k e r zu/ u n d nicht d e m (62} beschissenen Kuh-Horns-Blaser. Heran/ ihr Bursche / es betrifft unsere Gerechtigkeit / d a m i t war es u m b einen Griff zu thun/ so flog das g r a u s a m e EDICT in tausend Stucken durch die freye Lufft h i n w e g . Der Unter-Verwalter war hierauff übel zu sprechen/ u n d meynete/ es w ü r d e z u m wenigsten bey d e m Schulmeister etwas von Respect zu erhalten seyn. D r u m b n a h m er ihn vor/und wolte i h m g r a u s a m zu Leibe/ als hatte er die Knechte zur Rebellion bewogen. D a m i t er auch der Sache einen bessern Schein geben / u n d die DELICTA etwas cuMiJLiren mochte/ wolte er i h m viel vorwerffen/wie er bey seinen J u n g e n so gar ärgerliche Sachen gelehret hatte / als z u m Exempel: Er hatte einen C a t e c h i s m u m in der S c h u l e gebraucht/ a u f dessen Einbände der H e y d n i s c h e M e r c u r i u s wäre abgebildet gewesen/ ID QUOD BLASPHEMUM; i m Schreiben gäbe er den Knaben solche Vorschrifften/ da die SUBSTANTIVA m i t lauter kleinen Buchstaben gesetzet würden/ ID QUOD ABSURDUM; an den Federn liesse er hinten Büschel stehen/ u n d gewohnete die Kinder von J u g e n d a u f zur Hoffart/ u n d was alles vor h o c h w i c h t i g e Eri n n e r u n g e n w a r e n . Der S c h u l m e i - (63) ster horete m i t grosser Gedult zu: Endlich k a m das Reden auch an i h n / d a ß er sagte / „Ihr Herr Unter-Verwalter / was habt ihr euch u m b m e i n e S c h u l e zu b e k ü m m e r n ? U n d darzu/was dürfft ihr m i c h in solchen tadeln/ die e u r e m Verstände viel zu w i c h t i g seyn. H a t m i r der B u c h b i n d e r eine Figur a u f den C a t e c h i s m u m gemacht/ w a s kan ich davor? Ich werde g e w i ß sollen ein Bilder-Gucker werden? M e y n t ihr etwan / d a ß ich ein M ü ß i g g a n g e r bin/wie ihr/ u n d d a ß ich auch so viel Zeit habe die H e i m l i g k e i t aus allen B ü c h e r b a n d e n zu erforschen? In den SUBSTANTIVIS folge ich d e n H o l l ä n d i s c h e n S p r a c h m e i s t e r NATHANAEL D U E Z , d e r h a t
in dieser Sache m e h r vergessen als ihr. U n d w e n n es euch m i t den Federn verdriessen wil / so kan ich ins Künftige wol a u f der Seite a u c h etliche Borten oder Spitzen daran stehen lassen. D e n n das sollet ihr e i n m a h l vor allemahl wissen / d a ß ich m i c h n i m m e r m e h r von euch H o f m e i s t e r n lasse / u n d w e n n ihr euren
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Mantel liesset mit Sammte verbrämen." Diese Pfeile waren verschossen/ und machten dem Herrn SuB-Verwalter eine solche Empfindlichkeit/ daß er nicht wuste/an welchem Ende der Zorn am besten (64) konte ausgelassen werden. Endlich beliebte ihm der PUNCTUS VOSSISSATIONIS, daß der kahle Schulmeister einen so hauptsachlichen Verwalter schlecht hin geihrzet hatte. „Was?" sagte er/ „sollet ihr mich ihr heissen? Ihr Kerle/ihr müsset dencken / wen ihr vor euch habt. Und so wahr ich ein ehrlicher Mann bin / ich wil mit euch einen INJURIEN PROCESS anfangen / dafür der Hencker selbst erschrecken soll." Der Schulmeister war unerschrocken/ und gab ihm zur Antwort: „Ach sieh da/ Herr Unterverwalter/ ich werde gewiß sprechen sollen/ Ihr Excellentz/ Ihr Eminentz/ Ihr Reverentz/ Ihr Pestilentz; Ja/ ja ihr Gnaden ich habe mich bedacht/ daß ich den INJURIEN-PROCESS mit euch annehmen wil/ und da wollen wir zusammen streiten / wer unter uns der ärgste Fantast ist." Ein Wort gab hierauf das andere/ biß der Herr JUSTITIARIUS dem Schulmeister befahl/ er solte in das CONSISTORIUM gehen/ und daselbst ohne weitere Ordre in die Presaune kriechen. Da wolte dieser auch weisen / daß er sich so vor die lange Weile nicht liesse in das Loch stecken / und gab ihrer Excellentz so eine EXCELLENTE Bauer-Maulschelle / daß ihm bey einer ( 6 5 ) Haare CUPIDITAS RESISTENDI vergangen wäre. Es blieb auch nicht bey diesem geringen Anfange/ sondern er wolte gleichsam eine Probe ablegen/ wie geschickt er sich befinde einen COMMENTARIUM IN PLAGAS ORBILII heraus zu geben / u n d kriegte
den ehrlichen Staatsmann in das Handgemange/ darüber er aller Excellentz vergaß/ und dem Herrn Schulmeister bat / er mochte doch aufhören/ und gedencken/ daß er auch ein Christen-Mensch wäre. Allein der P^EDAGOGIARCHA hatte in diesem Stücke seiner Christenheit dergestalt vergessen/ daß die Nachbarn endlich zulauffen / und auf den Lermen / welchen Crescendo machte / die streitenden INCUBOS & SUCCUBOS wieder zu Stande bringen musten. Also war in dem Dorffe keine Obrigkeit/ und wenn die Bauern einen Befehl kriegten/
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so war dieses ihre Einwendung/ sie würden so viel Recht haben als der Schulmeister: Wenn er etwan nicht konte zu frieden seyn/wolten die gesampten Knechte zu einer neuen KopfSteuer eine Anlage machen/und dem Herrn Unter-Verwalter die Einnahme übergeben. ( 6 6 )
Das X. Cap. Solche Unruhe kunte auf die letzte dem Edelmanne und Gerichts-Herrn nicht verschwiegen bleiben / drumb zog er den Doctor zu Rathe/und reysete nebenst ihm in Person auf das gedachte Dorff. Als nun die Bauren ihre GRAVAMINA, nicht nur an dutzenten / sondern an Schocken/ Wispeln und Eymern abmassen / befand sichs/ daß ein rechter Narr über den Eyern gesessen hatte. Drum war der Edelmann über die massen ungedultig/und gab den S U B O F F I C I A L einen harten Verweiß/irgend dieses Innhalts: „Ihr poßirlicher Kautz / wenn ich euch hatte zu meinen Hoffschneider angenommen/ so wäre die Entschuldigung da gewesen/ es konte niemand Kleider machen/ der es nicht gelernet hatte: Nun ihr aber wisset/ daß ihr zu dem Regiment so ungeschickt seyd/ als der Esel zum Lautenschlagen / so wäre dieses noch ein Zeichen der Weißheit gewesen/ wenn ihr euch im Anfange des Handels nicht unterfangen hattet. Meynet ihr/ daß man nur Respects wegen auf der Richterbanck sitzen / und daß man (67) die AuTORiTat nach eigenen Gefallen bey seinen Untergebenen mißbrauchen darff? Ein Pferd ist unvernünfftig / doch wer es in der Schule abrichten wil / der muß sich mehr nach dem Thiere als nach seiner eigenen Bequemligkeit zu lencken wissen. Wenn er auch mit unzeitigen Eyver und mit tyrannischen Wercken einplumpet / so wird die Reuterey auf eine Beerenheuterey hinaus lauffen. M u ß man nun bey einer Bestie so gedultig seyn: Was wird man bey einem Menschen versuchen müssen / der aus seiner Vernunfft tausend Wege erdencken kan/ wie er den Zügel abreissen / und dem Bereiter die
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mensur von dem Huff-Eisen in das Gesichte prägen soll. Worzu haben nun die ungeschickten Befehle gedienet? Oder habt ihr eure A N T E C E S S O R E S vor Narren und Fantasten gehalten / als wäre nunmehr in der letzten Grundsuppe dieser Welt erst ein Stern aufgegangen / der alle Fehler und Landes-Gebrechen durch neue Gesetze verbessern solte. Ach bleibet bey den alten Lochern / und macht der neuen nicht zu viel / die Hasen-Ohren mochten sonst zu mercklich durch gucken. Ja wenn die Befehle noch waren bey einer billigen (68) E X E C U T I O N gelassen worden / so meynte man/ es wäre etwas mehr I N T E R R O R E M , als I N T E R R E N T I S F U R O R E M gerichtet gewesen. So hat ein Bauer / der seine Sau des Abends im Dorffe sucht/ als ein Gassatenganger sollen gestraffet werden. Warumb? Das Gesetze liegt klar da/ und wer dem geschriebenen Buchstaben nachkommt/der kan nicht irren. Ja wol kan der nicht irren/ der den geschriebenen Buchstaben ohne Vernunft ansiehet/wie ein Esel die Artschocken/welches zwar Disteln sind/aber nicht vor seinen Rüssel. Denn gesetzt/ich sagte wieder meinen Diener/er solte auf das nechste Dorff zureiten/er aber wolte sich nach der geraden Linie richten/ und über Acker/ Wiesen/ Weinberge und Krautlander hinmarchiren/unter dem Vorwande/ L I T E R A S C R I P T A konte ihn nicht betriegen/ und da würde ihm der Weg auf das Dorff befohlen; so wolte ich sagen / du Narr/ wer dich reysen heisset / der heisset dich zugleich auf der ordentlichen Strasse bleiben: Dieweil du nun viel Leuten hast Schaden gethan/ so bezahle es/ oder kreuch in das Hundeloch. Doch was darff ich viel Worte machen: Ihr habt wollen Edelmann seyn/ drumb ist meinem Respect (69) daran gelegen/ daß ich den Bauren weise / daß ich einen solchen unzeitigen Regenten darf mit der Richter-Thüre vor dem Hintern schlagen. Hiermit habt ihr euren Abschied/ und trollt euch bey Zeiten aus dem Dorffe. Denn ich kan euch nicht schadloß halten / wo die Bauren Thorheit mit Thorheit belohnen wollen." Crescentio stund von ferne/ und horte den Patenten mit allem Fleiß an / gedachte auch bey sich/was sein Herr vor ein
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Nascher gewesen/ und wie numehr auf dem Honig-Topffgen der hohen A U T O RI tat eine Wespe gesessen/ welche ihn auf die Hände und auf die Nase gestochen hatte. Er selbst zwar verwandelte seine hochmüthige G R A N D E Z Z E in eine Sclavische Niedrigkeit / und bat hochlich/ es mochte doch nicht scharff P R O C E D i r e t / und zum wenigsten sein Respect vor den Bauren erhalten werden. Allein er muste hören / dergleichen Schlüsse waren unveränderlich/ und mochte er guten Rath gelten lassen / ehe die Knechte den guten Rath theuer machten. Also packte der Monsieur zusammen / und gab den guten Crescentio freye Gewalt zu reysen / wohin er von seinen Glücke getrieben würde: In- (70) massen er auch in wenig Stunden dahin zog/ und von dem Crescentio biß an die Hege-Seulen vor dem Dorffe begleitet ward. Im übrigen hatte sich ein guter Freund gefunden/ der seine Meynung / als eine anständige Glosse/ durch folgendes Lied / erklaret hatte. 1. Die Welt ist schwerlich zu regieren / Man muß klug und gedultig seyn: Die stets ihr Schwerd zur Losung fuhren / Die tolpeln offtmals grausam ein / Hingegen wer den Staat versteht / Last manches gehen/ wie es geht. 2.
Man wünschet allemahl das beste/ Doch nimmet man/ was möglich ist; Die schlaue Welt hat lose Gaste / Und schwebt in Boßheit/ Furcht und List / Daß auch das Leben Tugend heist / Das heimlich fleckt und aussen gleist. 3. Man scharfft bißweilen das Gesetze / Man sagt/ was Rhadamantus spricht /
Christian Weise Doch fahrt die Boßheit durch das Netze/ Und achtet auch der Straffe nicht Indem des Richters Spruch und W a h n Nicht alle Sünder todten kan. (71) 4. So m u ß man durch die Finger sehen / W o sich das Werck nicht andern last / Und soll das Wiederspiel geschehen / So stürmt man nur das Wespen-Nest / Daß endlich Richter/ Volck und Staat Schimpf und Ruin zum Sportein hat 5. Das scharffe Recht mag etwas schlaffen / Wo Krafft und List im Thore wacht: Denn durch ein ü b e r m l ß i g Straffen / W i r d nur dem Sünder kund gemacht W i e schwach und furchtsam der regiert / Der die Gewalt im Titul führt. 6.
Vornemlich darf man aus den Sachen / Die nichts als Mitteldinge sind / Kein unerträglich Laster machen / Weil man nichts mehr hiedurch gewinnt / Als daß ein Volck der Kunst gewohnt / Und keiner Satzung weiter schont. 7. Gott ehre mir die Mittelstrasse / Nicht allzu streng und nicht zu weich / Das bleibet stets die kluge Masse/ So wird kein Knecht dem Herren gleich/ Die Tugend wächst/ der Staat besteht / Und manches gehet/ wie es geht.
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Das XI. Cap. O b der von Adel neben seinem Ober-Gerichts-Verwalter das Lied in die (72) Hände bekommen / davon hat zum wenigsten Crescentio nichts wissen können. Allein bey der Abend-Mahlzeit hatten sich etliche Hoff-Leute/ Officirer und Gelehrten eingefunden/ welche ungefehr vorüber reyseten/ und also Anlaß gaben etwas weitlaufftiger von dem bißherigen Regiemente zu discurriren. Indem aber gedacht ward / wie straflich der Verwalter hinter den Knechten her gewesen/ wenn sie etwan auf dem Abend ihre Grite besucht hatten/ sagte einer aus den Frembden: „Es ist Thorheit/ daß man die armen Bauren/ die sonst ihre Beschwerung haben / mit solchen Dingen beschweren wil/ dadurch der Herr nichts gebessert/ und das Volck vortreflich DiSGUSTiRt wird. Denn hat ein Herr seine Dienste / Steuren und Zinsen/ was gehet ihm dran ab / ob die Reckel eine Stunde eher oder langsamer zu Bette gehn. Man weiß ohne diß/ wie steif über die alte Gerechtigkeit gehalten wird / und wie man endlich mit solchen Gesetzen einen Bauren-Krieg in das Land spielen konte. Gesetzt auch/ daß man hiedurch etliche Leichtfertigkeiten begegnen wolte/ so ist es doch besser / man gebraucht sich der ordentlichen Mittel/ und (73) straffet/was zu straffen ist; das übrige befehle man Gott/der kan die Boßheit ohne dergleichen pilejudiciRÜche Dinge entweder verhindern oder an das Liecht bringen." Sein Nachbar fiel ihm in die Rede. „Ja wol"/ sagte er / „sind die Bauren von ihren Herkommen und Gewohnheiten übel zu bringen. Aber was zu thun / wenn die Schelmen eine Gewohnheit haben/ die vor Gott und der Welt unerbar ist? Ich weiß ein Exempel nicht weit von mir/ da verklagten die Bauren ihren Schosser bey dem Fürsten / er wolte ihnen ihr Pfingstbad verbieten/ ungeacht sie solches von alter Zeit her gehalten hatten. Der Schosser kriegte einen ziemlichen Verweiß/ wenn die Leute das ihrige abfuhren / was sie schuldig waren / so solte er sie in ihrer guten Ergetzligkeit nicht verhindern. Allein dieser that seinen Gegenbericht. Er begehrte die Bauren
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nicht von dem Bade abzuhalten: Doch wäre bisher etwas aufkommen/ daß ihm nicht zu leiden stünde. Denn die Knechte und Magde zögen sich in ihren Hausern fingernackend aus / lieffen also durch das Dorff zu dem Bade/ und lebten so ärgerlich durcheinander/ daß man die Boßheit anders nicht verbieten konte/ (74) als wenn die Knechte vor sich / die Magde an einem andern Ort ihr Bad anstelleten/ ein jedwedes aber in seinen Kleidern nach der Badstube gienge. Hiermit kam ein anderer Bescheid/ daß sich niemand bey Straffe eines scharffen Staup-Besens auf die alte Mode baden solte." „Es ist recht gewesen", sagte der erste/ „denn die Gewohnheit ist an sich selbst bose gewesen / und hatte Gottes Zorn und Straffe über das D o r f f und gantze Land ziehen können. Aber wo einer ein I N D I F F E R E N T E S Wesen so hoch aufmutzen wil / der hat in der Regierungs-Schule noch nicht ausgelernet / oder er sol doch erst gepritschet und zum Gesellen gemacht werden." Ferner gedachten sie auch an den iNQUismoNS-Proceß/da er die Mauler nach dem Küh-Horn abgemessen / und dadurch den Thater hatte erforschen wollen. Da sagte einer: „Es ist gut / daß der Mensch bey Zeiten abgesetzet wird/ er hatte sonst den Frantzosischen Proceß eingeführet/ und endlich Mäuse/ Käfer und Frosche S U B PCENA C A R C E R I S & R E L E G A T I O N I S vor sich C I T l r e t . " Sie fragten/ was er durch den Frantzösischen Proceß verstehen wolte? Und da erzehlet er aus dem THUANO, welcher seines (76) Behalts im sechsten Buche von dem CASSAN.