Werke. Darmstädter Ausgabe. Band I. Schriften zur Geographie der Pflanzen 3534196910, 9783534196913

Der geniale Forschungsreisende Alexander v. Humboldt (1769–1859) erlangte mit den Ergebnissen seiner Expeditionen Weltru

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German Pages 3819 [332] Year 2008

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Titel
Impressum
Inhalt
A. Einführung
Einführung in die >Alexander-von-Humboldt-StudienausgabeAlexander-von-Humboldt-Studienausgabe< in sieben Bänden
Tabelle der von Humboldt benutzten Maße und Gewichte
Die Werkauswahl der Studienausgabe
Liste der in dieser Studienausgabe häufig benutzten Literatur
Das amerikanische Reisewerk
[Einleitung und Darlegung der „Hauptergebnisse“]
Messungen
Botanik
Geographie der Pflanzen
Zoologie und vergleichende Anatomie
Reisebericht, Landeskunde, Atlanten
Das russische Reisewerk
Andere Werke A. v. Humboldts
Werke über A. v. Humboldt und sonstige häufig zitierte Literatur
B. Textteil
I
Texte vor der Veröffentlichung der >Ideen zu einer Geographie der PflanzenGeographie der Pflanzen< (1790)
(2) A. v. Humboldts Rezension einer frühen Arbeit Thaddäus Haenkes (1791)
(3) Geschichte der Pflanzen - Geographie der Pflanzen (1794)
(4) Der älteste bis jetzt bekannt gewordene Entwurf einer >Geschichte der Pflanzen< und eines >Naturgemäldes< (1795)
(5) Die Idee der Pflanzensukzession (1800)
(6) Ideen zu einer Physignomik der Gewächse (1806)
II
(7) Das Grundwerk: Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer (Tübingen und Paris 1807)
III
Texte nach der Veröffentlichung der >Ideen zu einer Geographie der PflanzenProspekt< oder die Ankündigung der zweiten Auflage der >Geographie der Pflanzen< (1826)
(10) Ein Textbeispiel aus der nicht publizierten zweiten Auflage der >Geographie der Pflanzen< (1826)
Neue Untersuchungen über die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen bemerkt (1821)
Anmerkungen
C. Kommentar
Zu dieser Ausgabe der >Schriften der Geographie der PflanzenGeographie der Pflanzen< und Erläuterungen zu den Texten
(1) Erster Entwurf einer >Geographie der Pflanzen< (1790)
(2) A. v. Humboldts Rezension einer frühen Arbeit Thaddäus Haenkes (1791)
(3) Geschichte der Pflanzen - Geographie der Pflanzen (1794)
(4) Der älteste bis jetzt bekannt gewordene Entwurf einer >Geschichte der Pflanzen< und eines >Naturgemäldes< (1795)
(5) Die Idee der Pflanzensukzession (1800)
(6) Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse (1806)
(7) Das Grundwerk: Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer (Tübingen und Paris 1807)
Allgemeines
Zu den Ausgaben
a) Das französische Original
b) Die deutsche Bearbeitung, der die vorliegende Ausgabe folgt
Zur Editionsgeschichte des >Essai sur la géographie des plantes< und der deutschen Bearbeitung der >Ideen zu einer Geographie der PflanzenIdeen zu einer Geographie der PflanzenIdeen zu einer Geographie der PflanzenNaturgemälde-ProfilNaturgemälde-ProfilNaturgemälde-Profil< im amerikanischen Reisewerk A. v. Humboldts
c) Die deutsche Übersetzung des >Naturgemälde-Profils< 1807
d) Goethes Versuch einer „symbolischen“ oder „idealen Landschaft“ 1807
e) Die französische Bearbeitung von Goethes „symbolischer Landschaft“ 1813
(8) Einleitende Vorbemerkungen
>Über die geographische Verteilung der Pflanzen< (Paris 1817)
>Über die geographische Verteilung der PflanzenIdeen zu einer Geographie der PflanzenProspekt< zur zweiten Auflage der >Géographie des plantes< (Paris 1826)
b) Entstehungsgeschichte des >ProspektusGeographie der Pflanzen< (1826)
Dank des Herausgebers
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Werke. Darmstädter Ausgabe. Band I. Schriften zur Geographie der Pflanzen
 3534196910, 9783534196913

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Alexander von Humboldt

DARMSTÄDTER AUSGABE Sieben Bände

Herausgegeben von Hanno Beck

BAND I

Alexander von Humboldt Schriften zur Geographie der Pflanzen Herausgegeben und kommentiert von Hanno Beck in Verbindung mit Wolf-Dieter Grün, Sabine Melzer-Grün, Detlef Haberland, Paulgünther Kautenburger †, Eva Michels-Schwarz, Uwe Schwarz und Fabienne Orazie Vallino

Forschungsunternehmen der Humboldt-Gesellschaft, Nr. 40 Mit Förderung der Academia Cosmologica Nova

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 2., durchgesehene Auflage 2008 © 2008 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 1987–1997 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Umschlag- und Schubergestaltung: Peter Lohse, Büttelborn Abbildungen auf dem Schuber: Humboldt-Portrait von F. G. Weitsch 1806, Foto: Hanno Beck; Weltkarte aus dem Berghausatlas, V. Abteilung, Pflanzen-Geographie; „Plan du Port de Veracruz“ von A. v. Humboldt, Foto: Hanno Beck Umschlagabbildungen: Details aus den Karten und Illustrationen des Berghausatlas Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de

ISBN 978-3-534-19691-3

Inhalt A. Einführung

Einführung in die >Alexander-von-Humboldt-Studienausgabe< Zur Problemorientierung . Alexander von Humboldt - Ein Einblick. Zum zeitgenössischen Hintergrund Zusammenhänge . Methodologie . Kurzer Blick auf die Entwicklung nach Humboldts Tod 1859 Kurzer Blick auf Humboldts physikalisch-geographische Leistung . Grundsätze dieser >Alexander-von-Humboldt-Studienausgabe< in sieben Bänden . Tabelle der von Humboldt benutzten Maße und Gewichte . Die Werkauswahl der Studienausgabe . Liste der in dieser Studienausgabe häufig benutzten Literatur Das amerikanische Reisewerk [Einleitung und Darlegung der "Hauptergebnisse"] Messungen . Botanik . Geographie der Pflanzen Zoologie und vergleichende Anatomie Reisebericht, Landeskunde , Atlanten Das russische Reisewerk . Andere Werke A. v. Humboldts Werke über A. v. Humboldt und sonstige häufig zitierte Literatur . .

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Inhalt

VI

B. Textteil

I Texte vor der Veröffentlichung der > Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< (1) Erster Entwurf einer > Geographie der Pflanzen< (1790) . (2) A. v. Humboldts Rezension einer frühen Arbeit Thaddäus Haenkes ( 1791 ) . . (3) Geschichte der Pflanzen - Geographie der Pflanzen (1794) (4) Der älteste bis jetzt bekannt gewordene Entwurf einer >Geschichte der Pflanzen< und eines >Naturgemäldes< (1795) (5) Die Idee der Pflanzensukzession (1800) (6) Ideen zu einer Physignomik der Gewächse (1806) .

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II (7) Das Grundwerk: Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer (Tübingen und Paris 1807)

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III Texte nach der Veröffentlichung der >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< . (8) Einleitende Vorbemerkungen über die geographische Verteilung der Pflanzen (Paris 1817) (9) Der >Prospekt< oder die Ankündigung der zweiten Auflage der > Geographie der Pflanzen< (1826) . (10) Ein Textbeispiel aus der nicht publizierten zweiten Auflage der >Geographie der Pflanzen< (1826) . Neue Untersuchungen über die Gesetze , welche man in der Verteilung der Pflanzenformen bemerkt (1821) Anmerkungen .

167 167 255 265 265 276

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Inhalt C. Kommentar

Zu dieser Ausgabe der >Schriften der Geographie der Pflanzen< Der Weg zur >Geographie der Pflanzen< und Erläuterungen zu den Texten . (1) Erster Entwurf einer >Geographie der Pflanzen< (1790) (2) A. v. Humboldts Rezension einer frühen Arbeit Thaddäus Haenkes (1791) . . (3) Geschichte der Pflanzen - Geographie der Pflanzen (1794) (4) Der älteste bis jetzt bekannt gewordene Entwurf einer > Geschichte der Pflanzen< und eines >Naturgemäldes< ( 1795) . (5) Die Idee der Pflanzensukzession (1800) . . (6) Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse (1806) (7) Das Grundwerk: Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer (Tübingen und Paris 1807) Allgemeines . Zu den Ausgaben a) Das französische Original b) Die deutsche Bearbeitung, der die vorliegende Ausgabe folgt Zur Editionsgeschichte des >Essai sur la geographie des plantes< und der deutschen Bearbeitung der >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< . Die deutsche Ausgabe der > Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< . Zur Wirkungsgeschichte . . >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< . Erläuterungen . Zum >Naturgemälde-Profil< a) D as in Guayaquil (Ecuador) 1803 gezeichnete >Naturgemälde-Profil< . b) Das >Naturgemälde-Profil< im amerikanischen Reisewerk A. v. Humboldts . c) Die deutsche Übersetzung des >NaturgemäldeProfils< 1807 . d) Goethes Versuch einer "symbolischen" oder "idealen Landschaft" 1807 . e) Die französische Bearbeitung von Goethes "symbolischer Landschaft" 1813 (8) Einleitende Vorbemerkungen . .

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VIII

Inhalt

> Über die geographische Verteilung der Pflanzen< (Paris 1817) . > Über die geographische Verteilung der Pflanzen< . Erläuterungen (9) Die Weiterführung der >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< . a) Der >Prospekt< zur zweiten Auflage der > Geographie des plantes< (Paris 1826) b) Entstehungsgeschichte des > Prospektus< , sein Text und Erläuterungen (10) Ein Textbeispiel aus der nicht publizierten zweiten Auflage der > Geographie der Pflanzen< (1826) .

Dank des Herausgebers

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A Einführung

Einführung in die >

Alexander-von-Humboldt-Studienausgabe
Physische oder Physikalische Geographie< instrumentierte, und zwar in einem Ausmaß, das die gesamte vorangegan­ gene Zeit nicht kannte, wurde er auch der Natur in einem bisher nicht bekannten Umfang habhaft. Er bezog so viel Natur in die Geographie ein wie keiner vor ihm, ohne ebenso wie vor ihm Johann Reinhold und Georg Forster, wie Johann Gottfried Herder, wie Jean-Louis Giraud und Immanuel Kant deshalb den Menschen aus dem Auge zu lassen; denn ohne den Menschen wäre allen eine Naturbetrachtung oder -forschung sinnlos erschienen . Es wurden dabei nicht nur die Rassen in die Be­ handlung einer Physikalischen Geographie (wörtlich: Naturgeographie ) eingeschlossen . Die Lösungen waren verschieden: Kant behandelte in =

3 Jede Diskussion würde schnell ergeben, daß hinter diesem offensichtlichen Fehlurteil der eingeschränkte Begriff der Geographie der öffentlichen Meinung der Gegenwart steckt, der einfach in die Humboldt-Zeit übertragen wird. Wer sich nicht klarmacht, was Physikalische Geographie in Humboldts Werk bedeutet, verbaut sich ein zureichendes Urteil.

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Einführung

seiner 47mal wiederholten Vorlesung über Physische Geographie durch­ aus noch den Menschen, ja er schloß zur Abrundung eine "Anthropolo­ gie" an dieses Kolleg an. Wer genauer hinsieht und auch den Entwurf zu diesem Kolleg heranzieht, wird klare Grenzen nicht finden. Jean-Louis Giraud dagegen hat den Menschen bewußt eingeschlossen , und der ältere Forster räumte gar in seiner Physikalischen Geographie der zwei­ ten Cookschen Weltumsegelung dem Menschen zwei Drittel seines genialen Textes ein 4; er erö ffnete ihn mit dem ohnehin allen bekannten " Satz Alexander Popes : "The proper study of mankind is man . Carl Ritter, dessen gewaltiges Werk >Erdkunde< noch immer Physikalische Geogra­ phie gewesen ist und zunächst von diesem Begriff ausging, darf mit vollem Recht hier angeführt werden 5. So spitzt sich damit auch hier das Problem auf die Frage der Physika­ lischen Geographie Humboldts zu. Dieses Problem muß der Leser nun zu verstehen suchen . Alexander v. Humboldt - Ein Einblick Zum zeitgenössischen Hintergrund

Alexander v. Humboldt wurde am 14 . September 1769 in Berlin als Sohn des preußischen Majors Alexander Georg v. Humboldt und seiner Frau Marie Elisabeth geb . Colomb geboren. Im gleichen Jahr kamen Napoleon, sein Marschall Ney und sein Überwinder Wellington sowie der Generalinspekteur seines Unterrichtswesens Georges Baron de Cuvier, der Begründer der Paläontologie , und Ernst Moritz Arndt zur Welt. Waren die eigentlich weltgeschichtlichen Ereignisse im Heiligen Rö mischen Reich Deutscher Nation aus verständlichen Gründen zunächst gar nicht gesehen oder von eurozentrischen Problemen verdeckt wor4 Hanno Beck: Einführung. Johann Reinhold Forster - ein großer Anreger der Geographie . In: Johann Reinhold Forster: Beobachtungen während der Cookschen Weltumsegelung 1772-1775 , Stuttgart 1981, S. V-XX Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und der 'Reisen, Nr, 13 . 5 Hierzu Hanno Beck : Carl Ritter - Genius der Geographie , Berlin 1979 , S . 76, Ritter erlebte schon die Zeitströmung, die den Begriff "physikalisch" auf die Natur im modernen Sinn einschränken, während er selbst noch den Men­ schen einbeziehen wollte. Ihm erschien der Begriff dennoch schon als eine zu enge Sphäre , Deshalb dachte er an "Physiologie" als Leitwort, ehe er endgültig in "allgemein" und "vergleichend" spezifizierte ! Immer stärker sahen dann die Geographen des 19 . Jahrhunderts in Physikalischer Geographie reine Natur­ geographie wie noch heute . =

Zum zeitgenössischen Hintergrund

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den , so erlebten die ohnehin in einem nie vorher gekannten Ausmaß geographisch interessierten Zeitgenossen der zweiten Hälfte des 18. Jahr­ hunderts die Weltkarte viel bewußter. All das, was vorher gar nicht oder nur begrenzt wahrgenommen werden konnte , trat jetzt umrißscharf hervor: Eine in den Grundzügen richtige Weltkarte , deren unbekannte Zonen mehr und mehr schrumpften. Damals erschienen die meisten geographischen Publikationen, Zu­ sammenfassungen von Reiseberichten und entsprechende Zeitschriften in Deutschland. Philosophen schöpften Anregungen aus ihnen, während sich das Weltbild ständig erweiterte und weltgeschichtliche Dimen­ sionen verdeutlichte : War z. B . der Siebenjährige Krieg (1756-1763) nicht schon ein Weltkrieg? Hatte nicht der preußische Kö nig als Fest­ landdegen die europäischen Gegner Englands in Schach gehalten , wäh­ rend das ihm verbündete Inselreich sich in Kanada und Indien gegen die Franzosen durchgesetzt hatte? Der Friede von Paris hatte 1763 den welt­ politischen Erfolg Englands bestätigt , doch schon 1783 hatte es im Frie­ den von Versailles die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika zugestehen müssen . Die viel diskutierte Verfassung dieses "Gesellschaftsstaates" (A. v. Humboldt) hatte bereits Prinzipien der Franzö sischen Revolution vorweggenommen . Christoph Daniel Ebe­ ling, der führende deutsche Nordamerika-Experte und spätere Lehrer A. v. Humboldts in Hamburg, hatte schon 1765 in Rußland und den Vereinigten Staaten die künftigen Weltmächte erahnt. Diese bunte Weltbühne , die mehr und mehr als eine Welt hervortrat, war der Boden, auf dem Alexander v. Humboldt sein Leben begann. Drei Schiffsexpeditionen von John Byron ( 1764- 66) , dem Großvater des Dichters , von Samuel Wallis ( 1766-1769) und Louis-Antoine de Bougainville (1766-1769) , dem ersten franzö sischen Weltumsegler, waren den bahnbrechenden Forschungsreisen des letzten großen mari­ timen Entdeckers, James Cooks (1768-71 ; 1772-75 ; 1776- 80) , vorher­ gegangen. In Instrumentierung, kartographischer Aufnahmetechnik und Gründlichkeit seiner geographischen Ortsbestimmungen hat Cook nach den Ansätzen des 17. Jahrhunderts (Johann Moritz v. Nassau-Siegen, Adam Olearius und Engelbert Kaempfer) und einiger weniger weiterer Landreisender des 18. Jahrhunderts (Johann Georg Gmelin , Georg Wilhelm SteIler, Carsten Niebuhr, Peter Simon Pallas) erstmals als See­ mann dem Typ des Forschungsreisenden klar entsprochen. Er war der Vollender vorbereiteter, sehr gut ausgeführter und ausgewerteter Welt­ umsegelungen . Sein Vorbild setzte die Maßstäbe . Keiner hat das besser erkannt als Humboldt , keiner hat mehr versucht, die Grundsätze dieses explorativen Erfolges auf Landreisen zu übertragen als er. Zwei Teilneh-

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Einführung

mer an Cooks zweiter Weltreise , Johann Reinhold und Georg Forster, Vater und Sohn , regten als die ersten geographisch bedeutsamen deut­ schen Weltumsegler Humboldt an, wobei ihm der jüngere "Lehrer und Freund" werden sollte. Die Gedanken des jungen Humboldt eilten hin und her wie ein Weberschiffchen und schufen sich ein buntes Geflecht von Beziehungen , das zum Hintergrund seines Lebens gehörte . Dabei wurde immer wieder deutlich, daß die anregendsten Geister bereits im Vorhof der Französischen Revolution wirkten. Mit der zunehmenden Beherrschung der Natur verloren selbst die Hochgebirge ihre Schrecken, und "Natur" wurde nun erstmals von vie­ len Menschen als schön erlebt . Obgleich schon gelegentlich Schäden , durch den arbeitenden Menschen verursacht, an ihr bemerkt wurden , etwa ein durch Kupfervitriol vergifteter Fluß , bezeichneten die führen­ den Geographen und Naturforscher Landschaften nur dann als schön , wenn sie fruchtbare Äcker, gepflegte Gärten oder Weinberge trugen, wenn sie , um einen moderneren Ausdruck zu gebrauchen, geordnete Kulturlandschaften waren. An die Möglichkeit ihrer Zerstörung dachte man nicht. B eher rschend war die Politische Geographie A nton Friedrich Büschings , des weitaus erfolgreichsten Geographen der Zeit , der bienen­ fleißig die Waben eines Schemas füllte und eine monotone , aber "nütz­ liche" Sammlung von Daten zur umfangreichen Erfassung von Staaten lieferte ; dabei war er einer der Schrittmacher einer erstmals auch mit Zahlen operierenden Statistik, war doch diese Wissenschaft, vom italie­ nischen « estadista » , dem Staatsmann, abgeleitet, zunächst nichts ande­ res als eine Landeskunde ohne Zahlen gewesen. Demgegenüber waren einzelne Reiseberichte , an deren Spitze die Darstellungen beider Forster standen, weitaus interessanter. Nach und nach hatte es sich ergeben, daß die künftig entscheidenden und anregendsten Köpfe (wie z. B . Johann Jakob Scheuchzer, Kant , Herder, Nicolas Desmarest, Jean Louis Giraud und Johann Reinhold Forster) von Physikalischer Geographie sprachen . Die Krönung ihrer Arbeit bedeutete bis tief in das 19 . Jahrhundert hinein das Werk A. v. Humboldts und das seines Berliner Partners Carl Ritter. War die Geo­ graphie bis dahin im wesentlichen Wissenschaft des im irdischen Raum lebenden und wirkenden Menschen gewesen, den man oft von der Natur her geodeterministisch deuten wollte, was in den ersten Ansätzen als recht fortschrittlich gelten durfte, so wurde nun die Natur in nie vorher bekann­ ter Art nicht nur erlebt, sondern auch erforscht. Alle , die sich damit befaßten , kannten Alexander Popes bereits angeführten richtungwei­ senden Satz. Nur die sehr wenigen Physikalischen Geographen, die auf

Zusammenhänge

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regionale Geologie , modern gesagt , auf alleinige Geomorphologie ziel­ ten , verloren den Menschen aus dem Auge ; sie waren bei weitem in der Minderzahl, und sie werden hier nur erwähnt , weil ihr Vorgehen fest­ stellbar ist und nicht verschwiegen werden darf. Der Leser sollte diesen Zusammenhang kennen und auf diesem Hintergrund die Eigenart der Physikalischen Geographie Humboldts sehen. Ohne diesen Kontext kann seine Leistung jedenfalls nicht verstanden werden. Zusammenhänge

Vor allem das bedeutende Vermögen der Mutter (1741-1796) hat das Leben der Brüder Humboldt materiell gesichert - eine sehr wichtige Voraussetzung für ihren Weg , der infolge des Todes der Eltern weit eigenständiger verlaufen konnte . Der Vater ( 1720-1779) galt als weltoffen und lebensbej ahend , die Mutter dagegen war von kalvinistischer Sittenstrenge . Nach dem Tod der Eltern gedachte Wilhelm wenigstens noch einige Jahre hindurch des Geburtstages des Vaters , während das Bild der Mutter für beide auffal­ lend schnell verblaßte . Die Brüder machten sie wie den Oberhofmeister Kunth für die langweilige Atmosphäre im Schloß Tegel verantwortlich. Die Verschiedenheit , ja die Gegensätzlichkeit des Elternpaares prägte die beiden hochbegabten Söhne : Alexander glich äußerlich dem Vater, Wilhelm mehr der Mutter, und jeder Einblick in ihre intimeren Korrespondenzen enthüllt einen beträchtlichen Spannungsreichtum, der nach außen kaum hervortrat, zum Teil aber in der Gegensätzlichkeit der Eltern wurzelte . Da der optimistische Vater früh starb , gewann die Mutter und der von ihr bevorzugte Oberhofmeister Kunth sehr an Einfluß . Der von der Mutter gewünschte solide Grundkurs eines Berufsweges ließ für Wil­ helm das Studium der Rechte , für Alexander mit deutlicher Abwertung nur das Studium der Kameralistik zu . Vor allem Kunth glaubte nicht an die Begabung Alexanders , und dieser selbst hat deutlich den Zwang empfunden, der ihm durch dieses damalige Allerweltsfach zugemutet worden war, und damit all denen widersprochen , die noch nach 1959 solches nicht wahrhaben wollten . Die Brüder Humboldt wurden von Hauslehrern vorwiegend philo­ logisch unterrichtet , so daß sich die Begabung des zwei Jahre älteren Wilhelm besser entfalten konnte als die Alexanders. Dabei erwies sich Kunth zwar oft als eingeschränkter enger Aufklärer, ebenso aber auch als treuer Verwalter. Mit fast unerwarteter Weitherzigkeit übertraf er

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Einführung

sich selbst, als gerade er die beiden Zöglinge in den Salon der schönen Henriette Herz, geb. de Lemos, einführte. Dabei hatte er zunächst nur an deren Mann, den naturwissenschaftlich sehr interessierten Dr. Mar­ kus Herz, gedacht, von dem beträchtliche Anregungen ausgingen; bald erwies sich allerdings die j unge schöne Dame des Hauses als der noch weit stärkere Magnet. Dank dieser bezaubernden Frau haben Wilhelrn und Alexander erstmals in bewußt-unbewußten Annäherungen von Liebe erfahren. Auch hinter Alexanders Tändeleien steckte mehr, als er äußerlich enthüllte, vielleicht auch mehr, als ihm damals bewußt war.

Schon nach einem Semester wurde das in Frankfurt an der Oder auf­ genommene Studium (1. 10. 1787-20.3. 1788) unterbrochen: Während Alexander, der sich nicht bewährt zu haben schien, in Berlin weiter von Hauslehrern gefördert wurde, durfte Wilhelm bereits das Studium in Göttingen fortsetzen. In dieser Zwischenzeit erlaubte man Alexander 1788 erstmals einen freien Ausgang in Berlin. Bewußt suchte er den hochbegabten jungen Botaniker earl Ludwig Willdenow auf, der ihm in der Botanik den Zugang zu den Naturwissenschaften eröffnete. Bald hielt er einen Reishalm aus Japan in der Hand, den Willdenow seinem schwedischen Kollegen Karl Peter Thunberg verdankte, der das ferne Inselreich kennengelernt hatte. Eine neue Welt öffnete sich, und viel­ leicht hat er damals nicht nur im Gedankenspiel eine japanische Reise erwogen 6. Bald schulten botanische Exkursionen den Blick, und das anschließende Studium in Göttingen und Hamburg erlaubte ihm auch kleinere Reisen z. B . zur reizvollen Basaltlandschaft des Meißners und zum Rhein. Während der letzteren Unternehmung lernte er im Septem­ ber 1789 Georg Forster in Mainz kennen, der seine frühe Vorliebe für die Tropen bestärkte. Ihm vertraute Alexander seine ersten wissen­ schaftlichen Pläne an, die insgesamt weit bedeutender waren als alles andere, was er vordergründig tal. Auch in seinem Briefwechsel und in gedruckten Publikationen gab er davon nie mehr als kurze Andeutungen. In dieser Beziehung war der jüngere Humboldt ein Geheimniskrämer, der das ihn eigentlich Bewegende höchstens andeutete oder in Fuß­ noten versteckte. Von Willdenow angeregt, hatte er in einem ersten For­ schungsprogramm die "Geschichte der Pflanzen" , d. h. den Weg von 6 Von Willdenow hatte Humboldt oft Pflanzen aus Japan erhalten. Er sagte in einer von zwei außerordentlichen Sachkennern geprüften Übersetzung aus dem Französischen: "Ich konnte sie [die Pflanzen] nicht sehen, ohne auf den Gedanken zu kommen, diese Gegenden zu besuchen"; Georg und Therese For­ ster und die Brüder Humboldt. Urkunden und Umrisse von Albert Leitzmann. Bonn 1936, S. 199.

Zusammenhänge

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Vegetabilien von einem Heimatgebiet unter Umständen über Land und Meer in ihre augenblicklichen Standorte verfolgen wollen. Aus diesem Ansatz entfalte sich bald die Geographie der Pflanzen 7. Ein zweites For­ schungsprogramm sollte ein geologisches Strukturgesetz darlegen 8 ; obgleich es schließlich nicht bestätigt werden konnte, stellte es dennoch einen erheblichen Anreiz für weitere Untersuchungen dar. Ein drittes Programm diente der Profildarstellung von Ländern und geologischen Strukturen bei Anwendung einer Schriftzeichensprache (Pasigraphie) . So wurden z. B . die endogenen und exogenen Prozesse, Ausdrücke, die Humboldt einführte, mit aufwärts- beziehungsweise abwärtsgerichteten Pfeilen dargestellt 9. Diese drei Forschungspläne hat Humboldt nur vertrauten Freunden kurz angedeutet, waren sie doch die geheimen "Triebräder" (Goethe) , die Bewährung nicht nur in Mitteleuropa, sondern auch auf Forschungs­ reisen verlangten. Ihre Motivation und bewegende Kraft wurde von der Forschung bis 1959 völlig verkannt, weil man den jungen A. v. Hum­ boldt allein nach der Vielzahl seiner meist auffallend flüchtig hinge­ worfenen Publikationen bis 1799 beurteilte, die indessen niemand gründlicher studiert hatte. Da diese Veröffentlichungen außer einigen interessanten Ansätzen in verschiedenen Einzelwissenschaften kaum Genialität, sondern höchstens eine gewisse Vielseitigkeit offenbarten, meinte man schließlich gar, ihm die eigentliche wissenschaftliche Bedeutung absprechen zu können 10. Dem ihm aufgezwungenen kameralistischen Allerweltsstudium hat Humboldt zweifellos Gutes abgewonnen. Es führte ihn in Göttingen zu Lichtenberg, zu Blumenbach und zu dessen jungem Kreis werdender Forschungsreisender, nach Hamburg auf die Handelsakademie von Johann Georg Büsch und zum führenden deutschen Nordamerika­ Experten Christoph Daniel Ebeling. Die Konsequenz eines solchen Weges konnte durchaus das Studium des Bergbaus in Freiberg in Sachsen sein, mit dem Alexander erstmals seine Mutter wie Kunth diplomatisch ausspielte, als er es durchsetzte. Es war neben seiner botanischen Selbsttätigkeit das erste Studium, das er von vornherein bejahte. Ein halbes Jahr reichte ihm, um - auch ohne Examen - hohe Anerkennung im preußischen Bergdienst zu finden. Er spürte besonders seinem 7

Hanno Beck: Alexander von Humboldt, siehe Anm. 1, I, S . 16f. Siehe Anm. 7, S. 59 u. 60. 9 Siehe Anm. 7, S. 219ft 8

10

Siehe hierzu: Alexander von Humboldt. Eine wissenschaftliche Biographie, hrsg. v. Kar! Bruhns, 3 Bde., Leipzig 1 872; hier: 11, S. 418 f.

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Einführung

zweiten Forschungsprogramm nach , begegnete erstmals Goethe und Schiller (1794) , und eine regelrechte kleine Forschungsreise führte ihn 1795 nach Oberitalien und tief in die Schweiz hinein 1 1. Das , was die Mutter und Kunth an Wärme vermissen ließen , brachte der Freundschaftskult in Alexanders Dasein: Vertrautheit, Anteilnahme und gemeinsames Erleben. Methodologie

Der Erfolg dieser eben angeführten Unternehmung beruhte bereits auf der seit 1793 erzielten methodologischen Klärung. So muß die Schweizerreise schon als bewußte Vorbereitung der Amerika-Expediton gelten. Doch gehen wir zunächst noch einmal zurück zum Jahr 1793 , dem entschieden wichtigsten im bisherigen Leben A. v. Humboldts : Es brachte ihm erste äußere Erfolge , indem er die Goldmedaille des sächsischen Kurfürsten erhielt. Ohne seinen Minister zu fragen , grün­ dete er in Naila im Fichtelgebirge eine Freie Bergschule , für die er ein Lehrbuch schrieb und in die heimische Mundart übertragen ließ. Der zuständige Minister ließ ihm die Auslagen erstatten und erkannte damit sein selbständiges Eingreifen an . Im gleichen Jahr gliederte er den Komplex der Erdwissenschaften, wie wir heute sagen kö nnten, indem er sichtlich dem Vorbild Kants und dessen bleibend wichtiger Einleitung zur Vorlesung über die Physische Geographie folgte . Der große Kö nigsberger hatte die Erfahrungs­ erkenntnisse dreifach angeordnet : 1. Logische Einteilung nach Begriffen in Form eines "systema naturae" , wie das Linnes . 2. Physische Einteilung der Zeit nach. 3 . Physische Einteilung dem Raum nach . Damit trennte Kant erstmals eindeutig Geschichte und Geographie , erkannte aber gleichzeitig in seinem weiteren Text , daß die Historie not­ wendig einen räumlichen , die Geographie notwendig einen historischen Anteil besitzen müsse . Humboldt hat 1793 in einer Fußnote seines >Florae Fribergensis Specimen< eine Systematik entwickelt , die sich an Kants Vorgehen orientiert haben muß : 11 Diese erste kleine Forschungsreise muß uns auch deshalb weiterbeschäf­ tigen, weil sie unter dem Aspekt der Physikalischen Geographie ausgeführt wurde .

Methodologie

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1. Physiographie (Naturbeschreibung, Histoire naturelle descriptive , fälschlicherweise auch Naturgeschichte genannt) ; 2. Historia Telluris (Erdgeschichte , Histoire du globe) . 3 . Geognosia (Erdkunde , Theorie de la terre , Geographie physique) . Offensichtlich hat Humboldt die in Klammern gesetzte Begriffe als Synonyma des jeweils erstgenannten Ausdrucks aufgefaßt ; auch er trennte damit Geschichte (Erdgeschichte) von der eigentlichen Geogra­ phie ab . Wo wir diesen Begriff in der dritten Position erwarten müssen, finden wir überraschenderweise "Geognosia" , ein Terminus, der bereits fest vergeben war, und von vielen gleichbedeutend mit Geologie ge­ braucht wurde . Der Geltungsbereich des Begriffes Geognosia sollte ein­ deutig eine höhere Geographie als z. B. die zeitgenö ssisch monotone Büschings bezeichnen, mit der sich Humboldt jedenfalls nicht identifi­ zieren wollte . Augenscheinlich hat er schon bald einsehen müssen , daß er den Begriff "Geognosia" nicht als Leitbegriff einer Geographie , wie sie ihm jetzt schon vorschwebte , verwenden kö nne ; es standen ihm die drei Begriffe , die er in der dritten Position in Klammern gesetzt hatte , zur Verfügung. "Erdkunde" hat er selten zur Kennzeichnung geographi­ scher Arbeit benutzt; so blieben ihm die bei den restlichen Termini. Dies wird noch deutlich werden . Für sein geographisches Denken hatte er damit eine bemerkenswerte Klärung erreicht. Ebenfalls 1793 begann seine sechsjährige Vorbereitung auf die Reise in die Tropen Amerikas . Diese bis dahin beispiellose spezielle Präpara­ tion auf ein Reiseziel leitete über zur fünfj ährigen Ausführung seiner Forschungsreise und ihrer mehr als drei Jahrzehnte beanspruchenden Auswertung im grö ßten privaten Reisewerk der Geschichte , so daß Humboldt den reise geschichtlichen Dreiklang besonders harmonisch verwirklichte und der maßgebende Forschungsreisende seiner Zeit werden konnte . Seit seiner Rückkehr (1. August 1804) beschäftigte ihn neben der zeit­ raubenden Auswertung und diplomatischen Missionen in Frankreich auch die Vorbereitung einer neuen Forschungsreise nach Indien und zum Himalaya, um unter anderem dieses Gebirge mit den Anden zu vergleichen . Humboldt erlernte für diese Unternehmung die arabische und die persische Sprache , weil er über den Iran (ähnlich wie später Sven Hedin) anreisen wollte , und setzte viel Zeit und Kraft an eine schließlich Jahrzehnte dauernde erneute spezielle Vorbereitung . 1818 entsprach der Staatskanzler Hardenberg während des Kongresses der Heiligen Allianz in Aachen Alexanders Wünschen erstaunlich großzügig; nie war

Einführung

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bis dahin ein deutscher Forschungsreisender mehr unterstützt worden . Dabei versuchte Hardenberg in geschickter Weise die Bindung Wilhelm v. Humboldts an sich selbst über den ihm allerdings ohnehin nahe­ stehenden Alexander, der sich seinerseits entsprechend um den Bruder bemühte . Dieser wurde vom Freiherr vom Stein leider in seiner ableh­ nenden Haltung in der Frage der preußischen Verfassung bestärkt und schied nach den Karlsbader Beschlüssen aus dem Dienst. Es sollte sich später zeigen, daß die Verfassungsentwürfe Hardenbergs und W. v. Humboldts viel Gemeinsames aufwiesen. Der Versuch , hier auszuglei­ chen, ist Alexanders bedeutsamster Eingriff in die politische Geschichte gewesen, wobei sich die Kombination Hardenberg - A. v. Humboldt und W. v. Humboldt - Freiherr vom Stein gegenüberstand; der Aus­ gleich, den Alexander gesucht hatte , hätte viel bedeuten können . Aber nicht nur hier scheiterte der jüngere Humboldt, er erlebte sogar die größte Enttäuschung seines Lebens, als ihm die Einreise nach Indien verweigert wurde . Dennoch hat sich auch diese asiatische Expedition noch spät in der Form seiner russischen Reise 1829 verwirklicht, und das daraus erwach­ sene große physikalisch-geographische Werk über >Central-Asien< ge­ wann seine Tiefe aus einem jahrzehntelangen präparativen Studium, das Humboldt z. B. zu einem erstaunlich gründlichen Kenner Tibets werden ließ . Abgesehen davon , öffnete er den drei Brüdern v. Schlagintweit den Weg nach Indien ( 1854- 57) 1 2 . Verfolgen wir die Methodologie Humboldts weiter, so fällt der Blick auf einen Satz , den er am 24. Januar 1796 an Marc-Auguste Pictet schrieb : « Je con�us l'idee d'une physique du monde » (wörtlich über­ setzt : "Ich konzipierte die Idee einer Physik der Erde" - nicht Physik der Welt, wie man transkribieren könnte , hätte Humboldt uns nur je diese Wahl gelassen . Diese Übersetzung kann unter anderem leicht geprüft werden an einem sehr entscheidenden Satz aus dem Jahr 1814: "Ich hatte mir bei der Reise , deren Beschreibung ich nun folgen lasse , ein doppeltes Ziel gesetzt. Ich wollte die besuchten Länder kennenler­ nen, und ich wollte Tatsachen zur Erweiterung einer Wissenschaft sam­ meln , die noch kaum skizziert und ziemlich unbestimmt Physik der Erde , Theorie der Erde oder Physikalische Geographie genannt wird . Von diesen Zwecken schien mir der zweite der wichtigste zu sein. Ich liebte die Botanik und einige Teile der Zoologie mit Leidenschaft. Ich durfte mir schmeicheln , daß unsere Forschungen die bereits beschrie­ benen Arten um einige neu vermehren würden . Da ich aber die Verbin12

Hierzu siehe Anm . 7,

11,

S. 217 f.

Methodologie

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dung längst beobachteter (Tatsachen) der Kenntnis isolierter, wenn auch neuer Tatsachen von jeher vorgezogen hatte , schien mir die Ent­ deckung eines unbekannten Geschlechtes weit minder wichtig als eine Beobachtung über die geographischen Verhältnisse der Vegetabilien , über die Wanderungen der geselligen Pflanzen und über die Höhen­ linien , zu der sich die verschiedenen Arten derselben gegen den Gipfel der Kordilleren erheben. " 13 Vergleichen wir jetzt mit der Ä ußerung von 1793, so sehen wir, daß die Synonymsetzung mit theorie de la terre und geographie physique (Theo­ rie der Erde und Physikalische Geographie) auch nicht die Spur eines Beweises hergibt, um physique du monde, da sie als Physik der Erde rein irdisch bezogen ist, als Quellpunkt der "Kosmos "-Idee anzusehen. Geht man chronologisch in Humboldts Leben von Stufe zu Stufe , so ist die Konsequenz dieser Aussage jederzeit beweisbar; allerdings hat Humboldt selbstverständlich aus der Rückschau, als er seinen >Kosmos< bearbeitete , diesen auf die Anfänge seiner Physikalischen Geographie zurückführen können , was allein deshalb möglich war, da dieses Werk ohnehin zum größeren Teil aus einer Physikalischen Geographie be­ stehen sollte. Geographen wie Moritz Wagner und Oskar Peschel, die Humboldt noch persönlich kannten, haben den >Kosmos< überhaupt als Physikalische Geographie bezeichnet , was allerdings den erheblichen astronomischen Teil viel zu sehr minimiert; gerade er rechtfertigte doch erst den Buchtitel >Kosmos< , der für "Himmel und Erde" stehen sollte . Bei allem sollte nicht übersehen werden, daß die Vorlesungen , denen das Werk entsprungen ist, noch ausschließlich der "Physikalischen Geographie" gewidmet waren; auch der von Humboldt gleichzeitig 1827/28 konzipierte dreidimensionale >Physikalische Atlas< , der das Werk begleiten sollte , dann aber aus äußeren Gründen in einem ande­ ren Verlag erscheinen mußte , erweist bis heute noch die erwähnte ein­ deutige irdische Bindung . Interessanterweise hat diese Lücke Traugott Bromme ausgenützt, indem er nun einen >Atlas zu Alex . v. Humboldt's Kosmos< herausbrachte , der im Obertitel durchaus richtig >Atlas zur Physik der Welt< hieß und folgerichtig auch die Astronomie einschloß 14. 1 3 A. v. Humboldt : Relation Historique , 3 Bde . Paris 1814, 1819 und 1825 , als Neudruck mit zusätzlicher Einführung und Register in: Quellen und Forschun­ gen zur Geschichte der Geographie und der Reisen, hrsg. von Hanno Beck, Nr. 8 (Stuttgart 1970) ; hier: I, S. 2 f. ; Übersetzung vom Herausgeber. 1 4 Physikalischer Atlas . Eine unter der fördernden Anregung Alexander's von Humboldt verfaßte Sammlung von 93 Karten . 2 Bde . Gotha 1852 ; die erste Auflage in 2 Bänden und 90 Blättern (Gotha 1845 u. 1848) war noch ohne den

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Einführung

Es zeigte sich , daß die Erweiterung zu "Himmel und Erde" erst sehr spät , ab 1834, von Humboldt geplant wurde . Etwa die Hälfte des zwei­ ten Bandes des >Physikalischen Atlasses< nimmt die Behandlung des Menschen ein - auch dies ein klarer Beweis für das oben Gesagte . Um den >Kosmos< zu schreiben , hat Humboldt demnach Astronomie und Physikalische Geographie verbunden. In der Astronomie hatte er während der Vorbereitung seiner Reise Kenntnisse erworben, um Län­ gen und Breiten bestimmen zu kö nnen. Er hat dann seit 1805 gewiß an spezielleren astronomischen Kenntnissen zugenommen; doch trotz die­ ses wachsenden Interesses wird er in jeder Geschichte der Astronomie Randfigur bleiben. Unbestritten ist seine Größe nur in der von ihm im Ausgang des 18. Jahrhunderts konzipierten Physikalischen Geographie, mit der seine kartographische Leistung und sein Erfolg als Forschungs­ reisender zusammengehört. Kurzer Blick auf die Entwicklung nach Humboldts Tod 1859

Als Humboldt am 6. Mai 1859 starb , stand auch sein großer geogra­ phischer Partner earl Ritter an seinem Grab im Tegeler Park; er ver­ starb noch im selben Jahr, am 28 . September. Im gleichen Jahr erschien Darwins epochemachendes Werk über den Ursprung der Arten. In der anschließenden Epoche der Geographie , die von 1859 bis 1869 wä hrte , erlebte die seit dem 16 . Jahrhundert führende Geographie in Deutschland ihre grö ßte und nachhaltigste Revolution , indem eine zeitgenö ssisch günstige Startbahn die Voraussetzung zur Entfaltung der Geomorphologie schuf. Der Mensch trat zurück, die Natur rückte in den Mittelpunkt der Betrachtung . Während die reine Naturgeographie sich konsolidierte , blieb die Geographie des Menschen trotz der großen Leistungen Friedrich Ratzels , Otto Schlüters und Alfred Rühls hinter diesem Fortschritt zurück. Den Geographen entglitten seit 1859 die von Humboldt meisterhaft eingesetzten Meßinstrumente . MerkwürdigerHinweis auf Humboldt erschienen , dem das Werk Anregung und Konzeption verdankt. Heinrich Berghaus war der von Humboldt beauftragte kartographi­ sche Bearbeiter. Konzeptuell ist dieser Atlas als erster Physikalischer Welt atlas die weitaus bedeutendste Leistung der damaligen Atlas-Kartographie . - Trau­ gott Bramme : Atlas zu Alex. v. Humboldt's Kosmos, Stuttgart (1851) ; das Werk heißt im Obertitel: >Atlas zur Physik der Welt< , ein Titel , der richtig "Himmel und Erde" , wie auch Humboldts >Kosmos< selbst , vereinigte . Hierzu weiteres in Bd. VII (>KosmosBerliner Illu­ strirte Zeitung< die Einwohner der Reichshauptstadt nach dem berühm­ testen Einwohner des 19. Jahrhunderts fragte , erhielt Alexander 1500 Stimmen und der doch gewiß sehr beliebte und volkstümliche Kaiser Wilhelm I. 1200! Kurzer Blick auf Humboldts physikalisch-geographische Leistung In den bisherigen Ausführungen ging es wie in den folgenden lediglich um eine allgemeine Skizze, um einen Überblick, der dem Leser zunächst die Orientierung erlauben soll, ehe er an die Problematik der sieben Ein­ zelbände dieser Studienausgabe herantritt. Es wird daher ein Problem­ fundament geboten, das die Einzelbände in ihren Kommentaren erweitern werden. Da die Geschichte des geographischen Denkens Schwierigkeiten birgt, werden die bisher erzielten Resultate nochmals unter Vernach­ lässigung der Einzelheiten dargeboten, so wie es Rilke meinte , "ganz klein zusammengefaltet" , "wie ein italienisches Seiden tuch in einer Nußschale" , um das Verständnis zu erleichtern . Die Geographie war seit den Zeiten Herodots eine Wissenschaft von den in ihren irdisch-räumlichen Verhältnissen lebenden und wirkenden Menschen . Es entspräche einer rein gefühlsmäßigen Umdeutung, wenn aus der Rückschau der Jahre 1869 bis 1969 diskussionslos gemeint würde , die Natur sei je vormals in der Geographie die Hauptsache ge­ wesen. Die Physis konnte zunächst infolge des allgemeinen Zustandes der Wissenschaften nur eine sehr generelle Qualität beanspruchen, und ihre Auffassung war oft sehr spekulativ. "Natur" in diesem allgemeinen Sinn fehlte weder bei Herodot, Strabo , Pomponius Mela oder bei irgendeinem der folgenden Geographen. Seit den frühen Landesaufnahmen des 16. und seit den Akademie­ gründungen des 17. Jahrhunderts gab es erste sinnvolle Messungen in der Geographie , die im 18 . Jahrhundert von keinem mehr als Humboldt gekrönt wurden . Keine Forschungsreise war in dieser Beziehung vor­ bildlicher und keiner hatte überhaupt bis dahin aufgrund vorzüglicher Instrumentierung so sehr Natur in der Geographie als Forschungsgegen­ stand ermöglicht wie er. Hinzu kam die Methodologie , die er zeitlebens bewahrte , die beson­ ders verwirklichte lange spezielle Vorbereitungszeit von sechs Jahren

Humboldts physikalisch-geographische Leistung

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und die darauf beruhende Ausführung und Auswertung einer For­ schungsreise , die in seiner größten wissenschaftlichen Leistung, dem amerikanischen (später auch dem asiatischen) Reisewerk, ausmündete. Er hat im amerikanischen Reisewerk nicht nur die Geographie der Pflanzen , die moderne Landeskunde am Beispiel Mexikos und Kubas begründet, sondern war auch der erste Beobachter der Pflanzensuk­ zession, der erste , der wirkliche ö kologische Zusammenhänge in den Tropen exakter als je zuvor darstellte und in seinem großartigen >Natur­ gemälde der Tropenländer< das Ensemble der Hauptresultate seiner Forschungsreise bot; ebenso hat auch er erstmals ein Land sozialgeogra­ phisch gegliedert 16. Doch sollen hier nicht die allerdings nachweisbaren Verdienste , die sich aus den Einzelkommentaren der Einzelbände dieser Studienausgabe ergeben , aufgereiht werden, vielmehr soll vor allem der Zusammenhang seines physikalisch-geographischen Denkens hervortreten . Seine Leitidee hieß Physikalische Geographie ; diesen Ausdruck des 18 . Jahrhunderts können wir mühelos überall da einsetzen , wo A. v. Humboldt sonst noch einmal die in seinem Sinn ohnehin gleichbedeu­ tenden Termini "Physik der Erde" , "Theorie der Erde" und seltener auch gelegentlich "philosophische Erdkunde" verwendet hat. Physikalische Geographie schloß die bekannten Geofaktoren (Morphographie , teil­ weise auch schon Morphologie ; Klimatologie ; Hydrographie ; Pflanzen­ und Tiergeographie) ein sowie zeitgenö ssisch und aus dem Geist des 18. Jahrnunderts heraus verständlich allerdings auch Erdmagnetismus , Geologisches und, nicht zuletzt , den Menschen. "Tableau physique" (wö rtlich Naturbild) übersetzte Humboldt als "Naturgemälde" . In seinem berühmtesten Gesamtentwurf, den wir schon erwähnten , hat er die Hö he menschlicher Siedlungen ebenso berücksichtigt wie die Erscheinungen der Bodenkultur, und er bezeich­ nete z. B . die im übrigen sehr interessante Schilderung eines Indianer­ stammes ebenfalls als "Tableau physique" , d . h . Naturgemälde . Das bedeutet allerdings die Zugehö rigkeit des Menschen zu dieser Physika­ lischen Geographie ( Naturgeographie) , ganz abgesehen davon, daß ohne ihn die klassischen Leistungen in der Landeskunde nicht denkbar wären, während der heutige Geograph damit nur noch die Behandlung der Natur selbst meint. Dieser weite Begriff ist Erbe des 18. Jahrhun­ derts. Hieß das Leitmotiv « physique du monde » oder, um den Ausdruck zu wählen , den Humboldt an seiner Stelle schließlich häufiger und aus der =

16

Siehe Anm . 13 , I, S. 367 .

20

Einführung

Zeit heraus am verständlichsten gebrauchte , nämlich Physische Geo­ graphie , so lag es nahe , daß er seine wissenschaftliche Arbeit gern mit einem Werk gleichen Namens beschlossen hätte . Als er diesen Plan in schon hohem Alter anging und erneut bedachte , erwies sich der Aspekt als sehr vielseitig und schwierig. Eine aktive Forschungsleistung, wie sie das amerikanische und asiatische Reisewerk, Humboldts bedeutendste wissenschaftliche Leistungen , offenbarten, war nicht mehr zu bewältigen . So wurde die Aufgabe zwar schließlich, sehr spät, äußerlich erweitert durch einen astronomischen Teil, das Ganze aber verwandelt zu einem Alterswerk, dem Buch eines weisen Betrachters, eben zum >Kosmos< . Das amerikanische und das asiatische Reisewerk waren seine physi­ kalisch-geographisch tiefsten Werke , die >Ansichten der Natur< sein volkstümlichstes, der >Kosmos< wurde sein bekanntestes Werk. In merkwürdiger und geographiegeschichtlich verfehlter Einseitig­ keit ist Humboldts Leistung später oft auf "vergleichende Erdkunde" reduziert worden, so im Werk des Literarhistorikers Wilhe1m Scherer und in zahlreichen vergleichbaren Büchern und Lexika. Vieles dieser zur Leerformel erstarrten Behauptung, die zudem nie tiefer begründet oder gar diskutiert wurde , entspricht zunächst einem selbstverständ­ lichen, jedem normalem Denken zugrunde liegenden Vergleichen. So hat z. B . praktisch jeder Reisende , sobald er von seiner Heimat aufbricht, "das Fremde" aus einem Vergleich mit dem ihm Vertrauten ermittelt. Selten ist ein solcher Vergleich länger ausgeführt worden, oft dagegen bestimmte der gar nicht genannte Vergleich dieser Art die Herkunft eurozentrischer Vorurteile oder den mangelnden Willen , das "Fremde" überhaupt verstehen zu wollen. D iese B eschreibungsebene wird verlassen in den seit dem 16. Jahr­ hundert üblichen , bewußt angesetzten Vergleichen europäischer Rei­ sender, die Vorurteilen ihres Kulturkreises widersprechen wollten; auch Humboldt verfährt so . Sein Lebenswerk wurde darüber hinaus von zwei anderen, bewußten Versuchen mitbestimmt, dem Vergleich der Neuen und der Alten Welt, der z . B . erstmals die Ähnlichkeit der geologischen Struktur erwies und in den Tropen Amerikas zahlreiche in Europa unbekannte Pflanzen ermittelte . Außerdem plante Humboldt schon während der Südameri­ kareise den Vergleich von Anden und Himalaya, ein Vorhaben , das ihm umfangreiche Vorbereitungen abverlangte . Dazu war er sich bewußt, daß jeder exakte Meßpunkt künftig eine Marke sein werde , an der sich Veränderungen ablesen ließen durch den Vergleich mit späteren Zustän­ den. Diese wissenschaftlicher Erkenntnis dienenden Vergleiche sind

Grundsätze dieser Studien ausgabe

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zweifellos Leistungen , und dieses wissenschaftliche Niveau hatte auch Friedrich Engels im Auge , als er in seiner >Dialektik der Natur< das vergleichende Element anführte , das eine Bresche in die konservative Naturanschauung geschlagen habe und sich dabei mit Recht auf Humboldt berief 17. Demgegenüber ist offensichtlich Humboldts Leistung für die Geolo­ gie einzuschränken. Wohl war er hier noch um einen Überblick bemüht, der allerdings, wenn er etwa ganz Südamerika überfliegen wollte , oft die von ihm ansonsten eingehaltene empirische Grundlage verließ . Sehr wesentliche Erkenntnisse sind ihm nicht möglich gewesen . Einzelne Versuche deuten darauf hin, daß er tiefer in die geologische Struktur hineinblicken wollte . D emgegenüber zeigen ihn seine klassischen Landeskunden und seine sonstigen Forschungen als großartigen Ent­ schleierer der "physischen Constitution" der Erdoberfläche, und mit Recht bezeichnete er in diesem Bereich den Wert exakter Formenfeststellung durch Morphographie ( Formenbeschreibung) ; auch heutige Geomor­ phologen, welche die Morphodynamik gegenwärtiger Prozesse unter­ suchen wollen, sind wieder zu einer ähnlichen Wertschätzung gelangt. Humboldt wie Ritter haben jedenfalls auf dieser Grundlage zu einem hohen Reliefbewuß tsein der Geographie in Deuschland beigetragen. Aus dieser Einstellung erklären sich z . B . zwei klassische Leistungen , deren Bedeutung Humboldt selbst mehrfach betonte : in Spanien 1799 und Mexiko 1803 die jeweils erste Profilierung eines europäischen bezie­ hungsw eise eines außereuropäischen Landes. Überhaupt hat er damals wie kein anderer die Bedeutung der dritten Dimension (der Höhe) in der Kartographie, auch den Wert großmaßstäbiger Karten betont. Die kartographische Arbeit Humboldts wird merkwürdigerweise bis heute unterschätzt und z. B . in einer Darstellung eines ansonsten kenntnisrei­ chen Autors völlig überseh en . Jedenfalls verdanken wir Humboldt z. B . wichtige physikalisch-geographische Problem-Atlanten und den ersten Physikalischen Weltatlas überhaupt . =

Grundsätze dieser >Alexander-von-Humboldt-Studienausgabe< in sieben Bänden

Diese Studienausgabe verdankt ihre Anregung Mitgliedern der " Wis­ senschaftlichen Buchgesellschaft" . Ihre mitdenkenden Briefe haben auch offenbart, daß sich augenscheinlich aus langer und gewiß not17

Friedrich Engels : Dialektik der Natur. Berlin 1952 , S. 207 .

Einführung

22

wendiger Vorherrschaft des Spezialistentums eine neue , unerwartete Anteilnahme an Humboldts Weltbild ergeben hat . Bis zum heutigen Tag ist das Mißverhältnis von Weltruhm und man­ gelnder Werkaufbereitung das Kennzeichen der Tradition Alexander v. Humboldts geblieben . Gewiß haben einige Neudrucke 18 die Lage erheblich verbessert, dennoch gab es in deutscher Sprache nie eine Aus­ gabe seiner maßgebenden Schriften, die dem grö ßten Geographen der Neuzeit gerecht geworden wäre . Von welchen Grundsätzen soll diese Studienausgabe ausgehen? 1. Da die Edition wichtiger Texte seit dem Tod Humboldts 1859 von erstaunlicher Dürftigkeit und Problemlosigkeit geblieben ist , konnte erst jetzt eine Studien ausgabe gewagt werden , und selbst diese wäre ohne das Entgegenkommen und die Opferbereitschaft des Verlages und aller Mitarbeiter nicht denkbar. 2. Diese Studienausgabe vereinigt die Schriften , die nach Humboldts Selbstverständnis seine wesentliche Lebensleistung bilden (siehe hierzu auch die nachfolgende Übersicht der Werkauswahl ! ) . Dem­ nach bilden diesen Kern Arbeiten aus dem amerikanischen Reise­ werk, den >Ansichten der NaturKos­ mosKosmos< abgesehen. Darunter sind aber Texte , die über den Kreis der Geographen hinaus Biologen , Botani­ ker, Historiker, Wissenschaftshistoriker und jeden allgemein interes­ sierten Leser ansprechen . Nicht aufgenommen werden konnten die einzelwissenschaftlichen Bemühungen vor allem des jungen Alexander v. Humboldt, die heute allein das Feld des Wissenschaftshistorikers darstellen, der hier gewiß immer noch fündig werden kann . 3. Eine historisch-kritische Ausgabe sollte dem Auftrag des Verlags ent­ sprechend ausdrücklich nicht geboten werden. Zum Unterschied von einer solchen Edition werden infolgedessen z. B. auch keine Lesarten geboten ; sie kö nnten ohnehin sinnvoll nur einige wenige 18 A. v. Humboldt: Mexico-Atlas. Einführung von Hanno Beck und Wilhelm Bonacker, Stuttgart 1969 Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geo­ graphie und der Reisen, hrsg. v. Hanno Beck, Nr. 6; ders . : Relation Historique , siehe Anm. 13 ; Neudruck des amerikanischen Reisewerkes in 30 Bänden. Amsterdam und New York (1970-73) , Vorsitzender der Redaktionskommission: Hanno Beck. =

Grundsätze dieser Studienausgabe

4.

5. 6. 7. 8.

9.

23

Texte erhellen, da es eine mehrschichtige Überlieferung, verschie­ dene Auflagen (wie allerdings z. B. bei den >Ansichten der NaturPlantes equinoxiales< im Neudruck zwei typogra­ phisch verschieden gesetzte , sonst aber gleichlautende Titelblätter, doch schrieb das erste « Barcelone » , das zweite « Barcelonne » , und schließlich gibt es noch ein drittes mit abweichendem lateinischen Text !

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Liste der häufig benutzten Literatur

Humboldt, Alexander v. : [Haupttitel des amerikanischen Reisewerkes ] : Voyage aux regions equinoxiales du Nouveau Continent, fait en 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 et 1804 , par AI[exandre] . de Humboldt et A[ime] . Bonpland. Redige par Alexandre de Humboldt . Paris 1805 -1834.

[Einleitung und Darlegung der "Hauptergebnisse "} -: Essai sur la geographie des plantes , accompagne d'un tableau physique des regions equinoxiales, fonde sur des mesures executees depuis le dixieme degre de latitude boreale jusqu'au dixieme degre de latitude australe , pen­ dant les annees 1799, 1800, 1801, 1802 et 1803 , avec une grande planche en couleur ou en noir. Groß Quart . Paris [1805 -1807] ; der Neudruck hat das Erscheinungsjahr 1807 . Die Angabe 1805 -1807 ist im Kommentar begründet. -: Geographie des plantes equinoxiales. Tableau physique des Andes et pays voisins . Eine Profil-Tafel . Groß Folio. Paris 1808 .

Messungen -: Recueil d'observations astronomiques, d'operations trigonometriques et de mesures barometriques , faites pendant le cours d'un voyage aux regions equi­ noxiales du Nouveau Continent, depuis 1799 jusqu'en 1803 . Redigees et calculees, d'apres les Tables les plus exactes, par Jabbo Oltmanns. Ouvrage auquel on a joint des recherehes historiques sur la position de plusieurs points importans pour les navigateurs et pour les geographes. Groß Quart . 2 Bde. Paris 1810.

Botanik -: Nova genera et species plantarum, quas in peregrinatione lad plagam aequi­ noctialem] orbis novi collegerunt, descripserunt , partim adumbraverunt Amat[us] . Bonpland et Alex. de Humboldt. Ex schedis autographis Amati Bonplandi in ordinem digessit Carol. Sigismund. Kunth. Accedunt Tabulae aeri incisae , et Alexandri de Humboldt notationes ad geographiam plantarum spectantes . Groß Folio . 7 Bde . m. 700 farbigen Tafeln. Paris 1815 -1825 . -: Revision des Graminees, publiees dans les Nova Genera et species plantarum de Humboldt et Bonpland; precedee d'un travail general sur la famille des graminees; par Charles-Sigismond Kunth. Groß Folio. 2 Bde . m. 220 far­ bigen Tafeln gezeichnet von Eulalie Delile . Paris 1829. -: Mimoses et autres plantes legumineuses du Nouveau Continent, recueillies par MM. de Humboldt et Bonpland, decrites et publiees par Charles-Sigis­ mond Kunth. Groß Folio . m. 60 farbigen Tafeln. Paris 1819 . -: Monographie des Melastomacees, comprenant toutes les plantes de cet ordre recueillies jusqu'a ce jour, et notamment en Mexique , dans l'ile de Cuba,

Das amerikanische Reisewerk

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dans les provinces de Caracas , de Cumana et de Barcelone , aux Andes de la Nouvelle-Grenade , de Quito et du Perou , et sur les bords du Rio-Negro , de l'Orenoque et de riviere des Amazones. Par Al . de Humboldt et A. Bon­ pland ; mise en ordre par A. Bonpland . -: I : Melastomes. 11: Rhexies . Groß Folio . 2 Bde . m. 120 farbigen Tafeln. Paris

1816-1823 .

-: Plantes equinoxiales , recueillies au Mexique , dans l'lle de Cuba, dans les pro­ vinces de Caracas , de Cumana et de Barcelone ; aux Andes de la Nouvelle­ Grenade , de Quito et du Perou, et sur les bords du Rio-Negro, de l'Orenoque et de la riviere des Amazones . Par Al . de Humboldt et A. Bonpland . Groß Folio. 2 Bde . m. 144 Tafeln. Paris u. Tübingen 1808-1817. -: Synopsis plantarum quas in itinere ad plagam aequinoctialem Orbis Novi collegerunt . Al . de Humboldt et Am . Bonpland. Auctore Carl Sigismund Kunth. Groß Quart. 4 Bde . Paris u. Straßburg 1822-1826.

Geographie der Pflanzen -: Essai sur la geographie des plantes; accompagne d'un tableau physique des regions equinoxiales, fonde sur des mesures executees depuis le dixieme degre de latitude boreale jusqu'au dixieme degre de latitude australe , pen­ dant les annees 1799, 1800, 1801, 1802 et 1803, avec une planche . Groß Quart . Paris [1805 -1807] ; dieser und der folgende Titel werden bewußt wiederholt . -: Geographie des plantes equinoxiales. Tableau physique des Andes et pays voisins. Groß Folio . Paris 1808; eine Profil-Tafel, zum obigen >Essai sur la geographie des plantes< gehörend. [(Deutsche Bearbeitung: ] -: Ideen z u einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tro­ penländer, auf Beobachtungen und Messungen gegründet, welche vom lOten Grade nördlicher bis zum lOten Grade südlicher Breite , in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802 und 1803 angestellt worden sind, von Al. von Humboldt und A. Bonpland . Bearbeitet und herausgegeben von dem Erstem. Mit einer Kupfertafel. Tübingen u. Paris 1807.

Zoologie und vergleichende Anatomie -: Recueil d'observations de zoologie et d'anatomie comparee, faites dans l'Ocean Atlantique , dans l'interieur du Nouveau Continent et dans la Mer du Sud pendant les annees 1799, 1800, 1801, 1802 et 1803 . Par Al. de Humboldt et A. Bonpland. Groß Quart . 2 Bde. m. 57 teilweise farbigen Tafeln. Paris

1811-1833.

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Liste der häufig benutzten Literatur

Reisebericht, Landeskunde, Atlanten -: Voyage de Humboldt et Bonpland. Premiere Partie . Relation Historique . Groß Quart. 3 Bde . Paris 1814, 1819 u. 1825 ; Neudruck: Besorgt, eingeleitet und um ein Register vermehrt von Hanno Beck. Stuttgart 1970 Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und der Reisen, hrsg. v. Hanno Beck, 8 . [Zur Relation Historique gehören die beiden folgenden Atlanten: ] - : Atlas pittoresque [auch unter dem Titel: ] Vues des Cordilleres, e t monumens des peuples indigenes de l'Amerique . Groß Folio . 2 Bde . m. 69 zum Teil farbi­ gen Tafeln. Paris 1810; Band I ist der Text- , Band 11 ist der Atlas-Band. -: Atlas geographique et physique des regions equinoxiales du Nouveau Conti­ nent , fonde sur des observations astronomiques , des mesures trigonometri­ ques et des nivellemens barometriques par Al. de Humboldt . Groß Folio . Mit 40 zum Teil farbigen Tafeln. Paris 1814. -: Examen critique de l'histoire de la geographie du Nouveau Continent, et des progres de l'astronomie nautique aux quinzieme et seizieme siecles . Analyse de l'atlas geographique et physique . Groß Folio . Paris 1814-1834. -: Essai politique sur le royaume de la Nouvelle-Espagne . 2. Bde . [mit dem Atlas geographique et physique du royaume de la Nouvelle-Espagne . . . Paris 1811] . Groß Quart. Paris 1811. -: Atlas geographique et physique du royaume de la Nouvelle-Espagne , fonde sur des observations astronomiques , des mesures trigonometriques et des nivellemens barometriques par Al. de Humboldt. Groß Folio . 20 Tafeln. Paris 1811. Neudruck: Mexico-Atlas. Einführung von Hanno Beck u. Wilhelm Bonacker. Stuttgart 1969 Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und der Reisen, hrsg. v. Hanno Beck, 6 . -: Reise i n die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents i n den Jahren 1799 , 1800, 1801, 1802, 1803 und 1804. Verfaßt von Alexander von Humboldt und A. Bonpland. [Deutsche Übersetzung v. Therese Heyne-Forster-Huber] . 6 Thle . Stuttgart 1815 -1829 ; zitiert : Reise (Therese Huber) . -: Alexander von Humboldt's Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents . In deutscher Bearbeitung von Herrnann Hauf!. Nach der Anord­ nung und unter Mitwirkung des Verfassers . Einzige von A. von Humboldt anerkannte Ausgabe in deutscher Sprache . 4 Bde. Stuttgart 1859-1860; 2. Auft . 6 Bde . ebd. 1861-1862; zitiert : Reise (HaufI) . =

=

Das russische Reisewerk

-: A. v. Humboldt's Fragmente einer Geologie und Klimatologie Asiens. Aus dem Französischen mit Anmerkungen, einer Karte und einer Tabelle ver­ mehrt von Julius Löwenberg . Berlin 1832. -: Asie Centrale . Recherches sur les chaines de montagnes et la climatologie comparee . 3 Bde . Paris 1843 .

Werke über Humboldt und sonstige Literatur

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-: Central-Asien. Untersuchungen über die Gebirgsketten und die verglei­ chende Klimatologie . Aus dem Französischen übersetzt und durch Zusätze vermehrt hrsg. v. Wilhelm Mahlmann . Bd. I in zwei Teilen u. Bd. 11 als 3. Teil. Berlin 1844. -: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers von Rußland im Jahre 1829 ausgeführt von A. von Humboldt, G. Ehrenberg und G. Rose . - Rose , Gustav: Mineralogisch­ geognostische Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere . 1. Bd. : Reise nach dem nördlichen Ural und dem Altai. 2 . Bd. : Reise nach dem südlichen Ural und dem Kaspischen Meere , Übersicht der Mineralien und Gebirgsarten des Ural. Berlin 1837 u. 1842. Andere Werke A.

v.

Humboldts

-: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. 5 Bände . Stuttgart u. Tübingen 1845 -1862. [Hierzu gehört: 1 -: Physikalischer Atlas. Eine unter der fördernden Anregung Alexander's von Humboldt verfaßte Sammlung von 93 Karten. 2 Bände in 8 Abtheilungen. Gotha 1852 ; erste Auflage : Gotha 1845 -1848 , die erste Lieferung erschien bereits 1837 ; hierzu S. 15 f. ; Erläuterung in Band VII . -: Kleinere Schriften. Erster Band: Geognostische und physikalische Erinnerun­ gen. Mit einem Atlas, enthaltend Umrisse von Vulkanen aus den Cordilleren von Quito und Mexico . Stuttgart u. Tübingen 1853 . -: Umrisse von Vulkanen aus den Cordilleren von Quito und Mexico. Ein Beitrag zur Physiognomik der Natur. Stuttgart u. Tübingen 1853. Werke über A.

v.

Humboldt und sonstige häufig zitierte Literatur

Der am häufigsten benutzte Atlas: -: Diercke Weltatlas (Westermann) Braunschweig 1974; sonst wurden benutzt verschiedene ältere Ausgaben des >Stieler< (Gotha) . -: Beck , Hanno : Gespräche Alexander von Humboldts. Hrsg . im Auftrage der Alexander von Humboldt-Kommission der Deutschen Akademie der Wissen­ schaften zu Berlin. Berlin 1959 . -: Alexander von Humboldt . Band I: Von der Bildungsreise zur Forschungs­ reise 1769 -1804; Band 11 : Vom Reisewerk zum "Kosmos" 1805 -1859. Wies­ baden 1959 u. 1961 ; span. Übersetzung : Mexico 1971. -: Alexander von Humboldt und Mexico . Beiträge zu einem geographischen Erlebnis . Bad Godesberg 1961 ; span . Übersetzung ebda. Beck, Hanno , mit Adolf Meyer-Abich: Alexander von Humboldts großes amerikanisches Reisewerk. Eine bibliographische Einleitung. New York u. Amsterdam 1971.

Liste der häufig benutzten Literatur

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Beck, Hanno: Geographie . Europäische Entwicklung in Texten und Erläute ­ rungen. Freiburg i. Br. u. München 1973 Orbis Academicus. -: Carl Ritter - Genius der Geographie. Berlin 1979; eng!. , franz. u. span. Übersetzung. -: Große Geographen. Pioniere - Außenseiter - Gelehrte. Berlin 1982. -: Alexander von Humboldts Reise durchs Baltikum nach Rußland und Sibirien 1829. Stuttgart 31984. -: Alexander von Humboldts amerikanische Reise. Stuttgart 21988. =

-: Zu Erkenntniserweiterungen des jungen Alexander

v.

Humboldt. In: Die

Dioskuren 11. Mannheim 2000, S. 1 3 -44. Abh. d. Humboldt-Gesellschaft, Bd. 16. Der Beitrag erweist erstmals, daß Johann Friedrich Zöllner (1753 -1804) neben Karl Ludwig Willdenow der wichtigste Anreger Humboldts auf des­ sen Weg zur Physikalischen Geographie gewesen ist.

Hein, Wolfgang-Hagen (Hrsg.): Alexander von Humboldt. Leben und Werk. Mit Beiträgen von Hanno Beck, Klaus Dobat, Wolfgang-Hagen Hein, Wer­ ner Friedrich Kümmel, Renate Löschner, Peter Schoenwaldt und einem Vorwort von Pierre Bertaux. Ingelheim a. Rh. 1985. Henze, Dietmar: Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher der Erde . [Es lie gen bis jetzt vor:] 2 Bde. und der Beginn des 3. Bandes. Graz 1975 ff. ; insgesamt 11 Lieferungen von A-Lar. Kessler, Herbert (Hrsg.): Die Dioskuren. Probleme in Leben und Werk der Brüder Humboldt. Abhandlungen von Hanno Beck, Helmut Gipper, Hilmar Grundmann, Wolfgang-Hagen Hein, Klaus Harnrnacher, Rudolf Hoberg, Helmut Reinalter, Bernfried Schlerath, Kurt Schleucher, Erwin Stein, Her­ bert Wilhelmy Abhandlungen der Humboldt-Gesellschaft, hrsg. v. Herbert Kessler, Band 9. McIntyre, Loren Alexander: Die amerikanische Reise. Auf den Spuren Alex ­ ander von Humboldts. Lektorat: Ortwin Fink. Wissenschaftliche Beratung: Hanno Beck. Hamburg 1982. Troll, Carl: Die tropischen Gebirge. Ihre dreidimensionale klimatische und Bonner Geographische pflanzengeographische Zonierung. Bonn 1959 Abhandlungen, Heft 25. =

=

B Textteil I

Texte vor der Veröffentlichung der > Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< (1) Erster Entwurf einer Geographie der Pflanzen (1790)

Quelle: Ideen zu einer Geographie der Pflanzen. Tübingen und Paris 1807 , S. III. Die Jahresangabe 1790 findet sich nur in der französischen Erstausgabe des > Essai sur la geographie des plantes< . Paris 1805 -1807 , S. VI. Das Schicksal dieses frühen Manuskriptes ist unbekannt .

[Hierzu A . v. Humboldt:] Seit meiner frühesten Jugend hatte ich Ideen zu einem solchen Werk gesammelt. Den ersten Entwurf zu einer Pflanzen-Geographie legte ich [ 1790] meinem Freunde Georg Forster, dessen Namen ich nie ohne das innigste Dankgefühl ausspreche , vor.

(2)

A. v. Humboldts Rezension einer frühen Arbeit Thaddäus Haenkes (1791)

Quelle: Annalen der Botanick. Rrsg. von Dr. Paul Usteri (Zürich) 1791, S. 78-83 .

Ein schöner Beitrag zur Naturgeschichte unseres deutschen Vater­ landes , den wir der Kön . Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaft ver­ danken ! Er enthält geognostische , oryktognostische , physikalische (hauptsächlich meteorologische) , entomologische und - botanische Be­ obachtungen. Für unseren Zweck ist es hinlänglich , die letzteren allein zu betrachten , deren Interesse dadurch erhöht wird, daß sie uns näher mit einem Manne bekannt machen, welcher jetzt den anderen Teil un-

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Texte vor der Veröffentlichung der >Geographie der Pflanzen
Geographie der Pflanzen
Ideen zu einer künftigen Geschichte und Geographie der Pflanzen oder historische Nachricht von der allmäh­ lichen Ausbreitung der Gewächse über den Erdboden und ihren allge­ meinsten geognostischen Verhältnissen< erscheinen. Mit dem ungeheu­ ren Plan dieses Werks, das die Pflanzenschöpfung in Verbindung mit der ganzen übrigen Natur schildern soll, nebst ihrem Einfluß auf den empfindenden Menschen , ermüde ich Sie nicht, sondern gehe sogleich zu meinen einfältigen hieroklischen ** Fragen über. Ich fange von der untergegangenen Vegetation , den Grabstätten der Pflanzen der Vorwelt (Phytolithen, Steinkohlen usw. ) , an . Hier sehen wir Produkte heißer Zonen unter 60-70° n. Br. , und zwar (von Blumenbach und anderen erwiesen) zahllos nicht hingeschwemmt, sondern in einer Lage , welche beweist , daß sie in ihrer Heimat liegen. Unter den vielen möglichen Gründen, welche eine Tropenwärme unter 69 -70° n. Br. hervorbringen können , studiere ich den besonders über die Schiefe der Ekliptik . . . (4)

Der älteste bis j etzt bekannt gewordene Entwurf einer >Geschichte der Pflanzen< und eines >Naturgemäldes< (1795)

Quelle: Sammlung Darmstaedter, großer Kasten XI . Staatsbibliothek Preußi­ scher Kulturbesitz Berlin. Erstveröffentlichung: Hanno Beck : Alexan­ der von Humboldt über den Vierwaldstättersee . In: Schweizerische Monatsschrift DU 1955 , S. 33 . Von Humboldt geschrieben auf der Rückreise von Mailand nach Luzern , Ende August bis Anfang September 1795 . * Cleomedes (um die Zeitwende) , griech. Astronom , Autor einer "Allge­ meinen Himmelskunde" . ** Nach dem Neuplatoniker Hierokles von Alexandria (ca . 450 n. Chr. ) .

Die Idee der Pftanzensukzession (1800)

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Geschichte der Pflanzen (Der Vierwaldstättersee) , Naturgemälde Wo das Wasser ein Häufchen Erde zusammenschwemmt da wachsen Pflanzen . So sieht man Inseln von Kräutern auf den unwirtbaren Granit­ blöcken des Gotthard u[nd] Bernhard, so Inseln mitten in den Eismee­ ren am Montblanc. Diese Inseln sind mit Flechten, wie mit Korallen­ riefen [= riffen] , umzingelt . Die fruchtbarsten Provinzen waren einst solche Inseln auf der nackten noch unbedeckten Oberfläche des Erdkör­ pers . Wenn durch das dörrende Laub der Bäume das Häufchen Erde größer wird , da nisten sich Menschen u[nd] siedeln sich an. So haben die Schneewasser am Vierwaldstädter See dicht hinter der Cottesweil­ der? [Fragezeichen von Humboldt] Platte Erde in einer einzelnen Kluft zwischen zwei Felsen zusammengeschwemmt. In den Ritzen wachsen einzelne Tannen. Der Schauplatz dieser kleinen Schöpfung ist uralt , denn dies und jenseits des Sees haben die Felsschichten einerlei Fallen , also das Tal , jetzt ein See bis zur Meeresteufe angeschnitten , nur als die Erhärtung des Gesteins . Ein dichter Rasen bedeckt die sanftanstei­ gende Fläche mit dicklaubigen Buchen besetzt; sie bilden teils gesellig kleine Gebüsche , teils werfen sie , im letzten zuckenden Strahl der Abendsonne , den langen Schatten auf den Rasen. Einzelne Tannen steigen von den Hochgebirgen bis ans Seeufer herab , wo Felsblöcke zer­ streut liegen . Aber dahin , wo die grüne Aue sich gleichsam in die grüne Fläche des Sees verliert, in jene milde Region, bis dahin dringen sie nicht herab . In der Mitte des Tals , so arm auch die Felskluft, dringt ein klares Bächchen herab . An diesem liegt die Kirche . Der Vordergrund ist ohne Bäume , aber hoch über den Gräbern säuselt das Buchenlaub . Hart am See liegen Fischerhäuser. Dort spielen die Knaben am Wasser. Am Ende des Tals , wo die Felsklüfte gegen den Himmel sich [erheben?] , ragt ein stilles Bergjoch mit ewigem Schnee bedeckt hervor. Dieser Ort heißt Sisigan [Sisikon] . (5) Die Idee der Pflanzensnkzession (1800) Quelle: Relation Historique , Bd. 11, Paris 1819, S . 279 f. , 313 , 363 .

Alexander von Humboldt's Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents . In deutscher Bearbeitung von Hermann Hauff, Bd. IV, S. 188 f. , 236 ff. , 16. Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents, dritter u . vierter Theil, Stuttgart u. Tübingen 1825 , Übersetzung von Therese Heyne-Forster-Huber, S. 477 f. , 4O f. , 123 f.

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Texte vor der Veröffentlichung der >Geographie der Pflanzen
Ansichten der Natur< (3. Auft . Stuttgart u. Tübingen 1849) aufgenommen; das Ganze ist dem Leser in Band V der vorliegenden Studienausgabe zugänglich , S . 175 -297 .

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Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer, Auf Beobachtungen und Messungen gegründet, welche vom lOten Grade nördlicher bis zum lOten Grade südlicher Breite , in den Jahren 1799 , 1800, 1801, 1802 und 1803 angestellt worden sind , von AI. von Humboldt und A. Bonpland.

Bearbeitet und herausgegeben von dem Erstem . Mit einer Kupfertafel.

Tübingen , bey F. G . Cotta . Paris , bey F. Schoell (Rue des Ma�ons-Sorbonne , N. 19) . 1807 .

Das Grundwerk (7) Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der 'ftopenländer (Tiibingen und Paris 1807)

Vorrede Nach * einer fünfjährigen Abwesenheit von Europa, nach einem Auf­ enthalt in Ländern, von welchen viele nie von Naturkundigen besucht worden sind , hätte ich vielleicht eilen dürfen, eine kurze Schilderung meiner Reise bekannt zu machen * * . Ich hätte mir sogar schmeicheln können, daß diese Eile den Wünschen des Publikums gemäß gewesen wäre , von dem ein großer Teil einen so aufmunternden Anteil an meiner persönlichen Erhaltung und dem Fortgang [an dem Erfolg] meiner Un­ ternehmungen geäußert hat . Aber ich habe geglaubt , daß es nützlicher für die Wissenschaften sei, ehe ich von mir selbst und den Hindernissen spreche , welche ich in jenen entfernten Weltgegenden [im Lauf meiner Operationen] zu überwinden hatte , die Hauptresultate der von mir be­ obachteten Erscheinungen in ein allgemeines Bild zusammenzufassen . * Bei der Lektüre ist zu beachten: 1. In einigen Fällen werden Erläuterungen in eckigen Klammern , mit Gleich­ heitszeichen beginnend, unmittelbar in den Text eingeschaltet. 2. Einschübe in eckigen Klammern, ohne Gleichheitszeichen beginnend, fügen einige nur in der französischen Erstausgabe vorhandene Angaben in den Text ein. 3 . Kursiv ge­ setzter Text bezeichnet , ohne Vollständigkeit zu erstreben , nur in der deutschen Bearbeitung vorhandene Zusätze . Der Leser verfügt damit über einen Grad­ messer zur Beurteilung des Ausmaßes eben dieser deutschen Bearbeitung. ** Die >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< sind eine Bearbeitung und keinesfalls , wie bisher vorausgesetzt , eine Übersetzung des >Essai sur la geogra­ phie des plantes< . Erstaunlich ist z. B . , wie oft Humboldt im deutschen Werk noch Umrechnungen oder Angaben seiner Messungen berichtigt hat ; charakte­ ristische Beispiele werden im Text gekennzeichnet . Oft hat er auch noch Fehler, die ihm bei der Umrechnung von Metern in Toisen im französischen Text unter­ laufen waren, in der deutschen Bearbeitung ausgeglichen.

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Das Grundwerk

Dieses Naturgemälde ist das Werk, welches ich gegenwärtig den Phy­ sikern [ = Naturforschern] vorzulegen wage , und dessen einzelne Teile in meinen nächstfolgenden Arbeiten näher entwickelt werden sollen . Ich stelle in diesem Naturgemälde alle Erscheinungen zusammen , welche die Oberfläche unseres Planeten und der Luftkreis darbietet , der jenen einhüllt. Naturkundige , welche den dermaligen Zustand un­ seres empirischen Wissens, besonders den der Meteorologie kennen , werden sich nicht wundern , so viele Gegenstände in so wenigen Bogen behandelt zu sehen. Hätte ich längere Zeit auf ihre Bearbeitung ver­ wenden können , so würde mein Werk nur noch kürzer geworden sein : denn mein Naturgemälde sollte nur allgemeine Ansichten , sichere und durch Zahlen auszudrückende Tatsachen aufstellen. Seit meiner frühesten Jugend hatte ich Ideen zu einem solchen Werke gesammelt . Den ersten Entwurf zu einer Pflanzen-Geographie legte ich [1790] meinem Freunde [dem berühmten Begleiter Cooks] , Herrn Georg Forster [an den Freundschaft und Dankbarkeit mich eng gebunden hatten] , dessen Namen ich nie ohne das innigste Dankgefühl ausspreche , vor. Das Studium mehrerer Teile der physikalisch-mathematischen Wis­ senschaften , dem ich mich nachmals gewidmet , hat mir Gelegenheit verschafft , meine ersten Ideen zu erweitern . Vor allem aber verdanke ich die Materialien zu dieser Arbeit meiner Reise nach den Tropenlän­ dern. Im Angesichte der Objekte , die ich schildern sollte , von einer mächtigen , aber selbst durch ihren inneren Streit * wohltätigen Natur umgeben, am Fuße des Chimborazo , habe ich den größeren Teil dieser Blätter niedergeschrieben. Ich habe geglaubt, ihnen den Titel >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< lassen zu müssen . Jeder andere unbe­ scheidenere TItel würde die Unvollkommenheit meines Versuchs auffal­ lender und ihn selbst der Nachsicht des Publikums unwerter gemacht haben . Dem Felde der empirischen Naturforschung getreu, dem mein bis­ heriges Leben gewidmet gewesen ist, habe ich auch in diesem Werk die mannigfaltigen Erscheinungen mehr nebeneinander aufgezählt, als, ein­ dringend in die Natur der Dinge, sie in ihrem inneren Zusammenwirken geschildert. Dieses Geständnis, welches den Standpunkt bezeichnet, von welchem ich beurteilt zu werden hoffen darf, soll zugleich auch darauf * A. v. Humboldt sieht hier richtig den "inneren Streit" der Natur, die er öko­ logisch zutreffend , dennoch als "wohltätig" bezeichnen kann. Hier findet die Meinung ihre Grenze , er habe gleichsam nur Harmonien betont; wurde in der Natur Harmonie erreicht , so war sie in diesem Sinn durchaus das Ergebnis eines Kampfes; dafür gibt es weitere und bessere Belege , auf die hingewiesen wird .

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

45

hinweisen, daß es möglich sein wird, einst ein Naturgemälde ganz anderer und gleichsam höherer Art naturphilosophisch darzustellen. Eine solche Möglichkeit nämlich, an der ich vor meiner Rückkunft nach Europa fast selbst gezweifelt, eine solche Reduktion aller Naturerscheinungen, aller Tätigkeit und Gebilde, auf den nie beendigten Streit entgegengesetzter Grundkräfte der Materie, ist durch das kühne Unternehmen eines der tief­ sinnigsten Männer unseres Jahrhunderts begründet worden. Nicht völlig unbekannt mit dem Geiste des Schellingschen Systems, bin ich weit von der Meinung entfernt, als könne das echte naturphilosophische Studium den empirischen Untersuchungen schaden, und als sollten ewig Empi­ riker und Naturphilosophen als streitende Pole sich einander abstoßen. Wenige Physiker haben lauter als ich über das Unbefriedigende der bis­ herigen Theorien und ihrer Bildersprache geklagt; wenige haben so bestimmt ihren Unglauben an den spezifischen Unterschied der sogenann­ ten Grundstoffe geäußert. (Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser, B. I, S. 376 und 422; B. II, S. 34, 40.) Wer kann daher auch froheren und innigeren Anteil als ich an einem System nehmen, das, die Atomistik untergrabend, und von der auch von mir einst befolgten ein­ seitigen Vorstellungsart, alle Differenz der Materie auf bloße Differenz der Raumerfüllung und Dichtigkeit zurückzuführen, entfernt, helles Licht über Organismus, Wärme, magnetische und elektrische, der bis­ herigen Naturkunde so unzugängliche Erscheinungen zu verbreiten verheißt? Das Naturgemälde , welches ich hier liefere , gründet sich auf Beob­ achtungen, die ich teils allein, teils mit Herrn Bonpland gemeinschaft­ lich angestellt habe. Durch die Bande inniger Freundschaft viele Jahre lang miteinander verbunden, die mannigfaltigen Beschwerden teilend, denen man in unkultivierten Ländern und unter dem Einfluß bösartiger Klimate ausgesetzt ist, haben wir beschlossen, daß alle Arbeiten, welche als Früchte unserer Expedition zu betrachten sind, unsere beiden Namen zugleich führen sollen . Während der Redaktion dieses Werks zu Paris* , habe ich oft des Rats der vortrefflichen Männer bedurft, mit denen ich das Glück habe , in genauen Verbindungen zu leben. Herr Laplace , dessen Name meiner Lobsprüche nicht bedarf, hat seit meiner Rückkunft aus Philadelphia die wärmste Teilnahme an der Ausarbeitung meiner unter den Tropen gesammelten Beobachtungen bezeugt . Aufklärend, was ihn umgibt, durch die Fülle seiner Kenntnisse und die Kraft seines Genies , ist sein Umgang von ebenso belebendem wohltätigen Einfluß für mich *

Das Werk wurde nicht nur in Paris, sondern auch in Rom redigiert .

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Das Grundwerk

geworden, wie für alle junge Männer, denen er gern seine wenige Muße aufopfert. Die Pflichten der Freundschaft fordern mich auf, nicht minder dank­ bar Herrn Biot , Mitglied der ersten Klasse des National-Instituts, zu nennen . Der Scharfsinn des Physikers ist so glücklich in ihm mit der Stärke des Mathematikers vereinigt , daß auch er mir bei der Bearbei­ tung meiner Reisebeobachtungen sehr nützlich geworden ist. Er selbst hat die Tafeln für die Horizontal-Refraktion und die Lichtschwächung berechnet. Mehrere Tatsachen über die Wanderungen [Geschichte] der Frucht­ bäume habe ich aus Herrn Sicklers * vortrefflicher Schrift entlehnt . Herr de Candolle und Herr Ramond haben mir interessante Beobach­ tungen über den Stand der Gewächse in den Schweizer und Pyrenäi­ schen Gebirgen mitgeteilt. Andere verdanke ich den klassischen Schrif­ ten meines vieljährigen Freundes und Lehrers Willdenow. Es schien nicht unwichtig, einen Rückblick auf die gemäßigte Zone zu werfen, und die Verteilung europäischer Pflanzen mit der der südamerikanischen zu vergleichen . Herr Delambre hat mein Tableau der Berghöhen mit mehreren, nie bekannt gemachten eigenen Messungen vermehrt. Ein Teil der meinigen ist nach der neuen Laplaceschen Barometerformel durch Herrn Prony berechnet worden. Eben derselbe hat mit der gefälligsten Bereitwillig­ keit die Berechnung von mehr als vierhundert [Höhen] Messungen übernommen. Ich beschäftige mich gegenwärtig mit der Bearbeitung des Bandes, welcher meine astronomischen Beobachtungen enthalten soll * * . Ein Teil derselben ist bereits dem Längen-Büro in Paris zur Prüfung vorge­ legt worden. Es würde voreilig sein , vor der Vollendung dieses astrono­ mischen Bandes , die geographischen Karten , welche ich gezeichnet, oder die Reisebeschreibung selbst * * * herauszugeben, da Lage und Höhe eines Ortes fast auf alle physikalischen und moralischen Erscheinungen einen näheren oder entfernteren Einfluß haben. Ich darf mir schmei­ cheln , daß besonders die Längen-Bestimmungen, zu denen ich während der mühseligen Schiffahrt auf dem Orinoco , dem Casiquiare und dem Rio Negro Gelegenheit gehabt habe , denjenigen interessant sein wer­ den, welche den mangelhaften Zustand der Geographie des Innern von *

Johann Volkmar Sickler (1742-1820) , Sytematiker der Pomologie . Siehe die Aufstellung in diesem Band : >Liste der in dieser Studienausgabe häufig benutzten Literatur< . * * * Damit begründet Humboldt das spätere Erscheinen seines Reiseberichtes. **

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

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Süd-Amerika kennen. Trotz der gen auen Beschreibung, welche der Pater Caulin von dem Casiquiare geliefert, haben neuere Geographen doch wieder die größten Zweifel über die Verbindungsart des Orinoco mit dem Amazonenftuß geäußert . Da ich selbst in diesen Gegenden mit astronomischen Werkzeugen gearbeitet habe , so erwartete ich freilich nicht , daß man mich mit Bitterkeit 1 tadeln würde , wenn ich den Lauf der Berge und Flüsse nicht immer in der Natur so finde , wie sie die Karte von La Cruz angibt , aber es ist das gewöhnliche Schicksal der Reisenden , da zu mißfallen , wo sie hergebrachten Meinungen wider­ sprechen. Nach vollendeter Herausgabe meiner astronomischen Beob­ achtungen, wie der der barometrischen und geodätischen Messungen, werden meine übrigen Arbeiten schnell hintereinander dem Publikum vorgelegt werden können : denn erst nach der Bearbeitung aller jetzt vorrätigen Materialien werde ich mich mit der neuen Expedition beschäftigen , deren Plan ich entworfen und von der ich hoffe , daß sie große Aufklärung über die wichtigsten magnetischen und meteorolo­ gischen Erscheinungen verbreiten soll . Ich kann die ersten Resultate meiner Reise nach den Tropenländern nicht bekannt machen , ohne diese Gelegenheit zu benutzen, der spani­ schen Regierung, welche fünf Jahre lang mein Unternehmen eines so besonderen Schutzes gewürdigt hat , den Tribut meines tiefen und ehrer­ bietigen Dankes darzubringen. Mit einer Freiheit arbeitend, die vorher nie einem Fremden oder einem Privatmanne zu Teil geworden ist , unter einer edlen Nation , die im Drange der Begebenheiten ihre Eigentüm­ lichkeit erhalten hat, habe ich in jenen fernen Weltgegenden fast kein anderes Hindernis gekannt , als das , was die Natur [La nature physique] den Menschen entgegensetzt. So wird das Andenken an meinen Aufent­ halt in dem Neuen Kontinent stets mit dem lebhaftesten Dankgefühl für die liebevolle Behandlung begleitet sein , welche ich, in den spanischen Kolonien beider Hemisphären wie in dem nordamerikanischen Freistaat, von allen Klassen der Einwohner erfahren habe . Rom , im Julius 1805.

1

177 .

Al. von Humboldt

Geographie moderne de Pinkerton, traduite par Walkenaer, T. VI , p. 174 et

48

Das Grundwerk

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen Die Untersuchungen der Naturforscher [der Botaniker] sind gewöhn­ lich nur auf Gegenstände beschränkt, welche einen sehr geringen Teil der Pflanzenkunde umfassen . Sie beschäftigen sich fast allein mit Auf­ suchung neuer Arten, mit Beschreibung der äußeren Form derselben, und mit den Kennzeichen, nach deren Ähnlichkeit sie in Klassen oder Familien vereinigt werden. Dieses physiognomische Studium [connaissance des formes] der organischen Geschöpfe ist unstreitig das wichtigste Fundament aller Naturbeschreibung. Ohne dasselbe können selbst diejenigen Teile der Botanik, welche auf das Wohl der menschlichen Gesellschaft einen mehr unmittelbaren Einfluß zu haben scheinen, wie die Lehre von den Heilkräften der Pflanzen, von ihrer Kultur und ihrem technischen Ge­ brauch , keine bedeutenden Fortschritte machen . So wünschenswert es demnach aber auch ist, daß viele Botaniker sich ausschließlich diesem weitumfassenden Studium widmen mögen, so sehr auch die natürliche Verkettung der Formen einer philosophischen Behandlung fähig ist, so ist es dennoch nicht minder wichtig, die Geographie der Pflanzen zu bearbeiten , eine Disziplin, von welcher kaum nur der Name existiert, und welche die interessantesten Materialien zur Geschichte unseres Planeten enthält. Sie betrachtet die Gewächse nach dem Verhältnis ihrer Verteilung in den verschiedenen Klimaten . Fast grenzenlos , wie der Gegenstand den sie behandelt, enthüllt sie unseren Augen die unermeßliche Pflanzen­ decke , welche , bald dünner, bald dichter gewebt, die allbelebende Natur über den nackten Erdkörper ausgebreitet hat. Sie verfolgt die Vegetation von den luftdünnen Höhen der ewigen Gletscher [ewigen Schnees] bis in die Tiefe des Meeres , oder in das Innere des Gesteins [der Erde] , wo in unterirdischen Höhlen Kryptogamen wohnen, die noch so unbekannt wie die Gewürme sind, welche sie nähren. Der obere Rand [Grenze] dieser Pflanzendecke liegt , wie der des ewigen Schnees , höher oder tiefer, nach dem Breitengrade der Orte oder nach der Schiefe der wärmenden Sonnenstrahlen . Aber die untere Grenze der Vegetation bleibt uns völlig unbekannt: denn genaue Beob­ achtungen, welche man über die unterirdischen Gewächse beider Hemi­ sphären angestellt hat, lehren , daß das Innere der Erde überall belebt ist, wo organische Keime Raum zur Entwicklung und eine sauerstoffhal­ tige Flüssigkeit zur Ernährung gefunden haben. Jene schroffen be eisten Klippen, die hoch über der Wolkenschicht hervorragen, sind mit Laub­ moosen und Flechtenarten bewachsen. Ihnen ähnliche Kryptogamen

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

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breiten , bald buntgefärbt, bald von blendender Weiße , ihr weiches fase­ riges Gewebe über die Stalaktiten-Wände unterirdischer Grotten und über das feuchte Holz der Bergwerke aus . So nähern sich gleichsam die äußersten Grenzen der Vegetation und bringen Formen hervor, deren einfacher Bau von den Physiologen noch wenig erforscht ist. Aber die Pflanzen-Geographie ordnet die Gewächse nicht bloß nach Verschiedenheit der Klimate und Berghöhen, in welchen sie sich finden; sie betrachtet dieselben nicht bloß nach den wechselnden Gra­ den des Luftdruckes , der Temperatur, der Feuchtigkeit und elektrischen Tension , unter welchen sie sich entwickeln: sie unterscheidet unter den zahllosen Gewächsen des Erdkörpers, wie unter den Tieren , zwei Klas­ sen 2, die in ihrem Verhältnisse gegeneinander (und so zu sagen in ihrer Lebensweise) weit voneinander abstehen . Einige wachsen einzeln und zerstreut. So in der gemäßigten Zone , in Europa, Solanum dulcamara, Lychnis dioica, Polygonum bistorta, Anthericum liliago , Crataegus aria, Weissia paludosa, Polytrichum pili­ ferum, Fucus saccharinus , Clavaria pistillaris und Agaricus procerus ; so unter den Wendekreisen , im Neuen Kontinent, Theophrasta americana, Lysianthus longifolius , Hevea, die meisten Cinchona-Arten, Vallea sti­ pularis, Anacardium caracoli, Quassia simaruba, Spondias mombin, Manettia reclinata und Gentiana aphylla. Andere Gewächse , gesellig vereinigt , gleich Ameisen und Bienen, bedecken ganze Erdstrecken, von denen sie alle von ihnen verschiedene Pflanzen ausschließen. Zu diesen gehören das Heidekraut (Erica vulga­ ris) , die Erdbeeren (Fragaria vesca) , Vaccinium myrtillus , Polygonum ayiculare , Cyperus fuscus , Aira canescens , Pinus sylvestris, Sesuvium portulacastrum, Rhizophora mangle , Croton argenteum , Convolvulus brasiliensis , Brathys juniperina, Escallonia myrtilloides , Bromelia kara­ tas, Sghagnum palustre , Polytrichum commune , Fucus natans. Sphreria digitata, Lichen hrematomma, Cladonia paschalis und Threlrephora hirsuta. Ob ich gleich unter diesen geselligen Pflanzen manche südamerika­ nische mit aufgezählt habe , so ist ihr Vorkommen in den Tropenländern doch im Ganzen seltener als in der gemäßigten Zone , wo ihre Menge den Anblick der Vegetation einförmiger und deshalb unmalerischer macht . Von dem Ufer des Orinoko bis zu dem des Amazonen-Stroms und des Ucayali , in einer Ebene von mehr als 500 Meilen, ist das Land ein ununterbrochener dichter Wald . Hinderten nicht trennende Flüsse , 2 Ich habe auf diesen Unterschied und auf andere Verhältnisse der Pflanzen­ Geographie schon in meiner Flora Fribergensis (1793) aufmerksam gemacht.

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Das Grundwerk

so könnten Affen , die fast die ausschließlichen Bewohner dieser Einöde sind, ohne die Erde zu berühren, von Zweig zu Zweig sich schwingend , aus der nördlichen Hemisphäre in die südliche übergehen . Aber diese unermeßlichen Waldungen bieten dem Auge nicht das ermüdende Schauspiel der geselligen Pflanzen dar. Jeder Teil ist mit anderen For­ men geschmückt. Hier stehen dichtgedrängt buchenblätterige Mimosen , Psychotria und immerblühende Melastoma: dort verschlingen die hohen Zweige Cäsalpinien, mit Vanille umrankte Feigenbäume , Lecythis­ Arten, und die von gerinn barer Milch 3 strotzenden Heveen . Kein Gewächs übt hier verdrängende Herrschaft über die anderen aus . Ganz anders sind die Pflanzen in der Gegend der Tropenländer verteilt , welche an Neu-Mexiko und Louisiana grenzt. Zwischen dem 17. und 22 . 0 nördlicher Breite ist eine kalte , 2000 m (6000 Fuß) über den Meeresspiegel erhabene Gebirgsebene (Anahuac nennen die Eingebo­ renen dieses Land) , dicht mit Eichen und mit einer Tannen-Art bewach­ sen, welche sich dem Pinus strobus naht. Liquidambarbäume , Arbutus madronno und andere gesellige Pflanzen bedecken in den anmutigen Tälern von Jalapa den östlichen Abfall der mexikanischen Gebirgs­ kette . Boden , Klima, Pflanzen , Formen, ja die ganze Ansicht des Lan­ des , nehmen hier einen Charakter an, welcher der gemäßigten Zone anzugehören scheint, und den man innerhalb der Wendekreise, in gleicher Berghöhe , in Südamerika nirgends beobachtet. Die Ursache dieses sonderbaren Phänomens liegt wahrscheinlich größtenteils in der Gestalt des Neuen Kontinents , der an Breite übermäßig zunehmend hoch ge­ gen den Nordpol ansteigt; wodurch das Klima von Anahuac kälter wird, als es nach des Landes Lage und Höhe sein sollte . Kanadische Pflanzen sind so auf dem hohen Gebirgsrücken allmählich gegen Süden gewan­ dert; und nahe am Wendekreis des Krebes sieht man jetzt die feuerspei­ enden Berge von Mexiko mit denselben Tannen bewachsen, welche den nördlichen Quellen des Gila und Missouri eigen sind. In Europa ist die große Katastrophe , welche durch plötzliches Anschwellen der Binnenwasser erst die Dardanellen und nachher die Säulen des Herkules durchbrochen und das breite Tal des Mittelmeers ausgehöhlt hat, dem Übergang afrikanischer Pflanzen hinderlich gewe­ sen * . Nur die wenigen, welche man in Neapel, in Sizilien und in dem südlichen Frankreich findet, sind wahrscheinlich, wie die Affen von 3 Kautschuk, durch Absorption des atmosphärischen Oxygens sich aus der Milch abscheidend. * Die Barriere sehen wir heute in der Sahara; earl Troll: Die tropischen Ge­ birge . Bonn 1959, S. 16.

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen ( 1807)

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Gibraltar, vor diesem Durchbruch eingewandert. Die Kälte der pyrenäi­ schen Gebirgspässe beweist, daß sie unmittelbar von Süden her, aus dem Berber-Land und nicht durch Spanien von Südwesten her gekommen sind. In den folgenden Jahrtausenden hat das länderscheidende, aber für Schiffahrt, gegenseitigen Verkehr und intellektuelle Kultur des Menschen­ geschlechts so wichtige Mittelmeer, diese Einwanderung unmöglich gemacht, und die südeuropäische Vegetation kontrastiert deshalb mit der von Nieder-Ägypten und den Nordatlantischen Küsten. Nicht so ist die Pjlanzenverteilung zwischen Kanada und der mexikanischen Landenge. Beide Länder haben gleichsam ihre Gewächse gegeneinander ausge­ tauscht, und die Hügel , welche das Tal von Tenochtitlan begrenzen, sind fast mit denselben Bäumen bedeckt, welche unter dem 45. Breiten­ grade nördlich vom Kranichgebirge und dem Salzsee von Timpanogos * vegetieren . Wenn Künstler diesen mexikanischen Teil der Tropenregion besuchten , um in demselben den Charakter der Vegetation zu studie­ ren , würden sie dort vergebens die Pracht und Gestaltverschiedenheit der Äquinoctial-Pflanzen suchen. Sie würden in dem Parallel der West­ indischen Inseln Wälder von Eichen , Tannen und zweizeiligen Zypres­ sen finden ; Wälder, welche die ermüdende Einförmigkeit der geselligen Pflanzen von Kanada, Nordasien und Europa darbieten. Es wäre ein interessantes Unternehmen, auf botanischen Spezial-Kar­ ten die Länderstrecken anzudeuten, welche diese gesellige Verbindung von Gewächsen einerlei Art auf dem Erdboden einnehmen. Sie würden sich in langen Zügen darstellen, die , Unfruchtbarkeit verbreitend , alle Kultur um sich her verdrängen und bald als Heiden, bald als unermeß­ liche Grasfluren (Steppen , Savannen) , bald als undurchdringliche Wal­ dungen, dem Verkehr des Menschengeschlechts fast größere Hinder­ nisse als Berge und Meer entgegenstellen. So beginnt das Heideland, die Gruppierung der Erica vulgaris, Erica tetralix, des Lichen icmado­ phila und Lichen hrematomma, von der Nordspitze von Jütland und dehnt sich südlich durch Holstein und Lüneburg 4 bis über den 52. Brei­ tengrad hinaus . Von da an wendet es sich gegen Westen und reicht durch die Granitebenen von Münster und Breda bis an die Küsten des englischen Ozeans. Seit vielen Jahrhunderten herrschen diese Pflanzen in den nordischen Ländern. Die Industrie der Anwohner, gegen jene Alleinherrschaft ankämpfend, hat ihnen bisher nur wenig Raum abge­ wonnen. Aber diese neugefurchten Äcker, diese Eroberungen des 4

Fast bis 52° 27' .

*

See von Timpanogos

=

der Große Salzsee .

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Das Grundwerk

Kunstfleißes , die allein wohltätigen für die Menschheit * , bilden Inseln von frischem Grün in der öden Heide . Sie erinnern an jene Oasen, welche den Keim des vegetabilischen Lebens mitten in den toten Sand­ wüsten Libyens bewahren. Ein Laubmoos , Sphagnum palustre , welches den Tropen und den gemäßigten Klimaten gleich ist , bedeckte ehemals einen beträchtlichen Teil von Deutschland. Die häufigen Torfmoore in den baltischen und westdeutschen Ländern bezeugen , wie weit jene gesellige Pflanze dort einst verbreitet war, denn die neueren Moore verdanken zwei Sumpf­ Kryptogamen , dem Sphagnum und Mnium serpillifolium, ihren Ur­ sprung, während der Torf älterer Formation aus zusammengehäuften Meer-Ulven und kochsalzhaltigen Fucus-Arten entstanden ist und daher oft auf einem Bett kleiner Seernuscheln ruht . Durch Ausrottung der Wälder haben ackerbauende Völker die Nässe des Klimas vermin­ dert. Die Sümpfe sind nach und nach abgetrocknet , und das Sphagnum , welches den Nomaden des alten Germaniens ganze Länderstrecken un­ bewohnbar machte , ist durch nutzbare Gewächse verdrängt worden. * * Unerachtet das Phänomen der geselligen Pflanzen der gemäßigten Zone hauptsächlich und fast ausschließlich angehört , so liefern die Tropenländer doch auch einige Beispiele davon. Den langen Rücken der Andenkette in einer Höhe von 3000 m über dem Meer (fast 9300 Schuh) , bedecken in einförmigen Zügen die gelbblühende Schite (Bra­ thys juniperina) , Schitimani (Brathys ovata) , Jarava, eine Grasart, die dem Papporophorum verwandt ist, myrtillblättrige Escallonia, mehrere Arten strauchartiger Molinen, und die Tourrettia, deren nährendes Mark der Indianer oft aus Dürftigkeit den Bären streitig macht. In den brennend heißen Ebenen zwischen dem Chinchipe und dem Amazo­ nenfluß wachsen gesellig silberblättriger Croton, Godoya, und die mit farbigen Bracteen bedeckte Bougainvillea. In den Grasfluren (Savan­ nen) des Nieder-Orinoko wachsen Kyllingia, reizbare Mimosen, und , wo eine Quelle ausbricht, die fächerige Moritzpalme [Mauritia] mit pur­ purroten zapfenartigen Früchten. Ebenso haben wir im Königreich Neu-Granada, zwischen Turbaco und Mahates, am Magdalenen-Strom, wie an dem westlichen Abfall der Schnee-Alpen von Quindfu, fast ununterbrochene Wälder von Bambus-Schilf und pisangblättrigen Heli­ konien gefunden. Aber diese Gruppen geselliger Pflanzen sind stets * Lob der Kulturlandschaft als einer Nutzlandschaft im Sinn des 18. Jahrhun­ derts . ** A. v. Humboldt zeigt, daß ihm Veränderungen der Naturlandschaft be­ wußt sind .

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minder ausgedehnt und seltener unter den Wendekreisen als in der gemäßigten und kalten Zone der nördlichen Erde . Um über die ehemalige Verbindung nahegelegener Kontinente zu entscheiden, gründet sich der Geognost auf die ähnliche Struktur der Küsten, auf die Schichtung und Lagerung ihrer Gebirgsarten, die glei­ chen Menschen- und Tier-Rassen, die sie bewohnen , und auf die Untie­ fen des angrenzenden Meeres . Die Geographie der Pflanzen kann nicht minder wichtige Materialien für diese Art der Untersuchungen liefern. Sie betrachtet die Gewächse , welche Ost-Asien mit Kalifornien und Mexiko gemein hat. Sie macht es wahrscheinlich, daß Süd-Amerika sich vor der Entwicklung organischer Keime auf dem Erdboden von Afrika getrennt und daß beide Kontinente mit ihren östlichen und westlichen Ufern einst, gegen den Nordpol hin, zusammengehangen haben. * Durch sie geleitet , kann man in das Dunkel eindringen, welches den frühesten Zustand unseres Planeten einhüllt, um zu entscheiden, ob nach den chaotischen Wasserfluten die trocknende Erdrinde an vielen Orten zugleich mit verschiedenen Pflanzenarten bedeckt worden ist, oder ob (nach der uralten Mythe vieler Völker) alle vegetabilischen Keime sich zuerst in einer Gegend entwickelt haben, von wo sie auf schwer zu ergründenden Wegen und der Verschiedenheit der Klimate trotzend nach allen Weltgegenden gewandert sind. Die Geographie der Pflanzen untersucht, ob man unter den zahllosen Gewächsen der Erde gewisse Urformen entdecken , und ob man die spe­ zifische Verschiedenheit als Wirkung der Ausartung und als Abweichung von einem Prototypus betrachten kann. Sie löst das wichtige und oft be­ strittene Problem, ob es Pflanzen gibt, die allen Klimaten, allen Höhen und allen Erdstrichen eigen sind? Wenn ich es wagen dürfte , allgemeine Folgerungen aus dem zu ziehen, was ich selbst in einem geringen Teile beider Hemisphären beob­ achtet , so sollte ich vermuten , daß einige kryptogamische Pflanzen die einzigen sind, welche die Natur überal1 5 hervorbringt. Dicranum sco­ parium , Polytrichum commune , Verrucaria sanguinea und Verrucaria limitata Scopoli wachsen unter allen Breiten, in Europa wie unter dem Ä quator, auf dem Rücken hoher Gebirge wie an den Meeresküsten, überall wo sie Schatten und Feuchtigkeit finden. 5 Auch Herr Swartz fand europäische Moose, Funaria hygrometrica, Di­ cranum glaucum und Bryum serpillifolium, auf den Blauen Bergen in Jamaika, deren Höhe 2216 Meter (1138 Toisen) beträgt.

* Alfred Wegener hat später durchaus gleichartige Argumente gekannt, sie allerdings mit Substanz gefüllt, die erst ihm möglich war.

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Am Ufer des Magdalenen-Flusses, zwischen Honda und Ägyptiaca, in einer Ebene , wo das Thermometer ununterbrochen 25 bis 28° zeigt , am Fuß der Ochroma und des großblättrigen Macrocnemum, haben wir Moos­ decken gefunden , so dicht gewebt und von so frischem Grün, wie man sie nur in schwedischen oder norddeutschen Wäldern beobachtet. Wenn an­ dere Reisende behaupten, daß Laubmoose und alle Kryptogamen über­ haupt in der heißen Zone selten sind, so liegt der Grund dieser Behauptung unstreitig darin, daß sie nicht tief genug ins Innere der Wälder eindrangen, sondern nur dürre Küsten oder kultivierte Inseln besuchten. Von den Flechten finden sich sogar viele derselben Art unter allen Graden der Breite in der Nord- und Südzone. Sie scheinen fast unabhängig vom Ein­ fluß des Klimas , wie die Gebirgsarten , auf denen sie wachsen, und von denen kaum eine irgend einem Teil der Erde ausschließlich zugehört. Unter den phanerogamischen Pflanzen kenne ich keine , deren Or­ gane biegsam genug sind, um sich allen Zonen und allen Höhen des Standorts anzueignen . Mit Unrecht hat man drei Gewächsen , der Alsine media, der Fragaria vesca und dem Solanum nigrum , den Vorzug dieser Biegsamkeit zugeschrieben , dessen sich der Mensch allein und einige Haustiere erfreuen, die ihn umgeben . Schon die pennsylvanische und kanadische Erdbeere ist von unserer europäischen verschieden . Von der letztem glaubten wir zwar, Bonpland und ich , einige Pflanzen in Südamerika entdeckt zu haben, als wir zu Fuß über die Schneegebirge von Quindiu aus dem Magdalenental in das Flußtal des Cauca kamen . Die wilde Natur dieses Teils der Andenkette , die Einsamkeit jener Wäl­ der von Wachspalmen , duftendem Styrax und baumartigen Passifloren, die Unkultur der angrenzenden Gegenden, alle diese Umstände schei­ nen den Verdacht auszuschließen , als hätten Vögel , oder gar die Hand des Menschen , zufällig den Samen dieser Erdbeeren verstreut . Fanden wir aber wirklich Fragaria vesca? Würde die Blüte , wenn wir sie gesehen hätten , uns nicht Verschiedenheiten zwischen der andesischen [sic!] und europäischen Fragaria gezeigt haben , da so manche andere Arten dieses Geschlechts durch die feinsten Nuancen voneinander abweichen? Meh­ rere deutsche und schwedische Gewächse, welche man ehemals auf den Granitklippen des Feuerlandes , der Staateninsel und an den Küsten der magellanischen Meerenge beobachtet zu haben glaubte , sind, bei nähe­ rer Untersuchung des Charakters, von de Candolle , Willdenow 6 und Desfontaines als analoge , aber von den europäischen verschiedene Spezies erkannt worden. 6 Siehe den vortrefflich ausgearbeiteten Abschnitt, Geschichte der Pflanzen, in Willdenows Grundr. der Kräuterkunde, 1802, S. 504.

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Ich darf wenigstens mit Zuversicht behaupten, daß in den vier Jahren, die ich in Südamerika in beiden Hemisphären herborisiert , ich nie ein einziges wildwachsendes , dem Neuen Kontinent vor seiner Ent­ deckung zugehöriges europäisches Gewächs beobachtet habe. Von vielen Pflanzen, zum Beispiel von Alsine media, Solanum nigrum, Sonchus oleraceus, Apium graveolens und Portulaca oleracea, darf man bloß behaupten, daß sie , wie die Völker der kaukasischen Rasse , über einen beträchtlichen Teil der nördlichen Erdstriche verbreitet sind. Ob sie auch in den südlicheren Ländern existieren, in welchen man sie bisher noch nicht entdeckt hat, ist eine nicht zu beantwortende Frage . Natur­ forscher sind bisher noch so wenig in das Innere des afrikanischen, süd­ amerikanischen und neuholländischen Kontinents eingedrungen; wir dürfen uns so wenig schmeicheln, die Flora dieser Länder vollständig zu kennen , während daß man in Europa täglich unbeschriebene kraut­ artige Gewächse , in dem vielbesuchten Pennsylvanien sogar unbe­ schriebene Bäume 7, entdeckt, daß es vorsichtiger ist, sich über diesen Punkt aller allgemeinen apodiktischen Aussprüche zu enthalten. Der Botaniker würde sonst leicht in den Fehler der Geognosten verfallen, von denen viele den ganzen Erdkörper nach dem Modelle der Hügel S konstruieren, welche ihnen zunächst liegen. Um über das große Problem von der Wanderung der Vegetabilien zu entscheiden , steigt die Geographie der Pflanzen in das Innere der Erde hinab , um dort die D enkmäler der Vorzeit zu befragen, wie ver­ steintes Holz, Gewächs-Abdrücke , Torflagen, Steinkohlen , Flöze und D ammerde 9, welche die Grabstätte der ersten Vegetation unse­ res Planeten * sind. Betroffen findet sie südindische Früchte , Palmen­ stämme , baumartige Farnkräuter, Pisangblätter und den B ambus der Tropenländer in den Erdschichten des kalten Nordens vergraben. Sie untersucht , ob diese Pflanzen heißer Klimate , wie Elephantenzähne , Tapir- , Krokodil- und Didelphis-Gerippe , die man neuerdings in Eu­ ropa entdeckt hat, zur Zeit allgemeiner Wasserbedeckungen durch die Gewalt der Meeresströme vom Ä quator her in die gemäßigten Zonen angeschwemmt worden sind , oder ob einst diese nördlichen Klimate 7 8

Den Öl-Nußbaum, Pyrolaria, Michaux. Der Brocken, der Montmartre, der vesuv, der Peak von Derbyshire, der Saleve und Hainberg. 9 Siehe Steffens geistvolle Abhandlung in Schellings Zeitschrift für spekulative Physik, Bd. 1, S. 160. * Hier Hinweise auf paläontologische Befunde als Beweise einer Wanderung der Pflanzen.

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selbst Pisanggebüsche und Elephanten , Krokodile und baumartiges Bambus-Schilf erzeugten . Die Ruhe , in der man jene indischen Produkte oft familienweise geschichtet entdeckt, scheint der ersteren Hypothese , astronomische Gründe scheinen der letzteren entgegenzustehen. Aber vielleicht sind große Veränderungen der Klimate möglich, ohne zu einer gewaltsamen Bewegung der Erdachse und zu Perturbationen seine Zuflucht zu neh­ men, welche der gegenwärtige Zustand der pyhsikalischen Astronomie wenig wahrscheinlich macht . Wenn alle geognostischen Phänomene bezeugen , daß die Rinde unse­ res Planeten noch späthin flüssig war; wenn man aus der Natur und aus der Lagerung der Gebirgsarten schließen darf, daß die Niederschläge und die Erhärtung der Felsmassen auf dem ganzen Erdboden nicht gleichzeitig erfolgt sind : so sieht man ein , wie bei dem Übergange der Materie aus dem flüssigen in den festen Zustand , wie bei dem Erstarren und dem Anschusse der Gebirge um gemeinschaftliche Kerne , eine ungeheure Masse von Wärmestoff frei geworden ist und wie diese lokale Entbindung, wenigstens auf eine Zeitlang, die Lufttemperatur ein­ zelner Gegenden, unabhängig vom Stande der Sonne , hat erhöhen können . Würde aber eine solche temporäre Erhöhung der Luftwärme von so langer Dauer gewesen sein , wie es die Natur der zu erklärenden Phänomene erheischt? Die Veränderungen, welche man seit Jahrhunderten in der Licht­ stärke mehrerer Gestirne beobachtet hat, begünstigen die Vermutung, daß dasjenige , welches das Zentrum unseres Systems ausmacht , ähn­ lichen Modifikationen von Zeit zu Zeit unterworfen ist. Sollte eine ver­ mehrte Intensität der Sonnenstrahlen einst Tropenwärme über die dem Nordpol nahen Länder verbreitet haben? Sind diese Veränderungen , welche die Tropen-Regionen veröden, und Lappland den Äquinoktial­ Pflanzen, den Elephanten und Krokodilen , bewohnbar machen wür­ den, periodisch oder sind sie Wirkungen vorübergehender Perturbatio­ nen unseres Planetar-Systems? Alle diese Untersuchungen knüpfen die Geographie der Pflanzen an die Geognosie an. Licht verbreitend über die Urgeschichte der Erde , bietet sie der Phantasie des Menschen ein weites und fast noch unbearbeitetes Feld dar. Die Pflanzen, welche den Tieren in Hinsicht auf Reizempfänglich­ keit der Organe und auf die Natur reizender Potenzen so nahe ver­ wandt sind , unterscheiden sich von den Tieren wesentlich durch die Epoche ihrer Wanderungen. Diese , wenig beweglich in der frühen Kindheit, verlassen ihre Heimat erst, wenn sie herangewachsen sind: jene , an den Boden gewurzelt nach ihrer Entwicklung, stellen ihre

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Reisen noch im Samenkorne , gleichsam im Ei , an, welches durch Federkronen , Luftbälge , Flügelansätze und elastische Ketten (Elater oder Catenula der Morchantien) zu Luft- und Wasser-Reisen geschickt ist. Herbstwinde , Meeresströme und Vögel begünstigen diese Wande­ rungen ; aber ihr Einfluß , so groß er auch ist, verschwindet gegen den , welchen der Mensch auf die Verbreitung der Gewächse auf dem Erdboden ausübt . Wenn der Nomade , sei es durch die nachziehende Menge an einen Meeresarm gedrängt, sei es durch andere unübersteigliche Natur­ Hindernisse gezwungen , endlich sein irrendes Leben aufgibt , so be­ ginnt er sogleich einige zur Nahrung und Kleidung nützliche Tiere und Pflanzen um sich zu versammeln. Dies sind die ersten Spuren des Ackerbaues . Langsam ist bei den nördlichen Völkern dieser Über­ gang aus dem Jägerleben zum Pflanzenbaue : früher ist die Ansied­ lung bei vielen B ewohnern der Tropenländer. In jener waldreichen Flußwelt , zwischen dem Orinoko und dem M aranon, hindert der üppige Pflanzenwuchs den Wilden, sich ausschließlich von der Jagd zu nähren. Die Tiefe und Schnelligkeit der Ströme , Überschwemmungen, Blutgier der Krokodile und Tigerschlangen (Boa) machen den Fisch­ fang oft ebenso fruchtlos wie beschwerlich . Die Natur zwingt hier den Menschen zum Pflanzenbau. Notgedrungen versammelt er einige Pisang­ stämme , Carica papaya , Jatropha und nährendes Arum um seine Hütte . Dieser Acker, wenn man so die Vereinigung weniger Gewächse nennen darf, ersetzt dem Indianer viele Monate lang , was Jagd, Fischfang und die wildwachsenden Fruchtbäume des Waldes ihm versagen . So modifi­ zieren Klima und Boden, mehr noch als Abstammung , die Lage und die Sitten des Wilden . Sie bestimmen den Unterschied zwischen den beduinischen Hirtenvölkern und den Pelasgern der altgriechischen Eichenwälder, zwischen diesen und den j agdliebenden Nomaden am Mississippi. Einige Pflanzen , welche der Gegenstand des Garten- und Acker­ baues sind , haben seit den fernsten Jahrhunderten das wandernde Menschengeschlecht von einem Erdstriche zu dem anderen begleitet. So folgte in Europa die Weinrebe den Griechen, das Korn den Römern , Baumwolle den Arabern . Im Neuen Kontinent haben die Tulteker [Tolteken] , aus unbekannten nordischen Ländern über den Gilastrom einbrechend , den Mais über Mexiko und die südlichen Gegenden ver­ breitet. Kartoffeln und Quinoa findet man überall wo die Gebirgs­ bewohner des alten Cundinamarca 10 durchgezogen sind . Die Wande10

Das Königreich Neu-Granada.

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rungen dieser eßbaren Pflanzen sind gewiß; aber ihr erstes und ursprüngliches Vaterland bleibt uns ein ebenso rätselhaftes Problem wie das Vaterland der verschiedenen Menschen-Rassen , die wir schon in den frühesten Epochen, zu welchen Völkersagen aufsteigen , fast über den ganzen Erdboden verbreitet finden. Südlich und östlich vom Kas­ pischen Meere , am Ufer des Oxus und in den Tälern von Kurdistan , des­ sen Berge mit ewigem Schnee bedeckt sind , findet man ganze Gebüsche von Zitronen- , Granat- , Birnen- und Kirschbäumen . Alle Obstarten , welche unsere Gärten zieren, scheinen dort wild z u wachsen. Ich sage scheinen ; denn ob dies ihr ursprüngliches Vaterland sei , oder ob sie dort einst gepflegt, nachmals verwildert sind , bleibt um so ungewisser, als uralt die Kultur des Menschengeschlechts , und daher auch der Garten­ bau, in diesen Gegenden ist . Doch lehrt die Geschichte wenigstens , daß jene fruchtbaren Gefilde zwischen dem Euphrat und Indus , zwischen dem Kaspischen See und dem Persischen Meerbusen, Europa die kostbarsten vegetabilischen Produkte geliefert haben . Persien hat uns den Nußbaum und die Pfir­ siche , Armenien (das heutige Haikia) die Aprikose , Klein-Asien den süßen Kirschbaum und die Kastanie , Syrien die Feige , die Granate , den Ö I- und Maulbeerbaum geschenkt. Zu Catos Zeiten kannten die Römer weder süße Kirschen noch Pfirsiche , noch Maulbeerbäume . Hesiod und Homer erwähnen schon den Ö lbaum , der in Griechenland und auf den Inseln des Ägäischen Meeres kultiviert wurde . Unter Tar­ quin dem Alten existierte kein Stamm desselben , weder in Italien , noch in Spanien, noch in Afrika. Unter dem Konsulat des Appius Claudius war das Ö l in Rom noch sehr teuer; aber zu Plinius Zeiten sehen wir den Ö lbaum schon nach Frankreich und Spanien verpflanzt . Die Weinrebe , welche wir jetzt kultivieren , scheint Europa fremd zu sein . Sie wächst wild an den Küsten des Kaspischen Meeres, in Arme­ nien und Karamanien . Von Asien wanderte sie nach Griechenland , von Griechenland nach Sizilien . Phokäer brachten den Weinstock nach dem südlichen Frankreich, Römer pflanzten ihn an die Ufer des Rheins und der Donau. Auch die Vitis-Arten, welche man wild in Neu-Mexiko und Kanada findet und welche dem zuerst von Normännern entdeckten Teile von Amerika den Namen Winland verschafften , sind von der jetzt über Pennsylvanien, Mexiko , Peru und Chile verbreiteten Vitis vinivera spezifisch verschieden . Ein Kirschbaum, mit reifen Früchten beladen, schmückte den Triumph des Lucullus . Die Bewohner Italiens sahen damals zuerst die­ ses asiatische Produkt , welches der Diktator nach seinem Siege über den Mithridates aus dem Pontus mitbrachte . Schon ein Jahrhundert spä-

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ter waren Kirschen gemein in Frankreich , in England und Deutsch­ land 1 1 . So verändert der Mensch nach Willkür die ursprüngliche Verteilung der Gewächse und versammelt um sich die Erzeugnisse der entlegen­ sten Klimate . In Ost- und West-Indien, in den Pflanzungen der Euro­ päer, bietet ein enger Raum den Kaffee aus Jemen, das Zuckerrohr aus China, den Indigo aus Afrika, und viele andere Gewächse dar, welche bei den Hemisphären zugehören: ein Anblick , der um so interessanter ist, als er in die Phantasie des Beobachters das Andenken an eine wunderbare Verkettung von Begebenheiten hervorruft , welche das Menschengeschlecht über Meer und Land, durch alle Teile der Erde getrieben haben. Wenn aber auch der rastlose Fleiß ackerbauender Völker eine Zahl nutzbarer Pflanzen ihrem vaterländischen Boden entrissen und sie gezwungen hat, alle Klimate und alle Berghöhen zu bewohnen , so ist durch diese lange Knechtschaft ihre ursprüngliche Gestalt doch nicht merklich verändert worden. Die Kartoffel, welche in Chile 3500 m (fast 11 000 Schuh) hoch über dem Meere kultiviert wird, trägt dieselbe Blüte wie die , welche man in die Ebenen von Sibirien verpflanzt hat. Die Gerste , welche die Pferde des Atriden nährte , war unbezweifelt die­ selbe , wie die , welche wir heute noch einernten. Alle Pflanzen und Tiere , welche gegenwärtig den Erdboden bewohnen, scheinen seit vielen Jahrtausenden ihre charakteristische Form nicht verändert zu haben. Der Ibis, welchen man unter Schlangen- und Insekten-Mumien in den ägyptischen Katakomben findet, und dessen Alter vielleicht selbst über das der Pyramiden hinausreicht , dieser Ibis ist identisch mit dem, welcher gegenwärtig an dem sumpfigen Ufer des Nils fischt 1 2 . Diese Übereinstimmungen , diese Beständigkeit der Form , beweisen, daß die kolossalischen Tiergerippe und die wunderbar gestalteten Pflan­ zen , welche das Innere der Erde einschließt, nicht einer Ausarbeitung jetzt vorhandener Spezies zuzuschreiben sind , sondern daß sie vielmehr einen Zustand unseres Planeten ahnen lassen, welcher von der jetzigen Anordnung der Dinge verschieden und zu alt ist , als daß die Sagen des vielleicht später entstandenen Menschengeschlechts bis zu ihm aufsteigen könnten . 11 Einige Botaniker behaupten, daß die kleine Varietät von Prunus avium in Deutschland wild sei. Von Pflaumen und Birnen haben die Römer nur die größe­ ren schöneren Abarten aus Syrien eingeführt. 1 2 Beide findet man in dem Museum der Naturgeschichte zu Paris nebeneinan­ der aufgestellt.

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Indem der Ackerbau die Herrschaft fremder eingewanderter Pflan­ zen über die einheimischen begründet , werden diese nach und nach auf einen engen Raum zusammengedrängt. So macht die Kultur den Anblick des europäischen Bodens einförmig, und diese Einförmigkeit ist den Wünschen des Landschaftsmalers , wie denen des im Freien forschenden Botanikers gleich entgegen . Zum Glück für beide ist aber dieses scheinbare Übel nur auf einen kleinen Teil der gemäßigten Zone eingeschränkt, in welchem Volksmenge und moralische Bildung der Menschen am meisten zugenommen haben . In der Tropenwelt ist menschliche Kraft zu schwach , um eine Vegetation zu besiegen, welche den Boden unserem Auge entzieht und nichts unbedeckt läßt, als den Ozean und die Flüsse . Die ursprüngliche Heimat derjenigen Gewächse , welche das Men­ schengeschlecht seit seiner frühesten Kindheit zu begleiten scheinen, ist in eben solches Dunkel vergraben wie das Vaterland der meisten Haus­ tiere . Wir wissen nicht, woher jene Grasarten kamen, auf deren mehlrei­ chen Samen hauptsächlich die Nahrung aller kaukasischen und mongo­ lischen Völker beruht. Wir kennen nicht die Heimat der Cerealien, des Weizens , der Gerste, des Hafers und des Roggens . Diese letztere Gras­ art scheint noch nicht einmal von den Römern kultiviert worden zu sein . Zwar suchen altgriechische Mythen den Ursprung des Weizens in den Fluren von Enna in Sizilien; zwar haben Reisende behauptet, die Gerste in Nordasien, am Ufer des Samara 13 , der in die Wolga fließt, den Spelz in Persien 14 bei Hamadan, und den Roggen in Kreta wildwachsend entdeckt zu haben: aber diese Tatsachen bedürfen einer genaueren Untersuchung; es ist so leicht , einheimische Pflanzen mit fremden zu verwechseln , die , der Pflege und Herrschaft des Menschen entflohen , verwildernd ihre alte Freiheit in den Wäldern wieder finden. Auch die Gewächse , auf welchen der Reichtum aller Bewohner der heißen Zone beruht, Pisang , Melonenbäume , Kokospalmen , Jatropha und Mais , hat man noch nirgends ursprünglich wildwachsend beobachtet . Frei­ lich habe ich mehrere Stämme der ersteren , fern von menschlichen Wohnungen, mitten in den Wäldern von Casiquiare und Tuamini ge­ sehen: vielleicht aber hat sie doch die Hand des Menschen dahin versetzt ; denn der Wilde dieser Regionen , düster, ernst und mißtraui­ schen Gemüts , wählt abgelegene Schluchten , um seine kleinen Pflan13

Im Asiatischen Kiptschak, im Lande Orenburg. Auf einem Berge, vier Tagereisen von Hamadan, fand Michaux wilden Spelz. Er vermutete, daß Triticum hybernum und Triticum testivum in Persien einst ebenfalls wildwachsend entdeckt werden würden. 14

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zungen anzulegen, Pflanzungen , die er, wechselliebend nach kindi­ scher Art , bald wieder verläßt und mit anderen umtauscht . Die ver­ wilderten Pisangstämme und die Melonenbäume 15 scheinen dann bald Erzeugnisse des Bodens , auf dem sie sich mit einheimischen Gewäch­ sen zusammengesellen . Ebensowenig habe ich je erfahren können, wo im Neuen Kontinent die Kartoffel wild wachse : diese wohltätige Pflanze , auf deren Kultur sich großenteils die Bevölkerung des unfruchtbaren nördlichen Europa gründet, hat man nirgends in unkultiviertem Zu­ stande gefunden, weder in Nordamerika, noch in der Andenkette von Neu-Granada, Quito , Peru, Chile und Chiquitos , ungeachtet die Spa­ nier mehreren Gebirgsebenen den täuschenden Namen Paramo de las Papas geben. Durch diese und ähnliche Untersuchungen verbreitet die Geographie der Pflanzen Licht über den Ursprung des Ackerbaues , dessen Objekte so verschieden sind wie die Abstammung der Völker, wie ihr Kunstfleiß und das Klima, unter welchem sie wohnen. In das Gebiet dieser Wis­ senschaft gehören Betrachtungen über den Einfluß einer mehr oder weniger reizenden Nahrung auf die Energie des Charakters, Betrach­ tungen über lange Seefahrten und Kriege , durch welche ferne Nationen vegetabilische Produkte sich zu verschaffen oder zu verbreiten suchen . So greifen die Pflanzen gleichsam in die moralische und politische Geschichte des Menschen ein : denn wenn Geschichte der Naturobjekte freilich nur als Naturbeschreibung gedacht werden kann, so nehmen dagegen, nach dem Ausspruche eines tiefsinnigen Denkers 1 6 , selbst Naturveränderungen einen echt historischen Charakter an , wenn sie Einfluß auf menschliche Begebenheiten haben . Alle diese Verhältnisse sind unstreitig für sich schon hinlänglich, um den weiten Umfang der Disziplin zu schildern , welche wir mit dem nicht ganz passenden Namen einer Pflanzen-Geographie belegen. Aber der Mensch, der Gefühl für die Schönheit der Natur hat , freut sich , darin zugleich auch die Lösung mancher moralischen und ästhetischen Pro­ bleme zu finden . Welchen Einfluß hat die Verteilung der Pflanzen auf dem Erdboden und der Anblick derselben auf die Phantasie und den Kunstsinn der Völker gehabt? Worin besteht der Charakter der Vege­ tation dieses oder jenes Landes? Wodurch wird der Eindruck heiterer oder ernster Stimmung modifiziert , welche die Pflanzenwelt in dem Beobachter erregt? Diese Untersuchungen sind um so interessanter, als 1 5 Ich meine Carica papaya; denn Carica posoposa glaube ich oft ursprünglich wild gesehen zu haben. 1 6 Schellings System des Transzendentalen Idealismus, S. 413.

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sie unmittelbar mit den geheimnisvollen Mitteln zusammenhängen, durch welche Landschaftsmalerei und zum Teil selbst beschreibende Dichtkunst ihre Wirkung hervorbringen . Die Natur i m Großen betrachtet , der Anblick von Fluren und Wal­ dung, gewährt einen Genuß, welcher wesentlich von dem verschieden ist , welchen die Zergliederung eines organischen Körpers und das Studium seiner bewundernswürdigsten Struktur erzeugt. Hier reizt das Einzelne die Wißbegierde , dort wirken Massen auf die Phantasie . Wie andere Gefühle erweckt das frische Grün der Wiesen und der dunkle Schatten der Tannen? Wie andere die Wälder der gemäßigten Zone und die der Tropenländer, in welchen die schlanken Stämme der Palmen hoch über dem dickbelaubten Gipfel der Hymenäen gleichsam einen Säulengang bilden? Ist die Verschiedenheit dieser Gefühle in der Natur und Größe der Massen, in der absoluten Schönheit oder in dem Kontra­ ste und der Gruppierung der Pftanzenformen gegründet? Worin liegt der malerische Vorzug der Tropenvegetation ? Welche physiognomi­ schen Unterschiede beobachtet man zwischen den afrikanischen Ge­ wächsen und denen von Südamerika, zwischen den Alpenpftanzen der Andenkette und denen der Pyrenäen oder der Gebirge von Habesch [Abessinien] ? Unter der fast zahllosen Menge von Vegetabilien, welche die Erde bedecken, erkennt man bei aufmerksamer Beobachtung einige wenige Grundgestalten, auf welche man wahrscheinlich alle übrigen zurück­ führen kann und welche ebenso viele Familien oder Gruppen bilden . Ich begnüge mich , hier siebzehn derselben zu nennen, deren Studium dem Landschaftsmaler besonders wichtig sein muß . 1. Bananenform: Pisanggewächse , Musa, Heliconia, Strelitzia. Ein fleischiger, hoher, krautartiger Stamm , aus zarten silberweißen , oft schwarzgeftammten Lamellen gebildet . Breite , zarte , seidenartig glän­ zende , quergestreifte , fast lilienartige Blätter, von denen die jüngeren, gelblichgrün und eingerollt, senkrecht emporwachsen , indem die älteren, vom Winde zerrissen, mit der Spitze , wie die Krone der Palmen, abwärts gebeugt sind . Goldgelbe längliche Früchte , trauben artig zusam­ mengehäuft. 2. Palmenform: Ein hoher, ungeteilter, geringelter und gegen die Mitte oft bauchiger und stacheliger Schaft, auf dem sich eine Krone von gefiederten oder fächerartigen Blättern majestätisch erhebt. Am Ende des Stammes meist zweiklappige Blumenscheiden, aus welchen die Rispe ausbricht. 3 . Form der baumartigen Farnkräuter: Den Palmen ähnlich , aber der Schaft minder hoch und schlank , schwarzrissig, mit zarten und schief-

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gestreiften, hellgrünen, am Rande zierlich gekerbten, fast kohlartigen Blättern. Keine Blumenscheiden . 4 . Aloe-Form: Agave , Aloe , Yucca, einige Euphorbien , Pourretia. Steife , oft bläulichgrüne , glatte stechend spitzige Blätter. Hohe Blüten . Stenge I , die aus der Mitte entspringen und sich bisweilen kandelaber­ artig teilen. Einige Arten erheben eine strahlige Krone auf nackten , geringelten , oft schlangenartig gewundenen Stämmen. 5. Pothosform: Arum, Pothos , Dracontium. Glänzende , große , oft spieß- und pfeilförmige , durchlöcherte Blätter. Lange , hellgrüne , saftige , meist rankende Stengel. Dicke , längliche Blumen . Kolben, aus weißlichen Scheiden ausbrechend . 6. Form der Nadelhölzer: Alle Folia acerosa, Pinus, Taxus, Cupressus, einige Proteen, selbst Banksien, Erika-Arten und die (durch angeerbte Monstrosität? ) ungefiederten neu-holländischen [ = australischen] Mimosen grenzen an die Pinusform . Die Krone , bald pyramidal , wie Lärchenbäume und Zypressen , bald schirm- , fast palmartig sich ausbrei­ tend , wie Pinus pinea. 7. Form der Orchideen: Epidendrum, Serapias , Orchis . Einfache , fleischige , hellgrüne Blätter, mit buntfarbigen, wunderbar gestalteten Blüten, oft parasitisch; die größte Zierde der Tropenvegetation . 8 . Mimosenform: Mimosa, Gleditschia, Tamarindus , Porlieria. Alle fein gefiederte Blätter, zwischen welchen die Bläue des Himmels an­ genehm durchschimmert . Weitschattige Kronen, oft schirmartig gedrückt. 9 . Malvenform: Sterculia, Hibiscus , Ochroma, Cavanillesia (Flor. Per. ) . Dickstämmige Bäume mit großen, weichen, meist lappigen Blät­ tern (foliis lobatis) und prachtvollen Säulenblumen (Columnifene des Linne) . 10. Rebenform: Lianen, Vitis , Paullinia, Clematis, Mutisia. Rankende Gewächse mit rissigen holzigen Stämmen und vielfach zusammenge­ setzten Blättern . Die Blüten meist in Doldentrauben und Rispen . 11. Lilienform: Pancratium, Fritillaria, Iris. Stammlose Gewächse mit langen , einfachen , hellgrünen , zartgestreiften , oft schwertförmigen und zweizeiligen, aufrecht stehenden Blättern , und mit zarten, prachtvollen Blüten, bald in Scheiden (Spathecere des Linne) , bald ohne Scheiden (Coronarire des Linne) . 12. Kaktusform: Die Cerei . Vielkantige , fleischige , blattlose , oft ge­ stachelte, säulenförmig ansteigende , teils kronleuchterartig geteilte Gewächse , mit schöngefärbten aus der fast unbelebt scheinenden Masse ausbrechenden Blumen. 13. Casuarinenform: Casuarina, Equisetum. Blattlose Gewächse ,

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vom einfachsten äußeren Bau, mit weichen , dünnen , gegliederten , in der Länge gestreiften Stengeln . 14. Gras- und Schilf-Form. 15 . Form der Laubmoose . 16. Form der Blätterflechten . 17. Form der Hutschwämme * . Diese physiognomischen Abteilungen weichen oft von denen ab , welche die Botaniker in ihren sogenannten natürlichen Systemen auf­ stellen . Bei jenen kommt es allein auf große Umrisse , auf das an , was den Charakter der Vegetation und folglich den Eindruck bestimmt, den der Anblick der Gewächse und ihre Gruppierung auf das Gemüt des Beobachters macht. Die eigentlich botanischen Klassifikationen grün­ den sich dagegen auf die kleinsten , dem gemeinen Sinne gar nicht auf­ fallenden, aber beständigsten und wichtigsten Teil der Befruchtung. Es wäre gewiß ein treffliches , eines gebildeten Künstlers würdiges Unter­ nehmen , die Physiognomien jener Pflanzengruppen , für deren Be­ schreibung es selbst den reichsten Sprachen an Ausdrücken fehlt , nicht in Büchern oder Treibhäusern , sondern in der Natur selbst, in ihrem Vaterlande zu studieren und sie treu und lebendig darzustellen . Hohe Palmen , welche die mächtigen , federartig gekräuselten Blätter über ein Gebüsch von Heliconien und Pisanggewächsen schwingen , dornige , schlangenartig aufgerichtete Kaktusstämme , mitten unter blühenden Liliengewächsen , ein baumartiges Farnkraut von mexikanischen Eichen umgeben : welche malerischen Gegenstände für den Pinsel eines gefühlvollen Künstlers ! Auf der Schönheit der einzelnen Formen , auf dem Einklange oder dem Kontrast, welcher aus ihrer natürlichen Gruppierung entsteht , auf der Größe der organischen Massen und der Intensität des Grünes be­ ruht der Vegetationscharakter einer Zone . Viele Gestalten , und gerade die schönsten , die der Palmen, der Bananengewächse und der baum­ artigen Farnkräuter und Gräser, fehlen gänzlich den nördlicheren Erd­ strichen . Andere , zum Beispiel die der gefiederten Blätter, sind darin sehr selten und minder zart . Die Zahl der baumartigen Pflanzen ist darin geringer, ihre Krone minder hoch und belaubt, seltener mit großen prachtvollen Blüten geziert als in den Tropenländern . In diesen allein hat die gestaltende Natur sich ergötzt, alle Pflanzenformen zu verei­ nigen . Selbst die der Nadelhölzer, welche auf den ersten Anblick zu feh­ len scheinen , finden sich nicht bloß auf dem hohen Rücken der Anden, * Hierzu den Kommentar zu den >Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse< in Band V (>Ansichten der NaturPlantes equinoxiales< beschreiben werden. Unter den strauchartigen Gewächsen sind die Molinen die , welche wir am Vulkan von Purace bei Popayan und am Antisana die größte Höhe erreichen gesehen . Die Alpen-Kräuter werden zwischen 4100 und 4600 m (2103 und 2358 Toisen) durch die Region der Gräser 43 verdrängt. Jarava, Stipa, viele neue Arten von Panicum , Avena , Agrostis und Dactylis bedecken gesellig den Boden , und diese Grasflur leuchtet von ferne wie ein hoch­ gelber Teppich , den man im Lande mit dem Wort Pajonal bezeichnet. Der Schnee ruht oft wochenlang auf dieser Höhe , und die Kamelschafe (Llamas) steigen dann, vom Hunger getrieben, zur Region der Alpen­ kräuter herab. In 4600 m (2358 Toisen) Höhe findet man unter dem Äquator kein phanerogamisches Gewächs mehr. Von dieser Grenze an , bis zu der des ewigen Schnees , beleben sparsam kryptogamische Pflanzen die verwit­ ternde Rinde des nackten Gesteins . Einige scheinen sich selbst unter dem ewigen Eis zu verstecken: denn gegen den Gipfel des Chimborazo hin , 5554 m (2850 Toisen) über der Meeresfläche , habe ich auf einer vor­ stehenden scharfkantigen Felsklippe (Grate) noch zwei Flechten , Um­ bilicaria pustulata und Verrucaria geographica, vegetierend gefunden . So ist Leben in allen Räumen der Schöpfung verbreitet. Aber diese ein­ samen Pflanzen waren auch die letzten organischen Wesen , welche wir in diesen beeisten Höhen an dem Boden geheftet gefunden haben. 4 2 Ich habe den Frailejon um die Kapelle de Nuestra Sefiora dei Egypto gefun­ den. Dies ist eine merkwürdige Ausnahme: denn seine untere Grenze ist, nahe am Ä quator, 3900 Meter (2000 Toisen) über dem Meer. 43 La Condamine, Voyage 11 l'Equateur, p. 48.

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Bis hierher ist die Verteilung der Pflanzen geschildert worden , welche das Naturgemälde der Tropenländer * darbietet . Ehe wir zu den Erschei­ nungen des Luftkreises oder zu denen der tierischen Schöpfung über­ gehen, wollen wir einen vergleichenden Blick auf die Vegetation unseres nördlichen Weltteils werfen. Wie sehr wäre es zu wünschen, daß man diese Vegetation in einer ähnlichen Skizze darstellte , wie ich über die der Tropen-Region zu liefern gewagt habe ! Wie viele Materialien hat der nie ermüdende Fleiß der Botaniker nicht bereits dazu gesammelt ! Wie viel ist nicht in den klassischen Schriften eines Jacquin, Schreber, Pallas , Wulfen, Willdenow, Ehrhart , Weber, Link, Host * * und vieler anderen vorbereitet ! Die berühmten Naturforscher [Botaniker] , welche die Schweizer-Alpen, die Gebirge von Tirol, Salzburg und Steiermark durchstrichen haben, könnten, wenn sie Höhenmessungen mit ihren botanischen Beobachtungen genugsam verbunden hätten , genauere Pflanzenkarten entwerfen, als man je über die unzugänglichere und minder bereiste Andenkette hoffen darf. Vielleicht aber ist niemand im Stande , die Geographie europäischer Alpenpflanzen fruchtbarer zu bearbeiten als Herr Ramond *** , der so viele Jahre lang die höchsten Gipfel der Pyrenäen erstiegen und geognostische , botanische und mathematische Kenntnisse mit dem reinsten Sinn für philosophische Naturbeobachtung verbindet . Ich habe oben die Gründe entwickelt , aus denen unter dem 45 . Brei­ tengrad die Phänomene der Pflanzen[geographie ]verteilung weder so konstant noch so mannigfaltig sein können wie unter dem Äquator. Der Ä tna, die Gebirge von Heikia (Armenien) und der Pic von Teneriffa beweisen hinlänglich, daß, je weiter man gegen Süden vordringt, desto schneidender sich die Pflanzenformen in verschiedenen Bergzonen von­ einander absondern. Doch ist auch in unserm nördlichen Teil des ge­ mäßigten Himmelsstriches diese Absonderung schon auffallend genug, um sie in einem eigenen Bild darzustellen. Man könnte in der Mitte des­ selben die Höhe von 4775 m (2450 Toisen) andeuten , zu der die große europäische Gebirgskette sich im Montblanc erhebt . Der Abfall dieser Kette müßte auf einer Seite sanfter gegen das Nordmeer, auf der anderen * Hier gibt Humboldt erstmals im Text die volle deutsche Übersetzung des französischen Ausdrucks « le tableau physique des regions equatoriales » . ** Im französischen Text findet sich die folgende Namenreihe : "Pallas , Ja­ quin, Wulfen, Laperouse , Schrank , Villars, Host" (Essai sur la geographie des plantes" , S. 71) . * * * Ein durchaus berechtigtes Loblied auf Baron Louis-Fran�ois-Elisabeth Ramond de Corbonnieres (1755 -1827) .

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

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südlichen Seite, gegen das Mittelländische Meer hin, steiler abgebildet werden. Hier erinnern Chamrerops , Dattelpalmen , und viele Pflanzen des Atlas , daß ein wahrscheinlich ehemals trockenes , seit der samothra­ kischen Flut mit Meerwasser gefülltes Kalksteintal Europa von Nord­ Afrika getrennt hat . Der ewige Schnee würde in diesem Naturgemälde der gemäßigten Zone bis 2600 m (1332 Toisen) über der Meeresfläche , also bis auf eine Grenze herabsteigen , in der unter dem Ä quator noch die Wachspalme , die Fieberrinde und andere hohe Bäume in voller Vegetationskraft stehen. Die Zone , welche in Europa zwischen den Küstenländern und der Schneegrenze enthalten ist , hat demnach kaum die Hälfte der Breite als die ihr ähnliche unter den Tropen, während die Schneehaube , welche die höchsten Gebirge Europas (den Montblanc und Mont-Rosa) bedeckt, 600 m (307 Toisen) breiter als die ist, welche den Gipfel des Chimborazo einhüllt . Auf den nackten und steilen Fel­ sen , welche zwischen dem ewigen Schnee hervorragen, höher als 3100 m (1590 Toisen) über der Meeresfläche , wachsen in den Bergen , welche den Montblanc umgeben , Androsace chamrejasma, Jacq . ; Silene acaulis, die Saussure 3468 m (1780 Toisen) hoch gefunden, die aber auch bis 1500 m (769 Toisen) in die Ebene herabsteigt; Saxifraga androsacea, Cordamine alpina , Arabis caerulea, Jacq . , und Draba hirta, Villars, (Draba stellata, Willd. ) . Bis zu diesen beeisten Höhen wandern auch allmählich aufwärts von der Ebene aus Myosotis perennis und Andro­ sace carnea, deren Stengel immer niedriger und niedriger wird. Die letztere ist endlich einblumig und nimmt den ganzen Gebirgsabfall zwi­ schen 1000 und 3100 m (513 und 1590 Toisen) ein . In den Pyrenäen sind, in 2400 bis 3400 m (1230 und 1744 Toisen) Höhe , die Klippen mit Cerastium lanatum, Lamarck , Saxifraga grrenlandica, Aretia alpina und Artemisia rupestris bedeckt . Das Cerastium lanatum findet man nicht einmal unterhalb 2600 m (1332 Toisen) . Zwischen 2500 und 3100 m (1281 und 1590 Toisen) Höhe bilden auf dem Steingeröll, das den ewigen Schnee der Schweizer-Alpen begrenzt, inseiförmige Gruppen Saxifraga biflora (Allionii) , Saxifraga oppositifo­ lia, Achillea nana, Achillea atrata, Artemisia glacialis, Gentiana nivalis , Ranunculus alpestris, Ranunculus glacialis und Juncus trifidus . Etwas tiefer, zwischen 3000 und 1500 m (1539 und 769 Toisen) , beobachtet man auf den Pyrenäen Potentilla lupinoides, Willd . , Silene acaulis, Sibbaldia procumbens, Carex curvula und Carex nigra, Allion. , Semper­ vivum montanum und Sempervivum arachnoideum, Arnica scorpioi­ des , Androsace villosa und Androsace carnea. In den Schweizer-Alpen, zwischen 2300 und 2700 m (1179 und 1383 Toisen) , da wo der ewige Schnee der hohen Gletscher nicht an nacktes Gestein, sondern an frucht-

Das Grundwerk

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bare Dammerde grenzt , in Wiesen vom Schneewasser getränkt , blühen Agrostis alpina , Saxifraga aspera, Saxifraga bryoides, Soldanella alpina, Viola biflora , Primula farinosa , Primula viscosa, Alchemilla penta­ phylla, Salix reticulata, Salix retusa und Salix herbacea, welche höher als irgendein anderes Strauchgewächs an den Bergen hinansteigt. Selbst Tussilago farfara und Scatice armeria verirren sich von der Ebene bis zu 2600 m (1332 Toisen) Höhe . In gleich luftdünnen Regionen wachsen in den Pyrenäen Scutellaria alpina, Senecio persicifolius , Ranunculus alpestris , Ranunculus parnassifolius , Galium pyrenaicum und Aretia vitaliana. Unterhalb der Grenze des ewigen Schnees , zwischen 1500 und 2500 m (769 und 1281 Toisen) , findet man in der Alpenkette Eriophorum Scheuchzeri , Eriophorum alpinum , Gentiana purpurea, Gentiana gran­ diflora, Saxifraga stellaris , Azalea procumbens , Tussilago alpina * , Veronica alpina, Poa alpina, Pinus cembra und Pinus larix ; am nördlichen Abhange der Pyrenäen Passerina geminiflora, Passerina nivalis , Meren­ dera bulbocodium 44, Crocus multifidus , Fritillaria meleagris und Anthemis montana . Etwas tiefer zeigen sich , um den Montperdu und in anderen spanischen Grenzgebirgen, Genista lusitanica, Ranunculus Gouani , Narcissus bicolor, Rubus saxatilis und eine Menge schöner Gentianen . Die Alpenrose, Rhododendrum ferrugineum 45 , liebt in Savoyen und in der Schweiz eine Höhe von 1500 bis 2500 m (769 und 1281 Toisen) . Doch hat Herr Candolle , dem ich größtenteils vorste­ hende Beobachtungen über die Höhe schweizerischer Alpenpflanzen verdanke , sie in der Jurakette in der tiefen Schlucht des Creux-du-vent , also kaum in 970 m (497 Toisen) Höhe gefunden . In den Bayerischen und Tiroler Alpen beginnt die Alpenrose zwischen 800 und 1000 m oder zwischen 410 und 513 Toisen. Nach Graf Sternbergs Beobachtung nähert sich Rhododendrum chamcecistus weniger der Ebene als Rhododendrum ferrugineum und Rhododendrum hirsutum. Die beiden letzteren wach­ sen übrigens sowohl auf uranfänglichem als auf Fläzkalkstein, in den Sette communi und dem Berg Sumano, der 1277 m (656 Toisen) hoch ist. Die rankende Linnea borealis , welche bei Berlin, in Schweden , in Pennsylvanien und an der Nordwestküste von Nord-Amerika, im Nootka-Sund , in gleicher Höhe mit der Meeresfläche wächst , erscheint in den Schweizer-Alpen erst auf Gebirgsabhängen , die 500 bis 700 m Desfontaines hat diese Pflanze auch am Atlas gefunden . Ramond, Memoire sur la vegetation des montagnes, in: Annales du Musee d'hist. natur. , vol. 4, p. 396. 44 4S

* Die folgenden vier Arten werden im französischen Text noch nicht genannt.

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen ( 1807)

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(162 bis 227 Toisen) über dem Ozean erhaben sind. Man hat diesen birkenähnlichen Strauch im Wallis , am Ufer des Bergstroms der Tete­ Noire , und bei Genf (nach Saussure) am Voirons entdeckt. Gouan be­ hauptet, daß sie auch in Frankreich bei Espinouse , in der Gegend von Montpellier, vorkomme . Unter dem Äquator haben diejenigen Bäume , welche man auf einer Höhe von 3500 m ( 1795 Toisen) beobachtet, kaum 5 bis 6 m (15 Fuß) hohe Stämme . Nur im Königreich Neu-Spanien findet man die merk­ würdige Ausnahme , daß unter 20° nördlicher Breite eine Tannenart, welche dem Pinus strobus nahe verwandt ist , bis 3900 m (2000 Toisen) , ja daß mehrere Eichenarten bis 3500 m (1590 Toisen) Höhe an den Ge­ birgsabhang hinaufsteigen . Wer mit diesem sonderbaren Phänomen der Pflanzen-Geographie , mit diesem Lokaleinfluß des mexikanischen Kli­ mas unbekannt ist , hält es für unmöglich, daß (unter den Tropen) Berge , die er mit hohen Tannen bis an die Spitze bewachsen sieht , doch den Ätna und selbst den Pic von Teneriffa an Höhe übertreffen . Herr Ramond beobachtet, daß in den Pyrenäen die zu den be eisten Gipfeln am höchsten ansteigenden Bäume die gemeine Kiefer (Pinus sylvestris) und Pinus mugho sind. Beide nehmen eine Zone zwischen 2000 und 2400 m ( 1026 und 1230 Toisen) ein . Abies taxifolia und Taxus communis erscheinen in den Pyrenäen erst 1400 m (718 Toisen) hoch über dem Meer. Sie erheben sich bis zu Gebirgen von 2000 m ( 1026 Toisen) Höhe . Die Buche (Fagus sylvatica) wächst zwischen 600 und 1800 m (307 und 923 Toisen) . Aber unsere Steineiche (Quercus robur) , welche die Ebene am Fuße der Pyrenäen bedeckt, erhebt sich kaum bis zu 1600 m (821 Toi­ sen) . Sie wandert demnach 400 m (205 Toisen) weniger hoch als der Taxus , 800 m (410 Toisen) weniger hoch als die Mugho-Tanne . So hat, selbst an großen europäischen Gebirgen, jede Baumart ihre bestimmte Zone. Herr Ramond hat mir sehr interessante Beobachtungen über die größte und geringste Höhe mitgeteilt , in welcher sich Pflanzen einer Gattung finden. Ich glaube den Physikern einen angenehmen Dienst dadurch zu leisten, daß ich einige dieser Messungen, welche mit vortreff­ lichen Werkzeugen angestellt sind, hier einschalte. Ich wähle die Gattun­ gen Gentiana , Daphne , Primula, Ranunculus , Saxifraga und Erica zur Probe aus. Am Abhange der Pyrenäen ist beobachtet worden: Unter den Saxifragen der Tiroler-Alpen bemerkt man diese Regel­ mäßigkeit in der Höhe ihres Standorts. Der Graf von Sternberg * , wel* Im folgenden hat Humboldt das wörtliche Zitat eines größeren Sternberg­ sehen Berichtes gekürzt , beziehungsweise zusammengezogen (Essai sur la

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Das Grundwerk Meter

Gentiana pneumonanthe verna acaulis campestris ciliata lutea punctata, Villars. Daphne laureola mezereum cneorum Primula 46 elatior integrifolia villosa Ranunculus aquatilis Gouani thora pyremeus alpestris amplexicaulis nivalis parnassifolius glacialis Saxifraga tridactylides geum longifolia aizoon pyramidalis exarata cespitosa

zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen

O u . 800 600- 3000 1000 -3000 1000-2400 1200- 1800 1200- 1600 1600- 2000

Toisen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen

O u. 410 307 - 1539 513- 1539 513- 1230 615- 925 615- 823 821 - 1026

zwischen 300 -2000 zwischen 1000 -2000 zwischen 2000 -2400

oder zwischen 153 - 1026 oder zwischen 5 1 3 - 1026 oder zwischen 1026 - 1230

zwischen 0-2200 zwischen 1500-2000 zwischen 1800-2400

oder zwischen 0 - 1 128 oder zwischen 769 - 1026 oder zwischen 923 - 1230

zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen

0-2100 500-2000 1400 -2000 1500-2400 1800-2600 1800-2400 2000-2800 2400 -2800 2400 -3200

oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen

0- 1077 256- 1026 717- 1026 769 - 1230 923 - 1332 923 - 1230 1026 - 1437 1230- 1437 1230- 1642

zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen

0- 100 400 - 1600 800-2400 800-2400 1200-2000 1400 - 1800 1600 -3000

oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen

0- 5 1 205 - 821 410- 1230 410- 1230 615 - 1026 718- 923 821 - 1539

46 Ein scharfsinniger und unermüdeter Naturforscher, Graf Sternberg, bemerkt, daß Primula marginata, Primula viscosa und Primula farinosa in den Tiroler Alpen fast nie unter 800 Meter (410 Toisen) Höhe gefunden werden. Nur die letztere (eine sonderbare Ausnahme!) wächst bei Regensburg auf niedrigen Hügeln. geographie des plantes, S. 77 f. ) - Kaspar Maria Graf v. Sternberg ( 1761-1831) war Korrespondent Goethes, Botaniker, Paläobotaniker und Geologe .

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Ideen zu einer Geographie der Pflanzen ( 1807) Meter oppositifolia umbrosa granulata grrenlandica androsacea Erica vagans vulgaris tetralix arborea

zwischen zwischen zwischen zwischen zwischen

1600- 3400 1400- 1800 1200 - 1600 2400 -3400 2400-3400

zwischen 0 u. 900 zwischen 0- 2000 zwischen 500-2400 zwischen 550- 700

Toisen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen oder zwischen

821 - 1744 718- 923 615 - 821 1230 - 1744 1230 - 1744

oder zwischen 0 u. 461 oder zwischen 0- 1026 oder zwischen 256- 1230 oder zwischen 281 - 359

cher diese Gebirge untersucht , und von dem wir bald eine [geologische] interessante B eschreibung des Monte-Baldo zu erwarten haben, be­ merkt, daß Saxifraga cotyledon und Saxifraga aizoon schon im roman­ tischen Eisacktal, zwischen Brixen und Bozen, etwa 350 m (178 Toisen) über der Meeresfiäche beginnen. Man kann ihnen folgen bis auf den Gipfel der Grappa bei Bassano, in 1684 m (865 Toisen) Höhe. Sie neh­ men demnach eine breitere Zone als in den Pyrenäen ein. Saxifraga cae­ sia, Saxifraga aspera, und Saxifraga androsacea zeigen sich erst in einer mittleren Höhe von 700 m (359 Toisen) in den Bayerischen und Tiroler Alpen. Zunächst auf sie folgen, gegen den Gipfel der Gebirge zu, Saxi­ fraga autumnalis , Saxifraga muscosa, Saxifraga moschata und Saxifraga petnea. Die zuhöchst wachsenden Saxifragen sind , nach eben diesem Beobachter, Saxifraga burseriana und Saxifraga bryoides . Beide bedek­ ken selbst die öde Kuppe des lombardischen Monte-Baldo , in 2226 m (1143 Toisen) Höhe . Aber um die Pflanzen-Geographie vollständig zu bearbeiten, müßte man nicht bloß Naturgemälde für die Polarländer, für die gemäßigte Zone zwischen dem 40. und 50. Grad der Breite und für die Äquatorial­ Regionen entwerfen; man müßte auch einzelne botanische Karten für die nördliche und südliche Hemisphäre und für den Alten und Neuen Kontinent liefern . Die Pflanzen von Chiloe und Buenos-Aires sind spezifisch von den griechischen und spanischen verschieden . Die Tro­ penländer von Afrika und die gemäßigten Himmelsstriche von Asien besitzen eine Vegetation, welche mit der süd- und nord-amerikanischen nur wenige Gewächse gemein hat. Madagaskar, dessen hohe Granit­ berge Commerson * für Schnee berge erklärt und an dessen Küsten noch *

Philibert Commerson (1727-1773) war Teilnehmer der Weltumsegelung

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Das Grundwerk

neuerlichst Herr du Petit-Thouars* herbarisiert hat , der Adamsberg auf Selan ( Ceylon ) und der Ophyr auf Sumatra , der, nach Marsdens Beobachtung, eine Höhe von 3946 m (2027 Toisen ) übersteigt, könnten dem messenden Botaniker wichtige Materialien über die Pflanzenver­ teilung in den Gebirgszonen des Alten Kontinents liefern . Herr Barton in Philadelphia, der mit rastlosem Eifer Zoologie, Botanik und indianisches Sprachstudium umfaßt, beschäftigt sich mit der Geographie der Gewächse in dem gemäßigten Erdstrich des Neuen Kontinents . Er hat im lahre 1800 der philosophischen Sozietät von Penn­ sylvanien eine Abhandlung über diesen Gegenstand vorgelesen, welche noch ungedruckt, aber voll der wichtigsten Untersuchungen ist. Er be­ merkt darin, daß die Zahl ursprünglich wildwachsender, Nord-Amerika und Nord-Europa gemeinschaftlich zugehörender Pflanzen weit geringer ist, als man gewöhnlich glaubt. Nicht einmal Sonchus oleraceus ist ein­ heimisch in dem ersteren Weltteil. Mitchella repens ist , nach Barton, die Pflanze , welche in den nordamerikanischen Freistaaten den größen Raum einnimmt . Er findet sie von 28° bis 69° nördlicher Breite . Auch Arbutus uva ursi erstreckt sich von New-Jersey an bis 72°, wo Hearne sie beobachtet hat. Dagegen sind auf den engsten Raum eingeschränkt Gordonia Francklinii und die wundervoll reizbare Dionaea muscipula. Die Mündung des Ohio in den Mississippi und die Ufer des letzteren be­ decken prachtvolle Pyramidal-Pappeln , Populus deltoides, Marshai, und Salix nigra. Der Astronom, Herr Ellicot47 * *, bemerkt, daß die letz­ tere südlicher als 3r Breite sehr selten wird. Dagegen beginnen dort am unteren Mississippi die mit Tillandsia usneoides bedeckte Cupressus disticha, Laurus borbonia, Acer negundo, Magnolia grandiflora, luglans Pacan oder illinoinensis (der schöne luglans mit haselnußartigen Früchten, luglans rubra, Gärtner) und Miegia macrosperma, Persoon (Arundo gigantea, Barton), ein 36 bis 42 Fuß hohes Schilf, das zwischen 300 40' und 32° 2' nördlicher Breite ein dichtes undurchdringliches Gebüsch bildet. Sehr, sehr wichtig für die Pflanzen-Geographie ist die 47

Travels to the Mississippy, p. 286.

Louis-Antoine de Bougainvilles 1766-1769 ; er war 1768 auf der Ile de France (Mauritius) zurückgeblieben . In den folgenden Jahren besuchte er Mauritius , Madagaskar und Bourbon (Reunion) ; Dietmar Henze : Enzyklopädie der Ent­ decker und Erforscher der Erde , Bd. I, S. 632 f. * Louis-Marie-Aubert du Petit-Thouars (1758-1820) reiste 1792 -1804 nach Ile de France (Mauritius) , Madagaskar und Bourbon (Reunion) . ** Andrew Ellicot (ca . 1733 -1820) , Prof. an der Militärakademie in West­ Point.

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

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Bemerkung des Herrn Barton, daß dieselben Spezies westlich von der Gebirgskette der Allegheny weiter gegen Norden wandern als in den öst­ lichen atlantischen Ländern, das heißt, als in dem schmalen Strich, welcher zwischen dem östlichen Ozean und dem Gebirge enthalten ist.

Östlich von den Allegheny-Mountains Aesculus flava Juglans nigra Aristolochia sypho Nelumbium luteum Gleditsia triacanthos Gleditsia monosperma Glycine frutescens

Westlich von den Allegheny-Mountains

reicht bis 36° nördl . Breite reicht bis 42° nördl. Breite reicht bis 41° nördl. Breite reicht bis 44° nördl . Breite reicht bis 38° nördl. Breite reicht bis 41 ° nördl. Breite reicht bis 40° nördl. Breite reicht bis 44° nördl. Breite reicht bis 38° nördl. Breite reicht bis 41 ° nördl. Breite reicht bis 36° nördl. Breite reicht bis 39° nördl . Breite reicht bis 36° nördl. Breite reicht bis 40° nördl . Breite

Überall ist der westliche Erdstrich milder als der östliche Teil der nord­ amerikanischen Freistaaten. Baumwolle wird mit Vorteil in Tennessee gebaut und erträgt nicht das Klima gleicher Breite in Nord-Carolina. Die östliche Küste der Hudsonbay ist öde und pflanzenleer, während die west­ liche mit Vegetabilien geschmückt ist. Selbst in der Verteilung der Tiere be­ merkt Herr Barton ähnliche Verhältnisse. Die Klapperschlange (Crotalus horridus) findet sich östlich von den Alleghany-Bergen nur bis 44°, aber westlich von denselben bis 47' nördlicher Breite. Fehlt es den nord-ameri­ kanischen Freistaaten an Gebirgen, die sich mehr als 2000 m über die Meeresfläche erheben (denn die nicht in ewigen Schnee reichenden White­ Mountains von New Hampshire können nicht, wie Cutler und Belknap behaupten, 3235 m oder 1660 Toisen hoch sein), so sind sie dagegen mit desto mannigfaltigeren Gewächsen geziert. Pennsylvanien, Carolina und Virginia haben fast zweimal so viel Eichenarten, wie ganz Europa hoch­ stämmige einheimische Bäume besitzt. Unter derselben Breite ist in Nord-Amerika der Anblick der Vegetation mannigfaltiger und maleri­ scher als in unserem Weltteil . Gleditsien , Tulpenbäume und Magnolien bilden dort malerische Kontraste mit dem dunklen Grün der Thuya und Tannen. Die Natur hat sich gleichsam bestrebt, den Boden der Freiheit mit ihren schönsten Pflanzenformen zu schmücken . So viel von dem Teil meines Naturgemäldes , welches die Verteilung der Gewächse betrifft. Ich gehe nun zu anderen physikalischen Verhält­ nissen über; denn diese Arbeit ist dazu bestimmt , alles zu umfassen , was

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Das Grundwerk

als veränderlich durch die Höhe des Standorts betrachtet werden kann. Vierzehn Skalen, welche das Bild einschließen , enthalten gleichsam das Resultat von dem, was die Naturlehre in ihrem gegenwärtigen Zustand in Zahlen darbietet * . Diejenigen derselben , welche die Luftwärme , die elektrische Spannung und den hygrometrischen Zustand der Atmo­ sphäre , den Sauerstoffgehalt , die Himmelsbläue , die geognostischen Verhältnisse , die Kultur des Bodens und die Wohnplätze der Tierarten angeben, gründen sich auf meine eigenen Erfahrungen. Ich darf mir schmeicheln, daß selbst dem Naturphilosophen, der alle Mannigfaltigkeit der Natur den Elementaraktionen einer Materie zuschreibt und der den Weltorganismus durch den nie entschiedenen Kampf48 widerstrebender Kräfte begründet sieht, eine solche Zusammenstellung von Tatsachen wichtig sein muß. Der Empiriker zählt und mißt, was die Erscheinungen unmittelbar darbieten, der Philosophie der Natur ist es aufbehalten, das allen Gemeinsame aufzufassen und auf Prinzipien zurückzuführen. Luftwärme Die in dem Naturgemälde der Luft gewidmete Skala drückt den höch­ sten und niedrigsten Thermometerstand aus , welcher von 500 zu 500 m (250 Toisen) Höhe unter den Tropen beobachtet wird . Eine große Zahl eigener Beobachtungen, oft von Stunde zu Stunde angestellt, sind zur Bestimmung der mittleren Temperatur angewandt worden ; eine Mittel­ zahl , welche natürlich durch alle Beobachtungen und nicht etwa durch Extreme begründet ist . Auch sind Lokalverhältnisse , besonders die , welche die nördliche Grenze des Krebswendekreises darbietet , geflis­ sentlich vernachlässigt worden . So liest man zum Beispiel in meiner Zeichnung , daß an den Küsten in gleicher Höhe mit der Oberfläche des Meeres das hundertteilige Thermometer nicht unterhalb 18,50 herabsinkt, ungeachtet man es in der Hauptstadt der Insel Kuba, in Havanna, und weiter östlich in Matanzas oft auf + 1,40 gesehen hat. Aber diese für niedrige Tropenländer so überaus auffallende Winterkälte findet auch nur in einer Gegend statt, die schon volle 13 Breitengrade 4 8 Auf diesen das Leben in der Natur erhaltenden Kampf scheint der uralte Trimurti, die Dreieinigkeit der Hindus, hinzudeuten. Als der Unsterbliche und Ewige, der Parabrahma, vom Berge Meru herab die Weltregierung anordnete, be­ fahl er dem Shiwa zu zerstören, dem Vlsnu zu erhalten, und dem Brahma, mitten im Widerstreit der beiden Generationen, fortfahrend zu zeugen und zu schaffen.

*

Betonung der Eigenart des Naturgemäldes .

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Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

nördlicher als die Zone liegt , bis zu der ich mein Naturgemälde er­ strecke . Sie ist Folge der wütenden Nordstürme , weIche die kalten Luft­ schichten des allzu nahen Kontinents über die Insel Kuba jagen . In dem nur wenig südlicheren , aber von Nord-Amerika ferneren Santo-Do­ mingo erhält sich das Thermometer in den Ebenen das ganze Jahr hin­ durch zwischen 20° und 31,2° (16° und 25° R . ) . Es bedarf übrigens wohl kaum der Bemerkung , daß alle angegebenen Thermometer-Beobachtun­ gen im Schatten und fern vom Reflex der strahlenden Wärme angestellt worden sind . Höhen über der Meeresfläche Meter Toisen O bis 1000 1000 bis 2000 2000 bis 3000 3000 bis 4000 4000 bis 5000 5000 bis 6000

O bis 500 500 bis 1000 1000 bis 1500 1500 bis 2000 2000 bis 2500 2500 bis 3000

Höchste Luftwärme

Niedrigste Luftwärme

Mittlere Luftwärme

+ 38 ,4° + 30,0° + 23 ,7° + 20,0° + 18 ,7° + 16,0°

+ 18,5° + 12, s o + 1 ,2° ± 0,0° - 7,5° - 10 ,0°

+ 25 ,3° + 21 ,2° + 18 ,7° + 9 ,0° + 3 ,7° 2°

Die Zahlen , weIche diese Tafel für Höhen angibt , die 5000 m (2565 Toisen) übersteigen , sind von minderer Genauigkeit , da diese großen Höhen bisher zu wenig und auf zu kurze Zeit besucht worden sind , um ihre mittlere Temperatur bestimmen zu können . Die Kälte , weIcher wir auf den höchsten Gipfeln der Andenkette ausgesetzt gewesen sind, ist , dem Ausspruch des Thermometers nach, nie sehr beträchtlich; aber die mindere Menge des eingeatmeten Sauerstoffs (als Folge der Luft­ dünne) , die Asthenie des Nervensystems 49 * und andere noch wenig ergründete Ursachen machen diese Bergkälte für das Gefühl fast uner­ träglich . Die französischen und spanischen Akademiker haben in ihrer Hütte am Vulkan Pichincha in einer Höhe von 4735 m (2428 Toisen) das hundertteilige Thermometer nur 6° unter dem Eispunkt herabsinken sehen. Am Chimborazo , nahe an seinem Gipfel, zeigte mir dies Instru49 Besonders des gastrischen Systems, alles dessen, was mit dem unteren After­ gehirn, dem Plexus coeliacus, zusammenhängt: daher in großen Berghöhen die Neigung zum Erbrechen, eine Bergkrankheit wie das Seeübel, mal de mer.

* Asthenie ( griech. ) Kräftemangel, allgemeine oder teilweise Verminderung der Lebensvorgänge und geringere Fähigkeit zur Abwehr schädlicher äußerer Einflüsse .

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Das Grundwerk

ment noch - 1,8°. Ja am Vulkan Antisana, auf der beträchtlichen Höhe von 5403 m (2773 Toisen) , fanden wir im Schatten eine Wärme von 19°. Der Sonne ausgesetzt, war diese Wärme so groß, daß wir uns entklei­ deten, obwohl wir 2065 m ( 1060 Toisen) höher als der Ätna und 627 m (323 Toisen) höher als der Gipfel des Mont-Blanc waren. An Orten , welche man für die heißesten der Erde hält, in Cumana, La Guaira, Cartagena de Indias , Guayaquil (dem Hafen von Quito) , an den Ufern des Magdalenen- und Amazonenftusses ist die mittlere Luft­ wärme 27°, wenn sie in Paris und Rom 11,9° und 15° ist. Aber in eben diesen heißen Gegenden des Neuen Kontinents erreicht das Thermome­ ter trotz der Nähe des Äquators sehr selten die Höhe , auf welcher wir es sehr häufig selbst im nördlichsten Europa beobachten . Ich habe die Gelegenheit gehabt , ein Tableau von mehr als 21 000 Beobachtungen zu untersuchen , welche Don Bernardo de Orta , ein königlich-spanischer Seeoffizier zu Vera-Cruz, mit vortrefflichen Instrumenten angestellt hat. In 13 Jahren ist in diesem (wie Senegambia) wegen seiner schwülen Hitze berufenen und dazu noch von Flugsand umgebenen Hafen das Thermometer nur dreimal über 32° und nie über 35 ,6° (28 ,so R.) gestie­ gen , während man es in Berlin , Petersburg, Wien und Paris oft genug auf 36° gesehen . An dem letzteren Ort stieg es, den 14. August 1773 , gar bis 38,7° oder bis 30,9° nach der alten Reaumursehen Einteilung. Desto verschiedener ist die mittlere Temperatur. In Vera-Cruz beträgt diese im Mai, Juni , Juli , August und September 27 ,so, und das furchtbare adyna­ mische Fieber, welches unter dem Namen Vomito prieto bekannt ist , richtet Verheerungen an, so oft die mittlere Luftwärme des Monats 23 ,7° übersteigt. In den äquatornahen Regionen sind die Extreme der größten und geringsten Wärme 20°; in Europa , unter dem 48 . und 50. Breitengrad, sind sie bis 62° voneinander entfernt. Über das, was man sehr gewagt Temperatur des inneren Erdkörpers nennt, mag ich nicht entscheiden . Die Quellwasser geben diese Temperatur (wie ein vortreff­ licher Beobachter, Herr von Buch, gefunden) sehr genau an. Nach diesem Maßstab ist das Innere der Erde unter den Tropen kühler, als man vermuten sollte . Ich habe in der Provinz Cumami, auf 389 m (200 Toisen) Höhe , die Quellen zu 22 ,so (18° R.) , auf 779 m (400 Toisen) Höhe , zu 21° (16,8° R.) , bei Caracas , auf 1324 m (680 Toisen) Höhe , zu 16,2° ( 13° R.) gefunden. Diese Wärmegrade sind alle geringer als die mittlere Temperatur der genannten Standorte . An der Meeresküste oder in den unübersehbaren Steppen (Llanos) von Calabozo und Cari so erwärmt sich während der sechs Monate , in 50

Die Steppe zwischen der Bergkette, längs der Küste von Caracas und dem

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

105

denen es nie regnet , dermaßen der Boden , daß Sesuvium , Gomphrena, Thalinum, Kyllingia, einige Mimosen und andere niedrige Kräuter, welche der Wind halb im Sande vergräbt, eine Hitze von 53° ertragen . In der schwarzen Erde , die den Vulkan von Jorullo in Neu-Spanien um­ gibt, stieg mein Thermometer bis 60°; und doch ist diese , vom Krater im Jahr 1759 ausgeworfene Erde schon hie und da mit Vegetation bedeckt . Dagegen erdulden Swertia quadricornis, Stähelinen , Espeletia frailejon und andere Alpenftanzen der hohen Andenkette das ganze Jahr hin­ durch, außer den wenigen Stunden, wo die Sonne den ewigen Nebel durchbricht, eine Kälte von 3 ,so . Diese Alpenpftanzen und die Pal­ men bezeichnen gleichsam die Extreme der botanischen Thermometer­ Skala. Die mittlere Luftwärme , welche das Naturgemälde von 1000 zu 1000 m (500 zu 500 Toisen) Höhe angibt, stellt die Abnahme der Wärme unter dem Äquator vom Meeresspiegel bis zu den höchsten Berggipfeln dar. Wenn meine Beobachtungen genau und zahlreich genug gewesen sind, so muß dies Resultat richtiger sein , als man es fast je für Europa wird ausmitteln können . Diesen Vorteil gewährt in den Tropenländern des Neuen Kontinents die große Erhebung des Bodens . Hier findet man Dörfer, welche noch 400 m (200 Toisen) höher liegen als die Spitze des Pico de Teneriffa und in welchen Physiker einen interes­ santen und nicht sehr beschwerlichen Wohnortfinden können. In Europa dagegen ist es schwer, bestimmte Begriffe von der mittleren Temperatur gleichhoher Luftschichten zu erlangen. Diejenigen , welche zwischen 3000 und 5000 m (1500 und 2500 Toisen) liegen, werden selten besucht; und selbst Luftreisen, eines der wichtigsten und unbenutztesten Mittel für die Erweiterung der Meteorologie , können ihrer Natur nach nicht oft genug angestellt werden, um die Abnahme der Luftwärme mit völliger Genauigkeit auszumitteln. Aus meinen Beobachtungen scheint zu folgen, daß diese Abnahme in der Andenkette oberhalb 3500 m ( 1795 Toisen) im Verhältnis von 5 : 3 schneller ist als in den Luftschichten zwischen der Meeresküste und 2500 m (1281 Toisen) . Diejenige Schicht, in welcher die allmähliche Er­ kaltung gleichsam einen Sprung macht und plötzlich schnell zunimmt , ist zwischen 2500 m und 3500 m (1250 und 1750 Toisen) , zwischen der Höhe des Gotthard und des Ätna enthalten. Freilich kann man leicht einsehen, wie viel die strahlende Wärme , welche durch die Unebenhei­ ten , durch die Natur und Farbe des Bodens mannigfaltig bestimmt wird, -

Apure und Nieder- Orinoco ist so eben, daß sie überall das Bild des Meer-Hori­ zonts darbietet.

106

Das Grundwerk

auf dieses von mir in den Anden beobachtete Gesetz der Wärme­ abnahme Einfluß haben muß : freilich würde ein Aeronaut, der sich unter dem Äquator, fern von den Gebirgen, zum Beispiel über der Meeres­ fläche oder in den unermeßlichen Ebenen des Amazonenlandes erhöbe , dies Gesetz wahrscheinlich etwas anders modifiziert finden. Doch ist zu vermuten , daß diese Verschiedenheit der Resultate sich nicht weit über 4000 m (2052 Toisen) Höhe erstrecken würde , denn in diesen luftdün­ nen Regionen ist die Masse der Berggipfel, selbst in der Andenkette , schon gering. Sie bieten daselbst nicht mehr so beträchtliche Ebenen dar, und der Einfluß strahlender Wärme kann daher dort nur gering sein . Auf der Reise , welche ich im Juni 1802 nahe bis an den Gipfel des Chimborazo gemacht , habe ich die Abnahme der Wärme zu 196 m (101 Toisen) für jeden Grad des hundertteiligen Thermometers gefunden . Aus den mittleren Temperaturen zwischen dem Meeresspiegel und 5500 m (2823 Toisen) Höhe (Mittelzahlen, die auf verschiedenen Wegen gefunden worden sind) , ergeben sich 194 m ( 100 Toisen) für jeden Ther­ mometergrad 5 1 . Saussure nimmt für den Sommer 156 m (90Toisen) , für den Winter 233 m ( 111 Toisen) an . Eine noch auffallendere Übereinstim­ mung bietet die letzte große Luftreise meines Freundes , des Herrn Gay­ Lussac, dar. Dieser scharfsinnige Physiker fand im Sommer über Paris genau dieselbe Abnahme der Wärme , welche ich lange vorher für den Äquator bestimmt hatte . Er beobachtete (während das Thermometer in Paris 30° zeigte) in einer Höhe von 5000 m (2565 Toisen) Eiskälte (± 0°) . In 6000 m (3078 Toisen) Höhe stand das Thermometer 3° unter dem Gefrierpunkt. Hieraus folgt zwischen 0 und 5500 m (2823 Toisen) eine Wärmeabnahme von 183 m (95 Toisen) für jeden Thermometergrad. Rechnet man für alle Luftschichten von der Ebene bis 6977 m (3580 Toisen) Höhe , so ergibt sich eine Abnahme von 173 m (87 Toisen) . Ich habe an einem andern Ort in einer der ersten Klasse des National-Insti­ tuts vorgelesenen Abhandlung 52 entwickelt , wie in dem Luftrneer, in welches unsere feste Erdrnasse eingetaucht ist, oberhalb 4700 m (2411 Toisen) Höhe die geographische Breite die Temperatur nur wenig 5 1 Wirft man einen Blick auf die mittlere Wärme verschiedener Orte der ge­ mäßigten Zone, so bemerkt man, daß zwischen 40 und 60 Grad nördlicher Breite ein Grad Temperatur-Verschiedenheit zwei Breitengraden zukommt. Wer also unter den Tropen 2500 m (1281 Toisen) an dem Abhange der Andenkette ansteigt, gelangt vom Klima von Berlin in das von Rom. 5 2 Memoire sur la limite interieure des neiges perpetuelles et sur le decroisse­ ment du calorique dans les hautes regions de l'atmosphere, lu le 5 Frimaire an 13.

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen ( 1807)

107

modifiziert und wie Herr Gay-Lussac (in 48° nördl . Breite) in den hohen Luftschichten überall genau denselben Thermometerstand beobachtete , welchen ich nahe am Ä quator, in gleichen Höhen , auf der Expedition nach dem Gipfel des Chimborazo , gefunden hatte . Die Phänomene der Horizontal-Refraktion, mit deren Theorie Laplace gegenwärtig beschäftigt ist, scheinen auf den ersten Blick dieser gleichen Abnahme der Wärme in Luftregionen, die vom Äquator der geographischen Breite nach so ungleich entfernt sind , entgegen zu sein . Diese Refraktion, welche man seit Bouguers Zeiten um vier bis fünf Minuten geringer in den Tropenländern als in der gemäßigten Zone an­ nimmt , lassen nämlich in den ersteren auch eine schnellere Abnahme der Wärme vermuten . Aber man muß nicht vergessen, daß nach De­ lambres neueren Beobachtungen die Horizontal-Refraktion in Europa weit kleiner und nach Le Gentil in Ostindien unter den Tropen weit größer ist, als man sie gewöhnlich angibt . In Europa kennen wir dazu noch sehr wenig die Wärmeabnahme während der Wintermonate ; und da die Horizontal-Refraktion von allen Luftschichten abhängt , welche der Lichtstrahl durchläuft, so wäre es sehr möglich , daß eine ungleiche Abnahme der Wärme in Schichten , welche höher als 7000 m (3591 Toisen) , also jenseits aller bisherigen Beobachtungen liegen , die ungleiche Strah­ lenbrechung begründe . In einer Materie, über welche es noch sehr an genauen und vervielfältigten Erfahrungen fehlt, ist es vorsichtiger, statt sich in Vermutungen zu verirren, die Resultate, wie sie aus den bisherigen Beobachtungen folgen, unverändert zu liefern *. L u ft d r u c k Der Druck, welchen die Atmosphäre i n verschiedenen Höhen über der Meeresfläche ausübt, ist durch Barometerstände bezeichnet, welche nach der Laplaceschen Formel für b arometrische Höhenmessungen berechnet sind . Die Temperatur ist dabei nach dem oben entwickelten Gesetz der Wärmeabnahme supponiert . Sei X die Höhe in Meter aus­ gedrückt , H der Barometerstand an der Oberfläche des Meeres, T die Temperatur ebendaselbst, t die Temperatur, welche der Höhe X zuge­ hört und h endlich der gesuchte Barometerstand für X, so ist Log . m

*

=

X 2 (T + t) 1 + 1000

} '.

---".----::-0::::-----:: .,,----

--

18393

{

Ein wichtiger Grundsatz des Empirikers A.

v.

Humboldt .

Das Grundwerk

108

und hat man so die Zahl m gefunden , so ergibt sich h=

H

( 1 + T - t) . m 5412

Nach dieser Formel findet man von 500 zu 500 m (250 Toisen) folgende Barometerstände :

in Meter

in Toisen

Mittlere Temperatur nach dem hundertteiligen Thermometer

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500

0 256 513 769 1026 1282 1539 1795 2052 2308 2565 2821 3078 3334 3591 3847

+ 25 Y + 24,0° + 22 ,6° + 21 ,2° + 20,0° + 18 ,7° + 14,4° + 9 ,0° + 6,4° + 3 ,7° + 0 ,4° - 3 ,0° (- 6,0°) ( - 10,0°) ( - 13 ,0°) ( - 16,0°)

Höhen über der Meeresfiäche

Barometerhöhen in Meter

in Linien

0 ,76202 0,71961 0,67923 0,64134 0,60501 0,57073 0,53689 0 ,50418 0 ,47417 0,44553 0,41823 0,39206 0,36747 0,34357 0,32035 0 ,30068

337,8 319 ,03 301 ,18 284,28 268,24 253 ,05 238,06 223 ,50 210,20 197,55 185 ,40 173,84 162,95 152,38 142,61 133,36

Die mittlere Luftwärme oberhalb 6000 m ( 3000 Toisen) ist hier abermals wenig genau , da sie sich nicht auf unmittelbare Erfahrungen, sondern nur auf die in tieferen Regionen beobachtete Wärme abnahme gründen. Saussure hat das Barometer auf dem Gipfel des Mont-Blane bis 0 ,43515 m ( 16 Zoll 0,9 Linie ) herabsinken sehen. La Condamine und Bouguer 53 fanden auf dem Corazon ( südlich von der Stadt Quito ) 0,42670 m ( 15 Zoll 9,2 Linien ) . Ich bin auf dem Chimborazo zu einer Höhe gelangt, in welcher das B arometer nur 0 ,37717 m ( 13 Zoll 11,2 Linien ) zeigte. Aber Herr Gay-Lussae hat in seiner aerostatischen Reise 53

La Condamine , Voyage a l'equateur, p. 58. « Personne n'a vu le barometre

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

109

eine Luftdünne ertragen , welche durch einen Barometerstand von 0,3288 m (12 Zoll 1,8 Linie) ausgedrückt wurde . Die Barometerhähe am Meeresufer habe ich zu 0 ,76202 m (337 ,8 Linien) bei einer Wärme von 25° angenommen. So folgt dieselbe aus zahlreichen Beobachtungen , welche ich an den Ufern des Atlantischen und des Stillen Ozeans in der südlichen und närdlichen Hemisphäre ange­ stellt habe . Bouguer nahm als Mittelzahl 28 Zoll 1 Linie ; der spanische Geometer Don Jorge Juan 27 Zoll 11,5 Linien an . La Condamine sagt ausdrücklich : Wenn die mittlere Barometerhähe unter den Tropen nicht gar geringer als 28 Zoll ist , so weicht sie wenigstens nur wenig davon ab . Zwei vortreffliche Barometer, welche ich vor meiner Abreise aus Europa, wie alle anderen von mir gebrauchten Instrumente , aufs sorg­ fältigste mit denen der National-Sternwarte zu Paris verglichen hatte und die ohne alle Beschädigung nach Süd-Amerika gelangten, haben mich gelehrt, daß der mittlere Luftdruck in der heißen Zone am Meeres­ ufer etwas geringer als in den gemäßigten Erdstrichen 54 ist. Shuckburgh fand denselben in Europa 0,76301 m (28 Zoll 2,24 Linien) ; Fleuriau Bel­ levue 0,76427 m (28 Zoll 2,8 Linien) bei einer Lufttemperatur von 12°. Dieser Unterschied nämlich , welcher zwischen der heißen und gemäßig­ ten Zone stattfindet, läßt sich nicht durch den Einfluß der Wärme allein si bas dans l'air libre , et vraisemblablement personne n'est monte a une plus grande hauteur. Nous etions (a la cime du Corazon) a deux mille quatre cent soixante-dix toises, et nous pouvions n�pondre , a quatre ou cinq toises pres de la justesse de cette determination. » 5 4 Trotz der Versuche von Shuckburgh-Evelyn und Fleuriau wäre es doch sehr wünschenswert, wenn die mittlere Barometerhähe der europäischen Meere, zum Beispiel der Ostsee, des Atlantischen, Mittelländischen, Schwarzen (und Kaspi­ sehen) Meeres, mit vorher und nachher sorgfältig unter sich verglichenen Instru­ menten ausgemittelt würde. Polenis und Toaldos vieljährige Beobachtungen lehren, daß dieser mittlere Luftdruck gewissen (wahrscheinlich periodischen) ver­ änderungen unterworfen ist. Wollen Physiker in künftigen Jahrtausenden einst die Frage untersuchen, ob der Luftdruck zu- oder abgenommen hat, so werden sie mit Recht unsere Trägheit anklagen, mit der wir unterlassen haben, im 18. und 19. Jahrhundert das Gewicht der Atmosphäre so genau zu bestimmen, wie es unsere dermaligen Werkzeuge erlauben. Mittlerer Luftdruck an den Ufern des Meeres, Intensität der magnetischen Kraft, Sauerstoffmenge des Luftkreises, mitt­ lere Wärme und Quantität des gefallenen Regens sind Phänomene, über deren Beständigkeit oder Wechsel kommende Jahrhunderte entscheiden werden, wenn wir diese Entscheidung durch sorgfältige Bestimmungen gegenwärtig vorberei­ ten. Wie sehr haben die Physiker auch nicht in dieser Hinsicht die unermüdete Vorsicht der Astronomen nachzuahmen!

Das Grundwerk

110

erklären , um so weniger als in den niederen Ebenen des westlichen Teils von Peru , während die Sonne vier bis fünf Monate lang in dickem Nebel eingehüllt ist , das Thermometer bis 15° oder 16° herabsinkt, ohne den Barometerstand merklich zu affizieren. Der Luftdruck wechselt in der gemäßigten Zone in demselben Jahre , ja bisweilen in wenigen Monaten , um 0,045 m (20 Linien) . In der Tropenregion zwischen dem 10. Grad nördlicher und dem 10 . Grad süd­ licher Breite , wo die Passatwinde (der ewig wehende Ostwind) immer­ fort eine fast gleichwarme und also fast gleichdichte Luft herbeiführen , verändert sich der Barometerstand am Meeresufer nie um mehr als 0,0026 (1,4 Linie) , ja auf Gebirgsebenen , die 3000 m (1539 Toisen) über dem Meere erhaben sind, nie um mehr als 0,0015 m (0,7 Linie) . So gering aber auch diese Barometerveränderungen in den dem Äquator nahen Erdstrichen sind, so werden sie dagegen um so merkwürdiger durch die außerordentliche Regelmäßigkeit , der sie von Stunde zu Stunde unterworfen sind . Godin ist unstreitig der erste gewesen, welcher diesen stündlichen Wechsel , diese Ebbe und Flut des Luftmeeres, wäh­ rend seines Aufenthalts zu Quito entdeckt hat. Doch gibt La Condamine , der uns diese Entdeckung überliefert, nicht das tägliche und nächtliche Maximum und Minimum der regelmäßigen Barometerveränderungen an . Diese Epochen hat John Farquhar in Kalkutta 55 wie Moscley und Thibaut de Chanvalon 56 in den Antillen wirklich beobachtet; aber sie stimmen nicht mit denen überein, welche wir, Bonpland und ich, seit den ersten Tagen unserer Ankunft in Süd-Amerika wahrgenommen haben, da wir viele Nächte hintereinander den stündlichen Veränderungen gefolgt sind. Wir haben gefunden, daß die Barometerhöhe morgens um neun ihr Maximum erreicht hat . Von neun Uhr bis Mittag sinkt das Quecksilber gewöhnlich nur wenig ; aber dies Fallen ist stets sehr merk­ lich von zwölf Uhr bis vier Uhr oder vier Uhr dreißig Minuten, wo das Barometer auf dem niedrigsten Punkt ist. Von diesem Minimum an steigt es abermals bis elf Uhr abends, wo es fast ebenso hoch steht wie um neun Uhr morgens . Das Barometer sinkt abermals die ganze Nacht hindurch, vorzüglich von Mitternacht an bis vier Uhr dreißig Minuten morgens. Von diesem zweiten Minimum an erhebt es sich wieder bis neun Uhr. So gibt es in 24 Stunden zwei Ebben und zwei Fluten, in denen die nächtlichen kürzer als die täglichen sind. Diese kleinen stünd­ lichen Veränderungen habe ich identisch gefunden , am Ufer des Ama55 56

6,

p.

Francis Baijour und lohn Farquhar, in den Asiat. researches, val. 4. Treatise on tropical diseases, 1792, p. 3. Gilberts vortreftliche Annalen B d .

188.

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

111

zonenflusses , in Cumana oder in Callao (dem Hafen von Lima an der Südseeküste) . Sie erfolgten zu derselben Zeit , in Gegenden, die 4000 m (2052 Toisen) über dem Meer erhaben liegen wie in den Ebenen des spa­ nischen Guayana. Sie scheinen, und dies ist am auffallendsten , völlig unabhängig vom Wechsel der Temperatur oder dem Einfluß der Witte­ rung überhaupt. Wenn das Barometer einmal im Sinken ist, von 21 Uhr bis 4 Uhr; wenn es einmal im Steigen ist , von vier Uhr bis elf Uhr, so unterbrechen weder Erdbeben, noch Sturmwind , noch mit heftigen Regengüssen begleitete Gewitter seinen Gang . Der Sonnenstand allein scheint diesen zu lenken 57. An einigen Orten habe ich viele Wochen hin­ tereinander diese stündlichen Variationen so regelmäßig gefunden , der Anfang des Steigens und Sinkens war so bestimmt , daß die Betrachtung des Barometers nicht um eine Viertelstunde in der wahren Zeit irren ließ. Ich hebe hier von den zahlreichen Beobachtungen, die wir über die stündlichen Barometerveränderungen von unserer Reise zurückbrin­ gen , folgende aus , welche ich in Callao bei Lima angestellt habe und welche gleichsam als Typus für dieses sonderbare Phänomen gelten kann . Das gebrauchte Barometer war von vorzüglicher Güte . der Nonius ließ bequem 0,03 Linie erkennen. Die absolute Höhe der Stände war wegen des unberichtigten Niveaus um 0,9 Linie zu niedrig. Die Richtung der Pfeile drückt die Epochen des Steigens und Fallens , gleichsam die Flut und die Ebbe des Luftrneeres , aus . Obwohl ich mehrmals i n diesem Abschnitt diese stündlichen Variatio­ nen des Barometers mit dem Phänomen der Ebbe und Flut verglichen und bemerkt habe , daß sie mit dem Stand der Sonne in nicht zu verken­ nendem Zusammenhang stehen , so glaube ich doch nicht , daß sie un­ mittelbar und allein in der Attraktion dieses Weltkörpers gegründet sind . Wäre hier Anziehung der Massen im Spiel, wie in der Ebbe und Flut des Meeres , warum ist es mir nie geglückt , so viele Nächte ich auch 57 Die Kenntnis der stündlichen Veränderungen des Luftdruckes macht selbst den kleinsten Fehler verschwinden, welchen man unter dem Ä quator bei barome­ trischen Höhenmessungen, ohne korrespondierende Beobachtungen, begehen kann. Ist der Barometerstand zu irgend einer Stunde bekannt, so weiß man bis auf 2/10 Linie, mit ziemlicher Gewißheit, wie er zu jeder anderen gegebenen Zeit daselbst sein wird. Sei Z der mittlere Barometerstand eines Ortes der Tropenlän­ der am Ufer des Meeres, so ist die Barometerhöhe daselbst: Um 21 . u Z + o, sY Um 4. U Z O, 4Y· Um l l . u Z + O, 1 Y =

=

-

=

Um 16. U

=

Z - O, 2

.

Li

Das Grundwerk

112

Stündliche Veränderungen des Luftdrucks [im Hafen von Callao , nahe bei Lima) am 8. und 9. November 1802, an den Ufern der Südsee, in 12° 3' südlicher Breite und 79" 13 ' westlicher Länge von Paris. Thermometer

Stunden

Barometer-

Thermometer

wahre Zeit Am 8 . Nov. um ( Uhr)

stand

am

in Linien

B arometer

lOlh 11

336,92 336,98

19 ,0° 19 ,0°

16,3° 16,2°

43 ,0° 43 ,7°

13 14 15 15Y2 16

336,72 336,60 336 ,65 336,62 336,55

19 ,5° 19,5" 19 ,8° 20,0° 19 ,0°

16,2° 16,2° 16,5° 16 ,0° 16 ,0°

44,0° 42 ,0° 43 ,0° 42,0° 42 ,0°

16Y2 17 17Y2 20 21

336,80 336,87 336,95 337 ,25 337,35

20,5° 22,0° 22,7° 23 ,0° 23 ,0°

16,3° 16,4° 17,0° 18,0° 19 ,2°

42 ,5° 42,0° 42,0° 39 ,0° 37,0°

22Y2 Olh 03/4 3lh 4

337 , 13 336,90 336,75 336,60 336,45

24 ,5° 25,5° 25 ,9° 26,0° 25,5°

20,4° 22 ,5° 22 ,7° 23 ,2° 20 ,5°

37,5° 34,0° 34,0° 34,5° 33 ,6°

5 8 9 10 11

336,50 336,85 336,95 336,97 337 , 15

25 ,5° 25 ,0° 22 ,0° 22,4° 20,0°

18,0° 16, 1° 16,5° 16,4° 16,4°

37 ,0° 39 ,0° 40 ,00 42 ,0° 42,0°

l 1 lh 13

336,90 336,84

20 ,5° 20 ,5°

16,7° 16,7°

42,0° 43 ,0°

* '\.

/'

'\.

/'

an der

Hygrometer

freien Luft

nach Deluc .

und im Schatten

* Erstmals überträgt Humboldt hier - und des öfteren noch im folgenden Zeichen im Sinne seines frühen dritten Forschungsprogramms , der Pasigraphie (= Schriftzeichensprache ), auf die Geographie der Pflanzen . Anm . d. Heraus­ gebers.

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807)

113

darauf aufmerksam gewesen bin , Einwirkungen des Mondstandes auf die Barometerhöhe unter dem Äquator zu bemerken? Herr Mutis , des­ sen Scharfsinn nichts entgeht und der sich seit dreißig Jahren mit diesem Phänomen in Santa-Fe (2623 m oder 1347 Toisen über dem Meer) be­ schäftigt hat , versichert zwar, daselbst deutliche Spuren dieser Ein­ wirkungen in den Konjunktionen und Oppositionen entdeckt zu haben. Aber gesetzt auch , daß sie wirklich existieren, so scheinen die stünd­ lichen Barometerveränderungen unter dem Ä quator doch noch zu be­ trächtlich zu sein , als daß sie der Anziehung der Sonne und des Mondes und der durch sie verursachten Erhebungen des Luftmeeres allein zuge­ schrieben werden könnten . Laplace hat in seinem Meisterwerke, in der >Mecanique dieste-ci ::tl

:;:

Über die geographische Verteilung der Pflanzen (1817)

235

des , Soldanella alpina und Pedicularis rostrata vorkommen , der Him­ mel ebenso wechselhaft . Fast in jedem Monat schneit es 1000 Klafter über dem Meeresspiegel, aber die Sommertage sind viel länger als die Nächte : daher berieselt der durch die Wärme getaute Schnee sehr fruchtbare Weiden , die von reizendem Rasen bedeckt sind . Am Polarkreis und in den kalten Gegenden Lapplands ist auf dem 80. Breitengrad und darüber, wo der ewige Schnee bis auf 550 Klafter herunterkommt , der Himmel (vom Juni bis zum 1. September) nicht weniger wolkenlos , heiter und unveränderlich als in ebenen Orten der heißen Zone vor Beginn der Regenzeit. Aufgrund der Häufigkeit der Stechmücken und Bienen , die sich an den Goldblüten der Salix lanata erfreuen , läßt sich unschwer ableiten , daß die Temperatur einerseits gleich , andererseits stets mild ist . Denn der Schrägeinfall der Strahlen wird durch die lange Dauer, mit der die Sonne über den Horizont wan­ dert , ausgeglichen. Das Wasser, das aus dem tauenden Schnee fließt , bil­ det Sümpfe : daher im höchsten Norden die große Fülle an Sumpfpflan­ zen unter den alpinen Pflanzen . Hingegen ist die Erde , die die Sümpfe umgibt , so dürr und so sehr mit Lichen rangifernus bedeckt , daß durch den Brand der Pflanze die Füße der wandernden Rentiere von einer eigenartigen Krankheit befallen werden . Insgesamt gesehen ist die Luft der Berge Lapplands viel trockner als die in der Schweiz . Sehr seltene Sommerregen , Donner kaum zu hören: nie Schnee vor dem 1. Septem­ ber, zuweilen nicht einmal vor dem 15 . September 1 3 1 . Da dank des Verdienstes der Forschungsreisenden unseres Zeitalters uns vergönnt worden ist , jene Pflanzen im einzelnen beschreiben zu können , die in den verschiedenen Zonen die schneeweißen Bergkämme bedecken , nämlich die peruanischen Anden, den Kaukasus , die Pyre­ näen, die Schweizer Alpen und den äußersten Teil Lapplands , so werden wir nun diese einem einzigen Blick unterziehen , um zu erkennen, welche Struktur allen gemeinsam ist und welche Stämme vor allem nahe der Grenze des ewigen Schnees gefunden werden . Dies endlich ist das wahre Ziel aller Erforschung der Natur, daß wir uns von Einzel­ heiten zur Gesamtheit erheben. Unter einer jeden Zone schicken, wie wir weiter oben bereits erinnert haben , die Pflanzen , die die Erdoberfläche bedecken, aus etwa jedem Stamm einige Siedler in Richtung Schneegrenze hinaus ; daher kommt 1 3 0 Der Abstand, den die Getreide in jedweder Zone Europas einhalten, ist in unserer phytographischen Tabelle , die teils bearbeitet und von Pflanzen voll­ kommen frei ist , festgehalten worden. 131 Wahlenberg, De dirn . Helv. , S. XXXV, XC, XCII , XCv.

236

Texte nach der Veröffentlichung der >Geographie der Pflanzen
Geographie der Pflanzen
Geographie der Pflanzen
Geographie der Pflanzen
Geographie der Pflanzen
Metamorphose der Pflanzen< wies. Die Natur wird dabei durch die ephesische Diana ver­ körpert, deren 'geheimnisvolle Gestalten' Goethe immer beschäftigt haben. Er fühlte sich durch die Zeichnung des Werkes und die Symbolik der Widmungstafel aufs höchste geehrt. " 9 Beigegeben ist die Profiltafel: Geographie der Pflanzen in den Tropen­ Ländern ; ein Naturgemälde der Anden, gegründet auf Beobachtungen 9 Wolfgang-Hagen Hein: Die ephesische Diana als Natursymbol bei Alexan­ der von Humboldt , in: Perspektiven der Pharmaziegeschichte . Festschrift für Rudolf Schmitz zum 65 . Geburtstag, hrsg. v. Peter Dilg, Graz 1983 , S . 131-146.

Ideen zu einer Geographie der Pflanzen ( 1807)

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und Messungen, welche vom 10. ten Grade nördlicher bis zum 1O. ten Grade südlicher Breite angestellt worden sind , in den Jahren 1799 bis 1803 , von Alexander von Humboldt und A[ime] . G[oujaud-] . Bon­ pland. Entworfen von A. von Humboldt, gezeichnet 1805 in Paris von Schönberger und Turpin, gest[ochen] . von Bouquet, die Schrift von L. Aubert, gedruckt von Langlois. Diese letzten Angaben fehlen dem französischen Original . Format: 80,3 cm x 37 cm. Zur Editionsgeschichte des > Essai sur la geographie des plantes< und der deutschen Bearbeitung der >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< Den wenigen Kennern sind die Klagen der Benutzer über recht ver­ schiedene Erscheinungsdaten des amerikanischen Reisewerks längst bekannt . Ursache für diese immer wieder störende Verschiedenheit war die Erscheinungsweise in Lieferungen , noch mehr aber die große Freiheit, die Bibliothekare - oft bis heute - den unentbehrlichen Buch­ bindern einräumten. Oft wurden die Titelseiten der Lieferungsblätter entfernt, oft wurde schließlich - von Bibliothek zu Bibliothek verschie­ den - irgendeines endgültig vorgeheftet , und so ist ein bibliographischer Wirrwarr entstanden, der bis heute nicht geordnet wurde 1 0. Im Grunde hat sich Humboldt für all dies selbst wenig interessiert , andererseits die geradezu unsinnige Anordnung des Reisewerkes in Sachgruppen, die al­ les auseinanderreißen , für die so genannte « Grande-Edition » ( 10 Bände in Groß-Quart, 20 Bände in Groß-Folio) hingenommen; dabei fehlten dann mindestens vier zugehörige Bände 1 1 ! Wollte man der Meinung Humboldts folgen, müßte die > Geographie der Pflanzen< die Bibliographie des amerikanischen Reisewerkes einlei­ ten - und das hat bis jetzt keiner der Gliederungsversuche verwirklicht, auch nicht der des Herausgebers von 1961 12 , der immer noch als der weitaus sinnvollste und sachgerechteste gelten kann. Da es Titelblätter für 1805 und 1807 von der französischen Ausgabe gibt, erhebt sich zunächst die Frage nach dem richtigen Erscheinungs­ jahr: 10 Es wurden mehrere Versuche unternommen: von Rudolph Zaunick (Halle a. d. Saale) , Fritz Gustav Lange (Berlin) , Adalbert Plott (Leipzig) , ohne daß bis jetzt ein Ergebnis sichtbar geworden wäre ; wir hoffen auf eine Bearbeitung durch Wolfgang-Hagen Hein (Frankfurt a. M . ) . 11 Siehe Karl Bruhns (Ed . ) : Alexander von Humboldt a. a. 0 . , 11, S. 499 . 12 Siehe Anm . 7, 11, S. 353 -356.

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Zu dieser Ausgabe - Erläuterungen zu den Texten

Schon am 7. Januar 1805 hat Humboldt im Institut de France in Paris bereits einen « Discours preliminaire : Essai sur la geographie des plan­ tes » gelesen; noch im selben Jahr begann der Druck des Werkes 1 3 , wie genügend Titel- und Lieferungsblätter ( ! ) mit dieser Jahreszahl belegen. Am 14. Juni 1806 teilte Humboldt mit , "etliche 20 Bogen seines >EssaiEinleitung< zu seinem >Nova genera et species plantarum< , der großen Leistung seines Mitarbeiters Carl Sigismund Kunth , schrieb . " Seine Darstellungen wurden allgemein und namentlich von R. Brown mit gro­ ßem Beifall aufgenommen, der sie in seinen >Abhandlungen über die Flora von Congo< ( 1818) 3° besprach und schon damals bemerkte , daß diese Verhältnisse wahrscheinlich nicht allein vom Klima abhängen. Als einige Jahre später (1822) die Geographie der Pflanzen von Schouw nach einem umfassenden Plan bearbeitet wurde , finden wir die botani­ sche Statistik bereits als leitenden Gesichtspunkt angewendet, um die Florengebiete nach Maßgabe der vorherrschenden Familien abzugren­ zen. Im Band V unserer Ausgabe hat sich gezeigt , daß Humboldt in den 3 0 Robert Brown: Observations on the herbarium collected by Prof. Chr. Smith in the vicinity of the Conga . London 1818.

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Zu dieser Ausgabe - Erläuterungen zu den Texten

>Ansichten der Natur< erneut auf die botanische Arithmetik hinwies und ihre Anwendung empfahl . Dennoch hat er sich 1845 im ersten Band seines >Kosmos< gegen Schouws Abgrenzung "geographischer Reiche nach dem überwiegen­ den Vorkommen einzelner Pflanzengruppen" entschieden ausgespro­ chen. "Nicht in dem relativ größeren Reichtum gewisser Familien, son­ dern in dem Zusammenleben der Formen, also in den Formationen, sei der Charakter einer Flora begründet" 31. Lassen wir Humboldt selbst sprechen: "Die Gruppierung oder Association 3 2 der Gewächsarten, welche wir Floren (Vegetationsgebiete ) zu nennen gewohnt sind, scheint mir, nach dem , was ich von der Erde gesehen, keineswegs das Vorherrschen einzelner Familien so zu offenbaren , daß man berechtigt sein könnte , Reiche der Umbellaten , Solidago-Arten , Labiaten oder Scitaminieen geographisch aufzustellen . Meine individuelle Ansicht bleibt in diesem Punkt abweichend von der Ansicht mehrerer der ausge­ zeichnetsten und mir befreundeten Botaniker Deutschlands . Der Cha­ rakter der Floren in den Hochländern von Mexico , Neu-Granada und Quito , vom europäischen Rußland und von Nord-Asien, liegt , wie ich glaube , nicht in der relativ größeren Zahl der Arten, welche eine oder zwei natürliche Familien bilden ; er liegt in den viel komplizierteren Verhältnissen des Zusammenlebens vieler Familien und der relativen Zahlenwerte ihrer Arten. In einem Wiesen- und Steppenlande herr­ schen allerdings die Gramineen und Cyperaceen , in unseren nördlichen Wäldern die Zapfenbäume , Cupuliferen und Betulineen vor; aber die­ ses Vorherrschen der Formen ist nur scheinbar und täuschend wegen des Anblicks , den gesellige Pflanzen gewähren. Der Norden von Europa und Sibirien in der Zone nördlich vom Altai verdienen wohl nicht mehr den Namen eines Reichs der Gramineen oder der Coniferen als die endlosen Llanos zwischen dem Orinoco und der Bergkette von Caracas oder als die Fichtenwaldungen von Mexico . In dem Zusammen­ leben der Formen, die sich teilweise ersetzen , in ihrer relativen Menge und Gruppierung liegt der Gesamteindruck von Fülle und Mannigfaltig­ keit oder von Armut und Einförmigkeit der vegetabilischen Natur. " 33 Ist der Beitrag >Über die geographische Verteilung der Pflanzen< nun Humboldts wichtigste pflanzengeographische Arbeit , wie gelegentlich 3 1 August Grisebach : Pflanzengeographie und Botanik , in: Siehe Anm . 11, II1 , S . 232 -268 ; hier: S . 254. 3 2 Der Begriff der Pflanzen-Assoziation stammt von Humboldt . 33 A. v. Humboldt : Kosmos . Entwurf einer physischen Weltbeschreibung, 5 Bde . , Stuttgart u. Tübingen 1845 -1862; hier: I, S. 376.

Über die geographische Verteilung der Pflanzen (1817)

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einmal gemeint wurde? Eines ist sicher, daß sie in ihrer Zeitgebunden­ heit gesehen werden muß und nur so verstanden werden kann . Anderer­ seits: Wenn es der Geographie der Pflanzen (heute besser: Vegetations­ geographie ) um das räumliche Verbreitungsmuster der Vegetabilien und seine Begründung sub specie loci (Spinoza: "unter dem Gesichtspunkt des Raumes") gehen muß , dann ist dies keineswegs seine wichtigste pflanzengeographische Leistung. Wohl gehört sie auch zu Humboldts Verdiensten auf diesem wichtigen Feld; sie sollte auch wieder mehr bewußt sein und überhaupt verstanden werden, ohne indessen den Komplex von >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< und den >Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse< , zu dem sie in Zukunft selbst gehören sollte , überbieten zu können . In einer Anzeige der Verleger Gide , A . Pihan Delaforest und Delauny von 1831 heißt es nach der Anführung des « Essai sur la geogra­ phie des plantes » , das Anliegen dieses Werkes sei "umfangreicher ent­ wickelt" in den "Prolegomena" , ebenso in einem "Memoire" über die numerischen Bezüge , die verschiedene Pflanzenfamilien zur Gesamt­ masse der Phanerogamen" (gemeint ist Humboldts Beitrag "Sur les lois que l'on observe dans la distribution des formes vegetales; hierzu siehe unten Fußnote 42) und in den "Ideen zu einer Physiognomik der Ge­ wächse" (siehe Band V dieser Studienausgabe , S . 175 - 297) . Das ist gewiß richtig und nicht ohne Humboldts Einverständnis mitgeteilt worden , andererseits bleibt die grundsätzliche Aussage des >Essai< unan­ getastet. Da die wachsende Zahl neu entdeckter Arten noch nicht in seinem klassischen Werk (Paris 1805 -1807) eingeschlossen war, drängte Hum­ boldt selbst auf eine neue Bearbeitung, für welche die "Prolegomena" eine wichtige Vorstufe bildeten, während die wirkliche Neuauflage (1826) leider nicht erscheinen konnte , wie wir noch sehen werden. Der einzige Botaniker und Vegetationsgeograph, der sich bis jetzt zureichend mit dieser klassischen Schrift beschäftigt hat, war August Grisebach . Er war Humboldt persönlich verbunden, zudem außeror­ dentlich fähig und kannte den Geist der Zeit. Er sei abschließend zitiert : Durch die Formationen und Formen der Vegetation steht die Geographie der Pflanzen mit der physiognomischen, durch die Statistik mit der natürlichen Klassifikation in Beziehung. Die letztere Methode bestimmt die absolute An­ zahl von Arten, welche in einem Florengebiet zu jeder Familie gehören. Sie ver­ gleicht dieselbe mit der Gesamtzahl der daselbst einheimischen Arten von Ge­ wächsen. Es gibt Gattungen, selbst ganze Familien, die ausschließlich gewissen Zonen oder auch nur einzelnen Ländern oder Kontinenten angehören, die mei-

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Zu dieser Ausgabe - Erläuterungen zu den Texten

sten sind in ungleichen Verhältnissen über einen großen Teil der Erde verbrei­ tet . Da es sich nur in seltenen Fällen nachweisen läßt , daß die Organisation der Fortpflanzungsorgane , nach welcher die Abteilungen des natürlichen Pflanzen­ systems entworfen sind , von den physischen Einflüssen, die auf sie einwirken , bedingt werde , s o weisen die endemischen Erzeugnisse vielmehr auf jene unbe­ kannten Kräfte hin , die bei der Entstehung der heutigen Arten tätig waren und die der Geschichte der Erde angehören. Gramineen finden sich überall, jede Art hat ihre klimatische Sphäre , aber wir wissen nicht , warum gewisse Gattun­ gen in der gemäßigten, andere in der heißen Zone überwiegen , und weshalb im tropischen Afrika die Familie der Gräser sich mannigfaltiger als im Neuen Kon­ tinent gestaltet hat . Wie könnte man nach den physischen Verhältnissen der Erdteile einen Grund davon angeben, daß die Palmen in Amerika so zahlreich sind , da doch die wenigen Arten Afrikas durch die Häufigkeit ihres Vorkom­ mens gleichfalls bedeutend in der Physiognomie der Landschaft hervortreten oder daß dort die meisten Formen aufrecht wachsen, in Asien hingegen Schling­ gewächse sind? Die Statistik der Pflanzenfamilien behauptet denselben Wert für die Unterscheidung der Schöpfungszentren wie die Darstellung der Vegetations­ formen und ihrer Anordnung die Einsicht in die physischen Einflüsse befördert , welche jedem Lande sein physiognomisches Gepräge verleihen. Beide Auf­ gaben sind gleichberechtigt, aber wenn Humboldt der letzteren späterhin eine größere Bedeutung als anfangs beizumessen scheint , so möchte dies darauf be­ ruhen, daß die Statistik im Fortschritt ihrer Bearbeitung den gehegten Erwar­ tungen nicht ganz entsprochen hat . Die Verhältniszahlen der Familie zeigen sich bei der Vergleichung, die nach ihren Vegetationsformen zu demselben Gebiet gehören, nicht so übereinstim­ mend, wie Humboldt vermutet hatte . Zum Teil liegt dies freilich nur an den Schwierigkeiten, die numerischen Elemente nach einer sicheren Methode zu bestimmen. Welche Formen als selbständige Arten aufzufassen seien, ist in vie­ len Fällen eine nicht zu schlichtende Streitfrage der Systematiker. Von den ver­ schiedenen Erzeugnissen eines Landes läßt sich oft nicht ermitteln, ob sie dessen Zentrum ursprünglich angehören oder erst durch spätere Einwanderung einheimisch geworden sind. Anders aber verhält es sich mit denjenigen Anoma­ lien der statistischen Verhältniszahlen, welche je nach dem verschiedenen Umfange der verglichenen Räume hervortreten und die nicht bloß von der un­ gleichen Wanderungsfähigkeit der Arten , sondern auch von der Verteilung der Formationen abhängig sind. Hier zeigt sich, daß die letzteren, dem Klima sich anpassend und einer bestimmten Beschaffenheit des Bodens folgend , einem an­ deren geographischen Maßstab unterworfen sind wie die Verhältniszahlen der Familien. Es wäre hiernach ein vergebliches Bemühen, die Florengebiete nach statistischen Tatsachen abzugrenzen, und insofern hatte Humboldt recht, die Formationen zu ihrer Charakteristik zu empfehlen . Aber wenn die numerischen Elemente von den ursprünglich einheimischen Gewächsen abgeleitet werden , bieten sie das einzige Mittel, die Schöpfungszentren z u vergleichen und i n das Geheimnis einzudringen, welches die Entstehung der Organismen verhüllt. Von den größeren Pflanzenfamilien hat Humboldt die geographische Verbrei-

Ankündigung der 2. Auflage der >Geographie der Pflanzen< (1826) 321 tung genauer untersucht , ihre Verhältniszahlen in einzelnen Ländern festge­ stellt und die Isothermen angegeben, unter denen sie vorkommen . Ausführ­ licher und mit einer ins einzelne gehenden Genauigkeit wurden die Farne und die wichtigeren monokotyledonischen Gruppen behandelt 34 .

Darüber hinaus beinhaltet der Text noch etwas , das Grisebach nicht erwähnt , da er Jahrzehnte später nicht mehr Humboldts ursprünglichen Optimismus teilen konnte . Alexander v. Humboldt glaubte nämlich , daß sich die annähernd vollständige Zahl der Arten ermitteln lassen werde . "Da jedoch seitdem die Zahl der bekannt gewordenen Arten auf das Doppelte und Dreifache , bei den Palmen sogar auf das Fünffache gestiegen ist , so haben diese Arbeiten an Interesse verloren, wenn sie auch als Muster der Behandlung und wegen der darin mitgeteilten Be­ obachtungen noch immer benutzt werden können . " Absolute Zahlen der Arten oder auch nur vollständige Listen sind bis heute nicht mög­ lich. " Ähnliche Untersuchungen" , fährt Grisebach fort , "beziehen sich auf die klimatischen Sphären der Kulturgewächse , bei denen Humboldt jedoch damals nur die für ihren Anbau erforderliche Mittelwärme und höchstens die Temperatur des Sommers und Winters in Betracht gezo­ gen hat. Im 'Naturgemälde der Tropenländer' waren bereits die Niveau­ grenzen der Kulturpflanzen , welche er auf einer Reise bestimmt hatte , angegeben . Eine umfassende Erörterung der Erzeugnisse des Pflanzen­ baues im tropischen Amerika wurde so dann im Reisewerk bei geeig­ netem Anlaß niedergelegt. Diese Abschnitte desselben sind eine Fundgrube wichtiger und genauer Nachrichten über den ökonomischen Zustand und die merkantilische Entwicklungsfähigkeit der Länder, die damals noch spanische Kolonien waren . " 35 (9) Die Weiterführung der >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< a) Der Prospekt zur zweiten Auflage der > Geographie des plantes< (Paris 1826)

Gedrucktes Titelblatt (zeilengetreuer Nachdruck) : Librairie d e Gide Fils, a Paris , rue Saint-Marc-Feydeau, nD 20. Voyage de MM . de Humboldt et A. Bonpland . (Physique Generale . ) 34 35

Siehe Anm . 3 1 , S . 255 -257. Siehe Anm . 31, S . 257 f.

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Zu dieser Ausgabe - Erläuterungen zu den Texten Geographie des Plantes, redigee d'apres la comparaison des phenomenes que represente la vegetation dans les deux continens , Par Alexandre de Humboldt et Charles Kunth. Un volume in-Folio sur papier jesus velin satine , avec planches, la plupart coloriees. Ouvrage precede d'un tableau physique des regions equinoxiales, Par Alexandre de Humboldt et Aime Bonpland.36

Überraschend ist zunächst, daß Humboldt diese zweite , wesentlich erweiterte Auflage seines inzwischen vergriffenen Werkes immer noch seinem amerikanischen Reisewerk zurechnen wollte , obgleich die Text­ erweiterung nun besonders die Alte Welt berücksichtigte . b) Entstehungsgeschichte des > ProspektusGeographie der Pflanzen< , ausführlicher als früher, und entwickle meine Ansichten über die Art und Weise , wie diese Wis­ senschaft aufzufassen und zu behandeln ist von Gesichtspunkten, welche vorher nicht immer so scharf ins Auge gefaßt worden sind , wie ich es hier versucht 36 Die Titelseite des Verlagsprospektes wurde abgebildet in dem Ausstel­ lungskatalog: Alexander von Humboldt und seine Welt 1769 -1859. Ibero-Ame­ rikanisches Institut Preußischer Kulturbesitz. Schloß Charlottenburg Berlin, 29 . Juni bis 10. August 1969 . (Berlin 1969) , S . 77, im Begleittext verkennt der ansonsten gediegene Bearbeiter Peter Hahlbrock die Eigenart des Textes. Hum­ boldt schrieb auf das Titelblatt: "ein Prospectus, den Sie ganz benutzen können , weil e r die ganze Entstehung der Pflanzen Geographie (die literarische Geschichte) wahr darstellt . Dieser Prospect ist so wenig als das Werk nie ins Publikum gekommen" (S. 77) .

Ankündigung der 2. Auflage der > Geographie der Pflanzen< (1826) 323 habe. Darum wünsche ich auch , daß Sie diesen Prospektus in Deutschland durch die >Hertha< weiter verbreiten. Ein Werk dieser Art kann nur in Frank­ reich veröffentlicht werden. In Deutschland wäre es unmöglich . Engherzigkeit und langes und vieles Bedenken kennt Hr. Gide , mein Verleger, nicht . Wir sind übereingekommen , eine kleine Auflage zu drucken, hinreichend um den Bedarf öffentlicher Bibliotheken zu decken; es werden nur 140 Exemplare gedruckt , wozu der Absatz der >Nova genera< den Maßstab gegeben hat . Die neue > Geo­ graphie der Pflanzen< erscheint in demselben Format, wie das eben genannte Werk , von dem sie eine Fortsetzung oder Ergänzung sein wird . Den Verkaufs­ preis hat Hr. Gide auf 180 Frcs. festgesetzt. Es wird in Überlegung zu nehmen sein , ob nach Vollendung des Werkes davon eine wohlfeile deutsche Ausgabe veranstaltet werden könne ; ich werde Sie in dieser Beziehung um Ihren gütigen Rat bitten, wenn ich (was bald geschieht) das Vergnügen haben werde , Sie per­ sönlich zu begrüßen. Nehmen Sie , wie ich es wünsche , den Prospektus in die >Hertha< auf, so sorgen Sie (obwohl Eigennamen nicht oder nur wenig darin vorkommen) für eine gründliche Korrektur. Mein Aufsatz über > Guatemala< strotzt von Druckfehlern . Ich habe Hrn . von Cotta wegen seiner unwissenden Korrektoren Vorwürfe gemacht; er lehnt sie von sich ab , und schiebt sie Hrn. Hoffmann zu, dem die Superrevision der Druckbogen obliege . Ich begreife die Nachlässigkeit Ihres Mit-"Besorgers" nicht ! Stutzen Sie ihn doch auf freund­ schaftliche Weise zu! Paris, den 18 . Okt . 1826

Ganz Ihr Al . Humboldp7

Nachdem dieser Brief am 24. Oktober 1826 bei ihm eingetroffen war, publizierte Heinrich Berghaus den Text in seiner >Hertha, Zeitschrift für Erd- , Välker- und Staatenkunde< (Cotta , Stuttgart u. Tübingen) 1826; leider erschien er entgegen seiner Anordnung in der > Geographi­ schen Zeitung< genannten Abteilung dieses Organs (S. 52 -60) , die an sich allerdings für Ankündigungen , Notizen und Buchhinweise gedacht war. So sei "diese geistvolle , man mächte sagen klassische ,Buchhänd­ ler-Anzeige'" wohl "fast übersehen worden" , meinte Berghaus 38. Au­ ßerdem hatte Humboldt um eine "gründliche Korrektur" gebeten, "ob­ wohl Eigennamen nicht oder nur wenig darin vorkommen" - was gewiß nicht stimmte , wie sich der Leser leicht überzeugen kann , da Personen­ namen in großer Fülle angeführt werden. Auch war der Druck in der >Hertha< keineswegs fehlerfrei , und da Humboldt die Übersetzung ins Deutsche Berghaus überlassen hatte , war sie in vielen Fällen nicht glücklich . Man merkt ihr Berghaus' umständliche Diktion an; doch hat 37 Briefwechsel Alexander von Humboldt's mit Heinrich Berghaus in den Jahren 1825 bis 1858. 3 Bde . , Leipzig 1863 ; hier: I, S. 62 -63 . 3 8 Siehe Anm . 37 , S . 77 .

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Zu dieser Ausgabe - Erläuterungen zu den Texten

dieser manches nachgebessert bei einem weiteren Abdruck im Brief­ wechsel Humboldts mit ihm 1863 39. Deshalb haben wir die verschiede­ nen Fassungen kollationiert und einiges wenige dem Stil Humboldts an­ geglichen. Störend waren auch gewisse von Humboldt gelegentlich tole­ rierte , regelrecht skurrile orthographische Eigenheiten , die auch hier deutlich Berghaus' Handschrift verraten; sie wurden korrigiert : z. B . "seiner Seits" in "seinerseits" wie übrigens schon in der ersten Fassung umgewandelt. Im übrigen war zu bedenken , daß die deutsche Erstver­ öffentlichung noch zu Humboldts Lebzeiten erfolgt war und von diesem augenscheinlich hingenommen worden ist. Nach der Publikation des >Essai sur la geographie des plantes< vergrö­ ßerte sich fast täglich die Zahl der bekannten Pflanzenarten , vor allem weil wissenschaftliche Reisende immer wieder neue Funde meldeten . Diesen großen floristischen Entdeckungszug hat Humboldt gern und oft in Verbindung mit den Forschern selbst verfolgt . So reifte in ihm schließ­ lich der Plan zur Erweiterung und Abrundung seiner > Geographie der Pflanzen< heran . Das Werk wurde angekündigt , ist aber leider nie erschienen . Um so wichtiger ist deshalb sein > Prospektus< , der hier erstmals wieder ge­ druckt wird . Nimmt man den Text als Ganzes , so ist unschwer zu bemerken, daß die Aussagen über ihn aus Humboldts oben mitgeteiltem Brief an Berg­ haus stimmen. Außer der eigentlichen Ankündigung entwickelt Alexan­ der hier tatsächlich ausführlicher als irgendwo sonst seine Vorstellungen von der Entwicklung der Geographie der Pflanzen. Den Begriff führt er allerdings irrtümlich auf Christian Mentzel (1622-1701) , den vielseitig interessierten Leibarzt des Großen Kurfür­ sten, zurück, wie wir heute wissen 4 0 ; der Irrtum ist verständlich , da in Wirklichkeit der Arzt Johann Cleyer (1634 -1687) , der von 1682/83 bis 1685/86 Leiter der holländischen Niederlassung auf der künstlichen In­ sel Deshima vor der Stadt Nagasaki war, das Werk , das vermutlich die Wortprägung erstmals enthielt, verfaßt und dem Großen Kurfürsten geSiehe Anm . 37 , S. 64 -77 . Die >Flora von JapanIsis< (1821) wiedergegeben haben. Zum Ausgleich übernahm Humboldt weiterhin die Bearbeitung dieses >Essai geognostique< , der nicht i m genannten >Wörterbuch< , sondern offensichtlich wegen seines Um­ fanges separat erschienen ist ; dennoch ist dieser sonst nie erwähnte Zusammen­ hang mit Levraults >Wörterbuch< wichtig. -

Textbeispiel aus der nicht publizierten zweiten Auflage (1826)

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des französischen Textes (>Über die Gesetze , die man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet< ) ; sie lautet: "Dieser Artikel ist der zweiten, unveröffentlichten Auflage der Geographie der Pflanzen Herrn v. Humboldts entnommen . " Damit besitzen wir außer der "Anzeige" oder der "Ankündigung" auch einen Text dieser 1826 angekündigten , leider nie erschienenen Ausgabe . Nur die deutsche Übersetzung in Okens >Isis< besitzt außer­ dem eine Einleitung, die wichtig ist und hier mit besonderer Kennzeich­ nung zugänglich wird; gleiches gilt für den größten Teil seiner >Anmer­ kungen< genannten Texterweiterung am Schluß . In diesem, heute praktisch unbekannten Beitrag geht es Humboldt um "die numerischen Verhältnisse der Pflanzenformen" und um die Weiterführung einer Vorlesung vom 5 . Februar 1816 im « Institut » in Paris; Übersetzungen waren schon 1816 im >Neuen Journal für Chemie und Physik< , hrsg . von Dr. J . S . C. Schweigger (Ueber die Gesetze , wel­ che man in der Vertheilung der Pflanzenformen beobachtet, Band 18, Nürnberg 1816 , S. 129-145) und 1817 in Lorenz Okens >Isis< (1. Band , Jena 1817 , Spalte 177- Spalte 185) erschienen; ebenso ging es um die Fortführung seiner Schrift >Über die Verteilung der Pflanzen< ( 1815 bzw. 1817) . Hier hatte er, von Robert Brown angeregt, erstmals "botanische Arithmetik" systematischer dargelegt . Diese Arbeiten Humboldts waren beachtet, aber natürlich auch mit den Zahlen, die sich aus verschie­ denen anderen Herbarien ergaben, verglichen , kritisiert und verbessert worden. Er selbst hatte auf dieses Echo gerechnet, das dem Fortschritt der Erkenntnis nur dienen konnte und diese Korrekturen begrüßt. Nun war auch für ihn die Zeit einer Nachlese und einer Fortführung des ein­ mal Begonnenen gekommen, das ohnehin sobald noch keinen Abschluß finden konnte , wie er wohl wußte . Dennoch sollte hier möglichst be­ gründet operiert werden . Da nun das Verhältnis jeder Pflanzenfamilie zur Masse der Phanerogamen "ganz genau" untersucht werden müsse , habe er diese Untersuchungen im >Dictionnaire des sciences naturelles< (siehe oben) bekanntgegeben ; das richtige bibliographische Zitat des Wörterbuch-Artikels einschließlich der korrekten Seitenangaben belegt die Tatsache , daß dieser französisch geschriebene Beitrag dem deut­ schen vorausgegangen ist. Eine Tabelle , die (im französischen Text) als herausklappbare Falttafel angefügt wurde , findet sich oben am Ende der deutschen Übersetzung. Sie wurde von uns dort plaziert . Erneut sei hier angemerkt , was aus dem oben gegebenen Text nicht hervorgeht , nämlich daß dieser Beitrag aus einem französischen Wörter­ buch mit Zufügungen Humboldts am Anfang und am Ende im Anschluß an die deutsche Übersetzung in Okens >Isis< ( 1821) mitgeteilt wurde .

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Zu dieser Ausgabe - Erläuterungen zu den Texten

Humboldt erkannte für die Untersuchung der numerischen Verhält­ nisse der Pflanzenformen zwei sich unterscheidende Betrachtungswei­ sen: Erstens könne man Pflanzen nach der Gruppierung in natürliche Familien behandeln , wobei keine Rücksicht auf die geographischen Bedingungen genom­ men werde . Zweitens sei eine Betrachtung unter klimatischen und räumlichen, d. h. unter geographischen Aspekten möglich , wobei noch "weit interessantere Fragen" entstünden.

Für beide Möglichkeiten formuliert Humboldt Fragen in Fülle , wobei die vom zweiten Aspekt ausgehenden die eigentlich pflanzengeographi­ schen seien. Man könne dann bei den natürlichen Gattungen , Sippen und Familien stehenbleiben . So zeigte Humboldt verschiedene Aspekte auf, aus denen die "Ge­ setze der Pflanzenverteilung" betrachtet werden können; sie seien nicht zu verwechseln , um Widersprüche zu vermeiden . Im Grunde seien im Augenblick nur Annäherungen möglich , da weitere Ergebnisse von rei­ senden Botanikern zu erwarten seien. Beachtlich ist der Hinweis, sein von Bonpland und ihm in Amerika gesammeltes Herbar sei das einzige mit barometrisch vermessenen Standorten für 4000 Pflanzen. Wichtig ist die nun folgende Darlegung des Quantifizierens, wobei man Humboldts Ringen um die gemäße Methode bewundern darf. Wie lange hat es gedauert , bis die Geographie in Deutschland, oft termino­ logisch ähnlich , hier wieder, wenn auch nach bald verlorenen Ansätzen Siegfried Passarges in der Geomorphologie (1912/14) , zunächst in der Kulturgeographie vergleichbar vorging? Gewiß kamen diese Unter­ suchungen Humboldts vor dem Abschluß einer zureichenden Herbar­ substanz zustande ; trotz dieses Mangels wollten Robert Brown , Augustin Pyramus de Candolle und Humboldt hier schon zum damaligen Zeit­ punkt möglichst sinnvoll operieren . Insgesamt ein bemerkenswerter, kaum gewürdigter Vorgang, für den das oben bei der Darlegung der Schrift >Über die Verteilung der Pflanzen< (1815 bzw. 1817) Gesagte allerdings gilt. Die Geographie der Pflanzen hat Humboldt zeitlebens beschäftigt. So spiegelt sich denn auch diese immer wieder gern aufgenommene Arbeit in seinem >Kosmos< , und noch im Juni 1854 plante er die Heraus­ gabe pflanzengeographischer Fragmente ; leider ist es dazu nicht mehr gekommen .

Dank des Herausgebers

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Dank des Herausgebers

Am Zustande kommen der vorliegenden Ausgabe haben in besonde­ rer Weise mitgewirkt: Herr Dipl. -Geograph Uwe Schwarz , Herr Prof. Dr. Wilhelm Barthlott ( Botanisches Institut der Universität Bonn ) , seine Mitarbeiterin Frau Mechtild Knoch und die Bonner Universitäts­ Bibliothek (Frau Oberbibliotheksrätin Dr. Melitta v. Beckerath sowie die Lesesaalbeamten ) . Herr OSTR Paulgünther Kautenburger ( Bonn ) hat sich sehr engagiert für die Ausgabe eingesetzt. Wichtig war auch für diesen Band der Briefwechsel mit Herrn Prof. Dr. Wolfgang-Hagen Hein ( Bad Soden ) . Frau Prof. Dr. Fabienne Orazie Vallino ( Rom ) klärte in römischen Bibliotheken wichtige Fragen , u . a. zur Geschichte des Naturgemälde-Profils . Allen danke ich von Herzen. Besonders er­ wähnt werden müssen die Mitarbeiter, die nicht nur die Korrekturen mitgelesen, sondern auch in Gesprächen und Briefen mitgedacht haben. Dem Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung in Bonn 2, Herrn Dr. Heinrich Pfeiffer, wird für die Genehmigung zur Be­ schäftigung mit dem ersten von Humboldt 1803 in Südamerika geschaf­ fenen >NaturgemäldeHumboldts Naturgemälde der Tropenländer und Goethes ideale Landschaft. Zur ersten Darstellung der Geographie der Pflanzen . Er­ läuterungen zu fünf Profil-Tafeln in natürlicher Größe< ( Brockhaus Antiquarium) , Stuttgart 1989 . Hanno Beck