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German Pages 3819 [581] Year 2008
Alexander von Humboldt
DARMSTÄDTER AUSGABE Sieben Bände
Herausgegeben von Hanno Beck
BAND IV
Alexander von Humboldt MEXICO-WERK POLITISCHE IDEEN ZU MEXICO Mexicanische Landeskunde
Herausgegeben und kommentiert von Hanno Beck in Verbindung mit Wolf-Dieter Grün, Sabine Melzer-Grün, Detlef Haberland, Paulgünther Kautenburger †, Eva Michels-Schwarz, Uwe Schwarz und Fabienne Orazie Vallino
Forschungsunternehmen der Humboldt-Gesellschaft, Nr. 40 Mit Förderung der Academia Cosmologica Nova
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 2., durchgesehene Auflage 2008 © 2008 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 1987–1997 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Umschlag- und Schubergestaltung: Peter Lohse, Büttelborn Abbildungen auf dem Schuber: Humboldt-Portrait von F. G. Weitsch 1806, Foto: Hanno Beck; Weltkarte aus dem Berghausatlas, V. Abteilung, Pflanzen-Geographie; „Plan du Port de Veracruz“ von A. v. Humboldt, Foto: Hanno Beck Umschlagabbildungen: Details aus den Karten und Illustrationen des Berghausatlas Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de
ISBN 978-3-534-19691-3
Inhalt A. Textteil Mexico-Werk. Politische Ideen zu Mexico W idmung für Karl IV. König v. Spanien
6
Erster Band Ausführliche Analyse des [physikalisch-geographischen] Atlasses von Neu-Spanien [
=
Mexico] [oder Geographische Einleitung]
9
[Vorwort]
90
Buch I .
92
Buch II
140
Zweiter Band Buch III
.
.
.
.
.
.
232
Dritter Band Buch IV
.
.
.
.
.
.
339
Vierter Band Buch IV (Fortsetzung)
420
Buch V
444
VI
Inhalt
Fünfter Band Buch VI
492
B. Kommentar Zu dieser Ausgabe des Mexico-Werkes
.
527
1. Von den literarischen Formen der Geographie bis zum Erscheinen des Mexico-Werkes
2.
.
527 533 533
Zur Bibliographie a) Zu den Ausgaben des Mexico-Werkes b) Zur zweiten Auflage des Mexico-Werkes Paris
3. 4. 5. 6.
(4
Bände.
1825-27)
Zur deutschen Übersetzung des Mexico-Werkes
537 541
Zur deutschen Übersetzung des Titels >Essai Politique sur le royaume de La Nouvelle-Espagne< . Zum >Mexico-Atlas< des Mexico-Werkes
.
Erläuterungen zu Humboldts Mexico-Werk
544 546 547
a) Zur Lage Mexicos in den Jahrzehnten vor Humboldts Eintreffen
1803 .
b) Zur Geschichte der Entstehung des Mexico-Werkes c) Hinweise zum Mexico-Werk
.
d) Zur Beurteilung der geographisch-literarischen Form des Mexico-Werkes . e) Einzelne Züge des Mexico-Werkes f)
7. 8.
.
Das Mexico-Werk als neue Stufe der Landeskunde
Zur Wirkungsgeschichte des Mexico-Werkes
547 549 554 555 557 559 562
Zur Entwicklung der landeskundlieh-literarischen Form nach A. v. Humboldts und C. Ritters Tod
Dank des Herausgebers
1859
573 578
A Textteil
Mexico-Werk Politische Ideen zu Mexico Mexicanische Landeskunde
Versuch über den politischen Zustand
des Königreichs Neu-Spanien, enthaltend Untersuchungen über die Geographie des Landes, über seinen Flächen inhalt und seine neue politische Eintheilung, über seine allgemeine phy sische Beschaffenheit, über die Zahl und den sittlichen Zustand seiner Bewohner, über die Fortschritte des Ackerbaues, der Manufacturen und des Handels, über die vorgeschlagenen Canal-Verbindungen zwi schen dem antillischen Meere und dem grossen Ozean, über die militäri sche Vertheidigung der Küsten, über die Staatseinkünfte und die Masse edler Metalle, welche seit der Entdeckung von America, gegen Osten und Westen, nach dem alten Continent übergeströmt ist, von
Friedrich Alexander von Humboldt.
Erster Band,
Tübingen, in der J. G. Cottaschen Buchhandlung,
1809
Seiner Katholischen Majestät Karl IV.
König von Spanien und beider Indien
Sire! Nachdem ich während einer langen Reihe von Jahren in den fernen, dem Szepter Eurer Majestät unterworfenen Regionen Ihren Schutz und Ihr Wohlwollen genossen habe, erfülle ich hier nur eine heilige Pflicht, in dem ich am Fuß Ihres Thrones die Huldigung meines tiefen und ehr furchtsvollen Dankes niederlege.
1799 hatte ich das Glück, von Eurer Majestät in Aranjuez persönlich empfangen zu werden* . Sie geruhten, dem Eifer eines einfachen Privat mannes Beifall zu zollen, den Liebe zu den Wissenschaften an die Ufer des Orinoco und auf den Gipfel der Anden führte. Im Vertrauen auf die Huld Eurer Majestät wage ich jetzt, Ihren erhabe nen Namen diesem Werk vorzusetzen. Es schildert das Gemälde eines weiten Königreichs, dessen Gedeihen, Sire, Ihrem Herzen teuer ist. Keiner der Monarchen, welche auf dem kastilischen Thron saßen, läßt liberaler als Eure Majestät die Verbreitung genauer Kenntnisse über den Zu stand jener herrlichen Erdstriche ausbreiten, die in beiden Hemisphären spanischen Gesetzen seit Jahrhunderten gehorchen. Auf Ihren Befehl sind Amerikas Küsten von geschickten Astronomen mit der eines großen Herr schers würdigen Freigebigkeit aufgenommen worden. Genaue Karten der selben, sogar ausführliche Pläne mehrerer militärischer Häfen wurden auf Kosten Eurer Majestät veröffentlicht. Sie haben befohlen, daß jährlich zu Lima in einer peruanischen Zeitschrift der Zustand der Bevölkerung, des Handels und der Finanzen durch den Druck bekannt gemacht werde. Es fehlte noch ein statistischer Versuch** über das Königreich Neu Spanien. Ich habe die große Anzahl von Materialien, die ich besaß, in einem Werk vereinigt, dessen erster Entwurf 1804 die Aufmerksamkeit des Vizekönigs von Mexico auf sich gezogen hatte*** . Ich schmeichle mir mit der Hoffnung, daß meine schwache Arbeit, in neuer Form und mit größerer Sorgfalt vollendet, nicht ganz unwert sei, Eurer Majestät über reicht zu werden.
*
Siehe hierzu Hanno Beck: Schlußbetrachtung , in: Uta Lindgren
( Hrsg. ) :
Alexander von Humboldt. Weltbild und Wirkung auf die Wissenschaften, Köln und Wien 1990, S. 187-202; hier: S. 196ff. **
Siehe Kommentar, S. 528ff.
***
Siehe KommentarS. 549.
Sie offenbart die Gefühle der Dankbarkeit, die ich der Regierung, die mich gefördert hat, und dieser edlen und loyalen Nation schulde, die mich nicht wie einen Reisenden, sondern wie einen Mitbürger empfangen hat. Wie könnte man einem guten König mißfallen, wenn man ihm vom Nationalinteresse, von der Vervollkommnung der gesellschaftlichen Insti tutionen und von den ewigen Prinzipien spricht, auf denen das Wohl der Völker beruht?**** Ich bin mit der tiefsten Ehrfurcht, Sire, Eurer katholischen Majestät untertänigster Diener Baron von Humboldt.
****
Mit Diplomatie hielt sich Humboldt damit die Tür für jede sinnvolle
Kritik offen.
Erster Band
Ausführliche Analyse des[physikalisch-geographischen] Atlasses von Neu-Spanien[= Mexico]
t [oder Geographische Einleitung ] Indem ich den geographischen Atlas von Neu-Spanien* und Ent würfe herausgebe, welche die Unebenheiten des mexicanischen Bodens in Vertikalprojektionen darstellen, bin ich den Astronomen und Geo gnosten** Rechenschaft über die Materialien schuldig, welche ich zu dieser Arbeit benutzt habe. Beschränkt sich ein Schriftsteller auf das bloße Geschäft eines Kompilators und sammelt er, aus wenig bekann ten Quellen schöpfend, nur das, was er in bereits gedruckten Werken oder auf schon vorhandenen Karten zerstreut findet, so kann er ein blo ßes Namenverzeichnis als Analyse seines Atlasses geben. Andere Pflich ten liegen dem Geographen*** ob, wenn sich sein Unternehmen auf eigene astronomische Beobachtungen oder Messungen gründet, wenn er zum Entwurf neuer Karten Pläne und handschriftliche Bemerkungen benutzte, die in Archiven aufbewahrt oder in Klöstern versteckt lagen. Im letzteren Fall (und in diesem befinde ich mich) fordert das Publikum mit Recht eine ausführliche Auseinandersetzung der Hilfsmittel, deren t
So durchgängig im Kolumnentitel genannt.
*
A. v. Humboldt nannte dieses wichtige zugehörige Kartenwerk sehr oft ein
fach "Mexico-Atlas" oder "Mexicanischen Atlas"; dem folgte auch der Neu druck (Stuttgart 1970) und ebenso seine beiden spanischen Auflagen. Siehe in diesem Band der Studienausgabe, S. 533f. **
Humboldt hat 1793 die Begriffe Geognosie und Physikalische Geographie
synonym gesetzt (s. Band I der Studienausgabe, S. 13). So wird es verständlich, daß sich in seinem Mexico-Werk die Ausdrücke Geognosie und Geologie nur selten decken, obgleich es ein moderner Leser voraussetzen möchte. In Gedan ken kann der Leser statt Geognosie fast immer Physikalische Geographie im Sinn von Humboldts Leitwissenschaft einsetzen. Der Herausgeber hat mehr fach in Anmerkungen auf dieses Problem hingewiesen. ***
Hier ordnet Humboldt einer Geographie eindeutig einen höheren Sinn
zu, der über bloßes Sammeln und Zusammenstellen hinausweist.
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Erster Band
man sich bediente, um die Lage der wichtigsten Punkte festzusetzen. Eine solche Auseinandersetzung darlegend, werde ich sorgfältig die Resultate bloßer Kombinationen von demjenigen trennen, was unmit telbar aus astronomischen Beobachtungen oder geodätischen und baro metrischen Messungen abgeleitet wird. Ich werde in dieser Einleitung versuchen, eine kurzgefaßte Analyse aller Materialien zu liefern, die mir zu Gebote standen. Alles rein Astronomische behalte ich der Sammlung von Beobachtungen und Messungen vor, die ich zu gleicher Zeit in Verbindung mit Hrn. Oltmanns * herausgebe. Auf diese Weise werden die verschiedenen Abteilungen meines Werkes, die Statistik von Mexico, der historische Bericht der Reise nach den Wendekreisen und der astronomische Teil in die genaueste Verbindung miteinander treten. Alle werden wenigstens dafür zeugen, daß Streben nach Genauigkeit und Liebe zur Wahrheit mich während der Ausführung meiner Unter nehmungen leiteten. Mögen meine schwachen Bemühungen einigermaßen das Dunkel aufhellen, welches seit Jahrhunderten über der Geographie eines der schönsten Erdstriche schwebt!
I. Karte des Königreichs Neu-Spanien Ich habe diese Karte 1803 kurz vor meiner Abreise aus der Stadt Me xico in der königlichen Bergakademie (Real Seminario de Mineria) ent worfen und selbst gezeichnet. Don Fausto de Elhuyar, der Vorsteher dieser Schule, hatte seit langer Zeit Nachrichten über die Lage der Bergwerke von Neu-Spanien und über die Grenzen der 37 Bezirke ge sammelt, welche jene Bergwerke unter dem Namen Deputaciones de Minas in sich begreifen. Er wünschte, für das oberste Bergkollegium (Tribunal de Mineria) eine ausführliche Karte verfertigen zu lassen, auf welcher die wichtigsten Hüttenwerke und Gruben angedeutet wären. Eine Arbeit dieser Art war in der Tat sehr notwendig, sowohl zur Verwaltung dieses Landes als zur Kenntnis des Gewerbefleißes seiner Bewohner. Vergebens sucht man auf den meisten in Europa herausge kommenen Karten den Namen der Stadt Guanajuato, welche 70 000 Einwohner zählt, vergebens den Namen der berühmten Bergwerke von Bolaiios, von Sombrerete, von Batopilas und von Zimapan. Auf keiner der bis jetzt erschienenen Karten ist die Lage von Real de Catorce in
*
Recueil d'observations astronomiques ..., a.a. 0., d.h. hier und in den
folgenden Fällen einen Hinweis auf die Bibliographie in Band I dieserStudien ausgabe; hier aufS.26.
11
Geographische Einleitung
der Intendancia von San Luis Potosf dargestellt, eines Bergwerkes, wel ches eine jährliche Ausbeute von beinahe
4 000 000 Piaster*
liefert und
wegen seiner Nähe am Rfo Grande del Norte bereits die Lüsternheit der neuen Ansiedler in Louisiana aufgeregt zu haben scheint. Indem ich an fing, meine astronomischen Beobachtungen zu berechnen, um feste An haltspunkte zu gewinnen, als ich eine beträchtliche Anzahl handschrift licher Karten zu meinem Gebrauch vor mir sah, wurde ich nach und nach verleitet, meinen anfänglichen Plan zu erweitern. Statt in meiner Karte bloß die Namen von
300 wegen ihrer beträchtlichen Ausbeute be
kannten Gruben einzutragen, beschloß ich alle Materialien, die ich mir verschaffen konnte, zusammenzustellen und die Verschiedenheiten der Ortsbestimmungen, welche diese ungleichartigen Materialien darbo ten, genau zu untersuchen. Wie darf man über die in der Geographie von Mexico herrschende Unbestimmtheit erstaunen, wenn man die Hindernisse erwägt, welche von jeher den Fortschritten wissenschaft licher Kultur nicht allein in den spanischen Kolonien, sondern selbst im europäischen Mutterland im Weg standen; ja, wenn man vollends an den langen Frieden zurückdenkt, dessen sich diese Gegenden seit dem Anfang des
16.
Jahrhunderts erfreuen? In Hindostao trugen die Krie
1722-1782] und Tippoo-Sultan 1753-1799], die immerwährenden Durchzüge von Heeren
ge mit Hyder Ally [Haider Ali Khan [Tippu-Sahib
und die dadurch verursachte Notwendigkeit, die möglichste Kürze der Verbindungen aufzusuchen, vorzüglich dazu bei, die Geographie dieses Landes aufzuklären. Und doch reicht die genauere Kenntnis von Hindo stan, eines Erdstrichs, der von dem betriebsamsten Volk Europas nach allen Richtungen durchstrichen worden ist, nicht über
30 oder 40 Jahre
hinauf. Trotz meiner Bemühungen konnte ich voraussehen, daß bei einer angestrengten Arbeit von drei bis vier Monaten ich doch nur eine sehr unvollkommne Karte des Königreichs Neu-Spanien liefern würde, eine Karte, die sich nicht mit denen messen darf, welche wir von den lange zivilisierten Regionen unseres Weltteiles besitzen. Dieser Ge danke hat mich indes nicht mutlos gemacht. Denn bei der Betrachtung der Vorteile, die mir meine individuelle Lage darbot, konnte ich mir schmeicheln, daß meine Arbeit, ungeachtet aller bedeutenden Mängel, die sie entstellen, dennoch vollkommener als allessein müsse, was bisher über die Geographie von Neu-Spanien bekannt gemacht worden ist. Vielleicht, wird man mir einwenden, sei es noch nicht Zeit, die Gene-
*
Juan A. Ortega y Medina hat in seiner Ausgabe des Mexico-Werkes (Me
xico 1966) die Ausgabe "Piaster" durch "peso" ersetzt; wir folgen Humboldts Original.
12
Erster Band
ral-Karte eines Königreiches zu entwerfen, über dessen Ausdehnung es uns an genaueren Nachrichten fehlt. Allein aus demselben Grund müßte man mit Ausnahme der Provinz Quito und der Vereinigten Staa ten auch noch keine Karte vom Inneren des amerikanischen Konti nents, keine von mehreren Teilen Europas herausgeben, zum Beispiel von Spanien oder Polen - Länder, in denen man auf einer Oberfläche von mehr als 800 Quadratmeilen nicht einen einzigen Ort findet, dessen Lage durch astronomische Mittel bestimmt ist. Noch sind nicht fünf zehn Jahre verflossen, als in der Mitte von Deutschland kaum 20 Orte zu nennen waren, deren Länge man bis auf den 6. oder 8. Teil eines Grades kannte! Nördlich vom Parallelkreis von 24°, in dem Teil Neu-Spaniens, der die Provincias internas in sich begreift (in Neu-Mexico, im Gouvernement von Cohahuila, und in der Intendancia von Neu-Biscaya), ist der Geo graph darauf beschränkt, seine Kombinationen auf bloße Reisejournale zu gründen. Wegen der beträchtlichen Entfernung des Meeres von dem bewohntesten Teil dieser Länder bleibt ihm kein Mittel übrig, die im Inneren eines weitausgedehnten Kontinents liegenden Orte mit den etwas mehr bekannten Küstenpunkten zu verbinden. Jenseits der Stadt Durango, weiter gegen Chihuahua zu, irrt man sozusagen in einer Wüste. Mitten unter dem Vorrat unzusammenhängender handschriftlicher Nachrichten fand ich über jene nördlichen Erdstriche nicht mehr sichere Hilfsmittel, als dem Major Renneil beim Entwurf seiner Karten des Inneren von Afrika zu Gebote standen. Mit dieser geographischen Wüste kontrastiert der Teil von Mexico, welcher zwischen den Häfen von Acapulco und Veracruz, zwischen der Hauptstadt Mexico und dem Real1 von Guanajuato liegt. In dieser Gegend, der angebautesten und bewohntesten des Königreiches, welche ich vom Monat März 1803 bis in den Februar 1804 durchreiste, findet man eine beträchtliche Anzahl von Orten, deren Lage astronomisch bestimmt ist. -Um die Geogra phie dieser Länder gleichmäßig zu vervollkommnen, müßte ein im Beobachten geübter Reisender, mit einem hadleyschen Sextanten oder einem kleinen bordaiseben Wiederholungskreis, einer Längenuhr, einem achromatischen Fernrohr und einem tragbaren Barometer zur Höhe messung der Gebirge versehen, den Norden des Königreiches Neu-Spa nien in drei verschiedenen Richtungen durchwandern; sein Lauf müßte sich richten: 1. von der Stadt Guanajuato bis zum Presidio von Santa-Fe oder bis zum Dorf Taos in Neu-Mexico; 2. von der Mündung des Rio Grande del Norte, welcher sich in den mexicanischen Meerbusen er1
Das Wort Real bezeichnet einen Ort, in dem Bergbau betrieben wird.
Geographische Einleitung
13
gießt, bis zum Meer von Cortes (Golfo de California)2, vorzüglich bis zum Zusammenfluß des Rio Colorado und des Rio Gila; und 3. von der Stadt Mazathin in der Provinz Sinaloa bis zur Stadt Altamira, am linken Ufer des Rio de Panuco. Die
erste dieser drei Reisen würde die wichtigste und zugleich dieje
nige sein, bei welcher der Chronometer dem geringsten Temperatur wechsel ausgesetzt wäre. Dennoch wäre es ratsam, sich nicht auf den Transport der Zeit allein zu verlassen, sondern zu Bestimmung der Län gen Jupitertrabanten, Okkultationen der Gestirne und vorzüglich Monddistanzen zu beobachten, Mittel, welche seit den vortrefflichen Tabellen, die wir den Bemühungen Zachs, Delambres und Bürgs ver danken, den höchsten Grad des Zutrauens verdienen. Auf der astrono mischen Reise von Mexico nach Taos könnten meine Ortsbestimmun gen von San Juan del Rio, Queretaro, Celaya, Salamanca und Guana juato aufs neue geprüft werden; man würde zugleich die Längen und Breiten von San Luis Potosi, von Charcas, Zacatecas, Fresnillo und Sombrerete, fünf wegen des Reichtums ihrer Bergwerke weit berufene Orte, bestimmen; durch die Stadt Durango und Parral ginge der Weg nach Chihuahua, der Residenz des Statthalters der
Provincias internas,
und von da längs den Ufern des Rio Bravo durch den Paso del Norte bis zur Hauptstadt von Neu-Mexico und dem Dorf Taos, derzeit dem nördlichsten Punkt der Die
Provincias internas. zweite Reise, die mühsamste von allen, auf welcher der Beobach
ter einem brennend heißen Klima ausgesetzt wäre, könnte Fixpunkte in dem neuen Königreich Le6n in der Provinz Cohahuila, in Neu-Biscaya und in Sonora liefern. Die hierzu erforderlichen Operationen müßten von der Mündung des Rio Grande del Norte über den Bischofsitz von Monterrey bis zum Presidio von Moncloya ausgedehnt werden. Auf demselben Weg, auf welchem Carlos Francisco Marques de Croix, Vize könig von Mexico, im Jahre 1778 in die Provinz Tenas gelangte, käme der Beobachter nach Chihuahua und verbände so die zweite Reise mit der ersten; von Chihuahua aus gelangte er durch den Militärposten
(Presidio) von San Buenaventura zuerst zur Stadt Arizpe und nachher, sei es durch das Presidio von Tubac oder durch die Missionen von Pime rfa alta oder gar durch die von den Apaches-Indianern bewohnten Gras fluren, an die Mündung des Rio Gila. Die Resultate der
dritten Exkursion, auf welcher gleichsam das ganze
2 So nennen die spanischen Geographen die Bucht zwischen Sonora und Californien; das Rote Meer der französischen Reisebeschreiber. Anm. des
Übersetzers im Verlag Cotta.
14
Erster Band
Königreich seiner Breite nach von der Stadt Altamira bis zum Hafen von Mazathin durchstrichen würde, schlössen sich bei Sombrerete an die Resultate der ersten Reise an. Ein Umweg nach Norden könnte dazu dienen, die Lage der berühmten Bergwerke Catorce, Guarisamey, Rosario und Copala zu bestimmen. WenigeTage wären hinreichend, um die Breite und Länge jedes der soeben genannten Orte auszumitteln. Nur in den bedeutendsten Städten, wie in Zacatecas, San Luis Potosi, Monterrey, Durango, Chihuahua, Arizpe und Santa-Fe in Neu-Mexico, würde es nötig sein, wochenlang zu verweilen. Die oben angezeigten astronomischen Hilfsmittel gewähren leicht, ohne daß der Beobachter vorzüglich geschickt ist, eine Gewißheit von zwanzig Bogensekunden für die Breite und vom dritten Teil einer Zeitminute für die absolute Länge. Und wie viele bedeutende Städte gibt es nicht in Spanien und in dem östlichen und nördlichen Teil Europas, die weit von jener Genauig keit geographischer Ortbestimmung entfernt sind! Durch die wenig kostspielige Ausführung dieser drei Reisen, besonders der ersten, würde die Geographie von Neu-Spanien eine ganz andere Gestalt ge winnen. Die Lagen von Acapulco, von Veracruz und von Mexico wurden zu wiederholten Malen durch die von Galiano, Espinosa und Cevallos, von Gama, Ferrer und mir angestellten Beobachtungen berichtigt. Die im Hafen von San Blas stationierten königlichen See-Offiziere könnten durch eine einzige Exkursion die Lage der Bergwerke von Bolanos und von der Stadt Guadalajara festsetzen. Die Expedition der Herrn Ceval los und Herera, zweier Astronomen, welche von der Regierung beauf tragt worden sind, die Küsten des mexicanischen Meerbusens aufzuneh men, wird die Mündung des Rio Coatzacoalcos, südöstlich von Vera cruz, bestimmen. Wie leicht wäre es diesen geübten, mit vortrefflichen englischen Instrumenten versehenen Beobachtern, tiefer in das Land einzudringen und einen Strom zu befahren, der durch das Projekt eines Verbindungskanals zwischen dem antillischen Meer und dem großen Äquinoktial-Ozean berühmt geworden ist. Die Breite jener mexicani schen Landenge zwischen den Flüssen Chimalapa und Coatzacoalcos wird man nur dann erst vollkommen kennen, wenn die geographische Lage des Hafens Tehuantepec und der Barra de San Francisco (an der Mündung des Rio Chimalapa) bestimmt ist. Die Mittel, welche ich hier zur Vervollkommnung der mexicanischen Geographie vorschlage, sind leicht anwendbar und wenig kostspielig. Kaum gibt es auf dem ganzen Erdball ein Land, welches größere Vor teile für trigonometrische Messungen darböte als Neu-Spanien. Das große Tal von Mexico, die unermeßlichen Fluren von Celay a und Sala-
Geographische Einleitung
15
manca sind eben wie die Oberfläche der Gewässer, welche den alten Meeresboden eine Reihe von Jahrhunderten hindurch bedeckt haben.
1700 m über die Meeresküsten erhaben, von weitgesehenen Gebirgen ringförmig umgeben, laden gleichsam diese Fluren den Astronomen ein, einige Breitegrade an der nördlichsten Grenze des heißen Erdstri ches zu messen. In der Intendancia von Durango, in einem Teil der In tendancia von San Luis Potosf könnten auf einem mit Gräsern bedeck ten und von Wäldern entblößten Boden Dreiecke von außerordent licher Größe abgeteilt werden. Aber das ganze Königreich Neu-Spanien geometrisch aufzunehmen, ein trigonometrisches Netz über einen Erd raum zu werfen, der viermal größer als Frankreich ist, kann nur der raten, welcher wünscht, daß die spanische Regierung nie eine allge meine Karte ihrer reichen Besitzungen erhalte. Es wäre aufs wenigste unvorsichtig, den Hof von Madrid zu einer Unternehmung aufzufor dern, die zwar glänzend, aber viel zu weit ist, als daß man eine vollstän dige Ausführung je erwarten dürfte. Man hat die ängstliche Genauigkeit gerügt, mit welcher bei den Expeditionen der Hrn. Fidalgo und Char ruca königliche Seeoffiziere die kleinsten Buchten der südamerikani schen Karte untersuchten 3• Diese Arbeit war allerdings so mühsam wie kostspielig; aber ich glaube, man würde mit Unrecht diejenigen tadeln, welche dem spanischen Monarchen den kühnen Vorschlag einer ge nauen hydrographischen Aufnahme aller seiner europäischen, amerika nischen und asiatischen Besitzungen machten. Eine Seekarte kann in derTat nie zu ausführlich sein. Die Sicherheit der Schiffahrt, die Leich tigkeit, sich bei Annäherung ans Land zu orientieren, die Verteidigung gegen einen landungdrohenden Feind hängt von der genauesten Kennt nis der Küsten und des Meeresgrundes ab. Von geringer Wichtigkeit ist es oft, ob die Breite einer im Inneren des Landes gelegenen Stadt bis auf eine Minute genau angegeben sei; dagegen ist es unbedingt notwen dig, die Lage eines Vorgebirges durch die Vereinigung aller Hilfsmittel, welche die Astronomie darbietet, auszumitteln. Auf einer hydrographi schen Karte müssen alle Orte mit gleicher Genauigkeit bestimmt sein; jeder derselben muß als Fixpunkt dienen können, um bei der Abfahrt neue Längen daran anzureihen, kein Punkt ist ohne Beziehung auf die übrigen. Dagegen haben Karten vom Inneren eines weitausgedehnten 3
Einer der gelehrtesten Geographen des Jahrhunderts, Herr Rennell,
bemerkt, daß die Engländer die gerrauesten Karten ihrer Ankerplätze an der bengalischen Küste besitzen, während sie keine auch nur erträgliche Karte des Kanals aufzuweisen haben, welcher England von Irland trennt ( Description de l'Indostan, T. 1., Vorrede ) .
16
Erster Band
Landes schon dann noch ein großes Verdienst, wenn sie auch eine ge wisse Anzahl von Orten darbieten, deren Lage astronomisch bestimmt ist. Unter diesen Verhältnissen ist zu wünschen, daß man es noch nicht so bald unternehme, die spanischen Besitzungen im Inneren von Amerika mit derselben ängstlichen Genauigkeit wie die Küsten aufzunehmen. Bei der gegenwärtigen Lage der Dinge würde man sich schon mit einer Arbeit begnügen, die sich vorzugsweise auf den Gebrauch von Sextan ten und Chronometern, auf Mondentfernungen, auf Beobachtungen der Trabanten und Okkultationen der Gestirne gründete. Mit diesen rein astronomischen Hilfsmitteln könnte man noch andere verbinden, welche die natürliche Beschaffenheit des Landes und die beträchtliche Erhöhung einzeln emporragender Gipfel darbieten. Ist zum Beispiel die absolute Höhe dieser Gipfel bekannt, sei es mit Hilfe des Barome ters oder durch geometrische Messung, so können Höhenwinkel und Azimute mit der auf- oder untergehenden Sonne dazu dienen, diese Bergspitzen in Verbindung mit andern Punkten zu setzen, deren Breite und Länge hinreichend ausgemittelt ist. Diese Methode gibt senkrechte Basen; sie ist der analog, welche Lord Mulgrave die Methode der Mast höhen nennt. Schätzt man genau, um wieviel Meter man sich bei Mes sung der als Standlinie gebrauchten Höhe geirrt haben kann, so ist es leicht, durch den Kalkül falscher Voraussetzungen zu finden, wie groß der Einfluß dieses Irrtums auf die astronomische Lage des Berges oder auf die der übrigen damit in Verbindung stehenden Punkte sei. Oft kann die genaue Kenntnis der unteren Schneegrenze dieselben Vorteile wie ein isolierter Gipfel gewähren. Dieser und ähnlicher Methoden be diente ich mich, um den Unterschied der Länge zwischen der Haupt stadt Mexico und dem Hafen Veracruz zu prüfen. Zwei große Vulkane, der Vulkan von la Puebla oder Popocatepetl und der Pie von Orizaba sind beide sichtbar von der abgetragenen Spitze der alten Pyramide von Cholula. Mittels dieser feuerspeienden Berge habe ich zwei beinahe 160 000 Toisen voneinander entlegene Orte miteinander verbunden. Aus meinen geometrischen Gebirgsmessungen, nach meinen Azimuten und Höhenwinkeln, findet Herr Oltmanns den Hafen von Veracruz oh * 11' 32" westlich von Mexico; aus meinen rein astronomischen Beobach tungen ergibt sich der Unterschied der Meridiane um oh 11' 47". Modi fiziert man, wie man vollkommen berechtigt ist, das erstere Resultat durch einige auf der Pyramide von Cholula angestellte Nebenbeobach*
Dieses hochgestellte kleine "h" bedeutet horae
=
Stunden und bezeichnet
das Maß der chronometrischen Zeitübertragung oder einer Berechnung.
Geographische Einleitung
17
tungen, so findet man sogar oh 11' 41,3"; so daß in diesem einzelnen Fall, auf eine Entfernung von drei Graden, die Methode der Azimute nicht um 7 Zeitsekunden falsch befunden worden ist. Dieselben isolierten Gipfel, welche mitten aus einer ungeheuren Fläche einzeln emporragen, böten noch ein anderes und weit sichereres Mittel dar, in einem kurzen Zeitraum die Länge einer großen Anzahl benachbarter Orte mit der Genauigkeit weniger Zeitsekunden zu be stimmen. Pulversignale können in großen Entfernungen von Personen beobachtet werden, die mit Hilfsmitteln versehen sind, die wahre Zeit zu finden und zu bewahren. Cassini de Thury und Lacaille haben zuerst diese Signalmethode mit glücklichem Erfolg angewendet. Daß sie unter günstigen Umständen in wenigen Minuten Ortsbestimmungen liefern, die an Genauigkeit mit den Resultaten vielfacher Beobachtungen von Trabanten und Sonnenfinsternissen wetteifern, hat noch neulich Herr von Zach durch seine musterhaften, in Thüringen angestellten Opera tionen erwiesen. Im Königreich Neu-Spanien könnten die Signale auf dem Iztaccfhuatl oder der Sierra Nevada von Mexico, auf dem soge nannten Mönchsfelsen, einem isolierten Gipfel des Vulkans von Toluca, wohin ich am 29. September 1803 gelangte, auf dem Malinche bei Tlax cala, auf dem Cofre von Perote und auf anderen Bergen gegeben wer den, deren Gipfel ersteigbar sind und welche alle 3000 bis 4000 m über der Meeresfläche erhaben sind. Da die spanische Regierung mit außerordentlicher Freigebigkeit die bedeutendsten Opfer für die Vervollkommnung der nautischen Astro nomie und für die genaue Aufnahme der Küsten gemacht hat, so darf man hoffen, daß sie nicht länger säumen werde, sich auch mit der Geo graphie ihrer weit ausgedehnten Besitzungen in Amerika zu beschäfti gen. In der königlichen Marine fehlt es weder an Instrumenten noch an geübten Astronomen. Die Bergakademie von Mexico, in welcher das Studium der höheren Mathematik gründlich betrieben wird, verbreitet über die Oberfläche dieses unermeßlichen Reiches eine große Anzahl junger Männer, die von dem edelsten Eifer beseelt und fähig sind, sich der astronomischen Instrumente zu bedienen, die man ihnen anver trauen würde. Durch ähnliche Mittel hat es die Britisch Ostindische Companie dahin gebracht, sich genaue Karten eines Länderbezirkes zu verschaffen, der England und Frankreich zusammengenommen an Größe übertrifft4• Jene Zeiten sind vorüber, in welchen die Könige wähnten, sich durch Verheimlichung ihre Staatskräfte zu sichern, in welchen sie sich nicht getrauten, fremden Nationen die Reichtümer 4
Rennen, Sur l'Indostan, Tom. 1., p. 17.
18
Erster Band
ihrer Besitzungen in Indien zu enthüllen. Auf ausdrücklichen Befehl Carlos IV hat man in Madrid angefangen, die Aufnahme der Küsten und Häfen auf öffentliche Kosten bekannt zu machen, ohne durch die Besorgnis abgeschreckt zu werden, gerraue Pläne von Havanna, des Hafens von Veracruz, der Mündung des Rfo de la Plata und andrer Kriegsplätze in den Händen von Nationen zu sehen, welche durch die Ereignisse der Zeit zu Feinden Spaniens geworden sind. Eine der vor trefflichen, vom Deposita Hidrogrdfico de Madrid herausgegebenen Karten liefert sogar die wichtigsten Aufschlüsse über das Innere der Provinz Paraguay, Aufschlüsse, die sich auf die Operationen gründen, welche die bei der portugiesischen Grenzberichtigung angestellten kö niglichen See-Offiziere angeführt haben. Nächst den Karten von Ägy p ten und einiger Teile Ostindiens ist die von Maldonacta entworfene Karte des Königreiches Quito die gerraueste Arbeit, welche bisher über eine außereuropäische Kontinentalbesitzung geliefert worden ist. Diese Tatsachen beweisen hinlänglich, daß die spanische Regierung seit 15 Jahren die Fortschritte der amerikanischen Geographie nicht bloß nicht gefürchtet, sondern sogar daß sie alles, was sie von wichtigen Materia lien über ihre Kolonien in beiden Indien besitzt, bekannt gemacht hat. Nachdem ich ausführlich die Mittel angezeigt habe, welche mir am tauglichsten scheinen, uns in kurzer Zeit vollkommenere Karten des Königreichs Neu-Spanien zu verschaffen, werde ich mich mit einer kurzgefaßten Auseinandersetzung der Materialien beschäftigen, die mir für meine eigene geographische Arbeit zu Gebote standen. Die Generalkarte des Königreiches Neu-Spanien ist wie alle Karten, die ich während meiner Reise gezeichnet, nach Mercators Projektion (mit wachsenden Breitengraden) entworfen. Diese Projektion hat den Vorteil, den wahren Abstand eines Ortes vom andern unmittelbar anzu geben. Sie ist zugleich die bequemste für die Seefahrer, welche die Kolonien besuchen und die Lage ihres Schiffes auf hohem Meer nach zwei weitgesehenen Küstenpunkten bestimmen, eine Methode, in der der kleinste Irrtum in der Position der gebrauchten Punkte den größten Einfluß auf den Schneidepunkt der Visierlinien hat. Hätte ich unter ste reographischen Projektionen zu wählen gehabt, so würde ich gewiß der Murdochschen, die allgemein angenommen zu werden verdiente, den Vorzug gegeben haben. Der Maßstab meiner Karte ist von 32 mm für jeden Grad des Äquators. Die Skala wachsender Breitengrade gründet sich nicht auf die von Don Jorge Juan berechneten Tabellen, sondern auf die, welche Herr Mendoza für das Sphaeroid entworfen hat. Um meiner mexicanischen Karte eine schicklichere Form zu geben,
Geographische Einleitung
19
habe ich mich auf einen Raum beschränkt, der zwischen dem 15. und
41. Grad nördlicher Breite und zwischen dem 96. bis zum 117. Grad der Länge eingeschlossen ist. Diese Beschränkung gestattete nicht, auf der selben Kupferplatte die Intendancia von Merida oder die Halbinsel von Yucatan, die zum Königreich Neu-Spanien gehört, darzustellen. Um den östlichsten Punkt, nämlich das Vorgebirge Catoche oder vielmehr die Insel Cozumel mit in die Karte zu bringen, hätten noch 7 Längen grade hinzugesetzt werden müssen; dadurch wäre ich genötigt gewesen, auf derselben Platte ein Stück des Königreichs Guatemala, worüber ich durchaus keine genaueren Nachrichten hatte, ganz Louisiana, ganz West-Florida nebst einem Teil vom Tennessee- und vom Ohio-Staat mit darzustellen. Vergebens sucht man auf dieser General-Karte von Mexico die spani schen Niederlassungen auf der nordwestlichen Küste von Amerika, Be sitzungen, welche man als Kolonien, von Mexicos Hauptstadt abhän gig, ansehen kann. Um auf derselben Karte auch die Missionen von Neu-Califomien * anzuzeigen, hätte ich mich westlich noch um acht Längengrade weiter ausdehnen müssen; denn der nördlichste Punkt des Königreiches, das Presidio de San Francisco, liegt nach Vancouver unter dem 37° 48' 30" nördlicher Breite und unter dem 124° 27' 45" westlicher Länge. Folglich müßte eine Karte von Neu-Spanien, um den Namen ei ner Generalkarte recht eigentlich zu verdienen, das ungeheure Land umfassen, welches zwischen dem 89. und 125. Grad der Länge und zwi schen dem 15. und 38. Grad der Breite begriffen ist. Ich habe gesucht, der Schwierigkeit auszuweichen, nach einem gleich großen Maßstab Länder darzustellen, welche in staatswirtschaftlicher Hinsicht keines wegs von gleicher Wichtigkeit sind. Ich hielt es daher für ratsam, meine größere Arbeit auf engere Grenzen einzuschränken, zugleich aber, nach einer kleineren Skale, eine zweite Karte zu entwerfen, welche nicht allein einen vollständigen Überblick über alle vom Vizekönigreich Mexico abhängenden Länder gestattet, sondern auch über die verschie denen Vorschläge, den Atlantischen Ozean mit der Südsee zu verbinden, einiges Licht verbreitet. Daß politische Gründe mich bewogen haben, diese letztere Karte bis Washington und Philadelphia und bis zur Mün dung des Rio San Juan, in der Provinz Choco, auszudehnen, wird in der Folge dieses Werkes näher entwickelt werden. Obgleich ich den öfters von mir ausgesprochenen Grundsätzen ge treu bleibe, die neuen Maße den alten vorzuziehen, so bediene ich mich
*
Neu-Californien =das Gebiet des heutigen Bundesstaates der USA; Alt
Californien =das Gebiet der Halbinsel Nieder-Californien.
20
Erster Band
dennoch nicht bei meinen Karten der Centesimalskalen. Da das Bureau des Longitudes zu Paris, sowohl in der >Connaissance des temps< wie in
den neuen, kürzlich erschienenen > Tables astronomiquesChart of the West-Indies and spanish Dominions in North-America by Ar rowsmithConnaissance des temps< zu einer Zeit berechnet, zu der man noch glaubte, Cadiz liege 8° 36' 30" westlich von Paris. Nach denselben Grundsätzen habe ich auch die oben erwähnten absoluten Längen von Jalapa, des Cofre de Perote und des Pie von Ori zaba modifiziert. So z. B. setzt Herr Ferrer den letzteren Berg in 90° 48' 23" Länge westlich von Cadiz, während er nach demselben Meridian für Veracruz 89° 41' 45" annimmt.
Alt- und Neu-Californien und Provincias internas Im nordwestlichen Teil von Neu-Spanien, an der Küste von Califor nien, und nördlicher in dem schmalen Erdstrich, welchen die Engländer Neu-Albion nennen, trifft man mehrere Punkte an, welche durch die gerrauesten geodätischen und astronomischen Beobachtungen von Cuadra, Galeano und Vancouver bestimmt worden sind. In derTat sind wenige Teile von Buropa ausführlicher aufgenommen worden als das
Geographische Einleitung
39
nordwestliche Amerika, vorzüglich die Küste, welche sich vom Vor gebirge Mendocino bis zur Meerenge der Königin Charlotte[Straße] erstreckt. Cortez, nachdem er in den Jahren 1532 und 1533 zwei Entdeckungs reisen durch Diego Hurtado de Mendoza, Diego Becerra und Her nando von Grijalva hatte unternehmen lassen, erforschte selbst 1533 die Küsten von Californien und den Meerbusen, welcher seitdem mit Recht bei den Spaniern den Namen Mar de Cortez trägt26. 1542 drang der kühne Juan Rodriguez Cabrillo bis zum 44. Grad nördlicher Breite vor; Juan Gaetano * entdeckte die Sandwich-Inseln [Hawaii-In.] und Fran cisco Gali 1582 die nordwestliche Küste von Amerika unter 57° 30' der Breite. So hatten also spanische Seefahrer diese entlegenen Weltgegen den lange vorher besucht, ehe Cook den Teil des Großen Ozeans durch forschte, in dem er sein ruhmvolles Leben endigte. Nicht immer hängt es von dem Entdecker ab, daß sein Werk schnell und allgemein verbrei tet den Zeitgenossen kund werde. Das innere Verdienst eines Privat mannes besteht für sich, dieses sollte die Nachwelt nie verkennen, wenn sie auch mit gerechtem Tadel eine Regierung verfolgt, durch deren illi berale Politik der Nationalruhm lange geschmälert worden ist. Ich darf mich hier nicht auf den Streit über die Priorität englischer, spanischer und französischer Entdeckungen einlassen. Dieser schwer zu behan delnde Gegenstand ist vor kurzem mit vieler Sachkenntnis sowohl in der historischen Einleitung zu Marchands Reise als auch in der Abhand lung erörtert, welche der Übersicht aller durch Spanier nach der Meer enge de Fuca unternommenen Reisen vorangeht. Die Beobachtung des Durchgangs der Venus durch die Sonnen scheibe 1769 veranlaßte die Reise der Herrn Chappe, Doz und Velaz quez, dreier Astronomen, von denen der erste ein Franzose, der zweite ein Spanier, der dritte ein Mexicaner und, was noch merkwürdiger ist, Zögling eines sehr verständigen Indianers aus dem Dorfe Jaltocan ,war. Aber schon früher als diese Gelehrten nach Californien kamen, hatte Don Miguel Constanz6, nunmehriger Brigadier und Direktor der Inge nieurkorps, die wahre Breite des Vorgebirges San Lucas und der Mis sion von Santa Rosa bestimmt. Dieser würdige Offizier, welcher sich mit der Geographie des Landes aufs eifrigste beschäftigt, fand durch Gnomonen und durch englische, mit großem Fleiß verfertigte Oktanten 26
*
Gomara: Hist., cap. 12. Juan Gaetano war 1542 Teilnehmer der Fahrt des R. L. de Villalbos zu den
Philippinen. Entdecker der Hawaii-Inseln war 1778 James Cook; hierzu Diet mar Henze, a. a. 0. II, S. 310.
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Erster Band
San Jose unter 23° 2' 0", das Vorgebirge San Lucas unter 22° 48' 10". Man hatte bis dahin geglaubt, wie auch Alzates Karte beweist, San Jose liege unter dem 22. Grad der Breite. Das Detail der von Cassini bekanntgemachten Beobachtungen des Abbe Chappe ist eben auch nicht dazu geeignet, großes Zutrauen zu den Resultaten zu erregen. Mit einem Quadranten von 3 Fuß im Halb messer fand Chappe San Jose durch Arcturus unter 23° 4' 1" und durch Antares unter 23° 3' 12" der Breite. Die Mittelzahl aller Sternbeobach tungen ist von dem aus den Durchgängen der Sonne durch den Meri dian gezogenen Resultat um 31" verschieden. Unter den Sonnenbeob achtungen gibt es einige, die um 1' 19" voneinander verschieden sind. Indessen nennt Herr Cassini diese Beobachtungen "sehr genau, und miteinander übereinstimmend" 27• Ich führe diese Beispiele nicht an, um den Ruhm von Astronomen zu schmälern, welche soviel andere An sprüche auf unsere Achtung haben, sondern nur um zu beweisen, daß ein Sextant von 5 Zoll im Halbmesser dem Abbe Chappe mehr Vorteil gewährt haben würde als sein mühsam aufzustellender und schwer zu berichtigender Quadrant von 3 Fuß. Don Vicente Doz setzte San Jose unter 23° 5' 15" der Breite. Die Länge dieses kleinen Dorfes, das in den Jahrbüchern der Astronomie berühmt geworden ist, wurde aus dem Durchgang der Venus und aus Verfinsterungen von Jupitertrabantan abgeleitet, welche Chappe beobachtete und mit den Wargentinschen Tafeln verglich. Herr Cassini bestimmte diese Länge durch eine Mittel h h zahl auf J 28' 10" oder 112° 2' 30". Pater Hell fand für San Jose 7 37' 57". Die Länge, welche sich aus Chappes Beobachtungen ergibt, ist um 3° 12' östlicher als die, welche im Jahr 1768 aufAlzates Karte aufgenom men wurde28• Auch Herr Vehizquez, der obengenannte mexicanische Astronom, hatte sich im Dorf Santa Ana ein kleines Observatorium erbauen lassen, auf dem er den Durchgang der Venus allein beobachtete. Er teilte das Resultat seiner Beobachtung Herrn Chappe und Don Vi cente Doz mit. Cassini hat es publiziert, und es stimmt vollkommen mit den handschriftlich aufgezeichneten Beobachtungen von Vehizquez überein, welche ich mir zu Mexico verschaffte. Man könnte daraus die Länge von Santa Ana herleiten.
Übrigens
kannte Velazquez schon vor
der Ankunft des Abbe Chappe den ungeheueren Fehler der Länge von Californien, der bis dahin in allen Karten wiederholt wurde. Velazquez hatte bereits 1768 in der Mission von Santa Rosa Verfinsterungen von 27
Voyage en Californie, p. 106.
28
Nouvelle Carte de l'Amerique septentrianale dediee a l'Academie royale
des sciences de Paris, par Don Jose Antonio de Alzate et Ramirez 1768.
Geographische Einleitung
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Jupitertrabanten beobachtet29, und er teilte den französischen und spa nischen Astronomen seine Ortsbestimmungen mit, ehe diese selbst irgendeine Beobachtung anstellen konnten. Die Lage des Vorgebirges San Lucas, das zu Cortes Zeiten Punta de Santiaga hieß30, wurde von spanischen Seefahrern bestimmt. Ich ersah aus den Handschriften 3\ welche in den Archiven des Vizekönigreichs Mexico aufbewahrt liegen und auf Befehl des Chevalier Asanza mit vie lem Fleiß geordnet worden sind, daß Herr Cuadra * das Vorgebirge San Lucas unter 22° 52' der Breite und 4° 40' westlich vom Hafen San Blas gefunden habe, woraus sich, wenn wir San Blas mit Malaspina unter 107° 41' 30" setzen, für das südlichste Vorgebirge von Californien 112° 21' 30" ergibt. Malaspinas Expedition setzte dagegen (nach Herrn Antillons Versicherung) das Vorgebirge San Lucas unter 22° 52' der Breite und 112° 16' 47" der Länge. Diese durch Chronometer festgesetzte Position findet sich auch in dem Atlas, der die Reise der Spanier nach der Meer enge Fuca begleitete; sie ist doch noch um 17' 15" westlicher als die, welche (ich weiß nicht, auf wessen Autorität) in die >Connaissance des
29
Estado de la Geograffa de la Nueva Espaftay modo de perfeccionar la per
[cepci6n] Don Jose Antonio de Alzate (Periodico de Mexico, Diciembre 1772, n°. 7, p. 55). 30
Mapa de California por Domingo de Castillo, 1541.
31
Herr Asanza, ehemaliger Vizekönig von Mexico, hatte Herrn Casasola,
Fregatten-Leutnant der königlichen Marine, beauftragt, in vier Handschriften alles dasjenige zusammenzustellen, was auf die unter den Vizekönigen Bucareli, Flores und Revillagigedo nach dem Norden von Californien unternommenen Seereisen Bezug haben könnte. Diese Arbeiten bestehen 1. aus einem auf die Beobachtungen der Herren Perez, Canisarez, Galiano, Cuadra und Malaspina sich gründenden Atlas; 2. aus einem großen Folio-Band unter dem Titel >Com pendio hist6rico de las Navegaciones sobre las costas septentrianales de Califor nia ordenado en 1799 en la ciudad de MexicoReconocimiento de los quatro Establecimientos Russos al Norte de la California en 1788Relaci6n del Viage de las Goletas Sutily Mexicana< bereits öffentlich bekannt gemacht worden. *
Gemeint ist Juan Francisco Bodegay Cuadra (Quadra) (um 1740-1794),
spanischer Erforscher der NW-Küste Amerikas.
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Erster Band
temps< für das Jahr 1808 aufgenommen worden ist. Der Meridianunter schied, den ich zwischen San Jose und dem Vorgebirge San Lucas an genommen habe, beträgt 14' 17"; es ist jedoch zu bemerken, daß diese beiden Punkte nicht chronometrisch oder durch korrespondierende Be obachtungen aufeinander reduziert worden sind. Absolute Ortsbestim mungen können leicht zu Irrtümern verleiten, die um so auffallender werden, je geringer die Entfernungen sind. Nach Notizen (die ich von Personen eingezogen habe, welche diese unfruchtbaren und wüsten Gegenden besuchten) scheint in der Tat der Längenunterschied etwas beträchtlicher zu sein. Zu Cortes Zeiten glaubte man, das Vorgebirge San Lucas liege unter dem 22. Grad der Breite und 10° 50' westlich vom Meridian von Acapulco, eine relative Länge, die, was sehr auffallend ist, fast auf einen halben Grad richtig ist. Die Küsten von Neu-Californien wurden mit der sorgfältigsten Ge nauigkeit durch eine 1792 unternommene spanische Expedition (durch die Goeletten Sutil und Mexicana) aufgenommen; ein Gleiches geschah vom 30. Grad der Breite an oder von der Mission von Santo Domingo nördlich durch Vancouver und seine Begleiter. Malaspina und der unglückliche La Perouse hatten beide zu Monterrey Beobachtungen an gestellt. So wahrscheinlich es auch ist, daß in diesen Regionen die Rich tung der Küsten und der Meridianunterschied zwischen den verschie denen Punkten mit vollkommener Genauigkeit ausgemittelt worden sei, so fühlt man sich doch oft in nicht geringer Verlegenheit wegen der absoluten Länge. Die von Vancouver gemessenen Monddistanzen setzen die nordwestliche Küste von Amerika um 28' weiter gegen Osten, als sie nach Cooks und Malaspinas Beobachtungen liegen 32! Bei diesem Widerspruch lohnte es in der Tat der Mühe, den Einfluß der neuen Bürg schen Mondtafeln oder korrespondierender Mondhöhen auf die Obser vationen des englischen Seefahrers zu untersuchen. Ich glaubte, der ab soluten, durch Malaspina bestimmten Länge von Monterrey nicht bloß deshalb den Vorzug geben zu müssen, weil sie auf Okkultationen [vor übergehendes Verschwinden eines Gestirns] der Gestirne und Vertinste rungen der Jupitertrabanten gegründet ist, sondern vorzüglich deshalb, weil diese spanischen Beobachtungen Neu-Californien gleichsam chro nometrisch an das alte anknüpfen. Die Korvetten La Discubierta und I.:Atrevida, welche unter den Befehlen des Don Alessandro Malaspina standen, haben mit Seeuhren den Meridianunterschied zwischen Aca pulco, San Blas, dem Vorgebirge San Lucas und Monterrey bestimmt. Setzt man Vancouvers Angabe gemäß den letzteren Hafen weiter nach 32
Voyage de Vancouver autour du monde, T. II, p. 46.
Geographische Einleitung
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Osten, so schwebt man in Ungewißheit über die Lage der südlicheren Küsten. Um diesen Schwierigkeiten auszuweichen, setzte ich mit Malaspina Monterrey unter 36° 35' 45" der Breite und 124° 23' 45" der Länge 33• La Perouse 34 fand die Lage dieses Ortes durch Monddistan zen unter 123° 34' 0", durch Chronometer unter 124° 3' 0"35. Die von Vancouver aus 1200 Distanzen des Mondes von der Sonne abgeleitete Länge beträgt 123° 54' 30". Da es diesem letzteren nicht an Muße fehlte, die Lage der Küsten mit der ängstlichsten Genauigkeit aufzunehmen, so glaubte ich versichert zu sein, mich an dem von ihm angegebenen Meridianunterschied zwischen Monterrey und den Missionen von San Diego, San Juan, San Buenaventura, San Barbara und San Francisco zu halten. Auf diese Weise wurden sämtliche Positionen dieser Punkte auf die von Monterrey zurückgeführt. Hätte ich im Gegenteil die ganze nordwestliche Küste einzig und allein nach Vancouvers Beobachtungen entworfen, so würde ich auch das Vorgebirge San Lucas weiter gegen Osten haben rücken müssen. Für den gegenwärtigen Zweck ist es hin reichend, die Aufmerksamkeit der Astronomen auf den bedeutenden Unterschied zu richten, welcher noch immer trotz so vieler und mühe voller Arbeiten zwischen den neuesten englischen und spanischen Be obachtungen obwaltet. Ich habe Gründe zu vermuten, daß die absolu ten Positionen, an die wir uns für Acapulco, San Blas und das Vorge birge San Lucas halten, ziemlich genau sind und daß man den Irrtum von ± 28' in Bogen erst weiter nach Norden hin suchen müsse. Eine falsche Annahme im täglichen Gang der Seeuhren und der Zustand der älteren Mondtafeln von Mayer und Mason können viel zu diesem Irrtum beigetragen haben. Nach genauer Untersuchung aller mexicanischen Ortsbestimmungen, die sich auf vollständige, von geübten Astronomen angestellte Beobachtungen gründen, gehe ich zu denjenigen über, wel che man als zweifelhaft ansehen muß, entweder weil die gebrauchten Instrumente unvollkommen waren oder weil der Name der Beobachter geringes Zutrauen einflößt oder gar weil man besorgen muß, daß die Resultate aus unrichtig abgeschriebenen Handschriften entlehnt sind. Ich stelle hier zusammen, was ich von alten astronomischen Beobach tungen auffinden konnte. Man darf sich dieser Materialien nur mit Vorsicht bedienen; doch sind sie trotz ihrer Unvollständigkeit für die
34
Am'ilisis de Ia Carta de Antillon, 1803, p. 50. Voyage, T. III, p. 304.
35
Herr Triesnecker findet, indem er La Perouses Resultate mittels Green
33
wicher Mondhöhen verbessert, 123° 3 4' 0" statt 123° 42' 12" der Länge (Zach. Corr., B. I, p. 173).
Erster Band
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Geographie eines noch so wenig bekannten Landes von nicht geringer Wichtigkeit. Den Jesuiten gebührt das Verdienst, zuerst den Meerbusen von Cali fornien oder das Meer von Cortes untersucht zu haben. Pater Kino [Eu sebius Franz Kühn, geb. 1664 in Nonsberg/Südtirol- gest. 1711 in Santa Maria Magdalena!Mexico], ehemaliger Professor der Mathematik zu Ingotstadt und ein erklärter Gegner des mexicanischen Geometers Sigüenza, gegen den er mehrere Schriften herausgab, gelangte 1701 an den Zusammenfluß der großen Ströme Gila und Colorado. Er be stimmte durch einen Sonnenring die Breite dieser Junta auf 35° 30'. Ich ersehe aus der handschriftlichen, 1541 von Domingo de CastiBo entwor fenen und in den Archiven der Familie Cortes aufgefundenen Karte, daß man schon am Anfang des 16. Jahrhunderts am nordöstlichen Ende des Busens zwei Ströme kannte, die sich unter 33° 40' der Breite zu ver einigen schienen; man nannte sie Rio de Buena Guia und Brazo de Miraflores. Drei Jahre früher, 1538, bestimmte Pater Pedro Nadal durch die Mittagshöhe der Sonne den Zusammenfluß des Gila und Colorado zu 35° 0'. Fray Marcos de Niza setzt ihn unter 34° 30'. Dies sind wahr scheinlich die Grundlagen, auf welche sich Delisie stützte, wenn er in seinen Karten 34° annahm. In einem zu Mexico gedruckten Werk36 sind neuere Beobachtungen angeführt, welche (aber wiederum mittels eines Sonnenrings) von zwei unterrichteten Franziskanern, Fray Juan Diaz und Fray Pedro Font, angestellt wurden, Beobachtungen, welche unter einander übereinstimmen und zu beweisen scheinen, daß die Juntas weit südlicher liegen, als man bisher glaubte. Pater Diaz fand 1774 an der Mündung des Gila zwei Tage hintereinander 32° 44'; Pater Font ebendaselbst 1775 32° 47'. Ersterer versichert überdies, die bloße Be trachtung des Weges, den er zurücklegte, d. h. die nach dem Kompaß aufgezeichneten Richtungen und Entfernungen, gäbe zu erkennen, daß die Juntas unmöglich unter 35° Breite liegen können. Auch sind die von Pater Font 1777 den Missionen von Monterrey, von San Diego und San Francisco zugeschriebenen Positionen nur um einige Minuten von Van couvers und Malaspinas Resultaten verschieden. Dieser Umstand kann das Zutrauen vermehren, welches man in die Genauigkeit jener Mönchs arbeit setzen kann, es sei denn, daß die Missionare sich erlaubt haben, die ihnen von geschickten Lotsen an der Küste gelieferten Angaben abzuschreiben und in ihr Journal einzutragen. Übrigens ist es gewiß, daß ein eifriger Beobachter, wenngleich mit unvollkommenen Hilfsmit teln ausgerüstet, oft zu sehr befriedigenden Resultaten gelangen könne. 36
Cronica serafica de QuenStaro, P. II, 1792, Prologo.
Geographische Einleitung
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Bouguer bediente sich bei seinen Breitenbestimmungen auf dem Mag daleuenfluß eines
7 bis 8 Fuß hohen Gnomons und einiger Bambus
rohre als Maßstäben; dennoch sind seine Angaben gewöhnlich nur um
4 bis 5 Minuten von den Breiten verschieden, die ich 59 Jahre später mittels englischer Sextanten gefunden habe. Pater Foot scheint mit seinem Sonnenring bei Bestimmung der Breite der drei Missionen von San Gabriel, von San Antonico de los Robles und von Luis Obispo minder glücklich gewesen zu sein. Er setzt die erste derselben unter
32° 37', die zweite unter 36° 2' und die dritte unter 35°
17'. Bei Vergleichung dieser Positionen mit VancouversAtlas finde ich Irr tümer in den Angaben, die sich bald auf+
1 11', bald auf- 23' belau o
fen. Zwar hat der englische Seefahrer jene drei Missionen nicht selbst besucht, allein er konnte sie mit der benachbarten Küste vergleichen, deren Lage er genau kannte. Man sieht hieraus, wieviel Ungewißheit alle mit Sonnenringen angestellte Beobachtungen übrig lassen. Fray
las Casas grandes * genannt werden; sie liegen nach seiner Angabe unter 33° 30'. Diese letztere Ortsbestimmung, falls sie anders richtig ist, hat Pedro Foot besuchte auch die berufenen Azteken-Ruinen, welche
ein großes Interesse. Sie bezeichnet einen Sitz früher Bildung des wan dernden Menschengeschlechts! Man muß diesen zweiten Aufenthaltsort der Azteken, aus dem sie durch Tarahumara nach Colhuacan zogen, nicht mit dem dritten Wohnsitz oder den Casas graudes verwechseln, welche südlich vom Presidio von Janos in der Intendencia von Neu Biscaya liegen. Ich wünschte, die Beobachtungen des Jesuiten Juan Hugarte zu kennen, welcher
1721 nach HerrnAntillons Zeugnis die feh
lerhaftenAngaben der Karten von Californien verbesserte. Doch ist die Behauptung unrichtig, Hugarte habe zuerst dieses Land für eine Halb insel erkannt; denn schon im
16. Jahrhundert leugnete niemand im gan
zen Königreich Mexico eine Tatsache, über die man lange nachher in Europa Zweifel zu verbreiten anfing37• Unter die etwas zweifelhaften astronomischen Beobachtungen rechne ich auch diejenigen, welche von mehreren spanischen Inge nieuroffizieren auf den beschwerlichen Reisen angestellt wurden, die sie nach den Militärposten an der nördlichen Grenze von Neu-Spanien un37
1539 untersuchte Francisco de Ulloa auf einer auf Cortez Unkosten unter
nommenen Reise den Meerbusen von Californien bis zu den Mündungen des Rfo Colorado. Der abenteuerliche Gedanke, Californien sei eine Insel, ent stand im 17. Jahrhundert (AntillonAm'ilisis, p. 47, n°. 55). *
Siehe Band V dieser Studienausgabe, S. 105f. mit Fußn.
Erster Band
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ternahmen. Ich verschaffte mir zu Mexico drei Tagebücher: 1. die schon im Jahr 1724 verfaßte Reiseroute des Brigadiers Don Pedro de Rivera; 2. das Tagebuch des Don Nicolas Lafora, welcher den Marques von Rubi bei seiner Untersuchung einer Verteidigungslinie der Provincias internas im Jahr 1765 begleitete; und 3. die Handschrift der Reise des Ingenieurs Don Manuel Mascara von Mexico nach Chihuahua und Arizpe 38• Alle diese achtungswerten Offiziere versichern, Mittagshöhen der Sonne beobachtet zu haben. Welcher Instrumente sie sich bedien ten, ist mir unbekannt, und man kann befürchten, daß die mir zugekom menen Manuskripte nicht immer genau abgeschrieben sind; denn nach dem ich mir die Mühe gegeben hatte, die Breite nach den angegebenen Streichungslinien und Entfernungen zu berechnen, fand ich häufig Re sultate, die mit den von diesen Reisenden beobachteten Breiten gar nicht übereinstimmten. Dieselbe Bemerkung haben bereits die Herren Bauza und Antillon zu Madrid gemacht. Ich bedaure sehr, daß keine der absoluten Ortsbestimmungen jener drei Ingenieuroffiziere sich auf einen Ort bezieht, dessen Breite durch Herrn Ferrer oder mich sorgfäl tig ausgemittelt worden ist. Herr Mascara hat zwar zu Queretaro beob achtet. Seine Breite unterscheidet sich von der meinigen um volle 10', aber mein Resultat gründet sich nicht auf Kulminationsbeobachtungen, sondern auf eine Methode, die der von Dowes analog ist und eine Un gewißheit von zwei Bogenminuten läßt. Diese Tagebücher, so viele Zweifel man auch gegen sie aufstellen kann, haben dennoch einen großen geographischen Wert, den vorzüglich diejenigen anerkennen müssen, die, wie ich, Karten eines unbekannten, von unterrichteten Reisenden so wenig besuchten Weltteiles entwerfen sollen. Wir begnü gen uns hier bei einigen der wichtigsten Punkte zu verweilen. Herr Jefferson, Präsident der nordamerikanischen Freistaaten, unter suchte in seinem klassischen Werk über Virginien die Lage des Presidio von Santa Fe in Neu-Mexico; er glaubt, es liege unter 38° 10' der Breite, zieht man aber eine Mittelzahl aus den direkten, von dem Ingenieur La38
1. Derotero del Brigadier don Pedro de Rivera en la visita que hizo de los
Presidios de las Fronteras de Nueva Espafia en 1724; 2. Itinerario del mismo au tor de Zacatecas a la Nueva Biscaya; 3. Itinerario del mismo autor desde el Pre sidio del Paso del Norte hasta el de Janos; 4. Diaria de Don Nicolas de Lafora en su Viage a las Provincias Internas en 1766; 5. Derotero del mismo autor de la Villa de Chihuahua al Presidio del Paso del Norte; 6. Derotero de Mexico a Chi huahua por el Ingeniero Don Manuel Mascara en 1778; 7. Derotero del mismo autor desde Chihuahua a Arizpe Mission de Sonora; 8. Derotero del mismo au tor desde Arizpe a Mexico en 1785. Die Originale dieser acht Handschriften werden in den Archiven des Vizekönigreichs Mexico aufbewahrt.
Geographische Einleitung
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fora und von den Mönchen Velez und Escalante angestellten Beobach tungen, so erhält man 36° 12'. Die Herren Bauza und Antillon finden durch sinnreiche Zusammenstellungen und indem sie Santa Fe auf das Presidio de l'Altar und dieses Presidium auf die Küsten von Sanara reduzieren, daß Santa Fe in Neu-Mexico 4° 21' westlich von der Haupt stadt Mexico liege39. Herrn AntiHans Karte selbst setzt den Unter schied der Länge auf 50'. Ich gelangte, ohne die Arbeiten dieser ge schickten spanischen Astronomen zu kennen, zu einem noch größeren Meridianunterschied. Ich bestimmte die Länge von Durango durch eine von Doktor Oteiza beobachtete Mondfinsternis; diese Lage stimmt ganz mit der von Antillon angenommenen überein; ferner berechnete ich in der Voraussetzung, Durango liege unter 24° 30' und Chihuahua, die Hauptstadt von Neu-Biscaya, wo Mascar6 lange Zeit Beobach tungen anstellte, unter 28° 45' Breite, den Wert der von dem Brigadier Ribera im Tagebuch seiner Reise angegebenen Meilen. Aus den Entfer nungen und Windstrichen des Seekompasses fand ich durch Konstruk tion 53' für den Unterschied der Meridiane von Durango und Chihua hua, woraus sich eine Verschiedenheit der Länge von 5° 48' zwischen Mexico und Santa Fe ergibt. Die letztere Differenz mußte übrigens natürlich größer ausfallen als die, welche Bauza und Antillon angeben, da jene beiden Geographen die Hauptstadt Mexico um 37 Bogenminuten zu weit nach Westen setzen. Vielleicht aber hängt die Position, welche sie Santa Fe zuschreiben, eher von der Länge von San Blas und Aca pulco als von der Länge von Mexico ab. Meinen Untersuchungen zu folge liegt Santa Fe unter 107° 13' absoluter Länge, nach Bauza und Antillon unter 107° 2'. Diese Ortsbestimmung hat alle Wahrscheinlichkeit für sich; sie ist um so 28' östlicher als die, welche eine vor kurzem (im Jahr 1803) zu Philadelphia erschienene Karte von West-Louisiana an gibt: Diese Karte, trotz aller von Vancouver und von spanischen Astro nomen angestellten Beobachtungen, irrt auch um 4° in der Länge des Vorgebirges Mendocino. Herr Constanzo hatte aus mehreren Zusam menstellungen geschlossen, Santa Fe und Chihuahua lägen 4° 57', Arizpe 9° 5' westlich von Mexico. Alle alten handschriftlichen Karten, die ich zu Rat zog, besonders die von der Rückkunft des Herrn Velaz quez aus Californien verfertigten, setzen Durango 3° östlich von Parral und von Chihuahua. Velazquez hat diesen Unterschied der Meridiane auf 3' in Bogen herabgesetzt. Eine graphische Methode, welche sich auf die obengenannten Reisejournale gründet, gibt meinem Freund Herrn Friesen einen Längenunterschied von 50'. 39
Ana!isis de Ia Carta, p. 44.
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Erster Band
Mit Vergnügen sehe ich, daß meine Kombinationen mich auch über einen anderen Punkt der Geographie Neu-Spaniens zu Resultaten füh
ren, die mit denen der Madrider Astronomen übereinstimmen. In dem selben Jahr, in dem Antillon in Europa seine geographischen Aufsätze 40
bekannt machte, bestimmte ich zu Mexico in meiner Generalkarte
(nach dem Zeugnis mehrerer in Amerika aufbewahrter Kopien) den Meridianunterschied von Tarnpico und Mazathin (d. h. die Breite des Königreichs vom Atlantischen Ozean bis zur Südsee) auf so 01• Bauza
und Antillon schätzten sie auf so 201, während Laforas Karte 17° 451 und die Arrowsmithsche von Westindien 9° 11 angibt. Beim Entwurf meiner Karte reduzierte ich Tarnpico auf die Barra de Santander, deren Länge von Ferrer beobachtet wurde, indem ich mit den Karten des Marinede pots zu Madrid Tarnpico 101 östlich von der Barra annahm. Wir werden in der Folge dieses Aufsatzes auf die Lage dieses Hafens zurückkom men. Die Breite der durch die großen Reichtümer ihrer Bergwerke be rühmten ·Stadt Zacatecas wurde vom Grafen Santiaga de la Laguna nicht durch Sonnenringe oder Gnomonen, sondern durch mehrere im
Lande selbst verfertigte Quadranten von 3 bis 4 Fuß im Halbmesser be stimmt. Sie ergab sich zu 23° 01• Don Francisco Javier de Zarria schloß aus mehreren gnomonischen Beobachtungen 22° 51 6". Seine Beobach tungen sind in einem in Europa wenig bekannten Werk, in der von den Franziskanern zu Queretaro herausgegebenen Chronik, enthalten. Vor her glaubte man, daß Zacatecas wenigstens einen halben Grad nörd licher liege. So findet sich auch noch die Breite der Stadt in einer kleinen Tafel von Ortsbestimmungen, welche Don Diego Guadalajara zum Ge brauch derer, die Sonnenuhren konstruieren, zu Mexico herausgab. Der Graf de la Laguna behauptet, Zacatecas 4° 301 westlich von Mexico ge funden zu haben; allein diese Bestimmung ist aller Wahrscheinlichkeit nach sehr falsch. Nachdem ich die Lage von Guajanuato mittels des
Chronometers und durch Monddistanzen bestimmt hatte, fand ich
durch Schätzung der von Reisenden gewöhnlich angenommenen Meri dianentfernungen und Rumben * einen Unterschied von 2° 321, aus Mascar6s Wegeberechnung ergeben sich 3° 451• Die absolute Länge von 40 *
Analisis de los fundamentos de la Carta de la America septentrianaL Der Portugiese Pedro Nuftez (1492-1577), genannt Petrus Nonius, ent
deckte 1546 die Eigenart der Loxodromen (
=
schiefläufige Linien), die auf der
Kugel und der nautisch wichtigen Mercator-Karte alle Meridiane im gleichen Winkel schneiden. Er selbst nannte eine solche Linie linea rhombica; daher der Seemannsausdruck Rumb (Pl. Rumben).
Geographische Einleitung
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Zacatecas scheint der Graf de la Laguna eben nicht glücklicher als den Längenunterschied zwischen Zacatecas und Mexico bestimmt zu ha ben. Er behauptet nämlich aus einer zu Bologna angestellten korre spondierenden Beobachtung einer Finsternis schließen zu können, daß Zacatecas 7h 50' westlich von jener italienischen Stadt liege, woraus sich
7h 13' 59" der Länge für Zacatecas und folglich 7h 3' 39" (statt 6h 45' 42") für Mexico ergäben! Sollte sich vielleicht ein Druckfehler in die Ziffern eingeschlichen haben? Wäre der Unterschied der Meridiane etwa 7h 30' anstatt 7h 50'? Die Länge von Durango muß sehr nahe 105° 55' sein. Don Juan Jose Oteiza, ein junger mexicanischer Mathematiker, dessen Kenntnisse mir oft nützlich geworden sind, hat (auf der Hacienda del Ojo, 38' in Bogen östlich von Durango) das Ende einer Mondfinsternis beobachtet, die, mit Mayers Mondtafeln verglichen, das soeben angeführte Resultat gibt. Der Beobachter selbst hält die Länge für nicht ganz genau. Herr Friesen schloß aus den in den Reiseberichten der Brigadiers Rivera und Mascar6 angegebenen Entfernungen und Kompaßstrichen, daß Du rango 5° 5' östlich von Mexico, folglich unter 106° 30' der Länge liege. Die Breite von Durango scheint ziemlich zweifelhaft zu sein. Rivera und sein Reisegefährte Don Francisco Alvarez Bareiro behaupten, 1724 durch Mittagshöhen der Sonne 24° 38' gefunden zu haben; Lafora gibt
1766 24° 9' an; allein niemand weiß, welcher Instrumente sich diese In genieure bedienten. Ist anders die vomGrafen de la Laguna, von Zarria und dem Ingenieur Mascar6 der Stadt Zacatecas zugeschriebene Breite richtig, so beläuft sich die Breite von Durango, aus Rumben und Ent fernungen abgeleitet, ungefähr auf 24° 25'. In den nördlichen Provinzen Neu-Spaniens gibt es einige Orte, in denen die oft angeführten drei Ingenieure nacheinander beobachtet haben; dieser Umstand flößt einiges Zutrauen zu den Mittelzahlen ein, die man aus den vereinten Beobachtungen ziehen kann. Chihuahua. Breite: 29° 11' nach Rivera, 28° 56' nach Lafora, 28° 45' nach Mascar6. Länge, aus Rumben und Entfernungen abgeleitet: so 25' westlich von Mexico. Santa Fe. Breite: 36° 28' nach Rivera, 36° 10' nach Lafora. Länge durch Annäherung: 5° 48' westlich von dem Meridian von Mexico. Presidio de Janos. Breite: 31° 30' nach Rivera, 30° 50' nach Mascar6. Länge: 7° 40' westlich von Mexico, etwas zweifelhaft. Arizpe. Breite: 30° 30' nach Rivera, 30° 36' nach Mascar6. Länge durch Annäherung: 9° 53' (von Mexico an gerechnet). Geographische Kombinationen, die sich auf Angaben der Reisejour nale gründen, machen noch die Längen folgender Orte wahrscheinlich,
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Erster Band
deren Breite Mascar6 und Rivera bestimmt haben. Die Resultate dieser Kombinationen, welche ich auf meiner Karte angenommen, stimmen übrigens auch mit den von Bauza und Antillon gefundenen überein. Nur bei der absoluten Länge der in der Provinz Sonora gelegenen Stadt Arizpe sowie auch bei der des Paso del Norte in Neu-Mexico weiche ich beinahe um einen Grad von den Angaben der spanischen Geographen ab. Allein, wie schon oben bemerkt, ein Teil dieser Verschiedenheiten rührt bloß daher, daß Antillons Karte Mexico, Acapulco, und die Mün dung des Gilaflusses mehr östlicher rückten als ich.
Orte
nördliche
Länge westlich
Breite
vonMexico
Guadalajara
21°9'
3°57'
Real del Rosario
23°30'
r1'
Presidio del Pasaje
25°28'
4°8'
Villa del Fuerte
26°50'
o 9 5'
Real de los Alamos
27°8'
9°58'
Presidio de Buenavista
27°45'
Presidio del Altar
31°2'
2°41'
Paso del Norte
32°9'
5°38'
Bei Gelegenheit der Errichtung der Landmilizen
11° 3'
(tropas de milicia) Oaxaca ent
im Königreich Neu-Spanien wurde eine Karte der Provinz
worfen, auf der man mehrere Punkte angezeigt findet, deren Breiten
(laut einer ausdrücklichen Bemerkung des Verfassers)
astronomisch be
stimmt worden sind. Ich weiß nicht, ob sich diese Breiten auf Mittags höhen gründen, die durch Schattenlängen gnomonisch gemessen wurden. Die Karte trägt den Namen des Don Pedro de Laguna, der gegenwärtig Oberstleutnant in spanischen Diensten ist. Diese elf sogenannten Fix punkte liegen teils längs der Küste zwischen den Häfen Acapulco und Tehuantepec, teils unfern derselben im Inneren des Landes. Von Westen nach Osten hin gerechnet, folgen sie also:
Geographische Einleitung
51
Orte
Breite
Ometepec
16° 37'
Jamiltepec
16° 7'
Barra de Manialtepec
15° 47'
Pochutla
15° 50'
Puerto Guatulco
15° 44'
Guiechapa
15° 25'
In Mixteca alta wurden außerdem noch folgende Positionen ausge mittelt: der Breite,
San Antonio de los Cues unter
18° 3'
Teposcolula
17° 18' der Breite,
Nochistlau
17° 16' der Breite.
Man kann auch hierher rechnen das Dorf Acatlan in der Intendancia von La Puebla unter 17° 58' und die Stadt Oaxaca unter 16° 54'. Sind diese Angaben auch nur einigermaßen genau, so haben sie schon des halb einen großen Wert, weil man bisher von La Puebla de los Angeles bis zur Landenge von Panama fast keinen einzigen Punkt im Inneren des Landes kennt, dessen Breite astronomisch bestimmt ist. Was diesen Angaben einen höheren Grad von Glaubwürdigkeit verschafft, ist die Übereinstimmung der Karte des Don Pedro Laguna mit Antillons Kar ten in Hinsicht der Breite, welche beide sowohl der Stadt Tehuantepec wie dem Puerto Escondido zuschreiben. Alle spanischen Seefahrer set zen ersteren Hafen unter 16° 22' und letzteren, welcher in der Nähe des Dorfes Manialtepec liegt, unter 15° 50' nördlicher Breite. Bis hierher haben wir die Positionen aufgezählt, die sich auf astrono mische Beobachtungen gründen und welche in höherem oder niederem Grad das Zutrauen des Geographen verdienen. Es bleibt uns übrig, die verschiedenen größtenteils handschriftlichen Karten anzuzeigen, deren ich mich zur Entwerfung der verschiedenen Teile meiner Generalkarte von Neu-Spanien bediente. In Hinsicht der Lage und Krümmungen der westlichen, vom Großen Ozean bespülten Küste vom Hafen Acapulco an bis zur Mündung des
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Erster Band
Rio Colorado und bis zu den Vulkanen de las Virgenes in Californien bin ich den Angaben der Karte gefolgt, welche der Beschreibung der Reise spanischer Seefahrer nach der Meerenge Fuca 41 angehängt ist. Diese Karte wurde im Jahre 1802 vom Deposita Hidrogrdfico zu Madrid herausgegeben und gründet sich auf die Operationen der Korvetten Malaspinas; die Küste, welche sich südöstlich vonAcapulco hinzieht, ist noch sehr wenig bekannt; für ihren Entwurf habe ich Antillons Karte von Nordamerika zu Rat gezogen. Mit Recht beklagt man sich auch, daß Mexicos östliche Küste im Norden von Veracruz bis auf den heu tigen Tag noch nicht genauer und zuverlässiger bestimmt ist. Beinahe ebenso unbekannt wie die afrikanische östliche Küste zwischen Oranje River und der Fisch-Bay ist der zwischen den Mündungen des Rio Grande del Norte und des Mississippi gelegene Teil. Die Expedition der Herren Cevallos und Herera, die mit herrlichen Ramsdenschen und Troughtonschen Instrumenten versehen ist, beschäftigt sich gegenwär tig damit, genaue Pläne dieser wüsten und zum Teil unfruchtbaren Ge genden aufzunehmen. Ich richtete mich indes in der ausführlichen Dar stellung der östlichen Küste nach einer 1799 auf Befehl des Königs von Spanien herausgegebenen Karte 42, welche 1803 aufs neue durchgese hen und vervollkommnet worden ist. Mehrere Punkte wurden nach trefflichen, schon oben angeführten Beobachtungen Ferrers berichtigt. Da dieser geschickte Beobachter den Hafen von Veracruz um 9' 45" weiter nach Westen setzt als ich, so reduzierte ich nach den oben entwik kelten Prinzipien die von ihm in der Gegend von Veracruz gemachten Ortsbestimmungen nach der Länge, die sich aus Herrn Oltmanns Be rechnungen ergibt. Die alten Karten irren vorzüglich in der Länge von La Barra de Santander, welche nach Ferrer 1° 54' 15" westlich von Vera cruz liegt, während selbst die Karte des Deposita 1 o 23' Unterschied der Länge angibt. Ich folgte überall Ferrers Beobachtungen, indem ich zu gleich die Länge von Tamiagua nach der von Santaoder korrigierte. Die zwischen den Häfen Acapulco und Veracruz, zwischen Mexico, Guanajuato, dem Tal von Santiaga und Valladolid [Morelia], zwischen dem Vulkan Jorullo und der Sierra von Toluca gelegene Länderstrecke ist nach einer großen Anzahl geodätischer Aufnahmen entworfen, zu
41
Relaci6n del Viage hecho por les Goletas Sutil y Mexicana en il anno de
1792 vara recono cer el Estrecho de Fuca con una introducci6n en que se ola no ticia de las expediciones execatados anteriormente per los Espaiiolos en busca del Paso del Noro este de le America (de orden del Rey), Madrid 1802. 42
Carta esferica que comprehende las costas del Seno Mexicano, construida
en el Dep6sito Hidrografico de Madrid, 1799.
Geographische Einleitung
53
welchen ich mich teils der Ramsdenschen Sextanten, teils eines Grapho meters von Adams bediente. Der Teil zwischen Mexico, Zacatecas, Fresnillo, Sombrerete und Durango gründet sich auf einen handschrift lichen Plan, welchen Herr Oteiza nach den Materialien, die er auf seiner Reise nach Durango sammelte, für mich entworfen hat. Da er sorgfältigst die Richtung des Weges nach den Windstrichen des Seekom passes und die zurückgelegten Entfernungen nach der Schnelligkeit der Lasttiere maß, verdient seine Skizze ohne Zweifel einiges Zutrauen, und dies zwar um so mehr, als die Positionen von Guanajuato und San Juan del Rio nach meinen direkten, gegenseitig voneinander unabhän gigen Beobachtungen berichtigt werden konnten. Auf diese Art war es leicht, die Zeit in Entfernung zu verwandeln oder, was ebensoviel heißt, den Wert der Landmeilen für die Zwischenpunkte anzugeben. Wichtige Materialien zur Darstellung der Provincias internas, vorzüg lich der Straße von Durango nach Chihuahua und von da nach Santa Fe und Arizpe in der Provinz Sonora, lieferten mir die Tagebücher der Her ren Rivera, Lafora und Mascara, welche wir bereits oben anführten. Doch konnten dieselben nur nach reifer Prüfung und nach vorsichtigem Vergleich mit den Resultaten benutzt werden, welche Herr Velazquez auf seiner Reise nach Californien gesammelt hat. Riberas Entfernungen sind dazu oft beträchtlich von den von Mascara angegebenen verschie den, und beim Gebrauch ihrer Resultate wird man vorzüglich verlegen über den Unterschied der Meridiane zwischen Mexico und Zacatecas oder zwischen Santa Fe und Chihuahua, wie wir weiter unten auseinan dersetzen werden. Die Geographie der Provinz Sonora wurde von Herrn Constanza be trächtlich vervollkommnet. Dieser ebenso bescheidene wie gründlich unterrichtete Gelehrte sammelte seit 30 Jahren alles, was sich auf die geographische Kenntnis von Neu-Spanien bezieht. Es ist der einzige In genieuroffizier, der sich auf Untersuchungen über Längenunterschiede mehrerer von der Hauptstadt weit entfernter Punkte einließ. Die von ihm entworfenen Pläne beweisen, daß sinnreiche Zusammenstellungen astronomische Beobachtungen gewissermaßen ersetzen können. Ich lasse Herrn Constanza mit desto größerem Vergnügen diese Gerechtig keit widerfahren, weil ich zu Mexico so viele handschriftliche Karten sah, auf denen Längen- und Breiten-Skalen nur eine zufällige Verzie rung waren. Folgendes ist das vollständige Verzeichnis der Karten und Grund risse, deren ich mich beim Entwurf meiner Karte bediente. Ich glaube, alles benützt zu haben, was nur irgend Belehrendes bis 1804 über diesen Gegenstand in Klöstern und Archiven existierte.
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Erster Band
Handschriftliche Karte von Neu-Spanien, auf Befehl des Vize-Königs Bucareli durch die Herren Constanz6 und Mascara entworfen. Sie er streckt sich über den ungeheuren Erdraum zwischen dem 39. und
42. Grad der Breite; vom Vorgebirge Mendocino bis an die Mündung des Mississippi. Diese Manuskriptkarte scheint mit vieler Sorgfalt ange fertigt zu sein. Ich bediente mich ihrer hauptsächlich für Moqui, für die Umgehungen des Rio Nabajoa und für den Weg, welchen der Marques de Croix 1778 von Chihuahua nach Cohahuila und Texas nahm. Mapa del Arzobispado de Mexico, por Don lose Antonio de Alzate, eine handschriftliche, im Jahr 1768 verfertigte und vom Verfasser 1772 aufs neue durchgesehene Karte; sie ist nicht ganz verwerflich, wenigstens soweit ich sie untersucht habe. Mehrere wichtige Bergwerke findet man darauf verzeichnet.
Gar keinen Gebrauch machte ich von der 1765 von Herrn de Fer in Paris herausgegebenen Karte, von der Karte des Gouverneurs Pownall, welche 1777 erschien oder von Sigüenzas Karte, welche die Pariser Aka demie unter Alzates Namen stechen ließ und die leider bisher für die beste Karte des Königreichs Mexico galt. General-Karte von Neu-Spanien, vom 14.
bis zum 27. Grad der
Breite, entworfen von Don Miguel Constanz6. Diese handschriftliche Karte ist für die Kenntnis der Küsten von Sonora von Wichtigkeit. Ich habe sie auch bei Darstellung der Küste zu Rate gezogen, die sich von Acapulco bis Tehuantepec erstreckt. Handschriftliche Karte der Küsten von Acapulco bis Sonsonate, durch die BrigantineActivo 1794 aufgenommen. Handschriftliche Karte von ganz Neu-Spanien von Veldzquez 1772. Sie begreift die zwischen dem 19. und 34. Grad der Breite, zwischen der Mündung des Rio Colorado und dem Meridian von Cholula gelegenen Länder. Der Zweck dieser Karte war, die Lage der merkwürdigsten Berg werke von Neu-Spanien, vorzüglich die der Provinz Sonora darzustellen. Handschriftliche Karte eines Teils von Neu-Spanien von Don Carlos de Urutia; sie erstreckt sich vom Parallelkreis von Tehuantepec bis zu dem von Durango und wurde auf Befehl des Vizekönigs Revillagigedo ent worfen. Die Einteilung des Landes in lntendancias findet man nur auf dieser Karte; sie ist mir in dieser Hinsicht wichtig geworden. Mapa de la Provincia de Ia Compaflia de JesWi de Nueva Espafta, 1765 zu Mexico gestochen. Ist es ein bloßer Zufall, daß diese übrigens so schlechte Karte die Länge von Mexico auf 278° 26' angibt, während der unter dem Titel Mapa de distancias de los Iugares principales de Nueva Espafta bekannte Plan, welchen die Jesuiten im Jahr 1755 zu La Puebla de los Angeles in Kupfer stechen ließen, eben diese Hauptstadt unter den 270. Grad der Länge setzt?
Geographische Einleitung
55
In Rom fand ich: Provincia Mexicana apud Indos ordinis Carmeli
tarum (erecta 1588), Romae 1738. Mexico befindet sich auf dieser Karte unter 20° 28' der Breite! Pater Pichardo von San Felipe Neri, ein sehr unterrichteter Mönch, hatte die Güte, mir zwei handschriftliche Karten von Neu-Spanien zu verschaffen, eine von Veldzquez, die andere von Alzate. Beide sind von der Karte verschieden, welche die Pariser Akademie stechen ließ und sind deshalb bemerkenswert. Sie enthalten die Position mancher dem Mineralogen wichtiger Gruben.
Umgehungen von Mexico; Sigüenzas Karte, von Alzate 1786 heraus gegeben. Eine andere Karte des Tals von Mexico wird jedes Jahr dem unter dem Titel >La Gufa de Foresteros< erscheinenden Almanach ange hängt; diese ist von Mascar6. Beide Pläne, so wenig wie die von L6pez 1785 entworfenen, stellen die Seen nach ihrer gegenwärtigen Gestalt dar. Auf der Karte von L6pez sind die Grade der Länge auf dem Meri diankreis verzeichnet; ein sonderbarer Mißgriff für einen königlichen Geographen! Ausführliche Karte der Gegend zwischen dem Real del Doctor, dem Rfo Moctezuma (in welchen sich die Gewässer des Kanals von Huehue toca ergießen) und Zimapan, entworfen von Mascar6. Die Umge hungen von Durango, Toluca und Temascaltepec sind auf einem von Juan Jose Oteiza für mich gezeichneten Plan äußerst sorgfältig darge stellt.
Handschriftliche Karte des ganzen Königreichs Neu-Spanien (vom 16. bis zum 40. Grad der Breite) von DonAntonio Forcada y la Plaza, 1787. Diese Karte scheint mit Sachkenntnis verfertigt zu sein. Personen, wel che die Beschaffenheit dieser Gegenden kennen, fällen dasselbe Urteil über die von Forcada 1790 entworfene Manuskriptkarte der Audiencia
von Guadalajara. Karte der zwischen dem Meridiankreis von Mexico und dem von Vera cruz gelegenen Länderstrecke, verfertigt von Don Diego Garcfa Conde, Oberstleutnant und Direktor des Straßenbaus. Diese handschriftliche Karte gründet sich auf Beobachtungen, welche Herr Constanz6 in Ver bindung mit Herrn Garcfa Conde anstellte. Sie bestehen aus einer Breite von Dreiecken, die mit dem Graphometer und der Bussole ge messen wurden. Außerordentliche Sorgfalt herrschte bei der Ausfüh rung dieser Arbeit; sie ist besonders ausführlich in dem Teil, welcher den Abhang der Cordillere von Jalapa und Orizaba bis Veracruz in sich schließt. Aber (ich wiederhole den oben geäußerten Zweifel) ist die Abweichung der Magnetnadel oft genug beobachtet worden, um die Winkel nach derselben zu verbessern?
Erster Band
56
Karte von den Straßen, welche nördlich und südlich von der Sierra Ne vada von Mexico nach La Puebla führen; auf Befehl des Vizekönigs Marques de Branciforte entworfen. Handschriftlicher Plan der umliegenden Gegend von W?racruz. Er er streckt sich bis Perote und gibt zugleich die Verschiedenheit der projek tierten Straßen von Jalapa nach Veracruz an. Handschriftliche Karte der zwischen W?racruz und dem Rfo Jamapa ge legenen Landesstrecke, 1796. Handschriftliche Karte der Provinz Jalapa, nebst einer ausführlichen Darstellung der Gegend um Alt- und Neu-W?racruz. Handschriftliche Karte der Provinz Oaxaca und der ganzen Küste (von Acapulco bis Tehuantepec), entworfen von Don Pedro de la Laguna. Diese Karte gründet sich auf elf Positionen, deren Breite, wie man be hauptet, durch direkte Beobachtungen bestimmt wurde. Den Lauf des Rio Coatzacoalcos, der durch den Vorschlag eines Verbindungs-Kanals zwischen der Südsee und dem Atlantischen Ozean berühmt ist, habe ich so bestimmt, wie ich ihn auf den Plänen zweier IngenieuroffiziereAugu stfn Cramer und Don Miguel del Corral entworfen fand. Diese merkwür digen Zeichnungen liegen in den Archiven des Vizekönigreichs Mexico aufbewahrt. Mapa anonimo de la Sierra Gorda, in der Provinz Neu-Santander vom
21. bis zum 29. Grad der Breite; diese alte handschriftliche, auf Perga ment gemalte Karte ist mit Abbildungen wilder Indianer geziert. Für die Umgehungen von Sotto la Marina und Camargo ist sie sehr exakt. Der Lauf der zweiten, zwischen dem Rio [Grande] del Norte und der Mündung des Rio Sabina befindlichen Ströme wurde zum Teil nach ei ner handschriftlichen Karte entworfen, welche mir der General Wilkin son nach seiner Rückkunft aus Louisiana zu Washington mitteilte. Mapa de la Nueva Galicia; diese handschriftliche Karte wurde 1794 von Herrn Pagaza nach eigenen Beobachtungen und nach Forcadas Karte entworfen. Karte der Provinzen Sonora und Neu-Biscaya, dem trefflichen Vizekö nig Asanza gewidmet und von dem Ingenieur Don Juan de Pagaza ent worfen. Diese handschriftliche, 4 Fuß lange Karte ist sehr ausführlich in Darstellung der Gebirgsgegenden, in denen sich die wilden Indianer verbergen, um ihre nächtlichen Streitereien vorzunehmen und Rei sende beduinenartig zu plündern. Ebenso ausführlich ist diese Karte auch für die Umgehungen von Paso del Norte, vorzüglich für die wüste Strecke Landes, die den Namen Bolsan de Mapimf führt. Handschriftliche Karte der Provinz Sonora vom 27. bis zum 36. Grad der Breite, dem Obersten Don lose Tienda de Cuervo gewidmet. Der
Geographische Einleitung
57
Verfasser dieser Karte scheint ein deutscher Jesuit zu sein, der sich im nördlichsten Teil der Provinz Sonora aufhielt. Handschriftliche Karte der Pimeria Alta. Sie erstreckt sich bis an den Rfo Gila. Die berufenen Ruinen der Casas Grandes sind darauf unter 36° 20' der Breite angegeben, ein Irrtum von drei Grad! Mapa de Ia California, eine handschriftliche, von den Mönchen Fran cisco Garces und Pedro Fant 1777 verfertigte Karte. Sie ward auch zu Me xico gestochen, jedoch so, daß sämtliche Breiten um drei Minuten zu niedrig angegeben sind. Sie ist für die Pimerfa Alta und den Rfo Colo rado wichtig. Carta geographica de Ia Costa occidental de Ia California que se discu bri6 en los aiios 1769 y 1775, por Don Francisco de Bodega y Quadra [= Cuadra] y Don lose Canizares, desde los 17 hasta los 58 grados. Diese kleine, 1788 von Manuel Villavicencio zu Mexico gestochene Karte ist nach dem Meridian von San Blas entworfen. Sie kann denjeni gen wichtig werden, die sich mit der Geschichte der Entdeckungen auf dem Großen Ozean beschäftigen. Der Meerbusen des Cortes [Golf von Californien] scheint auf der Karte von Californien, welche einen Teil der Noticia de Ia California del Padre Fr. Miguell--enegas, 1757, ausmacht, sehr sorgfältig dargestellt zu sein; dagegen ist die Lage der gegenwärtig auf der Halbinsel Califor nien befindlichen Missionen weit genauer auf einer Karte angegeben, welche der
1787 zu
Mexico gedruckten
Lebensbeschreibung des
Mönchs Junipero Serra angehängt ist. Handschriftliche Karte der Provinz Neu-Biscaya vom 24. bis zum 35. Grad der Breite, von dem Ingenieur Don Juan de Pagaza Urtundua nach den zu Chihuahua eingezogenen Nachrichten entworfen. Diese Arbeit ward auf Befehl des Herrn von Nava, General-Kapitän der Pro vincias internas, unternommen. Ich benützte sie für die ganze Intendan cia de Durango; doch mit Vorsicht und Vergleich anderer Quellen, denn die Umgehungen der Stadt Durango scheinen, wie mir die provinzkun digen Personen versicherten, ziemlich unrichtig angegeben zu sein. Handschriftliche Karte der nördlichen Grenzen von Neu-Spanien, vom 23. bis zum 37. Grad der Breite, vom Ingenieur Don Nicolas La fora. Sie stellt den Plan dar, den der Marques von Rubi zur Verteidigung des Landes entwarf, und diente mir dazu, die Lage der Militärposten, welche man Presidios nennt, zu berichtigen. Ich sah eine 3m lange Abschrift dieser Karte in den Archiven des Vizekönigreiches. Mapa del Nuevo Mexico, vom 29. bis zum 42. Grad der Breite. Die unter dem Parallelkreis von 41 o gelegenen Länder sind auf dieser Karte sehr ausführlich dargestellt; ebenso auch der wenig besuchte See der
Erster Band
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T impanogas [Großer Salzsee] und die Quellen des Rio Colorado und Rio [Grande} del Norte. Karte von Neu-Mexico, 1795 von L6pez gestochen. Ich machte gar keinen Gebrauch davon. Sie ist sehr mangelhaft in Angabe der Quellen des Rfo [Grande] del Norte. Die zwischen diesen Quellen und dem Ur sprung des Missouri gelegene Landesstrecke ist ausführlicher auf der oben erwähnten, 1803 zu Philadelphia erschienenen Karte von Loui siana dargestellt. Ich darf mir schmeicheln, daß meine Generalkarte von Neu-Spanien ungeachtet ihrer mannigfaltigen Mängel zwei wesentliche Vorzüge vor allen denjenigen hat, welche bisher von diesem Land erschienen sind: Man sieht nämlich auf ihr die Lage von 312 Orten, welche ihrer Berg werke wegen berühmt sind, wie auch die neue Einteilung des Landes in Intendancien. Die Bergwerke habe ich aus einem Verzeichnis genom men, welches das Oberberggericht (Tribunal de Mineria) im ganzen Umfang dieses weit ausgedehnten Reichs hat aufnehmen lassen. Beson dere Zeichen unterscheiden die Orte, wo die Bergdeputationen (Depu taciones de Minas) ihren Sitz haben, von den einzelnen Gruben, die da von abhängen. Das Verzeichnis, dessen ich mich bediente, gibt häufig den Rumb und die Entfernung von irgendeiner der größten Städte an. Ich habe diese Notizen mit den alten handschriftlichen Karten vergli chen, unter welchen die von Vehizquez mir sehr nützlich gewesen sind. Diese Arbeit war sehr mühsam. Fand ich den Namen eines Bergwerks auf keiner Karte, so mußte ich mich begnügen, seine Lage nach den Angaben zu bestimmen, welche das Verzeichnis mir lieferte, wobei ich die Distanzen in mexicanischen Meilen oft durch verwickelte Berech nungen nach ähnlichen Fällen in wahre Distanzen reduzierte. Da die Bevölkerung von Neu-Spanien auf den großen inneren Gebirgsrücken zusammengedrängt ist, so herrscht eine beträchtliche Ungleichheit in der Anzahl von Namen, die man auf einzelnen Stellen der Karte findet. Nur muß man nicht glauben, daß überall, wo die Karte weder Flecken noch Dörfer angibt, ganz wüste Gegenden sind. Ich habe nur diejenigen Orte aufgenommen, welche auf mehr als einer der handschriftlichen Originale dieselbe Lage hatten. Denn auf den meisten Karten von Ame rika, die in Buropa entworfen worden sind, findet man eine Menge Na men von Ortschaften, deren Existenz man im Lande nicht einmal kennt. Ist ein solcher Irrtum einmal auf einer Karte aufgenommen, so geht er bald in alle folgenden über, und es wird oft schwer, den Ur sprung desselben zu entdecken. Lieber wollte ich auf der meinigen viele leere Stellen lassen als aus schlechten Quellen schöpfen. Bei der Zeichnung der Gebirgsketten stieß ich auf eine Menge
Geographische Einleitung
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Schwierigkeiten, von welchen man sich keinen Begriff machen kann, wenn man sich nicht selbst mit dem Entwurf von geographischen Kar ten beschäftigt hat. Ich entschloß mich, die Schraffierung, welche eine orographische Projektion andeutet, der ehemaligen unvollkommenen Methode vorzuziehen, welche die Berge im Profil zeichnete, wodurch zweierlei sehr voneinander verschiedene Projektionen auf einer und derselben Karte gemischt wurden. Doch ist nicht zu leugnen, daß die ältere Manier einen anderen Vorteil gewährt, welcher ihr, ungeachtet aller ihrer Mängel, doch in einer Hinsicht den Vorzug vor der neueren geben sollte. Die Berge der alten Methode sagen weiter nichts, als daß ein Land gebirgig ist, daß in dieser oder jener Provinz Berge sind. Je un bestimmter diese, fast möchte ich sagen, hieroglyphische Sprache ist, zu desto weniger Irrtümern gibt sie Anlaß. Bei den orographischen [ge raden oder senkrechten] Schraffierungen hingegen muß der Zeichner notwendig mehr sagen, als er weiß, mehr als man von der geologischen [=geographischen] Konstruktion eines großen Landes wissen kann. Wenn man die letzten Karten von Kleinasien und Persien betrachtet, sollte man glauben, gelehrte Geologen hätten die relative Höhe, die Grenzen und den Lauf der Gebirge untersucht*. Gleich Flüssen schlän geln und durchkreuzen sich auf dieser Karte die Gebirge: die Alpen und die Pyrenäen scheinen nicht besser bekannt als diese entfernten Länder, und doch versichern unterrichtete Personen, die Persien und Kleinasien bereist haben, daß der Lauf der Gebirge in diesen Staaten himmelweit von der Arrowsmithschen Zeichnung verschieden ist, die man in Frank reich und Deutschland nur zu oft kopiert hat. Allerdings kann man einigermaßen nach den Gewässern den Plan eines Landes entwerfen; doch zeigt ihr Lauf bloß die relative Höhe der Gegend an, welche sie durchströmen. Dem Ingenieur und dem Hydro graphen liegt unendlich daran, die großen Täler oder Bassins und die Punkte zu kennen, wo diese sich teilen; aber durch eine falsche Anwen dung hydrographischer Grundsätze haben manchmal die Geographen in ihren Studierstuben die Richtung der Gebirgszüge bestimmt, wenn sie den Lauf der Flüsse eines Landes zu kennen glaubten. Sie meinten, zwei große Wassermassen könnten nur durch hohe Berge getrennt sein und ein beträchtlicher Fluß ändere nicht anders seinen Lauf, als wenn ein Gebirge sich demselben entgegenstellt. Sie vergaßen, daß entweder wegen der Natur des Gesteins oder wegen des Fallens der Schichten oft in den höchsten Gebirgen keine Flüsse entspringen und daß die Quellen *
Das alles ist allerdings eine der Aufgaben der Physikalischen Geographie
im Sinne A.
v.
Humboldts.
Erster Band
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der ansehnlichsten Ströme sich oft nicht in der Nähe hoher Gebirge befinden. Darum sind auch die bisherigen Versuche mißlungen, physi sche Karten nach theoretischen Spekulationen zu entwerfen. Denn die wahre Gestalt eines Erdstrichs kann um desto schwerer erraten werden, als die Meeresströme und die Flüsse der Vorwelt, welche die Oberfläche des Erdbodens verändert haben, großenteils verschwunden sind. Wenn wir die noch existierenden und die ehemaligen vollkommen kennten, so wäre zwar daraus die Neigung der Täler zu bestimmen, aber keineswegs die absolute Höhe der Berge oder die Lage ihrer Ketten. Die Richtung der Cordilleren habe ich auf meiner Karte von Neu Spanien nicht nach unbestimmten Voraussetzungen oder nach hypo thetischen Kombinationen gezeichnet; ich habe mich vielmehr einer Menge Notizen bedient, die mir von Personen geliefert worden sind, welche die mexicanischen Bergwerke besucht haben. Der höchste Ge birgsstock ist nahe bei der Hauptstadt, unter dem 19. Grad der Breite. Ich habe selbst den Teil der Cordilleren von Am'ihuac bereist, welcher zwischen dem 16. o 50' und 21. o 0' liegt und über 80 geographische Mei len breit ist. In dieser Gegend habe ich die barometrischen und geodäti schen Messungen angestellt, deren Resultate zum Entwurf der in mei nem Atlas befindlichen geologischen Ansichten gedient haben. Für die nördlichen Provinzen sind mir die handschriftlichen Karten von Vehiz quez, Constanz6 und Pagaza sehr zustatten gekommen. Der Direktor.des
Tribunal de Minerfa, Velazquez, hat den größten Teil von Neu-Spanien selbst bereist; auf der oben angeführten Karte hat er die zwei Äste der Sierra Madre de Anahuac angegeben, nämlich den östlichen, der sich von Zimapan nach Charcas und Monterrey (in dem kleinen Königreich Le6n), und den westlichen, der sich von Bolanos bis zu dem Presidio de fronteras erstreckt. Sehr brauchbare Nachrichten habe ich auch in noch nicht gedruckten Aufsätzen des gelehrten sächsischen Mineralogen Son nenschmidt* gefunden, der die Bergwerke von Guanajuato, Zacatecas, Chihuahua und Catorce besucht hat, sowie in den Arbeiten des mexica nischen Professors del Rfo und in den Papieren von Don Vicente Valen cia in Zacatecas. Noch andere verdanke ich dem berühmten de Elhuyar in Mexico, Herrn Chovell in Villalpando, Herrn Abad in Valladolid, Herrn Anza in Taxco. Auch der Oberst Obregon in Catorce, reiche Bergwerksbesitzer und viele Missionare haben sich sehr tätig für meine
*
Der Bergwerksdirektor Friedrich Traugott Sonnenschmidt aus Schleiz ge
hörte zu einer Gruppe deutscher Bergleute, die Fausto D'Elhuyar 1788 nach Mexico geleitet hatte, wo der Deutsche bis 1799 (nicht bis 1824) wirkte; Hanno Beck: Alexander von Humboldts amerikanische Reise, a. a. 0., S. 285f.
Geographische Einleitung
61
Unternehmung interessiert. Aber trotz aller Mühe, die ich mir gegeben habe, an Ort und Stelle den Lauf der Gebirge zu untersuchen, bin ich doch weit entfernt, diesen Teil meiner Arbeit als vollkommen anzuse hen. Seit zwanzig Jahren habe ich Gebirgsreisen unternommen, um Ma terialien zu einem geologischen Atlas* zu sammeln; ich weiß daher nur zu gut, wie schwer es ist, auf einer Oberfläche von 42 480 geographi schen Quadratmeilen die Gebirge zu bezeichnen. Meine anfängliche Absicht war, nach einem großen Maßstab zwei Karten von Neu-Spanien zu entwerfen, eine physische und eine bloß geographische: Aber die Furcht, meinen mexicanischen Atlas allzusehr zu verteuern, hielt mich zurück. Die Schraffierungen, welche den Ab hang des Landes zeigen, machen Karten, worauf viele Namen stehen, etwas verwirrt, und diese werden oft ganz unlesbar, wenn der Kupfer stecher durch Schattierungen einen großen Effekt hervorbringen will. Der Geograph, der sorgfältig die astronomische Lage der Orte unter sucht hat, weiß nicht, was er lieber aufopfern soll, den Effekt oder die Klarheit. Eine der schönsten Karten von Frankreich 43, diejenige wel che das Depöt de la Guerre im Jahr 1804 herausgegeben hatte, beweist, wie schwer es ist, zugleich dem Geologen und dem Astronomen ge nugzutun. Anfänglich wollte ich jedem Aufriß eine physische Karte in horizontaler Projektion beifügen; aber die Kostspieligkeil des Unternehmens, welches von keiner Regierung unterstützt wird, hielt mich ab.
II. Karte von Neu-Spanien und den angrenzenden Ländern im Norden und Osten Ich habe bereits oben die Ursachen entwickelt, die mich bewogen haben, auf meiner großen Karte von Neu-Spanien nicht dieses ganze weitläufige Reich von Neu-Californien an bis zur Intendancia Merida darzustellen. Diesem Mangel soll die zweite Karte des mexicanischen Atlasses abhelfen. Auf dieser sieht man, außer allen vom Vizekönig von 43
Im achten Kapitel habe ich von der auffallenden Regelmäßigkeit gespro
chen, die man in der Lage der mexicanischen Vulkane bemerkt. Ich habe eini gen Zweifel über die geographische Länge des Pico de Tancitaro, dessen Azimut ich zweimal, aber nur von weitem, bestimmt habe. Ich befürchte, beim Ab schreiben der Winkel einen Irrtum begangen zu haben; aber die Breite dieses Bergs ist wenigstens bis auf acht Minuten richtig. *
Nicht erschienen.
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Mexico und den zwei Kommandanten der Provincias internas abhän genden Provinzen, auch noch die Insel Cuba, deren Hauptstadt gewis sermaßen der Kriegshafen von Neu-Spanien ist, nebst Louisiana und dem westlichenTeil der Vereinigten Staaten. Ein geschickter französi scher Ingenieur, Herr Poirson, hat sie nach den Materialien gezeichnet, die Herr Oltmanns und ich ihm geliefert haben. Sie begreift die unge heure Strecke Landes zwischen dem 15. und 42. Grad der Breite und dem 75. und 130. Grad der Länge. Ich wollte anfänglich diese Karte ge gen Süden bis an die Mündung des Rio San Juan ausdehnen, um die ver schiedenen Kanäle darauf anzudeuten, deren Eröffnung dem Madrider Hof vorgeschlagen worden ist und durch welche zwischen den beiden Meeren eine Verbindung bewirkt werden sollte. Da aber bei dem kleinen Maßstab, den ich hierzu hätte wählen müssen, die Halbinsel Yucatan und die Küste von Monterrey nicht mit der gehörigen Vollständigkeit hätten vorgestellt werden können, so behielt ich lieber einen größeren Maßstab bei und ließ meine Karte im Süden nur bis in die Gegend der Bai [Golf von] Honduras reichen. Der vorzüglichste Teil dieser Karte, derjenige welcher das Königreich Neu-Spanien enthält, ist eine getreue Kopie meiner großen Karte. Die Halbinsel Yucatan ist aus der vom Dep6sito Hidrogrdfico in Madrid be kannt gemachten Karte des mexicanischen Meerbusens genommen; Neu-Californien aus dem Atlas, der zu der Reisebeschreibung der Kor vetten Sutil und Mexicana gehört, mit Verbesserungen aus dem von Espinosa im Jahr 1806 herausgegebenen >Memoria sobra las observacio nes astron6micas que han servido de fundamento a las cartas de Ia costa N. 0. de America, publicadas por Ia direcci6n de trabajos hidrografi cosRela ci6n del viage a Fuca< verschieden sind, habe ich sie vorgezogen, weil sie auf richtigeren Grundsätzen beruhen. Nach eben denselben ist die Inselgruppe, welche [James] Collnett einem Vizekönig von Me xico zu Ehren Revillagigedos Archipelagus genannt hat, gezeichnet worden. Die Inseln San Benedicto, Socorro, Rocca Partida und Santa Rosa zwischen dem 18. und 20. Grad der Breite sind im Anfang des 16. Jahr hunderts von spanischen Seefahrern entdeckt worden. Im Jahr 1533 ent deckte Hernando de Grijalva die Insel Santo Tomas, jetzt Socorro. Neun Jahre nachher landete Ruy L6pez de Viilaiabos auf einer kleinen Insel, die er Ia Nublada nannte und die jetzt San Benedicto heißt. Viila Iabos gab ihre Entfernung von SantoTomas sehr richtig an. Ob aber seine Rocca partida dieselbe Insel sei, welche die neuen Hydrographen Santa Rosa nennen, ist weniger gewiß; in Ansehung der Lage dieser
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Klippe herrscht eine große Verwirrung. Nach Juan Gaetano44 ist sie 120 deutsche Meilen westlich von Santo Tomcis gelegen. Auf der Karte von Domingo de Castillo, welche im Jahr 1541 entwor fen worden und die ich zu Mexico im Cortes-Familien-Archiv gefunden habe, ist Santo Tomcis unter 19° 45' B. als eine 9 Meilen lange Untiefe angegeben. In neueren Zeiten sind die Revillagigedo-Inseln nur drei mal besucht worden; zuerst von dem Piloten Don Jose Camacho 1779 auf einer Reise von San Blas nach Neu-Californien; nachher 1792 von dem Schiffskapitän Don Alonso de Torres auf der
Überfahrt
vonAca
pulco nach San Blas und zuletzt 1793 von dem Engländer Collnett. Es herrscht eine große Verschiedenheit in den Beobachtungen dieser drei Seefahrer: Doch scheint es, als wenn Collnett die Lage derInsel el So corro durch mehrere Reihen von Monddistanzen ziemlich genau be stimmt habe. Nach den Resultaten dieser Beobachtungen, nach Mason schen Tafeln berechnet, ist die ganzeInselgruppe orientiert worden. Für Louisiana habe ich die schöne Karte des Ingenieurs Lafond be nutzt; für die Vereinigten Staaten dieArrowsmithschen, mit den Verbes serungen von Rittenhouse, Ferrer und Ellicott. Die Lage von New York und Lancaster hat Herr Oltmanns in einer scharfsinnigen Untersuchung bestimmt, die man im 2. Teil meines >Recueil d'observations astronomi quesGufa de Forasteros de Mexico< befindet, sind Kopien eines alten Plans, den Sigüenza im 17. Jahrhundert aufnahm. Diese Skizzen verdienen nicht den Namen von topographischen Karten, denn sie geben weder die jetzige Lage der Hauptstadt noch die Gestalt an, welche die Seen zu Moctezumas Zeiten hatten. Der Plan von Sigüenza ist nur 7 Zoll, 9,09 Linien lang, und 5 Zoll 10,93 Linien breit. Er führt folgenden Titel: Mapa de las aguas que per el circulo de noventa leguas virenen a la laguna de Tezcuco, delineado por Don Carlos de Sigüenza y G6ngora, reimpreso en Mexico con algunas ad iciones en 1786, por Don lose Alzate. Der Maßstab der Längen und Breiten, welchen Alzate dem alten Plan beigefügt hat, ist um mehr als drei Bogenminuten fehlerhaft. In seiner Angabe der absoluten Lage von Mexico, welche seiner Versicherung nach das Resultat von 21 Beob achtungen von Jupitertrabanten ist und die, wie er glaubt, von der Pari ser Akademie der W issenschaften untersucht und gebilligt worden ist, liegt ein Irrtum von einem ganzen Grad. Und doch haben alle Geogra phen, welche Karten des mexicanischen Tals herausgaben, den Plan von Alzate kopiert, auf dem folgende Fehler sind: 45
Man sehe, was in diesem Werk von der Lage des alten Mexico, von den Py
ramiden von Teotihuacan, von der Lage der Seen, von dem künstlichen Abfluß
(Desagüe)
des Wassers nach dem mexicanischen Meerbusen und von den bei
den Gebirgsrücken von Cholula und Toluca gesagt wird. Einen Teil des letzten sieht man auch auf meiner Karte vom Tal von Tenochtitlan.
Geographische Einleitung
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a) Die Entfernung des feuerspeienden Bergs Popocatepetl vom Dorfe Tisayuca, am nördlichsten Ende des Tals,gibt er zu 1 o 1'in Äqua torialbogen an, statt 0° 53'. b) Vom Mittelpunkt der Stadt Mexico bis Huehuetoca, wo der Kanal anfängt, oo 32', statt 0° 23'. c) Von Mexico bis Chiconautla oo 20', statt oo 15'. d) Vom Felsen Peilol de los Bailos bis Zumpango oo 32', statt oo 21'. e) Von Peilol de los Bailos bis San Cristabal oo 13',statt oo 8'. f) Vom Dorf Tehuiloyuca bis Tezcoco oo 29',statt 0° 21'. Also fehlen 16 000 und 20 000 Meter (8 bis 10 000 Toisen) auf Entfer nungen, welche Vehizquez im Jahr 1773 durch eine geodätische Opera tion mit großer Genauigkeit gemessen hatte und die man, vielleicht auf 100m (50 Toisen), mit völliger Gewißheit kennt. Warum hat Alzate die Dreiecke von Velazquez nicht benutzt, wie Don Luis Martfn, Herr Oltmanns und ich es bei Verfertigung unsrer Karte getan haben? In Pachuca selbst habe ich keine astronomischen Beobachtungen ange stellt,wohl aber im Real de Moran,dessen Breite größer ist als die von Pachuca. Ich fand Moran 20° 10' 4" Breite, daAlzate Pachuca unter 20° 14' setzt. Die alte Stadt Tula ist auf seiner Karte um fast einen Viertelgrad zu nördlich. Der Plan, der sich in der >Gufa de Mexico< befindet (Mapa de las cer canias de Mexico), hat Herr Mascara zum Verfasser, er ist nur 5 Zoll 2,06 Linien lang und 3 Zoll 3,33 Linien breit, also zwölfmal kleiner als der unsrige. Man kann ihn als eine Kopie der Pläne von Sigüenza und Alzate ansehen; doch ist auf demselben der nördliche Teil des Tals etwas verengt worden. Der Gipfel des Popocatepetl ist von Huehuetoca nach Pater Alzate um 1 ° 14", nach Mascara aber um 1° 11' entfernt: Die richtige Distanz ist 1o 1'. Diese fand ich, indem ich mittels der Dreiecke von Velazquez, Huehuetoca an Peilol de los Bailos und dieser mittels meiner astronomi schen Beobachtungen und Azimute an den Popocatepetl und an die Pyramide von Cholula knüpfte. Es gibt Karten,auf welchen die Seen von Mexico ihren Ausfluß nicht nach Nordost in den mexicanischen Meerbusen, sondern, was vollkom men falsch ist, nach Nordwesten in die Südsee haben. Diesen Irrtum findet man unter andern auf der Karte von Nordamerika, welche der königlich großbritannische Geograph Bower in London herausgegeben hat. Seit meiner Ankunft in Mexico 1803dachte ich daran,eine Karte des Tals von Tenochtitlan zu entwerfen. Ich wollte durch astronomische Be obachtungen die Grenzen dieses länglich runden Tals bestimmen. Über-
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dem hatte ich auf dem Turm des Doms von Mexico und den Porphyr hügeln Chapoltepec und Pefiol de los Bafios, in Venta de Chalca, auf der Spitze des Berges Chicle, in Huehuetoca und in Tissayuca eine große Menge Positionswinkel genommen. Durch eine besondere hypsometri sche Methode, nämlich durch senkrechte Basen, Höhenwinkel und Azi mute, hatte ich die Lage der beiden Vulkane zwischen Puebla und Me xico und des Pies von Ajusco bestimmt. Die Kürze der Zeit, die ich auf diese Arbeit wenden konnte, verstattete mir nicht, die vielen indiani schen Dörfer aufzunehmen, welche am Ufer der Seen liegen. Mein Hauptzweck war, so genau wie möglich die Gestalt des Tals zu bestim men, um eine physikalische Karte von einem Lande zustande zu brin gen, in welchem ich mit dem Barometer eine große Menge Höhen gemessen hatte. Ein günstiger Umstand setzte mich in den Stand, eine auf genaue Materialien sich gründende topographische Karte zu liefern. Don Jose Maria Fagoaga, ein Mexicaner, der, was in allen Ländern selten ist, mit einem großen Reichtum Eifer für die Wissenschaften verbindet, schenkte mir bei meiner Abreise als ein Andenken an sein Vaterland den Plan des Tals. Er ließ durch einen meiner Freunde, Don Louis Martin, einen ge lehrten Mineralogen und geschickten Ingenieur, nach den geodätischen Operationen, welche in verschiedenen Zeiten bei Gelegenheit der Eröffnung der Kanäle von Tezcoco, von San Crist6bal und Zumpango vorgenommen worden waren, eine Karte zeichnen. Außer diesen Mate rialien benutzte Herr Martin einen Teil meiner Arbeit, nämlich die astronomischen Beobachtungen, welche ich an den äußersten Enden des Tals gemacht hatte. Aus Liebe zur Geognosie [=Geographie] hatte er das Land mehrmals selbst bereist, und so sah er sich imstande, mit vieler Wahrheit die Gestalt und relative Höhe der Berge anzugeben, welche das Tal von Mexico von den Tälern von Toluca, Gula, Puebla und Cuernavaca scheiden. So erhielt ich durch die Gefälligkeit des Herrn Fagoaga eine interes sante Karte, die jedoch von der in meinem Atlas auffallend verschieden ist. Nachdem ich nämlich jene gerrauer untersucht, nachdem ich sie teils mit den Dreiecken von Vehizquez, deren Verzeichnis ich handschriftlich besitze, teils mit meinen eigenen astronomischen Beobachtungen ver glichen, fand ich, daß die östliche Küste des Sees von Tezcoco und der ganze nördliche Teil des Tals große Änderungen erheischten. Herr Mar tin selbst hielt seinen Entwurf für mangelhaft, und ihm selbst wird es nicht unlieb sein, daß ich Herrn Oltmanns bewogen habe, nach allen von mir mitgebrachten Materialien unter seinen Augen eine neue Karte dieses Tals zeichnen zu lassen. Jeder einzelne Punkt derselben ist unter-
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sucht worden; wo die Angaben nicht stimmten, hat man aus denselben das Mittel genommen. Folgende Tabelle enthält die Dreiecke, welche Velazquez 1773 zwi schen dem Peftol de los Baftos, nahe bei Mexico, und dem Berg Sinco que, nördlich von Huehuetoca, gemessen hat. Er bediente sich zu die ser Arbeit eines vortrefflichen englischen T heodolithen, der zehn Zoll im Durchmesser hatte und mit zwei 28zölligen Achromaten versehen war. [ . . .] Velazquez hatte zwei Standlinien gemessen; die eine 37021/2 mexicani sche varas lang in dem oft überschwemmten Tal zwischen dem Dorf San Crist6bal und dem Hügel Chiconautla; die andere, von 4474 varas, auf der Chaussee, welche von der Hauptstadt nach der Kapelle von San Mi guel del Guadalupe führt: Letztere Messung hat er sogar zweünal vorge nommen. Wenn man die Reihe der Dreiecke nach diesen Standlinien berechnet, so findet man die absolute Entfernung zwischen dem Kreuz auf dem Berg San Crist6bal und dem Kamm (Creston) der Loma de Chiconautla. Nach der einen Basis findet man 14 099, nach der andern 14 101 varas. Die Dreiecke III., XII., XIII. und XIV. haben jedes einen stumpfen Winkel, aber in diesen Dreiecken würde ein Irrtum von einer Minute im spitzesten Winkel nicht mehr als drei oder vier varas auf die Länge der Seiten betragen. Man kann daher die Wichtigkeit dieser Operation für die Topographie des Tals von Tenochtitlan unmöglich ver kennen. Die Positionen, welche sich auf die Triangulation von Velazquez grün den, sind auf meiner Karte durch andere Zeichen bemerkt als dieje nigen, welche ich astronomisch bestimmt habe. Die Resultate meiner barometrischen Messungen sind nach dem Ramondschen Koeffizienten berechnet. Zur Bequemlichkeit der Leser, welche auf der Karte die Geschichte der Eroberung studieren wollen, habe ich überall die alten Namen beigesetzt und mich befleißigt, die aztekische Orthographie so genau wie möglich zu befolgen. Diese Namen sind daher bloß aus mexi canischen Schriftstellern genommen, nicht aber aus Solls, Robertson, Raynal und Pauw, welche alle Benennungen von Ländern und Städten, so wie die der Könige von Anahuac, entstellen.
IV. Karte zur Übersicht der projektierten Verbindungen zwischen dem Atlantischen Ozean und der Südsee Diese Karte soll dem Leser auf einen Blick die neun Punkte zeigen, wo eine Verbindung zwischen den beiden Meeren möglich, und zur Er-
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klärung dessen dienen, was im zweiten Kapitel des ersten Buchs gesagt ist. Neun Skizzen stellen den Ort vor, wo der Ounigigah [Peace-River, Kanada] und Tacutchetese [Columbia-River], der Rio Colorado und Rio [Grande] del Norte sich nähern, ferner die Landengen von Tehuan tepec, Nicaragua, Panama und Cupica, den Fluß Huallaga, den Meer busen von Sankt Georg und endlich die Schlucht (Quebrada) Raspa dura in der Provinz Choco, durch welche schon seit 1788 eine Verbin dung zwischen den beiden Meeren wirklich existiert. Unter diesen Skiz zen sind die interessantesten diejenigen, welche den Ableitungskanal des Raspadura und die Landenge Tehuantepec vorstellen. Den Lauf der Flüsse Coatzacoalcos und Chimalapa habe ich nach Materialien ge zeichnet, die ich im Archiv des Vizekönigs von Mexico gefunden habe. Am dienlichsten hierzu waren mir die Pläne der beiden Ingenieure Don Miguel del Corral und Don Augustfn Cramer, welche der Vizekönig Re villagigedo an Ort und Stelle gesandt hatte. Die Entfernungen sind nach Reiserouten berichtigt worden, die erst aufgezeichnet worden sind, seitdem der guatemaltekische Indigo durch den Wald Tarifa ausge führt wird; eine Straße, die seit wenigen Jahren eröffnet ist.
V. Karte der Straße von Acapulco nach Mexico
Diese Karte habe ich auf meiner Reise von der Küste der Südsee nach Mexico vom 28. März bis 11. April 1803 aufgenommen und gezeichnet. Bereits oben habe ich von den astronomischen Beobachtungen gespro chen, welche zum Entwurf dieses Plans gedient haben: Auf demselben sind auch die Resultate meines barometrischen Nivellements angege ben 46. Ich habe mich vorzüglich bemüht, die Unebenheiten des Bodens von Anahuac darzustellen und die verschiedenen Objekte des Acker baues, welche durch die Höhe der Gegend modifiziert werden.
VI. Karte der Straße von Mexico nach Durango
Der Rücken der Kordillere ist der bevölkertste Teil von Neu-Spanien: Aus dieser Ursache schien es mir interessant zu sein, wenn ich in drei kleinen Itinerarkarten die Straße, welche aus Mexico über Zacatecas, Durango und Chihuahua bis nach Santa Fe in Neu-Mexico führt, genau 46
Siehe
pp. 318-20.
mein:
Recueil
d'observations
astronomiques,
a. a. 0.,
Vol. I,
Geographische Einleitung
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darstellte. Diese für Wagen befahrbare Straße hebt sich bis Durango, und vielleicht noch weiterhin, immer in einer Höhe von 2000 m über die Oberfläche des Meeres. Da ich mich zu dieser Karte anderer Materialien bedient habe als zu meiner Generalkarte von Mexico, so muß ich hier die Ursache der Ver schiedenheit angeben, die man zwischen einzelnen Teilen meines mexi canischen Atlasses bemerken wird. Auf der Generalkarte habe ich, nach dem Beispiel von d'Anville, Renneil und anderen berühmten Geo graphen, diejenigen Resultate aufgenommen, die mir nach einer großen Menge Kombinationen die wahrscheinlichsten dünkten. Bei dem gänz lichen Mangel an direkten Beobachtungen kann eine behutsame Kritik noch manche nützlichen Resultate auffinden und aus Beobachtungen, die eine große Verschiedenheit zeigen, das Mittel ziehen. Zu d'Anvilles Zeiten waren kaum einige Positionen in Hindostao astronomisch be stimmt, und doch hat nach Rennells Zeugnis dieser vortreffliche Geo graph, der von Indien nur sehr ungenaue Reisebeschreibungen hatte, Karten zustande gebracht, deren Richtigkeit Erstaunen erregen muß. Ich darf nicht hoffen, denselben Eindruck auf diejenigen zu machen, welche einst dem Publikum eine genauere Karte von Neu-Spanien lie fern werden. Bei Verfertigung der Spezialkarten habe ich mich streng an die von den Ingenieuren aufgezeichneten Reiserouten gehalten. Bei diesem Verfahren wäre es gefährlich gewesen, die Zwischenräume nach ande ren Kombinationen auszufüllen. Diese Karten sollten das Detail lie fern, welches ich auf der großen Karte nicht anbringen konnte. Ich glaubte an den angegebenen Windstrichen und Entfernungen nichts ändern zu dürfen. Wenn die Breite der äußersten Punkte bekannt ist, so erhält man durch die Berechnung den Sinus und Cosinus der beobachte ten Rumben, den Längen- und Breiten-Unterschied und den Wert der Meilen, nach welchen im Land gerechnet wird. Wenn zugleich, wie dies auf dem Weg von Mexico nach Durango der Fall ist, mehrere Breiten astronomisch bestimmt sind, so verdienen die Resultate jener Zulagen ein großes Zutrauen. In diesem Fall hat man nämlich nach dem Beispiel der Seeleute die geschätzte Distanz durch die beobachtete Breite verbes sert. Diese Berechnungen hat Herr Friesen in Berlin, der sehr gründ liche mathematische Kenntnisse mit dem Talent eines vortrefflichen Zeichners verbindet, auf sich genommen. Derselbe hat auch nach der Mercator-Projektion die drei Routen-Karten selbst gezeichnet, von wel chen hier die Rede ist. Auf diesen und der großen Karte ist indes kein sehr auffallender Unterschied, ausgenommen in der Länge von Santa Fe in Neu-Mexico, welche nach Ribera 107° 58' wäre statt 107° 13', und
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in der Breite des Presidio del Paso, welches auf meiner Karte um 8 Mi nuten südlicher liegt. Übrigens bemerke ich im allgemeinen, daß diese Generalkarte von Mexico die Positionen so angibt, wie sie mir bei dem jetzigen Zustand unserer geographischen Kenntnisse, ich sage nicht die zuverlässigsten, aber doch am wenigsten fehlerhaft scheinen. Das Ver hältnis der kleinen Karten gegen die große ist
=
3: 2.
Die Straße von Mexico nach Durango durch Zacatecas gründet sich auf meine eigenen Beobachtungen und auf das Journal von Obiza. Zwischen Mexico und Guanajuato ist zugleich die Höhe über der Meeresfläche nach meinem barometrischen Nivellement in Toisen angegeben. Die Rechnung gibt die Lage von Mexico, nach Mascar6s Route 3° 45' östlich von Zacatecas, nach Rivera aber 1o 58' . Dieser auffallende Un terschied rührt wahrscheinlich daher, weil in gebirgigen Ländern die Richtungen schwer zu bestimmen sind. Wir haben mit Oteiza 2° 35' an genommen, und dies ist ungefähr das Mittel zwischen den Resultaten der beiden Ingenieure. Durango ist nach Rivera 1o 20' westlich von Zacatecas, nach Oteiza 1 57' . Herr Friesen fand, daß sich aus den in o
Laforas Journal angegebenen Rumben die Stadt Queretaro 1 33' östlich o
von Zacatecas und 47' östlich von Mexico ergibt. In letzterem Unter schied ist ein Irrtum von 18 Minuten, denn nach meinem Chronometer ist Queretaro unter 102° 30' 30" Länge.
VII. Karte der Straße von Dnrango nach Chihuahua Diese Straße geht durch einen großen Teil der Provinz Neu-Biscaya. Rivera und Mascar6 haben sie beide bereist; jener in gerader Richtung von Durango nach der Hauptstadt der Provincias internas, der andere über Zacatecas, Fresnillo, La Laborcilla und Abinito. Herr Friesen hat nach Rivera den Unterschied der Meridiane von Chihuahua und Du rango 1° 10' gefunden. Nach demselben Reisenden läge Zacatecas 2° 3' östlich von Chihuahua, nach Mascar6 2° 53'. Dieser Unterschied ist un bedeutend, wenn von bloßen Schätzungen die Rede ist, welche ihrer Natur nach nie vollkommene Resultate liefern können. Aber in Anse hung der Länge einiger Zwischenorte stimmen diese Ingenieure gar nicht in ihren Angaben miteinander überein. Beide kamen durch Rio Florido. Mascar6 setzt diesen Ort nach den von ihm angegebenen Rum ben und Distanzen 3° 22' , Rivera aber 2° 12' westlich von Zacatecas.
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Unsere Straßenkarte ist nach Riveras Angaben entworfen. Man sieht auf derselben verschiedene interessante Orte, z. B. die Bergwerke von Parral und die vier Militär-Posten el Gallo, Mapimi, Cerro Gordo und Conchos. Es wäre sehr zu wünschen, daß die Höhe des Gebirges, welches sich von Durango gegen Chihuahua und Paso el Norte hin erstreckt, genau bestimmt würde. Die Höhe von Durango habe ich nach einer beträchtlichen Zahl barometrischer Beobachtungen, die Herr Oteiza angestellt hat, berechnet. Meiner Meinung nach fällt das Zentralpla teau von Neu-Spanien von Durango gegen den Bolsan de Mapimi hin schnell ab. Angenommen, daß der Rio [Grande] del Norte keinen stärkeren Fall hat als der Rfo de la Magdalena, könnten der Presidio del Paso und was im Süden dieses Militär-Postens liegt höchstens nur 300Toisen über der Meeresfläche erhaben sein.
VIII. Karte der Straße von Chihuahua nach Santa Fe in Neu-Mexico Die Bearbeitung geographischer Materialien wird für diesen nörd lichen Teil des Landes überaus schwierig. Da die Entfernung sehr groß und das Land weniger bewohnt und also auch die Zahl der Gebäude, die man in einiger Entfernung sehen kann, geringer ist, so können bei der Angabe der Rumben desto mehr Irrtümer entstehen. Herr Friesen hat sehr sorgfältig die Routen von Rivera und Lafora nach den trigono metrischen Tafeln berechnet. Nach den ersten liegt Santa Fe 51' west lich, nach den andern aber 10' östlich von Chihuahua. Bei Vergleichung der Zwischenpunkte zeigt die Berechnung, daß beide Journale Paso del Norte und Ojocaliente (bei dem Presidio del Carizal) unter einerlei Meridian setzen; allein nach Lafora ist der Unterschied der Länge zwi schen Paso del Norte und Chihuahua um 35', zwischen Muerto und dem Paso um 16', zwischen Santa Fe und Muerto um 12' kleiner als nach Rivera. Auf Antillons Karte von Nord-Amerika ist Santa Fe 45' west lich von Chihuahua. Ich hatte Gründe, diesen Unterschied geringer an zunehmen, und habe ihn auf meiner Generalkarte auf 23' reduziert. Constanz6 nimmt sogar an, daß diese beiden Orte unter demselben Meri dian liegen. Meine Beobachtungen haben bewiesen, daß in Ansehung der Lage von Quito ein Irrtum von fast einem Grad der Länge herrschte. Über diese Abweichungen muß man sich nicht wundern. Übrigens haben wir dem Reisejournal von Rivera den Vorzug gegeben, ohne das Resultat der Länge von Santa Fe, welche uns zu westlich dünkt, zu ändern. Nach diesem Reisenden ist
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Mexico östlich von Durango
3° 18''
Durango östlich von Chihuahua
1° 20''
Chihuahua östlich von Santa Fe
0° 53''
folglich Mexico östlich von Santa Fe
5° 21'.
Das letzte Resultat ist nur um 27 Minuten von demjenigen verschie den, welches ich auf der großen Karte angenommen habe, weil Rivera die Stadt Durango ungefähr um ebensoviel Minuten zu östlich setzt, als er Santa Fe zu westlich annimmt. Bei Antillon ist die Breite des Presidio del Paso 33° 12'; Rivera hingegen behauptet, durch eine direkte Beob achtung 32° 9' gefunden zu haben, und vielleicht sollte sie noch geringer sein, weil nach Herrn Friesens Rechnung die von Rivera bemerkten Rumben und Distanzen 30° 42' geben. Doch wollte ich in diesem Resultat nichts ändern, weil meine Absicht war, mich bei dieser kleinen Itinerar-Karte bloß nach Riveras Reisejournal zu richten. In den Manu skripten, welche der I ngenieur Lafora in Madrid gelassen hat, finde ich 33° 6', und diese Breite nähert sich ziemlich der Bestimmung, welche Antillon auf seiner Karte befolgt hat. Allein die Lage von Santa Fe und die Meilenzahl, welche Lafora für die Entfernung dieser Stadt von El Paso annimmt, lassen mich vermuten, daß die Übereinstimmung beider Geographen in Ansehung des Presidio del Paso nur scheinbar ist und vielleicht gar auf einem Schreibfehler beruht.
IX. Karte des östlichen Teils von Neu-Spanien, vom mexicanischen Hochland bis zur Küste von Veracruz
Diese Karte, welche sich von 18° 40' bis 19° 45' Breite und von 98° 0' bis 101 35' Länge erstreckt, faßt den interessantesten Teil von Neu-Spa a
nien in sich, nämlich den Weg von Veracruz nach Mexico, über Orizaba oder über Jalapa. Man sieht auf derselben den inneren Gebirgsrücken und den östlichen Abfall der Cordillere von Amihuac, deren westliche Seite sich gegen die dürre Küste des mexicanischen Meerbusens hin erstreckt. Herr Friesen hat sie nach einer Skizze gezeichnet, die ich in Amerika selbst entworfen hatte; durch gehörige Verteilung von Licht und Schatten hat er die Ungleichheit des Bodens und die relative Höhe der Berge sehr glücklich ausgedrückt. Der Maßstab ist 3 mm (1,3 Li nien) auf die Minute des Äquatorialbogens; er verhält sich demnach zu dem Maßstab der Karten VI , VII und VIII fast wie 4:1 und zu der Karte I wie 6:1. Bereits oben S. 32 f., 53 ff., habe ich die Materialien, welche zum Ent-
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wurf der Karte des östlichen Teils von Anahuac gedient haben, hinlänglich angegeben. Die vorzüglichsten Quellen für die Karte IX waren ein von Herrn Garcia-Conde gezeichneter Plan und die geodätische Aufnahme, welche dieser unterrichtete und eifrige Offizier im Jahr 1797 gemein schaftlich mit dem Ingenieurobersten Constanz6 zwecks eines militäri schen Verteidigungsplans unternommen hat. In einzelnen Teilen ist nichts geändert, aber das Ganze nach den Resultaten meiner astronomi schen Beobachtungen rektifiziert worden. Nachdem ich einmal die Lage der vier höchsten Berge des Popocatepetl, Iztaccihuatl, Citlalte petl und Naucampatepetl, und die Lage der Städte Mexico, Cholula, Puebla und Jalapa sorgfältig bestimmt hatte, war es ein leichtes, das üb rige durch partielle Reduktionen festzusetzen. Die Küste des Meerbu sens zwischen der Mündung des Alvarado und der Spitze Mari Andrea ist nach Herrn Ferrers vortrefflichen chronometrischen Observationen verbessert worden. Auf dieser, wie auf allen Karten meines mexicani schen Atlasses, habe ich die Resultate meines barometrischen Nivelle ments angegeben 47•
X. Karte der falschen Positionen
Diese Skizze zeigt, wie falsch die Häfen Veracruz und Acapulco und die Hauptstadt Mexico auf den bisherigen Karten von Neu-Spanien angegeben, und wie wenig brauchbar daher diese Karten sind. Sie ist eine Nachahmung der Mappa critica Germaniae [Nürnberg 1750] des be rühmten Astronomen Tobias Mayer.
XI. Plan des Hafens von Veracrnz
Mein Atlas von Neu-Spanien wäre mangelhaft, wenn der Plan des jenigen Hafens fehlte, durch den alle Reichtümer dieses Landes nach Europa gebracht werden, des einzigen, in welchen, bis jetzt wenigstens, europäische Kriegsschiffe einlaufen können. Dieser Plan ist getreu nach demjenigen kopiert, welchen Herr Orta, Hafenkapitän zu Veracruz, 1798 aufgenommen hat; nur habe ich ihn auf die Hälfte reduziert und einige Notizen über die Länge, die Winde, die periodischen Barometer veränderungen und die Quantität des jährlichen fallenden Regens bei47
Nivellement barometrique fait dans !es regions equinoxiales du Nouveau
Continent etc. par A. d. Humboldt, Paris et Tübingen 1809, in Quarto.
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gefügt. Man darf nur einen Blick auf diese Karte werfen, um einzuse hen, wie schwierig es wäre, ein Land anzugreifen, auf dessen östlicher Küste die Schiffe keinen andern Schutz finden können als einen gefähr lichen Ankerplatz zwischen Untiefen. Die doppelten Linien zeigen die Richtung an, in welcher die Schiffe einlaufen müssen. Sobald der Steuermann die Gebäude von Veracruz erblickt, muß er das Schiff so lenken, daß der Turm des Doms hinter den Turm der Kirche San Francisco zu stehen komme. In dieser Rich tung bleibt er, bis der Vorsprung der Bastion San Crispin des Schlosses Don Juan de Uhia hinter der Bastion St. Peter sichtbar wird; von die sem Augenblick an muß er das Schiff wenden, so daß das Vorderteil ge gen die Insel de Sacrificios gerichtet ist. Auf der Sandbank Gallega, nahe bei der Spitze Soldado hat man Balken (Palas de marca) einge rammt, um die Linie zu bezeichnen, auf welcher sich zwei gefährliche Klippen, Laxa de Fuera und Laxa de Dentro, befinden.
XII. Naturgemälde des östlichenAbfalles des Gebirgsrückens vonAnahuac
Durch die Horizontal-Projektionen, die man schlechthin geographi sche Karten zu nennen pflegt, lernt man die Ungleichheiten des Bodens und die Physiognomie eines Landes nur sehr unvollkommen kennen. Die Unebenheiten des Erdreichs, die Gestalt der Berge, ihre relative Höhe und ihr mehr oder minder jäher Abfall können auf einer Zeich nung nur durch eine andere Methode vorgestellt werden, indem man nämlich den Boden schichtenweise nivelliert und die Schraffierungen genau nach der Linie des stärksten Falls richtet. Auf solche Weise (näm lich durch ein nivellement par tranches [=Schnitte]) entwirft der Chef der Topographie an der Pariser Ecole Polytechnique Herr Clerc 48 Kar ten, welche beinahe ein Relief ersetzen: So können Linien auf einer Fläche, die nur zwei Dimensionen hat, denselben Effekt hervorbringen wie ein Modell in erhabener Arbeit, doch unter der Voraussetzung, daß die Gegend, die man vorstellen will, nicht zu groß und in allen ihren Teilen vollkommen bekannt ist. Wenn aber die Horizontal-Projektion auf ein gebirgiges Land angewandt wird, welches mehrere 1000 Qua48
Dieser geschickte Ingenieur besitzt ein vorzügliches Talent für die Auf
nahme solcher Karten. Eine Anleitung darüber, die er herauszugeben willens ist, wird in der Geschichte der Topographie Epoche machen. [Ob es Pierre-An toine Clerc (1774-1843) ist, bleibt zweifelhaft. Anm. d. Hrsg.]
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dratmeilen groß ist, so werden die Schwierigkeiten fast unüberwind lich. In den volkreichsten Ländern von Europa, z. B. in Frankreich, Deutschland und England, liegen die Ebenen, auf welchen sich die mei ste Kultur findet, gewöhnlich nur 50 bis 100 Toisen übereinander. Ihre absolute Höhe hat auf das Klima nur wenig Einfluß 49, und die Kenntnis der Höhenunterschiede interessiert daher noch weniger den Ackerbau als die Naturkunde; daher begnügen sich die Geographen auf den Kar ten unseres Weltteils, eine der höchsten Gebirgsketten anzuzeigen. In den Äquatorialländern des Neuen Kontinents hingegen, besonders in den Reichen Neu-Granada, Quito und Mexico, hängen Temperatur der Atmosphäre, ihre Trockenheit oder Feuchtigkeit, die Kultur, welche die Einwohner pflegen, von der ungeheuren Höhe der auf dem Rücken der Kordilleren hinlaufenden Ebenen ab. Dem Staatsmann und dem reisen den Naturforscher ist es gleich wichtig, die geologische [d. h. die geo graphische] Konstitution dieser Länder zu studieren. Darum fällt die Unvollkommenheit unserer graphischen Methoden bei einer Karte von Neu-Spanien weit mehr auf als bei einer Karte von Frankreich. Sollte man die Gegenden, die ich bereist habe und deren Boden eine so son derbare Gestalt hat, vollständig kennen, so mußte ich Mittel anwen den, welche noch kein Geograph versucht hat, vielleicht weil man immer am spätesten auf die einfachsten Ideen verfällt. Ich habe ganze Provinzen, weite Strecken Landes, in einer Vertikal Projektion dargestellt, wie man schon längst Aufrisse von Bergwerken oder Kanälen gemacht hat50. In meinem Versuch einer geologischen Pasigraphie werde ich die Grundsätze aufweisen, nach welchen solche physikalische Karten verfertigt werden müssen. Wenn die Orte, deren absolute Höhe angegeben werden soll, selten auf einer Linie liegen, so besteht der Aufriß entweder aus mehreren Abteilungen, deren jede eine verschiedene Richtung hat, oder man denkt sich eine Fläche außerhalb 49
Das Innere Spaniens bietet eine auffallende Ausnahme; in der Gegend
von Madrid hat der Boden von Kastilien 600 m absoluter Höhe. Siehe mein Memoire über die Konfiguration des spanischen Bodens, in: Alexandre de La bordes Itineraire d' Espagne, Vol. I, pp. CXLVII-CLVI. Nach den Messungen, welche dieser Aufsatz enthält, hat Herr Poyfere de Cere die kleine geologische Karte entworfen, welche seinem interessanten >Rapport de l'importation de Merinos< beigesetzt ist. Schade, daß diese Karte nicht durchaus nach einerlei Höhenmaßstab gezeichnet ist! 50
Mein erster Versuch in dieser Art war meine physikalische Karte vom Mag
dalenenstrom, welche 1801 gegen meinen Willen in Madrid gestochen worden ist. Siehe mein: Recueil d'observationes astronomiques, Vol. I, p. 370.
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des durchlaufenen Weges, auf welche Perpendikularlinien niedergelas sen sind. In dem letzteren Fall weichen die Distanzen der physikali schen Karte sehr von der absoluten ab, besonders wenn die mittlere Direktion der Punkte, deren Höhe und Lage bestimmt worden sind, sehr von der Direktion des Projektions-Plans verschieden ist. In Profilen von ganzen Ländern kann, ebensowenig wie beiAufrissen von Kanälen, der Maßstab der Distanzen dem Maßstab der Höhe gleich sein. Wollte man zwei gleiche Maßstäbe annehmen, so müßten die Zeichnungen eine ungeheure Länge erhalten, oder man müßte sich für die Höhe mit einem so kleinen Maßstab begnügen, daß die auffallend sten Ungleichheiten des Bodens verschwänden. Ich habe auf der 12. Platte durch zwei Pfeile die Höhe angezeigt, welche der Chimbo razo und die Stadt Mexico haben würden, wenn die physikalische Karte in allen Dimensionen nach einerlei Maßstab entworfen wäre. Eine Höhe von 250 Toisen würde auf der Karte nicht einmal eine halbe Linie ausmachen. Wollte man hingegen zu den Itinerardistanzen den Höhen maßstab nehmen, der bei den Tafeln XII, XIII und XIV gedient hat und 4Vz Linien auf 200 Toisen beträgt, so hätte die Platte über 8 Toisen lang sein müssen, wenn man die ganze Strecke zwischen Mexico und Vera cruz darauf hätte vorstellen wollen. Die Verschiedenheit der Maßstäbe ist Ursache, daß meine physikalische Karte, so wie alle von Ingenieuren aufgenommenen Profile von Kanälen und Straßen, nicht den wahren Abfall des Landes vorstellen, der in der Natur viel weniger steil ist51. Dieses Mißverhältnis ist noch stärker, wenn sehr hohe Gebirgsrücken wenig Ausdehnung haben oder durch tiefe und enge Täler getrennt sind. Von dem Verhältnis zwischen der Distanz und den Höhenmaßstäben hängt der Effekt des ganzen Profils ab. Doch es ist hier nicht der Ort, noch mehr von den Grundsätzen zu sagen, welche ich bei diesen Karten befolgt habe. Jede graphische Methode muß ihre Regeln haben; einige glaubte ich berühren zu müssen, weil verschiedene Nachahmungen mei ner physikalischen Karte, die seit kurzem erschienen, als Projektionen auf vielfach gekrümmte Flächen zu betrachten sind, deren Richtung in Hinsicht auf den Meridian unbestimmt bleibt. Um physikalische Karten in Vertikal-Projektionen zu verfertigen, muß man notwendig für die Punkte, durch welche der Projektionsplan geht, die drei Koordinaten Länge, Breite und Höhe über der Meeres fläche kennen; man muß, mit einem Wort, barometrische Messungen mit astronomischen Beobachtungen verbinden. Je fleißiger die Reisen51
Siehe meine: Geographie der Pflanzen [Band I unserer Studienausgabe,
s. 79).
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den sich mit barometrischen Observationen beschäftigen werden, desto mehr wird man sich dieser Projektionsart bedienen können. Bis jetzt existieren aber für wenige Provinzen in Buropa hinlängliche Materia lien, um Karten zu verfertigen wie die meinigen. Die Konstruktion der Profile auf den Tafeln XII, XIII, XIV ist ganz gleichförmig: Alle drei haben einerlei Maßstäbe. Die Distanzen verhal ten sich zu den Höhen wie 1 zu 24. Alle drei geben die Natur des Ge steins an, das man auf der Oberfläche des Bodens findet. Dem Land wirt ist es wichtig, sie zu kennen, noch nützlicher aber dem Ingenieur, der Straßen bauen oder Kanäle graben soll. Man hat mich verschiedentlich getadelt, daß ich nicht in denselben Aufrissen die Schichtung und Lagerung der Gebirgsmasse selbst ihr Fallen und Streichen angegeben habe. Besondere Ursachen hinderten mich daran. In meinen Reise-Journalen finden sich hinlängliche geo gnostische Materialien, um sogenannte mineralogische Karten zu ent werfen. Mehrere davon habe ich bei dem Werk benutzt, das ich unter dem Titel >Nivellement barometrique fait dans les regions equinoxiales du Nouveau ContinentRelation Historique< meiner Reise gehört und in welchem man mehrere Skizzen finden wird, durch die ich die Physio gnomie der kolossalen Spitzen anschaulich machen werde, welche den
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Rücken der Kordilleren krönen und gleichsam ihren Kamm bilden. Der Vergleich dieser Umrisse mit denjenigen, die sich in Ebels Schweizerrei sen befinden, oder mit den schönen Osterwaldsehen Zeichnungen muß, glaube ich, für den Geognosten interessant sein, welcher die Schweizer Alpen in Verbindung mit der mexicanischen und peruanischen Anden kette studieren will. Obgleich gegenwärtiges Werk sich mehr mit dem Reichtum des Bodens von Mexico als mit seiner geologischen Konstitu tion beschäftigt, so glaubte ich doch, die beiden Ansichten XVI und XVII als ein Supplement der Talkarte No. III liefern zu müssen. Zu gleich können sie einen Begriff von der Schönheit der Lage der Haupt stadt geben. Diese beiden Gipfel, den Popocatepetl und den Citlalte petl, deren ersten man in Mexico und Cholula und den andern in Cho lula und Veracruz sieht, haben mir gedient, den Meridian-Unterschied zwischen Mexico und dem Hafen von Veracruz zu bestimmen, und zwar durch eine sehr vorteilhafte, aber bis jetzt wenig befolgte Methode, die jenige der senkrechten Basen, der Azimute und Höhenwinkel 55• Die Stadt Mexico ist von den beiden Nevado de La Puebla um die Hälfte weniger entfernt als Bern und Mailand von der Zentralkette der Alpen. Diese große Nähe trägt vieles dazu bei, daß die mexicanischen Vulkane einen so großen und majestätischen Anblick ergeben. Die Um risse ihrer mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel sind desto bestimmter, als die Luft, durch welche man sie sieht, dünner und durchsichtiger ist. Der Schnee wirft einen außerordentlichen Glanz von sich; besonders da der Himmel im Hintergrund immer ein dunkleres Blau hat als der uns rige in den Ebenen der gemäßigten Zonen. I n der Stadt Mexico befin det sich der Beobachter in einer Luftschicht, deren Barometerdruck 21 Zoll 7 Linien beträgt. Man begreift leicht, daß die Schwächung des Lichts in einer so dünnen Atmosphäre sehr gering ist und daß die Spitze des Chimborazo oder Popocatepetl von der Höhe von Riobamba oder Mexico gesehen, bestimmtere Umrisse haben muß, als sie wäre, wenn man sie in derselben Distanz von der Luft des Ozeans aus erblickte. Der Iztacdhuatl und Popocatepetl, welcher letztere dieselbe konische Gestalt hat wie der Cotopaxi und Pie von Orizaba, werden im Land ohne Unterschied die Vulkane von Mexico oder Puebla genannt, weil man sie aus diesen beiden Städten fast gleich gut sieht. Es ist höchst wahrscheinlich, daß der I ztaccihuatl, den der Kardinal Lorenzana Zihu altopec nennt, ein ausgebrannter Vulkan ist; doch reicht keine indiani
sche Tradition bis zur Epoche, wo dieser Berg, der in seiner Gestalt viel Ähnlichkeit mit dem Pichincha hat, Feuer spie. Dasselbe gilt vom 55
Siehe mein: Recueil d'observations astronomiques, a. a. 0., Vol. I, p. 373.
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Nevado de Toluca. Seit den ersten Zeiten der Eroberung pflegten die
Spanier jeden isolierten Berg, der bis zur Höhe des ewigen Schnees reicht, einen Vulkan zu nennen. Die Worte Nevado und Vulkan werden oft verwechselt; in Quito habe ich mehr als einmal von Schnee- und Feuer- Vulkanen reden hören. Der Cotopaxi z. B. gilt als ein Feuer Vulkan, weil man seine periodischen Eruptionen kennt; der Coraz6n
und Chimborazo hingegen sind Schneevulkane, weil sie nach der Mei nung der Eingeborenen kein unterirdisches Feuer enthalten. In dem Königreich Guatemala 56 und auf den Philippinischen Inseln nennt man Wasser- Vulkane (volcanes de agua) diejenigen, welche die umliegenden
Gegenden überschwemmen. Man ersieht aus diesen Beispielen, daß das Wort Vulkan auf den spanischen Karten oft in einem anderen Sinn genommen wird als im übrigen Europa. Don Luis Martfn hat die Vulkane von Puebla so gezeichnet, wie man sie an heiteren Tagen von der Bergschule (Seminario Real de Mineria) sieht. Ein berühmter Künstler und mein besonderer Freund, Herr Gmelin in Rom, hat die Zeichnung Herrn Martfns und meine Skizze vom Pico de Orizaba retuschiert. An den Umrissen hat er nichts geän dert, aber in der Behandlung des Halblichts wird man den großen Künstler nicht verkennen. Die Vulkane von Puebla sind im Juni gezeichnet worden, also in einer Jahreszeit, wo die untere Grenze des ewigen Schnees bis zur Hälfte des Pico von Teneriffa oder bis zu 1900 Toisen absoluter Höhe herabsinkt. Während meines Aufenthalts in Mexico sah ich eine so große Menge Schnee in den Gebirgen fallen, daß beide Vulkane durch einen einzigen Streifen Schnee fast verbunden waren. Das Maximum der Höhe der Schneegrenze, wie ich es im November fand, ist ungefähr 2300 Toisen. Die Sierra Nevada oder der ltzaccfhuatl ist nur um eine Kleinigkeit höher als der Mont Blanc; der Popocatepetel ist um 322 Toisen höher, die Ebene zwischen der Stadt Mexico und dem Fluß der Vulkane ist schon höher als die Spitze des Mont d'Or und als die berühmten Stra ßen über den kleinen Bernhard, den Mont Cenis, den Simplon und als die Pässe von Gavarnie und Cavarere. Zwischen den beiden Vulkanen von Puebla marschierte Cortes bei seiner ersten Expedition gegen die Stadt Mexico mit einer Armee und 6000T laxcalteken. Während dieses beschwerlichen Zuges versuchte der kühne Diego Ordaz, um den Eingeborenen seinen Mut zu zeigen, die Spitze des Popocatepetl zu ersteigen. Sein Unternehmen mißlang; doch 56
"En Guatemala hay dos volcanes, uno de fuego, y otro de agua", sagt
Lorenzana in einer Anmerkung zu Cortes' Briefen.
Geographische Einleitung erlaubte ihm Kaiser Karl
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V. einen feuerspeienden Berg in seinem Wap
pen zu führen 57• Ich untersuche hier nicht eine Frage, über welche die Einwohner von Mexico oft stritten, ob Francisco Montafio nach der Er oberung der Hauptstadt
1522 den zur Verfertigung des Pulvers nötigen
Schwefel aus dem Krater des Popocatepetl oder aus einer Seitenöffnung gewann.
XVII. Malerische Ansicht des Pico de Orizaba Der Pico de Orizaba, über dessen Lage in der Karte von Arrowsmith und anderen Geographen soviel Verwirrung herrscht, ist bei den Seefah rern nicht weniger berühmt als der Pico de Teneriffa, die Silla de Cara cas, der Tafelberg und der Mount Elias. Ich habe ihn gezeichnet, wie man ihn beim Barrio de Santiago zwischen Jalapa und dem Dorf Hu astepec sieht. In dieser Gegend zeigt sich nur der Teil, welcher mit ewi gem Schnee bedeckt ist. Der Vordergrund meiner Zeichnung ist ein Wald von
Liquidambar styraciflua,
von Melastomen, von Arbutus und
Piper-Arten. Es ist merkwürdig, daß der Krater der beiden größten Vul kane von Mexico, des Popocatepetl und Citlaltepetl, gegen Südosten geneigt ist.
Überhaupt bemerkt man,
daß in den
Ä quatorial-Gegenden
von Neu-Spanien die Berge gegen den amerikanischen Meerbusen [ Ka ribik] weit steiler abfallen und daß die Lagen des Gesteins fast immer von NW gegen SO streichen. Um die wirklichen Vulkane von den ausge brannten zu unterscheiden, habe ich mir erlaubt, den Pico de Orizaba und den großen Vulkan von Puebla mit einer kleinen Rauchsäule zu be zeichnen, ob ich gleich diesen Rauch weder in Jalapa noch in Mexico selbst beobachtet habe. Aus der Mündung des Popocatepetl sahen Bon pland und ich eine große Masse Asche und eine sehr dicke Wolke auf stiegen, als wir am
24. Januar 1804 in der Ebene von Tetimpa, nahe bei
dem Dorf Nicolas de los Banchos den Vulkan geodätisch maßen. Die stärksten Ausbrüche des Orizaba, den die Indianer auch oder
Zeuctepetl nennen,
waren von
Pojauhtecatl
1545 bis 1566.
Acht Jahre vor meiner Ankunft in Mexico hatte Herr Ferrer den Citlaltepetl mittels einiger Höhenwinkel gemessen, die er bei Encero in einer großen Entfernung von der Spitze des Vulkans genommen hatte. Seine Abhandlung steht in den > Transactions of the Society at Philadel phiaRecueil d'observations astronomiques< publiziert ist [2 Teile, Paris 1810], glaubt er, daß das wahre Mittel aus den Observatio nen der Malaspina-Expedition 102° 14' 30" ist und daß, wenn man unse ren Beobachtungen nur den halben Wert zugestehen will, man doch die Länge von Acapulco auf 102° 9' 33" festsetzen kann; in diesem Fall wäre sie 3Vz Minuten westlicher als in meinem mexicanischen Atlas. Man darf sich über diese Ungewißheit, die in Ansehung der Lage eines Hafens der Südsee herrscht, nicht wundern, wenn man bedenkt, daß noch vor wenigen Jahren die Länge von Amsterdam nicht um 3 bis 4 Minuten, sondern um den dritten Teil eines Grades ungewiß war.
XIX. Karte der verschiedenen Wege, durch welche die Edelmetalle aus einem Weltteil in den andern gebracht werden Die Menge Gold und Silber, welche der Neue Kontinent jährlich nach Buropa sendet, macht mehr als neun Zehntel der gesamten jährlichen Ausbeute aller Bergwerke der Welt aus. Die spanischen Kolonien lie fern zum Beispiel fast 31!z Millionen Mark Silber, da alle europäische Länder, mit Einschluß des asiatischen Rußlands, jährlich wenig über 30 000 Mark zutage fördern 59. Mein langer Aufenthalt im spanischen Amerika hat mir Gelegenheit verschafft, über den Reichtum von Metal len von Mexico, Peru, Neu-Granada und dem Vizekönigreich Buenos Aires genauere Nachrichten zu sammeln als diejenigen, welche Adam Smith, Robertson und Raynal geliefert haben. Aus diesen Materialien habe ich Berechnungen über die Anhäufung der kostbaren Metalle im südlichen und südöstlichen Teil von Asien angestellt, welche der Gegen stand einer besonderen Abhandlung sein könnten. Hier liefere ich bloß die Hauptresultate in einer kleinen Karte, die ich 1804 auf der Überfahrt von Philadelphia nach Frankreich entworfen habe. Sie zeigt sozusagen die Ebbe und Flut der kostbaren Metalle. Im allgemeinen bemerkt man auf derselben eine Bewegung von Westen nach Osten, welche der Strö mung des Ozeans, der Atmosphäre und dem Gang der Kultur des menschlichen Geschlechts gerade entgegengesetzt ist.
59
Siehe für die Bergwerke Europas die vortreffliche statistische Tabelle des
Reichtums von Mineralien in Heron de Villefosse, Memoire general sur !es mi nes, Paris 1809, bei F. Schoell, p. 240.
Geographische Einleitung
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XX. Figürliche Darstellung der Oberfläche von Neu-Spanien,
seiner Intendanzen, der Fortschritte der Metallausbeute und anderer die europäischen Kolonien in beiden Indien betreffender Gegenstände Diese Figuren erklären, was unten von dem außerordentlichen Miß verhältnis zwischen der Oberfläche der Kolonien und der europäischen Mutterländer gesagt ist. Durch die einander einschließenden Quadrate, welche die Intendanzen vorstellen, ist die Ungleichheit der Territorial Einteilung von Neu-Spanien sehr auffallend geworden: Diese Methode hat Ähnlichkeit mit der von Herrn William Playfair erfundenen, von der er in seinem Handels- und Staats-Atlas* und in seinen statistischen Kar ten von Buropa einen so sinnreichen Gebrauch gemacht hat. Ohne die sen Skizzen eine große Bedeutung beizumessen, kann ich sie doch auch nicht als bloße unscientifische Spielerei gelten lassen. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß Herrn Playfairs Karte des Anwachsens der englischen Nationalschuld dem Profil des Pico de Teneriffa gleicht; aber haben nicht seit langem die Naturforscher den Gang des Barometers und die mittlere Temperatur der Monate durch ganz ähnliche Figuren ausge drückt? Moralische Ideen, die Fortschritte des Nationalwohlstandes oder den Verfall der Literatur eines Volks kann man freilich nicht durch Linien ausdrücken, aber durch statistische Projektionen können eine Menge wichtiger Gegenstände augenscheinlich gemacht werden und sich so dem Gedächtnis einprägen, ohne den Geist anzustrengen**.
*
William Playfair: The commercial and political atlas, London 1786, 21787;
s. hierzu auch den Kommentar, S. 551. **
Obwohl Humboldt hier Grenzen aufweist, glaubte er mehr als die meisten
Zeitgenossen an quantifizierende Möglichkeiten der Geographie. Auf ihn kön nen sich entsprechende Bestrebungen der modernen Geographie berufen.
[Vorwort] Im März 1803 auf dem Südmeer in Mexico angekommen, hielt ich mich während eines Jahres in diesem weiten Königreich auf. Nachdem ich Forschungen in der Provinz Caracas [Venezuela], an den Ufern des Orinoco und des Rio Negro, in Neu-Granada [Kolumbien], in Quito und an den Küsten Perus (wohin ich mich begeben habe, um in der süd lichen Hemisphäre den Merkur-Durchgang vor der Sonne am 9. No vember 1802 zu beobachten) angestellt hatte, mußte ich über den Gegensatz verblüfft sein, den die Zivilisation Neu-Spaniens darbietet. Dieser Kontrast regte mich zugleich und zum besonderen Studium der Statistik Mexicos und zur Erforschung der Ursachen, die den Fort schritt der Bevölkerung und der Nationalindustrie am meisten beein flußt haben, an. Meine persönliche Lage gewährte mir alle Mittel, das gesteckte Ziel zu erreichen. Kein gedrucktes Werk konnte mir Unterlagen liefern, aber es standen mir eine große Zahl handschriftlicher Aufzeichnungen zu Gebote, von denen rege Neugier Abschriften bis in die fernsten Teile der spanischen Kolonien verbreitet hatte. Ein kurzer, aber für mich sehr wichtiger Aufenthalt in Philadelphia und Washington [20. Mai-30. Juni] 1804 verschaffte mir Gelegenheit, Vergleiche zwischen dem gegenwärti gen Zustand der Vereinigten Staaten und demjenigen von Peru und Neu-Spanien anzustellen, welche ich kurze Zeit vorher besucht hatte. So vermehrte sich nach und nach der für Geographie und Statistik zu bearbeitende Stoff so stark, daß ich die Resultate dieser Bearbeitung nicht mehr in die >Relation Historique< meiner Reise aufnehmen konnte*. Ich schmeichelte mir mit der Hoffnung, daß das Erscheinen eines eigenen Werkes unter dem Titel >Essai politique sur le royaume de la Nouvelle-Espagne< in einer Epoche, wo der Neue Kontinent das In teresse der Europäer mehr als jemals fesselt, mit Aufmerksamkeit emp fangen werden könnte. Mehrere Abschriften des ersten Entwurfs dieser Arbeit, die ich in spanischer Sprache abgefaßt hatte, sind in Mexico und auf der Halbinsel [=Spanien] vorhanden. Im guten Glauben, dieses *
Ein Aspekt, der bei der Diskussion des fragmentarischen Charakters der
Relation Historique zu beachten ist; Hanno Beck: Alexander von Humboldt und Mexiko, a. a. 0., S. 30.
Vorwort
91
Werk könne denen nützlich sein, die zur Verwaltung der Kolonien beru fen sind und die oft nach einem langen Aufenthalt noch keine genaue Vorstellung über den Zustand dieser schönen und weiten Regionen ha ben** , hatte ich mein Manuskript all denen mitgeteilt, die es zu studie ren wünschten. Diese wiederholten Mitteilungen führten zu bedeuten den Verbesserungen. Selbst die spanische Regierung hat mich mit einer besonderen Aufmerksamkeit beehrt. Meine Arbeit hat Unterlagen zu mehreren offiziellen Aktenvorgängen geliefert, die zur Diskussion des Handels und der Manufakturindustrie der Kolonien bestimmt waren. Das Werk, welches ich in diesem Augenblick veröffentliche, gliedert sich in sechs Abschnitte. Das erste Buch enthält allgemeine Betrachtun gen über die Ausdehnung und den physischen Aspekt Neu-Spaniens. Ohne mich auf eine ausführliche beschreibende Naturgeschichte (die einem anderen Teil meines Werkes vorbehalten ist***) einzulassen, un tersuchte ich den Einfluß der Unebenheiten des Bodens auf das Klima, die Landwirtschaft, den Handel und die Verteidigung der Küsten. Das zweite Buch handelt im allgemeinen**** von der Bevölkerung und von
der Einteilung der Kasten. Das dritte Buch stellt die spezielle Statistik der Intendancias, ihre Bevölkerung und ihr Areal nach den Karten dar, die ich nach meinen astronomischen Beobachtungen entworfen habe. Im vierten Buch diskutiere ich den Zustand der Landwirtschaft und der
Bergwerke; im fünften die Fortschritte der Manufakturen und des Han dels. Das sechste Buch endlich enthält Nachforschungen über die Staats einkünfte und die militärische Verteidigung des Landes. Trotz der äußersten Sorgfalt, deren ich mich befleißigte, um die Re sultate zu verifizieren, die ich bestimmt habe, zweifele ich nicht, meh rere sehr schwere Irrtümer begangen zu haben, die in dem Maß aufge deckt werden, wie mein Werk die Bewohner Neu-Spaniens beflügelt, den Zustand ihres Vaterlandes zu studieren. Ich kann auf die Nachsicht derjenigen rechnen, welche die Schwierigkeiten der Recherchen dieser Art kennen und statistische Tabellen, die jährlich in den zivilisiertesten Gegenden Europas erscheinen, unter sich verglichen haben.
**
Die Möglichkeit des praktischen Nutzens einer geographischen Landes
kunde hat die nach Humboldt kommende Generation aus den Augen verloren. *** ****
Nicht mehr erschienen. Ein Ausdruck, der ausnahmsweise nach der Verbesserung im Vorwort
der zweiten Auflage des Mexico-Werkes eingefügt wurde, da hier, wie auch in einigen anderen Fällen, der Text unklar war.
Buch I Allgemeine Betrachtungen über den Flächeninhalt und die physische Beschaffenheit des Königreichs Neu-Spanien - Einfluß des Reliefs auf Klima, Ackerbau, Handel und militärische Verteidigung des Landes Erstes Kapitel Ausdehnung der spanischen Besitzungen in Amerika - Vergleich derselben mit den englischen Kolonien und dem asiatischen Teil des Russischen Reichs - Über die Namen "Neu-Spanien und Andhuac" - Grenze des Reichs der aztekischen Könige
Bevor ich das statistische Gemälde des Königreichs Neu-Spanien entwerfe, wird es der Mühe wert sein, einen flüchtigen Blick auf den Flächeninhalt und die Bevölkerung der spanischen Besitzungen im süd lichen und nördlichen Teil von Amerika zu werfen. Indem wir uns zu ei ner allgemeineren Ansicht der Dinge erheben, indem wir jede Kolonie nach ihren mannigfaltigen Verhältnissen zu den benachbarten Kolonien und zum Mutterland betrachten, können wir mit Zuversicht hoffen, dem Land, das wir beschreiben sollen, die Stelle anzuweisen, welche ihm in politischer Hinsicht gebührt. Die spanischen Besitzungen auf dem Neuen Kontinent nehmen den ungeheuren Landstrich ein, der sich vom 41.0 43' südlicher bis zum 37.0
48' nördlicher Breite ausdehnt. Dieser Erdraum von 79 Grad kommt nicht bloß der Länge von ganz Afrika gleich, sondern übertrifft noch um vieles an Breite das türkische Reich, welches 167 Grad der Länge unter einem Parallelkreis umfaßt, dessen Grade mehr als die Hälfte kleiner als die Äquatorialgrade sind. Der südlichste Punkt des Neuen Kontinents, so weit ihn die Spanier bewohnen, ist das Fort Maulin, in der Nähe des kleinen Dorfes Carel mapec, an den Küsten von Chile, der nördlichen Spitze der Insel Chiloe gegenüber. Man hat neuerdings angefangen, eine Straße von Valdivia bis zu diesem Fort Maulin anzulegen; ein schwieriges, aber um so nütz licheres Unternehmen, weil ein unsicheres stürmisches Meer einen gro ßen Teil des Jahres hindurch den Seefahrern jene gefahrvollen Küsten von Chile unzugänglich macht. Südlich und südöstlich von Fort Maulin
Buch I
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im Golf von Ancud und dem von Reloncavi, durch welchen man zu den großen Seen von Nahuelhapi und Todos Santos gelangt, gibt es keine Niederlassungen der Spanier mehr. Hingegen findet man deren auf den nahe an der östlichen Küste von Chiloe gelegenen Inseln bis zum 43.
o
34' südlicher Breite, wo die Insel Cailin (dem Bergkoloß des Corcovado
gegenüber) von einigen Familien spanischer Abkunft bewohnt ist. Der nördlichste Punkt der spanischen Kolonien ist die Mission San Francisco an den Küsten von Neu-Californien, 7 französische Meilen nordwestlich von Santa Cruz. Spanische Sprache ist demnach über einen Landstrich von mehr als 1200 geographischen Meilen verbreitet. Unter der weisen Verwaltung des Grafen Floridablanca wurde eine re gelmäßige Postverbindung von Paraguay bis an die nordwestliche Küste von Amerika hergestellt. Ein Mönch in der Mission der Guarani-India ner kann mit einem anderen Missionar, welcher Neu-Mexico oder die Küste nahe am Vorgebirge Mendocino bewohnt, einen regelmäßigen Briefwechsel führen, ohne daß beider Briefe sich weit vom Kontinent des spanischen Amerika entfernen. Die Besitzungen des Königs von Spanien in Amerika übertreffen an Ausdehnung die weiten Gegenden des russischen Reichs oder der asiati schen Kolonien von Großbritannien. Ich habe versucht, auf einer eige nen Kupfertafel diese Verschiedenheiten und das auffallende Mißver hältnis darzustellen, das in Hinsicht auf Flächeninhalt und Bevölkerung zwischen den europäischen Mutterstaaten und ihren Kolonien stattfin det. Um dieses Mißverhältnis noch anschaulicher zu machen, sind dort alle Figuren nach einem Maßstab entworfen. Ein rotes Parallelogramm, das als Unterlage dient, stellt die Oberfläche der Mutterländer dar; ein blaues, welches sich auf diese Grundlage stützt, bezeichnet den Flä cheninhalt der spanischen und englischen Besitzungen in Amerika und Asien. Diese graphische Vorstellungsart, welche nach William Playfairs Methode ausgeführt ist, hat etwas Erschreckendes, besonders wenn man den Blick auf die große Katastrophe 60 heftet, die bei uns noch in frischem Andenken ist und an welche die 4. Figur erinnert. So einfache Bilder sind allein schon fähig, wichtige Betrachtungen in denen zu ver anlassen, deren Beruf es ist, für den Wohlstand und folglich für die Ruhe der Kolonien zu wachen. Furcht vor künftigen Übeln gehört zwar nicht zu den edlen Beweggründen menschlicher Handlungen, aber diese Furcht ist für große Staatskörper wie für einzelne Privatpersonen der mächtigste Antrieb zur Wachsamkeit. Die spanischen Besitzungen in Amerika sind in 9 große Statthalter60
Die Trennung der nordamerikanischen Kolonien.
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schaften abgeteilt, die man als gegenseitig voneinander unabhängig betrachten darf. Von diesen neun Statthalterschatten gehören fünf, näm lich die Vizekönigreiche Peru und Neu-Granada, die Capitanias Genera les Guatemala, Puertorico und Caracas, ganz dem heißen Erdstrich an; die vier anderen, nämlich die Vizekönigreiche Mexico und Buenos Aires und die Capitanias Generales Chile und Havanna, deren letztere
die beiden Florida [ Küstenstreifen östlich der Mississippimündung und
die Halbinsel galten als westliches und östliches Florida] in sich begreift, umfassen Länder, von denen ein großer Teil außerhalb der beiden Wen dekreise, d. h. in der gemäßigten Zone liegt. Daß nicht die geographi sche Lage allein die Natur der Erzeugnise dieser herrlichen Länder be stimme, werden wir in der Folge sehen. Ein Zusammentreffen mehrerer physischer Ursachen, z. B. die beträchtliche Höhe der Cordilleren, ihre ungeheure Masse, die vielen, 2000 bis 3000 m über den Meeresspiegel erhabenen Gebirgsflächen mäßigen die Hitze in einigen Tropenländern dergestalt, daß die Beschaffenheit der Luft dem Anbau der Zerealien und der Kultur europäischer Obstbäume günstig ist. Wo auf dem Rük ken und am Abfall der Gebirge gleichsam alle Klimate vereinigt sind, hat die geographische Breite wenig Einfluß auf die Fruchtbarkeit des Bodens und die Natur der Erzeugnisse. Unter allen Kolonien, welche dem Szepter des Königs von Spanien unterworfen sind, behauptet Mexico gegenwärtig den ersten Rang, so wohl wegen der Schätze seines Bodens als wegen seiner für den Handel mit Buropa und Asien so vorteilhaften Lage. Wir sprechen hier bloß von dem politischen Wert des Landes, von dem gegenwärtigen Zustand sei ner Kultur, in dem es unbezweifelt alle übrigen spanischen Besitzungen weit übertrifft. Allerdings sind mehrere Zweige des Ackerbaus in der Provinz Caracas zu einem höheren Grad der Vollkommenheit gediehen als in Neu-Spanien. Je weniger Bergwerke eine Kolonie hat, desto mehr ist die Betriebsamkeit ihrer Bewohner auf die Nutzung der vegetabili schen Produkte gerichtet. Größer ist die Fruchtbarkeit des Bodens in den Provinzen Cumami, in Neu-Barcelona und Venezuela; größer an den Ufern des Nieder-Orinoco und in Neu-Granadas nördlichem Teil als im Königreich Mexico, in dem einzelne Landstriche unfruchtbar sind, Mangel an Wasser leiden und fast alles Pflanzenschmuckes beraubt sind. Erwägt man aber die beträchtliche Bevölkerung von Neu-Spa nien, die große Anzahl bedeutender Städte, die man dort in geringer Entfernung voneinander antrifft, erwägt man den ungeheuren Wert der metallischen Ausbeute und den Einfluß dieser Schätze auf den Handel mit Buropa und Asien, betrachtet man den Zustand der Wildheit und Unkultur, in dem sich Spaniens übrige Besitzungen in Amerika befin-
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den, so ist man geneigt, die Vorliebe einigermaßen zu rechtfertigen, welche der Hof von Madrid seit mehr als einem Jahrhundert für das Königreich Mexico äußert. Unter der Benennung Neu-Spanien begreift man überhaupt die unge heure Länderstrecke, welche der Botmäßigkeit des Vizekönigs von Mexico unterworfen ist. Nimmt man das Wort in diesem Sinne, so sind die Parallelkreise des 38. und 10. Grads die Grenze gegen Norden und gegen Süden. Aber der Generalkapitän von Guatemala hängt in Zivil angelegenheiten nur wenig von dem Vizekönig Neu-Spaniens ab. Das Königreich Guatemala umfaßt nach seiner politischen Einteilung die Statthalterschaftell Costa Rica und Nicaragua; es grenzt an das König reich Neu-Granada, zu welchem Darien und der Isthmus von Panama gehören. So oft wir uns in der Folge dieses Werkes der Benennungen Neu-Spanien undMexico bedienen, betrachten wir jedesmal die Capita
nfa General de Guatemala als ausgeschlossen - ein fruchtbares und in Vergleichung mit den übrigen spanischen Besitzungen bevölkertes Land, dessen Boden um so sorgfältiger bebaut ist, als es, von Vulkanen erschüttert, wenige Spuren von metallischen Schätzen zeigt. Die süd lichsten und zugleich östlichsten Regionen Neu-Spaniens sind demnach die Intendancias Merida und Oaxaca. Die Grenze, welcheMexico vom Königreich Guatemala scheidet, stößt östlich vom Hafen Tehuantepec bis la Barra de Tonala an die Küste des Stillen Ozeans. An dem antiHi seben Meeresufer läuft sie längs der Honduras-Bai hin. Der Name Neu-Spanien wurde zuerst im Jahr 1518, und zwar allein der Provinz Yucatan beigelegt. Grijalvas Gefährten erstaunten dort über den vortrefflichen Anbau des Landes und über die künstlichen Wohnungen der Indianer. In seinem ersten Brief an Kaiser Karl V., im Jahre 1520, dehnt Cortes schon die Benennung Neu-Spanien aufMocte zumas ganzes Reich aus. Dieses erstreckte sich nach Solis von Panama bis Neu-Californien. Allein aus den gelehrten Untersuchungen eines mexicanischen Geschichtschreibers, des Abbe Clavigero6\ wissen wir, daß der Sultan von Tenochtitlan, Moctezuma, eine weit weniger ausge dehnte Landesstrecke beherrschte. Denn an der östlichen Küste waren die Flüsse Coatzocoalcos und Tuxpan, an der westlichen die Ebenen von Soconusco und der Hafen Zacatula die Grenzen seines Reichs. Wirft man einen Blick auf meine in Intendanzen abgeteilte General karte von Neu-Spanien, so ersieht man, daß Moctezuma nur die jet zigen Intendanzen Veracruz, Oaxaca, La Puebla, Mexico und Valladolid 61
Dissertazione sopra i confini di Amihuac. Siehe: Storia antica del Messico,
T. IV, p. 265.
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beherrschte. Ich schätze den Flächeninhalt dieses Alt-Aztekischen Reichs auf 18000 bis 20 000 Quadratmeilen. Im Anfang des 16. Jahrhunderts trennte der Fluß Santiago die acker bauenden Völker von Mexico und Michoacan von den wilden nomadischen Horden der Otomi und Chichimeken. Öfters drangen diese Wilden auf ihren Streifzügen bis Tula vor, einer Stadt, welche am nördlichen Aus gang des Tals von Tenochtitlan liegt. Sie bewohnten dieselben Ebenen von Celaya und Salamanca, in denen wir gegenwärtig den herrlichsten Anbau und die zahllose Menge zerstreuter Meierhöfe finden. Die Benennung Anahuac darf keineswegs mit der von Neu-Spanien verwechselt werden. Durch ersteren Namen bezeichnete man vor der Eroberung
(conquista)
alles Land, was zwischen dem 14. und 21. Grad
der Breite liegt. Zum alten Am'ihuac gehörten, außer Moctezumas aztekischem Kaiserreich, auch die kleinen Freistaaten T laxcalla und Cholula nebst den Königreichen Tezcoco und Michoacan, welch letzte res einen Teil der jetzigen Intendenz Valladolid in sich schloß. Das Wort Mexico selbst ist indianischen Ursprungs. Es bezeichnet in der Sprache der Azteken den Wohnsitz des Kriegsgottes, welcher Me xitli oder Huitzilopochtli genannt wurde. Es scheint jedoch, daß vom Jahr 1530 an die Stadt gewöhnlicher den Namen Tenochtitlan als Me xico führte. Cortes62, der nur geringe Fortschritte in der Landessprache gemacht hatte, nennt die Hauptstadt aus Mißverstand Temixtitan. In einem Werk, das ausschließlich vom Königreich Mexico handelt, wird man diese etymologischen Berichtigungen entschuldigen. Der kühne Mann, welcher das aztekische Reich umstürzte, hielt übrigens dasselbe für groß genug, um seinem Monarchen, Karl V, anzuraten63, mit dem deutschen Kaisertitel noch den Titel eines Kaisers von Neu-Spanien zu verbinden. Neu-Spanien kann im gegenwärtigen Augenblick in Hinsicht auf seinen Flächeninhalt und auf seine Bevölkerung mit zwei Staaten ver glichen werden, mit deren einem es sich in dem Band der engsten Ver einigung befindet, während es mit dem anderen im gefahrvollsten Wett streit der Nacheiferung steht. Alt-Spanien ist fünfmal kleiner als das mexicanische Gebiet. Unvorherzusehende Unfälle abgerechnet, kann man annehmen, daß in weniger als einem Jahrhundert dieses letztere ebenso bevölkert wie das Mutterland sein werde. Der Flächeninhalt der Vereinigten Staaten von Nordamerika beträgt, seitdem ihr Gebiet 62
Historia de Nueva Espafia, por Lorenzana, Mexico 1770, p. 1.
63
Cortes in seinem ersten, am 30. Oktober 1520 aus Villa Segura de la Fron
tera geschriebenen Brief.
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durch die Abtretung von Louisiana vergrößert wurde* und seitdem sie keine andere Grenze als den Rfo Grande del Norte anerkennen wollen,
260 000 Quadratmeilen. Ihre Bevölkerung ist um ein geringes beträcht licher als die von Neu-Spanien, wie wir weiter unten bei sorgfältiger Untersuchung der Volksmenge und des Flächeninhalts beider Länder sehen werden. Hinge die politische Stärke zweier Staaten einzig und allein von der Zahl ihrer Bewohner oder von dem Raum ab, den sie auf der Erdfläche einnehmen, wären nicht natürliche Beschaffenheit des Bodens und Ge staltung der Küsten, Klima, Energie der Nation und vor allem größere oder geringere Vollkommenheit der gesellschaftlichen Einrichtungen die vorzüglichsten Elemente dieses großen dynamischen Kalküls, so könnte allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt Neu-Spanien mit dem Bund der amerikanischen Freistaaten verglichen werden. Beide fühlen nur zu sehr die schädlichen Folgen einer ungleich verteilten Bevölke rung. Die der Vereinigten Staaten, so auffallend minder auch Boden und Klima dort von der Natur begünstigt sind, nimmt mit weit größerer Schnelligkeit zu. Sie hat dabei noch den Vorzug, daß sie nicht wie die Bevölkerung von Neu-Spanien, 31h Millionen von amerikanischen Ur völkern abstammender Menschen in sich faßt - Indianer, welche durch den Despotismus der alten aztekischen Herrscher und durch die Be drückungen der Conquistadoren allmählich in den Zustand tierischer Rohheit herabgesunken sind, weil bei der großen Entfernung der ober sten Gewalt der Schutz einer weisen und menschlichen Gesetzgebung ihnen unnütz geblieben ist. Dagegen genießt Neu-Spanien ein Glück, welches den Vereinigten Staaten nicht zuteil wurde. Es befinden sich in dieser weitausgedehnten Kolonie fast gar keine Sklaven, weder afrika nischer noch gemischter Abstammung; ein Vorteil, welcher den europäi schen Kolonisten erst seit den schauervollen Revolutionsszenen auf Santo Domingo in seiner ganzen Größe einleuchtet. So gewiß ist es, daß Furcht vor physischen Übeln mächtiger wirkt als alle moralischen Be trachtungen über das Wohl der Gesellschaft, mächtiger als die so oft im englischen Parlament, in der französischen Nationalversammlung und in den Schriften der Philosophen ausgesprochenen Grundsätze der Menschenliebe und der Gerechtigkeit! Die Zahl afrikanischer Sklaven in den Vereinigten Staaten übersteigt eine Million, so daß sie den sechsten Teil der ganzen Volksmenge aus machen. Die südlichen Staaten, deren politischer Einfluß seit der Er-
*
Napoleon I. verkaufte 1803 den gesamten Landbesitz Frankreichs in Nord
amerika an die USA
(Lousiana Purchase).
Erster Band
98
werbung Louisianas täglich zunimmt, haben lange durch ihren Handel nach der Küste von Guinea die Zahl der Neger unbedachtsam ver mehrt. Weder der Kongress noch das Oberhaupt des Staatenbundes
(ein
Mann 64, dessen Name allen Menschenfreunden teuer ist ) waren
bisher imstand, sich dieser Vermehrung wirksam genug zu widersetzen und dadurch künftigen Geschlechtern grenzenloses Unheil zu ersparen.
Zweites Kapitel
Gestalt der Küsten-Punkte, an denen sich die beiden Meere am meisten einander nähern -Allgemeine Betrachtungen über die Möglichkeit, die Südsee mit dem Atlantischen Ozean zu verbinden-Flüsse Ounigigah (Friedensfluß) und Tacut chetese- Ursprung des Rio Bravo[= Rio Grande del Norte] und Rio Colorado -Landenge von Tehuantepec-See Nicaragua-Landenge von Panama-Meerbusen von Cupica-Kanal im Choco-Rio Guallaga-Golfo de San Jorge Das Königreich Neu-Spanien, die nördlichste aller spanischen Besit zungen in Amerika, erstreckt sich vom 16. bis zum 38. Grad der Breite. Die Länge dieses weitausgedehnten Landes beträgt in der Richtung von SSO nach NNW ungefähr 270 Myriameter*
(oder
366 geographische
Meilen ) ; am breitesten ist es gegen den 30. Parallelkreis hin. Man rech net vom Roten Fluß
( Red
River ) in der Provinz Texas 65 bis zur Insel
Tibur6n, an den Küsten der Intendanz Sanara von Osten nach Westen 160 Myriameter (oder 218 geographische Meilen ) . Der Teil von Mexico, in welchem beide Meere, die Südsee und der Atlantische Ozean, sich einander am meisten nahen, ist leider nicht der selbe, welcher die Hauptstadt und die Häfen Acapulco und Veracruz in sich begreift. Die schiefe Entfernung von Acapulco und Mexico beträgt nach meinen astronomischen Beobachtungen 2° 40' 19" eines großen Zirkels ( oder 155 885 Toisen ) ; von Mexico nach Veracruz rechnen wir in gerader Richtung 2° 57' 9" ( oder 158 572 Toisen ) , und vom Hafen von Acapulco bis zum Hafen von Veracruz 4° 10' 7". Bei Angabe dieser Ent fernungen findet man die meisten Abweichungen in den älteren Karten. Nach den von Cassini in Chappes Reise bekanntgemachten Beobach64
Der
j etzige
Präsident, Thomas Jefferson, Verfasser des vortrefflichen
Werks über Virginien. 65
Die vom Kongreß von Washington bestrittene Grenze der Intendanz San
Luis Potosf läuft eigentlich noch westlicher längs dem Rfo Mermento oder Me xicana hin.
* 1 Myriameter
= 10 000 m.
Buch I
99
tungen betrüge der Längenunterschied zwischen Mexico und Veracruz 5° 10' anstatt 2° 57', welche den wirklichen Abstand ausdrücken. Nähme man für Veracruz Chappes Ortbestimmung und für Acapulco die Länge an, welche die 1784 im
Dep6sito Hidrogrtifico zu Madrid ent
worfene Karte angibt, so betrüge die Breite des mexicanischen Isthmus zwischen den beiden Häfen 105 geographische Meilen; eine Entfer nung, welche um 42 geographische Meilen größer als die wirkliche ist. Eine kleine, diesem Werk angefügte
kritische Karte stellt diese Verschie X).
denheiten am auffallendsten dar (s. No.
Am schmalsten ist der Kontinent von Neu-Spanien auf der Landenge von Tehuantepec, südöstlich vom Hafen Veracruz. Man rechnet hier vom Atlantischen Ozean bis ans Stille Meer 27 geographische Meilen. Die Flüsse Coatzacoalcos und Chimalapa, deren Quellen sich einander nähern, scheinen in diesem Punkt die Anlage eines Kanals für die Schiffahrt im Inneren des Landes zu begünstigen; auch hat das Projekt eines solchen Kanals lange Zeit den Grafen Revillagigedo beschäftigt, einen tätigen, auf das öffentliche Wohl eifrigst bedachten Vizekönig. Wir werden auf diesen für das ganze gebildete Buropa so wichtigen Ge genstand an einem anderen Ort zurückkommen, wenn wir weiter unten die Spezialstatistik der Intendanz Oaxaca mitteilen. Hier begnügen wir uns, die Aufgabe einer möglichen Verbindung beider Meere in ihrer ganzen Allgemeinheit zu betrachten. Wir werden neun verschiedene Punkte angeben, deren mehrere in Buropa völlig unbekannt sind und welche alle eine größere oder geringere Möglichkeit zu Kanälen oder in neren Stromverbindungen darbieten. Zu einem Zeitpunkt, zu dem der Neue Kontinent Vorteil zieht aus dem unglücklichen Zwist europäischer Völker und mit Riesenschritten auf dem Wege der Kultur fortrückt, in dem die Handelsverbindungen mit China und der nordwestlichen Küste von Amerika mit jedem Jahr an Ausdehnung gewinnen, zu einem solchen Zeitpunkt ist der Gegenstand, der uns in diesem Kapitel be schäftigt, für die Bilanz des Handels und das politische Übergewicht der Völker von äußerster Wichtigkeit. Die neun Punkte, welche zu verschiedenen Zeiten sowohl die Auf merksamkeit der Staatsmänner als der in den Kolonien wohnenden Kaufleute auf sich zogen, sind in Hinsicht der Vorteile, die sie ver sprechen, sehr voneinander verschieden. Wir wollen sie hier nach ihrer geographischen Lage einzeln aufzählen. Wir beginnen beim nördlichen Teil des Neuen Kontinents und verfolgen die Küsten abwärts bis zur südlichsten Spitze der Insel Chiloe. Nur dann, wenn die Regierung alle bisher zur Verbindung beider Meere gemachten Entwürfe geprüft hat, kann sie einst entscheiden, welcher unter ihnen den Vorzug verdiene.
Erster Band
100
Vor dieser Prüfung, zu welcher die nötigen Materialien leider noch feh len, wäre es unweise, Kanäle in den Landengen von Coatzacoalcos oder Panama zu beginnen. 1. Unter 54° 37' nördlicher Breite, der Insel der Königin Charlotte gerade gegenüber, entspringt der Friedensfluß, welcher auch Ounigigah genannt wird, 4 geographische Meilen von den Quellen des Tacutche tese, den man für identisch mit dem Columbiafluß hält. Der erstere dieser Flüsse strömt in das Nordmeer, nachdem er zuvor die Gewässer des Sklaven-Sees und Mackenzieflusses in sich aufgenommen hat. Der zweite, der Columbia, ergießt sich, nach Vancouvers Angabe unter 46° 19' der Breite, in der Nähe des Vorgebirges Disappointment südlich vom Nootkasund, in den Pazifik. Herr Fiedler fand, daß die an Stein kohlen so reichhaltige Cordillere der Rocky Mountains an einigen Stel len um 3520 englische Fuß 66 oder 550 Toisen höher sei als die benachbar ten Ebenen. Diese Bergkette läuft zwischen den Quellen des Friedens flusses und des Columbia hin. Nach Mackenzies Erzählung, der im August 1793 über diese Cordillere reiste, lassen sich daselbst Kanus ziemlich leicht von Fluß zu Fluß tragen, der Gebirgsrücken scheint eben nicht sehr hoch zu sein. Um dem großen Umweg, den der Columbia River macht, auszuweichen, könnte eine andere, noch kürzere Handels straße vom Ursprung des Tacutchetese bis zum Lachsfluß (Riviere des Saumons) angelegt werden, welch letzterer sich östlich von den Inseln der Kronprinzessin unter 52° 26' der Breite in das Meer ergießt. Mak kenzie bemerkt mit Recht, daß ein Gouvernement, welches durch diese Straße beide Meere miteinander verbände, und zugleich bestimmte Niederlassungen im Inneren des Landes und an beiden Mündungen der Flüsse errichtete, durch dieses Unternehmen unfehlbar den ganzen nordamerikanischen Pelzhandel an sich reißen würde. Dieses Monopol würde sich vom 48. Grad der Breite bis zum Pol hin erstrecken, nur mit Ausschluß derjenigen Küsten, welche seit einem Jahrhundert zum ame rikanischen Rußland gehören. Eine große Anzahl von Flüssen und ihr wunderbarer Lauf begünstigen den Handelsverkehr im Inneren von Kanada wie in Ost-Sibirien, und die Mündung der Columbia bietet den
66
Ist es wahr, daß diese Gebirgskette über die Grenze des ewigen Schnees
hinausreicht (Mackenzie, T. 111, p. 331), so muß ihre absolute Höhe wenigstens 1000 bis 1100Toisen betragen, woraus sich ergäbe, daß entweder die benachbar ten Ebenen, auf denen Herr Fiedler seine Messungen anstellte, 450 bis 550Toi sen über den Meeresspiegel erhaben sind oder daß die Gipfel, welche dieser Reisende maß, nicht zu den höchsten Kuppen der von Mackenzie späterhin be reisten Gebirgskette gehören.
Buch I
101
Europäern die herrlichste Gelegenheit zur Anlage einer Kolonie dar. Die Ufer dieses Flusses sind ungemein fruchtbar und liefern vortreff liches Bauholz. Trotz der von Herrn Broughton so mühsam angestellten Nachforschungen kennen wir indes nur einen sehr kleinen Teil des Columbiaflusses, der, gleich der Saverne und derThemse, sowie er sich von den Küsten entfernt, plötzlich schmal und seicht 67 zu werden scheint. Jeder Geograph, der Mackenzies und Vancouvers Karten sorg fältig vergleicht, muß sich wundern, wie der Columbia, indem er von den Rocky Mountains, die man als eine Fortsetzung der mexicanischen Anden ansehen kann, herabfließt, die Gebirgskette durchbrechen kann, welche sich den Küsten des Stillen Meeres nähert und deren höch ste Gipfel der Mount St. Helens und der Mount Rainier sind. Auch hat Herr Malte-Brun 68 bereits mit Recht bedeutende Zweifel gegen die Meinung erhoben, daß derTacutchetese und der Columbia ein und der selbe Fluß seien. Er nimmt an, daß ersterer sich in den Meerbusen von Californien ergieße, eine allzu gewagte Vermutung, nach welcher der Tacutchetese
eine
ungeheuer
große
Länderstrecke
durchströmen
müßte. Leider sind wir mit diesem ganzen westlichenTeil von Nordame rika nur wenig bekannt. Unter dem 50. Grad der Breite erleichtern gleichfalls der Nelsonfluß, der Saskatchewan und der Missouri, den man als einen der Hauptarme des Mississippi betrachten kann, eine Verbindung mit dem Stillen Meer. Alle diese Flüsse entspringen nämlich am Fuß der Rocky Mountains. Wir kennen noch nicht genug die Beschaffenheit der Gegenden, durch welche die Portage 69 angelegt werden müßte, um über die Ausführbar keit solcher Vorschläge entscheiden zu können. Die neue, auf Kosten der amerikanischen Regierung unternommene Reise des Kapitän Lewis nach dem Missouri und Nootkasund wird wahrscheinlich viel Licht über diese Gegenstände verbreiten .
2. Unter dem 40. Grad der Breite sind die Quellen des Rfo [ Grande)
del Norte oder Rfo Bravo, eines beträchtlich großen Flusses, der sich in den Mexicanischen Meerbusen ergießt, von denen der Rfo Colorado nur durch eine bergige Gegend getrennt ist, die 7-8 geographische Mei-
67 68
69
Voyage de Vancouver, Tom. II, p. 49 und T. 111, p. 521. Geogr. mathem., Vol. XV, p. 117. Portage, spanisch:
arascradero ( Schleppe)
heißt in den Kolonien ein
schmaler Landstrich zwischen zwei nahen Flüssen, über welchen die Boote und andere Lasten durch Menschenhände oder auf Walzen fortgeschafft werden. Mittels einer solchen Schleppe
(portage)
sind wir, Herr Bonpland und ich, 1800
vom Fluß Temi in den Rio Negro gelangt [ Anm. d. Cotta-Verlages] .
102
Erster Band
len breit ist. Dieses Hochland ist eine Fortsetzung der Cordillera de las Grullas, die sich nach der Sierra Verde und gegen den in der mexicani schen Geschichte berühmten See Timpanogas [Großer Salzsee] hin aus dehnt. Der Rfo San Rafael und Rfo San Javier sind die vorzüglichsten Quellen des Flusses Zaguananas, welcher in Verbindung mit dem Rfo de Nabajoa den Rio Colorado bildet; der letztere ergießt sich in den ca lifornischen Meerbusen. Diese an Steinsalz so reichhaltigen Gegenden wurden 1777 von zwei tätigen und unerschrockenen Reisenden, Patres Francisco Atanasio Domfnguez und Silvestre Velez de Escalante (beide Franciskanermönche) untersucht*. Aber so wichtig auch einst der Rfo Zaguananas und Rfo [Grande] del Norte für den Handel im Inneren die ses nördlichen Teils von Neu-Spanien werden können, so leicht auch im mer Lasten über diese Gebirge fortzuschaffen sind, so werden doch diese Verbindungsstraßen nie die Vorteile eines Kanals gewähren, der geradezu von einem Meer zum anderen führte. 3. Auf der Landenge von Tehuantepec entspringen unter dem 16. Grad der Breite der Rio Coatzacoalcos, welcher sich in den Mexica nischen Meerbusen, und der Rio Chimalapa, der sich bei der Barra de San Francisco in das Stille Meer ergießt. Ich betrachte hier den Rfo del Paso als die Hauptquelle des Flusses Coatzacoalcos, obgleich dieser letztere seinen Namen erst beim Paso de la Fabrica annimmt, nachdem sich einer seiner Arme, der von den Gebirgen de los Mixes herströmt, mit dem Rio del Paso vereinigt hat. Wir werden weiter unten auf die Möglichkeit zurückkommen, einen 3 bis 4 Meilen langen Kanal durch die Wälder von Tarifa zu graben. Hier bemerken wir nur noch, daß, seit dem man 1798 einen Landweg vom Hafen Tehuantepec bis zum Embar cadero de la Cruz eröffnet hat (einen Weg, der 2 Jahre später noch mehr verbessert wurde), der Rio Coatzacoalcos allerdings schon als Verbin dungsstraße für den Handel zwischen beiden Meeren dient. Während des Krieges mit den Engländern kam der Indigo von Guatemala, der unter allen am meisten geschätzt wird, über die Landenge von Coatza coalcos und durch den Rfo Alvarado nach dem Hafen von Veracruz und von da nach Europa. 4. Der große See von Nicaragua steht nicht allein mit dem See von Le6n in Verbindung, sondern mittels des San Juan-Flusses gegen Osten auch mit dem AntiHisehen Meer; die Vereinigung des letzteren mit dem Stillen Ozean könnte demnach durch einen Kanal bewerkstelligt wer den, den man durch die zwischen dem See und dem Golf de Papagayo befindliche schmale Landenge grübe; vielleicht zwischen den hohen, *
Humboldt schrieb irrtümlich: Pater Escalante und Pater Antonio Velez.
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103
einzeln emporragenden Gipfeln der Vulkane Bombacho (unter 11° 7' der Breite), Granacta und del Papagayo ( 10°
50').
Nach den ältesten
Karten zu urteilen, gäbe es bereits eine unmittelbare Wasserverbindung mitten durch den Isthmus, zwischen dem See Nicaragua und dem Stillen Meer. Auf anderen, etwas neueren Karten findet man einen sonder baren Fluß unter dem Namen Rio Partido 70 angezeigt. Ein Arm dessel ben ergießt sich in die Südsee, der andere in den See Nicaragua; allein auf den letzten, in Spanien und England erschienenen Karten ist diese gabelförmige Verästelung verschwunden. Die Archive von Madrid enthalten mehrere teils von Franzosen, teils von Engländern verfaßte Aufsätze über die Möglichkeit, den See von Nicaragua mit dem Großen Ozean zu verbinden. Der Handel, welchen die Engländer an den Küsten der Mosquitos-Indianer treiben, hat vor züglich dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit der Europäer auf dieses Projekt einer Vereinigung beider Meere zu fesseln. Aber in keinem der Aufsätze, die mir bekannt geworden sind, finden sich hinreichende Auf schlüsse über den Hauptpunkt, der bei einem Kanal in Betrachtung kommt, nämlich über die Höhe des Terrains auf der Landenge. Vom Königreich Neu-Granada an bis in die Nähe der Hauptstadt von Neu-Spanien findet man keinen Berg, kein Gebirge, keine Stadt, deren Erhöhung über dem Meeresspiegel durch wirkliche Messung bekannt wäre. Man darf fragen, ob es überhaupt in den Provinzen Veragua und Nicaragua eine ununterbrochen fortlaufende Gebirgskette gibt. Liegt der hohe Kamm jener Kordillere, die man als den Übergang der perua nischen Anden zu den mexicanischen Gebirgen betrachtet, östlich oder westlich vom See von Nicaragua? Ist die Landenge von Papagayo nicht eher als ein hochhügeliges Land als eine fortlaufende Gebirgs reihe zu betrachten? Lauter Fragen, deren Beantwortung nicht minder dem Staatsmann als dem Naturforscher und Geographen wichtig ist. Allerdings ist kein Punkt auf dem ganzen Erdball so mit Vulkanen gespickt wie dieser Teil Amerikas vom 11. bis zum 13. Grad der Breite. Bilden aber nicht etwa diese konischen Gipfel zerstreute Gruppen, die sich einzeln über die Ebene erheben? Kein Wunder, daß diese wichtigen Tatsachen so zweifelhaft sind; wir werden weiter unten sehen, daß man nicht einmal die Höhe der Gebirge kennt, welche die Landenge von Pa nama durchschneiden. Vielleicht könnte die Verbindung des Sees von Nicaragua mit dem Stillen Meer durch den See von Le6n bewerkstelligt 70
Memoire sur le passage de Ia mer du Sud a Ia mer du Nord par Mr. Ia Ba
stide en 1791. Voyage de Marchand, Vol . I, p. 565. Mapa del Golfo de Mexico porThomas L6pez y Juan de Ia Cruz, 1755.
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werden, und zwar mittels des Tostaflusses, der auf dem Wege von Le6n nach Realejo vom Vulkan Telica herabströmt? Der Boden scheint hier in der Tat ziemlich niedrig zu sein. Dampiers Reisebericht führt sogar auf die Vermutung, als verschwände dort ganz die Gebirgskette zwi schen dem See Nicaragua und dem Stillen Meer: "Nicoyas Küste", sagt dieser berühmte Weltumsegler, "ist niedrig und zur Flutzeit über schwemmt. Von Realejo bis Le6n reist man 20 Meilen lang durch ein flaches, mit Manglegesträuchen bedecktes Land." Die Stadt Le6n selbst liegt in einer Grasflur. Ein Flüßchen, welches sich unweit von Realejo in das Meer ergießt, könnte vielleicht auch die Verbindung zwischen diesem letzteren Hafen und dem von Le6n erleichtern 71• Vom west lichen Ufer des Nicaraguasees rechnet man nur 4 Seemeilen bis zum nordöstlichen Teil des Meerbusens von Papagayo und 7 bis zur Bai von Nicoya, welche die Seefahrer die Caldera nennen. Dampier sagt aus drücklich, daß die Gegend zwischen der Caldera und dem See zwar etwas hügelig, im ganzen aber eben und eine Grasflur sei. Die Küsten von Nicaragua sind in den Monaten August, September und Oktober wegen der gewaltigen Regengüsse und Stürme, in den Mo naten Januar und Februar wegen der heftigen Nordost- und Ostnordost winde, die man Papagayos nennt, beinahe unzugänglich, Hindernisse, welche die Schiffahrt ungemein erschweren. Der Hafen von Tehuante pec, an der südlichen Küste der Erdzunge von Coatzacoalcos, ist nicht mehr von der Natur begünstigt. Er gibt sogar einem furchtbaren Orkan den Namen, welcher von Nordwesten herstürmt und den Schiffern die Einfahrt in die kleinen Häfen Sabinas und Ventosa verwehrt.
5. Über die Landenge von Panama drang zuerst 1513 Vasco Nufiez de Balboa bis zum Stillen Meer vor. Seit dieser für die Geschichte geogra phischer Entdeckungen denkwürdigen Epoche hat das Projekt eines Kanals oder der Öffnung des Isthmus die einsichtsvollsten Köpfe in Buropa beschäftigt. Und dennoch (man glaubt es mit Mühe!) nach 300 Jahren ist noch immer weder die Gegend nivelliert noch die relative Position von Panama und Portobelo mit astronomischer Genauigkeit bestimmt. Die Länge des ersteren dieser beiden Häfen ist auf Carta gena, die des letzteren auf Guayaquil reduziert worden. Fidalgos und Malaspinas Operationen verdienen allerdings ein großes Zutrauen, aber bei bloß chronometrischen Bestimmungen häufen sich unbemerkt die Irrtümer, wenn von der Insel Trinidad bis Portobelo und von Lima bis Panama hin die Position eines Ortes von der eines andern abhängig gemacht wird. Ungemein wichtig wäre es, die Zeit von Panama gera71 A Collection of Dampier's and Wafer's Voyages, Vol. I, pp. 113, 119, 218.
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dezu nach Portobelo zu übertragen und so alle bisher in der Südsee an gestellten Operationen an diejenigen anzuknüpfen, die auf Befehl der spanischen Regierung im Atlantischen Ozean unternommen worden sind. Vielleicht könnten meine Freunde Fidalgo, Cfscar und Noguera bis an die südliche Küste des Isthmus vorrücken, während Colmenares, Isasbiribil und Cuartara mit ihren Messungen 72 bis zur nördlichen Küste gelangen. Um sich einen Begriff von der Ungewißheit zu machen, wel che noch immer über die Gestalt und Breite des Isthmus herrscht, ver gleiche man nur die von L6pez herausgegebenen Karten mit den Arrowsmithschen oder gar mit denen, welche erst vor kurzem im De posita Hidrogrtifico von Madrid erschienen. Der Rfo de Chagre ge währt trotz seiner mancherlei Krümmungen und kleinen Wasserfälle große Erleichterung für den Handel; er ist bei seiner Mündung 240 und bei Cruces, wo er schiffbar zu werden anfängt, 40 m breit. Um den Rfo Chagre von seinem Ausfluß bis nach Cruces aufwärts zu beschiffen, braucht man gegenwärtig 4 bis 5 Tage; aber bei sehr hohem Wasser stande muß man 10 bis 12 Tage lang gegen den anschwellenden Strom kämpfen. Auf Mauleseln gelangen die Waren von Cruces nach Panama, durch eine Strecke von fünf kleinen Stunden. Nach den in Ulloas 73 Reise angeführten Barometerhöhen vermute ich, daß das Gefälle des Rfo Chagre von seinem Ausfluß in das AntiHisehe Meer bis zum Ernbar cadem oder Venta de Cruces 35 bis 40Toisen beträgt, eine Angabe, wel che denen, die diesen Strom aufwärts schiffen, allerdings zu gering scheinen dürfte. Man vergißt leicht, daß die Gewalt der Strömung zu gleich von einer plötzlichen Wasseranhäufung bei dem Ursprung eines Flusses und von dem ganzen oberen Gefälle abhängen. Vergleicht man Ulloas barometrische Messung mit denen, die ich auf dem Magdelen fluß anstellte, so sieht man, daß Cruces beträchtlich hoch über dem Meeresspiegel liegt. Das Gefälle des Rfo Magdalena,von Honda bis zum Damm von Mahates bei Barrancas, beträgt ungefähr 331 Meter oder 170 Toisen; und dies in einer Flußlänge, die nicht etwa, wie man glauben möchte, viermal, sondern achtmal größer als die von Cruces bis zum Fort Chagre ist. Die Ingenieure, welche dem Madrider Hof den Rfo Chagre als Ver-
72
Diese spanischen Seeoffiziere sind beauftragt, Pläne von den nördlichen
und westlichen Küsten Südamerikas anzufertigen. Fidalgo soll die Küste von der Insel Trinidad bis Portobelo, Colmenares die Küste von Chile und Moraleda und Cuartara die zwischen Guayaquil und Realejo gelegenen Länder aufneh men. 73
Observations astronomiques d'Ulloa, p. 97.
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bindungsmittel zwischen beiden Meeren vorschlugen, entwarfen zu gleich das Projekt eines Kanales von der Venta de Cruces bis Panama. Dieser Kanal würde eine Gebirgsstrecke durchschneiden, deren Höhe
noch durchaus unbekannt ist. Alles, was wir mit einiger Zuverlässigkeit wissen, beschränkt sich darauf, daß der Weg gleich hinter Cruces steil aufwärts geht und dann mehrere Stunden lang gegen die Küsten des Stil len Meeres hin abwärts läuft. Unbegreiflich ist es, wie La Condamine, Bouguer, Don Jorge Juan und Ulloa auf ihren Reisen über den Isthmus der Neugier widerstehen konnten, ihre Barometer zu beobachten, sie, von denen man sichere Auskunft über die wichtige Höhe des kulminie renden Punkts zwischen dem Schloß Chagre und Panama erwarten konnte. Drei Monate lang verweilten diese berühmten Reisenden in dieser für die ganze Handelswelt interessanten Gegend; und doch hat uns ihr langer Aufenthalt daselbst keine neue Aufschlüsse geliefert. Sie haben nichts zu dem hinzugefügt, was uns aus Dampiers und Wafers älteren, aber dürftigen Berichten bekannt war. Indes scheint es außer Zweifel zu sein, daß die Hauptgebirgskette oder wenigstens eine Reihe von Hügeln, die man als Fortsetzung der Andenkette von Neu-Granada ansehen kann, gegen das Stille Meer hin zwischen Cruces und Panama fortlaufe. Hier ist es, wo man nach der Behauptung einiger Reisender beide Meere zugleich erblicken soll, eine Ansicht, zu der, bei Annahme einer gewöhnlichen Strahlenbrechung, nur ein Standpunkt von 290 Me ter Höhe erfordert wird. Lionel Wafer beklagt sich indes, daß er den Anblick dieser großen Naturszene nicht habe genießen können. Er ver sichert zugleich, daß die Hügel, welche die Zentralkette bilden, durch Täler voneinander getrennt sind, die dem Lauf der Flüsse einen freien
Durchgang verstatten 74• Ist diese letztere Behauptung gegründet, so darf man an die Möglichkeit eines Kanals glauben, der von Cruces nach Panama eröffnet werden kann und auf welchem die Schiffahrt nur durch wenige Schleusen unterbrochen würde. Es gibt noch andere Punkte, an denen man nach älteren Projekten vom Jahr 1528 die Land enge zu eröffnen vorgeschlagen hat, zum Beispiel durch Vereinigung der Quellen der Flüsse Caimito und Rfo Grande mit dem Rio Trinidad. Der östliche Teil der Erdzunge ist allerdings schmäler, aber der Boden scheint dort um vieles höher zu sein. Wenigstens ist dies der Fall auf dem fürchterlichen Weg, den die Post von Portobelo nach Panama nimmt, 74
Description of the Isthmus of America, 1729, p. 297. Nahe bei der
Stadt Panama, etwas nördlich vom Hafen, befindet sich der Berg Anc6n, dessen Höhe nach einer geometrischen Messung 196m beträgt: Ulloa, Vol. I, p. 101.
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einem Weg von zwei Tagereisen, der durch das Dorf Pequeni führt und nur mit der größten Schwierigkeit zurückzulegen ist. In allen Zeiten und unter allen Klimaten hat man von zwei benach barten Meeren stets eines für höher als das andere gehalten. Spuren die ser allgemein verbreiteten Sage finden sich schon bei den Alten. Strabo berichtet, daß man zu seiner Zeit glaubte, der Meerbusen von Korinth bei Lechea sei höher als die Gewässer von Cenchrea. Er meint 75, es würde sehr gefährlich sein, die Landenge des Peloponnes an der Stelle durchzustechen, wo die Korinther durch besondere mechanische Vor richtungen die Schiffslasten zu Lande fortschafften. In Amerika, auf der Landenge von Panama, hält das Volk die Südsee für höher als das Antillische Meer. Diese Meinung beruht indes auf einem bloßen Trug schluß. Hat man im Aufwärtsschiffen mehrere Tage hindurch gegen die mächtige Strömung des Rio Chagre angekämpft, so glaubt man zu Was ser mehr gestiegen zu sein, als man mit Maultieren von den Hügeln um Cruces bis Panama herabklimmt. In der Tat ist nichts täuschender als das Urteil, welches man über den Höhenunterschied eines langgedehn ten und mithin sanften Abhangs fällt. Mit Erstaunen fand ich in Peru, daß die Stadt Lima 177m höher liege als der Hafen Callao. Ehe einmal in einem Erdbeben das Meer bis zur Hauptstadt vordringen und diese überschwemmen könnte, müßte die hohe Felseninsel San Lorenzo, dem Hafen Callao gegenüber, von den Fluten überdeckt sein. Don Jorge Juan hat schon vor mir den Glauben an eine Verschiedenheit des Wasserspiegels zwischen dem Meer der Antillen und dem Großen Ozean zu bekämpfen angefangen; er fand, daß an der Mündung des Rio Chagre und in Panama die mittleren Barometerhöhen einander gleich sind. Die Unvollkommenheit der meteorologischen Instrumente, deren man sich damals bediente, und die Unkenntnis der T hermometerkor rektion bei barometrischen Höhenbestimmungen ließ indes noch man nigfaltige Zweifel über diesen wichtigen Gegenstand übrig. Diese Zwei fel schienen an Gewicht zu gewinnen, seitdem die bei der ägyptischen Expedition angestellten französischen Ingenieure das Rote Meer 12m höher als den mittleren Wasserstand des Mittelländischen Meeres fan den. Bevor die Landenge von Panama nicht geometrisch nivelliert wor den ist, muß man sich mit barometrischen Messungen begnügen. Die meinigen, die ich bei der Mündung des Rio Sinu im Antillischen Meer und an den Küsten der Südsee im nördlichen Peru anstellte, beweisen
( nachdem 75
in der Berechnung alles, was für Temperatur und stündliche
Strabo, lib. I, ed. Siebenkees, Vol. I, p. 146. Livius, lib. 42, cap. 16.
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Variation oder regelmäßige Luftebbe in Anschlag kommt, berichtigt wurde), daß, wenn eine Verschiedenheit des Wasserspiegels zwischen beiden Meeren stattfindet, sie nicht über 7 bis 8 Meter betragen könne. Betrachtet man die Wirkungen der Rotationsströmung 76, welche an den nördlichen Küsten Süd-Amerikas die Meereswasser von Osten ge gen Westen treibt und an den Küsten von Costa Rica und Veragua wie gegen einen Damm anhäuft, so wird man sogar geneigt, gegen das allge mein verbreitete Vorurteil das Meer der Antillen für etwas höher als die Südsee zu halten. Kleine örtliche Ursachen, Gestaltung der Küsten, Strömungen und Winde (wie in der Meerenge von Bab el Mandeb) kön nen allerdings das große und allgemeine Gleichgewicht stören, welches nach hydrostatischen Gesetzen zwischen den verschiedenen Teilen des Ozeans notwendig stattfinden muß. Da überdies die Flut zu Portobelo zum dritten Teil eines Meters, zu Panama hingegen zu 4 bis 5 m ansteigt, so muß der Wasserspiegel beider Meere selbst nach den verschiedenen Epochen der Flutzeit verschieden sein. Diese geringen Verschiedenhei ten, statt hydraulischen Anlagen hinderlich zu sein, könnten vielmehr die Wirkungen der Schleusen begünstigen. Würde einst durch irgendein großes Naturereignis (gleich den Säulen des Herkules 77) die Landenge von Panama durchbrechen, so würde der Rotationsstrom statt nördlich gegen den mexicanischen Meerbusen aufwärts zu steigen und durch den Bahama-Kanal ostwärts zurückzuströmen, in gerader Linie von der Küste Paria bis zu den Philippinischen Inseln vordringen. Die Wirkungen eines solchen Durchbruchs oder die Entstehung einer neuen Meerenge würden sich demnach weit über die große Bank von Newfoundland [Neufundland] hinaus erstrecken. Die Schnelligkeit jenes warmen, unter dem Namen Gulfstream 78 [
=
Golfstrom] bekannten Wasserstromes
würde, wo nicht ganz vernichtet, doch wenigstens bedeutend vermin76
So nenne ich die allgemeine Bewegung der Gewässer von Osten nach
Westen, die man in allen unter dem heißen Erdstrich gelegenen Teilen des Ozeans wahrnimmt. 77
Diodorus Siculus, lib. IV, p. 226, lib. XV II, p. 553 ( edit. Rhodom) .
78
Der Gulfstream, über den uns Frauklirr und Williams in der Schrift über
thermometrische Schiffahrt wichtige Beobachtungen mitgeteilt haben, führt mit ungemeiner Schnelligkeit die Tropengewässer gegen Norden. Er rührt von dem Rotationsstrom her, der gegen die Küsten von Veragua und Honduras an prallt, zwischen Cap Catoche und Cap San Antonio in den Meerbusen von Me xico vordringt und nach einem großen Wirbel die BahamastraBe ausfüllt. Dieser Umtrieb der Gewässer ist es, der oft vegetabilische Erzeugnisse der Tropenwelt an die kauarischen Inseln und an die Küsten von Irland und Norwegen treibt. Siehe meine: [ Relation Historique, Band I, S. 63ff. ] .
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dert werden. Gegenwärtig ist dieser Strom von Florida aus nordost wärts unter dem 43. Grad der Breite sogar ost-und südostwärts gegen die afrikanischen Küsten gerichtet. Eine Überschwemmung wie die, de ren Andenken uns in den dunklen Samothrakischen Sagen erhalten ist, würde allgemeine, vielleicht selbst gefährliche kosmische Folgen haben. Aber darf man die armseligen Unternehmungen der Menschen mit Durchbrüchen vergleichen, die ein Werk der Naturkräfte sind, mit Meer engen wie dem Hellespant und den Dardanellen?! Strabo 79 scheint geneigt, zu glauben, das Meer würde einst von selbst die Landenge von Suez eröffnen. Für den Isthmus von Panama darf man ein solches Ereignis nicht erwarten, es wäre denn, daß ungeheure vulkanische Revolutionen, die bei dem gegenwärtigen Zustand physi scher Ruhe unseres Planeten nicht zu erwarten sind, außerordentliche Zerstörungen auf dem Erdball veranlaßten. Eine Landzunge, die sich von Osten nach Westen beinahe in gleicher Richtung mit dem Rota tionsstrom erstreckt, entgeht dem Andrang der Fluten. Die Landenge von Panama würde dagegen Gefahr laufen, wenn sie, von Süden nach Norden gerichtet, sich zwischen dem Hafen Cartagena und der Mün dung des Rio San Juan befände. Wäre der Neue Kontinent am schmal sten zwischen dem 10. und 11. Grad der Breite, so wäre ein Durchbruch des Atlantischen Ozeans in der Folge der Jahrhunderte allerdings zu be fürchten. Die Schiffahrt auf dem Rfo Chagre wird durch die vielerlei Krüm mungen und durch die Schnelligkeit des Stromes, die oft 2m in einer Sekunde beträgt, erschwert. Gerade diese Krümmungen gewähren indes auch den Vorteil einer Gegenströmung, die sich in Wirbeln gegen die Ufer hin bildet und mittels welcher kleine Fahrzeuge, Bongos und Cha tas genannt, teils durch Ruder, teils mit Hilfe langer Stangen, teils durch Taue den Strom aufwärts gelangen. Würden, wie man oft vorgeschla gen, diese Krümmungen durchstochen, würde ein Teil des alten Fluß betts ausgetrocknet, so gingen die Vorteile des Gegenstroms verloren, und die Boote würden nur mit der größten Mühe aus dem AntiHisehen Meer nach Cruces gelangen. Aus allem, was ich durch sorgfältige Nachforschungen über den Isthmus von Panama während meines Aufenthaltes zu Cartagena und Gayaquil erfahren, scheint es, man müsse das Projekt eines Kanals auf geben, der bei 7 bis 8 m Tiefe und 22 bis 23 m Breite gleich einer Meer enge sich von einem Ozean zum anderen erstreckte und dieselben Schiffe aufnähme, welche von Europa nach Ostindien bestimmt sind. 79
Strabo, ed. Siebenkees, T. I, p. 156.
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Die Höhe der Hügelkette würde unterirdische Galerien (Stollen) oder gar ein zusammengesetztes Schleusensystem notwendig machen, und in diesem Fall müßten die Waren, welche die Landenge von Panama pas sieren sollen, in offene, für die See unhaltbare Fahrzeuge umgeladen werden. Niederlagen würden in Panama und Portobelo erforderlich sein, und alle Nationen würden, um diesen Handelsweg zu benutzen, von demjenigen Volke abhängig werden, welches Herr des Isthmus und Herr des Kanals wäre. Diese Umstände würden vorzüglich den aus eu ropäischen Häfen auslaufenden Schiffen lästig sein. Ich glaube daher, daß selbst dann noch, wenn ein mit Schleusen versehener Kanal durch den Isthmus existierte, dennoch die meisten handelnden Nationen nach wie vor das Kap Hoorn umsegeln würden. Sehen wir nicht täglich, daß selbst kleinere Schiffe den Sund passieren, ungeachtet der Eiderkanal die Nordsee mit dem Baltischen Meer verbindet? Anders verhält es sich mit den westamerikanischen Produkten und den aus Buropa nach Quitos, Perus und des Stillen Meeres Küsten zu versendenden Waren; für diese wäre die Fahrt durch den neuen Kanal von Panama weniger kostspielig und zugleich in Kriegszeiten minder ge fährlich als der Umweg um die südliche Spitze des Neuen Kontinents. So wie der Weg über die Landenge gegenwärtig beschaffen ist, kostet der Transport von drei Zentnern auf Mauleseln von Panama bis nach Portobelo 3 bis 4 Piaster. Aber die Regierung verwendete so wenig Sorge auf den Anbau dieser Landenge, daß die Zahl der Lasttiere, die man von Panama bis Cruces mieten konnte, lange nicht hinreicht, die Ausbeute der Kupferbergwerke von Chile, die peruanisehe Fieberrinde und, was die Hauptsache ist, 60 000 bis 70 000 fanegas8° Cacao, welche jährlich aus Gayaquil ausgeführt werden, auf dieser Straße fortzuschaf fen. Man ist daher meist genötigt, die gefahrvolle, langwierige und kost spielige Fahrt um das Kap Hoorn dem weit kürzeren und wohlfeileren Landweg über den Isthmus vorzuziehen. Als 1802 und 1803 die englischen Kaperschiffe den spanischen See handel überall störten, wurde sogar eine Menge Cacao quer durch das Königreich Neu-Spanien nach Veracruz und von da wieder zu Schiff nach Cadiz versandt. Man hielt es für vorteilhafter, den Cacao von Guayaquil nach Acapulco zu verschiffen und ihn von da aus einen Land weg von mehr als135Meilen machen zu lassen, als ihn längs den Küsten von Peru und Chile, wo die Meeresströmung der Schiffahrt hinderlich ist, den Gefahren einer langwierigen Reise um das Kap Hoorn auszuset zen. Diese Erfahrungen beweisen, daß, wenn die Notwendigkeit vieler 80
Eine fanega wiegt 110 kastillianische Pfund.
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Schleusen der Eröffnung und der Benutzung von Kanälen auf den Landengen von Panama und Coatzacoalcos beträchtliche Hindernisse in den Weg legte, der Westamerikanische Handel schon aus der bloßen Anlage guter Chausseen zwischen Tehuantepec und dem Embarcadero de la Cruz und zwischen Panama und Portobelo große Vorteile ziehen würde. Freilich sind bis jetzt81 die Weiden auf dem Isthmus der Nah rung und der Vervielfältigung der Landtiere keineswegs zuträglich, aber in einem so fruchtbaren Boden können ausgerottete Wälder leicht in Grasfluren verwandelt werden, besonders wenn man Paspulum purpu reum, Milium nigricans und vorzüglich Luzerne (Medicago sativa), wel che ich in den heißesten Gegenden von Peru in Menge gedeihen sah, an pflanzte. Das sicherste Mittel, die Transportkosten zu verringern, wäre die Einführung von Kamelen. Diese
Landschiffe, wie die alten Sagen
des Orients diese Tiere nennen, findet man bis jetzt in keinem anderen Teil der spanischen Kolonien als in der Provinz Caracas, wohin sie der Marques de Toro mit großen Kosten von den Kauarischen Inseln brin gen ließ. Keine politische Rücksicht darf übrigens die Fortschritte der Bevöl kerung, des Ackerbaus, des Handels und der Kultur auf der Landenge von Panama hemmen. Je kultivierter diese Landenge sein wird, desto kräftigeren Widerstand wird sie jedem auswärtigen Feind leisten. Die Ereignisse, welche in unseren Tagen zu Buenos Aires vorgefallen sind, beweisen sattsam, welch große Vorteile eine konzentrierte Bevölkerung im Falle feindlicher Angriffe gewährt. Wollte irgendein unternehmen des Volk den Isthmus erobern, so könnte dies gerade in seinem derma ligen wilden Naturzustand am ersten gelingen. Wozu nützt eine große Anzahl fester Plätze, wenn es ihnen an Verteidigern fehlt? Allerdings würde das ungesunde Klima, dessen schädliche Einwirkungen jedoch zu Portobelo durch die weisen Verfügungen des Gouverneurs Don Vicente Emparan um vieles vermindert sind, jede militärische Expedition auf der Landenge ungemein erschweren; allerdings wäre Peru leichter von San Carlos de Chiloe als von Panama aus anzugreifen, da drei, oft fünf Monate erfordert werden, um von letzterer Stadt nach Lima zu gelangen. Aber wer kann es leugnen, daß der Cachalott-[Pottwal] und Walfischfang, der im Jahr 1803 an die 60 englische Schiffe in die Südsee führte, die Abkürzung des Handelswegs nach China und die kostbaren 81
Raynals Behauptung (T. IV, p. 150), daß die nach Portobelo versetzten
Haustiere daselbst ihre Fruchtbarkeit verlieren, ist als ein bloßes Hirngespinst dieses geistreichen und in vielen anderen Teilen seines Werkes überaus genauen Schriftstellers zu betrachten.
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Otterfelle vom Nootka-Sund unwiderstehliche Reizmittel sind, um frü her oder später die jetzigen Herren des Ozeans nach einem Punkt des Erdballs hinzulocken, der von der Natur dazu bestimmt zu sein scheint, dem Handelssystem der Völker eine veränderte Gestalt zu geben! 6. Verfolgt man die Küste des Stillen Ozeans vom Kap San Miguel bis
zum Kap Corrientes, so stößt man südöstlich von Panama auf den klei nen Hafen und die Bai von Cupica, deren Name im Königreich von Neu-Granada wegen eines neuen Vereinigungsprojekts beider Meere seit kurzem berühmt geworden ist. Von Cupica reist man 5 bis 6 Seemei len weit durch ganz ebenes, von Kanälen leicht zu durchschneidendes Land bis zum Embarcadero des Rio Naipi, einem schiffbaren Fluß, der sich oberhalb des Dorfes Zitara in den großen Rfo Atrato und mit die sem in das AntiHisehe Meer ergießt. Herrn Goyeneche, einem unter richteten biscayischen Lotsen, gebührt das Verdienst, die Regierung zuerst auf diese Bai von Cupica aufmerksam gemacht zu haben. Sie könnte nach ihm für den neuen Weltteil werden, was Suez nicht für Asien war. Herr Goyeneche schlägt vor, den Cacao von Guayaquil nach Cartagena durch den Rfo Naipi zu versenden. Dieser Weg würde zu gleich den Vorteil einer ungemein schnellen Verbindung zwischen Lima und Cadiz gewähren. Anstatt die nach Peru bestimmten Briefe wie bis her auf der Landstraße von Cartagena, Santa Fe und Quito oder gar über Buenos Aires und Mendoza laufen zu lassen, müßte man kleine Postschiffe von Cupica nach Peru ausfahren lassen. Dadurch würde der Vizekönig von Lima der Unannehmlichkeit überhoben werden, oft 5 bis 6 Monate lang auf die Befehle seines Hofs warten zu müssen. Dazu
wächst in der Nähe der Bai von Cupica herrliches Bauholz, welches mit großem Vorteil nach den baumlosen peruanischen Küsten gebracht wer den könnte. Es scheint fast, die Landesstriche zwischen Cupica und der Mündung des Atrato seien der einzige Punkt des Neuen Kontinents, an welchem die Andenkette gänzlich unterbrochen ist. 7. Im Innern der Provinz Choco verbindet die durch Regengüsse aus
gewaschene Schlucht (Quebrada) de la Raspadura die benachbarten Quellen des Rfo de Noanama, der auch Rfo San Juan genannt wird, und des kleinen Quito-Flusses. Der letztere bildet, indem er sich mit dem Rfo Andageda und dem Rio Zitara vereinigt, den Rio Atrato, welcher in den AntiHisehen Ozean ausströmt, während sich der Rfo San Juan in die Südsee ergießt. Ein tätiger Mönch, Pfarrer des Dorfes Novita, hat durch seine Pfarrkinder im Tal la Raspadura 1788 einen kleinen Kanal graben lassen, der zur Zeit der Regengüsse schiffbar ist und auf wel chem Kähne mit Cacao befrachtet von einem Meer zum anderen gelan gen. Es existiert also hier eine Kommunikation im Inneren des Landes,
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welche, ob sie gleich schon seit 20 Jahren eröffnet ist, bis jetzt in Europa unbekannt blieb. Der kleine Canal de Ia Raspadura verbindet beide Meere, aber er verbindet sie in Punkten, die über 45 geographische Meilen voneinander entfernt sind. Eine so lange Flußschiffahrt nimmt diesem eigentümlichen Mönchswerk einen großen Teil seines merkan tilischen Nutzens!
8. Unter dem 10. Grad südlicher Breite, zwei bis drei Tagesreisen von Lima, trifft man den Huallaga an, auf welchem man, ohne das Kap Hoorn zu umsegeln, bis an die Küste der Capitania General del Gran Pani in Brasilien gelangen kann. Auch die Quellen des Rio Huanuco82, der sich mit dem Huallaga vereinigt, sind bei Chinche nur vier bis fünf Stunden vom Ursprung des Rio Huaura, der sich in die Südsee ergießt, entfernt. Selbst der Rio Jauja, aus dem der Apurimac und Ucayali sich bilden, entspringt ganz nahe bei den Quellen des Rio Rimac. Hier ist ein Kanal wegen der Höhe der Cordillere und der natürlichen Beschaf fenheit des Bodens unmöglich; aber eine bequeme Landstraße von der peruanischen Hauptstadt bis an den Rio Huanuco würde allein schon hinreichen, den Transport der Kolonialwaren nach Europa zu erleich tern. Perus Produkte könnten auf dem Ucayali und Huallaga in vier bis fünf Wochen an die Mündung des Amazonenflusses und an die Europa zunächst gegenüberliegenden Küsten geführt werden, während die Fahrt um das Kap Hoorn vier volle Monate dauert. Die Kultur der we nig besuchten, aber herrlichen Landstriche, die am östlichen Abhang der Andenkette liegen, der Wohlstand und der Reichtum ihrer Bewoh ner hängen von der freien Schiffahrt auf dem Amazonenfluß ab. Diese vom portugiesischen Hof verweigerte Freiheit hätten sich die Spanier infolge der politischen Ereignisse, die dem Frieden von 1801 vorangin gen, leicht verschaffen können. Aber mit der geographischen Lage und den Bedürfnissen der Kolonien unbekannt, wußte das Ministerium zu Madrid nicht, einen so wichtigen Zeitpunkt zu nutzen.
9. Ehe man die Küste von Patagonien hinreichend erforscht hatte, glaubte man, der Golf de San Jorge zwischen dem 45. und 47. Grad der Breite dringe so tief ins Innere des Landes ein, daß er vielleicht mit den Meeresarmen in Verbindung stehe, die an verschiedenen Punkten die
82
Man sehe die Karte, welche Pater Sobreviela im dritten Band einer vor
trefflichen literarischen Zeitschrift, die ehemals zu Lima unter dem Titel >Mer curio Peruviano< erschien, geliefert hat. Skinners Werk über Peru ist ein Auszug aus dieser Zeitschrift, wovon man sich zu London einige, aber leider nicht die wichtigsten Bände zu verschaffen wußte. Ich habe ein vollständiges Exemplar dieses Werks in der königlichen Bibliothek zu Berlin deponiert.
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östliche Küste, der Inselgruppe von Chayamapu gegenüber, unterbre chen. Wäre diese Vermutung begründet gewesen, so hätten alle von Eu ropa nach der Südsee bestimmten Schiffe Südamerika 7 Grad nördlich von der Magellanischen Meerenge durchsegeln können. Ihr Weg würde um 420 geographische Meilen verkürzt und die Gefahr vermindert wor den sein, welche noch immer, trotz aller Erweiterung nautischer Kennt nisse mit der Fahrt um das Kap Hoorn und längs der Küste von Patago nien (vom Kap Pilares an bis zur Gruppe der Chonos-Inseln) verbunden ist. Das spanische Ministerium hat sich 1790 mit Ausführung dieser Ideen beschäftigt. Der Vizekönig von Peru, Gil de Lemos, ein Mann von unbestechlicher Redlichkeit und von seltenem Unternehmungs geist, veranstaltete eine kleine Expedition, die unter Moralerlas 83 Be fehl die südliche Küste von Chile genau untersuchen sollte. Aus der Instruktion, die Moraleda zu Lima erhielt, habe ich ersehen, daß ihm die strengste Geheimhaltung zur Pflicht gemacht wurde, im Falle er so glücklich sein sollte, eine Verbindung beider Meere zu entdecken. Diese Vorsicht war überflüssig. Nach einer gefahrvollen Schiffahrt überzeugte sich der Befehlshaber der Chonos-Expedition 1793, daß unter allen Buchten der Estero d' Aysen, welchen dreißig Jahre vorher die Jesuiten Jose Garcfa und Juan Vicufia ausgekundschaftet hatten, diejenige ist, durch welche die Gewässer des Ozeans am tiefsten gegen Osten vor dringen. Und doch ist dieser Estero nur fünf Meilen lang und endet bei der Insel de la Cruz, wo in der Nähe einer heißen Quelle ein unbedeu tender Fluß mündet. Der Kanal von Aysen, unter 45° 28' der Breite, ist also noch 53 geographische Meilen von der St. Georgsbai entfernt, von welcher wir gegenwärtig durch Malaspinas Expedition genaue Pläne be sitzen. 1796 glaubten mehrere Geographen auch noch an die Existenz einer anderen Verbindung, nämlich an die der San Juliansbai (unter 50° 53') mit den großen Weltmeeren. Ich habe die geographische Lage der soeben erwähnten neun Punkte, in denen es möglich scheint, beide Meere, sei es durch Vereinigung be83
Don Jose de Moraleda y Montero besuchte auf seinen Reisen 1787 bis 1796
die Inselgruppen Chiloe und Chonos an der westlichen Küste von Patagonien. Das Archiv des Vizekönigs zu Lima besitzt zwei merkwürdige, von Moraleda verfaßte Handschriften unter dem Titel: Viage al Reconocimiento de las Islas de Chiloe, 1786; und Reconocimiento del Archipielago de los Chonos y Costa occi dental Patag6nica, 1792-1796. Es wäre der Mühe wert, Auszüge aus diesen Schriften herauszugeben, welche zugleich mehrere wichtige Aufschlüsse über die angeblich 1554 erbauten Städte los Cesares und Argüello enthalten. Unzu verlässigen Erzählungen zufolge liegen diese oft vergeblich aufgesuchten Städte zwischen dem 42. und 49. Grad südlicher Breite.
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nachharter Ströme oder durch Kanäle oder durch Straßen, die an schiff bare Flüsse führen, miteinander zu verbinden, auf einer und derselben Kupfertafel darzustellen versucht. Diese Skizzen haben freilich nicht alle dieselbe astronomische Genauigkeit. Sie sollten aber auch nur dem Leser die Mühe ersparen, auf mehreren Karten zu suchen, was auf einer einzigen zusammengestellt werden kann. Dem Gouvernement, welches den herrlichsten und fruchtbarsten Teil des Erdballs beherrscht, obliegt es, dasjenige, was ich hier nur kurz andeuten konnte, mit größerem Fleiß bearbeiten zu lassen. Zwei spanische Ingenieure, die Brüder Le Maur, haben vortreffliche Pläne des Canal de los Güines entworfen, durch den man einst quer durch die Insel Cuba vom Bataban6 bis Ha vanna schiffen wird. Würden ähnliche Nivellements auf der Landenge von Coatzacoalcos, am Nicaraguasee, zwischen Cruces und Panama, zwischen Cupica und dem Rio Naipi angestellt, so würde es leicht sein, die Wahl für einen dieser Punkte zu bestimmen. Dann erst könnte ent schieden werden, ob ein Unternehmen, welches so innigst mit dem Vor teil des europäischen Handelsverkehrs, ja mit dem allgemeinen Wohl der Menschheit verknüpft ist, leichter und sicherer in Neu-Spanien oder auf dem Isthmus von Darien auszuführen sei. Die langweilige Fahrt um ganz Südamerika würde seltener stattfin den, stände ein neuer Weg, wenn auch nicht den Schiffen, doch wenig stens den vom Atlantischen Ozean nach der Südsee bestimmten Waren offen. Die Zeiten sind vorüber84, in denen Spaniens schüchterne Politik den Völkern den Weg durch Länder versperrte, deren genauere Kenntnis der übrigen Welt sorgsam vorenthalten wurde. "Aufgeklärte Männer, deren Einfluß unverkennbar ist, geben in Madrid liberalen Vor schlägen Gehör; und die Gegenwart eines Fremden in den Kolonien wird nicht mehr als eine dem Vaterland drohende Gefahr betrachtet." Existierte ein Kanal, der beide Meere vereinigte, so wären Buropa und den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika die Produkte von Nootka-Sund und China um mehr als 1000 Meilen näher gerückt. Große Veränderungen würden sich dann in dem politischen Zustand des östlichen Asiens ereignen, denn die schmale Landzunge, an der sich die Fluten des Atlantischen Ozeans brechen, ist seit Jahrhunderten eine Schutzmauer für die Unabhängigkeit Chinas und des japanischen Reiches.
84
Fleurieu in seinen gelehrten Anmerkungen zu: Voyage de Marchand, T. I,
p. 566.
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Drittes Kapitel Physischer Aspekt des Königreichs Neu-Spanien - Konstruktion der mexicani schen Gebirge, verglichen mit der Konstruktion des Erdkörpers in Europa und Südamerika - Unebenheiten des Bodens - Einfluß dieser Unebenheiten auf Klima, Kultur und militärische Verteidigung des Landes - Zustand der Küsten
Wir haben bis hierher den ungeheuren Flächenraum und die Grenzen von Neu-Spanien betrachtet. Wir haben die Verhältnisse untersucht, in welchen dieses Königreich zu den übrigen Besitzungen des Mutterlan des steht, wir haben die wichtigen Vorteile erwogen, die man aus der Gestaltung der Küsten zur Vereinigung des Atlantischen Ozeans mit dem Großen Ozean ziehen könnte; es bleibt uns ein Gemälde von der natürlichen Beschaffenheit des Landes, von der Konstruktion seiner Gebirgsmassen, von den Unebenheiten des Bodens und dem mannig faltigen Einfluß zu entwerfen, welche diese Unebenheiten auf Klima, Kultur und militärische Verteidigung des Landes ausüben. Bei dieser Darstellung werden wir uns allerdings nur auf allgemeine Resultate be schränken; ausführlichere Naturbeschreibungen gehören in das Gebiet der Naturgeschichte und nicht in die Statistik eines Landes*. Wie kann man sich aber einen richtigen Begriff von dem Territorialreichtum eines Staates machen, ohne die Form und Richtung der Gebirge, ohne die Höhe der großen Gebirge, ohne die wunderbare Temperaturverschie denheit dieser Tropenländer zu kennen, in welchen am schroffen Ab hang der Cordilleren alle Himmelsstriche gleichsam schichtenweise übereinander gelagert sind. Wenn wir die Oberfläche von Neu-Spanien mit einem Blick über schauen, so fällt es in die Augen, daß ein Drittel dieses Reiches unter der brennenden Hitze des Tropenhimmels liegt, die zwei anderen Drit tel hingegen, eine Landstrecke von 82 000 geographischen Quadratmei len, gehört der gemäßigten Zone an. Diese letztere Landstrecke umfaßt die Provincias internas, sowohl die, welche dem Vizekönig von Neu Spanien unmittelbar unterworfen sind (z. B. das Königreich Neu-Le6n und die Provinz Neu-Santander) wie auch diejenigen, die von einem besonderen General-Kommandanten regiert werden. Der Einfluß die ses General-Kommandanten erstreckt sich über die Intendanzien von Durango und Sonora und über die Provinzen Cohahuila, Texas und Neu-Mexico, Länder, deren Bevölkerung sehr gering ist, und welche
*
Humboldt zieht hier klare Grenzen, die nach seinem Tod von der Geogra
phie nicht mehr beachtet wurden.
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insgesamt, um sie von den Provincias internas del Virreynato zu unter scheiden, mit dem Namen der Provincias internas de la Commandancia General bezeichnet werden. Einerseits dehnt sich ein kleiner Teil der nördlichen Provinzen Sonora und Neu-Santauder südlich über den Wendekreis des Krebses hinaus; anderseits überschreiten diese Grenzlinie gegen Norden die Tropenlän der Guadalajara, Zacatecas und San Luis Potosi (vorzüglich die Gegend, wo die berühmten Bergwerke von Catorce liegen). Bekanntlich hängt das Klima eines Landes nicht allein von seiner geographischen Breite, sondern zugleich auch von seiner Erhöhung über den Meeresspiegel, von der Nähe des Ozeans, von der Beschaffenheit und Gestaltung des Bodens und von einer Menge kleiner örtlicher Ursachen ab. Dieses ist der Grund, warum von 36 000 Quadratmeilen, die unter der heißen Zone liegen, mehr als drei Fünftel ein Klima genießen, das eher kalt oder ge mäßigt als heiß genannt werden kann. Das ganze Innere des Vizekönig reichs Neu-Spanien, besonders die Länder, welche unter den alten Be nennungen Amihuac und Michoacan begriffen werden, und fast ganz Neu-Biscaya bilden eine hohe zusammenhängende Gebirgsebene. Kaum gibt es auf dem ganzen Erdball ein Land, in welchem die Ge birge so sonderbar gestaltet sind wie gerade in Neu-Spanien. In Europa hält man die Schweiz, Savoyen und Tirol für bedeutend hohe Länder; diese Meinung gründet sich indes bloß auf den Anblick so vieler mit ewi gem Schnee bedeckter Gipfel, welche in Ketten verteilt sind, die mit der großen Zentralkette parallel laufen. Die Gipfel der Alpen erheben sich zu einer Höhe von 3900 bis 4700 m, während die benachbarten Ebe nen des Kantons Bern und Freiburg nur 460 bis 540 m hoch liegen. Die Schweiz ist kein Plateau, sondern eine Gruppe von Gebirgsmassen, die tief eingefurcht sind 85. 400 m kann man auch als die mittlere Höhe der Gebirge von beträchtlichem Umfang in Schwaben, Bayern und Ober schlesien beim Ursprung der Warthe und Piliza annehmen. In Spanien ist der Boden beider Kastilien etwas über 580 m hoch. In Frankreich kennt man keine höhere Gebirgsfläche als die der Auvergne, auf deren Rücken sich der Mont d'Or, der Cantal und der Puy-de-Döme erheben; ihre Höhe beträgt nach Herrn von Buchs Beobachtungen 730 m. Diese Beispiele beweisen, daß überhaupt in Europa Terrain, welches den An blick weit ausgedehnter Ebenen gewährt, selten mehr als 400 bis 500 m über der Meeresfläche erhaben ist. 85
Siehe meinen Aufsatz: Sur la Configuration du sol de l'Espagne, in: ltine
raire descriptif de l'Espagne, par Alex. Laborde, T. I, p. CXLIX.
und Fußnote Zusätze des Cotta-Verlages. ]
[Bezugsatz
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In Afrika gegen die Quellen des Nils 86 hin und in Asien unter dem 34. und 37. Grad der Breite sind vielleicht ähnliche Gebirge wie in Neu Spanien anzutreffen; aber keiner der Reisenden, welche über den Himovan vordrangen, hat uns das mindeste über die Höhe von Tibet be richtet. Die große Sandwüste Gobi, nordwestlich von China, liegt nach Pater Du Haides Werk auf einer Höhe von mehr als 1400 m. Der Oberst Gordon versicherte Herrn Labillardiere, Afrikas Boden erhebe sich vom Vorgebirge der Guten Hoffnung an bis zum 21. Grad der Breite nu vermerkt zu einer Höhe von 2000 m 87. Aber diese nicht minder neue als auffallende Tatsache ist bis jetzt noch von keinem anderen Naturforscher bestätigt worden. Die Kette der Gebirge, die das weite Hochland Mexico bildet, ist die selbe, die unter dem Namen der Andenkette durch ganz Südamerika hinläuft; aber der Bau und die Konstruktion dieser Gebirgskette hat eine andere Gestalt im Süden, eine andere im Norden des Äquators! Auf der südlichen Halbkugel ist die Cordillere überall zerrissen, ja durch Quer- und Längentäler durchfurcht, die sich wie unausgefüllte Gänge durch Spaltung gebildet zu haben scheinen. Zwar gibt es auch im Königreich Quito und weiter gegen Norden in der Provinz los Pastos Ebenen, die 2700 bis 3000 m über der Meeresfläche erhaben sind, aber diese sind in Hinsicht auf ihre Ausdehnung keineswegs mit den Ebenen von Neu-Spanien zu vergleichen. Sie sind bloße Täler, die von zwei Armen der großen Andenkette begrenzt sind. In Mexico dagegen bildet den Rücken der Gebirge selbst die Ebene; ihre Richtung bestimmt sozusagen den ganzen Lauf der Gebirgskette. In Peru erheben sich die höchsten Gipfel auf dem Kamm der Andenkette. In Neu-Spanien liegen weniger kolossale, doch immer noch 4900 bis 5400 m hohe Kuppen teils auf der Gebirgsebene zerstreut, teils in Linien geordnet, deren Rich tung keineswegs als gleichlaufend mit dem Streichen der ganzen Kette ist. Peru und das Königreich Neu-Granada sind von Quertälern durch schnitten, deren senkrechte Tiefe bisweilen 1400 m beträgt. Diese Täler gestatten nicht auf andere Art zu reisen als zu Pferd, zu Fuß oder gar auf dem Rücken der Indianer
(Cargadores). In Neu-Spanien hingegen kön
nen Wagen von Mexico bis Santa Fe in der Provinz Neu-Mexico, durch eine Strecke von mehr als 2200 km rollen. Auf diesem ganzen Weg hat die Kunst kein bedeutendes Hindernis zu bekämpfen. 86
Bruce behauptet (Vol. III, pp. 642, 652 und 712), die Quellen des Nils in
Godscham [ Abessinien] seien 3200 m höher als die Fläche des Mittelländischen Meers. 87
Labillardiere, T. I, p. 89.
das Königreich, von den Küsten des Stillen Meeres bis zum mexicanischen Meerbusen, von Acapulco über die Stadt Mexico bis Veracruz; mein zweites Nivellement geht von Mexico über Tula, Querétaro und Salamanca bis Guanajuato; das dritte läuft durch die Intendancia Valladolid, von der Stadt Guanajuato bis jenseits Pátzcuaro zu dem neuentstandenen Vulkan von Jorullo; ein viertes führt von Valladolid in das Tal
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lieh staatswirtschaftliches Interesse zu erregen. Die Physiognomie eines Landes, die Gruppierung seiner Gebirge, die Ausdehnung seiner Pla teaus, die Höhe derselben, welche ihre Temperatur bestimmt, alles was zum Bau des Erdballs gehört, steht in innigster Verbindung mit den Fortschritten der Bevölkerung und mit dem Wohlstand der Bewohner. Unverkennbar ist der Einfluß der äußeren Gestaltung der Erdoberflä che auf den Ackerbau, dessen Natur nach der Beschaffenheit der Him melsstriche verschieden ist, auf die Erleichterung des inneren Handels verkehrs, auf die militärische Verteidigung und die äußere Sicherheit der Kolonie! Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet sind große geologi sche [=eigentlich morphographische] Ansichten dem Staatsmann wich tig, wenn er die Kräfte und den Grundreichtum der Völker mißt. Auch in Südamerika findet man auf der Andenkette in ungeheurer Höhe einzelne ganz ebene Länderstrecken. So ist das Plateau, auf wel chem die Stadt Santa Fe de BogoHi liegt, 2658 m hoch. Europäischer Weizen, Kartoffeln und Chenopodium quinoa, Willd. gedeihen dort in Menge. Dieser Gebirgsfläche ähnlich ist die von Cajamarca in Peru, dem alten Wohnsitz des unglücklichen Atahuallpa, auf einer Höhe von 2750 m. Auch die großen Ebenen von Antisana, aus deren Mitte sich in selförmig derjenige Teil des Vulkans erhebt, dessen Gipfel über die Schneegrenze hinausreicht, liegen 4100 m über den Wasserspiegel des Meeres; sie sind um 389m höher als der Pie von Teneriffa. Ihre Söhligkeit [=waagerechte Lage] ist so auffallend, daß die Bewohner dieser Hoch länder beim Anblick des vaterländischen Bodens kaum die wunderbare Lage ahnen, in welche sie die Natur versetzt hat. Aber von allen diesen Gebirgsflächen Neu-Granadas, Quitos und Perus hat keine mehr als 15 Quadratmeilen. Schwer zu ersteigen, durch tiefe Täler voneinander getrennt, begünstigen sie wenig die Zufuhr der Lebensmittel und den Handelsverkehr im Inneren. Auf einzeln emporragenden Bergkuppen bilden sie gleichsam flache Inseln mitten im Luftozean. Auch verlassen die Bewohner dieser traurig kalten Hochländer selten ihren alten Wohn sitz, sie bleiben in ihm zusammengedrängt und scheuen sich, in die be nachbarte Waldflur herabzusteigen, wo erstickende, den ursprünglichen Bewohnern der hohen Andenkette gefährliche Hitze herrscht. Eine ganz verschiedene Ansicht bietet der Boden in Neu-Spanien dar. Ebenen von größerer Ausdehnung, aber von nicht minder einför miger Oberfläche liegen hier so nahe beisammen, daß sie auf dem fort laufenden Rücken der Cordillere eine einzige zusammenhängende Ge birgsfläche bilden. Die Länge dieser Fläche ist so groß wie die Entfer nung von Lyon bis zum Wendekreis des Krebses, wo er quer durch die afrikanische Wüste läuft. Dieses sonderbare Gebirgsplateau scheint sich
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gegen Norden hin allmählich zu verflachen. Leider ist, wie wir bereits oben bemerkten, über Durango hinaus nirgends eine Barometer-Mes sung angestellt worden; aber wohlunterrichtete Reisende haben mir ver sichert, daß gegen Neu-Mexico und die Quellen des Rio Colorado hin der Boden sich plötzlich senke. Die dem gegenwärtigen> Versuch< bei gefügten geognostischen Profile enthalten drei verschiedene Durch schnitte des Landes. Der erstere, ein Längen-Durchschnitt, stellt den Rücken der mexicanischen Gebirge dar, wie er sich von Südosten gegen Nordwesten gerichtet, gegen den Rio Grande del Norte hin allmählich verflacht. Die anderen zwei Querdurchschnitte liefern die Ansicht des Landes von den Küsten des Stillen Meeres bis zu den Küsten des mexi canischen Meerbusens. Alle drei enthüllen auf den ersten Blick dem Auge des ernsten Beobachters die mannigfaltigen Hindernisse, welche die sonderbare Gestaltung des Landes der Versendung inländischer Erzeugnisse aus dem Inneren nach den Handelsstädten an den Küsten entgegensetzt (s. die Karten des Anhangs). Die Straße von Mexico nach den berühmten Erzgruben von Guana juato geht anfangs zehn Stunden lang durch das Tal von Tenochtitlan, welches 2277 m über dem Ozean erhaben ist. Die Fläche dieses reizen den Tals ist so gleichförmig eben, daß sie von der Hauptstadt Mexico an bis zum Dorf Huehuetoca am Fuß des Berges Sincoque kaum 19 m ansteigt. Die Hügel von Barientos sind übrigens als ein bloßes, das Tal einengendes Vorgebirge zu betrachten. Von Huehuetoca aus zieht sich der Weg nahe bei Batas zuerst aufwärts nach Puerto de los Reyes und dann abwärts in das Tal von Tula, das um 222m tiefer liegt als das von Tenochtitlan und durch welches ein großer Abfluß-Kanal die Wässer der Seen von San Crist6bal und Zumpango in den Rio de Moctezuma und mittels dieses Flusses in den Golf von Mexico führt. Um aus diesem Tal auf die große Gebirgsfläche von Queretaro zu gelangen, muß man den Berg von Calpulalpan übersteigen, dessen Höhe indes nur 2686 m be trägt. Dieser Berg scheint der höchste Punkt auf der Straße von Mexico nach Chihuahua zu sein; und dennoch ist er beträchtlich niedriger als die Stadt Quito. Nördlich von dieser kalten Gebirgsgegend öffnen sich die weit ausgedehnten Ebenen von San Juan del Rio, Queretaro und Celaya, fruchtbare Landstriche voll Dörfer und schön gebauter Städte. Ihre mittlere Höhe kommt der des Puy-de-Döme in der Auvergne gleich; sie sind beinahe dreißig Stunden lang und erstrecken sich bis an den Fluß des erzführenden Tonschiefergebirges von Guanajuato. Rei sende, welche Neu-Mexico besucht haben, versichern, der übrige Teil des Wegs sei ganz demjenigen gleich, den ich soeben beschrieben und in einem senkrechten Längenprofil dargestellt habe. Ungeheure Ebenen,
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wahrscheinlich ausgetrocknete Behälter ehemaliger Seen, folgen aufein ander; sie sind durch Hügel unterbrochen, die sich kaum 200 bis 250m über den alten Seeboden erheben. In einem anderen Werk (in dem Atlas zum historischen Bericht meiner Reise) que du Nouveau Continent, a. a.
[ Atlas geographique et physi 0.) werde ich die vier Plateaus, welche =
die Hauptstadt von Neu-Spanien umgeben, in ähnlichen Profilen dar stellen* . Die Höhe der letzten dieser Hochebenen, des Tals von Toluca, beträgt 2600 m; die Höhe des dritten oder des Tals von Tenochtitlan 2274m; die Höhe des zweiten oder des Tals von Actopan 1966m und die des ersten oder des Tals von Ixtla 981 m. Diese vier Gebirgsflächen sind ebensowohl in Hinsicht ihres Klimas wie ihrer Erhöhung über den Meeres spiegel voneinander verschieden. In jeder derselben ist der Ackerbau auf andere Erzeugnisse gerichtet; im Tal von Istla gedeiht Zuckerrohr, im Tal von Actopan Baumwolle, im Plateau von Mexico europäisches Getreide, in den Ebenen von Toluca findet man Pflanzungen von Agave, den Weingarten aller Indianer, die aztekischen Ursprungs sind. Die barometrischen Messungen, die ich zwischen Mexico und Guana juato angestellt habe, beweisen, wie günstig die Gestalt des Bodens im Inneren von Neu-Spanien der Versendung der Landesprodukte, der Flußschiffahrt und selbst der Anlage von Kanälen ist. Eine andere An sicht gewähren dagegen die Querdurchschnitte von den Küsten des Stil len Meeres bis zum Atlantischen Ozean. Diese stellen auf einen Blick die natürlichen Hindernisse dar, welche der Verbindung zwischen dem Inneren des Reiches und den Küsten entgegenstehen. Überall zeigt sich hier die auffallendste Verschiedenheit der Höhe und der Temperatur, während das innere Gebirgsplateau bis Neu-Biscaya hin ununterbro chen, fast in gleicher Höhe fortläuft und daher eher ein kaltes als ge mäßigtes
Klima genießt.
Dazu ist der östliche Gebirgsabfall gegen
Veracruz hin kürzer und steiler als der westliche. In Hinsicht auf militä rische Verteidigung scheint Neu-Spanien durch seine natürliche Lage mehr gegen den Angriffeuropäischer Völker als gegen den Angriffasia tischer Feinde gesichert. Aber in der Beständigkeit der Tropenwinde und in dem immer gleichen Rotationsstrom, welcher zwischen den Wen dekreisen herrscht, liegt eine mächtige Schutzwehr gegen den politi schen Einfluß, welchen China, Japan oder das europäische Rußland je einmal in der Folge der Jahrhunderte auf den Neuen Kontinent würden ausüben wollen.**
* **
Nicht erschienen. Auch diese Natureinflüsse haben den gegenwärtig großen Einfluß der japa
nischen Wirtschaft in Amerika nicht hemmen können.
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Wendet man sich von Mexico ostwärts gegen Veracruz hin, so muß man sich 45 geographische Meilen von der Hauptstadt entfernen, ehe man ein Tal findet, das nur noch etwa 1000 m über den Meeresspiegel er haben ist und in welchem daher aus natürlicher Folge die mexicanischen Eichen nicht mehr gedeihen. Auf der Straße von Acapulco hingegen, wenn man vom inneren Gebirgsplateau gegen die Südsee herabsteigt, gelangt man in einer Entfernung von kaum 12 Meilen in die selben ge mäßigten Regionen. Der östliche Gebirgsabfall ist so steil, daß, wenn man einmal auf demselben herabzusteigen angefangen hat, der Weg ununterbrochen abwärts geht, bis man die östliche Küste erreicht. Dagegen durchschneiden vier sehr bedeutende Längentäler den west lichen Abhang des Gebirges. Sie sind so auffallend regelmäßig verteilt, daß die dem Ozean am nächsten liegenden Täler zugleich auch tiefer als die von der Küste entfernten sind. Wenn man meine nach genauen Mes sungen entworfenen Profile aufmerksam betrachtet, so sieht man, daß beim Herabsteigen der Gebirgsfläche von Tenochtitlan der Reisende zuerst in das Tal von Ixtla und dann der Reihe nach in die Täler von Mexcala, Papagayo und Peregrino gelangt. Die Grundfläche dieser vier Täler, die, wie bereits oben bemerkt worden ist, als ausgetrocknete Be hälter alter Landseen erscheinen, ragen 981, 514, 170 und 158m über den Meeresspiegel des Ozeans empor. Die tiefsten Furchen sind zugleich auch die engsten. Eine krumme Linie, welche man über die jene Täler einschließenden Gebirge, über den Pie des Marques (wo einst Cortes sein Lager aufgeschlagen hatte), über die Täler von Taxco, Chilpan cingo und Posquelitos zöge, würde eine regelmäßige Kurve bilden. Beim Anblick derselben könnte man in Versuchung geraten, zu glau ben, diese Regelmäßigkeit sei Folge eines allgemeinen Typus, den die Natur bei Bildung aller Gebirgsmassen befolgte. Aber die Betrachtung der südamerikanischen Andenkette ist allein schon hinlänglich, diese systematischen Träume zu vernichten. In Peru liegen ungleich tief ge furchte Täler regellos nebeneinander. Ja, eine Menge geognostischer Tatsachen beweisen, daß bei Bildung der Gebirge dem Schein nach ge ringfügige Ursachen die Materie bestimmt haben, sich bald in der Mitte, bald am Rand der Cordilleren in kolossalen Gipfeln anzuhäufen. Die mexicanische Straße nach Asien ist auffallend von der nach Europa verschieden. Auf der ganzen Strecke von 43 geographischen Meilen zwischen Mexico und Acapulco geht der Weg abwechselnd berg auf und bergab, so daß man jeden Augenblick aus einer kalten Region in einen brennend heißen Himmelsstrich gelangt. Doch ist dieser Weg von der Beschaffenheit, daß er mit leichter Mühe für Wagen befahrbar gemacht werden könnte. Von den 51 Meilen hingegen, welche die Haupt-
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stadt vom Hafen von Veracruz entfernt ist, sind allein 34 für die Strecke Weges zu rechnen, welche die große Gebirgsfläche von Ancihuac ein nimmt. Der übrige Teil ist ein immerwährendes, äußerst beschwerliches Herabklimmen am Gebirgsabhang, vorzüglich von der kleinen Festung Perote bis Jalapa und von dieser Stadt, einem der reizendsten und malerischsten Punkte der Erde, bis La Rinconada. Die Schwierigkeit die ses Weges, welcher der Gotthardsstraße gleicht, verteuert den Wert der inländischen Produkte in Veracruz. In ihr liegt der Grund, warum das mexicanische Mehl noch immer nicht in Havanna und auf europäischen Märkten mit dem Mehl von Philadelphia rivalisieren kann. Gegenwärtig wird an einer herrlichen Chaussee am östlichen Abhang der Cordillere gearbeitet. Dieses Unternehmen verdankt man dem gro ßen und lobenswürdigen Eifer der Kaufleute von Veracruz. Es wird von entschiedenstem Einfluß auf den Wohlstand des ganzen Königreichs Neu-Spanien sein. Frachtwagen werden bald Tausende von Maultieren ersetzen, deren man sich bisher zur Versendung der Waren von einem Meer zum andern bediente. Der asiatische Handel von Acapulco wird dadurch dem europäischen Handel von Veracruz gleichsam näher ge rückt werden. Wir haben bereits oben bemerkt, daß in den mexicanischen Provin zen, welche unter dem heißen Erdstrich liegen, ein Flächenraum von
8300 geographischer Quadratmeilen ein Klima genießt, welches man eher kalt als gemäßigt nennen darf. Diese ganze ungeheure Länderfläche erfüllen die Cordilleren von Amihuac, eine Kette kolossaler Gebirge, welche als Fortsetzung der peruanischen Andenkette zu betrachten sind. Die Anden nämlich, ob sie sich gleich in den Provinzen Choco und Darien beträchtlich senken, durchziehen doch die Landenge von Pa nama*. Im Königreich Guatemala erheben sie sich von neuem zu einer beträchtlichen Höhe. Ihr Kamm nähert sich bald dem Stillen Meer, bald läuft er mitten durch das Land, bisweilen wendet er sich gegen die Küsten des Mexicanischen Meerbusens. So z. B. zieht sich das Gebirgs
j och
im Königreich Guatemala vom Nicaraguasee bis gegen die Bucht
'von Tehuantepec längs der westlichen Küste hin. In der Provinz Oaxaca, zwischen den Quellen der Flüsse Chimalapa und Coatzacoalcos, hält der Gebirgsrücken die Mitte des mexicanischen Isthmus. Aber in den Inten danzen von Puebla und Mexico vom 18. o 30' bis zum 21. oder Breite von Mixteca an bis zu den Bergwerken von Zimapan, läuft die Cordillere
*
Einen Beweis für diese von Humboldt vorausgesetzte Verkettung beider
Amerika hat erst Carl Troll (1899-1975) während seiner Forschungsreise 19261929 erbracht.
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von Amihuac in gerader Richtung von Süden gegen Norden, indem sie sich der östlichen, den Antillen gegenüberstehenden Küste nähert. Gerade in diesem Teil des großen Plateaus zwischen Mexico und den kleinen Städten C6rdoba und Jalapa erhebt sich eine Gebirgsgruppe, die fast den höchsten Gipfeln des neuen Weltteils den Rang streitig ma chen kann. Wir wollen nur vier88 dieser riesenmäßigen Berge nennen, deren Höhe vor meiner Reise nach Neu-Spanien völlig unbekannt war: den Popocatepetl (4500 m), den Iztaccihuatl oder die weiße Frau (4786 m), den Citlaltepetl (oder Pie von Orizaba, 5295 m) und den Nauhcampatepetl (oder Koffer von Perote) von 4089 m. Diese Gruppe feuerspeiender Berge hat manche geognostische Ähnlichkeit mit der des Königreichs Quito. Ist der Höhe zu trauen, welche man gegenwär tig dem Mount Elias89 zuschreibt, so kann man behaupten, daß auf der ganzen nördlichen Halbkugel die Gebirge nur unter dem 19. und unter dem 60. Grad der Breite die ungeheure Höhe von 5400 m über der Mee resfläche erreichen. Weiter nordwärts, über den 19. Grad der Breite hinaus, in der Nähe der berühmten Bergwerke von Zimapan und des Doctor, welche in der Intendancia von Mexico liegen, wendet sich die Cordillere, unter dem Namen Sierra Madre, aufs neue von Osten gegen Nordwesten nach San Miguel el Grande und Guanajuato hin. Nördlich von dieser letzteren Stadt, welche man als das Potosf von Neu-Spanien betrachten kann,
88
Den Cofre de Perote ausgenommen, habe ich diese Berge sämtlich geome
trisch gemessen. Da aber die Standlinien selbst, an welche die Höhenwinkel sich anschlossen, schon 2000 m hoch liegen, so mußte dieser erste Teil der senk rechten Höhe nach Laplaces barometrischer Formel berechnet werden. In die ser Hinsicht sind also meine Bergmessungen, wie die Condamineschen, ja wie alle, die man nicht am Meeresstrand anstellen kann, gemischter Natur, teils geo metrisch, teils barometrisch. Das Wort Popocatepetl ist von popocani, Rauch, und von tepetl, Berg, abgeleitet; Iztaccihuatl von iztac, weiß, und von cihuatl, Frau. Citlaltepetl bezeichnet einen Berg, welcher wie ein Stern glänzt, von citla line, Stern, und tepetl, Berg; denn der Pie von Orizaba erscheint in der Ferne,
wenn er Feuer speit, glänzend wie ein Stern. Nauhcampatepetl stammt von nauhcampa her, ein Wort, welches etwas Vierkantiges bedeutet. Der letztere
Name ist eine Anspielung auf die sonderbare Gestalt der kleinen auf dem Gipfel des Berges von Perote befindlichen Porphyrfelsen, welchen die ersten spanische Eroberer mit einem Koffer verglichen. (Siehe das Wörterbuch der aztekischen Spache, von Pater Alonso de Molina, Mexico 1571, S. 63.) 89
Spanische Seefahrer fanden durch genaue Messung 1791 die Höhe dieses
Berges über dem Meeresspiegel zu 2797 Toisen; dagegen wurde sie in Laperou ses Reise zu 1980 Toisen angegeben!
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Erster Band
nimmt sie eine außerordentliche Breite an. Bald darauf teilt sie sich in drei Äste, deren östlicher sich gegen Charcas und Real de Catorce aus dehnt, sich aber allmählich im Königreich Neu-Le6n verliert. Der Ge birgszweig, welcher gegen Westen fortläuft, füllt einen großen Teil der Provinz Guadalajara aus. Nördlich von Bolanos nimmt die Sierra Madre schnell an Höhe ab und verflacht sich über Culiacan und Arizpe in der Provinz Sonora gegen die Ufer des Rio Gila hin. Aber unter dem 30. Grad der Breite erhebt sich in Tarahumara dieser westliche Gebirgs zweig von neuem zu einer beträchtlichen Höhe und bildet in der Nähe des kaliforniseben Meerbusens die durch ihre Goldwäschereien be rühmten Gebirge der Pimeria alta. Das dritte und mittlere Joch der Sierra Madre, dasjenige nämlich, welches man als die Zentralkette der mexicanischen Anden betrachten kann, verbreitet sich über die ganze Oberfläche der Provinz Zacatecas. Man kann es jenseits Durango und el Parral (in Neu-Biscaya) bis zur Sierra de los Mimbres (westlich vom Rio Grande del Norte) verfolgen. Von hier aus erstreckt es sich durch ganz Neu-Mexico, bis es sich endlich mit den Montafias de la Grulla und mit der Sierra Verde vereinigt. Zwei tätige Mönche, Escalante und Font, haben dies nördliche Gebirgsland, in welchem der Rio Gila und der Rio [Grande] del Norte nahe beisammen entspringen, bis unter den 40. Breitengrad untersucht. Dieser Teil der Sierra Madre trennt die Ströme, durch deren Vereinigung das Stille Meer mit dem AntiBischen Ozean verbunden werden könnte. Fiedler und der unerschrockene Mackenzie sind in sie weiter nördlich zwischen dem 50. und 55. Breiten grad vorgedrungen. Sie haben die Fortsetzung dieser Gebirgskette durch den unbestimmten Namen der Rocky Mountains bezeichnet. Wir haben bis hierher mit rohen Zügen das Gemälde der Cordillere von Neu-Spanien entworfen, wir haben gezeigt, daß fast allein die Küsten dieses weit ausgedehnten Reichs unter einem Himmelsstrich liegen, der heiß genug ist, um die Produkte zu erzeugen, auf welche der westliche Handel gerichtet ist. Nur die Intendanz von Veracruz, mit Ausnahme der Gebirgsfläche, die sich vom Perote bis zum Pie von Ori zaba erstreckt, nur Yucatan, die Küsten von Oaxaca, das Litoral von Neu-Santauder und Texas, das Königreich Neu-Le6n, die Provinz Coha huila, das wüste Land, welches man unter den Namen des Bolsans de Mapimi begreift, die Küsten Californiens, der östliche Teil der Provin zen Sonora, Sinaloa und Neu-Galicien und die südlichen Gegenden der Intendancias Valladolid, Mexico und Puebla sind niedrige, von unbe deutenden Hügeln durchschnittene Länder. Die mittlere Wärme dieser Ebenen, wenigstens so weit sie zwischen den Wendekreisen und nicht mehr als300 m über dem Meeresspiegel liegen, beträgt 25 bis 26° des
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Buch I
hundertteiligen T hermometers, folglich 8 bis 9° mehr als die mittlere Temperatur von Neapel. Diese heißen und fruchtbaren Länder werden von den Eingeborenen
tierras calientes genannt. Sie erzeugen Zuckerrohr, Indigo, Baumwolle und Pisang [=Bananen] in Überfluß. Halten sich Europäer, welche noch nicht völlig an ein solch heißes Klima gewöhnt sind, längere Zeit in diesen Ebenen auf, wohnen sie zusammengedrängt in volkreichen Städten, so werden sie das Opfer der tödlichen Krankheit, die unter dem Namen des Schwarzen Erbrechens
(Vomito prieto) oder des Gelben
Fiebers bekannt ist. Acapulco und das Tal von Papagayo gehören zu den heißesten Landstrichen des ganzen Erdballs. Auf der östlichen Küste von Neu-Spanien wird vom Oktober bis in den März die große Hitze durch die heftigen Nordwinde unterbrochen, welche mit unglaublicher Schnelligkeit kalte Luftschichten von der Hudsonbai über die Insel Cuba und über Veracruz hinführen. Diese Stürme herrschen vom Mo nat Oktober bis in den Monat März; sie künden sich durch eine plötz liche Störung der regelmäßigen Luftebben 90 oder der stündlichen Ver änderung des Barometerstandes an. Ja, sie verursachen oft eine solche Kühlung der Luft, daß um Havanna das hundertteilige T hermometer fast bis zum Gefrierpunkt und in Veracruz bis auf 16° herabsinkt, Erschei nungen, welche in Ländern, die unter dem heißen Erdgürtel liegen, den Reisenden nicht wenig befremden. Am östlichen Abhang der Cordilleren auf einer Höhe von 1200 bis 1500 m herrscht ewig sanfte Frühlingsmilde und ein geringer Tempe raturwechsel von kaum 4 bis 5°.
Tierras templadas nennen die Eingebo
renen diese Gegenden, welchen brennende Hitze ebenso fremd ist wie übermäßige Kälte und in welchen die mittlere Luftwärme nicht über 20 bis 21
o
beträgt. Unter diesem lieblichen Himmelsstrich liegen Jalapa,
Taxco und Chilpancingo, 3 Städte, die wegen ihres ungemein gelinden Klimas und wegen der vielen herrlichen Obstbäume berühmt sind, welche die umliegenden Fluren schmücken. Aber leider ist diese mittlere Höhe von 1300 m beinahe dieselbe, in welcher die Wolken über den be nachbarten Meeresflächen anhaltend schweben; daher diese gemäßig ten Landstriche, welche am Gebirgsabhang liegen (z. B. die Gegend um Jalapa), oft wochenlang in dichte Nebel eingehüllt werden. Noch haben wir der Länder zu erwähnen, welche unter dem Namen
tierras frias bekannt sind und zu welchen man die Gebirgsflächen rechnet, de ren mittlere Temperatur (auf einer Höhe von mehr als 2200 m über dem 90
Siehe meine Geographie der Pflanzen [Band
s. 111-114].
I
dieser Studienausgabe,
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Erster Band
Meeresspiegel) weniger als 17° beträgt. Das T hermometer ist zwar eini gemale zu Mexico bis auf einen Grad unter den Gefrierpunkt gefallen, aber diese Erscheinungen sind äußerst selten; meistenteils sind die Winter dort so gelinde wie in Neapel, und die mittlere Tageswärme be trägt im Januar und Februar noch 13bis 14°. Im Sommer erhebt sich das T hermometer im Schatten nicht über 24°. Überhaupt ist die mittlere Temperatur der großen Gebirgsfläche von Neu-Spanien wie unter Roms mildem Himmel 17°. Dennoch wird diese Gebirgsfläche nach dem klassifizierenden Sprachgebrauch der Eingeborenen unter die Tier ras frias gerechnet. So unbestimmt oder vielmehr so relativ sind die Aus
drücke kalt und warm. In dem brennenden Klima Guayaquils klagen die Eingeborenen über heftige Kälte, wenn das hundertteilige T hermo meter plötzlich auf 24° fällt, während er den übrigen Teil des Tages auf 30° steht. Alle Gebirgsebenen, welche höher sind als das Tal von Mexico, die jenigen z. B., deren absolute Höhe mehr als 2500m beträgt, haben, ob wohl sie unter den Wendekreisen liegen, selbst nach dem Gefühl der Bewohner des europäischen Nordens ein rauhes, unangenehmes Klima. Dies ist der Fall mit den Ebenen von Toluca und den Anhöhen von Huit zilac, wo fast zu jederJahreszeit die Luftwärme nicht über 6 bis 8° steigt. Der Ölbaum trägt dort keine Früchte, indes er einige 100m tiefer im Tal von Mexico auf das herrlichste gedeiht. Die mittlere Temperatur aller dieser Länder, welche unter dem Na men tierras frias begriffen werden, beträgt 11 bis 13° wie in Frankreich und in der Lombardei. Dennoch ist die Vegetation in diesen Gegenden von Amerika weniger kräftig und saftvoll; die europäischen Pflanzen wachsen dort minder üppig und schnell als in ihrem Heimatboden. Frei lich ist auf einer Höhe von 2500m die Strenge des mexicanischen Win ters nicht sehr groß, dagegen werden aber auch im Sommer die ver dünnten Luftschichten über diesen Gebirgsflächen nicht genug von den Sonnenstrahlen erwärmt, um die Entwicklung der Blüten zu begünstigen und die Früchte zu vollkommener Reife zu bringen. Diese beständige Gleichheit der Temperatur, diese gänzliche Abwesenheit großer, wenn auch nicht lange anhaltender Hitze gibt dem Klima der Hochländer zwi schen den Wendekreisen einen sonderbaren, eigentümlichen Charakter. Ja, mehrere Produkte des Pflanzenreichs gedeihen weniger auf dem Rücken der mexicanischen Cordilleren als in den Ebenen nördlich vom Wendekreis des Krebses, selbst wenn die mittlere Wärme der letzteren geringer ist als die der Gebirgsfläche zwischen dem 19. und 22. Grad der Breite. Allgemeine Betrachtungen über die Konstruktion des Erdkörpers
91 Hier ist bloß von der allgemeinen Verteilung der Produkte des Pflanzenreichs die Rede. Ich werde in der Folge Gegenden anführen, in denen, durch eine besondere Lage begünstigt, Zuckerrohr und Baumwolle selbst bis auf eine Höhe von 1700 m über dem Meeresspiegel gedeihen. 92 Siehe hierzu das Profil des Weges von Mexico nach Veracruz (XII. Kupfer des Atlasses) und die Skale des Ackerbaues [Band I dieser Studienausgabe, S. 149 ff.]. * Ein geographisch beachtlicher Hinweis im folgenden Text.
130
Erster Band
eine Winterkälte Deutschlands. Es wäre überflüssig, hier andere Ur sachen dieser Erscheinungen als die beträchtliche Breite des Neuen Weltteils und seine Ausdehnung gegen den Nordpol hin anzuführen. Einsichtsvolle Naturforscher, besonders Herr Volney in seinem vortreff lichen Werk über die Beschaffenheit des Bodens und über das Klima der Vereinigten Staaten von Nordamerika, haben diesen Gegenstand bereits mit der Gründlichkeit und Aufmerksamkeit behandelt, welche er verdient. Ich begnüge mich, hier die einzige Bemerkung hinzuzufügen, daß die Verschiedenheit der Temperatur, welche man unter gleicher Breite in Europa und in Amerika beobachtet, in denjenigen Gegenden des Neuen Kontinents, welche sich dem Stillen Meer nähern, weniger auffallend ist als in den östlichen Teilen. Herr Barton beweist aus dem Zustand des Ackerbaus und aus der natürlichen Verteilung der Pro dukte des Pflanzenreichs, daß die östlichen Provinzen gegen den Atlan tischen Ozean hin beträchtlich kälter sind als die weit ausgedehnten westlichen Ebenen, die jenseits der Allegheny-Berge liegen. Ein wenig beachteter, aber für die Fortschritte der Nationalindustrie wichtiger Vorteil erwächst aus der mittleren Höhe, auf welcher die Natur in Neu-Spanien den großen Reichtum metallischer Schätze ver graben hat. In Peru liegen die vornehmsten Silberbergwerke, die von Potosf, Pasco und Chota, weit über den Wolkenschichten nahe bei der Grenze des ewigen Schnees. Um sie zu bearbeiten, müssen Vieh und Lebensmittel aus der Ferne herbeigeschafft werden. Dazu bieten Städte auf den hohen Gebirgsrücken mitten in Gegenden, wo das Wasser nachts das ganze Jahr hindurch gefriert und wo kein Fruchtbaum ge deiht, den Menschen eben keinen einladenden Aufenthalt dar. Nur die Hoffnung, sich zu bereichern, kann den freien Mann bewe gen, die Küste oder den milden Himmelsstrich der Gebirgstäler zu ver lassen, um sich auf dem einsamen Rücken der peruanischen Anden kette einsam anzusiedeln. In Neu-Spanien findet man die ergiebigsten Erzniederlagen, die von Guanajuato, Zacatecas, Taxco und Real del Monte, auf einer mäßigen Höhe von 1700 bis 2000 m. Sorgsam bebaute Felder, volkreiche Städte und Dörfer umgeben in diesem gesegneten Landstrich die Erzgruben. Wälder bekränzen die Gipfel der benachbar ten Berge; alles erleichtert dort die Ausbeute der unterirdischen Schätze. Mitten unter so vielen Begünstigungen, welche die Natur dem König reich Neu-Spanien verliehen hat, leidet dasselbe fast durchgehend wie Alt-Spanien durch Mangel an Wasser und an schiffbaren Strömen. Der Rio Grande del Norte und der Rio Colorado sind fast die einzigen Flüsse, die wegen der Länge ihres Laufs und wegen der großen Wasser-
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masse, welche sie dem Ozean zuführen, die Aufmerksamkeit des Rei senden fesseln können. Die Länge des Rio [Grande) del Norte beträgt von den Gebirgen der Sierra Verde (östlich vom Großen Salzsee) bis zu seiner Mündung in der Provinz Neu-Santauder 307, die Länge des Rio Colorado beträgt 150 geographische Meilen. Aber leider durchströmen diese beiden Flüsse die unbebautesten Teile des Königreichs. Sie wer den so lange ohne Einfluß auf Gewerbefleiß und Handel bleiben, wie nicht, durch große Staatsveränderungen und durch andere Ereignisse begünstigt, die Bevölkerung in dieser fruchtbaren und gemäßigten Zone auffallend zunimmt. Wahrscheinlich ist dieser Zeitpunkt nicht fern. Noch 1797 waren die Ufer des Ohio 93 so wenig bevölkert, daß man auf einen Flächenraum von 47 geographischen Meilen kaum 30 Fami lien rechnen konnte, und jetzt ist das Land dermaßen bewohnt, daß eine Niederlassung von der andern nur eine, höchstens zwei Stunden entfernt ist! In dem ganzen Teil von Neu-Spanien, welcher zwischen den Wende kreisen liegt, findet man nur kleine Flüsse, deren Mündungen aber eine beträchtliche Breite haben. Das feste Land ist zu schmal, als daß sich eine große Menge Wasser auf so engem Raum anhäufen könnte. Die Gewässer, die vom steilen Abhang der Cordilleren herabstürzen, sind eher reißende Wasserströme als Flüsse zu nennen. In Mexico wie in Peru verbreitet die große Annäherung der Gebirge an die Küste Dürre über die benachbarten Ebenen. Unter den wenigen Flüssen, die den südlichen Teil von Neu-Spanien durchströmen, sind die einzigen, die man einst für den Handel im Inneren des Landes benützen könnte: 1. Der Rio Coatzacoalcos und der Rio Alvarado, beide liegen südlich
von Veracruz und erleichtern die Verbindung mit dem Königreich Gua temala. 2. Der Rio de Moctezuma, welcher die Gewässer der Seen und der Täler von Tenochtitlan dem Rio Panuco zuführt und mittels dessen man, uneingedenk der großen Höhe von Mexico über dem Meeresspie gel, eine Kanalschiffahrt von dieser Hauptstadt herab bis zur östlichen Küste projektiert hat. 3. Der Rio Zacatula. 4. EI Rio Grande de San tiago, aus den Flüssen Lerma und Las Lajas gebildet, auf dem man Ge treide und Mehl aus den fruchtbaren Ebenen von Salamanca und Ce laya und vielleicht selbst aus der ganzen Provinz Guadalajara nach dem Hafen San Blas (an den Küsten des Stillen Meeres) verschiffen könnte. Die Seen, deren Neu-Spanien eine beträchtliche Menge zählt und wovon die meisten mit jedem Jahr sichtbar kleiner werden, sind wahr scheinlich schwache Überreste der großen Wasserbehälter, welche ehe93
Voyage de Michaux a l'Ouest des montagnes Alleghany, p. 115.
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mals die weit ausgedehnten söhligen [ waagerechten] Ebenen der Cordil leren einnahmen. Ich beschränke mich hier darauf, nur folgende zu nen nen: den großen See von Chapala in Neu-Galicien, der noch einmal so groß wie der Bodensee, eine Strecke Landes von fast 57 geographischen Quadratmeilen einnimmt; die Seen des Tals von Mexico, welche sich über den 10. Teil dieses Tals verbreiten; den See von Patzcuaro in der In tendencia Valladolid, einer der reizendsten und malerischsten Punkte, die ich kenne; den See von Mextithin und den See von Parras in Neu Biscaya. Das Innere von Neu-Spanien, vorzüglich ein Teil der hohen Gebirgs fläche von Amihuac, ist ein baumloses, pflanzenarmes Land; der Anblick dieser öden, unfruchtbaren Gegend erinnert an die Ebenen von Alt und Neu-Kastilien. Mannigfaltige Ursachen begründen diese sonder bare Erscheinung. Die Höhe der mexicanischen Cordillere ist so be trächtlich, daß die Ausdünstung auf der großen Gebirgsfläche durch die der Bergluft eigentümliche Trockenheit ansehnlich vermehrt wird. An dererseits ist das Land doch noch zu niedrig, als daß viele Gebirgsgipfel bis in die Schneeregion reichten. Diese Region oder die Grenze des ewi gen Schnees beginnt unter der Linie auf einer Höhe von 4800 m, unter dem 45. Grad der Breite mit 2550 m. In Neu-Spanien, unter dem 19. und 20. Grad der Breite, findet man meinen Messungen zufolge ewigen Schnee auf einer Höhe von 4600 m.
[ Die
von Humboldt nachträglich vorge
sehenen Vergleichszahlen europäischer Schneegrenzen bleiben hier fort. ] Von den sechs kolossalen Bergen, welche sich von 19° und 19° 15' Breite in einer Linie erheben, sind nur vier, der Pie von Orizaba, der Po pocatepetl, der Iztaccihuatl und der Nevado von Toluca, mit ewigem Schnee bedeckt; die Gipfel der beiden anderen, der Koffer von Perote und der Vulkan von Colima erscheinen den größten Teil des Jahres über völlig schneelos. Nördlich und südlich von diesem
Höhen,
Parallel der großen
über diesen schmalen Erdgürtel hinaus, in dem auch der neue
Vulkan von Jorullo ausgebrochen ist, gibt es in Neu-Spanien keinen ein zigen Berg, welcher mit immerwährendem Schnee bedeckt wäre. Im Monat September, wo die ewige Schneegrenze sich am meisten von dem Fuß der Gebirge entfernt, beginnt dieselbe unter dem Parallel von Mexico, auf einer Höhe von 4500 m. Im Januar, wo sie sich am tief sten herabsenkt, findet man sie schon auf einer Höhe von 3700 m. Die ser Höhenunterschied oder die Oszillation der Schneegrenze beträgt daher unter dem 19. Grad der Breite von einer Jahreszeit zur andern 800 m; unter dem Äquator kaum 60 bis 70 m. Man muß indes nicht die ewige Eisrinde, welche die Gipfel der Berge überzieht, mit dem Schnee verwechseln, der zufällig zur Winterszeit in weit niedrigeren Gegenden
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fällt. Selbst diese letztere Erscheinung unterliegt, wie alles in der Natur, unwandelbaren Gesetzen, die von den Naturforschern näher untersucht zu werden verdienen. Unter dem Äquator, in der Provinz Quito, fällt dieser schnell hinwegschmelzende Schnee nur auf einer Höhe von 3800 bis 3900 m; in Neu-Spanien, zwischen dem 18. und 22.0 der Breite, ge wöhnlich schon auf einer Höhe von 3000 m. Ja, man hat es in den Stra ßen der Hauptstadt Mexico auf einer Höhe von 2277 m und selbst noch 400Toisen tiefer in Valladolid bisweilen schneien gesehen. In den Provinzen von Neu-Spanien, welche zu der Tropen-Region gehören, trägt alles, Boden, Klima und Pflanzenwuchs, gleichsam den Charakter der gemäßigten Zone. Die Nähe von Canada, die Breite des Neuen Kontinents gegen Norden hin und die Menge Schnees, welche sich in Polarländern anhäuft, kühlen die Atmosphäre von Neu-Spanien mehr ab, als man es in Gegenden, die unter dem heißen Erdgürtel liegen, erwarten sollte. Ist die Winterkälte in den mexicanischen Gebirgsebenen auffallend groß, so steigt auch andererseits im Sommer die Hitze daselbst auf einen weit höheren Grad, als man nach der Analogie der thermometri schen Beobachtungen vermuten sollte, welche Bouguer und La Conda mine auf der peruanischen Andenkette angestellt haben; die große Masse der Cordilleren von Neu-Spanien, die ungeheuren Ebenen, die sich auf ihrem Rücken hinziehen, verursachen durch Reverberation [Reflexion] der Sonnenstrahlen eine Wärme, welche man in weniger ebenen Hochländern, bei gleicher Erhöhung über dem Meeresspiegel, vergebens suchen würde. Diese Wärme und andere Lokalumstände ver mehren die Dürre, welche als ein Hauptübel jener herrlichen Länder zu betrachten ist. Nördlich vom 20. Grad, besonders vom 22. bis zum 30. Grad der Breite, sind die Regengüsse, welche ohnedies nur vom Juni bis in den September eintreten, im Ionern des Landes äußerst selten. Wir haben bereits oben bemerkt, daß die beträchtliche Höhe dieser Gebirgsfläche und die Trockenheit der dünnen Luftschichten die Ausdünstung be schleunigen. Der aufsteigende Luftstrom, die Säule warmer Luft, wel che sich über die Ebene erhebt, verscheucht und zerstreut die Wolken; sie hindern die Dunstbläschen, sich zu zersetzen und dieses dürre, sal zige, jedes Gesträuchs beraubte Hochland zu bewässern. Flußquellen sind selten in Gebirgen, welche größtenteils aus porösem Mandelstein und aus zerklüftetem Porphyr bestehen. Das eindringende Wasser, statt sich in kleinen unterirdischen Behältern zu sammeln, verliert sich in den Spalten der Berge, die in alten vulkanischen Revolutionen erschüttert worden sind. Es kommt erst wieder am Fuß der Cordilleren zum
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Vorschein, wo es eine Menge kleiner Flüsse bildet, die der Gestalt des Landes wegen von geringer Länge sind. Diese Dürre des Zentralplateaus, dieser gänzliche Mangel an Bäumen, zu welchen wahrscheinlich auch ein langes Verweilen der Gewässer in den hohen Tälern beitrug, sind dem Umtrieb des Bergbaus hinderlich. Dieses Übel ist seit der Ankunft der Europäer beträchtlich vermehrt worden. Die Konquistadoren haben die alten Waldungen zerstört, ohne neue anzupflanzen, ja sie haben durch künstliche Austrocknung der Seen der Vegetation auf dem Plateau noch mehr geschadet; salzsaure Soda und Kalkerde, salpetersaures Kali und andere salzige Stoffe ver breiten sich über den alten Seeboden; ja, sie vegetieren mit einer Schnelligkeit, deren Erklärung den Chemiker verlegen macht. Durch diese alles verdrängende, der Landeskultur so schädliche Salzrinde gleicht die mexicanische Gebirgsfläche an einigen Stellen der hohen Ebene von Tibet oder jenen Salzsteppen, die sich im inneren Asien von der chinesischen Mauer bis an den Aral-See erstrecken. Unfruchtbar keit und Mangel an kräftigem Pflanzenwuchs haben seit der spanischen Eroberung sichtbar im Tal von Tenochtitlan zugenommen, ein Tal, wel ches, so lange noch die Seen einen größeren Flächenraum einnahmen und durch ihre Überschwemmungen den Lettenboden gleichsam aus laugten, mit dem herrlichsten Grün geschmückt war. Glücklicherweise findet diese Dürre des Bodens, deren Ursachen wir bis hierher entwickelt haben, nur an einzelnen Punkten und auf den höchsten Ebenen statt. Ein großerTeil des Königreichs Neu-Spanien ge hört unter die fruchtbarsten Länder der Erde. Am Abhang der Cor dillere, wo feuchte Winde und häufige Nebel den Boden tränken, ist der Pflanzenwuchs von unbeschreiblicher Üppigkeit und Pracht. Noch tiefer herab, an den Küsten, erzeugt die Fäulnis einer großen Masse organischer Stoffe furchtbare Krankheiten, welche Europäern und überhaupt allen, die nicht an ein heißes Klima gewöhnt sind, gefährlich werden. Unter dem brennenden Himmelsstrich derTropenweit sind Un gesundheit der Luft und außerordentliche Fruchtbarkeit des Bodens fast unzertrennlich miteinander verknüpft. Die Menge Regenwasser, welche in einem Jahr fällt, beträgt am Mexicanischen Meerbusen, z. B. in Veracruz 1,62 m, während sie in Frankreich kaum 0,70 m erreicht. Eine so ungeheure Feuchtigkeit befördert mit der schnelleren Entwick lung der vegetabilischen und tierischen Organisation auch die Bildung gefahrdrohender Miasmen. Bei dem allen ist Neu-Spanien im Ganzen (wenige Seehäfen und die tiefen Täler abgerechnet, in denen die ärmere Volksklasse an Wechselfiebern leidet) als ein auffallend gesundes Land zu betrachten.
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Die Bewohner von Mexico werden durch Erdbeben und vulkanische Ausbrüche seltener beunruhigt, als die Bewohner von Quito, Guate mala und Cumami. Es gibt in den Cordilleren von Amihuac nur fünf brennende Vulkane, den Orizaba, den Popocatepetl und die Berge von Tuxtla, Jorullo und Colima. Erdbeben sind häufig an den Küsten des Stillen Meeres und selbst in der Gegend um Mexico. Sie richten aber minder große Verwüstungen an als die, welche die Städte Lima, Rio bamba, Guatemala und Cumana von Zeit zu Zeit erlitten haben. Durch ein ebenso sonderbares wie schreckliches Naturereignis stieg der Vulkan von Jorullo, von einer zahllosen Menge kleiner rauchender Kegel umgeben, im September 1759 aus der Erde hervor. Unterirdisches Getöse, fast um so fürchterlicher, weil es von keiner andern vulkani schen Erscheinung begleitet war, ist monatelang im Anfang des Jahres 1784 zu Guanajuato vernommen worden. Diese Phänomene beweisen,
daß die schmale Zone zwischen dem 18. und 22. Grad der Breite unter irdisches Feuer nährt, welches von Zeit zu Zeit selbst in großer Entfer nung von der Meeresküste die Erdrinde durchbricht. Die Stadt Mexico steht durch ihre natürliche Lage gleichsam in Ver bindung mit allen Teilen der zivilisierten Welt. Auf einer Landenge er baut, welche von einer Seite die Südsee, von der andern der Atlantische Ozean bespült, scheint sie zu einer wichtigen Rolle auf dem großen Schauplatz politischer Ereignisse bestimmt zu sein. Ein König von Spa nien, der seine Residenz im Tal von Tenochtitlan aufschlüge, könnte seine Befehle in fünf Wochen nach Europa, in sechs Wochen nach Asien, nach den Philippinischen Inseln, gelangen lassen. Das unermeß liche mexicanische Reich mit gehörigem Fleiß angebaut, könnte fast allein die Produkte erzeugen, welche der Fleiß schiffahrender Nationen auf allen übrigen Teilen des Erdballs sammelt: Zucker, Cochenille, Cacao, Baumwolle, Kaffee, Weizen, Hanf, Flachs, Seide und Wein. Es besitzt alle nutzbaren Metalle, selbst das Quecksilber nicht ausgenom men. Herrliches Bauholz, Überfluß an Eisen und Kupfer würden die Fortschritte der mexicanischen Schiffahrt begünstigen. Nur der Zu stand der Küsten und der Mangel an Häfen von der Mündung des Rio Alvarado an bis zum Ausfluß des Rio Grande del Norte stellen Hin dernisse in den Weg, welche selbst unter den günstigsten politischen Verhältnissen schwer zu entfernen sein werden. Diese Hindernisse beschränken sich indes nur auf die östlichen Kü sten; San Francisco in Neu-Californien, San Blas in der Provinz Guada lajara an der Mündung des Santiagaflusses und vorzüglich Acapulco sind vortreffliche Häfen. Der letztere Hafen ist wahrscheinlich durch irgendeine heftige Erderschütterung gebildet. Er gehört zu den bewun-
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dernswürdigsten Meeresbuchten der bekannten Erde. Auf der ganzen Küste des Stillen Meeres ist Coquimbo in Chile allein dem Hafen von Acapulco vorzuziehen, weil in letzterem zur Zeit heftiger Windstöße das Meer bisweilen stürmisch eindringt. Weiter gegen Südosten von Acapulco liegt der Hafen Realejo im Königreich Guatemala, welcher wie der von Guayaquil durch die Mündung eines schönen und großen Flusses gebildet wird. Sousonate und Tehuantepec, wo während der guten Jahreszeit viele Schiffe einlaufen, sind offene Reeden, welche im Winter nicht ohne Gefahr besucht werden können. Wirft man einen allgemeinen Blick auf die östliche Küste von Neu Spanien, so sieht man, daß sie minder vorteilhaft für den Handel als die westliche gestaltet ist. Auf jener gibt es, wie schon oben bemerkt, ei gentlich gar keinen sicheren Hafen. Veracruz, dessen jährliche Ausfuhr
50 bis 60 Millionen beträgt, ist nichts als ein schlechter Ankerplatz zwi schen den Untiefen Caleta, la Gallega und Lavandera. Die physischen Ursachen, welche diese Lage so unvorteilhaft machen, sind leicht zu ergründen. Die Küste von Neu-Spanien, soweit sie den Mexicanischen Meerbusen begrenzt, ist wie ein Damm zu betrachten, gegen den die Tropenwinde und die perpetuierliche Bewegung der strömenden Ge wässer von Osten nach Westen den Sand anhäufen, welchen die stürmi sche See aufwühlt. Der Rotationsstrom verfolgt die Küsten von Süd amerika von Cumami bis zur Landenge von Darien; dort wendet er sich nordwärts gegen das Vorgebirge Catoche, bildet einen großen Wirbel im Mexicanischen Meerbusen und dringt durch den Kanal von Florida gegen die Bank von Newfoundland
[
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Neufundland] vor. Der
Sand, welchen die umtreibenden Gewässer von der Halbinsel Yucatan bis zu den Mündungen des Rio Grande del Norte und des Mississippi anhäufen, verengt allmählich das Becken des Mexicanischen Meer busens. Auffallende geognostische Tatsachen beweisen diesen allmäh lichen Zuwachs des festen Landes; überall bemerkt man das Zurückwei chen des Ozeans. Herr Ferrer hat bei dem Dorf Sotto la Marina, östlich von der kleinen Stadt Neu-Santander, 10 Stunden weit von der Küste, den Flugsand mit Seemuscheln gemengt gefunden; dieselben pelagi schen Reste habe ich in der Gegend von Antigua und Neu-Veracruz weit gegen Westen bemerkt. Die Flüsse, welche von der Sierra Madre in das AntiHisehe Meer herabströmen, tragen nicht wenig dazu bei, die Untie fen längs der Küste zu vermehren. Auffallend ist es, daß im alten Spa nien gerade wie im neuen das östliche Litoral der Schiffahrt am hinder lichsten ist. Längs dem Mexicanischen Meerbusen vom 18. bis zum
26. Grad der Breite sind die Küsten durch Barren geschützt, über wel che kein Schiff, welches mehr i:tls 32 dm Wasser zieht, ohne Gefahr zu
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stranden hinwegsegeln kann. Diese dem Handel so nachteiligen Barren erleichtern die militärische Verteidigung des Landes gegen die herrsch süchtigen Pläne einer europäischen Seemacht
[=
Englands] .
Mißvergnügt über den Hafen von Veracruz (wenn der gefährlichste aller Ankerplätze den Namen eines Hafens verdient ) , schmeicheln sich indes die Bewohner von Neu-Spanien mit der Hoffnung, dem Handel bequemere und sichere Wege zu eröffnen. Südlich von Veracruz haben die Mündungen der Flüsse Alvarado und Coatzacoalcos, nördlich von Veracruz der Rio Tarnpico und vorzüglich das Dorf Soto la Marina, oberhalb der Barre von Santander, seit langer Zeit die Aufmerksamkeit der Regierung gefesselt. Allein auch an diesen übrigens vorteilhaft gele genen Punkten verhindern Untiefen das Einlaufen großer Schiffe. Man müßte die Häfen künstlich reinigen, und es ist sehr ungewiß, ob die kostspielige Unternehmung des Ausbaggerns von dauerhaftem Nutzen sein würde.
Ü brigens ist zu bemerken, daß die Küsten von Neu-Santao
der und Texas, vorzüglich von der Bernard- oder Carbonera-Bai noch viel zu unbekannt sind, um zu entscheiden, ob längs dieses weit ausge dehnten Litorals das Meer überall dieselben Sandbänke angehäuft hat. Zwei tätige, mit astronomischen Kennzeichen ausgerüstete Offiziere, die Herren Cevallos und Herrera, haben sich neuerlich mit dieser für die Schiffahrt wichtigen Untersuchung der östlichen mexicanischen Küsten beschäftigt. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen hängt Neu Spanien in militärischer Hinsicht von der Insel Cuba ab; Havanna ist der einzige benachbarte Hafen, in welchem Kriegsgeschwader einlau fen können. Es ist der wichtigste Punkt zur Verteidigung der mexica nischen Küsten. Auch hat die Regierung seit der letzten Einnahme Ha vannas durch die Engländer ungeheure Summen aufgewendet, um die Festungswerke dieses Platzes zu erweitern. Seines wahren Vorteils ein gedenk, hat der Madrider Hof den Grundsatz anerkannt, daß eine euro päische Macht nur so lang den Besitz von Neu-Spanien bewahren kann, wie sie Herr der Insel Cuba bleibt. Ein Nachteil ist den östlichen Küsten mit denen gemein, welche der Große Ozean oder, wie man ihn zu Unrecht nennt, das Stille Meer be spült. Heftige Stürme machen beide Küsten mehrere Monate hindurch unzugänglich und stören die Schiffahrt. Die Nordwinde
(los Nortes),
ei
gentlich Nordwestwinde, wehen im Mexicanischen Meerbusen von den Herbst- Äquinoctien bis zum Anfang des Frühlings. Am schwächsten sind diese Winde gewöhnlich in den Monaten September und Oktober; am stärksten im Monat März, bisweilen dauern sie bis in den April: See fahrer, welche häufig den Hafen von Veracruz besuchen, kennen die Zeichen, welche die Nähe dieser Stürme andeuten, wie der Arzt die
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Erster Band
Symptome eines Fiebers kennt. Eine große Unruhe der Quecksilber Säule im Barometer, eine plötzliche Unterbrechung der regelmäßigen stündlichen Oszillationen der Atmosphäre sind nach Herrn Ortas be merkenswerten Beobachtungen als sicherste Vorbedeutungen eines na hen Nordsturmes zu betrachten. Zu diesen Merkmalen gesellen sich noch andere Naturerscheinungen: Es bläst ein kleiner Landwind von West-Nord-West; auf diesen
terral
(terral)
folgt eine gelinde Brise, zuerst
aus Nordost, dann aus Süden; indes herrscht eine drückende Hitze; das in der Luft aufgelöste Wasser schlägt sich an allen Mauern aus Backstei nen auf den gepflasterten Fußböden und an den Geländern von Holz oder Eisen nieder. Der Gipfel des Pies von Orizaba und des Koffers von Perote, die Gebirge von Villa Rica und vorzüglich die Sierra von San Martfn, die sich von Tuxtla bis Coatzacoalcos erstreckt, erscheinen plötzlich unbewölkt, während ihr Fuß in einen halbdurchsichtigen Schleier von Dünsten eingehüllt ist. Diese Cordilleren, besonders die Schneeberge, schneiden sich in scharfen Umrissen gegen die tiefe Him melbläue ab. Bei diesem Zustand der Atmosphäre beginnt der Sturm zuweilen mit solchem Ungestüm, daß die auftobenden Wellen hoch über die Stadtmauer schlagen und daß es bereits in der ersten Viertel stunde gefährlich ist, auf der Mole im Hafen zu verweilen. Alle Verbin dung zwischen der Stadt und dem Schloß San Juan de Uhia ist dann unterbrochen. Gewöhnlich dauern diese Nordstürme 3 bis 4, bisweilen
10 bis 12 Tage. Wenn der [Nordwind] norte mit dem milden Wind [Ia brisa] nach Süden weht, ist der letztere wenig beständig; wahrscheinlich erhebt sich dann der Sturm wieder. Wenn aber der Nordwind über Nord ost nach Osten dreht, dann ist die milde Brise oder das schöne Wetter dauerhaft. Zur Winterzeit dauert der tropische Ostwind kaum 3 bis
4 Tage hintereinander. Doch ist dieser Zeitraum mehr als hinreichend, um zu gestatten, daß ein aus dem Hafen von Veracruz auslaufendes Schiff die offene See erreichen und sich von den der Küste nahen Untie fen entfernen kann. Zuweilen empfindet man auch im Mexicanischen Meerbusen in den Monaten Mai, Juni, Juli und August äußerst heftige Windstöße: Man nennt sie
Nortes de hueso colorado;
glücklicherweise
gehören sie aber zu den seltenen Erscheinungen. Die Nordwinde und das Schwarze Erbrechen herrschen zu verschiedenen Epochen. Des halb haben der Europäer, der in Neu-Spanien landet, und der Mexica ner, den Handelsgeschäfte nötigen, vom Gebirgsplateau herabzustei gen und sich in Veracruz einzuschiffen, die furchtbare Wahl zwischen einer tödlichen Krankheit und einer gefahrvollen Schiffahrt. An den westlichen Küsten von Neu-Spanien, an denen, welche an das Große Weltmeer grenzen, ist die Schiffahrt im Juli und August äußerst
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gefährlich. Schreckliche Stürme aus Südwesten wüten dort in den Som mermonaten. In dieser Jahreszeit, ja selbst noch im September und Oktober ist es äußerst gefährlich, in den Häfen von San Blas und Aca pulco, so wie überhaupt an der ganzen Küste von Guatemala zu landen. Aber auch vom Oktober bis zum Mai, während der schönen Jahreszeit
(verano de Ia mar del Sur) wird in diesen Gegenden die Ruhe des soge nannten Stillen Meeres durch heftige Stürme aus Nordosten unterbro chen. Man nennt diese Windstöße Papagayos und Tehuantepec. Mit diesen sonderbaren Erscheinungen aus eigener Erfahrung be kannt, werde ich an einem anderen Ort untersuchen, ob diese Papa
gayos, deren verheerende Wirkung nur auf einen engen Raum einge schränkt ist, von der Lage benachbarter Vulkane oder von der geringen Breite der mexicanischen Landenge herrühren. Da das Gleichgewicht der Atmosphäre in den Monaten Januar und Februar an den Küsten des Karibischen Meeres gestört ist, so strömen vielleicht die aufwogenden Luftschichten mit großem Ungestüm quer über den Kontinent gegen den großen Ozean über. Der Tehuantepec und Papagayo wären, nach dieser Hypothese, die Nordwinde des Golfes von Mexico und die Klei nen Brisen von Santa Marta. Das Anlanden an der Küste von Salinas und Ventosa ist wegen des Tehuantepec-Sturmes fast ebenso beschwer lich wie an den Küsten von Nicaragua und Guatemala, wo in den Mona ten August und September die Tapayaguas herrschen. Diese letzteren, wahre Südwestwinde, sind von Donner und heftigen Regengüssen begleitet, während der Tehuantepec und die Papagayos94 bei heiterer Himmelsbläue wüten. So werden zu verschiedenen Zeiten fast alle Teile Neu-Spaniens den Seefahrern gefährlich.
94
Die Papagayos wehen vorzüglich vom Kap Blanco von Nicoya (unter der Breite bis zur Bucht von Santa Catalina unter 10° 45').
go 30'
Buch II Allgemeine Bevölkerung Neu-Spaniens Einteilung seiner Bewohner in Kasten Viertes Kapitel Allgemeine Zählung, welche 1793 ausgeführt wurde - Fortschritte der Bevölke rung in den zehn demselben folgenden Jahren - Verhältnis zwischen den Gebur ten und Todesfällen
Das physische Gemälde, welches wir eben ganz flüchtig von Mexico entworfen haben, beweist auch hier, wie überall, wie ungleich die Natur ihre Wohltaten verteilt hat. Die Menschen verstehen die Weisheit dieser Verteilung nicht und lassen die Reichtümer unbenutzt, welche vor ih nen liegen. Auf einem kleinen Fleck Bodens, im Mittelpunkt des König reichs selbst, und sogar auf dem Plateau der Cordillere vereinigt, haben sie die fruchtbarsten, den Küsten am nächsten gelegenen Gegenden un bewohnt gelassen. In den Vereinigten Staaten ist die Bevölkerung im atlantischen Teil, d. h. in der langen engen Zone, die sich zwischen dem Meer und dem Allegheny-Gebirge
[Apalachen]
hinzieht, zusammengedrängt. In der
General-Kapitanie von Caracas gibt es sozusagen gar keinen bewohn ten, wohlangebauten Boden als die Striche an den Küsten. In Mexico hingegen ist alle Kultur und Zivilisation in das Innere des Landes ver wiesen. Die spanischen Eroberer traten hierin ganz in die Fußstapfen der unterjochten Völker. Die Azteken, welche aus einem nordwärts vom Fluß Gila gelegenen Land, vielleicht sogar aus dem nördlichsten Asien abstammten, hatten nach ihrer Wanderung gegen Süden die kal ten Gegenden der brennenden Hitze der Küsten vorgezogen und sich immer auf dem Rücken der Kordillere gehalten. Der Teil von AnAtlas Pittoresque< stechen ließ, der die >Relation Historique< (a. a. 0.) meines Reisewerkes be gleitet. *
Erneute Betonung der Gegenwart als des maßgebenden geographischen
Horizontes.
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Empfindungen, der Gebärden und Gesichtszüge noch die Tätigkeit des Geistes, welche mehrere Völker der Äquinoktialgegenden von Afrika charakterisieren, und es gibt gewiß keinen auffallenderen Kontrast als den, welcher zwischen der stürmischen Lebhaftigkeit der Neger vom Kongo und dem augenscheinlichen Phlegma des kupferfarbigen Indianers stattfindet. Im Gefühl dieses Kontrasts ziehen die Indianerinnen auch die Neger nicht nur den Männern ihrer eigenen Rasse, sondern den Europäern selbst vor. Der mexicanische Eingeborene ist, so lang kein berauschendes Getränk auf ihn wirkt, ernsthaft, melancholisch und still. Diese Ernsthaftigkeit fällt besonders an den indianischen Kindern auf, welche in einem Alter von 4 oder 5 Jahren weit mehr Verstand und Entwicklung zeigen als die Kinder der Weißen. Der Mexicaner legt in seine gleichgültigsten Handlungen gern etwas Geheimnisvolles; die hef tigsten Leidenschaften malen sich nicht in seinen Zügen, aber es ist etwas Erschreckliches, wenn er plötzlich aus der Ruhe in eine heftige, zügel lose Bewegung übergeht. Der Eingeborene von Peru ist weit sanfter in seinen Sitten; die mexicanische Energie hingegen artet in Härte aus. Diese Verschiedenheiten mögen indes von der des Kultus und der alten Regierung beider Länder herkommen. Diese Energie entwickelt sich am meisten bei den Bewohnern von Tlaxcala und noch in ihrer ge genwärtigen Erniedrigung unterscheiden sich die Nachkommen jener Republikaner durch einen gewissen Charakterstolz, den ihnen das Andenken an ihre ehemalige Größe einflößt. Die Amerikaner hängen wie die Bewohner vom Hindostan und alle anderen Völker, die lange unter bürgerlichem und religiösem Despotis mus geschmachtet haben, mit außerordentlicher Hartnäckigkeit an ih ren Gewohnheiten, Sitten und Meinungen; denn die Einführung des Christentums hat auf die Eingeborenen von Mexico fast keine andere Wirkung getan, als daß sie an die Stelle der Zeremonien eines blutigen Kultus neue Zeremonien und Symbole einer sanften, menschlichen Re ligion setzte. Dieser Übergang vom alten zum neuen Brauch war das Werk des Zwangs und nicht der Überzeugung und wurde durch die poli tischen Ereignisse herbeigeführt. Im Neuen Kontinent wie im Alten wa ren die halbbarbarischen Völker gewohnt, aus den Händen des Siegers neue Gesetze und neue Gottheiten zu erhalten, und die Urgötter des Landes schienen nach ihrer Besiegung nur den fremden Göttern zu wei chen. Allein in einer so verwickelten Mythologie wie der der Mexicaner war es leicht, eine Verwandtschaft zwischen den Gottheiten von Aztlan und vom Orient zu finden, und Cortes benutzte eine Volkssage mit vie ler Geschicklichkeit, der zufolge die Spanier bloß die Abkömmlinge des Königs Quetzalc6atl waren, welcher von Mexico aus ostwärts gezogen
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war, um Kultur und Gesetze in die Ferne zu verbreiten. Die Ritualbü cher, welche die Indianer zu Anfang der Eroberung in hieroglyphischen Charakteren entwarfen und von denen ich einige Bruchstücke besitze, beweisen offenbar, wie das Christentum um diese Zeit mit der mexicani schen Mythologie vermischt wurde; indem z. B. der Heilige Geist sich mit dem heiligen Adler der Azteken identifizierte. Die Missionare dul deten diese Vermischung von Ideen, wodurch der christliche Kultus viel leichter bei den Eingeborenen Zugang fand nicht nur, sondern begün stigten sie sogar bis auf einen gewissen Punkt; so versicherten sie, daß das Evangelium in uralten Zeiten schon in Amerika gepredigt worden sei und suchten im aztekischen Ritus dessen Spuren mit dem nämlichen Eifer auf, mit welchem die Gelehrten unserer Tage, die sich dem Studium des Sanskrit ergeben haben, die Analogie der griechischen Mythologie mit der des Ganges und Brahmaputra darzutun sich bestreben. Diese Umstände, welche in einem anderen Werk weiter ausgeführt werden sollen*, erklären es, wie die mexicanischen Ureinwohner trotz ihrer Hartnäckigkeit, womit sie allem, was von ihren Vätern kommt, anhängen, doch so leicht ihre alten Religionsgebräuche vergessen konn ten. Kein Dogma hat hier dem Dogma Platz gemacht; bloß ein Zeremo niell ist dem anderen gewichen, und die Indianer kennen nichts von der Religion als die äußeren Formen des Kultus. Freunde von allem, was zu einer gewissen Ordnung von vorgeschriebenen Zeremonien gehört, finden sie im christlichen Kultus ganz besondere Genüsse, und die Kir chenfeste, die damit verbundenen Feuerwerke, die Prozessionen mit Tanz und die barocken Verkleidungen sind für das niedrige Volk reiche Quellen von Belustigungen. Bei diesen Festen zeigt sich aber der Natio nalcharakter auch in seiner ganzen Individualität. Überall hat der christ liche Ritus die Veränderungen des Landes, in welches er verpflanzt wurde, angenommen. Auf den Philippinischen und Marianen-Inseln haben ihn die Völker der malaiischen Rasse mit ihren eigenen Zeremo nien vermischt, und in der Provinz Pasta, auf dem Rücken der Anden, habe ich Indianer gesehen, welche sich maskiert und Schellen ange hängt hatten, um wilde Tänze um den Altar zu halten, während ein Franziskanermönch die Hostie emporhob. An lange Sklaverei sowohl unter ihren eigenen Fürsten wie unter den ersten Eroberern gewöhnt, tragen die Eingeborenen von Mexico all die Plackereien, die sie noch oft genug von den Weißen erfahren müssen, mit Geduld. Unter dem trügerischen Anschein von Apathie und Stumpfsinn setzen sie ihnen bloß verschleierte List entgegen. Da sie *
Nicht erschienen.
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sich nur selten an den Spaniern rächen können, so machen sie gerne mit diesen zur Unterdrückung ihrer eigenen Mitbürger Gemeinschaft, in dem auch ihnen, nachdem sie jahrhundertelang geplagt und zu blindem Gehorsam gezwungen wurden, die Lust zu tyrannisieren gekommen ist. Die indianischen Dörfer werden durch Obrigkeiten aus der kupferfar bigen Rasse regiert, und ein indianischer Alkalde übt seine Gewalt mit so größerer Härte aus, da er überzeugt ist, daß ihn der Pfarrer oder der spanische Subdelegat beschützt. Überall tut die Unterdrückung dieselbe Wirkung, überall zerstört sie die Sittlichkeit. Da die Ureinwohner fast alle zur Klasse der Bauern und des nied rigen Volks gehören, so ist es nicht leicht, über ihre Anlagen für Künste der Lebensverschönerung zu urteilen. Indessen kenne ich keine Men schenrasse, welche ärmer an Einbildungskraft zu sein schiene. Gelangt ein Indianer auf einen gewissen Grad von Kultur, so zeigt er eine große Leichtigkeit zu lernen, viel richtigen Verstand, natürliche Logik und eine besondere Neigung zu Spitzfindigkeit oder zur Auffassung der feinsten Verschiedenheiten zwischen mehreren zu vergleichenden Ge genständen. Dabei räsoniert er kalt, aber mit Ordnung, ohne jedoch jene Beweglichkeit der Einbildungskraft zu zeigen, jenes Kolorit der Empfindung, jene Kunst zu schaffen und hervorzubringen, welche die Völker des südlichen Europas und mehrere afrikanische Negerstämme charakterisiert. Ich spreche diese Meinung indes mit Vorbehalt aus; indem man äußerst vorsichtig im Urteil über das sein soll, was man mo ralische oder intellektuelle Anlagen der Völker zu nennen wagt, von de nen wir durch so manche Scheidewand der Verschiedenheit der Spra chen, der Gewohnheiten und Sitten getrennt sind. Ein philosophischer Beobachter findet das, was man in der Mitte des kultivierten Europa über den Nationalcharakter der Spanier, Franzosen, Italiener und Deut schen gedruckt hat, sehr unrichtig. Wie dürfte sich nun vollends ein Rei sender, der nur an einer Insel gelandet, nur einige Zeit sich in einem ferngelegenen Land aufgehalten hat, das Recht anmaßen, über die ver schiedenen Seelenkräfte, das Übergewicht des Verstandes, des Geistes und der Einbildungskraft der Nationen zu urteilen? In Musik und Tanz der Eingeborenen erkennt man übrigens den Mangel an Fröhlichkeit, der sie überhaupt charakterisiert. Herr Bon pland und ich, wir haben im ganzen südlichen Amerika dasselbe fest gestellt. Ihr Gesang klingt melancholisch und klagend. Indes zeigen die indianischen Weiber mehr Lebhaftigkeit als ihre Männer; allein, sie teilen das Unglück der Sklaverei, zu welcher das andere Geschlecht bei allen Völkern, wo die Zivilisation noch sehr unvollkommen ist, verurteilt ist. Sie tanzen nicht mit, sondern sind bloß zugegen, um
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den Tänzern die gegorenen Getränke zu reichen, welche sie bereitet haben. Den Mexicanern ist ein ganz besonderer Geschmack für die Malerei und Skulptur in Stein und Holz geblieben, und man muß erstaunen, was sie mit dem schlechtesten Messer am härtesten Holz ausrichten. Sie ge ben sich besonders viel damit ab, Heiligenbilder zu malen und auszu schnitzen und ahmen hierin schon seit 300 Jahren die Modelle sklavisch nach, welche die Europäer zu Anfang der Eroberung mitgebracht ha ben. Diese Nachahmung gründet sich sogar auf einen sehr fernher stam menden Glaubenssatz. In Mexico, wie in Hindostan, wo es nämlich den Gläubigen nicht erlaubt ist, das Geringste an der Figur der Idole zu verändern, so wie überhaupt alles den Ritus der Azteken und Hindus betreffende unwandelbaren Gesetzen unterworfen war. Man urteilt da her sehr unrichtig über den Zustand der Künste und des Nationalge schmacks dieser Völker, wenn man bloß die abenteuerlichen Figuren be trachtet, unter denen sie ihre Gottheiten darstellten. In Mexico haben die christlichen Bilder zum Teil diese Steifheit und Härte der Züge erhalten, wodurch die hieroglyphischen Gemälde aus Moctezumas Jahr hundert charakterisiert sind. Indes haben sich verschiedene indianische Kinder, welche in den Kollegien der Hauptstadt erzogen wurden oder ihren Unterricht in der vom König gestifteten Maler-Akademie erhal ten hatten, ausgezeichnet; aber dies ist mehr durch Fleiß als durch Genie geschehen. Ohne den gebahnten Weg zu verlassen, zeigen sie viel Geschicklichkeit in Betreibung der Künste der Einbildungskraft; aber sie verraten eine noch weit größere in bloß mechanischen Künsten. Diese Geschicklichkeit wird dereinst von hohem Wert sein, wenn sich die Manufakturen in diesem Land heben werden, wo einer Regierung von Kraft und Willen zu einer völligen Wiedergeburt desselben eine neue Schöpfung aufbehalten ist. Die mexicanischen Indianer haben noch den nämlichen Geschmack an Blumen, wie ihn schon Cortes an ihnen fand. Ein Blumenstrauß war das köstlichste Geschenk, das man den Gesandten machte, welche an Moctezumas Hof kamen. Dieser Monarch und sein Vorgänger hatten eine Menge seltener Pflanzen in den Gärten von Ixtapalapa zusammen gebracht. Der berühmte Banu mit Händen, der Cheirostemon 122, den 122
Herr Bonpland hat eine Zeichnung davon in unseren >Plantes Equinoxia
les Relation Historique< meiner Reise nähere Nach richten geben werde*, dauerte beinahe zwei Jahre lang. Tupac-Amaru hatte bereits die Provinzen Quispicanchi, Tinta, Lampa, Azangara, Ca ravaja und Chumbivilcas erobert, als ihn die Spanier mit seiner ganzen Familie gefangen nahmen und alle zusammen zu Cusco vierteilten. Die Ehrfurcht, welche dieser angebliche Inka den Ureinwohnern ein gepflanzt hatte, war so groß, daß sie sich trotz ihrer Furcht vor den Spa niern und von der siegreichen Armee umzingelt dennoch beim Anblick des letzten Sohns der Sonne zur Erde niederwarfen, als dieser durch die Straßen nach dem Richtplatz geführt wurde. Der Bruder des Jose Ga brie! Condorcanqui, welcher unter dem Namen Diego Crist6bal Tupac Amaru bekannt ist, wurde erst lange nach der Beendigung dieses Revo lutionsversuchs der peruanischen Indianer hingerichtet. Nachdem der Anführer in die Hände der Spanier gefallen war, hatte sich Diego frei willig ergeben, weil man ihm im Namen des Königs Pardon versprochen hatte. Es wurde eine förmliche Übereinkunft zwischen ihm und dem spanischen General am 26. Januar 1782 im indianischen Dorf Siquani, in der Provinz Tinta, unterzeichnet. Auch lebte er ruhig in seiner Fami lie, bis er im Geist einer hinterlistigen und mißtrauischen Politik unter dem Vorwand einer neuen Verschwörung gefangengenommen wurde. Die Grausamkeiten, welche die Eingeborenen von Peru 1781 und
1782 gegen die Weißen der Anden verübt haben, wurden zum Teil in den kleinen Aufständen wiederholt, welche 20 Jahre später auf dem Plateau *
Nicht mehr erschienen.
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von Rfobamba vorfielen. Es ist daher von größter Wichtigkeit, selbst für die Ruhe der seit Jahrhunderten auf dem Kontinent der Neuen Welt angesessenen Familien, daß man sich mit den Indianern beschäftigt und sie dem gegenwärtigen Zustand von Barbarei, Verworfenheit und Elend, in welchem sie sich befinden, entreißt.
Siebtes Kapitel Weiße, Kreolen und Europäer- Ihre Zivilisation- Ungleichheit ihres Vermögens zustands - Neger - Vermischung der Kasten - Verhältnis der Geschlechter zuein ander- Lange Lebensdauer nach den verschiedenen Rassen - Geselligkeit
Unter den Bewohnern von reiner Rasse würden die Weißen die zweite Stelle erhalten, wenn man sie nur nach dieser Zahl anschlüge. Man teilt sie in Weiße, die in Europa geboren, und in solche, die von Europäern abstammend, in den spanischen Kolonien von Amerika oder den asiatischen Inseln zur Welt gekommen sind. Die ersten heißen chape
tones oder gachupines, die anderen criollos. Die Eingeborenen der Kaua rischen Inseln, die man gewöhnlich mit dem Namen islenos (Leute von den Inseln) bezeichnet, sehen sich als Europäer an. Die spanischen Gesetze räumen allen Weißen dieselben Rechte ein, allein die, welche die Gesetze zur Ausübung bringen sollen, suchen eine Gleichheit zu zerstö ren, durch die sich der europäische Stolz beleidigt findet. Die Regierung mißtraut den Kreolen und gibt alle Plätze von Bedeutung den im alten Spanien Geborenen. Seit einigen Jahren besetzte man von Madrid aus selbst die geringfügigsten Stellen im Zollwesen und derTabaksregie, und zu einer Zeit, als die Kräfte des Staates erschlafften, machte das System der Käuflichkeit der Ämter fürchterliche Fortschritte. Oft geschah es da her, nicht sowohl aus einer argwöhnischen, mißtrauischen Politik, sondern aus bloßem Eigennutz, daß alle Stellen in europäische Hände kamen. Indes entstand dadurch Grund genug zur Eifersucht und zu ewigem Haß unter den Chapetones und den Kreolen. Der elendeste Europäer, ohne Erziehung und Verstandesbildung, fühlt sich erhaben über die Wei ßen des Neuen Kontinents, indem er wohl weiß, daß er einst durch Pro tektion seiner Landsleute und durch die Gunst der in diesem Land ganz gewöhnlichen Glückswechsel, wo ein Vermögen ebenso schnell erworben wie verloren wird, eine Anstellung erhalten kann, welche für die Einge borenen, selbst wenn sie sich durch Talente, Kenntnisse und moralische Eigenschaften auszeichnen, unzugänglich ist. Diese Eingeborenen zie hen daher den Namen Amerikaner dem der Kreolen vor, und seit dem
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Frieden von Versailles [1783] und besonders von 1789 an hört man mit Stolz oft die Worte aussprechen: "Ich bin kein Spanier, sondern ein Ame
rikaner", in welchen sich ein Nachgefühl tiefer Kränkungen verrät. Vor dem Gesetz ist indes jeder Kreole ein Spanier; allein der Mißbrauch der Gesetze, die falschen Maßregeln der Kolonialregierung, das Beispiel der Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Einfluß des Geistes der Zeit haben die Bande gelöst, welche einst die spanischen Kreolen mit den europäischen Spaniern aufs innigste vereinigten. Eine weise Admini stration könnte freilich die Harmonie wiederherstellen, die Leidenschaf ten und den Groll beruhigen und vielleicht noch lange die Einheit zwi schen den Gliedern derselben großen, in Buropa und Amerika von den patagonischen Küsten bis zum Norden von Californien zerstreuten Fami lie erhalten. Die Zahl der Individuen, welche die weiße Rasse ausmachen (casta de
los blancos oder de los Espafloles), beträgt in ganz Neu-Spanien wahr scheinlich 1 200 000, von denen der vierte Teil die Provincias internas be wohnt. In Neu-Biscaya oder der Intendantschaft von Durango ist kein einziger Untertan, welcher Tribut bezahlt. Beinahe alle Bewohner dieser nördlichsten Gegenden behaupten daher, daß sie von rein europäischer Rasse seien. 179 3 zählte man in der Intendanz Seelen
Spanier 10 3000
Guanajuato auf die Totalbevölkerung von
39 8000
V alladolid
2 90 000
80 000
Puebla
638000
63000
Oaxaca
411 000
26000
Dies ist das einfache Resultat der Zählung, ohne daß man übrigens eine von den Veränderungen damit vorgenommen hat, welche die im fünften Kapitel abgehandelte Unvollkommenheit dieser Operation nö tig macht. In den der Hauptstadt nahe gelegenen vier Intendanzen fand man also in der Totalbevölkerung von 1737 000 Seelen 272 000 Weiße, sowohl wirkliche Europäer oder von Europäern Abstammende. Dem nach waren von 100 Einwohnern in der Intendanz Valladolid Guanajuato
27 Weiße, 25Weiße,
Puebla
9 Weiße,
Oaxaca
6Weiße.
Diese ansehnlichen Verschiedenheiten zeigen die Zivilisationsstufe an, auf welche die alten Mexicaner südlich von der Hauptstadt gelangt
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waren. Diese südlichen Gegenden waren von jeher die bewohntesten. Im Norden war die indianische Bevölkerung, wie wir im Lauf dieses Werks öfters bemerkt haben, viel dünner gesät, und der Ackerbau hat erst seit der Eroberung daselbst bemerkbare Fortschritte gemacht. Es ist merkwürdig, die Anzahl der Weißen auf den Antillen und in Mexico miteinander zu vergleichen. Der französische Teil von Santo Domingo enthielt selbst in seiner glücklichsten Periode, 1788, auf ei nem Flächeninhalt von 1700 Quadrat-Stunden (zu 25 auf den Grad) eine geringere Bevölkerung als die Intendanz von Puebla. Page 129 schätzt die erstere zu 520 000 Einwohnern, unter denen 40 000 Weiße, 28 000 Freigelassene und 452 000 Sklaven waren. So kommen denn in Santo Domingo auf 100 Seelen 8 Weiße, 6 Farbige und 86 afrikanische Sklaven. Jamaica zählte 1787 auf 100 seiner Bewohner 10 Weiße, 4 Far bige und 86 Sklaven und dennoch enthält diese englische Kolonie um ein Drittel weniger Menschen als die Intendanz von Oaxaca. Das Miß verhältnis zwischen den Europäern oder ihren Nachkommen und den Kasten von indianischem oder afrikanischem Blut ist also in den südli chen Teilen von Neu-Spanien noch größer als auf den französischen und englischen Antillen. Die Insel Cuba hingegen zeigt noch heutzutage eine weit größere und sehr tröstliche Verschiedenheit in der Verteilung der Rassen. Den sehr sorgfältigen statistischen Untersuchungen zu folge, welche ich während meines Aufenthalts in Havanna in den Jahren 1800 und 1804 anzustellen Gelegenheit hatte, fand ich, daß in letzterem Jahr die Totalbevölkerung der Insel Cuba 432 000 Menschen zählte. Un ter diesen waren: A) Freie Weiße Farbige B)
Sklaven
324000 2 34000 90 000 108 000 Totalsumme: 432 000
oder auf 100 Einwohner 54 Kreolen und Europäer, 21 farbige Menschen und 25 Sklaven. Die Freien verhalten sich hier zu den Sklaven wie 3 zu 1, während dieses Verhältnis in Jamaica wie 1 zu 6 ist. Die Anzahl der 129
B. 2, p. 5.
-
1802 zählte man auf der ganzen Insel Santo Domingo nicht
mehr als 375 000 Einwohner, unter welchen 290 000 Feldbauer, 47 700 Gesinde , Handwerker und Matrosen und 37 000 Soldaten. Wie sehr mögen sich diese Menschen seit sechs Jahren vermindert haben? Auf der Insel Barbados ist die Zahl der Weißen weit.größer als in den übrigen Antillen. Es befinden sich da un ter der Totalbevölkerung von 80 000 Menschen 16 000 Weiße.
Buch li
203
Weißen ist daher auf der Insel Cuba viel größer als im Osten von Me xico und selbst in den Gegenden, wo die wenigsten Indianer sind. Folgende Tabelle zeigt das Übergewicht (im Mittelwert genommen) der übrigen Kasten über die der Weißen in den verschiedenen Teilen des Neuen Kontinents. Man zählt auf 100 Einwohner In den Vereinigten Staaten von Nordamerika
83Weiße,
Auf der Insel Cuba
54Weiße,
Im Königreich Neu-Spanien (ohne die Provincias internas)
16Weiße,
Im Königreich Peru
12Weiße,
Auf der Insel Jamaica
lOWeiße.
In der Hauptstadt von Mexico sind nach der Zählung des Grafen von Revillagigedo unter 100 Einwohnern 49 spanische Kreolen, 2 in Europa geborene Spanier, 24 aztekische und Otomi-Indianer und 25 Menschen von gemischtem Blut. Die genaue Kenntnis dieser Verhältnisse ist für die, welche über die Ruhe der Kolonien wachen sollen, von großer Wichtigkeit. Es würde schwer sein, genau zu bestimmen, wie viele Europäer sich unter den 1 200 000 Weißen befinden, welche in Neu-Spanien leben. Da in der Hauptstadt selbst, wo die Regierung die meisten Spanier verei nigt, auf eine Bevölkerung von 135 000 Seelen nicht einmal 2500 in Eu ropa geborene Individuen kommen, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß das ganze Königreich zusammen deren nicht über 70 000 bis 80 000 enthält. Sie machen sonach nur den 70. Teil der Totalbevölkerung aus, und das Verhältnis der Europäer zu den weißen Kreolen ist wie 1 zu 14. Die spanischen Gesetze verbieten jedem Europäer, der nicht auf der Halbinsel geboren ist, den Eintritt in die amerikanischen Besitzungen, und die Worte Europäer und Spanier sind daher in Mexico und Peru völ lig synonym geworden. Auch können die Bewohner der entfernteren Provinzen kaum begreifen, daß es Europäer gebe, welche ihre Sprache nicht sprechen und sehen letzteres als einen Beweis von niedriger Ge burt an, weil in ihren Gegenden nur die unterste Klasse des Volks nicht spanisch versteht. Da sie überdies die Geschichte des 16. Jahrhunderts besser kennen als die der gegenwärtigen Zeit, so stellen sie sich vor, daß Spanien noch immer ein entschiedenes Übergewicht über das übrige Europa habe und der Mittelpunkt aller europäischen Zivilisation sei. Ganz anders ist dies aber bei den Amerikanern, welche die Hauptstadt bewohnen. Diejenigen unter ihnen, welche die französische und engli sche Literatur kennen, fallen sogar leicht in den entgegengesetzten Feh ler und machen sich einen weit ungünstigeren Begriff vom Mutterland,
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Erster Band
als man ihn selbst zu einer Zeit, da die Verbindungen zwischen Spanien und dem übrigen Europa nicht so häufig waren, in Frankreich hatte. Sie ziehen die Fremden anderer Länder den Spaniern vor und schmeicheln sich in dem Glauben, daß die intellektuelle Kultur weit schnellere Fort schritte in den Kolonien machte als auf der Halbinsel selbst. Diese Fortschritte sind nun wirklich in Mexico, in Havanna, in Lima, Bogota, Quito, Popayan und Caracas auffallend. In Rücksicht auf Sit ten, Verfeinerung des Luxus und gesellschaftlichen Ton gleicht Havanna indes unter allen diesen großen Städten am meisten den europäischen. Hier kennt man auch den Zustand der politischen Angelegenheiten und ihren Einfluß auf den Handel am allerbesten. Allein bei allen Anstren gungen der Patriotischen Gesellschaft der Insel Cuba, welche die Wissen schaften mit dem großmütigsten Eifer aufmuntert, gedeihen diese doch nur langsam in einem Land, wo der Anbau und der Preis der Kolonial produkte die Aufmerksamkeit der Einwohner fast allein beschäftigen. In Mexico, Bogota und Lima ist das Studium der Mathematik, Chemie, Mineralogie und Botanik schon weit verbreiteter. Überall indes be merkt man eine große Bewegung der Geister, findet man die Jugend voll Leichtigkeit für die Erlernung der Prinzipien der Wissenschaften, und man will sogar bemerken, daß diese Leichtigkeit bei den Einwoh nern von Quito und Lima noch auffallender sei als in Mexico und Santa Fe. Die ersteren scheinen eine weit größere Beweglichkeit des Geistes und eine lebhaftere Einbildungskraft zu besitzen; dafür stehen aber die Mexicaner und die Bewohner von Bogota in dem Ruf, viel ausdauern der in den Studien zu sein, denen sie sich einmal gewidmet haben. Keine von allen Städten des Neuen Kontinents, selbst die der Verei nigten Staaten nicht ausgenommen, ist im Besitz so großer und fest ge gründeter wissenschaftlicher Anstalten wie die Hauptstadt von Mexico. Ich nenne hier nur die Bergschule, welche unter dem gelehrten d'El huyar steht und auf die wir beim Berg- und Hüttenwesen wieder zurück kommen werden, den Botanischen Garten, die Maler und Bildhauer Akademie. Letztere führt den Titel Academia de los Nobles Artes de Mexico und verdankt ihr Dasein dem Patriotismus mehrerer mexicani scher Privatleute und der Protektion des Ministers Galvez. Die Regie rung hat ihr ein geräumiges Gebäude angewiesen, worin sich eine weit schönere und vollständigere Sammlung von Gipsabgüssen befindet, als man sie irgendwo in Deutschland antrifft. Man erstaunt darüber, wie der Apoll von Belvedere, die Gruppe des Laokoon und andere noch ko lossalere Statuen über Gebirgswege, welche wenigstens so eng sind wie die des St. Gotthard, gebracht werden konnten, und ist nicht minder überrascht, die Meisterwerke des Altertums unter der heißen Zone und
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auf einem Plateau vereinigt zu sehen, welches noch höher liegt als das Kloster auf dem Großen St. Bernhard. Diese Sammlung von Gipsab güssen hat den König nahe an 200 000 Franken gekostet. Im Akademie Gebäude oder vielmehr in einem der dazu gehörigen Höfe sollte man die Reste mexicanischer Bildhauerei, die kolossalen Statuen von Basalt und Porphyr, welche mit aztekischen Hieroglyphen bedeckt sind und manche Ähnlichkeit mit dem Stil der Ägypter und Hindus haben, ge sammelt aufstellen; denn es wäre gewiß merkwürdig, diese Denkmale der ersten Kultur unserer Gattung, diese Werke eines halb barbarischen Volkes, das die mexicanischen Anden bewohnte, neben den schönen Formen zu sehen, welche unter Griechenlands und Italiens Himmel geboren wurden. Die Einkünfte der Akademie der Schönen Künste in Mexico betra gen 125 000 Franken, von welchen die Regierung 60 000, das Korps der mexicanischen Bergleute nahe an 25 000 und das Consulado oder die Handlungsinnung der Hauptstadt über 15 000 zuschießen. Der bishe rige Einfluß dieser Anstalt auf den Geschmack der Nation ist unleugbar, und man erkennt ihn besonders in der Anordnung der Gebäude, der Vollkommenheit, womit die Steine gehauen sind, den Verzierungen der Kapitelle und den Reliefs in Stukkaturarbeit. Welche schönen Gebäude findet man nicht bereits in Mexico und selbst in Provinzialstädten wie Guanajuato und Quen!taro! Diese Werke, welche oft 1000 000 bis
1500 000 Franken kosten, könnten in den schönsten Straßen von Paris, Berlin oder Petersburg figurieren. Herr Tolsa, Professor der Bildhauer kunst in Mexico, hat sogar eine Statue Carlos IV. zu Pferd gegossen, welche, den Mare Aurel zu Rom ausgenommen, in Schönheit und Rein heit des Stils alles übertrifft, was wir in diesem Fach in ganz Europa be sitzen. Man gibt allen Unterricht in der Akademie unentgeltlich, und er schränkt sich nicht bloß auf Zeichnung von Landschaften und Figuren ein, sondern man ist vernünftig genug gewesen, ihn auch noch auf andere Weise zur Belebung in der National-Industrie zu benutzen. Die Akademie arbeitet mit Erfolg daran, den Geschmack an Eleganz und schönen Formen unter den Handwerkern zu verbreiten. In den großen mit Argandschen Lampen vortrefflich erleuchteten Sälen sind alle Abende ein paar hundert junge Leute versammelt, von denen einige nach Abgüssen oder lebendigen Modellen zeichnen und die andern Risse von Möbeln, Kandelabern und anderen Bronzezieraten kopieren. Hier vermischten sich (und das in einem Land, wo die Vorurteile des Adels gegen die Kasten so tief eingewurzelt sind) Stand, Farben und Menschenrassen völlig, und man sieht den Indianer oder Metis neben dem Weißen und den Sohn eines armen Handwerksmanns mit den Kin-
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dern der großen Herren des Landes wetteifern. Es ist wahrhaft tröstlich zu sehen, wie die Kultur der Wissenschaften und Künste unter allen Zonen eine gewisse Gleichheit der Menschen einführt, indem sie sie, wenigstens für einige Zeit, die kleinen Leidenschaften vergessen läßt, deren Wirkungen die gesellschaftliche Glückseligkeit verhindern. Seit dem Ende der Regierung Carlos III. und der von Carlos IV. hat das Studium der Naturgeschichte nicht nur in Mexico, sondern in allen spanischen Kolonien große Fortschritte gemacht. Keine europäische Regierung hat sich die Ausbreitung der Kenntnisse im botanischen Fach größere Summen kosten lassen als die spanische. Die drei botanischen
Expeditionen nach Peru, Neu-Granada und Neu-Spanien unter den Herren Rufz und Pav6n, Don Jose Celestino Mutis und den Herren Sesse und Mocifio, haben den Staat nah an 2 000 000 Franken gekostet. Außerdem wurden in Manila und auf den Kanarischen Inseln botani sche Gärten errichtet. Auch war die Kommission, welche die Pläne von dem Kanal de los Güines aufnehmen sollte, beauftragt, die vegetabili schen Produkte der Insel Cuba zu untersuchen. Alle diese zwanzig Jahre hindurch in den fruchtbarsten Gegenden des Neuen Kontinents fortgesetzte Nachforschungen haben das Gebiet der Wissenschaft nicht nur um mehr denn 4000 neue Pflanzengattungen bereichert, sondern auch viel zur Verbreitung des Geschmacks an der Naturgeschichte unter den Bewohnern des Landes beigetragen. Die Stadt Mexico enthält in nerhalb der Mauern des vizeköniglichen Palastes einen sehr bemerkens werten Botanischen Garten, und der Professor Cervantes hält alle Jahre einen Kurs darin, welcher sehr stark besucht wird. Außer seinen Herba rien besitzt dieser Gelehrte noch eine reiche Sammlung mexicanischer Mineralien. Herr Mocifio, den wir eben als einen der Mitarbeiter des Herrn Sesse genannt und der seine beschwerlichen Exkursionen vom Königreich Guatemala bis zur Nord-West-Küste oder bis zur Insel von
Vancouver und Cuadra [ Quadra] ausgedehnt hat, und Herr Echeverrfa,
ein Pflanzen- und Tiermaler, dessen Arbeiten mit dem vollkommensten, was Buropa in diesem Fach hervorgebracht hat, wetteifern können, sind
beide geborene Neu-Spanier und hatten sich, noch ehe sie ihr Vater land 130 verließen, bereits zu bedeutenden Stellungen unter den Gelehr ten erhoben. 130
Das Publikum genießt bis jetzt nur die Entdeckungen, welche während
der botanischen Expedition durch Peru und Chile gemacht wurden. Die großen Herbarien des Herrn Sesse und die ungeheure Sammlung von Zeichnungen mexicanischer Pflanzen, die unter seinen Augen verfertigt wurden, sind schon
1803 in Madrid angekommen. Mit Ungeduld erwartet man die Bekanntgabe der
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207
Die Grundsätze der neuen Chemie, welche man in den spanischen Kolonien mit der etwas zweideutigen Benennung der neuen Philoso phie
(nueva filosofia)
bezeichnet, sind viel verbreiteter in Mexico als in
vielen Gegenden der Halbinsel selbst, und ein europäischer Reisender würde erstaunen, im Inneren des Landes, auf den Grenzen von Kalifor nien, junge Mexicaner zu finden, welche von der Zersetzung des Was sers beim Amalgamationsprozeß, der an der freien Luft vorgenommen wird, reden. Die Bergschule besitzt ein chemisches Laboratorium, eine geologische Sammlung, welche nach Werners System geordnet ist, und ein physikalisches Kabinett, wo sich nicht nur sehr kostbare Instru mente von Ramsden, Adams, Le Noir und Louis Berthoud, sondern auch Modelle befinden, welche in der Hauptstadt selbst mit größter Ge nauigkeit und in den schönsten Hölzern des Landes ausgeführt worden sind. Auch ist in Mexico das beste mineralogische Werk, das die spani sche Literatur besitzt, gedruckt worden, nämlich das Handbuch für Oryktognosie, welches Herr Del Rio*, nach den Grundsätzen der Schule von Freiberg, wo sich der Verfasser bildete, herausgegeben hat. Gleichfalls erschien die erste spanische Übersetzung von Lavoisiers Anfangsgründen der Chemie in Mexico. Ich führe diese einzelnen Tat sachen auf, weil sie uns den Maßstab für den Eifer geben, mit welchem die ernsthafteren Wissenschaften in der Hauptstadt von Neu-Spanien ge trieben werden; denn er ist zuverlässig größer als der, womit man sich dem Studium der Sprachen und Literatur des Altertums ergibt. Der Unterricht in der Mathematik ist auf der Universität von Mexico nicht so sorgfältig wie in der Bergschule. Die Schüler der letzteren drin gen tiefer in die Analysis und erhalten Anweisung im Integral- und Dif ferential-Kalkül. Ist es einmal Frieden und werden durch die freie Ver bindung mit Buropa die astronomischen Instrumente (die Chronome ter, die Sextanten und Repetitionszirkel von Borda) allgemeiner, so wird man in den entferntesten Gegenden des Königreichs junge Leute genug finden, welche imstande sind, Beobachtungen anzustellen und sie nach den neuesten Methoden zu berechnen. Ich habe oben in der Analyse des Atlasses den Nutzen angezeigt, den die Regierung von dieFloren von Neu-Spanien und Bogota. Letztere ist die Frucht vierzigjähriger For schungen und Beobachtungen eines der größten Botaniker des Jahrhunderts, Herrn [Jose Celestino] Mutis. *
Andres Manuel del Rio (1765-1849), hatte mit Humboldt in Freiberg stu
diert; Entdecker des Vanadiums. In seinem oben angeführten Werk (Mexico 1805) publizierte Humboldt seine >Pasigrafia< (S. 160-173); hierzu Band I unserer Studienausgabe, S. 11.
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Erster Band
ser ungewöhnlichen Geschicklichkeit zum Aufnehmen von Landkarten ziehen könnte. Übrigens ist der Geschmack an der Astronomie in Me xico schon ziemlich alt, und drei ausgezeichnete Männer, Velazquez, Gama und Alzate, haben ihrem Vaterland schon zu Ende des vergange nen Jahrhunderts in dieser Wissenschaft Ehre gemacht. Alle drei mach ten eine Menge astronomischer Beobachtungen, besonders über die Eklipsen der Trabanten des Jupiters. Alzate, welcher den anderen an Gelehrsamkeit nachstand, war Korrespondent der Akademie der Wis senschaften von Paris; allein, nicht genau genug in seinen Beobachtun gen und von einer oft ungestümen Tätigkeit, gab er sich zu gleicher Zeit mit zu vielen Dingen ab. In der geographischen Einleitung zu diesem Werk haben wir das Verdienst seiner astronomischen Arbeiten unter sucht, und wirklich hatte er ein sehr wesentliches, indem er seine Lands leute zum Studium der physikalischen Wissenschaften aufgemuntert hat. Die >Gazeta de Literatura(, welche er lange Zeit in Mexico heraus gab, trug besonders viel dazu bei, die mexicanische Jugend hierzu auf zumuntern und in solcher Tätigkeit zu erhalten. Der ausgezeichnetste Geometer, welchen Neu-Spanien seit Sigüen zas Epoche gehabt hat, war Don Joaqufn Velazquez Cardenas y Le6n. Alle astronomischen und geodätischen Operationen dieses unermüd lichen Gelehrten tragen den Charakter der größten Genauigkeit. Er wurde am 21. Juli 1732 im Inneren des Landes, auf dem Meierhof San tiago Acebedocla in der Nähe des indianischen Dorfs Tizicapan, gebo ren und bildete sich sozusagen ganz allein. In seinem vierten Jahr steckte er seinen Vater mit den Pocken an, der daran starb, daher sein Oheim, welcher Pfarrer von Jaltocan war, seine Erziehung übernahm und ihn durch einen Indianer namens Manuel Asensio, einen Mann von viel natürlichem Verstand und tiefen Kenntnissen, in der mexicanischen Geschichte und Mythologie unterrichten ließ. Velazquez lernte in Jalto can mehrere indianische Sprachen nebst dem Gebrauch der aztekischen Hieroglyphenschrift, und es ist sehr zu bedauern, daß er nichts über die sen merkwürdigen Zweig des Altertums bekannt gemacht hat. Als er in das Tridentinische Collegium nach Mexico versetzt wurde, fand er we der Lehrer noch Bücher noch Instrumente; allein er wurde trotz der we nigen Mithilfe in der Mathematik und in den alten Sprachen dennoch immer stärker, und ein glücklicher Zufall führte ihm sogar Newtons und Bacons Werke in die Hände. In den ersteren schöpfte er seine Liebe zur Astronomie und in den letzteren die Kenntnis der wahren philosophi schen Methoden. Da er arm war und in Mexico keine Instrumente fand, so verfertigte er mit seinem Freund, Herrn Guadalajara (heutzutage Professor der Mathematik in der Malerakademie), Augengläser und
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209
Quadranten und trieb zu gleicher Zeit Advokatengeschäfte, welche in Mexico, wie überall, einträglicher sind als die Beobachtungen der Ge stirne. Aller Gewinn wurde auf den Ankauf englischer Instrumente ver wendet. Späterhin ernannte man ihn zum Professor an der Universität, und in dieser Stelle begleitete er auch den Visitador Don Jose de Gal vez 131 auf seiner Reise nach Sonora. Auf einer anderen Sendung nach Kalifornien benutzte er den schönen Himmel dieser Halbinsel zu einer Menge astronomischen Beobachtungen und machte hier zuerst die Be merkung, daß dieser Teil des Neuen Kontinents schon seit Jahrhunder ten mit einem ungeheuren Irrtum in der Längenangabe auf allen Karten um mehrere Grade westlicher gesetzt worden war, als er wirklich ist. Als der Abbe Chappe, berühmter wegen seines Muts und seiner Liebe zu den Wissenschaften als wegen der Genauigkeit seinerArbeit, in Kalifor nien ankam, fand er den mexicanischen Astronomen schon daselbst, der sich zu SantaAna ein Observatorium aus Mimosa-Brettern hatte er richten lassen. Auch hatte er die Lage dieses Dorfs bereits bestimmt und sagte dem Abbe Chappe, daß die Mond-Eklipse den 18. Juni 1769 in Kalifornien sichtbar sein würde. Allein der französische Geometer zweifelte so lange daran, bis die angekündigte Eklipse wirklich eintraf. Auch stellte Velazquez allein eine sehr gute Beobachtung des Durch gangs der Venus durch die Sonnenscheibe am 3. Juni 1769 an. Das Re sultat teilte er gleich am nächsten Morgen dem Abbe Chappe und den spanischen Astronomen, Don Vicente Doz und Don Salvador de Me dina mit, und der französische Reisende war erstaunt über die Harmo nie von Velazquez' Beobachtung mit der seinigen. Wirklich mußte es ihm auch auffallend sein, in Kalifornien einen Mexicaner zu finden, der, ohne einer Akademie anzugehören und ohne je Neu-Spanien verlassen zu haben, so viel wie einAkademiker leistete. 1773 führte Velazquez die große geodätische Arbeit aus, von der wir in der Analyse des mexicani schenAtlasses einige Resultate gegeben haben und auf die wir bei dem, was wir über den unterirdischen Ableitungskanal der Seen im Tal von Mexico zu sagen haben, wieder zurückkommen werden. Das wesent131
Der Graf von Galvez durchreiste, ehe er das Indien-Ministerium erhielt,
den nördlichen Teil von Neu-Spanien unter dem Titel eines
Visitador. Diesen
Namen erhalten diejenigen Personen, welche vom Hof zu Untersuchungen über den Zustand der Kolonien beauftragt werden. Ihre Reise
(visita) hat gewöhn
lich keine andere Wirkung, als daß sie einige Zeit lang der Macht der Vizekö nige und der
audiencias das Gleichgewicht halten, sich eine ungeheure Menge
von Memoires, Bittschriften und Vorschlägen einreichen lassen und ihre Gegen wart durch irgendeine neue Steuer bezeichnen. Das Volk erwartet sie mit eben soviel Ungeduld, wie es sie abreisen sieht.
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Erster Band
liebste Verdienst machte sich dieser unermüdliche Mann indes um sein Vaterland durch die Errichtung des Tribunals und der Schule für Berg wesen, zu welchem er dem Hof die Pläne vorgelegt hatte. Er beendete seine arbeitsreiche Laufbahn am 6. März 1786 als erster Generaldirektor des Tribunal de Mineria mit dem Titel eines Aleaide de Corte honorario. Nachdem ich von den Arbeiten Alzates und Vehizquez' gesprochen habe, würde es ungerecht sein, von Gama, dem Freund und Mitarbeiter des letzteren, zu schweigen. Ohne Vermögen, in der Notwendigkeit, eine zahlreiche Familie durch beschwerliche und beinahe mechanische Beschäftigungen zu unterhalten, verkannt und vernachlässigt, so lang er lebte, von Mitbürgern 132, welche ihn nach seinem Tod mit Lob über häuften, unter allen diesen Schwierigkeiten wurde Gama aus eigener Kraft ein geschickter, unterrichteter Astronom. Er ließ verschiedene Schriften über Mond-Eklipsen, über die Trabanten des Jupiters, über den Kalender und die Zeitrechnung der alten Mexicaner und über das Klima von Neu-Spanien drucken, welche sämtlich eine große Richtig keit der Ideen und Genauigkeit in den Beobachtungen verraten. - Ich habe mir erlaubt, näher in die literarischen Verdienste dieser drei mexi canischen Gelehrten einzugehen, weil ich durch Beispiele beweisen wollte, daß die Unwissenheit, deren der europäische Stolz die Kreolen so gerne beschuldigt, keine Wirkung des Klimas oder eines Mangels an moralischer Energie, sondern, wo sie noch etwa stattfindet, einzig und allein Folge der Isolierung und der den Kolonien eigenen Fehler in ihren gesellschaftlichen Institutionen ist. So wie man bei der jetzigen Lage der Dinge alle intellektuelle Ent wicklung ausschließlich in der Kaste der Weißen findet, so sind auch bei nahe alle Reichtümer allein in ihrem Besitz. Unglücklicherweise sind letztere in Mexico beinah noch ungleicher verteilt als in der capitania ge
neral von Caracas, in Havanna und besonders in Peru. In Caracas haben die reichsten Familienhäupter 200 000 Livr. tourn. Einkünfte; auf der Insel Cuba hingegen gibt es manche, die über 600 000-700 000 Franken haben. In diesen beiden arbeitsamen Kolonien hat der Ackerbau weit ansehnlichere Reichtümer gegründet als die Bergwerke in Peru. In Lima ist ein jährliches Einkommen von 80 000 Franken schon sehr sel ten, und ich kenne gegenwärtig keine peruanisehe Familie, welche eine Summe von 130 000 Fr fester und sicherer Einkünfte besäße. In Neu132
Der berühmte Seemann Alessandro Malaspina stellte während seines
Aufenthalts in Mexico mit Gama Beobachtungen an und empfahl ihn auch dem Hofe mit viel Wärme, wie das die offiziellen Briefe Malaspinas, welche in den Archiven des Vizekönigs aufbewahrt werden, beweisen.
Buch II
211
Spanien hingegen befinden sich Personen, welche, ohne ein Bergwerk zu haben, jährlich 1 000 000 Franken einnehmen. Die Familie des Gra fen de la Valenciana z. B. besitzt allein auf dem Rücken der Kordillere für mehr als 25 000 000 liegende Güter, ohne das Bergwerk von Valen ciana in der Nähe von Guanajuato zu rechnen, welches in gewöhnlichen Jahren 1 500 000 Livres reinen Gewinn abwirft. Diese Familien, deren gegenwärtiges Haupt, der junge Graf von Valenciana, sich durch einen großmütigen Charakter und ein edles Streben nach Kenntnissen aus zeichnet, teilt sich bloß in drei Zweige, die zusammen selbst in Jahren, da die Ausbeute der Bergwerke nicht besonders ansehnlich ist, über
2 200 000 Fr Einkünfte haben. Der Graf von Regla, dessen jüngerer Sohn, der Marques von San Crist6bal133 sich in Paris durch seine Kennt nisse in Physik und Physiologie bekannt gemacht hat, ließ auf seine Ko sten in Havanna zwei Linienschiffe erster Größe ganz von Caoba und Zedernholz
(Cedrela odorata) bauen und machte sie seinem Monarchen
zum Geschenk. Das Vermögen des Hauses Regla wurde durch den Erz gang von Vizcaina bei Pachuca gegründet. Die durch ihre Wohltätigkeit, ihre Einsichten und ihren Eifer fürs allgemeine Beste bekannte Familie Fagoaga besitzt den größten Reichtum, den je ein Bergwerk seinem Be sitzer verschaffte, und ein einziger Erzgang, den sie im Distrikt von Sombrerete hat, warf innerhalb von fünf bis sechs Monaten, nach Ab zug aller Unkosten, einen reinen Gewinn von 20 000 000 Livres ab. Nach diesen Angaben sollte man in den mexicanischen Familien noch unendlich größere Kapitalien vermuten, als man wirklich bei ihnen fin det. Der verstorbene Graf von Valenciana, der erste dieses Titels, zog oft in einem Jahr von seiner Mine allein gegen 6 000 000 Livres reinen Gewinn. Dieses Einkommen war in den letzten 25 Jahren seines Lebens nie unter 2 bis 3 000 000 Livres, und dennoch hinterließ dieser außeror dentliche Mann, welcher ganz ohne Vermögen nach Amerika gekom men war und immer sehr einfach gelebt hatte, nach seinem Tod außer seinem Bergwerk, das das reichste in der Welt ist, nicht mehr als
10 000 000 in liegenden Gütern und Kapitalien. Wer die Haushaltung im Inneren der großen mexicanischen Familien kennt, wundert sich über solche Erscheinungen nicht. So schnell gewonnenes Vermögen wird auch ebenso schnell durchgebracht. Die Ausbeutung der Bergwerke wird zu einem Spiel, dem man sich mit grenzenloser Leidenschaft er133
Herr Terreros (dies ist der Name, unter welchem man diesen bescheide
nen Gelehrten in Frankreich kennt) zog lange Zeit die Belehrung, welche ihm sein Aufenthalt in Paris anbot, einem großen Vermögen vor, das er nur in Mexico genießen konnte.
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gibt, und die reichen Eigentümer von Bergwerken verschwenden un geheure Summen an Scharlatane, die sie zu neuen Unternehmungen in den entfernteren Provinzen überreden. Überhaupt kann in einem Land, wo alle Arbeiten so im großen unternommen werden, daß ein einziger Schacht oft 2 000 000 zu graben kostet, die falsche Ausführung eines kühnen Plans in wenigen Jahren wieder alles verzehren, was durch die Ausbeutung der reichsten Erzgänge gewonnen worden war. Hinzu kommt noch, daß sich bei der Unordnung, welche im Inneren der mei sten großen Familien von Alt- und Neu-Spanien herrscht, oftmals ein Familienhaupt in Geldverlegenheit befindet, unerachtet es eine halbe Million Einkünfte hat und sein ganzer Luxus bloß in vielen Zügen von Maultieren zu bestehen scheint. Zuverlässig waren die Bergwerke die Hauptquelle der großen Vermö gensmassen in Mexico. Viele Eigentümer von Minen haben ihren Reich tum mit großem Glück zum Kauf von Ländereien und zu eifriger Betrei bung des Ackerbaus angewandt. Indes gibt es aber auch viele mächtige Familien, welche nie sehr ergiebige Bergwerke ausbeuten konnten. Von der Art sind z. B. die reichen Nachkommen von Cortes oder vom Mar ques del Valle, und der neapolitanische Herzog von Monteleone, der heutzutage im Besitz von Cortes' Majorat ist, besitzt herrliche Lände reien in der Provinz Oaxaca, in der Nähe von Toluca und in Cuernavaca. Die reinen jährlichen Einkünfte von denselben belaufen sich indes nur auf 550 000 Franken, indem der König dem Herzog die Erhebung der aleahalas und der Abgaben vom Tabak genommen hat und die gewöhn lichen Administrationskosten über 125 000 gehen. Auch haben sich mehrere Gouverneure des marquesado sehr bereichert. Wollten die Nachkommen des großen Conquistadors indes selbst in Mexico leben, so würden sie ihre Einkünfte bald auf mehr als 1500 000 treiben. Um die Ansicht der ungeheuren Reichtümer, welche sich im Besitz einiger Privatpersonen von Neu-Spanien befinden und sich mit denen von Großbritannien und der europäischen Besitzungen in Hindostau messen können, vollständig zu machen, will ich einige genaue Nachrich ten über die Einkünfte des mexicanischen Klerus und über die Geldbei träge hersetzen, welche das Korps der Bergleute (Cuerpo de Mineria) zur Vervollkommnung der Bergwerksbetriebsamkeit jährlich entrichtet. Letzteres Korps, das aus den Bergwerkseigentümern besteht und durch Deputierte, die im Tribunal de Minerfa ihren Sitz haben, repräsentiert wird, hat in drei Jahren von 1784 bis 1787 eine Summe von 4000 000 Franken an solche Leute vorgeschossen, denen es an nötigen Fonds fehlte, um große Arbeiten zu unternehmen. Im Land selbst glaubt man, daß dieses Geld nicht sehr nützlich angewendet worden sei (para habili-
Buch li
tar);
213
allein diese Ausgabe selbst btweist wenigstens die Großmut und
Wohlhabenheit derer, welche so freigebig zu sein imstande sind. Noch mehr wird ein europäischer Leser aber erstaunen, wenn ich hier einen außerordentlichen Zug von der verehrungswürdigen Familie von Fa goaga erzähle, die vor einigen Jahren einem ihrer Freunde eine Summe von mehr als 4500 000 Franken ohne Zinsen geliehen hat, in der Hoff nung, sein Glück dadurch auf eine feste Weise zu gründen. Diese Summe ging aber durch das Mißlingen der Unternehmung, welche in der Eröffnung eines neuen Bergwerks bestanden hatte, unwiederbring lich verloren. Die architektonischen Arbeiten, welche zur Verschöne rung der Stadt Mexico vorgenommen werden, sind so kostspielig, daß das prächtige Gebäude, welches das
Tribunal de Mineria
für die Berg
schule erbauen läßt, trotz des niedrigen Taglohns zum wenigsten
3 000 000 Franken kosten wird, von denen zwei Drittel sogleich beim Legen des ersten Grundsteins angewiesen wurden. Um den Bau zu be schleunigen und besonders, damit die Zöglinge bald ein Laboratorium für metallurgische Versuche über die Amalgamation großer Mineral massen
(beneficio de patio)
benutzen konnten, hatte das Korps der me
xicanischen Bergleute 1803 jeden Monat 50 000 Fr ausgesetzt. So leicht werden in einem Land, wo sich der Reichtum nur in den Händen Weniger befindet, die ungeheuersten Unternehmungen ausgeführt! Diese Ungleichheit des Vermögenszustands ist noch auffallender unter dem Klerus, von welchem ein Teil im äußersten Elend schmachtet, während gewisse Glieder desselben Einkünfte genießen, welche an sehnlicher sind als die von manchen souveränen Fürsten Deutschlands. Der mexicanische Klerus, welcher übrigens minder zahlreich ist, als man gewöhnlich glaubt, besteht aus 10 000 Personen, von denen etwa die Hälfte Ordensgeistliche sind, die die Kutte tragen. Rechnet man hierzu noch die Laien- oder dienenden Brüder, die Laien-Schwestern
(legos, donados y criados de los conventos)
und alle die, welche nicht
den geistlichen Weihen bestimmt sind, so kann man den Klerus auf
13 000 bis 14 000 Individuen anschlagen.134 Nun beträgt das jährliche 134
Die Anzahl der Franziskaner-Mönche beträgt in Spanien 15 600 und ist
somit größer als die der sämtlichen Geistlichkeit im Königreich Mexico. Auf der Halbinsel [
=
Spanien] hat der Klerus mehr als 177 000 Individuen. Es fallen da
selbst also auf 1000 Einwohner 16 Geistliche, während in Neu-Spanien auf eine gleiche Zahl nur 2 zu rechnen sind. Folgende Tabelle enthält den Klerus einiger Intendancien zufolge der Zählung von 1793 genauer angeführt: In der Intendantschaft: Puebla
667 nicht reguläre Geistliche oder c/erigos u. 881 reguläre
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Erster Band
Einkommen von acht mexicanischen Bischöfen, welche in folgender Tabelle enthalten sind, 2 271 950 Franken: harte Piaster Einkünfte des Erzbischofs von Mexico
130 000
des Bischofs von Puebla
110 000
V alladolid [Morelia]
100 000
Guadalajara
90 000
Durango
35 000
Monterrey
30 000
Yucatan
20 000
Oaxaca
18 000
Sonora
6 000
Der Bischof von Sonora, dessen Einkünfte die niedrigsten von allen sind, erhält nichts vom Zehnten, sondern wird wie der von Panama un mittelbar vom König selbst bezahlt
(de cajas reales). Sein Einkommen
macht nur den 20. Teil von dem des Bischofs von Valladolid aus, aber was wirklich niederschmetternd ist in dem Sprengel eines Erzbischofs, welcher jährlich auf 650 000 Franken kommt, ist der Umstand, daß es Pfarrer in den indianischen Dörfern gibt, welche nicht einmal 500 bis 600 Franken haben! Der Bischof und die Domherren von Valladolid
[Morelia] haben dem König mehrmals, besonders während des letzten Kriegs mit Frankreich, die Summe von 810 000 Franken als Geschenk
(bienes ra( ces) betragen übrigens nicht 12 bis 15 000 000 Franken, dafür hat er aber
geschickt. Die liegenden Güter des mexicanischen Klerus
ungeheure Reichtümer in Hypotheken bei Privatpersonen stehen. Die
(capitales de capellan(as y obras pfas, fon das dotales de comunidades religiosas), von denen wir in der Folge das
Totalsumme dieser Kapitalien
Nähere beibringen werden, beträgt 44 500 000 Piaster oder 233 625 000 Franken 135. Schon von der ersten Zeit der Eroberung an fürchtete Cor-
V alladolid [Morelia] 293 nicht reguläre Geistliche oder clerigos u. 298 reguläre Guanajuato
225 nicht reguläre Geistliche oder clerigos u. 197 reguläre
Oaxaca
306 nicht reguläre Geistliche oder clerigos u. 342 reguläre
In der Stadt: Mexico
550 nicht reguläre Geistliche oder clerigos u. 1646 reguläre
Rechnet man zu den letzteren noch die donados oder dienenden Brüder, so enthalten die Klöster der Hauptstadt über 2500 Menschen. 135
Ich bin hier den Angaben gefolgt, welche in der >Representaci6n de los
vecinos de Valladolid al Excellentisimo seftor Virrey< (vom 24. Oktober 1805),
Buch II
215
tes den großen Reichtum des Klerus in einem Land, wo die geistliche Disziplin so schwer zu erhalten ist, und er sagte daher in einem seiner Briefe an Kaiser Karl V. mit viel Naivität: "Er bitte Seine Majestät, Klo stergeistliche und keine Domherren nach Indien zu schicken, indem die
letzteren in zügellosem Luxus leben, ihren natürlichen Kindern große Reichtümer hinterlassen und den neu bekehrten Indianern Ärgernis ge ben." Dieser Rat des freimütigen alten Kriegsmanns wurde aber in Ma drid nicht befolgt. Wir haben diese merkwürdige Stelle aus einem Werk abgeschrieben, welches vor einigen Jahren von einem Kardinal136 her ausgegeben worden ist, indem wir den Eroberer von Neu-Spanien we der der Vorliebe für die Klostergeistlichen noch des Hasses gegen die Domherren beschuldigen dürfen! Die Gerüchte, welche in Buropa über die Größe der mexicanischen Reichtümer verbreitet sind, haben zu übertriebenen Vorstellungen von der Menge von Gold und Silber geführt, das in Neu-Spanien in Gefä ßen, Gerätschaften, Küchengeschirr u. dgl. verschwendet sein soll. Al lein ein Reisender, dessen Einbildungskraft von Märchen von silbernen Schüsseln, Schlössern und Türangeln erhitzt ist, würde bei seiner An kunft in Mexico erstaunen, wenn er daselbst im täglichen Lebensge brauch nicht mehr kostbare Metalle angewendet sähe als in Spanien, in Portugal und anderen Gegenden des südlichen Europas, und er könnte sich höchstens darüber wundern, daß in Mexico, Peru oder in Bogota die Leute von der niederen Klasse an ihren nackten Füßen ungeheure silberne Sporen tragen, oder daß silberne Becher und Schüsseln dort etwas Gewöhnlicheres sind als in Frankreich und England. Indes möchte sich sein Erstaunen bald legen, wenn er sich erinnert, daß das Porzellan in diesen neu zivilisierten Gegenden sehr selten ist, daß der Transport desselben durch die Beschaffenheit der Straßen sehr erschwert wird und einer sehr kostbaren Handschrift, enthalten sind. Ich rechne im Verfolg dieses Werks den harten Piaster zu 5 Livres, 5 Sous. Sein innerer Wert ist 5 Livres, 8V3 Sous tournois. Man muß übrigens den peso, welcher auch peso sencillo oder
Handlungspiaster heißt und eine fiktive Münze ist, mit dem harten amerikani schen Piaster oder duro oder auch peso duro nicht verwechseln. Der harte Pia ster gilt 20 real de vellon oder 170 quartos oder 680 maravedis, wo hingegen der
peso sencillo, der 3 Livr., 15 S. macht, nur 15 real de vellon oder 510 maravedis Wert hat. - Im folgenden benutzt Humboldt sehr oft die ältere französische Währungseinheit des Livre tournois (tournois ein vom Namen der Stadt Tours abgeleitetes Adjektiv, da diese Münze ursprünglich dort hergestellt wurde).
1 Livre tournois
=
20 sous tournois
parisis. Anm. d. Hrsg. 136
Der Erzbischof Lorenzana.
=
20 sous parisis; 25 sous tournois
=
1 Livre
216
Erster Band
daß es in einem Land, wo die Handlungstätigkeit noch gering ist, nur wenig heißen will, wenn man einige hundert Piaster bar oder in silber nem Gerät besitzt. Trotz der ungeheuren Verschiedenheit des Reich tums in Peru und Mexico möchte ich übrigens, das Vermögen der gro ßen Eigentümer allein betrachtet, glauben, daß in Lima mehr wahrer Wohlstand herrscht als in Mexico. In ersterer Stadt ist die Ungleichheit des Vermögenszustands nicht so groß, und wenn man daselbst, wie wir oben bemerkt haben, nur selten Privatpersonen findet, die 50 000 bis 60 000 Franken Einkünfte haben, so trifft man dafür desto mehr mulat tische Handwerksleute und freigelassene Neger an, welche sich durch ihren Fleiß mehr als nur das Nötigste erwerben. Unter dieser Klasse sind Kapitalien von 10 000 bis 15 000 Piaster sehr gewöhnlich; da hinge gen die Straßen von Mexico von 20 000-30 000 Unglücklichen
(Zaraga tes, Guachinangos) wimmeln, von denen die meisten die Nacht unter
freiem Himmel zubringen und sich bei Tag, völlig nackt und nur in eine Flanelldecke gehüllt, an die Sonne legen. Diese Indianer und Metis, die Hefe des Volks, haben viel Ähnlichkit mit den Lazaronis in Neapel. Träge, sorglos und müßig wie diese, haben die Guachinangos übrigens nichts Wildes in ihrem Charakter. Sie betteln nicht, sondern arbeiten wöchentlich einen oder zwei Tage, womit sie soviel verdienen, daß sie Pulque oder etwas Ente kaufen können, welche die mexicanischen La gunen bedecken und in ihrem eigenen Fette gebraten werden. Selten übersteigt das Vermögen eines Zaragaten 2 oder 3 Real, da das Volk von Lima hingegen, welches dem Luxus und den Vergnügungen mehr erge ben, aber vielleicht auch geschäftiger ist, oft zwei bis drei Piaster an einem Tag durchbringt. Überhaupt könnte man vielleicht sagen, daß die Vermischung der Europäer und Neger überall eine tätigere und emsigere Rasse hervorbringt als die der Weißen mit den mexicanischen Indianern. Von allen Kolonien unter der heißen Zone ist das Königreich Neu Spanien diejenige, wo die wenigsten Neger sind, und man kann beinahe sagen, daß es gar keine Sklaven darin gibt.* Man kann ganz Mexico durchlaufen, ohne ein schwarzes Gesicht zu finden. Nirgends geschieht der Dienst in den Häusern durch Sklaven, und Mexico bildet in dieser Hinsicht einen großen Kontrast zu Havanna, zu Lima und Caracas. Nach genauen Erkundigungen, welche von mehreren bei der Zählung von 1793 angestellten Personen eingezogen wurden, scheinen in ganz Neu-Spanien nicht 6000 Neger und höchstens nur 9000-10 000 Sklaven zu sein, von denen die meisten in den Häfen von Acapulco und Veracruz
*
Dennoch unterschätzte Humboldt den Anteil des afrikanischen Elementes
an der Bevölkerung nach einem Urteil Donald D. Brands.
Buch II
217
oder in der heißen Gegend an der Küste (tierras calientes) sind. In der capitanfa generat von Caracas hingegen, welche kaum ein Sechstel der Bevölkerung von Mexico enthält, befinden sich viermal mehr Sklaven. In Jamaica verhalten sich die letzteren zu denen von Neu-Spanien wie 250 zu 1 und auf den Antillen, in Peru und selbst in Caracas hängen bei
dem jetzigen Stand der Dinge alle Fortschritte des Ackerbaus und der Industrie im allgemeinen von der Vermehrung der Neger ab. Auf der Insel Cuba z. B., wo die Zucker-Ausfuhr in zwölf Jahren von 400 000 Quintalen auf 1 000 000 gestiegen ist, wurden von 1792 bis 1803 gegen 55 000 Sklaven eingeführt137. Allein in Mexico verdankt die Erhöhung
des Kolonialwohlstands einem tätigeren Negerhandel nicht das gering ste. Vor zwanzig Jahren wußte man in Europa beinahe gar nichts von mexicanischem Zucker, und dennoch führt Veracruz allein heutzutage über 200 000 Quintale aus, unerachtet die Fortschritte des Zuckerrohr baus, welche in Neu-Spanien seit der Revolution auf Santo Domingo stattfanden, die Anzahl der Sklaven glücklicherweise nicht auffallend vermehrt haben. Überhaupt kommen von den 74 000 Negern, welche Afrika138 jährlich den Äquinoktialgegenden von Amerika und Asien liefert und die in den Kolonien selbst 111 000 000 Franken wert sind, kaum 100 auf die Küsten von Mexico. Nach den Gesetzen gibt es keine indianischen Sklaven in den spani schen Kolonien. Indes geben zwei Arten von Kriegen, welche dem An schein nach sehr verschieden sind, durch einen sonderbaren Mißbrauch zu einem Zustand Veranlassung, welcher mit dem des afrikanischen Sklaven viel Ähnlichkeit hat. Die Missionsmönche des südlichen Ame rikas machen nämlich von Zeit zu Zeit Streitereien in die Länder, wo die ruhigen indianischen Stämme wohnen, die man Wilde (indios bra vos) nennt, weil sie kein Kreuz zu machen gelernt haben wie die gleich falls nackten Indianer in den Missionen (indios reducidos). Auf diesen nächtlichen Zügen, welche der Fanatismus ersonnen hat, bemächtigt man sich aller derer, welche man erwischen kann, besonders der Kin der, Weiber und Greise. Ohne Erbarmung trennt man die Kinder von den Müttern, damit sie die Mittel zur Flucht nicht miteinander verabre den können. Der Mönch, welcher die Unternehmung anführt, verteilt die jungen Leute unter die Indianer seiner Mission, welche am meisten 137
Nach den Tabellen der Maut [
=
Zoll] von Havanna, wovon ich eine Kopie
besitze, war die Einfuhr der Neger von 1799 bis 1803 34 500, von denen 7% jähr lich starben. 138
Nach Herrn Norris und den Nachrichten, welche die Kaufleute von Liver
pool dem britischen Parlament 1787 hierüber gegeben haben.
Erster Band
218
zum Erfolg der
entradas beigetragen haben. Am Orinoco und an den
Ufern des portugiesischen Flusses Rio Negro heißen diese Gefangenen
Poitos und werden, bis sie im Alter sind, sich zu verheiraten, wie Skla ven behandelt. Aus Begierde, Poitos zu haben, die für sie 8 bis 10 Jahre arbeiten müssen, fordern die Indianer in den Missionen die Mönche selbst zu solchen Streifzügen auf, ob die Bischöfe gleich gewöhnlich weise genug waren, diese Unternehmungen als Mittel zu tadeln, wo durch die Religion und ihre Diener nur verhaßt werden. In Mexico er fahren die im beinahe unaufhörlichen kleinen Krieg auf den Grenzen der
Provincias internas gemachten Gefangenen ein noch unglückliche
res Schicksal als die Poitos. Im allgemeinen sind sie von der indiani schen Nation der Mecos oder Apaches und werden nach Mexico ge schleppt, wo man sie in den Löchern eines Zuchthauses
(La cordada)
seufzen läßt. Einsamkeit und Verzweiflung vermehren hier ihre Wild heit, und wenn sie nach Veracruz und auf die Insel Cuba gebracht wer den, so gehen sie daselbst bald zugrunde, wie jeder wilde Indianer, der vom Zentral-Plateau herab in die niedrigen und somit viel heißeren Gegenden versetzt wird. Man hat sehr neue Beispiele, daß solche gefan gene Mecos, wenn sie den Kerkerlöchern entronnen waren, die größten Grausamkeiten auf den benachbarten Landgütern begangen haben. Es wäre wohl einmal Zeit, daß sich die Regierung mit diesen Unglück lichen beschäftigte, deren Anzahl so gering und deren Schicksal daher so leicht zu verbessern ist. In den ersten Zeiten der Eroberung gab es, wie es scheint, eine Menge Kriegsgefangener in Mexico, welche von den Siegern als Skla ven behandelt wurden. Ich habe in diesem Bezug eine sehr merkwür dige Stelle im Testament des Heman Cortes 139 gefunden, welches über haupt ein historisches Denkmal ist, das der Vergessenheit entrissen zu werden verdient. Der große Kapitän, der im Lauf seiner Siege und be sonders in seinem treulosen Betragen gegen den unglücklichen König Moctezuma II. wenig Zartgefühl und Gewissenhaftigkeit 140 gezeigt 139
Testamento que otorg6 el Excellentisimo Sefior Don Heman Cortes,
conquistador de la Nueva Espafia hecho en Sevilla et 11. del mes de octubre 1547. Das Original dieser merkwürdigen Urkunde, von der ich eine Kopie habe machen lassen, befindet sich in den Archiven des casa del Estado ( des Marques von Valle ) auf dem Großen Platz von Mexico und ist nie gedruckt worden. Auch habe ich in diesem Archiv ein von Cortes kurz nach der Belagerung von Tenoch titlan abgefaßtes Memoire gefunden, in welchem er Anweisungen zum Bau von Straßen, Errichtung von Herbergen an den großen Straßen und Befehle über andere Gegenstände allgemeiner Ordnung gibt. 140 In seinen Briefen aus der Rica Villa de Veracruz beschreibt Cortes dem
Buch II
219
hatte, machte sich amEnde seiner Laufbahn Gewissensskrupel über die Rechtmäßigkeit der Titel, unter welchen er seine ungeheuren Güter in Mexico besaß. Er befiehlt daher seinem Sohn, die sorgfältigsten Nach forschungen über die Tribute anzustellen, welche die mexicanischen Großen, welche vor der Ankunft der Spanier in Veracruz sein Majorat besessen hatten, davon zogen, und verlangt sogar, daß die in seinem Namen erhobenen Auflagen, soweit sie die ehemals gewöhnlichen über steigen, wieder an die Eingeborenen zurückbezahlt werden sollten. In dem er im 39. und 41. Artikel seines Testaments von den Sklaven spricht, setzt er die denkwürdigen Worte hinzu: "Da es noch zweifelhaft ist, ob ein Christ mit gutem Gewissen die Eingeborenen, welche im Krieg ge fangen worden sind, als Sklaven gebrauchen darf, und man bis auf den heutigen Tag diesen wichtigen Gegenstand noch nicht ins Klare zu set zen vermocht hat, so befehle ich meinem Sohn, Don Martin, und denen seiner Nachkommen, welche mein Majorat und meine Lehen nach ihm besitzen werden, daß sie alle möglichen Untersuchungen über die Rechte anstellen sollen, die man sich gesetzlich gegen Kriegsgefangene erlauben darf. Die Eingeborenen, welche mir Tribut bezahlt haben und dennoch zu persönlichem Dienst gezwungen wurden, sollen entschädigt werden, wann in der Folge entschieden wird, daß man keine Frondienste von ihnen fordern kann." Aber von wem könnte man dieEntscheidung über so problematische Fragen erwarten als vom Papst oder von einem Kon zil*? Gestehen wir nur, daß trotz allen durch eine vorgerückte Zivilisa tion verbreiteten Einsichten die reichen Eigentümer in Amerika drei Jahrhunderte später, selbst auf dem Totenbett, kein so ängstliches Ge wissen haben. Heutzutage bewegen Philosophen und nicht Frömmlinge die Frage, ob es erlaubt sei, Sklaven zu halten. Allein die geringe Aus dehnung, welche das Reich der Philosophie jeder Zeit gehabt hat, läßt glauben, daß es für die duldende Menschheit nützlicher wäre, wenn sich ein solcher Skeptizismus unter den Gläubigen erhalten hätte. Kaiser Karl V. die Stadt Tenochtitlan so, als ob er von den Wundern der Haupt stadt von Dorado spräche. Nachdem er alles, was er von dem Reichtum "dieses mächtigen Herrn Moctezuma" erfahren konnte, berichtet, versichert er seinem Souverän, daß der mexicanische Fürst, lebendig oder tot, in seine Hände fallen müsse. "Certifique a Vuestra Alteza, que lo habria preso 6 muerto 6 subdito a Ia
real Corona de Vuestra Magestad" (Lorenzana, p. 39). Es ist zu bemerken, daß der spanische General diesen Vorsatz faßte, während er noch an der Küste stand und noch gar keine Verbindung mit den Gesandten des Moctezuma gehabt hatte. *
Eine für Humboldts Denken wichtige Passage.
220
Erster Band
Übrigens werden die Sklaven, welche glücklicherweise nur in gerin ger Anzahl in Mexico sind, hier, wie in allen spanischen Besitzungen, etwas mehr von den Gesetzen beschützt als die Neger in den Kolonien anderer europäischer Nationen. Diese Gesetze werden immer zugunsten der Freiheit ausgelegt; indem die Regierung die Zahl der Freigelasse nen zu vermehren wünscht. Ein Sklave z. B., der sich durch seinen Fleiß einiges Geld erworben hat, kann seinen Herrn zwingen, ihn gegen die mäßige Summe von 1500 bis 2000 Livres in Freiheit zu setzen, und diese kann ihm nicht verweigert werden, wenn jener auch gleich die Vor stellung macht, daß ihn der Sklave das Dreifache gekostet habe oder daß er ein besonders einträgliches Handwerk verstehe. Letzterer gewinnt seine Freiheit, wenn er grausam behandelt worden ist, schon dadurch, sobald der Richter sich der Sache des Unterdrückten annimmt. Indes begreift man leicht, daß dieses wohltätige Gesetz oft genug umgangen wird. Allein ich habe doch im Juli 1803 und in Mexico selbst das Beispiel von zwei Negersklavinnen gesehen, denen die obrigkeitliche Person, welche den alcalde de corte vertrat, die Freiheit zusprach, weil ihre Ge bieterin, eine Frau von den Inseln, ihnen viele Wunden mit Scheren, Stecknadeln und Federmessern beigebracht hatte. In diesem abscheu lichen Prozeß wurde die Dame beschuldigt, daß sie ihren Sklaven mit einem Schlüssel die Zähne ausgebrochen habe, wenn sie sich über Zahnweh, das sie am Arbeiten hinderte, beklagten. -Die römischen Matronen waren wahrlich nicht erfinderischer in den Handlungen ihrer Rache; denn die Barbarei ist in allen Jahrhunderten dieselbe, wenn die Menschen ihren Leidenschaften die Zügel schießen lassen können und die Regierungen eine den Gesetzen der Natur und somit dem Wohl der Gesellschaft entgegenlaufende Ordnung der Dinge dulden. Wir haben die verschiedenen Menschenrassen, welche heutzutage die Bevölkerung von Neu-Spanien ausmachen, aufgezählt. Werfen wir nun den Blick auf die Naturgemälde
[
=
geographische Profile s. Anhang
Blatt XII u. XIII] im mexicanischen Atlas, so sehen wir, daß der größte Teil dieser Nation von 6 000 000 Menschen als Bergbewohner angese hen werden kann. Auf dem Plateau von Amihuac, das zweimal höher steht als die Wolken im Sommer sind Kupferfarbige, welche aus dem nordwestlichen Teil des nördlichen Amerikas gekommen sind, Euro päer und einige Neger von den Küsten von Bonny, Calabar und Me limba vereinigt. -Wahrlich, wenn wir in Betrachtung ziehen, daß das, was wir heutzutage Spanier nennen, ein Gemisch von Alanen und ande ren tartarischen Horden mit den Westgoten und den alten Bewohnern Iberiens ist; erinnern wir uns ferner der auffallenden Ähnlichkeit, welche zwischen den meisten europäischen Sprachen, dem Sanskrit und dem
Buch II
221
Persischen stattfindet, und denken wir über den asiatischen Ursprung der Nomadenstämme nach, welche seit dem 7. Jahrhundert in Mexico eingedrungen sind, so möchte man glauben, daß ein Teil dieser Völker, welche sich nach langen Streifzügen und nachdem sie sozusagen die Reise um die Welt gemacht hatten, wieder auf dem Rücken der Kordil leren zusammenfanden, von einem Punkt, aber auf völlig entgegenge setzten Wegen ausgegangen sind. Um die
Übersicht
der Elemente, aus denen die Bevölkerung von
Mexico besteht, zu vollenden, müssen wir noch flüchtig die Verschie denheit der
Kasten
angeben, welche aus der Vermischung der reinen
Rassen miteinander entstehen. Diese Kasten bilden eine ebenso an sehnliche Masse wie die Ureinwohner des Landes, und man kann die Totalsumme der Menschen von gemischtem Blut zu etwa 2 400 000 an schlagen. Vermöge einer Erkünstelung ihrer Eitelkeit haben die Bewoh ner der Kolonien ihre Sprache durch die Bezeichnung der feinsten Abweichungen des Kolorits in der Ausartung der Primitivfarbe bereichert. Es wird um so nützlicher sein, diese Benennungen kennenzulernen 141, da sie von mehreren Reisenden verwechselt worden sind und diese Ver wechslung bei Lesung spanischer Werke über die amerikanischen Besit zungen große Verwirrung verursacht. Der Sohn eines Weißen ( sei er Kreole oder Europäer) und einer kup ferfarbigen Dreingeborenen heißt Metis oder
mestizo.
Seine Farbe ist
beinahe vollkommen weiß und seine Haut ganz besonders transparent. Im wenigen Bart, der Kleinheit seiner Hände und Füße und einer gewis sen schiefen Lage seiner Augen verrät sich die indianische Mischung seines Bluts weit häufiger als in der Art seiner Haare. Heiratet eine Me stizin einen Weißen, so ist die zweite Generation von ihnen der europäi schen Rasse völlig ähnlich. Da nur wenige Neger nach Neu-Spanien ge kommen sind, so machen die Metis wahrscheinlich 7/s aller Kasten aus. Man hält sie allgemein für sanfteren Charakters als die Mulatten
tos),
(mula
die von einem Weißen und einer Negerin gezeugt sind und sich
durch die Heftigkeit ihrer Leidenschaften und eine ganz besondere Be weglichkeit der Zunge auszeichnen. Die von Negern und Indianerinnen Abstammenden tragen in Mexico, in Lima und selbst auf Cuba den bizarren Namen
chinos,
Chinesen; an der Küste von Caracas hingegen
und, wie die Gesetze beweisen, in Neu-Spanien selbst nennt man sie
zambos.
Heutzutage ist dieser letztere Name indes besonders auf die
von einem Neger und einer Mulattin oder von einem Neger und einer 141
Sobre el Clima de Lima, por el Doctor Unanue, p. XLVIII, ein in Peru
selbst im Jahr 1806 gedrucktes Werk.
Erster Band
222
aus China Abstammenden eingeschränkt. Von den gewöhnlichen Zam bos unterscheidet man die
zambos prietos,
die von einem Neger und ei
ner Zamba herkommen. Aus der Vermischung eines Weißen mit einer Mulattin entsteht die Kaste der
cuarterones.
Verheiratet sich eine cuar
terona mit einem Europäer oder einem Kreolen, so heißt ihr Sohn ein
quinter6n.
Eine neue Vermischung mit der weißen Rasse verlöscht die
Farbe so ganz, daß das Kind eines Weißen und einer Quinteronin gleich falls weiß ist. Die Kasten von indianischem oder afrikanischem Blut be halten den Geruch, der der Hautausdünstung dieser beiden primitiven Rassen eigen ist. Die Indianer in Peru, welche die verschiedenen Ras sen bei Nacht dem Geruch nach unterscheiden, haben sich sogar drei Worte für den Geruch der Europäer, der Ureinwohner von Amerika und der Neger gebildet und nennen den der ersten zweiten
posco 142
und der dritten
grajo.
pezufia,
den der
- Die Vermischungen, in wel
chen die Farbe des Kindes dunkler wird, als die der Mutter ist, heißen
salta-atras oder
Sprünge rückwärts.
In einem von Weißen beherrschten Land sind die Familien, von wel chen man annimmt, daß sie am wenigsten mit Neger- oder Mulatten Blut vermischt seien, am geehrtesten, so wie es auch in Spanien für eine Art von Adel gilt, weder von Juden noch von Mauren abzustammen. In Amerika entscheidet der größere oder geringere Grad von Weiß in der Farbe über den Rang, den man in der Gesellschaft behauptet. Ein Weißer, welcher barfuß zu Pferd steigt, glaubt zum Adel des Landes zu gehören, und die Farbe begründet sogar eine Art von Gleichheit unter den Menschen, welche, wie überall, wo die Zivilisation erst wenig vor gerückt oder schon rückgängig ist, gerne in Prärogativen der Rasse und Abstammung künsteln. Streitet sich ein gemeiner Mann mit einem betitelten Herrn des Landes, so sagt er ihm einmal über das andere: "Glauben Sie etwa, daß Sie weißer seien als ich?", und dieser Ausdruck charakterisiert den Zustand und den Ursprung der gegenwärtigen Ari stokratie ganz vortrefflich. Es ist daher für die Eitelkeit und das öffent liche Ansehen von großer Wichtigkeit, daß der Anteil von europäi schem Blut, welcher j eder Kaste zuzuschreiben ist, bei allen aufs genaueste bestimmt wird. Nach den durch die Gewohnheit angenom menen Grundsätzen hat man folgende Verhältnisse festgesetzt. Kasten
142
Mischung des Blutes
Cuarterones
1;4 Neger
3.4 Weiße
Quinterones
Vs Neger
7fs Weiße
Ein altes Wort aus der Ketschua-Sprache.
Buch II
223
Zambos
3f4 Neger
1/4 Weiße
Zambos prietos
7/s Neger
Vs Weiße
Oftmals geschieht es, daß Familien, welche im Verdacht stehen, daß sie von vermischtem Blut seien, den obersten Justizhof (die Audiencia) um eine öffentliche Erklärung bitten, daß sie zu den Weißen gehören. Diese Erklärungen richten sich übrigens nicht immer nach dem Urteil der Sinne, und man sieht sehr braune Mulatten, die geschickt genug ge wesen sind, sich weiß färben zu lassen, wie der gewöhnliche Ausdruck des Volks in diesem Fall heißt. Ist die Hautfarbe dem nachgesuchten Urteilsspruch zu sehr entgegen, so begnügt sich der Supplikant mit einer etwas problematischen Entscheidungsformel, und der Spruch lautet als dann bloß so: "Diese oder jene können sich selbst als Weiße ansehen
(quese tengan por blancos)." Es wäre sehr interessant, den Einfluß der Kastenverschiedenheit auf die Verhältnisse beider Geschlechter zueinander gründlich bestimmen zu können. Aus der Zählung von 1793 habe ich abgesehen, daß in der Stadt Puebla und in Valladolid unter den Indianern mehr Männer als Frauen waren, da man hingegen unter den Spaniern oder unter der wei ßen Rasse ein umgekehrtes Verhältnis findet. Die Intendanzen von Gu anajuato und Oaxaca zeigen in allen Kasten dasselbe Übergewicht der Männer. Indes habe ich nicht Materialien genug erhalten können, um das Problem der Verschiedenheit der Geschlechter nach dem Kastenun terschied und der Wärme des Klimas oder der Höhe der Gegenden, wel che der Mensch bewohnt, aufzulösen, und wir müssen uns daher bloß mit der Angabe allgemeiner Resultate begnügen. In Frankreich fand man in einer besonderen, mit äußerster Sorgfalt angestellten Zählung, daß unter 991829 Menschen die lebenden Frauen sich zu den Männern wie 9 zu 8 verhielten; Herr Peuchet 143 aber scheint bei einem Verhältnis von 34: 33 zu beharren. Zuverlässig ist die Zahl der Weiber in Frankreich größer als die der Männer, und es werden, was sehr bemerkenswert ist, auf dem Land und im Süden dieses Staates mehr männliche Kinder geboren als in den Städten und in den Departe ments, welche zwischen dem 47. und 52. Grad der Breite liegen. In Neu-Spanien hingegen gaben diese Berechnungen der politischen Arithmetik ein völlig entgegengesetztes Resultat. Die Männer sind daselbst im Durchschnitt zahlreicher als die Frauen, wie durch folgende Tabelle bewiesen wird, die ich für 8 Provinzen oder für eine Bevölke rung von 1352000 Menschen verfaßt habe. 143
Statistique elementaire de la France, p. 242.
Erster Band
224
Namen der
Verhältnis Verschiedenheit
Intendanzen
der Rassen
und Gouvernements
Guanajuato
V alladolid in Michoadm
Oaxaca
Durango Sonora 144 Sinaloa Neu-Mexico
{ { {
{
Männer
Frauen
derMänner zu den Frauen
Spank' od« WeHk
53 983
49 316
100:91
Indianer oder Ureinwohner
89 753
85 429
100:95
Gemischte Rassen
59 659
59 604
100:99
'pani«
40 399
39 081
100:97
Indianer
61 352
58 016
100:94
Gemischte Rassen
44 704
43 704
100:98
12 923
12 882
100:99
182 342
180 738
100:99
Gemischte Rassen
11 163
10 566
100:95
60 727
59 586
100:98
In die,;en fünf Pmvin,�n
20 473
17 832
100:87
hat man die Kasten alle
27 772
27 290
100:98
zusammengezählt
15 915
14 910
100:94
6 770
5 946
100:87
687 935
664 900
'pani« Indianer
Californien T otalsumme
Mittel wie 100:95
Vergleicht man meine Berechnung mit der vom Ministerium des In neren zu Paris angestellten, so findet man, daß sich in der Gesamtbevöl kerung von Neu-Spanien die Männer zu den Frauen wie 100: 95 und im französischen Reich wie 100: 103 verhalten. Auf diese Angaben scheint man sich verlassen zu dürfen; denn es ist nicht begreiflich, warum die Weiber sich der auf Befehl des Grafen von Revillagigedo angestellten Zählung mehr zu entziehen gesucht haben sollten als die Männer. Und dieser Verdacht hat um so weniger Wahrscheinlichkeit, da dieselbe Zäh lung in den großen Städten ein ganz anderes Verhältnis der Geschlechter darstellt, als es auf dem Land stattfindet. Wahrscheinlich hat der Anblick dieser großen Städte zu der in den
144
Man könnte glauben, daß das Übergewicht des männlichen Geschlechts
in den nördlichen Gegenden zum Teil den Militärposten, welche Presidios ge nannt werden und wo keine Frauen sind, beizumessen sei; wir werden aber in der Folge sehen, daß diese Presidios zusammen nicht über 3000 Mann enthal ten.
Buch II
225
Kolonien allgemein verbreiteten Idee Anlaß gegeben, daß in allen hei ßen Klimaten und demzufolge in allen heißen Gegenden der Tropen zone mehr Mädchen als Jungen geboren werden. Die wenigen Kirch spielregister, die ich untersuchen konnte, zeigen gerade das Gegenteil. In der Hauptstadt von Mexico waren vor fünf Jahren, von 1797 bis 1802: in den Kirchspielen
männl. Geburten
weibl. Geburten
Sagrario
3705
3603
Santa-Cruz
1275
1 167
In Panuco und Iguala 145, zwei Orten, die in einem sehr heißen und ungesunden Klima liegen, war unter 9 einander folgenden Jahren nicht eines, in welchem das Übergewicht nicht auf seiten der männlichen Ge burten gewesen wäre. Im Durchschnitt scheint mir daher das Verhältnis der letzteren zu den weiblichen Geburten in Neu-Spanien wie 100: 97 zu sein, wodurch ein noch etwas größeres Übergewicht der Männer über die Frauen herauskommt als in Frankreich, wo auf 100 Jungen nur 96 Mädchen geboren werden. Im Verhältnis der Sterbefälle, nach der Ver schiedenheit der Geschlechter, konnte ich unmöglich das von der Natur bestimmte Gesetz erkennen. Zu Panuco starben in zehn Jahren 479 Männer und 509 Frauen. In Mexico starben innerhalb von fünf Jahren in dem einzigen Kirchspiel von Sagrario 2393 Frauen und nur 1951 Män ner. Nach diesen freilich nur wenigen Angaben sollte das Übergewicht der lebenden Männer noch weit größer sein, als wir es gefunden haben; allein in anderen Gegenden scheinen die Todesfälle der Männer zahlrei cher zu sein als die der Frauen. In Iguala und Calimaya verhielten sich die ersteren zu den letzteren wie 1204 zu 1191 und wie 1330 zu 1272. Herr von Pomelles hat indes schon in Frankreich selbst die Bemerkung ge macht, daß die Verschiedenheit der Geschlechter sich auffallender bei den Geburten als in den Todesfällen äußert; es werden daselbst V11 mehr männliche als weibliche Kinder geboren, und dennoch findet man unter den Landleuten bei all ihrer ruhigen Lebensweise nur V19 mehr Todes fälle unter dem männlichen als unter dem weiblichen Geschlecht. Aus allen diesen Angaben erhellt übrigens, daß man sowohl in Europa als in den Äquinoktialgegenden, welche eine lange Ruhe genießen, die Zahl der Männer im Übergewicht finden würde, wenn der Seedienst, die Kriege und die gefährlichen Arbeiten, denen sich unser Geschlecht überläßt, dieselbe nicht unaufhörlich verminderte. 145
In Panuco geben die Kirchspielregister von 1793 bis 1802 auf 674 männli
che Geburten 550 weibliche. In lguala zählte man 1738 Jungen und 1635 Mäd chen.
226
Erster Band
Die Bevölkerung der großen Städte ist nicht von dauerhaftem Stand und bleibt in Rücksicht auf die Verschiedenheit der Geschlechter durch sich selbst nicht im Gleichgewicht. Die Frauen vom Land kommen in die Städte, um in den Häusern, die keine Sklaven haben, Dienste zu tun. Viele Männer verlassen ihre Dörfer, um das Land als Maultiertrei ber
(arrieros) zu durchstreifen oder sich in Gegenden, wo beträchtliche
Bergwerksindustrie ist, niederzulassen . Was indes der Grund dieses Mißverhältnisses zwischen den beiden Geschlechtern in den Städten sein möge, so ist es doch zuverlässig vorhanden. Folgende Tabelle über drei Städte macht einen auffallenden Kontrast mit obiger Übersicht der allgemeinen Bevölkerung von acht mexicanischen Provinzen. Verhältnis Namen der Städte
Verschiedenheit der Rassen
Männer
Frauen
derMänner zu den Frauen
Europäer 146
Mexico
2 118
217
Spanier oder Kreolen
21 338
29 033
100:136
Indianer oder Ureinwohner
11 232
14 371
100:128
2 958
4 136
100:140
7 832
11 525
100:147
Mulatten
100:10
Andere Rassen oder gemischtes Blut
Queretaro
V alladolid
[Morelia]
{'"'"'"' {'"'"'"'
2 207
2 929
100:133
Indianer
5 394
6 190
100:115
Gemischte Rassen
4 639
5 490
100:118
2 207
2 929
100:133
Mulatten
1 445
1 924
100:133
Indianer
2 419
2 276
100:93
63 789
81 020
Totalsumme
Mittel wie
144 809
100:127
Auch in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika gaben die Zäh lungen der ganzen Bevölkerung wie in Mexico ein Übergewicht der lebenden Männer. Dieses Übergewicht ist indes in jenem Land, wo die Auswanderung der Weißen, die Einfuhr vieler männlicher Sklaven und der Seehandel unaufhörlich die von der Natur vorgeschriebene Ord146
Dieses anscheinende Mißverhältnis kommt daher, daß nur sehr wenige
Spanier von Europa nach Mexico gehen, um sich da niederzulassen.
Buch II
227
nung unterbrechen, sehr ungleich. In den Staaten von Vermont 147, von Kentucky und Süd-Carolina sind beinah Vw mehr Männer als Frauen; in Pennsylvanien hingegen und im Staat von New York beträgt dieses Miß verhältnis nicht V1s. Genießt das Königreich Neu-Spanien dereinst eine Administration, welche die Wissenschaften begünstigt, so wird die politische Arithmetik daselbst unendlich wichtigere Angaben sowohl für allgemeine Statistik wie für die Naturgeschichte des Menschen insbesondere liefern. Wie viele Probleme sind noch in einem Gebirgsland zu lösen, welches, unter einer und derselben Breite die abwechselndsten Klimate, Bewohner von drei oder vier ursprünglichen Rassen und ein Gemisch dieser Ras sen in allen denkbaren Kombinationen darstellt! Welche Untersuchun gen können da noch über das Alter der Mannbarkeit, die Fruchtbarkeit der Gattung, die Verschiedenheit der Geschlechter und über die Le bensdauer angestellt werden, welche länger oder kürzer ist, je nach der Höhe und Temperatur der Orte, der Verschiedenheit der Rassen, nach der Epoche, in welcher die Kolonisten in diese oder jene Gegend ver pflanzt wurden, und nach der Verschiedenheit der Nahrung in Provin zen, wo Bananen, Jatropha, Reis, Mais, Weizen und Kartoffeln auf engem Raum beisammen wachsen. Ein Reisender kann sich keinen Nachforschungen überlassen, welche viel Zeit, die Verwendung der höchsten Gewalt und das Zusammenwir ken vieler Personen zu einem Zweck erfordern. Ich begnüge mich da her, nur anzuzeigen, was noch zu tun ist, wenn die Regierung dereinst die glückliche Lage benutzen will, in welche die Natur dieses außeror dentliche Land versetzt hat. Die Arbeit, welche 1793 mit der Volkszählung der Hauptstadt vorge nommen wurde, stellt Resultate dar, welche am Ende dieses Kapitels verzeichnet zu werden verdienen. Man hat in diesem Teil der Zählung nach der Verschiedenheit der Rassen auch die Individuen unter und über 50 Jahren unterschieden und gefunden, daß über dieses Alter ge kommen sind:
Individuen dieser Rasse
4128 W eiße, Kreolen unter der Gesamtzahl von 539 Mulatten unter der Gesamtzahl von
50 371 7 094
1789 Indianer, Kreolen unter der Gesamtzahl von
25 603
1278 Gemischten Bluts
19 357
So daß demnach über 50 Jahre gekommen sind:
147
Samuel Blodget, p. 75.
Erster Band
228
von 100 Weißen, Kreolen (Spaniern)
8,
Indianern
64/s,
Mulatten
7,
Individuen anderer gemischter Kasten
6.
Diese Berechnungen bestätigen die bewundernswürdige Einförmig keit, welche in allen Gesetzen der Natur herrscht, scheinen aber auch anzudeuten, daß die Lebensdauer unter den besser gemischten Rassen und wo die Mannbarkeit später eintritt, etwas größer ist. Unter 2335 Europäern, welche 1793 in Mexico lebten, waren nicht weniger als 442, die das 50. Jahr erreicht haben, wodurch übrigens gar nicht bewiesen wird, daß die Amerikaner dreimal weniger Wahrscheinlichkeit haben, ein hohes Alter zu erreichen als die Europäer; denn diese kommen ge wöhnlich erst in einem reiferen Alter nach Indien [Amerika]. Nach der Untersuchung des physischen und moralischen Zustands der verschiedenen Kasten, welche die mexicanische Bevölkerung aus machen, würde der Leser wohl gerne die Fragen erörtert sehen: Wel chen Einfluß hat dieses Gemisch von Kasten auf das allgemeine Wohl der Gesellschaft! Welchen Grad von Genuß und individueller Glück seligkeit kann sich der gebildete Mensch in dem jetzigen Zustand des Landes mitten unter so vielen einander widerstreitenden Interessen, Vorurteilen und drückenden Gefühlen verschaffen? Wir sprechen hier nicht von den Vorteilen, welche die spanischen Ko lonien im Reichtum ihrer natürlichen Produkte, der Fruchtbarkeit ihres Bodens und in der Leichtigkeit besitzen, womit der Mensch in demsel ben nach seinem Gefallen und mit dem T hermometer in der Hand auf einem Umkreis von einigen Quadratmeilen die Temperatur oder das Klima suchen kann, welches er für sein Alter, seine physische Konstitu tion und für die Art von Landbau, der er sich ergeben will, am günstig sten hält. Auch wollen wir hier kein Gemälde von den herrlichen Län dern entwerfen, welche in der Mitte des Gebirges, in der Gegend der Eichen und Tannen und in einer Höhe von 1000 bis 1400 m liegen, wo ein ewiger Frühling herrscht, die köstlichsten Früchte von Indien [Ame rika] neben den europäischen wachsen, und alle diese Genüsse weder durch zu viele Insekten noch durch die Furcht vor dem Gelben Fieber
(vomito) noch durch häufige Erdbeben gestört werden. Hier soll ja nicht untersucht werden, ob es außer den Tropenländern eine Gegend gibt, in welcher der Mensch mit weniger Arbeit die Bedürfnisse einer zahlreichen Familie bequemer befriedigen kann; denn der physische Wohlstand des Kolonisten modifiziert seine intellektuelle und moralische Existenz nicht allein.
Buch II
229
Kommt ein Europäer, welcher alles genossen hat, was das gesell schaftliche Leben in den zivilisiertesten Ländern anbietet, in diese fer nen Gegenden des Neuen Kontinents, so muß er bei jedem Schritt über den Einfluß seufzen, den die Kolonialregierung seit Jahrhunderten auf die Moralität der Bewohner gehabt hat. Der gut unterrichtete Mann, der sich nur für die intellektuelle Entwicklung der Gattung interessiert, leidet daselbst vielleicht weniger als der, den ein tiefes Gefühl dahin begleitet. Der erste setzt sich mit dem Mutterland in Verbindung, der Seehandel liefert ihm Bücher und Instrumente, er beobachtet mit Ent zücken die Fortschritte, welche das Studium der ernsthaften Wissen schaften in den großen Städten des spanischen Amerika gemacht haben; die Betrachtung einer großen, wunderbaren, in ihren Produkten äußerst mannigfaltigen Nation entschädigt seinen Geist für die Entbeh rungen, welche seine Lage notwendig macht; der zweite hingegen, der bloß sein Herz genießen lassen kann, findet das Leben in diesen Kolo nien nur dann angenehm, wenn er sich ganz in sich selbst zurückzieht. Will er ruhig alle Vorteile genießen, welche die Schönheit des Klimas, der Anblick einer immer frischen Vegetation und die politische Ruhe der Neuen Welt ihm anbieten, so wird er die Abgeschiedenheit und Ein samkeit nur desto wünschenswerter finden. Indem ich diese Ideen mit Freimütigkeit ausspreche, will ich den moralischen Charakter der Be wohner von Mexico oder Peru nicht beschuldigen, und ich sage nicht, daß das Volk von Lima nicht so gut sei wie das von Cadiz; vielmehr möchte ich glauben, was viele Reisenden vor mir beobachtet haben, daß in den Sitten der Amerikaner eine Annehmlichkeit und Sanftmut herrscht, welche sich der Weichlichkeit gerade so nähert, wie die Ener gie einiger europäischen Nationen leicht in Härte ausartet. Der in den spanischen Besitzungen allgemeine Mangel an Geselligkeit und der Haß, welcher die verwandtesten Kasten voneinander trennt und dessen Wirkungen das Leben der Kolonisten verbittern, stammt einzig und allein aus den politischen Grundsätzen, nach welchen diese Gegenden seit dem 16. Jahrhundert beherrscht worden sind. Eine in den wahren Interessen der Menschheit hellsehende Regierung würde Einsichten und Kenntnisse mit Leichtigkeit verbreiten und den physischen Wohl stand der Kolonisten erhöhen, wenn sie nur nach und nach diese unge heure Ungleichheit der Rechte und der Vermögenszustände verschwin den machte; allein sie würde auch ungeheure Schwierigkeiten finden, wenn die Einwohner durch sie g�selliger werden und wenn sie von ihr lernen sollten, sich samt und sonders für Mitbürger anzusehen. Vergessen wir ja nicht, daß sich die Gesellschaft in den Vereinigten Staaten ganz anders als in Mexico und den übrigen Kontinentalge-
230
Erster Band
genden der spanischen Kolonien gebildet hat. Als die Europäer in die Allegheny-Gebirge [ Appalachen] eindrangen, fanden sie nichts als un geheure Wälder, in welchen einige Stämme eines Jägervolkes umherirr ten, das durch nichts an seinen ungebauten Boden gefesselt war. Bei der Annäherung der neuen Kolonisten zogen sich die Urbewohner nach den westlichen Weideplätzen zurück, welche an den Mississippi und den Missouri grenzen. So wurden freie Menschen einer Rasse und eines Ursprungs die ersten Elemente eines entstehenden Volkes. "In Nord Amerika", sagt ein berühmter Staatsmann, "durchläuft ein Reisender von einer Hauptstadt aus, wo das gesellschaftliche Leben in seiner völli gen Vervollkommnung ist, nacheinander alle Stufen der Zivilisation und Industrie, und beide nehmen immer ab, bis er nach sehr wenigen Tagen an einer unförmlichen, plumpen Hütte ankommt, welche von neu abgerissenen Baumzweigen erbaut ist. Eine solche Reise ist gleich sam die praktische Analyse des Ursprungs der Völker und Staaten. Man geht von dem zusammengesetzten Ganzen aus, um zu den einfachsten Bestandteilen zu gelangen; man mißt in der Geschichte der Fortschritte des menschlichen Geistes rückwärts und findet im Raum, was nur dem Fortschreiten der Zeit anzugehören scheint." 148 Nirgends in ganz Neu-Spanien und Peru, die Missionen ausgenom men, sind die Kolonisten in den Naturzustand zurückgekehrt. Bei ihrer Ansiedlung unter ackerbauenden Völkern, welche unter so komplizier ten und despotischen Regierungen lebten, benutzten die Europäer alle Vorteile, die ihnen das Übergewicht ihrer Zivilisation, ihre List und das Ansehen, welches ihnen die Eroberung gab, gestattete. Aber diese be sondere Lage und das Gemisch der Rassen, deren Interessen einander geradezu entgegen sind, wurden auch zu einer unerschöpflichen Quelle von Haß und Uneinigkeit. In dem Maß, wie die Abkömmlinge der Eu ropäer zahlreicher wurden als die, welche das Mutterland unmittelbar schickte, teilte sich die weiße Rasse in zwei Parteien, deren schmerz liche Nachgefühle nicht durch die Bande der Blutsverwandtschaft unter drückt werden konnten. Aus einer falschen Politik wähnte die Kolonial regierung diese Uneinigkeiten ausnutzen zu können. Je größer eine Kolonie wird, desto mißtrauischer wird ihre Administration. Nach den Ideen, welche man unglücklicherweise seit Jahrhunderten befolgt hat, werden diese entfernten Gegenden als Europa tributär angesehen. Die gesetzliche Macht wird nicht nach dem Bedürfnis des Gemeinwohls ver teilt, sondern wie es die Furcht, daß das Glück der Bewohner zu schnell steigen könnte, eingibt. Der Mutterstaat sucht im Bürgerzwist, im 148
Herr von Talleyrand, in seinem: Essai sur les colanies nouvelles.
Buch II
231
Gleichgewicht der Macht und des Ansehens und in der Verwicklung aller Triebfedern einer großen politischen Maschine seine Sicherheit und arbeitet unaufhörlich daran, den Parteigeist zu nähren und den Haß zu vermehren, welchen die Kasten und die konstituierten Autoritäten von Natur aus gegeneinander hegen. Und aus solchem Stand der Dinge ent springt eine Bitterkeit, welche alle Genüsse des gesellschaftlichen Le bens stört.
Zweiter Band, Tübingen 1810
Buch 111 Besondere Statistik der Intendancias, aus welchen das Königreich Neu Spanien besteht- Ihr Territorialumfang und ihre Bevölkerung
Achtes Kapitel Über die politische Einteilung des mexicanischen Territoriums und über das Ver hältnis der Bevölkerung der Intendancias zu ihrem Territorialumfang - Vorzüg lichste Städte
Ehe wir das Gemälde der besonderen Statistik der neu-spanischen Intendanzen darbieten, wollen wir erst die Prinzipien untersuchen, auf welche sich diese neuen Territorialeinteilungen gründen. Sie sind den modernsten Geographen völlig unbekannt, und wir müssen hier wieder holen, was wir weiter oben schon in der Einleitung zu diesem Werk gesagt haben, daß unsere Generalkarte im mexicanischen Atlas die ein zige ist, welche die Grenzen der Intendanzen, so wie sie seit 1776 bestimmt worden sind, angibt. Herr Pinkerton hat in der zweiten Ausgabe seiner Neuen Geogra phie 1 den Versuch gemacht, eine ausführliche Beschreibung der spani-
1
Man kündigt gegenwärtig (Bibliotheque americaine, 1808, Nro. 9) an, daß
Herr Pinkerton meine Manuskripte bei seiner Arbeit über Mexico benutzt habe. Mit der gewöhnlichen Offenheit meines Charakters habe ich wirklich Herrn Bourgoing, Herrn Alexander Laborde und einigen anderen ebenso ver ehrungswerten Gelehrten mehrere handschriftliche Noten mitgeteilt. Nie aber habe ich das Herrn Pinkerton getan; auch konnte mich die Art, wie er mich vor meiner Rückkunft nach Europa in seiner Geographie behandelt hatte, nicht zu freundschaftlichen Verhältnissen mit ihm einladen. Herr Pinkerton, ein ebenso unrichtiger als kühner Kompilator, findet in dem ihm eigenen Stil alles, was den Ideen entgegen ist, die er sich auf seiner Schreibstube ausgebrütet hat, "lächer lich, widerlich und abgeschmackt". Da er nicht wußte, daß die Karte von La Cruz nach der des Paters Caulin gemacht ist, läßt er den Flüssen einmal keinen anderen Lauf, als er in jener Karte angezeigt findet, und treibt den Skeptizismus so weit, daß nach seiner Meinung der Verfasser der Reise nach der Terra firma, Herr Depons, nicht einmal den Namen des Landes weiß, in welchem er sich vier Jahre aufgehalten hat! Besonders aber tragen die Noten, welche die neue
Buch 111
233
sehen Besitzungen im nördlichen Amerika zu entwerfen, und mehrere sehr genaue Nachrichten, die er aus dem Viajero Universal gezogen, un ter die sehr unbestimmten Angaben gemischt, welche er aus dem Wör terbuch des Herrn Alcedo genommen hatte. Er wähnt sich über die wahren Territorialeinteilungen Neu-Spaniens ganz besonders unterrich tet und sieht dennoch die Provinzen von Sonora, Sinaloa und Pimerfa als Teile von Neu-Biscaya an. Er teilt das, was er die Domäne von Mexico nennt, in die Distrikte Neu-Galicien, Panuco, Zacatula usw. Auf gleiche Weise könnte man aber auch sagen, die großen Einteilungen Europas seien Spanien, Languedoc, Katalonien, die Arrondissements von Cadiz und Bordeaux. Ehe der Minister von Indien, Don Jose de Galvez, die neue Admini stration eingeführt hatte, umfaßte Neu-Spanien: 1. das Reyno [König reich] de Mexico; 2. das Reyno de Nueva Galicia; 3. das Nuevo Reyno de Le6n; 4. die Colonia del Nuevo Santander; 5. die Provincia de Texas; 6. die Provincia de Cohahuila; 7. die Provincia de Nueva Biscaya; 8. die Provincia de la Sonora; 9. die Provincia de Nuevo Mexico; und 10. Am bas Californias oder die Provinzen von Alt- und Neu-Californien *. Diese alten Einteilungen werden im Land selbst noch sehr häufig ge braucht. Die Grenze, die Neu-Galicien vom Reyno de Mexico scheidet, zu welchem auch ein Teil des alten Königreichs Michoacan gehört, ist zugleich die Demarkationslinie der Jurisdiktion der beiden Audienzen von Mexico und Guadalajara. Diese Linie, welche ich indes auf meiner Generalkarte nicht angeben konnte, folgt den Umrissen der neuen Intendanzen nicht ganz genau. Sie beginnt an der Küste des mexicani schen Meerbusens, zehn Stunden nördlich vom Fluß Panuco und der Stadt Altamira bei Barra Ciega und durchschneidet die Intendanz von San Luis Potosf bis zu den Bergwerken von Potosf und Bernalejo. Von da zieht sie sich längs der südlichen Grenze der Intendanz von Zacate cas und der westlichen der Intendanz von Guanajuato mitten durch die Intendanz von Guadalajara, zwischen Zapotlan und Sayula, Ayotitan und der Stadt de la Purificaci6n auf Guatlan, einen der Häfen am Stillen Ozean. Alles was nordwärts von dieser Linie liegt, gehört zu der Au dienz von Guadalajara; alles, was südlich, zu der Audienz von Mexico. In seinem gegenwärtigen Zustand ist Neu-Spanien in zwölf IntendanAusgabe von Herrn Pinkertons Geographie begleiten, bloß dazu bei, die fal schesten Ideen über die Natur und die beschreibende Naturgeschichte zu ver breiten. *
Alt- und Neu-Californien. Die Halbinsel Niedercalifornien und das Gebiet
des heutigen Bundesstaates der USA.
Zweiter Band
234
zen abgeteilt, zu denen noch drei andere von der Hauptstadt sehr weit entfernte Distrikte kommen, welche den bloßen Namen Provinzen be halten haben. Diese fünfzehn Einteilungen sind folgende: I. Unter der gemäßigten Zone. 82000 Quadratmeilen, mit 677 000 Men schen, von denen je 8 auf eine Quadratmeile kommen. A. Nördliche Gegend, innere Gegend.
1. Provincia de Nuevo Mexico, längs dem Rio Grande del Norte, nordwärts vom Parallelkreis von 31°. 2. Intendencia de Nueva Biscaya, südwestlich vom Rio Grande del Norte, auf dem Zentral-Plateau, das sich von Durango bis Chihuahua sehr schnell herabsenkt. B. Nord- West-Gegend, am Großen Ozean.
3. Provicia de la Nueva California oder Nordwest-Seite der spanischen Besitzungen in Nord-Amerika.
4 . Provincia de la Antigua [Alt-]California. Ihre südlichste Spitze trifft schon unter die heiße Zone.*
5. Intendencia de Ia Sonora. Der südlichste Teil von Sinaloa, worin die berühmten Bergwerke von Copala und von Rosa rio liegen; auch schon über den Wendekreis des Krebses hinausreichend. C. Nord-Ost-Gegend, am Golf von Mexico.
6. Indendencia de San Luis Potosi. Sie umfaßt die Provinzen Texas, die Colonia de Nuevo Santaoder und Cohahuila, vom Nuevo Reyno de Le6n und die Distrikte von Charcas, Altamira, Catorce und Ramos. Diese letzteren Distrikte machen die eigentlich sogenannte Intendantschaft von San Luis aus. Der mittägliche Teil, der sich südlich von der Barra de Santaoder und dem Real de Catorce erstreckt, ge hört zur heißen Zone. II. Unter der heißen Zone. 36500 Quadratmeilen mit 5160 000 Men schen, von denen 141 auf jede Quadratmeile kommen. D. Zentral-Gegend.
7. Intendencia de Zacatecas, den Teil ausgenommen, welcher sich nördlich von den Bergwerken von Fresnillo erstreckt.
8. 9. 10. 11.
Intendencia de Guadalajara. Intendencia de de Guanajuato. Intendencia de de Valladolid. Intendencia de Mexico.
* Alt-Californien fornia).
=
das Gebiet der Halbinsel Niederkalifornien (Baja Cali
Buch III
235
12. Intendencia de Ia Puebla. 13. Intendencia de lteracruz. E.
Süd-Ost-Gegend. 14. Intendencia de Oaxaca. 15. Intendencia de Merida.
Diese Einteilungen gründen sich auf den physischen Zustand des Landes. Wir sehen, daß beinah 7/s der Bewohner unter der heißen Zone leben. Die Bevölkerung ist, je weiter man gegen Durango und Chihua hua kommt, um so dünner gesät. In dieser Rücksicht hat Neu-Spanien eine auffallende Ähnlichkeit mit Hindostan, das auch nördlich an beinahe völlig unangebaute und unbewohnte Gegenden grenzt. Von den 5 Millio nen, die die Äquinoctial-Gegenden von Mexico einnehmen, bewohnen o/s den Rücken der Cordillere oder der Plateaus, welche über die Meeresflä che so hoch erhaben sind wie die Straße auf dem Mont-Cenis. Betrachtet man die Provinzen von Neu-Spanien in Beziehung auf ihre Handelsverhältnisse oder nach der Lage der Küste, die sie unmittelbar berühren, so kann man es in drei Gegenden abteilen: I. Innere Provinzen, die sich nicht bis an die Küste des Ozeans erstrecken.
1. Nuevo Mexico. 2. Nueva Biscaya. 3. Zacatecas. 4. Guanajuato. II. See-Provinzen an der östlichen Küste, gegen Buropa gewandt;
5. San Luis Potosi. 6. lteracruz. 7. Merida oder Yucatdn. III. See-Provinzen an der westlichen Küste, gegen Asien gelegen;
8. Neu-Californien. 9. Alt-Californien. 10. Sonora. 11. Guadalajara. 12. Valladolid. 13. Mexico. 14. Puebla. 15. Oaxaca. Wenn sich die Kultur von Mexico dereinst weniger auf dem Zentral-Pla teau oder auf dem Rücken der Cordillere vereinigt haben wird und die Küsten angefangen haben, sich zu bevölkern, werden diese Einteilun gen gewiß ein großes politisches Interesse haben. Die westlichen See provinzen werden ihre Schiffe nach Nootka, nach China und Groß-
236
Zweiter Band
Indien [Ostindien] schicken. Die Sandwich-[Hawaii-]Inseln, welche von einem wilden, aber fleißigen und unternehmenden Volk bewohnt sind, scheinen eher dazu bestimmt zu sein, mexicanische als europäische Kolonisten zu erhalten. Sie enthalten sehr wichtige Plätze für die Natio nen, welche den Entrepot-Handel im Großen Ozean treiben. Bis jetzt haben die Bewohner von Neu-Spanien und Peru zwar von ihrer glück lichen Lage auf einer Asien und Neu-Holland [Australien] entgegen gesetzten Küste keinen Vorteil ziehen können, ja die Produkte der Süd see-Inseln sind ihnen nicht einmal bekannt. Den Brotfruchtbaum und das Zuckerrohr von Otaheiti [Tahiti] aber, diese köstliche Pflanze, de ren Bau den glücklichsten Einfluß auf den Handel der Antillen gehabt hat, werden sie einst, statt aus den ihnen zunächst liegenden Inseln, von Jamaica, Cuba und von Caracas erhalten! Wieviel Mühe haben sich die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika seit zehn Jahren gegeben, um sich einen Weg gegen die Westküsten zu öffnen, diese Küsten, an wel chen die Mexicaner die schönsten Häfen, ohne Leben und Handel, be sitzen! Nach der alten Einteilung des Landes hatte das reino de Nueva Gali cia über 14 000 Quadratmeilen Flächeninhalt und nahe an 1 000 000 Be wohner. Es umfaßte die Intendanzen von Zacatecas und Guadalajara 2, nebst einem kleinen Teil von der von San Luis Potosf. Die heutzutage mit dem Namen der sieben Intendanzen von Guanajuato, Valladolid oder Michoacan, Mexico, Puebla, Veracruz, Oaxaca und Merida be zeichneten Gegenden bildeten mit einem geringen Anteil an der Inten danz von San Luis Potosf3 das eigentlich so genannte reino de Mexico. Dieses Königreich hatte also 27 000 Quadratmeilen Flächeninhalt mehr, und nahe an 5 500 000 Menschen. Eine andere gleich alte und sicherer bestimmte Einteilung Neu-Spa niens unterscheidet das eigentliche Neu-Spanien von den Provincias internas. Zu den letzteren gehört mit Ausnahme der beiden Californien alles, was nördlich und nordwestlich vom Königreich Neu-Galicien liegt, nämlich: 1. das kleine Königreich Le6n; 2. die Kolonie von Neu Santander;
3. Texas;
4. Neu-Biscaya; 5. Sonora;
6. Cohahuila; und
7. Neu-Mexico. Man unterscheidet die Provincias internas del virreinato [Vizekönigreich], welche 7814 Quadratmeilen umfassen, von den Pro vincias internas de la commandancia (von Chihuahua), welche 1779 zu einer Generalkapitänschaft erhoben wurden und 59 375 Quadratmeilen 2
Mit Ausnahme der südlichsten Seite, in welcher sich der Vulkan von Colima
und das Dorf Ayotithin befinden. 3
Der südlichste Teil, den der Fluß Panuco durchschneidet.
Buch III
237
Flächeninhalts haben. Von den zwölf neuen Intendanzen liegen drei in den inneren Provinzen, nämlich: Durango, Sonora und San Luis Potosf. Übrigens darf nicht vergessen werden, daß der Intendant von San Luis dem Vizekönig bloß in bezug auf Le6n, Santauder und die seiner Resi denz am nächsten gelegenen Distrikte von Charcas, Catorce und Alta mira direkt unterworfen ist. Die Gouvernements von Cohahuila und Texas gehören zwar auch zur Intendantschaft von San Luis Potosf, sind aber der commandancia generat von Chihuahua direkt untergeordnet. Folgende Übersichten können einiges Licht auf diese sehr verwickelten Territorialeinteilungen werfen. Ihnen zufolge wird also ganz Neu-Spa nien eingeteilt in: A. Provincias unterstellt dem Virrey de Nueva Espafta; 59 103 Quadrat meilen mit 547 790 Seelen. Die zehn Intendanzen Mexico, Puebla, Veracruz, Oaxaca, Merida, Valladolid, Guadalajara, Zacatecas, Guanajuato und San Luis Potosf (ohne Cohahuila und Texas). Die beiden Californien. B. Provincias, unterstellt dem Comandante general de provincias inter nas; 59 375 Quadratmeilen mit 359 200 Seelen. Die beiden Intendanzen von Durango und Sonora; die Provinz Neu-Mexico; Cohahuila und Texas. Ganz Neu-Spanien: 118 478 Quadratmeilen mit 5 837 100 Bewohnern. Diese Übersichten liefern die Fläche der Provinzen nach Quadratmei len, deren 25 auf einen Grad gehen, nach der Generalkarte in meinem mexicanischen Atlas. Die ersten Berechnungen waren in Mexico selbst gegen das Ende von 1803 von Herrn Oteiza und mir gemacht worden. Da sich meine geographischen Arbeiten seit dieser Zeit etwas mehr ver vollkommnet hatten, so war Herr Oltmanns *gütig genug, alle diese Ter ritorialflächen noch einmal zu berechnen, und er hat diese Arbeit auch mit der Genauigkeit ausgeführt, die alle seine Unternehmungen charak terisiert, indem er Quadrate annahm, deren Seiten nicht mehr als drei Minuten im Bogen hatten. Die in meinen Übersichten angegebene Bevölkerung ist so, wie sie wahrscheinlich 1803 vorhanden war. Ich habe weiter oben (im vierten Kapitel des zweiten Buchs [s. S. 144, 152) die Prinzipien entwickelt, auf welche sich die mit den durch die Zählung von 1793 erzielten Zahlen vorgegangenen Veränderungen gründen. Ich weiß zwar wohl, daß die modernen Geographen Mexico nicht mehr als 2 000 000 bis 3 000 000 *
Jabbo Oltmanns
(1783-1833),
Humboldts astronomischer Mitarbeiter.
Zweiter Band
238
Menschen zuschreiben wollen, indem man jederzeit Gefallen daran ge funden hat, die Bevölkerung von Asien zu übertreiben und die der spa nischen Besitzungen in Amerika herabzusetzen. Aber man vergiBt, daß die Bevölkerung unter einem schönen Himmel und auf fruchtbarem Boden selbst in den am schlechtesten regierten Ländern reißende Fort schritte macht, und bedenkt nicht, daß Menschen, welche auf einem ungeheuren Erdstrich verbreitet sind, weniger durch die Unvollkom menheiten des gesellschaftlichen Zustands leiden als die, deren Bevöl kerung sehr konzentriert ist. Man ist ungewiß, welche Grenzen man Neu-Spanien auf der Nord und der Ostseite geben soll; denn wenn ein Missionar ein Land durch zogen oder ein königliches Schiff irgendeine Küste gesehen hat, so kann man sie doch noch nicht als zu den spanischen Kolonien gehörig an sehen. In Mexico selbst, und noch 1770, hat der Kardinal Lorenzana freilich drucken lassen, daß Neu-Spanien vielleicht durch das Bistum Durango an die Tartarei und Gränland grenze 4• Allein heutzutag ist man zu weit in der Geographie vorgerückt, um sich solchen ausschwei fenden Vermutungen zu überlassen. Ein Vizekönig von Mexico hat von San Blas aus die amerikanischen Kolonien der Russen auf der Halbinsel Alaska untersuchen lassen. Auch war die Aufmerksamkeit der mexica nischen Regierung lange Zeit auf die Nordwestküste, besonders bei Ge legenheit der Niederlassung von Nootka gerichtet, welche der Hof von Madrid am Ende aufgeben mußte, um einen Krieg mit England zu ver meiden*. Die Bewohner der Vereinigten Staaten treiben ihre Zivilisa tion gegen den Missouri hin und suchen sich den Küsten des Großen Ozeans zu nähern, wohin sie der Handel mit Fellen ruft. Indes naht sich die Epoche, da die Grenzen von Neu-Spanien durch die reißenden Fort schritte der menschlichen Kultur die des russischen Reichs und der gro ßen Konföderation der amerikanischen Republiken berühren werden. So wie die Sachen aber jetzt stehen, dehnt sich die mexicanische Regie rung nicht weiter auf den Westküsten aus als bis zur Mission von San Francisco südlich vom Cap Mendocino und in Neu-Mexico bis zum Dorf Taos. Auf der Ostseite, gegen den Staat von Louisiana, sind die Grenzen der Intendantschaft von San Luis Potosf nur sehr wenig be stimmt. Der Kongreß in Washington sucht sie zwar bis auf das rechte Ufer des Rio Grande del Norte zurückzuweisen; allein die Spanier ver4
Lorenzana, p. 38.
*
Hierzu Sabine Grün, geb. Melzer: Der Nootka-Konflikt (1789-1795). Eu
ropäer an der Nordwestküste Amerikas, in: Cosmographia Spiritualis. Fest schrift für Hanno Beck, Bonn 1983, S. 53-82.
Buch III
239
Bewohner
QuadratGroße politische Gemeinschaften im Jahr 1808
meilen von
Totale
auf einer
25 auf einen
Bevölkerung
Quadratmeile
Grad 942 452
40 000 000
42
1. Der europäische Teil
215 809
36400 000
169
2. Der asiatische Teil
726644
3 597 000
5
350 000
680 600
2
Das russische Reich
Bloß das Gouvernement vonlrkutsk Bloß das Gouvernement von Tobolsk GanzEuropa
200 000
72 547
1
476111
182 599 000
383
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, nämlich: 1. Mit Louisiana
196000
6800 000
35
2. Ohne Louisiana
117 000
6715 000
57
58 000
6655 000
115
48 299
23 806000
493
32 647
16900 000
518
136110
25 330 000
186
33 258
25 588 000
769
Frankreich, nach Herrn Peuchet
32 000
35 000 000
1 094
Spanien, nach Herrn Laborde
25 147
10 409 000
413
118 378
5 837 100
49
51 289
5 413 900
105
3. Ohne Louisiana und das indianische Territorium (in Georgia und Western Waters) Hindostan diesseits des Ganges*
162 827
Englisches Territorium, auf welchem die Ostindische Compagnie die Souveränität hat Alliierte und Tributäre der englischen Compagnie Das türkische Reich in Europa, Asien und Afrika Die Österreichische Monarchie
Neu-Spanien. 1. Mit den Provincias internas 2. Ohne die Provincias internas
* Nach der schönen Karte von Arrowsmith, Map of India, 1804 (siehe das astronomische Journal der Herren Zach und Lindenau, 1807, p. 361). Die übri gen Angaben sind nach dem klassischen Werk von Herrn Hasse!, Statistische Tabellen der Staaten von Europa, 1. Heft (1805).
240
Zweiter Band
stehen unter dem Namen der ProvinzTexas die Weidegegenden, welche sich bis zum Rio Mexicano oder Mermentas östlich vom Rio Sabina erstrecken. Die Tabelle auf Seite 239 enthält den Flächeninhalt und die Bevölke rung der größten politischen Körper in Buropa und in Asien. Sie wird zu merkwürdigen Vergleichungen mit dem gegenwärtigen Zustand Mexicos Anlaß geben. Aus dieser Tabelle, welche zu sehr merkwürdigen Betrachtungen über die Mißverhältnisse der europäischen Kultur auffordert, sehen wir, daß Neu-Spanien beinahe viermal so groß ist wie das französische Reich und dennoch eine siebenmal geringere Bevölkerung hat . Besonders auf fallend sind die Verhältnisse zwischen den Vereinigten Staaten 5 und Me xico, wenn man sie miteinander vergleicht und Louisiana und das west liche Gebiet als die Provincias internas der großen Konföderation der amerikanischen Republik ansieht. Ich habe in diesem Kapitel den Zustand der Provincias internas ange geben, wie er zur Zeit meines Aufenthalts in Mexico war. Seither ist 5
Der Territorialumfang der Vereinigten Staaten ist sehr schwer in Quadrat
meilen zu berechnen, und am schwersten seit der Erwerbung von Louisiana, dessen Grenzen gegen Westen und Nord-Westen noch völlig ungewiß sind. Nach Herrn Hutchins, dem ehemaligen Geographen des Kongresses, dem wir die schöne Karte von den Ländern jenseits des Ohio verdanken, hatten die Verei nigten Staaten 1795 einen Flächeninhalt von 640 Millionen Acker Landes oder von 589 Millionen, wenn man die Seen davon abzog. Nun machen 640 acreseine
square-mile; folglich sind 589 Millionen acres (in der Reduktion von 7,66: 1 gleich 120 000 Quadratmeilen, deren 25 auf einen Grad gehen. In der Territo rialschätzung obigerTabeHe bin ich den handschriftlichen Noten gefolgt, welche mir von einem sehr achtungswerten Staatsmann, Herrn Gallatin, Minister des öffentlichen Schatzes in Washington, mitgeteilt wurden. Nach diesen Noten ent halten die Vereinigten Staaten ohne Louisiana 900 000 square-miles oder 117 478 Quadratmeilen. Diese Summe ist um V9 geringer als die von den alten amerika nischen Geographen allgemein angenommene; allein diese Verschiedenheit ist das Resultat gerrauerer Berechnungen des Flächeninhalts der Seen und der öst lichen Lage des Mississippi, wie sie durch Herrn Ellicots Beobachtungen be stimmt wurde. Herr Gallatin ist der Meinung, daß der Verstoß in seiner Berech nung nicht über 50 000 square-miles betragen könne. Die Hälfte dieser 156 240 Quadratmeilen gehört den Eingeborenen und kann bloß als ein von verbünde ten Völkern bewohntes Land angesehen werden. Ich glaube daher, daß, wenn man bloß die Gegenden nimmt, in welchen die Weißen bereits Niederlassungen angelegt haben, und die entweder noch völlig öden oder nur von Indianern be wohnten ausschließt, das Territorium der Vereinigten Staaten statt auf 260 340 nicht höher als auf 100 000 oder 120 000 Quadratmeilen geschätzt werden kann.
Buch III
241
eine Veränderung in der militärischen Verwaltung dieser ausgebreiteten Provinzen vorgegangen, deren Flächeninhalt beinahe doppelt so groß ist wie der des französischen Reichs. 1807 regierten zwei commandantes
genera/es, die Brigadiere Don Nemesio de Salcedo und Don Pedro Gri marest, diese nördlichen Gegenden. Folgendes ist die gegenwärtige Einteilung des gobierno militar, welches nicht mehr allein in den Hän den des Gouverneurs von Chihuahua ist: P r o v i n c i a s i n t e r n a s d e l R e y n o d e N u e v a E s p afia
A. Provincias internas occidentales: 1.
Sonora
2. Durango oder Nueva Biscaya 3. Nuevo Mexico 4. Californias B.
Provincias internas orientales:
1.
Cohahuila
2. Texas 3. Colonia del Nuevo Santaoder 4. Nuevo Reyno de Le6n Die neuen comandantes genera/es der inneren Provinzen werden ebenso wie der alte als oberste Häupter der Finanzadministration in den beiden Intendanzen Sonora und Durango, in der Provinz Nuevo Mexico und in dem Teil der Intendanz von San Luis Potosi angesehen, welcher Texas und Cohahuila umfaßt. Was das kleine Königreich Le6n und Neu Santaoder betrifft, so sind sie bloß in bezug auf die militärische Verteidi gung dem Kommandanten unterworfen. Statistische Analyse des Königreichs Neu-Spanien Flächeninhalt Territorial-Einteilungen
in Quadratmeilen zu 25 auf einen Grad
Bevölkerung, berechnet für 1803
Bewohner auf einer Quadratmeile
Neu-Spanien (Ausdehnung des Vizekönigreichs ohne das Königreich Guatemala) A. Provincias internas
118 478
5837 100
49
6 7 18 9
423 200
6
75814
64000
8
a) Dem Vizekönig unmittelbar unterworfen (Provicias internas del Virreynato)
Zweiter Band
242
Flächeninhalt Territorial-Einteilungen
in Quadratmeilen zu 25 auf einen Grad
Bevölkerung, berechnet für 1803
Bewohner auf einer Quadratmeile
1. Nuevo Reyno de Le6n
2 621
29 000
10
2. Nuevo Santauder
5 193
38 000
7
59 375
359 200
6
16 873
159 700
10
19 143
121 400
6
6 702
16 900
2
10 948
21 000
2
5 709
40 200
7
b) Dem Gouverneur von Chihuahua unterworfen (Provincias internas de Ia comandancia general) 1. Intendencia de Ia Nueva Biscaya o Durango 2. Intendencia de Ia Sonora 3. Cohahuila 4. Texas 5. Nuevo Mexico B. Neu-Spanien, das eigentlich sogenannte, dem Vizekönig unmittelbar unterworfen, und die Königreiche Mexico, Michoacan und NeuGalicien nebst den beiden 51 289
5 413 900
105
1. Intendencia Mexico
5 927
1 511 900
255 301
Californien umfassend 2. Intendencia Puebla
2 696
813 300
3. lntendencia Veracruz
4 141
156 000
38
4. Intendencia Oaxaca
4 447
534 800
120
5. Intendencia Merida oder Yucatan
5 977
465 800
81
3 446
376 400
109
7. Intendencia Guadalajara
9 612
630 500
66
8. Intendencia Zacatecas
2 355
153 300
65
911
517 300
568
98
6. Intendencia Valladolid
9. Intendencia Guanajuato 10. Intendencia San Luis Potosf (ohne NeuSantander, Texas, Cohahuila und das
2 357
230 000
11. Alt-Californien
7 295
9 000
2
12. Neu-Californien
2 125
15 600
7
Königreich Le6n)
Buch III
243
Diese Tabelle ist in bezug auf die Territorialeinteilung sehr unvoll kommen. Indem man den Intendanten die Polizei- und Finanzadmini stration überließ, schien man den mexicanischen Boden nach denselben Grundsätzen einteilen zu wollen, welche die französische Regierung einst bei der Einteilung des Königreichs in generalidades befolgt hatte. In Neu-Spanien enthält jede Intendencia mehrere Subdelegationen. Auf gleiche Weise waren die GeneraHtäten in Frankreich durch Subdele gierte regiert, welche unter dem Intendanten standen. Allein bei den mexicanischen Intendanzen hat man den Territorialumfang oder den Zustand der Bevölkerung, nach ihrer größeren oder geringeren Kon zentrierung, sehr wenig beachtet, auch wurde diese neue Einteilung zu einer Zeit eingeführt, da es dem Kolonienminister, dem Rat von Indien und den Vizekönigen an allen für ein so wichtiges Geschäft nötigen Ma terialien fehlte. Wie war es auch möglich, das ganze Gebäude der Admi nistration eines Landes zu durchdringen, von dem man noch keine Karte besaß und bei welchem man die einfachsten Berechnungen der politischen Arithmetik noch nicht versucht hatte! Vergleicht man den Umfang des Flächeninhalts der einzelnen mexica nischen Intendanzen untereinander, so findet man mehrere, die 10, 20 und sogar 30mal größer sind als die anderen. So hat die Intendanz von San Luis Potosi z. B. eine größere Ausdehnung als das ganze europäi sche Spanien, ist hingegen die von Guanajuato nicht größer als etwa zwei oder drei französische Departements zusammen. Folgende Tabelle gibt das außerordentliche Mißverhältnis des Territorialumfangs der ein zelnen mexicanischen Intendanzen untereinander; wir ordnen sie nach ihrer Größe: Intendencia von San Luis Potosi 27 821 Quadratmeilen, lnt. von Sonora 19 143 QM, Int. Durango 16 873 QM, lnt. Guadalajara 9612 QM, Int. Merida 5977 QM, Int. Mexico 5927 QM, Int. Oaxaca 4447 QM, lnt. Veracruz 4141 QM, Int. Valladolid 3447 QM, Int. Puebla 2696 QM, lnt. Zacatecas 2355 QM, lnt. Guanajuato 911 QM. Mit Ausnahme der drei Intendanzen von San Luis Potosi, Sonora und Durango, deren jede mehr Flächeninhalt hat als die vereinigten Reiche von Großbritannien, haben die übrigen Intendanzen im Durchschnitt
Zweiter Band
244
3000 bis 4000 Quadratmeilen Umfang. Nach ihrer Ausdehnung kann man sie mit dem Königreich Neapel oder Böhmen vergleichen. Indes ist es begreiflich, daß, je weniger ein Land bevölkert ist, seine Administra tion auch der kleineren Einteilungen minder bedarf. In Frankreich hat kein Departement über 550 Quadratmeilen Flächeninhalt, und die Mit telzahl ihres Umfangs ist die von 300. Im europäischen Rußland und in Mexico hingegen sind die Gouvernements und Intendanzen 6mal größer. In Frankreich wachen die Vorgesetzten der Departements, die Prä fekten, über die Bedürfnisse einer Bevölkerung, welche selten über 450 000 Seelen und im Durchschnitt nur 300 000 ist. Die Gouverne ments, in die man das russische Reich geteilt hat, und die mexicani schen Intendanzen aber umfassen trotz der Verschiedenheit ihres Zivili sationszustandes eine weit größere Anzahl von Einwohnern. Folgende Tabelle zeigt das Mißverhältnis in der Bevölkerung der Neu-Spani schen Territorialeinteilungen. Sie beginnt mit der bevölkertsten Inten danz und endet mit der am wenigsten bevölkerten: Intendencia Mexico 1 511 800 Einwohner, Int. Puebla 813 300 E, Int. Guadalajara 630 500 E, Int. Oaxaca 534 800 E, Int. Guanajuato 517 300 E, Int. Valladolid 376 400 E, Int. Merida 465 700 E, Int. San Luis Potosi 334 000 E, Int. Durango 159 700 E, Int. Veracruz 156 000 E, Int. Zacatecas 153 300 E, Int. Sanara 121 400 E. Die Ungleichheit, mit welcher die mexicanische Bevölkerung selbst im zivilisiertesten Teil des Königreichs verteilt ist, wird durch nichts auf fallender als durch den Vergleich der Bevölkerungstabelle der zwölf Intendanzen mit der Tabelle des Umfangs ihres Flächeninhalts. Die In tendanz Puebla, welche in der zweiten Tabelle eine der ersten Stellen einnimmt, ist in der ersten beinahe die letzte. Und doch sollten sich die jenigen, welche Territorialeinteilungen vorzunehmen haben, durch kein anderes Prinzip so sehr leiten lassen als durch das Verhältnis, welches zwischen der Bevölkerung und dem in Quadratmeilen oder Myriame tern [10 000 m] ausgedrückten Flächeninhalt besteht. Bloß in Staaten wie Frankreich, welche das unschätzbare Glück genießen, daß ihre Be völkerung beinahe gleichmäßig auf dem ganzen Boden verbreitet ist,
Buch III
245
können die Einteilungen beinahe ganz gleich sein. Eine dritte Tabelle zeigt den Zustand der Bevölkerung gleichsam relativ. Um zu den Zah lenresultaten zu gelangen, welche dieses Verhältnis zwischen der An zahl der Bewohner und dem Umfang des bewohnten Bodens anzeigen, muß die absolute Bevölkerung nach dem Territorium der Intendanzen abgeteilt werden. Die Resultate dieses Geschäfts sind folgende: Intendanz Guanajuato 568 Einwohner auf einer Quadratmeile, Int. Puebla 301, Int. Valladolid 109, Int. Mexico 255, Int. Oaxaca 120, Int. Merida 81, Int. Guadalajara 66, Int. Zacatecas 65, Int. Veracruz 38, Int. San Luis Potosi 12, Int. Durango 10, Int. Sonora 6. Diese Tabelle beweist, daß in denjenigen Intendanzen, wo die Kultur des Bodens noch am wenigsten fortgeschritten ist, die relative Bevölke rung 50 bis 90mal geringer ist als in den schon lange zivilisierten und in
der Nachbarschaft der Hauptstadt liegenden Gegenden. Diese außeror dentliche Verschiedenheit in der Verteilung der Bevölkerung findet sich indes auch im Norden und im Nordosten von Europa. In Lappland kann man kaum einen Bewohner auf eine Quadratmeile rechnen, während man in anderen Teilen Schwedens, z. B. in Gotland, über 248 anneh men darf. In den Staaten des Königs von Dänemark findet man auf der Insel Seeland 944 und in Island nur 11 Seelen auf einer Quadratmeile. Im europäischen Rußland sind die Gouvernements Archangelsk, Olo nez, Kaluga und Moskau im Verhältnis der Bevölkerung zum Territo rialumfang so verschieden, daß die beiden ersten 6 und 26, die beiden letzteren 842 und 974 Bewohner auf einer Quadratmeile zählen. Dies sind die ungeheuren Verschiedenheiten, welche anzeigen, daß eine Pro vinz 160mal stärker bevölkert ist als eine andere. In Frankreich, wo von der Totalbevölkerung 1094 Menschen auf die Quadratmeile kommen, enthalten die bevölkertsten Departements wie die Scheide, du Nord und der Lys eine relative Bevölkerung von 3869, 2786 und 2274 Seelen. Das am wenigsten bevölkerte Departement der Oberalpen, welches aus einem Teil der ehemaligen Dauphine gebildet wurde, hat nicht mehr als 471 Bewohner auf einer Quadratmeile. Die Extreme sind in Frankreich also im Verhältnis wie 8: 1, und diejenige
246
Zweiter Band
mexicanische Intendanz, wo die Bevölkerung am konzentriertesten ist, wie in Guanajuato, ist kaum bevölkerter als das entvölkertste Departe ment des kontinentalen 6 Frankreich! Ich schmeichle mir, daß diese drei Tabellen des Flächeninhalts, der absoluten und der relativen Bevölkerung der Intendanzen von Neu-Spa nien die große Unvollkommenheit der gegenwärtigen Territorialeintei lung hinlänglich beweisen werden. In einem Land, dessen Bevölkerung über einen ungeheuren Raum verbreitet ist, sollte die Provinzial-Admi nistration auf viel kleinere Landstriche beschränkt sein, als die mexica nischen Intendanzen sind. Überall, wo die Bevölkerung unter 100 Ein wohner auf jeder Quadratmeile wäre, dürfte sich die Administration einer Intendantschaft oder eines Departements nicht über mehr als 100 000 Menschen ausdehnen. Eine doppelte oder dreifache Anzahl
könnte man in Gegenden gestatten, wo sich die Bevölkerung näher bei einander befindet. Von dieser Annäherung hängt ohne Zweifel die Stufe der Industrie, folglich die Handelstätigkeit und die Zahl der Geschäfte ab, welche die Aufmerksamkeit der Departementalregierung gewinnen müssen. In dieser Rücksicht gibt die kleine Intendanz Guanajuato einem Admini strator mehr zu tun als die Provinzen Texas, Cohahuila und Neu-Me xico, welche 6 und lOmal größer sind. Aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt angesehen, wie könnte ein Intendant von San Luis Potosf jemals hoffen, die Bedürfnisse einer Provinz kennenzulernen, welche nahe an 28 000 Quadratmeilen Umfang hat? Wie vermöchte er nur, selbst wenn er die Pflichten seines Amts mit dem patriotischsten Eifer erfüllte, über die Subdelegierten zu wachen und die Indianer vor den Bedrückungen zu schützen, welche in den Gemeinden obwalten? Dieser Punkt der administrativen Organisation kann nicht sorgfältig genug untersucht werden. Eine Regierung, welche diesen Staat wieder beleben wollte, müßte vor allen Dingen die gegenwärtigen Grenzen der Intendanzen abändern. Aber eine solche politische Veränderung muß auf eine genaue Kenntnis des physischen und landwirtschaftlichen Zu stands der Provinzen gegründet sein, welche das Königreich Neu-Spa nien bilden. In dieser Rücksicht stellt Frankreich ein Muster von Voll6
Man hat bei diesen Vergleichen weder auf das Departement Liamone, wel
ches aus dem südlichsten Teil von Corsica gebildet wurde und nur 277 Seelen auf jeder Quadratmeile zählt, noch auf das Seine-Departement Rücksicht genom men. Dem Anschein nach gibt letzteres eine relative Bevölkerung von 26165 Menschen; allein es würde unnütz sein, die Ursachen anzugeben, welche einen so unnatürlichen Zustand in einem Departement bewirken, in welchem die Hauptstadt eines großen Reichs liegt.
Buch III
247
kommenheit dar, welches in der Neuen Welt nachgeahmt zu werden würdig wäre. Die einsichtsvollen Männer, welche die konstituierende Versammlung bildeten, haben gleich am Anfang ihrer Arbeiten bewie sen, welche W ichtigkeit eine gute Territorialeinteilung in ihren Augen hatte. Und diese Einteilung ist gut, sobald sie auf Prinzipien ruht, die um so weiser sind, je einfacher und natürlicher sie sind.
Statistische Analyse des Königreichs Neu-Spanien Territorial- Umfang: 11 8 478 Quadratmeilen. Bevölkerung: 5 837100 Seelen, wovon 49 auf eine Quadratmeile kom men. N e u-S p a n i e n umfaßt: A. Das eigentliche Mexico (el Reino [Königreich) de Mexico). Territorialumfang: 51 280 Quadratmeilen. Bevölkerung: 5 413 900 Einwohner, von denen 105 auf einer Qua dratmeile leben. B. Las provincias internas orientales y occidentales. Territorialumfang: 59 375 Quadratmeilen. Bevölkerung: 357 200 Einwohner, von welchen 6 auf einer Qua dratmeile leben. 1. Intendancia von Mexico Bevölkerung 1803 Flächeninhalt in Quadratmeilen Bewohner auf einer Quadratmeile
1 511 800 5927 255
Diese Intendancia liegt in der heißen Zone. Sie erstreckt sich von 16° 34' bis zu 21 57' der Nordbreite und grenzt gegen Norden an die Inten o
dencia von San Luis Potosi, gegen Westen an die von Guanajuato und Valladolid und gegen Osten an die von Veracruz und Puebla. Auf der südlichen Seite netzen die Gewässer des Südmeers oder des Großen Ozeans die Intendanz von Mexico in einer Uferlänge von 82 Meilen, von Acapulco bis Zacatula. Ihre größte Länge, von letzterem Hafen bis zu den Doctorbergwer ken 7, ist 136Meilen und ihre größte Breite, von Zacatula bis zu den öst7
Die äußersten Punkte liegen eigentlich südöstlich von Acapulco bei der
Zweiter Band
248
lieh von Chilpancingo gelegenen Gebirgen, 92 Meilen. Im nördlichen Teil, in der Gegend der berühmten Bergwerke von Zimapan und Doc tor, trennt ein schmaler Landstrich die Intendencia Mexico vom mexica nischen Meerbusen. Dies geschieht in der Nähe von Mextitlan, und der Strich hat nicht mehr als 9 Meilen Breite. Mehr als zwei Drittel der Intendancia Mexico sind Gebirgsland, in welchem ungeheure Plateaus liegen, die sich 2000 bis 2300 m über die Meeresfläche erheben und von Chalco bis Queretaro eine beinahe un unterbrochene Reihe von Ebenen von 50 Meilen Länge und 8-10 Breite enthalten. In den der Westküste benachbarten Gegenden ist das Klima brennend heiß und ungesund. Nur eine einzige Spitze, der Nevado de Toluca, welcher auf einem fruchtbaren Plateau von 2700 m Höhe steht, erhebt sich bis in die untere Grenze des ewigen Schnees. Indes verliert auch der porphyritische Gipfel dieses alten Vulkans, dessen Form der des Pichinca bei Quito sehr gleicht und welcher einst sehr hoch gewesen zu sein scheint, in den Regenmonaten des Septembers und Oktobers seinen Schnee. Die Höhe des Pico del Frayle oder der höchsten Spitze des Nevado de Toluca ist 4620 m. Kein Gebirge in dieser Intendanz kommt dem Mont-Blanc an Höhe gleich. Das Tal von Mexico oder vonTenochtitlan, von welchem ich eine sehr ins einzelne gehende Karte mitteile, liegt auf dem Mittelpunkt der Cor dillere von Anahuac, auf dem Rücken der Porphyr- und Basalt-Mandel stein-Gebirge, welche sich von Süd-Süd-Ost nach Nord-Nord-West erstrecken. Dieses Tal hat eine ovale Form. Nach meinen Beobachtun gen und denen eines ausgezeichneten Mineralogen, Herrn Don Luis Martin, hat es, von der Mündung des RfoTenango in den See Chalco bis zum Fuß des Cerro de Sincoque beim Desagüe Real de Huehuetoca 18V:l Meilen Länge und von San Gabriel, bei der kleinen Stadt Tezcoco
bis zu den Quellen des Rfo de Escapazalco [ Remedios ] bei Huitzquiluca 12V2 Meilen Breite 8. Der Territorialumfang des Tals hat 244V2 Quadrat-
Mündung des Rio Nespa und nördlich vom Real del Doctor bei der Stadt Valles, welche schon zur Intendantschaft von San Luis Potosi gehört. Da bedeutende Orte selten auf den Grenzen selbst liegen, so hat man lieber die ihnen am näch sten befindlichen angeben wollen. Wirft man einen Blick auf meine General karte von Mexico, so wird man diese Art, die Grenzen der Intendancias zu be zeichnen, gerechtfertigt finden. 8
Die Karten des Tales von Mexico, wie man sie bisher gehabt hat, sind so
falsch, daß auf der von Herrn Mascar6, welche jedes Jahr im Almanach von Mexico wieder abgedruckt wird, die oben angegebenen Distanzen zu 25 und 17 statt zu 18 und 12 Meilen bestimmt werden. Nach dieser Karte wahrscheinlich
Buch III
249
meilen. Seine Seen umfassen nicht mehr als 22 Quadratmeilen, also nicht einmal den zehnten Teil des ganzen Flächeninhalts. Der Umfang des Tals nach dem Kamm der Gebirge gemessen, welche es wie eine Zirkelmauer umgeben, ist 67 Meilen. Dieser Kamm ist auf der Südseite und besonders gegen Südosten am höchsten, wo die bei den großen Vulkane von Puebla, der Popocatepetl und der Itzacccf huatl, das Tal begrenzen. Einer der Wege, welche von dem Tal von Tenoch titlan nach dem von Cholula und Puebla führen, geht über T lamanalco, Ameca, la Cumbre und la Cruz del Correo mitten zwischen den beiden Vulkanen durch. Diesen selben Weg hat das kleine Truppenkorps des Cortes bei seinem ersten Einfall genommen. Sechs große Straßen durchschneiden die Cordillere, welche das Tal begrenzt und deren Mittelhöhe über der Fläche des Ozeans 3000 m ist: nämlich 1. die Straße von Acapulco, welche nach Huitzilac und Cuerna vaca über die hohe Spitze, genannt la Cruz del Marques 9 geht; 2. die Straße von Toluca über Tianguillo und Lerma, eine prächtige Heer straße, die ich nicht genug bewundern konnte und welche mit viel Kunst zum Teil auf Bogen erbaut ist; 3. die Straße von Queretaro, Guanajuato und Durango, el camino de tierra adentro, welche über Cuautitlan, Huehuetoca und Puerto de Reyes bei Bata über Hügel wegführt, die kaum 80 m über dem Pflaster des Großen Platzes von Mexico liegen; 4. die Straße von Pachuca. Sie zieht sich nach den berühmten Bergwer ken von Real del Monte über den Cerro Ventoso, welcher mit Eichen, Zypressen und beinahe immerblühenden Rosensträuchern bedeckt ist; 5. der alte Weg von Puebla über San Bonaventura und die Llanos de Apan, und endlich 6. der neue Weg von Puebla über Rio Frio und Tex melucan, südöstlich vom Cerro del Telap6n, dessen Distanz von der Sierra Nevada so wie die der Sierra Nevada (der Iztaccihuatl) bis zum großen Vulkan (dem Popocatepetl) den trigonometrischen Operationen der Herren Velazquez und Constanz6 als Basen gedient haben. Man ist schon so lange daran gewöhnt, von der Hauptstadt Mexicos
gibt der Erzbischof Lorenzana dem ganzen Tal einen Umfang von mehr als 90 Meilen, obgleich er doch beinah ein Drittel weniger ist. 9
Dies war am Anfang der Eroberung eine militärische Position. Wenn die
Bewohner von Neu-Spanien den Namen Marques aussprechen, ohne einen Fa miliennamen hinzuzusetzen, so verstehen sie darunter den Heman Cortes, Mar ques del Valle de Oaxaca. So bezeichnet der bloße Ausdruck el Almirante im spanischen Amerika Christoph Columbus. Diese naive Art, sich auszudrücken, beweist die Ehrfurcht und Bewunderung, welche sich für das Andenken der bei den großen Männer erhalten haben.
250
Zweiter Band
als von einer mitten in einen See gebauten Stadt zu hören, welche nur durch Dämme mit dem festen Land zusammenhängt, und mag sich da her sehr wundern, den Mittelpunkt der heutigen Stadt in meinem mexi canischen Atlas um 4500 m vom See Tezcoco und von dem von Chalco über 900 Meilen entfernt zu finden. Man wird deswegen entweder die Genauigkeit der in den Entdeckungsgeschichten der Neuen Welt gege benen Beschreibungen in Zweifel ziehen oder sich mit der Erklärung helfen, daß die heutige Hauptstadt von Mexico nicht auf den selben
Grund gebaut sei, auf welchem die alte Residenz von Moctezuma 10 ge
standen habe. Allein es ist völlig zuverlässig, daß die Stadt ihre Stelle nicht verändert hat. Die Domkirche von Mexico steht genau auf dem selben Platz, wo sich der Tempel des Huitzilopochtli befand; die heutige Straße Tacuba ist die alte Straße T lacopan, durch welche Cortes in der "traurigen Nacht" (zur Auszeichnung la noche triste genannt) vom
1. Juli 1520 den berühmten Rückzug antrat, und die anscheinende Ver schiedenheit der Lage, so wie sie auf den alten Karten und den meini gen angegeben ist, kommt bloß von der Verminderung des Wassers im See von Tezcoco her. Es wird nicht unnütz sein, hier eine Stelle aus einem unter dem
30. Oktober 1520 von Cortes an Kaiser Karl V. verfaßten Brief anzufüh ren, worin er ein Gemälde des Tals von Mexico entwirft 11• Es ist mit hoher Einfachheit geschrieben und schildert zugleich die Ordnung, welche im alten Tenochtitlan herrschte: "Die Provinz", sagt Cortes, "in welcher die Residenz dieses großen Fürsten Moctezuma liegt, ist rings von hohen und durch Abgründe durchschnittenen Gebirgen umgeben. Die Ebene hat beinahe 70 Meilen im Umfang und enthält zwei Seen, welche beinahe das ganze Tal ausfüllen; indem die Einwohner von einem Um kreis von mehr als 50 Meilen in Kähnen fahren." (Hierbei ist zu bemer ken, daß Cortes bloß von zwei Seen spricht, weil er die von Zumpango und Jaltocan, zwischen denen er auf seiner Flucht von Mexico nach T laxcalo vor der Schlacht von Otumba eiligst durchzog, nur unvollkom men kannte.) "Von diesen beiden großen Seen im Tal von Mexico ent hält der eine süßes und der andere salziges Wasser. Sie sind bloß durch einen kleinen Strich von Gebirgen (die kegelförmigen und freistehen10
Der wahre mexicanische Name dieses Königs ist Moteuczoma
[ Mocte
zuma] . Man unterscheidet in der Genealogie der aztekischen Sultane zwei
Könige dieses Namens, von denen der eine Huehue Moctecuhzoma und der an dere, welcher in Cortes' Gefangenschaft gestorben ist, Moctecuhzoma Xocoyot zin genannt wird. Die Beiworte, welche vor und nach den Nennworten stehen, bezeichnen den älteren und j üngeren. 11
Siehe Lorenzana, p. 101.
Buch III
251
den Hügel bei Iztapalapan ) voneinander getrennt. Diese Gebirge erhe ben sich mitten in der Ebene, und die Wasser vermischen sich nur in einer schmalen Enge, welche zwischen den Hügeln und der hohen Cor dillere ( wahrscheinlich auf der östlichen Senkung von Cerras de Santa Fe ) liegt. Die vielen Städte und Dörfer, die auf beiden Seen gebaut sind, treiben ihren Handel auf Kähnen und nicht über das feste Land hin. Die große Stadt Temixtitan 12
[Tenochtitlan]
steht mitten in dem
Salzsee, der seine Ebben und Fluten hat gleich dem Meer, und von wel cher Seite des Ufers man kommen mag, so braucht man immer zwei Stunden, um sie zu erreichen. Vier Dämme führen nach dieser Stadt. Sie sind das Werk der Menschenhände und immerhin zwei Lanzenlän gen breit. Die Stadt selbst ist so groß wie Sevilla oder C6rdoba. Die Straßen, das heißt, die Hauptstraßen, sind zum Teil sehr eng, zum Teil sehr weit; die einen halb trocken, die anderen zur Hälfte von schiffba ren Kanälen durchschnitten, welche mit hübsch gebauten hölzernen und so geräumigen Brücken versehen sind, daß zehn Reiter zugleich darüber setzen können. Der Markt ist doppelt so groß wie der von Sevilla, und mit einem ungeheuren Portikus umgeben, unter welchem alle Arten von Waren, Lebensmitteln, Zierat von Gold, Silber, Blei, Kupfer, edlen Steinen, Knochen, Muscheln und Federn, von Leder und Baumwollstoffen zum Verkauf ausgestellt sind. Auch findet man hier gehauene Steine, Ziegel und Zimmerholz. Einzelne Stellen sind für den Verkauf von Wildpret, andere von Gemüsen und Gartenkräutern einge richtet. Hier befinden sich auch besondere Häuser, wo die Barbiere
( mit
Schermessern von Obsidian) die Kopfhaare rasieren, und andere,
welche unseren Apothekerläden gleichen und wo schon völlig zuberei tete Arzneimittel, Salben und Pflaster verkauft werden. In anderen Häusern erhält man für Geld zu essen und zu trinken, und man sieht überhaupt so vielerlei Dinge auf dem Markt, daß ich nicht imstande bin, sie Ew. Hoheit alle aufzuzählen. Um Verwirrung zu vermeiden, werden alle Waren an abgesonderten Orten verkauft. Alles wird nach der Elle gemessen, und wir haben bis j etzt noch kein Gewicht brauchen sehen. Mitten auf dem großen Platz steht ein Haus, welches ich die Audiencia nennen möchte und wo immer 10 bis 12 Richter sitzen, welche über die beim Handel entstandenen Streitigkeiten entscheiden. Eine andere Art öffentlicher Personen ist unaufhörlich im Gedränge verbrei tet, führt die Aufsicht darüber, daß für billige Preise verkauft wird, und 12
Temistitan, Temixtitan, Tenoxtitlan, Temihtitlan sind die verschiedenen
Entstellungen des wahren Namens Tenochtitlan. Die Azteken oder Mexicaner nannten sich selbst Tenochken, woher der Name Tenochtitlan kommt.
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252
man hat bemerkt, wie sie die falschen Maße, welche sie bei den Kauf leuten fanden, zerbrachen." Dies war der Zustand von Tenochtitlan 1520 nach Cortes eigener Beschreibung. Vergebens habe ich in den Archiven seiner Familie, welche in der Casa del Estado zu Mexico aufbewahrt werden, den Plan ge sucht, welchen dieser große Feldherr von den Umgebungen der Haupt stadt aufnehmen ließ und dem Kaiser schickte, wie er im dritten seiner von dem Kardinal Lorenzana bekanntgemachten Briefe sagt. Der Abate Clavigero hat einen Plan vom See Tezcoco gewagt, wie er seine Grenzen im 16. Jahrhundert vermutete. Diese Skizze ist indes mit we nig Genauigkeit gemacht, jedoch immer noch der von Robertson und anderen mit der Geographie von Mexico ebensowenig bekannten Euro päern weit vorzuziehen. Auf der Karte vom Tal Tenochtitlan habe ich den alten Umfang des Salzsees bezeichnet, wie ich ihn in dem histori schen Bericht von Cortes und einigen seiner Zeitgenossen zu erkennen glaubte. Im Jahr 1520, und noch lange nachher, waren die Dörfer, Ixta palapa, Coyoacan (fälschlich Cuyacan genannt), Tacubaya und Tacuba ganz nahe an den Ufern des Sees Tezcoco gelegen. Cortes sagt aus drücklich 13, daß die meisten Häuser von Coyoacan, Culhuacan, Churu busco, Mexicaltzingo, Ixtapalapa, Cuitlahuac und Mixquic auf Pfählen im Wasser stünden, so daß die Canots [Kanus] oft durch eine untere Tür in dieselben einlaufen könnten. Schon zu Cortes' Zeit bildete der Hügel von Chapultepec, auf welchem der Vizekönig Graf von Galvez ein Schloß bauen ließ, keine Insel mehr im See Tezcoco. Auf dieser Seite näherte sich das feste Land der Stadt Tenochtitlan um 3000 m, und Cor tes' Angabe von zwei Meilen in seinem Brief an Karl V. ist nicht ganz richtig. Er hätte sie auf die Hälfte herabsetzen sollen, mit Ausnahme jedoch des Teils des westlichen Ufers, wo der Prophyrhügel von Chapul tepec liegt. Indes darf man glauben, daß dieser Hügel einige Jahrhun derte früher gleich dem Peiion del marques und dem der los baiios eine Insel gewesen ist; denn geologische Beobachtungen machen es sehr wahrscheinlich, daß die Seen schon lange vor der Ankunft der Spanier und vor der Erbauung des Kanals von Huehuetoca im Abnehmen waren. Bevor die Azteken oder Mexicaner 1325 auf einer Insel-Gruppe die noch stehende Hauptstadt gründeten, hatten sie schon 52 Jahre hin durch einen anderen Teil des Sees bewohnt, welcher südlicher liegt, mir aber von den Indianern nicht genau genug angegeben werden konnte. Die Mexicaner verließen Aztlan 1160, kamen aber erst nach einer Wan13
Lorenzana, pp. 102, 195, 229.
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derung von 56 Jahren über Malinalco auf der Cordillere von Toluca und über Tula in das Tal von Tenochtitlan. Zuerst ließen sie sich in Zum pango, dann auf der südlichen Senkung der Gebirge von Tepeyac nieder, wo heutzutage die prächtige Kirche zur Lieben Frau von Guadelupe steht. 1245 (nach der Chronologie des Abate Clavigero) kamen sie nach Chapultepec; da sie aber durch die kleinen Fürsten von Jaltocan, welche die spanischen Geschiehtschreiber mit dem Königstitel beehren, unauf hörlich geneckt wurden, so flüchteten sie sich, um ihre Unabhängigkeit zu behaupten, auf eine Gruppe von kleinen Inseln, welche Acocolco hießen und auf dem südlichsten Ende des Sees Tezcoco lagen. Hier leb ten sie ein halbes Jahrhundert hindurch in schrecklichem Elend und wa ren gezwungen, sich einzig und allein von Wurzeln der Wasserpflanzen, von Insekten und einem problematischen kriechenden Tier zu nähren, das sie Axolotl nannten, welches Herr Cuvier für die erste Lebensform eines unbekannten Salamanders ansieht 14. Nachdem die Mexicaner aber in die Sklaverei der Könige von Tezcoco oder Acolhuacan gefallen waren, mußten sie ihr Dorf auf dem Wasser verlassen und sich auf das feste Land, nach Tizapan, flüchten. Die Dienste, welche sie ihren Herren in einem Krieg gegen die Bewohner von Xochimilco erwiesen, verschafften ihnen die Freiheit wieder. Sie ließen sich jetzt zuerst in Acatzitzintlan, das sie nach dem Namen ihres Kriegsgottes Mexitli oder Huitzilopochtli 15 Mexicaltzingo nannten, und später in Ixtacalco nie der. Allein in Erfüllung eines Befehls, den ihnen das Orakel von Aztlan gegeben hatte, zogen sie von Ixtacalco auf die Inseln, welche sich da mals ostnordöstlich vom Hügel Chapultepec, auf dem westlichen Teil des Sees Tezcoco erhoben. Es hatte sich unter dieser Horde eine alte Tradition erhalten, vermöge deren sie dem vom Schicksal bestimmten Ziel ihrer Wanderung auf der Stelle begegnen sollten, da sie einen Adler auf dem Gipfel eines Nopal finden würden, dessen Wurzel die Risse eines Felsens durchdringe. DieserNopal (Kaktus), welchen ihnen das Orakel versprochen hatte, zeigte sich den Azteken im Jahr 1325, dem
14
Herr Cuvier hat es in meinem >Recueil d'observations Zoologiques et
d'anatomie comparee< (p. 119) beschrieben. Herr Dumeril glaubt, daß die von Herrn Bonpland und mir mitgebrachten, sehr gut erhaltenen Exemplare eine neue Gattung des Proteus seien: Zoologie analytique, p. 93. 15
Huitzilin bedeutet einen Kolibri, und opochtli was links ist; indem dieser
Gott mit Kolibri-Federn unter dem linken Fuß gemalt wurde. Die Europäer haben den Namen Huitzilopochtli in Huichilobos und Vizlipuzli verdorben. Der Bruder dieses Gottes, welcher besonders von den Bewohnern von Tezcoco ver ehrt wurde, hieß T lacahuepan Cuexcotzin.
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zweiten Calli16 der mexicanischen Zeitrechnung auf einer Insel, auf wel cher sodann der Teocalli [Pyramide] oder Teopan, d. h. das Haus Got tes, gegründet wurde, das die Spanier nachher den großen Tempel des Mexitli genannt haben. Der ersteTeocalli, um welchen die neue Stadt gebaut wurde, war wie der älteste griechische Tempel, der des Apollo zu Delphi, welchen Pau sanias beschrieben hat, von Holz gewesen. Das steinerne Gebäude hin gegen, dessen Architektur von Cortes und Bemal Diaz bewundert wurde, war von dem König Hauftzolt 1486 auf derselben Stelle auf geführt worden. Es bestand in einer Pyramidalform von37m Höhe, und lag mitten auf einem großen, mit Mauern eingeschlossenen Hof. Man unterschied fünf Stockwerke, wie an verschiedenen Pyramiden von Sajara und besonders an der von Meijedan. Der Teocalli von Tenochtitlan stand, gleich allen ägyptischen, asiatischen und mexicanischen Pyrami den, in genauer Richtung gegen die Himmelsgegenden, hatte eine Basis von 97m und war oben abgestumpft, daß er in der Entfernung einem ungeheuren Kubus ähnlich sah, auf dessen Spitze kleine, mit hölzernen Kuppeln bedeckte Altäre angebracht waren. Die Endspitze dieser Kup peln erhob sich 54 m über die Basis des Gebäudes oder über das Pflaster seiner Einfassung. Diese Umstände beweisen die große Ähnlichkeit, welche der Teocalli mit jenem alten Denkmal von Babyion hatte, das von Strabo das Mausoleum des Belus genannt wird und nichts als eine dem Jupiter Belus geweihte Pyramide war17. Weder der Teocalli noch dieses babylonische Gebäude waren Tempel in dem Sinn, welchen wir nach den Überlieferungen der Griechen und Römer mit diesem Aus druck verbinden. Alle den mexicanischen Gottheiten geheiligten Ge bäude waren abgestumpfte Pyramiden, wie das die großen bis auf den heutigen Tag erhaltenen Denkmale von Teotihuacan, Cholula und Pa panda beweisen, und aus denen wir schließen können, wie die kleineren Tempel in den Städten Tenochtitlan und Tezcoco beschaffen gewesen sein mögen. Bedeckte Altäre standen auf den Spitzen derTeocallis, und wir dürfen sie daher wohl in die Klasse der Pyramidalmonumente von Asien setzen, von denen man erst kürzlich sogar Spuren in Arkadien ge16
Da der erste dcatl mit dem Jahr 1519, der gewöhnlichen Zeitrechnung,
übereinstimmt, so kann der zweite Calli in der ersten Hälfte des 14. Jahrhun derts bloß das Jahr 1325 und nicht 1324, 1327 und 1341 sein, in welche der Erklä rer der >Raccolta di Mendoza< sowie Sigüenza in der Zitation des Boturini und Betancourt in der des Torquemada die Gründung Mexicos setzen. Siehe die chronologische Abhandlung des Abbe Clavigero, Storia di Messico, B. IV,
p. 54. 17
Siehe Zoega de Obeliscis, p. 50.
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funden hat; denn das konische Mausoleum des Kallisthenes 18, ein wah rer Tumulus, der mit Fruchtbäumen besetzt war, bildete dieBasis eines kleinen, der Diana geweihten Tempels. Wir kennen die Materialien nicht, aus welchen der Teocalli von Tenochtitlan gebaut war; denn die Geschiehtschreiber berichten bloß, er sei mit einem harten, polierten Stein überdeckt gewesen. Die unge heuren Fragmente, welche man indes von Zeit zu Zeit in der Gegend der heutigen Domkirche entdeckt, sind von Porphyr, mit einem Grund von Grünstein, der voll Amphibolen und glasartigen Feldspats ist. Als man vor kurzem den Platz um die Domkirche pflasterte, fand man in einer Tiefe von 10 bis 12m Stücke einerBildhauerarbeit. Wenige Natio nen haben wohl größere Massen inBewegung gesetzt als die Mexicaner. Der Kalender- und der Opferstein, welche auf dem großen Platz stehen, haben 8-10m3. Die kolossale Statue des Teoyaomiqui, die mit Hiero glyphen bedeckt ist und auf einer Diele des Universitätsgebäudes liegt, ist 32m lang und 3m breit. Auch hat mir der Kanonicus Garnboa ver sichert, man sei bei einer Grabung in der Nähe der Kapelle des Sagrario neben einer ungeheuren Menge von Idolen, welche zumTeocalli gehör ten, auch auf ein Stück Felsen mit Bildhauerarbeit gestoßen, das 7 m Länge, 6mBreite und 3m Höhe gehabt, und das man umsonst heraus zuschaffen versucht habe. Einige Jahre nach der Belagerung von Tenochtitlan, welche wie die vonTroja in einer allgemeinen Zerstörung der Stadt endete, lag derTeo calli schon in Trümmern 19• Ich möchte daher glauben, daß die Außen seite der abgestumpften Pyramide aus Ton bestand, welcher mit dem porösen Mandelstein, tetzontli genannt, überzogen war. Wirklich fing man auch kurz vor dem Bau dieses Tempels unter der Regierung des Königs Ahuitzotl an, dieBrüche dieses zellenförmigen, porösen Steins zu bearbeiten. Nichts war daher leichter, als Gebäude zu zerstören, wel che aus so leichten und so porösen Materialien, wie der Bimsstein ist, aufgeführt waren. Über die Dimensionen dieses Teocalli stimmen die meisten Geschiehtschreiber zwar miteinander überein 20, indes dürften 18
Pausanias, B. V III, Cap. 35.
19
Eines der kostbarsten und ältesten Manuskripte, welche in Mexico aufbe
wahrt werden, ist das Buch der Munizipalität
(Libro del Cabildo). Ein ehrwür
diger und in der Geschichte seines Vaterlandes sehr bewanderter Geistlicher, der Pater Pichardo aus dem Kloster von San Felipa Neri, hat mir diese Hand schrift gezeigt. Sie beginnt mit dem 8. März 1524, also drei Jahre nach der Bela gerung, und spricht bereits von dem Platz, wo der große Tempel gestanden hat. 20
Wenn die, welche uns Beschreibungen und Zeichnungen vom Teocalli
übermachten, statt selbst zu messen, nur die Angaben der Indianer hierüber be-
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sie doch wohl übertrieben sein. Allein die Pyramidalform dieses mexica nischen Gebäudes und seine große Ähnlichkeit mit den ältesten asiati schen Denkmalen haben für uns weit mehr Merkwürdigkeit als seine Maße und Größe. Die alte Stadt Mexico hing durch drei große Dämme, dem von Te peyacac (Guadalupe), von T lacopan (Tacuba) und von Iztapalapa, mit dem festen Land zusammen. Cortes spricht von vier Dämmen, weil er ohne Zweifel die nach Chapultepec führende Straße auch dazu rech nete. Die Calzada von Ixtapalapa hatte einen kleinen Arm, welcher Coyoacan mit dem kleinen Fort X6loc verband, in welchem die Spanier bei ihrem ersten Einzug vom mexicanischen Adel bewillkommnet wur den. Robertson spricht von einem Damm, der nach Tezcoco führte; aber dieser Damm war nie vorhanden, indem die Distanz dieses Ortes viel zu groß und der östliche Teil des Sees viel zu tief ist. Siebzehn Jahre nach der Gründung von Tenochtitlan, im Jahr 1338, trennte sich im Ge folge bürgerlicher Unruhen ein Teil der Bewohner von dem anderen. Sie ließen sich auf den nordwestlich vom Tempel des Mexitli gelegenen Inseln nieder. Die neue Stadt, welche zuerst den Namen Taltilolco und dann den von T laltelolco erhielt, hatte einen von dem von Tenochtitlan unabhängigen König. Im Mittelpunkt von Anahuac, wie auf der Pelo ponnes, in Latium und überall, wo die Zivilisation der menschlichen Gattung noch im Beginn ist, bildete jede Stadt lange Zeit einen beson deren Staat. Der mexicanische König Axajacatl21 eroberte T laltelolco und vereinigte es durch Brücken mit der Stadt Tenochtitlan. Ich habe unter den hieroglyphischen Manuskripten der alten Mexicaner, welche im Palast des Vizekönigs aufbewahrt werden, eine merkwürdige Male rei gefunden, die den letzten König von T laltelolco namens Moqufhuix vorstellt, welcher auf der Spitze eines Gotteshauses oder einer ab gestumpften Pyramide getötet und die Treppen herabgestürzt wurde, die zum Opferstein führten. Von dieser Zeit an wurde der große mexicani-
nutzt haben, so beweist ihre Übereinstimmung weniger als man auf den ersten Blick glauben sollte. In allen Ländern findet man übereinstimmende Traditio nen über die Größe der Gebäude, die Höhe der Türme, den Durchschnitt der vulkanischen Krater und die Höhe der Katarakte. Der Nationalstolz übertreibt diese Dimensionen, und die Reiseheschreiber stimmen in ihren Berichten mit einander so lang überein, wie sie aus derselben Quelle schöpfen. Im einzelnen Fall hingegen, den wir vor uns haben, war die Übertreibung wahrscheinlich nicht sehr stark, weil man aus der Zahl der Treppen, welche auf die Spitze des Gebäudes führten, sehr leicht auf seine Höhe schließen konnte. 21
Clavigero, I, p.
251.
Axayacatl regierte von
1464 bis 1477
(IV, p.
58).
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sehe Markt, welcher bisher beim Teocalli von Mexitli gehalten wurde, nach T laltelolco verlegt. Von dieser Stadt gilt daher die Beschreibung, die wir nach Cortes Bericht vom mexicanischen Markt gegeben haben. Was man heutzutage den Barrio von Santiaga nennt, umfaßt nur ei nen kleinen Teil des alten T laltelolco. Aber auf dem Weg, welcher nach T lalnepantla und den Ahuahuetes [Cupressus disticha L.] führt, geht man über eine Stunde lang zwischen den Ruinen der alten Stadt. Da erkennt man denn (wie auf der Straße von Tacuba und Ixtapalapa), um wieviel kleiner das von Cortes wieder aufgebaute Mexico ist, als Te nochtitlan unter dem letzten Moctezuma war. Die ungeheure Größe des Marktes von T laltelolco, dessen Grenzen man noch sieht, beweist gleichfalls, wieviel stärker die Bevölkerung der alten Stadt gewesen sein muß. Die Indianer zeigen auf diesem Platz eine mit Mauern eingefaßte Anhöhe. Sie bildete eines der mexicanischen T heater, in welchem Cor tes wenige Tage vor dem Ende der Belagerung das berühmte Katapult
(trabuco de palo22) aufstellte, dessen Anblick die Belagerten in den größten Schrecken setzte, ohne daß die Maschine wegen der Unge schicklichkeit der Artilleristen wirksam werden konnte. Diese Anhöhe ist heutzutage in der Halle der Kapelle von Santiaga einbegriffen. Die Stadt Tenochtitlan war in vier Quartiere geteilt, welche Teopan oder Xochimilco, Atzacualco, Moyotla und T laquechiuhcan oder Cue popan hießen. Diese Einteilung hat sich bis auf unsere Zeit in den Gren zen der Quartiere San Pablo, San Sebastüin, San Juan und Santa Marfa erhalten. Die gegenwärtigen Straßen haben großenteils dieselbe Rich tung, die sie ehemals hatten, und ziehen sich von Norden nach Süden und von Osten nach Westen 23. Was der neuen Stadt aber, wie wir oben bemerkt haben, einen ganz besonderen und unterscheidenden Charak ter gibt, ist der Umstand, daß sie ganz auf dem festen Land liegt, und zwar zwischen den Spitzen der beiden Seen Tezcoco und Xochimilco, und daß sie das süße Wasser auf schiffbaren Kanälen aus dem letzteren See erhält. Verschiedene Umstände haben diese neue Ordnung der Dinge her beigeführt. Zu jeder Zeit hatte der Teil des Salzsees, welcher zwischen
22
Lorenzana, p. 289.
23
Eigentlich von S 16° W nach N 74o 0, wenigstens auf der Seite des Klo
sters von San Agustin, wo ich die Azimute genommen habe. Ohne Zweifel wurde die Richtung der alten Straßen durch die der vorzüglichsten Dämme be stimmt. Nun ist es aber nach der Lage der Stellen, auf denen sie endigten, nicht wahrscheinlich, daß diese gerrau die Mittagslinien und die Parallelen beobachtet haben.
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den beiden Dämmen, dem südlichen und westlichen liegt, am wenig sten Tiefe, und schon Cortes beklagte sich, daß seine Flotille von Bri gantinen, welche er in Tezcoco hatte bauen lassen, trotz der in den Däm men gemachten Öffnungen nicht die ganze Stadt umfahren könne, die er gerade belagerte. Einzelne seichte Lachen wurden nach und nach zu Sumpfboden, und sie verwandelten sich endlich, nachdem sie mit Fur chen oder kleinen Ableitungskanälen durchschnitten worden waren, in
chinampas und in urbares Land. Der See von Tezcoco, von welchem Valmont de Bornare 24 annahm, daß er mit dem Ozean in Verbindung stehe, obgleich er nach meinen Messungen 2277 m über dessen Spiegel erhaben liegt, hat keine besonderen Quellen wie der See von Chalco. Zieht man nur einerseits die kleine Wassermasse in Betracht, welche in dürren Jahren von ohnedies sehr unansehnlichen Flüssen in diesen See kommt, und andrerseits die ungeheure Schnelligkeit der Ausdünstung, wie sie auf dem Plateau von Mexico stattfindet und worüber ich eine ganze Reihe von Beobachtungen angestellt habe, so muß man anneh men, daß schon seit Jahrhunderten der Mangel an Gleichgewicht zwi schen dem Verlust des verdampfenden Wassers und der zuströmenden Masse desselben nach und nach den See von Tezcoco auf engere Gren zen beschränkt hat. Wirklich belehren uns auch die mexicanischen An nalen 25, wie dieser Salzsee schon unter der Regierung des Königs Ahu ftzotl des Wassers so sehr ermangelte, daß er die Schiffahrt unterbrach, und daß man, um diesem Übelstand zu begegnen und die Zuströmung des Wassers zu vermehren, damals eine Wasserleitung von Coyoacan nach Tenochtitlan führte. Diese Wasserleitung brachte die Quellen von Huitzilopochco in mehrere Kanäle der Stadt, welche trocken lagen. Eine solche Verminderung des Wassers, welche man schon vor der An kunft der Spanier bemerkte, würde indes nur sehr allmählich und wenig fühlbar geschehen sein, wenn die Hände der Menschen nicht von der Eroberung an dafür gearbeitet hätten, die Ordnung der Natur zu verän dern. Wer die europäische Halbinsel durchreist hat, weiß, wie wenig Ge fallen die Spanier an Pflanzungen finden, welche den Umgehungen der Städte und Dörfer Schatten geben, und es scheint, als ob die ersten Er oberer das schöne Tal von Tenochtitlan dem dürren, aller Vegetation beraubten Boden von Kastilien gleich zu machen gestrebt hätten. Seit dem 16. Jahrhundert hat man ohne alle Überlegung die Bäume sowohl auf dem Plateau, wo die Hauptstadt liegt, als auf den dasselbe umge24
Dictionnaire d'histoire naturelle, im Artikel Lac.
25
Siehe die in der vatikanischen Bibliothek befindlichen Malereien und das
Zeugnis des Paters Acosta.
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benden Gebirgen abgehauen. Der Bau der neuen Stadt, welcher 1524 angefangen wurde, erforderte eine Menge Holz zum Bauen und zum Pfahlwerk. Man fällte und fällt noch heutzutage, ohne nachzupflanzen, außer in der Nähe der Hauptstadt, wo die letzten Vizekönige ihr Anden ken durch Spazierwege 26
(paseos,
alamedas
[Pappelalleen])
verewigt
haben, welche ihren Namen tragen. Der Mangel an Vegetation setzt den Boden natürlich dem direkten Einfluß der Sonnenstrahlen aus; die Feuchtigkeit, welche in den schwammigen Basalt-Mandelstein ein dringt, verlor sich natürlich nicht, aber sie verdunstet schnell und ver dampft überall, wo das Blätterwerk der Bäume oder der dicke Rasen den Einfluß der Sonne und der heißen Mittagswinde nicht verhindert. Da diese Ursache im ganzen Tal wirkt, so haben sich der Überfluß an Wasser und seine Zirkulation fühlbar vermindert. Der See von Tezcoco, der schönste von den fünf Seen, welchen Cortes in seinen Briefen ge wöhnlich ein Landmeer nennt, erhält in unseren Tagen viel weniger Wasser durch Infiltration als im 16. Jahrhundert, indem die Urbarma chung und die Zerstörung der Wälder überall die nämlichen Folgen hat. Der General Andreossi hat in seinem klassischen Werk über den Kanal von Languedoc bewiesen, daß sich die Quellen um den Behälter von St. Ferreol her bloß durch ein falsches System vermindert haben, welches in die Forstverwaltung eingeführt wurde. In der Provinz Caracas trocknet
der malerische See von Tacarigua 27 [ Valencia-See] allmählich aus, seit
die Sonnenstrahlen ungehindert auf den angebauten Boden der Täler von Aragua treffen können. Was indes am meisten zur Verminderung des Sees von Tezcoco beige tragen hat, ist das berühmte offene Durchbruchwerk. welches unter dem Namen des Desagüe Real de Huehuetoca bekannt ist und wovon
wir in der Folge handeln werden [ siehe in diesem Band, S. 289ff. ] . Diese
Unternehmung, die zuerst 1607 als ein unterirdischer Durchbruch ange fangen wurde, hat die beiden im nördlichen Teil des Tals gelegenen Seen von Zumpango und San Crist6bal in sehr enge Grenzen gezwungen und sie auch gehindert, ihr Wasser zur Regenzeit in das Becken des Sees von Tezcoco auszugießen. Dieses Wasser überschwemmte sonst die Ebenen und laugte die Erde aus, welche stark mit Kohlensäure und Kochsalz ge schwängert ist. Heutzutag kann es hingegen keine Lachen mehr bilden und damit die Feuchtigkeit der mexicanischen Atmosphäre nicht mehr 26 27
Paseo de Bucareli, de Revillagigedo, de Gdlvez und de Asanza.
Die Verminderung des Wassers bildet hier von Zeit zu Zeit neue Inseln (las Aparecidas). Der Valencia-See steht 474 m über der Meeresfläche . [Siehe An sichten der Natur. In dieser Studienausgabe Band V, S. 19ff.]
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vermehren, indem es durch einen künstlichen Kanal in den Fluß Panuco und somit in den Atlantischen Ozean abgeleitet wird. Dieser Zustand der Dinge wurde durch das Bestreben bewirkt, die alte Stadt Mexico in eine Hauptstadt zu verwandeln, welche von Wagen befahren werden konnte und den Gefahren der Überschwemmung we niger ausgesetzt war. Wirklich haben sich auch Wasser und Vegetation in der Schnelligkeit vermindert, in welcher sich der Tequesquite (oder das kohlensaure Mineral-Alkali) vermehrt hat. Zu Moctezumas Zeit und noch lange nachher, waren die Vorstadt T laltelolco, die Barrios von San Sebastian, San Juan und Santa Cruz wegen des schönen Grüns be rühmt, das ihre Gärten schmückte; heutzutage hingegen zeigen diese Orte und besonders die Ebenen von San Lazaro nichts als eine Kruste von Salzblüte. Auch ist die Fruchtbarkeit des Plateaus, so ansehnlich sie übrigens noch im südlichen Teil ist, nicht mehr so groß wie zu der Zeit, da sich die Stadt mitten aus dem See erhob. Eine kluge Ökonomie des Wassers und besonders kleine Bewässerungskanäle könnten dem Bo den seine alte Fruchtbarkeit und einem Tal, das die Natur zur Haupt stadt eines großen Reichs bestimmt zu haben scheint, allen seinen Reichtum wiedergeben. Die gegenwärtigen Grenzen des Sees von Tezcoco sind nicht genau bestimmt, indem der Boden tonartig und so eben ist, daß es auf einer Meile Umfang kaum zwei Dezimeter Flächenverschiedenheit gibt. Wehen die Ostwinde daher stark, so zieht sich das Wasser gegen das west liche Ufer zurück und legt oft eine Länge von mehr als 600 m trocken. Vielleicht hat ein periodisches Spiel dieser Winde bei Cortes den Gedan ken an eine regelmäßige Ebbe und Flut 28 veranlaßt, welcher übrigens durch neue Beobachtungen nicht bestätigt worden ist. Der See von Tezcoco hat im Durchschnitt zwischen 3 und 5 m Tiefe und an einigen Stellen sogar nicht mehr als 1 m. Daher leidet denn der Handel der klei nen Stadt Tezcoco in den trockenen Monaten Januar und Februar sehr, indem die Bewohner gehindert werden, in ihren Kähnen nach der Hauptstadt zu fahren. Dieser Übelstand findet sich beim See von Xochi milco nicht; denn von Chalco, Mexquic und T lahuac aus ist die Schiff fahrt nie unterbrochen, und Mexico erhält täglich auf dem Kanal von Ixtapalapa Gemüse, Früchte und Blumen im Überfluß. Von den fünf Seen im Tal von Mexico ist der von Tezcoco am meisten mit Kochsalz und kohlensaurem Mineral-Alkali geschwängert. Die sal28
Journal des Savans, pour l'annee 1676, p. 34. Auch der Genfer See zeigt
eine ziemlich regelmäßige Bewegung des Wassers, welche Saussure periodi schen Winden zuschreibt.
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petersaure Schwererde beweist, daß dieses Wasser keine Auflösung von Schwefelsäure enthält. Das meiste und klarste Wasser ist das vom See von Xochimilco. Ich habe seine spezifische Schwere zu 1,0009 gefun den, da die des bei einer Temperatur von 18° (des T hermometers zu 100 Grad) destillierten Wassers =
=
1,000 und die des Sees von Tezcoco
1,0215 war. Letzteres Wasser ist also schwerer als das vom baltischen
Meer [Ostsee], aber leichter als das des Ozeans, welches unter verschie denen Breiten zwischen 1,0269 und 1,0285 gefunden worden ist. Die Menge von geschwefeltem Wasserstoff, welcher von allen mexicani schen Seen aufsteigt und dessen Überfluß in den Seen von Tezcoco und Chalco durch den Bleiessig bewiesen wird, trägt in gewissen Jahreszei ten unstreitig viel zur Ungesundheit der Luft des Tals bei. Indes sind die Wechselfieber, was äußerst merkwürdig ist, an den Ufern dieser Seen, deren Oberfläche zum Teil von Binsen und anderen Wasserpflanzen bedeckt ist, sehr selten. Mit einer Menge von Teocallis geziert, welche sich wie die Minaretts zum Himmel erhoben, umgeben von Wasser und Dämmen, auf Inseln gebaut, die mit Vegetation bedeckt waren, und bei der ewigen Bewe gung mehrerer tausend Boote, durch die der See belebt wurde, muß das alte Tenochtitlan nach dem Bericht der ersten Eroberer Ähnlichkeit mit einigen Städten von Holland und China oder mit dem Delta von Unter ägypten gehabt haben. Die Hauptstadt, welche die Spanier auf demsel ben Boden wieder aufbauten, gewährt vielleicht keinen so lachenden, aber einen desto imposanteren, majestätischen Anblick. Mexico gehört zu den schönsten Städten, welche die Europäer in den beiden Hemi sphären aufgeführt haben, und mit Ausnahme von Petersburg, Berlin, Philadelphia und einigen Quartieren von Westminster gibt es vielleicht keine Stadt von demselben Umfang, deren Boden so gleichförmig waa gerecht, deren Straßen so breit und regelmäßig und deren öffentliche Plätze so groß wären, wie all dies bei der Hauptstadt von Neu-Spanien der Fall ist. Die Architektur ist im Durchschnitt von ziemlich reinem Stil, und manche Gebäude nehmen sich wirklich sehr schön aus. Das Äußere der Häuser ist nicht mit Ornamenten überladen, und die beiden Arten von Quadersteinen, der poröse Mandelstein, Tetzontli genannt, und besonders ein Porphyr mit glasartigem Feldspat ohne Quarz geben den mexicanischen Bauten ein gewisses Aussehen von Festigkeit und selbst von Pracht. Von den Balkonen und Galerien, durch welche alle europäischen Städte beider Indien so sehr entstellt werden, weiß man hier nichts. Die Geländer und Gitter sind von biskayischem Eisen mit Bronzeverzierungen. Und statt der Dächer hat man wie in Italien und allen südlichen Ländern Terrassen auf den Häusern.
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Seit dem Aufenthalt des Abbe Chappe 1769 ist Mexico außerordent lich verschönert worden. Das für die Bergschule bestimmte Gebäude, zu welchem die reichsten Männer des Landes eine Summe von mehr als
3 000 000 Franken 29 beigesteuert haben, würde den ersten Plätzen von Paris und London Ehre machen. Einige mexicanische Architekten, welche in der Akademie der Schönen Künste in der Hauptstadt gebildet worden sind, haben vor kurzem zwei große Hotels gebaut, von denen das eine, in dem QuartierTraspana gelegene, in seinem Hof einen sehr schönen Säulengang von ovaler Form enthält. Mit allem Recht bewun dern die Reisenden auf der Plaza majorvon Mexico, der Domkirche und dem Palast der Vizekönige gegenüber, eine große, mit viereckigen Platten von Porphyr gepflasterte Einfassung, deren Gitter reich mit Bronze verziert sind und auf deren Mitte die Statue Carlos IV. 30 zu Pferd auf einem Sockel von mexicanischem Marmor steht. Bei allen Fortschritten, welche die schönen Künste seit dreißig Jahren in diesem Land gemacht haben, ist indes unleugbar, daß die Hauptstadt von Mexico einem Europäer weniger wegen der Größe und Schönheit ihrer öffentlichen Denkmäler als wegen der Breite und Geradheit ihrer Straßen, weniger wegen ihrer einzelnen Gebäude als wegen ihrer über einstimmenden Regelmäßigkeit, ihrer Ausdehnung und Lage auffallen wird. Durch ein Zusammentreffen ungewöhnlicher Umstände sah ich in sehr kurzer Zeit hintereinander Lima, Mexico, Philadelphia, Washing ton 31, Paris, Rom, Neapel und die größten Städte von Deutschland.
29
Siehe oben, Kap. VII , S.
30
Diese kolossale Statue, von welcher oben die Rede war, wurde auf Kosten
213.
des Marques von Branciforte, vormaligen Vizekönigs von Mexico und Schwa gers des Friedens-Fürsten [ Manuel de Godoy
1767-1851] ausgeführt.
Sie hat 450
Quintale Gewicht und wurde von Herrn Tolsa, dessen Name eine ausgezeich nete Stelle in der Geschichte der spanischen Bildhauerei verdient, modelliert, gegossen und aufgestellt. Das Verdienst dieses höchst talentvollen Mannes kann nur von denen nach seinem ganzen Wert geschätzt werden, welche die Schwie rigkeiten kennen, die selbst im zivilisierten Europa mit der Ausführung derart großer Kunstwerke verbunden sind. 31
Nach dem Plan, welcher für die Stadt Washington entworfen worden ist,
und nach der Pracht seines Kapitols zu urteilen, von dem ich nur einen Teil voll endet gesehen habe, wird Federal City dereinst ohne Zweifel schöner werden als Mexico. Philadelphia ist ebenso regelmäßig gebaut, und die Alleen von Pla tanus, Acazia und Populus heterophylla, welche seine Straßen zieren, geben die ser Stadt eine beinah ländliche Schönheit. Die Vegetation der Ufer des Potomac und Delaware ist viel reicher als die, welche man in einer Höhe von mehr als
2300 m auf dem Rücken der mexicanischen Cordilleren findet. Washington und
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Vergleicht man schnell aufeinander folgende Eindrücke miteinander, so ist man oft imstande, eine Meinung, der man sich zu unbedachtsam überlassen hatte, zu berichtigen. Allein trotz aller Vergleiche, welche der Hauptstadt von Mexico nicht durchgängig günstig sein könnten, hat sie eine Idee von Größe in meinem Gedächtnis zurückgelassen, welche ich besonders dem imposanten Charakter ihrer Lage und der sie umge benden Natur zuschreiben muß. Wirklich ist auch das Gemälde, welches das Tal an einem schönen Sommermorgen und bei dem wolkenlosen dunkelazurnen Himmel, der der trockenen und dünnen Luft hoher Gebirge eigen ist, von einem der Türme des Doms von Mexico oder vom Hügel von Chapultepec herab betrachtet, darstellt, von wunderbarem Reichtum und seltener Mannig faltigkeit. Eine schöne Vegetation umgibt diesen Hügel. Alte Zypressen stämme 32 von mehr als 15 bis 16m Umfang erheben ihre blätterlosen Scheitel über die S pitzen der Schinus, deren Wuchs den orientalischen Tränenweiden ähnlich ist. Von dieser einsamen Stelle auf der Höhe des Porphyrfelsens von Chapultepec herab beherrscht das Auge eine un geheure Ebene und die herrlich angebauten Gefilde, welche sich bis zu den kolossalen Gebirgen, auf welchen der ewige Schnee liegt, erstrek ken. Die Stadt scheint vom See von Tezcoco genetzt, dessen Umgehun gen von Dörfern und Weilern an die schönsten Partien der Art in der Schweiz erinnern. Große Alleen von Ulmen und Pappeln führen auf allen Seiten nach der Stadt; zwei Wasserleitungen durchschneiden auf sehr hohem Bogen die Ebene und gewähren einen ebenso angenehmen wie merkwürdigen Anblick. Gegen Norden zeigt sich das prächtige Kloster der Lieben Frau von Guadelupe, wie es sich an die Gebirge von Tepeya lehnt, zwischen Schluchten, welche Dattelpalmen und baumähn liche Yuccas beherbergen. Gegen Süden ist das ganze Land zwischen San Angel, Tacubaya und San Agustfn de las Cuevas [Talpan] einem unge Ä pfeln, Kirschen und anderen
heuren Garten von Orangen, Pfirsichen,
europäischen Obstbäumen ähnlich. Diese herrliche Kultur bildet einen großen Kontrast mit den kahlen Gebirgen, welche das Tal einschließen und unter denen sich die berühmten Vulkane von Puebla, Popocatepetl und Iztaccihuatl auszeichnen. Der erste unter diesen Bergen bildet einen
Philadelphia werden indes immer nur schönen europäischen Städten ähnlich sehen und den Reisenden nicht durch jenen eigentümlichen, ich möchte sagen, exotischen Charakter überraschen, welchen Mexico, Bogota, Quito und alle Hauptstädte darstellen, welche in den Tropenländern auf den Höhen der Gro ßen Bernardstraße und noch höher gebaut sind. 32
Los ahnahuetes Cupressus disticha. Linn.
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ungeheuren Kegel, dessen Krater unaufhörlich in Flammen ist und aus der Mitte des ewigen Schnees Rauch und Asche auswirft. Auch die gute Ordnung, welche in Mexico herrscht, zeichnet diese Stadt rühmlich aus. Die meisten Straßen haben auf beiden Seiten sehr breite Trottoirs, sind sehr reinlich, und des Nachts durch Spiegellater nen * mit platten Dochten in Bänderform erleuchtet. Diese Vorteile ver dankt die Stadt der Tätigkeit des Grafen von Revillagigedo, bei dessen Ankunft noch die äußerste Unreinlichkeit geherrscht hatte. In sehr geringer Tiefe findet man überall auf dem Boden von Mexico Wasser; es ist aber ein wenig salzig, wie das vom See von Tezcoco. Die beiden Wasserleitungen, welche der Stadt süßes Wasser zuführen, sind von neuer Architektur, aber der Aufmerksamkeit jedes Reisenden wür dig. Die Quellen von trinkbarem Wasser befinden sich östlich der Stadt, die eine auf dem kleinen isolierten Berg von Chapultepec und die an dere auf dem Cerros de Santa Fe, bei der Cordillere, welche das Tal von Tenochtitlan von dem von Lerma und Toluca scheidet. Die Bogen der Wasserleitung von Chapultepec dehnen sich in einer Länge von 3300m. Ihr Wasser kommt auf der Südseite der Stadt beim Salto del Agua her ein, ist aber nicht sehr klar und wird nur in den Vorstädten von Mexico getrunken. Am wenigsten mit luftsaurer Kalkerde geschwängert ist das Wasser des Aquädukts von Santa Fe, welches längs der Alameda ver läuft und bei der Vorstadt T laxpana, vor der Brücke von Mariscala, endigt. Diese Wasserleitung hat beinahe 10200m Länge; allein die Sen kung des Bodens machte nur für ein Drittel ihrer Ausdehnung Bogen nötig.
Ebenso beträchtliche Wasserleitungen hatte die alte Stadt
Tenochtitlan 33• Beim Anfang der Belagerung zerstörten die beiden Hauptleute Alvarado und Olid die von Chapultepec. Cortes redet in sei nem ersten Brief an Karl V. auch von der Quelle von Amilco bei Churu busco, deren Wasser in Röhren von gebrannter Erde in die Stadt geführt wurde. Diese Quelle befindet sich ganz nahe bei Santa Fe, und man erkennt die Reste dieser großen Wasserleitung noch, welche doppelte Röhren hatte, von denen die eine das Wasser nach der Stadt führte, während die andere gereinigt wurde 34• Dieses Wasser wurde in den 33
Clavigero, III, p. 195.
34
Lorenzana, p. 108. Der größte und schönste Bau der Art, welchen die Ein
-
Solis I, p. 406.
geborenen aufgeführt haben, ist die Wasserleitung der Stadt Tezcoco. Noch sieht man die Spuren eines großen Damms, welcher, um die Wasserfläche zu erhöhen, aufgeführt wurde. Wie sollte man aber überhaupt den Fleiß und die *
Eine beachtliche Straßenbeleuchtung in Mexico-Stadt beweisen auch frühe
Daguerreotypien.
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Kähnen verkauft, die in den Straßen von Tenochtitlan herumfuhren. Die Quellen von San Agustfn de las Cuevas [Talpan] sind indes die schönsten und klarsten. Auch glaubte ich auf dem Weg von diesem schönen Dorf nach Mexico Spuren einer alten Wasserleitung zu erkennen. Wir haben weiter oben die vorzüglichsten Dämme [calzadas] ge nannt, durch welche die alte Stadt mit dem festen Land zusammenhing. Diese Dämme sind zum Teil noch vorhanden, und man hat ihre Anzahl sogar noch vermehrt. Sie sind heutzutage große gepflasterte Heerstra ßen, welche durch Sumpfboden führen und weil sie sehr hoch sind, den doppelten Vorteil haben, dem Wagenfuhrwerk zu dienen und den Über schwemmungen der Seen Einhalt zu tun. Die Calzada von Ixtapalapa ist auf denselben alten Damm gegründet, auf welchem Cortes in den Gefechten mit den Belagerten Wunder von Tapferkeit vollbracht hat. Die Calzada von San Antonio zeichnet sich noch heutzutage durch die vielen kleinen Brücken aus, welche die Spanier und die T laxcalteken darauf fanden, als Cortes' Waffengefährte, Sandoval, bei Coyoacan 35 verwundet wurde. Die Calzadas von San Antonio Abad, de Ia Piedad, de San Crist6bal und de Guadelupe (ehemals der Damm von Tepeyac genannt) wurden nach der großen Überschwemmung von 1604 unter dem Vizekönig Don Juan de Mendoza y Luna, Marques de Montescla ros, wieder ganz neu aufgebaut. Die einzigen Gelehrten des Landes zu jener Zeit, die Patres Torquemada und Ger6nimo de Zarate, besorgten die Nivellierung und die Aussteckung der Straßen. In diese Periode fällt auch die erste Pflasterung der Stadt Mexico; denn vor dem Grafen von Revillagigedo hatte sich noch kein Vizekönig mit so viel Erfolg mit der Ordnung beschäftigt wie der Marques von Montesclaros. Die Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit der Reisenden ge wöhnlich am meisten anziehen, sind 1. die Kathedral-Kirche. Ein klei ner Teil derselben ist in dem gewöhnlich so genannten gotischen Stil erbaut; das Hauptgebäude hingegen, das zwei mit Pilastern und Statuen gezierte Türme hat, ist von schöner Anordnung und noch ziemlich neu.
Tätigkeit nicht bewundern, welche die alten Mexicaner und Peruaner in der Be wässerung dürrer Gegenden gezeigt haben! Im Uferteil von Peru habe ich Ü ber bleibsel von Mauern gesehen, auf welchen das Wasser in einer Länge von 5000 bis 6000 m vom Fuß der Cordillere bis nach den Küsten geführt wurde. Die Er oberer des 16. Jahrhunderts zerstörten diese Werke, und dieserTeil von Peru ist wie Persien zu einer Wüste ohne Vegetation geworden. Dies ist die Zivilisation, welche die Europäer den Völkern gebracht haben, welche sie Barbaren zu nen nen stolz genug waren! Js
Lorenzana, pp. 229, 243.
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2. Die Münze. Sie stößt an den Palast der Vizekönige, und in ihr wurden seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts über 6,5 Milliarden in Gold- und Silbergeld geschlagen. 3. Die Klöster, unter denen sich besonders das Kloster von Sankt Franziscus auszeichnet, das, bloß in Almosen, ein jährliches Einkommen von 500 000 Franken hat. Dieses große Gebäude sollte anfänglich auf den Ruinen vom Tempel des Huitzilopochtli erbaut werden; da diese aber zum Bau der Kathedral-Kirche bestimmt wur den, so fing man das Kloster 1531 auf seiner heutigen Stelle an. Es ver dankt sein Dasein der großen Tätigkeit eines Laienbruders, Fray Pedro de Gante, eines außerordentlichen Menschen, den man für einen natür lichen Sohn Kaiser Karls V ausgibt und welcher der Wohltäter der In dianer geworden ist, indem er sie zuerst die nützlichsten mechanischen Künste der Europäer gelehrt hat. 4. Das Hospitium oder vielmehr die beiden vereinigten Hospizien, von denen das eine 600 und das andere
800 Kinder und alte Leute unterhält. Diese Anstalt, in welcher ziemlich viel Ordnung und Reinlichkeit, aber wenig Fleiß herrscht, hat 250 000 Fr Einkommen. Ein reicher Kaufmann hat ihr neulich in seinem Testa ment 6 000 000 Franken vermacht, welche die königliche Schatzkammer mit dem Versprechen in Beschlag nahm, Zinsen von 5% davon zu bezahlen. 5. Die Acordada, ein schönes Gebäude, dessen Gefängnisse meist geräumig und luftig sind. Man zählt in diesem Haus und in den üb rigen von der Acordada abhängigen Gefängnissen über 1200 Personen, unter denen sich eine Menge von Schleichhändlern und die unglück lichen gefangenen Indianer befinden, die man aus den Provincias inter nas nach Mexico schleppt (indios mecos) und von welchen oben im 6. und 7. Kapitel die Rede war. 6. Die Bergschule, das neue, erst angefan gene Gebäude und die alte, provisorische Anstalt mit ihren schönen physikalischen, mechanischen und mineralogischen Sammlungen 36• 7. Der Botanische Garten, in einem der Höfe des vizeköniglichen Pala stes, zwar sehr klein, aber äußerst reich an seltenen oder für Gewerbe und Handel merkwürdigen vegetabilischen Produkten. 8. Die Gebäude der Universität und der öffentlichen Bibliothek, welche einer so großen und alten Anstalt nicht würdig sind. 9. Die Akademie der Schönen Künste mit einer Sammlung von Gipsabgüssen 37• 10. Die Statue Königs Karls TV.
36
Zwei andere sehr merkwürdige oryktognostische und geologische Samm
lungen sind die des Professors Cervantes und des Oberrichters Caravaj al. Die ser verehrungswerte Mann besitzt auch ein vortreffliches Conchylien-Kabinett, welches er während eines Aufenthalts auf den Philippinischen Inseln gesam melt, wo er schon diesen Eifer für die Naturgeschichte gezeigt hat, der ihn in Mexico so ehrenvoll auszeichnet.
37
Siehe oben Seite 204ff. des ersten Bandes.
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zu Pferd auf der Plaza Major und 11. das Grabmal, welches der Herzog
von Montele6n dem großen Cortes in einer Kapelle des Hospitals de las Naturales errichten ließ. Es ist ein einfaches Familienmonument, mit einer Büste in Bronze, welche den Helden in einem reiferen Alter dar stellt und von Herrn Tolsa ausgeführt worden ist. Durchreist man das spanische Amerika von Buenos Aires bis Monterrey und von Trinidad und Puerto Rico bis nach Panama und Veragua, nirgends findet man ein Nationaldenkmal, das die öffentliche Dankbarkeit dem Ruhm des Chri stoph Columbus und des Heman Cortes errichtet hätte! Wer sich dem Studium der Geschichte und der mexicanischen Alter tümer ergibt, findet in der Hauptstadt keine der Trümmer großer Bau ten, wie man sie in Peru in den Umgehungen von Cusco und Guama chuco, zu Pachacamac bei Lima oder zu Mansiehe bei Trujillo, in der Provinz Quito am Caftar und am Cayo und in Mexico bei Mitla und Cholula, in den Intendantschaftell von Oaxaca und Puebla antrifft. Überhaupt scheint es, daß die Azteken keine anderen Denkmäler ge habt haben als die Teocallis, deren bizarre Form wir oben angegeben haben. Nun hatte freilich schon der christliche Fanatismus ein großes Interesse, diese Denkmäler zu zerstören; allein auch die Sicherheit des Siegers machte diese Zerstörung notwendig. Sie geschah zum Teil wäh rend der Belagerung selbst, weil diese abgestumpften Pyramiden mit Terrassen den Streitern als Zufluchtsorte dienten wie der Tempel des Baal-Berith den Völkern von Kanaan. Sie waren ebenso viele Schlösser, aus denen man den Feind vertreiben mußte! Die Privathäuser betreffend, welche uns die spanischen Geschieht schreiber als sehr niedrig schildern, so dürfen wir uns nicht wundern, daß wir bloß noch die Grundsteine oder sehr niedriges Mauerwerk da von finden, wie man es im Barrio de T laltelolco und gegen den Kanal von Ixtacalco zu sieht. Wie wenige kleine Häuser gibt es selbst in den europäischen Städten, deren Bau bis ins 16. Jahrhundert aufsteigt? In des sind die mexicanischen Gebäude nicht Alters wegen in Trümmer gefal len, sondern die spanischen Eroberer, welche derselbe Zerstörungsgeist beseelte, den die Römer bei Syrakus, in Karthago und in Griechenland gezeigt haben, glaubten die Belagerung einer mexicanischen Stadt nicht früher vollendet zu haben, als bis sie alle ihre Gebäude der Erde gleich gemacht hatten. Cortes spricht in seinem dritten Brief38 an Kaiser Karl V. das schreckliche System selbst aus, welches er in seinen militä rischen Operationen befolgte. "Trotz aller dieser Vorteile", sagt er, "die wir davongetragen haben, sah ich doch wohl, daß die Einwohner der 38
Lorenzana, p. 278.
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Stadt Temixtitan ( Tenochtitlan) so aufrührerisch und hartnäckig waren, daß sie lieber alle zugrunde gehen als sich ergeben wollten. Ich wußte daher nicht mehr, was ich für Mittel anwenden sollte, um uns so viele Gefahren und Beschwerden zu ersparen und um die Hauptstadt nicht
(a la ciudad, porque era la mas hermosa cosa del mundo). Umsonst ver
völlig zugrunde zu richten, die das schönste Ding von derWeit war
sicherte ich ihnen, daß ich mein Lager nicht aufheben, meine Flottille von Brigantinen nicht zurückziehen und daß ich nicht aufhören würde, sie zu Wasser und zu Lande zu bekriegen, bevor ich nicht Meister von Temixtitan wäre. Vergebens bemerkte ich ihnen, daß sie keine Hilfe mehr erwarten dürften und daß es keinenWinkel der Erde gebe, woher sie Mais, Fleisch, Früchte undWasser erhalten könnten. Je mehr wir sie mahnten, desto mehr bewiesen sie uns, daß sie den Mut nicht verloren hätten, und sie sehnten sich nach nichts anderem als nach dem Kampf. Da die Sachen so standen, erwog ich, wie wir nun schon über 40 bis
50 Tage die Stadt angegriffen und entschloß mich endlich, ein Mittel zu ergreifen, das unsere Sicherheit begünstigte und uns in den Stand setzte, die Feinde noch enger einzuschließen. Ich nahm mir daher vor,
wie viele Zeit und Arbeit es uns auch kosten möchte, so wie wir uns einer Straße bemeistert hätten, auf beiden Seiten die Häuser niederreißen zu lassen, und zwar dermaßen, daß wir keinen Schritt vorwärts tun sollten, ohne zuvor alles hinter uns zertrümmert und das Wasser in festes Land verwandelt zu haben. Zu diesem Zweck versammelte ich die Herren und Häupter unserer Alliierten, tat ihnen meinen Entschluß kund und befahl ihnen, eine große Menge Arbeiter mit ihren
coas, welche den
Hacken ähnlich sind, die man in Spanien bei Ausgrabungen braucht, kommen zu lassen. Unsere Alliierten und Freunde billigten meinen Ent wurf, indem sie hofften, daß ihr lang gehegter Wunsch erfüllt und die Stadt von Grund auf zerstört werden würde. So vergingen drei bis vier Tage ganz ohne Gefecht; weil wir auf die Ankunft der Landleute warte ten, die uns in dem Zerstörungsgeschäft Beistand leisten mußten." Nach dieser seiner Erzählung, welche Cortes im dritten Brief an sei nen Souverän entwirft, darf man sich nicht mehr darüber wundern, daß man beinahe keine Spur alter mexicanischer Gebäude mehr antrifft. Cortes erzählt, daß die Eingeborenen, um die vielen Bedrückungen zu rächen, die sie unter den aztekischen Königen erduldet hatten, so wie sie vom Zerstörungsgeschäft der Hauptstadt hörten, in größter Anzahl und aus den entferntesten Provinzen herbeikamen, um dabei hilfreiche Hand anzulegen. Die Trümmer der abgerissenen Gebäude dienten dazu, die Kanäle auszufüllen, und die Straßen wurden trocken gelegt, damit die spanische Kavallerie agieren konnte. Die Häuser waren nied-
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rig wie in Peking, in China, und teils von Holz, teils aus Tetzontli, einem leichten, zerbrechlichen, schwammigen Stein gebaut. "Über 50 000 In dianer", sagt Cortes, "halfen uns an dem Tag, da wir über ganze Haufen von Leichnamen hin endlich die große Straße von Tacuba erreichten und das Haus des König Guautimucin 39 verbrannten. Auch geschah gar nichts anderes als Sengen und Brennen. Die aus der Stadt sagten unse ren Alliierten (den T laxcalteken), daß sie Unrecht täten, uns zu helfen, indem sie dereinst diese Häuser doch wieder selbst würden aufbauen müssen und dies entweder für die Belagerten, wenn sie Sieger würden, oder für uns Spanier, die wir sie wirklich bereits gezwungen haben, das, was zerstört worden ist, wieder aufzuführen." 40 Ich habe das >Libro del CabildoReise in die Aequinoctial-Gegenden des Neuen Continents< mitgeteilt werden. Die einzigen alten Denkmäler im Tal von Mexico, welche einem Europäer durch ihre Größe und Masse auffallen können, sind die Reste der beiden Pyramiden von San Juan de Teotihuacan, nordöstlich vom See von Tezcoco. Sie waren der Sonne und dem Mond geweiht und wur den von den Eingeborenen Tonatiuh Itzacualli, Haus der Sonne, und Meztli Itzacualli, Haus des Monds, genannt. Nach den Messungen, welche 1803 von einem jungen mexicanischen Gelehrten, dem Doktor Oteiza, angestellt worden sind, hat die erste Pyramide, die am südlich sten gelegene, in ihrem gegenwärtigen Zustand eine Basis von208m Länge und 55 m (66 mexicanische varas42) senkrechte Höhe. Die zweite, die Mondpyramide, ist um 11 m niedriger und hat auch eine klei nere Basis. Nach dem Bericht der frühesten Reisenden und nach ihrer heutigen Form selbst zu urteilen, haben diese Denkmäler den azteki schen Teocallis zum Muster gedient. Die Völker, welche dieses Land bei 41
Verfasser des scharfsinnigen Werks: ldea de una nueva historia general de
la America septentrional, por el Cabellero Boturini [Madrid 1746]. 42
Vehizquez hat gefunden, daß die mexicanische Vara 31 Zoll vom alten kö
niglichen Fuß (von Paris) hätte. Die nördliche Fassade des Hotels der Invaliden in Paris hat nicht mehr als 600 Fuß Länge.
Dorf Atotonilco el Grande in den Porphyrgebirgen von Oyamel und Jacal, eine Gegend, welche die Spanier das Messergebirge, el Cerro de las Navajas, nennen44. Man wünschte wohl die Frage beantwortet, ob diese merkwürdigen Ge-
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bäude, von denen das eine (der Tonatiuh /tzacualli) nach den genauen Messungen meines Freundes, Herrn Oteiza, eine Masse von 128 970Ku biktoisen enthält, ganz von Menschenhänden erbaut sind oder ob die Tolteken bloß irgendeinen natürlichen Hügel benutzt und mit Steinen und Kalk überzogen haben. Diese Frage ist neulich bei Gelegenheit mehrerer Pyramiden von Gize und Sacara angeregt worden und durch die phantastischen Hypothesen, welche Herr Witte über den Ursprung der kolossalen Monumente von Ägypten, Fersepolis und Palmyra ge wagt hat, doppelt merkwürdig geworden. Da weder die Pyramide von Cholula, von der wir in der Folge reden werden, noch die von Teotihua can durchbrachen worden sind, so kann man unmöglich etwas Zuverläs siges von ihrem Inneren sagen. Die indianischen Traditionen, denen zu folge sie hohl sein sollen, sind unbestimmt und widersprechend. Durch ihre Lage in Ebenen, wo sich sonst kein Hügel findet, wird es sogar sehr wahrscheinlich, daß kein natürlicher Fels den Kern dieser Denkmale ausmacht. Was indes noch sehr bemerkenswert ist (besonders wenn man sich an Pocockes Behauptungen über die symmetrische Stellung der ägyptischen Pyramiden erinnert), liegt in dem Umstand, daß man rings um die Häuser der Sonne und des Monds von Teotihuacan eine Gruppe, ich möchte sagen, ein System von Pyramiden findet, welche kaum 9 bis 10m Höhe haben. Diese Denkmäler, deren es mehrere Hun dert sind, stehen in sehr breiten Straßen, welche genau der Richtung der Parallelen und Meridiane folgen und sich auf die vier Seiten der zwei großen Pyramiden öffnen. Auf der Südseite des Mondtempels sind diese kleinen Pyramiden häufiger als auf der des Sonnentempels; auch waren sie ja nach der Tradition des Lands den Sternen geweiht. Indes scheint es gewiß, daß sie Gräber der Stammhäupter gewesen sind. Diese ganze Ebene, welche die Spanier nach einem Wort aus der Spra che der Insel Cuba Llano de los Cues nennen, hatte einst in den azteki schen und toltekischen Sprachen den Namen Mictlaoctli, Weg der Toten. Welche Ähnlichkeiten mit den Denkmälern des Alten Kontinents! Woher hatte dieses toltekische Volk, welches nach seiner Ankunft auf dem Boden von Mexico im 7. Jahrhundert nach einem gleichförmigen Plan mehrere dieser Denkmäler von kolossaler Form, diese abge stumpften und in verschiedene Terrassen wie der Tempel des Bel in Babyion abgeteilten Pyramiden erbaute, woher hatte es das Vorbild zu diesen Gebäuden erhalten? War es vom mongolischen Stamm? Und war es von demselben Ursprung45 wie die Chinesen, die Hiong-nu und die Japaner? 45
Siehe Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, B. 2,
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Ein anderes altes, der Aufmerksamkeit des Reisenden sehr würdiges Denkmal ist die militärische Verschanzung von Xochicalco, welche süd südwestlich von der Stadt Cuernavaca bei Tetlama liegt und ins Kirch spiel von Xochitepec gehört. Sie besteht in einem isolierten Hügel von 117m Höhe, der mit Gräben umgeben und von Menschenhänden in fünf mit Mauerwerken überkleidete Terrassen abgeteilt ist. Das Ganze bildet eine abgestumpfte Pyramide, deren vier Seiten genau nach den vier Himmelsgegenden gerichtet sind. Die Steine von Porphyr mit einer Basaltbasis sind sehr regelmäßig geschnitten und mit hieroglyphischen Figuren geziert, unter denen man Krokodile, welcheWasser ausspritzen und, was sehr merkwürdig ist, Menschen, welche nach asiatischerWeise auf den untergeschlagenen Beinen sitzen, unterscheidet. Die Plattform 2 dieses außerordentlichen Denkmals 46 hat etwa 9000 m Inhalt und ent hält die Ruinen eines kleinen Gebäudes, welches wahrscheinlich zur letzten Zuflucht der Belagerten diente. Ich will diese flüchtige
Übersicht der aztekischen Altertümer mit der
Bezeichnung einiger Orte schließen, welche man wegen des Interesses, das sie für die Kenner der Geschichte der Eroberung von Mexico durch die Spanier haben, klassisch nennen kann. Der Palast des Moctezuma stand genau auf derselben Stelle, wo sich heutzutage das Hotel des Herzogs von Monteleone, gewöhnlich Casa del Estado genannt, befindet, nämlich auf der Plaza Mayor südwestlich von der Domkirche. Dieser Palast bestand, gleich denen der chinesi schen Kaiser, von welchen uns Sir George Staunton und Herr Barrow genaue Beschreibungen geliefert haben, aus einer großen Menge geräu miger, aber sehr niedriger Häuser. Sie nahmen den ganzen Raum zwi schen dem Empedradillo, der großen Straße von Tacuba und dem Klo ster de la Profesa ein. Nachdem Cortes die Stadt erbaut hatte, nahm er seine Wohnung den Ruinen des Palastes der aztekischen Könige gegen über, wo heutzutage der Palast der V izekönige steht. Indes fand man bald, daß Cortes' Haus sich besser zu den Versammlungen schicke, und die Regierung ließ sich daher die Casa de Estado oder das alte Hotel von Cortes Familie, welche den Titel Marquesado del Valle de Oaxaca führt, abtreten. Zur Entschädigung gab man ihr dafür den Platz des
p. 59; B. 3, p. 11 und Gatterers Versuch einer Weltgeschichte, p. 489. [Eine Stelle, die Humboldts Vertrautheit mit diesem Werk Herders erweist. Anm. d. Hrsg.] 46
Descripcfon de las antigüedades de Xochicalco dedicada a los Sefiores de
Ia expedicfon maritima baxo las ordenes de Don Alejandro Malaspina for Don Jose Antonio Alzate, Mexico 1791, p. 12.
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alten Palasts von Moctezuma, wo sie dann das schöne Gebäude auf führte, in welchem sich die Staatsarchive befinden und das mit der ganzen Erbschaft an den neapolitanischen Herzog von Monteleone gekommen ist. Als Cortes am 8. Nov. 1519 seinen ersten Einzug in Tenochtitlan hielt, wurde ihm und seinem kleinen Armee-Korps nicht im Palast des Mocte zuma, sondern in einem Gebäude, welches einst der König Axayacatl bewohnt hatte, Quartier angewiesen. In diesem Gebäude hielten die Spanier und ihre Bundesgenossen, die T laxcalteken, den Sturm der Me xicaner aus, und hier auch starb der unglückliche König Moctezuma 47 an den Folgen einer Wunde, die er, während er sein Volk anredete, er halten hatte. Noch sieht man unbedeutende Reste dieser Gebäude 48 in den Mauerwerken hinter dem Kloster von Santa Teresa, am Ende der Straßen von Tacuba und Indio Triste. Eine kleine Brücke bei Bonavista hat ihren Namen Sprung des Alva rado
( Salto
de Alvarado ) zum Andenken an den wunderähnlichen
Sprung, welchen der tapfere Pedro de Alvarado machte, als sich die Spanier in der Traurigen Nacht49, da die Mexicaner bereits den Damm von T lacopan an mehreren Orten durchschnitten hatten, aus der Stadt nach den Gebirgen von Tepeyacac zurückzogen. Indes scheint es, daß man schon zu Cortes' Zeit sich über die historische Wahrheit dieses Er eignisses gestritten habe, unerachtet sich die Volkstradition unter allen Klassen von Mexicos Bewohnern erhalten hat. Bemal Diaz betrachtet die Geschichte des Sprungs als eine bloße Aufschneiderei seines Waffen-
47
Von einem seiner Söhne namens Tohualicahuatzin und nach seiner Taufe
Don Pedro Moctezuma stammen die spanischen Grafen von Moctezuma und Tula ab. Die Cano Moctezuma, die Andrade Moctezuma und, wenn ich nicht irre, selbst die Grafen von Miravalle in Mexico leiten ihren Ursprung von der schönen Prinzessin Tecuichpotzin, der jüngeren Tochter des letzten Königs Moc tezuma II. oder Moctecuhzoma Xocoyjotzin her. Die Nachkommen dieses Königs vermischten sich erst in der zweiten Generation mit den Weißen. 48
Die Beweise für diese Behauptung liegen in den Handschriften des Herrn
Gama, welche sich im Kloster von San Felipe Neri in den Händen des Paters Pichardo befinden. Cortes nennt sein Quartier in seinen Briefen Ia fortaleza, die Festung. Der Palast von Axayacatl war wahrscheinlich eine große Mauer, wel che mehrere Gebäude umschloß; denn man brachte hier beinah 700 Mann unter (siehe Clavigero 111, p. 79). Die Ruinen der Stadt Mansiehe in Peru geben uns eine sehr deutliche Vorstellung von dieser Art amerikanischen Bauwesens. Jede Wohnung eines großen Herrn bildete ein besonderes Quartier, in welchem man Höfe, Straßen, Mauern und Gräben unterscheiden konnte. 49
Noche triste, 1. Juli 1520.
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bruders, dessen Mut und Geistesgegenwart er übrigens mehrmals rühmt, und versichert, daß der Graben zu breit gewesen sei, um darüber wegzu springen. Allein ich muß bemerken, daß diese Anekdote mit großer Aus führlichkeit von der Handschrift eines adligen Metis aus der Republik von T laxcala, Diego Muftoz Camargo, erzählt wird. Ich habe diese Hand schrift, von welcher der Pater Torquemada 50 auch Kenntnis gehabt zu haben scheint, im Kloster von San Felipe Neri nachgeschlagen. Ihr Ver fasser war ein Zeitgenosse von Cortes, und er erzählt die Geschichte von Alvarados Sprung mit viel Einfachheit, ohne Anschein von
Über
treibung und ohne über die Breite des Grabens etwas Näheres zu sagen. In seiner naiven Darstellung glaubt man einen Helden des Altertums zu erkennen, welcher, Arm und Schulter auf seine Lanze gestützt, einen ungeheuren Sprung macht, um sich vor seinen Feinden zu retten. Ca margo setzt sogar noch hinzu, daß noch andere Spanier Alvarados Bei spiel nachahmen wollten, aber in Ermangelung gleicher Behendigkeit in den Graben
(acequia)
gefallen seien. Die Mexicaner, sagt er, waren
so erstaunt über die Geschicklichkeit dieses Mannes, daß sie, wie sie ihn gerettet sahen, die Erde aßen ( eine figürliche Redensart, welche dieser tlaxcaltekische Schriftsteller aus seiner Vatersprache entlehnte und die das Erstaunen der Verwunderung ausdrückt ) . "Die Kinder Alvarados, welcher
der Hauptmann vom Sprung
genannt wurde, bewiesen durch
Zeugen und vor den Richtern von Tezcoco diese Heldentat ihres Vaters. Ein Prozeß zwang sie hierzu, in welchem sie die Taten von Alvarado
del Salto,
el
ihres Vaters, bei der Eroberung Mexicos darstellten."
Ferner zeigt man den Fremden die Brücke von Clerigo bei der Plaza mayor von T laltelolco als die denkwürdige Stelle, wo der letzte azteki sche König Cuauhtemotzfn, Neffe seines Vorgängers, des Königs Cuitla huatzfn 51 und Schwiegersohn des Moctezuma II., gefangengenommen wurde. Indes erhellt aus den sorgfältigen Nachforschungen, welche ich 50
Monarquia indiana, Lib. IV, Cap. 80; Clavigero I, p. 10. In Mexico und in
Spanien befinden sich noch mehrere im 16. Jahrhundert verfaßte historische Handschriften, deren Bekanntgabe in Auszügen viel Licht auf die Geschichte von Anahuac werfen würde. Dergleichen sind die Handschriften von Sahagun, Motolinia, Andres de Olmos de Zurita, Jose Tovar, Fernando Pimente! Ixtlil x6chitl, Antonio Moctezuma, Antonio Pimente! Ixtlilx6chitl, Tadeo de Niza, Gabriel de Ayala, Zapata, Porree, Crist6bal de Castillo, Fernando Alba Ixtlilx6chitl, Pomar, Chimalpain, Alvarado Tezoz6moc und von Gutierrez. Mit Aus nahme der fünf ersten waren alle diese Schriftsteller getaufte Indianer von T laxcala, Tezcoco, Cholula und Mexico. Die Ixtlilx6chitl stammten von der königlichen Familie von Acolhuacan ab. 51
Dieser König Cuitlahuatzin
( den
Soli und andre europäische Geschieht-
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mit dem Pater Pichardo angestellt habe, daß dieser junge König in einem großen Wasserbehälter, der einst zwischen der Garita del Peralvillo, dem Platz von Santiaga de T laltelolco und der Brücke von Amaxac war, in die Hände des Garci Holguin 52 gefallen ist. Cortes befand sich auf der Terrasse eines Hauses von T laltelolco, als man ihm den königlichen Gefangenen vorführte. "Ich ließ ihn sich setzen", sagt der Sieger selbst in seinem dritten Brief an Kaiser Karl V., "und behandelte ihn mit Zu trauen. Allein der junge Mensch legte die Hand an einen Dolch, den ich am Gürtel trug, und bat mich, ihn zu töten, weil er nach dem, was er sich selbst und seinem Volk schuldig war, keinen anderen Wunsch mehr habe als zu sterben." Dieser Zug ist der schönsten Zeit von Rom und Griechenland wert; denn die Sprache starker Seelen, die gegen das Unglück kämpfen, ist unter allen Zonen und welche Farbe immer die Menschen tragen dieselbe. Wir haben oben das tragische Ende dieses unglücklichen Cuauhtimotzin gesehen! Nach der gänzlichen Zerstörung des alten Tenochtitlan blieb Cortes noch vier oder fünf Monate mit seinen Leuten zu Coyoacan 53, einem Ort, für den er immer eine große Vorliebe gezeigt hat. Er war zu Anfang unentschlossen, ob er die Hauptstadt nicht auf einer anderen Stelle am See wieder aufbauen sollte. Indes entschied er sich endlich für die alte Lage, "weil die Stadt von Temixtitan einmal berühmt geworden war, da ihre Lage wunderbar ist und man sie von jeher als den Hauptort der mexicanischen Provinzen angesehen hatte"
todas estas provincias).
(Corno principal y sefiora de
Übrigens wäre es wegen der häufigen Über
schwemmungen, welche das alte und neue Mexico erlitten, klüger ge wesen, die Stadt östlich von Tezcoco oder auf die Anhöhen zwischen Tacuba und Tacubaya 54 zu bauen. Wirklich sollte sie auch zur Zeit der großen Überschwemmungen von 1607 nach einem förmlichen Befehl schreiber, welche alle mexicanischen Namen vermischen, Quetlabaca nennen) war der Bruder und Nachfolger Moctezumas II. Er ist derselbe Fürst, welcher so vielen Geschmack an Gärten zeigte und nach Cortes Bericht eine Sammlung seltener Pflanzen angelegt hatte, welche man noch lange nach seinem Tode in Ixtapalapa bewunderte. 52
31.
Aug.
1521, am 75. Tag der Belagerung.
DieserTag wird noch jedes Jahr
durch einen Zug gefeiert, welchen der Vizekönig und die oidores zu Pferd durch die Stadt machen und wobei ihnen die Standarte von Cortes' siegreicher Armee durch den Großfähnrich der sehr adligen Stadt Mexico vorgetragen wird.
307.
53
Lorenzana, p.
54
Cisneros: Descripci6n del sitio en el cual se halla Mexico. Alzate: Topogra
ffa de Mexico (Gazeta de Literatura,
1790, p. 32).
Die meisten größeren Städte
der spanischen Kolonien, so neu sie auch zu sein scheinen, sind nachteilig gele-
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Philipps 111. auf diese Anhöhen verpflanzt werden; allein die ayunta
miento oder der Stadtmagistrat machte dem Hof die Vorstellung, daß der Wert der Häuser, welche auf diese Weise zugrunde gehen müßten,
105 Millionen Franken betrage. Man schien damals in Madrid nicht zu wissen, daß die Hauptstadt eines schon 88jährigen Königreichs kein flie gendes Lager ist, welches man nach Gefallen von einem Ort zum andern rücken kann! Es ist unmöglich, die Zahl der Bewohner des alten Tenochtitlan mit einiger Gewißheit anzugeben. Nach dem Mauerwerk der zerstörten Häuser, nach den Berichten der ersten Eroberer und besonders nach der Zahl der Streiter zu urteilen, welche die Könige Cuitlahuatzin und Cuauhtimotzin den T laxcalteken und Spaniern entgegenstellten, scheint die Bevölkerung von Tenochtitlan zum wenigsten dreimal grö ßer gewesen zu sein, als die des heutigen Mexicos ist. Nach der Versiche rung des Cortes war das Zuströmen der mexicanischen Handwerks leute, welche nach der Belagerung für die Spanier als Zimmerleute, Maurer, Weber, Metallgießer und dergleichen arbeiteten, so groß, daß die Stadt Mexico 1524 bereits 30 000 Einwohner zählte. Die neueren Schriftsteller haben aber die widersprechendstell Ideen über ihre Bevöl kerung aufgestellt, und der Abbe Clavigero beweist in seinem vortreff lichen Werk über die alte Geschichte von Neu-Spanien, wie diese An gaben von 60 000 bis auf 1 500 000 voneinander abweichen 55. Diese Widersprüche dürfen uns aber nicht in Erstaunen setzen, wenn wir nur bedenken wollen, wie neu noch statistische Untersuchungen selbst in den kultiviertesten Teilen von Europa sind. Nach den neuesten und am wenigsten verdächtigen Angaben scheint die gegenwärtige Bevölkerung der Hauptstadt von Mexico (die Truppen mitgerechnet) 135 000-140 000 Seelen zu sein. Die 1790 auf Befehl des Grafen von Revillagigedo ausgeführte Zählung gab für die Stadt nicht gen. Ich spreche hier nicht von der Lage von Caracas, von Quito, Pasta und mehreren anderen Städten des südlichen Amerikas, sondern bloß von den mexi canischen Städten wie z. B. Valladolid, das man in das schöne Tal von Tepare hätte bauen können; von Guadalajara, das sich so nahe bei der lachenden Ebene des Flusses Chiconahuatenco oder San Pedro befindet; von Patzcuaro, das man lieber auf der Stelle von T zintzuntza gebaut sehen würde. Wahrlich, man möchte glauben, daß die neuen Kolonisten, wo sie die Wahl zwischen zwei Lagen hatten, immer die gebirgigste und den Überschwemmungen am meisten ausgesetzte gewählt hätten. Indes haben die Spanier auch beinahe keine neuen Städte gebaut, sondern immer die von den Eingeborenen selbst gestifteten be wohnt oder vergrößert. 55
Clavigero. IV, p. 278, Note p.
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mehr als 112 926 Menschen an; man weiß aber zuverlässig, daß dieses Resultat um ein Sechstel zu klein ist. Die regulären Truppen und die in der Hauptstadt garnisonierenden Milizen bestehen aus 5000-6000 Mann unter Waffen. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man die ge genwärtige Bevölkerung folgendermaßen bestimmen: 2 500 weiße Europäer, 65 000 weiße Kreolen, 33 000 Eingeborene ( kupferfarbige Indianer), 26 500 Metis, gemischt von W eißen und Indianern, 10 000 Mulatten, 137 000 Einwohner. So sind demnach in Mexico 69 500 farbige Menschen und 67 500 Weiße. Allein sehr viele Metis
(mestizos)
sind beinahe ebenso weiß wie die
Europäer und die spanischen Kreolen. In den 23 Klöstern, welche die Hauptstadt enthält, befinden sich bei nahe 1200 Individuen, von denen 580 Priester und Choristen sind. Die 15 Frauenklöster enthalten 2100 Nonnen, von denen etwa 900 Profeß getan haben. Der Klerus von Mexico ist sehr zahlreich, wiewohl er immer noch um ein Viertel geringer ist als der von Madrid. Die Zählung von 1790 gab an: In den Mönchsklöstern In den Nonnenklöstern Pfründner
{ {
573 Priester u. Choristen 59Novizen 235 dienende Brüder 888Nonnen, die Profeß getan haben 35Novizen
} }
867
923 26
Pfarrer
16
Vikare
43
W eltgeistliche Summe
517 2392 Individuen.
Dies wären ohne die dienenden Brüder und Novizen 2063. Der Klerus von Madrid besteht nach dem vortrefflichen Werk des Herrn von La borde aus 3470 Personen, so daß sich also in Mexico der Klerus zur gan zen Bevölkerung wie 1lfz zu 100 und in Madrid wie 2 zu 100 verhält. Wir haben oben eine Tabelle der Einkünfte des mexicanischen Klerus
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gegeben. Der Erzbischof von Mexico hat 682 500 Livr. tourn. jährliches Einkommen. Diese Summe ist etwas geringer als die Einkünfte des Jer6nimos-Klosters im Escorial, und ein mexicanischer Erzbischof ist daher nicht so reich wie die Erzbischöfe von Toledo, Valencia, Sevilla und Santiago. Der von Toledo z. B. hat 3 000 000 Livr. tourn. Einkom men. Indes hat Herr von Laborde bewiesen, was sehr wenig bekannt ist, daß der französische Klerus vor der Revolution im Verhältnis zur Total-Bevölkerung des Staates viel zahlreicher und, als Staatskörper be trachtet, viel reicher gewesen ist als der spanische. Die Einkünfte des Inquisitions-Tribunals, welches sich über das ganze Königreich Neu Spanien, über das von Guatemala und die Philippinischen Inseln erstreckt, betragen 200 000 Livr. tourn. Die Zahl der Geburten in Mexico ist, wenn man aus hundert Jahren das Mittel bildet, 5930, die der Todesfälle 5050. 1802 fand man sogar
6155 Geburten und 5166 Sterbefälle, so daß also bei einer angenomme nen Bevölkerung von 137 000 Seelen auf 22V2 Individuen ein Geborener und auf 26V2 ein Toter käme. Weiter oben, im vierten Kapitel, haben wir gesehen, daß man in Neu-Spanien auf dem Land gewöhnlich das Ver hältnis der Geburten zur Bevölkerung 56 wie 1 zu 17, und das Verhältnis der Sterbefälle zu derselben wie 1 : 30 annimmt. Die Sterblichkeit ist in der Hauptstadt also sehr groß und die Zahl der Geburten sehr klein. Allein das Zusammenkommen von Kranken ist daselbst auch sehr an sehnlich, und zwar nicht nur von Leuten aus der ärmsten Klasse, welche in den Hospitälern, die gegen 1100 Betten haben, Zuflucht suchen, sondern auch von Wohlhabenderen, die sich nach Mexico bringen lassen, weil sie auf dem Land weder Ärzte noch Arzneimittel finden. Dieser Umstand erklärt die große Menge von Sterbefällen, die die Kir chenregister angaben. Überdies sind noch die Klöster, das Zölibat der Weltgeistlichkeit, die Fortschritte des Luxus, der Milizdienst und die Armut der indianischen Zaragates, welche in völligem Müßiggang leben wie die Lazaronis von Neapel, Hauptursachen, welche auf das nachteilige Verhältnis der Geburten zu der Gesamtheit der Bevölkerung wirken. Die Herren Alzate und Clavigero 57 haben durch einen Vergleich der Kirchspiel-Register von Mexico mit denen mehrerer europäischer 56
In Frankreich ist das Verhältnis der Geborenen zu den Sterbenden so, daß
von der ganzen Bevölkerung jährlich ein 30. Teil stirbt und ein 28. Teil geboren wird. Peuchet, Statistique, p. 251. In den Städten hängt dieses Verhältnis vom Zusammentreffen lokaler und veränderlicher Umstände ab. 1786 zählte man in London 18 119 Geburten und 20 454 Todesfälle und 1802 in Paris 21 818 Gebur ten und 20 390 Todesfälle. 57
Der Abbe Clavigero irrt sich, wenn er sagt, daß eine Zählung in der Stadt
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Städte zu beweisen gesucht, daß die Hauptstadt von Neu-Spanien über 200 000 Einwohner haben müsse. Wie kann man aber annehmen, daß man sich in der Zählung von 1790 um 87 000 Seelen, also mehr als zwei Fünftel der ganzen Bevölkerung geirrt habe? Überdies konnte der Vergleich, welchen diese beiden mexicanischen Gelehrten angestellt haben, schon seiner Natur wegen nicht zu zuverlässigen Resultaten füh ren, weil die Städte, deren Totenlisten sie aufweisen, auf sehr verschie denen Höhen und unter höchst abweichenden Klimaten liegen und weil der Zustand der Zivilisation und des Wohlstands der großen Bewohner masse die auffallendsten Kontraste zeigt. In Madrid zählt man auf 34 In dividuen 1 Geburt und in Berlin ebensoviel auf 28. Aber keines dieser beiden Verhältnisse wäre bei Berechnungen anwendbar, die man über die Bevölkerung der Städte des äquinoktialen Amerika wagen wollte. Ihre Verschiedenheit ist überdies so groß, daß sie allein schon die Bevöl kerung von Mexico um 36 000 Menschen vermehren oder vermindern müßte, wenn man daselbst eine jährliche Anzahl von 6000 Geburten an nähme. Das Mittel, die Anzahl der Bewohner eines Distrikts oder einer Provinz nach der Zahl der Sterbefälle und der Geburten zu berechnen, ist wohl das beste, wenn die politische Arithmetik in einem gegebenen Land mit Sorgfalt die Zahlen bestimmt hat, welche die Verhältnisse der Geburten und der Sterbefälle zu der Totalbevölkerung bezeichnen. Aber diese Zahlen, welche das Resultat einer langen Induktion sind, können auf kein Land angewendet werden, dessen physische und mora lische Beschaffenheit ganz verschieden ist. Sie geben nichts als den Mit telzustand des glücklichen Gedeihens einer Bevölkerungsmasse, deren größter Teil auf dem Land wohnt, und man kann sich dieser nämlichen Verhältnisse daher nicht bedienen, wenn man die Einwohnerzahl einer Hauptstadt herausfinden will. Mexico ist die bevölkertste Stadt des Neuen Kontinents. Sie hat etwa 40 000 Einwohner weniger als Madrid 58: Allein da sie ein großes Viereck
Mexico ein Resultat von mehr als 200 000 Seelen gegeben habe. Sonst behaup tet er mit Wahrheit, daß diese Stadt im Durchschnitt ein Viertel mehr Geburten und Todesfälle habe als Madrid. Wirklich war 1788 in dieser Stadt die Zahl der Geburten 4897 und die der Sterbefälle 5915; und 1797 waren es der ersten 4911 und der letzteren 4441 {Alex. de Laborde, II, p. 102). 58
"Die Bevölkerung von Madrid (sagt Alexandre de Laborde) beträgt
156272 Menschen. Indes kann man sie mit der Garnison, den Fremden und den Spaniern, welche sich aus den Provinzen daselbst aufhalten, vielleicht zu 200 000 Seelen annehmen." Die größte Länge von Mexico ist 3900 m, und die von Paris 8000 m.
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bildet, dessen jede Seite nahe an 2750 m Länge hat, so ist ihre Bevölke rung auf einem großen Raum verbreitet. Ihre Straßen sind sehr breit und scheinen deshalb auch äußerst öde; ja sie sind dies um so mehr, da sich das Volk in einem Klima, welches die Bewohner der Tropenländer für kalt ansehen, weniger der freien Luft aussetzt als die in den Städten, die am Fuße der Cordillere liegen. Daher scheinen letztere (Ciudades de tierra caliente) immer viel bevölkerter als die Städte der gemäßigten oder kalten Regionen (Ciudades de tierrafria). Hat Mexico auch mehr Bewoh ner als die Städte von Großbritannien und Frankreich, mit Ausnahme von London, Dublin und Paris, so ist seine Bevölkerung auf der ande ren Seite weit geringer als die der großen Städte in der Levante und in Ost-Indien. Kalkutta, Surette [Surat], Madras, Aleppo und Damaskus zählen sämtlich über 200 000, 400 000 und selbst 600 000 Seelen. Der Graf von Revillagigedo hat sehr genaue Untersuchungen über den Konsum von Mexico anstellen lassen. Folgende Tabelle, welche
1791 aufgenommen worden ist, wird für diejenigen einiges Interesse ha ben, die die wichtigen Arbeiten der Herren Lavoisier und Arnould über den Konsum von Paris und ganz Frankreich kennen. Konsum von Mexico
1. Fleischwaren Ochsen
16 300
Kälber
450
Schafe
278 923
Schweine
50 676
Junge Ziegen und Kaninchen
24 000
Hühner
1 255 340
Enten
125 000
Truthähne
205 000
Rebhühner
140 000 65 300
Tauben
2. Getreide Mais oder türkisches Korn, Cargas zu drei Farregen
117 224 40 219
Gerste, Cargas Weizenmehl, Cargas zu 12 Arroben
130 000
3. Flüssigkeiten Pulque, gegorener Agaven-Saft, Cargas Wein und Essig, Fäßchen zu 41h Arroben Branntwein, Fäßchen Spanisches
Ö l, Arroben zu 25 Pfund
294 790 4 507 12 000 5 585
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Nimmt man nun mit Herrn Peuchet die Bevölkerung von Paris vier mal stärker an als die von Mexico, so sieht man, daß der Konsum von Ochsenfleisch in beiden Städten in beinahe gleichem Verhältnis, die des Hammel- und Schweinefleischs hingegen in Mexico viel größer ist. Die Verschiedenheit ist folgende: Konsum in Mexico
Mexico vervierfacht
16 300
70 000
65200
273 000
350 000
1116 000
50100
35 000
200400
Ochsen Schafe
Konsum von
in Paris
Schweine
Herr Lavoisier hat durch seine Berechnungen gefunden, daß die Ein wohner von Paris zu seiner Zeit jährlich 90 000 000 Pfund Fleisch aller Art verzehrten, von denen 797/w kg auf den Kopf kamen. Schlägt man nun das Fleisch der in obiger Tabelle verzeichneten Tiere nach Herr La voisiers Grundsätzen und mit Rücksicht auf die Lokalverschiedenhei ten an, so macht der Konsum von Mexico in jeder Art von Fleisch zu sammen 26 000 000 Pfund und der von jeglichem einzelnen Bewohner
92o/w kg aus. Dieser Unterschied ist um so auffallender, da in der Bevöl kerung von Mexico 33 000 Indianer einbegriffen sind, welche alle sehr wenig Fleisch essen. Der Konsum des Weins hat sich seit 1791, besonders seit der Einfüh rung des Brownschen Systems in die Praxis der mexicanischen Ärzte, um vieles vermehrt. Der allgemeine Enthusiasmus, womit dieses System in einem Land aufgenommen wurde, wo die asthenischen oder schwächenden Mittel seit Jahrhunderten auf die ausschweifendste Weise angewendet worden waren, hat nach dem Zeugnis aller Kauf leute von Veracruz den auffallendsten Einfluß auf den Handel der süßen spanischen Weine gehabt. Indes trinken nur die wohlhabenderen Leute von diesen Weinen; indem die Indianer, die Metis, die Mulatten und sogar die meisten weißen Kreolen den gegorenen Agavensaft, Pulque genannt, vorziehen, von welchem jedes Jahr die ungeheure Quantität von 44000 000 Bouteillen Uede von 48 Kubik-Zoll Inhalt) konsumiert wird. Die große Bevölkerung von Paris brauchte zu Herrn Lavoisiers Zeit jährlich nicht mehr als 281 000 Muids * Wein, Branntwein, Apfel wein und Bier, welche 80 928 000 Bouteillen ausmachen. Der Brotkonsum ist in Mexico wie in den Städten von Europa. Dies *
1 muid von Paris
=
18 Hektoliter.
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ist um so auffallender, da sich die kreolischen Einwohner von Caracas, Cumami, dem westindischen Cartagena und allen amerikanischen Städ ten, die zwar unter der heißen Zone, aber wenigstens auf gleicher Höhe von der Meeresfläche oder nur wenig erhabener liegen, beinah bloß von Maisbrot und von der Jatropha Manihot [Kassawa, Maniok] nähren. Nimmt man nun mit Herrn Arnould an, daß 325 Pfund Mehl 416 Pfund Brot geben, so müssen die 130 000 Ladungen Mehl, welche Mexico ver braucht, 49 900 000 Pfunde Brot geben, von denen 363 Pfund aufjeden Kopf, von welchem Alter er sei, fallen. Rechnet man die gewöhnliche Bevölkerung von Paris zu 547 000 Menschen und den Brotverzehr zu 2067 88000 Pfund, so kommen in dieser Stadt 377 Pfund aufjeden ein zelnen. In Mexico ist der Verbrauch des Mais beinah so groß wie der des Weizens und das türkische Korn [Mais] sogar die gesuchteste Speise der Eingeborenen. Man kann daher die Benennung, welche Plinius der Gerste ('x{nfu] bei Homer) gibt, antiquissimumfrumentum, auf dasselbe anwenden; denn der Zea-Mais ist die einzige Korn-Gras-Art, welche die Amerikaner vor der Ankunft der Europäer bauten. Der Markt von Mexico ist reichlich mit Eßwaren, besonders Gemü sen und Früchten aller Art, versehen. Es ist wirklich ein merkwürdiger Anblick, den man alle Morgen bei Sonnenaufgang genießen kann, wenn diese Vorräte und eine große Menge Blumen auf flachen Booten, die von Indianern gefahren werden, die Kanäle von Ixtacalco und Chalco herab in die Stadt kommen. Die meisten dieser Gemüse werden auf den chinampas* gepflanzt, welche die Europäer schwimmende Gär ten genannt haben. Es gibt deren zweierlei, von denen die einen beweg lich sind und vom Wind hin- und hergetrieben werden, die anderen fest stehen und mit dem Ufer zusammenhängen. Die sinnreiche Erfindung der Chinampas scheint bis ins 14. Jahrhun dert zurückzugehen. Sie wurde durch die außerordentliche Lage eines Volkes veranlaßt, welches, rings von Feinden umgeben, mitten auf ei nem an Fischen eben nicht sehr reichen See zu leben genötigt war und natürlich auf alle möglichen Mittel zu seinem Lebensunterhalt sinnen mußte. Wahrscheinlich hat die Natur selbst den Azteken die erste Idee zu diesen schwimmenden Gärten gegeben. An den sumpfigen Ufern des Sees von Xochimilco und Chalco reißt die starke Bewegung des Wassers zur Zeit seines hohen Stands Erdschollen ab, die mit Kräutern bedeckt und mit Wurzeln durchflochten sind. Diese Schollen treibt der Wind hin und her, bis sie sich zuweilen zu kleinen Flößen vereinigen.
*
Die erste sinnvolle Beschreibung der chinampas. - Siehe auch Herbert
Wilhelmy: Welt und Umwelt der Maya, München 1981, S. 214-218.
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Ein Menschenstamm, welcher zu schwach war, um sich auf dem festen Land zu halten, glaubte diese Stücke Bodens benutzen zu müssen, die ihm der Zufall anbot und dessen Eigentum ihm von keinem Feind strei tig gemacht wurde. Die ältesten Chinampas waren daher nichts als künstlich zusammengefügte Rasenstücke, welche die Azteken aufhack ten und ansäten. Dergleichen schwimmende Inseln bilden sich unter allen Zonen, und ich habe deren im Königreich Quito auf dem Fluß Guayaquil gesehen, welche 8 bis 9 m lang waren, mitten auf dem Strom trieben und junge Zweige von Bambusa, Pistia stratiotes, Pontedria und eine Menge anderer Vegetabilien trugen, deren Wurzeln sich leicht in einander verflochten. Auch sah ich in Italien, auf dem kleinen Lago di Aqua Solva in der Nähe der T hermen des Agrippa bei Tivoli solche klei nen Inseln, die aus Schwefel, luftsaurer Kalkerde und Blättern der Ulva thermalis bestanden und sich durch das leichteste Wehen des Windes in Bewegung setzten. Bloße Erdschollen, welche sich vom Ufer abrissen, haben also zur Erfindung der Chinampas Anlaß gegeben; allein die Industrie der azte kischen Nation hat dieses System von Gartenbau nach und nach vervoll kommnet. Die schwimmenden Gärten, welche die Spanier in großer Menge fanden und von denen noch mehrere auf dem See von Chalco übrig sind, waren Flöße von Schilf (Totora), Ästen, Wurzeln und Zwei gen von Buschwerk. Diese Bestandteile, welche sehr leicht sind und sich ganz ineinander verwickeln, bedecken die Indianer mit einer schwarzen Erde, welche von Natur mit Kochsalz geschwängert ist. Durch das Wasser, womit man die Erde aus dem See begießt, verflüch tigt sich dieses Salz nach und nach, und je öfter man diese Auslaugung vornimmt, desto fruchtbarer wird der Boden. Man wendet dieses selbst beim Salzwasser aus dem See von Tezcoco mit Vorteil an, indem dieses Wasser, dem noch viel zu seiner Sättigung fehlt, wenn es durch den Boden filtriert wird, das Salz vortrefflich auflöst. Oft enthalten die Chi nampas noch die Hütte des Indianers, welcher eine Gruppe solcher schwimmenden Gärten zu hüten hat. Man stößt sie mit langen Stangen weiter oder rückt sie damit zusammen und treibt sie so nach Gefallen von einem Ufer zum anderen. In dem Maß wie sich der See mit süßem Wasser vom Salzsee ent fernte, befestigten sich auch die beweglichen Chinampas. Von letzterer Art sieht man sie am ganzen Kanal de la Viga hin im Sumpfland zwi schen dem See von Chalco und dem von Tezcoco. Jeder Chinampas bil det ein Parallelogramm von 100m Länge und 5 bis 6 m Breite. Enge Gräben, welche symmetrisch miteinander zusammenhängen, trennen diese Vierecke voneinander. Der urbare Boden, der durch das häufige
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Begießen seine Salzteile verloren hat, erhebt sich gegen 1 m über die Fläche des ihn umgebenden Wassers. Auf diesen Chinampas baut man Bohnen, kleine Erbsen, spanischen Pfeffer (chile, capsicum), Kartof feln, Artischocken, Blumenkohl und eine Menge andrer Gemüse. Der Rand der Vierecke ist gewöhnlich mit Blumen und manchmal sogar mit einer Rosenhecke eingefaßt. Eine Wasserfahrt um die Chinampas von Ixtacalco gehört zu den angenehmsten Partien, welche man in der Um gegend von Mexico machen kann. Die Vegetation ist auf dem unaufhör lich gewässerten Boden äußerst kraftvoll. Der Physiker [=Naturforscher] findet im Tal von Tenochtitlan zwei Quellen von Mineralwasser, die von der Mutter Gottes von Guadalupe und die von Pefi6n de los Bafios (dem Bäder-Felsen). Diese Quellen enthalten Kohlensäure, Schwefelsauren Kalk, Soda und salzsaure Soda. Die vom Pefi6n hat eine ziemlich hohe Temperatur, und es sind dabei sehr heilsame und bequeme Bäder eingerichtet worden. Auch machen die Indianer in der Nähe derselben Salz, indem sie die mit salzsaurer Soda geschwängerte Tonerde auslaugen und das Wasser, das nur 12 bis
13% Salz enthält, zusammenleiten. Ihre sehr schlecht gearbeiteten Wär mepfannen haben nicht mehr als 6 Quadratfuß Fläche und 2 bis 3 Zoll Tiefe und zur Feuerung wird bloß Maultier- und Kuhmist gebraucht. Auch wird das Feuer so schlecht geleitet, daß man, um 12 Pfund Salz zu gewinnen, die um 35 Sous (französischer Münze) verkauft werden, für
12 Sous Brennmaterial verbraucht! Diese Saline war schon zu Moctezu mas Zeit vorhanden, und es ist seither keine andere Veränderung damit vorgegangen, als daß man die irdenen Wannen gegen getriebene kup ferne Pfannen vertauschte. Der kleine Berg von Chapultepec war von dem jungen Vizekönig Gal vez gewählt worden, um darauf für sich und seine Nachfolger ein Lust schloß zu erbauen. Dieser Bau kostete den König gegen 1500 000 Liv res tournois. Der Hof von Madrid mißbilligte dies Ausgabe, allein, wie gewöhnlich, erst nachdem sie schon gemacht worden war. Die Anord nung dieses Gebäudes ist sehr sonderbar. Auf der Seite von Mexico ist es befestigt, und man sieht da ganz deutlich die vorspringenden Mauern und die Brustwehren, um Kanonen darauf zu stellen, obgleich man die sen Teilen das Aussehen von bloß architektonischen Verzierungen zu ge ben gesucht hat. Auf der Nordseite befinden sich Gräben und weite Souterrains, um Vorräte für mehrere Monate zu fassen. Auch betrachtet die allgemeine Volksmeinung in Mexico dieses Haus der Vizekönige auf Chapultepec als eine maskierte Festung. Man beschuldigte den Grafen Bernardo de Galvez sogar des Plans, daß er Neu-Spanien von der Halbinsel unabhängig habe machen wollen. Der Fels von Chapultepec,
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sagt man, sollte ihm zum Zufluchts- und Verteidigungsort dienen, im Fall er von europäischen Truppen angegriffen würde. Ich habe sehr ach tungswerte Männer in den ersten Stellen gekannt, die diesen Argwohn gegen den jungen Vizekönig teilten; allein die Pflicht des Geschieht schreibers erlaubt es nicht, sich so schweren Beschuldigungen leichtsin nig zu überlassen. Der Graf von Galvez gehörte einer Familie an, die König Carlos III. schnell auf eine Stufe außerordentlicher Macht und Reichtums erhoben hatte. Jung, liebenswürdig und dem Vergnügen und der Pracht ergeben, hatte er von seinem großmütigen Monarchen eine der ersten Stellen erhalten, die ein Privatmann erreichen kann, und darum möchte es wohl nicht sein Vorteil gewesen sein, die Bande zu zer reißen, welche die Kolonien seit drei Jahrhunderten an das Mutterland knüpften. Auch würde der Graf Galvez bei aller Kunst seines Beneh mens, sich die Gunst des großen Haufens von Mexico zu erwerben, und trotz des Einflusses einer ebenso schönen wie allgemein geliebten Vize königin das Schicksal jedes europäischen 59 Vizekönigs gehabt haben, der nach Unabhängigkeit strebt; man würde ihm in einer großen Revo lutionsbewegung nie verziehen haben, daß er kein Amerikaner war! Das Schloß von Chapultepec soll für Rechnung der Regierung ver kauft werden. Da es aber überall schwer ist, Käufer zu festen Plätzen zu finden, so haben einige Beamte der
Real Hacienda
angefangen, die
Gläser und Fensterrahmen an die Meistbietenden zu verkaufen. Dieser Vandalismus, welchen man Ökonomie nennt, hat dieses Gebäude, wel ches 2325 m hoch und unter einem sehr rauhen, der Gewalt aller Winde ausgesetzten Klima liegt, bereits tief herabgedrückt. Und doch wäre es vielleicht klug, dasselbe als den einzigen Platz zu erhalten, in welchem man bei den ersten Bewegungen eines Volksaufruhrs die Archive, das Barrensilber aus der Münze und die Person des Vizekönigs in Sicherheit bringen könnte. Noch ist man in Mexico der Aufstände
(motinos)
vom
12. Februar 1608, dem 15. Januar 1624 und dem 8. Juni 1692 eingedenk. In der letzten verbrannten die Indianer im Grimm darüber, daß es an Mais mangelte, den Palast des Vizekönigs Don Gaspar de la Cerda San59
Unter den fünfzig Vizekönigen, welche Mexico von 1535 bis 1808 regiert
haben, war nur ein einziger in Amerika Geborener: der Peruaner Don Juan de Acufia, Marques von Casa Fuerte (1722-1734), ein sehr uneigennütziger und guter Administrator. Auch werden einige meiner Leser vielleicht mit Interesse erfahren, daß ein Abkömmling von Christoph Columbus und einer des Königs Moctezuma Vizekönige von Neu-Spanien gewesen sind. Don Pedro Nufio Co lon, Herzog von Veraguas, hielt seinen Einzug 1673 in Mexico und starb sechs Tage nachher. Der Vizekönig Don Jose Sarmiento Valladares, Graf von Mocte zuma, regierte von 1697 bis 1701.
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doval, Graf von Galve, der sich zu dem Guardian des St. Franciskus Klosters geflüchtet hatte. Damals freilich, aber wohl auch nur damals, war der Schutz der Mönche soviel wert wie der eines festen Schlosses. Um die Beschreibung des Tals von Mexico zu endigen, müssen wir noch das hydrographische Gemälde dieser von Seen und kleinen Flüs sen unterbrochenen Gegend flüchtig entwerfen, und ich schmeichle mir, daß es den Naturforscher nicht weniger interessieren wird als den Ingenieur-Wasserbaumeister. Wir haben oben schon bemerkt, daß die Fläche der vier Hauptseen etwa den zehnten Teil der Fläche des ganzen Tals oder 22 Quadratmeilen ausmacht. Wirklich hat der See von Xochi milco (und Chalco) 6Vz, der See von Tezcoco lOVw, der von San Crist6bal 36/w und der von Zumpango 13flo Quadratmeilen
(j e
25 auf einen
Äquatorialgrad ) Umfang. Das Tal von Tenochtitlan oder Mexico ist ein mit einer Zirkelmauer von sehr hohen Porphyr-Gebirgen umschlosse nes Bassin. Dieses Bassin, dessen Grund 2277 m über dem Meeresspie gel steht, gleicht im kleinen dem ungeheuren Becken von Böhmen und, wenn der Vergleich nicht zu gewagt ist, den Gebirgstälern im Mond, wie sie die Herren Herschel und Schröter beschrieben haben. Alle Feuchtig keit der Cordilleren, die das Plateau von Tenochtitlan einfassen, fließt im Tal zusammen. Kein Fluß außer dem kleinen Bach
(arroyo) Tequis
quiac, welcher in einer engen Schlucht durch die nördliche Gebirgskette seinen Weg nach dem Rio de Tula oder de Moctezuma sucht, ergießt sich aus demselben. Die Hauptzuflüsse erhält das Tal von Tenochtitlan 1. durch die Flüsse Papalotla, Tezcoco, Teotihuacan und Tepeyac (Guadalupe ) , welche ihre Wasser in den See von Tezcoco ergießen; und 2. durch die von Pachuca und Cuautitlan, welche in den See von Zumpango fließen. Der letzte dieser Flüsse ( der Rio de Cuautitlan) hat den längsten Lauf, und seine Wassermasse ist viel beträchtlicher als die der übrigen Flüsse zusam men. Die mexicanischen Seen, welche ebenso viele natürliche Empfänger für das Wasser sind, das die sie umgebenden Gebirge absetzen, erheben sich in ihrer Entfernung vom Zentrum des Tals oder der Stelle, wo die Hauptstadt liegt, stufenweise übereinander. Nach dem See von Tezcoco ist die Stadt Mexico der am niedrigsten gelegene Punkt des ganzen Tals, und nach der sehr genauen Messung der Herren Velazquez und Castera ist die Plaza mayor derselben, im südlichen Winkel des vizeköniglichen Palastes 1 mexicanische vara höher 60 als der mittlere Wasserstand im 60
Nach Herrn Ciscars klassischem Werk >Sobre los nuevos pesos y medidas
decimales< verhält sich die kastilische vara zur toise
=
0,5130: 1,1963, und eine
288
Zweiter Band
See von Tezcoco 61. Dieser letztere See liegt
4 varas und 8 Zoll tiefer als
der See von San Crist6bal, dessen nördlichsterTeil der See von Jaltocan heißt, wo auf zwei kleinen Inseln die Dörfer Jaltocan und Tonanitla stehen. Der eigentliche See von San Crist6bal ist von dem von Jal tocan nur durch einen sehr alten Damm getrennt, welcher nach den Dörfern San Pablo und SantoTomas de Chiconautla geht. Der nördlich ste See des Tals von Mexico, der von Zumpango, ist 10 varas höher als der mittlere Wasserstand des Sees vonTezcoco. Ein Damm (la Calzada
de la Cruz del Rey) teilt den See von Zumpango in zwei Bassins, dessen westlichstes den Namen der Laguna de Citlaltepec, das östlichste den der Laguna de Coyotepec führt. Auf dem südlichsten Ende des Tals befindet sich der See von Chalco. Er enthält das hübsche kleine Dorf Xico, das auf einer Insel liegt, und ist vom See von Xochimilco durch die Calzada de San Pedro de T lahuac, einem engen Damm, der von Tulyehualco nach San FranciscoT laltengo geht, abgeschnitten. Die Flä che der süßen Wasserseen von Chalco und Xochimilco liegt bloß und
11 Zoll höher als die Plaza
Toise ist
=
1 vara
m ay o r der Hauptstadt. -Ich glaubte,
2,3316 varas. Don Jorge Juan schätzte die kastilische Vara auf 3 Fuß
von Burgos und einen Fuß von Burgos zu 123� Linien des königl. Fußes. 1783 hatte der Hof von Madrid befohlen, daß sich das Korps der Seeartilleristen des vara-Maßes und das der Landartilleristen der toisen bedienen solle; allein es möchte wohl schwer sein, den Nutzen dieser Verschiedenheit anzugeben. Com pendio de matematicas de Don Francisco Xavier Rovira, B. IV, pp. 57 und 63. Die mexicanische vara ist 61
=
0,839 m.
Die handschriftlichen Materialien, die ich bei Niederschrift dieser Nach
richt über die
Desagüe
benutzt habe, sind: 1. die detaillierten Pläne, welche
1802 auf Befehl des Dekans des obersten Gerichtshofs
diencia de Mexico)
(Decano de la Real Au
Don Cosme de Mier yTrespalacios, aufgenommen wurden;
2. das Memoire, das Don Juan Diaz de la Calle, zweiter Offizier des Staats sekretariats in Madrid, 1646 König Philipp IV. vorgelegt hat; 3. die Instruktion, welche der ehrwürdige Bischof Palafox, Bischof von Puebla und Vizekönig von Neu-Spanien, 1642 seinem Nachfolger, dem Vizekönig Grafen von Salvatierra
(Marques
de Sobroso) übergab; 4. ein Memoire, das der Kardinal Lorenzana,
damaliger Erzbischof von Mexico, dem Vizekönig Bucareli einreichte; 5. eine vomTribunal de Cuentas in Mexico verfaßte Nachricht; 6. ein auf Befehl des Grafen von Revillagigedo aufgesetztes Memoire; und 7. das >Informe de Velaz quezHistoria del DesagüeDe architectura< (25 v. Chr.) ist der einzige er
haltene Bericht über die antike Baukunst. Große Wirkung auf die Architektur der Renaissance und die kolonialspanische Städteplanung.
Buch III
309
Desagüe von der Schleuse von Vertederos oder der von Valderas bis zur B6veda Real nötigen Ausgrabungen verursachen werden, so ist man versucht zu glauben, daß es wohl leichter sein möchte, die Hauptstadt vor der Gefahr, mit welchen ihr der See von Tezcoco immer noch droht, zu schützen, wenn man auf den Plan zurückkäme, dessen Ausführung Sirnon Mendez 81 während der großen
Überschwemmung von 1629 bis
1634 angefangen hat. Herr Velazquez hat diesen Plan 1774 aufs Neue untersucht, und dieser Geometer versichert, nachdem er den Boden ni velliert hat, daß 28 Luftschächte und eine unterirdische Galerie von 13 000 m Länge, welche das Wasser von Tezcoco durch das Gebirge von Citlaltepetl in den Fluß Tequisquiac leitete, mit geringen Kosten und viel schneller ausgeführt werden würden als die Erweiterung des Gra bens des Desagüe, die Vergrößerung seiner Tiefe auf einer Länge von mehr als 9000 m und ein Kanal, der vom See von Tezcoco bis zur Schleuse von Vertederos bei Huehuetoca gegraben werden müßte. Ich war bei den Konferenzen zugegen, welche 1804 dem Beschluß voran gingen, letzteren See durch den alten Durchschnitt des Gebirges von Nochixtonco abzuleiten. Die Vorteile und Nachteile von Mendez' Plan wurden aber in diesen Konferenzen nicht untersucht. Es ist zu hoffen, daß man sich bei Grabung des neuen Kanals von Tezcoco ernstlicher mit dem Schicksal der Indianer beschäftigen wird, als es bisher selbst bei Ausführung der Rigolen von Zumpango und San Crist6bal in den Jahren 1796 und 1798 geschehen ist. Die Eingeborenen hegen den entschiedensten Haß gegen den Desagüe von Huehuetoca. Eine hydraulische Unternehmung wird von ihnen als ein öffentliches Unglück angesehen, und dies nicht nur wegen der vielen Menschen, welche durch traurige Zufälle bei Durchschneidung des Gebirges zu grunde gegangen sind, sondern besonders, weil sie zur Arbeit gezwun gen wurden, ihre häuslichen Angelegenheiten vernachlässigen mußten und während der Ausleerung der Seen in die größte Dürftigkeit verfie len. Seit zwei Jahrhunderten waren mehrere tausend Indianer beinahe unaufhörlich hier beschäftigt, und man kann den Desagüe als die Hauptursache des Elends der Eingeborenen im Tal von Mexico an sehen. Die große Feuchtigkeit, der sie im Graben von Nochixtonco aus gesetzt waren, erzeugte tödliche Krankheiten unter ihnen, und noch vor wenigen Jahren war man so grausam, die Indianer an Seile zu binden und sie wie Galeerensklaven und manchmal krank und sterbend auf der Stelle selbst arbeiten zu lassen. Vermöge einer Mißdeutung der Gesetze und eines Mißbrauchs der seit der Organisation der Intendanzen eingest
Siehe weiter oben.
310
Zweiter Band
führten Grundsätze wird die Arbeit am Desagüe von Huehuetoca als ein außerordentlicher Frondienst angesehen. Ein solches
Überbleibsel von
Mita 82 sollte man nicht in einem Land erwarten, wo die Ausbeutung der Bergwerke heutzutage ein völlig freies Geschäft ist und der Eingebo rene überhaupt eine größere persönliche Freiheit genießt als im nord östlichen Teil Europas. Als ich die Aufmerksamkeit des Vizekönigs auf diese wichtigen Betrachtungen leitete, bediente ich mich der häufigen Zeugnisse, welche das >Informe de Zepeda< enthält. Man liest darin auf allen Seiten, "daß der Desagüe die Bevölkerung und den Wohlstand der Indianer vermindert hat und daß man diesen oder j enen hydraulischen Plan nicht auszuführen wagt, weil die Ingenieure nicht mehr über so viele Indianer verfügen können wie zur Zeit des Vizekönigs Don Luis de Velasco
(des
Zweiten ) ". Indes ist es wenigstens tröstlich zu bemer
ken, was wir zu Anfang des vierten Kapitels zu entwickeln gesucht ha ben, daß diese progressive Entvölkerung nur im Zentralteil des alten Amihuac stattfindet. Bei allen hydraulischen Arbeiten im Tal von Mexico wurde das Was ser bloß als ein Feind betrachtet, gegen den man sich entweder durch Dämme oder durch Ausleerungskanäle verteidigen muß. Wir haben weiter oben bewiesen, daß dieses Verfahren, besonders das europäische System einer künstlichen Austrocknung, den Keim der Fruchtbarkeit auf einem großen Teil des Plateaus von Tenochtitlan zerstört hat. Die Anflüge von kohlensaurem Kali (Tequesquite) vermehrten sich in dem Maß, in welchem die Feuchtigkeit der Atmosphäre und die Masse flie ßenden Wassers abnahmen. Schöne Weiden gewannen nach und nach die Ansicht dürrer Steppen. Auf ganz großen Strichen zeigt der Boden des Tals nichts anderes mehr als eine Kruste von verhärtetem Ton ohne Vegetation und mit häufigen Rissen. Und doch wäre es so leicht gewe sen, die natürlichen Vorteile des Bodens zu nutzen und dieAusleerungs Kanäle der Seen nach Gefallen zur Bewässerung der dürren Ebenen und zur inneren Schiffahrt zu gebrauchen. Die großen Wasserschalen, welche gleichsam stockweise übereinander stehen, erleichtern die An legung von Bewässerungskanälen im höchsten Grad. Südöstlich von Huehuetoca befinden sich drei Schleusen, los Vertederos genannt, die man nur öffnete, wenn man den Fluß Cuautitlan in den See von Zumpango leiten oder wenn man den Rio del Desagüe 82
(den
Durchschnitt des
Siehe S. 159. Der Indianer erhält für die Arbeit am Desagüe täglich zwei
Real de Plata oder 25 Sous. Im 17. Jahrhundert, zu Martfnez' Zeit, zahlte man den Eingeborenen bloß 5 Real oder 3 Franken wöchentlich, gab ihnen aber noch dazu ein gewisses Maß Mais zu ihrem Unterhalt.
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311
Bergs) trockenlegen will, um seine Rigole zu reinigen oder zu vertiefen. Da sich die Spur der alten Mündung des Rio de Cuautith1n, wie sie 1607 gewesen ist, nach und nach verloren hat, so hat man von Vertederos bis zum See von Zumpango einen neuen Kanal gegraben. Anstatt das Was ser aus diesem See und dem von San Crist6bal unaufhörlich aus dem Tal hinaus in den Atlantischen Ozean zu führen, hätte man in den Zwi schenräumen von 18 oder 20 Jahren, in welchen oftmals keine schwemmung eintritt, das Wasser des
Über Desagüe in den niedrigsten Strek
ken des Tals zum Besten des Ackerbaus benutzen und Wasserbehälter für die Zeit der Dürre anlegen können. Allein man folgte lieber dem schon von alters her in Madrid gegebenen Befehl, "daß kein Tropfen Wassers aus dem See von San Crist6bal in den von Tezcoco kommen dürfe, außer einmal des Jahrs, wenn man die Schleusen
de la calzada) möglicht"
83.
(las compuertas
öffnet und in dem ersten dieser Seen den Fischfang er
Der Handel der Indianer von Tezcoco liegt aus Mangel an
Wasser in dem Salzsee, der sie von der Hauptstadt trennt, ganze Mo nate lang darnieder; dürre Strecken Boden dehnen sich beim mittleren Stand des Wassers von Cuautitlan und der nördlichen Seen aus, und dennoch ist es seit Jahrhunderten noch niemand eingefallen, den Be dürfnissen des Ackerbaus und der inneren Schiffahrt zu Hilfe zu kom men. Freilich war schon lange ein kleiner Kanal
(Sanja)
vom See von
Tezcoco bis zu dem von San Crist6bal vorhanden, aber ein Schleusen einsatz von 4 m Fall hätte die Kähne in den Stand gesetzt, von der Hauptstadt bis nach dem letzten dieser Seen zu fahren, und auf Herrn Miers Kanälen wären sie sogar bis zum Dorf Huehuetoca gelangt. So würde eine Wasserkommunikation vom südlichen Ufer des Sees von Chalco bis zur nördlichen Grenze des Tals in einer Ausdehnung von
80 000 m zustande gekommen sein. Unterrichtete und von hohem pa triotischem Eifer belebte Männer haben es freilich gewagt, ihre Stim men 84 für diese Ideen zu erheben; allein die Regierung, welche so lange die besten Pläne entworfen hatte, wollte das Wasser der mexicanischen Seen nicht anders ansehen als ein schädliches Element, von welchem
83
Dieser Fischfang ist eines der größten ländlichen Feste für die Bewohner
der Hauptstadt. Die Indianer bauen dann Hütten auf den Ufern des Sees von San Crist6bal, welcher während dieses Vergnügens beinahe ganz trocken gelegt wird, und diese Sitte erinnert an den Fischfang, den die Ägypter nach Herodots Erzählung zweimal im Jahr bei Eröffnung der Bewässerungs-Schleusen im See Moeris angestellt haben. 84
Zum Beispiel Herr Vehizquez am Schluß seines >lnforme sobre el Des
agüe< (handschriftlich).
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man die Umgehungen der Hauptstadt befreien mußte und dem man kei nen anderen Lauf gestatten durfte als den Ausfluß zu den Küsten des Ozeans. Nun aber, da der Kanal von Tezcoco auf Befehl des Vizekönigs Don Jose de Iturrigarray eröffnet werden soll, kann die freie Schiffahrt durch das große und schöne Tal von Tenochtitlan gar kein Hindernis mehr fin den, und das Getreide und die übrigen Erzeugnisse von Tula und Cuau titlan werden zu Wasser nach der Hauptstadt kommen. Eine Maultier ladung, welche man zu 300 Pfund rechnet, kostet von Huehuetoca bis nach Mexico 6 Real85 oder 4 Franken Transport; man rechnet aber, daß, wenn die Schiffahrt einmal eingerichtet ist, ein indianischer Kahn von 15 000 Pfund Ladung nicht mehr als 4 bis 5 Piaster Fracht und somit 300 Pfund (welche eine
Carga ausmachen) bloß 9 Sous kosten werden.
Mexico wird zum Beispiel den Karren Kalk, für welchen es gegenwärtig 10 bis 12 Piaster bezahlt, um 6 bis 7 Piaster erhalten. Den wohltätigsten Einfluß aber würde ein von Chalco nach Huehue toca schiffbarer Kanal auf denjenigen Teil des inneren Handels von Neu-Spanien haben, welchen man durch den Namen des comercio de tierra adentro bezeichnet und der in gerader Linie von der Hauptstadt aus nach Durango, Chihuahua und Santa Fe in Neu-Mexico geht. Huehuetoca könnte in Zukunft der Speicherplatz für diesen wichtigen
(recuas) ge (arrieros) von Neu-Biskaya und
Handel werden, zu welchem über 50 bis 60 000 Saumtiere braucht werden. Die Maultiertreiber
Santa Fe fürchten auf dieser Straße von 500 Meilen keine Tagreise so sehr wie die von Huehuetoca nach Mexico. Zur Regenzeit werden die Wege im nordwestlichen Teil des Tals, wo der Basalt-Mandelstein mit ei ner dicken Lage Ton bedeckt ist, beinahe ganz unbrauchbar. Viele Maul tiere gehen dort zugrunde, und die übrigen können sich wenigstens in den Umgehungen der Hauptstadt, wo es weder die guten Weideplätze noch die großen Gemeindetriften
(ejidos) wie in Huehuetoca gibt, nicht
von ihren Anstrengungen erholen. Man muß sich lange in Ländern auf gehalten haben, wo aller Handel von Karawanen von Kamelen oder Maultieren getrieben wird, um den großen Einfluß der Gegenstände, die wir eben abgehandelt haben, auf das Glück der Einwohner in seinem ganzen Umfang würdigen zu können. Die im südlichen Teil des Tals von Tenochtitlan gelegenen Seen setzen auf ihrer Oberfläche Miasmen von geschwefeltem Wasserstoff ab, die 85
Ein harter Piaster hat fünf Real de Plata, und in den Werken, welche über
die spanischen Kolonien in Amerika handeln, ist bloß von pesos fuertes und
reales de plata die Rede.
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man, wenn der Südwind weht, in den Straßen von Mexico riecht. Die Azteken bezeichneten sie ehemals in ihrer hieroglyphischen Schrift mit einemTotenkopf. Der See von Xochimilco ist zumTeil mit Pflanzen aus der Familie der Juncaceen und Cyperoidengräser angefüllt, welche in geringerTiefe unter einer Lage stehenden Wassers vegetieren. Man hat der Regierung kürzlich den Vorschlag gemacht 86, in gerader Linie von der kleinen Stadt Chalco nach Mexico einen schiffbaren Kanal zu gra ben, der um ein Drittel kürzer wäre, als der bereits vorhandene ist, auch hegt man zu gleicher Zeit den Plan, die Becken der Seen von Xochi milco und Chalco auszutrocknen und den Boden zu verkaufen, welcher, seit Jahrhunderten von süßem Wasser ausgelaugt, sehr fruchtbar gewor den ist. Indes würde der See von Chalco, da er in seinem Mittelpunkt eine größere Tiefe hat als der See vonTezcoco, nie ganz ausgeleert wer den können. Der Ackerbau und die Gesundheit der Luft aber müßten durch die Ausführung dieses Plans von Herrn Castera gleich sehr gewin nen; denn die südliche Spitze des Tals enthält im Durchschnitt den für den Anbau geeignetsten Boden, weil das kohlensaure und das schwe felsaure Kali hier wegen der unaufhörlichen Filtrationen des von den Höhen des Cerro del Ajusco, des Guarda und der Vulkane abrinnenden Wassers in geringerer Menge vorhanden sind. Übrigens darf nicht ver gessen werden, daß die Ausleerung beider Seen die Trockenheit der Atmosphäre in einemTeil, wo das Delucsche 87 Hygrometer oft auf 15° fällt, noch mehr vermehren würde, und dieses Übel wird so lange unver meidlich sein, wie man die hydraulischen Arbeiten nicht mit einem all gemeinen System verbindet, die Bewässerungskanäle nicht vermehrt, keine Wasserbehälter für die Zeit der Dürre anlegt und keine Schleusen baut, welche, dem verschiedenen Druck der ungleichen Zuführungs kanäle das Gleichgewicht haltend, sich öffnen, um das Wasser der an schwellenden Flüsse zu empfangen und zu stauen. Diese Wasserbehäl ter könnten, wenn sie in gehöriger Höhe angebracht würden, noch dazu benutzt werden, zuweilen die Straßen der Hauptstadt zu waschen und zu reinigen. Zur Zeit einer eben entstehenden Zivilisation sind kühne Entwürfe
86
Informe de Don Ignacio Castera (Handschrift), p. 14.
87
Wenn die Temperatur der Luft 23° Centigrad hat, so sind die 15° des Deluc
schen Hygrometers mit Fischbein soviel wie 42° auf dem Saussuresehen Haarhy grometer. Ich habe die Ursachen dieser außerordentlichen Trockenheit in dem physikalischen Gemälde [> Naturgemälde der TropenEssai sur la geographie des plantesdas Geheimnis einer Meerenge< (el secreto del estrecho) zu suchen, das die Schiffahrt von Cadiz nach Ostindien, damals das Land der Spezereien genannt, um zwei Drittel abkürzen würde. In seiner Antwort an den Kaiser spricht Cortes mit dem größten Enthusiasmus von der Möglichkeit dieser Entdeckung, "welche", wie er hinzusetzt, "Ew. Majestät zum Herrn von so vielen Königreichen machen wird, daß Sie sich füglieh als den Monarchen der ganzen Welt ansehen dürfen" 97. Auf einer dieser Fahrten, welche auf Cortes' eigene Kosten unternommen wurden, entdeckte Hernando de Grijalva die Küsten von Californien im Februar 1534 98• Sein Pilot Fortun Ximenez wurde von den Californiern 96
Der Corregidor Luis Porree de Le6n, der Präsident Nuiio de Guzman und
der Bischof Sebastian Ramirez de Fuenterreal. 97
Cartas de Cortes, pp. 374, 382, 385.
98
Ich habe in einer Handschrift, die in den Archiven des Vizekönigs in Me
xico aufbewahrt wird, gefunden, daß Californien 1526 entdeckt worden sei. Auf was sich diese Angabe gründet, ist mir unbekannt. Cortes spricht in seinen Brie fen an den Kaiser, die bis zum Jahr 1524 gehen, oft von den Perlen, welche man bei den Inseln der Südsee findet; und doch scheinen die Auszüge, welche der Verfasser der >Relacion del Viage al Estrecho de Fuca< ( pp. VII-XXII) aus den kostbaren Handschriften gemacht hat, welche in der Akademie der Geschichte zu Madrid aufbewahrt werden, zu beweisen, daß Californien vor der Expedition des Diego Hurtado de Mendoza im Jahr 1532 gar nicht gesehen worden war.
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in der Bai Santa Cruz, späterhin Hafen de Ia Paz oder des Marques del Valle genannt, umgebracht. Unzufrieden über die Langsamkeit und die geringen Erfolge der Entdeckungen in der Südsee schiffte sich Cortes im Jahr 1535 mit 400 Spaniern und 300 Negersklaven im Hafen von Chiametla
(Chametla) selbst ein. Er steuerte an den beiden Ufern des
Golfs hin, den man damals Cortes-Meer nannte und den der Ge schichtsschreiber G6mara schon 1557 sehr sinnreich mit dem Adriati schen Meer verglichen hat. Während seines Aufenthalts in der Bai Santa Cruz erhielt Cortes jedoch die niederschmetternde Nachricht, daß der erste Vizekönig von Neu-Spanien angekommen sei. Nichtsdestoweniger verfolgte der große Eroberer seine Entdeckungen in Californien ohne Verzug. Da verbreitete sich das Gerücht von seinem Tod in Mexico. Seine Gattin, Juana de Zufiiga, rüstete zwei Kriegsschiffe und eine Karavelle aus, um die Wahrheit dieser traurigen Nachricht zu erforschen. Indes kam Cortes nach tausend Gefahren, die er bestanden hatte, wie der glücklich im Hafen von Acapulco an. Noch ließ er, und immer auf seine eigenen Kosten, die Laufbahn, die er so glorreich eröffnet hatte, durch Francisco de Ulloa verfolgen, und dieser untersuchte auf einer zweijährigen Fahrt die Küsten von Californien bis an die Mündung des Rio Colorado. Die Karte, welche der Pilot Castillo 1541 in Mexico verfertigte und die wir mehrere Male angeführt haben, stellt die Richtung der Küsten der Halbinsel von [Nieder-]Californien ungefähr so dar, wie wir sie heut zutage kennen. Unerachtet dieser Fortschritte der Geographie, welche man dem Genie und der Tätigkeit des Cortes zu verdanken hat, fingen doch mehrere Schriftsteller unter der schwachen Regierung Carlos II. an, Californien als einen Archipel von großen Inseln zu betrachten, die sie die
Islas Carolinas nannten. Die Perlenfischerei zog nur von Zeit zu
Zeit einige Schiffe dahin, die in den Häfen von Jalisco, Acapulco oder Chacala ausgerüstet wurden, und als drei Jesuiten, die Patres Kühn, Sal vatierra und Ugarte, die Küsten, welche das Meer des Cortes (mar rojo o vermejo) einfassen, von 1701 bis 1721 aufs genaueste untersuchten, glaubte man in Europa zum ersten Mal zu erfahren, daß Californien eine Halbinsel ist. Je unvollkommener ein Land gekannt und je entfernter es von den bevölkerten europäischen Kolonien gelegen ist, desto leichter kommt es zum Ruf großer metallischer Reichtümer; denn die Einbildungskraft der Menschen gefällt sich in der Erzählung der Wunder, welche die Leichtgläubigkeit und öfters noch die List der ersten Reisenden in ge heimnisvollem Ton verbreitet. An den Küsten von Caracas spricht man Wunderdinge von den Reichtümern der Länder zwischen dem Orinoco
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und dem Rio Negro, in Bogota rühmt man unaufhörlich die Missionen der Andaquies und in Quito die Provinzen Macas und Maynas. Auch
die Halbinsel [ Nieder- ] Californien ist lange Zeit das Dorado von Neu Spanien gewesen; denn nach der Logik des Volks muß ein Land, das reich an Perlen ist, auch Gold, Diamanten und andere kostbare Steine in Menge hervorbringen. Ein reisender Mönch, Fray Marcos de Niza, machte den Mexicanern mit seinen fabelhaften Nachrichten von der Schönheit des Landes nördlich vom Golf von Californien, der Pracht der Stadt Cibola 99, ihrer ungeheuren Bevölkerung, der guten Ordnung und der Zivilisation ihrer Bewohner die Köpfe heiß, und Cortes und der Vizekönig Mendoza stritten sich im voraus schon um die Eroberung die ses mexicanischen Timbuctu. Erst die Niederlassungen der Jesuiten in Alt-Californien von 1683 an gaben Veranlassung, die große Dürre die ses Landes und die höchste Schwierigkeit kennenzulernen, mit welcher der Anbau desselben verbunden ist. Auch der geringe Vorteil, den die Bergwerke bei Santa Ana nördlich vom Cap Pulmo abwarfen, vermin derte den Enthusiasmus, mit welchem man von den metallischen Reich tümern dieser Halbinsel gesprochen hatte. Indes erweckten doch der Haß und die allgemeine üble Stimmung gegen die Jesuiten den Ver dacht, daß sie der Regierung die Schätze eines Landes verbargen, die von alters her so hoch gepriesen worden waren. Aus diesem Grund ging der Visitador Don Jose de Galvez, den sein chevaleresker Geist zu ei nem Zug gegen die Indianer in Sonora verleitet hatte, nach Californien. Allein er fand bloß nackte Gebirge ohne vegetabilische Erde und ohne
99
Die alte handschriftliche Karte des Castillo setzt die fabelhafte Stadt Ci
bola oder Cibora unter 3r der Breite. Reduziert man ihre Lage aber auf die der
Casas Grandes am Gila, von denen in der Beschreibung der Intendanz Sonora die
Mündung des Rio Colorado, so möchte man glauben, daß die Ruinen der
Rede gewesen ist, zu den Märchen Anlaß gaben, die der gute Pater Marcos de Niza verbreitet hat. Indes scheint mir doch die hohe Zivilisation, welche dieser Mönch unter den Bewohnern dieser nördlichen Gegenden angetroffen haben will, eine ziemlich wichtige Tatsache, die sich an dasjenige anreiht, was wir in unseren Nachrichten über die Indianer am Rio Gila und von Moqui gesagt ha ben. Die Schriftsteller des 16. Jahrhunderts setzten ein zweites
Dorado nord
wärts von Cibola unter 41° der Breite. Hier lag nach ihrer Meinung das König reich Tatarrax und eine ungeheure Stadt namens
Quivira an den Ufern des Sees
von Teguayo, ziemlich nahe beim Rio del Aguilar. Gründet sich diese Sage auf die Behauptungen der Indianer von Amihuac, so ist sie ziemlich merkwürdig; denn die Ufer des Sees von Teguayo, welcher vielleicht mit dem See von Tum panogos [Großer Salzsee] identisch ist, werden von den aztekischen Geschieht schreibern als das Vaterland der Mexicaner angegeben.
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Wasser und in den Felsenrissen zuweilen Opuntien und baumartige Mimosen. Nichts verriet hier Silber oder Gold, das die Jesuiten, wie man sie beschuldigte, aus der Erde gezogen hatten; aber überall erkannte man die Spuren ihrer Tätigkeit, ihres Fleißes und des löblichen Eifers, womit sie ein ödes, dürres Land anzubauen gestrebt hatten. Auf diesem Zug wurde der Visitador Galvez von einem durch seine Talente wie durch die großen Glückswechsel, die ihn betrafen, merkwürdigen Mann begleitet, indem der Ritter Asanza Sekretärsdienste bei ihm leistete. Freimütig bekannte er, was die Operationen der kleinen Armee noch besser bewiesen als die Ärzte von Pitic, und wagte es zu sagen, daß der Visitador wahnsinnig sei. Freilich wurde Herr Asanza dafür arretiert und während fünf Monaten in dem DorfTepotzotlan gefangen gehalten, wo er indes dreißig Jahre später einen feierlichen Einzug als Vizekönig von Neu-Spanien hielt. Die Halbinsel [Nieder-]Californien, die auf einem Flächenraum so groß wie England nicht einmal die Bevölkerung der kleinen Städte Ipswich oder Deptford hat, liegt unter demselben Parallelkreis mit Bengalen und den Kanarischen Inseln. Der Himmel ist daselbst unaufhörlich klar, dunkelblau und ohne Wolken. Erscheinen diese bei Sonnenuntergang auch auf einige Augenblicke, so glänzen sie in den schönsten Abstufungen von Violett, Purpur und Grün. Alle Personen, die sich einige Zeit in Cali fornien aufgehalten haben (und ich kannte deren mehrere in Neu-Spanien), haben die Erinnerung an die außerordentliche Schönheit dieses Phäno mens behalten, das von der besonderen Beschaffenheit der Dunstbläs chen und der großen Reinheit der Luft in diesen Klimaten herrührt. Für einen Astronomen könnte es keinen herrlicheren Aufenthalt geben als Cumana, Coro, die Insel Margarita und die Küsten von Californien. Aber unglücklicherweise ist auf dieser Halbinsel der Himmel schöner als die Erde. Der Boden ist dürr und staubig wie in den Küstengegenden der Provence und die Vegetation so arm wie der Regen selten. Der Mittelpunkt dieser Halbinsel wird von einer Gebirgskette durch schnitten, deren höchste, der Cerro de la Giganta, 1400 bis 1500 m Höhe hat und vulkanischen Ursprungs zu sein scheint. Diese Cordillere wird vonTieren bewohnt, welche in Gestalt und Lebensweise den Muf flon
(Ovis ammon) von Sardinien ähnlich sind und die der Pater Consag
nur unvollständig bekannt gemacht hat. Die Spanier nennen sie wilde Schafe
( Carneros cimarrones). Sie hüpfen wie der Steinbock mit ge
senktem Kopf und haben spiralförmig in sich selbst zurückgewundene Hörner. Nach Herrn Constanz6s 100 Beobachtungen weicht dieses Tier 100
Tagebuch einer Reise nach Alt-Californien und nach dem Hafen von San
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331
wesentlich von den wilden Ziegen ab, welche gräulichweiß und viel grö ßer sind und Neu-Californien, besonders der Sierra de Santa Lucia bei Monterrey, eigens angehören. Auch heißen diese Ziegen, welche viel leicht zum Antilopengeschlecht gehören, im Land selbst
Berrendos. Sie
haben wie die Gernsen rückwärtsgebogene Hörner. Am Fuß der Gebirge von Californien sieht man nichts als Sand oder
(6rganos del tunal) in außerordentlicher Höhe erheben. Man findet daselbst
auch eine Steinlage, auf welcher sich zylinderförmige Kakteen
wenige Quellen, und auch da, wo sie fließen, ist das besondere Un glück, daß der Felsen völlig nackt ist, während es an anderen Orten, da er vegetabilische Erde hat, kein Wasser gibt. Aber überall, wo Wasser und Erde beisammen sind, ist die Fruchtbarkeit des Bodens ungeheuer. Auf diesen wenigen, aber von der Natur besonders begünstigten Punkten haben die Jesuiten ihre ersten Missionen angelegt. Mais, Jatropha und Dioscorea wachsen hier in aller Kraft; die Reben tragen vortreffliche Trauben, deren Wein etwa dem der Kauarischen Inseln ähnlich ist. Im ganzen wird aber Alt-Californien wegen der Dürre seines Bodens und des Mangels an Wasser und vegetabilischer Erde im Inneren des Landes niemals eine große Bevölkerung erhalten können, ebensowenig wie der nördlichste Teil von Sonora, der beinahe gleich trocken und sandig ist. Unter allen Naturprodukten Californiens haben die Perlen seit dem
16. Jahrhundert die Seefahrer am meisten an die Küsten dieses öden Lands gezogen. Ihrer gibt es besonders auf der südlichen Seite dessel ben großen Überfluß, und seit die Perlenfischerei bei der Margarita Insel, der Küste von Araya gegenüber, aufgehört hat, sind die Golfe von Panama und Californien die einzigen Gewässer in den spanischen Kolo nien, welche den europäischen Handel mit Perlen versehen. Die von Californien haben sehr schönes Wasser, sind groß, aber häufig von un regelmäßiger und für das Auge unangenehmer Form. Die Perlenmuschel findet sich besonders in der Bai Cerralvo und um die Inseln Santa-Cruz und San Jose herum. Die kostbarsten Perlen, die der spanische Hof be sitzt, wurden
1615 und 1665 auf den Zügen von Juan Yturbi und Bemal
de Pifiadero gewonnen. Auch während des Aufenthalts des Visitador Galvez
1768 und 1769 in Californien bereicherte sich ein gemeiner Sol-
Diego, ausgearbeitet im Jahr 1769 (handschriftlich) . Dieses Werk war bereits in Mexico gedruckt, als plötzlich alle Exemplare auf Befehl des Ministers konfis ziert wurden. -Für die Fortschritte der Zoologie wäre es zu wünschen, daß man durch die Sorgfalt der Reisenden bald die wahren, spezifischen Charaktere ken nenlernte, welche die Carneros cimarrones von Alt-Californien von den berren
dos in Monterrey unterscheiden.
332
Zweiter Band
dat von dem Presidio de Loreto namens Juan Ocio in kurzer Zeit mit der Perlenfischerei auf der Küste von Cerralvo. Seit der Zeit hat sich aber die Zahl der californischen Perlen, welche in den Handel kommen, aufs äußerste vermindert; denn die Indianer und Neger, die sich zu dem schweren Tauchergeschäft brauchen lassen, werden von den Weißen so schlecht bezahlt, daß diese Fischerei beinahe ganz als aufgehoben an gesehen werden darf, und dieser Gewerbezweig zerfällt hier aus den selben Ursachen, welche im südlichen Amerika die Vicufiafelle, den Kautschuk und selbst die China-Rinde verteuern. Unerachtet Heman Cortes auf seinen Expeditionen nach Californien über 200 000 Dukaten von seinem eigenen Vermögen aufwandte und Sebastian Vizcafno, der unter die ersten Seefahrer seines Jahrhunderts gezählt zu werden verdient, förmlich von dieser Halbinsel Besitz ge nommen hatte, konnten die Jesuiten doch erst 1642 stehende Niederlas sungen auf derselben anlegen. Eifersüchtig auf ihre Macht, kämpften sie mit Erfolg gegen die Anstrengungen der Franziskaner, welche sich von Zeit zu Zeit bei den Indianern einzudrängen suchten. Auch hatten sie gegen noch gefährlichere Feinde, die Soldaten auf den Militärposten, zu streiten; denn auf den äußersten Enden der spanischen Besitzungen im Neuen Kontinent und an den Grenzen der europäischen Zivilisation sind die gesetzgebende und die ausübende Gewalt auf eine sonderbare Weise vereinigt, und der arme Indianer kennt hier keinen anderen Herrn als den Korporal oder den Missionar. In Californien trugen die Jesuiten einen vollständigen Sieg über die Besatzungen der Militär-Posten davon. Der Hof entschied sogar durch ein königliches Dekret, daß alle, selbst der Kapitän des Detachements von San Loreto, unter den Befehlen des Pater-Präsidenten der Missio nen stehen sollten. Die merkwürdigen Reisen der drei Jesuiten Euse bius Kühn, Marfa Salvatierra und Juan Ugarte machten den physischen Zustand des Landes bekannt. Das Dorf Loreto war 1697 schon unter dem Namen des Presidio de San Dionisio gegründet worden. Unter Philipps V. Regierung, besonders von 1744 an, wurden die spanischen Niederlassungen in Californien sehr beträchtlich, und die Jesuiten ent wickelten hier die Handelsindustrie und Tätigkeit, der sie so viele Er folge verdankten, welche sie aber auch so vielen Verleumdungen in bei den Indien ausgesetzt hat. In wenigen Jahren bauten sie 16 Dörfer im Inneren der Halbinsel. Seit ihrer Vertreibung 1767 ist Californien den Dominikanern aus den Klöstern der Stadt Mexico anvertraut worden; allein es scheint, daß diese in den Niederlassungen auf Alt-Californien nicht so glücklich gewesen sind wie die Franziskaner an den Küsten von Neu-Californien.
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Diejenigen Eingeborenen der Halbinsel, welche nicht in den Missio nen leben, stehen vielleicht unter allen Wilden dem sogenannten Natur zustand am nächsten. Ganze Tage bringen sie im Sand, der durch das Zurückprallen der Sonnenstrahlen erhitzt ist, auf dem Bauch liegend ausgestreckt zu, und sie verabscheuen sogar wie mehrere Stämme, die wir am Orinoko gesehen haben, jede Art von Bekleidung. Ein angezo gener Affe, sagt der Pater Venegas, scheint dem Pöbel in Buropa nicht so lächerlich wie ein angekleideter Mann den Indianern von Califor nien. Trotz dieses anscheinenden Stumpfsinns unterschieden die ersten Missionare dennoch verschiedene Religionssekten unter ihnen. Drei Gottheiten, welche einen Vertilgungskrieg miteinander führten, waren der Schrecken von drei californischen Völkerschaften. Die Pericues fürchteten die Macht von Niparaya, die Menquis und die Vehitfes die von Wactupuran und Sumongo. Ich sage, daß diese Horden unsichtbare Wesen fürchteten, nicht daß sie sie anbeteten; denn der Kultus des wilden Menschen ist nichts als eine Anwandlung von Furcht; er ist das Gefühl eines geheimen religiösen Schreckens. Nach den Angaben, welche ich von den Mönchen erhielt, die heut zutage beide Californien beherrschen, hat sich die Bevölkerung Alt Californiens seit 30 Jahren so sehr vermindert, daß es in den Dörfern der Missionen nicht über 4000 bis 5000 Eingeborene gibt, die sich dem Ackerbau ergeben haben
(indios reducidos). Auch die Zahl der Missionen
ist auf 16 heruntergekommen, indem die von Santiaga und Guadalupe aus Mangel an Einwohnern eingegangen sind. Die Pocken und noch eine andere Krankheit, die die europäischen Völker aus Amerika erhal ten haben wollen, wohin sie sie doch zuerst gebracht haben, und welche schreckliche Verwüstungen auf den Inseln der Südsee anrichtet, werden als die Hauptursachen dieser Entvölkerung von Californien angesehen. Indes ist wohl zu vermuten, daß auch noch andere Ursachen vorhanden sind, welche von den politischen Einrichtungen selbst abhängen, und es wäre wohl einmal Zeit, daß sich die mexicanische Regierung ernstlich damit beschäftigte, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die dem Glück der Bewohner dieser Halbinsel entgegen sind. Die Zahl der Wil den beträgt auf derselben kaum noch 4000, und man bemerkt, daß die, welche den nördlichen Teil des Landes bewohnen, ein wenig zivilisierter und sanfter sind als die der südlichen Gegenden. Die hauptsächlichsten Dörfer dieser Provinz sind folgende:
Loreto, Presidio und Hauptort aller Missionen von Alt-Californien, zu Ende des 17. Jahrhunderts von dem Ingotstädter Astronomen, dem Pater Kühn, angelegt.
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Santa Ana, Mission und Real de Minas, berühmt durch Vehizquez' astronomische Beobachtungen.
San lose, Mission, in welcher der Abbe Chappe als Opfer seines Eifers für die Wissenschaften zugrunde gegangen ist 101.
15. Provinz Neu-Californien [=heutiger Staat der USA] Bevölkerung1803 Flächen-Inhalt in Quadratmeilen Bewohner auf einer Quadratmeile
15600 2125 7
Der Teil der Küsten des Großen Ozeans, welcher sich vom Isthmus von Alt-Californien oder von der Bai Todos los Santos (südlich vom Ha fen San Diego) bis gegen das KapMendocino erstreckt, führt auf den spanischen Karten den Namen Neu-Californien
(Nueva California). Es
ist ein langer schmaler Landstrich, auf welchem die mexicanische Regierung seit 40 JahrenMissionen und Militärposten angelegt hat. Nordwärts vom Hafen San Francisco, der über 78 Meilen vom Cap Mendocino entfernt ist, befindet sich weder ein Dorf noch eineMeierei. In ihrem gegenwärtigen Zustand hat die Provinz Neu-Californien bloß 197Meilen Länge und 9 bis10Meilen Breite. Die StadtMexico liegt in gerader Linie so weit weg wie Philadelphia von Monterrey, das der Hauptort derMissionen von Neu-Californien ist und bis auf 4Minuten etwa gleiche Breite mit Oidiz hat. Wir haben weiter oben die Reisen mehrerer Geistlicher angeführt, die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts zu Lande von der Halbinsel Alt-Californien nach Sonora gelangt sind und somit zu Fuß das Meer des Cortes umgangen haben. Zur Zeit von Herrn Gatvez' Expedition kamen auch Militär-Detachements von Loreto bis in den Hafen San Diego, und die Briefpost geht noch heutzutage von diesem Hafen aus 101
Personen, welche sich lange Zeit in Californien aufgehalten haben, ver
sicherten mir, daß die >Noticia< des Paters Venegas, gegen welche von Feinden des aufgehobenen Ordens und selbst vom Kardinal Lorenzana Zweifel erhoben worden sind, sehr genau ist (Cartas de Cortes, p. 327). Noch befinden sich in den mexicanischen Archiven folgende Handschriften, von denen der Pater Bar cos in seiner zu Rom gedruckten >Storia di California< keinen Gebrauch ge macht hat: 1. >Chronica historica de la provincia de Michoacan, con varias ma pas de la CaliforniaCartas originales del Padre Juan Marfa de Salvatierra Diario del Capitan Juan Mateo Mange, que accompano a los padres aposto licos Kino [Kühn] y KappusIndischen Erholungen< gegeben hat, wird das Zuckerrohr in Bengalen hauptsächlich in den Distrikten von Pedda pur, von Jemindars im Delta vor Godavari und an den Ufern des Flusses Elyseram gepflanzt. Man bewässert hier die Pflanzungen, wie man das auch in verschiedenenTeilen von Mexico und imTal von Güines südöst lich von Havanna tut. Damit der Boden nicht erschöpft wird, wechselt man den Bau von Gemüsepflanzen mit dem des Zuckerrohrs, das ge wöhnlich 3m Höhe und 4cm Dicke hat. In Bengalen gibt ein acre (von 2 5368 m ) 2500kg Zucker, so daß demnach 4630kg auf den Hektar kom men. Der Ertrag des Bodens ist also doppelt größer als auf den Antillen, und dabei ist der Tagelohn des freien Inders beinahe dreimal geringer als der des Negersklaven auf der Insel Cuba. In Bengalen geben 6Pfund Rohrsaft ein Pfund kristallisierten Zucker, auf Jamaica aber werden zu gleichem Gewicht 8 Pfund Saft erfordert. Betrachtet man den
vezou als
eine mit Salz geschwängerte Flüssigkeit, so findet man, daß in Bengalen 100Teile derselben 16 und in Jamaica 12Teile auf 100 Zuckerstoff ent halten. Auch ist der Zucker in Ostindien so wohlfeil, daß der Landmann das Quintal zu 4"A Rupien oder das Kilogramm zu 26 Centimes ver kauft, was etwa ein Drittel des Preises ist, den dieser Artikel auf dem Markt von Havanna kostet. Unerachtet sich der Bau des Zuckerrohrs in Bengalen mit erstaunlicher Schnelligkeit verbreitet, so ist der Gesamt Ertrag doch immer noch viel geringer als in Mexico. Herr Bockford nimmt an, daß letzterer in Jamaica viermal ansehnlicher ist als in Ben galen.
[Baumwolle} Die Baumwolle ist eine von denjenigen Pflanzen, deren Bau bei den aztekischen Völkern so alt ist wie der des Mais und des Quinoa. Die be ste Qualität derselben findet man an den Westküsten von Acapulco bis Colima und im Hafen von Cuathin, besonders südlich vom Vulkan von Jorullo zwischen den Dörfern Petathin, Teipa und Atoyaque. Da man aber daselbst die Maschinen zur Absonderung der Wolle vom Korn noch nicht kennt, so hindert der teureTransport diesen Zweig des mexi canischen Ackerbaus noch sehr. Eine Arrobe Baumwolle (algodon con pepita), deren Preis inTeipa 8 Franken ist, kostet wegen des Transports auf Maultieren 15Franken in Valladolid. DerTeil der Ostküste, der sich von den Mündungen der Flüsse Coatzacoalcos und Alvarado bis nach Panuco erstreckt, könnte dem Handel von Veracruz eine ungeheure Menge Baumwolle liefern; aber dieses Litoral ist beinahe unbewohnt,
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und der Mangel an Armen macht die Lebensmittel daselbst so teuer, daß alle landwirtschaftlichen Niederlassungen die größten Schwierig keiten finden. Neu-Spanien gibt Buropa jährlich bloß 25 000 arrobas oder 312 000 kg Baumwolle; aber so gering diese Quantität an sich ist, so ist sie doch das Sechsfache von derjenigen, welche die Vereinigten Staaten (nach den Angaben, welche ich der Güte des Herrn Gallatin, Finanzministers in Washington, verdanke) noch 1791 als eigenes Erzeug nis ausführten. Aber die Schnelligkeit, mit der das Gewerbe bei einem freien, weise regierten Volk steigt, ist so groß, daß einer Note zufolge, die mir derselbe Staatsmann gegeben hat, die Häfen der Vereinigten Staaten ausführten: 1797 : 2 500 000 Pf. einheimische und 1 200 000 Pf. fremde Baumwolle, 1800: 366 0 000 Pf. einheimische und 14120 000 Pf. fremde Baumwolle, 1802: 3 400 000 Pf. einheimische und 24100 000 Pf. fremde Baumwolle, 1803: 3 493 544 Pf. einheimische und 37 712 0 79 Pf. fremde Baumwolle. Aus diesen Angaben des Herrn Gallatin erhellt, daß der Ertrag der Baumwolle in zwölf Jahren 7 50mal größer geworden ist. Vergleicht man die physische Lage von Mexico mit der der Vereinigten Staaten, so ist kein Zweifel, daß beide Länder allein dereinst alle Baumwolle erzeugen können, welche Buropa für seine Manufakturen braucht. Die einsichts vollen Kaufleute der Handelskammer von Paris haben vor wenigen Jah ren in einer gedruckten Denkschrift erklärt, daß die Totaleinfuhr von Baumwolle in Buropa 30 000 000 kg betrage. Aber ich glaube, daß die ser Anschlag noch viel zu niedrig ist; denn die Vereinigten Staaten allein führen jährlich über 22 000 000 kg Baumwolle aus, die 7 920 000 Dollar oder nahe an 40 000 000 Livres ausmachen. Überall, wo das Klima den Baumwollanbau nicht zuläßt, wie in den Provincias internas und selbst in der Äquinoktialgegend auf Plateaus, deren mittlere Temperatur unter 14° des lOOgradigen T hermometers steht, könnten Flachs und Hanf mit Nutzen gebaut werden. Der Abbe Clavigero behauptet, daß der Flachs in der Intendancia Valladolid und in Neu-Mexico wild wachse; aber ich glaube nicht, daß diese Behaup tung auf die zuverlässige Beobachtung eines reisenden Botanikers ge gründet ist. W ie dem auch sei, so ist gewiß, daß bis auf diesen Tag in Mexico weder Hanf noch Flachs gebaut wird. Spanien hat einige ein sichtsvolle Minister gehabt, welche diese beiden Zweige der Kolonialin dustrie begünstigen wollten; allein diese Begünstigung war immer schnell wieder zu Ende. Der Rat von Indien, dessen Einfluß dauernd ist wie der von allen Institutionen, in welchen die nämlichen Grundsätze fortbeste hen, war unaufhörlich der Meinung, daß das Mutterland den Anbau des
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Hanfs, des Flachses, des Weinstocks, des Oliven- und des Maulbeer baums hindern müßte. Die Regierung verkannte ihren wahren Vorteil und sah das Volk lieber mit Baumwollzeug bekleidet, das in Manila und in Kanton gekauft oder auf englischen Schiffen nach Cactiz gebracht worden war, als daß sie die Manufakturen von Neu-Spanien beschützte. Indes ist zu hoffen, daß der gebirgige Teil von Sonora, die Intendancia Durango und Neu-Mexico dereinst im Erzeugnis des Flachses mit Ga licien und Asturien wetteifern werden. Den Hanf betreffend, wäre es wichtig, nicht die europäische Gattung, sondern diejenige in Mexico einzuführen, welche in China
(Cannabis indica)
gebaut wird und deren
StengelS bis 6 m Höhe erreicht. Übrigens darf man annehmen, daß sich der Hanf- und Flachsanbau in derjenigen Gegend, wo die Baumwolle im Überfluß ist, nur sehr langsam ausbreiten wird. Das Rösten beider erfordert mehr Sorgfalt und Arbeit als die Absonderung der Baumwolle von ihren Körnern, und in einem Land, wo wenig Arme sind und große Trägheit herrscht, zieht das Volk immer einen Kulturzweig vor, dessen Produkt schnell und leicht angewendet werden kann.
[Kaffee] Der Bau des Kaffeebaums hat auf der Insel Cuba und in den spani schen Kolonien des Kontinents erst seit der Zerstörung der Plantagen von Santo Domingo angefangen 37• Aber schon 1804 erzeugten Cuba 12000 und die Provinz Caracas nahezu 5000 Quintale. Neu-Spanien hat mehr und beträchtlichere Zuckersiedereien als die Terra Firma; aber der Ertrag des Kaffees ist daselbst noch völlig null, unerachtet kein Zweifel ist, daß der Anbau desselben in den gemäßigten Gegenden, be sonders auf der Höhe der Städte Jalapa und Chilpancingo, vortrefflich gedeihen würde. Überhaupt ist der Gebrauch des Kaffees in Mexico 37
Der französische Anteil von Santo Domingo erzeugte 1783 bloß 445 734
Quintale Kaffee, fünf Jahre später hingegen bereits 762865. Und doch war der Preis 1783 für das Quintal 50 Franken und 1788 94 Fr.; welches beweist, wie sehr sich der Gebrauch des Kaffees trotz der Erhöhung seines Preises ausgebreitet hat. Nach Raynal liefert Njemen 130 000 und nach Herrn Page 150 000 Quintale, welche beinahe ganz nach der Türkei, nach Persien und Indien ausgeführt wer den. Ile de France [Mauritius] und Ile de Bourbon [Reunion]liefern 45 000 Quintale. Nach den Nachrichten, die ich gesammelt habe, scheint ganz Europa zusammen jährlich gegen 53 000 000 kg Kaffee zu konsumieren. Ein Kaffee baum gibt in gutem Boden 1 kg Kaffee; und man pflanzt 960 Stämme auf einen Hektar.
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noch so selten, daß das ganze Land jährlich nur 400-500 Quintale ver braucht; während der Konsum dieses Artikels in Frankreich, dessen Be völkerung kaum fünfmal stärker ist als die von Neu-Spanien, nahezu 230 000 Q. beträgt.
[Cacao] Der Bau des Cacaobaums
( Cacri oder Cacava quahuitl) war zu Mocte
zumas Zeit schon sehr verbreitet in Mexico, und hier lernten die Spanier diesen köstlichen Baum kennen, den sie in der Folge nach den Kauarischen und Philippinischen Inseln verpflanzt haben. Die Mexicaner bereiteten eine Art von Getränk,
chocolatl genannt, in welchem etwas Maismehl, (tlilx6chitl) und die Frucht einer Pfeffergattung (Mecax6chitl) Cacao (Cacahuatl) 38 vermischt waren. Sie verstanden es sogar, die
Vanille mit
Chocolade in Tafeln zu formen, und diese Kunst zusammen mit den Werk zeugen, deren man sich bediente, um den Cacao zu mahlen und dem Namen Chocolatl ist von Mexico nach Buropa übergegangen. Um so mehr muß man sich daher wundern, wenn man den Bau des Cacaobaums heutzutage beinahe allgemein vernachlässigt sieht. Kaum findet man einige Stämme in den Umgehungen von Colima und an den Ufern des Coatzacoalcos. Die Cacao-Pflanzungen in der Provinz Tabasco sind sehr unbeträchtlich, und Mexico zieht allen Cacao, dessen es für seinen Ver brauch bedarf, aus dem Königreich Guatemala, von Maracaibo, Caracas und Guayaquil. Dieser Verbrauch scheint jährlich 30 000 fanegas, jedes von 50 kg Gewicht, zu betragen. Der Abbe Hervas behauptet, daß ganz Spanien 90 000 fanegas konsumiere 39• Aus dieser Schätzung, welche mir etwas zu niedrig scheint, erhellt, daß Spanien nur ein Drittel von allem jährlich in Buropa eingeführten Cacao verbraucht. Denn nach den Untersuchungen, die ich von 1799 bis 1803 an Ort und Stelle gemacht habe, fand ich, daß die jährliche Ausfuhr des Cacao betrug: 38
Hermindez, lib. II, cap. 15, lib. 111, cap. 46, lib. V, cap. 13. Zu Hernandez'
Zeit unterschied man vier V arietäten Cacao, welche quauhcahuatl, mecacahu atl, xochicucahuatl und tlacacahuatl hießen. Letztere Varietät hatte sehr kleine
Körner. Der Baum, welcher sie trug, war ohne Zweifel mit dem Cacaobaum analog, den wir an den Ufern des Orinoco, östlich vor der Mündung des Yao, wild gefunden haben. Derjenige Cacaobaum, welcher seit Jahrhunderten gebaut wird, hat größere, süßere und öligere Körner. Inzwischen muß man Theobroma cacao, von dem ich in unseren >Plantes equinoxiales< (B. 1, Pl XXX, a. und b,
pp. 104ff.) eine Zeichnung gegeben habe und der der Provinz Choco eigentüm lich ist, nicht mit dem Theobroma bicolor verwechseln. 39
Idea del Universo, B. V, p. 174.
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in den Provinzen Venezuela u. Maracaibo
145 000 fanegas,
in der Provinz Neu-Andalusien (Cumami)
18000 fanegas,
in der Provinz Neu-Barcelona im Königreich Quito, aus dem Hafen von Guayaquil
5 000 fanegas, 60 000 fanegas.
Der Wert dieser 12 500 000 kg Cacao steigt in Europa zu Friedenszei ten, und die fanega nur zu 40 Piastern gerechnet, auf die Summe von
45 600 000 Livr. Tourn. In den Kolonien sieht man die Chocolade nicht als einen Luxus-Gegenstand, sondern als eines der ersten Bedürfnisse an, und wirklich ist sie auch ein gesundes, sehr nahrhaftes und beson ders den Reisenden dienliches Nahrungsmittel. Die zu Mexico verfer tigte Chocolade ist von besonders vorzüglicher Qualität, indem der Handel von Veracruz und Acapulco den berühmten Cacao von Soco nusco (Xoconosco) von den Küsten von Guatemala, den von Gualtin vom Golf von Honduras bei Omoa, den von Oritucu nahe San Seba stüin, den von Capiricual aus der Provinz Neu-Barcelona und den von Esmeralda aus dem Königreich Quito nach Neu-Spanien leitet.
Zur Zeit der aztekischen Könige dienten die Cacao-Bohnen auf dem großen Markt von Tenochtitlan wie die Muscheln auf den Maledivi sehen Inseln als Münze. Zur Chocolade brauchte man den Cacao von Soconusco, der am östlichen Ende des mexicanischen Reiches angebaut wird, und die kleinen Bohnen desselben, tlalcacahuatl genannt; die Gattungen von geringerer Qualität hingegen wurden zur Münze genom men. "Da ich wußte", sagte Cortes in seinem ersten Brief an Kaiser Karl V., "daß in der Provinz Malinaltebeque Gold in Menge war, so beredete ich den Herrn Moctezuma, daselbst eine Pachtung für Ew. Majestät anzulegen. Diese betrieb er auch mit solchem Eifer, daß man in nicht völlig zwei Monaten daselbst sechzig fanegas Mais und zehn fanegas Bohnen gesät hatte. Auch waren zweitausend Stämme cacap (Cacaobäume) gepflanzt worden, welche eine Frucht tragen, die den Mandeln ähnlich ist und gemahlen verkauft wird. Diese Körner sind im ganzen Land so geschätzt, daß man sie als Münze braucht und damit auf den Märkten und überall einkauft." 40 Auch heutzutage braucht man den Cacao noch als Scheidemünze in Mexico; denn da die kleinste Münze in den spanischen Kolonien ein halber Real (un medio) ist, so findet das Volk den Cacao zur Scheidemünze bequem und läßt zwölf Bohnen für einen medio gelten.
40
Lorenzana, p. 91, § 26.- Clavigero, I, p. 4; II, p. 219; IV, p. 207.
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[Vanille] Der Gebrauch der Vanille ist von den Azteken auf die Spanier über gegangen. Wie wir oben bemerkt haben, war die mexicanische Choco lade mit verschiedenen Aromen gewürzt, unter denen die Hülse der Vanille den ersten Platz behauptete. Heutzutage handeln die Spanier mit diesem köstlichen Produkt nur, um es an die anderenVölker von Eu ropa zu verkaufen. Die spanische Chocolade enthält keineVanille, und selbst in Mexico herrscht das Vorurteil, daß dieses Gewürz der Gesund heit, besonders von Menschen, die ein sehr reizbares Nervensystem haben, schädlich sei. Mit allem wichtigen Ernst sagt man einem, daß die Vanille Nervenkrankheiten
(la vainilla da pasmo)
verursache; aber vor
wenigen Jahren urteilte man in Caracas auch so über den Gebrauch des Kaffees, der sich indes jetzt doch unter den Eingeborenen zu verbreiten anfängt. Zieht man den ungeheuren Preis in Betracht, auf welchen sich dieVa nille beständig in Buropa hält, so muß man über die Sorglosigkeit der Bewohner des spanischen Amerikas erstaunen, welche die Kultur einer Pflanze vernachlässigen, die in den Tropenländern überall, wo Hitze, Schatten und große Feuchtigkeit herrschen, von selbst vorkommt. Alle Vanille, die in Buropa verbraucht wird, kommt aus Mexico, und zwar allein überVeracruz. Sie wird auf einem Raum von einigen Quadratmei len gesammelt; aber es ist kein Zweifel, daß die Küste von Caracas und selbst Havanna einen sehr ansehnlichen Handel damit treiben könnten. Auf unseren botanischen Zügen fanden wir Hülsen von sehr aroma tischen und außerordentlich großenVanillen in den Gebirgen von Caripe an der Küste von Paria, im schönen Tal von Bordones bei Cumami, in der Umgegend von Portocabello und Guaiguaza, in den Wäldern von Turbaco bei Cartagena, in der Provinz Jaen an den Ufern desAmazonas und in Guayana am Fuß der Granitfelsen, welche die großen Katarakte des Orinoco bilden. Die Bewohner von Jalapa, welche mit der schönen mexicanischen Vanille von Misantla handeln, erstaunten über die Vortrefflichkeit derjenigen, die Herr Bonpland vom Orinoco zurück brachte und die wir in den Gehölzen um den Raudal de Maipure ge pflückt hatten. Auf der Insel Cuba findet manVanille-Pflanzen
drum vanilla)
(Epiden
an den Küsten von Bahfa Honda und in Mariel. Die von
Santo Domingo hat eine sehr lange, aber schwach riechende Frucht; denn häufig ist eine große Feuchtigkeit, so sehr sie auch dieVegetation begünstigt, der Entwicklung des Aromas entgegen. Übrigens darf ein reisender Botaniker nicht nach dem Geruch, den dieVanille in den ame rikanischen Wäldern verbreitet, über ihre Güte urteilen; denn dieser
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Dritter Band
Geruch kommt großenteils von der Blüte her, welche in den tiefen und feuchten Tälern der Anden manchmal eine Länge von 4 bis 5 cm erreicht. Der Verfasser der >Philosophischen Geschichte beider IndienNotes on the state ofVirginia< (London 1783, Phila-
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in der Insel selbst konsumiert und 128 000 nach Spanien geschickt wur den. Dieser Zweig der Kolonial-Industrie ist selbst im gegenwärtigen Zustand des Monopols der Einschränkung von höchster Wichtigkeit. Die r enta de tabaco der Halbinsel wirft reine 6000 000 Piaster ab, ein Gewinn, der großenteils dem Verkauf des von Cuba nach Sevilla ge schickten Tabaks verdankt wird. Die Magazine letzterer Stadt enthalten zuweilen Vorräte von 18 000 000 bis 19 000 000 Pfund bloß an Schnupf tabak, deren Wert die ungeheure Summe von 200 000 000 Livr. tourn. beträgt.
[Indigo] Der Bau des Indigo [aiiilj, welcher im Königreich Guatemala und in der Provinz Caracas so verbreitet ist, wird in Mexico äußerst vernach lässigt. Die Pflanzungen, welche man längs der West-Küsten findet, rei chen kaum für die wenigen Zeugfabriken inländischer Baumwolle hin. Jährlich wird daher aus dem Königreich Guatemala Indigo eingeführt, wo das Totalprodukt der Pflanzungen auf den Wert von 12 000 000 Livr. tourn. steigt. Dieser Färbestoff, über welchen Herr Beckmann gelehrte Untersuchungen angestellt hat, war den Griechen und Römern unter dem Namen lndicum bekannt. Das Wort aiiil, welches in die spanische Sprache übergegangen ist, kommt vom arabischen Wort iiir oder iiil her. Hermindez, wenn er vom mexicanischen Indigo spricht, nennt ihn aiiir. Zur Zeit des Dioscorides bezogen die Griechen den Indigo aus Gedro sien, und Marco Polo beschrieb im 13. Jahrhundert seine Zubereitung in Hindostao mit großer Genauigkeit. Es ist ganz unrichtig, wenn Ray nal behauptet, daß die Europäer den Anbau dieser köstlichen Pflanze in Amerika eingeführt haben. Mehrere Gattungen der Indigofera gehören dem Neuen Kontinent eigentümlich zu. Fernando Columbus nennt den Indigo in der Lebensbeschreibung seines Vaters unter den Produkten der Insel Haiti, und Hemandez erzählt das Verfahren, wodurch die Ein geborenen von Mexico das Stärkemehl aus dem Saft dieser Pflanze auszogen, und dieses Verfahren ist sehr von dem heutzutage gebräuch lichen verschieden. Die kleinen Brote von am Feuer getrocknetem In digo nannte man mohuitli oder tleuohuilli, und die Pflanze selbst hieß
xiuhquilipitzahuac. Hemandez 50 schlug seinem Hof vor, den Indigobau delphia 1788) kannte Humboldt bereits, ehe er dem Präsidenten am 1. 6. 1804 in Washington erstmals begegnete. Anm. d. Hrsg.] 50
Hermindez, lib. IV, cap. 12, p. 108. - Clavigero, II, 189. - Beckmann, I,
cap. IV, 474-532.- Berthollet, Elemens de l'art de Ia teinture, II, 37.
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im südlichen Teil von Spanien einzuführen; ich weiß aber nicht, ob sein Rat befolgt worden ist. Das hingegen ist zuverlässig, daß der Indigo bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts in Malta ganz gewöhnlich war. Diejenigen Gattungen von Indigofera, aus welchen der Indigo heut zutage in den Kolonien gezogen wird, sind folgende:
Indigofera tinctoria,
I. afiil, I. disperma, I. argentea. Noch dreißig Jahre nach der Eroberung schrieben die Spanier, weil sie noch kein Material zur Verfertigung der Tinte ausfindig gemacht hatten, mit Indigo, was die Papiere beweisen, welche in den Archiven des Herzogs von Monte-Leone, des letzten Zweigs von Cortes' Familie, aufbewahrt werden. Aber auch noch heut zutage schreibt man in Bogota mit dem Saft, der aus den Früchten der uvilla
(Cestrum tinctorium)
gepreßt wird, und es ist sogar ein Befehl des
Hofs vorhanden, der den Vizekönigen zur Pflicht macht, in offiziellen Papieren bloß das Blau der uvilla zu gebrauchen, weil man gefunden hat, daß es unzerstörbarer ist, als die beste europäische Tinte.
[Tiere] Nachdem wir sorgfältig die Vegetabilien untersucht haben, welche wichtige Gegenstände des Ackerbaus und Handels von Mexico sind, müssen wir noch einen flüchtigen Blick auf die Produkte des Tierreichs werfen. Unerachtet das gesuchteste unter diesen, die Cochenille, ur sprünglich Neu-Spanien angehört, so ist doch zuverlässig, daß dieje nigen, welche den größten Einfluß auf das Wohl der Einwohner haben, vom Alten Kontinent dahin gekommen sind. Die Mexicaner hatten es noch nicht versucht, die beiden Gattungen wilder Ochsen (Bos
nus
und
B. moschatus),
america
welche herdenweise in den Ebenen am Rfo
Grande del Norte herumstreiten, zu Haustieren zu machen. Auch kann ten sie das Lama nicht, das in den Anden nicht über die Grenzen der südlichen Hemisphäre hinausgeht. Sie verstanden weder die wilden Schafe von Californien noch die Bergziegen von Monterrey zu nützen. Unter den zahlreichen Varietäten von Hunden 5\ welche Mexico eigen-
51
Siehe meine: Ansichten der Natur [siehe diese Studienausgabe, Band V,
S. 69-71]. Ein Stamm in den nördlichen Provinzen, der der Comanchen, braucht die mexicanischen Hunde, gleich mehreren sibirischen V ölkern, zum Transport der Zelte. Die Peruaner von Jauja und Huanca aßen ihre Hunde
(runalco),
und die Azteken verkauften das Fleisch des stummen Hundes
techichi, den man, um ihn fett zu machen, verschnitt, auf dem Markt: Lorenzana, p.103.
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tümlich sind, diente nur eine, die der techichi, den Bewohnern zur Speise. Ohne Zweifel fühlte man das Bedürfnis von Haustieren vor der Eroberung weniger, da jede Familie nur eine kleine Strecke Boden anbaute und ein großer Teil des Volkes sich beinahe ausschließlich von Vegetabilien nährte. Inzwischen zwang der Mangel an solchen Tieren eine zahlreiche Klasse von Einwohnern, die der tlamama, das Gewerbe der Saumtiere zu treiben und ihr Leben auf den großen Straßen zuzu bringen. Sie waren mit großen ledernen Kisten (mexicanisch petlacalli und spanisch petacas) belastet, welche Waren von 30 bis 40 kg Gewicht enthielten. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an haben sich die nützlichsten Tiere des Alten Kontinents, die Ochsen, die Pferde, die Schafe und die Schweine, in allen Teilen von Neu-Spanien, besonders in den großen Ebenen der Provincias internas in erstaunlicher Weise vermehrt. Es wäre überflüssig, Huffons Meinung über die angebliche Ausartung der Haustiere, welche nach dem Neuen Kontinent gebracht worden sind, hier52 zu widerlegen. Dergleichen Ideen verbreiteten sich leicht, weil sie der Eitelkeit der Europäer schmeichelten und sich an glänzende Hypothesen über den alten Zustand unseres Planeten anknüpfen ließen. Allein untersucht man die Tatsachen genau, so erkennt der Naturforscher Harmonie, wo der beredte Schriftsteller nur Kontraste fand. Eine große Menge Hornvieh lebt längs der Ostküsten von Mexico, besonders an der Mündung der Flüsse Alvarado, Coatzacoalcos und Panuco, wo große Herden immergrüne Weiden finden. Die Hauptstadt aber und die zunächst liegenden großen Städte beziehen ihren Fleisch bedarf aus der Intendancia Durango. Die Eingeborenen bekümmern sich gleich den meisten asiatischen Völkern östlich vom Ganges53 wenig um Milch, Butter und Käse. Letzterer ist aber von den Kasten von ge mischtem Blut sehr gesucht und macht einen beträchtlichen Zweig des Binnenhandels aus. In der statistischen Tabelle, welche der Intendant von Guadalajara 1802 bekanntgemacht hat und die ich mehrmals anzu führen Gelegenheit hatte, ist der Wert des jährlich gegerbten Leders zu 52
Diese Widerlegung befindet sich in dem vortrefflichen Werk von Herrn Jef
ferson > Über V irginienRecueil d'observations de Zoologie et d'anatomie compareeEstado de la real Hacienda de Nueva Espafia en un afio commun del quinquenio de 1784 hasta 1789Viagero Universal< in ihren Bänden 36 und 27 (Madrid 1799) "die einzige hell leuchtende Ausnahme" der statistischen Literatur über Mexico war: siehe Donald D. Brand, a. a. 0., S. 125ff. in Fußn. 13 des Kommentars am Schluß des vorliegenden Bandes. Es ist bisher nicht beachtet worden, daß Humboldt dieses wichtige Werk wenig stens indirekt herangezogen hat, wie nicht nur der obige Text erweist. Siehe auch S. 493 in diesem Band der Studienausgabe, Fußnote 1. ]
Dritter Band
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Aus dieser Tabelle folgt, daß der Zehnte von Neuspanien in diesen sechs Diözesen betragen hat: von 1771-1779 auf 13 357 157 harte Piaster, von 1779-1789 auf 18 353 821 harte Piaster. Die Totalerhöhung machte demnach in den letzten zehn Jahren 5 000 000 Piaster oder zwei Fünftel des Gesamtertrags aus. Diese Anga ben beweisen zugleich, daß die Fortschritte des Ackerbaus in den In tendancias Mexico, Guadalajara, Puebla und Valladolid viel schneller sind als in der Provinz Oaxaca und in Neu-Biscaya. Der Zehnte hat sich im Erzbistum Mexico beinahe verdoppelt; denn so, wie er in den zehn dem Jahr 1780 vorangehenden Jahren erhoben wurde, verhielt er sich gegen die zehn nachfolgenden wie 10 zu 17. In der Intendancia Durango oder in Neu-Biscaya verhielt sich die Vermehrung nur wie 10 zu 11. Der berühmte Verfasser der >Untersuchungen über den National reichtum Über die agrarischen Gesetzeltin eraire descriptif de l'Espagn eÜber Handel und See wesen< 24, seine Berechnungen auf die von Don Sancho de Moncada und von Don Pedro Fernandez de Navarrete. Ersterer, welcher Profes sor an der Universität von Alcala war, behauptet ganz unbestimmt, "daß nach einer dem König vorgelegten Darstellung von 1492 bis 1595
zwei Milliarden Piaster Gold und Silber aus den amerikanischen Berg23
Forbonnais, Raynal, Gerboux und der scharfsinnige Verfasser der Recher
ehes sur le commerce (Amsterdam 1778). 24
Die Pariser Ausgabe von 1753, p. 11 und Toze, Kleine Schriften, 1791,
p. 99.
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Vierter Band
werken nach Spanien gekommen seien; daß zum wenigsten dieselbe Quantität, ohne registriert worden zu sein, eingeführt worden sei und daß es schwer sein würde, von diesem vielen Gold und Silber nur 200 000 000 sowohl in Münze wie in Gerätschaften in Spanien zu fin
den". Zu diesen 200 000 000 setzt Ustariz alsdann noch 1 536 000 000, welche von 1595 bis 1724 nach Spanien gegangen seien, so daß demnach dasTotalprodukt des spanischen Amerika von 1492 bis 1724 in Gold und Silber den Wert von 5 536 000 000 Piaster betragen hätte. Es ist leicht zu beweisen, daß diese Berechnung gar nicht auf siche rem Grund ruht[ .
.
. ].
Ein sehr kleinerTeil von dem Gold und Silber, das aus den amerikani schen Bergwerken kommt, geht unmittelbar, ohne Buropa zu berühren, nach Afrika und Asien über. Wir schätzen die Quantität von kostbaren Metallen, welche seit Ende des 16. Jahrhunderts von Acapulco nach den Philippinischen Inseln geführt worden ist, jährlich auf 600 000 Pia ster25. Die Expeditionen von Lima nach Manila waren selbst in den letzten Zeiten ziemlich selten. Die von den Antillen und ehemals aus den Häfen der Vereinigten Staaten wegen des Negerhandels nach den Westküsten von Afrika gesandten Schiffe führten Feuergewehre, Branntwein, Kurzwaren, europäischesTuch und auch gemünztes Silber aus; allein diese Ausfuhr wird wieder durch den Kauf von Goldstaub an den Küsten von Guinea und durch den äußerst einträglichen Handel vergütet, welchen die Angloamerikaner mit mehreren Ländern von Buropa treiben. Ziehen wir nun von den 5 706 000 000 Piastern, welche seit der Ent deckung Amerikas bis auf unsere Zeit aus dessen Bergwerken gezogen worden sind, ab: 153 000 000 Piaster, welche gemünzt oder in Gold und Silber verarbei
tet im zivilisiertenTeil von Amerika sind, und 133 000 000 Piaster, welche von den Westküsten Amerikas nach Asien
gegangen sind, 286 000 000 Piaster,
so finden wir, daß Buropa seit drei Jahrhunderten 5 420 000 000 Piaster aus der Neuen Welt erhalten hat; rechnen wir sodann andererseits die
25
Es ist mir nicht unbekannt, daß Lord Anson auf der Galeone von Aca
pulco, welche in seine Hände fiel, die Summe von 1357 454 Piaster gefunden hat (>Ansons ReiseFlora mexicana< der HerrenSesse und Cervantes werden beschrieben werden) und der euro päischen Salsola soda ziehen, die im Tal von Mexico sowohl zum Essen als Gemüse als zu diesem eben genannten Gebrauch gebaut wird. Diese Soda von Xaltocan ist mit viel schwefelsaurem Kali und schwefelsaurer Kalkerde gemischt, so daß die kohlensaure Soda, welche beinahe über all im Tonboden als Blüte vorkommt, viel besser zum Glasmachen wäre. Man schmilzt die Fritte nicht wie in Europa in Töpfen von Ton, sondern in Tiegeln von einem sehr leicht brechenden Porphyr, der aus einem Bruch bei Pachuca gewonnen wird. Jährlich wird in den Glasöfen für mehr als 15 000 Franken Holz verbrannt; eine Retorte kostet gegen 14 Sous, und deren werden das Jahr über 50 000 zerbrochen.
Buch V
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Die Salpetersäure, welche zum Scheiden gebraucht wird, fabriziert man durch Zerlegung rohen Salpeters vermöge einer Vitriolerde
(colpa),
die eine Mischung von Alaun, schwefelsaurem Eisen und rotem
Eisenoxid enthält. Diese colpa kommt aus den Gegenden von Tula, wo ein Bergwerk für Rechnung der
Farbenpachtung
bearbeitet wird. Der
Salpeter vom ersten Sud wird dem Scheidehaus von der königlichen Pul verfabrik geliefert. Jede Retorte erhält acht Pfund colpa und ebensoviel unreines salpetersaures Kali, und die Destillation dauert
36 bis 40 Stun
den. Die Öfen sind rund und ohne Roste. Die Salpetersäure, welche aus der Zerlegung eines mit Kochsalz sehr stark geschwängerten Salpe ters entsteht, enthält notwendig viel Salzsäure, die man durch einen Beisatz von salpetersaurem Silber wegnimmt. Man kann über die unge heure Menge von Hornsilber, welche in dieser Anstalt gewonnen wird, urteilen, wenn man sich erinnert, daß in derselben eine Quantität von Salpetersäure gereinigt wird, die zum Scheiden von 7000 Mark Gold im Jahr hinreicht. Das Hornsilber wird im Feuer zerlegt oder durch Schmelzen mit Bleischrot. Ohne Zweifel wäre es vorteilhafter, zur Destillation von Scheidewasser statt des Salpeters vom ersten Sud gerei nigten Salpeter zu nehmen. Bis jetzt hat man die langsame und be schwerliche Methode der Reinigung der Säure durch salpetersaures Silber befolgt, weil die
casa real del Apartado
den Salpeter von der
königlichen Pulver- und Salpeter-Fabrik kaufen muß, die den Zentner raffinierten Salpeter nicht anders als zu
126 Franken liefern will.
Das Scheiden des Golds und Silbers, welches in Körner verwandelt wird, um die Berührungspunkte zu vervielfältigen, geschieht in Retor ten von Glas, die in langen Reihen auf den Ringen der Galeerenöfen von 5 bis 6 m Länge stehen. Diese Galeerenöfen werden nicht durch ein Feuer erhitzt, sondern zwei bis drei Phiolen bilden sozusagen einen be sonderen Ofen. Das Gold, welches unten in den Phiolen bleibt, wird in Stangen von 50 Mark Gewicht gegossen, während das salpetersaure Sil ber durch Destillation in den Retorten vom Feuer zersetzt wird. Um das kristallisierte Silber zu gewinnen, müssen die Retorten zerbrochen wer den; allein man könnte sie wahrscheinlich erhalten, wenn man das Sil ber mit Kupfer niederschlüge; wozu freilich eine andere Operation zur Zerlegung des Salpetersauren Kupfers nötig wäre, das an die Stelle des Salpetersauren Silbers treten würde. In Mexico werden auf die Mark Gold zwei bis drei real de plata
(26
bis
39
Sous) Scheidekosten gerech
net. Man muß sich wundern, weder in der Münze noch im Scheidehaus Zöglinge der Bergschule angestellt zu sehen; und dennoch sind diese beiden großen Anstalten nützlicher Reformen für tiefere Einsichten in
460
V ierter Band
Chemie und Mechanik bedürftig.
Überdies befindet sich die Münze in
einem Viertel der Stadt, wo man leicht das fließende Wasser zur Bewe gung der Druckwerke durch hydraulische Räder benutzen könnte. Alle Maschinen sind noch weit entfernt von der Vervollkommnung, die sie kürzlich in Frankreich und England erhalten haben. Die Verbesserun gen wären hier um so vorteilhafter, da die Fabrikation eine ungeheure Menge Gold und Silber umfaßt; denn die in Mexico geprägten Piaster können als das Urmaterial der meisten europäischen Münzen angesehen werden. In Mexico sind indes nicht nur die Goldschmiedearbeiten, von denen wir oben geredet haben, vervollkommnet worden, sondern man hat auch daselbst merkliche Fortschritte in anderen Industriezweigen ge macht, welche von Luxus und Reichtum abhängen. Kürzlich wurden für die neue Domkirche von Puebla, dessen Bischof über
550 000 Livres
Einkünfte hat, Kandelaber und andere Ornamente von großem Wert in vergoldeter Bronze ausgeführt. Unerachtet die elegantesten Wagen, welche in den Straßen von Mexico und Bogota, also
2300 und 2700 m
über der Meeresfläche fahren, aus London gekommen sind, so werden doch auch recht schöne in Neu-Spanien selbst verfertigt. Die Tischler machen Möbel, die in Form, Farbe und Politur des Holzes, welches aus der
Ä quinoktialgegend an der Küste, besonders aus den Wäldern von
Orizaba, San Blas und Colima gewonnen wird, bemerkenswert sind. Nicht ohne Interesse liest man in der Zeitung von Mexico42, daß sogar in den
Provincias internas, z. B. in Durango zweihundert Meilen nörd
lich von der Hauptstadt, Klaviere und Pianoforte gearbeitet werden. Die Eingeborenen zeigen eine unermüdliche Geduld in der Fabrikation kleiner Kinderspielsachen von Holz, Knochen und Wachs. In einem Land, wo die Vegetation die köstlichsten Produkte43 anbietet und der Arbeiter nach Gefallen die Zufälligkeit der Farben und Formen unter den Wurzeln, die Markverlängerungen des Holzes und die Kerne der Früchte wählen kann, könnten diese kleinen Artikel der Indianer ein wichtiger Ausfuhrgegenstand nach Buropa werden. Man weiß, welche beträchtlichen Summen dieser Industriezweig den Bewohnern von Nürnberg und den Gebirgsbewohnern von Berchtesgaden und von Tirol einbringt, unerachtet diese zu ihren Arbeiten bloß Fichten-, Kirschen und Nußbaumholz gebrauchen können. Die Amerikaner der Vereinig ten Staaten senden nach Cuba und den übrigen AntiHisehen Inseln 42
Gazeta de Mexico, t. V, p. 369.
43
Holz der Swietenia, Cedrela und der Caesalpinia; Stämme von Desman
thus und der Mimosa, deren Herz ein Rot hat, das ins Schwarze sticht.
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starke Ladungen Möbel, deren Holz großenteils aus den spanischen Ko lonien bezogen wird. Dieser Industriezweig kommt sicher in die Hände der Mexicaner, sobald diese, durch einen edlen Wetteifer aufgemuntert, die Produkte ihres eigenen Bodens zu nutzen anfangen werden. Wir haben nun vom Ackerbau, den Bergwerken und den Manufaktu ren als den Hauptquellen des Handels von Neu-Spanien gesprochen und müssen jetzt noch die Übersicht des Tauschhandels geben, welcher sowohl im Binnenland wie mit dem Mutterstaat und mit anderen Teilen des Neuen Kontinents getrieben wird. So werden wir denn nachein ander vom Binnenhandel, welcher die überflüssigen Erzeugnisse von einer Provinz nach der andern schafft, vom auswärtigen Handel mit Amerika, Buropa und Asien und dann von dem Einfluß reden, welchen diese drei Handelszweige auf den öffentlichen Wohlstand und die Ver mehrung des Nationalreichtums haben. Dabei werden wir die gerechten Klagen über den Handelszwang und das Prohibitivsystem, auf welches die Kolonialgesetzgebung der Europäer gegründet ist, nicht wiederho len; denn es wäre schwer, noch etwas zu dem vielen hinzuzufügen, was zu einer Zeit, als die großen Probleme der Staatswirtschaft alle Köpfe beschäftigten, über diesen Gegenstand bereits gesagt worden ist. Statt also Grundsätze anzugreifen, deren Falschheit und Ungerechtigkeit all gemein anerkannt sind, werden wir uns begnügen, Tatsachen zu sam meln und zu beweisen, wie wichtig die Handelsverhältnisse von Mexico mit Buropa werden können, wenn sie einmal von den Hindernissen eines verhaßten und für den Mutterstaat selbst nachteiligen Monopols befreit sind. Der Binnenhandel umfaßt zugleich den Transport der Produkte und der Waren ins Innere der Länder und die Küstenschiffahrt längs des Meeres der Antillen und der Südsee. Der Handel wird nicht durch in nere Schiffahrt auf Flüssen oder künstlichen Kanälen belebt; indem es dem größten Teil von Neu-Spanien wie Persien an schiffbaren Flüssen mangelt. Der Rio Grande del Norte, der an Breite beinahe nicht einmal dem Mississippi nachsteht, benetzt Länder, die eines schönen Anbaus empfänglich wären, aber jetzt nur große Wüsten sind, und dieser große Fluß unterhält nicht mehr Handelstätigkeit im Inneren als der Missouri, der Casiquiare und der Ucayali, welche die Steppen und die unbewohn ten Wälder des südlichen Amerikas durchströmen. In Mexico, zwischen 16° und 23° der Breite und in dem Teil des Lands, wo die meiste Bevöl
kerung konzentriert ist, ist nur der Rio de Santiago, welcher mit weni gen Kosten schiffbar gemacht werden könnte. Die Länge seines Laufes 44 44
Der Rio de Santiago, der alte Rio Tololothin, hat über 170Meilen Länge.
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kommt dem der Elbe und der Rhöne gleich; er befruchtet die Plateaus von Lerma, Salamanca und Celay a und könnte zum Transport des Mehls der Intendancien Mexico und Guanajuato nach den Westküsten dienen. Wir haben weiter oben bewiesen, daß, wenn man einerseits auf den Plan einer inneren Schiffahrt zwischen der Hauptstadt und dem Hafen von Tarnpico verzichten muß, es andererseits sehr leicht wäre, Kanäle im Tal von Mexico zu graben, und zwar von seiner nördlichsten Spitze, dem Dorf Huehuetoca an, bis zu seinem südlichsten Ende, der kleinen Stadt Chalco. Da der Verkehr mit Buropa und Asien bloß durch die beiden Häfen von Veracruz und Acapulco geschieht, so kommen alle wichtigen Arti kel der Aus- und Einfuhr notwendig durch die Hauptstadt, und diese ist dadurch der Zentralpunkt des ganzen inneren Handels geworden. Me xico, das auf dem Rücken der Cordilleren liegt und sozusagen zwei Meere beherrscht, liegt in gerader Linie 69 Meilen von Veracruz, 66 von Acapulco, 79 von Oaxaca und 440 von Santa-Fe in Neu-Mexico. Aus dieser Lage der Hauptstadt erhellt, daß die stärksten und wichtigsten Handelsstraßen sind: 1. die von Mexico nach Veracruz über Puebla und Jalapa; 2. die von Mexico nach Acapulco über Chilpancingo; 3. die von Mexico nach Guatemala über Oaxaca; 4. die von Mexico nach Durango und Santa-Fe in Neu-Mexico, gewöhnlich el camino de tierra a dentro genannt. Die Wege, welche von Mexico sowohl nach San Luis Potosf und Monterrey, als nach Valladolid und Guadalajara führen, kann man als Äste der großen Straße der Provincias internas ansehen. Betrachtet man den natürlichen Bau des Lands, so sieht man, daß diese Straßen, wie sehr auch die Zivilisation desselben immer wachsen möge, nie durch eine künstliche Schiffahrt ersetzt werden können, wie sie Ruß land von Sankt Petersburg aus bis in das tiefste Sibirien hat. Die Straßen Mexicos ziehen sich entweder auf dem Zentralplateau von Oaxaca nach Santa-Fe hin, oder sie führen von diesem Plateau aus nach den Küsten. Die ersteren unterhalten die Kommunikation zwi schen den Städten auf dem Rücken der Gebirge in der kältesten und be völkertsten Gegend des Königreichs; die anderen sind zum Handel mit dem Ausland und dem Verkehr, welcher zwischen dem Inneren und den Häfen von Veracruz und Acapulco stattfindet, bestimmt und erleichtern überdies den Tausch der Produkte zwischen dem Plateau und den hei ßen Küstenebenen. Die Straßen auf dem Plateau, welche von Süd-Süd ost nach Nord-Nordwest gehen, und die man nach der Konfiguration des Landes Längenstraßen nennen könnte, sind sehr leicht zu unterhal ten. Wir werden hier nicht wiederholen, was wir weiter oben über die Ausdehnung und die Fortsetzung der hohen Ebenen von Anahuac, wo
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man weder Klüfte noch Schluchten findet, und über die allmähliche Senkung des Plateaus von 2300 bis 800 m absoluter Höhe gesagt haben. Wagen können von Mexico bis Santa-Fe gehen, und zwar auf einer Ausdehnung, welche die Alpenkette haben würde, wenn sie ununter brochen von Genf bis an die Küsten des Schwarzen Meeres fortliefe. Wirklich reist man auch auf dem Zentralplateau in vierrädrigen Wagen in allen Richtungen von der Hauptstadt nach Guanajuato, Durango, Chihuahua, Valladolid, Guadalajara und Perote; allein in dem jetzigen Zustand der Straßen ist das Räderfuhrwerk nicht für den Transport von Waren eingerichtet. Man zieht die Saumtiere dazu vor, und Tausende von Pferden und Maultieren bedecken in langen Reihen
(requas)
die
Wege von Mexico. Eine beträchtliche Anzahl von Metis und Indianern wird bei der Leitung der Karawanen gebraucht; sie ziehen dieses herum streifende Leben jedem sitzenden Gewerbe vor und bringen ihre Nächte unter einem Himmel oder unter Hütten
communidad)
(tambos
oder
casas de
zu, welche zur Bequemlichkeit der Reisenden mitten in
den Dörfern erbaut sind. Die Maultiere weiden frei in den Steppen; nur wenn die große Dürre das Gras verschwinden gemacht, so gibt man ihnen Mais sowohl in Blättern
(zacate)
als in Körnern.
Die Straßen, welche vom inneren Plateau nach den Küsten führen und die ich
Querstraßen nenne,
sind die beschwerlichsten und der Auf
merksamkeit der Regierung am würdigsten. Zu dieser Klasse gehören die von Mexico nach Veracruz und Acapulco, von Zacatecas nach Neu Santander, von Guadalajara nach San Blas, von Valladolid nach dem Hafen von Colima und von Durango nach Mazathin über den west lichen Zweig der Sierra Madre. Die Wege, welche von der Hauptstadt nach den Häfen von Veracruz und Acapulco führen, sind natürlich die besuchtesten. Der Wert der kostbaren Metalle, der Produkte des Ak kerbaus und der europäischen und asiatischen Waren, welche über diese beiden Straßen gehen, beträgt jährlich 320 000 000 Franken. Diese Schätze nehmen einen Weg, der dem von Airolo nach dem Hospiz auf dem Sankt Gotthard ähnlich ist. Von dem DorfVigas bis zum Encero ist der Weg von Veracruz oft nichts als ein enger, krummer Bergpfad, und man findet in ganz Amerika keinen beschwerlicheren als den, welchen die europäischen Waren von Honda nach Bogota und von Guayaquil nach Quito nehmen. Auf der Straße von Acapulco nach Mexico kommen die Produkte der Philippinen und von Peru. Sie geht an einem Abhang der Cordilleren herab, aber nicht so steil wie der Weg von der Hauptstadt nach dem Ha fen vonVeracruz. Auf der Straße nach Buropa bleibt man, wie wir oben bemerkt haben, vom Tal von Mexico bis über Perote hinaus auf dem
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Zentralplateau, 2300m hoch über dem Meeresspiegel; aber man steigt dann mit außerordentlicher Schnelligkeit bis zu der Schlucht von Plan del Rio, westlich von Rinconada, herab. Auf dem Weg von Acapulco hingegen, den wir den Weg nach Asien nennen, fängt die Senkung schon acht Meilen von Mexico auf dem südlichen Abhang des Basaltge birges von Guarda an. Mit Ausnahme desjenigen Teils, der durch den Wald von Huitzilac führt, wäre es leicht, diese Straße selbst ohne große Arbeit für Räderfuhrwerke einzurichten; sie ist breit und gut unterhal ten von Acapulco bis zum Plateau von Chilpancingo, wird aber schmal und sehr schlecht bei ihrer Annäherung zur Hauptstadt, besonders von Cuernavacca nach Huitzilac und von da nach dem Gipfel des hohen Gebirges Ia Cruz del Marques genannt. Die Schwierigkeiten der Verbin dungen zwischen der Hauptstadt und dem Hafen von Acapulco entste hen aus dem plötzlichen Anschwellen der beiden Flüsse Papagallo und Rio de Mezcala. Diese Gießwasser, welche zur Zeit der Dürre nicht 60m breit sind, haben zur Regenzeit oft 250 bis 300m Breite. Während dieser großen Anschwellungen werden die Transporte oft sieben bis acht Tage an den Ufern des Papagallo aufgehalten, ohne daß die Maul tiertreiber ihn zu durchwaten wagten. Ich habe noch die Überbleibsel mehrerer Pfeiler gesehen, die von ungeheuren gehauenen Steinen ge baut waren und die der Strom weggerissen hatte, ehe noch die Bogen über ihn fertig waren. 1803hatte man den Plan, einen neuen Versuch zu machen, eine große, steinerne Brücke über den Papagallo zu führen, und es waren von der Regierung bereits gegen 5 000 000Franken zu die ser für den Handel Mexicos mit den Philippinischen Inseln so höchst wichtigen Unternehmung bestimmt. Der Rio Mezcala, der weiter west wärts den Namen des Rio de Zacatula annimmt, ist beinahe so ge fährlich wie der Papagallo. Ich bin auf einem Floß über denselben gekommen, das nach altem mexicanischem Brauch aus getrockneten Kürbissen, über welche Schilf gebunden ist, verfertigt war, und zwei Indianer leiteten es, indem sie nebenher schwammen und es mit der einen Hand hielten. Die Anlage und Verschönerung einer neuen Straße von Mexico nach Veracruz ist in den letzten Zeiten ein Gegenstand der Sorgfalt der Ad ministration geworden. Es zeigt sich eine glückliche Rivalität zwischen dem neuen Handelsrat in Veracruz (Real Tribunal del Consulado) und dem alten Consulado der Hauptstadt, und letzteres beginnt nach und nach, sich aus der Untätigkeit zu erheben, die man ihm so lange vorge worfen hat. Nachdem die Kaufleute von Mexico auf ihre Kosten eine schöne Straße auf den Höhen von T ianguillo und las Cruces erbaut hatten, welche das Bassin von Toluca von dem von Mexico trennen, so
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wollten sie, daß der Weg nach Veracruz über Orizaba gehen sollte; die von Veracruz hingegen, welche Landhäuser in Jalapa besitzen und viel Handelsverkehr mit dieser Stadt haben, bestanden darauf, daß die neue, für Räderfuhrwerk
(camino carretero) eingerichtete Straße über
Perote und Jalapa führen müßte. Nach einem Streit von mehreren Jah ren benutzte das
Consulado von Veracruz die Ankunft des Vizekönigs,
Don Jose de Iturigaray, welcher die Nützlichkeit des Weges von Jalapa einsah und seine Leitung einem tätigen und unterrichteten Ingenieur, Herrn Diego Garcia Conde, übertrug. Die alte Straße von Mexico nach Jalapa und Veracruz ging über die hohen Ebenen von Apan, ohne die große Stadt Puebla de los Angeles zu berühren. Dies ist der Weg, welchen der Abbe Chappe in seiner Reise nach Kalifornien beschreibt und von welchem er verschiedene Höhenpunkte durch barometrische Messungen bestimmt hat 45• Die einheimischen Waren und Produkte gingen damals von Mexico nach Perote und Jalapa über den Damm, welcher die Seen von Tezcoco und San Crist6bal scheidet, durch Totolcingo und Teotihuacan über das alte Schlachtfeld von Otumba, das Wirtshaus von Irolo, Apan, Piedras Negras, San Diego, Honguito, Virreyes und Tepeyahualco. Auf diesem Weg zählte man 43 Meilen von Mexico nach Perote und 74 von Mexico nach Veracruz. Um diese Zeit und bis 1795 brauchte man zwei Tage von der Hauptstadt bis Puebla, wobei man einen großen Umweg gegen Nordosten über Otumba und Irolo und von da gegen Südosten über Pozuelos, Tumbacarretas und San Martfn sich neigend, machte. Endlich hat man unter der Administration des Vizekönigs, Marques von Branci forte, einen neuen, sehr kurzen Weg über das Wirtshaus von Chalco, die kleine Porphyrgebirgskette von C6rdoba, Texmelucan und Ocotlan eröffnet. Leicht ist es, die Vorteile dieser direkteren Verbindungen zwi schen der Hauptstadt, der Stadt Puebla und der kleinen Festung Perote einzusehen, wenn man die dritte und neunte Karte meines Atlasses von Neu-Spanien untersucht (s. Anhang dieses Bandes). Die neue Straße von Mexico nach Puebla hat noch die kleine Schwie rigkeit des Übergangs über die Gebirge, welche das Bassin von Tenoch titlan von dem von Cholula trennen; dafür ist aber auch das Plateau, welches sich vom Fuß der Vulkane von Mexico bis zu den Gebirgen von Orizaba und vom Cofre ausdehnt, eine völlig dürre, mit Sand, Stück ehen von Perlstein und Salzblüte bedeckte Ebene. Der Weg von Puebla nach Veracruz über Jalapa geht durch Amozoco, Acajete und Perote. Man glaubt auf einem durch langen Wasserstand nivellierten Boden zu 45
Voyage de Chappe, publie par M. de Cassini, p. 107.
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reisen. Sind diese Ebenen durch die Sonnenstrahlen erhitzt, so zeigen sie, in der gleichen Höhe des Übergangs über den Sankt Bernhard, die selben Phänomene von außerordentlicher Suspension [feinstverteilte feste Stoffe in der Luft] und Refraktion [Strahlenbrechung], die man sonst gewöhnlich nur an den Küsten des Ozeans bemerkt. Die prächtige Straße, welche das Consulado von Veracruz von Perote bis nach dieser Stadt anlegen läßt, wird mit denen des Simplon und Mont Cenis rivalisieren können; sie ist breit, dauerhaft und sanft sich senkend. Man ist dabei dem alten Weg nicht gefolgt, der eng, mit Ba salt-Porphyr gepflastert war und in der Mitte des 18. Jahrhunderts ge baut zu sein scheint. Man vermied die steilen Berge sorgfältig, und der Vorwurf, den man dem Ingenieur gemacht hat, daß der Weg zu lang ge worden sei, wird beseitigt sein, sobald das Räderfuhrwerk an die Stelle des Transports auf dem Rücken von Maultieren getreten ist. Die Anle gung dieser Straße wird wahrscheinlich über 15 000 000 Franken kosten; allein es ist zu hoffen, daß ein so schönes und nützliches Werk nicht un terbrochen werden wird. Dies ist eine sehr wichtige Sache für diejeni gen Teile von Mexico, welche von der Hauptstadt und von Veracruz am entferntesten liegen; denn sobald diese Straße fertig ist, wird der Preis des Eisens, des Quecksilbers, des Branntweins, des Papiers und aller übrigen europäischen Waren bedeutend fallen. Das mexicanische Mehl, welches bis jetzt in Havanna viel teurer war als das von Philadelphia, wird diesem vorgezogen, die Ausfuhr vom Zucker und Leder des Lan des wird bedeutender werden, und der Transport auf Wagen wird eine geringere Anzahl von Maultieren und Menschen nötig haben, als heut zutage erforderlich sind. Diese Veränderungen werden einen doppelten Einfluß auf die Nahrungsmittel haben, und die Brotteuerungen, welche Mexico beinah periodisch heimgesucht haben, müssen seltener werden, nicht allein weil der Konsum des Mais zunehmen, sondern besonders weil der Landbauer durch die Hoffnung, sein Mehl in Veracruz abzuset zen, angereizt werden wird, mehr Boden zum Getreidebau zu bestim men. Während meines Aufenthalts in Jalapa im Februar 1804 war die unter der Leitung des Herren Diego Garcfa Conde angelegte Straße auf den schwierigsten Punkten angefangen: nämlich bei der Schlucht, el Plan del Rio genannt und in der Cuesta del Soldado. Man hat den Plan, längs des Wegs Porphyrsäulen aufzustellen, um außer den Distanzen die Höhe des Bodens über der Meeresfläche anzuzeigen. Diese Inschriften, welche man nirgends in Buropa findet, werden für den Reisenden, der den östlichen Abhang der Cordilleren ersteigt, ein besonderes Interesse haben; sie werden ihn trösten, indem sie ihm die Annäherung an die
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glückliche, hochgelegene Gegend verkündigen, wo er das Schwarze Erbrechen und das Gelbe Fieber nicht mehr zu fürchten hat. Der alte Weg von Jalapa geht von La Rinconada östlich über das alte Veracruz, gewöhnlich La Antigua genannt. Nachdem man unter diesem Dorf über den Fluß gleichen Namens, der gegen 200m Breite hat, ge kommen ist, folgt man der Küste über Panza Gorda und Vergara oder man nimmt, wenn die Flut zu hoch ist, den Weg von Manga de Clavo, welcher die Küste erst beim Hafen von Veracruz selbst wieder erreicht. Es wäre vorteilhaft, wenn eine Brücke über den Rio de la Antigua bei Ventilla gebaut würde, wo das Flußbett nur 107m breit ist, dann wäre die Straße von Jalapa um mehr als sechs Meilen kürzer und ginge, ohne das alte Veracruz zu berühren, unmittelbar von Plan del Rio über die Brücke von la Ventilla, Paso de Ovejas, Cienega de Olocuautla und Loma de San Juan nach Veracruz. Diese Veränderung ist um so wün schenswerter, da der Weg von Encero an der Küste für die Bewohner des inneren Mexico am gefährlichsten ist, wenn sie vom Plateau von Perote und den Höhen von Jalapa herabsteigen. Die erstickende Hitze, die in dieser dürren, von aller Vegetation entblößten Ebene herrscht, wirkt gewaltig auf Menschen, deren Nervensystem nicht an einen hef tigen Reiz gewöhnt ist. Diese Hitze in Verbindung mit den Beschwer lichkeiten der Reise macht die Organe geneigter, die tödlichen Miasmen des Gelben Fiebers aufzunehmen, und man würde die Verwüstungen dieser pestartigen Krankheit offenbar vermindern, wenn man den Teil des Weges abkürzte, welcher die dürren Küstenebenen durchzieht. Die Straße von Mexico über Orizaba nach Veracruz ist am wenigsten besucht. Sie geht durch Nopaluca, San Andres, Orizaba, C6rdoba und Cotaxtla. Die Gruppe von Porphyrgebirgen, welche die Gipfel des Pie von Orizaba und des Cofre de Perote umfaßt, hindert den Ingenieur, den Weg von der Hauptstadt nach Veracruz gerade zu ziehen. Auf dem von Jalapa umgeht man das große Gebirge des Cofre auf seiner nördli chen Seite, auf dem von Orizaba und C6rdoba wendet man sich um den Pie von Orizaba auf seinem südlichen Abhang; die eine dieser beiden Straßen läuft gegen Norden, die andere gegen Süden aus, aber der größte Umweg ist der über Orizaba. Letztere Straße würde beträchtlich abgekürzt, wenn sie, statt über Cotaxtla und Venta de Jamapa zu gehen, durch das unter dem Namen der Sierra de Atoyac bekannte Gebirgsland liefe. Nach einem von den Regidores der villa de C6rdoba gemachten Überschlag würde dieser neue Weg 1416 800 Piaster kosten. Die Hauptgegenstände des inneren Handels von Mexico sind: 1. die Produkte und Waren, welche von den beiden Häfen von Veracruz und Acapulco aus- und eingeführt werden und von denen wir in der Folge
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reden; 2. der Austausch, welcher zwischen den verschiedenen Provinzen, besonders zwischen dem eigentlichen Mexico und den Provincias internas stattfindet; 3. einige Erzeugnisse von Peru, Quito und Guatemala, welche zur Ausfuhr über Veracruz nach Buropa gehen. Ohne einen großen Kon sum von Lebensmitteln in den Bergwerken wäre der Binnenhandel zwi schen Provinzen, die großenteils dasselbe Klima und somit dieselben Pro dukte haben, nur sehr wenig tätig. Die hohe Lage gibt den südlichen Gegenden von Mexico die mittlere Temperatur, welche der Anbau der europäischen Pflanzen erfordert. Wir haben daher auch oben gesehen, daß dieselbe Breite den Bananen- und Apfelbaum, das Zuckerrohr und den Weizen, den Maniok und die Kartoffeln hervorbringt. Die nährenden Gräser, welche in der Kälte von Norwegen und Sibirien gedeihen, be decken die mexicanischen Felder der heißen Zone; darum denn auch die Provinzen unter dem 17. und 20. Breitengrad selten Mehl von Neu-Bis caya bedürfen. Glücklicherweise belebt der Maisbau den Binnenhandel mehr als der der europäischen Zerealien. Da es selten geschieht, daß die Maisernte auf einem großen Strich Bodens gleich gut ist, so fehlt es einem Teil von Mexico immer, während ein anderer Überfluß hat, und der Preis einer Fanega weicht in zwei aneinanderstoßenden Intendancias oft um 9 bis 22 Livres voneinander ab. Wirklich ist daher auch der Maishandel ein wichtiger Gegenstand für die Provinzen Guadalajara, Valladolid, Guanajuato, Mexico, San Luis Potosf, Veracruz, Puebla und Oaxaca. Tausende von Maultieren, welche jede Woche von Chihuahua und Durango in Mexico ankommen, bringen außer den Silberstangen Leder, Wagenschmiere, etwas Wein von Paso del Norte und Mehl; sie nehmen dafür Wollarbeiten aus den Manufakturen von Puebla und Queretaro, Waren von Buropa und den Philippinen, Eisen, Stahl und Quecksilber mit zurück. Wir haben beim Verkehr zwischen den Küsten der Südsee und denen des Atlantischen Ozeans davon gesprochen, wie nützlich die Einfuhr der Kamele in Mexico sein würde. Die Plateaus, über welche die großen Straßen gehen, sind nicht so hoch, um der Gesundheit dieser Tiere zuzusetzen; sie würden weniger leiden als die Maultiere und Pferde vom dürren Boden, dem Mangel an Wasser und Weiden, dem die Saumtiere nordwärts von Guanajuato, besonders in der Wüste, welche Neu-Biscaya von Neu-Mexico scheidet, ausgesetzt sind. Die Kamele, sogar noch einige Zeit nach der Zerstörung der maurischen Herrschaft in Spanien allgemein gebräuchlich, wurden gegen Ende des 16. Jahr hunderts von einem Biscayer namens Juan de Reinaga in Peru einge führt46; es scheint aber, daß sie sich dort nicht fortgepflanzt haben. 46
Garcilaso, T. II, p. 326.
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Überdies hat die Regierung die Einfuhr dieser nützlichen Tiere in den Zeiten der Barbarei nicht begünstigt; sie gab den Vorstellungen der
encomenderos * nach, welche behaupteten, daß die Vermehrung der Saumtiere sie hindern würde, die Eingeborenen an die Reisenden und Kaufleute zum Transport der Vorräte und Waren im Inneren des Landes zu vermieten. In Kriegszeiten, wenn die Schiffahrt um das Kap Hoorn herum ge fährlich ist, geht ein Teil der 80 000 Ladungen
(cargas47) Cacao, welche
jährlich vom Hafen von Guayaquil ausgeführt werden, über den Isth mus von Panama und durch Mexico. Die Transportkosten von Acapulco nach Veracruz betragen gewöhnlich zwei Piaster auf die carga, und dieser Weg wird immer vorgezogen, wenn die Fanega Cacao von Guayaquil in Havanna über 20 Piaster kostet. Der Ankaufspreis an den Küsten von Quito ist im Durchschnitt vier bis fünf Piaster; der Verkaufs preis in Cadiz wechselt zwischen 25 und 35 Piaster, und trotz der langen Schiffahrt um das Kap Hoorn herum steigt die Fracht von Guayaquil nach Spanien nie über 7 bis 8 Piaster für die Fanega. Oft nimmt das Kupfer von Guasco, das unter dem Namen des Kup fers von Coquimbo bekannt ist, denselben Weg wie der Cacao von Guayaquil. In Chile kostet das Quintal davon nur 6 bis 7 Piaster, und in Cadiz steht es gewöhnlich auf 20; da es aber in Kriegszeiten bis auf 35 und 40 steigt, so finden die Kaufleute von Lima, welche mit den Produk ten von Chile handeln, ihren Vorteil dabei, das Kupfer über Guayaquil, Acapulco, Veracruz und Havanna nach Spanien zu senden. Dieser un natürliche Verkehr wird aufhören, sobald eine tätige, den Handel schüt zende Regierung eine schöne Straße von Panama nach Portobelo anle gen läßt und der Landenge die nötigen Saumtiere zum Transport der Erzeugnisse von Chile, Quito und Peru liefert. Dieselben Gründe, welche die Bewohner von Guayaquil zwingen, ihren Cacao in Kriegszeiten durch das Königreich Mexico zu senden, nötigen auch die Kaufleute von Guatemala, den Indigo ihres Landes, dessen Farbenreichtum allen anderen bekannten Indigo übertrifft, die Straße von Tehuantepec und vom Rio Coatzacoalcos nach Veracruz zu schicken. Es ist hier der Ort, weitläufiger, als es oben geschah, vom Plan zu einem Kanal zu reden, der beide Meere in der Intendancia Oaxaca vereinigen soll und der Aufmerksamkeit der Regierung würdig ist. Schon Cortes hatte während seines Aufenthalts in Tenochtitlan die
47 *
Eine solche
carga hat 81
Pfund; eine fanega wiegt 110 kastilische Pfund.
Weiße, denen Indianer zur Arbeit anvertraut waren.
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große Bedeutung des Flusses Coatzacoalcos 48 eingesehen, wie sein drit ter Brief an Kaiser Karl V. aus Segura de la Frontera vom 30. Oktober 1520 beweist. In der lebhaften Begierde, einen sichereren Hafen, als der von Veracruz ist, oder den Durchgang von einem Ozean nach dem anderen zu finden, den er das Geheimnis einer Enge nennt, fragte er Moctezuma "nach Nachrichten über den Zustand und die Form der Ostküsten des Reichs von Anahuac. Der Monarch antwortete, er kenne diese Küsten nicht selbst, wolle sie aber mit allen ihren Baien und Flüs sen malen lassen und den Spaniern, welche diese Küstengegenden un tersuchen sollten, die nötigen Führer verschaffen. Am folgenden Mor gen brachte man Cortes die Zeichnung der ganzen Küste auf einem Tuch. Die Piloten erkannten in derselben die Mündung eines großen Flusses, den sie mit der Öffnung, welche sie (bei ihrer Ankunft in Vera cruz) bei den Gebirgen von Sanmyn 49 in der Provinz Mazamalco gese hen hatten, für identisch hielten." Diesen Nachrichten zufolge sandte Cortes 1520 ein kleines Detachement von zehn Mann unter Anführung des Diego Ordaz zur Erkundung dieses Flusses aus. Die Piloten fanden an der Mündung nur 3lh Klafter Tiefe; allein beim weiteren Hinauffah ren von zwölf Meilen in dem Fluß hatte er überall 5 bis 6 Klafter. Die Ufer des Coatzacoalcos waren damals viel bevölkerter als heutzutage. Nach der Eroberung von Mexico unterjochte Gonzalo de Sandoval die Provinz Tehuantepec 1521; und unerachtet der Pilot Andres Niiio 50 bewiesen hatte, daß von den Küsten von Nicaragua bis zum Isthmus von Tehuantepec keine Meerenge vorhanden sei, so wurde diese Landenge doch immer für sehr wichtig angesehen, weil die Nähe beider Meere und der Fluß Coatzacoalcos es den ersten Eroberern leicht machten, die 48
Man schreibt in Mexico unbestimmt Huasacualco, Guasacualco und Coat
zacoalcos. Cortes, welcher alle mexicanischen Namen entstellte, nennt diesen Fluß Quacalco. 49
Vielleicht sind diese Gebirge die Kette von San Martin und vom Vulkan
von Tuxtla. Siehe das 8. Kapitel dieses Werkes und die >Cartas de Heman Cor tesGufa de
forasterosViagero UniversalNeue Geographie< von Herrn Pinkerton, p. 162, in wel cher eine höhere Schätzung angenommen ist. *
Dennoch sah Humboldt schon künftige Gefahren voraus; siehe oben
s. 322 ff.
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den Rfo Gila erstrecken, dermaßen vermehrt, daß die Eingeborenen nicht nur die Gewohnheit angenommen haben, sich in Ermanglung des Bisonochsenfleischs mit Pferdefleisch zu nähren, sondern daß sie sich auch dieser Tiere bedienen, um beritten ihre kriegerischen Einfälle zu machen. So wie der Mais von mehreren afrikanischen Völkern gepflanzt wird, ohne daß sie wissen, wie diese Pflanze zu ihnen gekommen ist, so findet sich das Pferd heutzutage auch als Haustier nordwärts von den Quellen des Missouri unter den indianischen Völkerstämmen, welche vor der Expedition des Kapitän Clark nie Verkehr mit den Weißen hat ten. Es ist indes ein Glück für die Kolonisten von Sonora und von Neu Mexico, daß sich der Gebrauch der Feuergewehre, welcher unter den Wilden des östlichen Canadas so allgemein ist, noch nicht unter den Indianern am Nordstrom [Rfo Grande del Norte] verbreitet hat. Die mexicanischen Truppen in den presidios sind unaufhörlichen Anstrengungen ausgesetzt, und die Soldaten derselben alle aus dem nörd lichen Teil von Mexico gebürtig. Es sind Bergbewohner von hohem Wuchs, äußerst starke und an den Winterfrost wie an die Sommerhitze gewöhnte Leute. Beständig unter den Waffen, bringen sie ihr Leben zu Pferd zu. Sie machen Märsche von acht bis zehn Tagen durch öde Step pen, ohne andere Vorräte mit sich zu nehmen als Maismehl, das sie im Wasser zerlassen, wenn sie eine Quelle oder eine Lache auf ihrem Weg finden. Unterrichtete Offiziere haben mir versichert, daß man schwer lich in Europa Truppen finden dürfte, welche leichter in ihren Bewegun gen, ungestümer im Gefecht und gewohnter an alle Entbehrungen sind als die Kavallerie der presidios. Wenn sie die Einfälle der Indianer nicht immer hindern kann, so deshalb, weil sie einen Feind vor sich hat, der die geringsten Ungleichheiten des Bodens mit der höchsten Geschick lichkeit nützt, und seit Jahrhunderten an alle Listen des kleinen Krieges gewöhnt ist. Die Provinzialmiliz von Mexico, über 20 000 Mann stark, ist besser bewaffnet als die peruanische, welche aus Mangel an Gewehren ihre Übungen zum Teil mit hölzernen Flinten macht. Nicht der militärische Geist des Volkes, sondern die Eitelkeit einiger weniger Familien, deren Häupter nach Obristen- und Brigadiertiteln streben, hat die Bildung der Milizen in den spanischen Kolonien begünstigt. Die Erteilung von militärischen Patenten und Graden ist ein reiches Einkommen nicht sowohl für den Fiskus als für die Verwaltung geworden, welche großen Einfluß bei den Ministern hat. Die Titelwut, welche überall den Anfang oder den Verfall der Zivilisation charakterisiert, hat diesen Handel äußerst einträglich gemacht. Durchreist man die Andenkette, so findet man mit Erstaunen auf dem Rücken der Gebirge, in kleinen Provinzial-
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städten, alle Kaufleute in Obristen, Kapitäne und Sergeant-Majore der Milizen verwandelt. Da der Obristengrad das Tratamiento oder den Titel Seiioria 12 gibt, der unaufhörlich in der traulichen Unterhaltung wieder holt wird, so begreift man, daß er am meisten zum Glück des häuslichen Lebens beiträgt und daß die Kreolen sich für denselben die größten Vermögensaufopferungen gefallen lassen. Zuweilen sieht man diese Milizoffiziere in großer Uniform und mit dem Orden Carlos III. geziert gravitätisch in einer Bude sitzen und sich mit dem unbedeutendsten Detail des Warenverkaufs beschäftigen - ein sonderbares Gemisch von Ostentation und Sitteneinfachheit, das den europäischen Reisenden in Erstaunen setzt! Bis zur Epoche der Unabhängigkeit von Nordamerika war es der spa nischen Regierung nicht eingefallen, die Truppenzahl in ihren Kolonien zu vermehren. Die ersten Kolonisten, welche sich im Neuen Kontinent niedergelassen hatten, waren Soldaten gewesen. Die ersten Generatio nen daselbst kannten kein ehrenvolleres und einträglicheres Gewerbe als das Waffenhandwerk, und der militärische Enthusiasmus entwik kelte in den Spaniern eine Energie des Charakters, welche allem gleich kommt, was die Geschichte der Kreuzzüge nur immer Glänzendes dar stellt. Aber als die Eingeborenen geduldig das ihnen auferlegte Joch trugen und die Kolonisten im ruhigen Besitz der Schätze von Peru und Mexico nicht mehr durch den Reiz neuer Eroberungen versucht wurden, verlor sich der kriegerische Geist allmählich. Das friedliche Landleben wurde dem Lärm der Armeen vorgezogen; der Reichtum des Bodens, der Überfluß an Lebensmitteln und das schöne Klima wirkten dazu, um die Sitten milder zu machen, und dieselben Länder, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nichts als Krieg und Raub gesehen hatten, genossen unter der spanischen Herrschaft einen 350 Jahre langen Frieden. Die innere Ruhe von Mexico wurde selten mehr gestört seit 1596, als die kastilische Macht unter dem Vizekönig, Grafen von Monterrey, von der Halbinsel Yucatan und dem Golf von Tehuantepec an bis zu den Quellen des Rio Grande del Norte und den Küsten von Neu-Californien befestigt wurde. In den Jahren 1601, 1609, 1624 und 1692 gab es einige Empörungen der Indianer, und in letzterem wurden der Palast des Vize königs, die öffentlichen und einige andere Gebäude von den Indianern verbrannt, und der Vizekönig, Graf de Galve 13, fand nur unter dem Schutz der Franziskanermönche Sicherheit. Allein trotz dieser Ereig12 13
La Seiioria, V. S., im Volksmund usia (Euer Hochgeboren). Don Gaspar de Sandoval, [Silva y Mendoza] Conde de Galve.
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nisse, welche durch den Mangel an Lebensmitteln verursacht wurden, hielt es der Madrider Hof nicht für nötig, die Militärkraft Neu-Spaniens zu vermehren. In diesen Zeiten, wo die Verbindung zwischen den mexi canischen und den europäischen Spaniern noch enger war, traf das Miß trauen des Mutterstaats nur die Indianer und die Mestizen, und die Zahl der weißen Kreolen war so gering, daß sie eben darum gewöhnlich mit den Europäern gemeinschaftliche Sache zu machen geneigt waren. Diesem Stand der Dinge ist die Ruhe beizumessen, welche in den spani schen Kolonien herrschte, als sich fremde Fürsten nach dem Tod Car los' II. um den Besitz von Spanien stritten. Die Mexicaner, welche um diese Zeit erst von einem Nachkommen des Moctezuma und dann von einem Bischof von Michoac{m regiert wurden, blieben ruhige Zu schauer des großen Streits, der sich zwischen den Häusern Frankreich und
Ö sterreich erhob. Die Kolonien folgten geduldig dem Schicksal des
Mutterstaats, und die Nachfolger Phitipps V. fingen den Geist der Unabhängigkeit, der sich schon
1643
in Neu-England gezeigt hatte14,
erst dann zu fürchten an, als sich eine große Konföderation von freien Staaten in Nordamerika bildete. Diese Besorgnisse des Hofs vermehrten sich, als vor dem Frieden von Versailles
[1783)
[1780)
wenige Jahre
Gabriel Condorcanqui, Sohn des
Kaziken von Tongasuca, bekannter unter dem Namen Tupac-Amaru, die Eingeborenen von Peru aufwiegelte, um das alte Reich der Inkas in Cusco wieder herzustellen. Dieser Bürgerkrieg, in dessen Verlauf die Indianer fürchterliche Grausamkeiten verübten, dauerte beinahe zwei Jahre; und wenn die Spanier die Schlacht in der Provinz Tinta verloren hätten, so würde die kühne Unternehmung von Tupac-Amaru traurige Folgen nicht nur für die Interessen des Mutterstaats, sondern augen scheinlich auch für die Existenz aller auf dem Plateau der Cordilleren und in den benachbarten Tälern niedergelassenen Weißen gehabt ha ben. So außerordentlich dieses Ereignis ist, so waren seine Ursachen doch keineswegs mit den Bewegungen in Verbindung, welche die Fort schritte der Zivilisation und der Wunsch einer freien Regierung in den englischen Kolonien erzeugt hatten. Von der übrigen Welt isoliert und bloß mit den Häfen des Mutterstaats im Handelsverkehr befindlich, nahmen Peru und Mexico keinen Anteil an den Ideen, welche die Be wohner von Neu-England aufregten. Seit zwanzig Jahren aber haben die spanischen und die portugiesischen Niederlassungen auf dem Neuen Kontinent beträchtliche Veränderun gen in ihrem sittlichen und politischen Zustand erfahren, und das Be14
Robertson, B. IV; B. X, p. 307.
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dürfnis nach Belehrung und Kenntnissen ist mit dem Steigen der Bevöl kerung und des Wohlstands immer fühlbarer geworden. Die Freiheit des Handels mit den Neutralen, welche der Hof von Madrid, durch gebie terische Umstände gezwungen, von Zeit zu Zeit der Insel Cuba, der Küste von Caracas, den Häfen von Veracruz und Montevideo gestat tete, hat die Kolonisten mit den Anglo-Amerikanern, den Franzosen, Engländern und Dänen in Berührung gebracht. Sie erhielten dadurch richtigere Vorstellungen vom Zustand Spaniens im Vergleich mit ande ren europäischen Mächten, und die amerikanische Jugend gewann mit Aufopferung eines Teils ihrer Nationalvorurteile eine auffallende Vor liebe für diejenigen Nationen, deren Kultur weiter vorgerückt ist als die der europäischen Spanier. Unter solchen Umständen darf man sich nicht wundern, daß die politischen Bewegungen, welche seit 1789 in Eu ropa stattfanden, die lebhafteste Teilnahme bei Völkern erweckt haben, die schon lange nach Rechten strebten, deren Beraubung zugleich ein Hindernis der öffentlichen Wohlfahrt und eine Ursache des Rache gefühls gegen den Mutterstaat ist. Diese Stimmung der Geister bewog in einigen Provinzen die Vize könige und Gouverneure, Maßnahmen zu ergreifen, welche, statt die Bewegung der Kolonisten zu stillen, nur die Unzufriedenheit noch ver größerten. Man glaubte, in allen Verbindungen, welche die Verbreitung der Aufklärung zum Zweck hatten, den Keim der Empörung zu erblik ken; man verbot die Errichtung der Buchdruckereien in Städten von 40 000 bis 50 000 Einwohnern; man sah friedliche Bürger, welche in der Zurückgezogenheit auf dem Lande heimlich die Werke von Montes quieu, Robertson und Rousseau lasen, als des Revolutionsgeistes ver dächtig an. Beim Ausbruch des Kriegs zwischen Frankreich und Spa nien schleppte man unglückliche Franzosen, die schon seit zwanzig und dreißig Jahren in Mexico angesiedelt waren, in die Kerker. Einer der selben, welcher das barbarische Schauspiel eines Autodafe fürchtete, tötete sich in den Gefängnissen der Inquisition, und sein Leichnam wurde auf dem Platz vom Quemadero verbrannt. Zu gleicher Zeit glaubte die Regierung in Bogota, der Hauptstadt des Königreichs Neu Granada, eine Verschwörung zu entdecken; man warf Leute, welche durch den Handel mit der Insel Santo Domingo französische Journale erhalten hatten, in Fesseln und verurteilte junge Leute von sechzehn Jahren zur Folter, um ihnen Geheimnisse zu entreißen, von welchen sie nichts wußten. Unter diesen Bewegungen erhoben ehrwürdige Beamte, und, wie gerne sagt man es!, Europäer selbst ihre Stimmen gegen solche unge rechten Gewalttaten und hielten dem Hof vor, daß eine mißtrauische
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516
Politik nur die Geister reize und daß man nicht durch Gewalt und Ver mehrung von Truppen, die aus Eingeborenen bestünden, sondern durch gerechte Regierung, Vervollkommnung der gesellschaftlichen Institu tionen und Erhörung der gerechten Klagen der Kolonisten die Bande, welche die Kolonien an die spanische Halbinsel ketteten, enger knüp fen könne. Aber solche heilsamen Ratschläge wurden nicht befolgt. Die Kolonialregierung erhielt keine Reform, und beinahe wäre
1796 die spa
nische Macht in einem Land, wo die Fortschritte der Aufklärung durch den häufigen Verkehr mit den Vereinigten Staaten und den fremden Kolonien auf den Antillen begünstigt worden waren, durch eine große revolutionäre Bewegung mit einem Schlag vernichtet worden. Ein reicher Kaufmann von Caracas, Don Jose Espafi.a, und ein Offizier vom Inge nieurcorps, Don Manuel Gual, der in La Guaira wohnte, faßten den kühnen Plan, die Provinz Venezuela frei zu machen und mit ihr die Pro vinzen Neu-Andalusien, Neu-Barcelona, Maracaibo, Coro, Varinas und Guayana unter dem Namen der Vereinigten Staaten von Südamerika zu verbinden 15• Die Folgen dieser mißlungenen Revolution sind in Herrn Depons Reise 16 beschrieben. Die Verbündeten wurden vertilgt, ehe der allgemeine Aufstand statthaben konnte. Espafi.a empfing den Tod mit dem Mut eines Manns, der für die Ausführung großer Pläne gemacht ist; und Gual starb auf der Insel Trinidad, wo er Zuflucht, aber keine Hilfe gefunden hatte. Trotz der Ruhe des Charakters und der großen Lenksamkeit des Volks in den spanischen Kolonien, trotz der besonderen Lage der Ein wohner, welche bei ihrer Zerstreuung auf einem großen Flächenraum die individuelle Freiheit genießen, welche immer aus großer Isolierung entsteht, wären doch politische Bewegungen seit dem Versailler Frieden
[1783]
und besonders seit
1789 viel häufiger gewesen, wenn der Haß der
Kasten untereinander und die Furcht der Weißen und der Freien über haupt vor den vielen Schwarzen und Indianern nicht die Wirkungen der Unzufriedenheit des Volks aufgehalten hätten. Diese Gründe sind, wie wir am Anfang dieses Werks gezeigt haben, seit den Vorfällen auf Santo Domingo noch mächtiger geworden, und es ist kein Zweifel, daß letz tere weit mehr zur Erhaltung der Ruhe in den spanischen Kolonien bei getragen haben als alle strengen Maßnahmen und die Errichtung der Milizen, deren Anzahl sich in Peru über 40 000 und auf der Insel Cuba auf 24 000 Mann beläuft. Die Vermehrung der bewaffneten Macht bezeugt aber das wachsende Mißtrauen des Mutterstaats um so mehr, 15
16
Las Siete Provincias Unidas de la America Meridional. Voyage a la Terre-Ferme, B. 1, pp. 228, 233.
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da an der Küste von Caracas vor 1768 keine Linientruppen waren und die Regierung im Königreich Neu-Granada mehr als 350 Jahre lang das Bedürfnis nach Milizen gar nicht gefühlt hat. Letztere wurden erst 1781 formiert, da die Einführung der Tabakpacht und die Steuer auf den Branntwein Volksbewegungen verursachte. Im jetzigen Zustand der Dinge kann die äußere Verteidigung Neu Spaniens keinen anderen Zweck haben, als das Land vor dem Einfall einer Seemacht zu schützen. Dürre Steppen, welche den tatarischen ähnlich sind, scheiden die Provincias internas von dem Gebiet der Verei nigten Staaten, und erst in letzten Zeiten sind die Bewohner von Loui siana auf dem Missouri und Platte-River nach Santa-Fe in Neu-Mexico gekommen. Zwar entspringen der Arkansas und der Rio Colorado de Natchitoches [Red River], welche ihr Wasser mit dem des Mississippi vermischen, in den Nachbargebirgen von Taos; allein die Schwierigkeit, diese Flüsse hinaufzufahren, ist so groß wegen ihres schnellen Laufs, daß die nördlichen Provinzen von Mexico sowenig einem Angriff von dieser Seite ausgesetzt sind wie die Vereinigten Staaten und Neu-Granada von der des Ohio und Magdalenenstroms. Jenseits 32° nördlicher Breite liegt den Bewohnern in der Natur des Bodens und dem Umfang der Wüsten, welche an Neu-Mexico stoßen, eine sichere Bürgschaft gegen jeden Angriff eines fremden Feindes. Weiter südlich, zwischen dem Rio Grande del Norte und dem Missis sippi, ziehen sich mehrere Flußlinien auf gleicher Front hin. In diesem Teil des Lands nähern sich die Kolonisten von Louisiana den mexicani schen Kolonisten am meisten; denn es sind nur 60 Meilen vom Fort Clayborn in der Grafschaft der Natchitoches bis zum mexicanischen pre sidio von Nacogdoches. In diesem Teil der Intendancia Potosi ist das Land in der Nähe der Küsten sumpfig; der Boden erhebt sich erst gegen Norden und Nordosten, und in den Ebenen, welche das Bassin des Rio Grande del Norte mit dem des Mississippi verbinden, scheint der Rio Colorado von Texas die günstigste militärische Position anzubieten. Dieser Punkt ist um so merkwürdiger, da Herr Robert de La SaUe zwi schen der Mündung des Colorado und dem kleinen Fort Galveston zu Ende des 17. Jahrhunderts die erste französische Kolonie in Louisiana angelegt hatte. Es wäre unnütz, uns hier über die Küsten-Verteidigung der Provincias internas zu verbreiten; denn die weisen und mäßigen Grundsätze, welche die Regierung der Vereinigten Staaten beleben, las sen hoffen, daß eine friedliche Übereinkunft in kurzem die Grenzen zwischen zwei Völkern festsetzen wird, welche beide mehr Boden inne haben, als sie anbauen können. Der kleine Krieg, welchen die in den presidios kantonierten Truppen
518
Fünfter Band
unaufhörlich gegen die Nomaden-Indianer führen, ist dem öffentlichen Schatz ebenso lästig wie den Fortschritten der Zivilisation hinderlich. Da ich die Provincias internas nicht bereist habe, so kann ich nicht über die Möglichkeit einer allgemeinen Pazifikation entscheiden. Aber man hört in Mexico oftmals sagen, daß man für die Sicherheit der Kolonisten die wilden Stämme, die im Bols6n de Mapimi und im Norden von Neu Biscaya herumirren, nicht zurückdrängen, sondern ausrotten müßte. Glücklicherweise hat die Regierung diesen barbarischen Rat nie ange nommen, und die Geschichte belehrt uns, daß solche Maßregeln nicht einmal nötig sind. Im 17. Jahrhundert brachen die Apachen und die Chichimeken bis jenseits Zacatecas in Richtung Guanajuato und Villa de Le6n herein; allein seit die Zivilisation in diesen Gegenden gestiegen ist, haben sich die indianischen Nomaden allmählich entfernt. Es ist daher zu hoffen, daß in dem Maß, wie die Bevölkerung und der öffent liche Wohlstand in den Provincias internas steigt, diese kriegerischen Horden sich erst hinter den Fluß Gila, dann westwärts vom Rio Colo rado, welcher sich in Cortes' Meer [Golf von Californien] ergießt, und endlich in die öden, nördlichen Gegenden zurückziehen werden, welche an die Gebirge von Neu-Californien stoßen. Letztere Provinz, deren Küste allein bewohnt wird, ist noch 600 Meilen vom amerikanischen Rußland und 200 von der Mündung des Rio Columbia entfernt, wo die Bewohner der Vereinigten Staaten eine Kolonie anzulegen gesinnt sind. Die Verteidigung der Häfen von San Francisco, Monterrey und San Diego ist einem Korps anvertraut, das nur 200 Mann stark ist, und man zählt nicht mehr als drei Kanonen in San Francisco; allein diese Macht war seit vierzig Jahren hinreichend an Küsten, welche nur von Kauffahrtei schiffen besucht werden, die zum Pelzhandel bestimmt sind. Das eigentliche Mexico oder den unter der heißen Zone gelegenen Teil des Königreichs betreffend, braucht man nur einen Blick auf die Kartensammlung, welche diesem Werk beigegeben ist [s. den Anhang in diesem Band], und besonders auf die geologischen [geographischen] Profile in meinem mexicanischen Werke [Atlas] zu werfen, um sich zu überzeugen, daß es kaum ein Land auf unserem Erdboden gibt, dessen militärische Verteidigung mehr von der Gestaltung des Bodens begün stigt wird. Enge, gewundene Straßen gleich denen vom Sankt Gotthard und den meisten Alpenübergängen führen von den Küsten nach dem inneren Plateau, auf welchem die Bevölkerung, die Zivilisation und der Reichtum des Lands vereinigt sind. Der Abhang der Cordilleren ist auf dem Weg von Veracruz viel steiler als auf dem von Acapulco, und ob gleich die Ströme des Großen Ozeans und mehrere meteorologische Ursachen die Westküsten weniger zugänglich machen als die Ostküsten,
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so kann Mexico doch vielleicht auf der Seite des Atlantischen Ozeans für von der Natur viel befestigter angesehen werden als auf der Asien gegenüberstehenden Seite. Inzwischen kann man bei der Verteidigung des Lands vor fremdem Einfall nur auf die inneren Hilfsmittel zählen; denn der Zustand der am Antillenmeer gelegenen Häfen widersetzt sich der Unterhaltung einer Seemacht. Die Marine, welche der spanische Hof für die Verteidigung von Veracruz bestimmt hat, war daher immer in Havanna stationiert, und letzterer Hafen, der viele schöne Fortifikationen hat, wurde jederzeit als Mexicos Militärhafen angesehen. Eine feindliche Flotte kann nur am Fuß des Schlosses von San Juan de Ulua, das sich wie ein Fels im Meer erhebt, vor Anker liegen. Dieser berühmte Hafen hat zwar kein anderes als Wasser aus Zisternen, welche seit kurzem verbessert worden sind, indem sie durch die Erschütterung von Artillerieschüssen dem Aufreißen ausgesetzt waren; allein Sachverständige sind doch der Mei nung, daß das Fort de Ulua so lange widerstehen kann, bis die große Ungesundheit des Klimas auf die Belagerer wirkt und die Landmacht vom Zentralplateau herabgekommen ist. Bei der Einfahrt in den Hafen von Acapulco ist die Insel del Grifo ein Punkt, der weit leichter zu be festigen wäre als die Bucht von la Gallega im Hafen von Veracruz. Nördlich und südlich von Veracruz sind die Küsten niedrig, und die Mündungen der Flüsse, welche durch Sandbänke verschlossen sind, nur für Schaluppen zugänglich. Der Küstendienst wurde vor fünfzehn Jahren organisiert, da die Furcht vor einer Landung beträchtliche Truppen Korps bei Orizaba versammelte und man Mexico nach 350 Jahren zum ersten Mal ein kriegerisches Ansehen gewinnen sah. Aber damals er kannte man auch, daß häufige Posten und Signale, Schiffe mit plattem Boden und schwerem Geschütz und eine leichte Kavallerie, die sich schnell auf die bedrohten Punkte werfen kann, das nützlichste und wohlfeilste Verteidigungssystem sind. Ein Feind, der gelandet ist, kann auf das Plateau marschieren ent weder über Jalapa und den Cofre de Perote, indem er das Gebirge vom Cofre auf seiner nördlichen Seite umgeht, oder die Cordilleren über C6rdoba südlich vom Vulkan von Orizaba besteigt. Diese Straßen zei gen großenteils dieselben Schwierigkeiten wie die, welche man beim Heraufsteigen von La Guaira nach Caracas, von Honda nach Bogota oder von Guayaquil nach dem schönen Tal von Quito zu überwinden hat. Auf dem Weg von Jalapa, beim Eintritt in das Plateau von Puebla, steht das kleine Fort, dem man den hochklingenden Namen San Carlos de Perote gegeben hat und dessen Unterhaltung den Schatz jährlich über 1 000 000 Franken kostet. Dieses Fort kann aber nur als Depot von
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Waffen und Munition nützlich sein. Das sicherste Mittel, dem Feind den Weg zu verschließen oder ihn wenigstens aufzuhalten, wäre gewesen, die Engpässe selbst zu befestigen. Die Leichtigkeit, den Zugang des Plateaus durch wenige gut verteilte Truppen zu hindern, ist im Land selbst so allgemein anerkannt, daß die Regierung nicht auf die Vorstellungen derer hören zu müssen glaubte, welche, der Anlegung der Straße von Jalapa entgegen, die Gefahr zu beweisen suchten, die daraus für die militärische Verteidigung von Neu Spanien entstehen würde. Denn sie fühlte wohl, daß dergleichen Rück sichten von der Art sind, um alle Unternehmungen für öffentliches Wohl zu lähmen und daß ein durch seinen Ackerbau, seine Bergwerke und seinen Handel reiches Gebirgsvolk eines tätigen Verkehrs mit den Küsten bedarf. Je bevölkerter aber diese Küsten sind, desto größeren Widerstand leisten sie einem fremden Feind. Ich habe in diesem Werk nun das politische Gemälde von Neu-Spanien entworfen. Ich habe die astronomischen Materialien geprüft, welche zur Bestimmung der Lage und des Umfangs dieses großen Reichs dien ten. Ich habe die Gestaltung des Bodens, die geologische [physische] Konstitution, die Temperatur und den Aspekt der Vegetation betrach tet. Ich habe die Bevölkerung des Lands, die Sitten seiner Bewohner, den Zustand des Ackerbaus und der Bergwerke, die Fortschritte des Fa brikwesens und des Handels untersucht und auch die Staatseinkünfte und die Mittel der äußeren Verteidigung bekannt zu machen gestrebt. Jetzt wollen wir nun alles zusammenfassen, was ich über den gegenwär tigen Zustand von Mexico gesagt habe.
Physische Ansicht. Mitten im Land nimmt eine breite Gebirgskette zuerst ihre Richtung von Südosten nach Nordwesten und jenseits des Parallelkreises von 30° von Süden nach Norden. Ungeheure Plateaus ziehen sich auf dem Rücken dieser Gebirge hin und senken sich allmäh lich gegen die gemäßigte Zone herab; unter der heißen Zone aber ist ihre absolute Höhe 2300 bis 2400 m. Den Abhang der Cordilleren be decken dichte Wälder, während das Zentral-Plateau beinahe allgemein dürr und ohne Vegetation ist. Die höchsten Spitzen, von denen mehrere über die Grenze des ewigen Schnees reichen, sind mit Eichen und Kiefern bekränzt. In der Äquinoktialgegend stehen die verschiede nen Klimate stockwerkweise übereinander; zwischen 15° und 22° der Breite ist die mittlere Temperatur des Litorals, welches feucht und für Leute, die in kalten Ländern geboren sind, ungesund ist, von 25 bis
27 Grad; jene vom Zentral-Plateau aber, das man wegen seiner äußerst gesunden Luft sehr rühmt, 16 bis 17 Grad. Regen fällt wenig im Inne-
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ren, und dem bevölkertsten Teil des Landes fehlt es an schiffbaren Flüssen. Territorialumfang. 118 000 Quadratmeilen, von denen zwei Drittel unter der gemäßigten Zone liegen. Das dritte Drittel, unter der heißen Zone gelegen, genießt wegen der äußerst hohen Lage seiner Plateaus großenteils eine Temperatur, wie die im Frühling im südlichen Italien und Spanien ist. Bevölkerung. 5 840 000 Menschen, unter welchen 3 500 000 Eingebo rene von kupferfarbiger Rasse, 1 000 000 mexicanische Spanier, 70 000 europäische Spanier und beinahe keine Negersklaven sind. Die Bevöl kerung ist auf dem Zentral-Plateau vereinigt. Der Klerus umfaßt nicht
mehr als 14 000 Individuen. Die Hauptstadt hat 135 000 Einwohner. Ackerbau. Die Banane, der Maniok, der Mais, die Zerealien und die Kartoffel sind die Basis der Nahrung des Volkes. Die unter der heißen Zone überall, wo der Boden 1200 bis 1300 m hoch gelegen ist, gepflanz ten Zerealien erstatten das Samenkorn vierundzwanzigfach. Die Agave kann als der Weinstock der Eingeborenen angesehen werden. Der Zuk kerrohrbau hat seit kurzem schnelle Fortschritte gemacht; Veracruz führt jährlich 6 500 000 kg oder für 1 300 000 Piaster mexicanischen Zuk ker aus. Baumwolle von der schönsten Qualität wird an den Westküsten geerntet. Der Anbau des Cacaobaums und der Indigopflanze sind beide gleich vernachlässigt. Vanille wird in den Wäldern von Quilate jährlich
900 Bund zu 1000 Stück gesammelt. In den Bezirken von Orizaba und C6rdoba wird sorgfältig Tabak gebaut. Wachs ist im Überfluß in Yuca tan, und in Oaxaca sammelt man in einem Jahr 400 000 Kilogramm Cochenille. In den Provincias internas und an den Ostküsten zwischen Panuco und Coatzacoalcos hat sich das Hornvieh außerordentlich ver mehrt. Der Zehnte der Geistlichkeit, dessen Betrag die Vermehrung der Territorialprodukte bezeichnet, ist in den letzten zehn Jahren um zwei Fünftel gestiegen. Bergwerke. Jährliches Ausbringen an Gold 1600 Kilogramm; an Sil ber 537 000 Kilogramm; zusammen 23 000 000 Piaster oder beinahe die Hälfte des Wertes aller edlen Metalle, welche jährlich aus allen Berg werken von ganz Amerika gewonnen werden. Das Münzamt von Me xico hat von 1690 bis 1803 über 1 353 000 000 und seit Entdeckung Neu Spaniens bis Anfang des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich 2 028 000 000 Piaster oder beinahe zwei Fünftel von allem Gold und Silber geliefert, welches in dieser Zeit vom Neuen Kontinent nach dem Alten gegangen ist. Drei Bergwerksreviere, Guanajuato, Zacatecas und Catorce, wel che unter 21 o und 24° der Breite eine Zentral-Gruppe bilden, geben bei nahe die Hälfte allen Goldes und Silbers, das jährlich aus sämtlichen
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Fünfter Band
Bergwerken von Neu-Spanien gewonnen wird. Der Gang von Guana juato allein, welcher reichhaltiger ist als die erzführende Lagerstätte von Potosf, liefert jährlich im Durchschnitt 130 000 kg Silber oder ein Sechstel von allem Silber zusammen, das Amerika in dieser Zeit in Um lauf bringt. Das einzige Bergwerk von Valenciana, in welchem die Arbeitskosten das Jahr über 4 500 000 Franken betragen, hat seinen Be sitzern seit 40 Jahren immer einen jährlichen reinen Gewinn von mehr als 3 000 000 Franken abgeworfen. Dieser Gewinn ist zuweilen auf
6 000 000 gestiegen und betrug einmal in wenigen Monaten für die Fami lie Fagoaga in Sombrerete 20 000 000. In 52 Jahren hat sich das Aus bringen der mexicanischen Bergwerke verdreifacht und in 100 Jahren versechsfacht, und es wird noch höher kommen mit dem Steigen der Be völkerung und den Fortschritten der Industrie und Aufklärung. Die Ausbeutung der Bergwerke hat, statt den Ackerbau zu hindern, die Ur barmachung des Bodens in den Unbewohntesten Gegenden begünstigt. Der Reichtum der mexicanischen Bergwerke besteht mehr in der Menge als im inneren Gehalt der Silbererze; letzterer beträgt im Mittel wert nur 0,002 oder drei bis vier Unzen auf den Zentner. Die Quantität der mit Quecksilber ausgezogenen Erze ist im Verhältnis zu der durch die Schmelzung gewonnenen wie 31;2 zu 1. Der Verquickungs-Prozeß ist langwierig und mit großem Quecksilberverlust verbunden; letzterer beträgt jährlich für ganz Neu-Spanien 700 000 Kilogramm. Es ist zu ver muten, daß die mexicanischen Cordilleren dereinst Quecksilber, Eisen, Kupfer und Blei in der Menge liefern werden, in welcher sie für den inneren Verbrauch des Lands nötig sind.
Manufakturen. Wert der jährlichen Produktion der Manufakturindustrie 7 bis 8 000 000 Piaster. Die Leder-, Tuch- und Baumwollzeugfabriken ha ben seit Ende des letzten Jahrhunderts einigen Aufschwung genommen.
Handel. Einfuhr von fremden Produkten und Waren 20 000 000 Pia ster; Ausfuhr in Erzeugnissen des Ackerbaues und der Manufakturindu strie 6 000 000 Piaster. Die Bergwerke werfen 23 000 000 in Gold und Silber ab, von denen 8 bis 9 für Rechnung des Königs ausgeführt wer den. Zieht man demnach von den übrigen 15 000 000 Piaster 14 000 000 zur Bezahlung des Überschusses der Einfuhr über die Ausfuhr ab, so fin det man, daß sich das bare Geld in Mexico jährlich kaum um 1 000 000 Piaster vermehrt.
Einkünfte. Die rohen Einkünfte betragen 20 000 000 Piaster, von de nen 5 500 000 vom Bergwerkausbringen, 4 000 000 von der Tabakpacht,
3 000 000 von den alcabalas, 1 300 000 von der Kopfsteuer der Indianer und 800 000 von der Steuer auf den Pulque oder dem gegorenen Aga vensaft erhoben werden.
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Militärische Verteidigung. Sie verschlingt den viertenTeil derTotalein
künfte. Die mexicanische Kriegsmacht beträgt 30 000 Mann, von denen kaum ein Drittel reguläre Truppen und die übrigen Milizen sind. Der kleine Krieg, welcher unaufhörlich mit den Nomaden-Indianern in den Provincias internas geführt wird, und die Unterhaltung der presidios
oder Militärposten sind eine beträchtliche Ausgabe. Der Zustand der Ostküsten und die Gestaltung des Bodens erleichtern die Verteidigung des Landes gegen jeden Einfall einer Seemacht. Dies sind die Hauptresultate, zu welchen ich geführt habe. Möchte diese Arbeit, die in der Hauptstadt Neu-Spaniens begonnen wurde, de nen nützlich werden, die berufen sind, über die Wohlfahrt des Landes zu wachen; möchte es sie besonders mit der wichtigen Wahrheit durch dringen können, daß das Wohl der Weißen eng an das der roten Rasse [Ia race cuivree] gebunden ist und daß es in beiden Amerika kein dauer haftes Glück geben kann, als insofern die gedemütigte, aber durch lange Unterdrückung nicht erniedrigte Rasse an den Errungenschaften teilnehmen wird, die aus den Fortschritten der Zivilisation und der Ver vollkommnung der gesellschaftlichen Ordnung resultieren.*
*
S. Band VI dieser Studienausgabe, S. 181.
B Kommentar
Zu dieser Ausgabe des Mexico-Werkes 1. Von den literarischen Formen der Geographie bis zum Erscheinen des Mexico-Werkes Die Geschichte der Geographie ist auch die Historie der literarischen Formen, in denen sich Geographie seit der Antike realisierte
-
eineAuf
gabe, die bisher gar nicht gesehen wurde. Wenn daher der Leser die große Leistung, die Alexander v. Humboldt in seinem Mexico-Werk vollbrachte, verstehen will, sollte er wenigstens in einer knappen Skizze die Hauptlinien dieser Entwicklung verfolgen: Schon in derAntike hatte sich bei Griechen und Römern die gesell schaftlich gewiß berechtigte und verständliche Erwartung ergeben, Geo graphie müsse über die Welt und ihre Länder unterrichten, ein Wissen darlegen, das vor allem Staatsmännern, Kaufleuten, Strategen, Seefah rern, Historikern und Lesern von Schriften unentbehrlich sei, eineAr gumentation, die bis in die Neuzeit überlebte.1 So entstand die literari sche Form der Weltkarte, die, obwohl zunächst die schwierigsteAufgabe der Geographie, nie zu entbehren war. So entstand die Periegese, in der das Land einem Reiseweg folgend geschildert wurde, als Vorbild des
Reiseberichts, und die ebensolang nachwirkende Form des periplus, der die Küsten eines Landes aus der Perspektive des vorbeifahrenden Schiffes beschrieb. Monographien eines Landes wurden Chorographien genannt; bei den Römern verkümmerten sie zu Lagebeschreibungen, erkennbar an der Formulierung de situ (über die Lage ) im Titel oder am Anfang. Diese literarischen Formen lebten weiter, z. B. im Fall des periplus in den Portulanen, das waren Segelhandbücher, in denen nautisch wichtige Daten und Angaben über Häfen die Schiffahrt erleichterten; seit 1100 waren ihnen höchst bemerkenswerte Partu/an-Karten beigegeben, bis in das 17. Jahrhundert unübertroffen genaueAufnahmen des Mittelmeer gebiets. Im Mittelalter entstanden neben immer wichtiger werdenden Reise
berichten
( Marco
Polo, John Mandeville ) Kosmographien, die kleine
christlich-symbolträchtige Weltkarten aufweisen konnten und die Geo1
Hanno Beck: Geographie, a. a. 0., S. 37, 104.
528
Zu dieser Ausgabe
graphie der damals gegenwärtigen Welt darstellten. Nach ersten Ma nuskript-Atlanten entwickelte sich die Atlas-Form infolge Gutenbergs Erfindung vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zu erstaunlicher Höhe. Ein Atlas war eine zunächst im Sinne des Klaudios Ptolemaios (ca. 10 0- ca. 160 n. Chr.) geordnete Kartenfolge, die sich jedoch mehr und mehr der antiken Anweisung und Einschränkung entzog und schrittweise zur Darstellung des modernen Weltbildes, das die großen Entdeckungen im Raum erforderten, gelangte. Text fehlte den ersten Atlanten nie- und seien es nur ausführliche Legenden auf den Karten selbst wie im frühe sten exakten Werk dieser Art, dem >Katalanischen Weltatlas< von 1375.2 Die Möglichkeit der Verbindung von geordneter Kartenfolge und er heblichem Text verwirklichten Geographen wie Sebastian Münster (1488-1552), Abraham Ortelius (1527-159 8), Carl Ritter (1779-1859 ) und Alexander v. Humboldt (1769-1859 ); bei diesen letzten beiden großen Geographen gibt es überhaupt keinen selbständigen Atlas, sondern nur Kartenwerke, die mit ihren Textbänden zusammengehören.
Im 18. Jahrhundert lief die länderkundliehe Form der Kosmographie aus, während alle anderen Formen von der Weltkarte bis zur Chorogra phie als der Beschreibung eines Landes- seit dem 17. Jahrhundert auch unter dem Namen der Topographie- überlebten. An die Stelle der Kos mographie traten im 18. Jahrhundert enzyklopädische Kompendien, die bis in die erste Hälfte des 19 . Jahrhunderts hinein die Szene beherrsch ten. lnfolge der nicht zu übersehenden Territorialisierung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation seit dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648 wurde die Politische Geographie als die Geographie des Staates am einflußreichsten. Dem entsprach das Erstarken der Statistik, die (wie die Politische Geographie) alles den Staat Charakterisierende zusammentrug von Daten über die regierenden Häuser und ihre Wap pen bis zum Landbau, meist in aufzählender, rein registrierender Art. Anton Friedrich Büsehing (1724-1793) wird deshalb von der Ge schichte der Statistik gewürdigt, weil er zu denen gehörte, die sinnvolle numerische Angaben, die aus klarer Quelle beschafft waren, in die Poli tische Geographie aufnahm und damit auch die Statistik anregte. Dabei unterliegt es keinem Zweifel, daß der von der Historie der Statistik über sehene Humboldt infolge seines Mexico- Werkes zu den großen Pionieren dieser heute unentbehrlichen Wissenschaft gehörte. 2
Der Katalanische Weltatlas vom Jahre 1375. Mit einer Einführung und
Übersetzung von Hans-Christian Freiesleben, Stuttgart 1977
=
Quellen und
Forschungen zur Geschichte der Geographie und der Reisen, hrsg . v. Hanno Beck, Nr. 11.
529
Geographie bis zum Erscheinen des Mexico-Werkes
Von der Geographie her könnte die Statistik als Wissenschaft definiert werden, die einschlägige Zahlen methodisch ermittelt und interpretiert zur Klärung der räumlichen Verhältnisse des Menschen. 3 In ihrer be grifflichen Entstehung geht die Disziplin auf das rück, vor allem auf Martin Schmeizel Gottfried Achenwall
(1719-1772).
(1679-1747)
17.
Jahrhundert zu
und seinen Schüler
Entgegen der Meinung eines einzel
nen Autors hat "Statistik" seit der Antike durchaus numerischen Gehalt besessen. Sie hatte sich aus diesen numerischen Vorstufen im
17. Jahr
hundert zur Staatenkunde gewandelt. Auch diese ist nicht in dem Maße von Zahlen frei
( "chemisch
rein") gewesen, wie behauptet wurde, wie
denn überhaupt hier ein Fragenkomplex vorhanden ist, der von der Hi storie des geographischen Denkens noch weit besser erforscht werden muß. 4 Das Wort wurde vom italienischen "statista", dem Staatsmann, abgeleitet und bezeichnete das Wissen, das einem solchen im Sinne praktischer Staatskunde und Anwendung dienen sollte. Geographiege schichtlich beinhaltet diese seit dem
17.
Jahrhundert Statistik genannte
Wissenschaft nach heutigem Wissen nichts anderes als "Staatenkunde", die von Statistikern, aber auch Geographen betrieben wurde. Diese Konkurrenzsituation war dem
18.
Jahrhundert, vor allem an der für
diese Problematik entscheidenden Universität Göttingen mit den Pro fessoren August Ludwig v. Schlözer
(1735-1809),
dem Schüler Achen
walls, und Anton Friedrich Büsching, voll bewußt. Das für beide Fächer Schwierige war, daß sie damals keine Mittel fanden, ihre eigenen For schungsfelder klar voneinander abzugrenzen. Es ist von einem Wissen schaftstheoretiker lediglich behauptet worden, bereits die Geographie Büschings habe sich dieser Schwierigkeit entwunden, indem dieser staatsfreie Räume aufgrund der Reiseberichte Carsten Niebuhrs
1815) 3
(1733-
aus Arabien behandelt habe; dies ist nun gewiß nicht die Lösung
Hanno Beck: Geographie und Statistik. Die Lösung einer Polarität, in: Sta
tistik und Staatsbeschreibung in der Neuzeit vornehmlich im 16.-18. Jahrhun dert. Bericht über ein interdisziplinäres Symposion in Wolfenbüttel 25.-27. Sep tember 1978, hrsg. v. Mohammed Rassem u. Justin Stagl, Paderborn, München, Wien, Zürich 1980, S. 269-281; hier: S. 269. 4
Siehe Fußn. 3; dort mehrere einschlägige Beiträge und Justin Stagl: Der
wohl unterwiesene Passagier. Reisekunst und Gesellschaftsbeschreibung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Reisen und Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert
als Quellen der Kulturbeziehungsforschung, Berlin 1980,
S. 353-384. Zur älteren Entwicklung im Orient und in der Antike s. Justin Stagl: Vom Dialog zum Fragebogen. Miszellen zur Geschichte der Umfrage, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie hier: S. 615.
( 1979) ,
S. 611-638;
stellte, die, wie einige französische Geographen und vor allem Johann Reinhold und Georg Forster, Vater und Sohn, Physikalische Geographie entfalteten oder – wie Kant (1724–1804) und Johann Gottfried Herder (1744–1803) – theoretisch untermauerten. Diese zaghaft seit dem 17. Jahrhundert entstehende Wissenschaft verschwisterte sich besonders mit
Geographie bis zum Erscheinen des Mexico-Werkes
531
Motiven der europäischenAufklärung und blieb, voll neuen philosophi schen Geistes, besonders in ihren Höchstleistungen bei Johann Rein hold Forster, Georg Forster, Herder und Humboldt, theoretisch auch bei Kant, dem Menschen zugewandt, indem sie allerdings nun erstmals auch Natur sinnvoll innerhalb der Geographie behandelte. Der Meister dieser modernsten Geographie wurde unbestritten Alexander v. Hum boldt (siehe hierzu auch Band I dieser Studienausgabe, S. 5,
12-16).
Damit war die erheblichste Unterlassung der gesamten Geographie bis dahin ausgeglichen, und so ist denn auch in diesem Sinne Humboldts Behandlung Mexicos keinesfalls ausschließlich, sondern nur teilweise Politische Geographie; obgleich der Titel das Gegenteil andeuten könnte, geht es insgesamt um neue Länderkunde. Jedenfalls wird Mexico kei nesfalls im Sinne des Herkömmlichen und der von Büsehing bestimm
sondern in einer Form, welche die moderne Landeskunde am Beispiel Mexicos, eines großen außer europäischen Landes, eröffnete. Beherrschend ist nie bloßeAufzählung, ten Politischen Geographie dargeboten,
sondern ein in jeder Beziehung hochstehender Text. Zweifellos gab es somit geographisch-literarische Formen, die sich Humboldt anboten (Einzelkarten, Atlas, Reisebericht, Politische Geo graphie und Statistik, Physikalische Geographie), in denen er seine Physikalische Geographie verwirklichen konnte. Seit derAntike und bis zumTodA. v. Humboldts und Carl Ritters las sen sich außerdem drei Probleme nachweisen, die Geographie über haupt bis zum heutigen Tag beschäftigen müssen:
1. 2.
Geographie war (seit der Antike) Wissenschaft von der Gegenwart. Sie war (von derAntike) bis zu Ritters und HumboldtsTod 1859\Vis senschaft vom Menschen in seinen räumlichen Verhältnissen.
3. Sie ist vonAnfang an weit weniger Wissenschaft von der Natur gewe
sen. Diese hatte zunächst nur allgemeine Qualität (blauer Himmel, hohe Gebirge ohne Höhenangaben, vorherrschende Kälte oder Trockenheit usw.). Weitere Paradigmen:
1.
Ebenfalls von der Antike vorgeformt war das dann vom christlichen Mittelalter erhöhte Paradigma von der von Göttern, dann von Gott geschaffenen Welt. Damit wurde auch die Geographie erhöht, weil sie Auskunft über die Schöpfung geben konnte. Dieses Paradigma gliederte sich, wie Manfred Büttner zeigte 8, in der
Reformationszeit dreifach: 8
Manfred Büttner: Die Geographia Generalis vorVarenius. Geographisches
Weltbild und Providentialehre, Wiesbaden 1973.
Zu dieser Ausgabe
532
a) in die katholische Auffassung, die den Schöpfergott in die Mitte rückte, b) in die lutherische
Überzeugung
vom gegenwärtig wirkenden
Gott, c) in die calvinistische (oder reformierte) Meinung, daß Geographie die
(historisch-geographische)
Aufgabe habe, ein Land von der
Festlandbildung an, seit dem dritten Schöpfungstag also, in sei nen Veränderungen zu würdigen. Hierzu traten weitere Erklärungsmodelle: 2. Von Anfang an vorhanden war stets ein gewisser, niemals allein vor herrschender Geodeterminismus, der den Menschen von der Natur
(vor allem von Klima und Boden) her erklären wollte. 3. Die Abmilderung des Geodeterminismus durch den Begriff der Wechselwirkung: Die Natur beeinflußt den Menschen, der Mensch beeinflußt die Natur ( seit der zweiten Hälfte des Bis in das
20.
18.
Jahrhunderts).
Jahrhundert hinein wirksames Erklärungsmotiv, oft in
seiner ersten Hälfte nichts anderes als reine, doch meist unbemerkte LeerformeL
4.
Die
Ü berwindung
des Geodeterminismus durch völlige Umkehr
des alten Erklärungsschemas: Der Mensch gestaltet die Natur um und zerstört sie dabei u. U. in verhängnisvoller Weise. Diese Blick wendung hat einzelne Vorläufer und bricht erstmals im Werk des Brasilienforschers Wilhelm Ludwig v. Eschwege
(1777-1855), bei (1801-1882)
A. v. Humboldt und vor allem George Perkins Marsh seit
1864 durch.
Diese drei letzten Paradigmen entstanden zeitlich nacheinander. Nachdem das zuletzt angeführte seit
1864
Schritt für Schritt, wirksam
aber erst in unserer Gegenwart hervortrat, dauerte es dennoch lange Zeit, bis der pure Geodeterminismus schwand. Seitdem gab es die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen oft genug. Wenn auch die beiden letzten Paradigmen das Feld behaupteten, so ist doch selbst die älteste Form noch immer nicht verschwunden, und sie lebte und lebt natürlich noch partiell in der zweiten Hälfte des zweiten Paradigmas weiter. Damit wird insgesamt deutlich, welche Möglichkeiten des Operierens Humboldt in der Geographie offenstanden.
Zur Bibliographie
533
2. Zur Bibliographie
a) Zu den Ausgaben des Mexico- Werkes Die Originalausgabe ist französisch und Teil des amerikanischen Rei sewerkes ( siehe Band I dieser Studienausgabe, S. 28): Ia. Essai politique sur le royaume de La Nouvelle-Espagne. Avec un atlas physique et geographique, fonde sur des observations astro nomiques, des mesures trigonometriques et des nivellemens baro metriques.
(F. Schoell ) Paris 1811, zu Beginn 4 unpaginierte Seiten ( Widmung für den König von Spanien) ; XCII und 350 Seiten; am Schluß: 4 Seiten unpaginiert für Inhaltsverzeichnis und 2 Seiten
Band I
mit Korrekturen. Band I enthält Buch ( = livre) 1-111. Band II
(F.
am Schluß:
Schoell) Paris
1811, S. 351-905;
«Notes et supplement»: S. 829-868; «Additions»:
S. 861-867 bis [das lateinische wie französische Adverb
bis bedeu
tet "erneut", "zum zweiten Mal" oder "auf zweierlei Weise"] =
7 S.;
«Analyse
statistique
du
royaume
de
La
Nouvelle
2 Seiten; zweispaltiges Register: S. 869-904; Korrek S. 905; diesen 905 Seiten müßten weiterEssai politique du Royaume de La Nouvelle-EspagneMexico-Atlasses< erläutert, sowie um sieben Karten des >Atlas geographique et physique des regions equinoxiales du Nouveau Continent< ( Paris 1811-1834) und eine Bildtafel aus den >Vues des Cordilleres< ( Paris
1813), die Me-
Zu dieser Ausgabe
534
xico betreffen. Besorgt von Hanno Beck und Wilhelm Bonacker
(F.
A. Brockhaus, Abt. Antiquarium) Stuttgart 1969
=
Quellen
und Forschungen zur Geschichte der Geographie und der Reisen, 6, hrsg. von Hanno Beck. Format 19,4 cm x 46,0 cm. Dieser um die Mexico-Darstellungen in anderen Atlanten ver mehrte Neudruck ist in Mexico-Stadt in zwei spanischen Auflagen herausgekommen; die deutsche Ausgabe ist dem Leser dieser Aus gabe in vielen Bibliotheken zugänglich, ebenso in wichtigen Bei spielen im Anhang dieses Bandes der Studienausgabe. Die zweite französische Auflage: Id. Essai politique sur le royaume de la Nouvelle-Espagne. Deuxieme edition. Band I (Antoine-Augustin Renouard) Paris 1825, XV III u. 471 S. Band I enthält: S. V II-X Widmung an den König von Spanien; S. XI-XVIII Vorwort des Verlegers; S. 1-4 Vorwort der ersten Auf lage;
S. 5 -187 « Analyse raisonnee de l'Atlas de la Nouvelle
Espagne»; S. 189-467 Darstellung Mexicos. Band I enthält die Analyse des Atlasses u. Livre I-11; S. 469-471 Inhaltsverzeichnis. Band II (Jules Renouard) Paris 1827, 500 S. Band II enthält Livre III-IV u. S. 499-500 Inhaltsverzeichnis. Band III (Jules Renouard) Paris 1827, 479 S. Band III enthält den Rest von Livre IV u. S. 477-479 Inhaltsver zeichnis. Band IV (Jules Renouard) Paris 1827, 380 S. Band IV enthält S. II Verlagshinweis auf den Mexico-Atlas; nach S. 84 folgt die große Falttafel »Balance generale du commerce de Vera-Cruz depuis l'annee 1796 jusqu'a l'annee 1820« mit Spanien, anderen Ländern und Amerika;
S. 287-303 Notes;
S. 305 -310
» Supplement«; S. 311 »Errata«; S. 313 -328 »Extrait«; S. 329-375 ein zweispaltiges Register, eng gedruckt »Table generale analy tique des matieres contenues dans l'Essai politique sur la Nouvelle Espagne«; S. 377-380 Inhaltsverzeichnis. Band IV enthält Livre V u. V I. Im Anhang: zwei Karten: a. Tableau physique de la Nouvelle-Espagne; mexicanisches Ge samtprofil. Format: 55,5 cm x 20,3 cm. b. Carte du Mexique et des pays limitrophes situes au nord et a l'est dressee d'apres la grande carte de La Nouvelle-Espagne de
Zur Bibliographie
535
Mr. A. de Humboldt et d'autres materiaux par J[ean]. B[apti ste]. Poirson 1827 . Das Werk wurde mit dem zugehörigen Atlas geliefert, wenn der Käufer es wünschte. Format 7 6,6 cm x 48,0 cm. Französische Oktav-Ausgabe ohne den Atlas: II.
Essai Politique sur le royaume de La Nouvelle-Espagne. 5 Bände
(F.
Schoell) Paris 1811.
Band I:
(Buch I und II), 451 S.; zusätzlich: » Avertissement de l'editeur«, S. I-11; die Widmung an den König fehlt; Ana lyse de l'Atlas oder Introduction geographique S. 1-199.
Band II: (Buch II und Ill), 511 S. Band Ill: (Buch IV ), 420 S. Band IV: (Buch IV und V ), 565 S. Band V:
(Buch V I), 350 S.; «Notes et supplement»: S. 89-192; Inhaltsverzeichnis:
S. 193-194;
Register:
S. 195-345;
Korrekturen: S. 347-350. Band II dieser Ausgabe enthält am Schluß: «Tableau physique de La Nouvelle-Espagne. Profil du chemin d'Acapulco a Mexico, et de Mexico a Veracruz. Dessine d'apres des mesures barometriques et trigonometriques, prises en 1804 par Mr. de Humboldt»; es ist dies eine sinnvolle Gesamtwiedergabe des klassischen Länderpro fils, das Humboldt in seinem >Mexico-Atlas< in zwei Teilen veröffentlicht hat. Format dieses Gesamtprofils: 54,6 cm x 20,7 cm. Ebenso wurde dieser Oktav-Ausgabe die Karte Nr. 2 des >Mexico-Atlas< beigegeben, weil nur sie das Land mit sei-· nen Nachbarländern und der Verwaltungsgliederung zeigt, während die große dreiteilige Generalkarte einen solchen Überblick nicht gewährt; allerdings kennt der Herausgeber kein Exemplar mit dieser in einer Einlei tung des Verlegers angekündigten Darstellung. Format der Oktav-Bände: 12,6 cm x 21,0 cm. Die einzige vollständige deutsche Textausgabe erschien leider eben falls ohne den >Mexico-AtlasMexico-Atlas< oder "Geographi sche Einführung" S. I-CLXVIII.
Band II:
(Buch III, Kapitel V III) 1810, 278 S.
Band III: (Buch IV, Kapitel IX-X) 1812, 180 S. Band IV: (Buch IV, Kapitel XI und Buch V, Kapitel XII) 1813, 430 S. Band V:
(Buch V I, Kapitel XIII-XIV ) 1814, 178 S.; Anmerkungen und Zusätze: S. 56-83; Anhang: S. 84 -115; Zusätze: S. 116-123;
Alphabetisches
Register
der
sämtlichen
Bände des Werkes: S. 129-178. Format: 11,8 cm x 19,3 cm. Der Verlag Cotta hat von einem ungenannten Herausgeber 1889 eine verkürzte Ausgabe bearbeiten lassen: IV. Aus A. von Humboldts Versuch über den politischen Zustand des Königreichs Neuspanien. 2 Teile
(J.
G. Cotta) Stuttgart 1889
=
Gesammelte Werke von Alex
ander von Humboldt, 9. und 10. Band. Band 9, Teil 1: XI und 312 S. Band 10, Teil 2: 130 S. Format: 11,6 cm x 18,1 cm. Aus dem ersten Band unserer Studienausgabe (s. S. 25) weiß der Leser, daß die Erscheinungsjahre der meisten Publikationen Humboldts den Angaben des Neudrucks (Amsterdam, New York 1970 -1973) des ameri kanischen Reisewerkes folgen, bis etwa eine internationale Kommis sion Gültiges festsetzen kann. Dennoch sind an dieser Stelle einige Hinweise nötig: Zu Ia: Die beiden Groß-Quart-Bände des >Essai Politique< oder des Mexico-Werkes, die wir künftig zitieren werden, sind in Wirk lichkeit erschienen: Paris 1808-1812; dies ist aus verschiedenen
Zur Bibliographie
537
Lieferungsblättern und der Rezensionsgeschichte zu erschlie ßen. Zu Ib: Der zugehörige Atlas erschien: Paris lein: Paris
1808-1811;
nochmals al
1812.
Zu II: Das mexicanische Gesamtprofil Acapulco- Mexico-Stadt- Vera cruz findet sich auch im zweiten Band der vierbändigen spani schen Ausgabe und in mehreren ebenfalls spanischen Editionen der folgenden Zeit. Die Geschichte der Übersetzungen ist noch nicht geklärt: Wichtig für unseren folgenden Text sind diese Hinweise:
1.
Eine englische Übersetzung:
4 Bände mit 9 Tafeln aus dem >Mexico
AtlasInquiry into the nature and causes of the wealth of Nations< (2 Bände. London 1776) korrigiert. Seine Diskussion dieser Zahlen sei selbst in Debatten des englischen Parlamentes angeführt worden ( S. XIV ) . Bei der zweiten Auflage habe man geglaubt, sich vor einer Titelände rung hüten, das Werk nicht durch unbesonnene
Änderungen entstellen
und es nicht mit nebensächlichen Zusätzen eines rein vorübergehenden Interesses überladen zu sollen ( S. XV ) . Hätte der Autor in dieser Aus gabe alles auf die gegenwärtige Lage zurückgeführt, hätte er seinem Werk die individuelle Physiognomie genommen (S. XV I) .
Zur Bibliographie
539
Zahlreiche Zufügungen und Verbesserungen seien zum großen Teil in den Text eingeschaltet worden.
Sie bezögen sich besonders auf die
Analyse des Atlasses, auf die Diskussion der Nützlichkeit ozeanischer Kanäle durch die mittelamerikanische Landbrücke, auf das Wachsen der Eingeborenenbevölkerung, auf die unabhängigen Indianerstämme des Nordens, auf die Bevölkerungszählung von Mexico-Stadt, auf die Geldschöpfung während des Bürgerkrieges, auf die immer abnehmen den Goldexporte Brasiliens, auf den Handel von Veracruz, dessen Total ertrag von 1795 bis 1820 sich auf 5 38 640 163 Piaster gehoben habe (S. XVII), auf den jährlichen Verbrauch an Leinen im Inneren Mexicos, auf die Einkünfte der Regierung aus drei Steuern (alcavala, pulque, Branntwein aus Zuckerrohr), schließlich auf die Geldmengen, die das Tribunal de Mineria von 1777 bis 1799 zur Förderung der Ausbeute der Bergwerke ausgegeben habe. Da Humboldt infolge seiner Beziehungen zu Persönlichkeiten Mexi cos in den Besitz neuester Statistiken gelangte, seien diese im Text berücksichtigt worden (S. XVIII). Nicht nur in seinem Vorwort hat der Verleger für Hinweise auf Textän derungen gesorgt, sondern auch im Register des vierten Bandes unter dem Stichwort "Die wichtigsten Zufügungen und Berichtigungen in die ser neuen Auflage". Am Schluß dieser recht umfangreichen Aufstellung heißt es: Um der Liste nicht zuviel Umfang zu geben, habe man nur die beträchtlichsten Zufügungen genannt. Nicht angeführt habe man eine Menge im Text eingeschalteter Passagen und neue Anmerkungen, von denen man einen großen Teil im ersten Band finden könne. Werden erste und zweite Auflage verglichen, dann ist diese Ansicht nicht nur zu bestätigen, sondern sie entspricht dieser Meinung sogar über Erwarten. Allein die Erweiterungen der "Analyse raisonnee" des Atlasses sind sehr erheblich. Oft erweisen sich die Angaben des Re gisters als bruchstück-oder gar fehlerhaft, um nicht noch mehr zu sagen. Verschwiegen werden im ersten Band z. B. beträchtliche Zusätze eines augenscheinlich zur Mitarbeit Herbeigerufenen, dessen abgekürzter
Name "E - R" nicht aufgeschlüsselt wird. Er zeichnet für durchaus
kenntnisreiche Zusätze, oft aus Humboldts >Relation Historique< (
=
RH) geschöpft, verantwortlich:
Band I: S. 6, 97, 103-105 (RH), 152,200-201 (RH), 216 (RH). Um dem Leser wenigstens das Problem der leicht erkennbaren Zusätze noch weiter für den ersten Band zu verdeutlichen, seien die restlichen Er weiterungen dort wenigstens ohne Verpflichtung zur Vollständigkeit ange führt; wenn sie von Humboldt'Stammen oder aus der >Relation HistoriqueAtlas Pittoresque< (s. Band I der Studienausgabe, S. 28), Seite 118, 136 und 385. In Wirklichkeit wurde er den Seiten 202 bis 203 (endend mit einem neuen Textzusatz), den Seiten 210 bis 211 und 318 bis 320 entnommen. Obgleich dies alles keineswegs die alleinige Arbeit Humboldts an dieser zweiten Auflage des Mexico-Werkes bezeugt, hat der geschäftstüchtige Verleger im Werbetext für den >Mexico-Atlas< (Band IV, S. II) behaup tet, jene sei vom Autor (Humboldt) "noch einmal geprüft (oder durch gesehen) und sehr vermehrt worden". Bei allem hat der Verleger das Problem einer notwendigen Titelän derung nicht verschwiegen. Zwar vermied er sie, ohne allerdings die Problematik auslöschen zu können. War doch die Mexico-Darstellung bereits 1808-1811 in Paris erschienen, und zwar als Teil des amerikani schen Reisewerkes. Nur so war z. B. die Widmung an den spanischen König sinnvoll. Mußte sie 1825-27 nicht sinnlos erscheinen oder gar taktlos, da das Land bereits am 14. Februar 1821 seine Unabhängigkeit erklärt hatte? Verstieß der Verleger (oder gar Humboldt selbst?) damit nicht sogar gegen eben diese "Anmut der Sitten", die der große Geo graph immer wieder von anderen erwartete? Widmung an einen König, der außer Cuba all seine Kolonien in Südamerika verloren hatte und dessen Soldaten, soweit sie noch Widerstand leisteten, auf verlorenem Posten standen? Außerdem stimmten doch nun die erheblichen Ände rungen der "Analyse raisonnee" des Atlasses nicht mehr mit den Karten überein, die sie erläutern sollten, da diese selbst nicht fortgeschrieben wurden; dazu fehlten Humboldt damals bereits die Geldmittel. Bemer kenswerterweise lieferte der Verleger nämlich diese zweite Auflage mit dem Atlas aus, wenn es gewünscht wurde. Gewiß war die Beibehaltung des alten Buchtitels verlegerisch und buchhändlerisch klug- doch bleiben zu viele stichhaltige Argumente, die Mitarbeiter und Herausgeber der vorliegenden Studienausgabe nicht zu einer Berücksichtigung der zweiten Auflage bewegen konnten, ohne daß sie dieser damit den Wert absprechen wollten. Ein vorzüglicher Kenner des Mexico-Werkes, der amerikanische Geograph Donald D. Brand (geb. 1905), glaubte an eine aktive Beteiligung Humboldts an der Korrektur dieser zweiten Auflage. Immerhin hat der Verleger im ersten Band der zweiten Auflage dessen Mitarbeit festgestellt, als er von "zusätzlichen
Zur deutschen Übersetzung des Mexico-Werkes
541
Noten" sprach, in welchen dieser die Fortschritte der Bevölkerung seit der Epoche seiner Reise diskutiert habe. Völlig auszuschließen ist eine Mitwir kung nicht, wie wir gesehen haben; so dürfte Humboldt gewiß Unterlagen für die Erweiterung der einleitenden Atlas-Analyse bereitgestellt haben. Insgesamt aber hat er vermutlich das meiste den beiden Verlegern Re nouard überlassen. So erklärt sich wohl auch die ein und andere Volte, die der Verleger des ersten Bandes, Antoine-Augustin Renouard, in seinem Vorwort schlug, etwa wenn er für sein Vorhaben das Verb Ideen zu einer Landeskunde MexicosAllgemeinen Geographischen EphemeridenAllgemeinen Geographischen Ephemeriden< wa ren meist wohlunterrichtet, und dazu verfuhren sie oft sehr gründlich. So ist die ausführliche Rezension des französischen Originals (Band
1809,
S.
195-212;
S.
317-331;
S.
438 -457)
eine beachtliche Leistung.
Dagegen konnte urid mußte die Rezension der deutschen Übersetzung
(34.
Band,
1811,
S.
75-77) kürzer ausfallen,
da das Original nun bereits
"hinreichend vollständig" besprochen worden war, so daß "wir bei die ser von dem Hrn. Verfasser [das ist A. v. Humboldt] selbst besorgten teutschen Ausgabe nicht viel mehr anzumerken" haben (S.
76).
Dies
trifft nun allerdings eindeutig nicht zu, zeigt doch die Übersetzung nur zu deutlich, daß sie nicht von Humboldt stammen kann, wie an der Übertragung einzelner Wörter und am gesamten Text leicht erwiesen werden könnte. Humboldt hat übrigens im strengen Sinn eigenen Text nie übersetzt und selbst im Fall einer zweiten Auflage - etwa seiner Schrift >De distributione plantarum< - den Text erweitert, verbessert oder bearbeitet. Er war zu genial und unruhig, zu sehr mit den letzten Veränderungen in der Wissenschaft beschäftigt, um einen Text in der Übertragung dem Original getreu festschreiben zu können. So spricht gerade die treue Übersetzung neben den bewußten Verstößen gegen die immerhin bemerkenswerte Meinung des oben angeführten unbekannten Rezensenten. Schließlich verlangt dieser Band unserer Studienausgabe ein Wort zur Schreibung von Länder- und Personennamen spanischer Herkunft: Es ist schwer zu begreifen, warum die deutsche Rechtschreibung solcher Bezeichnungen im Verlauf des
19.
Jahrhunderts jedes spanische
544
Zu dieser Ausgabe
"c" durch "k" ersetzte und dabei unnötig eine Brücke zu den iberischen Völkern unterbrach. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, bei America, Me xico, Californien, Columbien und Ecuador zu bleiben? Offensichtlich hätte solche Schreibung niemandem geschadet, dafür aber vielen ge nützt. Die charakteristischen Akzente in Namen wie Paramo, Bolivar, San Martfn, Panuco, Queretaro wurden ohnehin weggelassen mit der Folge, daß ein Deutscher sie heute meist verkehrt ausspricht. Um diesen unnötigen endogenen Analphabetismus leicht eurozentrischen Ein schlags wenigstens etwas zu bekämpfen, finden sich in diesem Band wie der die "c" und die Akzente unüblich oft. Sie gehören zum Timbre unse res klassischen Textes und bewahren ihn vor unnötiger Entfremdung; dies gilt ebenso für unnötige Großschreibung eigentümlich spanischer Begriffe. Mexico schrieben wir wie Humboldt, haben aber hin und wieder richtig Mexico eingefügt, dem Land zuliebe, das uns der große Geograph erstmals erschlossen hat.
4. Zur deutscheu Übersetzung des Titels
>Essai Politique sur Je royaume de La Nouvelle-Espague
Essai sur la geographie des plantes< (=Ideen zu einer Geo graphie der Pflanzen) heranreichte, trifft auf Schwierigkeiten für das Mexico-Werk, da der große Geograph in diesem noch etwas komplizier teren Fall selbst leider keine Transkription geliefert hat. Gerade das Titelblatt der deutschen Übersetzung (Tübingen
1809) erweist die beste
hende Schwierigkeit (>Versuch über den politischen Zustand des König reichs Neu-SpanienEssai sur la geographie des plantes< mit >Ideen zu einer Geographie der Pflanzen< großartig ins Deutsche übersetzt (siehe dazu auch Band V unserer Studienausgabe, S.
371
und die Belege in Band I, S.
298).
Seine >Ideen zu einer Physio
gnomik der Pflanzen< deuteten in die gleiche Richtung. Die verlockende Möglichkeit solcher Übersetzung vor Augen, müß ten wir >Essai Politique sur le royaume de La Nouvelle-Espagne< etwa mit "Politische (d. h. auf den Staat bezogene) Ideen zum Königreich Neu-Spanien oder Mexico" übersetzen, und dies wäre keine schlechte Übertragung, denn auch hier wollte sich Humboldt augenscheinlich von
Zur deutschen Übersetzung des Titels
545
vornherein vor dem nie zu befriedigenden Hang nach Vollständigkeit und vor dem länderkundliehen Schematismus in Büschings Werk be wahren. Dieses "Länderkundliche Schema", wie es später genannt wurde, behandelte ein Land nach Morphagraphie
( später
Morpholo
gie) , Klimatologie, Hydrographie, Pflanzen, Tieren und Menschen. Es war seit der Antike und vor allem seit dem
16.
Jahrhundert vorhanden
und wurde von Büsehing fast ohne naturgeographische Faktoren im Sinne seiner Politischen Geographie zeitgenössisch erweitert. Eine sinnvolle
Übertragung
ist um so eher möglich, weil Humboldt
selbst oft von seinem "Werk über Mexico" und von seinem "Mexico-" oder seinem "mexicanischen Atlas" gesprochen und damit selbst den heute verblaBten Begriff "Neu-Spanien" ausgeklammert hat. Da ihm außerdem der Begriff "Länderkunde", dessen mögliches deutsches Syn onym "Landeskunde" ist, wohlvertraut war, dürfen wir ihn anführen, besteht doch heute an der Zugehörigkeit zu dieser geographisch-literari schen Form kein Zweifel. Der Begriff "politisch" im Werktitel ist im ursprünglich griechischen Sinn auf den Staat
( =Polis)
bezogen; dabei
ist es möglich, daß ein solches Werk auch dem Staatsmann ( =Politiker ) helfen kann; so nennt das >Philosophische Wörterbuch< ( Stuttgart S.
1974, 516) unter den Hilfswissenschaften einer "Politik im Sinne von Staats
lehre", immer noch mit einer fernen Zeit übereinstimmend, "Ge schichte, Politische und Wirtschaftsgeographie" neben anderen Diszipli nen in erster Linie als Hilfswissenschaften ( der Staatslehre-Politik) . In diesem Sinne erscheint eine
Übersetzung
des Titels gemäß der
geographischen Intention Humboldts gut möglich. Schließlich hat er selbst in seinem >Kosmos
Mexico-Atlas< des Mexico-Werkes
Zum Pioniercharakter des klassischen Werkes gehört der >Mexico-At lasAtlas geogra phique et physiqueMexico-Atlas< nen nen können, klar bezeichnet. Es fehlte damals einfach ein allgemein zugängliches Kartenwerk, das Mexico für Humboldts Zwecke in wissenschaftlicher Klarheit dargestellt hätte. Spätere Autoren mexicanischer Landeskunden konnten bei den Lesern den Besitz eines allgemeinen Atlasses mit gründlichen mexicani schen Karten erwarten; hier war diese Voraussetzung erst zu schaffen. Diese notwendige kartographische Grundlage betont Humboldt auch, indem er das Werk mit einer "Analyse" für jede einzelne kartogra phische Darstellung eröffnete, die er im Kolumnentitel, oben am Blatt rand, durchgängig "Geographische Einleitung" nannte - so haben er selbst und Zeitgenossen diesen Text auch allein bezeichnet, was wir in unserer Übersetzung ausdrückten 10 (siehe in dieser Ausgabe S.
9).
Daß diese" Geographische Einleitung" jede Karte ausführlich nach ihren Grundlagen, möglichen anderen Autoren und Quellen erörterte, war da mals einzigartig, und es hat auch Vergleichbares in dieser Vollendung seither nie wieder gegeben. 11 Es war eine Pionierleistung, die im Auto ren-Katalog des Abraham Ortelius in dessen Atlas >T heatrum Orbis Ter rarum< (Amsterdam 1570ff.) und dem "Sydow-Wagner"-Atlas in Her mann Lautensachs Redaktion 12 einen andersartigen Vorgänger und einen vergleichbaren Nachfolger kannte, im Grunde aber Ausnahme geblieben ist. Nachdem
1969 im Neudruck des >Mexico-Atlas< die fran
zösische Fassung zusätzlich publiziert werden konnte, wird in der vorlie genden Ausgabe nun endlich- ebenfalls nach über 180 Jahren- der voll ständige deutsche Text wieder zugänglich, dessen Auslassung in den ver kürzten Ausgaben verschwiegen wurde. An solchen Beispielen wird 10
Humboldt sprach selbst sehr oft von seinem "Mexico-Atlas", auch von sei
nem Mexico-Atlas< eigentlich auch bibliographisch dem landeskund liehen Werk vorausgehen müßte. Er sollte in Humboldts Sinn aufgeschla gen auf dem Tisch liegen, wenn der Leser das Mexico-Werk studiert; das ist heute infolge des Neudrucks von 1969 durchaus möglich; doch reicht im allgemeinen eine gute, nicht gar zu kleinmaßstäbige moderne Atlas Karte Mexicos und der südlichen USA aus. Allerdings sollte der inzwi schen vergriffene Neudruck in einer Bibliothek oder in einem Geogra phischen Institut wenigstens einmal eingesehen werden, allein schon wegen der in der "Generalkarte"
(planches 1a, b, c) und der zweiten
Übersichtskarte eingetragenen Verwaltungsgliederungen. Dieser Band der Studienausgabe bringt im Anhang 11 Karten aus dem Mexico-Atlas sowie 6 einschlägige Darstellungen aus zwei anderen Atlanten des Reisewerkes in verkleinertem Nachdruck. Sie sollten bei der Lektüre neben dem Buch liegen.
6. Erläuterungen zu Humboldts Mexico-Werk
a) Zur Lage Mexicos in denfahrzehnten vor Humboldts Eintreffen 1803 Donald D. Brand (geb. 1905) hat 1959 als bedeutendster geographi scher Sachkenner auf den Zustand Mexicos, als es Humboldt am 22. März 1803 in Acapulco erreichte, und auf die vorhergehenden Jahr zehnte seiner Entwicklung hingewiesen. Wir erfahren z. B., daß Hum boldts statistische Daten "hauptsächlich" aus den Jahren 1763 bis 1803 stammen, Jahre der "Neuorganisation" des Landes, "die Neu-Spanien zum zahlungskräftigsten Land der Welt machte und das Goldene Zeit alter der spanischen Herrschaft und Kultur in Mexico mit sich brachte". Von 1764 bis 1789 hatten sich freihändlerische Bestrebungen durchgesetzt. Infolgedessen wechselten viele "Monopolkaufleute" in Landwirtschaft, Bergbau und Industrie, da ihre sicheren Gewinne nun aufgehört hatten.
Zu dieser Ausgabe
548
1711 bis 1783 erhielt der Bergbau Auftrieb infolge eines neuen Berggeset zes und der Errichtung des "Colegio de mineria", und das Regierungssy stem weitete sich von 1786 bis 1792 auf "fast ganz Neu-Spanien" aus. Geschickte Steuerpolitik und Einnahmen aus dem Tabakmonopol von 1764ließen die Einnahmen der öffentlichen Hand "zu den höchsten Zahlen, die jemals in Kolonialzeiten in Neu-Spanien erreicht wurden", ansteigen. Ebenso wurde in der Regierungszeit des Vizekönigs Revilla gigedo Mexico-Stadt zur modernen Metropole ausgebaut, Kriege gegen England (1779-83,
1796-1802) häuften Edelmetall im Land an und
ließen die Industrie aufblühen. In dieser Blütezeit materiellen und kulturellen Wohlstands hat Hum boldt Mexico besuchen dürfen. Wissenschaftler, Architekten und Bild hauer erreichten internationalen Rang, und ebenso beachtlich wie einige Vizekönige waren Erzbischöfe und Bischöfe. Einige von ihnen, die in ihrer Bedeutung den Vizekönigen nicht nachstanden, hat Hum boldt bewundert. Allein er erhielt "Zutritt zu Archiven und Urkunden in Neu-Spanien in einem Maß, das weder vorher noch nachher erreicht wurde". 1741 hatte ein königlicher Befehl von Verwaltung und Kirche Informationen über ihre Bezirke verlangt und eine "bis 1794 immer steigende Flut von Daten" ausgelöst, die ihm zugute kam.13 Und dennoch: Wer könnte sagen, dies alles sei Humboldt, einem Glückskind, in den Schoß gefallen? Geographiehistorisch und reisege schichtlich gibt es für seinen Erfolg ohnehin nur einen entscheidenden Grund, nämlich eine sechsjährige, bis dahin beispiellose spezielle Vor bereitung auf die Tropen der Neuen Welt, die das Studium der spani schen Sprache einschloß. Oder will uns immer noch jemand glauben machen, Humboldt habe Spanisch, dessen Beherrschung ihm 1799 erst am spanischen Hof Lateinamerika geöffnet hatte, rein zufällig gelernt, ebenso wie er auch rein zufällig in die Tropen der Neuen Welt gelangt sei? Selbst Donald D. Brand, dem für seine Forschung großer Dank gebührt, hat nicht gesehen, daß Alexander - wie auch sein Bruder Wilhelm - schon vor Antritt der Reise mehrfach Mexico als Reiseziel angegeben hatten 14. 13
Donald D. Brand: Humboldts Essai Politique sur le Royaume de la Nou
velle-Espagne, in: Alexander von Humboldt. Studien zu seiner universalen Geisteshaltung, hrsg. v. Joachim H. Schultze, Berlin 1959, S. 123-141; hier: S. 126-130; Zitat: S. 126. 14
Hanno Beck: Alexander von Humboldt, a. a. 0., 1959, Band I,S. 132, mit
Anm. 2 aufS. 283, schon damals waren mehrere Erwähnungen bekannt, die nicht alle angeführt wurden; ders.: Alexander von Humboldts amerikanische Reise, a. a. 0., S. 108.
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Erläuterungen
b) Zur Geschichte der Entstehung des Mexico- Werkes Der Weg von seiner Geographie zu praktischer Anwendung und Hilfe ist Humboldt zeitlebens nie schwergefallen. Wir wissen z. B. von vielen Gutachten, die er im Auftrag südamerikanischer Behörden vorgelegt hat. Eine zusammenfassende Arbeit darüber, der ein Aufspüren dieser von ihm oft als «memoires» bezeichneten Berichte vorhergehen müßte, ist ein wichtiges Desideratum der Forschung. Da der spanische Vizekönig Jose de Iturrigaray (1772-1815) die Vor lage solcher "interessanten Materialien" erbeten hatte, bearbeitete Humboldt, auch um seinen Dank für Aufnahme und Entgegenkommen zu bezeugen, von Oktober bis Dezember 1803 seine>Tablas geognificas del reino de Nueva EspafiaDiario de Mexico< wenigstens die Angaben über die Ober fläche und die Bevölkerung betreffenden Teile publiziert. 16
Wie ihr Titel sagt, waren diese>Tablas< spanisch geschrieben; sie wur den von Humboldt bald auch als >Statistique du Mexique< bezeichnet. Abschriften erhielten Präsident T homas Jefferson (1743-1826), nicht der letzte Präsident der USA mit eigenen geographischen Interessen, die spanische Krone, der spanische Staatsmann Manuel de Godoy
(1767-1851); eine weitere wurde ins Französische übersetzt. Damit begann die Geschichte der Einwirkung bereits vor der Drucklegung. Wieder in Europa angekommen, traf Humboldt nach der Landung in Bordeaux (3. August 1804) und Aufenthalten in Paris und Rom am
16. November 1805 nach neunjähriger Abwesenheit wieder in Berlin 15 Hanno Beck: Alexander von Humboldt und Mexico. Beiträ e zu einem g geographischen Erlebnis, a. a. 0., 1966, S. 30. 16 Von den weiteren Darle un en der mexicanischen Editionen wird hier g g
abgesehen und verwiesen auf die >Bibliografia mexicana de los escritos de Hum boldt 1804-1966< in dem hervorragenden Werk ( A. v. Humboldt: Tablas geognifi cas polfticas del reino de Nueva Espaiia y corresponcia mexicana, Mexico-Stadt
1970,
S.
153-158),
das die "Direcci6n General de Estadistica" herausgegeben
hat. Diese Institution hat dem Herausg eber im November
1970
in ehrenvoller
Weise ein Exemplar überreicht, wofür Herrn Generaldirektor Ruhen Glearson Galicin auch an dieser Stelle gedankt sei.
550
Zu dieser Ausgabe
ein, wo er bis zum 13. November
1807
blieb. Während dieser Zeit arbei
tete er zäh an seinem Reisewerk. Damals begann die Metamorphose der >Statistique du Mexique< zur länderkundliehen Form des Mexico- Werkes, eine großartige Leistung, über die uns der berühmte Schweizer Histori ker Johannes
v.
Müller
(1752-1809) schätzenswert unterrichten konnte,
weil er neben Humboldt wohnte und das Manuskript kennenlernte; wir kommen bei der Darstellung der Wirkungsgeschichte darauf zurück. Seit der Heimkehr aus Amerika lösten sich endlich die während der Reise aufgestauten Energien zur literarischen Ausführung der wichtig sten Ergebnisse. Am 3. Februar
1805
teilte Humboldt seinem Freund Mare-Auguste
Pictet (1752-1825) den literarischen Plan seines Reisewerkes mit. Punkt
11
betraf die >Statistique du MexiqueBibliotheque Britannique< und in Eng land wohlbekannt, übersetzte Bände von Humboldts Reisewerk ins Englische, "die man in England druckt", dabei unterstützt von Alex andre-Jean Gaspard Marcet
(1770-1822),
einem Genfer Arzt, der in
London diese literarischen Pläne förderte.18 In diesem Sinne hoffte Humboldt auch zur Stützung der englischen Auflage auf Leser in Ame rika, während der "sehr reiche" Verleger Cotta die Bände in Deutsch land herausbringen sollte -Erwartungen, die sich leider nur zu einem kleinen Teil erfüllten, da den weitaus meisten Bänden natürlicherweise die Eignung zum "Bestseller" fehlte. Am
1. April 1805
glaubte Hum
boldt noch an ein Erscheinen des astronomischen Bandes, der >Relation Historique< und der >Statistique du Mexique< bis zum Juni Der englische Verleger T homas Nortman Longman
1806. (1771-1842),
der
dritte in der Reihe dieses Namens, und sein Associe Owen Rees hatten Humboldt damals schon herabgestimmt. Er fand das Pictet gegenüber zwar als "gerecht", doch war damit die Hoffnung einer englischen Paral lelausgabe zur «Grande Edition» des amerikanischen Reisewerkes Ver gangenheit. Humboldt hielt es nun kaum für nötig, alles, so wie er es französisch veröffentlichte, englisch zu übersetzen. Er wollte sich z. B. mit Auszügen aus dem zoologischen Teil begnügen, doch hielt er noch an der Publikation der barometrischen, geodätischen und astronomi17
Ernest-Theodore Hamy (Ed.): Lettres americaines d'Alexandre de Hum
boldt (1798-1807), Paris [1904], S. 182f. 18
Siehe Fußn. 17, S. 189.
Erläuterungen
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sehen Messungen fest, da man für das Detail auf das französische Origi nal rekurrieren könne. Dazu war er sicher, daß das >Naturgemälde
Statistique< und der Reisebericht in England
ihren Weg machen würden, ebenso der geographische Atlas und die Pro file. Reisebericht und >StatistiquePolitischer Versuch über das Königreich Neu Spanien< steht da als eine monumentale Mahnung, daß vielleicht die hochwertigste und befriedigendste Äußerung geographischer Wissen schaft die regionale Geographie eines begrenzten politischen Gebietes
ist [ ...]" -eine Meinung, die zeitgenössisch jedenfalls für Humboldt
zutraf und auch heute diskutiert werden sollte. Daß ein Atlas und sein Erläuterungstext zum Werk gehören, auch das war Brand bewußt, wobei für ihn das Kartenwerk selbstverständlich zu den Ingredienzen gehört, die das Einzigartige dieser Leistung erklären. Als der Bundespräsident 1966 Mexico besuchte, wurde der Heraus geber dieser Studienausgabe mit einer Darstellung beauftragt, die in dreifach verschiedener Ausgabe, einmal deutsch und zweimal spanisch, erschienen ist.44 Die Interpretation betonte die länderkundliehe For mung des Mexico-Werkes und zielte auf die bewußte Dreiheit seiner ori ginalen Ausgabe. Um die störendste Lücke zu schließen, gelang auch 1969 der Neudruck des Mexico-Atlasses mit bewußter Aufnahme der «introduction geographique» und zugehöriger Karten aus anderen At lanten Humboldts (s. hierzu die bibliographische Aufstellung in diesem Band, S. 533f.); damit wurde der aus Gründen reiner Zweckmäßigkeit geringfügig verkleinerte Atlas wieder greifbar. Der anschließende Neu druck des gesamten amerikanischen Reisewerkes 1970-73 hat dann die oben wiederholt erwähnte Dreiheit aus Textbänden und Atlas vielen in den Bibliotheken wieder zugänglich werden lassen. Insgesamt eine merkwürdige Wirkungsgeschichte, und das Beste an ihr dürfte sein, daß sie zum Glück noch nicht abgeschlossen ist.
44
Siehe Fußn. 15.
Zur Entwicklung nach A.
v.
Humboldts Tod
573
8. Zur Entwicklung der landeskundlieh-literarischen Form nach A.
v.
Humboldts und C. Ritters Tod 1859
Ein kurzer Blick auf die nach Humboldt und Ritter folgende Entwick lung der literarisch-landeskundliehen Form ist hier unentbehrlich, weil damit unter anderem erwiesen wird, daß die Geschichte oft die Anre gungen schon bereithält, welcher folgende Generationen bedürfen. So war die Rekonstruktion der Leistung Humboldts und Ritters überhaupt eine der sinnvollsten Aufgaben der Geographiegeschichte nach 1945, gerade weil keiner der folgenden Geographen sie kannte. Andererseits kann hier nur eine Skizze mit knappen, aber wissenschaftsgeschichtlich sicheren Strichen entworfen werden. Leider verlor die Behandlung des Menschen nach 1859 erstmals seit der Antike ihre alte Vorrangstellung zugunsten einer Aufgabe, die den ältesten Grundsatz der Geographie als Wissenschaft von der Gegenwart aus dem Auge verlor. Um der allgemeinen Tendenz gerecht zu werden, welche die exakten Naturwissenschaften favorisierte, entwickelten die Geographen seit 1859 die "Morphologie der Erdoberfläche", wobei sie von einer zeitgenössisch entstandenen Startbahn begünstigt wurden. Hatten sich doch aus der Zusammenarbeit dreier Wissenschaften (Ver gleichende Anatomie, Petrefaktenkunde und Geognosie) Geologie und Abstammungslehre als die modernsten Naturwissenschaften ergeben. 45 Von dieser Tendenz begünstigt, geologisierten die Geographen ihre Wis senschaft in unerwarteter Weise zugunsten eines Stückes Natur, der Erd oberfläche. Mit dieser unaufhaltsamen und sehr wirksamen Veränderung
lösten sie die größte Revolution des geographischen Denkens seit der Antike aus und folgten dieser Leitlinie praktisch bis 1969, wenn auch seit der Weimarer Republik bereits mit etwas abgeschwächter Kraft. Es wurde dabei mehr preisgegeben als gewonnen. Mit Humboldts Meß instrumenten hätte die nun entstehende Geomorphologie die Mecha nismen der sich gegenwärtig vollziehenden Prozesse erforschen und zu ihrer Beherrschung beitragen können- und sie wäre dann z. B. irgend wann sinnvoll aus der Geographie ausgeschert und z. B. in den Strom der bereits im 18. Jahrhundert mathematisierten Hydrotechnik ein gemündet, der nun nicht mehr gesehen wurde. Man behauptete- teil weise bis heute -, man liefere der Länderkunde Basiswissen. Indem man eine Klassifikation der Formen anstrebte, gab man vor, man müsse ihre Entwicklungsgeschichte erforschen, für die sich hinterher niemand 45
Hanno Beck: Moritz Wagner in der Geschichte der Geographie, Marburg
1951, S. 236ff.; siehe Fußn. 40, S. 278.
Zu dieser Ausgabe
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interessierte. Dennoch hat auch diese künstlich in der Geographie fest gehaltene Morphologie Bedeutendes geleistet, aber sie hat der Geogra phie und der Länderkunde insgesamt wenig genützt. Man hatte sich in diese reine Wissenschaft verrannt, ohne noch ihre geodeterministische Einbindung zu bemerken. Erst auf diesem Hintergrund wird der große Vorteil deutlich, den Humboldt gewann, indem er sich- vor allem im landeskundliehen Be reich - in seiner Physikalischen Geographie auf die Feststellung der "physikalischen Constitution", d. h. auf das Relief der Erdoberfläche, beschränkte, was damals ohnehin eine Forschungsaufgabe war, die einem Geographen wohl anstehen konnte. Auch sein Wissen, daß jede exakte Messung einer Form zu späteren Zeitpunkten Vergleiche erlaubte, hat wieder ein längst notwendiges Echo gefunden. Gerade diese Befreiung der Mexico-Darstellung von dem völlig unnötigen geologischen Über soll hätte der nun folgenden Entwicklung helfen können. Es ist dabei keineswegs so, daß jedem Werk dieser Art Leistungshöhe und Können abzusprechen wäre. Autoren wie Alfred Kirchhoff
(18381907), Albrecht Penck (1858-1945), Ferdinand v. Riebthafen (18331905) und Friedrich Ratzel (1844-1904) bis zu Geographen des 20. Jahr
hunderts haben allerdings diese Geologisierung mit einem Zuviel an Umfang ihrer Werke erkauft, das sie undurchdringlich, unnötigerweise oft mehrbändig und damit unerschwinglich werden ließ. Humboldts Werk ist demgegenüber erstaunlich modern. Ein wesentlicher Teil des (notwendigen!) Umfangs folgt aus seinem Pioniercharakter, und wie oft haben nicht schon literarische Kenner nur scheinbar widersprüchlich die Kürze vergleichbar umfangreicher, vorzüglicher Werke beklagt, etwa von T homas Manns Josephs-Romanen? Als zu umfangreich wer den Werke bezeichnet, die unnötigerweise Seiten füllen, wie das Alfred Hettner
(1859-1941)
mit seiner starren Behauptung des länderkund
liehen Schemas bei sich und anderen geradezu vollendet erreichte. Den noch bleiben die Werke von Friedrich Ratzel über die Vereinigten Staa ten, Albrecht Pencks Darstellung des Deutschen Reiches oder Riebt hafens China-Werk Fundgruben und Anregungen, wobei wir am meisten bewundern müssen, daß diese reinen Naturwissenschaftler den Weg zur Geschichte in der Länderkunde oft meisterhaft verwirklichten. Hettner selbst hat dann in seiner Darstellung Rußlands zwar nur eine anthropo geographische Skizze liefern wollen, neben einer Sammlung unwahr scheinlicher und oft regelrecht naiver Geodeterminismen aber durchaus ein ungewolltes Vorbild geschaffen, dem er selbst allerdings nicht folgen konnte und wollte, daß man nämlich bei möglicher Einschränkung der Naturgeographie zu einer Verkürzung und Betonung des eigentlich
Zur Entwicklung nach A.
v.
Humboldts Tod
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geographisch Sinnvollen kommen könne. Das hat dann zu weiteren Ver suchen geführt, die oft von der Art des literarischen Auftrags verursacht wurden: So ist eine beachtliche Darstellung des damals besten deutschen Australien-Kenners Walter Geisler (1891-1945), nach vorangehenden traditionellen eigenen Lösungen, in der
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Weltpolitischen Bücherei