Sämtliche Briefe an Johann Heinrich Pestalozzi: Band 3 1810-1813 9783110250824, 9783110250817

The third volume of letters to Pestalozzi covers the years 1810 to 1813 and contains over 600 letters. They show how Pes

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German Pages 789 [801] Year 2011

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Table of contents :
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Sämtliche Briefe an Johann Heinrich Pestalozzi: Band 3 1810-1813
 9783110250824, 9783110250817

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Sämtliche Briefe an Johann Heinrich Pestalozzi Kritische Ausgabe Band 3: 1810–1813

Sämtliche Briefe an Johann Heinrich Pestalozzi Kritische Ausgabe Band 3: 1810–1813

Herausgegeben von Rebekka Horlacher und Daniel Tröhler Unter Mitarbeit von Sandra Aebersold, Barbara Caluori, Luca Godenzi, Norbert Grube und Claudia Mäder

Verlag Neue Zürcher Zeitung De Gruyter

Der Druck dieses Bandes wurde in Zusammenarbeit mit dem Centre de documentation et de recherche Pestalozzi in Yverdon-les-Bains durch die Loterie Romande finanziert.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich Gestaltung Umschlag: Atelier Mühlberg, Basel Gestaltung und Satz: Rebekka Horlacher, Zürich Druck, Einband: Druckerei Kösel GmbH, Altusried-Krugzell Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf andern Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03823-667-2 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung Vertrieb ausserhalb der Schweiz und E-Book: Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin Print: ISBN 978-3-11-025081-7 E-Book: ISBN 978-3-11-025082-4 http://www.reference-global.com

Vorwort zum dritten Band Der dritte Band der Kritischen Edition der Sämtlichen Briefe an Pestalozzi umfasst die Jahre 1810 bis 1813 und enthält 629 Briefe von 297 Briefschreiberinnen und Briefschreibern. Diese Jahre waren sowohl durch den europäischen Territorialzuwachs Napoleons geprägt als auch durch die zahlreichen Widerstände gegen seine Herrschaft, so vor allem in England, Portugal, Spanien, aber auch in den deutschen Staaten und Russland. Die zahlreichen innenpolitischen Reformen, die Napoleon in den einzelnen Staaten durchsetzte, hatten allerdings nicht nur überall die Leibeigenschaft aufgehoben, den Menschen weitgehend gleiche Rechte eingeräumt, partielle Demokratien ermöglicht sowie die Idee des Nation Building stark an den Ausbau des Schulsystems zur Integration der Volksmassen gebunden. Sie hatten auch massgeblich das konkrete Bildungsinteresse kommerzieller und gewerblicher Schichten geweckt und gesteigert, wofür die jungen, modernen Nationen noch kein ausreichendes Angebot hatten. Wie dieser Briefband zeigt, schien sich Pestalozzis Institut für diese eher privaten Bedürfnisse ebenso anzubieten, wie es in den Jahren zuvor für die jungen modernisierten Nationen ein Garant für den Aufbau der Schulsysteme gewesen war. Diese Rolle verlor allerdings in den Jahren 1810 bis 1813 an Bedeutung. Mit Ausnahme von Preussen, das unter der Leitung von Friedrich von Schuckmann, dem Nachfolger Wilhelm von Humboldts als Chef der Abteilung Kultus und öffentlicher Unterricht, sowie seinen Chefbeamten Johann Wilhelm Süvern und Georg Heinrich Ludwig Nicolovius regelmässig «Eleven» zwecks Erlernung der Methode nach Yverdon entsandte, zogen sich die meisten Staaten mehr oder weniger von Pestalozzi zurück. Dafür interessierten sich zahlungskräftige Familien zusehends für die gezielte Ausbildung ihrer Kinder bei Pestalozzi. Dabei stand selten die propagierte ganzheitliche «Menschenbildung» im Zentrum. Die Eltern wünschten sich vielmehr eine solide Basis für den Kaufmannsberuf oder – in zunehmendem Masse – für ein Universitätsstudium. Diese Eltern waren auffallend an dem Wohlergehen und dem Fortschritt ihrer Kinder interessiert und erkundigten sich regelmässig bei Pestalozzi danach. Sie verlangten gezielt Auskunft, beschwerten sich über ausbleibende Erfolge, mangelnde Förderung, äusserten Wünsche oder gaben Ratschläge, die in Yverdon hätten umgesetzt werden sollen. Im Rahmen der durch Napoleons Reformen modernisierten Staaten sowie in den USA war eine selbstbewusste Klientel ent-

VI standen, die sich nicht nur vermehrten ökonomischen Profit erhoffte, sondern auch immer stärker politische Einflussnahme und beide Ambitionen an eine solide Ausbildung ihrer Kinder koppelten. Wie stark Pestalozzi nach 1805 zu einer öffentlichen Figur geworden war, die zahlreichen und sehr unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden wollte, zeigt die noch 1809 von Pestalozzi initiierte öffentliche Untersuchung, die mit der Hoffnung verbunden war, seine «Methode» würde in der Schweiz flächendeckend in allen öffentlichen Schulen eingeführt. Der fünftägige Site Visit der Evaluations-Kommission, bestehend aus dem Basler Ratsherrn Abel Merian, dem Berner Mathematikprofessor Friedrich Trechsel und dem liberalen Freiburger Franziskaner Grégoire Girard, anerkannte im Bericht zwar das pädagogische Engagement Pestalozzis sowie die moralische und methodische Bedeutung des Unternehmens, lehnte aber die Idee ab, das Institut in Yverdon zum Modell für die Schweizer Volksschulen zu erklären, da es als private Anstalt eher als eine Insel im gesamten Schulwesen denn als Normalfall zu gelten habe. Die Publikation des Berichts im Herbst 1810 sollte auf der einen Seite publizistische Fehden auslösen, die allerdings nicht nur auf den Öffentlichkeitscharakter von Pestalozzi und seinem Unternehmen hinweist, sondern auch darauf, wie pädagogische Fragen ins Zentrum der Ambitionen der jungen Nationen Europas gerückt waren. Vor allem die hämische Rezension durch den konservativen Juristen Karl Ludwig von Haller in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen im April 1811, in welcher gleich Pestalozzis Leben insgesamt desavouiert und seine Erziehungsmethode als politisch im Sinne der Französischen Revolution gebrandmarkt wurde, provozierte die Pestalozzianer so sehr, dass eine rund zwei Jahre dauernde publizistische Fehde ausgelöst wurde, in welcher die Schärfe der Argumente, die vor allem auch von Pestalozzis Mitarbeiter Johannes Niederer vorgetragen wurde, der Sache vermutlich mehr schadete als diente. Auf der anderen Seite brachte der publizierte Bericht die schon länger bestehenden internen Spannungen im Institut zum Ausbruch, so dass Anschuldigungen, Verleumdungen, Anschwärzungen unter den Lehrern an der Tagesordnung waren und Pestalozzi auch von dieser Seite unter Druck geriet, wobei sinkende Lehrer- und Schülerzahlen sowie die allgemeine Teuerung im Rahmen der Befreiungskriege den Druck auf das Institut auch in wirtschaftlicher Hinsicht erhöhten. Die im vorliegenden Band edierten Briefe zeugen allerdings nicht bloss von interessierten Eltern bürgerlicher Familien in Euro-

VII pa und den USA, Anschuldigungen gehässiger Antipestalozzianer und Verteidigungen von Verehrern, sondern auch von der prinzipiellen Komplexität, die «Methode» in andere kulturelle Kontexte zu verpflanzen. Hatte die Idee des Best Practice – des Exports erfolgreicher Modelle – im Rahmen des deutschen Protestantismus noch teilweise funktioniert, so erwiesen sich die Eigenheiten anderer kultureller Regionen als derart gefestigt, dass ein breiterer Bedarf an der «Methode» nur schwerlich nachweisbar war. Die langen Briefe der ehemaligen Pestalozzi-Mitarbeiter Johannes von Muralt, der 1810 nach St. Petersburg auswanderte, oder Franz Georg Hofmanns, der in Neapel eine Pestalozzi-Schule eröffnete, dokumentieren vielmehr die kulturellen Lernprozesse der Pestalozzianer, als dass sie die erfolgreiche Verbreitungsgeschichte der «Methode» erzählen könnten. Das Europa gegen Ende der napoleonischen Ära war zwar politisch relativ einheitlich reformiert worden, hatte aber dessen ungeachtet seine kulturellen Eigenheiten durchaus bewahrt. Während der Arbeit am dritten Band hat sich gezeigt, dass der bisherige Editionsplan leicht angepasst werden muss, wenn alle Bände einen vergleichbaren Seitenumfang haben sollen. So umfasst der vorliegende Band 3 nun nur die Jahre 1810 bis 1813, Band 4 ist auf die Jahre 1814 bis Juni 1817 veranschlagt, Band 5 deckt die Zeit vom Juli 1817 bis 1820 und Band 6 jene von 1821 bis zu Pestalozzis Tod im Februar 1827 ab. Zudem konnten wir noch eine Reihe von Regesten in die Briefedition integrieren, die bislang aus unklaren Gründen gefehlt hatten. Das führte auch dazu, dass die Briefnumerierung bei Band 3 und 4 leider etwas unschön mit a, b, c ergänzt werden musste und die Briefnummer somit nicht mehr die reale Anzahl Briefe repräsentiert. Wie die beiden vorangehenden Bände hätte auch der vorliegende nicht ohne Hilfe zahlreicher Personen realisiert werden können. Allen voran möchten wir uns bei Andrea De Vincenti bedanken, die schwer entzifferbare Stellen in den Briefen souverän dechiffrierte, sowie bei Ruth Villiger, die uns bei der Entzifferung der französischsprachigen Briefe und bei der Erstellung des Registers und bei den Korrekturarbeiten unterstützt hat. Besonders hervorheben möchten wir zudem wiederum die grosse Kooperationsbereitschaft der Archive und Bibliotheken im In- und Ausland, die Dutzende von Anfragen beantworteten und uns dabei halfen, Informationen auch von scheinbar unwichtigen Menschen oder marginalen Sachverhalten zu beschaffen. Daneben haben uns

VIII weitere Institutionen massgeblich unterstützt, allen voran der Schweizerische Nationalfonds, der sich zudem bereit erklärt hat, auch die nächsten (und letzten) drei Jahre des Forschungsprojekts Edition Briefe an Pestalozzi zu alimentieren. Danken möchten wir aber auch dem Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich, der Pädagogischen Hochschule Zürich sowie dem Centre de documentation et de recherche Pestalozzi in Yverdon-les-Bains, welches die Finanzierung der Druckkosten für den dritten Band der Reihe Briefe an Pestalozzi organisiert hat. Daniel Tröhler / Rebekka Horlacher Luxemburg / Zürich, Januar 2011

Editorische Hinweise Die Edition der Briefe an Pestalozzi hat den Anspruch, sämtliche überlieferten oder erschlossenen Briefe an Pestalozzi zum Abdruck zu bringen. Dabei wird nicht unterschieden, ob die Briefe Pestalozzi tatsächlich erreicht haben, auf dem Weg zu ihm verloren gingen oder gar nie abgeschickt wurden. Entscheidend für die Aufnahme ist die Absicht, einen Brief abzuschicken. Der Begriff «Brief» ist zudem weit gefasst; aufgenommen wurden sämtliche schriftliche Mitteilungen, von denen mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass sie Pestalozzi zugekommen sind oder ihm hätten zukommen sollen. Briefe umfassen hier denn auch Rechnungen, Gedichte sowie kurze Mitteilungen und Notizen. Die Briefe wurden textgetreu transkribiert. Die Interpunktion wurde beibehalten, ebenso die Gross-/Kleinschreibung. Von den Herausgebern gesetzte Absätze sind mit ¬ markiert. Kommentarlos verändert wurde ÿ zu y, ß zu ss, die mit einem Strich bezeichnete Verdoppelung der Konsonanten wurde ausgeschrieben, ebenso Abkürzungen, wobei die Ergänzungen in eckige Klammern [ ] gesetzt sind. Jeder Brief wird nach einem identischen Muster zum Abdruck gebracht, die Sacherklärungen schliessen unmittelbar an. Die Edition orientiert sich an folgendem Schema: Brieftext 1. Zeile: Briefnummer. Die Briefe sind in chronologischer Reihenfolge nummeriert. 2. Zeile: Name des Absenders. Bei weiblichen Briefschreibern ist der Name zur Zeit des Briefdatums entscheidend. 3. Zeile: Datum des Briefes. Dieses wird von den Herausgebern gesetzt und verwendet moderne Bezeichnungen für Tag, Monat und Jahr. 4. Zeile: Originaladresse. Der Zeilenumbruch folgt dem Original. 5. Zeile: Originaldatum 6. Zeile: Brieftext. Beginnt mit der Anrede 7. Zeile: Unterschrift 8. Zeile: Nachschrift. Gleiche Gestaltung wie der Brieftext. Im Original unterstrichene Stellen werden g e s p e r r t gedruckt. Weitere Besonderheiten sind in der Textkritik erwähnt.

X Überlieferung 1 Bei handschriftlichen Zeugen erfolgt Siglierung sowie Angaben von Eigentümer, Ort der Aufbewahrung und Signatur. 2 Bei handschriftlichen Zeugen erfolgt Angabe zur Papierform (Blatt oder Bogen). Das Format wird in mm (Breite x Höhe) angegeben. Für die Bestimmung der Breite ist die Schreibrichtung massgebend. 3 Bei handschriftlichen Zeugen werden aussergewöhnliche Merkmale von Blatt und Schriftbild, Beschädigung sowie Unvollständigkeit verzeichnet. 4 Bei handschriftlichen Zeugen werden Angaben zur Adresse, zu Vermerken, zur Paginierung, zu Siegel(spuren) sowie zu Poststempeln gemacht. 5 Bei handschriftlichen Zeugen wird der Status der Handschrift angegeben. Unterschieden werden Original (in der vorliegenden Form zum Adressaten gelangt), Entwurf, Copia (zeitgenössische Abschrift), Abschrift, Protokolleintrag. 6 Probleme der Absender-Zuschreibung, Datierung und Bearbeitung werden hier aufgeführt, sofern sie textologischer Natur oder inhaltlich auf eine knappe Form eingrenzbar sind. Ist dies nicht möglich, werden sie in der Sacherklärung II. diskutiert. Textkritik H autorisierter handschriftlicher Zeuge mit Handschrift des Absenders (dazu gehören auch Zeugen, die bloss die Unterschrift des Absenders tragen sowie Zeugen mit gedruckten Bestandteilen) h autorisierter handschriftlicher Zeuge ohne Handschrift des Absenders [h] nicht autorisierter handschriftlicher Zeuge a autorisierter Druck [a] nicht autorisierter Druck Sacherklärung I. Biographie des Absenders. Diese versucht möglichst die ganze Lebensspanne abzudecken und verortet die Person im geistigen, politischen, ökonomischen und sozialen Kontext. Eine ausführliche Biographie findet sich jeweils beim ersten Brief eines Absenders. An allen anderen Stellen wird mit « ⇒ Nr.» darauf verwiesen.

XI II. Kontext zum Brief. Erläutert den Anlass des Briefes, soweit dieser nicht aus dem Brief selbst ersichtlich wird, und verortet den Brief innerhalb einer längeren Korrespondenz oder im historischen Kontext. III. Einzelne Sacherklärungen. Hier werden sowohl Personen erläutert, die nicht als Absender in Erscheinung treten, als auch mundartliche Ausdrücke, Helvetismen, unklare Begriffe sowie Anspielungen auf zeitgenössische Ereignisse. Verwendete Zeichen im Brieftext: [ ] Ergänzung des Herausgebers ¬ nicht originaler Absatz — Auslassung im Text * unleserliche Stelle Verwendete Zeichen im Anhang: ∫ Einfügungszeichen in der Handschrift Streichung des Autors

Abkürzungsverzeichnis Morf I–IV

Heinrich Morf: Zur Biographie Pestalozzi’s. Ein Beitrag zur Geschichte der Volkserziehung. 4 Bände. Winterthur 1868–1889 NPS Neue Pestalozzi-Studien. Daniel Tröhler (Hrsg.). Bern 1993 ff. PSB I–XIV Johann Heinrich Pestalozzi: Sämtliche Briefe. Kritische Ausgabe. 14 Bände. Zürich 1946–1995 P.-Bl. Pestalozzi-Blätter. Otto Hunziker (Hrsg.). Zürich 1878–1906 P.-St. Pestalozzi-Studien. Ludwig Wilhelm Seyffarth (Hrsg.). Liegnitz 1896–1903 PSW I–XXIX Johann Heinrich Pestalozzi: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe. 29 Bände. Berlin/Leipzig/Zürich 1927–1996 Schönebaum I–IV Herbert Schönebaum: Pestalozzi. 4 Bände. Leipzig/Erfurt/Langensalza 1927–1942 StA Staatsarchiv Stadler Peter Stadler: Pestalozzi. Geschichtliche Biographie. Band 1 und 2. Zürich 1988 und 1993 ZB Zürich Zentralbibliothek Zürich

Briefe an Johann Heinrich Pestalozzi

3 1111. Karl Justus Blochmann Neujahr 1810 5

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Wenn Dich in seiner ahndungsvollen Stille Des jungen Jahres erstes Licht begrüsst, Und seliger Gefühle süsse Fülle Dein heitres, sanftbewegtes Herz umfliesst: Dann töne freundlich Dir in jene Stunden Was liebend ich und hoffnungsvoll empfunden. Es führte mich in diese trauten Hallen Der Glaube und ein freundliches Geschick; Ins ferne Land liess mich die Hoffnung wallen, Und Freude hob den heissentflammten Blick. Was ich im Bild der Ahndungen empfunden, Ich hab’ es rein im Leben auch gefunden. Denn ein Gestirn war strahlend aufgegangen Dem Irrenden auf wildbewegter Fluth, Es gab ein Ziel dem lodernden Verlangen Und ein Gebild der namenlosen Gluth; Der leere Glanz umrauschte mich vergebens, Denn klar ward mir der hohe Sinn des Lebens. Und eine Quelle suchend, wo den Blicken Das Höchste rein und farbenlos sich bricht, Wo um die finstern, tiefgebrannten Lücken Der Bildung wogt das reine, schönre Licht, Ward ich zu hohen, seelenvollen Tagen Von freundlichem Geschick hieher getragen. Mit Liebe habt den Fremdling Ihr empfangen, Und Glauben gabt Ihr seiner warmen Brust; Es ist das heisse, sehnende Verlangen Sich dieses Pfandes frohgerührt bewusst. Doch was Ihr glaubend ihm und frei gegeben Dies wird die Kraft fortan, die That erstreben. Denn wie die Kraft, die mir der Gott gegeben, Sich wachsend dehnt und in die Tiefe senkt, Wird sie gestalten sich in reges Leben, Dass knospend Blüthe sich an Blüthe driengt; Und wo in Wechselkraft Vertraun und Liebe walten, Mag gern das Hohe sich, das Herrliche gestalten.

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Drum mit der Liebe herzentquollner Fülle Du hohe, schöne Seele, sei gegrüsst! Am ersten Frühroth, das mit düstrer Hülle Sich zukunftsschwanger um das Jahr ergiesst, Weiht auf der Liebe reinen Opferschaalen Ein Herz sich Dir und Deinen Idealen. Denn eins nur ist’s, wornach die Psyche ringet – Ein selig Leben in der Geisterwelt! Zu einem Licht, nach einem Himmel dringet Sie kühn – von hohen Ahndungen erhellt. Drum, Edler Du, empfang des Herzens Weihe Und glaub’ an mich und glaub’ an meine Treue! Justus Blochmann.

Überlieferung 1 2 3 5

ZB Zürich Ms Pestal 961,2 Blatt, 191 x 120 mm ganzer Text lateinische Schrift Original Textkritik

Zeuge H Sacherklärung I. Karl Justus Blochmann (1786–1855) stammt aus Reichstädt in Sachsen. Als er zwölf Jahre alt ist, stirbt sein Vater, Gottlieb Sigismund Blochmann (1750–1798), und die Familie muss aus finanziellen Gründen zu Verwandten nach Dresden ziehen. 1799 bis 1805 besucht er das Gymnasium in Bautzen. 1805 zieht er nach Leipzig, um Theologie zu studieren. 1809 geht Blochmann zu Pestalozzi nach Yverdon. Hier unterrichtet er Religion und Deutsch sowie Geografie und Musik. 1816 kommt es zu Meinungsverschiedenheiten mit Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) und Blochmann verlässt Yverdon. 1817 nimmt er das Theologiestudium wieder auf und schliesst es 1818 in Merseburg ab. 1819 tritt er in Dresden eine Stelle als Vizedirektor und Lehrer an der Friedrich-August-Schule, einer Bürgerschule, an. 1824 bittet Blochmann um seine Entlassung, da die erhofften grossen Schülerzahlen ausbleiben und er eine eigene Privatanstalt gründen will. Diese ist zwischen den höheren gelehrten Anstalten und den Fürstenschulen angesiedelt. Im Herbst 1824 wird die Anstalt mit sechs Schülern eröffnet, Ende 1825 besuchen bereits 40 Schüler die Anstalt und Blochmann beschäftigt 18 Lehrer. 1830 promoviert er in Marburg. 1851 zieht er sich als Direktor zurück und unterrichtet bis zu seinem Tod nur noch Religion.

5 II. Da Karl Justus Blochmann (1786–1855, ⇒ Sacherklärung I.) im Herbst 1809 nach Yverdon kam, dürfte das Gedicht auf Neujahr 1810 geschrieben worden sein (⇒ Z. 10 f. und Z. 28). Zwischen 1810 und 1812 wurden einige Pestalozzi gewidmete Gedichte verfasst. Ob diese als Ausdruck eines bestimmten Zeitgeistes zu verstehen sind oder ob diese Häufung rein zufällig ist, ist unklar. Der Herausgeber der Kritischen Edition der Briefe Pestalozzis, Emanuel Dejung (vgl. Forschungsbibliothek Pestalozzianum Zürich, Nachlass Dejung), vermutet einen Zusammenhang mit dem am 27. Juni 1808 in den Morgenblättern veröffentlichen Pasquill, einem Spottgedicht, welches in ironischer Sprache die Verdienste des «Narren» Pestalozzi rühmte und den missgestimmten Pestalozzi offenbar wieder in versöhnliche Stimmung versetzt habe (vgl. Preussische Schulzeitung 1894, Nr. 25, S. 195).

1111 a. Maria Helene Lejeune-d’Orville Anfang 1810 [Reg.] Frau Lejeune schickt ein Bild von Fräulein Mutschefal.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 46.24 ff. Sacherklärung I.

Maria Helene Lejeune-d’Orville (1768–1843) ⇒ Nr. 924 II. Antoinette von Fischer-Mutschefal (⇒ Nr. 1314 a) hielt sich 1809 in Yverdon auf und scheint auf ihrer Reise nach Meiningen in Südthüringen in Frankfurt die Familie Lejeune besucht zu haben. Ob sie sich in Yverdon kennen gelernt hatten oder ob die Bekanntschaft schon älter ist, ist unklar. III. Z. 4

Mutschephal: Antoinette von Fischer-Mutschefal ⇒ Nr. 1314 a

1112. Franz Adam Lejeune 6. Januar 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. 6 janv. 1810» auf dem Brief Pestalozzis vom 21. Dezember 1809.

6 Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 3/70 a Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VI, Nr. 1836

1112 a. Andreas Heussi 8. Januar 1810 [Reg.] Heussi erkundigt sich nach dem Ergehen seines Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 9.6 f. Sacherklärung I.

Andreas Heussi (1779–1821) aus Mühlehorn (Kt. Glarus) ist Sekretär und Oberschreiber der kantonalen Verwaltungskammer (1802), etabliert sich später in St. Gallen als Kaufmann und stirbt in Domaso am Comersee. Seit 1799 ist er mit Amalia Trümpy (1778–1847, ⇒ Nr. 1378) von Glarus verheiratet, das Paar hat vier Kinder: Elsbeth Carolina (1801–1829), Georg (1802–1835, ⇒ Z. 4), Maria Magdalena (1804–1865) und Amalia (1817–1903) – von denen er zwei, Elsbeth Carolina und Georg, zur Erziehung nach Yverdon schickt.

Z. 4

III. Sohnes: Georg Heussi (1802–1835) besuchte von 1809 bis 1814 Pestalozzis Institut in Yverdon, scheint später wieder im Kanton Glarus gelebt zu haben und starb 1835 ledig an «Auszehrung» in Bologna.

1113. Agnes Emerita Gyr 12. Januar 1810 Am 12. Jenner 1810. 5

Dem Geburtstage Pestalozzi’s.

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Voll von hoher Andacht schwebte Meine Seele auf zum Licht, Und von nie gefühltem bebte Ich vor Gottes Angesicht. Ja, es lebte Und es strebte Meine inn’re Kraft empor; O, sie weihte Nie’ wie heute Mich ins reine Geister-Chor. Was mir fehlte, ist gefunden Schöner, als ich’s je gedacht! Ach! das Schönste ist empfunden Und das Innerste erwacht. Und es regte Und bewegte Herz und Geist zum Höchsten hin. Diese Fülle Weih mich stille Nach des guten Vaters Sinn.

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Überlieferung Agnes Emerita Geyer: Alpenblumen. Basel 1813, S. 33 Textkritik

Zeuge a Sacherklärung I. Agnes Emerita Amiet-Gyr (1787–1836) stammt aus Einsiedeln (Kt. Schwyz), wo die Tochter eines Grabmachers laut eigener Darstellung «von erster Jugend an durch harte Schicksale gedrückt» ist und «weder gelehrte Erziehung noch Bildung zur Kunst» geniesst. Nach Aufenthalten in St. Gallen, Chur, Zürich und Solothurn kommt sie 1810 auf Empfehlung von Thaddäus Müller (1763–1826, ⇒ Nr. 559) zur Erlernung der Methode an die Töchterschule nach Yverdon (⇒ Nr. 867) und bleibt dort, bis sie 1813 als Lehrerin nach Olten (Kt. Solothurn) gelangt. Im gleichen Jahr publiziert Gyr unter dem Pseudonym «Geyer» ihren ersten und einzigen Gedichtband Alpenblumen und heiratet in Solothurn den späteren Staatsschreiber Xaver Amiet (1786–1846, ⇒ Brief vom 8. Juni 1826). Das Paar hat fünf Kinder und lebt bis 1826 in Solothurn, zieht dann für fünf Jahre nach Dornach (Kt. Solothurn) und kehrt 1831 in den Kantonshauptort zurück, wo Amiet-Gyr 1836 stirbt.

8 1113 a. Jean-Daniel Eck Januar 1810 [Reg.] Eck bedankt sich für seine Zeit in Yverdon.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 20.16 f. Sacherklärung I.

Jean-Daniel Eck (1793–1850), Sohn eines Indiennenfabrikanten aus Mulhouse, besucht von April 1807 bis Oktober 1809 Pestalozzis Institut in Yverdon und etabliert sich später als in der Stoff- und Färbereibranche tätiger Fabrikant in Cernay (Elsass).

1114. Franz Adam Lejeune 13. Januar 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. encore le 13 janv. 1810» auf dem Brief Pestalozzis vom 21. Dezember 1809.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 3/70 a Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VI, Nr. 1836

1114 a. Felix Maria Diogg 15. Januar 1810 [Reg.] Diogg wünscht, dass sein Sohn nach Hause zurückkehre.

9 Überlieferung 1

PSB VII, S. 12.30 f. Sacherklärung I.

Felix Maria Diogg (1762–1834) aus Andermatt (Kt. Uri) absolviert um 1780 eine Lehre an der Kunstakademie des aus Nidwalden stammenden Johann Melchior Wyrsch von Buochs (1732–1798) in Besançon und hält sich anschliessend in Italien auf. In die Schweiz zurückgekehrt, lässt er sich in Rapperswil (Kt. St. Gallen) nieder, wo er das Bürgerrecht erhält und sich in den 1790er-Jahren als Portraitmaler des gehobenen Bürgertums etabliert. Bald zum bedeutendsten Schweizer Vertreter dieses Fachs aufgestiegen, reist Diogg fortan als Maler durch das Land und portraitiert auch im benachbarten Ausland prominente Persönlichkeiten. Seine grösste Wirksamkeit entfaltet er aber in Zürich, wo er Bilder von zahlreichen Fabrikantenfamilien malt. II. Es ist unklar, weshalb Felix Maria Diogg (1762–1834, ⇒ Sacherklärung I.) seinen Sohn Felix Kolumban Diogg (1795–1842, ⇒ Z. 4) aus Yverdon zurückruft. Möglicherweise war das Alter der Grund. Denkbar ist aber auch ein «Skandal», da Pestalozzi in seiner Antwort an den Vater schreibt, dass er sich auf «seine Discretion … in alle Wege verlassen» (PSB VII, S. 13) könne. III. Z. 4

Sohn: Felix Kolumban Diogg (1795–1842) wuchs in Rapperswil (Kt. St. Gallen) auf und besuchte von 1809 bis 1810 Pestalozzis Institut in Yverdon. 1815 wurde er Kanzleischreiber in Rapperswil, trat später als Offizier in französische Dienste und war ab 1830 Mitglied des sankt-gallischen Verfassungs- respektive, ab 1832, des Kantonsrates.

1115. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 20. Januar 1810 5

Die Sektion wünscht 400–500 Exemplare der Werke Pestalozzis für die in Königsberg zu versammelnden Lehrer und Schulaufseher zu einem günstigen Preis zu kaufen. Unterzeichnet Nicolovius in Abwesenheit des Sektionschefs

Überlieferung 1

Israel II, S. 189, Anm. 1 Textkritik

Zeuge [a]

10 Sacherklärung I. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

II. Dieser Brief liegt nicht im Original vor, obwohl er laut Israel II im «PestalozziStübchen», das heisst heute in der ZB Zürich oder in der Forschungsbibliothek Pestalozzianum liegen müsste. Allenfalls hat sich August Israel im Datum oder im Adressaten geirrt. Denkbar wäre etwa, dass die Bestellung der Werke Pestalozzis an einen Buchhändler in Berlin gerichtet gewesen war und nicht an Pestalozzi.

Z. 6

III. Nicolovius: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423

1115 a. Karl Friedrich Bachmann 26. Januar 1810 [Reg.] Bachmann bewirbt sich als Lehrer für Italienisch in Yverdon.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 19.19 f. Sacherklärung I./II.

Karl Friedrich Bachmann (1785–1855) aus Altenburg (Thüringen) schliesst 1806 ein Theologie- und Philosophiestudium an der Universität Jena mit Promotion ab und geht um 1809 als Hauslehrer zur Familie von Wattenwyl nach Belp (Kt. Bern). Von hier aus dürfte er sich auch um eine Stelle als Italienischlehrer bei Pestalozzi beworben haben. Seit dem Sommer 1810 zurück in Jena, wird er 1813 an der dortigen Universität Professor für Moral und Politik und amtet später aufgrund eines zunehmenden naturwissenschaftlichen Interesses auch als Direktor der grossherzoglichen mineralogischen Anstalten.

1115 b. Georg Michael Graumann 29. Januar 1810 [Reg.] Graumann erkundigt sich, ob sein Sohn nach Yverdon kommen könne.

11 Überlieferung 1

PSB VII, S. 27.10 f. Sacherklärung I.

Georg Michael Graumann konnte nicht näher bestimmt. III. Z. 4

Sohn: konnte nicht näher bestimmt werden

1115 c. Melchior Leuenberger 2. Februar 1810 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 25.5 Sacherklärung I.

Melchior Leuenberger (*1773) ist Kaufmann und seit 1799 Mitgründer- und Mitinhaber der in Bern domizilierten Firma Gaudard und Leuenberger (⇒ Nr. 703), die eine Buchbinderei sowie eine Buch-, Papier- und Schreibwarenhandlung betreibt. Nach dem Tod seines Geschäftspartners, dem Buchbinder Rudolf Emanuel Gaudard (1772–1812) aus Bern, führt Leuenberger die Firma, die nun seinem Namen trägt, zunächst in unveränderter Form, ab 1815 dann ohne die Buchbindereiabteilung weiter.

1116. Abraham Meyer Februar 1810 5

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Meine lieben Freunde. Ich muss Euch eine unangenehme doch wohl nicht ganz unerwartete Nachricht melden. Toblers Rolle ist ausgespielt, und er wird vom Schauplatz seiner hiesigen Wirksamkeit abtretten. Lasst euch meine Freunde, den Vorfall erzählen, der die Entwiklung des Dramas herbeyführte, und verzeiht wenn ich ins Détail gehen muss. Tobler veranstaltete am Neuenjahr ein Fest in der Armenschule, und hielt bey dieser Gelegenheit eine Predigt,

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die Ihm Ehre machte. Wir waren alle dort und hatten eine wahre Freude daran. Uns kam die Idee Toblern zu bitten die Predigt drucken zu lassen, um solche jedem der Unterstützer der Armenschule weil man eben den Beytrag fürs 2. Jahr einziehen wollte, zu überreichen, in der Absicht dadurch den eigentlichen Zwek des etablissem[en]tes denselben bekannt zu machen, und überhaupt dadurch die Sache ein wenig zur Sprache kommen, zu lassen, weil dieselbe unter Toblers Aufsicht reifte. Ich hatte noch persöhnlich die Hoffnung dabey, dass durch diese wirklich sehr gute und zweckmässige Rede Tobler an Ansehen hier gewinnen würde. Er versprach die Predigt umzuarbeiten. Wer aber nichts that war Tobler. Wir warteten 4. volle Wochen, er versprach immer und that nichts. Unterdessen verschoben wir das Einziehen des 2 ten Jahres-Beytrags und es traf ein was ich befürchtete, und was für uns aus mancherley Ursachen unangenehm war. Der hiesige Schulrath kam uns zuvor und liess den Beytrag für die Stadtschule eintreiben. Ich schrieb weil ich nicht ausgehen konnte Toblern, und bat ihn er möchte die Sache länger nicht aufschieben, wir könnten und wollten nicht länger als diese Woche warten. Statt aller Antwort kam er auf den Abend zu mir, (welches seit 6 M[ona]th[en] nicht zweymal geschehen ist) und pakte eine Menge Erbärmlichkeiten aus, um seine unverzeiliche Nachlässigkeit zu beschönigen. Er könne sich nicht prostituiren, sey verstimmt und krank, u.s.w. Einige Tage vorher war Er in Basel gewesen, beym öffentlichen Examen Hopfens. Dieser bestand gut und seine Unternehmung gelingt. Ich weiss nicht ob euch bekannt ist dass Toblers Frau ihn immer quält, er hätte niemals Basel verlassen, und Hopfens Sache für sich behalten sollen. Tobler ist einfältig genug zu glauben durch seine Empfehlung allein hätte Hopf réussiert und sehnt sich auch nach den Fleischtöpfen – Egyptis. Seine Privatschule zählt genau noch die nehmliche Anzahl Zögling wie vorem Jahr. Am neuen Jahr versammelte ich die Eltern derselben, und sprach mit ihnen über die Sache. Der Kern daraus bezeugte mir seine Zufriedenheit, und sehnlichen Wunsch, dass die Schule bestehen möchte, und versprachen solche nicht sinken zu lassen, waren bereit Aufopferungen zu machen wenn die Zahl der Zöglinge sich mindern sollte (einige sollen nach Iferten kommen) und gaben mir den Auftrag in ihrem Nahmen und als ein Beweis ihrer Zufriedenheit Toblern und seiner E h e l i e b s t e , ein namhaftes Geschenk zu übergeben. Die Unternehmung war allso wieder auf ein Jahr gesichert. Von wenigstens 12 der angesehesten und reichsten Bürgeren hatte ich dass Versprechen, und den bestimmt

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ausgesprochene Wunsch, alles aufzubieten, um Toblern nicht sinken zu lassen. Ich gab ihm Kenntniss von dieser guten Stimmung, und obendrein mein Ehrenwort dass ich persönlich in den Riss stehen würde wenn alle Strike brechen sollten, nur damit er noch ein Jahr vom künftigen Johanny an hätte fortarbeiten und sich Zeit gewinnen könne das allgemeine Zutrauen der Eltern zu erwerben, und bat ihn von seiner Seite auch thätig zu seyn in Erfüllung seiner Pflicht. Tobler hörte dieses alles mit der dumpfsten Unempfindlichkeit an, und sprach von andern gleichgültigen Sachen. Dieses betrübte mich, nahm aber weiters kein Notiz davon, und dachte es ist seine Art, meinetwegen, wenn’s nur geht. Ich komme wieder auf die Unterredung von vorgestern zurück. Tobler, sprach von seiner Privatschule als von einer verzweifelten Sache, er gebe alle Hofnung auf, und frage derselben nichts nach, kurz Dinge über die ich zu betretten war, als dass ich sie mit der Verachtung die sie verdient hätten beantworten konnte. Er als Familien Vater seye verpflichtet sich anderwärts umzusehen etc. – Und ich, was soll ich thun, Herr Tobler fragte ich ihn? Sollen wir die Hände in Schoss legen, und g l e i c h g ü l t i g dem Sturz zu sehen? Sollen wir mit eurer hiesigen existenz, die angefangene Sache auch untergehen lassen? Mit nichten! Das kann und darf nicht sein. Wir müssen vorbauen, damit die Unternehmunge nicht stocke, und wenn es möglich ist die Dinge so vorbereiten damit alles ohne convulscion ruhig fortschreite. Ich stecke zwischen Thür und Angel. Hier ist meine heiligste Pflicht und dort das herzlichste Intresse an eurem Wohl, das von dem Augenblick an, verlohren geht, wenn ich mich mit den Eltern eurer Schüler erkläre u.s.w. Um meine weitere existenz habt Ihr euch nicht zu bekümmeren, sprach er, und für den Fortgang der Armenschule ist gesorgt, diese liegt mir allein am Herzen, am andern liegt mir nichts etc. etc. Die Sache kam so weit dass auf einige freymüthige Äusserungen von mir, über seine bey manchen Gelegenheiten versäumte Pflicht, er voll Trozes und Unbescheidenheit antwortete. den … Februar.

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So weit war ich mit diesem Brief gekommen, als ich Toblern zu einer neuen Unterredung zu mir bat. Wenn diese mit mehr Ruhe und Besonnenheit geschahe, so war das resultat im allgemeinen das gleiche. Nur mit dem Unterschied dass es mir nun zur deutlichsten Klarheit gekommen ist, dass Toblern unwiederruflich nicht mehr zu helfen ist. Erspart Euch, m[eine] F[reunde], und mir die

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Mühe in weiteres detail zu gehen. Hier nur noch mit wenigen Worten das eigentliche. Ich drang gleich auf bestimmte Erklärung seiner Absichten und Wünsche. Hier sind sie. – Er will die Kanzel wählen und sich darauf durch fortgeseztes studieren vorbereiten. Als Vater sey es seine Pflicht auf Versorgung der Seinigen zu denken. Sein Zustand hier seye ungewiss, und gegen seine Neigung und über seine Kräfte. Er werde das Fach der Erziehung nicht mehr anderst ergreiffen, als in Zukunft in seiner Gemeinde, und zu seinem Vergnügen. – – – !!!! Selah – – – !!! Es seye gegen sein Gefühl, und Uberzeugung einen Schritt zum ferneren Fortkommen seiner hiesigen Unternehmung zu thun, weil dieses ein für allemal eine verlohrene Sache seye. Gegen diese, halb vernünftige halb (ich finde das rechte Wort nicht gleich sezt es selber hin) – konnte ich nicht streiten, und erklärte ihm dass wir nun beyde nichts anders zu thun hätten, als mit Ehren zu reden. Ich erklärte ihm eben so freymüthig dass wir nun ernstlich für das Fortschreiten der Armenschule sorgen werden und bereits gesorgt hätten: dass auch nach seinem Zurücktreten, die Idee zur Begründung bessrer Ansichten über Erziehung in meiner Vaterstatt, durch Darstellung der Sache selber, nicht aufgegeben werden würde, und dass ohne aber jetzt aus dem Stegreif sagen zu können – w i e , bereits in meinem Kopf allerley Mittel dazu sich regten und bewegten. Dass die Erfahrung für mich nicht verlohren gehen würde, dass ich auf den ruinen des ersten Versuchs den Keim, eines durch Erfahrung gereiftern Unternehmens zu pflanzen trachten werde. Als Tobler mein Entschluss vernahm, stimmte er plözlich um, und legte einige Windeyer hin, auf die ich aber nicht achtete – doch versprach ich ihm noch einige Tage Bedenkzeit, um seine Pläne anzuhören – ich bin aber schon zum Voraus überzeugt dass es Windeyer sein und bleiben werden. Es steht wohl geschrieben: «Unterscheidet wohl, was mann will, trachtet den Geist und die Ansichten der Forderung an die Unternehmung, ja früh zu fixieren» – Solches ist endlich geschen, und nach besten Wissen und Können, und nicht ohne Erfolg – (Keine ansprüche wurden, im allgemeine an die Schule gemacht, man wünschte es möchte gut gehen, und sah gedultig zu, und liess Tobler unbeschränkt Meister in der Leitung der Sache.) «Glaubt nicht das alles gethan ist, und dass Ihr nun ruhig zusehen könnt wie Tobler seine Sache angreift» –. Mit unausgesezten Eyfer habe ich über Toblers Angelegenheit gewacht – ihn gleichsam an der Hand geleitet, so lang er sich wollte leiten lassen, und ehe er von mir und seiner Pflicht durch andere abgezogen ward –.

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«Sorgt dass Toblers Aufmerksamkeit auf den Gegenstand, durch nichts abgelenkt und zerstreut werde, nicht einmal durch Umgang L[itterarum] C[ultor]!» – Dieses ist geschehen solange Tobler in der Stadt wohnte. Konnte nicht mehr verhindert werden vom Augenblick an, als er in Webers Nachbarschaft kam. Hier wurde Stunde und Tage lang idealisiert, und wenn Wasser dazu kam gesalbadert und gerechnet, und so schwam Tobler leichtsinig im Strome fort und versäumte seine Pflicht. Verga[n]genen Sommer war er so im Rechnen und Berechnen vertieft dass er an nichts anders dachte –. Wie richtig er dieses versteht beweisst seine erbarmungswürdige oeconomische Bedrängniss, und erhellt aus dem Billanz seines Finanz Zustandes der hier mit Kaufmänischer Pünktlichkeit zur Einsicht folgt. Toblers Einahme seit dem 1 Jan[uar] 1809 bis den 31 Jan[uar] 1810. Besoldung von dreizehn M[ona]th[en] L[ouis d’or] 3250 Abendschule fürs Jahr 1809 " 600 auf Rechnung von dieser für 1810 " 360 Neujahrsgeschenk " 400 Holz zur Heizung der Schulstuben " 60 L[ouis d’or] 4670 ferner sizt er frey in einem schönen Haus das uns 1000 Ducaten kostet, und wir zahlen 1200 Ducaten dem Zuberbühler, von dem Tobler 2 Louisd[’or] Mo[na]th[lich] Kostgeld zieht, und eben so viel von einem hiesigen Knaben. Für oeconomische Bedürfnisse war also reichlich gesorgt, und wenn er nicht wenigstens Probst, oder Generalsuperindentent wird, kann er in seinem Leben keine Einnahme mehr wie diese hoffen. Es steht ferner noch manches geschrieben, das weder versäumt noch nicht gewürdigt worden wäre. Dazu kam noch die Sorge der Anpassung zum Local Verhältniss, welches eben nicht die leichteste Bedingung war. Dass nicht manches hätte besser bedacht und geleistet werden können, wird kein Mensch in Abrede sein, dass aber alles was in meinen Kräften stand treu und eifrig gethan worden ist, sagt mir mein Gewissen. Doch genug, ich sehe vielleicht bald einen von Euch, m[eine] F[reunde], bey mir. Eins ist noch das mich beunruhigt. Verliere ich eure Freundschaft wenn ich Tobler, euren ältern Freund nicht mehr halten konnte. Wenn die Hand die die Sache hob und leitete, selbsten durch Pflicht und Ehre gezwungen, den entscheitenten Schlag thun muss.

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Könntet ihr mein Innerstes sehen, was ich leide, ihr würdet mich bedauren, und mir freundschaftlich die Hand bieten. – – – Schreibt mir, ich bitte Euch darum, und sagt mir dass Ihr, die ich so sehr liebe und schäze, mich nicht verkennt. Dieses einzige sey jezt und in Zukunft meine Belohnung. Meine Frau, die Euch herzlich grüssen lasst, hat mir den Gefallen gethan, diesen Brief der entsezlich geschrieben war, abzuschreiben –. Noch ist die ganze Geschichte hier ein Geheimnis. Sagt davon in Iferten, was ihr zu Toblers Ehre nöthig findet. Auf jeden Fall zähle ich darauf dass diesen Brief niemand sieht –. Noch so manches hätte noch sollen gesagt werde, – für Euch, m[eine] F[reunde], – ist es glaube ich deutlich genug, und die Neugierigen geht es nichts an, ich befürchte nur dass durch Wasers aufenthalt mehr Dinge schief werden beurtheilt werden, als nur Toblers angelegenheiten –. Ihr, Freund Krüsy, könnt Euch wegen der Lage Eurer Schwester ruhig niederlegen. Die hat sich Zutrauen erworben, und verdient es. Auf mich kann sie in jedem Falle zählen, ich werde sie nie verleugnen –. In dem kleinen Zirkel der Tobler verleitete, wird J[u]ngfer Krüsy auf eine wirklich niederträchtige Art behandelt. Sie beträgt sich dabey so schön, und ich möchte sagen mänlich, dass Sie nur gewinnen kann. Doch dieses muss bey Gelegenheit mündlich abgethan werden –. Lebet wohl, und vergesst mich nicht. Meyer-Zürcher.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 219/1 zwei Bogen und Blatt, 236 x 185 mm Dorsualvermerk Beantwortet Febr. 1810. Original Textkritik

Zeuge H Z. 10 Z. 17 Z. 36 Z. 38 Z. 39 Z. 40 Z. 54 Z. 60 Z. 66

Détail: lateinische Schrift etablissem[en]tes: lateinische Schrift Examen: lateinische Schrift verlassen , und sollen ∫ réussiert: lateinische Schrift ausgesprochene Wunsch bat ihn Privat: lateinische Schrift

17 Z. 73 Z. 77 Z. 81 Z. 87 Z. 90 Z. 92 Z. 94 Z. 105 Z. 113 Z. 117 Z. 126 Z. 132 Z. 141 Z. 146 Z. 155 Z. 158 Z. 161 Z. 161 Z. 162 Z. 166 Z. 192 Z. 200

existenz: lateinische Schrift convulscion: lateinische Schrift existenz: lateinische Schrift Februar: lateinische Schrift resultat: lateinische Schrift unwiederruflich nicht detail: lateinische Schrift eine ∫ nicht aufgegeben ruinen: lateinische Schrift fixieren: lateinische Schrift könnt ∫ idealisiert: lateinische Schrift oeconomische: lateinische Schrift zur Heizung Zuberbühler, von oeconomische: lateinische Schrift war also reichlich superindentent: lateinische Schrift Local: lateinische Schrift Lage Eurer Meyer-Zürcher: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Abraham Meyer (1774–1832) ⇒ Nr. 1047 II. Johann Georg Tobler (1769–1843, ⇒ Nr. 500) hatte zwischen 1801 und 1803 eine eigene Schule in Basel geleitet, die er aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und Arbeitsüberlastung schliessen musste. Offenbar scheiterte auch ein weiterer Versuch als Leiter einer Privatschule in Mulhouse an ähnlichen Gründen. III. Z. 5 Z. 11 Z. 36 Z. 36 Z. 37 f. Z. 41 f. Z. 48 Z. 58 Z. 102 Z. 138

Toblers: Johann Georg Tobler (1769–1843) ⇒ Nr. 500 Armenschule: ⇒ Nr. 1047 Examen: ⇒ Nr. 1077 Hopfens: Johann Samuel Hopf (1784–1830) ⇒ Nr. 1661 Toblers Frau: Magdalena Tobler-Gengenbach (1779–1854) ⇒ Nr. 543 Privatschule: ⇒ Nr. 1047 Iferten: dt. Name für Yverdon Johanny: Der Johannistag, 24. Juni, ist der Gedenktag der Geburt Johannes des Täufers. Selah: mdl. für: Da ist es (C’est là, frz.) L[itterarum] C[ultor]: Liebhaber der Wissenschaften (lat.). Johann Georg Tobler (1769–1843, ⇒ Nr. 500) bemühte sich zu dieser Zeit intensiv zusammen mit Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) um die Herausgabe eines Erdkundebuchs.

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Webers: Laurent Weber (1763–1812) ⇒ Nr. 479 Wasser: Johann (Hans) Jakob Waser (1752–1816) aus Zürich war Kaufmann und heiratete 1793 Margarete/Magarete/Margarethe Blank (1766–1835, ⇒ Nr. 835). 1795 ging er mit seiner nicht näher bezeichneten Fabrik Konkurs und liess sich nach vielen Ortswechseln 1800 in Basel und 1806 in Wien nieder. 1810 zog das Ehepaar Waser nach Mulhouse, wo Margarete Waser als Lehrerin in einem Töchterinstitut angestellt war. L[ouis d’or]: frz. Goldmünze Ducaten: in Europa weit verbreitete Goldmünze Zuberbühler: Johann Konrad Zuberbühler (1787–1858) aus Gais (Kt. Appenzell-Ausserrhoden) besuchte die Anstalten in Burgdorf (1800–1803) und Yverdon (1806–1807) und schlug dann eine Karriere als Lehrer ein. 1811 bis 1816 war er in Mulhouse tätig, 1825 bis 1828 in Diemerswil und Heiden (beide Kt. Appenzell-Ausserrhoden), 1829 bis 1837 Leiter der Töchter-Realschule in St. Gallen und während 1821 bis 1822 und 1837 bis 1842 Direktor der Kantonschule in Trogen (Kt. Appenzell-Ausserrhoden). Knaben: konnte nicht eruiert werden Meine Frau: Elisabeth Meyer-Zürcher (1780–1861) ⇒ Nr. 1044 Krüsy: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Eurer Schwester: Elisabeth Krüsi (1773–1819) ⇒ Nr. 594

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Monsieur Pestaluzi. a yverdun. Bern den 4ten Febr[uar] 1810

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Auf diesem kleinen Raume eine wichtige Anfrage an Sie, Lieber Herr Pestalozi: Wollen Sie von Mir einen Zögling annehmen! Er heisst: Samuel Kummer, des verstorbenen, mir so lieben, Schulmeister Kummers 15jähriger Sohn, ein, schon weit durch Schulmeister Knörj geförderter, treflicher Kopf, mit einem eben so guten moralischen Carakter. Seit vielen Jahren unser bester Schüler, aus dem es etwas ganz vorzügliches werden kan. Den möchte ich Ihnen für 3 Jahre in die Lehre geben. Zwey Jahre möchte ich für Ihn bezahlen – im 3ten denke ich werden Sie ihn recht gut als Unterlehrer brauchen können. Diess ist der Umriss meiner Anfrage. Ihre Antwort wird, denke ich, die nähern Details der Bezahlung und der Kleidung enthalten,

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so viel nöthig ist, das Ganze meiner Verpflichtungen und meiner Erwartungen überschauen zu können. Bis dahin Ganz der Ihrige Dav[id] Müslin, Pfarrer.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 248/1 fleckiger Bogen, 170 x 95 mm Siegeloblate Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–6 Z. 20

lateinische Schrift Details: lateinische Schrift Sacherklärung I.

David Müslin (1747–1821) aus Bern studiert ebenda Theologie. Nach Vikarstätigkeiten in den Berner Gemeinden Aetingen, Bürglen, Siselen und Kirchdorf wird er 1779 Pfarrer in Unterseen. 1782 erfolgt der Ruf ans Berner Münster, an dem er zu Beginn als Helfer und ab 1807 bis zu seinem Tod als Pfarrer wirkt. In seinen ausserordentlich gut besuchten Predigten übt Müslin immer wieder offen Kritik an der helvetischen Regierungsform und als Gegner Napoleon I. Bonapartes (1769–1821, ⇒ Nr. 580) am Modell der Mediation. Zu seinen nebenamtlichen Tätigkeiten gehören die langjährige Dozententätigkeit in der höhern Lehranstalt für die Söhne der regimentsfähigen Familien (Institut für die politische Jugend), die Gründung einer privaten Töchterschule (1792) oder sein publizistisch-politisches Engagement für die Armen und Kriegsgeschädigten (1798/99). III. Z. 10 f.

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Samuel Kummer: Samuel Kummer (1794–1810) aus dem bernischen Seeberg besuchte die Schule in seiner Geburtsstadt Bern. Der geplante Aufenthalt in Yverdon kam nicht zustande, da Kummer im Dezember 1810 starb. Schulmeister Kummers: Niklaus Kummer (1743–1804) aus Seeberg (Kt. Bern) war Schneider und Tuchhändler, seit 1770 Lehrer der Schule für Ansässenkinder, das heisst der Kinder der Einwohner ohne Stadtbürgerrecht, im untern Stadtquartier Berns. Knörj: Johannes Knöri (1747–1819) von Urtenen (Kt. Bern) war 1773 bis 1819 Schullehrer der unteren Knabenschule im mittleren Stadtquartier in Bern.

20 1118. Georges de Rougemont 9. Februar 1810 St. Aubin Vendredy Soir, 9. fevrier 1810 5

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Si la Lettre que je reçus de vous mon respectable ami, dimanche passé m’étoit parvenuë la veille George seroit probablement encore à Yverdun, mais informé qu’il maigrissoit de jour en jour davantage, qu’il pallissoit, qu’il ne pouvoit suporter aucun éxêrcice, qu’il avoit les yeux batus, la langue très chargéë, l’haleine mauvaise et le ventre tendu, que le Donneur d’avis n’avoit rencontré ni vous ni M[onsieu]r Muralt, qu’il n’avoit pû faire part de ses observations qu’à une couple de femmes subalternes, dans la chambre des quelles il avoit trouvé George, seul élève au milieu d’elles, après avoir hézité si je ne renverrais pas tous parti à prendre jusqu’à ce que j’eusse fait une Course à Jverdun, j’écrirois à M[onsieu]r Broum que selon le plus ou moins d’urgence il pouvoit vous demander George pour q[uel]q[ue] temps ou attendre que je l’eusse vû. Il jugea G[eorge] assès mal pour l’aller chercher selon qu’il y etoit authorisé par moi. Voilà ce qui a précéde le rapel momentané de mon enfant. Des lors il est resté à St. Aubin où je n’ai pû venir que hier soir. Des Lavements et des vermifuges pris sans éffêt, quant aux vers, ont cependant eu celui de faciliter les évacuations et de corriger l’haleyne. Au moins ne m’a-t-il pas parru qu’elle fut le moins du monde hazardée. J’ai trouvé George très maigre en éffet, surtout au visage et à la poitrine, les pieds sont à peuprès guerris, ses mains parfaitement saines, mais point de muscles, rien de nerveux, ses bras sont comme des batons, ses genoulx plient sous lui, il marche comme s’il étoit à l’une des deux éxtrémités de la vie. Quelle est donc la cause de ce déchât? Ce ne sont certainement pas de mauvaises habitudes, tout l’Institut est d’accord sur ce point éssentiel, en 8bre j’ai surveillé cet enfant jour et nuit, il est l’innocence même. L’on avoit parlé de galle et lors de son précédens voyage ici. L’état de ses mains, et des parties de son visage qui reposent sur l’une ou l’autre de ses mains quand il dort, autorisait la crainte qu’il n’eut cette maladie, dont les enfants Bourgeois et quelques autres ont été attaqués. Mais rien en lui n’annonce une galle rentrée, aucune humeur quelleconque ne se manifeste, la poitrine paroit très bonne, la respiration très libre, aucune glande n’est gorgéë. Cet enfant ne se plaint de rien et véritablement il ne paroit avoir aucun mal local.

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– Les vers éxpliqueroient ce dépérissement qu’on ne sait à quelle cause atribuer, or les habiles pretendent reconnoitre à sa prunelle qu’il en a, mais comme on ne peut lui en faire rendre, si c’est là la cause de son dépérissement et qu’on ne puisse pas la détruire, il faudroit renoncer à le former, teste l’ennuy, le mal du pays, mais il ne l’a pas connu soit des Juin 1808 en Aout 1809 dâte où je l’ai vû ici mieux portant que je ne l’avois vu depuis sa naissance, d’où seroit venu dès lors cette malheureuse disposition? Aussi ne l’a-t-il certainement pas s’il m’est permis d’enjuger même d’après les dernières observations que j’ai faittes depuis 24 heures. Il ora sans doute de préfférence vers la persone qui le gâte le plus, mais cela n’ira jamais jusques à la tristesse lors qu’il sera éloigné d’elle. Cependant il dépérit visiblement, la nutrition se fait très mal, la chylification la plus vicieuse en est la suite, les sécrétions se font on ne peut pas plus mal, les èxcrétions l’annoncent. Un médecin à Neufchatel qui a traité et connoit le tempèrament de tous ceux qui composent la famille de ma femme assure que G e o r g e n ’ e s t q u e f o i b l e . M[onsieu]r Broum après avoir éssayé les vermifuges pense de même. Il dit que les intestins grêles sont menacés d’atonie, que leur relachement peut les avoir enduits d’un muccus glaireux dont il pourroit résulter des obstructions. Il propose donc des fondants pièces des fortifiants avec un régime chaque jour plus vigoureux. Le grand air, la gayeté, une nourriture saine, abondante et réglée et le mouvement acheveront de guerrir cet enfant quand la pharmacie aura détruit l’empatement intestinal occasioné nécessairement par un genre de vie oposé. Il demande deux mois pour cette guerison en assurant qu’il donnera très peu de remedes. La faiblesse de l’enfant m’est démontréë mais je crois que s’il a reçu de la nature une constitution délicate, il n’en est pas moins vrai que s’il n’avoit pas été douillétisé il seroit de la classe moyenne des enfants, et qu’aujourd’huy il y a plus de mollesse chez lui que de faiblesse. Une promenade que j’ai faitte avec lui ce matin me paroit l’annoncer. C’étoit sur un chemin chargé nouvellement de gros matériaux et bordé de glace et de neige. Il a pleuré parcequ’il soufroit au né, au pied, de fatigue, je lui ai dit que s’il ne savoit pas souffrir sans pleurer il tomberoit malade. J’ai doublé la longuer de la course, il étoit fort bien en rentrant à la maison. Après diner il a fait une autre promenade qui a commancé par des pleurs et finit par des rires. D’après cela j’ai la ferme éspérance que l’Institut parviendra à faire un home de cet enfant gâté, dorloté et douillétiser, tant au

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phisic qu’au moral, mais sa tâche n’est pas petite. Je veux la lui faciliter de tout mon pouvoir. C’est dans ce but que je commence par vous avouer franchement mon respectable ami, que quoique personellement fait à l a d û r , je m’inquieté aisément de tout ce qui menace ceux que j’aime. Je me suis laissé aller à des ménagements de fille d’enfant, pour George dont la mort me seroit douloureuse sous bien des raports. Votre amitié pour moi vous a fait desirer peut-être de donner une espêce de satisfaction à mes terreurs panniques. A présent que j’ai bien éxaminé cet enfant je suis persuadé 1. Que la mollesse est son vice phisic dominant, qu’il tient peut être a sa nature mais qu’il est le résultat inévitable de sa première éducation 2° Qu’il faut trouver, pour la combatre des moyens qui ne le rebutent pas. Il seroit aisément rébuté et alors l’on n’obtiendroit plus rien de lui. 3° Que ces moyens peuvent être essentiellement, le grand air, le mouvement, la gayeté etc. etc. Cet enfant n’est pas communicatif, il s’isole aisément, il répond laconiquement, souvent il élude la question, il répond en riant, aux mots non aux choses, il tourneroit volontiers en ridicule, il obeit sans en plus estimer ce qu’on lui dit de faire, il pleure sans vergogne en disant chaquins sa maniere, mais un regard sérieux le rend serieux. Il fait par et avec faiblesse le bien et le mal, celuila sans plaisir apparent, celuici sans intention si non de suivre à ses gouts de molesse. Il n’aime que lui dans les autres et dans les circonstances, ne hait rien, mais évite tout ce qui ne flatte pas ses gouts. Je crois très instant 1° Que vous ne receviés George, si vous voulés bien continuer de vous en charger, que sous la condition la plus exprêsse, qu’il sera traité comme tous vos autres éleves ni plus ni moins et comme si ses pêre et mêre étoient a deux cent lieuës de lui. Cela est nécessaire surtout avec un enfant gâté et susceptible d’abuser à l’instant de chaque gâterie et de s’en prévaloir, ce que tous les enfants gâtés ne font pas au même degré. 2° Qu’il aprenne de bonne heure qu’on ne l’aimera que s’il sait se rendre aimable. Je n’ai jamais vû ce sentiment chez lui, – jamais encore il n’a senti qu’il avoit eu tort. – Ce sont toujours les autres – Il n’a aucune habitude de porter sa réflêxion sur lui même. Je vous donnerai sur cette disposition des renseignements qu’il est inutile d’écrire mais bon de connoitre.

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Agisséz hardiment d’après vos idées mon respectable ami, ne craignéz jamais que je change d’opinion. Elle est assise. J ’ a i m er ai s m i eux p er d r e m on fi ls q ue d e le voi r végéter d an s la m ollesse. Avec cette disposition je désire d’abord qu’on détermine si l’enfant doit rester ici oui ou non. S’il doit rester, je voudrais savoir comment vous désiréz qu’il s’y occupe et si un de vos Eleves, capable de lui faire faire ses leçons pourroit venir ici pendant le temps consacré à la guerison. Refuséz le si vous le refuseriéz à d’autres. M[onsieu]r Broum m’a confirmé ce que vous m’écrivez de l’intention de venir me voir. Je serai ici jusques à Lundi Soir, devant ce jour retourner à Neufchâtel. George m’a demandé d’aller voir sa mêre, je le lui ai permis dès qu’il pourrait aller à pied à Neufchâtel d’une matinéë. Il espere bien y parvenir s’il reste ici quelques semaines. Bon Soir mon cher et respectable ami. Si vous ne pouvéz venir ni dimache ni Lundy, écrivéz moi à Neufchâtel quand vous pourrez vous rendre à St. Aubin et vous m’y trouveréz. D’ici là je continuerai mes observations sur et mes soins à mon enfant, dont la santé me paroit avoir deja un peu gagné. Agrééz l’assurance de mon amitié et de mon respect le plus vrai. de Rougemont P.S. Faittes moi la grace de conserver cette lettre et de me la rendre. J’en voudrois faire prendre Copie pour faire Suite à ce qui concerne mon enfant. Je vous rendrai l’original à moins que vous ne vouléz que je vous évite la peine de le jetter au feu.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 310/1 Bogen, 238 x 191 mm Datum am Schluss, Notiz Die Kraft des Herzens muss die Fertigkeiten des Lebens ewig –. Original Textkritik

Zeuge H Z. 13 Z. 23 Z. 35 Z. 48

élève au milieu d’elles ∫ faciliter les des parties ne l’avois

24 Z. 53 f. Z. 54 Z. 64 Z. 70 Z. 72 Z. 79 Z. 85 Z. 86 Z. 90 Z. 91 Z. 109 Z. 123 Z. 131

d’elle. Cependant mal ∫ plus vigoureux s’il a douillétisé rentrant à tout ∫ je commence pour George ∫ fait desirer de molesse vous donnerai ∫ s’y occupe ∫ Sacherklärung I.

Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 II. Georges de Rougemont (1802–1810, ⇒ Nr. 968) war im Sommer 1808 als Schüler in Yverdon eingetreten. Anfang 1810 erkrankte er, und wie der vorliegende Brief zeigt, war offen, woran der Knabe litt. Eine häufige zeitgenössische Erklärung für unklare Krankheitsbilder, Onanie («mauvaise habitudes»), hatte der Vater offenbar schon abgeklärt und ausgeschlossen. Er vermutete statt dessen, die Krankheit sei auf «Verzärtelung» in der frühen Kindheit durch die Mutter zurückzuführen, was durch eine gezielte Erziehung «geheilt» werden könnte. Eine weitere Möglichkeit sah er in der fehlenden Bewegung an der frischen Luft (⇒ Nr. 1121). Woran Georges wirklich litt, blieb unklar. III. Z. 4 Z. 5 Z. 6 Z. 11 Z. 15

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Z. 57

Z. 137

St. Aubin: Gemeinde im Kt. Waadt Lettre: scheint nicht erhalten zu sein George: Georges de Rougemont (1802–1810) ⇒ Nr. 968 M[onsieu]r Muralt: Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 M[onsieu]r Broum: Wahrscheinlich ist hier Jean-Frédéric Broum/Brumm gemeint, der Sohn eines aus Deutschland eingewanderten und in Rolle (Kt. Waadt) eingebürgerten Arztes. Er war ebenfalls Arzt und lebte in Saint-Aubin (Kt. Neuenburg). enfants Bourgeois: Damit sind wohl die drei Knaben Edouard, Emmanuel und Frédéric Bourgeois (†1815) aus Corcelette bei Yverdon gemeint, die Söhne von David François Frédéric Bourgeois (1773–1856, ⇒ Nr. 1438) und Elisabeth Lidie Bourgeois-Burnand (*1769, ⇒ Nr. 1189). Edouard hielt sich von 1806 bis 1813 als Schüler in Yverdon auf, Emmanuel und Fréderic von 1809 bis 1817. Emmanuel wurde später Oberst. médecin: Damit könnte möglicherweise Henri de Pury (1776–1833) gemeint sein, der nach einem Medizinstudium in seiner Vaterstadt Neuenburg praktizierte und dort ab 1798 auch médecin du roi war. Kontakte zur Familie de Rougemont konnten allerdings nicht nachgewiesen werden. sa mêre: Charlotte Louisa Albertine de Rougemont-d’Ostervald (1769–1851) ⇒ Nr. 983

25 1119. Franz Adam Lejeune 10. Februar 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. 10 fevrier 1810» auf dem Brief Pestalozzis vom 9. Januar 1810.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 3/70 a Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 1866

1120. Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn 15. Februar 1810 An H[er]rn Pestalozz in Yferten 5

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Luzern den 15ten Hornung 1810. Schäzbarster Mann! Seit einigen Wochen, wie ich vor ein paar Tagen vernahm, trägt man sich zu Luzern mit den sonderbarsten Gerüchten nicht etwa blos im geheimen sondern selbst öffentlich über ihr Lehr Institut in Yferten, die, wenn ich sie auch für erdichtet ansehe, mir doch gleichwohlen nicht gleichgültig seyn durften, weil es mir hiermit darauf abgesehen zu seyn schien, als wollte man durch das schleichende Gift der Verdächtigung dem theilnehmenden Interesse entgegen arbeiten, welches ihre Lehranstalt immer mehr in hier bey Eltern zu gewinnen anfieng, die noch fähig sind das Glük ihrer Kinder in einer guten Erziehung derselben zu suchen. Am gefährlichsten schienen mir diese Gerüchte noch darum zu seyn; weil man zum Theil ihre Wahrheit auf Rechnung von Personen zu berühren suchte, die sich in ihrem Insitut von hieraus befinden und bey Uns wenigstens nicht den öffentlichen Ruf der Heiligkeit geniessen.

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Bey dem innigen Antheil, den ich an ihrem Erziehungs Institut nehme u[nd] bey der Verehrung, die ich für dessen Stifter hege, werden Sie es mir aber daher auch nicht verdenken, wenn ich mich für verpflichtet hielt, Ihnen ganz unbefangen u[nd] unmittelbar das mittheilen zu sollen, was ich in hier über ihr Institut sagen höre, u[nd] das wörtlich darin besteht: 1. H[er]r Feyerabend sey mit Jungfer Leni von dort verschwunden. 2. Die Lehrer ihres Instituts bringen ihre meiste Zeit, nach Verfluss der ihnen angewiesenen Lehrstunden, auf den Kaffeehäusern, auf dem Billard Zimmer u[nd] auf den Tanzböden zu, neben dem, dass sie sich Freudenmädchen halten sollen, u[nd] 3. H[er]r Pestalozzi selbst sey für den religiösen Unterricht seiner Zöglinge ganz unbesorgt u[nd] zwar dergestalt: dass im Institut weder die katholische noch die reformierte Religion gelehrt, mit den Kindern keine Unterhaltung über Gott gehalten u[nd] sie ohne Rücksicht, welchem Glaubensbekenntnisse sie angehören, in die öffentlichen Predigten zu Iferten geführt. Der religiöse Unterricht selbst, der den Katholiken noch gegeben werde, einem jüngern unerfahrenen Menschen von beyläufig 20. Jahren, der ehevor im Haus Besenwald zu Solothurn angestellt gewesen, anvertraut. U[nd] auf diese Weise die Zöglinge zur vollkommenen Gleichgültigkeit in der Religion u[nd] zu dem heut zu Tage im Schwung gehenden philosophischen Geist angeführt werden. Hier sezt dann noch ein jeder, je nach seiner Ansicht der Sache u[nd] politischen Tendenz, seine eigenen Bemerkungen über die Gerüchten hinzu, die eine solche Erziehung der Jugend nach sich ziehen müsse! Über alles dieses weiss ich weiter nichts zu sagen, als dass es eine Art von Menschen giebt, welchen alles anstössig wird, eben weil sie an sich selbst keine guten Erfahrungen gemacht haben u[nd] die doch für gut gekannt seyn möchten, und wiederum andere, die nur das für Religion halten, was den äussern Cultus derselben ausmacht, unbesorgt ob das Herz hieran Antheil nehme oder nicht, da sie selbst religiöses Gefühl weder kennen, noch sich zu erwerben wünschen. Anbey sey mir, als Freund der Wahrheit doch die Bemerkung noch erlaubt, dass ich zur Zeit, als die bekannte Geschichte H[err]n Feyeraben in h[ier] ausbrach, die ich, ohne in ihren Werth oder Unwerth mich einzulassen, zur Ehre der hiesigen öffentlichen Lehranstalt nicht kennen u[nd] hauptsächlich nicht aus dem Munde des Publikums noch kennen zu müssen gewünscht hätte,

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ich beym Erziehungsrath sowohl, als H[er]rn Feyerabend selbst wiederholt mich erklärt habe; dass sein Vorhaben, sich nach Iferten in das Pestalozzische Institut zu begeben, unschiklich sey; indem H[er]r Pestalozzi bey den Anfeindungen besonders, welche seine Lehranstalt noch, erleide, im Falle sich befinde auch den fernsten Anlass zu solchen von sich zu entfernen u[nd] ihn eben daher auch nicht aufnehmen können, da wenigstens das öffentliche Urtheil ganz gegen ihn (H[er]rn Feyerabend) sey, wenn er sich übrigens auch schon über alles dasjenige hinlänglich rechtfertigen könnte, dessen er, zwar ohne rechtsgenügliche Beweise, zur Zeit angeschuldigt worden ist. Nehmen Sie, schätzbarer Mann! diesen zutraulichen Schritt gütig auf, und halten Sie mich stets für Ihren Verehrer!

Überlieferung 1 5

StA Luzern, FAA Amrhyn 3926 Entwurf Textkritik

Zeuge H Z. 8 Z. 11 Z. 12 Z. 14 Z. 14 Z. 18 Z. 19 Z. 24 Z. 24 f. Z. 26 Z. 27 Z. 28 Z. 31 Z. 31 Z. 33 Z. 34 Z. 38–42 Z. 38 f. Z. 39 Z. 39 f. Z. 40 Z. 41 Z. 42

zu Luzern ∫ hiermit ∫ schien, als wollte man ∫ entgegen arbeiten in hier ∫ zum ∫ Theil ∫ ihre Wahrheit ∫ hieraus befinden aber daher auch ∫ ich mich ∫ für ∫ verpflichtet ∫ hielt ∫ mittheilen zu ∫ sollen ∫, was ich in hier über ∫ ihr ∫ Institut ∫ wörtlich ∫ Feyerabend sey Billard: lateinische Schrift Zimmer ∫ sey für ganz unbesorgt Der … anvertraut: Zeilen sind am Rand ergänzt religiöse ∫ selbst ∫ werde, einem unerfahrenen ∫ Besenwald: lateinische Schrift Weise die ∫ Zöglinge ∫ zur

28 Z. 47 Z. 53 Z. 53 Z. 54 f. Z. 55 Z. 56 Z. 59 Z. 65 Z. 66 Z. 68 Z. 69 Z. 70 Z. 71 Z. 72

eigenen ∫ u[nd] … möchten: am Rande beigefügt gut ∫ Cultus derselben ∫ ausmacht ∫ ob das Herz hieran nicht , da sie noch ∫ mich ∫ erklärt ∫ habe begeben, unschiklich ∫ sey ∫ Falle sich befinde ∫ ihn ∫ auch nicht aufnehmen können ganz ∫ schon ∫ Sacherklärung I.

Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848) von Luzern wird zuerst vom katholischen Pfarrer Thaddäus Müller (1763–1826, ⇒ Nr. 559) unterrichtet und besucht anschliessend die Klosterschule St. Urban, bevor er sich auf eine Bildungsreise nach Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich begibt und sich zu Studienzwecken von 1792 bis 1793 in Turin aufhält. Nach Luzern zurückgekehrt besucht er regelmässig die Luzerner Lesegesellschaft, wird 1793 Grossrat, ist von 1794 bis 1798 als Kriegsratsschreiber tätig und bis 1803 als Oberschreiber der helvetischen Verwaltungskammer des Kantons Luzern. 1812 heiratet der 1810 verwitwete Amrhyn Maria Antonia Segesser (1789–1866, ⇒ Nr. 1333). Nachdem er 1814 aktiv am Umsturz der Mediationsregierung beteiligt ist, wird er noch im selben Jahr in den Kleinen Rat (⇒ Nr. 1544) aufgenommen, wobei er von 1816 bis 1840 das Amt des Schultheissen einnimmt und viermal, nämlich 1819, 1825, 1831 und 1837 als Präsident an der Eidgenössischen Tagsatzung (⇒ Nr. 1534) teilnimmt. Von 1820 bis 1828 ist er zudem Kommissar der Diözesanstände und massgeblich an der Errichtung des heutigen Bistums Basel beteiligt. II. ⇒

Nr. 1106

Z. 10 Z. 28 Z. 28 Z. 40

III. Yferten: dt. Name für Yverdon H[er]r Feyerabend: Joseph Feierabend (1779–1859) ⇒ Nr. 1106 Jungfer Leni: Luise Lehni ⇒ Nr. 1076 Menschen: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Aus den Akten der Volkszählung von 1808 geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt zwei männliche Bedienstete im Haus Besenval angestellt waren, nämlich Joseph Räss, dreiundzwanzig Jahre alt, und Heinrich Degelis, zwanzig Jahre alt, die beide Ortsfremde waren. Es ist aber unklar, ob einer der beiden als Hauslehrer angestellt war, zudem sind die Namen Räss und Degelis in keinem Lehrerverzeichnis oder Personal-Etat von Yverdon verzeichnet.

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Z. 41

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Von den im Lehrerverzeichnis als Religionslehrer aufgeführten Personen wäre nur Johann Renward Brandstetter (1782–1851, ⇒ Brief vom 6. Juni 1826) denkbar, da Bonifacius Flury (1778–1836, ⇒ Nr. 1034) nicht mehr als «beyläufig 20. Jahre» bezeichnet werden kann. Ob Brandstetter allerdings Hauslehrer bei der Familie Besenval war, muss offen bleiben. Haus Besenwald: Mit Haus Besenwald ist die katholische Solothurner Patrizierfamilie Besenval (auch Bösenwald) von Brunnstatt gemeint. Sie besassen in der Hauptgasse in Solothurn ein Stadthaus, das 1810 von der Witwe Margaritha Besenval (1741–1814) und ihrem jüngeren Sohn Martin Ludwig (1780–1853) bewohnt wurde. wiederholt mich erklärt habe: Weder in den Luzerner Erziehungsratsprotokollen noch in der weiteren Amrhynschen Korrespondenz oder anderen Quellen des Staatsarchivs Luzern konnten schriftliche Zeugnisse dieser Aussagen gefunden werden. Sie sind somit entweder nicht erhalten geblieben oder wurden in mündlicher Form gemacht.

1121. Georges de Rougemont 17. Februar 1810 Yverdon M[onsieur] Pestalozzi 5

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17 en Je vous écrivis il y a huit jours une lettre pleine de détails sur mon fils. Je vous parlai de sa mauvaise santé, des causes auxquels on pouvoit l’attribuer et qui toutes paraissent se réduire à l’influence de la saison d’une vie trop peu active et d’une premiére éducation qui, en le rendant infiniment sensible à la douleur et soumis à l’empire de ses convenances personnelles lui à oté le courage nécessaire pour se livrer aux exercices corporels seuls capables de fortifies son tempéramment et de prévenir le dépérissem[en]t dont il est menacé. Cependant Monsieur et cher Ami comme v[ou]s avez cet enfant depuis plus de dix huit mois dans votre Institut vous et vos amis pouvez seuls juger avec connoissance de cause de l’état de cet enfant et de ce qu’il exige et comme vous m’annonciez dans votre lettre l’intentions de venir me voir je vous proposois dans la mienne de fixer une entrevue à St. Aubin. Jéspére quele Courier de se soir m’apportera Votre réponse; s’il en étoit autrement permettes moi d’insister. L’on m’écrit de St. Aubin que George va mieux mais sans qu’on me donne les renseignemens nécessaires pour juger moi même en quoi ce mieux consiste. Une légere fluxion sur les yeux m’empêche

30 d’écrire moi même et m’oblige à dicter cette lettre. Agréez mon respectable ami l’assurance de mon plus sincére dévouement

1 4 5

Überlieferung Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 243, S. 609 Randnotiz Ayant reçu une lettre de Monsieur Pestalozzi je n’ai pas fait partir celle ci Copia Textkritik

Zeuge [h] Sacherklärung I. Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 III. Z. 6 Z. 18 f. Z. 20 Z. 23

lettre: ⇒ Nr. 1118 votre lettre: scheint nicht erhalten zu sein St. Aubin: Gemeinde im Kt. Waadt George: Georges de Rougemont (1802–1810) ⇒ Nr. 968

1122. Agnes Gyr 17. Februar 1810 Yverdon d[en] 17 Hornung 1810 5

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Nein, es wird mir nimmer bangen Ob des Blickes Freundlichkeit, Tief! doch rein wurd er empfangen, Und dem Innersten geweiht –. Ach: des falschen Eifers Blick! Störet nur das reine Glück. ____________ Doch das Heilige entpfalte Sich dem Reinen immer hin! Und die hohe Unschuld walte, Kröne Deinen edlen Sinn! Bester! nein Dein fühlend Herz – Härte nicht zu starrem Erz! – ____________

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Frey und offen wie die Hirten, Einfaltsvoll wie die Natur; Höhne nicht; die sich verirrten – – Sind nicht Kinder einer Flur! Was das Innerste bewegt Ist’s nicht Unschuld: die sich regt –: Nein, so möcht ich Dich nicht finden [____________] Ernst die Stirn – das Innre zu? Lass bisweilen ihn verschwinden, Schau mit hoher Seelen-Ruh, Und mit freyem Männer-Sinn! Uber kleine Geister hin! – ____________ Agnes Gyr

Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 1461/III,3 Blatt, 168 x 120 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 33

Yverdon d[en]: lateinische Schrift Agnes Gyr: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Agnes Amiet-Gyr (1787–1836) ⇒ Nr. 1113 II. Dieses Gedicht gehört in eine Reihe von weiteren Gedichten, die von verschiedenen Autoren zwischen den Jahren 1810 und 1812 verfasst wurden und die Pestalozzi gewidmet waren (⇒ Nr. 1111).

32 1123. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 17. Februar 1810 5

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An Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeb[or]en zu Yverdun im schweizerischen Kanton Waadt. Citissime Berlin den 17. Febr[uar] 1810.

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Die Sektion des öffentl[ich]en Unterrichts benachrichtigt E[u]er Wohlgeb[or]en hiermit, dass sie dem könig[lich]en Eleven Marsch auf dessen ihr geäusserten dringenden Wunsch, in sein Vaterland zurückzukehren erlaubt, habe zugleich aber beschlossen hat, statt seiner dem auch von Ihnen sehr empfohlenen Zögling Braun die Kosten der Unterhaltung in Yverdun auf Ein Jahr mit 350 r[eichsthale]r zu bewilligen, falls derselbe dem Preuss[isch]en Staate seine Dienste im pädagogischen Fache fest verspricht. E[u]er Wohlgeb[or]en ersucht die unterzeichnete Sektion daher, dies dem H[errn] Braun bekannt zu machen, und ihr seine schr[iftli]che Erklärung hierüber bald gefälligst zu senden. Der Entschluss der Sektion, den Wünschen des Marsch nachzugeben, weil doch alles andeutet, er werde schwerlich in das dortige Leben einzugehen fähig seyn, sondern mit der einmal fixirten Bildung, in welcher er steht, immer demselben fremdartig bleiben, wird auch von Euer Wohlgeboren gewiss gebilligt werden. Uebrigens wird der Herr Staatsrat Süvern nächstens sowohl an Euer Wohlgeb[or]en als an die Preussischen Heren ausführlich schreiben.

Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches Staatsarchiv Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII, Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 1, S. 250–251 Datum am Schluss Copia Textkritik

Zeuge h

33 Z. 5 Z. 8 Z. 11 Z. 13 Z. 16 Z. 16 Z. 17 Z. 21 Z. 23 Z. 28

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Marsch: lateinische Schrift sehr ∫ Braun: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Braun: lateinische Schrift Marsch: lateinische Schrift Süvern: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

III. Z. 10 Z. 13 Z. 16 Z. 28

Citissime: aufs Schnellste (lat.) Marsch: Gottlob Friedrich Marsch (1761–1829) ⇒ Nr. 1160 Braun: Friedrich Wilhelm Braun (1778–1860) ⇒ Nr. 1259 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049

1123 a. Jeremias/Jérémie Meyer 17. Februar 1810 [Reg.] Meyer erkundigt sich besorgt über den Gesundheitszustand seines Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 35.27 f. Sacherklärung I.

Jeremias/Jérémie Meyer (1770–nach 1847) ist Kaufmann in Mulhouse, wo er 1796 Marie Madeleine Lischy (1774–1847) heiratet. Das Ehepaar schickt später mehrere seiner Kinder nach Yverdon zur Ausbildung.

III. Z. 4

Sohnes: Jeremias Meyer (1798–1852) aus Mulhouse war von 1807 bis 1810 zur Ausbildung in Yverdon, kehrte 1820 als Lateinlehrer dorthin zurück, wurde aber 1821 fristlos entlassen und verfasste daraufhin die Klageschrift

34 Wie Herr Joseph Schmid die Pestalozzische Anstalt leitet: Ein Seitenstück zu dem Buche: «Wie Gertrud ihre Kinder lehrt» (1822). Nach einem Theologiestudium in Strasbourg, das er 1825 mit Promotion abschloss, wurde er 1827 Pfarrer in Cernay (Elsass), legte dieses Amt 1836 nieder und wandte sich als Dichter der deutschsprachigen Literatur zu.

1124. Heinrich Remigius Sauerländer zwischen dem 13. und 28. Februar 1810 5

[Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi einige Bücher und mahnt offene Rechnungen bei aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern Pestalozzis.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 42.22 ff. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1124 a. Joseph Alexander Wildermeth/Wildermett Februar 1810 [Reg.] Wildermeth wünscht Auskunft über Anna Wirz und eine zweite Person.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 39.5 f. Sacherklärung I.

Joseph Alexander Wildermeth/Wildermett (1764–1819) stammt aus einer renommierten Bieler Familie und besucht die von Gottlieb Konrad Pfeffel (1736–1809, ⇒ Nr. 257) geleitete Militärschule in Colmar, bevor er von 1783 bis 1785 in Göttingen ein Rechtsstudium absolviert, sich daraufhin einige Zeit in Deutschland aufhält und schliesslich 1787, zurück in der Schweiz, Hauptmann der Bielerartillerie wird. Antirevolutionär eingestellt, wird er kurzzeitig verhaftet, als Biel von französischen Truppen besetzt wird, und eine beschlagnahmte Korrespondenz mit Johann Caspar Lavater (1741–1801,

35 Nr. 29) trägt ihm den Ruf eines Republikfeindes ein. Später lebt er auf dem Familienlandsitz in Pieterlen (Kt. Bern), wo er auch stirbt. ⇒

II. Joseph Alexander Wildermeth/Wildermett (1764–1819, ⇒ Sacherklärung I.) erkundigte sich bei Pestalozzi nach Anna Wirz (⇒ Z. 4), weil sie sich bei ihm um eine Anstellung beworben und Pestalozzi offenbar als Referenz genannt hatte. Pestalozzi riet entschieden von einer Anstellung ab, da sie «das schlechteste Mensch, das sich finden lässt, lügenhaft, betriegerisch und diebisch» sei (PSB VII, S. 39).

Z. 4 Z. 4

III. Anna Wirz: Anna Wirz konnte nicht näher bestimmt werden. zweite Person: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte.

1125. Georges de Rougemont 24. Februar 1810 Yverdon M[onsieu]r Pestalozzi 5

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du 24 Fevr[ier] Un mal de yeux ne m’a pas permis d’écrire pendant quelques jours, il a fallu ensuite regagner le tems perdu, et la vivacité du froid n’admettoit par de Rendez-vous. Delà mon Silence sur vos deux lettres, l’une écrite il y a huit jours et l’autre datée du 18. c[ouran]t renfermant le compte de George jusqu’au 1. Fevr[ier], en soustraisant les mois de fevrier et mars du trimèstre, payables d’avance au 1. Janvier d[u couran]t. J’ai l’habitute en affaires de déblayer ma route et de traiter les choses d’un médiocre intérêt avant de me livrer aux plus importantes. Permettez moi de commencer par la comptabilité. En 1808. Vous me manifestates le désir d’avoir une bosse de vin dans mes caves d’Yverdon. Vous entendiez un lègre, et cela ne devoit pas s’entendre differèmment. Il y en a un de 3150 pots. En réunissant au prix d’achapt les fraix de transport, l’intèrieure les logers de Cave, le déchet, ce que ma Societé paye à M[onsieur] Décoper, la totalité de cette Cave me revient à 7½ le pot meme et argent de Berne. Ma Socièté vous cèdera le legre de 3150 pots à ce prix et je vous débiterai au 31 e Xre au 1. Janvier dernier pour vous créditer ensuite de la pension de mon fils à mesure que vous m’enverrez vos comptes. Quant au compte que vous m’avez envoyé, si vous me l’aviez presenté, quant au trimestre qui se paye d’avance, le 1 Janvier et

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que j’eusse retiré mon fils le 2 e, j’estime que je n’aurai eu aucun droit quelconque de reclamer ce que j’aurois payé, a plus forte raison quand je retiens cet enfant un mois après l’échéance du payement et pour des motifs qui n’auroient jamais existé si cet enfant eût été moins délicatere lorsque je vous le remet. Tout en vous debitant donc de L[ivres] 573.10 pour les 3150 pots de vin, je vous crédite de L[ivres] 187.2.6 à quoi s’éleve votre compte. Si le vin ne vous convient pas, je vous enverrai cette derniere Somme par le retour du Courier, qui me l’annoncera. Pour achever tout ce qui tient aux affaires j’ai prèté à M[onsieu]r Niederer, je crois, deux ouvrages de mes amis Brandes et Rezberg et à M[onsieu]r Schmidt une traduction libre de Macbeth par Burger que je rendrai volontiers par première occasion, et j’éspère que c’est vous mon daigne ami que la fournirez. De la pension de l’Enfant, je passe à l’Enfant même. Il étoit, il est encore certainement très malade, il étoit menacé d’un Marasme et je ne suis pas encore tranquille sur son compte. Cependant il a gagné, il s’egaye chante, rit, saute à la corde, va en traineau, il a des engelures au pied, que les grands froids ont ramenés, mais qui ne l’empechent de courrir ni dans la maison ni même déhors, il prend des remèdes très amèrs sans pleurer, il lit et (par paranthese) il lit mieux qu’avant d’aller à Yverdon, et surtout il lit avec intelligence et en enfant qui se d é v e l o p e e n g é n é r a l . Il prend une leçon d’écriture et il m’a écrit une lettre dont l’écriture lefond simple et vrai, et même l’orthographe m’a satisfait, Sa digestion se fait mieux, son ventre est dûr encore mais moins, il est pâle mais la tinte se soutient, au lieu qu’elle variot à chaque instant. On l’a fait peur en badirent, il pese 38½ avec ses habits d’hiver. Je suis persuadé qu’au mois d’aout il pesoit plus, quoique dès lors il ait grandi. Je ne puis attribuer le déchet de cet enfant depuis le mois d’Avril, ou il brilloit de santé qu’aux circonstances suivantes. 1. Il s’est mal nourri, se gorgeant de lait et de pain à déjeuner, des fruits à gouter (on lui donnoit jusqu’à 6. pommes) c’étoit au moins 4 de trop et hier naturellement il mangeoit peu aux repas qui formassat la subsistance essentielle au corps. On altere son déjeuner de lait et de soups et j’espére vous le renvoyer accoutumé comme son frère à déjeuner d’une bonne soupe. 2. Plus il se nourrisoit mal et s’affoiblissoit et moins il redennoit de mouvement, ce qui contribuoit à l’affaiblir encore. 3. Les froids achevérent de le caserner et mal nourri par sa faute, sans mouvement et toujours près du Poël sa Santé a du le detruire.

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Placé entre le sentiment de sa foiblesse et la fausse honte, entre des habitudes délicates et la vigeur de ses Comarades, il ne devoit pas avoir dans le Cour entier de la journée un sentiment de gayeté sans melange, d’abandon et de cette confiance en soi et aux autres qui en est le principe, rien ne rafraichissoit sa jeune et faible existence. Il devoit perir sans que ce fait la faute ni de la nature ni de l’institut, son école, mais de malheureuses circonstances à dater du berceau de l’enfant. Avec plus de force il n’auroit besoin aujourd’hui que de régime, d’exercice et de gayeté, mais avec plus de force il ne seroit pas tombé malade dans un institut ou tous inspire la frugalité, le courage et la gayeté. J’espere qu’on retablira cet enfant, qu’on lui fera oublier ensuite qu’il a été malade qu’on effacera les impréssions si contraires au caractère de l’enfance, qu’il recoit du gain, donnés à sa santé, je parle de l’espèce d’arriété qui peut en résulter, mais comment préviendra-t-on une rechute le hiver prochain? Ce probleme est important à resoudre non seulement pour l’enfant et ses pere et mère, mais sans des raports plus genéraux. Je ne vous demande aucune reponce ni à cette lettre ni à ma précédente. Vous me la donnerez de bouche quand j’aurai le plaisir de vous voir, et je mettrai le plus grand intérêt à m’en entretenir avec vos amis. Si je puis vous reconduire mon fils. Je ne vous propose pas encore de Rendez-vous, parceque je ne voudrois pas que vous viassiez jusqu’ici et que je ne puis pas aller encore à St. Aubin, comme je l’ésperois. Si vous avez réellement à faire ici vous m’y trouverez seulement feru vous bien en passant par St. Aubin de vous informer chez M[onsieu]r Pursad si j’y sois. Mais il vaut mieux attendre huit a dix jours. La foire de W[alangin] sera finie où je suis afrailli de gens et d’affaires, la saison se sera adornée, nous jagerons mieux de l’état de George et je vous recevrai à St. Aubin, où ma chaise sera à vos ordres pour venir ici ou vous en retournez à Yverdon. Bon soir, mon respectable ami, puissiez vous être aussi heureux que bienfaisant. De Roug[emont]

1 5

Überlieferung Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 243, S. 609–611 Copia Textkritik

Zeuge [h] Z. 31

existé

38 Z. 76

l’institut, son Sacherklärung I.

Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 II. Einen ähnlichen Brief hatte Georges de Rougemont (1758–1824, ⇒ Nr. 956) schon am 17. Februar 1810 verfasst (⇒ Nr. 1121), den er damals allerdings nicht abschickte. III. Z. 8 f. Z. 10 Z. 17 Z. 20 Z. 21

Z. 37 Z. 38

Z. 38

Z. 38 Z. 39

Z. 89 Z. 93 f. Z. 96 Z. 97

deux lettres: scheinen nicht erhalten zu sein George: Georges de Rougemont (1802–1810) ⇒ Nr. 968 mes caves: Georges de Rougemont (1758–1824, ⇒ Nr. 956) besass in Yverdon ein Weinlager. Societé: Société d’emulation patriotique de Neuchâtel ⇒ Nr. 957 Décoper: Hier könnte Casimir Decoppet (1758–1831) aus Yverdon gemeint sein. Er war Kaufmann und Börsenspekulant, Grossrat (1814) und örtlicher Salzverwalter (1816). Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Brandes: Ernst Brandes (1758–1810) aus Hannover trat nach einem Studium in Göttingen, das ihn mit August Wilhelm Rehberg (1757–1836, ⇒ Z. 38), Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom Stein (1757–1831) und offenbar auch mit Georges de Rougemont (1758–1824, ⇒ Nr. 956) zusammenführte, als Auditor in die Geheime Staatskanzlei in Hannover ein, wurde später zum Geheimen Kabinettssekretär in Universitätssachen und Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften ernannt und machte sich, nachdem ihn ein Aufenthalt in England in enge Verbindung mit Edmund Burke (1729–1797) gebracht hatte, einen Namen als entschiedener Gegner der französischen Revolution, die er publizistisch bekämpfte. Rezberg: August Wilhelm Rehberg (1757–1836) aus Hannover studierte in Göttingen und Leipzig Medizin, Philosophie und Jurisprudenz, bevor er eine Beamtenlaufbahn antrat, während welcher er sich mit scharfer Kritik an der französischen Revolution neben seinem Studienfreund Ernst Brandes (1758–1810, ⇒ Z. 38) als führender deutscher Reformkonservativer profilierte und daneben auch mit ethisch-moralischen und pädagogischen Schriften einige Berühmtheit erlangte. Schmidt: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 traduction: William Shakespeare: Macbeth, ein Schauspiel in fünf Aufzügen nach Shakespear. Seinem Freunde Biester gewidmet von G. A. Bürger. Stuttgart 1784 précédente: ⇒ Nr. 1118 St. Aubin: Gemeinde im Kt. Neuenburg Pursad: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. W[alangin]: Damit könnte die Messe in Valangin (Kt. Neuchâtel) gemeint sein.

39 1126. Johann Georg Sigrist 24. Februar 1810 5

Herrn Herrn Pestalozz in Yver d on . St. Urban d[en] 24 ten Hornung

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Lieber theurer Vater! Die leiseste Stimmung für Ihr Institut ist mir wichtig: Ihnen unendlich wichtiger. Desswegen eile ich Ihnen aus dem Gespräche Ruckstuhls folgendes zu senden: (Copie) «Gestern im Konvent nahm mich Ruckstuhl der Grosskeller bey Seite, und eröfnete: ein Hausvater aus Luzern, der im Institut zu Yferten ein Kind habe, habe solche Nachrichten über jenes vernommen; dass er über die moralische Pflege des K[in]d[e]s sehr bekümmert worden und im Zweyfel, ob er desswegen heimnehme, habe er ihn, (d[en] Grossk[elle]r) darüber besprochen u[nd] ersucht, auch von mir (Ruckstuhl) Nachrichten einzuziehen. B e son d er s soll un ter d en Leh r er n ei n seh r loses L e b e n s e y n . d[en] 23 ten H[ornung] Dies s[in]d die Worte die mir sehr zu Herzen gehen, und die Gewiss näherer Prüfung werth s[in]d. G[eorg] Sigrist.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 350/1 Bogen, 262 x 200 mm Adresse, Stempel LANGENTHAL, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 7 Z. 8 Z. 8 Z. 13 Z. 15

Pestalozz: lateinische Schrift Y v e r d o n : lateinische Schrift St. Urban: lateinische Schrift Hornung: lateinische Schrift Ruckstuhl ∫ Yferten: lateinische Schrift

40 Sacherklärung I. Johann Georg Sigrist (1788–1866) geboren in Gorizia (Friaul-Julisch Venetien), wächst nach dem frühen Tod seiner Eltern zusammen mit zwei Geschwistern bei einem Onkel, dem Pfarrer Martin Sigrist, in Kriens (Kt. Luzern) auf. Er besucht das Lyzeum in Luzern, begibt sich 1808 zwecks Erlernung der Methode zu Pestalozzi nach Yverdon und unterrichtet 1811/12 an einem Privatinstitut in Wien (vor allem Mathematik). 1812 beginnt er in Landshut beim späteren Bischof von Regensburg, Johann Michael Sailer (1751–1832, ⇒ Nr. 1478), Theologie zu studieren und tritt 1813 ins Luzerner Priesterseminar ein. Während den folgenden Jahren ist Sigrist an verschiedenen Orten als Pfarrer und im Schulwesen tätig: 1815 wird er Pfarrer in Horw, 1825 in Wolhusen (beide Kt. Luzern), wo er ab 1836 zugleich die Schulkommission präsidiert, 1840 folgt die Wahl zum Stadtpfarrer von Luzern, wo er zudem Präsident der städtischen Schulpflege wird und ab 1842 Mitglied des kantonalen Erziehungsrates (⇒ Nr. 599). 1846 übernimmt er die Stelle des Stadtpfarrers von Aarau, wird luzernischer Kantonalschulinspektor, 1848 Chorherr von Beromünster und übernimmt von 1852 bis 1854 den Direktionsposten der Erziehungsanstalt in Olsberg (Kt. Aargau). Von 1854 bis 1860 ist er Pfarrer in Birmensdorf (Kt. Aargau). Sigrist ist Verfasser zahlreicher theologischer, aber auch pädagogischer Schriften und gehört zu den Mitbegründern der Pestalozzistiftung in Olsberg (1845), deren Sekretär er ab 1848 ist. II. Johann Georg Sigrist (1788–1866, ⇒ Sacherklärung I.) scheint sich zwischen seinem Aufenthalt in Yverdon und der Weiterreise nach Wien im Kloster St. Urban aufgehalten zu haben und hatte dort Gerüchte über die mangelnde moralische Betreuung der Schüler in Yverdon vernommen, die er Pestalozzi mitteilen wollte. III. Z. 8 Z. 11 f.

Z. 13 Z. 14

St. Urban: Gemeinde im Kt. Luzern Ruckstuhls: Karl Ruckstuhl (1788–1831) aus Pfaffnau (Kt. Luzern) war von 1807 bis 1809 am Institut von Pestalozzi in Yverdon, zuerst als Schüler und anschliessend als Lehrer. Von 1812 bis 1814 weilte er zu philologischen Studien in Heidelberg und Paris, 1815 wurde er Lehrer an der Kantonsschule Aarau und reiste im selben Jahr nach Deutschland, um gegen die Armee Napoleon I. Bonapartes (1769–1821, ⇒ Nr. 580) zu kämpfen. Nach der Publikation mehrerer seiner deutsch-patriotischen Aufsätze begann Ruckstuhl mit Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832, ⇒ Nr. 811) zu korrespondieren, von 1816 bis 1820 war er als Oberlehrer am Königlichen Gymnasium von Bonn tätig, danach wurde er Lehrer am Gymnasium in Koblenz. Zwischen 1814 und 1829 gehörte er dem Luzerner Grossrat (Parlament) an, ohne dass er je anwesend gewesen wäre. Grosskeller: Verwalter eines Klosters Hausvater: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte, da zu dieser Zeit mehrere Familien aus Luzern Kinder nach Yverdon geschickt hatten.

41 1126 a. Joseph Feierabend 26. Februar 1810 5

[Reg.] Feierabend berichtet, dass auch in Nidwalden die Ansicht weit verbreitet sei, der Schulunterricht müsse verbessert werden.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 46.10 f. Sacherklärung I.

Joseph Feierabend (1779–1859) ⇒ Nr. 1106

1127. Franz Adam Lejeune 27. Februar 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép 27. 1810 et envoié inclus deux lettres de change de la somme de L[ivres] de Suisse 533.13.8.» auf dem Brief Pestalozzis vom 16. Februar 1810.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 3/70 a Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 5

Brief: PSB VII, Nr. 1940

1128. Jakob Wilhelm Kämpf 1. März 1810 5

à Monsieur Monsieur Henri P estaloz z i

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à Yver d on en Suisse franco Sc h afh use chargé Heilbron bey Doctor Landauer den 1. Marz 1810.

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Verehrtester! Nur wenige Augenblicke sind mir bis zum Abgang der Post gegönnt – ich wende sie an, um Ihnen Verehrtester zu melden – dass der Landgraf von Homburg – von 450 F[ranken] welche Er mir noch schuldete, und welche nach meinem Begehren, nach Verlauf von 4 Jahren, zu einem Pestalozzischen Zweck verwendet werden sollen, mir auf mein weiteres Verlangen jzt schon – 20. Louisdor’s zuschickt, die ich dem Vater von Nanny Schertlin mit nächstem Postwagen übersende – während dem ich ihm s o e b e n schrieb – «Diese 20. Louisdor seyen ein Stipendium eines Fürsten, der mich darüber disponiren lasse jedoch nur zu Pestalozzischen Zwecken – und der nicht einmal den Namen des Stipendiaten oder der Stipendiatin zu wissen verlange – i c h verlangte dagegen, dass seine Tochter noch ein halbes Jahr vom 1 ten April an gerechnet, in dem Institut verweile – und dass die Stipendiums Sache ein Geheimniss bleibe zwischen Ihm den Seinigen und mir. – Noch Heute würde ich nach Yverdon schreiben, um Roeslers Abreise, bis zum Einlangen seiner Entschliessung, zu sistiren. –» Ich legte ihm eine schriftliche Äusserung des Herrn Denzel’s über Nanny bisherige Fortschritte und über die Notwendigkeit der Fortsetzung des dortigen Aufenthalts bey. – Indem ich Ihnen – Verehrtester diess melde – ersuche ich Sie dringend – Nanny in keinem Fall abreisen zu lassen. Nein, sollten die Eltern auch verblendet genug seyn – obigem ungeachtet auf ihrer Rückehr zu bestehen – so zahle ich die Kosten ihrer alleinigen Rückreise, wofür dem Vater gern 20 Louisd’or bürgen mögen. –. Ich küsse Ihnen die väterlichen Hände – Grüsse Niederer Grüsi – Roesler – Auguste und Nanny Herzlich und bin mit einem Herzen voll Liebe Ihr Wilhelm Kämpf

43 Überlieferung 1 2 4

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ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 155/1 Bogen, 239 x 196 mm Datum am Schluss, Poststempel HEILBRONN, Siegelspuren, Notiz à ouvrir en absence de M[onsieu]r Pestalozzi par Monsieur Niederer., Dorsualvermerk Mieg: Kämpf 1810 Original Textkritik

Zeuge H Z. 13 Z. 17 Z. 19 Z. 20 Z. 21 Z. 21 Z. 23 Z. 24 Z. 24 Z. 27 Z. 29 Z. 30 Z. 30 Z. 32 Z. 33 Z. 33 Z. 36 Z. 39 Z. 41 Z. 41

Doctor Landauer: lateinische Schrift Landgraf von Homburg Pestalozzi: lateinische Schrift Louisdor’s: lateinische Schrift von ∫ Nanny Schertlin: lateinische Schrift Louisdor: lateinische Schrift lasse Pestalozzi: lateinische Schrift April: lateinische Schrift ein Geheimniss ∫ Yverdon: lateinische Schrift Roeslers: lateinische Schrift Denzel’s: lateinische Schrift Nanny: lateinische Schrift Fortschritte Nanny: lateinische Schrift Louisd’or: lateinische Schrift Auguste: lateinische Schrift Nanny: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Jakob Wilhelm Kämpf (1755/60–1811), Sohn von Johann Kämpf (1726–1787), dem Leibarzt des hessen-homburgischen Landgrafen Friedrich V. (1748–1820, ⇒ Z. 17), durchläuft nach seinem Jura-Studium eine erfolgreiche Verwaltungskarriere vom Assessor in Homburg vor der Höhe 1791 bis zum Hofrat. Aus dieser Position wird er 1794 wegen Franzosenfreundlichkeit und Anhängerschaft an radikaldemokratische Ideen, die er mit dem Homburger Hofrat und Schriftsteller Franz Wilhelm Jung (1757–1833, ⇒ Nr. 1088) und mit Isaac von Sinclair (1775–1815) teilt, entlassen. Kämpf amtiert anschliessend von 1795 bis 1798 als herzoglich-württembergischer Hofrat, wird bis 1803 als Klosterpfleger in den Ratsprotokollen von Esslingen geführt, sucht vergeblich eine Anstellung in Heilbronn und findet auch in Radolfzell am Bodensee nur eine sehr schmal dotierte Stelle. Seine Annäherung an Pestalozzi bleibt ergebnislos, er stirbt an einem unbekannten Ort.

44 II. Jakob Wilhelm Kämpf (1755/60–1811, ⇒ Sacherklärung I.) hatte sich wohl 1809/1810 in Yverdon aufgehalten und spielte mit dem Gedanken, als Erzieher tätig zu werden (Stadtarchiv Heilbronn, D 92). III. Z. 13

Z. 17

Z. 20 Z. 21 Z. 21 Z. 30 Z. 32 Z. 40 Z. 40 Z. 41

Landauer: Lebrecht Landauer (1779–1822) war promovierter Jurist und amtierte von 1819 bis zu seinem Tod als Oberbürgermeister von Heilbronn. Landgraf von Homburg: Friedrich V. Ludwig Wilhelm Christian, Landgraf von Hessen-Homburg (1748–1820) trat als unmündiger Halbwaise mit einer Sondererlaubnis 1766 seine Regentschaft in der verschuldeten Landgrafschaft Hessen-Homburg an. Hessen-Homburg wurde 1795 von französischen Revolutionstruppen besetzt, 1806 zugunsten Hessen-Darmstadts mediatisiert und 1815 als einziger der mediatisierten Staaten wieder hergestellt. Friedrich V. richtete seinen Regierungsschwerpunkt auf das Schulwesen und die Bibliothek, an der er 1804 seinen Freund Johann Christian Friedrich Hölderlin (1770–1843) als Hofbibliothekar anstellte. Louisdor’s: frz. Goldmünze Vater: Herr Schertlin konnte nicht näher bestimmt werden. Nanny Schertlin: Anna Schertlin war 1810 Schülerin in Yverdon. Da unklar ist, woher sie stammte, konnte sie nicht näher bestimmt werden. Roeslers: Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845) ⇒ Nr. 1043 Herrn Denzel’s: Christoph Samuel Denzel (1774–1846) ⇒ Brief vom 1. Juni 1826 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Grüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Auguste: Auguste Rösler (1786–1818) heiratete 1810 Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845, ⇒ Nr. 1043) und assistierte ihrem Mann im Institut als «Hausmutter».

1129. Bank- und Kommissionsgeschäft Johann Conrad Jacobi 2. März 1810 [Reg.] Jacobi schickt das Pensionsgeld für Marsch.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 67.20 f. Sacherklärung I.

Friedrich Conrad Jacobi (1752–1816) hatte nach dem Tod seines Onkels Johann Conrad Jacobi (1717–1774) dessen Bank und Handelsfirma geerbt. Die Geschäfte wurden bis zur Schliessung 1906 weiterhin unter dem Namen des Gründers geführt, weshalb die

45 Antwort Pestalozzis (PSB VII, Nr. 2031) auch an Johann Konrad Jacobi in Königsberg adressiert ist.

Z. 4

III. Marsch: Gottlob Friedrich Marsch (1761–1829) ⇒ Nr. 1160

1129 a. Andreas Bruderer 3. März 1810 5

[Reg.] Bruderer befürchtet, dann sein Sohn benachteiligt werde, da er keinen Brief von ihm erhalten habe, andere Eltern aus dem gleichen Dorf aber Briefe von ihren Kindern erhalten hätten.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 45.17 ff. Sacherklärung I.

Andreas Bruderer (1749–1836), Scharhauptmann aus Teufen (Kt. Appenzell-Ausserrhoden), hat aus zwei Ehen – er heiratet 1781 Anna Katharina Grubenmann (1758–1790) und nach deren Tod Anna Locher (1772–1819) – insgesamt zwölf Kinder; während sein erstgeborener Sohn Johann Jacob (1781–1835, ⇒ Nr. 1066) 1809 um eine Ausbildungsstelle bei Pestalozzi nachfragt, weilt dessen Halbbruder Johann Ulrich (1797–1836, ⇒ Sacherklärung III.) um 1810 als Zögling in Yverdon. II. Aus Teufen (Kt. Appenzell-Ausserrhoden) hielten sich zu dieser Zeit Söhne der Fabrikantenfamilie(n) Roth in Yverdon auf. Aufgrund der zahlreichen Vertreter dieser Familie ist unklar, wer genau damit gemeint sein könnte.

Z. 4

III. Sohn: Johann Ulrich Bruderer (1797–1836) aus Teufen (Kt. AppenzellAusserrhoden), Sohn des Scharhauptmanns Andreas Bruderer (1749–1836, ⇒ Sacherklärung I.) und der aus Trogen (Kt. Appenzell-Ausserrhoden) stammenden Anna Bruderer-Locher (1772–1819), besucht um 1810 Pestalozzis Institut in Yverdon.

46 1129 b. S. G. Quartullo 4. März 1810 [Reg.] Quartullo empfiehlt einen Italienisch- und Musiklehrer.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 53.21 ff. Sacherklärung I.

S. G. Quartullo ist bis 1807 Italienischlehrer bei Pestalozzi und hat nachher vermutlich in Lausanne gelebt. 1809 veröffentlicht er eine Liedersammlung (Raccolta di Cantate e Canzonette). III. Z. 4

Lehrer: Damit ist möglicherweise Carlo Emanuele Beccadelli (1751–1821, ⇒ Brief vom 12. Januar 1821) gemeint, der 1810 erstmals nach Yverdon kam und wie S. G. Quartullo (⇒ Sacherklärung I.) aus Italien stammte.

1129 c. Jean Huguenin 8. März 1810 [Reg.] Huguenin ist erstaunt über die langsamen Fortschritte seines Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 49.14 ff. Sacherklärung I.

Jean Huguenin (1767–1817), Fabrikant aus Mulhouse, gründet 1781 eine Stoffdruckerei mit 70 Drucktischen. 1793 heiratet er Elisabeth Dollfuss (1766–1793) und erwirbt 1797 mit seinem ebenfalls aus Mulhouse stammenden Geschäftspartner Sébastien Lehr (1751–1822) das alte Seminar in Saint-Dié-des-Vosges, das zu einer Baumwoll- und Seidenweberei ausgebaut wird. 1806 wird das Unternehmen vergrössert, um 1810 sind etwa tausend Heimarbeiter beschäftigt. Ab 1807 leitet er überdies die renommierte Tuchfabrik Dollfuss, Huguenin et Cie. mit, an der er zuvor schon als Gesellschafter beteiligt ist. Huguenin ist 1809 Gründungsmitglied der Gesellschaft Loge de la Parfaite Harmonie, die das Ziel verfolgt, die industrielle Entwicklung der Stadt Mulhouse zu fördern.

47 II. Viele Eltern verfolgten aufmerksam die Fortschritte ihrer Kinder in Yverdon. Sie forderten nicht nur regelmässige Berichterstattung über ihre Kinder ein, die von Pestalozzi und seinen Mitarbeitern zwar vierteljährlich versprochen, aber nicht immer eingehalten wurde, sondern monierten auch ausbleibende oder zu langsame Lernfortschritte. III. Z. 4

Sohnes: Paul Huguenin (1794–1826) aus Mulhouse besuchte 1807 bis 1810 das pestalozzische Institut in Yverdon und wurde Indiennefabrikant.

1130. Gottfried Gabriel Bredow 11. März 1810 Frankfurt an der Oder d[en] 11 März. 1810. 5

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Wer an dem Werk, das Sie, Verehrtester! mit schaffender Kraft treiben, nicht auf irgend eine Weise Antheil nimt, verdiente nicht in dieser Zeit zu leben. Auch im Preussischen muss ein besserer Geist ausgehen von den Elementarschulen; dass man nach Ihrem Vorgange auch hier ein neues Werk begonnen, wissen Sie; und Nikolovius, der nie billigt als bis er ganz eindrang und einsah, der dann aber auch muthig und zähe ringt für das Gebilligte, wird die Freude haben, dass bessere Methode und Erkenntnis mit Eifer für die heilige Sache des Jugendunterrichts sich immer weiter im Preuss[ischen] Lande verbreite. In Frankfurt an der Oder war der Elementarunterricht bisher sehr unvollkommen, oder richtiger gar keiner: die Kinder lernten was ihnen gelegentlich zuflog, und ihre beste Bildung gaben sie sich noch in der Reibung unter einander. Für mehrere Ältere war genug, die Aufmerksamkeit darauf hinzulenken und anzudeuten, wie es besser werden könne. So haben sich einige Familien vereiniget, und eine Summe Geldes unterzeichnet, um die wir hoffen zwei junge, tüchtige Männer auf einige Zeit uns zu gewinnen, die mit Geist u[nd] Eifer sich dem Elementar Unterricht widmen. Gewiss versprechen kann ich im Namen der Unterzeichneten jedem der beiden Lehrer 300 Th[a]l[e]r Geld jährlich u[nd] freie Wohnung, und dies für zwei Jahre. Höchstwahrscheinlich aber wird die Einnahme an Schulgeld so hoch steigen, dass jeder an 400 Th[a]l[e]r wird bekommen können; und ist das Werk einmal im Gange, dann hat es kein Bedenken, Stadt u[nd] Regierung treten zu, u[nd] erklären dies Privat Institut für eine öffentliche Schule, wie vielleicht schon binnen eines Jahres

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geschieht. Fast Alles wird hierbei aber abhangen von den ersten Lehrern, die das Werk beginnen: denn es ist etwas Gutes. Erwartungen sind erregt, an Gegnern u[nd] Spöttern fehlt es dem Neuen nie; daher müssten die Lehrer ausser den nöthigen Kenntnissen u[nd] der Geschicklichkeit in der Methode auch Muth u[nd] Selbstständigkeit besitzen, um vestzustellen u[nd] vestzustehen, um zu schaffen u[nd] zu erhalten. Die Schule sollte aufnehmen bloss Knaben, so jung sie die Ältern schicken wollten, bis zum 8–10 Jahre, d[as] h[eisst], bis sie eines eigentlichen Unterrichts fähig sind. Sie sollten in 2 Abtheilungen geschieden werden, doch nicht immer getrennt sein, sondern in manchen Stunden u[nd] Übungen könnte man sie unstreitig verbinden. Einer der Lehrer hätte vorzüglich die eine, der andere die andere Abtheilung zu behandeln, doch nicht ausschliesslich, wie die Lehrer u[nd] der Director (wozu man mich bestimmt hat) es gut fänden. Was zu treiben sei, müssen Zeit u[nd] Menschen herbeiführen: doch voraussetzen muss man, dass der Lehrer im Buchstabenlehren, Lesen, Schreiben, Rechnen nach erweckender u[nd] Geistbeschäftigender d[as] h[eisst] Pestalozzischer Methode unterrichten könne u[nd] möge, dass er besonders Geschick im Zeichnen habe; Musik u[nd] Französisch sind nicht nothwendig, würden aber eine angenehme Zugabe sein. Wenigstens müsste Einer der beiden Lehrer die Gesangübungen leiten können u[nd] mögen. Bei Ihnen, Verehrtester! lebt ein H[er]r Braun, den mir Madame Herz in Berlin in mehrerer Hinsicht als einen für diesen Zweck tauglichen jungen Mann geschildert hat. Finden Sie ihn würklich so geschickt u[nd] so von Charakter geartet, wie die Stelle ihn erfodert; so fragen Sie ihn, ob er eine Stelle bei einer hier zu errichtenden Elementarschule, mit 300 Th[a]l[e]r Gehalt u[nd] freier Wohnung, auf 2 Jahre annehmen wolle, u[nd] theilen ihm mit was ich vorher geschrieben. Ein grosses Verdienst würde, wer das Werk übernimt u[nd] damit glücklich ist, sich um Stadt u[nd] Gegend erwerben; Unterstützung findet er bei mir wenigstens nach meinen Kräften; u[nd] wer sich hier Zufriedenheit erwirbt, darf mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine veste Anstellung rechnen. Sollten Sie H[er]rn Braun nicht für diese Stelle geeignet oder nicht geneigt finden; so bitte ich Sie, mir einen Andern zu nennen, dem Sie Tüchtigkeit zutrauen u[nd] der nach Frankf[urt] kommen mögte. Als zweiter Lehrer habe ich bestimmt H[er]rn Lippe aus Braunschweig, gegenwärtig in Hofwyl bei H[errn] v[on] Fellenberg. Den kene ich aus einem dreijährigen Umgange: bei ihm vereiniget sich

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Kraft u[nd] Eifer, u[nd] er hat musikalische Fertigkeit. Ich schreibe mit eben dieser Post auch an H[errn] Lippe. Sollte er nicht zu kommen geneigt sein; so wird er Ihnen schreiben, u[nd] dann wäre mir lieb, wenn Sie mir zwei Männer nennen könnten, die vereint hier den Elementarunterricht schaffen u[nd] fortführen könnten. Über die Zeit, wenn die Schule eröfnet werden könnte, kann ich diesen Augenblick nicht entscheiden, da ich noch kein mir gefallendes Lokal ausgefunden habe: doch hoffe ich, wenn ich bald von Ihnen u[nd] Herr Lippe günstige Antwort erhalte, dass sie, wo nicht d[en] 1 Mai, doch gewiss d[en] 1 Juni beginnen könnte. Gegen diese Zeit würde H[er]r Braun dann hier sein müssen. Ich freue mich dieser Gelegenheit, Ihnen meinen Namen nennen zu können als eines, dem Schule u[nd] Erziehung als eine der heiligsten Sachen der Menschheit am Herzen liegt. Sie u[nd] Ihr Werk zu sehen ist ein Wunsch, dessen Erfüllung der Himmel mir wohl noch gewähren wird: vielleicht im Sommer 1811. Erfreuen Sie mich bald mit Antwort, u[nd] vergönnen Sie mir Ihnen zu sagen, dass Sie als einen der seltenen Wohlthäter des Menschengeschlechts verehrt, der sich nennt G[ottfried] G[abriel] Bredow, Professor der Geschichte.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 50, Umschlag 35/1 Blatt, 241 x 205 mm Datum am Schluss, Dorsualvermerk Bredow Professor der Geschichte Frankfurt an der Oder, 11 März 1810 Original Textkritik

Zeuge H Z. 39 Z. 44

bis sie wozu Sacherklärung I.

Gottfried Gabriel Bredow (1773–1814) aus Berlin studiert in Halle Theologie und Philologie. 1794 wird er Gymnasiallehrer in Berlin, zwei Jahre später wird er als Konrektor der Stadtschule nach Eutin berufen, wo er 1802 auch Rektor wird. 1800 gründet er eine Lesegesellschaft, die aber um 1802/03 aus finanziellen Gründen wieder geschlossen werden muss. 1804 wechselt er als Professor für Geschichte nach Helmstedt und 1809 in gleicher Funktion nach Frankfurt an der Oder. 1811 wird die Universität nach Breslau verlegt und Bredow wird dort oberster Leiter der Gelehrtenschulen. Bredow ist

50 zudem als Schriftsteller tätig. Er publiziert 1804 die Merkwürdigen Begebenheiten der allgemeinen Weltgeschichte und 1806 die Chronik des 19. Jahrhunderts.

Z. 10 Z. 54 Z. 54 f.

Z. 70 Z. 71

III. Nikolovius: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 H[er]r Braun: Friedrich Wilhelm Braun (1778–1860) ⇒ Nr. 1259 Madame Herz: Henriette Julie Herz-de Lemos (1764–1847) aus Berlin war Schriftstellerin, Gründerin eines Tugendbundes und Salonière. Sie führte zusammen mit ihrem Mann, dem Arzt und Philosophen Markus Herz (1747–1803), einen bekannten Berliner Salon, den auch Wilhelm von Humboldt (1767–1835, ⇒ Nr. 1643), Alexander von Humboldt (1769–1859, ⇒ Nr. 933) und Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834, ⇒ Nr. 1089) besuchten. H[er]rn Lippe: Johann Karl Christian Lippe (1779–1853) ⇒ Nr. 1138 Fellenberg: Philipp Emanuel von Fellenberg (1771–1844) ⇒ Nr. 426

1130 a. Charles Victor Creux 16. März 1810 5

[Reg.] Creux teilt Pestalozzi mit, dass er seinen Sohn zum Ende des Monats aus dem Institut nehme und ihn in Zukunft gemeinsam mit seinen anderen Kindern zu Hause unterrichten möchte. Er erkundigt sich zudem, ob Pestalozzi zu diesem Zweck einen Hauslehrer empfehlen könne.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 52.18 ff. Sacherklärung I.

Charles Victor Creux (1774–1857) wächst auf dem familieneigenen Gut in Bourdonette (heute Teil der Stadt Lausanne) auf und schlägt eine Militärkarriere ein. 1814 wird er Lieutenant Colonel der Artillerie des Kantons Waadt. Parallel dazu widmet er sich dem Landgut, das ab 1807 zum Teil und ab 1838 weitgehend an ihn übergeht. In diesem Kontext beschäftigt er sich auch intensiv mit der Verbesserung der Landwirtschaft. Seine Ideen dazu publiziert er in der Note sur la semaille et le produit du froment (1846). III. Z. 4

Z. 5

Sohn: Charles-Victor-Elie-Benjamin Creux (1800–1832) aus Bourdonette (heute Teil der Stadt Lausanne) besuchte 1806 bis 1810 die pestalozzische Anstalt in Yverdon und wurde anschliessend durch den Hauslehrer Amadeus Metzger aus Stuttgart unterrichtet. Creux starb in Lausanne. Kindern: Die Familie Creux hatte neben Charles-Victor-Elie-Benjamin Creux (1800–1832, ⇒ Z. 4) noch drei weitere Kinder: Marie Gabrielle Lucie (*1801), Louise Henriette (*1805) sowie Jules (1809–1890), der Artilleriecapi-

51 tain war. Da Jules zu dieser Zeit einjährig war, kommen wohl nur die beiden Mädchen, über die nichts weiter bekannt ist, für den Unterricht bei einem Hauslehrer in Frage.

1131. Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn 18. März 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «18. Märzmonat 1810» auf dem Brief Pestalozzis von Mitte März 1810.

Überlieferung 1

StA Luzern, FAA Amrhyn 3926 Sacherklärung I.

Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848) ⇒ Nr. 1120 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 1995

1131 a. Alexander König März 1810 [Reg.] König schickt 190 L[ouis d’or] für die Pensionskosten seines Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 67.5 f. Sacherklärung I.

Alexander König (1769–1846), Handelsmann aus Mulhouse, heiratet nach einer kinderlos gebliebenen kurzen Ehe mit Anna Barbara Schlumberger (1768–1793) 1797 Rosine Blech (1769–1856), mit der er neun Kinder hat, deren ältestes, Charles (1797–1874, ⇒ Z. 4), von 1808 bis 1811 bei Pestalozzi in Ausbildung ist.

52 III. Z. 4 Z. 4

L[ouis d’or]: frz. Goldmünze Sohnes: Charles König (1797–1874) aus Mulhouse weilte von 1808 bis 1811 zur Ausbildung in Yverdon, liess sich später als Fabrikant in Thann (Elsass) nieder, wurde 1839 in seiner Heimatstadt zum Wechselagenten bestellt und hatte diesen Posten bis 1870 inne.

1132. Karl Mecklenburg 20. März 1810 5

An H[errn] Pestalozzi. d ur c h Ham b ur g. – R o s t o k d[en] 20 März 1810

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Mein innigster verehrter Freund, würdiger Mann! Erlauben Sie mir diese Benennung welche aus dem reinsten Herzen fliesst. Was braucht es dabei unter uns an hergebrachte Formeln. Seit ich in Iferten bei Ihnen war, beschäftige ich mich unaufhörlich mit Ihren Erziehungsgrundsätzen, ich lese und studire alle Bücher die Sie über diesen Gegenstand geschrieben haben mit wahrer Begeisterung, alles a l l e s was aus Ihrer Feder kömt ist hinreissend und Herzerhebend für mich. Möchte nur noch viel von Ihnen erscheinen!! Ihre Wochenschrift für Menschenbildung ist das nützlichste Werk was ich kenne, Sie setzen es doch fort, oder wird das angekündigte pädagogische Journal seine Stelle mit vertreten? Wie sehnlich erwarte ich dieses; so wie die Gesangbildungslehre, nach Ihren Grundsätzen. Glauben Sie, mein hochgeschätzter Mann, nicht nach dieser Einleitung dass ich ein Schwärmer u[nd] Deklamator bin, ich bethätige meine Gefühle so viel wie es in meinem bis jetzt noch sehr engen Wirkungskreis möglich ist, d[as] h[eisst] ich muntre Schullehrer zum besten Wirken auf, u[nd] unterstütze sie mit Büchern u[nd] d[er]gl[eichen]. – Noch habe ich weder unsern Fürsten, die Regirung noch irgend eine Kommune bereden können, Ihnen ein oder zwey angehende Schullehrer zur Bildung zuzuschiken: mancherlei Entschuldigungen, u[nd] vorzüglich die bekannte u[nd] gewönliche muss ich immer noch hören. Dies ist nun einmal nicht anders in der Welt. Es werden ja auch andere Zeiten kommen!! Ich beschäftige mich jetzt damit einem jungen Menschen der als Unterlehrer bei hiesiger Waisenschule angestellt ist, für ihre

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Grundsäze, so wie für Erziehung überhaupt d a s H e r z z u e r w ä r m e n , damit er seine künftige Bestimmung nicht bloss als ihm brodtgebende Beschäftigung betrachte: es scheint mir noch mit ihm zu glüken, und nächst dem h o f f e i c h ihn Ihnen noch zuschiken zu können, wenn er erst recht präparirt ist. Längst hätte ich Ihnen geschrieben aber leider ist die Entfernung zu gross u[nd] meine Briefe dagegen nicht interessant genug. Diesen Brief bringt Ihnen der Kammerherr von der Kettenburg welcher mit Frau von Wollzogen aus Weimar zu Ihnen reiset um der letztern Söhne Ihnen zuzuführen. Unsere Waisenschule hier in Rostok, welche zugleich auch Industrieschule ist, hat bis jetzt noch immer einen guten Fortgang. Ihre göttliche Methode ist zwar alhier noch nicht eingeführt, so wie ich es wünschen mögte; aber in Etwas hat der um diese Schule sich sehr verdient gemachte Oberlehrer, Herr Polick aus Torgau in Sachsen gebürtig, lhre Methode angenommen, und ich hoffe ihn noch mehr dahin zu bringen. Hätte der Mann nur mehr Musse zum Lesen so würde es mir leicht werden: ihm liegt aber fast alles ob: Alle Register und Listen muss er führen u[nd] führt sie auch, u[nd] oft mit vielem Verdruss. Die nachtheilige Einrichtung, dass aus der Klasse der Bürger mehrere Vorsteher der Schule gewählt werden, setzt oft den rohesten, ungeschliffensten u[nd] daher öfter herrschsüchtigen Bürger zum Vorsteher ein, welcher den Lehrer, als in seinem Lohn u[nd] Brodt stehend betrachtet. Wenn nun gleich diese Vorsteher nicht unmittelbar über den Lehrer gesetzt sind – denn eigentlich steht er unter das hiesige Armenkollegium u[nd] unter den Präses des Instituts – so entstehen doch so häufige Collisionen, wo dann die Einwohner sich einander nicht a b s t e h e n ; die Sachen werden vertuscht oder bemäntelt, u[nd] auf diese Weise geht oft das korrupteste Zeug seinen Gang ruhig fort; an keine Besserung ist zu denken, vielmehr werden die Menschen hartnäkiger, denn Einer will dem andern die Augen aushaken. – Dies sind leider die traurigen Folgen einer demokratischen Verfassung in einer Seestadt, wo Eigennuz und Roheit seit Jahrhunderten eingewurzelt sind. Der kleinliche Krämergeist welcher in gegenwärtigen Zeiten so viele Menschen ergriffen hat, trägt zum Unglük der Staaten um vieles bei. Und doch bessert sich keiner darinn, der Einfluss eines Menschen auf den andern ist zu gross: nur Ihre Methode muss u[nd] wird durch Erziehung die Menschen anders bilden, u[nd] glücklicher wird es in der Welt seyn, w e n n J e d e r m a n n m i t V e s t i g k e i t a n d e r e i n m a l a n e r k a n n t e g u t e S a c h e h ä n g e n w i r d , und den Einfluss der Menschen kein Gehör mehr gibt!!

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Wie viel hätte ich nicht noch auf dem Herzen Ihnen zu sagen, u[nd] wie gern plauderte ich noch mit Ihnen, mögte ich doch bald wieder in Iferten bei Ihnen seyn. Heüte geht mein Papier zu Ende, auch drängt mir die Zeit. Geben Sie mir zu meinem Vorhaben Ihren guten Rath, nennen Sie mir gute nüzliche Bücher für meinen Zweck. Die Ihrigen habe ich alle. Sollte Kettenburg weiter reisen, so antworten Sie mir mit der Post gütigst h i e h e r . Grüssen Sie Türk, Schmidt u[nd] Siegerist von mir herzlich. – – – Wie intressiren sich gute Mütter für Sie, mein würdigster Mann! Diese Freude habe ich fast täglich dies zu sehn. Leben Sie noch l a n g e glücklich u[nd] froh u[nd] gönnen Sie Ihre Freundschaft Ihren Sie hoch verehrenden Freund Karl Mecklenburg, Hauptmann

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 212/1 Bogen, 194 x 122 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 6 Z. 28 f. Z. 33 Z. 48 Z. 48 Z. 53 f. Z. 60

März: lateinische Schrift zu∫zuschiken: mancherlei bei hiesiger Polick: lateinische Schrift Torgau: lateinische Schrift der Schule ∫ Collisionen: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Karl Mecklenburg konnte nicht näher bestimmt werden. Im Landeshauptarchiv Schwerin liegt in einer Akte des Militärwesens ein kurzes Schreiben von einem Karl von Mecklenburg, dessen Handschrift mit der hier vorliegenden übereinstimmt. Demzufolge wäre der besagte Karl von Mecklenburg ein Hauptmann der Fussgarde, der 1794 aus kurhannoverschen Diensten entlassen wurde (LHAS 2.12 – 2.18 Militärwesen, Nr. 8248). Da die mecklenburgischen Herzöge einer Anzahl ihrer unehelichen Söhnen den Familiennamen «von Mecklenburg» gaben und der Vorname Karl verschiedentlich verwendet wurde, führt diese Spur aber nicht weiter. III. S. 11 Z. 16

Iferten: dt. Name für Yverdon Wochenschrift für Menschenbildung: Die Wochenschrift für Menschenbildung erschien zwischen 1807 und 1811.

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pädagogische Journal: Damit dürfte wohl das Journal für die Erziehung gemeint sein, welches 1807 erstmals erschien. Ein zweites Heft mit demselben Titel wurde zwar von 1807 bis 1810 vom Verleger Johann Heinerich/Heinrich Gräff (1765–1827, ⇒ Nr. 678) angekündigt, erschien aber nie. Gesangbildungslehre: Traugott Pfeiffer: Gesangsbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen. Pädagogisch begründet von Traugott Pfeiffer, methodisch bearbeitet von Hans Georg Nägeli. Zürich 1810 jungen Menschen: Damit dürfte wohl einer der Seminaristen der Lehr- und Industrieschule (Armenschule, ⇒ Z. 33) in Rostock gemeint sein. Wer damit aber namentlich gemeint war, bleibt unklar. Waisenschule: Die Waisenschule der Stadt Rostock, die aus einer Lehrsowie einer Industrieschule bestand, wurde im Gefolge einer Revision der bisherigen Armenordnung und der damit zusammenhängenden Gründung eines Armeninstituts (1803) mit dem Ziel eingerichtet, die Kinder der Armen aus dem Kreislauf von Arbeitslosigkeit, Müssiggang und Lasterhaftigkeit zu befreien. In der Lehrschule wurde den Kindern klassische Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht, während in der Industrieschule das Vermitteln von praktischen Fähigkeiten, welche für ein geregeltes Arbeitsleben als dienlich angesehen wurden (Stricken, Nähen, Strohflechten und das Knüpfen von Fischernetzen) im Zentrum stand. Kammerherr von der Kettenburg: Kuno Ludwig von Kettenburg (1755–1813) war Schriftsteller und Gutsbesitzer, lebte längere Zeit in Italien und war seit 1798 mecklenburg-schwerinscher Kammerherr. Er traf 1812 Johann Wolfgang von Goethe (1749–1831, ⇒ Nr. 811) und verfasste unter anderem die Tragödien Diego (1811) und Julianus Apostata (1812). Frau von Wollzogen: Caroline von Wolzogen-Lengefeld (1763–1847) ⇒ Nr. 1226 d Söhne: Adolf von Wolzogen (1795–1825) aus Weimar war im Sommer 1810 zusammen mit seiner Mutter Caroline von Wolzogen (1763–1847, ⇒ Nr. 1226 d) für mehrere Monate in Pestalozzis Institut in Yverdon, wo er hauptsächlich durch Wilhelm Christian von Türk (1774–1846, ⇒ Nr. 653) unterrichtet wurde. 1825 verunglückte er auf der Jagd, es wurde aber auch ein Selbstmord vermutet. Da Caroline von Wolzogen nur einen und Kuno Ludwig von Kettenburg (1755–1813, ⇒ Z. 41) keinen Sohn hatte, muss es sich beim Wort «Söhne» wohl um einen Irrtum handeln. Polick: Johann Gottlieb Polick (*1763) aus Torgau (Sachsen) trat 1805 als zweiter Lehrer in die Lehr- und Industrieschule (⇒ Z. 33) in Rostock ein. Spätestens 1807 wurde er an derselben Schule Oberlehrer, nach Unverträglichkeiten mit seinen Vorstehern und dem Lehrerkollegium wurde ihm 1813 die Stelle gekündigt. Ob er nach dieser Absetzung wieder als Lehrer tätig war, ist unbekannt. Nachgewiesen ist, dass er 1819 noch in Rostock lebte. Präses: leitende (geistliche) Person Türk: Wilhelm Christian von Türk (1774–1846) ⇒ Nr. 653 Schmidt: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Siegerist: Johann Georg Sigrist (1788–1866) ⇒ Nr. 1126

56 1133. Maria Helene Lejeune-de Orville 20. März 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. 20 Mars 1810» auf dem Brief Pestalozzis vom 13. März 1810.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 3/70 a Sacherklärung I.

Maria Helene Lejeune-de Orville (1768–1843) ⇒ Nr. 924 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 1994

1133 a. Johann/Hans Jakob Bondt 22. März 1810 5

[Reg.] Bondt wünscht, dass Pestalozzi seinen Neffen zum Unterlehrer befördere und ihm dafür die Pensionskosten erlasse.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 59.7 ff. Sacherklärung I.

Johann/Hans Jakob Bondt (*1763) wächst in Herisau (Kt. Appenzell-Ausserrhoden) als Sohn eines Tuchhändlers auf. Sein Lebenslauf kann nur sehr lückenhaft rekonstruiert werden. Womöglich steigt auch er ins Textilgeschäft ein, zumal sein jüngerer Bruder Hans Conrad Bondt (1767–1817) eine Indiennefabrik besitzt. Dieses Unternehmen geht im Jahre 1800 allerdings Konkurs. Nachdem sein Bruder um 1805 nach Philadelphia ausgewandert ist, kümmert sich Johann um dessen daheim gebliebenen Sohn Johann Martin Bondt (1795–1872, ⇒ Z. 4) und übernimmt die Kosten für den Aufenthalt in Pestalozzis Institut in Yverdon.

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Neffen: Johann Martin Bondt (1795–1875) aus Herisau (Kt. Appenzell-Ausserrhoden) war 1809 bis 1812 Schüler und Unterlehrer in der pestalozzischen Anstalt in Yverdon. Danach kehrte er nach Herisau zurück, wo er zuerst als Kaufmann, anschliessend als Posthalter tätig war. Bondt war seit 1821 mit Maria Magdalena Egger (1797–1851) verheiratet.

1133 b. Andreas Merian 24. März 1810 5

[Reg.] Merian beklagt sich, dass sein Enkel im Französischen zuwenig Fortschritte mache.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 57.22 ff. Sacherklärung I.

Andreas Merian (1742–1811) aus Basel studiert ebenda Philosophie und Recht. Während des Ancien Régimes wird er 1768 zum Sekretär der Stadtkanzlei, 1783 zum Stadtschreiber und 1790 zum Oberstzunftmeister gewählt. Im Zuge der Basler Revolution 1798 muss Merian, der als einer der auffälligsten Vertreter der konservativen Kräfte in Basel gilt, von seinen politischen Ämtern zurücktreten. Im Jahre 1802 präsidiert er während des antihelvetischen Putsches in Basel die städtische Behörde. Nachdem die Franzosen eingreifen, flüchtet er bis zur Inkraftsetzung der Mediationsakte ins Badische. Zurück in Basel setzt er seine politische Karriere auf höchster Ebene als Bürgermeister (1803, 1806–1811) und als Landammann der Schweiz (⇒ Nr. 618) fort. III. Z. 4

Enkel: André/Andreas Merian (1794–1880) war zuerst Landwirt, dann Ingenieur. 1820 wurde er Strassenbauinspektor des Kantons Basels, später der Kantone Glarus und Zürich, 1848 wurde er Kantonsingenieur von Neuchâtel. Merian, seit 1820 mit Julia Rothpletz (1798–1854) verheiratet, machte sich insbesondere mit Strassen- und Eisenbahnbauten sowie Flussregulierungen einen Namen.

58 1133 c. Louis François Eparvier 24. März 1810 5

[Reg.] Eparvier möchte seine Kinder nach Yverdon schicken und geht davon aus, dass diese Ausbildung seine Kinder zum Teil der besseren Gesellschaft machen werde.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 64.15 ff. Sacherklärung I.

Louis François Eparvier (†1845/46), wohnhaft in Paris, ist von 1802 bis 1831 Direktor der nationalen Domänenverwaltung und zieht sich nach seiner Pensionierung nach Clignancourt (heute Teil von Paris) zurück, wo er um 1845/46 stirbt. Er ist mit Louise Eulalie Duport verheiratet und Vater von mindestens zwei Töchtern (⇒ Z. 4). III. Z. 4

Kinder: Damit könnten Erminie Eparvier (*1799) und Evelina Eparvier (*1801) gemeint sein, die beide in Privas (Ardèche) geboren wurden. Ob es weitere Kinder gab, ist nicht bekannt, ebenso wenig der weitere Lebensweg der beiden Töchter.

1133 d. David Esslinger 25. März 1810 [Reg.] Esslinger kündigt seine Ankunft in Yverdon an.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 55.25 ff. Sacherklärung I.

David Esslinger (1779–1828) aus Zürich wächst als Sohn eines der bedeutendsten Indiennefabrikanten des Kantons in sehr wohlhabenden Verhältnissen auf. 1802 heiratet er Elisabeth Schulthess (1783–1852), eine entfernte Verwandte von Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815, ⇒ Nr. 3). Ab 1811 lebt Esslinger als Kaufmann und Siegellackfabrikant in Hottingen (heute Stadtteil von Zürich). Sehr wahrscheinlich bedingt durch den Aufenthalt seines Sohnes Melchior (1803–1855, ⇒ Brief vom 19. Oktober 1817) im Institut in Yverdon (1810–1816), bietet Esslinger Pestalozzi verschiedentlich

59 Unterstützung an, so etliche Male in Rechnungsfragen. Er tritt aber auch als aktiver Gönner in Erscheinung.

1134. Theodor Schacht 26. März 1810 5

Herrn Pestalozzi, Direktor des Erziehungs-Instituts zu Ifferten Rorsheim, bei Hessen über Braunschweig d[en] 26t[en] März. 1810.

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Ehrwürdiger Herr! Mit grosser Freude hör ich eben die Erfüllung eines Wunsches, die ich kaum erwartet hatte. Es schreibt mein Freund Griepenkerl aus der Schweiz, dass Sie mich aufnehmen würden als Schüler und Arbeiter, sobald ich käme. Ich soll Sie also sehen und hören, wonach ich mich oft sehnte, wenn ich warm war für Menschenwohl und irgend ein Gespräch oder Lesung Ihr edles Bild vor meine Augen hinstellte; ich soll also unter Ihren Augen wandeln und thun. Bin ich dessen werth? Mein Eifer, wird er meine geringen Kenntnisse, meine wenigen Erfahrungen in Ihrem Urtheile mildern? Der Jüngling mit raschem Umtriebe des Bluts und der Gedanken, mit der Ehrfurcht, die Scheu neben dem Vertrauen einflösst, im Herzen, soll sich vor den Meister hinstellen; wird er ihm genügen? – Ich habe kein System erlernt, der freie Gedanke, die freie That ist mir lieb, nichts wird mich hindern, in Ihren Ideengang einzugehn, offen zu empfangen und zu geben. Das ist das Einzige, was ich Ihnen von mir verheissen kann. – Was die Ausübung Ihrer Ideen, ihre Verwirklichung betrifft, so ist mir – das muss ich sagen – wenig davon bekannt; aber was in Ihnen als Keim geboren ist und was Sie wollen auf Erden, das glaub’ ich zu fühlen zu sehen, und die Glut davon hat mir oft den Gedanken entzündet und zum Himmel gerissen. Ich werde also lernen müssen, und willig soll es geschehen. Mein Werk als Lehrer und Erzieher bisher ist unbedeutend gewesen, eingeschränkt mehr durch den Willen der Eltern als durch meine Überzeugung. Herr Niederer hat an Griepenkerl geschrieben, dass Sie Vorschläge von mir in Rücksicht der Besoldung erwarten. – Wie könnt ich das! – Nehmen Sie mich freundlich und nachsichtig auf, lassen

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Sie mich in Ihren geistvollen Männerzirkel eintreten – das übrige zum Bedürfnis des Lebens findet sich von selbst; ich überlass’ es Ihrer väterlichen Sorge. – H[err] Mieg wird im Laufe künftigen Sommers nach Frankreich abreisen, dessen Stelle als Lehrer der Geschichte Sie mir anvertrauen wollen. Wann eigentlich wird das sein? – Darf ich Sie ersuchen, mir es dann oder jetzt wissen zu lassen? – Ostern werd ich nach Heidelberg gehn, um an diesem schönen Orte in Gesellschaft eines Freundes und im freien Studium zu leben. Herr Griepenkerl wird meinen Aufenthalt Ihnen anzeigen können oder Ihre Antwort mir zusenden, wenn Sie es für nöthig finden. – Ich möchte um keinen Preis, dass diese Hoffnung die Griepenkerl mir macht, verschwände, und wahrlich, mit Sehnsucht hoff ich auf Ihre Bestätigung. Ich verbleibe, verehrungswerther Herr Ihr ergebener Th[eodor] Schacht

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 318/1 Bogen, 224 x 190 mm Datum am Schluss, Siegelspuren, Dorsualvermerk Expédié Schacht aus Heidelberg. Original Textkritik

Zeuge H Z. 25

mir verheissen Sacherklärung I.

Theodor Schacht (1786–1870) aus Braunschweig besucht ebenda die Freischule und die herzogliche Katharinenschule. 1805 beginnt er in Helmstedt Theologie und Philologie zu studieren, wechselt indes zum Geschichtsstudium, das er 1807 in Göttingen abschliesst. Nach einer Hauslehrertätigkeit in Rohrsheim (Sachsen-Anhalt) ist er 1810 bis 1813 bei Pestalozzi in Yverdon und 1814 bis 1817 an der landwirtschaftlichen Schule (⇒ Nr. 908) Philipp Emanuel von Fellenbergs (1771–1844, ⇒ Nr. 426) in Hofwyl als Lehrer für Geschichte und Geographie tätig. Schacht folgt 1818 dem Ruf ans Mainzer Gymnasium, wo er bis 1832 Geschichte lehrt. In dieser Zeit verfasst er auch sein Hauptwerk Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit mit besonderer Rücksicht auf die politische und Kultur-Geschichte (1831). Um 1835 wird Schacht in Darmstadt Oberstudienrat und zugleich Referent des ganzen Schulwesens des Grossherzogtums Hessen. Nach der Pensionierung im Jahre 1846 widmet er sich dem Privatleben, weiteren wissenschaftlichen Studien und den Neuauflagen seiner Werke.

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Z. 34 Z. 34 Z. 40

Ifferten: dt. Name für Yverdon Rorsheim: Rohrsheim (Sachsen-Anhalt) Hessen: Gemeinde in Sachsen-Anhalt Griepenkerl: Friedrich Konrad Griepenkerl (1782–1849) besuchte die Schule seiner Geburtsstadt Peine bei Hannover, danach das Katharineum und Collegium Carolinum in Braunschweig. 1805 bis 1808 studierte er in Göttingen Theologie, Philologie und Musiktheorie, 1809 bis 1816 lehrte er Deutsch und Musik am Institut von Philipp Emanuel von Fellenberg (1771–1844, ⇒ Nr. 426) in Hofwyl. Nach der Rückkehr nach Braunschweig war er zuerst Lehrer am Katharineum, ab 1821 Professor für Philosophie und Schöne Wissenschaften am Collegium Carolinum. Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 geschrieben: scheint nicht erhalten zu sein Mieg: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244

1134 a. Samuel Himely März/April 1810 [Reg.] Himely empfiehlt Pestalozzi einen Mitarbeiter.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 78.12 ff. Sacherklärung I.

Samuel Himely (1759–1837) aus La Neuveville studiert von 1775 bis 1779 Theologie und Philosophie an der Universität Basel und arbeitet ab 1783 als Pfarrer: zunächst in Court, anschliessend von 1807 bis 1824 in Bévilard und zuletzt bis zu seinem Tod in Biel (alle Kt. Bern). II. Die zunehmende Bekanntheit Pestalozzis führte dazu, dass er auch immer mehr Angebote und Empfehlungen für Mitarbeiter erhielt. III. Z. 4

Mitarbeiter: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte.

62 1134 b. Antoine Joly Frühjahr 1810 [Reg.] Joly erkundigt sich, ob in Yverdon ein Platz für seinen Sohn frei sei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 94.12 ff. Sacherklärung I.

Antoine Joly (*1774) aus Genf heiratet 1795 in Frauenfeld Ursula Fehr (*1775) und gründet 1809 in Contamines-sur-Arve (Haute-Savoie) eine unter dem Namen Joly, Jaquenod & Cie mit mehreren Partnern geführte Weberei und Spinnerei, die, später als Joly, Fehr & Cie firmierend, bis 1816 besteht und in der Tuchproduktion bis zu 500 Arbeiter beschäftigt. III. Z. 4

Sohn: Antoine Joly (*1774, ⇒ Sacherklärung I.) hatte zwei Söhne: MoïseSalomon (1796–1864), der als Kaufmann in Paris starb, und Pierre Gaspard Gustave (1798–1865), der ebenfalls im Handel tätig war, sich aber auch einen Namen als Fotograf machte. Es ist unklar, welchen der beiden Söhne Joly zu Pestalozzi schicken wollte, da der Plan nicht realisiert wurde, bzw. der Name Joly in den Geschäftsbüchern nicht aufgeführt ist. Allerdings ist mit Blick auf das Alter zu vermuten, dass es sich um den Jüngeren, Pierre Gaspard Gustave, gehandelt hat.

1135. Franz Adam Lejeune 3. April 1810 [Reg.] Antwortvermerk «3. April 1810» auf dem Brief Eduard Lejeunes.

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Überlieferung Forschungsbibliothek Pestalozzianum Zürich, Ms V,193 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870

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Eduard Lejeunes: August Eduard Adam Lejeune (1797–1882) ⇒ Nr. 926

1135 a. Jacques Fraissinet 3. April 1810 5

[Reg.] Fraissinet schickt einen Wechsel und erkundigt sich nach den Fortschritten seines Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 74.5 ff. Sacherklärung I.

Jacques Fraissinet, vermutlich aus Nîmes, ist Kaufmann. Er hält sich von mindestens 1796 bis 1804 in Livorno (Toskana) auf, 1810 bis 1811 lebt er in Neapel. Fraissinet ist mit Anne Louise Etienne Julie Beguin (⇒ Nr. 1135 b) verheiratet. III. Z. 5

Sohnes: Jean Charles Jules Félix Prosper Fraissinet (*1796) wurde in Livorno geboren. Die Jahre 1808 bis 1811 verbrachte er in Pestalozzis Institut in Yverdon. Später wurde er «Vicekonsul beider Sicilien im Dienste des Österreichischen Kaiserthumes».

1135 b. Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin 3. April 1810 [Reg.] Madame Fraissinet erkundigt sich nach den Fortschritten ihres Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 69.21 ff. Sacherklärung I.

Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin war mit Jaques Fraissinet (⇒ Nr. 1135 a) verheiratet. Die Fraissinets leben zuerst in Livorno, dann in Neapel (1810–1811). Aus der Ehe gehen fünf Kinder hervor, die alle in Livorno geboren werden.

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Sohnes: Jean Charles Jules Félix Prosper Fraissinet (*1796) ⇒ Nr. 1135 a

1136. Hermann Krüsi 5. April 1810 Stuttgard den 5 ten Aprill 1810. 5

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Vor allem aus muss ich Ihnen, theuerster Vater Pestalozzi sagen, dass Rösler hier ist, und dass ich um des Instituts willen, das durch ihn wieder aufleben soll, länger mich hier aufzuhalten genöthigt sehe als ich Anfangs glaubte. Die Aufhebung desselben machte hier und im ganzen Lande grosses Aufsehen. Schüchterne Schulmeister glaubten, jetzt dürfe von der Methode gar keine Rede mehr seyn, und wer etwas von ihr betriebe könnte wie sie in Ungnade zu fallen gefahren. Die hiesigen Eltern waren übel daran, da ausser den schlechten Stadtschulen hier nichts besteht, als das Tafingersche Töchterinstitut, das eben so wenig grosses Vertrauen verdienen soll. Im Nahmen dieser Eltern schrieben Wangenh[eim], v[on] Phuhl und Kämpf an Rösler, drangen in ihn herzukommen und machten ihm zum Voraus annehmbare Bedingung seines hiesig Aufenthaltes. Es kostete Röslern Mühe, seinen Lieblingsgedanken, als Landpfarrer ein einfaches freyes und wirksames Leben zu führen, mit einer Erziehungsaufgabe in der Königsstadt zu vertauschen; allein aus wahrhaft edeln Gründen, worunter der stärkste der war, dass ohne ihn die Sache hätte liegen bleiben müssen, verstand er sich dazu. Wir haben nun gemeinschaftlich den Plan des Instituts und einen Brief an die Eltern entworfen. Die Sache wird nächster Tagen vor das Consistorium und dann an den König gelangen. Man wünscht die neue erweiterte Anstalt schon mit dem May anfangen zu können. Gustel bekömmt die Stelle die ich in Iferten habe, nehmlich die, sich hauptsachlich der kleinsten anzu nehmen. Man glaubt der König werde die Sache genehmigen, da die Aufhebung doch eigentlich nur dem Presid[enten] gegolten hat. In Kirchheim erreichte ich meinen Zweck nicht ganz, doch so weit, dass ich nun das Vermögen sichern Händen anvertraut weiss. Oberamtmann Lemp freute sich herzlich Ihres Briefs; es that ihm in der Seele wohl, von dem Mann ein eigenhändiges Wort zu haben, für den er mit so viel Achtung und Liebe erfüllt ist.

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Er ist ein freyer gebildeter Mann und ein treflicher Vater. Ihre Nachforschungen sind ihm zum Lieblings Buche geworden. Es seye ihm oft, sagte er, wie wenn Sie die stärksten Züge des Zustandes der Menschheit, von der gegenwartigen Lage Wirtemberges abgesehen hätten. Er ist seit langem wieder der erste Mann, den ich auf die Idee des Buches der Mütter wieder einen vorzüglichen Werth legen hörte; Er bedauert dass es nicht weiter gediehen ist, und in den so genannten pest[alozzischen] Schulen so wenig benutzt wird. Alle übrigen Mittel der Methode scheinen ihm mehr einzelne Richtungen der menschlichen Bildung zu bezeichnen, das Buch der Mütter aber den Menschen als ein Ganzes zu erfassen, und gleichsam die Wurzel zu seyn aus der der ganze Baum seiner Bildung mit allen seinen Zweigen hervorbrechen soll. E s c h e n m e y e r ein Mann mit tiefer Einsicht in die Natur mit zartem Sinn für Religion, und einer liebenswürdigen Einfachheit in seinem ganzen Benehmen – äusserte grosse Achtung für Ihre Ansichten und ein lebendiges Intresse für das Thun Ihres Lebens. Musikdirektor Beck der schon bey 30 Jahren Unterricht in seinem Fache ertheilt, wartet mit Sehnsucht auf die Erscheinung der Gesanglehre, um von nun an mit Sicherheit den Weg der Methode betreten zu können. Assessor Helfreich – ein Freund der Jugend und thätiger Beförderer ihrer Bildung und ihres Frohsinns an öffentlichen Festen – grüsst Sie herzlich. Aus übergrosser Bescheidenheit wollte er mir nur Empfehlungen auftragen. Es war schön wie sein Auge sich aufheiterte als ich ihm sagte: dass ich Vater Pestalozzi mit nichts grössere Freude machen könne, als mit Versicherungen der Theilnahme und Herzlichkeit, von ächten Freunden der Kinder und einer kraftvollen und naturgemässen Bildung derselben. Den 5 ten Aprill.

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Seit dem 1 ten da ich diesen Brief anfieng habe ich hier eine Menge Menschen gesehen und viele intressante Erfahrungen gemacht. Der alte, ehrliche Eissenbeis hatte eine kindliche Freude wieder jemanden vom Institute zu sehen. Er lehrt noch immer mit Treue und Eifer was er in Burgdorf sich eigen gemacht. Er möchte, sagte er, jeden Tag den guten Vater an’s Herz drücken, und ihm für die Liebe danken, die er ihm damals erwies. Finanzrath Hartmann, der seine Reise veranlasste, hat ihm jüngst die Förmen- und Zeichnungslehre geschenkt die er noch zu studieren anfangen will.

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Grammond ist hier Professor der fr[an]z[ösischen] Sprache. Er war im Begriff seine Frau mit seinen 2 Töchterchen für 4 Jahre nach Iferten zu schicken – nur der Kinder wegen. Jetzt werden sie, wenn Röslers Schule zu Stande kömmt, hier bleiben. Vielleicht geschieht später doch noch, was er jetzt aufschiebt. Er selbst hätte Lust hinzukommen, und bereut, nicht früher schon beim Institut geblieben zu seyn. D e n z e l war mit seiner Braut hier. Sein Bericht liegt beym Consistorium. Er ist sehr weit-läufig – ohngefehr in süsskindischem Geiste. Über Sprache Moral und Religion sey noch nichts ausgearbeitet und auf dem Wege den man in Iferten einschlage werde nie etwas Vollendetes zu Stande kommen, so dass hierinn wie bisher jeder Erzieher seinen eignen Gang gehen und die besten Mittel benutzen müsse. Ich habe diesen Bericht nur einige Augenblicke bey d’Autel gesehen. Ein wesentlicher Theil des Resultats ist die Darstellung der Nothwendigkeit, ein Journal zur Begründung des Elementarunterrichts heraus zu geben wozu sich schon Denzel mit andern Freunden verbunden habe. Dann ferner ein Schullehrerseminarium. Süsskind – war freundlich und versicherte dass er durchaus nicht der Sache feind seye sondern nur falsche Anwendungen habe verhüten wollen. Niederers Hefte haben eine interessante Erklärung veranlasst. Das grösste Bedürfniss scheint ihm ein Religionsbuch das den Schulmeistern in die Hände gegeben werden könnte, eine wohlgeordnete Reihenfolge von Glaubens- und Sittenlehren. Werkmeister – scheint sehr zufrieden mit seiner Darstellung der Methode, und besonders damit zu seyn, dass er bey allen was er an ihr oder an ihrer Anwendung zu rügen gefunden, doch dem Urheber seine Achtung öffentlich bezeugt habe. D ’ A u t e l , hatte einen dritten Bericht bearbeitet der später auch noch im Druck erscheinen wird. Unter den Consistorialräthen scheint mir dieser der sinnvollste und geradeste zu seyn. Der Cultminister von Jasmund, ein einfacher offener Mann, ist voll Sehnsucht einmahl in seinem Leben Pestalozzi zu sehen. Es ist möglich dass er diesen Sommer nach Iferten kömmt. Er ist der Sache sehr gewogen. Schade dass er zu alt ist sich recht in dieselbe hineinzustudieren und ganz nach dem Bedürfniss seiner Stellung ihren Geist zu erfassen. Der Bericht des Consistoriums über Zeller, was er wirklich geleistet, und was weiter mit der Methode zu thun seye liegt jetzt bey ihm und wird bald dem König vorgelegt werden. Der Augenblick

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ist für die Schulen des Königreichs von äusserster Wichtigkeit. Die Sache wird wahrscheinlich trotz aller Hindernisse in einer bessern Gestalt wieder Aufleben – und einen langsamen, aber soliden Gang gewinnen. Der Freunde des Volks und der Methode sind viele – und die Frage – was wirklich ihren Grundsätzen gemäss oder derselben nur unterschoben seye, wird mit immer mehr Ernst – von den redlichsten Männern des Landes gemacht. Wenn der König Röslers Schule bewilligt, kann durch sie Vieles geschehen. Bis künftigen Dienstag schon kann es entschieden werden. Bis dahin muss ich mit Röslern und Wangenheim aus allen Kräften für die künftige Einrichtung und die nächsten Bedürfnisse derselben arbeiten. Bisher scheint alles eine gute Wendung zu nehmen. Der edle W[angenheim] wäre ausser sich vor Freude – wenn die Aussicht zur Erreichung seiner Absicht einen so freyen Spielraum gewänne. Dann würde er frohlocken über den Schlag der so tief seine Seele verwundete. Schon jetzt sind ihm das Zusammentreffen so mancher sonderbarer Umstände eine Erscheinung die ihn bey näherer Betrachtung staunen machte. Gottes Hand waltet über das Werk! rief er gestern beim Eintreffen eines solchen Umstands aus. In 3 bis 4 Tagen reise ich von hier ab nach Karlsruhe. Nur im Vertrauen auf Ihr Wort beim Abschied, zu bleiben, wenn es die Sache erfordere, blieb ich so lange hier. Von Karlsruh aus werde ich wieder schreiben. Es macht mir Mühe dass ich von Iferten kein Wort erhalte. Die Studenten von Tübingen die plötzlich wegen der Conscribtion verreisen mussten sind wieder dahin zurückgekehrt. Man sagt der König wolle das Militär vermindern. Im hiesigen Waisenhaus wird recht brav gearbeitet. Riecke ist unermüdet; und die Lehrer voll guten Willens. Tschirner hält sich gut. Kieser sehnt sich nach Iferten und erwartet nur den günstigen Augenblick um wieder um Erlaubniss zu bitten. L e p p l e wird bald von hier abreisen um wenigstens ein halb Jahr in Iferten zu bleiben. Schelling ist sehr zufrieden mit Nägelis Darstellung und Bearbeitung des Gesanges, auch mit der Rede in Lenzburg. Eben will ich zu ihm. Leben Sie wohl. Gott erhalte noch lange Ihren Muth und Ihre Kraft Ihrem Werk und Ihren Freunden – und besonders Ihre Liebe Ihrem treuen Krüsi Herzliche Grüsse an Alle Alle.

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ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 173/3 Bogen, 212 x 129 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 11 Z. 26 Z. 34 Z. 51 Z. 56 Z. 66 f. Z. 70 Z. 92 Z. 93 Z. 94 Z. 102 Z. 120 Z. 146 f.

wer ∫ wird nächster nun: eigentlich um die ∫ bey ∫ und einer gesehen und ∫ d’Autel: lateinische Schrift Journal: lateinische Schrift schon Denzel könnte, eine die Schulen Conscribtion: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 II. Am 21. Februar 1810 hatte König Friedrich I. von Württemberg (1754–1816, ⇒ Nr. 939) die von Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) gegründete Schule in Stuttgart geschlossen (⇒ Z. 6). Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) war schon im August 1809 nach Württemberg gereist und hatte an der Reorganisation der Schule mitgearbeitet (vgl. ZB Zürich, Ms Pestal 55a/56, Umschlag 383/II, S. 20).

Z. 6 Z. 6

III. Rösler: Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845) ⇒ Nr. 1043 Instituts: Die von Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) 1809 gegründete, sich auf Pestalozzi berufende Unterrichtsanstalt für Mädchen stand unter der Leitung von Klara/Claire von Hartmann (*1774, ⇒ Nr. 984). Obwohl sie sich regen Zuspruchs erfreute, wurde sie am 21. Februar 1810 durch König Friedrich I. von Württemberg (1754–1816, ⇒ Nr. 939) geschlossen, weil keine landesherrliche Bewilligung vorlag und der König die pädagogische Betätigung seines Staatsbeamten unterbinden wollte. Von Wangenheim übergab die Leitung an Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845, ⇒ Nr. 1043), der die von ihm mit königlicher Bewilligung gegründete «Unterrichtsanstalt für Kinder der höheren Stände» mit dem Institut zusammenlegte und im Mai 1810 wieder öffnete. 1812 übernahm Gottfried Friedrich Oelschläger (1786–1816, ⇒ Nr. 1243) die Institutsleitung

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Z. 16 Z. 16 Z. 17 Z. 27 Z. 27 Z. 29 Z. 29 Z. 32 Z. 33 Z. 33

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Z. 41 f. Z. 43

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und nach dessen Tod 1816 Johannes Ramsauer (1790–1848, ⇒ Nr. 1525), bis die Anstalt 1818 in das neu gegründete Königin-Katharinen-Stift aufging. Tafingersche Töchterinstitut: 1802 gründete Wilhelm Christoph Tafinger (1768–1824), ehemals Hofmeister in verschiedenen Adelsfamilien, ein Lehrinstitut. Diese Anstalt hatte die praktisch anwendbare, realistische und höhere Bildung für ältere Töchter mittlerer und höherer Stände zum Ziel. Unter Bezug auf Joachim Heinrich Campe (1746–1818, ⇒ Nr. 427) und Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811, ⇒ Nr. 933) wurde Gelehrsamkeit allerdings abgelehnt. Das Töchterinstitut nahm zunächst einen beträchtlichen Aufschwung, umfasste 1806 70, 1808 90 und 1812 130 Schülerinnen und fand die konsistoriale Anerkennung und staatliche Unterstützung. 1816/17, während der Hungersnot, besuchten jedoch bedeutend weniger Schülerinnen das Institut, das schliesslich ebenso wie das von Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) gegründete Institut (⇒ Z. 6) 1818 mit dem gegründeten Königin-Katharinen-Stift zusammengelegt wurde. Wangenh[eim]: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 v[on] Phuhl: Karl August Friedrich von Phull (1767–1840) ⇒ Nr. 984 Kämpf: Jakob Wilhelm Kämpf (1755/60–1811) ⇒ Nr. 1128 Consistorium: kirchliche Behörde König: Friedrich I., König von Württemberg (1754–1816) ⇒ Nr. 939 Gustel: Auguste Rösler (1786–1818) ⇒ Nr. 1128 Iferten: dt. Name für Yverdon Presid[enten]: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 Kirchheim: Kirchheim unter Teck (Baden-Württemberg) Zweck: Damit könnten möglicherweise die Schullehrerkurse des Kirchheimer Oberdiakons Ernst Christoph Mutschler (1767–1817) gemeint sein, ein ehemaliger Schüler Karl August Zellers (1774–1846, ⇒ Nr. 656), oder aber das sich auf Pestalozzi berufende Privatinstitut des Zeller-Schülers Johann Gottfried Reusch (1778–1824) in Kirchheim/Teck. Welche Rolle Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) hier aber allenfalls konkret spielte, lässt sich nicht rekonstruieren. Oberamtmann: Albrecht Friedrich Lempp (1758–1819) aus Stuttgart war als promovierter Jurist zunächst von 1785 bis 1791 Regierungsratsregistrator und phasenweise Dozent für Jura an der Hohen Karlsschule seiner Heimatstadt, bevor er seit 1791 als Oberamtmann und Geheimer Rat in Kirchheim/Teck amtierte und schliesslich 1812 als Oberjustizrat an das Oberjustizkollegium versetzt wurde. Briefs: scheint nicht erhalten zu sein Nachforschungen: Johann Heinrich Pestalozzi: Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwiklung des Menschengeschlechts. Zürich 1797 (PSW XII, S. 1–166) Wirtemberges: Württemberg Buches der Mütter: Johann Heinrich Pestalozzi: Buch der Mütter, oder Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und reden zu lehren. Zürich 1803 (PSW XV, S. 341–424) E s c h e n m e y e r : Adam/Adolph Karl August Eschenmayer (1768–1852) war nach seinem Medizinstudium, das er in Tübingen 1796 mit der Promotion abschloss, ab 1800 Stadt- und Amtsphysikus in Kirchheim unter Teck sowie Leibarzt von Franziska Theresia, Reichsgräfin von Hohenheim (1748–1811). Eschenmayer stand in Kontakt mit Johann Wolfgang von Goethe (1749–1831, ⇒ Nr. 811) und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

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(1775–1854, ⇒ Z. 155). Er blieb trotz eines Rufes nach Jena als Nachfolger Christoph Wilhelm Hufelands (1762–1836) in Württemberg, wo er eine enge Freundschaft zu Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) entwickelte und 1811 zum Extraordinarius für Medizin und Philosophie, 1818 zum Ordinarius für Praktische Philosophie an der Universität Tübingen berufen wurde. Eschenmayer wandte sich als einer der Ersten Fragen der Psychologie zu, wurde jedoch wegen spekulativer Deutungen als Mystiker verspottet und kritisiert. Beck: Damit dürfte Christoph Friedrich Beck (1758–1832) aus Kirchheim unter Teck (Baden-Württemberg) gemeint sein. Er war Rektor der Mädchenschule, Organist («Musices») und zudem seit 1791 Musikdirektor. Gesanglehre: Traugott Pfeiffer: Gesangsbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen. Pädagogisch begründet von Traugott Pfeiffer, methodisch bearbeitet von Hans Georg Nägeli. Zürich 1810 Helfreich: Damit ist möglicherweise der Universitätspfleger und Substitut Gottlieb Heinrich Helferich (1768–1846) gemeint. Helferich war ab 1786 Gehilfe beim Stadt- und Amtschreiber von Herrenberg, führte von 1789 bis 1797 die Oberamts- und Rechnungsgeschäfte von Cannstadt, bevor er 1803 in Tübingen die Universitätspflege, 1809 die Amtssubstitution in Leonberg und 1814 den Ortsvorstand von Weilimdorf übernahm (alle BadenWürttemberg). Eissenbeis: Georg Christoph Eisenbeis (1759–1813) war zwischen 1781 und 1805 Mädchenprovisor am Waisenhaus in Stuttgart. Finanzrath Hartmann: Friedrich Ernst von Hartmann (1766–1820) war seit 1798 als Kirchenratsbuchhalter tätig und arbeitete seit 1803 als Hof- und Domänenrat sowie Generalhofkassierer bei der Hofkammer und Obersteuereinnehmerei in Ellwangen (Baden-Württemberg). 1812 amtierte er als Steuereinnehmer beim Stadtoberamt Stuttgart und starb als Geheimer Oberfinanzrat 1820. Förmen- und Zeichnungslehre: Damit dürfte das auf Übungen Joseph Schmids (1785–1851, ⇒ Nr. 712) basierende ABC der mathematische Anschauung für Mütter oder Anweisung, die Geistesthätigkeit der Kinder an Form, Grösse und durch damit verbundene Zeichnungsübungen anzuregen und sie auf bildende Weise zu beschäftigen (1808) gemeint sein (PSW XXI, S. 89–100). Grammond: Joseph Frédéric Bouvier, genannt Grammont (1759–1819) stammte einer Pfarrfamilie in Montbéliard (Elsass) und war ein Studienfreund Johann Christoph Friedrich von Schillers (1759–1805, ⇒ Nr. 427). Er war Professor für Französisch und 1812 als Lehrer am Institut Gottfried Friedrich Oelschlägers (1786–1816, ⇒ Nr. 1243) in Stuttgart tätig. Er starb in Esslingen (Baden-Württemberg). Frau: Über Suzanne Elisabeth Grammont-Gastard (1769–1862) ist ausser den Lebensdaten nichts bekannt. 2 Töchterchen: Die ältere Tochter, Elise Grammont (1802–1878) heiratete den Buchhändler Heinrich Erhard (1796–1873) aus Stuttgart, die jüngere, Amène Eugenie Grammont (1805–1877), ehelichte den Stuttgarter Bankier Friedrich Federer (1799–1883) und blieb kinderlos. D e n z e l : Christoph Samuel Denzel (1774–1846) ⇒ Brief vom 1. Juni 1826 Braut: Auguste Wilhelmine Heuglin (1784–1846) aus Ludwigsburg, Tochter des Amtschreibers Jakob Friedrich Heuglin (1750–1832), heiratete am 31. Mai 1810 Christoph Samuel Denzel (1774–1846, ⇒ Brief vom 1. Juni 1826).

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Bericht: scheint nicht erhalten zu sein d’Autel: August Heinrich d’Autel (1779–1835) ⇒ Nr. 1038 Süsskind: Friedrich Gottlieb von Süskind (1767–1829) ⇒ Nr. 1038 Niederers: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Hefte: Damit dürfte wohl die Lenzburger Rede gemeint sein, die im dritten Heft der Wochenschrift für Menschenbildung (1809) erschienen war (PSW XXII, S. 1–324). Darin wurde begründet, weshalb eine Anleitung zum Religionsunterricht, die von verschiedener Seite immer wieder gewünscht worden war, nicht erscheinen könne, da «zur Lehrfähigkeit in der Religion … niemand unterrichtet, sondern nur erzogen werden [könne]. Diese Erziehung kann wiederum nur durch die Religion selbst geschehen: sie muss wesentlich religiös sein» (ebd., S. 215). Werkmeister: Benedikt Maria Leonhard von Werkmeister (1745–1823) ⇒ Nr. 1038 Darstellung der Methode: Benedikt Maria Werkmeister: Über das Eigenthümliche der Pestalozzischen Methode. Den in Heilbronn anwesenden Geistlichen protestantisch- und katholischer Confession gewidmet. Tübingen 1810 dritten Bericht: Heinrich August d’Autel: Prüfung des Werthes der Pestalozzischen Methode besonders in Hinsicht ihrer Erziehungs- und Unterrichts-Principien. Stuttgart 1810 Cultminister von Jasmund: Ludwig Hellmuth Heinrich, Freiherr von Jasmund (1748–1825) ⇒ Nr. 984 Bericht: Vermutlich ist hier der publizierte Prüfungsbericht der Schulkommission über die im März und Juni 1809 erfolgten Abschlussprüfungen von Karl August Zellers (1774–1846, ⇒ Nr. 656) Kursen gemeint. Mitglied der Kommission waren Christoph Friedrich von Schmidlin (1780–1830, ⇒ Nr. 1038), Friedrich Gottlieb Süskind (1767–1829, ⇒ Nr. 1038), Benedikt Maria Leonhard von Werkmeister (1745–1823, ⇒ Nr. 1038) und August Heinrich d’Autel (1779–1835, ⇒ Nr. 1136). Der Bericht bejahte grundsätzlich die Anwendung von Pestalozzis Lehrkonzeptionen für Elementar- und Landschulen, jedoch sei Zwang zu vermeiden und die Lehrer auch mit anderen Methoden bekannt zu machen (August Heinrich d’Autel: Prüfung des Werthes der Pestalozzischen Methode, besonders in Hinsicht ihrer Erziehungs- und Unterrichts-Principien. Stuttgart 1810). Zeller: Karl August Zeller (1774–1846) ⇒ Nr. 656 Conscribtion: Aushebung der gemusterten männlichen Bevölkerung eines Landes zum Militärdienst auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht Waisenhaus: Das Stuttgarter Waisenhaus wurde 1710 von Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg (1676–1733) nach dem Vorbild der nordund mitteldeutschen Waisenhäuser, speziell nach dem Vorbild der Franckeschen Stiftung in Halle gegründet. Im Vordergrund stand die Arbeitsund Kirchenzuchtserziehung, die jedoch im ausgehenden 18. Jahrhundert in eine Krise geriet. Das Waisenhaus wurde daraufhin unter Leitung des Waisenhausgeistlichen Viktor Heinrich Riecke (1759–1830, ⇒ Nr. 984) grundlegend reformiert, unter anderem durch die Gründung eines Schullehrerseminars 1803, das 1810 eingestellt und 1812 weitergeführt wurde. Riecke: Viktor Heinrich Riecke (1759–1830) ⇒ Nr. 984 Tschirner: Johann Michael Zschirner (*1772) ⇒ Nr. 1137 Kieser: Enoch Christian von Kieser (1784–1838) ⇒ Nr. 1063

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L e p p l e : Jakob Lepple (1784–1855) unterrichtete von 1805 bis 1809 als Mädchenprovisor am Stuttgarter Waisenhaus (⇒ Z. 149), anschliessend von 1810 für ein Jahr am Institut in Yverdon und war danach zwischen 1812 und 1815 als Schullehrer an deutschen Schulen in Stuttgart tätig. Nach sechsjähriger Lehrtätigkeit im Institut (⇒ Z. 13 f.) von Wilhelm Christoph Tafinger (1768–1824) in Stuttgart wirkte Lepple bis 1843 am KöniginKatharina-Stift und leitete um 1829 zudem eine städtische Mädchenschule. Schelling: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) stammte aus einer württembergischen protestantischen Pfarrersfamilie und startete nach dem Besuch des Tübinger Stifts seine universitäre Karriere auf Empfehlung Johann Wolfgang von Goethes (1749–1831, ⇒ Nr. 811) 1798 als Professor in Jena, bevor er 1803 an die Universität Würzburg und 1820 an die Universität Erlangen wechselte und schliesslich 1841 von König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) nach Berlin berufen wurde. Zu dieser Zeit hatte Schelling sich von seiner anfänglichen pantheistischen Naturphilosophie entfernt und sich der Mythologie zugewandt. Nägelis: Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 Darstellung: Hans Georg Nägeli: Die pestalozzische Gesangbildungslehre nach Pfeiffers Erfindung, kunstwissenschaftlich dargestellt im Namen Pestalozzis, Pfeiffers und ihrer Freunde von Hans Georg Nägeli. Zürich [1809] Rede in Lenzburg: Johann Heinrich Pestalozzi: Über die Idee der Elementarbildung. Eine Rede, gehalten vor der Gesellschaft der schweizerischen Erziehungsfreunde im Jahre 1809 (PSW XXII, S. 1–324)

1136 a. Felix Maria Diogg 5. April 1810 [Reg.] Diogg schickt einen Wechsel für die Pensionskosten seines Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 66.13 f. Sacherklärung I.

Felix Maria Diogg (1762–1834) ⇒ Nr. 1114 a III. Z. 4

Sohnes: Felix Kolumban Diogg (1795–1842) ⇒ Nr. 1114 a

73 1137. Johann Michael Zschirner April 1810 5

Dem ehrwürdigen Vater Petalozzi. Iferten. d[urch] Güte.

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Theurer, ehrwürdiger Vater, Ich trage mit der Gelegenheit Herrn Krüsis, der hier aller Herzen eingenommen, der guten Sache vielen Vorschub gethan und so manche Verbindung von Gewinn für die Methode geknüpft hat, eine vernachlässigte Schuld ab, Ihnen, grosser Wohlthäter, in Eile etwas von meiner Lage zu schreiben. Der Drang der Geschäfte und die Unmöglichkeit sogleich etwas Bestimmtes zu schreiben, war bisher die Ursache meines Stillschweigens, und nöthigt mich auch jetzt nur einzelne flüchtige Bemerkungen Ihnen mitzutheilen. Die Methode wirkt wohlthätig auf die Waisenkinder. Man sieht es allen an in ihrem Thun und Lassen, dass sie sich eher zu helfen wissen und im Ganzen ihre Kraft mehr auf Einen Punkt zu concentriren wissen. Sie sind munter, aber nicht ausgelassen, urtheilen unbefangen und selbstständiger, und drücken sich mit mehr Bestimmtheit aus. Der grösste Theil derselben ist mir zugethan u[n]d ich suche ihnen, das was ihnen an elterlicher Wärme abgeht, durch Herzlichkeit, Theilnahme u[n]d ernste Milde, so viel ich vermag, zu ersetzen. Sie sind in Pestalozzische und Rochowsche Klassen getheilt, weil H[err] Pfarrer Riecke mit Vorsicht zu Werke gehen muss, da noch nicht alle höhern Orts ganz für die Methode gestimmt sind. Allein an Kraftäusserung und Scharfsinn sind doch die Pestalozzischen den Rochowschen überlegen, obgleich letztere auch zum Theil von Lehrern unterrichtet werden, die nach der Methode in den Pestal[ozzischen] Klassen unterrichten. Obgleich wir nur wöchentlich 2 Zeichenstunden haben u[n]d dazu auch mit Bleystift die Figuren auf der Schiefertafel zu Papier bringen lassen, so haben sie doch schon gute Fortschritte gemacht und sind nichts weniger als arm an Ideen und Erfindung. In der Formenlehre finden sie nicht nur die Fälle sehr leicht, sondern geben auch gute Auflösungen. Auch in der Gesanglehre kommen sie vorwärts dass wir schon 4stimmige Stücke machen können. Erst als Lehrer habe ich die Methode in ihrer grossen Kraft zur Kraftentwicklung kennen gelernt, dass ich dreist behaupte: menschliche Gewalt kann

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sie wohl verbieten, aber keine menschliche Vernunft gegründet widerlegen. Aber freilich habe ich ungeheuer viel zu thun u[n]d behalte kaum Zeit mich zu prapäriren. Nach der Erschöpfung der Tagesarbeit bin ich froh wenn ich noch ein Stündchen zur Vorbereitung wegrauben kann. Anfangs hatte ich nur 6 Stunden täglich, jetzt durch kluge Wendungen habe ich deren 9 zu geben ohne die Aufsicht, welche immer auf 3 bis 4 Stunden abwechselnd mit H[er]rn Mayer meinem g u t e n Kollegen von sanftem biedern Charakter nach Krüsis Aehnlichkeit, des Tages kommt. Natürlich kann ich mir nicht hinlänglich genug thun, weil ich zu viel habe und bin unfähig für mich in der Methode rasch vorzudringen. H[er]r Pfarrer, der oft deswegen angegangen wird, erwartet auch sehr viel, und kann nicht bald genug sehen, sieht auch oft, bey seinen ungeheuren Arbeiten verdrüsslich gemacht, alles im trüben Lichte, dass man viel Geduld in solchen Stimmungen haben muss. Ja, Vater, Ihre Liebe, o sie ist ein erquickender Balsam für das angestrengte Tagewerk Ihrer Lehrer! Das ist aber wahr, dass Herr Riecke für 6 Mann arbeitet und im Schulwesen ungemein viel Verdrüssliches besonders in den deutschen Stadtschulen u[n]d deren Lehrern zu übernehmen hat. Doch ist er ein warmer Freund der guten Sache, aber sehr aufwallend. Wo er sonst etwas sieht, das besser als in der Waisenschule ist, da lässt er es seinen Lehrern merken. Aber Mayer u[n]d ich können nicht alles thun; die jungen Leute, die ins Haus gehen um sich noch mehr im Praktischen zu üben, nehmen sich der Sache nicht immer genug an, wir können nicht überall seyn, wenn wir beyde unsere Lectionen nicht versäumen wollen, und H[er]r Pfarrer hat nicht immer Zeit. Doch werden die jungen Leute praktisch gebildet, und immer die bessern Köpfe aus den Waisen zu Schullehrern vorbereitet. Wahrlich man arbeitet erstaunlich in Yverdon, aber das ist noch ein guter Tag gegen hier. Also der Wirkungskreis gefällt mir; aber die Arbeit ist zu gross, als dass man es in die Länge aushalten kann, um sich zugleich tiefer in die Theile der Methode einzuarbeiten. Der Anblick der Waisenkinder ist mir indess eine Stärkung, frohe zu tragen. Wirklich habe ich bisher an einer Halsgeschwulst gelitten. Der Plan ist für 2 Arbeiter nebst den Beyhelfern zu gross. Guter Vater, diess sey Ihnen im Vertrauen geklagt von Ihrem dankbaren Pflegesohn, der sich indess freut zur Realisirung Ihrer Idee den Geist der Methode auf eine Armenschule verpflanzet zu sehen, so viel seine Verhältnisse verstatten, beyzutragen. Noch immer laufen die meisten Einwürfe gegen die Methode auf eine Verwechselung der gelehrten Bildung mit Kraftentfaltung

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hinaus. Man ist empfindlich. Ich habe daher mich immer mehr ruhig benommen, weil man Ihre Schüler so gern der Partheylichkeit u[n]d des Ueberschätzens zeihen möchte. Die Pietisten sind noch immer dagegen, vermuthlich weil alles politisch Neue nur auf ihren Beutel abgesehen ist. Die Waisenschule schickte sich übrigens bey dem Institutähnlichen Zusammenleben der Kinder am besten zur Betreibung der Methode. – Eine P s y c h o l o g i e d e r D i d a k t i k würde der Einsicht in die Grundsätze u[n]d den Mechanismus der Methode vielen Vorschub thun. Mögen Sie noch immer lange die Seele Ihres Hauses bleiben u[n]d sich von keiner partikulären Aufhaltung Ihres wohlthätigen Werkes betrüben, das sich unter den Stürmen erhalten wird. Musikalien habe ich versprochen; aber noch nichts passendes aufgetrieben. Von meiner Schuld bald alles abzutragen und stets dankbar zu bleiben, ist mein Herzenswunsch, von Ihnen ferner unterstützt zu werden, u[n]d Ihnen u[n]d dem H[er]rn Niederer in geneigtem Andenken zu bleiben mit Geheimhaltung des hier mich betreffenden Inhalts ist die inständige Bitte Ihres ewig dankbaren Verehrers Zschirner.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 56, Umschlag 402/1 Bogen, 220 x 167 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–7 Z. 12 Z. 16 Z. 35 Z. 60 Z. 70 Z. 84 Z. 90 Z. 98 Z. 101

lateinische Schrift Ihnen: lateinische Schrift Ihnen: lateinische Schrift an ∫ deren Yverdon: lateinische Schrift Ihre: lateinische Schrift D i d a k t i k : lateinische Schrift Niederer: lateinische Schrift Ihres: lateinische Schrift

76 Sacherklärung I. Johann Michael Zschirner (*1772) stammt aus dem sächsischen Teil des Vogtlandes und arbeitet von 1809 bis 1812 als Provisor am Waisenhaus (⇒ Nr. 1136) in Stuttgart, welches von Viktor Heinrich Riecke (1759–1830, ⇒ Nr. 984) geleitet wird. II. Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) war im März 1810 nach Stuttgart gereist (vgl. PSB VIII, Nr. 1990, Nr. 1991; ⇒ Nr. 1136). Der undatierte Brief von Johann Michael Zschirner (*1772, ⇒ Sacherklärung I.) dürfte mit dem Brief vom 5. April (⇒ Nr. 1136) von Krüsi an Pestalozzi geschickt worden sein. III. Z. 6 Z. 9 Z. 25 f.

Z. 26 Z. 48

Z. 52 Z. 62 Z. 98

Iferten: dt. Name für Yverdon Herrn Krüsis: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Pestalozzische und Rochowsche Klassen: Die Namenswahl der Klassen dürfte in Anlehnung an die methodischen Konzepte und Lehrgrundsätze von Pestalozzi und Friedrich Eberhard von Rochow (1734–1805) getroffen worden sein. Der Zweck der Rochowschen Methode ist die Bildung des Denkvermögens, eine Verstandes- und Vernunftbildung im engeren Sinn. In seinem Unterricht stehen Denkübungen an erster Stelle und als dafür geeignete Unterrichtsmethode wird die sokratisch-katechetische Unterrichtsmethode angewandt, was wohl auch erklärt, dass die Sprachübung ein untergeordneter Zweck seiner Methode ist. Demgegenüber zeigt sich der Zweck der pestalozzischen Methode allgemeiner und umfassender. Hier geht es um eine harmonische Entwicklung und Bildung der ganzen Menschenkraft, sowohl des Geistes als auch des Körpers. Das bedeutet, dass Kinder nicht nur denken und urteilen, sondern auch fühlen und glauben lernen sollen. Im Gegensatz zu Rochows fragend entwickelndem Unterrichtsstil, setzt Pestalozzi taktmässiges Vor- und Nachsprechen, mit Anschauung verbunden, als Lehrform ein und vermittelt den Stoff in einem lückenlosen Stufengang der Übungen. Lit.: Joachim Scholz: Die Bedeutung Pestalozzis und Rochows bei der Reform des Brandenburgischen Elementarschulwesens (1806–1816). In: Hanno Schmitt/Rebekka Horlacher/Daniel Tröhler (Hrsg.): Pädagogische Volksaufklärung im 18. Jahrhundert im europäischen Kontext: Rochow und Pestalozzi im Vergleich. Bern/Stuttgart/Wien 2007, S. 155–173 Riecke: Viktor Heinrich Riecke (1759–1830) ⇒ Nr. 984 H[er]rn Mayer: Christian Friedrich Mayer (1765–1845) aus Cannstatt (heute Teil von Stuttgart) unterstützte zunächst sechs Jahre lang seinen Vater, Mädchenschulmeister in Cannstatt, bei dessen Tätigkeiten, bevor er von 1787 bis 1811 als Knabenprovisor am Stuttgarter Waisenhaus (⇒ Nr. 1136) unterrichtete. 1811 heiratete er Johanna Sophie Bader (1770–1827). In den nur sporadisch erschienenen Adressbüchern von Stuttgart ist Mayer 1811 als Hauslehrer und 1829 als Lehrer verzeichnet. H[er]r Pfarrer: Viktor Heinrich Riecke (1759–1830) ⇒ Nr. 984 Waisenschule: Waisenhaus Stuttgart ⇒ Nr. 1136 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

77 1138. Johann Karl Christian Lippe April 1810 [Reg.] Lippe teilt Pestalozzi mit, dass er den Ruf von Bredow nicht annehmen werde.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 962/3 (Johannes Niederer an Johannes von Muralt, 14. April 1810) Sacherklärung I.

Johann Karl Christian Lippe (1779–1853) aus Braunschweig besucht ebenda das Lehrerseminar und studiert anschliessend Theologie in Helmstedt (Niedersachsen). Nach verschiedenen Hauslehrertätigkeiten wird er 1809 Lehrer mit Führungsfunktion an der Anstalt von Philipp Emanuel von Fellenberg (1771–1844, ⇒ Nr. 426) in Hofwyl. Wegen Kompetenzstreitigkeiten mit Fellenberg ist er 1822 gezwungen, die Anstalt zu verlassen. Er pachtet darauf das Schloss Lenzburg und eröffnet dort 1823 eine Privatschule für Knaben aus gutem Haus. In seiner Blütezeit zählt das Institut über 50 Zöglinge. Kurz vor seinem Tod löst Lippe die inzwischen finanziell angeschlagene Anstalt auf. Lit.: Johann Karl Christian Lippe: Nachricht über die Erziehungsanstalt auf dem Schlosse Lenzburg im Canton Aargau. Aarau 1833 II. Gottfried Gabriel Bredow (1773–1814, ⇒ Nr. 1130) hatte am 11. März 1810 an Pestalozzi geschrieben und ihm von seinen Plänen erzählt, auch in Frankfurt an der Oder den Elementarunterricht zu verbessern (⇒ Nr. 1130). Als Lehrer hatte er neben Friedrich Wilhelm Braun (1778–1860, ⇒ Nr. 1259) auch Johann Karl Christian Lippe (1779–1853, ⇒ Sacherklärung I.) vorgesehen, der dieses Angebot aber offenbar ablehnte. III. Z. 4

Bredow: Gottfried Gabriel Bredow (1773–1814) ⇒ Nr. 1130

1138 a. Gregor von Feinaigle 12. April 1810 [Reg.] Feinaigle erkundigt sich nach einem Wechsel.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 69.6 f.

78 Sacherklärung I. Gregor von Feinaigle (1760–1819) aus Überlingen (Baden-Württemberg) tritt in das Zisterzienserkloster von Salem ein und führt von 1803 bis 1806 eine Spinn- und Webefabrik. Zur Finanzierung des stets vom Konkurs bedrohten Unternehmens publiziert er 1806 in Paris ein Anweisungsbuch zur Stärkung des Gedächtnisses und organisiert Kurse dazu. Weitere Bücher zur Mnemotechnik folgen. Feinaigle führt ein unstetes Leben, zieht nach seinem Aufenthalt in Paris 1810 nach England und 1813 weiter nach Dublin, wo er eine bis 1829 bestehende, sich auf Pestalozzi berufene Schule (The Feinaiglian Institution) zur Gedächtnisübung gründet. II. Über die Beziehung zwischen Gregor von Feinaigle (1760–1819, ⇒ Sacherklärung I.) und Pestalozzi ist nichts bekannt. Aus der Antwort Pestalozzis auf diesen Brief wird aber deutlich, dass Feinaigle ihn in Yverdon besucht haben muss (PSB VII, Nr. 2039).

1138 b. Emanuel Albrecht Alexander Steinhäuslin 15. April 1810 [Reg.] Steinhäuslin kündigt die Ankunft von zwei Schülern an.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 69.21 ff. Sacherklärung I.

Emanuel Albrecht Alexander Steinhäuslin (1764–1832) aus Brugg (Kt. Aargau) ist an verschiedenen Orten als Pfarrer tätig: von 1795 bis 1818 in Sumiswald, danach in Kirchdorf und ab 1827 in Bätterkinden (alle Kt. Bern). III. Z. 4

Schülern: Es ist unklar, welche beiden Schüler von Pestalozzi hier gemeint waren. Es ist allerdings anzunehmen, dass sie aus Sumiswald (Kt. Bern) oder der näheren Umgebung stammen, da Emanuel Albrecht Alexander Steinhäuslin (1764–1832, ⇒ Sacherklärung I.) zu dieser Zeit ebenda Pfarrer war. Denkbar wären demnach Jean Lerch, der am 26. April 1810 in das Institut eintrat, aber auch Jakob Oth (1793–1855) aus Meiringen oder Johannes und Maria Stalder aus Sumiswald.

79 1139. Georg Ludwig Bekenn 25. April 1810 5

An den Herrn Pestalozzi zu Iferten W[ohlge]b[oren] Herrn von Türk. Bremen den 25 t[en] April 1810.

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Wohlgebohrner Herr. Einer der Unterlehrer der Schule meiner Gemeine, Namens Schlaf, hat Ihnen, verehrter Mann, in einigen Briefen den Wunsch geäussert, in Ihre Bildungsanstalt für künftige Schullehrer aufgenommen zu werden, um sich vollständiger mit Ihrer Methode des Unterrichts bekannter zu machen, als es ihm hier möglich ist. In einem verlorenen Briefe an Sie, welchen er dem Seinigen beischloss, konnte ich seinen redlichen Eifer sich zu unterrichten und nützlich zu machen, seine Fähigkeit, Begriffe richtig aufzufassen, und das Aufgefasste mit Deutlichkeit darzustellen, und seinen guten sittlichen Charakter, so weit ich ihn kennen lernte, loben. Seit dieser Zeit hat er sich durch eigenen Fleiss und unterstützt von Herrn Blendermann aus den Schriften des Herrn Schmidt mehrere Belehrung zu verschaffen gesucht. Von seinem Verlangen, sich unter Ihrer Aufsicht zu bilden getrieben, und weil er diesen Sommer unsere Schule verlassen wird wünscht er sehnlich, einige Nachricht zu haben, ob er wohl hoffen dürfte, diesen Sommer noch in Ihre Anstalt eintreten zu können. Sollte er auch im Anfange Ihnen weniger nützlich seyn können; so hoffe ich doch, dass er durch seinen Fleiss bei dem lebhaften Interesse, welches er an die Methode nimt, sich bald dazu in Stand setzen wird. In dieser Rücksicht und da er Hofnung hat mit etwa 150 R[eichs]t[aler] von hier aus unterstützt zu werden, erlaube ich es mir, seine Bitte zu unterstützen, überzeügt, dass Ihr edles Wohlwollen für den jungen Mann thun wird, was Sie nach den Umständen für das Beste halten. Mit Hochachtung und Ergebenheit Euer Wohlgebohren gehorsamer Diener G[eorg] L[udwig] Bakenn.

80 Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 50, Umschlag 16/2 Bogen, 186 x 114 mm Siegel Original Textkritik

Zeuge H Z. 9 Z. 22

Bremen: lateinische Schrift Blendermann: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Georg Ludwig Bekenn (1756–1834) ⇒ Nr. 1073 II. Am 12. Juni 1809 hatte sich Georg Ludwig Bekenn (1756–1834, ⇒ Nr. 1073) mit einem Brief an Pestalozzi gewandt und sich erkundigt, ob George Christoph Schlaff (*1790, ⇒ Nr. 1074) zur weiteren Ausbildung nach Yverdon kommen könne (⇒ Nr. 1073). Da dieser Brief offenbar nicht beantwortet wurde, wiederholt Bekenn hier seine Anfrage. Eine Antwort Pestalozzis ist allerdings auch auf diesen zweiten Versuch nicht überliefert.

Z. 7 Z. 8 Z. 11 Z. 12 Z. 16 Z. 22 Z. 22

III. Iferten: dt. Name für Yverdon Türk: Wilhelm Christian von Türk (1774–1846) ⇒ Nr. 653 Schlaf: George Christoph Schlaff (*1790) ⇒ Nr. 1074 einigen Briefen: ⇒ Nr. 1074 verlorenen Briefe: Damit dürften wohl die Briefe vom 12. und 18. Juni 1809 gemeint sein (Nr. 1073, Nr. 1074). Blendermann: Johann Jakob Blendermann (1783–1862) ⇒ Nr. 627 Schmidt: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712

1139 a. Ludwig Rudolf Walthard Frühjahr 1810 [Reg.] Walthard schickt zwei Exemplare des Rabenhorstischen Taschenwörterbuchs.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 75.5 ff.

81 Sacherklärung I. Ludwig Rudolf Walthard (1765–1832) aus Bern amtet dort als Provisor und Pfarrer. 1797 heiratet er Julia Schmid aus Murten (Kt. Fribourg) und betätigt sich als Buchhändler. III. Z. 4

Rabenhorstischen Taschenwörterbuchs: Nouveau dictionnaire de poche françois-allemand et allemand-françois. Leipzig 1798

1139 b. Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin 27. April 1810 5

[Reg.] Madame Fraissinet erkundigt sich bei Pestalozzi, weshalb ihr Sohn ihr geschrieben habe, dass er mit Monsieur le Capitaine Bezencenet nach Neapel reisen werde.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 77.6 ff. Sacherklärung I.

Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin



Nr. 1135 b

II. Im Brief vom 11. Mai 1810 (PSB VII, Nr. 2056) teilte Pestalozzi Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin (⇒ Nr. 1135 b) dann die Gründe für die Reise ihres Sohnes nach Neapel mit. III. Z. 4 Z. 5

Sohn: Jean Charles Jules Félix Prosper Fraissinet (*1796) ⇒ Nr. 1135 a Bezencenet: Jean-Jacques Bezencenet (1776–1812) aus Yverdon war seit 1792 Unteroffizier und später Hauptmann in waadtländischen Brigaden, bevor er 1799 in die Dienste Frankreichs trat, dabei für die Armeen in Alexandria, Italien und Neapel kämpfte und schliesslich – unterdessen per Ministerbeschluss zum Hauptmann zweiter Klasse befördert – im Russlandfeldzug einer in der Schlacht bei Polozk (Weissrussland) erlittenen Verletzung erlag.

82 1139 c. Christian Friedrich Laué Frühjahr 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 82.17 Sacherklärung I.

Christian Friedrich Laué (1741–1813), in Pommern geboren und Bürger von Frankfurt und Yverdon, absolviert eine kaufmännische Lehre und arbeitet anschliessend für verschiedene, vornehmlich in der Textilbranche tätige Handelsgeschäfte in Halle, Frankfurt, Magdeburg und Neuchâtel. 1774 gründet er mit Johann Jakob BethmannHollweg (1748–1808) in Frankfurt am Main das Kommissionsgeschäft Hollweg & Laué, das nach dem Austritt seines Partners im Jahre 1780 unter dem Namen Laué & Co. weiter existiert. Ein Jahr später erwirbt Laué eine kleine Indiennedruckerei im aargauischen Wildegg, die von Johann Rudolf Dolder (1753–1807, ⇒ Nr. 410) geführt wird und baut sie zu einem grösseren und erfolgreichen Unternehmen aus, mit welchem auch Pestalozzi Geschäftsbeziehungen pflegt. 1790 heiratet Laué Victorine Marianne Schlatter (1771–1828) und lebt meistens in Frankfurt. Nach seinem Tod wird die Firma – sie heisst ab 1794 Laué, de Luze & Co. (⇒ Nr. 322) – von seinem Sohn Johann Friedrich Laué (1792–1881) und Adolf Friedrich Laué (1781–1846), einem entfernten Verwandten, weitergeführt.

1139 d. Christian Friedrich Laué Frühjahr 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 82.17 Sacherklärung I.

Christian Friedrich Laué (1741–1813) ⇒ Nr. 1139 c

83 1140. Georges de Rougemont 3. Mai 1810 5

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Mon chêr et respectable ami. J’ai renvoyé de vous parler de George jusques à ce que j’aye pû me former une idéë claire de l’état de sa santé de corps et d’ame. La premiere à éminemment souffert à l’Institut et cependant ce n’est pas à ce qui éxiste à l’Institut c’est à ce qui n’y éxiste pas que je l’atribuë. Lorsque je vous ai remis mon fils il n’avoit jamais été malade, mais délicat de naissance et délicatisé d’éducation, il éxigeoit des Soins domestiques difficiles à obtenir dans un institut aussi vaste que le votre. Le premier hiver l’on vit cet enfant se glisser avec Ses camarades à la montéë de Moudon et au mois d’aoust Suivant je l’ai vû à St. Aubin plus fort, plus alerte, mieux portant que je ne l’avois encore vû dès sa naissance. Cependant Sa mêre m’a dit dès lors qu’à l’une des Courses qu’elle avoit faittes à Yverdun quelques mois plustôt, l’ayant pris dans sa chambre la nuit qu’elle passa aux Bains, il s’etoit plaint de meaux de ventre, avoit grincé les dents, et dormi avec beaucoup d’inquiétude. Je ne doute pas que le mal de cet enfant ne tienne à quelqu’ humeur qui attaque et les intestins et les extrêmités, et qui attaque celles ci en hiver de maniere à le rendre Sédentaire et conséquement à l’exposer à toutes les Suites d’une vie inactive dans un age où l’existance éxige un éxercice journalier et progréssif. Cet enfant a l’œil bon, il digére bien, les fonctions de l’Estomac se font bien, mais la douleur de ventre se fait sentir, l’enfant est maigre, il change de Couleur au visage avec une allarmante facilité. Ses nuits Sont quelques fois agitées. J’ai couché 15 jours dans la même chambre que lui. Il plaint et grince les dents en dormant, il s’agite, le tout sans S’éveiller et sans que le matin il en ait le moindre Souvenir. Les Sécrétions se font mal. Pour guerir le corps il faudroit beaucoup d’éxêrcice, mais l’état des pieds s’y opôse. Les Engelures ont laissé des traces au pied droit, que la chaleur n’a pû détruire. Il est habituelement froid et bleuatre. L’orteuil du pied gauche est très enflé et suinte habituelement. La douleur est plus ou moins vive mais comme elle est constante et quelle éxiste depuis huit mois, l’enfant, pour l’évitér s’est accoutumé à marcher Sur le côté gauche du pied, ce qui l’a porté en dedans, et menace de contourner la jambe près de l’articulation qui l’unit au pied. C’étoit inévitable dans ces Circonstances, car un homme fait ne souffre pas d’un cor[p]s, par éxemple, Sans que Sa

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marche en soit déffiguréë. Il n’y a la dedans ni foiblesse ni mollesse. De cette démarche que l’un de vous Messieurs comparoit à celle d’un homme qui marcheroit sur des Œufs, résulte une incertitude et une timidité dans tous les mouvements, qui empêchent les nerfs et les muscles de se fortifier. Pour y obvier j’ai fait monter à cheval, en char dur et trèmoussant, cet enfant, il est tombé deux fois de cheval, n’a presque pas pleuré la premiere fois j’etais avec lui, je l ’ i n v i t a i à remonter, il le fit sur le champ, fit trôler son cheval à côté du mien, il prend ses remedes, se laisse panser, marcher sur les pieds, contredire, sans pleurer. Un ton confiant calme amical ferme et jamais impératif ont mis en mon pouvoir son ame et son Cœur quoique je n’aye pas été avec lui, depuis Son retour d’Yverdun, l’un dans l’autre plus d’un jour sur quatre et qu’il ayt d’ailleurs constament été environné de femmes. Mais celles ci ont dela conscience et la mettent à ne pas me contrarier dans mes vues. Un cheval de bois dans la maison, un jardin à cultiver quelques garçons pour compagnons, une heure ou deux par jour, achevent de Completer ses éxêrcices phisiques. Dès que son pied sera gueri les éxêrcices du corps deviendront chaque jour plus considérables sans jamais l’éxcêder et je me proposerai pour but de le fortifier assés pour que l’hiver prochain il ne retombe pas. Je n’en vois pas le moyen bien assuré, mais en général, envisageant les engelures comme la suite d’un arrêt dans la Circulation et les meaux qui tiennent au déffaut de transpiration, comme la suite ou relachement dans le tissus de la peau, je verrai si je puis engager mon fils à faire avec mon secour ce que son pere a fait de son chêf. Fuir le feu et les Poëls, recourrir au mouvement seul contre le froid, frotter les pieds avec de la neige avant d’aller au lit mais les frictioner jusques à ce qu’ils fussent bien rèchauffés, se mettre nud le matin et s’asperger l’Eau froide. Tel est le regime auquel j’eus recours dans ma jeunesse et auquel j’atribue une force que rien n’a pû détruire encore. Quant au moral et à l’intelligence il a gagné dans l’Institut. Il y a conservé ses bonnes qualités et il y a pris une spontanéité, une franchise, une ouverture, une vérité d’existance qu’il avait reçuës de la nature mais qu’une premiere éducation contrariéë menaçait de lui faire perdre. Son intelligence s’est fortifiéë, il lit lentement mais à cette lenteur près, inévitable à cet age quand on ne bredouïlle pas et qu’on comprend ce qu’on lit, il lit très bien. Je lui ai donné Robinson Crusoë, l’ancien, mauvaise impression, et il le lit à

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sa tante avec plaisir pour elle et pour lui. Ses idéës sont claires, nettes et réflêchiës, mais il faut le suivre, car sa finesse se manifeste souvent, lorsqu’il lui importe d’éluder; quand on le dévine il en convient de bonne foy. Il fait le travail, et je n’en suis ni peiné ni inquiete je le serois plustôt de sa facilité de passer d’une chose à une autre sans y prendre aucun interrêt réel. Par ex[emple] après une Conversation avec moi il prendra ses cahiers de l’Institut, après un entretien avec sa mère il demandera Cathechisme passages et géographie. Je lui laisse champ libre à deux leçons d’écritures près. Tel est à peu près l’Etat de cet enfant. Quant à mes intentions les voici. Le guerir avant tout, le fortifier et prémunir contre les atteintes de l’hiver prochain, ne vous le renvoyer que lorsque je serai tranquile à ces deux égards, ou, si je vous le renvoye avant, le retirer à l’aproche de l’hiver pour lui donner les soins domestiques que votre Institut ne comporte pas encore. Quant à l’éducation morale et intéllectuele je vous demande Conseil et Secours. Je ne puis ne ne veux amalgamer une autre méthode avec la votre, celleci exclut tout ce qui n’est pas elle même. Je ne tiens nullement à ce qu’on apelle Instruction, il faut fortifier le Corps et la tête avant tout, mais je tiens à ce que cet enfant reçoive le dévelopement que votre methôde lui assuroit. S’il éxistoit un homme qui méritât toutte ma confiance, qui peut se vouer à cet enfant jusques à ce que je pusse vous le rendre, qui se levât de grand matin avec lui, le conduisit sur les hauteurs pour y voir le lever du soleil, en prit occasion de former son sens religieux, lui fit connoitre en se promenant avec lui le nom des plantes, lui donnât quelqu’idéë de la minéralogie, en lui enseignant les noms en français et en allemand et toujours et uniquement au vû de l’objet, qui fit avec lui et d’autres enfants les éxércices gymnastiques, lui continuât les leçons quil prenoit chez vous, je ne craindrois aucune dépense pour le fixer auprès de mon enfant. Si vous n’en connoissez aucun donnéz moi vos conseils sur le parti que je dois prendre selon vous. Permettez moi mon respectable ami de finir cette longue Lettre par quelques observations générales sur votre institut. Vos principes d’éducation, votre maniere de les apliquer, c’est à dire votre méthode éxigent, je crois qu’on prêsse les enfants à la mamelle. Les mères devroient être vos premieres écolieres, vos premiers disciples. L’instruction puisëe dans vos ecrits ne les atteindra qu’insensiblement et peut être seulement après bien des siecles. Deux moyens peuvent accêllerer cet évènement: L’intervention des gou-

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vernements, la perfection et la multiplication des instituts. Le premier offre le plus de célérité mais il n’est sans doute pas sans danger. Celui d’échouer dans un éssay éclatant est immense, mais il est peu probable si l’essay se fait avec sagesse. Je soubçonne un succès presqu’assuré si l’on débute par les vilages. Le second de ces moyens offre moins de danger mais plus de difficultés à Surmonter. De tels instituts devroient peut être se graduer. Il devroit y en avoir pour des enfants de 2 a 5 ans de 5 à 10, et de 10 au dessus. Les deux premiers peu nombreux devroient avoir un régime domestique et maternel, le troisième pourroit être très nombreux et soumis à une direction plus mâle, tous pourroient aisément offrir la reunion des avantages d’une éducation commune au genre humain, et d’une élégance de mœurs (a) malheureusement très peu commune, mais pour la quelle tous les hommes sont faits du maréchal ferrant au marechal d’arméë. Je vous prie en grace de me bien comprendre. Le courage, la force, l’énergie, la trempe (die Abhärtung) sont plus souvent qu’on ne le pense, le résultat d’une culture très soignée; au moins peut-on soutenir sans paradoxe que ces qualités ne suposent pas nécessairement de la rudesse. Au moyen de ces trois degrés d’Instituts et de leur perfectionement, un Superbe ensemble se présente à mes regards. L’homme pris au berceau se dévelope sans arrêt jusques – oui mon respectable ami – jusques à sa mort. Pardonnéz moi mon rêve, et croyéz à ma confiance, à mon attachement et à mon respect pour vous. de Rougemont

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(a) L’Elégance de mœurs est le résultat de la faculté de saisir les convenances et de l’habitude de les respecter, sans perdre de vuë surtout ce qu’on doit à soi même dans autres. La méthode doit y conduire. J’ai vû des grands sans élegance de mœurs et des petits qui l’annonçait dans tout ce qu’ils disoient et faisoient.

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P.S. George est ici depuis hier. L’on m’avoit flaté sur sa constance à suporter la douleur. En lui serrant le pied malade, la douleur quoique legere, l’émut. Une petite fête que j’ai donnée à l’occasion du baptême de mon dernier né, loin de l’egayer l’épuisa de fatiguer. Il n’a pas gagné depuis 10 à 12 jours. Pardonnés moi mon respectable ami de ce que je vous occupe si fort d’un seul individu, vous qui vous occupés du genre humain, n’y voyés pas trop d’égoisme mais bien toutte ma confiance en vous. J’irai vous voir dans le courant du mois, mais dans votre réponse fixés mes idéës sur ce que vous

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désirés que je puisse ajouter aux renseignements que je vous donne sur cet enfant si crudement arrêté dans son dévelopement. N.B. Je viens d’aprendre que hier en arrivant George eut un accident à son pied malade qui m’explique la douleur qu’il éprouva.

Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 310/9 Bogen und Blatt, 234 x 179 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 12 Z. 21 Z. 25 Z. 25 Z. 67 Z. 79 Z. 81 Z. 83 Z. 111 f. Z. 134 Z. 138 Z. 151 Z. 153

votre. Le attaque bien, les se ∫ tiennent au contrariéë menaçait près ∫ le ∫ français et ∫ en deux ∫ (a) ∫ faculté de surtout Sacherklärung I.

Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 II. Anfang 1810 war Georges de Rougemont (1802–1810, ⇒ Nr. 968) erkrankt und von seinem Vater nach Hause zurückgeholt worden. In mehreren Briefen berichtete der Vater über die Entwicklung der verschiedenen Beschwerden. Die Datierung des Briefes folgt der Abschrift im Kopierbuch der Familie Rougemont (Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 243). III. Z. 5 Z. 13 Z. 14 Z. 15

George: Georges de Rougemont (1802–1810) ⇒ Nr. 968 Moudon: Gemeinde im Kt. Waadt St. Aubin: Gemeinde im Kt. Waadt Sa mêre: Charlotte Louisa Albertine de Rougemont-d’Ostervald (1769–1851) ⇒ Nr. 983

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Robinson Crusoë: Daniel Defoe: Robinson Crusoe (1719) sa tante: Wer hier konkret gemeint ist, bleibt unklar. mon dernier né: Denis François-Henri Rougemont (1810–1894) wurde am 21. März 1810 in Saint Aubin (Kt. Waadt) geboren. 1836 heiratete er Marie Josephine Philippine du Buat (1810–1850).

1140 a. Peter Friedrich Ludwig, Graf von Holstein-Oldenburg Mai 1810 5

[Reg.] Der Graf von Holstein-Oldenburg teilt Pestalozzi mit, dass sich Johann Christian Haag bei ihm um eine offene Lehrstelle beworben habe und dass dieser angebe, von Pestalozzi dazu ermuntert worden zu sein.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 89.6 ff. Sacherklärung I.

Peter Friedrich Ludwig, Graf von Holstein-Oldenburg (1755–1829) kommt nach dem frühen Tod seiner Eltern zusammen mit seinem Bruder unter die Vormundschaft seines Onkels, des Herzogs Friedrich August (1711–1785) sowie seiner Cousine, der Zarin Katharina II. von Russland (1729–1796). 1785 übernimmt er aufgrund der Regierungsunfähigkeit seines Cousins von seinem Onkel die Regentschaft als Fürstbischof von Lübeck und Regierungsadministrator des Herzogtums Oldenburg. Während der napoleonischen Fremdherrschaft hält er sich zusammen mit seinen zwei Söhnen von 1811 bis 1813 am russischen Hofe im Exil auf und erhält nach seiner Rückkehr 1815 den Titel eines Grossherzogs, den er aber nicht trägt. Peter Friedrich Ludwig reformiert während seiner Regierungszeit die Armenfürsorge sowie die Lehrerausbildung und gründet eine Ersparniskasse sowie 1792 die Herzogliche Öffentliche Bibliothek im Oldenburger Schloss. III. Z. 5

Haag: Johann Christian Haag (†1823) ⇒ Nr. 1356 a

1140 b. Hans Georg Nägeli 8. Mai 1810 [Reg.] Nägeli schickt die Solostimmen zur Teutonia mit dazugehörender Rechnung.

89 Überlieferung 1

PSB VII, S. 79.11 ff. Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 III. Z. 4

Teutonia: Hans Georg Nägeli: Teutonia. Rundgesänge und Liederchöre. Zürich 1808

1140 c. Franz Adam Lejeune 8. Mai 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 85.23 f. Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870

1141. Heinrich Julius Kotschy 12. Mai 1810 5

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Teschen im kais[erlich] österr[eichischen] Schlesien den 12. May 1810. Wohlgeborner Herr, Verehrungswürdiger Herr Direktor! Der Mensch fühlt sich glücklich, wenn er hoffen darf, auch in den entferntesten Zonen Männer zu finden, die sich selbst von dem gänzlich Unbekannten nicht wegwenden, sondern die vielmehr zu seiner Beruhigung in bangen Besorgnissen liebreich und willig beytragen. Auch ich bin glücklich, wenn ich zu dem Mann, dessen grosse, und höchstens von Schwachköpfigen, die ihn nicht errei-

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chen können, verkennbare Verdienste um das Wohl des menschlichen Geschlechts, tief in meinem Herzen trage, das Zutrauen hegen darf, dass meine Kühnheit nicht ungütig gedeutet werden wird. Freylich sollte ich Sie, hochgeschätzter Herr Direktor, ergebenst um Verzeihung bitten, dass ich, als ein auf Hunderte von Meilen Entfernter, Ihnen vielleicht lästig falle und mich an Sie wende. Allein indem Sie diese Zeilen lesen, ist es schon geschehen und unabänderlich. Redliche Eltern, die um Ihren Sohn in Bekümmerniss sind, und eben so auch mir, erweisen Sie einen wichtigen Gefallen, wenn Sie die Liebe für Unbekannte haben, und den beyliegenden Brief meinem Bruder, der von der Leipziger Universität über Paris reiset und in Yverdun Nachrichten von uns wünscht, gütigst abgeben, und diese Bitte keine Fehlbitte seyn lassen. Er wird sich selbst bey Ihnen melden und für Ihre Freundschaft danken; und wir bleiben Ihnen auf immer verbunden. Denn auf Gegendienste in unserm isolirten Winkel, am Ausfluss der Weichsel, können wir nicht rechnen, so innig wir es auch wünschten. – Möchten Sie doch auch ein väterliches Wort meinem Bruder sagen, worauf er gewiss ein grosses Gewicht legen wird, damit er lieber in e i n e r wichtigen und seltenen Gegend weilen und Nutzen ziehen könnte, als dass er in kurzer und beschränkter Zeit seine Reise zu weit ausdehnen wollte, und überall n u r g e w e s e n wäre. Er schreibt mir, sein Wille sey, auch Italien zu bereisen. Diess ist aber nicht ein Plan für einige Wochen. Überdiess ist hier die Conrektor-Stelle an unserm Gymnasium offen, die er erhalten kann, wenn er nicht zu lange säumt. – Ich lebe also in der festen Hoffnung, dass Sie ihm auch in dieser Hinsicht mit einigen Worten guten Rath ertheilen werden. – Nun so nehmen Sie denn, würdigster Menschenfreund in jeder Bedeutung dieses Worts, den innigsten Dank im Voraus für Ihre Liebe, die Sie auch Unbekannten zu erweisen die Güte haben werden, und gönnen Sie mir, als einem Ihrer stillen aber wahren Verehrer, das Seelenerhebende Vergnügen, Ihnen über Thäler und Felsengebirge die Hand im Geist hochachtungsvoll zu drücken. Es sind diess wohl die ersten und letzten Zeilen, die ich in diesem Leben an Sie zu schreiben wage – nehmen Sie sie mit Nachsicht und Verzeihung auf. Und indem ich schliesse, folge ich den Gefühlen meines Herzens, und wünsche, dass das Gewebe Ihres Lebens, wenn auch nicht aus durchaus ununterbrochenen, doch aus sehr vielen frohen, angenehmen und Sie beglückenden Stunden bestehen möch-

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te; und Ihre unsterblichen Verdienste mögen Ihnen auch unsterblichen Ruhm, und Europa in den wichtigsten Dingen Licht und Wohl schaffen. – Mit der vollkommensten Achtung und Dankbarkeit bin ich Ihr Sie hochschätzender Julius Kottschy, Pastor an der hiesigen evangelischen Gnadenkirche

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 169/1 Bogen, 194 x 120 mm Dorsualvermerk Teschen den 12 May 1810 Julius Kotschy Original Textkritik

Zeuge H Z. 26 Z. 53 Z. 62 Z. 63

Yverdun: lateinische Schrift das Julius Kottschy: lateinische Schrift Pastor: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Heinrich Julius Kotschy (1785–1834), aus einer Lehrerfamilie stammend, studiert in Leipzig und Göttingen Theologie und amtiert als Konrektor an der Jesusschule in Cieszyn (Teschen, Schlesien), bevor er ebenda von 1808 bis 1834 das Pfarramt an der evangelischen Gnadenkirche bekleidet und zugleich als Lehrer am Gymnasium unterrichtet. Diese Kirche war eine von sechs protestantischen Gnadenkirchen in Schlesien, die nach dem Edikt Kaiser Josephs I. (1678–1711) von 1707 zugelassen waren. III. Z. 4 Z. 24 Z. 25

Teschen: dt. Name der polnischen Stadt Cieszyn beyliegenden Brief: scheint nicht erhalten zu sein Bruder: Carl Friedrich Kotschy (1789–1856) beendete 1810 sein Theologiestudium in Leipzig und reiste nach Paris und Yverdon. Anschliessend war er bis 1856 Pastor im schlesischen Ustron, überarbeitete den Lutherischen Katechismus 1833 und veröffentlichte als studierter Mediziner und Botaniker zahlreiche Bücher zur Pflanzenkunde. Als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung für den Wahlkreis Österreichisch-Schlesien stimmte er 1848/49 als Mitglied der demokratischen Fraktion Deutscher Hof gegen die Wahl des preussischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) zum Deutschen Kaiser.

92 1142. Friedrich Wilhelm August Fröbel 20. Mai 1810 Am 20 sten May 1810 5

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Ich habe Herr Pestalozzi! bey mir das Ganze überdacht: und ich kann auch in Zukunft unmöglich anders handeln, als ich bisher handelte. Ich bin ein freyer Mann, und ich bitte Sie Herr Pestalozzi! als solchen mich meiner Überzeugung gemäss, handeln zu lassen. Verdien ich es, so werde mir desshalb die gerechteste Strafe, ich werde keine Gelegenheit suchen derselben auszuweichen, ich werde mich auch nicht bemühen, das Einwirken derselben auf mich, weniger fühlbar zu machen. Lohn verlange ich durch mein Handeln mir nicht zu erwerben, sondern blos die Überzeugung: nicht gegen meine Würde gehandelt zu haben. Übrigens sage ich noch, dass ich bald von hier abgehe. – A[ugust] Fröbel

Überlieferung 1 2 4 5

Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, BlM, II,4/F 900 Blatt, 369 x 250 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 8

Überzeugung gemäss Sacherklärung I.

Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782–1852) ⇒ Nr. 980 II. Im November 1809 war das Institut in Yverdon durch eine Kommission der Tagsatzung geprüft worden. Die Veröffentlichung des Berichts führte dazu, dass die bestehenden Spannungen im Frühjahr 1810 zum offenen Ausbruch kamen. Einige Lehrer – so auch Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782–1852, ⇒ Nr. 980) – verliessen das Institut. Die negative Berichterstattung über das Institut und der zwischen den Lehrern ausgebrochene Streit führten zudem zu einem markanten Rückgang der Schülerzahlen. Pestalozzi bezeichnete zu diesem Zeitpunkt Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) als Urheber der Streitigkeiten (vgl. PSB VII, S. 157.10 f.) – eine Einschätzung, die er später vehement bestritt.

93 1143. Magdalene Friederike Bach-Schumann 21. Mai 1810 5

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Herrn Heinrich Pestalozzi frey Grenze Yverdon. franco Gränze Kanton Leman vi a Sc h affh ausen . Buchholz bei Annaberg in Sachsen den 21 ten May 1810. Der Herr Candidat Burckhard, mit dessen Wunsch – Ihnen innigst Verehrter Pestalozzi! – die Erziehung der Menschen abzulernen, – Sie schon Herr Pfarrer Rösler in Hohentwiel am Ende vorigen Jahrs gütevoll bekannt gemacht hat, ist nun mit seinen Veranstaltungen zur Reisse nach Ifferten fertig, und wird solche den 2. Juny antretten. Sie waren so gut mir damals durch Herrn Pfarrer Rösler Ihre Theilnahme an diessem meinem Freund und Ihr Verlangen auch ihn zum nützlichen Arbeiter im Dienste der Menschheit zu bilden, durch Herrn Rösler schreiben zu lassen. Auch liessen Sie mich Ihrer Liebe und Achtung versichern, und dies hat meinem Hertzen sehr wohl gethan. Meine Liebe und Bewunderung, meine innigste Achtung besitzen Sie seit zehen Jahren, und Ihre Achtung will ich als Mutter zu verdienen suchen. Diese freundliche Versicherung von Ihnen ist aber auch die Ursache dass ich es mir erlaube Ihnen zutrauensvoll, noch ehe diesser Reisende bei Ihnen eintrift, einige Worte über ihn, sein Unternehmen und den wichtigen Erfolg den er für sein Vaterland haben soll, zu sagen. Ich glaube mich nicht in Herrn Burckhard zu irren, wenn ich ihm ein wahrhaft kindliches Gemüthe, ein Herz voll inniger Menschenliebe, ein immer reges Bestreben sich so nützlich als Möglich zu machen, zutraue. Ja, er versteht die Sprache der glüklichen Kinder Welt, in befreundeten Tönen spricht er die holden Kleinen an, mit behutsamen Händen berührt er die weichen Hertzen, in welchen so manche schönere Psyche durch rohe Betastung verkrüppelt wird, und die Lehre Jesu: «so ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr das Himmelreich nicht ererben» ist ein fruchtbares Samenkorn in seinem Hertzen. Lieber würdiger Pestalozzi! nicht alle verstehen Sie, die auf Ihren Nahmen getauft sein wollen, aber diesser hoffe ich, soll Sie mit

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seinem kindlich reinen Gemüthe fassen. Christus und Sokrates Ihre erhabenen Vorgänger machten dieselbe Erfahrung an Ihren Schülern, die auch Ihnen manche Resignation abnöthigt – –, nur der welcher am Meisten liebt, wirkt am fruchtbarsten am gewaltigsten, nicht bloss durch Rede und sonstige Mittel, sondern durch die unwiederstehliche Kraft und Würde seines Wesens. Wenn ich mir ihn dort denke, den Grössten unter den Menschen, umgeben von bittenden Frauen um den Seegen des Gottes für Ihre liebsten Lieblinge, so war es gewies nicht allein der Wohlklang der Worte: «Lasset die Kindlein zu mir kommen etc.» der die holden Wesen an seine Brust, auf seine Knie, zu seinen Füssen zog, es war die Ahnung der reinen Kinder Seele: diesser liebe freundliche Mann thut nur Gutes, er will uns wohl, er ist unser, wir wollen uns ihm hingeben! Was sein Wesen eingeflösst hatte, das gestalteten, vollendeten seine Worte. Kinder fassten sein Bild in Ihre Herzen, Mütter huldigten ihm mit ihrem durch Liebe veredelten Leben, und das Reich Gottes war in diesser schönen Stunde herunter gekommen in den geseegneten Kreiss glüklicher Mütter und Kinder, und blieb ihr still bewahrtes Eigenthum. Wie liebe ich Sie guter Pestalozzi in der Weihe die Sie von diessem Ersten unter den Menschen zu Ihrem grossen Werck empfangen haben! Gross und liebend, ein Seegen für künftige Generationen stehen Sie über Ihre Zeitgenossin erhaben da, – – Ihrer Zeitgenosssin, die nur aus den Trümmern zerstörten Menschenglüks sich die Stufen zum Tempel der Unsterblichkeit bauen, und der Menschheit nichts für das zu geben wissen was sie ihr nehmen. S i e , nennt die dankbare Mit[-] und Nachwelt den Beglüker Ihrer Brüder. Ihnen huldigen liebende Väter. Ihnen flammt ein Dankaltar in den Hertzen zärtlicher Mütter – «um Dich rauscht das goldne Aehrenfeld das aus zerknikten Halmen du erhubst Noch ehe Dir der mühevolle Tag Zum Niedergang sich neiget und dein Haupt Der ewgen Jugend Blüttenkranz umstralt!» O mögen der Glüklichen die sich Ihnen zu Ihrem grossen Werk verbinden konnten, recht viele seyn, denen Sie die wichtige Angelegenheit der Menschheit ruhig anvertrauen dürfen, wenn Sie der grosse Vater der Liebe zur Ruhe in sein Reich ruft, für das Sie so herrliche Pflanzungen anlegten! Möchte auch mein Freund Burckhard unter Ihrer Leitung ein kräftigeres Werkzeug zu einer allgemeinern Verbesserung der in Sachsen so äuserst vernachlässigten Volks Erziehung werden, und durch unermüdetes Würcken die

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Vorurtheile besiegen die E g o i s m u s – Mangel an lebhafter Überzeugung von der Nothwendigkeit einer allgemeinen Veredlung, und Trägheit, der Einführung Ihrer Methode entgegenstellen! Selbst der für das Gute so kräftig wirkende Reinhard in Dresden, ist – zwar bescheiden in seinem Urtheil wie es dem grossen Manne ziemt, und man es von ihm erwartet – doch gar nicht für die Einführung der Methode auch nur im Einzelnen gestimmt: er antwortete mir bei Gelegenheit einer Verwendung für Herrn Burckhard «es scheint Herr Burckhard hat bei seinen Entwürfen zu wenig Rüksicht auf die Umstände und Bedürfnisse seines Vaterlands genommen etc.» dies scheint die etwas ungereimte Meinung (die ich übrigens schon öfter in Sachsen hörte) vorauszusezen, als wenn Erziehung und Unterricht nach Ihrer Weise, nur für S c h w e i z e r passte, eine Meinung die im Inn[-] und Ausland längst wiederlegt ist; auch scheint es mir (doch kann ich dies durchaus nicht behaupten) die beeden Sachsen, Diakonus Wiesand aus Pretzsch, und Conrektor Tüttner aus Görliz, die voriges Jahr in Yverdon waren, haben Reinhards Erwartungen nicht entsprochen, und Reinhard will lieber die Sache verkennen, als den Fehler in den Persohnen suchen. Doch kann ich hierüber nichts bestimmen, aber ich wünsche desto mehr dass Herr Burkhard fähig werden möge, Reinhard, und Mehrere ähnlich Denkende, um des Besten der Sache willen, zu Proselyten zu machen; denn mit Reinhardten gewinnt die gute Sache eine gantze Armee, die doch wohl nicht nur lauter Nachbeter sein dürften. Freilich ist es sehr zu bedauren dass Herr Burckhard höchstens ein halbes Jahr nur, ein frohes Mitglied Ihrer grösseren Familie sein kann. Zärtliche Eltern die ihm durch eine äuserst liebevolle Jugendbildung – und ein zärtliches Aneinanderhalten seiner Geschwister, die Fähigkeit gaben mit einem erweiterten Hertzen die Menschheit zu seiner Hochgeliebten zu machen, verlangen ihn so bald möglich zurük, auch melden sich die Vorboten einer baldigen Auflösung aus dem Lande der Schmerzen häufiger bei den beiden würdigen Eltern desselben: Er wird aber auch in diesser Zeit so viel erwerben als Möglich ist, und ich bürge dafür, nicht der Unwürdigste Schüler seines tiefverehrten und Vielgeliebten Lehrers werden. Was er nach seiner Zurükkunft von Ifferten thun, wie, und auf welche Weise er Ihren Unterricht anwenden wird, kann freilich jezt noch nicht g e n a u bestimmt werden; auch habe ich ihm selbst abgerathen sich keine fixe Ide hierüber zu machen. Ist nur der M a n n erst da, so wird er sich den Würkungskreiss schon

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schaffen. Es ist im Weinberg Gottes genug zu thun, der Thätige braucht nicht lange in der Art seiner Beschäftigung zu wählen. I h r weiser Rath wird ihm nicht entstehen, und seinen Verhältnissen zu seinem Vaterland, dem jeder rechtliche Bürger zunächst seine Kräfte wiedmet – und den grossen Bedürfnissen desselben angemessen seyn. Und nun möge er hinziehen. Viel hat sich ihm entgegengesezt, doch Wiederstand übt die Kraft und ermüdet nur den Schwächling. Er zieht zu Ihnen guter lieber Vater! den ich so gerne auch noch in diesem Leben begrüssen, danken, lieben, verehren möchte! – Er trinke aus dem Quell der Weisheit, der Liebe, und labe wieder viel dürstende Hertzen. Viel wird er mir von Ihnen schreiben müssen, und was Gruner, Baur, Kampf, mir nicht (mehr schriftlich als Mündlich) mittheilen konnten, das sollen seine Erzählungen ergäntzen. So bald sich über seine Fortschritte und Ihre Hoffnungen etwas bestimmtes sagen lässt, so bitte ich dass Sie mir einmal gütige Nachricht von ihm geben lassen, um solche s c h u l d i g e r w e i s e zweyen Damen mittheilen zu können, die ihn zu Ausführung dieser Reise etc. bedeutend unterstüzt haben. Gottes Seegen über Sie würdiger Pestalozzi! ich bin mit meinem ganzen Hertzen die Ihrige Friedricke Bach geb[orene] Schumann.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 50, Umschlag 12/1 Bogen, 233 x 193 mm zwei Stempel ***, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 6 Z. 10 Z. 11 Z. 13 Z. 17 Z. 20

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Annaberg: lateinische Schrift Burckhard: lateinische Schrift Rösler: lateinische Schrift Rösler: lateinische Schrift Rösler: lateinische Schrift

97 Z. 27 Z. 29 Z. 72 Z. 74 Z. 79 f. Z. 90 Z. 98 Z. 98 Z. 99 Z. 99 Z. 99 Z. 100 Z. 103 Z. 104 Z. 108 Z. 137 Z. 138 Z. 138 Z. 149 Z. 150

eintrift, einige Burckhard: lateinische Schrift Dir: lateinische Schrift lateinische Schrift Burckhard: lateinische Schrift Burckhard: lateinische Schrift (2x) Wiesand: lateinische Schrift Pretzsch: lateinische Schrift Tüttner: lateinische Schrift Görliz: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Reinhards: lateinische Schrift Burkhard: lateinische Schrift Reinhard: lateinische Schrift Burckhard: lateinische Schrift Gruner: lateinische Schrift Baur: lateinische Schrift Kampf: lateinische Schrift Friedricke Bach: lateinische Schrift Schumann: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Magdalene Friederike Schumann (1778–1830) aus Esslingen (Baden-Württemberg) heiratet 1803 den in Buchholz (Sachsen) tätigen Kaufmann Gotthold Friedrich Bach (1770–1829). Das Paar hat vier Kinder.

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Z. 50 Z. 70–74 Z. 86

III. Buchholz: heute Stadtteil von Annaberg-Buchholz im Erzgebirge (Sachsen) Burckhard: Karl Friedrich Celestin Burkhart (1785–1857) ⇒ Nr. 1428 Rösler: Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845) ⇒ Nr. 1043 Hohentwiel: Berg und Festungsruine im Hegau (Baden-Württemberg) Ifferten: dt. Name für Yverdon schreiben zu lassen: scheint nicht erhalten zu sein Matth. 18,3 Sokrates: Sokrates (469–399 v.Chr.) von Athen war ein griechischer Philosoph, der als grundlegend für das abendländische Denken gilt, obwohl er keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen hat. Er entwickelte die Methode des strukturierten Dialogs, bei welcher die richtigen Antworten durch gezielte Fragen hervorgebracht werden (Mäeutik, Hebammenkunst). Wegen seines angeblich schlechten Einflusses auf die Attische Jugend wurde er zum Tod verurteilt. Obwohl es sich dabei um ein Fehlurteil handelte und er die Möglichkeit gehabt hätte, dem Tod zu entkommen, beugte er sich der Staatsgewalt und trank den Schierlingsbecher. Matth. 19,14 Es ist unklar, woher dieses Zitat stammt. Reinhard: Franz Volkmar Reinhard (1753–1812) studierte von 1773 bis 1776 Theologie in Wittenberg und habilitierte 1778 in den Fächern Philosophie

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und Philologie. 1780 wurde er ausserordentlicher Professor und Dekan der theologischen Fakultät, 1782 erfolgte die Berufung zum ordentlichen Professor der Theologie und ausserordentlichen Professor der Philosophie. Ab 1784 wirkte Reinhard als Probst der Schloss- und Universitätskirche von Dresden, von 1790 bis 1791 amtete er als Rektor der Universität Wittenberg, 1792 wurde er Oberhofprediger und Kirchenrat in Dresden, 1808 erhielt er eine Berufung zum Visitator der Universität Leipzig und im gleichen Jahr wurde er zum Vizepräsidenten des Dresdner Oberkonsistoriums ernannt. 1810 leitete er eine Visitation und Revision der sächsischen Universitäten und Fürstenschulen ein. Reinhard verfasste zahlreiche theologische Werke, vor allem Predigten. Wiesand: E. A. Wiesand ⇒ Nr. 856 Pretzsch: Gemeinde im Landkreis Wittenberg (Sachsen-Anhalt) Tüttner: Wilhelm Gottfried Küttner (†1814) aus Limbach (Sachsen) besuchte von 1794 bis 1800 eine der drei sächsischen Landesschulen, von April 1810 bis April 1811 war er Konrektor am Gymnasium in Görlitz, danach bis zu seinem Tod Konrektor an der Kreuzschule in Dresden. Proselyten: Neubekehrte Gruner: Gottlieb Anton Gruner (1778–1844) ⇒ Nr. 611 Baur: Damit könnte Karl von Bauer (1777–1847, ⇒ Nr. 758) gemeint sein. Kampf: Jakob Wilhelm Kämpf (1755/60–1811) ⇒ Nr. 1128

1144. Laué, de Luze & Co. 21. Mai 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «le 21e May» auf dem Brief Pestalozzis vom 24. April 1810 und Antwortvermerk «21.» auf dem Brief Pestalozzis vom 18. Mai 1810.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 2.69.32 und 2.69.33 Sacherklärung I.

Laué, de Luze & Co. ⇒ Nr. 322 III. Z. 4 Z. 5

Brief: PSB VII, Nr. 2042 Brief: PSB VII, Nr. 2068

99 1144 a. Jacob Francillon 29. Mai 1810 [Reg.] Francillon teilt Pestalozzi mit, dass es seinem Sohn Albert wieder besser gehe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 87.7 f. Sacherklärung I.

Jacob Francillon (1770–1846) aus Lausanne besucht die dortige Akademie (1784–1785) und steigt anschliessend ins Eisenwarengeschäft ein. 1795 wird er Teilhaber einer 1722 von seinen Vorfahren gegründeten Eisenhandlung, die unter dem Namen Veuve Francillon & Fils in dritter Generation weitergeführt wird. Im selben Jahr heiratet er Marie Susanne Gabrielle Mercier (1769–1828). Francillon wird Waadtländer Grossrat und Direktor der städtischen Börsengeschäfte (1795), Kriegsrat (1805), Bezirksrichter (1812), Mitglied des Conseil des Cents von Lausanne (1817) und 1819 Oberstleutnant. III. Z. 4

Albert: Albert Louis Francillon (1802–1840) weilte von 1808 bis 1810 als Schüler sowie von 1813 bis 1817/18 als Eleve am Institut in Yverdon und wurde anschliessend Eisenwarenhändler. In seiner Funktion als Kompagnon des Familienunternehmens Veuve Francillon & Fils reiste er häufig nach Frankreich, Deutschland und England. Francillon war Capitaine der Artillerie und amtete 1834 als Kriegskommissar. 1839 lehnte er seine bevorstehende Beförderung zum Major aus Krankheitsgründen ab.

1144 b. Margarete/Magarete/Margarethe Waser-Blank 5. Juni 1810 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 88.12 ff. Sacherklärung I.

Margarete/Magarete/Margarethe Waser-Blank (1766–1835) ⇒ Nr. 835

100 1144 c. Anna Barbara Bondt-Preisig Juni 1810 5

[Reg.] Anna Barbara Bondt schickt die Pensionskosten von 8 Louis d’or für ihren Enkel.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 93.20 ff. Sacherklärung I.

Anna Barbara Bondt-Preisig (1733–1815) stammt aus Schönengrund. Sie heiratet zwanzigjährig Hans Ulrich Bondt (1728–1771), der in Herisau (beide Kt. Appenzell-Ausserrhoden) einen Tuchwarenhandel betreibt. Nach dem Tod ihres Mannes dürfte sie sich in erster Linie um die Erziehung der fünf noch jungen Kinder gekümmert haben. Auch scheint sie sich ihrem Enkel Johann Martin Bondt (1795–1875, ⇒ Nr. 1133 a) mit angenommen zu haben, der in Herisau verblieb, als dessen Vater, Hans Conrad Bondt (1767–1817), 1805 nach Philadelphia auswanderte. III. Z. 4 Z. 5

Louis d’or: frz. Goldmünze Enkel: Johann Martin Bondt (1795–1872) ⇒ Nr. 1133 a

1145. Franz Adam Lejeune 12. Juni 1810 [Reg.] Antwortvermerk «rép. 12. juin» auf dem Brief Pestalozzis vom 10. Mai 1810.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 3/70 a Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2055

101 1145 a. Jacob Francillon 13. Juni 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 90.31 Sacherklärung I.

Jacob Francillon (1770–1846) ⇒ Nr. 1144 a

1146. Johann Wilhelm Henning und Georg Franz/Franz Georg Hofmann 13. Juni 1810 Jverdün am 13ten Juni. 1810. 5

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Veranlasst durch das ungerechte bloss auf fremde Aussage gegründete Urtheil des Herrn Krutzsch über den Herrn Haag, der sich von hier aus zu einer Lehrerstelle nach Erfurt gemeldet hat, bezeugen Unterschriebene als gewissenhafte Männer, einzig u[nd] allein in der Absicht die Ehre u[nd] Wirksamkeit eines, im Ganzen genommen, tüchtigen Mannes zu retten, u[nd] das Infamirende jenes Urtheils aufzuheben: dass sie den Herrn Haag für fähig halten, im Gesange u[nd] Clavierspielen, im Rechnen u[nd] in der Geometrie, wie diese Wissenschaft im hiesigen Institut gelehrt wird, in der Kalligraphie u[nd] Orthographie, in der deutschen Sprache u[nd] in der Geographie Unterricht zu erheilen, als in welchen Fächern Herr Haag nicht gemeine Kenntnisse besizt. – Ferner wissen sie, dass derselbe bisher mit Fleiss u[nd] Treue seine Lektionen gegeben, u[nd] die ihm übrigbleibende Zeit zu seiner weitern eigenen Ausbildung benuzt hat, wie auch, dass ein starker recht gesunder Körper ihm ausdauernde Anstrengung möglich macht. Mit wenigen Schülern wird er vielleicht mehr leisten, als mit einer zahlreichen Klasse. Hat er sich die moralischen Fehler wirklich zu Schulden kommen lassen, deren man ihn anklagt, so sind dieselben schon mehr denn zu hart aufgedeckt. – Wir kennen seine Fähigkeit zum Unterrichten, – die zum Erziehen hat er noch nicht dargethan; – – hier wenigstens nicht. – W[ilhelm] Henning. Hofmann.

Überlieferung 1 2

ZB Zürich, Ms Pestal 51/52, Umschlag 123/3 Bogen, 247 x 202 mm

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Datum am Schluss, Dorsualvermerk 13 Juni Henning u[nd] Hofmans Zeugniss über H[errn] Haag Original Textkritik

Zeuge H Z. 11 Z. 23

wie … wird ∫ Hofmann: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868, Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802)



Nr. 1021) und Georg Franz/Franz

II. Johann Christian Haag (†1823, ⇒ Nr. 1356 a) hatte sich bei Peter Friedrich Ludwig, Graf von Holstein-Oldenburg (1755–1829, ⇒ Nr. 1140 a) um eine Lehrerstelle beworben, obwohl Pestalozzi ihm davon abgeraten hatte, da er ihn für noch nicht genug ausgebildet hielt (PSB VII, Nr. 2088). Darauf hin hatte sich Karl Leberecht Krutzsch (1772–1852, ⇒ Z. 6) mit einem negativen Zeugnis für Haag in die Diskussion eingemischt, was zur Folge hatte, dass Haag die anvisierte Stelle nicht erhielt. Das hier vorliegende Zeugnis von Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868, ⇒ Nr. 1021) und Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) sollte das Urteil über Haag nun zumindest teilweise revidieren, allerdings ist unklar, ob sich diese Beurteilung an Pestalozzi richtete. III. Z. 5

Z. 6

Z. 6

Urtheil: Da sowohl das Bewerbungsschreiben von Johann Christian Haag (†1823, ⇒ Nr. 1356 a) als auch das negative Zeugnis von Karl Leberecht Krutzsch (1772–1852, ⇒ Z. 6) nicht erhalten zu sein scheinen, ist unklar, was genau die Vorwürfe waren. Krutzsch: Karl Leberecht Krutzsch (1772–1852) studierte zunächst in Leipzig Theologie, später folgten Studien in philosophischer und naturwissenschaftlicher Richtung, bevor er bei einem der Grafen von Schönberg eine Stelle als Lehrer und Erzieher annahm und mit seinem Zögling zu Ausbildungszwecken 1805 nach Braunschweig ans Collegium Carolinum und von 1808 bis 1810 nach Yverdon reiste. Von 1814 bis 1849 war Krutzsch als Lehrer für Physik und Chemie an der Forstakademie in Tharandt (Sachsen) tätig und veröffentlichte mehrere Schriften sowie Lehrbücher auf dem Gebiet der forstwirtschaftlichen Bildung und dessen Unterrichts. Haag: Johann Christian Haag (†1823) ⇒ Nr. 1356 a

103 1147. Johann Wilhelm Kranz 19. Juni 1810 Dittmannsdorf bey Waldenburg in Schlesien den 19 ten Juni 1810. 5

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Wohlgebohrner Herrr, hochgelehrter, Besonders höchst verehrter Herr Director! E[ue]r Wohlgebohren umfassten als Mensch und Pädagoge, alle Ihre Mitmenschen. Dies mindert meine Schüchternheit und macht mich dreist, mich mit einer ergebensten Bitte an Sie zu wenden. «Als Vater zweyer Söhne, von 7–9 Jahren, als Lehrer derselben und als Freund des Bessern, wünsche ich schon seit Jahren, in Ihrem Geiste unterrichten und erziehen zu können. Allein mein Vorhaben, das ich als ehemaliger Feldprediger fasste, mich unmittelbar in Ihrem Institute in Ihren Geist einweihen zu lassen, wurde durch das Unglück, was unsern Staat im letztern Kriege und somit auch mich als Feldprediger traf, gänzlich vereitelt. Als jetziger Civil-Geistlicher auf dem Lande, ist mirs unmöglich selbst zu kommen, da ich mir keinen Vertreter für meinen Posten, schaffen kann. Und noch länger auf d i e Lehrer zu warten, welche unser Staat in Ihr Institut gesendet haben soll, damit sie Ihre Methode erlernen und Lehrer unsers Landes werden, das verbietet mein sehnlicher, ja heisser und glühender Wunsch, meine Kinder nun je eher je lieber in Ihrem Geiste unterrichtet und erzogen zu sehen. Diesem Wunsche kann in meiner Lage unmöglich anders, als durch einen Lehrer Ihrer Schule, der Lust hat, sein Vaterland mit einem fremden Lande zu vertauschen, Genüge geleistet werden. Könnten Sie mir nun einen Lehrer (von Wollen rede ich nicht, da Ihr menschenfreundliches Herz allen Ihren Schriften aufgedrückt ist) wie ich ihn für meine Lage brauche, verschaffen, so würden Sie sich nicht um eine, sondern um mehrere Familien, unendlich verdient machen. Um Sie nun in den Stand zu setzen, mir und andern nützlich werden zu können, so eile ich, Sie mit den nothwendigen E i g e n s c h a f t e n , mit den R e c h t e n und P f l i c h t e n eines aus Ihrer Schule mir zu wünschenden Lehrers, näher bekannt zu machen. I Was die Eigenschaften des zu wünschenden Lehrers betrift, so muss er 1) mit Ihrem Geiste zu unterrichten und zu erziehn, so weit vertraut seyn, als man es durch Ihren gedruckten Unterricht und durch Ihre practische Anweisung im Institute, nur seyn kann. 2) Er muss daher practischen Unterricht im Lesen, Rechnen und Schreiben nach Ihrer Methode ertheilen und fer-

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ner, wenigstens anwinken können, wie man Ihre Methode (so weit dies nehmlich bisher in Ihrem Institute geschehen ist) auch auf die übrigen Gegenstände des menschlichen Wissens, als auf Sprachen und Wissenschaften anwenden könne. 3) Er muss nahmentlich fertig lateinisch und französisch sprechen und schreiben können, reine und angewandte Mathematic verstehen und wo möglich die Fähigkeit besitzen, den ersten Unterricht im Zeichnen zu ertheilen. Kann er dies, so wird er, nach der durch die Erfahrung bestätigten Wahrheit, docendo discimus, auch fähig seyn und werden; seine Schüler weiter zu führen. 4) Wünsche ich, dass er die Wissenschaften wenigstens in so weit aufgefasst habe, als man es billiger Weise von einem Manne verlangen kann, der sich auf der Schule und der Universität, damit befasst hat. 5) Bey jedem andern würde ich noch hinzusetzen, dass er ein unbescholtner moralischer Mann seyn muss. Bey Ihnen aber verliere ich deshalb kein Wort, weil die Nothwendigkeit d i e s e r Eigenschaft, schon aus dem Ganzen hervorgeht. Da ich aber nicht im Stande bin, einen Lehrer von diesen Eigenschaften, für mich allein zu unterhalten, so werde ich, so bald ich so glücklich bin, Ihr Wort in so fern zu erhalten, dass ich einstens auf meine zweyte Anzeige, einen Lehrer dieser Art bekommen kann, meine Absicht dem Publicum bekannt machen und etwa 8 bis 10 Knaben, wo möglich von gleichem Alter mit den Meinigen, in Pension nehmen. Diese Anzahl von Knaben zu erhalten, dünkt mir um so weniger schwierig zu seyn, da ich in einer gesunden Gegend, in einem geräumigen Hause wohne, das auf allen Seiten, mit einem bedeutenden für einen Erzieher aber leicht zu übersehenden Garten, umgeben ist; da ich ferner als Leiter und Lehrer eines Instituts in Schweidnitz, das an 60 Kinder fasste, nicht ohne Zutrauen und Nutzen, wie ich glaube, arbeitete. Sollten endlich, dieser Gründe ohngeachtet, noch Bedenklichkeiten von Seiten der Aeltern statt finden, so sind sie mit einem Mahle alle beseitigt, wenn ich bey der öffentlichen Bekanntmach[ung] sagen darf, dass Sie mir einen Lehrer Ihrer Schule, wie ich ihn jetzt näher geschilde[rt ha]be, zu seiner Zeit senden würden, so bald die Anzahl von 8–10 Zöglinge[n v]oll seyn würde. II Was [die] Rechte eines pflichtliebenden, mit Ihrem Geiste und Ihrer Methode ausgerüs[teten] Lehrers betrifft, so bin ich mit jedem Vernünftigen einverstanden, dass [ein] solcher eigentlich gar nicht zu bezahlen ist. Ich bin daher gerne erbötig, alles [zu]

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leisten, was in meinen Kräften steht. In dieser Hinsicht wage ich es nicht 1) sein jährliches Salarium in klingendem Preussischen Courante selbst zu bestimmen. Er fordere! Was nur meine Casse vermag, das werde ich ihm bewilligen. 2) Ausserdem erhält er freye Station, so wie sie ein Prediger in unserm Lande geben kann, das heisst früh Kaffee und Butterbrod, zu Mittage Suppe, Gemüse, Fleisch und Bier und Butterbrod, oder statt des Fleisches Braten, den Tag über ebenfalls Bier, des Abends Suppe ein Gerichte oder statt dessen kalten Braten oder was sonst die Jahreszeit giebt, nebst Butterbrod. Nächstdem erhält er, wie sichs von selbst versteht, freyes Licht und die nöthige Bedienung, zwey Zimmer für ihn und die Eleven zum Wohnen und zum Unterricht, ein geräumiges Zimmer für sie und ihn zum Schlafen. Die Wäsche endlich, wird ihm unentgeldlich gewaschen. 3) Seine einstige Versorgung als Pädagoge oder als Prediger, findet er hier mit der Zeit gewiss, theils durch sich selbst, theils hoffentlich auch, durch Mithülfe der Aeltern der zu unterrichtenden Kinder, besonders wenn er als Prediger angestellt zu werden wünscht. 4) Endlich kann er auch, als pflichtliebender Lehrer und Erzieher, auf das freundschaftlichste Verhältniss in meinem Hause rechnen. III In Ansehung der von ihm zu leistenden Pflichten, glaube ich, dass 26 bis 28 Stunden wöchentlicher Unterricht um so m[ehr] für die gedachten Schüler hinreichend seyn würden, da ich neben her [se]lbst mit Unterricht ertheilen will. 2) Als Erzieher führt er die [Auf]sicht über die Kinder, auch ausser den Unterrichtsstunden. Diese Aufsich[t w]ird ihm durch den Theil des Gartens, den er von seiner Arbeitsstube n[och] übersehen kann, ungemein erleichtert werden. Gerne werde ich ihm sein Erziehungsgeschäfte zur Zeit der für ihn nöthigen Erhohlung, durch [Ver]tretung erleichtern, so bald mirs meine Kirchlichen Amtsgeschäfte, verstatten. Diese und ähnliche Punkte sollen, so wie er mit mir in nähere Correspondenz tritt, so genau als möglich, nach Recht und Billigkeit um so mehr bestimmt und ausgeglichen werden, da ich in meinem künftigen Lehrer und Erzieher, zugleich den Freund zu achten und zu lieben gedenke.» Ihrer gütigen Antwort sehe ich mit Sehnsucht entgegen. Innig wird Ihnen derjenige dafür danken, der mit der grössten unbegrenzten Verehrung die Ehre hat, zu verharren E[ue]r Wohlgebohren ganz gehorsamster Kranz, evangelisch-lutherischer Prediger.

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ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 170/1 Bogen, 229 x 187 mm Ausriss Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 4 Z. 4 Z. 50 f. Z. 76–83 Z. 85 Z. 86 Z. 106–114 Z. 115 Z. 121

Dittmannsdorf: lateinische Schrift Waldenburg: lateinische Schrift Juni: lateinische Schrift docendo discimus: lateinische Schrift Ausriss Salarium: lateinische Schrift Courante: lateinische Schrift Ausriss ähnliche Punkte eigentlich: wird wird Ihnen Sacherklärung I.

Johann Wilhelm Kranz (1766–um 1830) wird in Przemków (Primkenau, Niederschlesien) geboren. Über seine Person ist wenig bekannt. Kranz ist zunächst als Erzieher bei einem Kaufmann Weber in Schmiedeberg (wahrscheinlich das heutige Kowary in Niederschlesien) tätig. 1799 wird er in Potsdam zum Pastor ordiniert und zugleich zum Feldprediger des Steinwehrschen Infanterieregiment in Swidnica (Schweidnitz, Niederschlesien) ernannt. Um 1811 gründet er im schlesischen Dziecmorowice (Dittmannsdorf) eine private Erziehungsanstalt, der er bis zu seinem Tod vorsteht. III. Z. 4 Z. 4 Z. 11 Z. 25 f. Z. 50 f. Z. 71

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Dittmannsdorf: dt. Name für Dziecmorowice (Niederschlesien Waldenburg: dt. Name für Walbrzych Glowny (Niederschlesien) zweyer Söhne: konnten nicht näher bestimmt werden Lehrer: Es ist unklar, ob dieser Plan umgesetzt wurde. docendo discimus: durch lehren lernen wir (lat.) Instituts: In dieser Erziehungsanstalt wurden Kinder aus höheren Schichten unterrichtet. Zudem soll Johann Wilhelm Kranz (1766–um 1830, ⇒ Sacherklärung I.) dort auch Lehrer ausgebildet haben. Nach Kranz’ Tod wurde die Anstalt geschlossen. Schweidnitz: dt. Name für Swidnica (Niederschlesien)

107 1148. Passavant & Faesch 20. Juni 1810 5

Monsieur Monsieur Pestalozzy Yverdun. Basle 20 Juin 1810

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Monsieur Nous vous transmettons inclus une lettre que nous venons de recevoir pour Madame Ch[arlot]te Kulenkamp de Bréme. L’on nous a dit à l’auberge où cette Dame a demeuré, qu’elle est repartie hier matin pour Schaffouse; nous ignorons son adresse dans les villes par lesquelles elle passera dans sa tournée en Suisse; mais nous supposons qu’elle s’arrêtera dans votre ville, et vous prions en conséquence de vouloir bien lui remettre l’incluse. M[onsieu]r Kulencamp en nous la transmettant, nous préviennent avoir donné à cette Dame un crédit sur nous de mille Louis. Veuillez, Monsieur la prévenir en conséquence que nous sommes prêts à lui faire tenir l’argent dont elle aura besoin, de la manière qu’elle préférera, soit en acquitant ses Traites sur nous, soit en lui faisant à Yverdun des envois d’espèces, soit enfin ici, comme cela lui conviendra. Dans le cas où des nouvelles lettres nous parviendroient pour Mad[ame] Kulenkamp, nous lui serions fort obligés de vouloir bien nous faire connaître son adresse. Nous avons l’honneur de vous saluer avec beaucoup de Considération. Passavant et Faesch

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 54a, Umschlag 277/1 Bogen, 248 x 202 mm Feuchtigkeitsspuren Stempel BASLE 20 JUIN Original Textkritik

Zeuge H

108 Sacherklärung I. Hans Franz Passavant (1751–1834) gründet 1800 das Basler Bankhaus Passavant & Cie., das sich mit fünf weiteren Privatbanken 1854 zum Basler Bankverein zusammenschliesst, aus dem der Schweizerische Bankverein hervorgeht, der 1998 mit der Schweizerischen Bankgesellschaft zur UBS fusioniert. Die Söhne von Hans Franz Passavant ergreifen unterschiedliche Berufskarrieren: Emanuel Passavant (1785–1842) übernimmt das Bankgeschäft und forciert den Ausbau der Basler Börse, Theophil Passavant (1787–1864) wird Pfarrer an der Basler Kirchgemeinde St. Jakob, gründet 1830/31 den sozialkaritativen Verein für Sonntagssäle und engagiert sich für Weiterbildungen der Arbeiter. Die Tochter Margaretha Elisabeth Passavant (1783–1859, ⇒ Brief vom 22. März 1818) heiratet 1801 den Kaufmann Emanuel Faesch (1772–1827), der im selben Jahr Teilhaber der Bank wird. Die Basler Familie Faesch steigt seit dem 15. Jahrhundert durch geschickte Heiratspolitik in die wirtschaftliche und politische Oberschicht Basels auf und betreibt während mehr als hundert Jahren bedeutende Plantagen auf Surinam mit Sklavenhaltung. III. Z. 9 Z. 10

Z. 15 Z. 17

lettre: scheint nicht erhalten zu sein Kulenkamp: Charlotte Amalia Platzmann (1777–1862) aus Lübeck war seit 1794 mit Arnold Kulenkamp (1770–1826, ⇒ Nr. 902) verheiratet. Nach dessen Tod heiratete sie den aus Lübeck stammenden, zeitweise in Bremen als Pfarrer amtierenden Philosophieprofessor und königlichen Hofrat Johann Friedrich Koeppen (1775–1858) in Erlangen. Kulencamp: Arnold Kulenkamp (1770–1826) ⇒ Nr. 902 Louis: Grossilbermünze

1149. Heinrich Remigius Sauerländer 20. Juni 1810 5

S[eine]r Wohlgeboren Herrn Heinrich Pestalozzi in Yverdun. Aarau d[en] 20. Juny 1810.

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E[ue]r Wohlgeboren haben noch bis diesen Augenblick die Revision des dritten Bogens nicht zurückgesandt, und dieser Aufenthalt ist äusserst verdrieslich und nachtheilig für mich. Ich kam in der gewissen Hoffnung von Leipzig zurück, der Druck des 2 ten Heftes vom 3 ten Band werde schon beendiget seyn, und finde ihn zu meinem Leidwesen kaum um einen Bogen vorgerückt! – Gewiss erschweren Sie mir dadurch dieses Geschäft ausserordentlich, und schon in der Leipziger Messe

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bestürmte man mich wegen der Fortsetzung, über deren Ausbleiben die meisten Abonnenten höchst unwillig sind, und die Verspätung unbilligerweise nur der Verlagshandlung zur Last legen. – Lassen Sie uns doch ums Himmelswillen den Druck etwas rascher beendigen, und senden Sie mir doch ja künftig nur rein korrigirtes Manuscript, damit die Korrekturen nicht so mühsam und so aufhaltend werden. Ueberhaupt ist es im Ganzen Jammerschade, dass diese Wochenschrift, die immer mehr Freunde und Abnehmer in Deutschland findet, nicht rascher und thätiger fortgesetzt wird. Die Abonnentenzahl hat sich auch in der verflossenen Leipziger Messe wieder vermehrt, und würde sich immer in der Folge noch mehren, wenn die Herausgabe nicht gar zu sehr verzögert, und die Hefte regelmässiger erscheinen würden. Beherzigen Sie doch also meine dringende Bitte, und senden mir mit umgehender Post die Revision und das revidirte Manuscript wieder zurück; ich bitte Sie inständigst darum. Dass Gräff in Leipzig mit 80’000 Ex[emplaren] fallirt hat, werden Sie bereits erfahren haben. Wenn Sie an ihn zu fordern haben, so ist es verlohren; sollten Sie aber noch etwas an ihn zu vergüten haben, so bitte ich es auf meine Rechnung zu stellen, als ob Sie es an mich schon vor der Messe bezahlt hätten, indem ich einen bedeutenden Saldo an ihm verliehre, und Sie auf diese Art mir eine besondre Gefälligkeit erweisen. Wie geht es auch mit den Elementarbüchern, die man nirgends mehr zu finden weiss, und doch ist im Buchhandel öfters Nachfrage darnach. Ich würde gerne eine Parthie davon in Commission nehmen. Eben so würde ich mit Vergnügen das Volksbuch: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, in Verlag nehmen und bitte desfalls um Ihre Bedingungen, die nun Gräff nicht mehr wird erfüllen können. In dieser Erwartung habe ich die Ehre mit innigster Hochachtung und Freundschaft zu unterzeichnen E[ue]r Wohlgeboren ganz ergebenster H[einrich] R[emigius] Sauerländer

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 316/1 Bogen, 236 x 192 mm Stempel ARAU, Oblate, Dorsualvermerk Arau 20 Juny 1810. Sauerländer Original

110 Textkritik Zeuge H Z. 5 Z. 7 Z. 10 Z. 27 Z. 31 Z. 31 Z. 33 Z. 33 Z. 38 Z. 41

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Revision: lateinische Schrift würde sich Revision: lateinische Schrift revidirte: lateinische Schrift Leipzig: lateinische Schrift fallirt: lateinische Schrift Saldo: lateinische Schrift ist ∫ Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084 III. Z. 10 Z. 33 Z. 40

Z. 44

dritten Bogens: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811) Gräff: Johann Heinerich/Heinrich Gräff (1765–1827) ⇒ Nr. 678 Elementarbüchern: Johann Heinrich Pestalozzi: ABC der Anschauung, oder Anschauungs-Lehre der Massverhältnisse. Zürich 1803 (PSW XV, S. 175– 340); Johann Heinrich Pestalozzi: Buch der Mütter, oder Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und reden zu lehren. Zürich 1803 (PSW XV, S. 341–424); Johann Heinrich Pestalozzi: Anschauungslehre der Zahlenverhältnisse. Zürich: 1803/1804 Wie Gertrud: Johann Heinrich Pestalozzi: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, ein Versuch den Müttern Anleitung zu geben, ihre Kinder selbst zu unterrichten, in Briefen. Bern/Zürich 1801 (PSW XIII, S. 181–359)

1150. Abraham Meyer 24. Juni 1810 5

Herrn Herrn Pestalozzy Yverdon Mülhausen den 24. Juny 1810

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Lieber Vater Pestalozy – Sie werden ohne Zweifel schon gehöhrt haben, wie Tobler auf die unverzeihlichste Weise sein hiesiges Unternehmen vernachlässiget hat, und nach gänzlich verlohrenem Zutrauen seine Schule aufgeben muss. Eines der Opfer des ihm geschenkten Zutrauens, ein

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Sohn von Herrn Michael Hartmann von hier, der aber in Münster wohnt, wird mit H[errn] Zuberbühler nach Iferten kommen, um bey Ihnen im Institut zu bleiben. Dieser Knabe ist nun schon zum drittenmale durch Umstände gezwungen, in seiner Bildung unterbrochen worden. Er war ein halbes Jahr bey Tobler in der Kost, er ist aber gänzlich verwahrloost worden. Sein Vater hat mich gebeten, Ihnen zu schreiben, um Sie zu ersuchen, denselben, unter die Zahl Ihrer Zöglinge aufzunehmen. Ich hoffe Sie werden mich keine Fehlbitte thun lassen. H[err] Zuberbühler wird noch mündlich mit Ihnen wegen dem, dem Knaben anzuschaffenden Bete sprechen. Unsere Armenschule, geht unter der kraftlosen Leitung H[errn] Toblers einen schläfrigen Gang, und dieser Würkungs Kreis, der der Leitung eines vorzüglichen Mannes würdig gewesen wäre, und der zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, ist nicht benuzt worden. Doch lassen wir das angefangene Werk nicht sinken, wir werden im Gegentheile trachten, diese Schule, zu einer öffentlichen Stattschule für die Kinder der Armen zu erheben, und hoffen, dass durch den officiellen Caracter der derselben dadurch zu theil wird, der Unternehmung Dauer zu geben, und uns Zeit lassen wird, auf wirksame Mittel zum Succes, zu denken. Und Sie werden einstweilen die beyden Knaben, die Sie auf eine so grossmüthige Weise aufgenommen haben, noch bey Ihnen lassen, und bitten Sie unsere Unternehmung dadurch dass Sie solche noch ferneres behalten, brauchbare Stüzen für die Zukunft zu bereiten. Meine Frau grüsst Sie und Mutter Pestalozy herzlich. Leben Sie wohl, leben Sie glüklich und noch lange, zum Heil des angefangenen Werkes. Ihr ergebenster Freund Meyer Zürcher

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 219/2 Bogen, 237 x 184 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 6 Z. 8

Pestalozzy: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Pestalozy: lateinische Schrift

112 Z. 31 Z. 33 Z. 38 Z. 42

officiellen Caracter: lateinische Schrift Succes: lateinische Schrift Pestalozy: lateinische Schrift Meyer Zürcher: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Abraham Meyer (1774–1832) ⇒ Nr. 1047 II. ⇒

Nr. 1116 III.

Z. 9 Z. 10 Z. 13 Z. 13

Z. 14 Z. 14 Z. 24 Z. 34

Z. 38 Z. 38

Tobler: Johann Georg Tobler (1769–1843) ⇒ Nr. 500 hiesiges Unternehmen: ⇒ Nr. 1116 Sohn: Adam Nicolas Hartmann (1798–1824) aus Mulhouse besuchte von 1810 bis 1816 die Anstalt in Yverdon und wurde danach Kaufmann. Michael Hartmann: Johann Michael Hartmann (1771–1823) aus Mulhouse war Textilfabrikant und heiratete 1791 Anna Catherine Schlumberger (1767–1813). Zuberbühler: Johann Konrad Zuberbühler (1787–1858) ⇒ Nr. 1116 Iferten: dt. Name für Yverdon Armenschule: ⇒ Nr. 1047 beyden Knaben: Dabei dürfte es sich um Ferdinand Dollfuss (1798–1824), Sohn von Daniel Dollfuss (1769–1818, ⇒ Nr. 339) aus Mulhouse und um seinen Cousin Josua Dollfuss (1796–1887) aus dem nahe liegenden Lutterbach handeln. Die Knaben wohnten in Yverdon als Pensionäre bei Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802). Ferdinand wurde Indiennefabrikant und verstarb in Paris. Josua wurde Kunstmaler in Mulhouse und Paris. Frau: Elisabeth Meyer-Zürcher (1780–1861) ⇒ Nr. 1044 Mutter Pestalozy: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1150 a. Johannes Häfeli 30. Juni 1810 5

[Reg.] Häfeli schickt eine Schachtel mit Kupferstichen, Schweizerlieder und Geld für seinen Sohn.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 100.24 ff.

113 Sacherklärung I. Johannes Häfeli (1774–1846) aus Zürich ist evangelischer Pfarrer und arbeitet zuerst in Azmoos, von 1804 bis 1807 in Krinau (beide Kt. St. Gallen) und anschliessend in Affeltrangen (Kanton Thurgau) und Bauma (Kt. Zürich). 1798 heiratet er Anna Maria Jäck (1774–1845) aus Müllheim (Kt. Thurgau); das Paar hat fünf Kinder. III. Z. 4

Sohn: Johannes Häfeli (*1799) ⇒ Brief vom Februar 1820

1150 b. Friedrich Ludwig Briegleb 4. Juli 1810 [Reg.] Briegleb erkundigt sich nach einem Lehrer für Herrn von Pretbach.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 96.24 ff. Sacherklärung I.

Friedrich Ludwig Briegleb (1782–1838) ⇒ Nr. 1105

Z. 4 Z. 4

III. Lehrer: Da Pestalozzi diese Anfrage abschlägig beantwortete, wurde auch kein Lehrer nach Rimhorn (heute Teil von Lützelbach, Hessen) geschickt. Pretbach: Vermutlich ist hier Karl Friedrich Ludwig Freiherr von Pretlack (1769–1830) gemeint. Der grossherzoglich Hessisch-Darmstädtische Kammerherr und Oberhofmeister entstammte einem Hessischen Adelsgeschlecht und hatte aus vier Ehen – wobei er in dritter Ehe mit Louise Friederike von Riedesel (1780–1809), einer Tochter aus der Familie, in welcher Friedrich Ludwig Briegleb (1782–1838, ⇒ Nr. 1105) als Erzieher arbeitete, verheiratet war – fünf Kinder: Karl August (1802–1824), Luise (1805–1831), Karl Ludwig (1807–1808), Karoline Johanne Jeannette (1809–1838) und Sophia (1814–1847).

114 1150 c. Charles Panchaud 6. Juli 1810 5

[Reg.] Panchaud erkundigt sich, weshalb die Fortschritte seines Sohnes im Schreiben so gering seien.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 95.5 ff. Sacherklärung I.

Charles Panchaud soll aus Ouchy bei Lausanne stammen, ist aber weder in den entsprechenden Geburts- noch Sterberegistern aufzufinden; welcher von den anderen Panchaud dann hier gemeint sein könnte, ist aufgrund der wenigen Hinweise unklar, da weder ein Sohn Charles im entsprechenden Alter verzeichnet ist (⇒ Z. 4), noch einen Vater Charles, der einen Sohn mit ebendiesem Vornamen hat. III. Z. 4

Sohnes: Charles Panchaud war von 1809 bis 1810 Schüler an Pestalozzis Institut in Yverdon und soll aus Ouchy bei Lausanne stammen. In den Geburts- und Sterberegistern lässt sich aber kein Charles finden, der vom Alter her als Schüler in Frage käme.

1150 d. Margarete/Magarete/Margarethe Waser-Blank 6. Juli 1810 5

[Reg.] Frau Waser erkundigt sich nach dem Verbleib eines Koffers und nach den Büchern für Herrn Meyer.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 97.10 ff. Sacherklärung I.

Margarete/Magarete/Margarethe Waser-Blank (1766–1835) ⇒ Nr. 835 III. Z. 5

Meyer: Abraham Meyer (1774–1832) ⇒ Nr. 1047

115 1151. Ernst Karl Kleinschmidt 7. Juli 1810 Heidelberg den 7 ten Jul[i] 1810. 5

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Verehrter Freund! Vor ungefähr 8 Tagen entwich der Sohn, eines meiner besten Freunde, des Herrn Kirchenrath Abeggs von hier aus seinem elterlichen Hause, – der nächste Grund seiner Entweichung war die Verführung eines bösen Buben, Sembelino von hier, der ihn, in eigner, längst-wüster Zerrüttung mit sich fortzog. Ein andrer Grund, der ihn wohl diesen Schritt vor ihm selber rechtfertigte, war sein tiefer Hang zu allem Abentheuerlichen, verbunden mit dem s c h r e c k l i c h s t e n H a s s e g e g e n e i n g e w i s s e s Volk, das vielleicht die Lust trieb, alles zu lassen und sich, auf welchem Wege es immer sein könnte, nach England hinüber zu schiffen. Die trefflichen Eltern dieses kräftigen Knaben lebten natürlich, diese Tage über, in einer schrecklichen Angst der Ungewissheit, ihr Herz wurd, auf mancherlei Art, fast zerrissen. – Und Heute früh, wo ich den Vater besuchte kommt ihm ein Brief seines Sohnes aus Basel, den ich Ihnen hier, wörtlich, beilege. – Den guten Vater schmerzte, nach seiner Aussage, weniger der Verlust des Sohnes, als der Verlust den der Sohn an der Liebe erlitt, dass ihm diese, mit dem Vertrauen zu den Eltern so völlig aus dem Herzen fiel – den treflichen Vater erfreuet nun, mit Recht, mehr als der Sohn den er wieder gefunden, der Gewinn der Liebe und des kindlichen Vertrauens, den der reuige Sohn aufs neue, an seinem Hertzen erfährt. – Wir wünschen nur, dass er, unergriffen von den Schweizerischen Polizeibehörden, die von hieraus sein Signalement erhielten, Sie in Yverdun erreicht haben möchte. Es ist des Vaters Wille, den Knaben Ihrem Institute zu übergeben. Ist er bei Ihnen, so ersuchen wir Sie, ihn zu behalten, und ihn glauben zu machen, dass er unentgeldlich, bei Ihnen lebe – doch die Nota aller Kosten für ihn Herrn Kirchenrath Abegg, der ihn jetzt, vom göttlichen Geschicke Ihnen zugeführt glaubt, zu übersenden. Halten Sie denn auch den kräftigen liebens würdigen Knaben, wie m e i n e n S o h n , wie m e i n e n Bruder; sein braver Vater der eine Zeitlang mein Lehrer und Erzieher war, ist ja auch noch, nach lhnen, mein Einziger, mein bester Vater gewesen.

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Mit meiner innigen Bitte um Ihre baldige Antwort bleibe ich mit herzlichen Grüssen an alle Ihr ganz eigner Kleinschmid

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 165/1 Bogen, 191 x 115 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 9 Z. 9 Z. 10 Z. 11 Z. 14 Z. 17 f. Z. 27 Z. 28 f. Z. 32 Z. 35 Z. 43

Sembelino: lateinische Schrift Sembelino von hier ∫ eigner ∫ wohl diesen vielleicht ∫ Ungewissheit, ihr er, unergriffen Signalement: lateinische Schrift Nota: lateinische Schrift denn auch ∫ Kleinschmid: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Ernst Karl Kleinschmidt (1775–1847) ⇒ Nr. 723

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III. Sohn: Friedrich Julius Abegg (1795–1820) aus Heidelberg machte eine Ausbildung zum Ingenieur in Ulm und war von 1815 bis 1818 Artillerieleutnant in Karlsruhe. Abeggs: Johann Friedrich Abegg (1765–1840) ⇒ Nr. 1151 a Sembelino: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Brief: Der hier von Ernst Karl Kleinschmidt (1775–1847, ⇒ Nr. 723) erwähnte Brief scheint nicht erhalten zu sein. Er wird jedoch erwähnt in: Walter Abegg/Jolanda Abegg (Hrsg.): Ein Schüler von Pestalozzi. Das Leben von Friedrich Julius Abegg, zusammengestellt nach Briefen und schriftlichen Aufzeichnungen. Stäfa 1983.

117 1151 a. Johann Friedrich Abegg 8. Juli 1810 5

[Reg.] Abegg teilt Pestalozzi mit, dass sein Sohn von zu Hause ausgerissen sei und sich auf dem Weg nach Yverdon befinde und bittet ihn, ihn als Zögling aufzunehmen ohne ihn wissen zu lassen, dass sein Vater für die Pensionskosten aufkomme.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 97.7 ff. Sacherklärung I.

Johann Friedrich Abegg (1765–1840) ist von 1789 bis 1794 Konrektoratsverweser am reformierten Heidelberger Gymnasium und seit 1790 auch Professor für Philologie an der Theologischen Universität Heidelberg. 1794 tritt er eine Pfarrstelle in Boxberg (Baden) an, wo er auch das Inspektorat übernimmt. 1807 wird er zum Assessor und ausserordentlichen Mitglied des Oberkirchenratskollegiums in Karlsruhe berufen und 1819 auf eine ordentliche Professur für Theologie in Heidelberg, nachdem er 1818 an der Universität Heidelberg promoviert hat. II. Der Inhalt und die Entstehungsgeschichte dieses nicht erhaltenen Briefes kann weitgehend aus dem Brief von Ernst Karl Kleinschmidt (1775–1847, ⇒ Nr. 723) rekonstruiert werden, den dieser am 7. Juli 1810 (⇒ Nr. 1151) verfasst hatte.

Z. 4

III. Sohn: Friedrich Julius Abegg (1795–1820) ⇒ Nr. 1151

1151 b. Elisabeth Bourgeois-Terroux Juli 1810 5

[Reg.] Elisabeth Bourgeois erkundigt sich nach dem Stundenplan und dem Tagesablauf ihres Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 114.14 ff.

118 Sacherklärung I. Elisabeth Bourgeois-Terroux (1759–1822), Tochter eines Genfer Uhrmachermeisters, lässt sich im Atelier des renommierten Künstlers Jean François Favre (1751–1807) zur Emailmalerin ausbilden. Durch ihre ersten eigenständigen Arbeiten, es sind vor allem Miniaturportraits, erhält sie grosse Anerkennung und es gehen bald viele Aufträge aus ganz Europa ein. 1805 heiratet sie den Lausanner Privatier David Benjamin Bourgeois (1750–1809), der 1770 nach Surinam ausgewandert war und die dort unehelich gezeugten Kinder Jeanne Marie (*1791) und Louis Henri (1800–1834, ⇒ Z. 5) in die Ehe mitbringt. Elisabeth Bourgeois gilt als Förderin der Frauenmalerei; einerseits, weil sie selbst einige junge Mädchen ausbildet, andererseits aber auch durch ihr Engagement an der Genfer Zeichenschule, der Académie des jeunes filles. II. Auf den 1. Juli und den 1. Januar wurde den Eltern jeweils ein ausführlicher Bericht über ihre Kinder sowie die Halbjahresrechnung geschickt. Da sich diese Informationen im Sommer 1810 wegen der grossen Arbeitsbelastung verzögert hatten (vgl. PSB VII, Nr. 2167), hatte sich Elisabeth Bourgeois-Terroux (1759–1822, ⇒ Sacherklärung I.) danach erkundigt.

Z. 5

III. Sohnes: Louis Henri Bourgeois (1800–1834) wurde in Demerara (Surinam) geboren. Sein Vater brachte ihn ohne die unbekannte, vermutlich dunkelhäutige Mutter im Alter von drei Jahren nach Lausanne zurück. Nach seinem Aufenthalt an Pestalozzis Institut in Yverdon (1807–1811) studierte er Naturwissenschaften in Genf (1817–1819) und in Paris (ab 1820), Theologie in Lausanne (1819) und Forstwissenschaften in der Schweiz (um 1824). Ab 1831 bis zu seinem Tod war er Waadtländer Grossrat und Staatsrat.

1151 c. Balthasar Pfister Juli 1810 5

[Reg.] Pfister beklagt sich, dass die von Pestalozzi empfohlenen Lehrer die angebotene Stelle in Schaffhausen nicht antreten wollen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 114.28 ff. Sacherklärung I.

Balthasar Pfister (1757–1825) prägt seit 1790 als Inhaber verschiedener wichtiger Verwaltungs- und Regierungsämter die Politik in der Schweiz, etwa als eidgenössischer

119 Kriegsrat (1796–1798) oder als helvetischer Senator in Bern (ab 1801), vor allem jedoch in seinem Heimatkanton Schaffhausen, wo er 1790 seine Karriere als Amtsäckelmeister beginnt. 1798 ist er Repräsentant der Schaffhauser Nationalversammlung, anschliessend wirkt er bis 1800 während der österreichischen Besatzung als Statthalter der Interimsregierung, bevor er 1802 als Delegierter Schaffhausens an der föderalistischen Tagsatzung in Schwyz teilnimmt und schliesslich von 1803 bis 1822 als alternierender Amtsbürgermeister fungiert und dabei 1814 bei der kantonalen Verfassungsrevision zwischen den politischen Lagern vermittelt.

Z. 4

III. Lehrer: Anna Magdalene, genannt Marie Meyer-Schnewlin (1784–1868, ⇒ Nr. 1083), Martin Heusi (1788–1841) und Johann Jakob Sigerist (1792–1830). Der aus Schleitheim (Kt. Schaffhausen) stammende Heusi war von 1808 bis 1815 als Schüler und Lehrer bei Pestalozzi in Yverdon, gründete daraufhin in seiner Heimatgemeinde eine erfolgreiche Privatschule und war Schleitheimer Oberlehrer, Lehrerausbildner und Mitbegründer der Klettgauer Lehrerkonferenz. Der Schaffhauser Sigerist kam 1806 nach Yverdon und blieb, unterbrochen von einem rund halbjährigen Aufenthalt in seiner Heimatstadt nach dem Tod seines Vaters Johann Jakob (1748–1809) und einer angefangenen Goldschmiedlehre, bis 1811 bei Pestalozzi. 1811 trat er ins Schaffhauser Collegium Humanitatis ein um Pfarrer zu werden. Ab 1814 studierte Sigerist in Tübingen, wurde 1817 ordiniert und arbeitete in der Folge als Pfarrhelfer in Diessenhofen, später als Pfarrer in Oberhallau und bis zu seinem Tod in Buchberg-Rüdlingen (alle Kt. Schaffhausen).

1152. Johann Gottfried Ebel 13. Juli 1810 5

Dem Herrn H e i n r i c h P e s t a l o z z i Wohlgebohren in Yver d un Zürich, d[en] 13 t[en] July 1810.

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Theuerster Freund Mein innigster, tiefster u[nd] höchster Antheil für Sie u[nd] Ihren grossen Zwek blieb unerschütterlich der nemliche u[nd] ist so unwandelbar, wie das reinste Wohlwollen, was von jäher in Ihrer Seele lag u[nd] Sie zu unablässigen Wirken fürs Wohl der Menschheit trieb. Nichts in der Welt kan mein Vertrauen in Ihre Tugend erschüttern, nichts mich verblenden, Sie schief u[nd] einseitig zu beurtheilen. Ich kenne die Ursachen der Spaltungen nicht, die unter Ihren Jüngern ausgebrochen sind, die Ihnen jezt so viele

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Sorgen u[nd] Kummer verursachen, das Weggehen des H[errn] S[chmid] veranlassten, u[nd] Ihnen auch andere Stürme bereiten, allein ohne alle Untersuchung weiss ich überzeugend, dass die Hauptschuld in den Gegnern liegen muss. Denn mit innigster Achtung u[nd] Liebe im Herzen für rein edle Männer u[nd] derer grosse gemeinnüzzige Zweke versteht man sich immer mit einander, wenn auch der Verstand verschiedene Ansichten aufstelt; wenn man s i c h s e l b s t über das Edle der Sache u[nd] des Zwekes vergisst, können keine Misverständnisse entstehen, u[nd] wenns geschieht, so heben sie sich bald wieder. Diejenigen, welche den Bruch in Ihrer Anstalt bereiten u[nd] weiter treiben, begehen ein Unrecht an der grossen Sache der von Ihnen angebahnten Unterrichts[-] u[nd] Erziehungsmethode, das jene nie wieder gut machen können. Sie wissen nicht, was sie thun. Würden sie die Welt u[nd] die Menschen u[nd] den jezigen Zustand der Dinge in Deutschland u[nd] Europa kennen, sie müssten sich hoch anklagen, das Vertrauen zu erschüttern, was Ihre Sache gewonnen hat. Ich kan mich indessen der Hofnung nicht entschlagen, dass Ihnen Gott, u[nd] Eifer für Wahrheit u[nd] Menschenwohl die Kraft verleihen werden, auch diese Prüfungen zu bestehen u[nd] Ihre Anstalt u[nd] Ihre Sache zu stützen u[nd] zu halten. So gut, wie Sie allein mit wenig Freunden die Sache anbahnten u[nd] zu Wachsthum brachten, werden Sie auch nun, ohne jene, die da weggehn u[nd] Sie verlassen u[nd] nichts zu Anfange beitrugen, die grosse Sache fortführen. Der Himmel führt Ihnen, denke ich, andere Gehülfen bei, oder es erwächst einer u[nd] der andere aus Ihrer Jugendschaar zu dem, was Sie bedürfen. Mein heissester Wunsch ist kein andrer, als bald zu hören, dass der Sturm sich gelegt, u[nd] Ihre Sorgen ein Ziel gefunden haben. Jezt nach Yverdun zu kommen, ist mir unmöglich. Wichtige persönliche Angelegenheiten halten mich hier fest, indem ich Briefe erwarte, die nicht bloss schnelle Antwort verlangen, sondern auch andere Briefwechsel veranlassen werden. Wäre es möglich, bloss nach meinem Herzenswunsche zu handeln, so würde ich schon auf dem Wege seyn, um so mehr u[nd] schneller, da die edle Kulenkamp dort weilt. Allein so muss ich mir versagen, was mich doppelt so glüklich gemacht hätte. Mit der unwandelbarsten Achtung u[nd] Liebe bin ich ewig Ihr treuster Freund E[bel]

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ZB Zürich, Ms Pestal 50/51, Umschlag 68/1 Blatt, 229 x 185 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 12 Z. 37

so ∫ u[nd] Eifer für ∫ Sacherklärung I.

Johann Gottfried Ebel (1764–1830) ⇒ Nr. 954 II. Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954) versicherte Pestalozzi mit diesem Brief seine Unterstützung, da das Institut in Yverdon wegen den Streitigkeiten innerhalb der Lehrerschaft und dem daraus folgenden Weggang einiger Lehrer etwas in Verruf geraten war. III. Z. 17

Z. 19 f. Z. 47 f.

Z. 53

Ursachen der Spaltungen: Die Veröffentlichung des Tagsatzungsberichts über Pestalozzis Anstalt (Abel Merian/Jean-Baptiste Girard/Friedrich Trechsel: Bericht über die Pestalozzische Erziehungs-Anstalt zu Yverdon. Bern 1810) hatte die schon vorher bestehenden Spannungen innerhalb der Lehrerschaft zum Ausbruch gebracht. H[errn] S[chmid]: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Jezt nach Yverdun zu kommen: Wie aus einem Brief von Diakon Andreas Wanger (1774–1836), Lehrer und Naturforscher aus Aarau, an Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) vom 5. August 1810 zu entnehmen ist, trafen sich Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954) und Pestalozzi dann aber doch ebenda (Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Nachlass Hermann Krüsi). Kulenkamp: Charlotte Amalia Kulenkamp-Platzmann (1777–1862) ⇒ Nr. 1148

1152 a. Franz Adam Lejeune 17. Juli 1810 5

[Reg.] Lejeune beklagt sich, dass sein Sohn Edouard schon lange nicht mehr geschrieben habe.

122 Überlieferung 1

PSB VII, S. 102.24 f. Sachherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Edouard: August Eduard Adam Lejeune (1797–1882) ⇒ Nr. 926

1152 b. Frédéric Brandt-Robert 17. Juli 1810 5

[Reg.] Brandt überweist 164 Louis d’or Pensionskosten und erkundigt sich, wie lange die Ausbildung seines Sohnes noch dauern werde.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 105.10 ff. Sacherklärung I.

Frédéric Brandt-Robert (1771–1837) aus Neuchâtel lässt sich zum Uhrmachermeister ausbilden. Danach leitet er die Unternehmung Brandt-Meuron, die sich später unter dem Namen Brandt Robert et Cie. zu einer florierenden Uhrenfabriken in La-Chaux-deFonds entwickelt. Überdies besitzt er eine eigene Fabrik in La Brévine (beide Kt. Neuchâtel), die sich unter anderem auf die Herstellung von Hemmungsteilen für Präzisionsuhren spezialisiert. 1819 beteiligt sich Brandt an der Gründung der freimaurerischen Loge l'Amitié von La-Chaux-de-Fonds und wird deren Ehrenmitglied. Als Autor der Schrift Notice sur la vie de Mr. le baron David de Purry, die 1826 in Neuchâtel gedruckt wurde, wird er vom königlichen Hof Russlands mit einer goldenen Tabakdose beschenkt. III. Z. 4 Z. 5

Louis d’or: frz. Goldmünze Sohnes: Louis Brandt (1800–1866) aus Neuchâtel und Valangin (Kt. Neuchâtel) lernte Uhrmacher und leitete die Uhrenfabrik- und Uhrenhandlung Robert, Brandt et Cie. in La-Chaux-de-Fonds. Beim Ablösungsprozess des Kantons Neuchâtel vom preussischen Fürstentum (1848) amtierte er kurzeitig als Staatsrat (Vizepräsident) und als Vorsteher des Finanzdepartements. Brandt war zudem Grossrat (bis 1853), Mitglied der Eisenbahnkommission (ab 1852) und Ständerat (1863–1864).

123 1153. Frédéric César de Laharpe 18. Juli 1810 5

A Monsieur Monsieur Pestalozzi Chef de l’Etablissement d’ E d u c a t i o n d ’ Y v e r d u n a Yverdun Canton d e Vaud Plessis-piquet arrondissement de Sceaux Dep[artemen]t de la Seine le 18 e Juillet 1810

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Monsieur et très cher Concitoyen! Le porteur du présent billet, est M[onsieu]r Jullien Inspecteur aux revues, que j’ ai eu l’ avantage de connoitre à Paris. La réputation de votre Etablissement devoit intéresser un Homme que ses occupations d’office n’empêchent pas de cultiver les Lettres, et qui a publié un ouvrage fort estimé, sur l ’ E m p l o y d u t e m s . Celui qui employe aussi bien le sien, ne veut pas abuser de celui d’autrui; mais il desire voir et bien voir par lui-même; or comme vous le desirez aussi, veuillez le mettre à portée de se satisfaire. Quoique je garde le silence depuis si longtems je n’en continue pas moins à prendre la part la plus sincère à tout ce qui vous intéresse, à votre Etablissement en particulier que j’espère visiter l’an prochain. Rappelez moi, je vous prie au Souvenir de M[essieur]s vos Collaborateurs. Une petite place dans le Cœur des amis des vrayes lumiéres, fait du Bien. Adieu mon cher Pestalozzi, poursuivez avec courage. Je vous souhaite Santé et Force; vous avez tout le reste; agréez les assurances sincêres de mon entier dévouement. – F[rédéric] C[ésar] Laharpe

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 181/2 Bogen, 188 x 123 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H

124 Sacherklärung I. Frédéric César de Laharpe (1754–1838) ⇒ Nr. 722 II. Mit diesem Brief führte Frédéric César de Laharpe (1754–1838, ⇒ Nr. 722), der Pestalozzi noch aus seiner Zeit als Mitglied des Helvetischen Direktoriums (⇒ Nr. 488) kannte, Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) bei ihm ein, der zu einem einflussreichen Kommunikator von Pestalozzi und der Methode im französischsprachigen Raum wurde (vgl. Marc Antoine Jullien: Esprit de la méthode d’éducation de Pestalozzi, suivie et pratiquée dans l’institut d’éducation d’Yverdun, en Suisse. Milan 1812). III. Z. 13 Z. 17

Jullien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200 ouvrage: Marc Antoine Jullien: Essai sur une méthode de bien régler l’emploi du temps. Paris 1808

1154. J. L. Lenz 18. Juli 1810 Geisenheim im Rheingau am 18 n July 1810. 5

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Ehrwürdiger Vater Pestalozzi! Soll ich denn gar keiner Nachricht mehr von Ihnen gewürdigt werden? Schon bald 1½ Jahre habe ich nichts mehr von Ihnen vernommen, ungeachtet ich Ihnen und Ihren Freunden mehrmals geschrieben habe. Wenn Sie wüssten, wie sehr mein Herz an Ihnen hängt, und wie sehr es mich kränkt, so ganz von Ihnen vergessen zu seyn, Sie würden mich gewiss nicht länger durch Ihr Stillschweigen betrüben. O, sagen Sie mir doch aufrichtig, ich bitte Sie darum, habe ich durch mein Betragen irgendwo bey Ihnen oder Ihren Freunden angestossen? Gott weiss es, dass ich niemand gefliessentlich beleidigt habe, sondern dass ich es mit jedermann herzlich und aufrichtig meine, desto weher that es mir, dass ich bey meinem Abschiede von Ihnen aus dem Institute eine gewisse Kälte und Gleichgiltigkeit gegen mich bemerkte, was man doch sonst gegen andere nicht gewahr ward. Ich bin mir keines Fehlers bewusst, als dass ich nicht reich genug war, die Lehrer in Ihrem Institute, die mich während meines Aufenthaltes bey Ihnen unterrichteten, nicht nach ihren Verdiensten und nach meinem Wunsche belohnen zu können; ich bemerkte solches an H[err]n Ramsauer, der

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mich schon 3–4 Tage vor meiner Abreise gänzlich vermied, und sich nicht mehr bey mir sehen liess, vermuthlich weil ich nicht im Stande war, ihn für seine mit mir gehabte Mühe hinlänglich zu bezahlen. O hätte man in mein Herz sehen können, und meine damalichen Verhältnisse gekannt, so würde man mich wenigstens nicht so kalt entlassen haben. Hätte man mir offenherzig gesagt, wieviel ich den Lehrern extra bezahlen müsste, so hätte ich mich in meiner sonstigen Ausgabe darnach gerichtet, denn ich möchte um alle Welt nicht für undankbar gehalten werden. Haben Sie also die Liebe für mich, und schreiben Sie mir nächstens, wie viel ich eigentlich den Lehrern für den mir ertheilten Unterricht noch zu bezahlen schuldig bin, ich werde das Geld Ihnen sogleich überschicken, wenn ich es auch selbst noch so sehr nöthig hätte. Herr von Türk war neulich zu Wiesbaden bey De l’Aspée in dessen Schule; man sagte, er hätte im Rheingau ein Institut errichten wollen, aber das dazu nöthige Locale nicht gefunden; Schmidt und Niederer, hiess es ferner, hätten Yverdon verlassen, um anderwärts zu lehren; diess thut mir sehr leid, wenn es wahr ist, denn das zeigte von keiner ausdauernden Liebe und Anhänglichkeit; und von Schmidt wäre es gewiss keine herzliche Dankbarkeit, wenn er Sie gegen Ihren Willen verliess, auch könnte man anderwärts glauben, dass der Geist der Einigkeit aus Ihrer Lehranstalt verschwunden sey, welches offenbar der guten Sache nachtheilich werden müsste. Was man in öffentlichen Schriften für und gegen die Sache allenthalben gesprochen, wird Ihnen hinlänglich bekannt seyn; Gold muss ja auch ins Feuer, um gehörig geläutert zu werden; die Wahrheit bleibt ewig und unveränderlich. Dass aber die Wochenschrift so unregelmässig und langsam herauskommt, und die schon so lange und so bestimmt angekündigte Tonlehre, worauf auch ich und mein Freund Lizius dahier schon voriges Frühjahr unterzeichnet haben, bis jetzt noch nicht erschienen ist, das verursacht doch bey manchem eine üble Meinung von Ihrem Institute. Da ich Sie so herzlich liebe, und so kindlich verehre, so halte ich es für Pflicht, Ihnen die gegen mich geäusserten, Ihrer Methode sowohl als auch Ihrem Institute nachtheilichen, Urtheile mitzutheilen; ich erkundigte mich nämlich vor einigen Monaten nach der GesangsTonlehre und nach Schmidts Werken, man antwortete mir unter anderm folgendes: «die längst angekündigte Tonlehre ist noch nicht erschienen. Man kann es in der Pestalozzischen Anstalt noch immer nicht unterlassen, zu gackern, ehe das Ey gelegt ist. Die Monathsschrift erscheint sehr unordentlich, wir haben nur erst des

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3 n Bandes 1 s Heft davon. Ich frage wenig nach dem ewigen theoretischen Wortkram, wo man nur practische Weisheit zu erhalten wünschte und hoffte. Mir gefällt der ganze Gang der Pestalozzischen Sache nicht, nicht die Weise, in der man sie gibt. Weg mit der philosophischen Schulsprache einer Denkersekte, wo die Sprache des gesunden Menschensinnes und des Herzens zu allen menschlichen Gemüthern reden sollte. Ein Buch von Schmid als Vorläufer der Algebra ist erschienen, sonst ist kein neues Buch in Yverdun herausgekommen. Es wäre mir leid, wenn es dort mit neuen Büchern so gar schnell ginge. Was sollen uns die neuen Bücher? Das Wesen der Methode ist längst in seiner Einfachheit ausgesprochen, allein ich fürchte, in Yverdun kommt man auf Abwege, verlässt man die einfache Natur, will man zu viel umfassen und zu weit greifen. Gewiss ist es wenigstens, dass man erst sicher seyn sollte, ob man nicht nach wenigen Jahren, was man gegeben hat, wieder zurücknehmen werde, ehe man verkündigt, dass durch das Gegebene der Menschheit zu helfen sey. Mich jammert es, dass es so mit der Methode geht, und da es so geht, ist es schwer, dem widerlichen Geschwätz über sie in Büchern und Tagblättern zu widersprechen» usw. Dass ich hierauf als ein ehrlicher Mann und aufrichtiger Wahrheitsfreund replicirt habe, werden Sie wohl glauben. Voriges Jahr am 4 en September besuchte der Schwiegervater meines Grafen, der Graf von Westphalen, auf seiner Reise durch die Schweiz Ihr Institut zu Yverdon, allein Sie waren damals abwesend, und man konnte daher weder für noch gegen Ihre Person etwas sagen, man fand nur das Institut sehr unreinlich, und die Zöglinge sehr grob und unartig, und aus der Schweiz wären gar keine Kinder da, weil in allen Kantonen, besonders im Kanton Bern, verboten wäre, Kinder in Ihr Institut zu schicken. Solche und noch mehrere Absurditäten sagte man meinem Grafen, um ihn ja gegen die Methode überhaupt, besonders aber gegen Ihr Institut einzunehmen, mein Graf ist zwar durch mich eines Bessern überzeugt, allein er fürchtet sich zu sehr vor seinem Schwiegervater, um solchem viel zu widersprechen, weil er es nicht gerne mit ihm verderben will. Indessen da Herr von Panneis und andere Bekannte meines Grafen ihre Kinder nach Yverdon geschickt haben; da mehrere Herren von Wiesbaden ihre Kinder bey De L’Aspée pestalozzisch unterrichten lassen, und da man in mancher Zeitschrift viel Gutes von Ihnen und Ihrer Methode liest, so gewinnt doch die Sache nach und nach mehr Interesse und Gewicht bey den Weltmenschen, die sonst gewöhnlich alles nur nach der glänzenden Aussenseite beurtheilen. Ich hoffe es

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endlich doch noch dahin zu bringen, dass ich mit meinen Zöglingen zu Ihnen kommen darf. Verschiedene Leute haben mich schon gefragt, was man jährlich für ein Kind und für einen Erwachsenen in Ihrem Institut zahlen müsse, da ich aber aus den Zeitschriften vernommen, dass jetzt eine ganz andere Einrichtung sowohl in wissenschaftlicher als auch in ökonomischer Rücksicht in Ihrem Institute getroffen worden sey, so konnte ich den Fragenden keine befriedigende Auskunft geben; ich hoffe also auch hierüber von Ihnen nähern Aufschluss zu erhalten. Ich sehe nun freilich täglich mehr ein, dass ich in den 3 Monathen zu Yverdon bey meinem Fleisse und guten Willen und bey einer planmässigern Anleitung weit mehr hätte leisten können, und es freuet mich recht sehr, dass jetzt den Erwachsenen ein eigener Unterricht ertheilt, und also planmässiger verfahren wird. Der jüngste Sohn des Grafen von Westphalen, gewesener preussischer Offizier, bereist diesen Sommer die Schweiz, und wird wahrscheinlich auch nach Yverdon kommen; ich bin recht begierig, ob er sich über das Institut und die Methode günstiger äussern wird, als sein Vater, ich verspreche mir aber im Voraus eben so wenig richtiges Urtheil von ihm, wie von allen seines gleichen. Mein einziger, heissester Wunsch ist, noch einmal in Ihrem Institute zu arbeiten und mich Ihres freundschaftlichen Umganges erfreuen zu können. Tausend herzliche Grüsse an alle Ihre guten Freunde im Institute; ich sehe einer baldigen Nachricht von Ihnen mit Sehnsucht entgegen, und verharre indessen mit unveränderlicher Liebe, Anhänglichkeit und Verehrung Ihr treuester Freund J. L. Lenz.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 191/2 Bogen und Blatt, 252 x 194 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 4 Z. 31 Z. 38

Geisenheim: lateinische Schrift July: lateinische Schrift extra: lateinische Schrift De l’Aspée: lateinische Schrift

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Locale: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift De l’Aspée: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift J. L. Lenz: lateinische Schrift Sacherklärung I.

J. L. Lenz ⇒ Nr. 943 II. Da über J. L. Lenz (⇒ Nr. 943) nichts weiter bekannt ist, ist auch unklar, was der unmittelbare Anlass dieses Briefes war. Es ist allerdings interessant zu sehen, wie aus dem Umfeld Pestalozzis der schulische Alltag geschildert wurde und die Argumente und Eindrücke nachgezeichnet wurden, die Besucher in Yverdon erhalten haben. Besonders interessant sind dabei die kritischen Stimmen, die sowohl von Pestalozzi als auch in der Pestalozzi-Forschung marginalisiert oder übergangen worden sind.

Z. 4 Z. 8 Z. 24 Z. 38 Z. 38 Z. 40 Z. 41 Z. 52 f. Z. 54

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III. Geisenheim: Stadt in Hessen mehrmals: ⇒ Nr. 1070 und ⇒ Nr. 1088 Ramsauer: Johannes Ramsauer (1790–1848) ⇒ Nr. 1525 von Türk: Wilhelm Christian von Türk (1774–1846) ⇒ Nr. 653 De l’Aspée: Johannes de l’Aspée (1783–1825) ⇒ Nr. 959 Schmidt: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Wochenschrift: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811) Tonlehre: Hans Georg Nägeli: Gesangsbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen pädagogisch begründet von Michael Traugott Pfeiffer, methodisch bearbeitet von Hans Georg Nägeli. Zürich 1810. Als Einleitung zu dieser Tonlehre war der Aufsatz Die Pestalozzische Gesangsbildungs-Lehre nach Pfeiffers Erfindung kunstwissenschaftlich dargestellt im Namen Pestalozzis, Pfeiffers und ihrer Freunde von Hans Georg Nägeli erschienen (Wochenschrift für Menschenbildung, Dritter Band erstes Heft, Zürich 1809, S. 33–54). Lizius: Valentinus Licius (1756–1818) aus Hattenheim (heute Teil von Eltville, Hessen) wurde 1794 wegen seinen Kenntnissen im Orgelspiel und Choralsingen zum Rektor der Schule in Geisenheim (Hessen) gewählt. Trotz einer Ausbildung auf der Mainzer Normalschule blieb Licius gegenüber neuen Schulfächern, etwa den Realien, reserviert, war des Unterrichts in der überfüllten Schule bald überdrüssig und verlegte sich zum Nebenerwerb auf Schreibarbeiten. Deshalb und aufgrund schlechter Schulprüfungen geriet Licius mit dem als streitsüchtig geltenden Geisenheimer Pfar-

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rer Wigand Kamper (1753–1835) in Konflikt, der 1815 kulminierte, als Licius wegen unehelicher Schwängerung eines Mädchen seine Stelle verlor. Gesangs-Tonlehre: ⇒ Z. 54 Schmidts Werken: Joseph Schmid: Die Elemente des Zeichnens nach Pestalozzischen Grundsätzen. Bern 1809; Joseph Schmid: Die Anwendung der Zahl auf Raum, Zeit, Wert und Ziffer, nach Pestalozzischen Grundsätzen bearbeitet. Heidelberg 1810 Schwiegervater: Clemens August Graf von Westphalen zu Fürstenberg (1753–1818) war durch die Heirat seiner Tochter Maria Antonia von Westphalen (1785–1867) mit Friedrich Carl Josef, Reichsgraf von Ingelheim (1777–1847, ⇒ Z. 89) der Schwiegervater des Ingelheimer Grafen. Er wurde als kaiserlicher Gesandter im Range eines Ministers an den Höfen der rheinischen Kurfürsten und bei den Landesherren in Westfalen und am Niederrhein von Kaiser Leopold II. (1747–1792, ⇒ Nr. 417) in den Reichsgrafenstand erhoben und modernisierte um 1800 seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Fürstenberg, indem er ihn teilweise zum Standort für Glashütten-Fabriken umwandelte. meines Grafen: Friedrich Carl Josef, Reichsgraf von Ingelheim, genannt Echter zu Mespelbrunn (1777–1847), kaiserlich österreichisch und königlich bayerischer Geheimer Rat und Erzkämmerer des Herzogtums Nassau, trat die reichen linksrheinischen Besitzungen der Grafen von Ingelheim gegen einen geringen Kaufpreis ab, um der 1801 im Frieden von Lunéville sanktionierten französischen Herrschaft zu entgehen und konzentrierte sich auf Besitzungen im Rheingau und in Mainfranken, um schliesslich 1813 an der Spitze des von ihm organisierten Freiwilligen-Bataillons der Frankfurter Jäger 1813/14 an den anti-napoleonischen Befreiungskriegen teilzunehmen. Panneis: Es ist unklar, wer mit Herr von Panneis gemeint sein könnte, da sich in den Schülerlisten von Yverdon keine Schüler mit diesem Namen finden. Möglicherweise ist damit der Freiherr Wilhelm Benjamin Panhuys (1764–1816, ⇒ Nr. 1163) gemeint, allerdings konnten keine Kontakte zwischen ihm und Friedrich Carl Josef, Reichsgraf von Ingelheim (1777–1847, ⇒ Z. 89) nachgewiesen werden. Sohn: Joseph Clemens, Graf von Westphalen zu Fürstenberg (1785–1863) war der jüngste Sohn von Clemens August, Graf von Westphalen zu Fürstenberg (1753–1818, ⇒ Z. 89) und Maria Antonia, Gräfin von Walbott zu Bassenheim (1757–1786). Er soll in enger Beziehung und Loyalität zum österreichischen Hochadel und dem Hause Habsburg aufgewachsen sein.

1154 a. Johann Friedrich Abegg 24. Juli 1810 5

[Reg.] Abegg erkundigt sich nach den Kosten und den Zahlungsmodalitäten für den Aufenthalt seines Sohnes in Yverdon.

130 Überlieferung 1

PSB VII, S. 107.28 f. Sacherklärung I.

Johann Friedrich Abegg (1765–1840) ⇒ Nr. 1151 a III. Z. 5

Sohnes: Friedrich Julius Abegg (1795–1820) ⇒ Nr. 1151

1155. Céleste Meuricoffre-Coltellini 24. Juli 1810 5

A Monsieur Pestalozzi en son Institut Yver d un en Suisse Naple 24 J u i l l e t 1 8 1 0

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Monsieur J’avois été flattée par M[onsieu]r Bordin, qui a eu l’avantage de vous voir à son passage d’Yverdun, et de vous entretenir de ma part sur ce qui concernoit mon fils George, de recevoir une de vos lettres dans la quelle vous m’auriez fait part, peut être, de vos conseils pour le parti à prendre à l’egard de ce cher Enfant, qui paroit toujours plus decouragé, ne pouvant pas se dissimuler d’être tres arrieré pour son instruction. Me voyant encore privée de cette lettre, je crois ne devoir plus tarder pour vous prevenir que dans six moix je compte retirer mon fils de votre Institut. Je suis bien fâchée, je vous l’assure d’etre obligée d’en venir-à une pareille demarche, mais en retardant encore je craindrois de manquer le but que je m’etois proposée en me separant de mon Enfant. – Je vous prie de croire Monsieur que ce n’est pas à votre Ecôle que j’attribue la cause de son retardement. J’ai encore la plus grande confiance dans votre methode et je suis bien persuadée que George en auroit profitté s’il eût comencé par lâ, mais au point oû il en étoit lorsqu’il est entré dans votre maison, ses ideés etoient deja trop embrouillées pour qu’il pût classer avec facilité celles qui lui étoient présenté par votre nouvelle doctrine; il a par consequent beaucoup de difficulté a saisir les leçons qu’il reçoit dans vos classes qui sont, sur tout trop

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nombreuses pour que les maitres puissent avoir le tems de se rendre intelligibles à chaque Elève, et qu’ils les fassent tous marcher d’un egale mesure. Il auroit donc fallu pour mon pauvre George des leçons particulières à l’aide des quelles il eut pu rectifier et bien inculquer ce dont il n’avoit pu recevoir qu’une tres legere impression. – Je m’etois bercée de l’espoir que les instances reiterées que je vous avois faites à cet egard eussent pu trouver auprés de Vous ainsi qu’aupres de M[onsieu]r de Muraltte quelque consideration pour faire obtenir à mon fils, que vous paraissiez aimer beaucoup, ce que je demandois pour lui. – Mais je conviens a presant que j’avois eu tort de m’en flatter, car dans une maison oû tout marche avec des règles generales, il ne doit pas être permis de faire des pareilles exceptions. Ainsi me voila plus que convaincue, que tout Institut, ou maison d’éducation trop nombreuse ne peuvent convenir à George, chez qui l’Emulation n’est pas un ressort pour le faire marcher, mais plutot un motif de decouragement, puisque malheureusement sa bonne volonté, et ses moyens ne vont pas d’accord. – Au surplus, quelques soient les resultats du tems qu’il a passé chez vous nous ne vous en devons pas moins de reconnoissence et je vous prie Monsieur d’y compter. – Persuadée de l’interet que vous prenez encore à mon fils, J’ose me flatter que pendant que nous nous occupons à chercher les moyens de le mettre à l’abri d’une trop grand decouragement, ce qui seroit bien dangereux, vous voudrez bien lui continuer votre bienvieillance et vos Soins, et mème nous aider de vos lumieres pour parvenir à notre but. – Dans cette attente je vous reitère Monsieur l’assurance de mon devouement et parfaite consideration, avec les quelles je suis votre tres humble servante et amie Celeste Meuricoffre née Coltellini

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 216/2 Bogen, 245 x 185 mm Siegelspuren, Dorsualvermerk c/o F[rate]lli Manmari etc. de Milan Original Textkritik

Zeuge H

132 Sacherklärung I. Céleste Meuricoffre-Coltellini (1760–1828) ⇒ Nr. 950 II. Georges/Georg Meuricoffre (1795–1858, ⇒ Nr. 936), der sich seit 1807 als Schüler in Yverdon aufhielt, machte offenbar nicht genügend Fortschritte, sodass seine Mutter beschloss, ihn wieder nach Neapel zu holen. Interessanterweise gibt sie aber dem Alter ihres Sohnes die Schuld für die ungenügenden Lernfortschritte und nicht dem Institut als solchem oder der Methode.

Z. 11 Z. 13 Z. 13

Z. 38

III. M[onsieu]r Bordin: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. George: Georges/Georg Meuricoffre (1795–1858) ⇒ Nr. 936 une de vos lettres: Der hier von Céleste Meuricoffre-Coltellini (1760–1828, ⇒ Nr. 950) erhoffte oder erwartete Brief scheint von Pestalozzi nicht verfasst worden zu sein. de Muraltte: Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610

1156. Père Grégoire Girard 24. Juli 1810 Freyburg den 24 Jul[i] 1810. 5

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Herr Pestalozzi Ich habe mich lange besonnen, ob ich den Schritt thun wolle, den ich so eben thue. Es schien mir Sie und ihre Mitarbeiter hätten es nicht verdient dass ihnen eine freundschaftliche Mahnung von mir über macht würde doch hat Schonung den Unwillen besiegt. Sie gedenken einen öffentlichen Gebrauch von m e i n e r Handschrift zu machen, die Ihnen von der Freündschaft – o h n e m i c h – aufs Ehrenwort anvertrauet war. Es ist diess eine Schandthat, die H[err] Niederer gerechfertigen will und die doch keine – noch so wortreiche – S o p h i s t i c k beschönigen hinweg schwätzen kann. Sehen Sie zu dass Sie durch ihr Benehmen das Geheimniss nicht aufdecken das wir zur Ehre des Instituts und seiner M e n s c h e n b i l d u n g geheim halten wollten. Diese Handschrift ist ohnehin verstümmelt, überschrieben, mit Zeichen versehen, die ich nur allein verstund. Sie ist mein p r i w a t Entwurf den ich in Bern zurückliess – aus Gründen, die euch nicht angehen – da ich dafür die endliche Abfassung des Berichtes zum Abschreiben mitnahm. Ob Sie nun gegen einen solchen geheimen Entwurf öffentlich aufziehen wollen, um wieder spanische

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Huld mit Windmühlen zu fechten, diess mögen Sie und die Ihrigen bedenken. – Leben Sie wohl. Gregor Girard NS. Von diesem Schreiben behalte ich mir eine Abschrift. Mit unredlichen Leüten muss man vorsichtig umgehen.

Überlieferung 1 2 5

Stadtbibliothek Winterthur 325 Blatt, 236 x 196 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 14 f. Z. 19 Z. 21 Z. 22 Z. 22 f. Z. 27 Z. 28

hinweg schwätzen ∫ Sie ist mein dafür die zum Abschreiben ∫ geheimen ∫ Abschrift. Mit muss man vorsichtig ∫ Sacherklärung I.

Père Grégoire Girard (1765–1850), geboren als Jean-Baptiste Girard in Fribourg, tritt nach dem Besuch der Lateinschule im ehemaligen Jesuitenkolleg 1781 in den Franziskanerorden ein und studiert von 1783 bis 1788 in Würzburg Philosophie und Theologie. Ab 1788 arbeitet Girard als Philosophielehrer und Prediger in Fribourg und unterrichtet im Kloster die Novizen. Als Schulreformer, dem an einem Ausgleich zwischen aufklärerischer Philosophie und dogmatischer Theologie liegt, kommt er als Verfasser des Projet d’éducation publique in Kontakt mit dem helvetischen Unterrichtsminister Philipp Albert Stapfer (1766–1840, ⇒ Nr. 899), der ihn als Archivar nach Luzern beruft. 1803 wird Girard Regierungspfarrer in Bern und leitet dort den ersten katholischen Gottesdienst seit der Reformation. Von 1805 bis 1823 übernimmt er die Leitung der Knabenschule in Fribourg, transformiert sie in eine öffentliche Primarschule und führt 1815 den wechselseitigen Unterricht (⇒ Nr. 1487) ein. Bei seinen Reformaktionen stösst Girard auf den entschiedenen Widerstand der Jesuiten und des Bischofs Pierre-Tobie Yenni (1774–1845), die Girards Stadtschule mit ihren säkularen Unterrichtszielen wieder unter die kirchliche Gewalt restituieren wollen. Girard zieht sich von 1823 bis 1834 als Philosophielehrer nach Luzern zurück und fördert als Mitglied des Erziehungsrats und der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft die Mädchen- und Lehrerbildung. Nach seiner Rückkehr nach Fribourg 1835 verfasst er sein pädagogisches Hauptwerk De l’enseignement régulier de la langue maternelle (1844), nachdem er 1821 die Grammaire des campagnes à l’usage des écoles rurales du canton de Fribourg veröffentlicht hatte.

134 Lit.: Paul Birbaum: Pater Gregor Girards Konzeption der Volksschule aus schulgeschichtlicher Perspektive. Bern 2002 II. Père Grégoire Girard (1765–1850, ⇒ Sacherklärung I.) war Mitglied der Kommission (⇒ Nr. 1200), die im Auftrag der Tagsatzung im Herbst 1809 ein Gutachten über das Institut in Yverdon erstellt hatte. Das Gutachten war von Pestalozzi initiiert worden, weil er hoffte, damit nachweisen zu können, dass seine Methode sich für alle öffentlichen Schulen eigne. Der eher skeptische Bericht, der 1810 in zwei Sprachen veröffentlicht wurde (Rapport sur l'institut de Mr. Pestalozzi à Yverdon, présenté à S.E. Mr. le Landamman et à la haute Diète des dix-neuf cantons de la Suisse; Bericht über die Pestalozzische Erziehungs-Anstalt zu Yverdon, an Seine Excellenz den Herrn Landammann und die Hohe Tagsatzung der Schweizerischen Eidgenossenschaft), brachte auf der einen Seite die latenten Spannungen innerhalb des Instituts zum Ausbruch und löste auf der anderen Seite eine Welle öffentlicher Kritik an Pestalozzi und seiner Methode aus. Viele Briefe aus den Jahren 1810 und 1811 geben Zeugnis von dieser doppelten Folge des Berichts. Schon vor der Veröffentlichung des Berichts war Pestalozzi offenbar ein handschriftlicher Entwurf Girards zugespielt worden, den er publik machen wollte, wogegen sich Girard ausdrücklich zur Wehr setzte (⇒ Z. 10 f.). III. Z. 10 f.

Z. 13 Z. 21

Handschrift: Pestalozzi hatte bereits im Januar und Februar 1810 einen ersten Teil des Untersuchungsberichts der Tagsatzungskommission erhalten und im Frühsommer desselben Jahres den zweiten Teil, welcher in der Lehrerschaft in Yverdon grosse Verärgerung auslöste. Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) drohte mit der Vorabveröffentlichung des Berichts und einem Kommentar zur Verteidigung Pestalozzis. H[err] Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Berichtes: Abel Merian/Jean-Baptiste Girard/Friedrich Trechsel: Rapport sur l’Institut de Mr. Pestalozzi à Yverdon, présenté à S.E. Mr. le Landammann et à la haute Diète des dix-neuf cantons de la Suisse. Fribourg 1810

1156 a. Ludwig Rudolf Walthard 25. Juli 1810 [Reg.] Rechnung für bestellte Bücher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 111.5 Sacherklärung I.

Ludwig Rudolf Walthard (1765–1832) ⇒ Nr. 1139 a

135 1156 b. Johann Heinrich Schindler 26. Juli 1810 5

[Reg.] Schindler begleicht die Rechnung der Knaben Bippen und Marti, sowie die Rechnung von Adam Wild.

Überlieferung 1

ZB Ms Pestal 1443, KB III, S. 126 Sacherklärung I.

Johann Heinrich Schindler (1753–1818) ⇒ Nr. 626 II. Johann Rudolf Marti (1765–1824, ⇒ Nr. 626) hatte im September 1803 seine Söhne nach Yverdon zur Ausbildung geschickt. Da er in Riga lebte, hatte er die beiden Brüder Abraham Schindler (1739–18806, ⇒ Nr. 626) und Johann Heinrich Schindler (1753–1818, ⇒ Nr. 626) beauftragt, sich um die finanziellen Angelegenheiten zu kümmern.

Z. 4 Z. 4 Z. 5

III. Knaben Bippen: Hans Burchard von Bippen (1796/97–1811, ⇒ Nr. 626) und Diedrich von Bippen (*1798, ⇒ Nr. 626) Marti: David Eduard Marti (1797–1827) ⇒ Nr. 626 Wild: Adam Wild, alt Ratherr in Mitlödi (Kt. Glarus), scheint der Grossvater des Pestalozzischülers Christian Niclaus Wild (1799–1865, ⇒ Nr. 1163) gewesen zu sein und dürfte nach dem Tod von dessen Eltern die Begleichung der Institutsrechnungen besorgt haben. Laut Auskunft des Landesarchivs Glarus ist in Mitlödi, wo die betreffende Familie herstammte, allerdings kein Adam Wild nachgewiesen.

1156 c. Anton Spener 28. Juli 1810 5

[Reg.] Spener wünscht für seinen Sohn Privatunterricht in französischer Sprache, damit er diese Sprache mündlich und schriftlich perfekt beherrsche.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 109.12 ff.

136 Sacherklärung I. Anton Spener (1765–1814) ist Kaufmann, Produzent und Handelsmann in Hanau und Frankfurt am Main und betreibt seit 1809 in Frankfurt eine Firma für Parfümeriewaren und Liköre. Mit seiner Frau Maria Benedicta Elisabetha (1761–1812) hat er drei Töchter und einen Sohn (⇒ Z. 4). II. Pestalozzi antwortet am 17. August 1810 auf diesen nicht erhaltenen Brief. Darin versprach er, das Mögliche zu tun, wies aber auch darauf hin, dass im Institut vor allem Deutsch gesprochen werde. Dies erschwere natürlich die perfekte Erlernung der französischen Sprache (PSB VII, Nr. 2161). III. Z. 4

Sohn: Peter Jacob Spener (1796–1823) besuchte zwischen 1809 und 1811 das Institut in Yverdon und davor die pestalozzische Musterschule in Frankfurt am Main. Anschliessend absolvierte er eine dreijährige Ausbildung in der väterlichen Handlung und übernahm 1815 die Firma seines verstorbenen Vaters, bis er sich 1823 erschoss.

1156 d. Ludwig Rudolf Walthard 31. Juli 1810 [Reg.] Rechnung für bestellte Bücher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 111.5 Sacherklärung I.

Ludwig Rudolf Walthard (1765–1832) ⇒ Nr. 1139 a

137 1157. Karl August Gottlieb Dreist, Johannes Niederer, Michael Traugott Pfeiffer und Hans Georg Nägeli 1. August 1810 5

Herrn Heinrich Pestalozzi Lenzburg im Canton Aargau Yverdon, Moser’s Haus auf der Plaine, Dienstag d[en] 31. Jul[i] 10.

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Alle Fensterläden sind zu und verhangen vor dem Marktlärm heute Vormittag. Es schlägt 11 Uhr und noch schläft sie in unverrückter Lage, seit sie nach ruhiger Nacht und eines schönen Traums Erzählung an mich, gegen Morgen wieder einschlief. So wie sie übrigens gesund, nur schwach noch ist: so hat der Arzt auch keinen Zweifel an ihrem völlig sich Wiederbesinnen und Wieder-Namen kennen. Denn noch affizirt sie Alles wie eine zum erstenmal in die Welt tretende, und sie unterscheidet die Speisen od[er] Getränke nur nach Sauber und Nichtsauber. Von der lezten Arzenei (die sie doch kosten musste) hat sie gesagt: Das soll man die schwärzeste Wand hinunterfliessen lassen. – Es hat sie gefreut, was wir gestern, mit Kreide in der Hand, erst in der Luft, dann auf Schiefer, u[nd] mit Bleistift auf Papier, gestrichen u[nd] geschwungen, und gezeichnet haben. Sie hat sich laut auf gefreut über das was gemacht war. Es hat sie fast zu angreifend gefreut, Ton zu hören und Töne, als Jemand in einer Minute da ich es nicht verhindern konnte, ihr durch ein Lied Erinnerungen (für die ihr Zustand noch nicht reif ist) abnöthigen wollte. Sonst halt’ ich noch Allen fremden Zuspruch glücklich ab. Zu dem, was ausser mir und dem Mädchen ihr nahe kommt weil sie es als etwas bekanntes (bis auf den Namen nicht) erkennt und oft neben dem ihr bekanntesten gesehen hat, und lobt als «gut und still» – zu diesem fehlt ihr – sie selbst hat es wenn wir 2 od[er] 3 zusammen auf ihr Verlangen vor ihrem Bett assen und tranken, aus eigener Bewegung vermisst und gefragt: wo ist sie: die gute alte Hand und der Mann daran. 50 Minuten auf 1 Uhr Mittag. Noch schläft sie. 3 /4 auf 2 Noch ist sie nicht aufgewacht, aber der Athem geht richtig. Vielmal u[nd] herzlich grüsst auch K[arl] Dreist Niederer. Pfeiffer. Nägeli.

138 Den Tag darauf

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«Das ist doch recht hübsch dass der Doktor kommt und fragt den Pazienten nach dem Pazienten», sagt die Jungfer Hoffmann, die ihr Haus und Küche von dem Unrath ihrer Interims-besorgung puzend unerkannt von dem Arzt angetroffen ward. – Bis sechs Uhr Abends schlief sie gestern noch, dann sprang sie selbst angekleidet aus dem Bett und rief: ich bin und war gesund. Bis 11, Nachts, wachten wir dann noch, ich, Dreist, die alte Fanchette aus dem Schloss, die nie wachen gekommen! war unter ihrer hellen Lustigkeit, sassen und gingen die grosse Stub auf und ab. Wir dachten des Herrn Pestalozzi, wir dachten Deiner; Ihr wart mit uns. Sie hat die Nacht von 11–5 gesund geschlafen, sogleich die Wärterin zu ihrem Mann u[nd] Kind heimgeschikt, und empfing um 8 mich und selbst den Doktor eben jezt nach ihrem Kaffee fröhlich. Sie erinnert sich jezt an Namen und an Alles was sie an etwas knüpfen kann; jedes Wort ist Wahrheit und Klarheit, und sie ist gesund so dass sie Gesundheit verbreitet. Pestalozz hat sich gestern abend schnell an gute Erinnerung angeschlossen das s e i n Aug war auch drauf

Überlieferung 1 2 4

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ZB Zürich, Ms Pestal 50/51, Umschlag 64/1 (=H1), Umschlag 64/1 b (=H2) und Umschlag 64/1 a (=H3) Bogen, 236 x 192 mm (=H1), Blatt, 192 x 118 mm (=H2), Blatt, 81 x 97 mm (=H3) Stempel YVERDON, Siegel, Notiz auf dem Adressblatt Brief von Georg Sigrist bekam ich. Er schreibt, dass Pestaloz ihm lieb ist. H3: Zu den Arauer Cantonsbothen V e rlorne B rille . Freitag d[en] 20ten Jul. d[ieses] J[ahres], ist auf der Strasse von Lenzburg nach Bern zunächst dem Dorf Kölleke eine grosse silberne Brille mit oder ohne braunes hartes Futteral, das abseits gefallen seyn kann verloren worden. Die Brille, ganz mit ∫ od[er] ∫ ohne ∫ Futteral ∫, ist gegen 3 Schweizerfrancs, das blosse silberne ∫ Gestell gegen 2 dito bei — abzugeben. Original Textkritik

Zeuge H Z. 5–40 Z. 5 Z. 6 Z. 7 Z. 8

H1 Pestalozzi: lateinische Schrift Lenzburg: lateinische Schrift im Canton Aargau: lateinische Schrift Yverdon, Moser’s: lateinische Schrift

139 Z. 8 Z. 10 Z. 13 Z. 14 f. Z. 19 Z. 20 Z. 28 Z. 31 f. Z. 40 Z. 41–60 Z. 45 Z. 45 f. Z. 46 Z. 46 f. Z. 47 Z. 48 Z. 48 Z. 49

Plaine: lateinische Schrift unverrüc∫kter noch ist ∫ und Wieder-Namen kennen ∫ die schwärzeste gestern, mit ausser mir 2 od[er] 3 ∫ lateinische Schrift H2 unerkannt ∫ sechs Uhr noch ∫ selbst angekleidet ∫ ich bin ∫ alte ∫ Fanchette: lateinische Schrift die nie wachen gekommen! war ∫ Sacherklärung I.

Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836, ⇒ Nr. 1599), Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507), Michael Traugott Pfeiffer (1771–1849, ⇒ Nr. 917) und Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) II. Der erste Teil des Briefes (H1) dürfte wohl von Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836, ⇒ Nr. 1599) verfasst worden sein. Von wem der zweite Teil, der in einer anderen Handschrift geschrieben ist, stammt, ist unklar, da die Schrift zu keinem der weiteren drei Unterzeichner passt. III. Z. 6 Z. 8

Z. 9 Z. 14

Z. 43 Z. 48

Z. 53 Z. 53 Z. 53

Lenzburg: Pestalozzi war Ende Juli 1810 nach Lenzburg gereist, um dort an der Jahrestagung der Helvetischen Gesellschaft (⇒ Nr. 971) teilzunehmen. Moser’s Haus: Es ist unklar, welches Haus damit konkret gemeint sein könnte. Die Rue de la Plaine ist in unmittelbarer Nähe zum Schloss gelegen. sie: Eva Thiriot-Hoffmann (†1826) ⇒ Nr. 917 Arzt: Möglicherweise ist hier der Chirurg und Mediziner Dr. Jean Charles Develey (1784–1854) gemeint, der aus Bischofszell (Kt. Thurgau) stammte und in Yverdon lebte. Jungfer Hoffmann: Eva Thiriot-Hoffmann (†1826) ⇒ Nr. 1300 Fanchette: Damit könnte möglicherweise Françoise-Catherine Decoppet, genannt Fanchette (*1732) gemeint sein, die Ehefrau des Stadtrats JeanFrançois Decoppet (1723–1773) aus Yverdon. Sie heirateten 1757. Wärterin: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Mann: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Kind: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte.

140 1158. Unbekannt August 1810 5

[Reg.] Briefe von Unbekannt teilen Pestalozzi mit, dass ein Franzose «namens St. Jullien … seiner harre».

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 823, S. 21 Sacherklärung I.

Es ist unklar, um wen es sich beim Absender dieser Briefe an Pestalozzi handelt, die von Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) in einem Brief vom 21. August 1810 an Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) in Petersburg erwähnt werden. II. Frédéric César de Laharpe (1754–1838, ⇒ Nr. 722) hatte am 18. Juli 1810 (⇒ Nr. 1153) den Besuch Marc Antoine Julliens (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) angekündigt.

Z. 4 f.

III. St. Jullien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200

1159. Johann Wilhelm Mathias Henning August 1810 [Reg.] Henning schickt Briefe von Chur und vom Grimsel-Hospiz nach Yverdon.

Überlieferung 1

Nr. 1170 Sacherklärung I.

Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 II. Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868, ⇒ Nr. 1021) reiste mit Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836, ⇒ Nr. 1599) und zwei Schülern, den beiden Brüdern Johann Jakob (1797–1838, ⇒ Nr. 520) und Johann Christoph Bischoff (1799–1864, ⇒ Nr. 520)

141 nach Norditalien (⇒ Nr. 1170). Es war üblich, dass ein Teil der Lehrer mit einigen Schülern im Sommer eine Reise unternahmen, die durchaus auch ins Ausland führen konnte. Hier allerdingst scheint die Reise im Auftrag der Eltern unternommen worden zu sein.

1159 a. Joseph Feierabend 10. August 1810 [Reg.] Feierabend schickt einen Wechsel auf Herrn Ksionzek.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 122.10 f. Sacherklärung I.

Joseph Feierabend (1779–1859) ⇒ Nr. 1106 II. Joseph Feierabend (1779–1859, ⇒ Nr. 1106) hatte sich 1810 zur Ausbildung bei Pestalozzi aufgehalten und wollte seine noch ausstehenden Pensionskosten mit einem Wechsel auf Michael Ksionzek (⇒ Nr. 1069) bezahlen. III. Z. 4

Ksionzek: Michael Ksionzek ⇒ Nr. 1069

1160. Gottlob Friedrich Marsch 10. August 1810 Stans den 10 ten August 1810 5

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Unmöglich kann ich Stans verlassen ohne mich mit Ihnen theurer Pestalozzi von hier aus zu unterhalten. Seit dem 24 ten vorigen Monaths weile ich schon in diesem für mich so interressanten Ort, mache öfters Bergreisen kehre dann wieder neu gestärkt mit meinem Mönch auf Maria Rickenbach u[nd] von da ins Thal nach Stans zurück. Schon in der Wochenschrift zog Ihr pädagogisches Unternehmen in disem Ort meine ganze Aufmerksamkeit an sich. Jetzt aber da ich selbst an Ort und Stelle bin, die Bewohner des

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Thals, so wie die der Berge, kennen lerne, mich mit dem hier herrschenden Geiste bekannt gemacht habe: zolle ich Ihnen grosser Mann meine höchste Bewunderung. Ich machte am Portjuncula Feste welches hier in dem Capuciner Kloster sehr solenn gefeyert ward verschiedene interressante Bekanntschaften über Tafel, fand in einigen Capucinern Männer von Kopf und Herz die mich, durch Ihren Enthusias[m]us mit welchem Sie von Ihren pädagogischen Unternehmungen sprachen, ganz an sich zogen; lernte den Landamann Zelger der mit der Wärme seines ganzen Herzens von der Erziehung, die seine Söhne in Ihrem Institut zu Burgdorf erhalten haben, kennen, sowie den Pfarrhelfer Odermatt, der mir mit Rührung erzählte, wie oft er Ihre Thränen des Danks gegen die Vorsehung nach Absingung eines Chorals wozu, wie er mich versicherte oft den Ton mit der Violine angegeben, gesehen hätte, ebenfalls. Alle diese Männer freuten sich Ihres Wohlseyns u[n]d seegneten Sie mit ganzer Seele. Mit der offensten Zuvorkommenheit so wie mit der edelsten Humanität machten mich dise Freunde mit allen Merkwürdigkeiten des Orts bekannt. Besonders überrascht ward ich als mir das Haus gezeigt ward worinn Winkelried gewohnt haben soll. Der gewesene Landamann Trachsler ist jezt Besitzer davon. Ein wahrhaft weiblicher Engel führte mich darinn herum. So dachte ich opfern auch nach Jahrhunderten Charitinen des Helden Aschenkrug! Vorigen Sonntag gab man hirzu auf dem Liebhaber Theater Zieglers Tag der Erlösung, nebst einen kleinen Nachspiel. Mit vollem Recht kann ich gestehen, es übertraf ganz meine Erwartung! Die spielenden Personen waren alle Einwohner des Orts u[n]d einige spielten wahrhaft vortreflich. Der Sohn des Landamann Zelger machte die Rolle des Lieutnants im Nachspiel, schwören hätte ich wollen darauf ohne es zu wissen, er sei im Pestalozzischen Institut gebildet worden; das freye hingebende kraftvolle Benehmen sprachen sich in ihm so aus als hätte er von Jugend auf seine Rolle nur allein studiert, so fand ich ihn des Tags darauf in seinem gewöhnlichen Costum als den schlichten redlichen u[n]d energischen Jüngling, der der Gesellschaft im Menschenleben in seinem einstigen Fache gewiss mit Treue u[n]d Kraft dienen wird. Meine heitere Laune worinn ich durch alles dises versezt, ward aber auf einmal getrübt als mir der Landamann Zelger den Tod meiner Königinn anzeigte. Es that diesem guten Mann äusserst wehe, als er mich mit nichts von meinem Trübsinn befreyen konnte, Ursache durch Mittheilung dieser Nachricht derselben geworden zu sein und er versicherte wiederholt er würde es nicht gethan haben wenn er vorausgesehen hätte dass mich dis

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in eine so tiefe Traurigkeit versezt haben würde. Der Professor, jezige Caplan Feyerabend zu Maria Rickenbach mit welchem ich treulich Berge u[n]d Abgründe durchwandle und welcher bey einer Resignation u[n]d Seelenruh, die mir Bewund[er]u[n]g abzwingt, sich sehr zufrieden und glucklich fühlt, grüsst Sie u[n]d alle Fründe im Institut von ganzem Herzen. Mit Schmerz musste ich mich von Ihnen und von Allen Fr[eun]den in Yverdun die ich herzlich zu grüssen bitte, trennen, so auch gebieten es die Nothwendigkeit mich morgen von meinem gelehrten und wahrhaft guten Freunde Feyerabend zu trennen u[n]d nun unverzüglich meiner Bestim[mun]g nach Berlin zuzueilen. Von da aus erlauben Sie mir wieder Ihnen mein inige Erkenntlichkeit so wie meine unaufhorliche Liebe u[n]d Hochachtung mit der Versich[eru]ng erkennen zu geben mit welcher ich ewig seyn werde Ihr F[riedrich] Marsch

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 201/1 Bogen, 221 x 187 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 8 f. Z. 9 Z. 10 Z. 21 Z. 22 Z. 23 Z. 31 Z. 32 Z. 36 Z. 40 Z. 45 Z. 49 f. Z. 56 Z. 56 Z. 60 Z. 61 Z. 64

lateinische Schrift mit meinem Maria Rickenbach: lateinische Schrift Stans: lateinische Schrift Zelger: lateinische Schrift Burgdorf: lateinische Schrift Odermatt: lateinische Schrift Winkelried: lateinische Schrift Trachsler: lateinische Schrift Zieglers: lateinische Schrift Zelger: lateinische Schrift Costum: lateinische Schrift Zelger: lateinische Schrift Caplan Feyerabend: lateinische Schrift Maria Rickenbach: lateinische Schrift Institut: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Feyerabend: lateinische Schrift

144 Z. 65

Berlin: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Gottlob Friedrich Marsch (1761–1829) aus Zielona Góra (Grünberg, Schlesien) besucht die Schulen in Breslau und unterrichtet anschliessend in Zielona Góra am neu errichteten Armenschulinstitut, das im Laufe der Zeit mit der Armee- und Garnisonsschule verbunden wird. Parallel dazu führt er ein kleines Privatinstitut und gründet eine Sonntagsschule. Nach 14 Jahren Tätigkeit gibt er diese Ämter auf und reist 1809 im Auftrag der preussischen Regierung (⇒ Nr. 1049) als Eleve zu Pestalozzi nach Yverdon. 1810, nach seiner Rückkehr, unterrichtet er für kurze Zeit am Pädagogium und dem Lehrerseminar in Sulechów (Züllichau, Schlesien), anschliessend ist er als erster Lehrer an der Bürgerschule in Potsdam tätig. 1818 wird Marsch von der Regierung nach Jüterbog an die Stelle des dritten Lehrers der Stadtschule versetzt, 1819 werden die von ihm verfassten Bücher Rechenlehre als Stoff zur ersten Übung im Denken sowie Volksschulkunde veröffentlicht. 1821 tritt er die Stelle des Rektors der Stadtschule von Trebbin (beides Brandenburg) an (vgl. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 2A II T Nr. 2000; Rep. 2A I T Nr. 2001 [Berichte zu Marschs Versetzungen und Probelektionen]; Rep. 2A II J Nr. 927 [Einrichtung der Schule in Jüterbog und Besetzung der Lehrerstellen, 1815–1829]). II. Auf der Rückreise nach Schlesien besuchte der preussische Eleve Gottlob Friedrich Marsch (1761–1829, ⇒ Sacherklärung I.) Stans, das er aus Pestalozzis Stanser Brief kannte, in welchem dieser seine Erlebnisse als Vorsteher eines Waisenhauses schilderte und darstellte, wie er in dieser täglichen Arbeit die Grundlagen seiner Methode «entdeckt» hatte. Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) hatte den Stanser Brief 1807 im ersten Band der Wochenschrift veröffentlicht. Lit.: Daniel Tröhler: Pestalozzis pädagogische «Klassiker» und die deutschsprachige Pädagogik. In: Johann Heinrich Pestalozzi: Ausgewählte Werke – Studienausgabe. Band 2: Abendstunde eines Einsiedlers / Stanser Brief. Zürich 2006, S. 7–31 III. Z. 8 f.

Z. 9 Z. 10 Z. 10 f.

Z. 15 Z. 16 Z. 16 Z. 21

meinem Mönch: Damit könnte Joseph Feierabend (1779–1859, ⇒ Nr. 1106) gemeint sein. Es ist aber auch denkbar, dass hier ein Mönch des Kapuzinerklosters Stans gemeint ist, da Gottlob Friedrich Marsch (1761–1829, ⇒ Sacherklärung I.) Feierabend später mit «Kaplan» titulierte (⇒ Z. 56). Maria Rickenbach: Seit 1529 war Maria-Rickenbach (Kt. Nidwalden) ein Wallfahrtsort. Wochenschrift: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811) Ihr pädagogisches Unternehmen: Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) veröffentlichte 1807 im ersten Band der Wochenschrift für Menschenbildung (S. 98–127, S. 129–137) Pestalozzis Stanser Brief. Portjuncula: Name der Kapelle Santa Maria degli Angeli unterhalb von Assisi, wo der Franziskanerorden seinen Ursprung hat. Capuciner: Die Kapuziner sind einer der drei Zweige des franziskanischen Ordens. solenn: feierlich Zelger: Franz Niklaus Zelger (1765–1821) ⇒ Nr. 1010

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seine Söhne: Franz Niklaus Zelger (1791–1873, ⇒ Nr. 1010), Jakob Zelger (1791–1812, ⇒ Nr. 1010) und Klemens Zelger (1793–1868, ⇒ Nr. 1010) Odermatt: Joseph Alois Odermatt (1771–1836) aus Stans war von 1794 bis 1798 Kaplan an der Hofkirche in Luzern. Anschliessend wurde er zum Pfarrhelfer in Stans (Kt. Nidwalden) ernannt und 1826 zum Pfarrer von Stans gewählt. Winkelried: Arnold von Winkelried ist eine mythische Figur aus der Schweizer Geschichte, dessen Heldenlegende im Zusammenhang mit dem Sieg der Eidgenossen über die Habsburger in der Schlacht bei Sempach vom 9. Juli 1386 entstanden ist. Die Winkelried-Sage, erwähnt unter anderem im «Halbsuterlied» (1533), besagt, dass Winkelried sich mit den Worten «Der Freiheit eine Gasse» und «Sorget für Weib und Kind» in selbst aufopfernder Weise in die Speere des Feindes geworfen habe, um damit für den eidgenössischen Angriff eine Bresche zu schlagen, die dann letztlich zum Sieg der Eidgenossen führte. Trachsler: Jost Remigius Traxler (1737–1815) war anfänglich als Hauptmann in französischen Diensten tätig und amtete mehrmals als Vogt (als Landvogt 1762 in Blenio, 1777 in den obern freien Ämtern und 1797 in Lugano sowie als Obervogt der Johanniterkommende Tobel 1768). Zudem war er 1767 Bannerherr von Nidwalden, von 1775 bis 1782 Landesstatthalter, 1782, 1789 und 1793 Landammann und 1792 Präsident der eidgenössischen militärischen Gesellschaft. Charitinen: griechische Göttin der Anmut Zieglers: Friedrich Wilhelm Ziegler (1759/61–1827) aus Braunschweig war Schauspieler an der Wiener Hofbühne und zugleich als Bühnendichter tätig. Tag der Erlösung: Friedrich Wilhelm Ziegler: Der Tag der Erlösung. Ein Original-Schauspiel in vier Aufzügen. Wien 1799 Sohn: Zwei der drei Söhne Franz Niklaus Zelgers (1765–1821, ⇒ Nr. 1010) übernahmen nach dem Besuch von Pestalozzis Anstalt in Burgdorf militärische Aufgaben im Ausland. Deshalb kommt hier wohl am ehesten der jüngste Sohn, Klemens Zelger (1793–1868, ⇒ Nr. 1010), als Laien-Schauspieler in Frage. Königinn: Luise Auguste Wilhelmine Amalie (1776–1810) war Herzogin zu Mecklenburg(-Strelitz). Durch ihre Heirat 1793 mit Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, ⇒ Nr. 568) wurde sie Königin von Preussen. Professor: Joseph Feierabend (1779–1859) ⇒ Nr. 1106

146 1161. Rosette Kasthofer 10. August 1810 5

Herren Pestalozzi in Yverdon Bern den 10ten Augstm[o]n[a]t.

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Um den Genuss meiner Freüden zu erhöhen muss ich Ihnen lieber Vater auch sagen können: ich freüe mich! u[nd] durch ein paar theüre Zeilen vernehmen, dass auch Sie mit den lieben Ihrigen wohl sind u[nd] alles seinen guten Gang geht. Den Tag meiner Ankunft hab ich bey meinem Bruder in der Stadt u[nd] den folgenden bey meinem Bruder auf dem Lande verlebt, gestern u[nd] heüte bin ich mit u[nd] bey Fr[au] Fueter, morgen von früh bis spät bey Fr[au] Graf in Vereinigung aller nahen Jugendfreündinnen, u[nd] übermorgen mit Brüder Schwestern u[nd] Mutter im Familien Kreise in Kirchdorf wo ich dann zu weilen gedenke, wie lange? ich weiss es nicht! Die Stimme der Pflicht wird da entscheiden. Länger als ich soll werd ich nicht bleiben, das gleiche Gefühl das meinen Aufenthalt in Arau beschränkte, spricht gleich laut hier u[nd] überall. Was ich in Arau erwartet hat sich richtig bestätigt – Antrag u[nd] Eindringen wegen Oelsberg. – Herren u[nd] Frauen die sich kräftige Worte der Ueberzeügung zutrauten, sprachen mich darum an, u[nd] die sich grössern Einflusses bewusst waren, gaben mir die gnädige Versichrung ich dürfe nun fordern damit mir willfahret werde. Sie zeigten mir warnend unsichren Grund u[nd] Boden in Yverdon, u[n]d lobend sichren u[nd] festen bey ihnen; u[nd] als sie sahen dass meine Ansichten von Grund u[nd] Boden nicht die Ihrigen waren dass ich mich glüklich fühle in Yverdon u[nd] noch lange nicht genug dort gelebt habe, da löste sich die Kraft der Ueberzeügung auf, in ein ohnmächtiges: est il possible! Meinem Bruder gefiele die Sache gar sehr, ich weiss dass er sich ausserordentlich freüen würde wenn ich ja dazu sagte, allein da ist die Rede nicht von Eindringen, u[nd] weil er Schwester Rösi kennt, sagt er höchstens: was meinst du? In Bern hab ich einige Eisrinden über bekannte Gesichter, scheele Augen u[nd] verdrehte Nasen erwartet, u[nd] besonders einige Ausrufungen: bist du nun verpestalozzianert? wie magst du dort sitzen? u[nd] dergl[eichen] m[ehr]. Doch nichts von dem allem! wo ich mich hinwende finde ich gleiche Achtung u[n]d Wär-

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me wie ehmals – ich kann mit Achtung von Ihnen u[nd] Ihrer Umgebung sprechen, man wiederspricht mir nicht u[nd] hört mich gerne, ich kann sagen dass ich glüklich bin bey Ihnen u[nd] meine Existenz in Yverdon mit keiner Existenz in Bern vertauschte, u[nd] man ärgert sich nicht, man freüt sich meiner Freüde u[nd] glaubt an mich u[nd] mein Glük. Ich habe schon vier vertraute Personen, deren jede sich in einem andern Kreis bewegt, über die öffentliche Meynung u[nd] über Gesellschafts opinion von Ihrer Sache befragt – jede hat mir versichert dass sie entweder gar nicht od[er] dann mit Achtung davon sprechen höre. Freylich lache man wohl ob dem Streit der Yverdoner Philosophen u[nd] Praktiker, u[nd] freylich werde hier u[n]d da darüber losgezogen, aber das sey ja nichts: über Fellenberg geh es tausendmal ärger her, bleibe doch in allen Abhandlungen über Pestalozzis Sache der Grundton immer Achtung. Den raport glaubt man gar sehr günstig u[nd] Trechsel ganz für die Sache eingenommen. Wirklich hab ich mit Personen gesprochen die ihm näher sind, u[n]d bey denen er weit mehr zum Vortheil als zum Nachtheil des Instituts gesprochen, auch mein Bruder der eben beym Landamman war als er nach seiner Rükkunft aus Yverdon seinen ersten Besuch machte, glaubte ihn in dieser Rüksicht ganz günstig gestimmt. – Ich hoffe nach meiner Rükkunft von Kirchdorf u[nd] Wichtrach Zeit zu finden einige Töchterninstituts die hochgepriesen u[n]d a l’ordre du jour sind, zu besuchen, so wie auch J[un]gf[e]r Wild die wie sie sagt gerne mit mir über eint u[nd] andres sprechen möchte. Die Stadt u[nd] mein ehmahliger Wohnort haben allen Reiz für mich verlohren, doch die Gegend zieht mich an mit unwiederstehlichem Reiz u[nd] giebt mir Freüden wie nur sie allein mir geben kann. – Jeder Berg der Landschaft die meine Blike so lange durchirrt, jedes Thal, jeder Wald, u[nd] vereinzelte Baum, jede Hütte u[nd] Garten, die Aare u[n]d ihre Ufer, alles spricht so mächtig mich an u[n]d giebt mir Gedanken u[n]d Gefühle wieder die ich ihnen u[nd] ihnen allein nur vertraut, u[nd] hier gehn der Mnemonik Geheimnisse mir auf, weit besser als in den Vorlesungen in Yverdon. Lieber Vater ich bin glüklich denn wo ich bin u[nd] gehe erwarten mich Freüden – glüklich im Gefühl des innern seeligen Friedens, u[nd] glüklich in der Hoffnung Ihrer Liebe würdig zu werden, mein Bestreben sie zu verdienen wird unverändert bleiben, wenn schon meine Worte nicht immer davon zeügen – ich trage so vieles gerne in mir, von dem ich so ungern spreche – ich habe gleich Ihren andren Kindern auch meine eignen Arten u[nd] Unarten u[n]d erwarte gleich Ihnen Schonung u[nd] Nachsicht –

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aber nicht diese allein, nicht wahr lieber Vater, auch Liebe lebt in Ihrem Herzen für Ihre kindlich u[nd] treü ergeben Tochter Rosette? Tausend herzliche Grüsse der lieben Mutter – der J[un]gf[e]r Hürner darf nichts von dem Gesagten über Oehlsberg mitgetheilt werden ich habe besondere Gründe u[nd] den Brief lieber Vater bitte ich dem Feüer nicht den Menschen a[nzuv]ertrauen – – Erinnern Sie sich des H[err]n Pfarh[errn Lut]z v[on] Zweysimmen mit dem Sie bey Fr[au] Fueter zu Mittag [gegessen]? u[nd] können Sie glauben dass damals Ihre Worte den eifrigen Gegner zum eifrigen Freünd umschaffen? Warum? Er war deren einer die Ihnen viel kezerisches zutrauen, allein Ihre Worte über Religion u[nd] Pflichten der Geistlichen, haben ihn so gewonnen, dass er bey Bekannten u[nd] Verwandten erklärte: nun möge man von Pestalozzi sagen was man wolle, er wisse woran er seye! Ein Mann der wie er gesprochen, könne nur wahrhaft u[n]d rein religiös seyn.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 264/I,5 Bogen, 249 x 186 mm leicht beschädigt Siegel Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 6 Z. 27 Z. 29 Z. 31 Z. 38 f. Z. 44 Z. 46 f. Z. 48 Z. 48 f. Z. 51 Z. 55 Z. 60 Z. 62 Z. 63 Z. 63 Z. 64 Z. 75

Yverdon: lateinische Schrift ergänzt mit fremder Hand: 1810 Yverdon: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift est il possible: lateinische Schrift du dort Yverdon: lateinische Schrift Personen, deren opinion: lateinische Schrift befragt Yverdoner: lateinische Schrift raport: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Wichtrach: lateinische Schrift instituts: lateinische Schrift a l’ordre du jour: lateinische Schrift Wild: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift

149 Z. 88–90

Ausriss Sacherklärung I.

Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 II. Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) war anfangs August als Patin zur Taufe ihrer Nichte nach Aarau gereist (ZB Zürich, Ms Pestal 826/13) und von dort weiter zu ihrem Bruder nach Bern, von wo sie diesen Brief schrieb und über ihre Erlebnisse aus Aarau berichtete. III. Z. 11 Z. 12

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Bruder: Es ist unklar, welcher Bruder von Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) in Bern lebte. Bruder: Damit könnte entweder ein Bruder gemeint sein, der auf dem Land lebte oder Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) hielt sich im Anschluss an den Stadtbesuch (⇒ Z. 11) auch auf dem Landgut ihres Bruders auf. Im ersten Fall könnte Karl Kasthofer (1777–1853) gemeint sein, der seit 1806 als Oberförster des Berner Oberlandes auf dem Land gelebt haben dürfte. Fr[au] Fueter: Charlotte Fueter-Simon (*1781) war die Tochter des Berner Seidenstofffabrikanten Georg Simon und mit Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) seit ihrer gemeinsamen Schulzeit in David Müslins (1747–1821, ⇒ Nr. 1117) Mädcheninstitut befreundet. Charlotte heiratete 1802 den Kolonialwarenhändler Samuel Emanuel Fueter (1775–1851). Sie hatten fünf Kinder: Charlotte (1804–1880), Jeanette/Johanne (1806–1873), Karl Emanuel (1811–1883), Maria (*1813) und Friedrich August (*1816). Fr[au] Graf: Es ist unklar, um wen es sich hier handelt. Eine Frau Graff schrieb Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) 1812 einen Brief (ZB Zürich, Ms Pestal 819, Umschlag 13), zudem ist eine Schülerin namens Elise Graf überliefert, welche bis 1842 das Institut in Genf besuchte (Ms Pestal 826a, Umschlag 70). Deshalb könnte hier möglicherweise Marie Elisabetha Graf-Studer (1780–1851) gemeint sein, Tochter des Metzgers und Hauptmanns Rudolf Daniel Studer (1755–1835) von Bern. Sie war seit 1798 mit dem Handelsmann und späteren Berner Grossrat und Standeskassier Ludwig Jakob Graf (1771–1825) verheiratet. Aus der Ehe gingen die Kinder Ludwig Theophil (1799–1889), Emilie (1800–1884) und Elise Caroline (1803–1890) hervor, allerdings lässt sich ein Aufenthalt der jüngsten Tochter in Genf nicht nachweisen. Brüder: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) hatte vier Brüder, Gottlieb Rudolf Kasthofer (1767–1823, ⇒ Nr. 1426), Niklaus Emanuel Kasthofer (1772–1824), Friedrich Franz Kasthofer (1775–1854, ⇒ Nr. 975) und Karl Kasthofer (1777–1853, ⇒ Z. 12). Ob alle zu dem geplanten Familientreffen erschienen, ist unklar. Niklaus Emanuel war Oberst der bernischen Standestruppen und heiratete 1800 Margaretha Gerber (1776–1814). Schwestern: Katharina Margaretha Susanne Hunziker-Kasthofer (1769–1853, ⇒ Nr. 975) und Juliane Margarethe Wyss-Kasthofer (1776–1813). Juliane Margarethe war seit 1804 mit dem Pfarrer Josef Rudolf Wyss (1763–1854, ⇒ Nr. 939) vermählt, der ab 1807 in Witracht amtete. (Bei der Biographie

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von Wyss (⇒ Nr. 939) muss allerdings der Vorname und das Todesjahr korrigiert werden). Aufgrund der örtlichen Nähe zum erwähnten Kirchdorf (beide Kt. Bern) ist anzunehmen, dass die Familie Wyss-Kasthofer das Familientreffen ausrichtete. Mutter: Susanna Kasthofer-Chaillet (1737–1822) ⇒ Nr. 979 Kirchdorf: Gemeinde im Kt. Bern Arau: Aarau (Kt. Aargau) wegen Oelsberg: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) war schon 1809 die Leitung des in ein Institut für höhere Mädchenbildung umgewandelten ehemaligen Damenstifts Olsberg im Fricktal angeboten worden, das seit 1802 zum Kanton Aargau gehörte. Sie schlug die Stelle aber aus. Bruder: Damit dürfte Gottlieb Rudolf Kasthofer (1767–1823, ⇒ Nr. 1426) gemeint sein. Schwester Rösi: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 Eisrinden: Damit dürfte Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) wohl eisige beziehungsweise glatte Mienen, die kein Gefühl zu erkennen geben, bezeichnet haben. Streit: Wegen den Veränderungsbestrebungen Joseph Schmids (1785–1851, ⇒ Nr. 712) in Bezug auf den Sprachunterricht kam es zur Lagerbildung innerhalb der Yverdoner Lehrerschaft. An der Spitze der «Philosophen» stand Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507), während mit «Praktiker» Schmid und ihm Zugewandte gemeint waren. Schmid verliess das Institut anfangs Juli 1810 unfreiwillig und publizierte kurz darauf die anklägerische Schrift Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen von Joseph Schmid, ehemals Zögling und nachmals Lehrer am pestalozzischen Institut zu Iferten (Heidelberg 1810); das Vorwort ist auf den 8. August datiert. Zur Kernkritik gehörte die Aussage, die Erziehung der Kinder – anders als der Unterricht – erfolge am besten durch die Eltern. Lehrer und Institut würden ihr Ziel diesbezüglich deshalb nie erreichen. Fellenberg: Philipp Emanuel von Fellenberg (1771–1844) ⇒ Nr. 426 raport: Abel Merian/Jean-Baptiste Girard/Friedrich Trechsel: Bericht über die Pestalozzische Erziehungs-Anstalt zu Yverdon. An Seine Excellenz den Herrn Landamman und die Hohe Tagsatzung der Schweizerischen Eydgenossenschaft. Bern 1810 Trechsel: Friedrich Trechsel (1776–1849) ⇒ Nr. 1184 Bruder: Damit dürfte wohl der an Bildungsfragen interessierte Gottlieb Rudolf Kasthofer (1767–1823, ⇒ Nr. 1426) gemeint sein. Landamman: Niklaus Rudolf von Wattenwyl (1760–1832) ⇒ Nr. 976 Wichtrach: Gemeinde im Kt. Bern a l’ordre du jour: Tagesordnung (frz.) J[un]gf[e]r Wild: Damit könnte Frau Wild (⇒ Nr. 834) gemeint sein. Mnemonik: Gedächtniskunst (gr.) Mutter: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 J[un]gf[e]r Hürner: Die angemahnte Vorsicht bezüglich der Informationen zum Olsberg (Kt. Aargau) legt nahe, dass es sich bei der Aargauer Jungfer Hürner um eine Schwester von Franz Ludwig Hürner (1778–1849) handelte, welcher zwischen 1802 und 1835 zur Direktion der Kantonsschule Aarau gehörte und von 1803 bis 1828 Aarauer Stadtschreiber war. Eine seiner vier Schwestern – Rosina (*1772), Julia (*1775), Maria Anna (*1780) und Anna Heinrica (*1782) – erhielt 1812 eine Stelle als Lehrerin am Stetten-

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schen Töchter-Erziehungs-Institut in Augsburg (Therese Huber: Briefe, Band 5: 1812–Juni 1815. Tübingen 2005, S. 116, S. 924). Wahrscheinlich handelte es sich um dieselbe, unverheiratete Henriette Hürner, die laut dem Missionsblatt des evangelisch-lutherischen Missionsvereins Augsburg im Verlauf der Jahre 1854/55 den Verein anlässlich ihres Todes bedachte (Central-Ausschuss des evangelisch-lutherischen Missionsvereins für Bayern in Nürnberg (Hrsg.): Missionsblatt, No. 21, 1. November 1855, S. 84). Oehlsberg: Olsberg (Kt. Aargau) Lut]z: Carl Em[anue]l Lutz (†1832) war zwischen 1804 und 1812 Pfarrer in Zweisimmen und übernahm anschliessend bis 1832 das Pfarramt in Albligen (beide Kt. Bern). Ob es sich beim gleichnamigen Verfasser der 1802 publizierten Abschiedspredigt gewidmet der Gemeinde zu Madiswyl um ebendiesen Carl Emanuel Lutz handelte und er zuvor also in der Gemeinde Madiswyl (Kt. Bern) tätig war, ist unklar.

1162. Franz Adam Lejeune 14. August 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. à Pestalozzi le 14 aoust» auf dem Brief Pestalozzis vom 24. Juli 1810.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal Umschlag 70a/21 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2132

1163. Johannes von Muralt 19. August 1810 Heidelberg den 14 ten August 1 8 1 0 5

Hier halte ich mich wieder einen Tag ein, Theüerste, hier in H e i d e l b e r g ; dass mich der Name anheimelt, begreift Ihr dass ich mich aber doch nicht zu Haus fühle wol auch, u[nd] dass ich mit Sehnsucht, gemischt von Wehmuth u[nd] Freüde, an unsern

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lieben Heidelberg, an Euch alle zurük denke, ist natürlich. Es ist mir G[ott] L[ob] u[nd] D[ank] bis jetzt über Erwartung gut gegangen, noch ist mir nichts unangenehmes begegnet, u[nd] der Schmerz der Trennung von Euch hat keine offene Wunden, nur erhebende wohlthätige Empfindungen, nur tröstende meine Seele erfüllende Hoffnungen in mir zurück gelassen. Wie sehr wünsche ich mir ferner diese Ruhe, diese innere Fülle deren ich so besonders bedarf! Möchte nie, nie auch in der unübersehbaren Ferne es in mir leer u[nd] öde werden! möchte nie der unwiederstehliche Drang noch dorthin, die zerissenden Gefühle des Heimwehs mich treffen! Doch nein ich besorge es nicht, es wird gehen! Es muss gehen. Ich fühle die Kraft in mir zu ertragen was auch kommen mag. Ich fühle die Kraft in mir zu dulden, zu erzwingen durch Anstrengung, Hingebung u[nd] Kampf, was geduldet, gelitten u[nd] ___ sey[n] soll. Ich bin auf alles gefasst, u[nd] Gott dankend für die mir verliehne Kraft, will ich auch nicht dahin gehen, nie ersterben lassen, sondern mit Muth dem Ziel entgegen arbeiten dass mir, nach Gottes Willen u[nd] nach meinem Thun bereitet seyn wird. Schön u[nd] hehr sind die Bande der Liebe, der Freündschaft, des Wohlwollens, die Verhältnisse alle, welche unter Euch, welche in meiner Heimath mich so freundlich, mich bis an jezo so glüklich durchs Leben begleiteten und Genuss in mein Dortseyn brachten. Nicht leicht könnte ein andrer anziehendere u[nd] wohlthuendere Verhältniss aufweisen, nicht leicht wird ein Andrer sich glüklicher preisen. Und ich ziehe von dannen, ich lasse hinter mir, was mein bisheriges Leben mit Wonne erfüllte, u[nd] wandere in ferne Lande, in eine andre Heimath – Nein, nein, das thue ich nicht – Ich gehe hin, um wieder her zu kommen – ich verlasse was mir theuer war damit ich es einst in s[einem] unschätzbaren Werth wahrhaft verstehe, erkenne und ergreife, ich wandere aus, damit mir noch besser werde, da, wo mir schon so wohl war; damit ich nach dem Wiederheimkehren, das Glük, das mir widerfahren, ganz u[nd] vollkommen würdigen u[nd] benutzen könne. Mein Glaube ist Zuversicht, unerschütterlich, wie auf einen Felsen, stütze ich mich darauf, von wo aus ich die Zukunft klar u[nd] vertrauensvoll überschaue. Ihr alle, Theüre, lebt in meinen Herzen. Wie könnte es mir dann fehlen, so lange Ihr mir nicht fehlt? Heilig war mir mancher Tag manche Stunde heilig unter Euch – Die Erinnerung daran wird mich stets von neuem erfrischen u[nd] beleben wird mein künftiges Thun heiligen u[nd] die Hoffnung des frohen Wiederanknüpfens an die Vergangenheit wird noch heben u[nd] beseeligen. Dazu schlaget an u[nd] freuet Euch mit mir. Die schöns-

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ten Stunden warten nimmer. Das werden die seyn, wenn ich einst völlig u[nd] unzerstreut unter Euch hindenken werde wann ich Euch allen sagen werde, dass Ihr mir immer gleich lieb seyd, dass das Andenken an Euch mich glüklich macht, dass es mir wohl geht, dass meine Lage mich befriediget, dass ich im kalten Norden, mit Wärme an Euch hange, mit Liebe mit u[nd] unter Euch wandle u[nd] lebe. – Dieser Brief wird der erste seyn von denen dergleichen ich schreiben werde, ein Zirkularbrief an die Meinigen. Es ist mir Bedürfniss zu wissen, dass Sie von meinem Schicksal u[nd] meinem Seyn stets unterrichtet seyen u[nd] sich dafür intressiren. Mein theurer Bruder Leonhard in Zürich wird dafür sorgen, dass es nach meinen Wünschen geschehe, u[nd] wer von Euch mir die Freüde an Nachrichten von sich machen will, wird so gut seyn, es auch durch diesen Kanal, auf feinem Postpapier, so eng als möglich geschrieben, an mich kommen zu lassen. – Dem sey also! Dass weiss ich zum Voraus von allen aus Euch dass mich keiner je missverstehen oder von irgend etwas, das ich sagen möchte, Missbrauch machen wird. Dienstag den 7 ten diess reiste ich von Rosenberg, Herrn Blums Landguth, bey Winterthur, ab. Ich brachte dort noch einen vollen Tag, im freündschaftlichsten Kreis ungestort ruhig zu. H[err] u[nd] Fr[au] Blum begleiteten mich in Ihrer Chaise bis nach Schafhausen, wo ich in Ihrer traulichen Gesellschaft noch einmal den Lauffen, den Rheinfall erstaunte u[nd] bewunderte. Ich werde es diesem guten Paar ewig danken dass Sie mich bis über die Gränze meines Vaterlandes gebracht u[nd] bis auf den letzten Augenblik so herzlich besorgt für mich waren. Sie haben sich so gutig u[nd] so theilnehmend gegen mich bewiesen dass ich Sie gerne auch zu den Meinigen zählen möchte. Es hat mein Herz unaussprechlich wohl gethan, von den Eltern Blum u[nd] Rieter zu erfahren, dass mir diese 3 Knaben im Institut Blum Rieter u[nd] Daller so besonders anhänglich und erkantlich sind, weil eine hinreissende Sympathie mich an Winterthur zieht, an der Ort, wo ich, mit Schonung u[nd] Güte behandelt, die schönsten Jahre meines Knabenlebens zubrachte u[nd] von den ich tiefe, wirkende Eindrüke für m[eine] Bildung ins reifere Alter hinübergenommen, an den Ort, wo ich einst meine künftigen Tage, in einer bestimmter wohlthätigen Wirksamkeit, verleben mochte. Da ich nur 1 Stunde in Schafhausen verweilen konnte, war es mir nicht möglich irgend jemanden meiner Bekannten zu besuchen. Überhaupt aber fühle ich keinen Trieb in mir, auf der Reise viele Besuche zu machen, od[er] neue Bekanntschaften zu bilden, wo nicht besondere Anstände

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u[nd] Gründe mich dazu nothigen, in dem ich für einmal noch Mühe habe, mich andern, mich u[nd] Ihnen genug thuend zu äussern u[nd] mich an Sie an zuschliessen. – In der Dilligence traf ich bis jetz mit guter Gesellschaft zu sammen u[nd] erkenne dabey, dass es sehr gut ist, nicht mit einem bestimmten Reisegefährten in dem Postwagen zu reisen. Die Posten im Wurtenbergischem sind ganz vorzüglich gut eingerichtet u[nd] die Strassen wahrhaft königlich unterhalten; durchs ganze Land werden der Landstrasse nach Alleen angelegt: an vielen Orten wollen aber die Bäume im zu steinigten Boden nicht wachsen gleich v[on] Schafhausen aus war mir sehr auffallend der Unterschied der Landschaft von der schweizerischen. Die grossen Strecken Landes, meistens gut bebaut, stehen alle so kahl u[nd] öde, aus Mangel an Bäumen, eben so auffallend ist der Unterschied des Volks u[nd] Landes, so wie der Kultur beider, in der alt u[nd] neu Wirtenbergischen Landen. Die Gegenden, welche von den Östreicher an Wurtenberg gefallen, sind im traurigsten verlassensten Zustand: sie haben nöthig geschüttelt u[nd] geruttelt zu werden. Ihr neuer König mag sie auch behandeln wie er will, so kann es Ihnen nicht schlimmer werden, als sie scheinen es früher gehabt zu haben. Von Schafhausen aus fuhr ich unterm andern mit dem Prof[essor] Metzger, einem recht unterhaltenden, guten Mann, der aber sonst nicht viel aus s[eine]r Stube u[nd] seinem Assiette (wie man sagt) heraus kommt, daher er sich gar sehr freute über s[einen] guten Appetit, seine muntere Laune u[nd] die Leichtigkeit, mit der er sich in allen Reiseunbequemlichkeiten zu schicken wusste (er mahnte mich an den H[errn] Pf[arrer] Kambeli) noch angenehmer war mir das Zusammentreffen mit Hofrath Kampf (den ich in Yverdon habe kennen lernen) er wollte eben in die Schweiz auf den Rigi reisen u[nd] wartete in Schafhausen auf Reisegefährten von Heilbron, denen er rendez-vous gegeben – diese kommen nicht u[nd] er musste wieder nach Radolfszell, wo er sich jetz aufhält, zurückkehren; seit dem der Mann s[eine] Stelle verloren, ist er sehr missmuthig, hoffnungslos u[nd] sehnt sich sehr nach einer glücklichern Herz u[nd] Geist befriedigenden Lage. Wir unterhielten uns nach Herzenslust über das Institut u[nd] die Methode. Statt directe über Tubingen zu fahren, lässt der Herr König die Reisenden einen Umweg von 4–5 Stunden über Radolfszell machen, um das Vergnügen zu haben, von s[einen] neüen Besitzungen einige zu sehen u[nd] sich über deren elenden Zustand zu ärgern. Dort hörte ich einer katholischen, d e u t s c h e n Taufhandlung zu, die entzückend schön ist, sinn voll, religiös u[nd] ganz einfach, fast alle gottesdienstlichen Handlungen werden

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deutsch gemacht ein Werk von H[errn] v[on] Wessenberg, die ehrwürdigen H[erren] Pfarrer u[nd] Priester die aber nicht recht deutsch lesen können, bleiben indessen immer noch wohl weislich bey Latein, welches frey gelassen ist, indem der König, als Protestant nicht gewaltthätig in die katholische Kultur eingreifen wollte. In Radolfszell haben die Einwohner einen ganz besondern Vortheil; sie können nähmlich ihre Herden innert ihren Mauren, auf offener Gasse weiden lassen da es an Gras gar nicht fehlt. Dort nahm ich noch vom Bodensee Abschied von da aus ich mich in uns[ern] Thurgau hinüberträumte. Noch hatte ich zum Reisegefährten einen Neuchateller Kaufmann, einen jungen an Seel u[nd] Körper kranken Burschen, der auch nach St. Petersburg reiste, welchen zu beobachten ich mich gaudirte, wie er mit der Tochter des Professor Metzger, ihm unbemerkt, eine Liebesintrigue à la française an zu spinnen suchte. Er äusserte sich, als ob wir mit einander die Reise nach Russland machen könnten. Ich bedauerte aber, dass es nicht wol geschehen könnte, in dem ich oft aufgehalten werde. – Mit diesem käme ich nicht weit, denn er würde mich zu Todt ärgern ehe ich mit ihm an Ort und Stelle angekommen wäre, gut beschützt wäre man zwar von ihm: denn er führt mit sich Sabel u[nd] Pistolen, Liqueurs u[nd] Trinckwasser. Wir kamen durch 2 abgebrannte Städte Tuttlingen u[nd] Bahlingen die nun aber bald wieder ganz neu u[nd] weit schöner, als vorher, auf gebaut sind, vermöge der Assecuranzkasse. Die allenthalben einquartirten Soldaten u[nd] die schimmernden Offizire haben nur hie u[nd] da Seufzer u[nd] Herzwasser angereyten. – In Hechingen traf ich den H[errn] Rieter bey der Glocke v[on] Winterthur und plauderte mit ihm von Winterthurern u[nd] dem Pf[arre]r von Andelfingen, sie kommen aus einem benachbarten Bad. Im schönen, prachtvollen Stuttgard logirte ich 2 Tage bey dem Pfarrer Rösler; der ein Pestalozzisches Institut von 90 Kindern hat. Seine u[nd] s[eine]r Frau (der Gustel) Herzlichkeit hat mich länger gefesselt, als ich hätte sollen, indessen glaube ich ihnen durch meine Räthe u[nd] Vorschläge für die Führung der Anstalt nützlich gewesen zu seyn. Die J[un]gf[e]r Hartmann kränkelt noch viel u[nd] sehnt sich nach Ihrem Vaterlande zurük. V[on] Wangenheim ist stets eifrig für die Methode, giebt immer noch 6 ältern Töchtern Unterricht in der Algebra u[nd] Geometrie. Über all dies schriebe an Pestalozzis Freünde besonders – die Gartenanlagen sind glänzend, königlich gross u[nd] geschmackvoll, die grössten Bäume wurden gleich in Lebensgrösse verpflanzt u[nd] eingesezt. In einem antiken, halle[]ähnlichen Vogelhaus hat der König aller Arten Singvögel versam-

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melt, die einander aber nicht immer brüderlich behandlen; es [mu]ss Ihnen bey dieser Vereinigung nicht wohl seyn; denn sie singen alle, wie Spatzen. Damit verglich ich einen Schwitt von 25 Personen, die im Frohndienst ein königliches Kornfeld abschneiden mussten; die Leute waren so still, dass man kaum 4 Personen bey einander geglaubt hätte. Das war kein Schweizer Schmitt. Warum singt Ihr nicht? Das versteht sich von selbst. Wir lassen singen wer singen mag. – In Stuttgard sah ich den herlichen Pallast, wo der Luxus u[nd] die Pracht alle Vorstellung übertrift, alle Augenblick sieht man ein Meubel, ein Gemälde, eine Vase, ein Service, einen Teppich, eine Bildseüle oder so was, von dem es heisst, das kostete 50– f. 100’000 v[erbi] c[ausa] – man braucht es nie, es steht nur zum Staat da. Ich war in allen Zimmern; wenn man immer gienge, ohne sich bey irgend etwas auf zu halten würde man wenigstens eine halbe Stunde verwenden so ausgedehnt ist der Pallast, und wenn man nur das Intressante in einem Zimmer genau besehen will, muss man wenigstens 1 Stunde verweilen. Es sind 3 Flügel, wo von jeder in einem eignen Geschmack gebaut u[nd] ausmeüblirt ist. Es schwindelte mir, ich war so beengt, dass ich oft kaum noch athmen konnte, so dürfte mich alles, was ich da sah: und all diess, noch fast in höheren Grad wiederholt sich in Ludwigsburg dem Sommersitz vom König, ähnlich Versailles. Das Theater kann auch mit dem Pariser rivalisiren. Napoleon soll dem König gesagt haben, so schön habe er es nicht in Paris – Vous badinez habe der König geantwortet – ob er es wirklich nachher in Paris selbst so gefunden. In einer solchen Stadt möchte ich nicht Pestalozzisiren: Wir wollen sehen; wie es dort seyn wird! Ich sah H[errn] Alinbeck, der 10 Jahre in St. Petersburg gelebt hat, welcher mir sehr wichtige u[nd] angenehme Aufschlüsse über meine künftige Lage geben konnte. Ich komme, sagte er mir, ins schönste Quartir der Stadt zu wohnen; meine Verhältnisse zu der Gemeinde werden die angenehmsten von der Welt seyn, sie bestehe etwa aus 1500 Seelen, u[nd] zähle unter sich sehr viele, hochst gebildete u[nd] brave Männer. Meine Geschäfte meint er, werden mir nicht erlauben mich viel mit der Erziehung abzu geben. Der Voriger Prediger Collins sey abgetreten, weil er sich bey einer Erziehungsanstalt, die er errichtet, besser zu finden hoffe; er sey ein sehr gebildeter Mann u[nd] guter Redner gewesen. Ich werde nicht lange ledig bleiben; denn da gebe es Weiber genug die einen nicht ledig lassen. Pracht u[nd] Partien genug denen

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man nicht leicht wiederstehen könne! Also bringe ich Euch eine Russin, nehmt Euch in acht. – Lacht nur nicht zu laut. – Der König hat den letzten Flügel im Schloss selber neu bauen u[nd] auszieren lassen, in Zeit von 1½ Jahren war alles fix u[nd] fertig. Gegen das Ende befürchtete der König der Bau u[nd] die Ausmeüblirung mochte nicht zur bestimmten Zeit fertig werden, da stellte er noch 500 Mann mehr an, u[nd] befahle dass sie Tage u[nd] Nacht arbeiten sollten. Er selber machte alle Abende, oft sehr spät noch die Visitationen. Er ist ein grosser Kunstkenner. In Heilbronn besuchte ich einen Hofrath Meyer, der 8 Kinder hat, und mich durch s[eine] Traulichkeit sehr anzog, er gab mir viel Aufschluss über Dentzel u[nd] Zeller; er führte mich in der Gegend herum, die zu den fruchtbarsten u[nd] angenehmsten Deutschlands gehören mag. Heilbronn wahr ehemals eine Reichsstadt; es ist auffallend, was für ein freyerer, froherer Geist da herrscht, als in den andern Städten, die von jeher zu Wurtenberg gehörten. Nun aber finden die Leüte auch Ursachen genug zu klagen. Von Stuttgard weg nach Heidelberg bin ich zu Fuss gegangen nur von Necker gemünde an liess ich mich, in Begleitung einer Gesellschaft, den Necker herunter stossen, deren Ufer hier ganz schweizerisch, sehr abwechselnd u[nd] schön sind. Aus dem Badischen ziehen immer noch ganze Karawanen nach der Krimm, um sich dort einzufinden. Soeben kam einer ehemaligen meiner Universitätsfreünde zu mir; er hörte im Vorbeigang meinen Nahmen aussprechen – nun sprang er gegen mich – fragte kennst du mich? – der Stimme nach erkannte ihn er ist der Sohn von Prof[essor] Voss – nun selbst Professor in Heidelberg. Wir werden nun gleich spaziren gehen – sonst besuche ich hier nicht viele Leüte, wie ich in Sinn hatte indem ich nicht dazu aufgelegt bin. Frankfurt a/M d[en] 17 ten August 1810.

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Heidelberg u[nd] s[eine] schöne Gegend, ganz der schweizerischen ähnlich, hat auch mich ganz besonders anzogen. Wie ich nun aber die Studenten sah u[nd] so wol selbst bemerkte, als von andern vernahm, wie entfernt u[nd] misstrauisch sie unter einander lebten, wie es ganz unter Ihnen fehle an herzlicher Mittheilung u[nd] traulicher Freündschaft, wie verschwenderisch u[nd] roh ein grosser Theil der dortigen Studenten ihr Univer[si]täts Leben allda zubringen; und auch dass die von allen Seiten her zusammen gekauften u[nd] abgejagten Professoren wenig Gemeinschaft untereinander haben, bey all dem fühlte ich mich wieder weggezogen

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u[nd] freüte mich auf die Abreise – es war mir ärgerlich 2 volle Tage dort bleiben zu müssen, um auf m[ei]n Gepächt u[nd] eine Diligence nach Francfurt a/M zu warten. Eben war daselbst eine französische Truppenabtheilung einquartirt, die gerade das Napoleonsfest mit Pomp Musik u[nd] – Kanonendonner feyerte, dass uns fast die Postpferde (ganz unpatriotisch) davor vertäubt waren. In der Kathol[ischen] Kirche versammelten sich ein paar vergoldete Generale, Obersten, Comissäre u[nd] Comisse um den Priestern die Ehre zu erweisen, eine Messe anzuhören. Bis zum Altar marschirten die hochgeehrten Herren durch einen dichter Reihen von das Gewehr präsentirend Soldaten, die in der Kirche in natura aufgestelt waren; nach der Messe wurde in der Kirche tüchtig getrommelt u[nd] gepaust u[nd] vor der Kirche brav mit Kanonen geschossen, u[nd] meine hochgeehrten Herren hatten die Satisfaction unter dem Kanonendonner aus der Kirche zu tretten, in Begleitung einiger mit Diamenten u[nd] Ketten bedachten Damen von massiven Stoffen an Knochen, Haut u[nd] Fleisch. Das war ein imposantes Schauspiel! – Ich sah da auch 2 Studenten von Zurich, Beitinger u[nd] Haag v[on] Horgen mit denen ich einen sehr angenehmen Spaziergang machte. Den Ruckstuhl, der lange in Yverdon lebte, sprach ich aber am meisten der hat mich auch mit allem bekannt gemacht, was ich von der Universität zu wissen verlangte. Neulich war ein fürchterlicher Tumult u[nd] Aufruhr unter den Studenten entstanden, weil man ihre Freyheiten beschränken wollte, worauf 20 relegirt u[nd] 30 fest fortgeschaft u[nd] 2 auf die Festung abgeführt wurden. Bey all dem habe ich auch das berühmte Fass besehen, das 300 Fuder enthält nun aber leer steht bis es zerfallen wird. Von Heidelberg nach Francfourt hat ich schon eine abscheuliche Diligence, die so schwer bepackt war, dass man jeden Augenblick besorgen musste, die Räder oder die Achsen brechen zusammen. Die Reise-gesellschaft war auch abgeschmackt, untern andern ein Deutscher von Hamburg, der bald ganz Europa durch reisst u[nd] in einem langweiligen, accentlosen Ton über die Deutschen loszog; ich habe anfänglich mit ihm eingestimmt, nachher aber auf alle Seiten ausgeschlagen; es ist indessen dabey keiner Todt auf dem Plaz geblieben. Daneben sass auch ein naseweiser Junge, der über alles absprach, u[nd] dicht bey mir ein von Tabak stinkender Bauer, der sich wunderte noch eine so weite Reise zu machen, es waren gerade 16 Stunden von Heidelberg nach Darmstadt, u[nd] dort danäben ein abgelebter Franzos, der dem Hamburger immer Beyfall zu murmelte u[nd] sas in einer andern Ecke ein zweiter von

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Strasburg, der bald deutsch parlirte, bald französisch kuderwelschte u[nd] die französischen Tragödien gar weidlich in Schutz nahm u[nd] zu unser aller Spass sich ins Declamiren einliess. Mit müdem Rücken u[nd] hängenden Augenliedern kam ich dann doch in Francfort an, u[nd] liess mir gleich die hier für mich bey Heyder u[nd] bey Lejeune vorliegenden Briefe herabfolgen u[nd] las sie alle mit grosser Freüde. Ich antwortete hiemit jedem persönlich. Dr. Lejeune Ritter, Engelmann, Willmer, Panhuys, Staedel, v[on] den Velden u[nd] a[ndere] empfiengen mich mit ausnehmender Freündlichkeit u[nd] Güte. Ich fand hier die J[ung]f[e]r Lozeron von Yverdon auf eine Gelegenheit wartend, nach Gotha zu reisen. Nun suchen wir beyde nach demselben; in dem von nun an nicht rathsam ist, mit der Diligence zu reisen, da sie immer Schritt für Schritt gehen, u[nd] sich öfters lange an einem Orte aufhaltend. Wir werden leicht eine Gelegenheit finden u[nd] so zusammen reisen. Von dem jungen Wild habe noch nichts vernommen. Ich fand auch hier einen guten den Mahler Schöner der fast Lust hätte, mit mir nach St. Petersburg zu reisen heute den 17 ten essen wir bey Lejeune zu Mittag, unser 6 lauter gute alte Freunde. Das Frankfurt will anziehen wie Magnet – darum muss ich machen mit allen vieren bald davon zu kommen, das geschehen wird, so wie sich eine Gelegenheit zeigt – überhaupt werde von nun an eilen, so viel ich kann, bis jetzt wird mich niemand loben. Bis Leipzig mache wenigstens gewiss keinen Halt mehr. Von Königsberg aus schreibe Euch, Freunde u[nd] Geliebte, wieder einen weitläufigen und gemeinschaftlichen Brief. Nehm aber jeder heraus was ihm beliebt. Nun lebt alle glüklich u[nd] gesund vergesst meiner nicht Joh[annes] von Muralt Ausser obigem schreibt er noch an L e o n h a r d . F[rank]fourt a/M 17 ten August.

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So wie ich ein mahl von hier weg seyn u[nd] bestimmt werde berechnen können wann ich in Leipzig ankommen kann, so werde ich zum Voraus dorthin schreiben, u[nd] dan auch nach Berlin etc., dass man mir zum Reisegefährten verhelfe.

160 und F[rank]furt am 19 ten August. Eben finde ich eine sehr gute Gelegenheit nach Leipzig Extrapost, in einem sehr bequemen Wagen, mit dessen Eigenthümer zu fahren. –

Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 250/8 Bogen, 235 x 176 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 25 Z. 40 Z. 69 Z. 72 Z. 72 Z. 72 f. Z. 73 f. Z. 74 Z. 80 Z. 80 Z. 81 Z. 81 Z. 82 f. Z. 83 Z. 85 Z. 87 Z. 88 f. Z. 95 Z. 98 Z. 102 Z. 104 Z. 104 Z. 107 Z. 108 Z. 112 Z. 113 Z. 115 Z. 116 Z. 120 Z. 120 Z. 121

entgegen arbeiten Wieder ∫ Rosenberg: lateinische Schrift Blum: lateinische Schrift Chaise: lateinische Schrift Schafhausen: lateinische Schrift Lauffen: lateinische Schrift fall: lateinische Schrift Blum: lateinische Schrift Rieter: lateinische Schrift Blum Rieter: lateinische Schrift Daller: lateinische Schrift Sympathie: lateinische Schrift Winterthur: lateinische Schrift zubrachte u[nd] wo ich Schafhausen: lateinische Schrift Dilligence: lateinische Schrift Wurtenbergischem: lateinische Schrift Schafhausen: lateinische Schrift Strecken bebaut alt: lateinische Schrift Wurtenberg: lateinische Schrift Schafhausen: lateinische Schrift Metzger: lateinische Schrift Assiette: lateinische Schrift Appetit: lateinische Schrift Kampf: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Rigi: lateinische Schrift

161 Z. 121 Z. 122 Z. 122 Z. 123 Z. 127 Z. 128 Z. 128 Z. 128 Z. 129 Z. 130 Z. 140 Z. 145 Z. 146 Z. 148 Z. 148 f. Z. 150 Z. 158 Z. 160 Z. 161 Z. 161 Z. 162 Z. 162 f. Z. 164 Z. 164 Z. 165 Z. 169 Z. 170 Z. 172 Z. 178 Z. 187 Z. 198 Z. 199 Z. 199 f. Z. 201 Z. 203 Z. 204 Z. 205 Z. 206 Z. 206 Z. 214 Z. 228 Z. 229 Z. 230 Z. 231 Z. 232 Z. 234

Schafhausen: lateinische Schrift Heilbron: lateinische Schrift rendez-vous: lateinische Schrift Radolfszell: lateinische Schrift Institut: lateinische Schrift directe: lateinische Schrift Tubingen: lateinische Schrift König: lateinische Schrift Radolfszell: lateinische Schrift Wessenberg: lateinische Schrift Radolfszell: lateinische Schrift Neuchateller: lateinische Schrift Petersburg: lateinische Schrift Professor Metzger: lateinische Schrift à la française: lateinische Schrift könnten. Ich Assecuranz: lateinische Schrift Hechingen: lateinische Schrift Rieter: lateinische Schrift Winterthur: lateinische Schrift Winterthurern: lateinische Schrift Andelfingen: lateinische Schrift Stuttgard: lateinische Schrift Rösler: lateinische Schrift Pestalozzisches Institut: lateinische Schrift Hartmann: lateinische Schrift Wangenheim: lateinische Schrift Pestalozzis: lateinische Schrift Tintenfleck Service: lateinische Schrift all: lateinische Schrift Ludwigsburg: lateinische Schrift Versailles: lateinische Schrift Napoleon: lateinische Schrift Vous badinez: lateinische Schrift Paris: lateinische Schrift Pestalozzisiren: lateinische Schrift Alinbeck: lateinische Schrift Petersburg: lateinische Schrift Collins: lateinische Schrift Meyer: lateinische Schrift Dentzel: lateinische Schrift Zeller: lateinische Schrift fruchtbarsten u[nd] Heilbronn: lateinische Schrift Wurtenberg: lateinische Schrift

162 Z. 235 f. Z. 236 Z. 237 Z. 244 Z. 244 Z. 245 Z. 257 Z. 261 Z. 261 Z. 262 f. Z. 265 Z. 268 Z. 269 Z. 272 f. Z. 276 f. Z. 277 Z. 277 Z. 278 Z. 278 Z. 283 Z. 287 Z. 287 Z. 287 f. Z. 292 Z. 298 Z. 301 Z. 303 Z. 305 Z. 305 Z. 306 Z. 308 Z. 310 Z. 311 Z. 311 Z. 313 Z. 316 Z. 317 Z. 318 Z. 319 Z. 319 Z. 319 Z. 324 f. Z. 329 Z. 331 Z. 333 Z. 334

Heidelberg: lateinische Schrift Necker: lateinische Schrift Necker: lateinische Schrift Voss: lateinische Schrift Professor: lateinische Schrift Heidelberg: lateinische Schrift Professoren: lateinische Schrift Diligence: lateinische Schrift Francfurt a/M: lateinische Schrift Napoleons: lateinische Schrift Kathol[ischen]: lateinische Schrift hochgeehrten natura: lateinische Schrift Satisfaction: lateinische Schrift Zurich, Beitinger: lateinische Schrift Haag: lateinische Schrift Horgen: lateinische Schrift Ruckstuhl: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift relegirt: lateinische Schrift Heidelberg: lateinische Schrift Francfourt: lateinische Schrift Diligence: lateinische Schrift accent: lateinische Schrift Darmstadt: lateinische Schrift parlirte: lateinische Schrift Declamiren: lateinische Schrift Francfort: lateinische Schrift Heyder: lateinische Schrift Lejeune: lateinische Schrift Lejeune … Velden: lateinische Schrift Lozeron: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Gotha: lateinische Schrift Diligence: lateinische Schrift vernommen Schöner: lateinische Schrift St. Petersburg: lateinische Schrift Lejeune: lateinische Schrift Mittag: lateinische Schrift gute alte Königsberg: lateinische Schrift Joh[annes] von Muralt: lateinische Schrift F[rank]fourt: lateinische Schrift Leipzig: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift

163 Z. 336 Z. 337

F[rank]furt: lateinische Schrift Leipzig Extrapost: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 II. Mitte Juli 1810 hatte Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) Yverdon mit dem Ziel St. Petersburg verlassen. Den vorliegenden Brief schrieb er während des ersten Teils seiner Reise aus Heidelberg und Frankfurt. Da der Brief ein Kollektivbrief an alle Bekannten und Freunde in Yverdon war (⇒ Z. 57), gelangt er hier zum Abdruck, auch wenn Pestalozzi nicht explizit als Adressat erwähnt wurde. III. Z. 9 Z. 61 Z. 69 Z. 72

Z. 72 Z. 73 f. Z. 80 Z. 81 Z. 81 Z. 81 Z. 95 Z. 110 Z. 113

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Heidelberg: Die Familie von Muralt hatte ihren Stammsitz auf Schloss Heidelberg (Kt. Thurgau). Leohnhard: Leonhard von Muralt (1778–1848) ⇒ Nr. 705 Herrn Blums: Johann Georg Blum (1768–1824) ⇒ Nr. 1024 Fr[au] Blum: Anna Magdalena von Breiten-Landenberg (1774–1856) aus Zürich, deren Vater Hartmann Friedrich von Breiten-Landenberg zu Salenstein (1736–1788) thurgauischer Landesleutnant und seit 1759 Besitzer von Schloss Wolfsberg bei Ermatingen (Kt. Thurgau) war, heiratete 1793 Johann Georg Blum (1768–1824, ⇒ Nr. 1024). Sie hatte zwei Kinder: (Johann) Heinrich Blum (1796–1861, ⇒ Nr. 1024) und Sophia BiedermannBlum (*1802). Chaise: zweisitzige Kutsche Lauffen: Das Schloss Laufen ist direkt am Rheinfall gelegen. Rieter: Heinrich Rieter (1757–1840, ⇒ Nr. 897) und Anna Maria RieterDäniker (1763–1841, ⇒ Nr. 897) Blum: (Johann) Heinrich Blum (1796–1861) ⇒ Nr. 1024 Rieter: (Jakob) Heinrich/Henry Rieter (1795–1851) ⇒ Nr. 897 Daller: Georg Daller ⇒ Nr. 1024 Dilligence: Postkutsche (diligence, frz.) neuer König: Friedrich I., König von Württemberg (1754–1816) ⇒ Nr. 939 Prof[essor] Metzger: Johann Jakob Metzger (1759–1841) aus Schaffhausen amtete von 1789 bis 1841 als Pfarrer der Sonder-Siechen-Kirche auf der Steig, zudem war er von 1785 bis 1834 «Professor historiae et iuris» am Collegium Humanitatis in Schaffhausen. Assiette: Damit ist wohl die Redewendung «ne pas être dans son assiette» angesprochen, was soviel bedeutet wie «sich nicht in seinem gewohnten Zustand, nicht in der gewohnten physischen und/oder moralischen Gewohnheit und Umgebung zu befinden». H[errn] Pf[arrer] Kambeli: Georg Kambli (1776–nach 1830) war vor seiner Ordination Katechet in Leimbach (1798) und in der Enge (1799, heute beides Stadteile von Zürich). 1803 übernahm er die Stelle als Pfarrer in Knonau (Kt. Zürich), wo er 1810 abgesetzt und aus dem Ministerium ausgeschlossen wurde. Anschliessend arbeitete er als Buchhändler in Straubing (Bayern) und verzichtete 1830 auf das Zürcher Bürgerrecht. Hofrath Kampf: Jakob Wilhelm Kämpf (1755/60–1811) ⇒ Nr. 1128

164 Z. 129 Z. 135 Z. 147

Z. 156 Z. 156 Z. 160 Z. 161

Z. 162 f.

Z. 164 Z. 165 Z. 166 Z. 169 Z. 170 Z. 179

Z. 188 Z. 188 Z. 201 Z. 203 Z. 206 Z. 214

Z. 215

Radolfszell: Radolfzell (Baden-Württemberg) Wessenberg: Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774–1860) ⇒ Nr. 683 Tochter: Carolina Metzger (1787–1843) bildete sich autodidaktisch und ab 1818 durch Unterricht beim Kupferstecher Johann Jakob Lips (1791–1833) zur Malerin, Zeichnerin und Lithographin aus. Sie schuf zahlreiche satirische Zeichnungen und Aquarelle über die kleinbürgerliche Welt sowie Genrebilder, Familienbilder und Selbstporträts. Tuttlingen: Stadt in Baden-Württemberg Bahlingen: Stadt in Baden-Württemberg Hechingen: Stadt in Baden-Württemberg Rieter: Johann Jacob Rieter (1762–1826) aus Winterthur war nach einer kaufmännischen Lehre an einem Kolonialwarengeschäft beteiligt und machte sich 1795 mit einem Importbetrieb für Baumwolle und Garn selbstständig, welcher ab 1800 im Haus zur Glocke an der Marktgasse angesiedelt und unter dem Namen «Rieter zur Glocke» bekannt war. Von der Kontinentalsperre in seinen Importgeschäften behindert, verlegte sich Rieter, der von 1813 bis 1825 im Winterthurer Stadtrat und von 1814 bis 1826 auch im Zürcher Grossrat sass, auf die Eigenproduktion und gründete 1812 eine erste Spinnerei, der zahlreiche weitere nachfolgten, die alle in den noch heute bestehenden multinationalen Rieter-Konzern mündeten. Pf[arre]r von Andelfingen: Johann Wilhelm Veith (1758–1833) war ab 1781 Pfarrer in Hemmental (Kt. Schaffhausen), seit 1784 Pfarrer von Andelfingen (Kt. Zürich) und ab 1812 Pfarrer von Schaffhausen. 1824 wurde er Antistes und Dekan, zudem war er als Kirchen- und Schulrat tätig. Er galt als Kunstfreund und Gemäldesammler und war auch schriftstellerisch sowie dichterisch tätig. Pfarrer Rösler: Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845) ⇒ Nr. 1043 Institut: ⇒ Nr. 1136 Gustel: Auguste Rösler (1786–1818) ⇒ Nr. 1128 J[un]gf[e]r Hartmann: Klara/Claire von Hartmann (*1774) ⇒ Nr. 984 V[on] Wangenheim: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 Schwitt: Dieser Ausdruck ist auf das französische «suite» zurückzuführen, das seit dem 17. Jahrhundert häufig für «Gefolge, Menge, Schar» im militärischen oder höfischen Sinn verwendet wurde. f.: Abkürzung für Gulden, eine weit verbreitete Gold- oder Silbermünze v[erbi] c[ausa]: zum Beispiel (lat.) Napoleon: Napoleon I. Bonaparte (1769–1821) ⇒ Nr. 580 Vous badinez: Sie spassen (frz.) H[errn] Alinbeck: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Collins: Johann David Collins (1761–1833) aus Königsberg studierte ebenda Theologie und war 1785 als Lehrer an der Kornmesserschen Waisenanstalt in Berlin tätig, ein Jahr später am Waisenhaus Königsberg. 1789 wurde er in Königsberg ordiniert und heiratete 1790 Charlotte Anna Wilhelmine Euler (1773–1831), eine Enkelin Leonhard Eulers (1707–1783). Von 1790 bis 1810 war er Pfarrer der deutschen reformierten Gemeinde St. Petersburg, danach gründete und leitete er in St. Petersburg zwischen 1811 und 1830 eine private Erziehungsanstalt (⇒ Z. 215). Erziehungsanstalt: Die 1811 vom reformierten Pastor Johann David Collins (1761–1833, ⇒ Z. 214) gegründete und geführte Erziehungsanstalt bestand bis 1830 und gehörte zu den besonders erfolgreichen Privatschulen in St. Petersburg.

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Z. 228

Z. 229 Z. 230 Z. 236 Z. 237 Z. 240

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Z. 244 Z. 260 Z. 262 f.

Z. 266 Z. 277

Lit.: Erik Amburger: Die deutschen Schulen in Russland mit besonderer Berücksichtigung St. Petersburgs. In: Friedhelm Berthold Kaiser/Bernhard Stasiewski (Hrsg.): Deutscher Einfluss auf Bildung und Wissenschaft im östlichen Europa. Köln/Wien 1984, S. 1–26 Hofrath Meyer: Friedrich Christoph Mayer (1762–1841) studierte in Tübingen Jura, legte 1783 das Examen zum Hofgerichtsadvokaten ab und wurde 1785 Konsulent des Ritterkantons Kraichgau (einer Gemeinschaft ritterlicher Adelsfamilien im Kraichgau) in Bischofsheim (Baden-Württemberg). Im selben Jahr heiratete er Johanna Henriette Hartmann (1762–1820), mit der zusammen er acht Kinder bekam. 1797 zog er nach Heilbronn und arbeitete als Justiziar, 1803, im Zusammenhang mit einer Stelle als Konsulent des Archivs des Ritterkantons Ottenwalds, erfolgte der Umzug nach Kochendorf (Baden-Württemberg). 1808 kehrte Mayer wieder nach Heilbronn zurück, 1813 wurde er Ober-Administrator des fürstlich HohenloheJagstbergischen Debitwesens und zog 1835/36 nach Stuttgart zu seiner jüngsten Tochter. Dentzel: Johann Bernhard Gottlieb Denzel (1773–1838) ⇒ Nr. 1652 Zeller: Karl August Zeller (1774–1846) ⇒ Nr. 656 Necker gemünde: Neckargemünd (Baden-Württemberg) Necker: Fluss in Baden-Württemberg Krimm: Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wanderten zahlreiche Deutsche aus Südwestdeutschland, dem Elsass, Hessen, Bayern und Preussen nach Russland aus, wo sie sich in Siedlungsgebieten an der Wolga, bei St. Petersburg, im Südkaukasus und am Schwarzmeergebiet niederliessen. Es waren vor allem politische und wirtschaftliche Gründe, die diese Menschen veranlassten, ihr Land zu verlassen: Die Bevölkerung litt wegen der napoleonischen Kriege und dem 1806 gegründeten Rheinbund unter Zwangsrekrutierungen, dem Einrücken französischer Besatzungstruppen sowie steigenden Steuerlasten, hinzu kamen schlechte Ernten, die in der Folge zu Teuerungen und Hungersnöten führten. Gründe für die Massenwanderungen nach Russland sind aber auch beim Einwanderungsland zu finden: Erlasse der Zarin Katharina II. (1729–1796) von 1763 und des Zaren Alexander I. (1777–1825, ⇒ Nr. 520) von 1804 lockten Einwanderungswillige mit Landankaufsmöglichkeiten, Steuerfreiheiten, Militärdienstbefreiung und freien Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten. Universitätsfreünde: Johann Heinrich Voss (1779–1822) studierte Theologie und Philologie in Halle und Jena, unterrichtete von 1804 bis 1806 als Gymnasialprofessor in Weimar und war seit 1807 als Professor der Philologie in Heidelberg tätig, 1809 wurde er zum Ordinarius befördert. Voss war auch schriftstellerisch tätig, er arbeitete mehrere Jahre an der Übersetzung des Aischylos, die postum 1826 erschien. Prof[essor] Voss: Johann Heinrich Voss (1751–1826) ⇒ Nr. 933 Gepächt: Gepäck (Verschrieb) Napoleonsfest: Damit ist das Fest gemeint, das jeweils am 15. August aus Anlass des Geburtstages von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) stattfand. Comisse: Militär, Truppe, Soldatenstand (Kommiss umgangssprachlich) Beitinger: David Breitinger (1789–1815) aus Zürich immatrikulierte sich im April 1809 für das Studium der Mathematik an der Universität Heidelberg, im Bürgerregister der Stadt Zürich ist er als Ingenieur aufgeführt.

166 Z. 277

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Z. 306 Z. 308 Z. 308 Z. 308 Z. 308

Z. 308

Z. 308 f.

Haag: Da an der Universität Heidelberg um 1810 herum kein Haag aus Horgen immatrikuliert war, ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Allenfalls handelt es sich um Heinrich Hüni aus Horgen, der sich im Oktober 1809 für das Studium der Rechtswissenschaften immatrikuliert hatte. Ruckstuhl: Karl Ruckstuhl (1788–1831) ⇒ Nr. 1126 berühmte Fass: Seit 1591 war das Grosse Weinfass im Heidelberger Schloss eine Attraktion für die Besucher. Das erste grosse Fass mit einem Fassungsvermögen von ca. 130 000 Litern liess der Pfalzgraf Johann Kasimir von Pfalz-Simmern (1543–1592) zwischen 1589 und 1591 erbauen. Es wurde im Dreissigjährigen Krieg zerstört und Kurfürst Karl I. Ludwig (1617–1680) liess 1664 ein neues, noch grösseres Fass, erbauen. Eine Totalerneuerung und erneute Vergrösserung des Fassvolumens in den Jahren 1724 und 1727/28 auf Anweisung des Kurfürsten Karl III. Philipp (1661–1742) brachte das dritte Fass hervor. Das vierte, heute noch zu bewundernde Fass liess Kurfürst Karl Philipp Theodor, Karl IV. (1724–1799) 1751 erbauen. Es ist 8,5 m lang und 7 m hoch und hat wie seine Vorgänger auf der Oberseite einen Tanzboden. Zweck der Fässer soll das Einsammeln des Zehntweins in der Kurpfalz gewesen sein. Heyder: Möglicherweise ist hier ein Mitglied der Bankiersfamilie Heyder gemeint, welcher die Bank Heyder & Co. gehörte. Am ehesten käme dann der älteste Sohn in Frage, Georg Friedrich Peter Heyder (1788–1860), der nach dem Tod seines Vaters Johann Georg Heyder (1748–1809) als Partner in die Bank einstieg und ab 1812 zusammen mit seinem Bruder Christian Friedrich Meyer (1791–1861) die Leitung derselben übernahm. Lejeune: Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 Ritter: Karl/Carl Ritter (1779–1859) ⇒ Nr. 908 Engelmann: Julius Bernhard Engelmann (1773–1844) ⇒ Nr. 916 Willmer: Johann Jakob von Willemer (1760–1838) ⇒ Nr. 875 Panhuys: Freiherr Wilhelm Benjamin Panhuys (1764–1816) aus Maastricht trat 1778 ins Oranje-Gelderland Regiment ein. 1783 wurde er Kapitän, 1795, nach der Ausrufung der Batavischen Republik siedelte er nach Deutschland über, war als Oberstleutnant in kurhessischen Diensten tätig und pflegte in Frankfurt unter anderem Verbindungen zu Franz Adam Lejeune (1765–1854, ⇒ Nr. 870). Anschliessend trat er erneut als Offizier in niederländische Dienste, wurde 1814 Generalmajor und 1816, nachdem die Niederlande von den Engländern die Kolonie Surinam (Südamerika) zurückerhalten hatte, zum dortigen Generalgouverneur ernannt. Seit 1805 war Panhuys in zweiter Ehe mit Luise Friederike Auguste Panhuysvon Barkhaus von Wiesenhütten (1763–1844, ⇒ Brief vom 9. Januar 1823) verheiratet. Staedel: Johann Friedrich Staedel (1728–1816), Kaufmann und Bankier, sammelte Gemälde, Zeichnungen und Kupferstiche. Er verfügte testamentarisch, dass sowohl seine Kunstsammlung als auch sein Vermögen einer Stiftung zu Gute kommen sollten, die aus dem Städelschen Kunstinstitut und einer dazugehörenden Kunstschule, der Städelschule – heute die staatliche Kunstschule in Frankfurt am Main – bestehen solle. v[on] den Velden: Reinhard von den Velden (1768–1829) war Handelsmann und Bankier aus Frankfurt, seit 1799 mit der Bankierstochter Johanna Maria Scharff (*1779) verheiratet, mit der er fünf Kinder hatte. Der älteste Sohn, Reinhard von den Velden (1801–1858, ⇒ Nr. 1194 b), war von 1808 bis 1815 Schüler am Pestalozzischen Institut in Yverdon.

167 Z. 310 Z. 316

Z. 317

J[ung]f[e]r Lozeron: Marie Susanne Lozeron (*1791) ⇒ Nr. 1511 jungen Wild: Damit könnte Christian Niclaus Wild (1799–1865) gemeint sein, Sohn des in Paris als Kaufmann tätigen Hans Peter Wild (1762–1808) und dessen Frau Agatha (1764–1806). Nach dem Tod seiner Eltern war Wild von 1809 bis 1811 Schüler am Pestalozzischen Institut in Yverdon, 1820 heiratete er Anna Katharina Wild (1798–1866) aus Mitlödi (Kt. Glarus), übernahm ebenda das Amt des Kirchenvogts und wurde Vater von zehn Kindern, von denen jedoch alle im Kindesalter starben. Schöner: Georg Friedrich Adolf Schöner (1774–1841) ⇒ Nr. 774

1164. Georges de Rougemont 21. August 1810 Yverdon M[onsieu]r Pestalozzi 5

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du 21 e Aout. Il faut terminer ce qui concerne le séjour de feu mon fils chez vous m[on] resp[ectable] ami. Le 24 février je v[ou]s écrivis que v[ou]s pouviez disposer de 3150 p[ot] de Vin à 7½ pot et arg[en]t de Berne et je v[ou]s en débitai en S[uiss]e L[ivres] 573.10 je v[ou]s créditai en Echange du M[ontan]t de v[otre] c[omp]te en 187.1.6 Vous me redevez donc L[ivres] 386.7.6 que j’envisageai comme un à compte de la pension de George et qui est devenu un solde définitif dont je v[ou]s prie de me faire remitter à v[otr]e comodité et si cela v[ou]s convient par des assignations sur les parents de ceux de mes jeunes compatriotes qui sont en pension chez vous. Je v[ou]s prie cepend[en]t de déduire L[ivres] 8 des L[ivres] 386.7.6 p[ou]r votre aimable Disciple M[onsieu]r Egger qui n’a rien voulu accepter à St. Aubin pour deux crayons qu’il a fait de mes deux filles et la peine qu’il s’est donnée quoique sans succès, de rendre sur le papier les traits de mon fils. Il serais bien peiné qu’il refusât cette faible marque de ma reconnoissance. Reste les effets de George. Quand ils seront rassemblés, prévenez m’en et je les enverrai prendre. Je suppose qu’il est d’usage que le lit reste à l’Institut. Si cela est v[ou]s ne le ferez pas joindre aux effets à renvoyer. J’aurois aimé que M[onsieu]r Schmidt m’eut renvoyé le Macbeth de Burger, il me vient d’un frére qui fut mon ami pend[an]t 40 ans.

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J’ai un Livre intitulé Gemälde der Geselschaftlichen Zustands im Königreiche Preüssens bis zum 14t 8 bre 1806. Je crois que cet ouvrage m’a été prété par l’Institut, si cela est Veuillez me le dire et je v[ou]s le renverrai. M[onsieu]r Egger m’a dit qu’un peintre chez qui George à souvent été et qui vit à présent à Paris, à fait son portrait. V[ou]s avez eu de v[ou]s même la pensée de le lui demander et je ne puis v[ou]s dire tout le bien que v[ou]s n[ou]s ferez en n[ous] le procurant. Mon ami je conçois aujourd’hui que l’afliction du cœur puisse ruiner la tète. J’ai bien de la peine a soutenir et règler la mienne. Aimez moi toujours et que votre exemple, celui d’un homme qui a connu la douleur sous toute les formes me guide et m’en courage. Si v[ou]s me répondez je serai à St. Aubin demain soir.

1 5

Überlieferung Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 243, S. 642–643 Copia Textkritik

Zeuge H Z. 27

l’Institut. Si Sacherklärung I.

Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956

Georges de Rougemont (1802–1810, Krankheit verstorben.



II. Nr. 968) war im Sommer 1810 nach längerer

III. Z. 6 Z. 7 Z. 20 Z. 20 Z. 21 Z. 28 Z. 29 Z. 31

fils: Georges de Rougemont (1802–1810) ⇒ Nr. 968 écrivis: ⇒ Nr. 1125 Egger: Wilhelm/Guillaume Egger (1792–1830) ⇒ Nr. 1234 a St. Aubin: Gemeinde im Kt. Waadt mes deux filles: Rose Frédérique de Rougemont (1800–1880, ⇒ Nr. 1062) und Marie-Françoise-Henriette (1801–1830, ⇒ Nr. 1062) M[onsieu]r Schmidt: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Macbeth de Burger: William Shakespeare: Macbeth. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen. Übersetzt von Gottfried August Bürger. Göttingen 1783 Livre: [Friedrich Buchholz]: Gemälde des gesellschaftlichen Zustandes im Königreich Preussen bis zum 14ten October 1806. Leipzig 1808

169 Z. 36

un peintre: Da der im Brief erwähnte Wilhelm/Guillaume Egger (1792–1830, ⇒ Nr. 1234 a) mit dem Maler Georg Friedrich Adolf Schöner (1774–1841, ⇒ Nr. 774) in einem Schüler-Lehrer-Verhältnis stand, ist denkbar, dass hier Schöner gemeint ist. Schöner lebte jedoch 1810 nicht mehr in Paris, wie Georges de Rougemont (1758–1824, ⇒ Nr. 956) hier mit Verweis auf Eggers Bericht schreibt, und war als Porträtmaler bereits recht renommiert, so dass es eher unwahrscheinlich ist, dass Schöner Georges de Rougemont (1802–1810, ⇒ Nr. 968) gemalt hatte, ohne dass der Vater den Namen des Künstlers kannte. Möglich ist, dass ein Maler im Alter von Egger den jungen Rougemont gemalt hatte, in Frage kommt etwa der Pariser Historienund Porträtmaler Léon Cogniet (1794–1880), der als Anhänger der jungen Romantik zu romanhaft-historisierenden Themen neigte und bis 1863 an der École des Beaux-Arts in Paris lehrte.

1164 a. Abram Louis Emmanuel Thomas 23. August 1810 [Reg.] Thomas schickt Pestalozzi eine Kiste mit Mineralien.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 130.33 Sacherklärung I.

Abram Louis Emmanuel Thomas (1788–1859) aus Bex (Kt. Waadt) führt die Tradition seiner Familie weiter und wird wie schon sein Grossvater Pierre (1708–1781) und sein Vater Abraham (1740–1824) Botaniker. Er unternimmt diverse Exkursionen in verschiedene Länder Europas um Pflanzen zu sammeln, zudem legt er an seinem Wohnort, dem Weiler Dévens oberhalb von Bex, einen botanischen Garten an, der dem Verkauf alpiner Pflanzen an Museen, botanischen Gärten und Sammler dient. II. Dass es in Bex auch Salinen gab, könnte erklären, weshalb ein Botaniker Pestalozzi – der Zeit seines Lebens unterschiedlichste Steine sammelte – Mineralien und nicht Pflanzen schickte.

170 1164 b. Ferdinand Reitter 25. August 1810 [Reg.] Reitter erkundigt sich nach seinem Bruder.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 118.14 f. Sacherklärung I.

Ferdinand Reitter konnte nicht näher bestimmt werden. III. Z. 4

Bruder: Johann Reitter (1797–1851) besuchte von 1810 bis 1814 das Institut in Yverdon und war Weissbräupächter und Reitmeister.

1164 c. Giovanni Battista Scagliotti 26. August 1810 5

[Reg.] Scagliotti teilt Pestalozzi mit, dass er den ausstehenden Betrag für Bücher bei Herrn Torre begleichen wolle. Zudem erkundigt er sich nach der Schule in Männedorf.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 127.5 ff. Sacherklärung I.

Giovanni Battista Scagliotti (1772–1866) von Varallo (Piemont) studiert in Turin und Triest und geht anschliessend nach Wien, um sich am k.k. Taubstummen- und Blindeninstitut in der Pädagogik für Sinnesschwache ausbilden zu lassen. Nach Italien zurückgekehrt, wird er berechtigt, in Mailand eine Privatschule für Taubstumme zu eröffnen, was sich aber der kriegerischen Ereignisse wegen nicht realisieren lässt. Er verwirklicht den Plan schliesslich 1814 in Turin in den Räumlichkeiten eines Spitals, dem Regio Ospedale di Carità. 1835 wird die Schule verstaatlicht und unter eine neue Führung gestellt. Gleichwohl bleibt Scagliotti der Anstalt als Lehrer erhalten. Quellen: Giovanni Battista Scagliotti: Cenni storici sopra le istituzioni de sordomuti. Turin 1823; Giovanni Battista Scagliotti: Proposta d’alcuni mezzi d’educazione per Ginnasii e scuole infantili. Turin 1844

171 III. Z. 4 Z. 5

Z. 5

Bücher: Es ist unklar, um welche Bücher es sich handelte. Torre: Damit ist möglicherweise Luigi Torre (*ca. 1758) von Belasi bei Brescia (Lombardei) gemeint. Torre, von Beruf Gewürzhändler, war 1797 Mitglied der provisorischen Regierung Brescias. 1801 wurde er zum Mitglied der Handelskammer des Departements del Mella vorgeschlagen, was er allerdings ablehnte. Ab 1805 vermittelte er über eine nicht näher bekannte Mailänder Firma Geldgeschäfte für Pestalozzis Anstalt in Yverdon und liess von 1813 bis 1816 sein Mündel Edoardo Mentz in Yverdon unterrichten. Zudem war er zeitweilig auch Geschäftspartner von Sebastian Wick (1772–1833, ⇒ Nr. 1719). Schule: ⇒ Nr. 940

1165. Holländisches Innenministerium 27. August 1810 Maandag den 27 van Aogstmaand 1810. 5

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Monsieur. Les circonstances ici ont déterminé à rappeller les deux élèves D[irk] van Dapperen et H[enrik] Scholten, admis depuis l’année précedente dans votre Institut. Par un si court séjour à Yverdon, ils n’auront pu acquérir tous les talents nécessaires dans la carrière intéressante, à laquelle ils se sont voués; les progrès cependant qu’ils auront faits dans vos modes d’instruction célèbres à juste titre; ne les rendront pas moins utiles à l’avancement des idées saines et éclairées sur l’instruction et l’éducation de la Jeunesse parmi nous. Ayant l’honneur de vous en prévenir par celle-ci, je saisis cette occasion pour vous témoigner en même temps mes remercimens de l’accueil favorable, qu’ils ont eu l’avantage de recevoir de votre part; ainsi que mes vœux sincères pour tout ce qui peut contribuer à consolider de plus en plus votre Institut et à étendre les avantages que vous méditez en faveur des générations suivantes. Recevéz Monsieur l’assurance de ma Considération etc.

Überlieferung 1 5

Algemeen Rijksarchief ’s-Gravenhage, Binnenlandse Zahen 1795–183, inv nr. 756 Entwurf

172 Textkritik Zeuge H Z. 6 Z. 11 Z. 11 f. Z. 15 f. Z. 16 Z. 19 Z. 19 f. Z. 21

deux élèves d’instruction célèbres à juste titre ∫ saisis cette occasion pour ∫ en même temps ∫ à consolider de à étendre les avantages que Recevéz Sacherklärung I.

Laut dem verfassungsmässigen Gesetz des Königreichs Holland vom Juni 1806 ist das Ministerium des Innern neben dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, dem Finanzministerium sowie dem Kriegs- und Marineministerium, eines von vier Ministerien, welche für die Generaladministration des Königreichs zuständig sind. Wie in §27 der im August 1806 eingesetzten und bis zur vollständigen Annexion durch Frankreich im Juli 1810 gültigen Verfassung des Königreichs Holland festgehalten ist, soll die Hauptverwaltung des Königreichs der unmittelbaren Aufsicht von Staatsministern obliegen, die vom König ernannt werden. Zudem bestimmt der König die Anzahl und Wirksamkeit der Staatsminister. Godert Alexander Gerard Philip van der Capellen (1778–1848) war zwischen Mai 1809 und Dezember 1810 holländischer Innenminister. Van der Capellen studiert in Göttingen und Utrecht Rechtswissenschaften, 1803 wird er Sekretär des Rechnungshofes, 1805 Mitglied des Finanzrates, beides in Utrecht, 1808 erfolgt seine Einsetzung als Bezirksvorsteher des Departements Ostfriesland, 1808 die Ernennung zum Staatsrat, von 1809 bis Ende 1810 wird ihm das Amt des Minister des Innern übertragen. Unter der französischen Herrschaft ist van Capellen ohne Ämter, 1813 wird er Generalkommissar des niederländischen Departements Zuiderzee, 1814 ernennt ihn der niederländische König Wilhelm I. (1772–1843) zum Staatssekretär für den Handel in den Kolonien und schickt ihn als ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister an den Wiener Kongress (1814/15). Ebenfalls 1814 wird van Capellen als Staatssekretär der belgischen Provinz nach Brüssel gesandt, um die am Wiener Kongress beschlossene Gründung des Vereinigten Königreichs der Niederlande mit auszuführen. Von 1816 bis 1819 amtet er als Generalkommissar für Niederländisch-Indien, 1815 reist er nach Indien, wo er von 1819 bis 1826 in der Funktion als Hauptgouverneur für Niederländisch-Indien tätig ist. Zurück in den Niederlanden übernimmt er 1829 den Vorsitz des Kuratoriums der Universität von Utrecht, von 1841 bis 1848 ist er Oberkammerherr des Königs Wilhelm II. (1792–1849). II. Da Holland 1810 von Frankreich annektiert wurde, beschloss das Holländische Innenministerium, die beiden Eleven Dirk van Dapperen (1791–1822, ⇒ Nr. 994) und Henrik Scholten (1791–1873, ⇒ Nr. 994) aus Yverdon zurückzurufen. Die Entsendung der beiden hatte der holländische König Louis Napoleon Bonaparte (1778–1846, ⇒ Nr. 994) am 15. August 1808 verordnet. Die finanzielle Unterstützung wurde auf Ende 1810 eingestellt und van Dapperen und Scholten verpflichtet, für den Generalinspektor des Lateinischen und Niederen Schulwesens, Adriaan van den Ende (1768–1846), einen

173 Rapport zu erstellen, um zu prüfen, welchen Gebrauch von den in Yverdon erworbenen Kenntnisse für die Verbesserung des Schulwesens und des Unterrichts gemacht werden könne (für den Rapport und die damit zusammenhänge Korrespondenz vgl. Algemeen Rijksarchief’s-Gravenhage, Binnenlandse Zahen 1795–183, inv nr. 756). III. Z. 7 Z. 7

D[irk] van Dapperen: Dirk van Dapperen (1791–1822) ⇒ Nr. 994 H[enrik] Scholten: Hendrik Scholten (1791–1873) ⇒ Nr. 994

1165 a. Karl/Carl Ritter 27. August 1810 [Reg.] Ritter schickt eine Kiste mit einer Pflanzensammlung.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 131.9 f. und Nr. 1176 Sacherklärung I.

Karl/Carl Ritter (1779–1859) ⇒ Nr. 908 III. Z. 4

Pflanzensammlung: ⇒ Nr. 1176

1166. Georg Franz/Franz Georg Hofmann 28. August 1810 5

Monsieur Henry Pestalozzi à Yverdon en Suisse. Mailand den 28 ten Aug[ust] 1810.

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Lieber Herr Pestalozzi, Nach einer siebentägigen sorgen- und mühvollen Reise durchs Wallis über den Simplon sind wir gestern glücklich hier angekommen – am ersten Ziele unserer Reise. Mein Erstes war, Gott zu danken für unsere glückliche Erhaltung; und mein Zweites sey,

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auch Ihnen, lieber H[err] Pestalozzi ein Wort des Dankes zu sagen für das viele Gute, das wir durch Sie mit uns nahmen aus Ifferten. Für das Höchste unter diesem vielen Guten halte ich das, was wir alle – was ich im besondern empfunden beim Abschiede und was ich noch empfinde bei jeder Rückerinnerung an Ifferten. Ich fühlte und werde es immer fühlen, dass ich mich von Menschen trennte, die nur Gott und der Menschheit leben, und unter welchen alle, die sie verstehen, das Höchste auf Erden finden – die Würde und das Glück und den Genuss Mensch zu seyn und Menschenbildung zu befördern. Mir war es daher, als ich Ifferten verliess, als würde ich von allem getrennt, was einzig wahr und gut und menschlich wäre auf der Erde. Nur e i n Gedanken, nur e i n e Wehmuth bemächtigte sich meiner und erschütterte mein Innerstes bei der Trennung vom Einzigen, was in der Welt besteht und was die Welt nicht versteht. Gott, wie zerriss es mein Herz, als ich vor dem Schlosse vorbei weggezogen wurde von dem, dem ich vor 4 Jahren so sehnlich entgegen eilte! Als ich dann auf der Höhe gegen Lausanne das Schloss und seine Umgebungen zum letzten Mal sehen konnte –; und meine Kinder ihr letztes adieu den Thürmen, den Alleen unserm Garten und den Töchtern und allen Lieben zuriefen – da – da fühlte ich wieder den ganzen Schmerz meines Abschiedes, aber auch das ganze Glück der süssesten Wehmuth. Wohl dem, der so von Ifferten scheidet. Dank Ihnen, lieber – lieber H[err] Pestalozzi, tausend Dank Ihnen und Ihren Treuen, das auch ich so scheiden konnte! – Wie wohl ist mir, dass ich dies schreiben kann. Ich halte dies für mein grösstes Glück. Ich suche kein höheres als in der Liebe zu Ihnen und in der Liebe zu Ihrem Werke. Giebt es auch ein anderes für den, der dieses einmal gekostet? Auf meiner ganzen Reise war mir der M e n s c h der wichtigste Gegenstand meiner Beobachtungen, so interessant und gross auch die Natur mit ihrem Höchsten und Frappantesten vor mir erschien in tausend Abwechselungen. Dieses Wichtigste – der Mensch – erinnerte mich aber auch, fast bei jedem Schritte, an Sie und an Ifferten. Fast nirgends fand ich Spuren der Liebe, die in Ifferten alles beseelt und jeden beglückt, der ihres Glückes fähig ist. Fast überall erschien mir der Mensch so kalt und so kahl, wie die Felsengebirge, die auf ihn herabstarren. Kein Leben, keine Thätigkeit, kein Bewusstseyn, keinen Glauben und kein Vertrauen und keine Liebe, und daher keine Freude, nur namenloses Elend! – Wie tief liegt im Schlamme das sonst gut geschaffene Völkchen des Wallis; gewis nicht ohne grosse Mittel, des Lebens froh und glück-

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lich zu werden! Aber die Welt – die arge Welt, ohne Liebe, will noch nicht sehen und begreifen die Ursache des Elends. – Warum hat auch Ebel, der alle Berg und Thäler der Schweiz und alles, was auf und in derselben lebt und wächst, so gewissenhaft und gelehrt beschrieben hat, nichts von ihren menschlichen Bewohnern – wie sie sind und nicht sind und seyn könnten und sollten, gesagt? Mich ärgerte oft dies Schweigen vom Wichtigsten. Pestalozzi, dachte ich oft, hätte, statt den Fremden den Weg über Berg und Thal zu zeigen, den Berg- und Thalbewohnern den Weg zu ihrem Glücke gezeigt. Mir that es weh, zu erfahren, wie viele Reisende – den Ebel in der Hand nach Schnee und Eis fragen, und sich um den halberstarrten Menschen nicht bekümmern. Doch lieber noch – viel lieber sah ich die Unglücklichen in den Thälern von Wallis als die Glücklichen in den schönen Gefilden am Eingange Italiens und in der Ebene der Lombardey. Dort ist der Mensch roh, ungebildet, kraftlos, armseelig; hier ist er verweichlicht, verdorben und verkrüppelt an Leib und Seel. Nie war es mir so wenig wohl unter Menschen als hier und im hiesigen Lande. Es will keinem von uns gefallen unter dem Gewühl von Menschen. Das stille, kleine, ruhige und liebliche Ifferten stellt sich uns hier in seinen vielen Vorzügen alle Augenblick dar. Nie war unsere Sehnsucht nach Ifferten grösser als jetzt. Ich traf jedoch auch treffliche Menschen hier; aber diese sind Ausländer. H[err] Urech, ein Schweizer, ist ein durch seinen Karakter ausgezeichneter Mann. Er hat uns grosse Dienste gethan. Er verehrt Sie und grüsst – Sie von Herzen. – H[err] Huber, ein Schweizer, Chef eines der ersten Handelshäuser, ist ebenfalls Ihr grosser Verehrer. Er wird nach 1 Jahre seinen Sohn nach Ifferten schicken. – Am hiesigen Hofe ist wenig Leben, weil die Liebe und Freude von ihm gewichen. Man fürchtet, es werde ein Vice-König hier wie in Holland bald überflüssig werden. Die gute Königin sieht einem traurigen Privatstand entgegen. O glänzendes Elend! Ich schliesse, lieber H[err] Pestalozzi, mit dem herzlichsten Wunsche, dass Gott Sie noch lange uns und den unserigen und allen, [d]ie des Heils bedürftig Heil suchen, gesund und glücklich erhalt[en w]olle. Das gebe Gott! – Herzlich grüssen wir unsere [l]iebe Frau Pestalozzi und alle die Lieben und Guten, [die] unserer in Liebe gedenken. Leben Sie wohl, mit allen wohl, und behalten Sie stets ein wenig lieb Ihren ergebensten Hofmann

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N . S . Sollten noch Briefe an mich nach Ifferten kommen, so bitte ich H[errn] Krusi sie zu sich zu nehmen und sie uns zu seiner Zeit, wenn man mir noch andere Sachen zu schicken haben wird, in e i n e m Pakete durch den Warenwagen zu senden nach Rom al Caffe greco in ROMA.

Überlieferung 1 2 3 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 51/52, Umschlag 134/1 Bogen, 248 x 192 mm bläulicher Bogen Stempel Milan, Siegelspuren, Dorsualvermerk Expédié. Hofmann aus Mailand. Original Textkritik

Zeuge H Z. 31 Z. 32 Z. 58 Z. 79 Z. 81 Z. 86 Z. 91–93 Z. 97 Z. 102

Lausanne: lateinische Schrift adieu: lateinische Schrift Ebel: lateinische Schrift Urech: lateinische Schrift Huber: lateinische Schrift Vice: lateinische Schrift Siegelausriss Hofmann: lateinische Schrift al Caffe greco in ROMA: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838) ⇒ Nr. 802 II. Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) hatte Yverdon im Sommer 1810 nach einem vierjährigen Aufenthalt verlassen, um zuerst in Rom und anschliessend in Neapel ein eigenes Institut zu gründen. III. Z. 11 Z. 15 Z. 32 Z. 58 Z. 60 Z. 79

Simplon: Passübergang zwischen dem Wallis und Italien Ifferten: dt. Name für Yverdon meine Kinder: Die drei Töchter, von denen eine Karoline hiess, konnten nicht näher bestimmt werden. Ebel: Johann Gottfried Ebel (1764–1830) ⇒ Nr. 954 beschrieben hat: Johann Gottfried Ebel: Anleitung, auf die nützlichste und genussreichste Art die Schweiz zu bereisen. Zürich 1793 H[err] Urech: Möglicherweise ist hier Heinrich Wilhelm Urech (⇒ Nr. 750) gemeint.

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H[err] Huber: Dabei dürfte es sich um den in Mailand wohnhaften Kaufmann Vincenzo Huber (1779–nach 1851) handeln, der aus dem Kanton Thurgau stammen soll. 1825 erhielt Huber von der Stadt Mailand ein fünfjähriges Patentrecht, um seine Erfindung, eine tragbare und angeblich geruchlose Latrine, zu etablieren, womit sich relativ einfach aller organische Abfall auf den Strassen einsammeln liess. Hubers Spur verliert sich 1851, als er Mailand in eine unbekannte Richtung verliess. Sohn: Über diesen Sohn sind keine weiteren Angaben bekannt. Gemäss den Schülerlisten muss sich der Plan, ihn nach Yverdon zu schicken, zerschlagen haben, zumindest ist kein Schüler Huber überliefert. Auch in den Akten des Stadtarchivs Mailand sind keine Kinder von Vincenzo Huber (1770–nach 1851, ⇒ Z. 81) verzeichnet. Hofe: Das 1805 mit der Krönung von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) in Mailand geschaffene Königreich Italien umfasste vor allem den Norden und Nordosten des heutigen Italiens mit Mailand als eine Art Residenzstadt. überflüssig werden: Das 1806 von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) eingerichtete und von Frankreich abhängige Königreich Holland wurde 1810 aufgelöst, König Louis Bonaparte (1778–1846, ⇒ Nr. 994), Napoleons dritter Bruder, abgesetzt, und Holland von Frankreich annektiert. Ein ähnliches Schicksal schien man wohl in Mailand auch für den VizeKönig Italiens, Eugène de Beauharnais (1781–1824, ⇒ Nr. 1397) zu erwarten, doch wurde das Königreich Italien erst nach dem Pariser Frieden am 30. Mai 1814 aufgelöst. Königin: Hortense de Beauharnais (1783–1837), die Schwester von Eugène de Beauharnais (1781–1824, ⇒ Nr. 1397), die durch ihre 1802 von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) veranlasste Ehe mit Louis Bonaparte (1778–1846, ⇒ Nr. 994) Königin von Holland wurde, trennte sich 1810 von ihrem Mann und lebte bis zu ihrem Tod mit ihrem jüngsten Sohn Charles Louis Napoleon Bonaparte (1808–1873), von 1852 bis 1870 als Napoleon III. französischer Kaiser, auf Schloss Arenenberg im Thurgau. Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 H[errn] Krusi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588

1166 a. Jean-Étienne-César Chossat Herbst 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 208

178 Sacherklärung I. Jean-Étienne-César Chossat (1753–1831) ⇒ Nr. 1091

1167. Rosette Kasthofer Anfang September 1810 [Reg.] Rosette Kasthofer kündigt ihre Rückkehr für Sonntagmittag an.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 121.23 Sacherklärung I.

Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 II. Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) war anfangs August zur Taufe ihrer Nichte nach Aarau und von dort zu ihrem Bruder nach Bern gereist, wo sie sich eine kurze Auszeit gönnte (⇒ Nr. 1161).

1167 a. Andreäische Buchhandlung Anfang September 1810 5

[Reg.] Die Andreäische Buchhandlung schickt 36 Exemplare von Engelmanns Voyages du jeune Anacharsis.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 127.32 f. Sacherklärung I.

Die Andreäische Buchdruckerei wird bereits im 17. Jahrhundert in Frankfurt am Main gegründet und erhält 1700 das kaiserliche Druckprivileg. Unter Johann Benjamin Andreae (1705–1775) und Johann Benjamin Andreae (1735–1793) wandelt sich das Programm der bis 1892 bestehenden Andreäischen Buchdruckerei und Buchhandlung

179 von der theologischen hin zur juristischen Literatur. 1793 erbt Johann Georg Augustin Krebs (1755–1793) als Adoptivsohn von Johann Benjamin Andreae dem Jüngeren den Verlag, stirbt jedoch nur vier Wochen nach seinem Adoptivvater. Nach Ablauf der Vormundschaft führt ab 1815 sein Sohn Johann Benjamin Krebs (1785–1858), der 1827 das renommierte Handbuch der Buchdruckkunst veröffentlicht, den Verlag weiter. II. Wofür genau die Bücher in Yverdon gebraucht wurden, ist unklar. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese im Unterricht eingesetzt wurden, zumindest bezeichnet Pestalozzi den Anacharsis in einem Brief an Andreas Merian (1742–1811, ⇒ Nr. 1133 b) vom 29. März 1810 sowohl «um des Inhalts als um der Sprache willen nüzlich» (PSB VII, S. 58). III. Z. 4 f.

Engelmanns Voyages: Jean Jacques Barthélemy: Voyage du jeune Anacharsis en Grèce. Vers le milieu du quatrième siècle avant l’ére vulgaire, trois Volumes. Complet publié à l’usage des dames et de la jeunesse par J. B. Engelmann. Frankfurt 1809 und 1810

1167 b. Anton Spener September 1810 5

[Reg.] Spener will seinen Sohn in einem Jahr aus dem Institut nehmen und geht davon aus, dass die Ausbildung bis dahin abgeschlossen sei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 137.24 ff. Sacherklärung I.

Anton Spener (1765–1814) ⇒ Nr. 1156 c III. Z. 4

Sohn: Peter Jacob Spener (1796–1823) ⇒ Nr. 1156 c

180 1168. Johannes Schnell 4. September 1810 5

An Herrn Heinrich P e s t a l o z z i , zu I f e r t e n . Bern 4. 7ber 1810.

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Lieber Freund, Da der Herr Gross Kanzler Beyme aus Berlin die Güte haben will Ihnen diese Zeilen zuzustellen: so ergreife ich diese Gelegenheit Ihnen zu sagen, dass dieser in jeder Hinsicht ausgezeichnete und vielleichte im Rathe des Schicksals zu noch sehr grossen Dingen bestimmte Mann Ihr volles Zut[r]auen verdient. Auch liegt ihm an Ihrer persönlichen Bekanntschaft noch mehr, als an dem Institute, und so auch an dem M e i s t e r mehr, als an den J ü n g e r n des Meisters, sintemahl diese letztern im Verlaufe der Zeit und bei günstigen Umständen zu Ä l t e s t e n d e s V o l k e s werden, wo man sie dann in ihrem eigenen Kreise kennen lernen kann. Adieu, Lieber, ich bin u[nd] bleibe Dr. Schnell

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 334/1 Bogen, 210 x 126 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Sacherklärung I. Johannes Schnell (1751–1824) ⇒ Nr. 504 II. Johann Ernst Plamann (1771–1834, ⇒ Nr. 616) war im Herbst 1803 mit einer Empfehlung an den Justizminister Preussens, Karl Friedrich von Beyme (1765–1838, ⇒ Nr. 637), gelangt, da er in Berlin eine Schule (⇒ Nr. 637) nach pestalozzischem Vorbild eröffnen wollte. In einem Brief an Pestalozzi schilderte er diese Begegnung als verhalten positiv (⇒ Nr. 637). Ob der hier angekündigte Besuch allerdings mit dieser Begegnung zusammenhängt, ist unklar, die sieben dazwischen liegenden Jahre lassen diesen Zusam-

181 menhang eher als fraglich erscheinen. Gesichert ist, dass Beyme Pestalozzi in Yverdon besuchte und aufgrund der internen Spannungen einen ungünstigen Eindruck des Instituts hatte (PSB VII, S. 434 f.). III. Z. 6 Z. 9

I f e r t e n : dt. Name für Yverdon Beyme: Karl Friedrich von Beyme (1765–1838) ⇒ Nr. 637

1169. Georg Andreas Hagnauer 6. September 1810 Herrn Pestalozzi 5

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Am 6 ten S e p t e m b e r – Lieber Herr Pestalozzi! Auf das hin, was in lezter ö f f e n t l i c h e r Versammlung zwischen Herrn Niederer und mir vorgefallen ist, schien es mir gleich mit der Würde des Mannes und des Lehrers unverträglich zu seyn, dass wir beyde noch – wenigstens eine Zeitlang – am gleichen Orte, nebeneinander arbeiten könnten. – Nach mehrtägiger reifer Ueberlegung finde ich es noch eben so. Der Gegensaz hat sich zu sehr ausgesprochen, als dass es nicht mehrere Zeit brauchte ihn wieder wahrhaft und nicht nur dem Scheine nach zu einen; Herr Niederer selbst wird darinn der gleichen Meinung seyn. – Ich bin daher e n t s c h l o s s e n von der Erlaubniss die Sie mir, nach dem Willen meiner Eltern, zur Besuchung einer Universität, ertheilt haben, statt erst auf könftige Ostern, jezt Gebrauch zu machen. – Habe ich dort erreicht, was ich an Kenntnissen noch suchen zu müssen glaube, und finden Sie alsdann ich könne der Sache hier wieder – mich befriedigend – nüzlich seyn, so werde ich gerne, und wahrscheinlich höflicher, zurückkehren. – Wenn Sie nichts dawieder haben, so möchte ich noch so lange bleiben, bis die Stelle bey Herr Rösler meiner Schwester ausgemacht ist, es wird nicht lange mehr dauren und wir könnten dann zusammen reisen. Was das Institut übrigens von mir wünschen möchte, das ich noch vor oder während meiner Abwesenheit für dasselbe vornähme oder thäte, dem werde ich nach Möglichkeit zu entsprechen suchen. –

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Sagen Sie Herrn Niederer, Schmollen könne ich wohl bisweilen, aber Grollen nicht. – Ich küsse Sie herzlich Euer Hagenauer

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 51/52, Umschlag 109/1 Bogen, 239 x 198 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Sacherklärung I. Georg Andreas Hagnauer (1783–1848) aus Aarau lernt Weissgerber und ist anschliessend im Brauereiwesen tätig, unter anderem auch im väterlichen Betrieb. Wie seine Schwester Sophie Bertschinger-Hagnauer (1786/7–1873, ⇒ Nr. 1016) wird auch er zunächst Schüler (1806–1811) in Yverdon, ehe er dort als Mathematik- und Physiklehrer arbeitet. Seine weitere Lehrtätigkeit führt ihn an das plamannsche Institut in Berlin (⇒ Nr. 637), von 1812 bis 1818 als Leiter ans Waisenhaus in Königsberg, als Sekundarlehrer ab 1822 neun Jahre nach Zofingen und von 1831 bis 1847 als Schulinspektor nach Reinach (beide Kt. Aargau). Seinen beruflichen Lebensabend verbringt Hagnauer als Kantonsbibliothekar in Aarau. Er ist zweimal verheiratet. II. Es ist unklar, was genau zwischen Georg Andreas Hagnauer (1783–1848, ⇒ Sacherklärung I.) und Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) vorgefallen war. Es scheint aber, dass Hagnauer seine Ankündigung, Yverdon umgehend verlassen zu wollen, nicht wahrgemacht hat. Das Empfehlungsschreiben Pestalozzis für Hagnauer zumindest datiert erst vom 14. Mai 1811 (PSB VII, Nr. 2507). III. Z. 8 Z. 17

Z. 25 Z. 25

Herrn Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Eltern: Andreas Hagnauer (1759–1814), Weissgerber, Bierbrauer und Stadtrat in Aarau war mit Susanna Elisabeth Schmuziger (1762–1831) verheiratet. Herr Rösler: Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845) ⇒ Nr. 1043 meiner Schwester: Sophie Bertschinger-Hagnauer (1786/7–1873) ⇒ Nr. 1016

183 1170. Johann Wilhelm Mathias Henning 8. September 1810 5

Herrn Herrn Heinrich Pestalozzi Yver d un Canton Vaud en Suisse. Mailand den 8ten September 1810.

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Theurer, verehrter Vater! Ich fand hier freilich keine Briefe von Ihnen u[nd] Krüsy u[nd] Niederer; aber ich hab’ sie auch nicht erwartet. Ich weiss, dass Sie mich lieben, u[nd] dass viele Geschäfte keinem von Ihnen Zeit zu Briefen lassen. Meine Briefe von Chur u[nd] vom Grimsel-Spital werden Sie wol erhalten haben; auch werden nun wol die Mineralien angekommen seyn, die ich für Sie gekauft habe. – Von meiner Reise hieher habe ich Näheres an Martha geschrieben. – Zu Juillien haben wir hier nicht gehen können; Dreist besonders meint, es diene zu nichts, u[n]d wir hätten keine Zeit zu verlieren. Christoph Bischoff hat mir auf der Reise manchen Verdruss gemacht. Er ist ein ungezogener durchaus selbstsüchtiger u[nd] eigennütziger kleinlicher Bube. – Auf der einen Seite ist das Leben in Yverdun ihm nicht ganz gut gewesen, insofern er da nehmlich weder von mir noch von andern zum strengen Gehorsam angehalten wurde. Ich glaube, Unmündige müssten durchaus gehorchen, u[nd] nicht zu früh den Herrn spielen. – Briefe aus Basel verlangen von mir, dass ich die Knaben noch nach Genua u[nd] Turin führe. Dreist will auch gern nach Genua. Ich willfahre höchst ungern. Ich wäre so gern wieder bei Ihnen! – Ich mag nichts mehr sehen u[nd] hören. Indessen seh ich wol ein, dass die Eltern der Bischoffs, mir mit Recht Vorwürfe machen würden, wenn ich durch eine Verzögerung von 8 Tagen mich abhalten lassen wollte, zwei so grosse u[nd] uns jezt so nahe Städte nicht besuchen zu wollen. Den 26ten September, vielleicht früher bin ich wieder bei Ihnen. Ich habe hier Geld auf Anweisung zur Fortsetzung der Reise erhalten. Die Frau Bischoff hat mir wieder einen unangenehmen Brief hierher geschrieben. Meine Verhältnisse mit dem Hause werden wol ganz aufhören. Nur durch die eine Rücksicht, dass ich Dank schuldig bin, bin ich noch gehalten. Uebrigens haben beide Eltern mir geschrieben, ich solle den Christoph mit seinem Bruder sogleich wir in Iferten angekommen wären, mit der Diligence nach Basel

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reisen lassen; sie wollten ihren Sohn Christoph just auch um sich haben. – Nun der mag gehen; ich habe eine Last vom Halse. Betrübt bin ich aber doch, dass nicht so wohl ich, als vielmehr das Leben im Institut nicht mehr auf ihn gewirkt hat, – dass es uns nicht gelungen ist, ihm des Geistes Freiheit zur Anschauung und zum Lebensbeginn zu bringen. – Doch der Mensch lässt sich nicht machen. – Von hier aus reise ich nun mit einem Voiturier. Wir sind alle gesund u[nd] grüssen Sie, lieber Vater! alle mit kindlicher Liebe u[nd] Ehrerbietung. Hoffmanns haben wir leider nicht mehr hier angetroffen. Sie sind nur 4 Tage hier gewesen. Sie haben uns einen Brief hier gelassen, in welchem der Schmerz der Trennung von Iferten noch mächtig sich ausdrückt. – Ich u[nd] Dreist grüssen Krüsy u[nd] Niederer mit innigster Achtung u[nd] Liebe, eben so die andern lieben theueren Freunde, namentlich unsre lieben Landsleute Braun, Kawerau u[nd] Preuss. Ich habe gesehen multa – leider nicht multum. Wäre ich nur erst wieder bei Ihnen, lieber Vater! Tausend herzliche Grüsse und Empfehlungen der guten Mutter von mir u[nd] Dreist. Ewig mit inniger Verehrung u[nd] kindlicher Liebe Ihr W[ilhelm] Henning.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 51/52, Umschlag 123/4 Bogen, 239 x 196 mm Stempel Milan, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 7 Z. 17 Z. 31 Z. 48 Z. 53 Z. 58 Z. 58

Pestalozzi: lateinische Schrift Canton Vaud en Suisse: lateinische Schrift hier ∫ wollte ∫ Voiturier: lateinische Schrift Trennung von multa: lateinische Schrift multum: lateinische Schrift

185 Sacherklärung I. Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 II. ⇒

Nr. 1159 III.

Z. 10 Z. 11 Z. 13 Z. 16 Z. 16 f. Z. 17 Z. 18 f. Z. 26

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Z. 40 Z. 48 Z. 51

Z. 52 Z. 53 Z. 57 Z. 57 Z. 57 Z. 58 Z. 58 Z. 60

Krüsy: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Meine Briefe: ⇒ Nr. 1159 Martha: Martha Henning-Pfenninger (1784–nach 1868) ⇒ Nr. 1016 Juillien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200 Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 Christoph Bischoff: Johann Christoph Bischoff (1799–1864) ⇒ Nr. 520 Knaben: Hier dürfte wohl noch der Bruder von Johann Christoph Bischoff (1799–1864, ⇒ Nr. 520) gemeint sein, Johann Jakob Bischoff (1797–1838, ⇒ Nr. 520). Eltern: Johannes Bischoff (1769–1805) war Stofffabrikant und Kaufmann in Basel. Er heiratete 1794 Anna Maria Frey (1776–1849). Neben den obgenannten Johann Christoph (1799–1864, ⇒ Nr. 520) und Johann Jakob (1797–1838, ⇒ Nr. 520) hatte das Paar mit Carl (*1803) und Dorothea, die noch im Jahr ihrer Geburt (1802) starb, zwei weitere Kinder. Nach dem Tod des Vaters 1805 übernahm sein Schwager, Benedikt Bischoff (1769–1836, ⇒ Nr. 1182) die Vormundschaft, so dass er hier als Teil der «Eltern» angesprochen sein dürfte. Diligence: Postkutsche Voiturier: Fuhrmann Hoffmanns: Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802), seine Frau, Karoline Hofmann (⇒ Nr. 1166) und zwei weitere Töchter (⇒ Nr. 1166). Frau Hofmann konnte nicht näher bestimmt werden. Brief: scheint nicht erhalten zu sein Iferten: dt. Name für Yverdon Braun: Friedrich Wilhelm Braun (1778–1860) ⇒ Nr. 1259 Kawerau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453 Preuss: Johann Wilhelm Preuss (1790–1867) ⇒ Nr. 1048 multa: vielerlei (lat.) multum: viel (lat.) Mutter: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

186 1171. Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann 11. September 1810 Tückelhausen den 11 September 1 8 1 0 . 5

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Edler, Vortrefflicher Mann! Oh! lassen Sie sich das Ersatz für ihre an mich verspändete Zeit sein, das ich tief und innich ihre Gütte empfinde, und aus diesem Gefühl mir selbst ausrufe – woher verdienst du so einen göttlichen Brief, wo du deinen Fritz wie einen Spiegel vor dir siehest! Nein, nein, ich bin nicht Eidel! es ist nicht ausschlieslich für mich dass Sie sich so liebevoll und theilnehmend beweisen, es gibt tausend bessere Mütter als ich; und gewiss hundert und hunderte die Ihnen mit noch mehr Wärme und Innichkeit ihre Kinder an Ihr Herz gelegt haben; denn ich fühle es wahrhaft an mir, ich kann nicht dancken, wie ich empfinde, und wie ich gerne möchte! Es ist ruf der Allmacht! der Sie Edler Freund als Werkzeug als Vorbild, als Säae-Mann für kommende bessere morralische Natzionen an unserem trüben Himmel erscheinen lies! Sie wurden von dieser heimlichen Stimme (die ich denn Gott in uns so gerne nenne!) aufgefordert eine Mutter zu beruhichen, zu thrösten der es mehr als andern verzeilich ist, mit verzagtem Blick an ihre Kinder zu denken; Von heute an schäme ich mich meiner Besorgnisse, und an allen meinen künftichen Briefen Edler Mann werden Sie sehen, das Vertrauen zu Ihnen mir Antwort auf alles sein wird was der besorgten Mutter auch immer vor die Seele tretten möchte, die theilnehmende Art womit Sie mir das immer daurende Augen Übel schildern, versichert mich das Sie alles thun um das Übel zu heben, ich hoffe die zunehmenden Jahren sollen Körber und Augen Stärcker machen; diese woche sagte man mir ein ganz einfaches Mittel – welches ich ihrem Gutachten zu befolgen überlasse? oft sagte uns der nemliche hätte Augen weh Verbindung auf starckes Haar – oder starck wacksen (ersteres ist Fritz sein fall.) Man solle oben auf dem Scheidel ein büschel Haar abschären und die fordern Haare darüber ziehen damit man es nicht sähe, ferner ebenso ein Pläzchen hinder in der Aecke Schären, u[nd] so oft die Haare kommen solche wieder wech schneiden, ferner alle Morgend sich mit Eiskalt Wasser sich hinder dehnen Ohren waschen; dass sind alle sehr einfache Mittel, und sollte es Simpatie sein so verneine ich solche ebenfals nicht – denn – oh! wie viel ist, und bleibt uns dunkel in diesem Erden Leeben, so lange wir noch wie Mattisson sagt i n d i e s e m P u p p e n K l e i d s i n d .

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Das Baaden finde ich höchst Vortheilhaft, so wie auch in Erholungs Stunden Spiele die denn Körber recht in Bewegung setzsen. – Vor 12 Taagen erhielten wir schon sehr erfreuliche Briefe von F[rank]furt über Fritz, es soll ein Proffessor durch gereist sein, der als man Ihn fragte welche die ausgezeichnesten Jünglingen seien, denn kleinen Sturz under der Zahl nannte u[nd] manches Schöne und Gute von Ihm sagte; dessen ohngeachdet wohg Ihr theurer Brief von Gestern alles auf! Denn ein guter Vater kennt Schatten und Licht in seinen Kindern u[nd] schmeichelt nicht wenn es vom Herzen zum Herzen geht. Hier haben Sie in wenig worten mein Bekänntniss! ich werde unseren Fritz (wenn ich es über meinen Mann vermag!) so lange Jahre bey Ihnen lassen als Sie es für gut und nützlich finden; Sie helfen mir dann bestimmen wo Er seine Studien vollenden soll? Sie wollen ja nur das beste der Menschheit – hier ist ihre Aussaad, dort ihre Ärnde. – – – – Dass Er sich zum Forstweesen bestimmt freuet mich sehr! denn in allen Beschäftichungen eine Bestimmtheit, ein fest gesetztes Ziel macht aufgeweckter, thäticher. Gott gebe mir nur Seegen in meinen Kindern! Das wünsche ich mir als einzicher Reichthum als die beste Stütze im Alter. In dem Brief an meinen Fritz finden Sie einiche Zeilen von seinen zwei Brüder! die beide biss jetz noch unverdorben und Edel sind. Als Beweis seines guten Betragens in allen Fächern wurde Er bey der Preis austheilung hervorgerufen seine gute Eigenschaften zur Emullatzion Vorgelesen, und Ihm als Beweis erlaubt seine Ältern zu besuchen! Das wurde mir von einem Müncher Freund geschrieben der Ihn ausser der Accademié wie einen Vater beobachtet, Ihm sein Taschen Geld auszählt, Ihn darin sehr kurz hält, u[nd] Ihm abzüge macht wenn Er Sachens verliert; dieser Herr ist ein geheimer Refferentair des Königs, hat keine Kinder, und liebt denn Jungen unaussprechlich; Er sagte mir Er habe noch nie ein Falsch, nie eine Lüge am Jungen gefunden, u[nd] Premium habe Ihm gehört wenn nicht Parteilichkeit überall zu hause sey, und Er keiner von dehnen ganz letzten eingeträttenen wäre. Noch möchte ich sagen ist der, denn ich an meinem Herzen noch habe besser! Er heisst Jacob und will Kaufmann werden; ich merke leider das mein Mann mehr für München portiert ist! weil H[er]r St[urz] seine Kinder Egoistischer liebt, von dort aus kann Er solche öfterer sehen, mehr zu sich kommen lassen; aber ich will Gott und die Welt bewegen damit Er übers Jahr um diese Zeit zu Ihnen kömt; im Dezember wird Er erst 10 Jahr alt, lernt gern hat einen

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offenen Kopf, starcken Körber, und Pr[ofessor] Schelling liebte Ihn immer vorzüglich und sagte es würde ein guter Kopf werden. Wenn es nur leicht wäre Ihm übers jahr eine Geselschaft zu Ihnen auszumachen? ich würde dann under der Hand seine Sachens bereiden. Die Gelder für Fritz werden doch püncktlich ausbezahlt durch H[er]r Catoir, mein Neffe? wie hat sich letzterer gebildet? ist Er noch bey Ihnen? hat Fritz sich vorzüglich an Ihn gehalden? ich habe oft beobachdet dass es nicht gut ist wenn Kinder wissen dass Ihre Ältern sehr Reig sind, es macht solche Träg, Stolz, und oft dumm! Meine Kinder wissen alle das ich so viel habe um nicht an ihrer Erziehung zu sparen, und dadurch das ich mir manches versage um es auf ihr Herz und Kopf zu wenden binde ich Sie fester an mein Herz. – Sollte Er zu weilen ein nützliches Buch verlangen und seine Cammraden können es Ihm nicht leien so kaufen Sie es Ihm auf unsere Rechnung; in seinem letzten Brief wünscht Er die Endeckung von Amerika, es ist ein gutes Buch – wenn Sie es auch so finden so kaufen Sie es Ihm. Hier lege ich Ihnen etwass bey das ich ihrer höheren Einsicht überlasse Fritz zu geben. Es wurde meinem Jacob von einem sehr lieben Geistlichen aus der Nachbarschaft geschenckt. Oft halten es auch Lehrer nicht gut, Kinder denn ersten Winck über jene Punckte zu geben – biss jetzt fand ich aber immer gut sie zu warnen, und das abscheuliche davon Ihnen zu schildern. Einiche Sachen habe ich ausgestrichen weil das Gebeth für Cattolicken ist. Der lieben Mutter Pestalotzi übertragen Sie meinen Danck mein Andencken, ob wir zwar uns nicht oft schreiben so lese ich noch immer gerne jehne Zeilen wo Sie meinen Fritz zu ihrem Sohn aufnahm. Behalten Sie mich lieb? Denn es ist ein throstlicher Gedancke threue, herzliche Freunde um seine Kinder zu haben. Gott geb e Ih n en i m m er Seegen i n i h r en Z ögl i n g e n ! nichts besseres Vermag ich Ihnen nach meinem Gefühl zu wünschen. Biss in Tod ihre danckbare und Ihnen Ewich verpflichdete Freundinn und Dienerinn Sturz. N.S. Ist der junge Wilmer und H[er]r Mieg noch bey Ihnen – so wie auch die 3 Holzhausen? Grüssen Sie alle vorzüglich aber beide erstere von mir. Sollte einstens ein Mann der Ihnen Werth ist in

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Franckens Gegend kommen so zeigen Sie mir das ich Ihnen werth bin und Adressiren Sie Ihn an mich, Er braugt keinen andern Tittel als ihre Empfehlung und soll O b d a c h und h e r z l i c h e A u f n a h m e finden. Sind die junge Lejeune noch bey Ihnen, wie machen sich solche? Sie haben brafe Ältern, und die Mutter Lejeune, so wie Frau von Holzhausen sind meine Tutz Freundinnen. Letztere war so glücklich Ihnen selbst ihre Kinder an ihr Herz zu geben. – Adieu adieu, ich meine, ich könnte nicht enden. – – –

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55a, Umschlag 363/1 Bogen und Blatt, 210 x 167 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 66

Z. 69 Z. 78 Z. 83 Z. 90 Z. 103 Z. 121 Z. 122 Z. 129 Z. 130 Z. 132 f.

Eigenschaften: Hier verunziert ein Tintenklecks den Brief. Dazu wurde folgende Notiz geschrieben: Das kleine unglück ist mir geschehen als der brief fertich war. Verzeihen Sie es? Accademié: lateinische Schrift Jacob: lateinische Schrift Dezember: lateinische Schrift Catoir: lateinische Schrift Jacob: lateinische Schrift Sturz: lateinische Schrift Mieg: lateinische Schrift Lejeune: lateinische Schrift Lejeune: lateinische Schrift Adieu adieu: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johanna Magdalena Ehrmann (*1768) aus Frankfurt am Main heiratet 1788 in Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) Simon Heinrich Sturz (1756–1816, ⇒ Nr. 1329 d). II. Pestalozzi hatte Anfang September die halbjährlich erstellten Berichte über die Schüler an die Eltern gesandt. Bei Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann (*1768, ⇒ Sacherklärung I.) vermittelte dieser Bericht offenbar den Eindruck, sie habe sich übertriebene Sorgen um ihren Sohn gemacht. III. Z. 4

Tückelhausen: Tückelhausen ist heute Teil von Ochsenfurt (Bayern)

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Z. 41 Z. 44 f. Z. 48 Z. 53 Z. 63 Z. 64

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Z. 69 Z. 72 Z. 74

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Fritz: Friedrich/Fritz Sturz (1796–1879) aus Frankfurt am Main war von 1808 bis 1812 Schüler am Pestalozzischen Institut in Yverdon. 1817 bestand er die staatliche Concours-Prüfung und erhielt 1818 eine Anstellung als Forstamtsgehilfe im Forstamt Laurenzi in Altdorf, der eine Karriere im bayrischen Forstwesen folgte. Er heiratete 1828 Johanna Sophie von Kegeth (*1805) und trat 1877 als Oberförster in den Ruhestand. Mattisson: Aus welchem Werk von Friedrich von Matthisson (1761–1831, ⇒ Nr. 1359 f) der Vergleich mit dem Puppenkleid stammt, ist unklar. Briefe von F[rank]furt: Es ist unklar, von wem diese Briefe stammten. Brief: PSB VII, Nr. 2182 Mann: Simon Heinrich Sturz (1756–1816) ⇒ Nr. 1329 d Brief: scheint nicht erhalten zu sein zwei Brüder: Beim einen Bruder handelt es sich wahrscheinlich um den Diplomaten und Kolonialpolitiker Johann Jakob Sturz (1800–1877), Sohn eines bayrischen Landesdirektionsrates. Er war zuerst als Kaufmann tätig, unter anderem in Mexiko, studierte dann in England Bergbau- und Maschinenwesen, übernahm 1830 eine Stelle in einem mexikanischen Silberbergbaubetrieb und arbeitete danach in Brasilien für eine Londoner Gesellschaft, die Goldminen besass. Aufgerüttelt durch die schlechten Arbeitsbedingungen der in den Minen beschäftigten Sklaven setzte er sich für die Abschaffung der Sklaverei und zugleich für eine freie Einwanderung aus Europa ein. 1843 ernannte ihn die brasilianische Regierung zum Generalkonsul für Preussen, entliess ihn aber nach 16 Jahren, weil sich Sturz gegen unfaire Pachtverträge für deutsche Einwanderer einsetzte und in Flugschriften und Berliner Zeitungsartikeln auf die Missstände aufmerksam machte. 1863 übernahm Sturz erneut das Amt eines Generalkonsuls, diesmal für Uruguay und engagierte sich gegen Tierquälerei, besonders gegen Misshandlungen des Schlachtviehs sowie gegen Stierkämpfe. Er starb in Berlin, wo er die letzten Jahre gelebt hatte. Wer der andere hier gemeinte Bruder ist, ist nicht eindeutig zu bestimmen, da es mehrere Brüder gab, von denen ausser Geburtsdaten jedoch nichts weiter bekannt ist. In Frage kommen: Carl August Sturz (*1789), Christian Johann Heinrich Sturz (*1790) sowie Johann August Sturz (*1798). Müncher Freund: Eventuell ist hier Franz Krenner (1762–1819) gemeint, seit 1799 Geheimer Finanzreferendar in München. Zuvor war er kurfürstlicher Sekretär gewesen, 1785 Wirklicher Hofkammerrat und Hofanlagsbuchhalter, 1786 Wirklicher Fiskalatsrat, ab 1813 Generaldirektor im Finanzministerium und Wirklicher Staatsrat. Krenner war verheiratet, hatte aber keine Kinder. Er war ab 1808 Mitglied des Geheimen Rates und Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (⇒ Nr. 985). Eine Bekanntschaft mit der Familie Sturz-Ehrmann ist allerdings nicht nachweisbar. Accademié: Damit dürfte wohl die Bayrische Akademie der Wissenschaften (⇒ Nr. 985) gemeint sein. Königs: Maximilian I. Joseph, König von Bayern (1756–1825) ⇒ Nr. 985 Premium: Das war der Namen des Preises, mit welchem die Bayrische Akademie der Wissenschaften (⇒ Nr. 985) hervorragende studentische Schriften im Rahmen der gestellten Preisaufgaben auszeichnete. Er bestand aus einer Medaille sowie einer Geldsumme, zusätzlich wurden die preisgekrönten Schriften öffentlich vorgelesen und auch gedruckt. Schelling: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) ⇒ Nr. 1136

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Z. 101 f. Z. 103

Z. 109 Z. 111 Z. 122 Z. 122 Z. 123

Z. 129 Z. 130 Z. 130 f.

H[er]r Catoir: Johann Jakob Catoir (1774–1841) ⇒ Nr. 1036 Entdeckung von Amerika: Joachim Heinrich Campe: Die Entdekkung von Amerika. Ein angenehmes und nützliches Lesebuch für Kinder und junge Leute. Tübingen 1781 etwass bey: Es ist unklar, was Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann (*1768, ⇒ Sacherklärung I.) hier beigelegt hatte. Geistlichen: Da unklar ist, worauf sich der Ausdruck «Nachbarschaft» bezieht – auf den Ort Tückelhausen selber oder auf einen Nachbarort – kann über den Geistlichen nur spekuliert werden. Im ersteren Fall kämen zwei Geistliche in Frage, die um 1810 in Tückelhausen gewohnt haben: Celsus Niedersee, der allerdings im April 1810 gestorben ist und daher, wenn man das Briefdatum in Betracht zieht, eher nicht in Frage kommt. Der andere Geistliche wäre Georg Meinrad Sprenke (1755–1837). Er wurde 1780 in Würzburg zum Priester geweiht, war von 1806 bis 1810 Kuratus in Wickers bei Hilders (Hessen), danach bis 1818 Pfarrer von Tückelhausen, von 1818 bis 1826 Pfarrer in Stadelschwarzbach (Bayern) und zuletzt bis 1834 Pfarrer in Heidingsfeld (Bayern). Mutter Pestalotzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 jehne Zeilen: Dieser Brief scheint nicht erhalten zu sein. Wilmer: Abraham (Brami) Ludwig Heinrich Jakob von Willemer (1794–1818) ⇒ Nr. 948 H[er]r Mieg: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 3 Holzhausen: Carl (Anton Friedrich Wilhelm August Rudolf) (1794–1867, ⇒ Nr. 980), Friedrich (Ludwig Carl) (1797–1819, ⇒ Nr. 980) und (Johann) Adolf von Holzhausen (1799–1861, ⇒ Nr. 980) junge Lejeune: Johann Gustav Adolf Lejeune (1800–1880, ⇒ Nr. 870) und August Eduard Adam Lejeune (1797–1882, ⇒ Nr. 926) Ältern: Franz Adam Lejeune (1765–1854, ⇒ Nr. 870) und Maria Helene Lejeune-de Orville (1768–1843, ⇒ Nr. 924) Frau von Holzhausen: Caroline Friederike Luise von Holzhausen-von Ziegesar (1775–1846) ⇒ Nr. 980

1172. Johann Heinrich Füssli 13. September 1810 5

An Herr Heinrich Pestalozzi in Yverdün Expedirt.– Zürich, am 13. Sept[ember] 1810.

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Ich geleite, mein verehrenswürdiger Freund! den jungen Herr Nüscheler zu Ihnen mit diesen Zeilen, und der angelegentlichsten Bitte an Sie, und Ihr ganzes menschenfreundliches Haus, diesen in

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mehr als Einer Rücksicht traurig-merkwürdigen Jüngling, (der mit der sonderbarsten Geistes-Organisation wahrhaftig manche gute und liebenswürdige Eigenschaft verbindet), des ganzen Glückes theilhaft zu machen, das in Yverdun für ihn angebahnt ist. Sie verbinden dadurch rechtschaffene Eltern, besonders seine treffliche Mutter, die treuste Freundin meiner Frau, und auch mich selbst so sehr, dass ich eigentlich sagen kann: Alles, was Sie an dem jungen Menschen thun, haben Sie mir gethan, und bereiten sich damit abermals einen Segen vor, welchen dankbare Gemüther schon so oft über Sie ausgeschüttet haben. Madmoiselle Gontard, die uns leider! so eben verlässt, um nach Frankfurt zurückzu kehren, empfiehlt sich Ihnen bestens. Ich umarme Sie herzinnig, und bin, wie stets und auf immer, der Ihrigste. Füssli.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 50/51, Umschlag 88/1 Bogen, 235 x 200 mm Siegel, Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–8 Z. 14 Z. 15 Z. 18

lateinische Schrift Geistes-Organisation wahrhaftig Eigenschaft verbindet und auch Sacherklärung I.

Johann Heinrich Füssli (1745–1832) ⇒ Nr. 1 II. Zwischen Johann Heinrich Füssli (1745–1832, ⇒ Nr. 1) und Pestalozzi ist während Jahrzehnten kein direkter Briefkontakt nachweisbar. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass die Kommunikation deswegen nicht unterbrochen war; diese fand wohl oft zwischen Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815, ⇒ Nr. 3) und ihren Zürcher Freundinnen statt. Zudem war Pestalozzi eine «öffentliche Figur», deren Tun in Zürich auch ohne direkten Kontakt sehr wohl zur Kenntnis genommen wurde.

Z. 10 f.

III. Herr Nüscheler: Hans Konrad Nüscheler (1782–1820) aus Zürich war Kaufmann, Privatgelehrter und Rentier.

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Eltern: Leonhard Nüscheler (1747–1814) aus Zürich betrieb in den familieneigenen Häusern zum Grünenhof einen Textilienhandel. 1774 heiratete er Anna Maria Schulthess (1757–1844), die ebenfalls aus Zürich stammte. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Matthias (1775–1853, ⇒ Nr. 1454 b), Anna Dorothea (1779–1822) und Hans Konrad (1782–1820, ⇒ Z. 10 f.). Frau: Susanna Maria Magdalena Füssli-Mayr (1763–1823) war die Tochter eines Arztes aus Arbon (Kt. Thurgau). Die Heirat mit Johann Heinrich Füssli (1745–1832, ⇒ Nr. 1) erfolgte 1786. Aus der Ehe, sie war dessen zweite Frau, gingen neun Kinder hervor. Madmoiselle Gontard: Damit dürfte wohl Margarete Gontard (1769–1814), Bankierstochter aus Frankfurt, gemeint sein. Sie war die Lebensgefährtin von Johann Gottfried Ebel (1794–1830, ⇒ Nr. 954), der 1792 bis 1796 Hausarzt der Familie Gontard war. Margarete hatte Ebel bei seinem Umzug von Frankfurt nach Zürich im Jahre 1810 begleitet, kehrte im Spätsommer aber wieder zurück. Kurze Zeit später siedelte auch sie nach Zürich über, wo sie auch verstarb.

1173. Verlag Mohr & Zimmer 14. September 1810 5

[Reg.] Der Verlag Mohr & Zimmer teilt Pestalozzi mit, dass Schmids Buch bald erscheinen werde.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 150.1 f. Sacherklärung I.

Die 1805 vom Buchhändler Jakob Christian Benjamin Mohr (1778–1854, ⇒ Nr. 1242) und dem Theologen Johann Georg Zimmer (1777–1853) gegründete Akademische Buchhandlung von Mohr & Zimmer in Heidelberg etabliert sich rasch durch das Verlegen von romantischen Werken, so von Jean Paul Friedrich Richter, alias Jean Paul (1763–1825, ⇒ Nr. 917) oder der Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn. Mit ihren wissenschaftlichen Publikationen kann sie sich als die zentrale Heidelberger Universitätsbuchhandlung etablieren. Nach Zimmers Ausstieg im Jahr 1815 führt Mohr, dessen Buchhandlung in Frankfurt am Main 1811 aufgelöst wird, den Verlag mit wechselnden Partnern weiter. Er existiert bis heute in Tübingen und trägt den Namen Mohr Siebeck. II. Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) hatte Yverdon zwar im Juli 1810 verlassen, dem Institut aber versprochen, ihm 200 Exemplare seines Buches zu überlassen. Offenbar hatte die Kommunikation mit dem Verlag Mohr & Zimmer (⇒ Sacherklärung I.) aber nicht geklappt, zumindest ist ein Brief vom 2. November 1810 an Schmid erhalten, in

194 welchem er aufgefordert wurde, den Verlag über diese Abmachung zu informieren (ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 225). Das scheint auch erfolgt zu sein, zumindest bestätigte das ökonomische Bureau in Yverdon am 18. Januar 1811 den Eingang von 70 Exemplaren (ebd., S. 306). III. Z. 4

Buch: Joseph Schmid: Die Anwendung der Zahl auf Raum, Zeit, Wert und Ziffer, nach Pestalozzischen Grundsätzen bearbeitet. Heidelberg 1810

1173 a. Johann Jakob Catoir 14. September 1810 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten Herrn Jacobi betreffend.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms 1443, KB III, S. 204 Sacherklärung I.

Johann Jakob Catoir (1774–1841) ⇒ Nr. 1036 III. Z. 4

Jacobi: Georg Arnold Jacobi (1768–1845) ⇒ Nr. 1178 a

1174. Heinrich Remigius Sauerländer 15. September 1810 [Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi Bücher zur Auswahl.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 144.22 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

195 1175. Constant Bugnon 19. September 1810 [Reg.] Antwortvermerk «19» auf dem Brief Pestalozzis vom 11. September 1810.

1

Überlieferung Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel, Département des manuscrits, Ms. Arm. de fer 45 Sacherklärung I.

Constant Bugnon (1773–ca. 1850) ⇒ Nr. 1023 III. Z. 4

Brief: PSB XIV, Nr. 2200 D

1175 a. Wilhelm Christian von Türk 20. September 1810 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 202 Sacherklärung I.

Wilhelm Christian von Türk (1774–1846) ⇒ Nr. 653

1176. Karl/Carl Ritter 20. September 1810 Frankfurth den 20sten Sept[ember] 1810. 5

So eben komme ich von einer Reise zurück und finde Ihren liebevollen herrlichen Brief, Verehrungswürdiger, der mir meine Heim-

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kunft zu einem doppelten Feste macht. Den kindlichsten Dank sage ich Ihnen für den Antheil den Sie mir an Ihrem Herzen geben; ich werde ihn zu verdienen suchen. Mein Leben erhält dadurch einen höhern Werth; eine Gemeinschaft d e r Güter, die über alle Zeit hinaus es sind, stärkt jedes einzelne Glied der Gemeinde für das Ganze zu leben, das ist zu wirken. Diese Liebe ist das heiligste Band der Menschen, sie ist die Eine Kraft, aus der jede andre wie ein frischer Spross treibt und Frucht bringt. Ich fühle es und es ist mir so klar, wie so viele mit Ihnen durch Liebe vereinte Seelen so reich, so warm so kraftvoll geworden sind; diess betrachtete ich mit dem edeln v[on] Muralt, und wir fanden darin einen grossen Seegen für unsere Zeit, der manchen Kummer stillt den auch sie in ihrem Schoose geboren. Darum hatten auch zu edlem Zweck vereinte Freunde gewünscht, S i e sich hier in ihrer Mitte zu denken, und wie erfreulich ist es uns unsern Wunsch erfüllt zu sehen. Gewiss keine herrlichern Beiträge können zur Erfrischung unsrer Thätigkeit einlaufen, als durch Jugendfülle aus der Natur des menschlichen Geistes geschöpfte, in denen Nothwendigkeit, Schönheit und das Gute sich offenbaren. Ich würde Sie zugleich recht sehr bitten, uns, wenn es thunlich ist, einen Abdruck Ihrer in Lenzburg gehaltnen Rede zu schicken, von der ich so vieles vortrefliche höre. Wahrscheinlich werden nun bey Ihnen zwei Kisten mit einer Pflanzensammlung angekommen seyn, über welche Freund Ebel gesprochen haben wird, seinem Eifer allein verdankt das Institut allein diess schöne Geschenk. Ich hoffe dass es glücklich angekommen seyn wird, den 27sten August sind die Kisten von hier nach Basel abgegangen wo sie in 12 höchstens 14 Tagen bey Preiswerk und Zimmerli zur weitern Spedition abgegeben sind, gezeichnet H[errn] H[einrich] P[estalozzi] in Yverdun. Die Sammlung zeichnet sich durch das grosse Format und die vielen Doubletten in den Gräsern und in deren genauer Bestimmung vorzüglich aus. Schweitzer- oder vielmehr Alpenpflanzen werden Sie vollständiger haben. Die Moose und Schwämme lagen in den Kästchen hier schon in solcher Unordnung und Zerstörung untereinander, dass sie nicht leicht durch den Transport mehr haben leiden können; durchaus gehört ein Eingeweiheter dazu um diesen, zum Glück den unvollständigsten Theil in Ordnung zu bringen. Der Catalog liegt in 2 abgesonderten Hälften, blattweis, in einer Kiste, so wie der erste Besitzer ihn in der Eile aufzeichnete. Es würde vielleicht gut seyn, zum leichtern Auffinden die 2 Bände (wenn nicht schon andere Hülfsmittel im Institute sind) von C.H. Persoon Syn-

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opsis Plantarum seu Enchiridum Botanicum II Partes. Parisiis Lutetiorum apud C.Fr. Cramerum et Tubingae apud J.G. Cottam. 1805 und 1807 anzuschaffen; und die im Herbarium des Instituts befindlichen Pflanzen am Rande der in diesem Werkchen befindlichen Genera und Species mit einem + zu bezeichnen. Ich habe als ein kleines Andenken 100 Stück Süd-Französischer Gewächse dazugelegt die einer meiner Freunde daselbst gesammelt hat. Wahrscheinlich ist Frau Bethmann Hollweg in diesem Augenblick wo ich diese Zeilen schreibe in Ihrer Nähe, um ihren Enkel zu besuchen und um zu sehen ob in Ihrem Kreise ein Wunsch den ich auf dem Herzen habe in Erfüllung gehen kann. Es betrift den Religionsunterricht meiner beiden Zöglinge, den ich so gern von Niederers kraftvollen Rede für Geist und Herz, bevor sie in die Welt treten, geschlossen, oder vielmehr zu einem geschlossenen Ganzen erhoben sähe, und zwar im Kreise Ihrer Wirksamkeit. Ich kann mir keinen schönern Plan denken; ob er ausführbar ob er mit den wichtigen Pflichten und den überhäuften Geschäften Niederers, ob er mit den Plänen der Eltern und unsern hiesigen Verhältnissen vereinbar ist, das ist mir überaus wichtig durch Frau Hollweg zu erfahren. Ich habe Ihnen und Niederer darum durchaus nichts davon geschrieben, um in keiner Hinsicht unbescheiden und anmassend in einem Privatverhältnisse zu handeln, gegen welches das Verhältniss einer ganzen Corporation auf die Wage gelegt werden muss. Der Dank den ich im Augenblicke erstatten, die Hülfe die ich auf so kurze Zeit leisten könnte (wenn auch mehr Kraft als in der That mir beiwohnte) würden zu unbedeutend seyn um in Anschlag bei der Direction eines Ganzen zu kommen: denn die Zeit welche mich von eingegangenen Verbindungen frei spricht ist noch nicht gekommen, weil das was ich angefangen noch nicht beendigt ist, und es mir wider meine eigne Überzeugung ginge, abzubrechen wo ich noch fortbauen sollte. So gross und erhebend der Gedanke eines solchen Wirkungskreises wie der in Ihrer Anstalt, und so rührend und wohlthuend die herzliche Einladung zu Ihnen mich anspricht so will es doch bis diesen Augenblick die Vorsehung welche mir jeden meiner Wege bezeichnete, noch nicht, dass ich mich dem ersten Wunsche meiner Seele überlasse. So wenig Gewinn dieser mein Plan, also für Sie und so viel Gewinn er auch für mich seyn würde so habe ich mich doch durch diesen Schein des Eigennutzens nicht abhalten lassen ihn zur Sprache zu bringen, da ich überzeugt bin, dass Sie die Reinheit meiner Absicht nicht verkennen werden.

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Welche Freude hat es mir gemacht von Ihnen selbst zu hören, dass mein Freund Mieg Ihnen so theuer geworden und geblieben! es macht ihn mir noch mehr werth, als er es mir schon war. Doch wusste ich diess schon zum voraus denn da wo Wahrheit und Liebe sich vereinen ist ein Himmel auf Erden, und den Glauben an ihn kann keine Zeit und keine Begebenheit mir rauben. Aber jede neue Thatsache gibt diesem Glauben, der jetzt so leicht, wie ein Quell im nackten Fels versiegt, neuen Gehalt um immer reichlicher sich über das Leben zu verbreiten und es mit Frühlingsgrün und Blüthen zu schmücken. Mit Ihrer Freundin Madame Kulenkamp habe ich eine Wasserreise den herrlichen Rheinstrom hinab durch das Rheingau gemacht; sie hat mir die herzlichsten Grüsse an Sie aufgetragen, weil sie wusste dass ich Ihnen bald schreiben würde, und ihre beschleunigte Reise sie nicht sobald zum Briefschreiben kommen lässt. Auf dem Rückwege besuchte Ihren wackern Schüler D e L a s p e t in Wisbaden. Er hat sich durch seinen ausserordentlichen Fleiss durch seine Rechtschaffenheit, durch seinen seltnen Eifer in Bearbeitung und Anwendung der Methode und durch den glücklichen Erfolg in seiner Schule die Hochachtung der gebildetsten Männer des Landes und der Regierung erworben. Es wird sehr zweckmässig seyn wenn er von der Mutteranstalt aus mit dem Fortgang im Feld der Methode bekannt gemacht wird: denn so gut es von einer Seite seyn mag wenn ein solcher Lehrer zum eignen Fortschreiten durch einen gewissen Mangel an Hülfsmitteln aufgefordert wird: so kann auf der andern Seite das eigenmächtige Fortschreiten leicht auf Irwege führen die dann der Methode, deren Nahmen jene Fortschritte die zuweilen auch Rückschritte sind, tragen, zur Last gelegt werden. Bis jetzt war er sicher sehr glücklich in seinem Fortgange, aber die Forderungen der Eltern verleiten leicht. Er soll nun auch für das Französische für positiven Religionsunterricht, für Geographie sorgen, zumal für den zweiten Punct wäre ihm ein Fingerzeig von Yv[erdon] aus gewiss sehr willkommen; für den dritten suche ich ihm zu helfen so viel ich kann. Sehr merkwürdig sind die Parteien im Lande für und wider ihn. Der Adel, die Regierung, die Herzogin sind der Methode so zugethan dass sie ihm ihre Kinder zur Schule geben, seine Stunden oft selbst besuchen, ihm Seminaristen zum Unterricht geben und eine Hofdame unter seiner Leitung sogar eine Pestalozzische Schule im Schloss zu Biberich anfangen will zu der sich schon 13 Kinder eingefunden haben. Zu dieser Partei gehört auch der gebildeter Theil des Mittelstandes. Auf der Gegenpartei stehen die Gelehrten

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und Schulmänner des Landes, Professoren, Rectoren und – die Bauern und die unterste Bürgerklasse. Rector Snell am Gymnasium in Idstein (der ersten gelehrten Anstalt im Nassauischen ein guter Philologe und Kantianer) schreibt in seinem letzten Schulprogramm das gegen P[estalozzis] M[ethode] gerichtet ist, folgendes, nachdem er vom Unterricht der Alten gesprochen: «… Aber bei dieser Methode lieferten sie der Welt auch Männer von ganz anderm Schlage, als die sind, welche die philanthropinisirende Pädagogik (unter diesem Namen versteht er immer P[estalozzis] M[ethode]) aus häuslichen und öffentlichen Erziehungsanstalten bis hierher hat hervorgehen lassen. Auch hat wol Cornelia, die Mutter der Gracchen, nicht durch kindische Faseleien, nicht durch neupädagogische Geniestreiche und Luftsprünge, sondern durch ernsthafte Unterhaltungen über die erhabenen Pflichten gegen das Vaterland, über die bewunderten Muster Griechischer und Römischer Grösse, ihre Söhne zu Jünglingen gebildet, von welchen sie sagen konnte etc.» – Die Bauersleute die an D e L a s p e t s Schule vorbei gehen oder hineinsehen, kommen wieder heraus und fragen dann ihre Nachbarn: Habt Ihr auch den welschen Schulmeister gesehen? oder: heut hab ich die welsche Lehre gehört! – Ich habe unserm Freunde gerathen, so anspruchlos, bescheiden und redlich wie bisher fortzufahren und weder sich durch den Beifall des Adels blenden noch durch die Verleumdung und den Neid der andern erbittern zu lassen. Beides wird sich mit der Zeit legen, und der stille Gang der Natur wird ohne Hülfe von oben durch sich selbst sich aufrichten und fest stehen. Grüssen Sie Ihre verehrungswürdigste Gattin von Engelmann und mir ergebenst; auch in unsern Freunden rufen Sie das Andenken an uns zurück. Ihnen selbst, Verehrungswürdigster Mann, bleibe ich ergeben voll Liebe und Hochachtung. C[arl] Ritter.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 305/2 Bogen und Blatt, 250 x 207 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 21 Z. 29 Z. 36

hier ∫ werden H[errn] H[einrich] P[estalozzi]: lateinische Schrift

200 Z. 36 Z. 37 f. Z. 48 Z. 48–50 Z. 53 Z. 53 Z. 60 Z. 74 Z. 75 Z. 130 Z. 142

Yverdun: lateinische Schrift Doubletten: lateinische Schrift Hülfsmittel C.H. Persoon … J.G. Cottam: lateinische Schrift Genera: lateinische Schrift Species: lateinische Schrift Religionsunterricht meiner beiwohnte) würden Direction: lateinische Schrift auch der Cornelia: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Karl/Carl Ritter (1779–1859) ⇒ Nr. 908 II. Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) war Hauslehrer bei der Frankfurter Familie Bethmann-Hollweg, nachdem diese ihm die Ausbildung in Halle finanziert hatte. 1807 hatte er in dieser Funktion Yverdon besucht und stand seither in mehr oder regelmässigem Briefkontakt zu Pestalozzi. III. Z. 6 Z. 17 Z. 27

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Brief: PSB VII, Nr. 2180 v[on] Muralt: Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 Rede: Johann Heinrich Pestalozzi: Über die Idee der Elementarbildung. Eine Rede, gehalten vor der Gesellschaft der schweizerischen Erziehungsfreunde im Jahre 1809 (PSW XXII, S. 1–324) Ebel: Johann Gottfried Ebel (1764–1830) ⇒ Nr. 954 Preiswerk und Zimmerli: Das seit dem 15. Jahrhundert eingesessene und sehr begüterte Basler Ratsgeschlecht der Preiswerk war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Eigentümer von Hosen-, Handschuh- und Strumpffabrikationen. Die Spedition Johann Rudolph Preiswerck wurde 1747 von Hans (Johann) Rudolf Preiswerk (1708–1762) gegründet und nach seinem Tod von seiner Frau Anna Elisabeth Preiswerk-Ritz (1714–1779) und dem einzigen Sohn Paulus Preiswerk (1740–1821) weitergeführt. Nach dem Tod der Mutter schloss Paulus Preiswerk mit seinen Schwestern 1780 einen Erbvergleich und leitete die Firmengeschäfte allein, bis er 1799 seinen Schwiegersohn Samuel Zimmerlin (1771–1819), der ein Jahr zuvor Catharina Preiswerk (1774–1853) geheiratet hatte, als Teilhaber in sein Geschäft aufnahm. Ab 1806 übernahmen Zimmerlin und Johann Rudolf Preiswerk (1778–1861), der sieben Jahre zuvor von seinem Vater Paulus die Prokura erhalten hatte, die Firmgeschäfte, die jedoch 1810 aufgrund der Kontinentalsperre und wegen Zimmerlins unrentablem Geschäftsgebaren in erhebliche Schwierigkeiten gerieten. Die Firma wurde 1811 liquidiert, Paulus Preiswerk bürgte mit seinem gesamten Vermögen und musste sich zwei Jahre später ebenfalls insolvent erklären. Die Familie Preiswerk erlebte neben dem Vermögens- einen erheblichen sozialen Ansehensverlust, so

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dass Johann Rudolf die meiste Zeit ausserhalb Basels verbrachte, während Zimmerlin die Stadt schon früher verlassen hatte. 2 Bände: Christiaan H. Persoon: Synopsis plantarum seu enchiridium botanicum, complectens enumerationem systematicam specierum hucusque cognitarum. Band 1+2. Parisiis Lutetiorum/Tubingae 1805/1807 Frau Bethmann Hollweg: Katharina Margarethe Schaaff (1741–1822), Tochter des Frankfurter Juristen und Ratsherrn Anton Schaaff (1688–1746), heiratete 1762 den Kaufmann und Bankier Johann Philipp Bethmann (1715–1793). Sie führte einen bedeutenden Salon in Frankfurt. Von den sechs Kindern überlebten vier: Susanne Elisabeth (1763–1831, ⇒ Nr. 908), die spätere Gattin von Johann Jakob Bethmann-Hollweg (1748–1808), Simon Moriz Bethmann (1768–1826), Maria Elisabeth (1772–1847) und Sophie Elisabeth (1774–1862). Enkel: Moritz August von Bethmann-Hollweg (1795–1877) aus Frankfurt erhielt Hausunterricht durch Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) und besuchte daselbst das Gymnasium. Nach dem Jurastudium in Göttingen (ab 1813) und Berlin (ab 1815) und seiner Promotion (1818) und Habilitation (1819) hatte er von 1820 bis 1842 eine Professur für Zivil- und Prozessrecht in Berlin und Bonn inne. 1845 wurde Bethmann-Hollweg in den Staatsrat gewählt, wo er bis zu seinem Rücktritt (1862) verschiedene Tätigkeiten ausübte. Zöglinge: Moritz August von Bethmann-Hollweg (1795–1877, ⇒ Z. 57) und Detmar/Dietmar Wilhelm Soemmerring (1793–1871) aus Frankfurt erhielten von 1802 bis 1811 durch Carl/Karl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) Hausunterricht bei der Familie Bethmann-Hollweg. Soemmerrings Mutter war 1802 gestorben und sein Vater, der Arzt Samuel Thomas Soemmerring (1755–1830), der mit Ritter gut bekannt war, übergab ihm seinen Sohn zur Erziehung. Ab 1812 studierte Soemmerring in Göttingen Medizin, wo er 1816 auch promovierte. Er liess sich 1819 als Arzt in Frankfurt nieder und heiratete 1820 Maria Magdalena Wenzel (1800–1862). Niederers: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Mieg: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 Kulenkamp: Charlotte Amalia Kulenkamp-Platzmann (1777–1862) ⇒ Nr. 1148 D e L a s p e t : Johannes de l’Aspée (1783–1825) ⇒ Nr. 959 Herzogin: Luise, Herzogin von Nassau-Usingen (1751–1816), geborene Prinzessin von Waldeck, heiratete 1775 den Herzog Friedrich August von Nassau-Usingen (1738–1816, ⇒ Nr. 959). Das Paar hatte sieben Kinder. Pestalozzische Schule: Es sind keine Akten erhalten geblieben, die eine Existenz einer pestalozzischen Schule im Schloss zu Biebrich (heute Teil von Wiesbaden) belegen würden. Es ist deshalb denkbar, dass dieses geplante Projekt letztlich doch nicht oder nur für eine kurze Zeit umgesetzt wurde. Rector Snell: Christian Wilhelm Snell (1755–1834) studierte an der Universität von Giessen Theologie und Philosophie, von 1780 bis 1784 war er Lehrer am Pädagogium von Giessen, 1784 erfolgte seine Berufung zum Prorektor des Gymnasiums von Idstein (Hessen), 1797 wurde er am selben Ort Rektor und Professor und 1809 zum Definitor des geistlichen Ministeriums ernannt. Von 1817 bis 1828 war Snell Direktor des Landesgymnasiums Weilburg (Hessen) und zugleich nassauischer Oberschulrat, von 1818 bis 1828 war er zudem Mitglied der zweiten Kammer der nassauischen Landstände, deren Präsidium er 1818 innehatte. Snell verfasste Lehrbü-

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cher und mehrere Schriften zu philosophischen und pädagogischen Themen. Schulprogramm: Schulprogramm des Gymnasiums zu Idstein. Wiesbaden 1810 Cornelia: Cornelia (um 190–um 100 v.Chr.) gilt als eine der bedeutendsten Frauen und «tugendhafte Mutter» im Rom des 2. vorchristlichen Jahrhunderts. Gracchen: Tiberius Sempronius Gracchus (162–133 v.Chr.) war römischer Politiker und Volkstribun. Sein Versuch, den römischen Staat und die Verfassung zu reformieren, scheiterte. Nach seinem Tod wurde er zur Symbolfigur für den Kampf gegen die Willkür der Herrschenden. Sein Bruder Gaius Sempronius Gracchus (153–121 v.Chr.) war ebenfalls römischer Politiker. Gattin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Engelmann: Julius Bernhard Engelmann (1773–1844) ⇒ Nr. 916

1177. Anton Holzhalb ca. 20. September 1810 [Reg.] Holzhalb erkundigt sich nach seinem Knaben.

Überlieferung 1

Nr. 1181 Sacherklärung I.

Anton Holzhalb (1764–1838) ist Zürcher Bürger und Kaufmann, verheiratet seit 1797 mit Judith Huber (1773–1857) und Vater von vier Kindern. III. Z. 4

Knaben: Hans Rudolf Holzhalb (1799–1850) war von 1810 bis 1813 Schüler bei Pestalozzi in Yverdon und später als Kaufmann, Rittmeister und Kavalleriemajor tätig. Er war der Vater des Landschaftsmalers Adolf Rudolf Holzhalb (1835–1885), der von 1874 bis 1881 Professor für Landschaftszeichnen am Polytechnikum in Zürich war.

203 1178. Lisette/Elisabeth Tschanz 22. September 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «ré[pondu le] 22. 7ber 1810» auf dem Brief Pestalozzis und Krüsis vom 27. Dezember 1809.

Überlieferung 1

StA Schaffhausen, Personalia Hans Wilhelm Harder, Korrespondenz 8, Varia Sacherklärung I.

Lisette/Elisabeth Ith-Tschanz (1783–1847) ist die Tochter des Indiennefabrikanten Johann Georg Tschanz (1758–1832, ⇒ Nr. 767) aus Kirchberg (Kt. Bern). Sie heiratet 1817 den Kaufmann Alexander Ith (1787–1834). II. Die beiden Brüder von Lisette/Elisabeth Ith-Tschanz (1783–1847, ⇒ Sacherklärung I.), Johann Georg (*1799, ⇒ Nr. 1672) und Rodolph Jacob Tschanz (*1796, ⇒ Nr. 1672), waren zwischen 1809 und 1811 Schüler in Yverdon. III. Z. 5

Krüsis: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588

1178 a. Georg Arnold Jacobi 23. September 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 204 Sacherklärung I.

Georg Arnold Jacobi (1768–1845), der zweitälteste Sohn von Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819, ⇒ Nr. 439), war ebenfalls Staatsrat und wohnte mit seinem Vater auf dem jacobischen Gut Pempelfort (heute Stadtteil von Düsseldorf). Georg Arnold studiert 1785 bis 1790 Jura und Philosophie in Göttingen. Im Frühsommer 1791 bricht er gemeinsam mit Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750–1819, ⇒ Nr. 428) und Georg

204 Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839, ⇒ Nr. 423) zu einer eineinhalb Jahre dauernden Reise in die Schweiz, Italien und Sizilien auf. 1793 wird er Amtmann der Grafschaft Wickrath bei Aachen und erhält den Titel eines sachsen-weimarischen Regierungsrats. 1794 erfolgt die Heirat mit Caroline von Clermont (1772–1795). Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau vermählt er sich mit Marie Luise Brinkmann (1776–1845). 1806 wird er herzoglich Bergischer Staatsrat, anschliessend Direktor des Strassen- und Wasserbauwesens und Kurator des Schulwesens von Düsseldorf. Jacobi, 1815 zum Preussisch Geheimen Regierungsrat ernannt, ist Mitglied des Deutschen Hülfsbibelvereins und gehört dem Kreis der Düsseldorfer Erweckungsbewegung an. II. Der Sohn von Georg Arnold Jacobi (1768–1845, ⇒ Sacherklärung I.), Gustav Friedrich Arnold Jacobi (1795–1861, ⇒ Nr. 1186 a), hielt sich von 1809 bis 1815 als Schüler in Yverdon auf. Dieser nicht erhaltene Brief dürfte wohl in diesem Kontext verfasst worden sein.

1178 b. Johann Jakob Catoir 24. September 1810 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten wegen Herrn Jacobi.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 204 Sacherklärung I.

Johann Jakob Catoir (1774–1841) ⇒ Nr. 1036 III. Z. 4

Jacobi: Georg Arnold Jacobi (1768–1845) ⇒ Nr. 1178 a

1178 c. Johann Georg Blum 25. September 1810 5

[Reg.] Blum teilt Pestalozzi mit, dass er mit «dem körperlichen und sittlichen Zustand der lieben Knaben» zufrieden sei.

205 Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III; vgl. PSB VII, S. 132.24 Sacherklärung I.

Johann Georg Blum (1768–1824) ⇒ Nr. 1024 III. Z. 5

Knaben: Georg Daller (⇒ Nr. 1024) und (Johann) Heinrich Blum (1796–1861, ⇒ Nr. 1024)

1179. Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn 25. September 1810 An H[er]rn Pestalozzi. 5

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Luzern den 25ten Herbstm[onat] Verehrungswürdiger Mann! Meinen Erstgebohrnen überbringt Ihnen nebst diesem Brief H[er]r Kapellherr Laurenz Bell, dessen Religionslehrer, der Ihnen dann auch am besten darüber Auskunft geben kann, theils wie weit mein Sohn im Religionsunterricht vorgerückt ist, theils welch’ hohen Werth ich darauf lege; dass dessen junges Herz im reinreligiösen und sittlichen Gefühle, – der zuverlässigsten Stütze u[nd] Trösterin der Menschen in jeden Begebenheiten des Lebens, – vollkommen ausgebildet werde. Da ich mit einem Manne zu sprechen die Ehre habe, der mit so aufopfernder Selbstverläugnung während seinem ganzen Leben für das Wohl der Menschheit gearbeitet und ihr Glück auf verbesserte Erziehung rastlos zu begründen gesucht hat; so genügt es meinem Herzen auch an Sie beym Anlass, als ich Ihnen meinen Josef zur Pflege übergebe, die wenigen Worte zu sprechen: Mein Sohn wachse unter ihrer Leitung zum Mann heran, der seinen Schöpfer und die Menschheit ehre u[nd] in dem auch diese sich geehrt finden möge! – – Dieses durch ihre ausbildende Sorgfalt erhalten zu können, sagt mir zuversichtsvoll mein Herz. Und nur bedauere ich, dass mich traurige Verhältnisse, die kritische Krankheit meiner guten Gattin, der zärtlichen Mutter meines lieben Sohnes, des Trostes u[nd] des Freude berauben, Ihnen dieses mündlich sagen zu können. Eben umso mehr liegt es mir dann auch daran, Ihrer väterlichen Sorgfalt

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schriftlich auf meinen Sohn nachdrucksamst zu empfehlen, der meinem Herzen so nahe liegt, der in seiner zarten Jugend schon zum Leiden bestimmt zu seyn scheint und den ich so gerne dermaleinst den Trost der Seinigen nennen hören möchte. Sein gutes Herz, der Abdruck der edlen Seele seiner leidenden Mutter, sey Ihnen der beste Bürge, dass Sie Ihre Sorgfallt an keinen Undankbaren verschwenden werden, so wie Ihnen dann auch sein Vater so gerne dankbar seyn möchte, der sich Ihnen mit den Gefühlen wahrer Hochachtung und höflichster Empfehlung an ihre Frau Gemahlin nennt Ihr Ergebenster Verehrer

Überlieferung 1 2 5

StA Luzern, FAA 3926 Blatt, 170 x 220 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 18 Z. 19 Z. 21 Z. 21 Z. 24 Z. 29 Z. 29 f. Z. 30 Z. 38 f.

zu begründen auch ∫ unter ihrer Leitung ∫ her∫an erhalten zu können dann ∫ Sorgfalt schriftlich nachdrucksamst ∫ und … Gemahlin ∫ Sacherklärung I.

Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848) ⇒ Nr. 1120 III. Z. 7

Z. 8

Erstgebohrnen: Josef/Joseph Karl Franziskus Salesius Johann Baptist Niklaus von Flüe Amrhyn (1800–1849) besuchte von 1810 bis 1812 Pestalozzis Institut in Yverdon, danach das Gymnasium und das Lyzeum in Luzern. Er studierte Rechtswissenschaften in Göttingen, Freiburg im Breisgau und Paris, wurde 1824 Vizeverhörrichter in Luzern, war von 1825 bis 1830 eidgenössischer Staatsschreiber und von 1831 bis 1847 eidgenössischer Kanzler. Mit seiner Frau, Louise Aloisia Schwytzer von Buonas (1812–1885), die er 1831 heiratete, hatte er drei Kinder. Bell: Laurenz Bell war Vikar in Hergiswil (Kt. Nidwalden) und von 1796 bis 1818 Kapellherr der St. Peterskapelle in Luzern.

207 Z. 26

Z. 39

Gattin: Maria Theresia Josefa Salesia Kresenzia Martina Amrhyn-Zur Gilgen (1776–1810) heiratete 1799 Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848, ⇒ Nr. 1120). Frau Gemahlin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1179 a. Freiherr von Haas 27. September 1810 [Reg.] Haas fragt nach drei Lehrerinnen für die Schulen in Villach.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 138.32 ff. Sacherklärung I.

Freiherr von Haas war gemäss dem Brief von Pestalozzi General-Polizey-Kommissar, konnte aber nicht näher bestimmt werden (PSB VII, Nr. 2238). III. Z. 4

drei Lehrerinnen: Wie dem Brief Pestalozzis vom 20. Oktober 1810 zu entnehmen ist (PSB VII, Nr. 2238), konnte er dem Wunsch nicht entsprechen, da er keine Schülerin der Mädchenanstalt als genügend ausgebildet einschätzte.

1180. Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn 28. September 1810 5

H[er]rn Pestalozzi in seinem Erziehungs-Institut zu Iferten, Kantons Waadt. Luzern den 28 ten Herbstmonat 1810.

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Verehrungswürdiger Mann! Ich hatte den Trost und das Vergnügen, lezten Sonntag den Herrn Pfarrer Niederer in hier zu sprechen und somit persönlich seine mir so werthe Bekanntschaft machen zu können. Nach einer mehrstündigen Unterhaltung, die ich mit ihm über verschiedene Gegenstände gepflogen, und die für mich in mehrerm Betracht sehr wichtig war und bleiben wird, blieb mir wahrhaft zu wün-

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schen übrig, einerseits dass Herr Niederer seinen Aufenthalt in hier hätte verlängern können, – was freylich in den gegebenen Umständen nicht geschehen konnte, – und andererseits dass mein Geist heiterer, freyer und zum Auffassen empfänglicher gewesen wäre, als er es durch das meinen Kindern und mir im Tode meiner unvergesslichen Rese sel[ig] zugestossene Unglück tiefgebeugt und erschöpft, seyn konnte. In meiner traurigen Lage, die Ihnen Herr Niederer, bey seiner Rückkunft nach dort, besser zu schildern vermag, als ich es thun könnte, thaten hingegen meinem Herzen die erfreulichen Nachrichten sehr wohl, die ich über den sittlichen, geistigen und körperlichen Zustand meines guten Sohnes Josef erhielt. Dieser war einer der vorzüglichsten Gegenstände des Gespräches zwischen Herrn Niederer und mir, und besonders wichtig, hier und beyden die Art zu seyn, wie ihm der Tod seiner so innig geliebten Mutter beygebracht werden sollte. Ich eröffnete ihm hierüber meine Ansichten, Wünsche und was ich, des gleichen Gegenstandes wegen, ungefähr neun Stunden nach dem seligen Hintritt meiner theuern Gattin gegen meine übrigen Kinder gethan, die ich zu diesem Ende um mich versammelt hatte. H[er]r Niederer schien meine Vorschläge hierüber zu theilen, versprach Ihnen, mein verehrungswürdiger Mann! hierüber selbst schreiben zu wollen, und rieht mir ein Gleiches auch unmittelbar zu thun. Wenn ich wünschen muss, dass der schmerzliche Eindruck über den Tod seiner lieben Mutter bey meinem Sohn Josef, der mit so kindlicher Innigkeit, wie sie nur die reine Natur und herzliche Dankbarkeit geben kann, stets an ihr hieng, nicht zu angreifend sey, zu sehr seinen empfindlichen Nervenbau reitze; so muss ich hingegen als Vater nicht minder wünschen: dass diese folgenreiche Verhängniss der Vorsehung auch für die spätere Zukunft segensvoll auf mich und meine guten Kinder wirke; dass die heiligen Bande, welche Natur und Pflicht um uns geschlungen, wenn möglich, andurch noch inniger gegenseitig geknüpft werden; kurz! dass der irdische Tod der edelsten der Mütter ein unvergessliches Denkmahl der Liebe, Freundschaft und Unzertrennlichkeit für hier und dort zwischen uns allen bilde. In diesen Gefühlen, in welche der eilfjährige Umgang mit der Verewigten Leben und Wärme bey mir hervor gebracht hat, liegt Trost für mein wundes Herz, und in ihrer Verwirklichung wird auch mein Inneres wieder Ruhe finden. Helfen Sie mir diese er-

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ringen, indem Sie meinen Sohn Josef zu diesem Bunde der traulichsten Familien-Verhältnisse vorbereiten, einweihen. Eröffnen Sie also zur gelegenen Stunde meinem Sohne mit der Ihnen eigenen väterlichen Wärme und herablassenden Theilnahme das Unglück, das ihn, das uns alle betroffen hat; lassen Sie es ihn als eine in der Weisheit Gottes liegende Verhängniss, welcher die ganze Menschheit zum Behuf ihrer höhern Bestimmung den Tribut zollen muss, ansehen, die empfunden, aber nicht verwünscht werden darf; sagen Sie ihm, wie seine fromme Mutter, vom Gefühle ihrer nahmlosen Leiden und dem Bewusstseyn ihres unbehülflichen Zustandes für ihre guten Kinder ergriffen, selbst um ihre Auflösung zu Gott geflehen; wie sie in ihren letzten Stunden noch an ihre guten Kinder gedacht; sie mit mütterlicher Inbrunst Gott empfohlen und ihnen ihren wirksamen Segen hinterlassen habe. Hat er dann alles dieses von Ihnen empfinden gelernt, nun so sagen Sie ihm auch, dass sein Vater nicht nur nie aufhören werde, ihm und seinen Geschwisterten ganz Vater zu seyn, sondern dass er auch seinen grössten Trost und Wunsch darinn setze, nicht nur dieses unwandelbar zu bleiben, sondern auch der Freund und Rathgeber seiner lieben Kinder zu werden. Ich habe Ihnen nun gesagt, was mein Herz empfindet. Benutzen Sie davon, was und wie Sie es gut finden, setzen Sie hinzu, was Sie noch zeitgemäss erachten, und genehmigen Sie schon vorläufig meinen Dank dafür, so wie für Ihre menschenfreundliche Theilnahme, die Sie an meinem Leiden nehmen, und wovon mir H[er]r Niederer Beweise gegeben hat. Noch lege ich Ihnen ein paar Zeilen für meinen Josef bey, worin ich ihm mit ein paar Worten das sage, was ich in dieser feyerlichen Stunde zu sagen als Vater schuldig zu seyn glaubte, und was ich auch meinen übrigen Kindern, so wie es ihre Fassungskraft erheischen, gesagt habe. Mögen diese Worte im Herzen meines Sohnes ein unauslöschliches Denkmal des reinen väterlichen Willens bilden, und in ihm zugleich für mich ein immerfort ermunternder Zuruf zur treuen Erfüllung meiner heiligsten Pflichten seyn! – Gönnen Sie mir die Fortdauer Ihrer schätzbaren Freundschaft und meinem Sohne die Ihrer Liebe und Sorgfalt, der ich anbey, mit höflichster Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin, hochachtungsvoll geharre Ihr Ergebenster Diener und Freund Sig. J[osef] K[arl] Amrhyn.

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StA Luzern, FAA 3926 Bogen, 173 x 210 mm Datum am Schluss Copia Textkritik

Zeuge H Z. 51

hervor ∫ gebracht Sacherklärung I.

Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848) ⇒ Nr. 1120 II. Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848, ⇒ Nr. 1120) hatte am 25. September seinen Sohn Josef/Joseph Karl Franziskus Salesius Johann Baptist Niklaus von Flüe Amrhyn (1800–1849, ⇒ Nr. 1179) in Begleitung von Laurenz Bell (⇒ Nr. 1179) nach Yverdon geschickt (⇒ Nr. 1179) und bedauert, dass er wegen des schlechten Gesundheitszustandes seiner Frau, Maria Theresia Josefa Salesia Kresenzia Martina Amrhyn-Zur Gilgen (1776–1810, ⇒ Nr. 1179), den Sohn nicht nach Yverdon begleiten konnte. Wie der vorliegende Brief zeigt, war seine Frau inzwischen verstorben und Amrhyn wandte sich erneut an Pestalozzi, um ihm mitzuteilen, wie die Nachricht vom Tod der Mutter dem Sohn am besten mitzuteilen sei. III. Z. 4 Z. 9 Z. 18

Z. 18 Z. 25 Z. 81 Z. 91

Iferten: dt. Name für Yverdon Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Kindern: Josef/Joseph Karl Franziskus Salesius Johann Baptist Niklaus von Flüe (1800–1849, ⇒ Nr. 1179), Peter Ludwig Agnes Joseph Xaver Michael (1801–1862), Maria Elisabetha Theresia Xaveria Josepha Aloisia (*1802), Franz Xaver Konrad Leonz Joseph (1804–1885), Maria Theresia Josepha Agnes Angelika Ludovika (*1806) und Ludwig Franz Xaver Karl Bernard Amrhyn (1810–1857). Franz Xaver wurde Oberförster, über die anderen Kinder ist nichts weiter bekannt. Rese: Maria Theresia Josefa Salesia Kresenzia Martina Amrhyn-Zur Gilgen (1776–1810) ⇒ Nr. 1179 Josef: Josef/Joseph Karl Franziskus Salesius Johann Baptist Niklaus von Flüe Amrhyn (1800–1849) ⇒ Nr. 1179 Zeilen: StA Luzern, FA Amrhyn, Sig. FAA 3208 (mit Antwortbrief) Frau Gemahlin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

211 1181. Anton Holzhalb 28. September 1810 5

A Herrn Herrn Pestalutz in Yverdon. Zürich den 28. 7 ber 1810

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Ich schrieb Ihnen Mein Wehrtester Herr Pestalutz vergangene Woche wegen meinem Knaben und war dero antwort gewärtig, in der hofnung, dass Sie mir beruhigende Nachrichten von demselben ertheilen würden. Desto mehr bin ich frapiert, dass weder von Ihnen noch v[on] Herr Krüsi einiche zeilen erhalten, da ich von meinem Knaben einen neuen Brief erhalten wodurch ich wahrnehmen musste, dass das sogenannte Heimweh immer zu als abgenommen hat, welches mich anfengt zu beunruhigen, besonders da sich ein schwärmerisches und hypochondrisches Wesen dazu gesellet, ich bitte Sie dessnahen Werthester Herr ungeseummt mir zu schreiben und dero klugen ansichten mir mitzutheilen, so wie denselben zu beruhigen ich hoffe immer dass es noch gut gehen werde, indessen scheint es mir dass ich meinen Knaben sehr schonend behandlen mus, denn alle bis dato geführte zureden, haben nicht die gehofte Wirkung gehabt. Ich bitte Sie noch einmahlen um ausführliche antwort, und bleibe mit schuldiger Achtung – Dero Ergeb[enster] D[iene]r Anth[on] Holzhalb Auch in neu empfangenem Brief, klagt er mir, dass Ihme alle Knaben alles zu leid thun, und nicht mehr vermöge auszuhalten, welches mir um so viel einffühlender da er sich sonst so gut immer mit den Knaben zu vertragen wusste, reden Sie Ihme herzlich zu, dass er freye Sprache gegen Sie in allem äussere, damit mann bestimmt annehmen könne, was anzufangen seye. Trachten Sie Ihme ein paar von den gesitteteren und gesezten Knaben zu seinen näheren Freünden zu machen die solchen ermunteren da es mich bedünken wil, er habe sich noch keine Freünde gemacht und dass er um einichen, die Ihme nicht gefallen, sich keinen Freünd gesucht, er sagte mir sogar, dass er meistens den abend oder des nachts in einen Eken des Hofs oder garten sich setze,

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und da weine, ich ersuche Sie recht sehr alle mögliche Achtung auf denselben haben zu lassen, denn wie ich Ihnen allbereits sagte, das zurüknehmen ist mir der unerträglichste gedanke, und doch könnte zuletst das Heimweh so überhand nehmen, dass es schwer halten würde es zu refusieren.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 51/52, Umschlag 136/1 Bogen, 240 x 193 mm Stempel ZURICH. 29 SEPT., Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 7 Z. 10 Z. 17 Z. 17 Z. 19 f. Z. 38 Z. 44

Pestalutz: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift war dero hypochondrisches: lateinische Schrift hypochondrisches Wesen so wie denselben zu beruhigen ∫ abend refusieren: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Anton Holzhalb (1764–1838) ⇒ Nr. 1177 II. ⇒

Nr. 1177

Z. 9 f. Z. 10 Z. 13 Z. 14

III. vergangene Woche: ⇒ Nr. 1177 Knaben: Hans Rudolf Holzhalb (1799–1850) ⇒ Nr. 1177 Herr Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 neuen Brief: scheint nicht erhalten zu sein

213 1182. Benedikt Bischoff 29. September 1810 5

Herrn Herrn Pestalozzi in Yverdun. Basel den 29. 7 er 1810.

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Ehrwürdiger insonders Hochgeachter Herr! Sie werden durch H[errn] Henning vernohmen haben, dass wir uns entschlossen haben, unsern Christoph mit seinem Bruder zurük kommen zu lassen, nicht dass er dorten noch vieles zu lernen hätte, und zu erlernen im Fahl wäre, da wir aber auf künftiges Jahr andere Absichten mit ihme haben, und glauben dass es ihme äusserst nöthig seye, zuvor noch etwas Zeit im elterlichen Hause zuzubringen, so ist diss die Hauptursache warum wir ihne von Ihnen von Herrn Henning und von seinen übrigen dortigen gutten Freünden, sozusagen gegen seinen Willen trennen, gewiss wird er biss in sein spättestes Alter erkennen, was ihme sein obwohlen nur kurzer dortiger Aufenthalt für sein gantzes Leben von grossen Nutzen sein wird, dorten hat er das grosse, thätige, kraftvolle Leben zu sehen und nachzuahmen gelernt, in diesen Umgebungen muss ein junger Mensch selbständig werden, auch werde ich alles mögliche anwenden, um ihn in allem dem gutten zu erhalten, das er Ihnen zu verdanken hat; Empfangen Sie, sehr geschätzter Herr und Freünd! meinen wärmsten Dank, für die Liebe und das Wohlwollen womit Sie meinen Sohn begünstiget haben, gewiss wird er und werde ich ewig Ihnen dankbahr dafür seyn, und eifrig jeden Anlass benutzen, das Gutte das Sie in ihme angelegt haben, aus zubreiten, und dafür seine Mitbrüder empfänglich zu machen; kann ich Ihnen über kurtz oder lang in hiesigen Gegenden etwas angenehmes oder nützliches erweisen, so verfügen Sie frey über denjenigen der die Ehre unter höflichster Empfehlung und aufrichtiger Dankbezeügung an Ihre würdige Frau Gemahlin Hochachtend und ehrerbietigst zu verharren dero ergebener Diener Bischoff zu St Alban.

214 Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 50, Umschlag 25/1 Bogen, 248 x 207 mm Stempel BASEL 29 Sept., Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 6 Z. 11 Z. 38

Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Christoph: lateinische Schrift Bischoff zu St Alban: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Benedikt Bischoff (1769–1836) entstammt einer alteingesessenen Basler Familie, die seit Generationen im Tuchhandelsgeschäft tätig ist. Da sein Vater Benedikt (1735–1785) früh stirbt, wird er von seinem ältesten Bruder Hieronymus (1762–1828) zum Kaufmann ausgebildet. 1792 heiratet er Dorothea Frey (1774–1834) aus Basel. Nach der Helvetik zieht sich Bischoff zunehmend aus dem Familienbetrieb zurück. Stattdessen widmet er sich dem Aufbau und der Leitung der Bank Bischoff zu St. Alban sowie seiner politischen Laufbahn als Grossrat des Kantons Basel (ab 1804), als Mitglied des Grossen Stadtrates (ab 1811) und als dessen Präsident (ab 1826). Bischoff stirbt auf einer Erholungsreise in Baden-Baden. II. Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868, ⇒ Nr. 1021) war im September 1810 mit den beiden Bischoff-Brüdern nach Italien gereist. Wie aus den Briefen Hennings deutlich wird, war schon damals klar, dass die Brüder nach Abschluss der Reise nach Basel zurückkehren sollten, worüber sich Henning erfreut zeigte, da er sich vor allem über den jüngeren Bruder, Johann Christoph Bischoff (1799–1864, ⇒ Nr. 520) ärgerte. Er sei ein «ungezogener durchaus selbstsüchtiger u[nd] eigennütziger kleinlicher Bube» (⇒ Nr. 1170). III. Z. 10 Z. 11 Z. 11 Z. 35

Henning: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Christoph: Johann Christoph Bischoff (1799–1864) ⇒ Nr. 520 Bruder: Johann Jakob Bischoff (1797–1838) ⇒ Nr. 520 Frau Gemahlin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1182 a. Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin September/Oktober 1810 5

[Reg.] Frau Fraissinet befürchtet, dass sich Pestalozzi und / oder die Lehrer zuwenig um ihren Sohn kümmern.

215 Überlieferung 1

PSB VII, S. 135.21 ff. Sacherklärung I.

Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin



Nr. 1135 b

III. Z. 5

Sohn: Jean Charles Jules Félix Prosper Fraissinet (*1796) ⇒ Nr. 1135 a

1182 b. Johannes von Muralt September/Oktober 1810 [Reg.] Muralt schickt einen Brief aus Königsberg.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 146.10 f. Sacherklärung I.

Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 II. Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) war im Juli 1810 nach St. Petersburg abgereist und schickte von seiner Reise jeweils ausführliche Briefe nach Yverdon.

1182 c. Heinrich Schopfer 1. Oktober 1810 5

[Reg.] Inhalt unbekannt. Dem Brief von Schopfer ist ein Brief an Joury beigelegt, den Pestalozzi an die richtige Adresse weiterleiten soll.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 172.6 f.

216 Sacherklärung I. Beim Absender könnte es sich um den St. Galler Bergbauingenieur Heinrich Schopfer handeln, der an der Bergakademie in Freiberg studiert und in Graubünden an verschiedenen Orten tätig ist. 1835 erstellt er die Erste Übersichtskarte des Rätischen Erzgebirges. Ein «H. Schopfer in Reichenau» (Kt. Graubünden) unterzeichnet zudem die Beilage eines Briefes vom Mai 1819, der von Pfarrer Matthias Conradi (1745–1832) aus Andeer (Kt. Graubünden) an Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954) geschickt wurde (StA Graubünden, B/N 1059). In dieser Beilage geht es um das Sammeln und Studieren von Mineralien aus Graubünden. Gemäss dem Brief von Pestalozzi vom Dezember 1810 (PSB VII, Nr. 2316) und gemäss der oben erwähnten Beilage kann davon ausgegangen werden, dass Schopfer mindestens zwischen 1810 und 1819 im Bergbau in Reichenau tätig war. III. Z. 4 Z. 4

Brief: scheint nicht erhalten zu sein Joury: Christoph Maximilian Jury ⇒ Nr. 706

1183. Heinrich Remigius Sauerländer 4. Oktober 1810 [Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi einige Bücher zur Auswahl.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 144.23 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1184. Friedrich Trechsel 7. Oktober 1810 An Herrn Heinrich Pestalozzi in Yverdon. 5

den 7 ten Oct[ober] 1810. Indem ich Ihnen somit eines der ersten Exemplare des Berichtes, so wie ich es vom Buchbinder erhalte, zusende – noch bevor der-

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selbe öffentlich ausgegeben wird – zweifle ich nicht, Sie werden hierinn einen neuen Beweis meiner Geradheit so wie meiner unwandelbaren Achtung für Ihre Person finden. F[riedrich] Trechsel Prof[essor]

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Überlieferung Forschungsbibliothek Pestalozzianum Zürich, P II 40 Der Brief ist ausgeschnitten und auf der Innenseite des gedruckten Tagsatzungsberichts (Pestalozzis persönliches Exemplar) eingeklebt. Original Textkritik

Zeuge H Sacherklärung I. Friedrich Trechsel (1776–1849) aus Burgdorf besucht die dortige Lateinschule und studiert anschliessend an der Akademie in Bern Mathematik und Physik. 1798 schliesst er seine Studien ab. Es folgt eine Anstellung als Lehrer am Knabenwaisenhaus in Bern, 1800 gründet und leitet er zusammen mit Emanuel Zeender (1772–1807) ein wissenschaftliches Institut, 1805 wird dieses wieder aufgelöst und Trechsel übernimmt an der Akademie von Bern eine Professur für Mathematik, 1812 zudem eine Professur für Physik. Zwischen 1834 und 1838 ist er Dekan der neu gegründeten Universität Bern. Trechsel ist Mitglied der Bernischen sowie der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft und auswärtiges Mitglied der Königlichen Astronomischen Gesellschaft in London und Palermo. Ein Auftrag der bernischen Regierung, einen Plan für trigonometrische Aufnahmen des Kantons zu entwerfen, der dann die Grundlage für spätere Vermessungen sein sollte, machen Trechsel zum Initianten der 1812 gegründeten Sternwarte Bern. II. Friedrich Trechsel (1776–1849, ⇒ Sacherklärung I.) gehört 1809 zu den drei Experten, die im Auftrag der eidgenössischen Tagsatzung (⇒ Nr. 1534) Pestalozzis Institut einer amtlichen Prüfung unterziehen. Zudem übersetzte er den französisch verfassten Bericht ins Deutsche (⇒ Z. 6). III. Z. 6

Berichtes: Abel Merian/Jean-Baptiste Girard/Friedrich Trechsel: Bericht über die Pestalozzische Erziehungs-Anstalt zu Yverdon an seine Excellenz den Herrn Landammann und die hohe Tagsatzung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern 1810

218 1184 a. Jean-Étienne-César Chossat 12. Oktober 1810 5

[Reg.] Chossat erkundigt sich, weshalb er auf seinen vorherigen Brief noch keine Antwort erhalten habe.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 208 Sacherklärung I.

Jean-Étienne-César Chossat (1753–1831) ⇒ Nr. 1091 III. Z. 4

Brief: ⇒ Nr. 1166 a

1184 b. Céleste Meuricoffre-Coltellini 14. Oktober 1810 5

[Reg.] Madame Meuricoffre teilt Pestalozzi mit, dass sie ihren Sohn aus dem Institut nehme.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 142.29 f. Sacherklärung I.

Céleste Meuricoffre-Coltellini (1760–1828) ⇒ Nr. 950 III. Z. 4

Sohn: Georges/Georg Meuricoffre (1795–1858) ⇒ Nr. 936

219 1184 c. Christoph Friedrich Wecke 17. Oktober 1810 [Reg.] Wecke wünscht ein Zeugnis für seinen Bruder.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 219 Sacherklärung I.

Christoph Friedrich Wecke (1781–1813) aus Delitzsch (Sachsen) ist Advokat in Leipzig und Mathematiklehrer an der Thomasschule, dem örtlichen Gymnasium. III. Z. 4

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Zeugnis: Dass Herr August Wecke, aus Delitsch in Sachsen, sich mehrere Monate bis zum 23ten dieses hier aufgehalten, um sich mit der in meiner Erziehungs- und Lehranstalt eingeführten Unterrichts-Methode bekannt zu machen, auch dasselbe durch fleissiges Besuchen der Lehrstunden, so wie durch Privat-Unterricht gethan habe, bescheint in Yverdun, Kanton Waadt in der Schweitz (ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 219). Bruder: Christian August Wecke (1785–1827) aus Delitzsch (Sachsen) amtierte nach einem in Leipzig absolvierten Theologiestudium von 1818 bis 1827 als Pfarrer in Schkortleben (Sachsen).

1185. Johannes Niederer 17. Oktober 1810 5

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Herrn Herrn Heinrich Pestalozzi in Yver d un Can ton d e vaud Sch w eitz frey G r e n z e Stuttgardt den 17ten 8brs 1810. Theuerster Vater Pestalozzi! Nicht wahr, Sie zürnen mir nicht, dass ich so lange hier blieb? Ihre gütiger letzter Brief beruhigte mich, und da ich das Bedürfniss

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einer Erholung für Körper und Geist mit jedem Tage mehr fühlte, und ganz unfähig war, etwas Wesentliches zu thun, so dachte ich, es sey besser ich bleibe in der Ferne als in Sie wie mich nur drückender Nähe. Gestärkt und mit freyem erneuertem Sinne hoffe ich nun Gottlob wieder zu Ihnen zurückzukehren. Morgen erwarte ich noch Ihre Brieffe und übermorgen gedenke ich abzureisen. Den Tag meiner Ankunft kann ich Ihnen noch nicht melden. Ich werde aber so sehr als möglich eilen. Die Resultate meiner Beobachtungen über Ihr Institut und Methode will ich lieber mündlich Ihnen mittheilen. Eins nur thut unendlich noth: l i e b e n d e s Z u s a m m e n h a l t e n u n d k r ä f ti ges Z usam m en w i r ken i n E i n em Gei ste von a l l e n M i t g l i e d e r n d e s H a u s e s . Von Aussen ist nichts und alles zu hoffen. Nichts, wenn der innere Gang nicht so fest ist, dass das Ganze durch sich selbst, d[as] h[eisst] durch den Willen, die Thätigkeit und die Hingebung seiner Werkzeuge besteht. Alles, wenn Letzters der Fall ist. Der jetzige Augenblick entscheidet alles. Schmids Schrift wird Sensation machen, und auf die Auflösung des Instituts ist es abgesehen. Die Erwartung ist gespannt. Die Oberflächlichen Menschen sind voll Besorgnisse, die Gegner werden die Schrift nicht lesen, aber sie als Vorwand benützen. Schmid hatte die Elendigkeit, in dem er sie Cotta anbot ihm zu schreiben – es müsse in ganz Europa Sensation machen, wenn ein Zögling und erster Lehrer eines so berühmten Instituts d a g e g e n auftrete, er forderte deswegen 5 Louisd’or Honorar für den Bogen. Cotta schlugs ab, und er gibt es jetz im Selbstverlag heraus. V[on] Wangenheim schrieb ihm einen herrlichen Brief, von dem ich Ihnen die Copie mitbringe. Er antwortete ihm kurz und grob. Wer etwas von ihm weiss misbilligt sein Benehmen. Allein es wird dennoch höchst nöthig seyn, dass Sie Ihren Brief an die Eltern ausarbeiten, dass Schmid volle Gerechtigkeit wiederfahre aber zugleich sein Gang und Verhältniss zur Sache mit siegender Klarheit ins Licht gesetzt werde. Riecke ist sehr für die Sache und arbeitet brav. Er wünschte: [«]wie Gertrud ihre Kinder lehrt» herauszugeben, und trägt Ihnen für den Bogen 3 Louisd’or Honorar an. Es sollte im gleichen Format und Druck mit Zusätzen in 2 Bändchen erscheinen. Oder wenn Sie lieber wollten 100 Louisd’or en Block. Bedenken Sie sich darüber. Die Ausgabe könnte bei meiner Rückkehr auf der Stelle besorgt werden. Alles ist begierig auf Ihren neüen praktischen Roman – Arbeiten Sie ihn doch ja aus. Was von der Rede bis jetz bekant geworden

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erhält Beifall. Besonders ist Prof[essor] Klein ein Schellingianer sehr dadurch ergriffen worden. Ein gewisser Graser in Bamberg, wie mir Werkmeister sagte, will Ihr System stürzen. Pfeiffer hätte nach Königsberg sollen. Wangenheim ist ganz be[sorgt], aber wenn ihn das Schicksal nicht stützt so geht der Herrliche v[erloren]. Alles empfiehlt sich ihnen. Die Bearbeitung der Religion nach Ihren Grundsätzen scheint hier das Dringendste. Alles schreit darnach. Noch Eins: Schmid beruft sich besonders auf Ihre Aüsserung: Sie hätten gethan was er, wenn Sie jung wären. Er sagt allgemein: Sie seyen in der Überzeugung ganz mit ihm einverstanden. Wenn ich zurückkomme, hoffe ich den Tisch bei Ihnen aufgehoben. Er d a r f nicht mehr statt finden. Gruss und herzliche Verehrung Ihnen, der Mama, allen Ihrigen. Bald r e c h t v i e l mündlich von Ihrem Niederer

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 262/IV, 14 Bogen, 242 x 198 mm Siegelspuren, Dorsualvermerk Stuttgardt 17. 8bre 1811 Niederer Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 7–8 Z. 36 Z. 37 Z. 39 Z. 39 Z. 42 Z. 50 Z. 52 Z. 61–62 Z. 70 Z. 71

Pestalozzi: lateinische Schrift lateinische Schrift Cotta: lateinische Schrift müsse in Louisd’or Honorar: lateinische Schrift Cotta: lateinische Schrift Copie: lateinische Schrift Louisd’or Honorar: lateinische Schrift Louisd’or en Block: lateinische Schrift Siegelausriss d a r f : doppelt unterstrichen Mama: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

222 II. Im September 1810 war Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) über Luzern nach Stuttgart gereist, bevor er sich wieder auf den Rückweg nach Yverdon machte. In Stuttgart traf er auch Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) und sprach mit ihm über Joseph Schmids (1785–1851, ⇒ Nr. 712) Schrift Erfahrungen und Ansichten, sowie über die davon zu erwartenden Wirkungen. Wangenheim scheint dabei vor allem die fehlende «Dankbarkeit» Schmids thematisiert zu haben, zumindest monierte er diese in seinem Brief an Schmid, den er am 25. August begann und am 16. September 1810 fortsetzte (ZB Zürich, Ms Pestal 921/94, ⇒ Z. 41). III. Z. 14 Z. 32 Z. 35 Z. 36 Z. 39 Z. 40 f. Z. 41 Z. 48 Z. 49

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Brief: scheint nicht erhalten zu sein Schmids Schrift: Josef Schmid: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen. Heidelberg 1810 Schmid: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Cotta: Johann Friedrich Cotta, Freiherr von Cottendorf (1764–1832) ⇒ Nr. 617 Louisd’or: frz. Goldmünze Wangenheim: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 Brief: ZB Zürich, Ms Pestal 912/94 Riecke: Viktor Heinrich Riecke (1759–1830) ⇒ Nr. 984 wie Gertrud: Johann Heinrich Pestalozzi: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, ein Versuch, den Müttern Anleitung zu geben, ihre Kinder selbst zu unterrichten in Briefen. Bern/Zürich 1801 (PSW XIII, S. 181–359) Ausgabe: Zwar schien Pestalozzi an einer neuen Ausgabe nicht uninteressiert gewesen zu sein (vgl. PSB VII, Nr. 2296), da eine zweite Ausgabe von Wie Gertrud ihre Kinder lehrt aber erst 1820 besorgt wurde, ist dieses Vorhaben offenbar dennoch versandet. Roman: Um 1810 bestand die Idee, im Rahmen einer Überarbeitung Pestalozzis sämtlicher Schriften «auch das Thun und Treiben von Gertrud’s Tochter und ihren Kindern in einem Roman darzustellen» – nach dem Verbleib dieses nie entstandenen Werkes erkundigte sich jedenfalls Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) am 3. Februar 1811 bei Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507), der ihm im Rahmen seiner Deutschlandreise 1810 von dem Projekt berichtet hatte (Morf IV, S. 318). Rede: Der zweite Teil der Lenzburger Rede gelangte im Dezember 1810 zum Druck und erschien im ersten Heft der Wochenschrift für Menschenbildung von 1811. Prof[essor] Klein: Georg Michael Klein (1776–1820) war von 1804 bis 1806 Gymnasialprofessor in Würzburg, bevor er von 1809 bis 1811 mit Unterstützung des bayrischen Ministers Maximilian Joseph, Graf von Montgelas (1759–1838, ⇒ Nr. 1051) in ähnlich leitender Position am Lyzeum in Bamberg und bis 1818 in Regensburg wirkte und schliesslich 1818 den Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Würzburg erhielt. Klein veröffentlichte zahlreiche Schriften, in welchen er die Philosophie Friedrich Wilhelm Joseph Schellings (1775–1854, ⇒ Nr. 1136) verteidigte. Graser: Johann Baptist Graser (1766–1841) bildete sich nach mit Promotion abgeschlossenem Studium in Würzburg zum Priester aus (allerdings wurde er 1812 wegen Heirat exkommuniziert) und arbeitete als Erzieher an verschiedenen Knabenanstalten sowie als Professor für Philosophie und Pädagogik an der Universität Landshut. 1804 wurde er nach Bamberg berufen,

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Z. 59 Z. 60 Z. 63 Z. 71

um als Schulrat das oberfränkische Schulwesen zu organisieren. 1810 wechselte er als Regierungs- und Kreisschulrat nach Bayreuth und widmete sich dort nach seiner Pensionierung 1825 dem Abfassen pädagogischer Werke, in die er auch Ansichten Pestalozzis einfliessen liess. Werkmeister: Benedikt Maria Leonhard von Werkmeister (1745–1823) ⇒ Nr. 1038 Pfeiffer: Michael Traugott Pfeiffer (1771–1849) ⇒ Nr. 917 Bearbeitung der Religion: Dieser Plan scheint nicht umgesetzt worden zu sein. Mama: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1185 a. Catherine Schlumberger-Heilmann 21. Oktober 1810 5

[Reg.] Frau Schlumberger bittet Pestalozzi, ihren Sohn so schnell als möglich nach Hause zu schicken und gibt Anweisungen in Bezug auf seine persönlichen Sachen sowie wegen der Bezahlung der Rechnung.

1

Überlieferung ZB Zürich, Ms 1443, KB III, S. 218 und S. 241; vgl. PSB VII, S. 134.2 Sacherklärung I.

Catherine Schlumberger-Heilmann (1775–1842) heiratet 1796 Johann Ulrich Schlumberger (1769–1845). III. Z. 4

Sohn: Emile Schlumberger (1799–1838) war von 1808 bis 1810 Schüler Pestalozzis in Yverdon und lebte später, verheiratet mit Julie Madeleine Rouff (1796–1883), als Gewerbetreibender in Rouen.

1185 b. Hans Georg Nägeli 22. Oktober 1810 5

[Reg.] Nägeli schickt fünf Hefte des Klavierauszugs der Teutonia und kündigt weitere Musikalien an.

224 Überlieferung 1

PSB VII, S. 142.12 ff. Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 III. Z. 4

Teutonia: Hans Georg Nägeli: Teutonia. Rundgesänge und Liederchöre. Zürich 1808

1186. Georges de Rougemont 27. Oktober 1810 5

A Monsieur Monsieur Pestalozzy à Yverdun f[ran]co le 1 r 9 bre N[euchâtel] le 27. 8br 1810

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Mon chér et respectable ami. Nous nous occupons à Neufchatel des Ecoles publiques et de leur perfectionement et je crains qu’on ne consolide leurs nombreuses déffectuosités en les palliant. Si cela devoit arriver j’aimerois mieux qu’on n’y touchât pas du tout et je me crois obligé de prèvenir ce malheur par tous les moyens que j’ai à ma disposition. Dans une si noble entreprise il est nécessaire de déterminer avec précision ce quon veut et ce qu’on peut. M[onsieu]r Courvoisier, que bien connoissès, et moi désirerions lier entr’elles touttes les Ecoles du pays. Les ècoles primaires seroient touttes sur le même pied, elles prépareroient à une seconde classe d’où l’on entreroit dans la derniere. L’Enfant seroit pris à six ans et conduit à 18. Le nombre des Ecoliers seroit illimité, tous auroient un droit égal à passer d’une classe dans une plus élevée, mais l’on conçoit que le nombre de ceux qui aspiréroient à la troisième seroit éxtrémement réduit. Comment ces écoles primaires pouroient reunir les avantages des Ecoles d’industrie à ceux qui leur sont propres, comment on peut y introduire votre methode après y avoir admis vos principes,

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comment on les organisera, comment la surveillance s’y éxércera, comment on liera l’instruction qu’on y recevra avec celle qu’ôn obtiendra des Ecoles supérieures, comment on y formera le Corps et l’ame autant que l’intelligence, où l’on trouvera des instituteurs, ce sont là tout autant de questions qui èxigent d’en conférer et non d’en écrire. Je voudrois avant de mourir contribuer à procurer à ma patrie le bonheur d’une bonne éducation publique c o m p l e t e et à prouver que c e l a s e p e u t comme resultat de l’organisation politique et de l’action du Gouvernement. Ce Phenoméne ètonneroit dabord mais on séroit bientót encore plus étonné qu’il n’ait pas eu lieu plustôt. Avés vous réponse de Paris au sujet du portrait de George? J’ai reçu votre Compte. Il est juste et vous êtes débité ches moi de Suisses L[ivres] 401.10. Dittes moi je vous prie quand je pourrai en dispôser sans vous gêner cependant. Bon jour mon digne et respectable ami. Conservés moi toujours les sentiments que vous m’aviez accordés et croyés que ceux que je vous ai voués ne s’altereront jamais de Rougemont M[onsieu]r Pestalozzi

Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 310/2 Bogen, 233 x 181 mm Datum am Schluss, Siegelspuren, Dorsualvermerk Neuchatel le 27 8bre 1810. De Rougemont Original Textkritik

Zeuge H Z. 12 Z. 12 Z. 35 Z. 36

et je crains ne ∫ mourir contribuer publique ∫ c o m p l e t e et Sacherklärung I.

Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956

226 II. Georges de Rougemont (1758–1824, ⇒ Nr. 956) stand nicht nur als Vater des im Sommer 1810 (⇒ Nr. 1164) verstorbenen Georges (1802–1810, ⇒ Nr. 968) in Kontakt mit Pestalozzi, sondern war in Neuchâtel auch in Gesellschaften aktiv, die sich um die Verbesserung der Volksschulbildung kümmerten. III. Z. 18

Z. 41 Z. 41 Z. 42

M[onsieu]r Courvoisier: Louis Courvoisier (1769–1847) aus Fleurier (Kt. Neuchâtel) studierte in Basel und lebte anschliessend als Privatlehrer in Holland, bereiste Frankreich, Belgien und Deutschland, und startete 1810 als Bürgermeister von Les Verrières (Kt. Neuchâtel) eine politische Karriere. Zudem war er Mitglied der konservativen Société du Jardin, Staatsrat (1812–1832), Tagsatzungsgesandter (1831), Kastlan des Val-de-Travers (1834–1847) sowie Regierungskommissär (1832–1840). au sujet du portrait: ⇒ Nr. 1164 George: Georges de Rougemont (1802–1810) ⇒ Nr. 968 Compte: scheint nicht erhalten zu sein

1186 a. Georg Arnold Jacobi 28. Oktober 1810 5

[Reg.] Jacobi beklagt sich, dass sein Sohn ihm schon lange nicht mehr geschrieben habe und legt dem Brief an Pestalozzi einen Brief an seinen Sohn bei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 143.28 ff. Sacherklärung I.

Georg Arnold Jacobi (1768–1845) ⇒ Nr. 1178 a II. Pestalozzi, bzw. die Lehrer des Instituts hatten am 26. Oktober 1810 den Bericht über Georg Christian Jacobi (1801–1848, ⇒ Z. 4) verschickt (ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III; vgl. PSB VIII, Nr. 2229). Die beiden Briefe dürften sich wohl gekreuzt haben. III. Z. 4

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Sohn: Gustav Friedrich Arnold Jacobi (1795–1861) war das einzige Kind aus der ersten Ehe von Georg Arnold Jacobi (1768–1845, ⇒ Nr. 1178 a) mit Caroline von Clermont (1772–1795). Gustav besuchte von 1808 bis 1813 das pestalozzische Institut in Yverdon und wurde später Hauptsteueramtsassistent in Köln. Er heiratete 1828 Anna Caroline Thesmar (1801–1840). Brief: scheint nicht erhalten zu sein

227 1186 b. John Archer Morton 28. Oktober 1810 [Reg.] Morton wünscht, dass sein Neffe Latein lernt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 148.18 f. Sacherklärung I.

John Archer Morton (1772–1840) kommt als zwölftes Kind des amerikanischen Captains und Gebietsverwalters John Morton (1730–1796) im Landkreis Prince Edward (Virginia) zur Welt und lässt sich als Handelsmann in Bordeaux nieder.

Z. 4

III. Neffe: George Copeland Morton (1803–1868), ein Sohn von John Archer Mortons (1772–1840, ⇒ Sacherklärung I.) vermutlich früh verstorbenem Bruder Nathaniel (*1765), wuchs in Frankreich auf, besuchte von 1810 bis 1816 Pestalozzis Institut in Yverdon und lebte später in Baltimore (Maryland).

1187. Heinrich Remigius Sauerländer 29. Oktober 1810 [Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi einige Bücher zur Auswahl.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 144.23 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

228 1187 a. David Vogel Herbst 1810 5

[Reg.] Vogel teilt Pestalozzi eine Stelle über das «Hohe und Heilige der Kunst» aus einem Brief seines Sohnes in Rom mit.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 173 f. Sacherklärung I.

David Vogel (1760–1849) stammt aus einer Zürcher Zuckerbäckerdynastie, ergreift den familiär vorgegebenen Beruf und bildet sich daneben teilweise im Ausland – Reisen führen ihn nach London und Wien – zum Handelsmann aus. Schon Anfang der 1790er-Jahre gegen die offizielle Regierungspolitik aufbegehrend, wird Vogel 1798, unterdessen Mitglied des Geheimen Kriegsrats und des Kantonsgerichts, zum begeisterten Anhänger der Helvetik, für die er sich auch publizistisch stark macht. Bei Einführung der Mediationsverfassung 1803 nimmt Vogel Einsitz in die Regierung und amtet bis 1831 als Klein- und bis 1834 als Grossrat. Zusammen mit Anna Magdalena Vogel-Horner (1764–1841, ⇒ Nr. 1360) hat er zwei Kinder; den späteren Landschaftsund Historienmaler Georg Ludwig (1788–1879, ⇒ Nr. 1221) und die im Säuglingsalter verstorbene Louise (1800–1801).

Z. 5 Z. 5

III. Brief: scheint nicht erhalten zu sein Sohnes: Georg Ludwig Vogel (1788–1879) ⇒ Nr. 1221

1187 b. Hans Georg Nägeli 30. Oktober 1810 [Reg.] Nägeli kündigt den Versand von 198 Exemplaren der Gesangslehre an.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 229 Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998

229 II. Pestalozzi hatte für die Gesangslehre Subskribenten gesammelt und war offenbar auch für den Versand und die Rechnungsstellung zuständig. III. Z. 4

Gesangslehre: Michael Traugott Pfeiffer/Hans Georg Nägeli: Gesangbildungslehre nach pestalozzischen Grundsätzen. Zürich 1810

1187 c. Johann Ludwig Renner Oktober 1810 5

[Reg.] Renner teilt Pestalozzi mit, dass er wegen dringender Umstände von Yverdon habe abreisen müssen.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 231 f. Sacherklärung I.

Johann Ludwig Renner (1784–nach 1853) aus Ulm studiert ab 1806 Theologie an der Universität Heidelberg, ist von 1809 bis 1810 als Latein- und Griechischlehrer am Institut in Yverdon tätig und arbeitet später als Lehrer am Gymnasium in Ulm. Vermutlich um 1850 in Rente gegangen, ist er danach möglicherweise aus Ulm weggezogen, denn nach 1853 taucht er weder im Adressverzeichnis noch in den Sterberegistern der Stadt auf.

1188. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht November 1810 5

[Reg.] Die Sektion bzw. Süvern möchte den preussischen Eleven Ksionzek überzeugen, länger in Yverdon zu bleiben.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 161.31

230 Sacherklärung I. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

II. Michael Ksionzek (⇒ Nr. 1069) hatte den Eindruck, in Yverdon nichts Neues mehr lernen zu können und wollte deshalb so bald als möglich nach Preussen zurückkehren. Diese Einschätzung wurde weder von Pestalozzi noch von der Sektion Unterricht (⇒ Nr. 1049) geteilt, was diese auch in einem Brief an Pestalozzi formulierte und Ksionzek bat, noch während einiger Zeit in Yverdon zu bleiben. Am 1. Juni 1811 teilte die Sektion Ksionzek allerdings mit (⇒ Nr. 1241), dass sie sich in ihm als Eleve getäuscht hätte, und setzten ihm ein Ultimatum für die allfällige weitere Zusammenarbeit. III. Z. 4 Z. 4

Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Ksionzek: Michael Ksionzek ⇒ Nr. 1069

1189. Johannes von Muralt 3. November 1810 St. Petersburg den 3 ten Nov[ember] 1810. 5

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Theürer H[err] Pestalozzi, theüre Freunde alle in Yverdon. Obschon m[ein]e Wünsche u[nd] Erwartungen, Eüch betrefend, nicht erfüllt werden u[nd] keins Eürer Versprechen gehalten wird, (wie ich mir das aber zum voraus hätte abstrahiren können) so bleibe ich Eüch doch treü u[nd] werde nie aufhören, zu seyn, was ich v[on] jeher gewesen. Aus einem Allgem[einen] Briefe werdt Ihr das Treiben u[nd] Leben, wie es mich auch im Allgemeinen betrift, kennenlernen. Also nur einiges Wenige, Euer Haus partikular berührende. Niederer wird von Wangenheim s[ein]e Hefte mit Dank zurückerhalten haben, den Auszug, den ich unter Wegs davon in m[ein] Notitzenbüchelchen machte, habe ich leider nebst mehrern wichtigen Bemerkungen verloren, wenigstens höre ich nichts weiter davon, doch kann k[ein] M[ens]ch nichts damit thun. Von Nied[erer] hätte ich denn doch einen andrn Brief erwartet. – An die Erscheinung von berühmten Männern u[nd] deren Wirkung, im Institut, f[ür] die Verbreit[un]g der Methode habe allen Glauben verloren. Die wohlthätigen Wirkungen müssen aus der innern Kraft u[n]d dem ruhigen Privatfortgang der Sache hervorgehen. M[eine] Meinung ist noch fast dieselbe: es ist nicht gut, dass jetzt schon die Methode so allgemein eingeführt u[nd] ausposaunt

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wird, sie ist an der Quelle noch im Werden u[nd] muss noch viel weiter entwickelt u[n]d ausgebildet werden bis man sagen kann das ist die pestalozzische Methode. Wer darf auftreten u[n]d sagen: i c h k e n n e s i e u [ n ] d k a n n s i e ? Es geht erstaunend viel Zeit u[nd] Kraft verloren, dass man allen alles seyn will u[nd] daraus entsteht, dass man niemandem das ist, was man seyn könnte u[nd] seyn sollte. Sich concentriren, sich nationalisiren, sich consolidiren, sich fixiren das ist, m[eine]r Meinung nach erste Bedingung u[nd] Haupterforderniss. – Ich sehne mich sehr auf Schmids Schreiben, Reden u[n]d Treiben, so wie auf die Wirkung des helv[etischen] Rapports, wovon ein Auszug im Morgenblatt seyn soll: mich wundert von wem; nächstens werde ich ihn erhalten. Die Litteraturz[ei]t[un]g, die Z[ei]t[un]g f[ür] die elegante Welt, die götting[er] Anzeigen das Morgenblatt u[nd] die Hamb[urger] Z[ei]t[un]g habe hier. Wäre dann m[ein] Vorschlag, den ich im ersten Briefe gemacht, um detaillirte Berichte von Eüch z[u] erhalten, ohne jemanden einzeln zu sehr zu plagen, nicht ausführbar? Ich möchte so gern au fait dessen seyn, was in Yverdon geschieht u[nd] erfahren wird. Die M[ademoise]lle Wildermett ist beym Prinz Wolkonsky, einem aide de camp des Kaisers, ein junger Mann, hat 2 artige Kinder z[um] erziehen, scheint aber nicht glücklich zu seyn; sie wohnt nebst ihrer Cousine M[ademoise]lle Calame, Schwester v[on] Ed[uard] Martys Mutter, im Pallass, in Mauern eingeschlossen. Dupujet konnte noch nicht sprechen weil er immer auf dem Land wohnt by der Kaiserinn Mutter, er haust gut, schränkt sich ein u[nd] scheint im Sinn z[u] haben sobald als möglich wieder in s[ein] Vaterland zurückkehren z[u] können. Wegen s[eine]s Neveus u[n]d der M[a]d[a]me Dupujet in Yverdon werde mit ihm sprechen. – Hier ist ein gewisser Radloff, Privatlehrer beym General Lambsdorf feüriger Anhänger an Pestalozzi. Sonst im allgemeinen bavardirt man nur so über die Methode. Z[um] B[eispiel] «Es soll eine gute – vortreffliche – die beste Methode seyn, aber ich kenne sie nicht; sie soll etwas mechanische Menschen machen – die Moralität ist im Institut vernachlässigt (M[a]d[a]me Bacheracht, Bekannte von Türk, Kuhlenkamp) für den Elementarunterricht nicht übel. Aber so wie [die] Kinder weiter kommen so verwiren sie sich (Kaiserinn Mutter). Die Russen sind nicht für die Methode gemacht, nach derselben muss man z[u] gründlich lernen u[nd] sie wollen alles nur so oben ab schöpfen, sie begreifen leicht, wollen aber nicht bey etwas stehen bleiben u[nd] eindringen darum kann die Methode unter ihnen kein Glück machen (Director v[om] Findelhaus) man lernt darnach zu wenig – die Kinder werden nicht

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f[ür] die Welt erzogen – es ist nicht genug Aufsicht im Institut – das Rechnen ist sehr anwendbar, bis auf einen gewissen Punkt. Sie führt zur Oberflächlichkeit u[nd] Anmassung, entfernt v[om] Studium d[e]r alten Litteratur, ja Pestal[ozzi] ein herrlicher Mann, eine ausserordentliche Erfindung s[eine] Methode u.s.f.» Das sind ungefähr die kreüz u[nd] queer fallenden Urtheile, die ich schon gehört habe. Nächstens werde ich mit einigen sehr bedeütenden Männern darüber zu reden kommen unter and[e]rn mit dem – anderswo genannten Speransky, der sich über die Sache von mir will unterrichten lassen. Schöners Pestalozzi prangt in prächtigem Rahmen neben m[ein]en Eltern v[on] Zeller gemahlt, in meinem Studirzimmer u[n]d wer zu mir kommt, muss etwas von ihm hören. Viele Eltern möchten mir ihre Kinder in den pestal[ozzischen] Unterricht geben, ich fange aber für einmal noch nichts an u[n]d werde mich kaum ins Pensionhalten einlassen, trauriges Loos, wenn ich dazu genöthigt werde. Ich könnte leicht hier als Leitender von bestehenden Lehranstalten od[er] Schulen ankommen wenn ich mich dafür bewerben wollte, allein ich will allem ruhig den Gang lassen, d[a]s Beste kommt immer zuletzt, in jedem Falle, mag ich auch anfangen was es da sey, werde ich grosse Schwierigkeiten haben, allein, ohne Gehülfen, bey m[ein]en Amtsgeschäften, etwas befriedigendes z[u] Stande zu bringen, doch bin ich jetzt noch gar nicht in der Lage, irgend jemandem den Vorschlag zu machen, sich mit mir z[u] vereinigen, placiren könnte ich manche junge Leute allein keinen gerade nach m[einen] Wünschen u[n]d Absichten. Gelingt es mir mit d[e]r Zeit, etwas v[on] Bed[eu]t[un]g durch zu setzen so muss ich nothwendig einen pestalozzischen Mathematiker, der auch zeichnen kann u[nd] einen Singlehrer haben. Wie gesagt: ich gebe mich aber gar nicht aus für einen, der die Pestal[ozzische] Methode ganz kann u[n]d versteht, sond[e]rn nur für einen, der ihr sehr zugethan ist u[n]d sich viel damit abgegeben hat. An Staatsmänner brauche für einmal k[eine] Empfehlung, weil gegenwärtig m[eine] Absicht noch nicht ist, von solchen beschützt u[n]d unterstützt seyn zu wollen: überh[au]pt scheint’s mir, könnte mir eine Recommandation v[on] Pestal[ozzi] nicht nützlich, eher schädlich seyn, weil man mehr v[on] mir zu erwarten berechtigt wäre, als ich z[u] leisten im Stand bin. Charakterhalben u[n]d freündschaftlich wäre mir natürlich jede Empfehl[un]g von P[estalozzi] sehr wichtig. Ein Particular soll d[e]r Regier[un]g einen Vorschlag für die Einführung der Methode gemacht haben – ein andrer soll sich schon Jahrelang mit der Übersetz[un]g v[on] P[estalozzis] Schriften beschäftigt haben, s[ein] M[anu]scr[ipt]

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soll nämlich in einer Feüersbrunst zu Rauch aufgegangen seyn, ein dritter soll in Moskaw ein pestal[ozzisches] Institut angekündigt haben. Noch habe ich aber den Namen v[on] keinem dieser dreyen vernehmen u[nd] üb[e]rh[au]pt nichts sicher erfahren können. Die Dorpater Universität hat vor einem Jahr zu Gunsten der Methode ein Gutachten eingegeben; es ist aber nichts weiter daraus hervorgegangen. – Morgenstern soll aber beh[au]pten die Methode bilde mechanische Köpfe, diess sagte er dem H[errn] Marty in Riga, dieser wird s[eine] Knaben wahrscheinlich zurückziehen w[ei]l sie so miserabel schreiben u[n]d gar k[eine]n Styl haben, sie können sich über nichts mit ihm besprechen, es sey alles verworren, was die Knaben schreiben; er wird aber selbst in die Schweiz kommen, hat er im Sinn. In den hiesigen Schulen u[nd] Instituten wird, so viel ich hören u[nd] sehen kann, ganz unpestalozzisch gelehrt u[n]d erzogen – die Regierung verwendet grosse Summen für das Unterrichtswesen, Cadettenkorps, Medizin- SchulmeisterKunstschulen etc. allein ihren Absichten wird schlecht entsprochen; entweder fehlts an Lehrern oder an treuen Verwaltern. Da ist tausen[d] u[nd] tausendmal wahr, der Geist ist willig, aber d[a]s Fleisch ist schwach, item der Geist ist auch schwach. – An Kotschubey habe die Adr[esse] v[on] Pestal[ozzi] noch nicht abgegeben, kann sie auch nicht abgeben weil sie gar z[u] schlecht geschrieben ist u[n]d das Papier vertolgt, würde sie aber auch sonst nicht abgeben, weil er Recommandationen v[on] Napoleon an Alexander gebracht hat!! – Die Rennecamms sind hier, der Landgraf Gersdorf hat mir die Rahmen z[u] m[einen] 3 Porträten gekauft. Wie es dem H[errn] u[n]d der Fr[au] Transeh geht wundert mich sehr, diese Familie ist mir so lieb. Torlitz ist hier Lehrer des Sohns des Herzogs v[on] Wirtenberg, Bruder des Königs u[nd] naher Verwandter d[e]s Kaisers durch s[eine] ausgezeichnete Frau, eine Prinzessin v[on] Saxsen-Coburg, Schwester der Grossfürstin Constantin, mit denen ich auch werde nach u[nd] nach bekannt werden. Er versprach mir heüte den Abendbesuch, wurde aber durch einen Hofball daran verhindert, er ist zu gleicher Zeit gouvernante des 6jährigen Zöglings, scheint sich am Hof wohl zu gefallen, so recht behaglich ist’s ihm aber nicht um mich herum; ich sehe ihm zuweilen stark ins Gesicht u[n]d lege ihm neue Fragen vor, die am Hof nicht gäng u[nd] gäb sind. – Er wird hier ein Blättchen beylegen. – Rougemonts Tod hat mich sehr betroffen; ich leide dadurch um des gehegten Argwohns u[nd] des gemachten Vorwurfs willen. Stehen die Eltern noch in der Meinung, dass ich s[einen] Tod veranlast, so muss er ihnen doppelt schwer gefal-

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len seyn. Ich wage es nicht an Rougemont z[u] schreiben, obschon er mich dazu aufgefordert hat. – Bin ich in Yverdon entschuldigt worden dass ich by niemandem in der Stadt Abschied genommen habe. Grüsset von mir namentlich. die Bourgeois, Jayet, Thomanet u[nd] de Gembs, Develey – Das ganze Knaben[-] u[n]d Töchterinstitut steht in schönstem Glanz vor m[eine]r Seele: möchte es so schön in der Wirklichkeit stehen! – Würde man dort nur rein, ungetheilt u[nd] frey benutzen u[n]d wirken lassen, was Vortreffliches, Grosses u[n]d Tiefes dort wirklich ist, so müsste es immer gut gehen. Dringend nothwendig erkenne ich aber, dass die Lehrer selbst sich vielseitiger ausbilden u[nd] sich in jedem Fache mit dem Bekannten u[n]d Gewohnten bekannt machen, dringend, dass jemand planmässig u[n]d energisch dirigire. Hennings u[n]d Dreists grosse Briefe schicke von hier nur durch Gelegenh[ei]t nach Rügenwalde, indem ich sie vergessen – Hätte ich gewusst, was ich jetzt weiss, so wäre ich vielleicht noch auf der Reise u[n]d dann gewiss auch nach Rügenwalde gekommen. M[eine] Gemeindevorsteher sind s c h o v l e Leüte, dem stimme ich nicht bey: «Wenn wir d[a]s Zutrauen nur in diesem Augenblick nicht verlieren, so ist alles gewonnen!» Traurig, erbärmlich, wenn diese Sache an einem solchen losen Faden hängt, wie das momentane Zutrauen. Arbeitet man im Institut treu u[n]d gewissenhaft, so bleiben die Kinder u[n]d kommen neüe. Dieser od[er] jener mag schreiben od[er] sagen was er will; u[n]d fahren die Männer, die sich für die Idee erklärt haben, u[n]d die wissen was sie wollen, fort sie z[u] entwickeln u[n]d anzuwenden, so vermögen auch die Mittel der Hölle nichts gegen sie; nur sollte man nicht fliegen wollen, ehe man gehen kann u[n]d eine Anstalt von der Bed[eu]tung sollte der festesten Regelmässigk[ei]t u[n]d unbedingtesten Sicherh[ei]t unterworfen seyn. Von diesen Fehlern gehen immer die Vorwürfe u[nd] Klagen aus. Mich wundert sehr, wie es nun in Königsberg gehe; Schröder giebt mir nicht die Nachrichten, die er mir versprochen: noch mehr wundert mich Eüer Urtheil über m[ein] Urth[ei]l. Pestal[ozzis] Briefe endigen immer mit Versprechungen v[on] Briefen, damit ist’s aber nicht abgethan. V[on] ihm selbst erwarte ich auch keine u[nd] darf keine erwarten aber v[on] Krüsy u[nd] Niederer u[n]d zwar solche, die den meinigen ähnlich seyen. – Ich besorge, die Universität habe einen nachtheiligen Einfluss auf den Glauben an die Methode in Berlin u[nd] Preüssen. – Nach Petersburg muss man nicht so weitläufig schreiben, es ist 800 Stund weit. – M[eine] Kiste kostet mich 14 Louis[d’or] Porto. – Ein Duplan von Cossonay ist hier angekom-

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men u[n]d will nun von mir die Methode lernen, in Yverdon aber, da er war, chez les Dames Villadin, da lag ihm wenig daran. Er ist ein artiger Mann übrigens. Schon hat er Fortschritte gemacht; denn heute rief er begeistert aus: «Mons[ieur] Pestal[ozzi] sera un homme à jamais celèbre.[»] Hätte ich 2–3 recht u[nd] ächt pestalozzisch gebildete Frauenzimmer hier u[n]d 3–4 junge, noch recht feürige Männer, ganz bekannt u[nd] geübt in den bereits ausgeführten Theilen der pestal[ozzischen] Methode, dann wollt ich 2 famöse Anstalten zu Stande bringen die sich sollten gewaschen haben, das verspreche ich Euch, ohne gross zu sprechen mit respect zu melden; eine weibliche Anstalt, worinn Gesang, Zeichnen, weibliche Arbeiten Sprach[-] u[n]d Religionsunterricht recht gelehrt würden müsste hier schnell Maul u[n]d Augen aufsperen machen, das wäre auch m[eine] Lieblingssache, allein da bin ich, wie der Vogel auf dem Zweig, sehe in die weite Welt hinein u[n]d nirgends zeigt sich Hülfe! – Geduld – kommt Zeit, kommt Rath. – Hier spricht man immer v[om] König u[n]d Fürsten f[ür] die Schweiz. Ich sage aber dass die Schweizer dem N[apoleon] schon haben merken lassen es sey nicht nöthig. Der verstorbne Kaiser Paul wird von vielen Menschen noch gelobt u[n]d bedauert. Die Kaiserinn Mutter soll s[ein] Andenken sehr ehren. – Der franz[ösische] Gesandte giebt hier sehr oft Feste. – Es lässt sich gar nicht vorstellen, was mit einer Nation, wie die russische, zu machen wäre. Der eigentl[iche] Russe hält das Unglaubliche aus, ist ein treüer Unterthan u[n]d hat eine blinde Anhänglichkeit u[nd] Glauben an s[eine] Götzen. Hier wird eine prachtvolle griechische Kirche erbaut. Lebt glücklich. –

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 250/9 Bogen, 188 x 105 mm Original Textkritik

Zeuge H Z.4 Z. 5 Z. 5 Z. 13 Z. 13 Z. 18

Petersburg: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Niederer: lateinische Schrift Wangenheim: lateinische Schrift Nied[erer]: lateinische Schrift

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Yverdon: lateinische Schrift Wildermett: lateinische Schrift Wolkonsky: lateinische Schrift aide de camp: lateinische Schrift Cousine: lateinische Schrift Calame: lateinische Schrift Dupujet: lateinische Schrift Neveus: lateinische Schrift Dupujet: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Radloff: lateinische Schrift Lambsdorf: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift Bacheracht: lateinische Schrift Türk: lateinische Schrift Kuhlenkamp: lateinische Schrift Ausriss Director: lateinische Schrift Speransky: lateinische Schrift Schöners Pestalozzi: lateinische Schrift Zeller: lateinische Schrift pestal[ozzischen]: lateinische Schrift Pestal[ozzische]: lateinische Schrift Recommandation: lateinische Schrift Pestal[ozzi]: lateinische Schrift Particular: lateinische Schrift Moskaw: lateinische Schrift Dorpater Universität: lateinische Schrift Marty: lateinische Schrift Riga: lateinische Schrift item: lateinische Schrift Kotschubey: lateinische Schrift Recommandationen: lateinische Schrift Napoleon: lateinische Schrift Alexander: lateinische Schrift Rennecamms: lateinische Schrift Gersdorf: lateinische Schrift Transeh: lateinische Schrift Torlitz: lateinische Schrift Saxsen-Coburg: lateinische Schrift gouvernante: lateinische Schrift Rougemonts: lateinische Schrift Rougemont: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Bourgeois: lateinische Schrift Jayet: lateinische Schrift

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Thomanet: lateinische Schrift Gembs: lateinische Schrift Develey: lateinische Schrift Hennings: lateinische Schrift Dreists: lateinische Schrift Rügenwalde: lateinische Schrift Rügenwalde: lateinische Schrift Faden hängt Königsberg: lateinische Schrift Schröder: lateinische Schrift Pestal[ozzis]: lateinische Schrift Universität: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Petersburg: lateinische Schrift Duplan: lateinische Schrift Cossonay: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift chez les Dames Villadin: lateinische Schrift respect: lateinische Schrift Hier Paul: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 II. Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) war im Juli 1810 nach St. Petersburg aufgebrochen. Von seiner Reise hatte er regelmässig lange Briefe nach Yverdon geschickt, offenbar ohne dass Pestalozzi oder die Mitarbeiter in Yverdon im selben Masse geantwortet und ihn damit über die Entwicklungen im Institut auf dem Laufenden gehalten hätten. III. Z. 13 Z. 13 Z. 13

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Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 von Wangenheim: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 s[ein]e Hefte: Damit könnte eine Auswahl aus den Notizbüchern und Heften von Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) gemeint sein, in denen er Einträge und Entwürfe von Verteidigungsschriften zu Pestalozzis Institut und der Methode, Aufsätze, Rezensionen und biografische Notizen festhielt, die zum Teil dann auch gedruckt wurden (vgl. ZB Zürich, Ms Pestal 700–725). Es ist aber auch denkbar, dass hier schon gedruckte Schriften, etwa aus der Wochenschrift für Menschenbildung, gemeint waren. Schmids: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Rapports: Abel Merian/Jean-Baptiste Girard/Friedrich Trechsel: Bericht über die Pestalozzische Erziehungs-Anstalt zu Yverdon, an Seine Excellenz

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den Herrn Landammann und die Hohe Tagsatzung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Gedruckt auf Befehl der Tagsatzung. Bern 1810 Litteraturz[ei]t[un]g: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung. Jena 1804–1841. Eine Rezension des Rapports über die Pestalozzische Erziehungsanstalt (⇒ Z. 35) erschien im Band 1 (1812), in der Nummer 32 vom 13. Februar, S. 249–256. Z[ei]t[un]g f[ür] die elegante Welt: Zeitung für die elegante Welt. Leipzig 1801–1859 die götting[er] Anzeigen: Göttingische Gelehrte Anzeigen unter der Aufsicht der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften. Göttingen 1739 ff. Eine Rezension des Berichts über die Pestalozzische Erziehungsanstalt (⇒ Z. 35) erschien am 13. April 1811, im 59. Stück, Seite 577–588. Morgenblatt: Morgenblatt für gebildete Stände. Stuttgart/Tübingen 1807– 1837. Der erwähnte Auszug erschien unter dem Titel Kommissions-Bericht über die Pestalozzische Anstalt und Methode in der Ausgabe Nr. 231 vom 26. September 1810, S. 921–923. Hamb[urger] Z[ei]t[un]g: Hamburgische neue Zeitung. Hamburg 1806–1811 M[ademoise]lle Wildermett: Sophie Cécile/Cäcilie Wildermeth (1786–1817) aus Biel war Erzieherin der Kinder von Philipp Emanuel von Fellenberg (1771–1844, ⇒ Nr. 426) und liess sich gleichzeitig auch ausbilden. Nach einer Affäre mit dem Erzieher Jakob Kuttler (1783–1830) verliess sie 1808 Hofwyl, wurde Gouvernante im Fürstenhaus Wolkonski (⇒ Z. 44) und heiratete 1816 den ebenfalls als Hauslehrer tätigen deutschen Schriftsteller und Geschichtsprofessor an der Petersburger Universität, Ernst Benjamin Salomon Raupach (1784–1852). Prinz Wolkonsky: Pjotr Michailowitsch Wolkonski (1776–1852) wurde in den napoleonischen Kriegen ein hoch dekorierter Generalfeldmarschall, übernahm 1814 die Leitung des russischen Generalstabs und war seit 1826 Minister des kaiserlichen Hofes. aide de camp: Bezeichnung für den persönlichen Adjutanten oder Sekretär eines hohen Militärs oder Politikers Kaisers: Alexander I., Zar von Russland (1777–1825) ⇒ Nr. 520 2 artige Kinder: Pjotr Michailowitsch Wolkonski (1776–1852, ⇒ Z. 44) hatte aus der Ehe mit Sophia Grigojewna Wolkonski (1786–1868, ⇒ Brief vom 22. März 1818) drei Kinder: Alexandrine (1804–1869), Dimitri (1805–1859) und Gregor (1808–1882, ⇒ Nr. 1555). Hier dürften wohl die beiden älteren gemeint sein, über die aber nichts weiter bekannt ist. M[ademoise]lle Calame: Damit muss entweder Marie-Anne Calame (*1765) oder Charlotte Calame (*1767) gemeint sein. Über beide sind keine weiteren biographischen Angaben bekannt. Ed[uard] Martys Mutter: Julie Augustine Marti-Calame (*1776) ⇒ Nr. 626 Dupujet: David Louis Dupuget (1763–1838) stammte aus Yverdon und war als Hofmeister und Erzieher der Zarensöhne Nikolaus I. Pawlowitsch (1796–1855, ⇒ Brief vom 24. September 1826) und Michael (1798–1849) am Zarenhof angestellt und wurde später zum Baron ernannt. Kaiserinn Mutter: Amalie Friederike von Hessen-Darmstadt (1754–1832) war mit Karl Ludwig von Baden (1755–1801) verheiratet. Ihre Tochter Luise Marie Auguste Prinzessin von Baden (1779–1826) heiratete 1793 unter dem Namen Elisabeth Alexejewna den späteren Zaren Alexander I. (1777–1825, ⇒ Nr. 520). Durch den Einfluss auf ihren Schwiegersohn während des Wiener Kongresses gelang es Amalie, die durch ihre geschickte Heiratspo-

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litik die Schwiegermutter Europas genannt wurde, das von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) geschaffene Grossherzogtum Baden in seiner territorialen Einheit zu bewahren. Neuveus: Louis Albert Dupuget (1796–1860) und Jean Frédéric Dupuget (1798–1875) waren die Söhne von David Louis Dupugets (1763–1838, ⇒ Z. 48) Bruder Jean Jacob Daniel Dupuget (1770–1822). Louis Albert war bis 1814 Zögling und anschliessend Unterlehrer für Mathematik in Yverdon. Danach arbeitete er als Mathematiklehrer in der Schule von John de Vesci (1771–1855, ⇒ Nr. 1500) in Abbeyleix (Leinster, Irland) und in Woodside bei Liverpool. Er verfasste 1821 Intuitive mental arithmetic, theoretical and practica. On the principles of H. Pestalozzi. Jean Frédéric wurde Kaufmann und war ebenfalls in England tätig. M[a]d[a]me Dupujet: Rose Marguerite Dupuget-Duvoisin (1770–1850) aus Neuchâtel heiratete 1795 den Buchbinder und Buchhändler Jean Jacob Daniel Dupuget (1770–1822) aus Yverdon mit dem sie zwei Söhne hatte (⇒ Z. 52). Sie starb in Yverdon. Radloff: Karl Friedrich Radlow/Radlofff (1783–1842) stammte aus Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt), studierte in Leipzig und war anschliessend Hauslehrer in Russland. Nach der Anstellung an Johannes von Muralts (1780–1850, ⇒ Nr. 610) Anstalt in Petersburg wurde er Lateinlehrer am Gymnasium und amtete zuletzt als Schulleiter im Kreis Dorpat (Tartu, Estland). General Lambsdorf: Gustav Matthias Graf von Lambsdorff (1745–1828) durchlief nicht nur eine erfolgreiche Militärkarriere, sondern war von 1796 bis 1798 Gouverneur von Kurland, anschliessend bis 1800 Direktor des Kadettenkoprs und schliesslich bis 1817 Erzieher der Zarensöhne Nikolaus I. Pawlowitsch (1796–1855, ⇒ Brief vom 24. September 1826) und Michael (1798–1849). M[a]d[a]me Bacheracht: Damit dürfte wohl Katharina Meybohm (†1852) gemeint sein, die 1797 Johannes Bacheracht (*1761, ⇒ Nr. 1304) heiratete und in Brüssel starb. von Türk: Wilhelm Christian von Türk (1774–1846) ⇒ Nr. 653 Kuhlenkamp: Arnold Kulenkamp (1770–1826) ⇒ Nr. 902 Director v[om] Findelhaus: Das Findelhaus in St. Petersburg wurde auf Betreiben des russischen Schulreformers und Generalleutnants Iwan Betzkoj (1704–1795) unter der Zarin Katharina II. (1729–1796) gegründet. Nach dem Tod der Zarin übernahm die zweite Frau Pauls I. (1754–1801, ⇒ Nr. 520), Maria Feodorowna (1759–1828, ⇒ Nr. 1211) die Schirmherrschaft über das Findelhaus. Die Verwaltung des bis 1828 auf 28 Einrichtungen angewachsenen Hauses, das ein Hebammeninstitut, ein Armenhospital, eine Handelsschule, eine Textilmanufaktur und diverse andere Unterrichtsanstalten umfasste, erfolgte im «Ressort der Anstalten der Zarin Maria» innerhalb der persönlichen Kanzlei der Zarin. Kaum zu ermitteln ist, wer nach dem Tod Betzkojs die Direktion des Findelhauses um 1810 innehatte, da es viele Fluktuationen im Amt gab. Lit.: Joachim Stahnke: Skizzen zur Geschichte des Russischen Findelhauswesens, erläutert am St. Petersburger Erziehungshaus. Würzburg 1983 Speransky: Michael von Speransky (1772–1839), der Johannes von Muralts (1780–1850, ⇒ Nr. 610) Anstalt unterstützte, war von 1807 bis 1812 einflussreicher Berater von Zar Alexander I. (1777–1825, ⇒ Nr. 520) und arbeitete ab 1809 als stellvertretender Justizminister und Leiter der Gesetzes-

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kommission eine grundlegende, nur teilweise umgesetzte Reform aus, die unter anderem die Aufhebung der Leibeigenschaft vorsah. Als Mitglied der Freimaurer wurde er der Kollaboration mit den Franzosen beschuldigt, 1812 verbannt, zwei Jahre später begnadigt und war ab 1819 als Generalgouverneur von Sibirien selbst für Verbannungen verantwortlich. 1824 wurde er in den Staatsrat berufen und beeinflusste den zehn Jahre später herausgegebenen Gesetzeskodex massgeblich. Schöners: Georg Friedrich Adolf Schöner (1774–1841) ⇒ Nr. 774 m[ein]en Eltern: Leonhard von Muralt (1751–1822, ⇒ Nr. 610) und Maria Ursula von Muralt-Scherb (1751–1823, ⇒ Nr. 610) Zeller: Anton Zeller (1760–1837) war Hofmaler in Mecklenburg-Strelitz und malte diverse Portraits, unter anderem von der preussischen Königin Luise Auguste Wilhelmine Amalie (1776–1810, ⇒ Nr. 1160). Particular: Privatmann, Rentner Moskaw: Moskau Dorpater Universität: Universität von Tartu (Estland) Gutachten: Damit könnte folgende Schrift gemeint sein: Karl Anders: Über die Nützlichkeit zeitiger Unteweisung der Kinder. Dorpat 1808 Morgenstern: (Johann) Karl Simon Morgenstern (1770–1852) aus Magdeburg studierte von 1788 an Philosophie und Altphilologie an der Universität Halle. 1798 bis 1802 war er Professor für Rhetorik und Poesie am Danziger Athenaeum, 1802 bis 1836 Professor für Rhetorik und Klassische Philologie, Ästhetik, Literatur und Kunstgeschichte an der Universität Dorpat und 1802 bis 1839 der erste Direktor der Universitätsbibliothek. 1826 wurde er Ehrenmitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften. H[errn] Marty: Johann Rudolf Marti (1765–1824) ⇒ Nr. 626 s[eine] Knaben: Hans Burchard Bippen (1796/97–1811, ⇒ Nr. 626), Diedrich von Bippen (*1798, ⇒ Nr. 626) und David Eduard Marti (1797–1827, ⇒ Nr. 626) Kotschubey: Viktor Kotschubey (1758–1834) ⇒ Nr. 1007 Napoleon: Napoleon I. Bonaparte (1769–1821) ⇒ Nr. 580 Alexander: Alexander I., Zar von Russland (1777–1825) ⇒ Nr. 520 Rennecamms: Karl Jacob Alexander, Edler von Rennenkampf (1783–1854) ⇒ Nr. 891 Landgraf Gersdorf: Damit dürfte Moritz Friedrich von Gersdorff (1747–1820), Herr auf Korküll, Assuma und Uelzen, gemeint sein, der Vater von Dorothea Margarethe Transehe-von Gersdorff (1784–1821, ⇒ Z. 135). Gersdorff war livländische Landrat (1797–1820) und heiratete 1796 in zweiter Ehe die verwitwete Elisabeth Dorothea Rennenkampf-Anrep (1759–1844, ⇒ Nr. 1057). H[errn] u[n]d der Fr[au] Transeh: Karl Otto von Transehe (1761–1837, ⇒ Nr. 1255) und Dorothea Margarethe Transehe-von Gersdorff (1784–1821) hatten 1800 geheiratet. Sie stammte aus des Landrats Moritz Friedrich von Gersdorff (1747–1820, ⇒ Z. 133 f.) erster, 1772 geschlossener Ehe mit seiner Kusine Charlotte Elisabeth Dorothea von Gersdorff (1751–1793). Torlitz: Johan Henrik Anton Torlitz (1777–1834) ⇒ Nr. 629 Sohns: Alexander Friedrich Wilhelm von Württemberg (1804–1881) wurde wie sein Vater Alexander Friedrich Karl von Württemberg (1771–1833, ⇒ Z. 137) russischer Offizier, siedelte jedoch nach dem frühen Tod seiner Frau Marie Christine von Orléans (1813–1839) nach Bayreuth über, wo er

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1851 als Verwalter von Schloss Fantaisie und Hotelier zum Ehrenbürger ernannt wurde. Herzogs v[on] Wirtenberg: Alexander Friedrich Karl von Württemberg (1771–1833) war der Bruder des württembergischen Königs Friedrich I. (1754–1816, ⇒ Nr. 939) und von Sophia Dorothea Augusta Luisa, Prinzessin von Württemberg (1759–1828), der Ehefrau von Zar Paul I. (1754–1801, ⇒ Nr. 520). Er diente als Offizier ab 1794 in der österreichischen sowie ab 1799 in der russischen Armee und sorgte als Gouverneur Weissrusslands ab 1811 und als Leiter des russischen Verkehrsministeriums ab 1822 für den infrastrukturellen Ausbau zwischen St. Petersburg und Moskau. Königs: Friedrich I., König von Württemberg (1754–1816) ⇒ Nr. 939 Frau: Antoinette Ernestine Amalie, Prinzessin von Sachsen-CoburgSaalfeld (1779–1824) heiratete 1798 Alexander Friedrich Karl von Württemberg (1771–1833, ⇒ Z. 137) und hatte mit ihm fünf Kinder. Grossfürstin Constantin: Juliane Henriette Ulrike, Prinzessin von SachsenCoburg-Saalfeld (1781–1860) wurde mit 14 Jahren mit dem Bruder von Zar Alexander I. (1777–1825, ⇒ Nr. 520), dem russischen Grossfürsten Konstantin Pawlowitsch (1779–1831) verheiratet und floh 1813 aus der unglücklichen Ehe nach Bern, wo sie 1814 das Landgut Elfenau an der Aare erwarb und es zu einem gesellschaftlichen Zentrum machte. Rougemonts: Georges de Rougemont (1802–1810) ⇒ Nr. 968 Eltern: Georges de Rougemont (1758–1824, ⇒ Nr. 956) und Charlotte Louisa Albertine de Rougemont-d’Osterwald (1769–1851, ⇒ Nr. 983) Bourgeois: Elisabeth Lidie Bourgeois-Burnand (*1769) aus dem waadtländischen Moudon wuchs in Yverdon auf und war mit dem Kaufmann David François Frédéric Bourgeois (1773–1856, ⇒ Nr. 1438) verheiratet. Sie wohnten nahe Yverdon auf Schloss de Giez, ihr Mann war später syndic municipal von Mathod (Kt. Waadt). Jayet: Anne Marie Jayet-Pacotton (1752–1818), auch Nannette genannt, stammte aus Yverdon und heiratete 1776 den Hauptmann Philippe François Jayet (1746–1796). Zu dieser Zeit lebte sie verwitwet in Yverdon, wo sie auch verstarb. Thomanet: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte, da der Name Thomanet in den Yverdoner Geburts- und Sterbebücher nicht aufgeführt ist. de Gembs: Caroline-Elisabeth-Marie de Guimps-Burnand (1774–1819) ⇒ Nr. 1368 Develey: Jeanne Henriette Develey-Mandrot (1765–1840), Tochter eines Dragonerkapitäns aus Yverdon, war mit dem dortigen Stadt- und Institutsarzt Louis Frédéric Develey (1766–1811) verheiratet. Sie hatte eine Tochter, Louise (1801–1869), und einen Sohn, Gabriel (1803–1807). Hennings: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Dreists: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 Rügenwalde: Darłowo (Polen) s c h o v l e : schäbig, kümmerlich (jidd.) Schröder: Friedrich Leopold Schrötter (1743–1815) ⇒ Nr. 992 Urtheil: Es ist unklar, was hier gemeint sein könnte, da keine Briefe Pestalozzis an Friedrich Leopold Schrötter (1743–1815, ⇒ Nr. 992) aus diesem Zeitraum erhalten sind und sich in den Briefen Pestalozzis an Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) ebenfalls keine harsche Beurteilung finden lässt.

242 Z. 187 Z. 192 Z. 192

Z. 194 Z. 209

Z. 211 f. Z. 213 f.

Krüsy: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Louis[d’or]: frz. Goldmünze Duplan: François Joseph Samuel Duplan (1786–1857) aus Cossonay (Kt. Waadt) war ab 1810 Lehrer für Französisch, Geografie und Arithmetik an der Schule von Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) in St. Petersburg. Ob er diese bereits vor oder erst anlässlich ihrer Schliessung im Jahre 1837 verliess, ist nicht bekannt. Duplan dürfte aber in Russland geblieben sein, da er in Smolensk begraben wurde. Dames Villadin: Es ist unklar, wer oder was hier gemeint sein könnte, da der Name in den Yverdoner Kirchenbüchern nicht auftaucht. König u[nd] Fürsten: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815, ⇒ Nr. 3) hatte schon in einem Brief vom 12. Mai 1806 (⇒ Nr. 823) latente Befürchtungen vor einer Umwandlung der Schweiz in eine von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) veranlasste Monarchie oder Kurfürstentum und somit die Eingliederung in das System der napoleonischen Satellitenstaaten geäussert. Mit der beträchtlichen Gebietserweiterung des Grossherzogtums Baden seit 1803 kamen Spekulationen auf, der Grossherzog wolle Basel einverleiben und die Schweiz als Königreich Helvetien annektieren oder eine dauerhafte Übertragung des Landammannamtes erreichen. Kaiser Paul: Paul I., Zar von Russland (1754–1801) ⇒ Nr. 520 franz[ösische] Gesandte: Armand de Caulaincourt (1773–1827) amtierte als General, Grossstallmeister und persönlicher Adjutant Napoleon I. Bonapartes (1769–1821, ⇒ Nr. 580) von 1807 bis 1811 als Gesandter in Petersburg und zog sich als unerschütterlicher Parteigänger Napoleons nach dessen Abdankung auf seine Güter zurück.

1190. J. L. Lenz Herbst 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1295 Sacherklärung I.

J. L. Lenz ⇒ Nr. 943

243 1190 a. Anton Spener 3. November 1810 [Reg.] Spener wünscht, dass sein Sohn Französisch und Latein lernt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 149.5 ff. Sacherklärung I.

Anton Spener (1765–1814) ⇒ Nr. 1156 c III. Z. 4

Sohn: Peter Jacob Spener (1796–1823) ⇒ Nr. 1156 c

1191. Christian Friedrich Nasse 5. November 1810 5

Herrn Herrn Pestalozzi in Iferten Bielefeld in Westphalen Nov[ember] 5. 1810.

10

15

20

Ehrwürdiger Vater! Ein Fremder erscheint bittend vor Ihnen. Er hat den Wunsch edler Frauen, die nach der Weihe ihres Mutterberufs verlangen, er hat der Liebe zu den eigenen Kindern nachgeben müssen. Er wagt es zu dem Manne zu reden, der mit liebendem Gemüthe sich der Verlassenen annahm. Sein Sie dem Entfernten, Bittenden geneigt! In mehrern hiesigen Müttern ist durch Ihre Gertrud, wie durch Zellers Buch der Elementarschule das Bewusstsein erwacht, wie wenig sie ihren Kindern sind, wie viel sie ihnen sein sollen und können. Sie fühlen stündlich und fühlen es mit Schmerzen, dass sie, bei dem besten Willen, im Elementarunterricht ihrer Kinder nicht auf dem rechten Wege sind; sie sehen ihre Kleinen den Unterricht, anstatt ihn zu suchen, fliehen. Wir anderweitig beschäftigten Männer wissen nicht viel Rath nur der, den wir gebn, bringt

244

25

30

35

40

45

nicht viel. Unsere öfentlichen Elementarschulen, für welche unsere Regierung noch nichts gethan hat, sind nicht viel Werth. In Büchern haben wir Hülfe gesucht; aber das belebende Wort fehlt. Und doch muss es anders werden, es muss besser werden; auch unsern Kindern muss das Heil einer bessern Methode werden! Wir wenden uns bittend zu Ihnen, zu dem Vater der Kinder, von dem allein Hülfe kommen kann. Senden Sie uns auf einige Monate einen Ihrer Schüler, der im Besitz, im lebendigen Besitz Ihrer Methode, unsere Mütter, wie Zeller die Heilbronner, in die Schule nehme; sie wollen alle mit Freuden von ihm lernen und auch wir Männer wollen gern seine Schüler sein. Unsere Stadt ist wohlhabend genug und die Sache liegt den Bessern ihrer Einwohner zu sehr am Herzen, als dass sie nicht auf jede mögliche Weise gegen den, der ihnen das Heil ihrer Kinder sichert, nach vollen Kräften dankbar sein sollten. Sobald Ihre Antwort eingeht, will ich sogleich Unterschriften sammlen, für eine Wohnung sorgen etc. nur Ihnen das Weitere berichten. Vielleicht schliessen sich andere, benachbarte, Städte an; aus den Mitteln hiesiger Einwohner entsteht eine Schulmeisterschule für die umliegende Gegend; unsere Präfectur interessirt sich für die grosse Sache; und der Seegen Ihres Geschenks ist unendlich! Halten Sie Ihr erfreuendes Wort nicht zurük! – Sein Sie der Bitte der Entfernten geneigt! Mein Schwager Weber im Fellenbergschen landwirtschaftl[ichen] Institut wird gern die Besorgung Ihrer Antwort übernehmen. Mit Ehrfurcht und Liebe Nassé Med. Dr.

1 2 4 5

Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 255/1 Bogen, 241 x 194 mm Datum am Schluss, Dorsualvermerk Bielefeld en Westphalie, le 5e Nov[ember] 1810 Nasse, Dr en Mede, R_, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 7 Z. 35 Z. 36 Z. 38

Pestalozzi: lateinische Schrift Iferten: lateinische Schrift nicht ∫ sichert, nach sammlen, für

245 Z. 45 Z. 46

Weber: lateinische Schrift gern die Sacherklärung I.

Christian Friedrich Nasse (1778–1851) stammt aus Bielefeld, wo er sich nach seinem Studium und seiner Promotion in Medizin 1801 als praktischer Arzt niederlässt und das städtische Armenhospital leitet. Mit seiner Frau Henriette Weber (1788–1878) verlässt er 1814 seine Heimatstadt und wird Nachfolger seines akademischen Lehrers Johann Christian Reil (1759–1813) an der Universität Halle/Saale, bevor er 1819 bis zu seinem Tod den Medizin-Lehrstuhl an der Universität Bonn übernimmt. Nasse, beeinflusst von der Philosophie Johann Friedrich Herbarts (1776–1841, ⇒ Nr. 584) und seit 1818 Mitglied der Leopoldina, einer 1652 gegründeten naturwissenschaftlich-medizinischen Akademie, gilt als renommierter und erster deutscher Kliniker, der die Diagnostik am Krankenbett durch sorgfältige Beobachtung seiner Patienten ausübt. II. In Vertretung einer Gruppe Eltern, die mit dem Zustand der öffentlichen Schule in ihrer Gegend nicht einverstanden war, wandte sich Christian Friedrich Nasse (1778–1851, ⇒ Sacherklärung I.) an Pestalozzi. Er gibt damit Einblick in die Bemühungen von Privatpersonen, die schulische Bildung ihrer Kinder auf privater Basis zu verbessern, wenn die zuständigen Behörden ihrer Ansicht nach diesbezüglich nicht genug aktiv waren. III. Z. 7 Z. 15 Z. 16

Z. 30

Z. 31 Z. 45 Z. 45 f.

Iferten: dt. Name für Yverdon Gertrud: Johann Heinrich Pestalozzi: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt. Bern/ Zürich 1801 Zellers Buch der Elementarschule: Carl August Zeller: Das Ziel der Elementarschule durch überzeugende und erhebende Tatsachen beleuchtet. Königsberg 1809 Schüler: In seiner Antwort an Christian Friedrich Nasse (1778–1851, ⇒ Sacherklärung I.) vom 6. Januar 1811 stellte Pestalozzi in Aussicht, Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) nach Bielefeld zu entsenden, weil jüngere Lehrer Pestalozzis nicht geeignet seien. Doch schien diese Absicht nicht umgesetzt worden zu sein (vgl. PSB VII, Nr. 2332). Zeller: Karl August Zeller (1774–1846) ⇒ Nr. 656 Weber: Ludwig Christian Weber (1794–1854) aus Bielefeld war Schüler in Hofwyl und Grossonkel des Soziologen Max Weber (1864–1920). Fellenbergschen landwirtschaftl[ichen] Institut: ⇒ Nr. 908

1192. Joseph Schmid 5. November 1810 5

[Reg.] Schmid schickt ein Exemplar seines Buches nach Yverdon und verspricht, eine grössere Zahl nachfolgen zu lassen. Zudem teilt er Pestalozzi mit, dass er schon in

246 Yverdon den Auftrag an den Verlag Mohr & Zimmer erteilt habe, 200 Exemplare seines Buches für ihn zur Verfügung zu halten.

Überlieferung 1

Morf IV, S. 250; PSB VII, S. 149.31 ff. Sacherklärung I.

Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 II. Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) hatte im Juli 1810 das Institut in Yverdon nach Auseinandersetzungen mit den anderen Lehrern verlassen. Schon im Herbst publizierte er seine Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, in denen er seine Erlebnisse in Yverdon veröffentlichte. Hier schickte er allerdings eine andere, ebenfalls beim Verlag Mohr & Zimmer (⇒ Nr. 1173) veröffentlichte Publikation (⇒ Z. 4) nach Yverdon.

Z. 4 Z. 6

III. Buches: Joseph Schmid: Die Anwendung der Zahl auf Raum, Zeit, Wert und Ziffer, nach Pestalozzischen Grundsätzen bearbeitet. Heidelberg 1810 Mohr & Zimmer: Verlag Mohr & Zimmer ⇒ Nr. 1173

1192 a. Georg Heinrich Ludwig Nicolovius 5. November 1810 5

[Reg.] Nicolovius überweist die letzte noch ausstehende Zahlung für die Pensionskosten von Marsch.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 258 Sacherklärung I.

Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 III. Z. 5

Marsch: Gottlob Friedrich Marsch (1761–1829) ⇒ Nr. 1160

247 1193. Constant Bugnon 8. November 1810 5

[Reg.] Bugnon teilt Pestalozzi mit, dass sein Sohn wegen einer Unpässlichkeit zu Hause bleibe und bittet ihn, dessen Sachen zurückzuschicken.

Überlieferung 1

PSB XIV, S. 137.15 ff. Sacherklärung I.

Constant Bugnon (1773–ca. 1850) ⇒ Nr. 1023 III. Z. 4

Sohn: Isaac Henry Bugnon (1800–1867) ⇒ Nr. 1194

1193 a. Bank- und Kommissionsgeschäft Johann Conrad Jacobi 8. November 1810 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 246 Sacherklärung I.

Bank- und Kommissionsgeschäft Johann Conrad Jacobi ⇒ Nr. 1129

1194. Isaac Henry Bugnon ca. 8. November 1810 [Reg.] Inhalt unbekannt.

248 Überlieferung 1

PSB XIV, S. 137.25 f. Sacherklärung I.

Isaac Henry Bugnon (1800–1867) aus Fleurier (Kt. Neuchâtel) stammt aus einer Unternehmerfamilie, die in der Produktion von Spitze tätig ist. Er besucht zwischen 1808 und 1810 Pestalozzis Institut in Yverdon und heiratet Adeline Berthoud (1812–1866), mit der er zwei Töchter, Charlotte (1832–1889) und Emma (1836–1898) hat.

1194 a. David Esslinger 9. November 1810 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 240 Sacherklärung I.

David Esslinger (1779–1828) ⇒ Nr. 1133 d

1194 b. Franz Adam Lejeune 10. November 1810 5

[Reg.] Lejeune schickt 100 Gulden für die Pensionskosten von Reinhard von den Velden.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 242 und S. 255 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870

249 III. Z. 4 f.

Velden: Reinhard von den Velden (1801–1858) aus Frankfurt am Main war von 1808 bis 1815 Schüler am pestalozzischen Institut in Yverdon, wurde Arzt und lebte in Frankfurt. 1850 rief er die Reinhard von den Veldensche Stiftung ins Leben, deren Stiftungszweck die Betreuung elternloser Kinder war und aus welcher der 1889 als Mädchen-Erziehungsheim erbaute Reinhardshof in Nieder-Erlenbach (Stadtteil von Frankfurt am Main) hervorging.

1195. Heinrich Remigius Sauerländer November 1810 5

[Reg.] Sauerländer teilt Pestalozzi mit, dass Mohr in Frankfurt die 36 Exemplare der Wochenschrift bezahlt habe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 151.10 ff. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

Z. 4 Z. 5

III. Mohr: Verlag Mohr & Zimmer ⇒ Nr. 1173 Wochenschrift: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811)

1195 a. Hans Georg Nägeli November 1810 5

[Reg.] Nägeli teilt Pestalozzi mit, dass die Gesangslehre nun erschienen sei und deshalb der Preis erhöht würde. Zudem schickt er «Briefcirculare und Anzeigen».

1

Überlieferung PSB VII, S. 158.31 f. und S. 159.20 f.

250 Sacherklärung I. Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. Die Gesangslehre (⇒ Z. 4) war zuerst als Subskription angeboten worden, weshalb Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) den Verkaufspreis nach Erscheinen erhöhte.

Z. 4

III. Gesangslehre: Hans Georg Nägeli/Traugott Pfeiffer: Gesangsbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen. Zürich 1810

1195 b. Leodegar Brandstetter 15. November 1810 5

[Reg.] Brandstetter teilt Pestalozzi mit, dass sein Koffer noch nicht in St. Gallen angekommen sei.

1

Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 1443, KB III, S. 245 Sacherklärung I.

Leodegar Brandstetter (1788–1855) aus Beromünster (Kt. Luzern) absolviert von 1809 bis 1810 gemeinsam mit seinem Bruder Johann Renward Brandstetter (1782–1851, ⇒ Brief vom 6. Juni 1826) einen Studienaufenthalt bei Pestalozzi in Yverdon, um danach als Lehrer für Realklassen am Kloster-Gymnasium in St. Gallen zunächst Mathematik, später Deutsch und Französisch und ab 1829 auch Latein zu unterrichten. Nervenkrank geworden, quittiert er 1834 den Schuldienst und lebt fortan zunächst in einer Heilanstalt und sodann in der Nähe seines Bruders in Luzern.

1196. Heinrich Remigius Sauerländer 17. November 1810 [Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi verschiedene Bücher zur Ansicht.

251 Überlieferung 1

PSB VII, S. 166.5 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1197. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 19. November 1810 5

An Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeb[or]en zu Yverdun in der Schweiz. Berlin den 19 ten 9 br 1810.

10

15

Die Sektion des öffentlichen Unterrichts will den von H[er]rn Wohlgeb[or]en geäusserten Wunsch, den bei Ihnen sich aufhaltenden Studiosus Kraetz unter die Preussischen Eleven aufzunehmen, nachdem sie genauere Erkundigung über denselben bey s[einen] ehrwerth[en] Lehrern eingezogen, gern erfüllen, und ersucht Sie, ihm das anliegende Schreiben einzuhändigen. Auf einem besondern Blatte zu remmedieren Berlin den 19 ten 9 br 1810

20

Die Sektion des öffentlichen Unterrichts übersendet dem Herrn Heinrich Pestalozzi in Yverdun durch die gegenwärtige Anweisung den sechsmonatlichen Betrag der Unterhaltungskosten für den Eleven Kraetz, vom Monat December d[ieses] J[ahres] an gerechnet auf den Werth von Einhundert und Fünf und Siebenzig R[eichs]th[a]l[e]r Preüss[ischer] Kourant.

252

25

An den Studiosus Kraetz zu Yverdun. Berlin den 19tn 8br 1810.

30

35

40

45

Die Sektion des öffentlichen Unterrichts macht dem Studiosus Kraetz hiedurch bekannt, dass sie ihn auf den Antrag des Herrn Pestalozzi und das gute Zeugniss seiner ehemaligen Lehrer in Breslau über ihn unter die König[lich]en Eleven in Yverdun aufgenommen, und die sechsmonatlichen Unterhaltungskosten für ihn sogleich an Herrn Pestalozzi übersandt hat. Bei dieser Aufnahme wird ihm zur Pflicht gemacht, sich mit allem Fleisse theoretisch sowohl als praktisch der von Pestalozzi ausgegangene Lehrmethode zu widmen, mit ihrem Geiste und ihren schon jetzt ausgebildeten und auch auszubildenden Formen sich vertraut zu machen, dabei unbedingt des Herrn Pestalozzi und seiner Gehülfen Leitung zu folgen, Freundschaft und gutes Vernehmen mit den übrigen König[lich]en Eleven im gemeinschaftlichen Streben für den Zweck ihres dortigen Aufenthalts zu erhalten, sich den Diensten des Preussischen Staats, welcher ihm jetzt die Hülfsmittel seiner pädagogischen Ausbildung gewährt, allein zuzusagen, und der pädagogischen Bestimmung, welche ihm die Sektion des öffentlichen Unterrichts geben wird, nachzukommen. Diese Bestimmung wird sich nach dem Maasse seiner Tüchtigkeit richten, und die Erweiterung oder Beschränkung derselben demnach in seiner eignen Hand liegen. Die Sektion hofft, dass es die ihm eröffnete von ihm selbst gewünschte Gelegenheit, sich für den hohen Beruf des Erziehers und Lehrers weiter zu bilden, gewissenhaft nutzen werde, und fordert ihn auf, gemeinschaftlich mit den übrigen Eleven ihr von Zeit zu Zeit Nachricht von sich, seinen Beschäftigungen und Fortschritten zu geben.

Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 61–62 Randnotiz Zwei Verfüg[ungen]: an Pestalozzi mit 1 Wechsel über 175 R[eichstaler] Courant und einer Verfüg[ung] an Kraetz z[ur] Post d[en] 15. Dec[em]b[e]r. Entwurf Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 8 Z. 9 Z. 9 Z. 12 Z. 12 f. Z. 13 f. Z. 17 Z. 17 Z. 19 Z. 21

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift 9br: lateinische Schrift Kraetz: lateinische Schrift aufzunehmen, nachdem denselben bey s[einen] ehrwerth[en] Lehrern eingezogen ∫ Berlin: lateinische Schrift 9br: lateinische Schrift Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Kraetz: lateinische Schrift

253 Z. 25 Z. 27 Z. 29 Z. 30 Z. 30 Z. 31 Z. 31 Z. 33 Z. 33 Z. 34 Z. 37

Kraetz: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Kraetz: lateinische Schrift ihn ∫ Pestalozzi: lateinische Schrift Breslau: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift hat ∫ Pestalozzi: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht

Z. 12

Z. 12 Z. 15 Z. 23



Nr. 1049

III. Kraetz: August Kraetz (†1821) aus Winsko (Niederschlesien) besuchte das Gymnasium in Breslau und studierte anschliessend in Heidelberg Theologie. Von 1810 bis 1812 war er als preussischer Eleve bei Pestalozzi in Yverdon und nach seiner Rückkehr als Seminarlehrer in Breslau tätig. Eleven: Schüler Schreiben: Z. 24–48 Kourant: Damit wird bei Währungen angezeigt, dass der Geldwert der Münze durch den Metallgehalt gedeckt ist.

1197 a. Hans Georg Nägeli 24. November 1810 [Reg.] Nägeli schickt dreissig Exemplare «Zweistimmige Gesänge».

Überlieferung 1

PSB VII, S. 169.10 f. Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 III. Z. 4

Gesänge: Dabei handelt es sich um eine Beilage zur Gesangbildungslehre von Michael Traugott Pfeiffer und Hans Georg Nägeli (1810).

254 1198. Verlag Mohr & Zimmer 25. November 1810 5

[Reg.] Der Verlag Mohr & Zimmer teilt Pestalozzi mit, dass das Buch von Schmid erschienen sei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 194.6 ff. Sacherklärung I.

Verlag Mohr & Zimmer ⇒ Nr. 1173 III. Z. 4 Z. 4

Buch: Joseph Schmid: Die Anwendung der Zahl auf Raum, Zeit, Wert und Ziffer, nach Pestalozzischen Grundsätzen bearbeitet. Heidelberg 1810 Schmid: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712

1199. Heinrich Remigius Sauerländer 26. November [Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi verschiedene Bücher zur Ansicht.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 166.5 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1199 a. Hans Georg Nägeli 28. November 1810 [Reg.] Nägeli schickt dreissig Exemplare «Zweistimmige Gesänge».

255 Überlieferung 1

PSB VII, S. 169.10 f. Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 III. Z. 4

Gesänge: Dabei handelt es sich um eine Beilage zur Gesangbildungslehre von Michael Traugott Pfeiffer und Hans Georg Nägeli (1810), die Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) schon in einem vier Tage früher verschickten Brief angekündigt hatte (⇒ Nr. 1197a).

1200. Marc Antoine Jullien 1. Dezember 1810 5

Monsieur Monsieur Pestalozzi, directeur de l’institut d’éducation à Yverdun, Canton de vaud en Suisse Milan, 1 er Xbre 1810

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20

25

Monsieur Pestalozzi! J’ai reçu, monsieur et estimable ami, l’intéressant travail de m[onsieur] Gourvoisier que m’a transmis avec une lettre m[onsieur] Custer, auquel je fais tous mes remercimens. Je suis impatient de savoir si vous aurez reçu les deux gros paquets que je vous ai envoyés par le voiturier. J’attends aussi des nouvelles de m[onsieur] Niederer, des votres et de celles de m[onsieur] Krusi. Je joins ici une lettre de remerciment que je vous prie de faire tenir à m[onsieur] Gourvoisier. J’attends le rapport de la Commission Helvétique, les observations et corrections sur le précis du manuel des méres parceque je me référe à mes précédentes lettres. Offrez, je vous prie, mes hommages à madame Pestalozzi, mes civilités et amitiés à M[onsie]ur le pasteur Hermann, le Docteur Develey, M[essieu]rs Niederer, Krusi, Ramsauer, Hagenauer, Goldi. Votre dévoué ami Jullien

256 Je vous envoie cette lettre par un officier qui passe à Genêve. J’ai depuis 3 jours les yeux très malades! ce qui va suspendre mes travaux.

1 2 4 5

Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 154/1 Bogen, 258 x 188 mm Siegelspuren, Stempel MOREZ Original Sacherklärung I.

Marc Antoine Jullien (1775–1848) engagiert sich während der französischen Revolution auf Seiten der Jakobiner und arbeitet als Journalist und Redaktor. Während der 1790erJahre bekleidet er diverse politische Ämter, so ist er Mitglied der Commission Executive de l’Instruction Publique (1793) und nimmt verschiedene militärische Aufgaben wahr. Nach der Hinrichtung Maximilien Marie Isidore de Robespierres (1758–1794) wird Jullien inhaftiert. In dieser Zeit beginnt er seine Hoffnung auf einen sozialen Wandel in einer Reform der Bildung und Erziehung zu sehen. Unter Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) wird er neuerlich mit verschiedenen Aufgaben betraut – unter anderem wird er Generalsekretär der provisorischen Regierung. 1801 heiratet er Sophie Jouvence Nioche (†1832, ⇒ Nr. 1239), das Paar hat sechs Kinder. Julliens Auseinandersetzung mit Erziehungsfragen schlägt sich in Aufenthalten in Yverdon (1810, Winter 1814/15 und 1816) und verschiedenen Publikationen nieder: Essai général d’éducation physique, morale et intellectuelle; suivi d’un plan d’éducation-pratique pour l’enfance, l’adolescence et la jeunesse, ou Recherches sur les principes et les bases de l’éducation à donner aux enfans des premières familles d’un Etat, pour accélérer la marche de la Nation vers la civilisation et la prospérité (Paris 1808), Précis sur l’Institut d’éducation d’Iverdun en Suisse, organisé et dirigé par M. Pestalozzi (Mailand 1812) und Esprit de la méthode d’éducation de M. Pestalozzi, suivie et pratiquée dans l’Institut d’Yverdun (Mailand 1812). Zwischen 1812 und 1817 gibt er das Journal d’éducation heraus, um Pestalozzis Ideen zu verbreiten, 1818 kommt es zum Bruch. Jullien publiziert aber bis zu seinem Tod im Jahre 1848 in Paris immer wieder – neben anderen Themen – einzelne Artikel zu pädagogischen Projekten und zur Instruction Publique. Als Autor des Fragments Esquisse et vues préliminaires d’un ouvrage sur l’éducation comparée (1817), in welchem er vorschlägt, mit Hilfe von standardisierten Fragebögen Informationen über die unterschiedlichen nationalen Schulsysteme zu sammeln, gilt er heute als Vorreiter einer vergleichenden Erziehungswissenschaft.

Z. 11

III. travail: Bei der nicht näher bezeichneten Übersetzung, welche Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Sacherklärung I.) sich erbeten hatte (vgl. PSB VII, Nr. 2273) handelte es sich wahrscheinlich um die Übersetzung des Stanser Briefes, aus welcher er in Teilen in seiner Schrift Exposé de la méthode d’éducation de Pestalozzi, telle qu’elle a été suivie et pratiquée sous sa direction pendant dix années dans L’Institut d’Yverdun, en Suisse zitierte

257

Z. 11 f. Z. 12 Z. 12 f. Z. 15 Z. 16 Z. 16 f. Z. 18 Z. 18

Z. 19

Z. 20 Z. 21 Z. 22 Z. 22 f. Z. 23 Z. 23 Z. 23

Z. 26

und für die er Louis Courvoisier (1769–1847, ⇒ Nr. 1186) explizit dankte (1842, S. 14 f.). m[onsieur] Gourvoisier: Louis Courvoisier (1769–1847) ⇒ Nr. 1186 lettre: PSB VII, Nr. 2273 m[onsieur] Custer: Laurenz Jakob Custer (1765–1822) ⇒ Nr. 748 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Krusi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 une lettre: scheint nicht erhalten zu sein le rapport: Abel Merian/Jean-Baptiste Girard/Friedrich Trechsel: Rapport sur l’institut de Mr. Pestalozzi à Yverdon. Fribourg 1810 Commission Helvétique: Nachdem das Institut in Yverdon bereits 1806 von einer waadtländischen Kommission visitiert und begutachtet worden war, initiierte Pestalozzi am 20. Juni 1809 auch beim Landammann der Eidgenossenschaft (⇒ Nr. 618) die Einrichtung einer Prüfungskommission. Sie sollte das Pestalozzische Institut im Hinblick auf seinen Nutzen für das eidgenössische Erziehungswesen und damit Möglichkeiten und Grenzen für die Verbreitung der Methode auf die gesamte Schweiz beurteilen. Am 18. November 1809 gab der Landammann Louis d’/Ludwig von Affry (1743–1810, ⇒ Nr. 618) die Kommissionsmitglieder bekannt: es waren dies der Basler Ratsherr Abel Merian (1771–1842, ⇒ Nr. 1104), Père Grégoire Girard (1765–1850, ⇒ Nr. 1156) aus Fribourg und der Berner Mathematikprofessor Friedrich Trechsel (1776–1849, ⇒ Nr. 1184). Die Kommission besuchte das Institut in Yverdon im November 1809 während fünf Tagen. Der Bericht wurde vor allem von Père Girard abgefasst, am 12. Mai 1810 der Tagsatzung vorgelegt und anschliessend gedruckt. Im Gegensatz zu Pestalozzis Hoffnungen betonte er die Sonderstellung des Instituts in Yverdon gegenüber den herkömmlichen Landschulen in der Schweiz und damit die Grenzen der landesweiten Ausbreitung. manuel des méres: Johann Heinrich Pestalozzi: Buch der Mütter, oder Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und reden zu lehren. Zürich 1803 (PSW XV, S. 341–424) précédentes lettres: scheinen nicht erhalten zu sein madame Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 le pasteur Hermann: Jean François Hermann (1752–1813) ⇒ Nr. 774 le Docteur Develey: Emmanuel Develey (1764–1839) ⇒ Nr. 785 Ramsauer: Johannes Ramsauer (1790–1848) ⇒ Nr. 1525 Hagenauer: Georg Andreas Hagnauer (1783–1848) ⇒ Nr. 1169 Goldi: Andreas Göldi (1786–1840) aus Sennwald (Kt. St. Gallen) war ab 1805 insgesamt dreizehn Jahre bei Pestalozzi, anfangs als Schüler, dann als Lehrer für Mathematik. Ab 1818 unterrichtete er an Privatschulen in Zürich und Bischofszell (Kt. Thurgau), 1824 wurde er Professor am Gymnasium in St. Gallen. un officier: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte.

258 1201. Franz Adam Lejeune 8. Dezember 1810 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. 8. Xbre» auf dem Brief Pestalozzis vom 20. November 1810.

Überlieferung 1

Freies Deutsches Hochstift Frankfurt am Main, Signatur 1083/4 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2272

1201 a. Karl Axel Ludwig (Louis), Freiherr von Böhnen 14. Dezember 1810 5

[Reg.] Der Freiherr von Böhnen teilt Pestalozzi mit, er plane, ihn in Yverdon zu besuchen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 226.27 f. Sacherklärung I.

Karl Axel Ludwig (Louis), Freiherr von Böhnen (1760–1829) ⇒ Nr. 1009

1201 b. Guillermo/Guillaume Strachan 15. Dezember 1810 Strachan erkundigt sich nach seinem Sohn. 5

J’espère que notre commun ami M[onsieu]r Stouder, qui maintenant, à ce que je crois, se trouve en Angleterre, a fait son possible pour

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vous rembourser de tout ce que je vous dois. Ayant eu la précaution avant son départ de lui avancer, jusqu’à la somme de 300 piastre fortes, le priant de vouloir bien s’en charger de vous les remettre par la voie la plus sûre et ne sachant positivement aujourd’hui, s’il se trouve encore à L[ondres], je remets à Messieurs Rougemont et Behrends de la dite ville 35 Livres Sterling pour les rendre à M[onsieu]r Stouder pour mon compte en cas qu’il se trouve là et au contraire les remettre de la meilleure mannière possible à Messieurs Rieter frères et Greuter de Winterthur, les correspondants de M[onsieu]r Stouder.»

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Überlieferung PSB VII, S. 225.7 ff. und PSB VIII, S. 330.4 ff. Sacherklärung I.

Guillermo/Guillaume Strachan, Kaufmann, stammt vermutlich aus London. Er dürfte sich spätestens 1800 in Malaga niedergelassen habe, da er in diesem Jahr von der örtlichen Regierung zum contador de propios (Verwalter oder Buchhalter städtischer Besitzungen) ernannt wird. Über seine privaten Geschäftstätigkeiten ist nichts Konkretes bekannt. 1819 gerät Strachan, der sich zeitweilig in Cadiz (1813–1814) und Marseille (1817) aufgehalten hat, in finanzielle Schwierigkeiten. Ein Jahr danach verlangt die Handelskommission von der Regierung Malagas erfolglos seine Absetzung vom städtischen Verwaltungsposten, weil die damalige Amtsvergabe ihrer Meinung nach unrechtmässig vor sich gegangen sei. Nach dem Sturz der liberalen Regierung in Spanien (1823) flüchtet Strachan nach London. 1824 weilt er in Sevilla, wo sich seine Spur verliert. Strachan gehört zu den Protagonisten der pestalozzischen Methode in Spanien. Dabei tritt er vor allem als Vermittler von spanischen Zöglingen nach Yverdon in Erscheinung. III. Z. 4 Z. 5

Z. 11 f.

Sohn: Francesco/François Strachan (1799–1821) ⇒ Nr. 1432 Stouder: Ob damit Gabriel Friedrich Studer (1784–1824, ⇒ Nr. 860) oder ein anderer Studer gemeint ist, ist unklar. Gabriel Friedrich Studer trat zwar 1810 in holländische Dienste ein, war aber 1813 als Privatlehrer in St. Gallen tätig und schickte am 30. Januar einige Exemplare seiner Schrift Gedanken über Erziehung des Volks für den Staat (1813) an den Kleinen Rat in Zürich (vgl. StA Zürich, MM 1.44, S. 58). Rougemont et Behrends: Das Londoner Bankhaus Rougemont & Behrends wurde 1802 in London als Nachfolgefirma von Rougoment & Fresquet von Jean Henri Rougemont (1757–1805) aus Neuchâtel und Philipp Friedrich Behrends (1773–1858) aus Frankfurt am Main gegründet. Es unterhielt rege Geschäftsbeziehungen nach Frankreich, Deutschland und in die Schweiz.

260 Z. 15

Rieter frères et Greuter: Die Handelsgesellschaft Greuter & Rieter war ein in Winterthur ansässiges, erfolgreiches Textilhandelshaus. Es wurde 1796 von Bernhard Greuter (1745–1822), der in Islikon (Kt. Thurgau) eine Indiennefabrik besass, und den Geschwistern Hans Jacob Rieter (1766–1811) und Bernhard Rieter (1762–1800) aus Winterthur gegründet.

1202. Georg Franz/Franz Georg Hofmann 17. Dezember 1810 5

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Ich soll manches von Euch zu erwarten haben? Meine Erwartungen sind sehr geschwächt worden durch die Nachricht von Sigrist, dass ich die Abschrift von Jülliens Arbeit von Euch nicht zu erwarten habe. Die Nachricht hat mich erschreckt. Ich zählte mit aller Bestimmtheit darauf. Ich bin beschämt und sehr compromittirt. Auf den Rath Miegs, der 6 Wochen bei uns war und vor 10 Tagen nach Neapel verreiste, schrieb ich an Jüllien selbst und bat ihn, mir eine Abschrift auf meine Kosten besorgen zu lassen. Wenn nur meine Bitte erfüllt wird! Hier in Rom wird zwar wenig Interesse für die Methode zu erwecken sein, denn der Einheimische kennt nichts Höheres als den Papst und die Kirche, denen er seine irdische Existenz zu danken hatte und die ihm nichts zu wünschen übrig liess, selbst nichts für das überirdische Leben. Nun, da kein Papst mehr ist, ist auch kein Geld, keine Nahrungsquelle, kein Leben, keine Freude für ihn, als in dem blinden Glauben an seine Kirche. In ihr allein sucht er jetzt Trost und Hülfe, verschmäht oder hasst alles andere, besonders alles Neue, ist zu unglücklich und elend, als dass er nach den Mitteln griffe, die ihm die Noth und die Zeit aufdrängen. Beten und mit den Künsten tändeln ist sein einziges Geschäft. Wenige machen davon eine Ausnahme, aber auch diesen sind die Flügel beschnitten. Rom sinkt mit jedem Tage zur allgemeinen Ruine. Keine Stadt fühlt so sehr die Uebel des Umsturzes, wie diese heilige Stadt. Kein Papst, kein Leben! Noch schämt sich der Bürgerssohn, ein Handwerk zu erlernen, da ehemals nur Sklaven Handwerk trieben. Zur Kunst oder zur Kirche werden alle Söhne erzogen, zu beiden auf dem Wege des heiligen Schlendrians. Wie sollte, wie könnte der Römer auf einmal umwenden und einen fremden, ihm unheiligen Weg einschlagen und seinen Sohn zum Gewerbsmann, zum Bürger, zum M e n s c h e n erziehen lassen? Und die Regierung? Sie ist provisorisch, und sie weiss, dass sie es ist. Die einzelnen Glieder derselben sind geschätzt ihres guten

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Willens wegen, aber ihre Kräfte reichen nicht hin, werkthätig zu schaffen, was die Noth gebeut. Zudem ist das Ende ihres Regiments nahe; am Neujahr soll ein französischer Prinz kommen als eigentlicher permanenter Regent. Bleibt Degerando Minister des Innern, so wird doch manches Gute auch im Erziehungswesen geschehen! Ganz anders sieht es in Neapel aus. Hier, wo bis 20’000 Fremde, meistens Deutsche, sich angesiedelt, theils als Handwerker und Künstler, theils als Kaufleute, strömt noch viel Leben zum Schönen, Edlern und Höheren. Hier gilt der M e n s c h noch viel, und viel wird hier gethan für M e n s c h e n b i l d u n g . Die Königin errichtete zwei Töchteranstalten; mehrere öffentliche und viele Privatanstalten bestehen mit Glück. Hier hat auch die Pestalozzische Methode grosse Verehrer neben starken Antagonisten. Hier (dies schreibe ich nur für Pestalozzi, Krüsi und Niederer) wünschen sehr bedeutende Männer und viele Familien eine Anstalt nach Pestalozzischer Methode und machen mir die günstigsten Vorschläge. An ihrer Spitze stehen Herr Dr. Meier und Frau Filangieri. Ich ward, da ich anfänglich keine Lust zeigte, ihren Wünschen entgegenzukommen, gebeten, wenigstens meine Ideen über Erziehung einzusenden zu ihrer eigenen Belehrung, und dies thaten sie auf eine so liebliche und edle Weise, dass mich eine fast begeisternde Liebe zu ihnen und ihren Wünschen ergriff. Ich arbeitete, wie selten in meinem Leben, Tag und Nacht, und in drei Wochen war meine Arbeit beendigt. Ich theilte sie Herrn Mieg mit, der, wie von der Vorsehung geschickt, gerade jetzt bei uns war. Mieg’s Urtheil machte mich freudig und glücklich. Er selbst brachte meine Abhandlung, die das Gepräge der Pestalozzi’schen Methode auf freier Stirn trägt, nach Neapel; und ich weiss nun aus gestern erhaltenen Briefen von Mieg und Dr. Meier, dass meine Arbeit den vollen Beifall erhalten und das lebhafteste Verlangen, die Ideen in Neapel ausgeführt zu sehen, erzeugt hat. Man wünscht, man bittet, dass ich dahin gehen und gleich aufbrechen möchte, Hand an’s grosse Werk zu legen, wozu das günstige Terrain vorhanden und grosse Handbietungen bereit seien. Zum Lokale bietet man mir eine Villa in den himmlischen Gefilden Neapels, wie Meier sich ausdrückt etc. Was ich thun soll, ist keine Frage mehr, denn nichts auf Erden könnte mir erwünschter sein, als ein selbstgeschaffener Wirkungskreis unter dem schönen Himmel zu den höchsten Zwecken Pestalozzi’s, die zu befördern meinem Leben einzig und allein einen hohen, für Zeit und Ewigkeit geltenden Urwerth geben kann. Ich werde im Anfang des italienischen Frühlings nach Neapel gehen

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und unterdessen arbeiten, so viel ich kann, um recht vorbereitet zu sein für meine neue Stelle. Die französische und italienische Sprache sind nun unser Hauptgeschäft, denn mehrere italienische Familien und viele französische aus der Schweiz und aus Frankreich wünschen so sehr als die deutschen bessere Erziehungsanstalten. Um dieser willen verlangt man auch einen kurzen Auszug der Ideen in französischer Sprache. Sie können nun denken, liebe Freunde, wie wichtig, wie erwünscht, wie unentbehrlich mir Jüllien’s Arbeit sei. Sie können gewiss viel beitragen, dass ich sie bald erhalte. Schreiben Sie ihm doch, ich bitte Sie inständig, ein Briefchen, damit er eine Abschrift nehme und mir zusenden lasse, ihm zukommen zu lassen.

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Überlieferung Heinrich Morf: Eine pestalozzianische Anstalt in Neapel. Winterthur 1897, S. 9–12 Textkritik

Zeuge [a] Sacherklärung I. Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838) ⇒ Nr. 802 II. Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) war am 14. September 1810 in Rom angekommen. Laut dem vorliegenden Brief war aber das Interesse für Bildung und Erziehung und damit auch für Pestalozzi und seine Methode nicht besonders ausgeprägt. Hofmann begründete dieses fehlende Interesse mit den Folgen der französischen Besetzung in Rom. Am 7. Mai 1809 hatte Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) in Wien erklärt, dass Papst Pius VII. (1742–1823, ⇒ Nr. 1358) nicht länger weltlicher Herrscher des Kirchenstaates sei und am 10. Juni des selben Jahres wurde das Territorium mit dem französischen Kaiserreich vereinigt. Da Pius gegen diese Beschlüsse protestiert und gegen Kollaborateure mit Frankreich den Bann verhängt hatte, wurde er am 6. Juli verhaftet und nach Frankreich gebracht, von wo er erst nach dem Sturz Napoleons 1814 zurückkehrte. In der Rückschau beschrieb Hofmann seine Zeit in Rom allerdings etwas positiver. Er und seine Familie hätten schon bald einen «deutschen Familienkreis» gefunden und er berichtete begeistert von den Kunsterlebnissen, die seine Freunde und die Vatikanischen Museen ihm und seiner Familie ermöglicht hätten (vgl. Heinrich Morf: Eine Pestalozzi-Anstalt in Neapel. Winterthur 1897, S. 6 ff.). III. Z. 5 Z. 6

Sigrist: Johann Georg Sigrist (1788–1866) ⇒ Nr. 1126 Jülliens Arbeit: Bei seinem Aufenthalt in Yverdon im Sommer 1810 hat Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) ausführliche Aufzeichnun-

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gen gemacht, die ihm zur Abfassung des 1812 erschienenen Werks Esprit de la méthode d’éducation de Pestalozzi, suivie et pratiquée dans l’institut d’éducation d’Yverdun dienten. Auszüge seiner Notizen hatte Jullien scheinbar schon früher zu zwei nicht publizierten Mémoires verarbeitet – Pestalozzi teilte Jullien Anfang 1811 mit, dass er diese, obwohl von Jullien versandt, nicht erhalten habe (vgl. PSB VII, Nr. 2423) – und vermutlich wünschte Hofmann eine Abschrift dieser Arbeiten, spricht er doch später davon, die «Mémoires des Herrn Julien» in Neapel verbreitet zu haben (⇒ Nr. 1274). Miegs: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 Jüllien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200 Hier in Rom: Georg Franz/Franz Georg Hofmanns (1765–1838, ⇒ Nr. 802) beschreibt das Lebens in Rom ausführlich in Heinrich Morf: Eine pestalozzianische Anstalt in Neapel. Winterthur 1897, S. 6–9. Regierung: Von Juni 1809 bis Ende Dezember 1810 regierte in Rom – nebst dem Präfekten Camille de Tournon (1778–1833) – eine ausserordentliche Consulta (Consulta straordinaria), die Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) am 17. Mai 1809 per Dekret eingesetzt hatte, um Besitz von den Staaten des Papstes zu nehmen und den Übergang zu einer konstitutionellen Regierung zu organisieren. Mitglieder dieses fünfköpfigen Gremiums, das von Generalgouverneur Sextius Alexandre François de Miollis (1759–1828) präsidiert wurde, waren Marie Joseph de Gérando (1772–1842, ⇒ Nr. 900), Laurent-Marie Janet (1768–1841), Ferdinando dal Pozzo (1768–1843) und Cesare Balbo (1789–1853). französischer Prinz: Nach dem Ende der römischen Consulta am 31. Dezember 1810 setzte Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) keinen einzelnen, französischen Prinzen ein, sondern verteilte die Macht in Rom weiterhin auf mehrere Köpfe, darunter General Baron Sextius Alexandre François de Miollis (1759–1828, ⇒ Z. 34), den er am 19. Februar 1811 zum Lieutenant du Gouverneur Général de Rome ernannte. Gleichzeitig wurde angekündigt, das Rom einen König erhalten würde: den noch ungeborenen Sohn Napoleons und Marie Louise von Österreich (1791–1847, ⇒ Nr. 1358), Napoleon Franz Joseph Karl (1811–1832, ⇒ Nr. 1358). Degerando: Marie Joseph de Gérando (1772–1842) ⇒ Nr. 900 Königin: (Maria Annunziata) Caroline (1782–1839), die jüngste Schwester Napoleon I. Bonapartes (1769–1821, ⇒ Nr. 580) war seit 1800 mit Napoleons ehemaligem General Joachim Murat (1767–1815, ⇒ Nr. 784) verheiratet und herrschte mit diesem seit September 1808 im Königreich Neapel. Das Paar hatte vier Kinder: Napoleon Achille (1801–1847, ⇒ Nr. 1274), Laetizia (1802–1859), Napoleon Lucien (1803–1878, ⇒ Nr. 1274) und Louise (1805–1889). Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Dr. Meier: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Frau Filangieri: Carolina Filangieri (1750–1828) ⇒ Nr. 950

264 1203. Johann Friedrich Overbeck ca. 17. Dezember 1810 5

[Reg.] Overbeck teilt Pestalozzi mit, dass er die «erhabenen Szenen der Bibel für die Volksbildung» bearbeiten und deshalb mit ihm in einen brieflichen Austausch treten möchte.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 183.24 ff. Sacherklärung I.

Johann Friedrich Overbeck (1789–1869), Maler, Zeichner und Illustrator aus Lübeck, erhält seinen ersten Zeichenunterricht als Jugendlicher beim Historienmaler Joseph Nikolaus Peroux (1771–1849), wechselt anschliessend zur weiteren Ausbildung nach Wien an die Akademie der bildenden Künste und gründet 1809 zusammen mit anderen Künstlern den Lukasbund, eine religiös-romantisch motivierte Künstlervereinigung, die in Ablehnung der an Akademien gelehrten Vorstellungen von Kunst eine formale und inhaltliche Erneuerung derselben im Geist des Mittelalters und des Christentums anstrebt und dem künstlerischen Ausdruck gegenüber technischen Aspekten den Vorrang gibt. 1810 zieht Overbeck nach Rom, wo er bis zu seinem Tod bleibt und lebt in der brüderlichen Künstlergemeinschaft der Nazarener. 1813 tritt er zum katholischen Glauben über. II. Pestalozzi schreibt in seinem Brief vom 8. Januar 1811 an Caroline von Wolzogen-Lengefeld (1763–1847, ⇒ Nr. 1226 d), dass Johann Friedrich Overbeck (1789–1869, ⇒ Sacherklärung I.) ihm seine Pläne durch Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) und Georg Ludwig Vogel (1788–1879, ⇒ Nr. 1221) habe ausrichten lassen. Da im Brief von Hofmann (⇒ Nr. 1202) davon nicht die Rede ist und auch kein entsprechender Brief von Vogel vorliegt, dürfte dem Brief von Hofmann, wohl um Porto zu sparen, der Brief von Overbeck beigelegt worden sein.

1203 a. Johann Georg Albrecht Höpfner 21. Dezember 1810 5

[Reg.] Höpfner erkundigt sich, ob Pestalozzi das Abonnement für die Gemeinnützigen Schweizerischen Nachrichten erneuern möchte.

265 Überlieferung 1

PSB VII, S. 171.28 f. Sacherklärung I.

Johann Georg Albrecht Höpfner (1759–1813) zählt nach seinem Medizin- und Chemiestudium in Deutschland, das er 1781 in Leipzig mit der Promotion in Medizin abschliesst, 1786 zu den Gründungsmitgliedern der Naturforschenden Gesellschaft Berns. Er engagiert sich in der Helvetik für den eidgenössischen Zentralstaat und begibt sich 1800 nach dem Konkurs seiner Apotheke endgültig auf das Feld des Publizisten und Zeitschriftenherausgebers, das er schon mit dem Magazin für die Naturheilkunde Helvetiens (1787–1789) und der Helvetischen Monatsschrift (1799–1802) betreten hat und 1802 mit der Eröffnung eines Lesekabinetts und einer Leihbücherei weiter pflegt. III. Z. 4 f.

Gemeinnützigen Schweizerischen Nachrichten: Gemeinnützige Schweizerische Nachrichten (1801–1817)

1204. Karl August von Wangenheim 25. Dezember 1810 Stuttgart den 2 ten Christabend 10. 5

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Der heilige Christ bescheert mir nicht allein die heiligen Tage mit ihren Kinderfreuden, sondern jährlich auch noch den Geburtstag meiner kleinen Julie, der heute ist. Der grösste Theil meiner Zöglinge theilt die heutige Freude mit ihr. Die ombres chinoises – die Hartmann u[nd] die 2 Rieckeschen Töchter waren Regisseurs u[nd] Stimmorgane für die hüpfenden Schattenbilder u[nd] ihre inprovisatrice zugleich u[nd] meine einzige Bratsche war das ganze Orchester, wie eine Drehorgel, auf ein Dutzend Stückchen gestellt – sie sind vorbey, der kleine kunstlose und daher unbefangne lustige Tanz ist geendigt und die Kinder sind andern Spielen übergeben. Da schleiche ich mich aus dem lauten Jubel, voll eines höhern innern, hinweg an meinen Schreibtisch und suche Sie, ich suche Dich, ehrwürdiger Vater Pestalozzi! um Dir aus warmem Herzen Dank, grundmüthigen Dank dafür zu zollen, dass Du ihm gelehrt hast, seine liebenden Schläge den Kindern hörbar u[nd] verständlich zu machen. Nehmen Sie ihn gütig auf, Gütigster! Dem Financier (ich habe übrigens vor der Hand aufgehört es zu seyn, da mich der König zum Presidenten der Ober Regierung ernannt hat, was mir, wie die Sachen einmahl hier und beynahe überall stehen, ganz recht ist) dem Financier also erschienen seit Langem

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Erziehungs- und Gesundheits-Polizey als die wichtigsten Hebel der Finanzen. Einmahl das erkannt, wollte ich auf diese Branchen der Staatsverwaltung verbessernd hinwirken; aber ich schrieb eben leichter eine Medizinalordnung als eine Schulmeisterordnung. Ich verstand nichts davon und die, die es zu verstehen vorgaben, führten mich an und also gieng es nicht. Da nahm ich – ich war damahls kinderlos – ein verlassenes Hurenkind an und wollte an ihm das Erziehen u[nd] Lehren durch Bücher lernen. Ich verdarb meinen Heinrich und lernte nichts. Endlich kamen mir Ihre Elementarbücher zu Gesicht und das, was Sie dadurch leisteten, zu Ohren. Meine nie aufgegebene Hoffnung belebte sich, aber ich war zu schüchtern durch meinen ersten ganz verunglückten Versuch gemacht worden, als dass ich es hätte wagen können, selber wieder Hand ans Werk zu legen. Daher lernte ich wieder nichts, und begriff Sie auch nicht, ob ichs gleich glaubte, wie keiner Sie je begreifen wird, der es macht, wie ichs gemacht habe d[as] h[eisst] der über Sachen schwazt ohne sie zu können. Ich war aber selber Vater worden, die Kinder wurden Unterrichts bedürftig u[nd] ich kannte niemand (ausser Thieriot) dem ich die zarten Pflanzen hätte anvertrauen mögen. Da gieng ich zu Ihnen, um mir durch Sie eine Erzieherin zu verschaffen. Was ich da sah u[nd] hörte, verbunden mit dem, was ich früher gelesen u[nd] mit einigen Kindern spielend probirt hatte, gab mir den Muth wieder, noch einmahl u[nd] ernstlicher anzufangen. Gott sey Dank! es geht und ich habe das Asyl gefunden, indem es mir leicht wird, den Sturm draussen, und oft den in mir, gelassener anzuhören, auch wohl zu dämpfen. Das ist Ihr Werk, Bester! Das Werk Ihrer Methode, des Geistes Ihrer Methode und das Werk der Ansicht Ihrer Kinderwelt. Alles, was mich noch beunruhigte, hat Niederer durch die Erklärung dessen beschwichtigt, was Sie gedacht u[nd] gefühlt haben, als Sie Dank, Liebe und Vertrauen zur Basis alles Heils machten. Jezt erst verstehe ich Sie ganz, und die Umrisse des Bildes sind mir klar, das auszumahlen ist u[nd] wozu der Himmel mir nun auch, durch Euch Männer in Iferten, den Pinsel und die Farben schenken wird. Wie soll ich Euch danken! Ich will thun, was ich kann und dann seyd Ihr, ich weiss es, doch zufrieden, wenn’s auch wenig ist. Sie sind erschrocken – schreibt mir mein Freund Niederer – als Sie durch die Hartmann erfuhren, ich kränkele. Wie wohl hat mir Ihre Theilnahme gethan. Es ist wahr, ich leide unangenehm, im Unterleibe u[nd] an den Nerven, und mein Uebel stört mich und erschwert mir Alles. Doch habe ich noch keine Schule und

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keine Session versäumt und der Arzt ist nicht sonderlich bedenklich. Diät im Essen und Trinken, mehr Bewegung (ich habe mir deshalb ein Pferd angeschafft, das ich täglich 1 Stunde trabe) und etwas, was Gott auch geben wird, müssen das Beste thun und ich hoffe es. Schnelles Enden ist in keinem Falle zu fürchten und im Ganzen geht es bedeutend besser. Jezt, Verehrter! noch ein Paar Worte über etwas sehr unangenehmes, das die Beylage enthält. Zeller ist rein toll geworden, aber so toll, dass man ohne Gefahr nicht mehr mit ihm umgehen zu können scheint. Er dauert mich und das Talent in ihm dauert mich. Eigendünkel und die Sucht zu glänzen haben ihm Herz und Kopf umgewendet. Er ist verlohren. Aber, lieber Bester! ich fürchte, Sie müssen einen unangenehmen Schritt thun, damit s e i n e N a r r h e i t nicht auf die Rechnung I h r e r V e r n u n f t komme. Bald unwillkürlich, bald aber auch vorsätzlich vermengt man jezt schon hier seine Lehren mit den Ihrigen, sein Thun mit dem Ihrigen und man zieht mit Zellers Harlekinaden gegen die heiligste Sache der Menschheit zu Felde. Sie werden ungern einen Schritt thun, aber ich glaube, dass Sie die Pflicht haben, ihn zu thun. Er wird auch ohne ihn in Preussen fallen, aber auch das Interesse an Ihrer Sache wird in Preussen mit ihm verschwinden. Confer: Süskind, Werkmeister, ja selbst Himly. Uebrigens glaube ich auch, dass sich die Sache sehr schonend abthun lassen kann. Wie wäre es z[um] B[eispiel] wenn Sie Selber an den Minister Humbold ganz einfach schrieben, dass u[nd] worinnen Sie Zellern Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass Sie, aus guten Gründen, Sich kein Urtheil über sein jetziges Thun erlauben wollen, dass Sie es aber Sich, Ihrer Sache und vielleicht auch der Absichte des preussischen Gouvernement, Ihre Methode durch einige Etablissements in dem Geiste derselben zu prüfen, schuldig zu seyn glaubten, zu sagen, dass und worin Zeller (der übrigens auch zu kurze Zeit in Y[verdon] und B[urgdorf] gewesen sey, um sich Ihren Schüler zu nennen) von dem Geiste der Methode abweiche. Diess würde ich hauptsächlich in Hinsicht auf religiöse Bildung ausführen, ohne mir jedoch einen einzigen tadelnden Hinblick auf seinen Gang zu erlauben (ob ich mich gleich in der Stimmung fühle, ihm seinen Kopf, hätte ich ihn hier, nur maulschellirt zurück zu senden). In der Wochenschrift würde ich ganz kurz sagen: Dem Vernehmen nach geht Zeller mit grosser Thätigkeit, blos von einzelnen Theilen der Methode namentl[ich] von den Zahlen- u[nd] For-

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men-Verhältnissen u[nd] der Methode des Musikunterrichts in ihrem Wesentlichen Gebrauch machend, ganz seinen eigenen, der Methode Pestalozzi’s fremden, Weg. Doch was sage ich, was ich thun würde! Wissen Sie doch besser, was Sie zu thun haben. Verzeihen Sie meine Vorlautigkeit und bleiben Sie mir gut. Herzliche Grüsse an Frau Pestalozzi u[nd] die edeln Männer in Iferten u[nd] darunter auch an einen lieben, lieben Thieriot, der das Schreiben verlernt hat. Vale faveque Wangenheim

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55a/56, Umschlag 383/0 Bogen, 224 x 193 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 8 Z. 10 f. Z. 11 Z. 13 Z. 14 Z. 26 Z. 41 Z. 45 Z. 53 Z. 55 Z. 55 Z. 56 Z. 57 f. Z. 59 Z. 60 Z. 67 Z. 75 Z. 81 Z. 88 f. Z. 93 Z. 95 f. Z. 98 Z. 99 Z. 100 Z. 102 Z. 108 Z. 110

ombres chinoises: lateinische Schrift inprovisatrice: lateinische Schrift war ∫ sie ∫ ist ∫ Branchen: lateinische Schrift zu ∫ ich ∫ beunruhigte: grössere Schrift Dank, Liebe: grössere Schrift Vertrauen: grössere Schrift Bildes sind nun auch: grössere Schrift thun: grössere Schrift kann: grössere Schrift Session: lateinische Schrift so toll: lateinische Schrift V e r n u n f t Confer … Himly: lateinische Schrift lassen ∫ der Absichte zu sagen ∫ zu kurze Geiste der Methode: grössere Schrift tadelnden: grössere Schrift der Methode ganz seinen eigenen: grössere Schrift

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ich ∫, was ich Vale faveque: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 II. Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) hatte im Sommer 1808 Yverdon besucht. Seit dieser Zeit stand er in regelmässigem Briefkontakt mit Pestalozzi und vor allem mit Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) und bemühte sich um die Einführung der pestalozzischen Methode in Württemberg (vgl. die Briefe Wangenheims ZB Zürich, Ms Pestal 55a/56, Umschlag 383/II). Lit.: Rebekka Horlacher: Das Versprechen der Methode als unorganisierte Institution. In: Eckhardt Fuchs/Sylvia Kesper-Biermann/Christian Ritzi (Hrsg.): Regionen in der deutschen Staatenwelt: Bildungsräume und Transferprozesse im 19. Jahrhundert. Bad Heilbrunn 2011 (im Druck) III. Z. 7

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Julie: Julie von Wangenheim (1803–1871) wurde die Hofdame der Herzogin Marie von Sachsen-Coburg und Gotha, geborene Prinzessin von Württemberg (1799–1860). ombres chinoises: Bezeichnung für das chinesischen Schattenpuppentheater, welches in der Mitte des 18. Jahrhunderts von China-Reisenden nach Europa gebracht wurde. Hartmann: Klara/Claire von Hartmann (*1774) ⇒ Nr. 984 2 Rieckeschen Töchter: Damit sind wohl die Töchter des Stuttgarter Waisenhauspfarrers und Schulinspektors Viktor Heinrich Riecke (1759–1830, ⇒ Nr. 984), Sophie Riecke (*1792) und Rosa Riecke (*1796) gemeint. Sophie heiratete 1810 den Tuchfabrikanten Joseph Karafiat (*1785) aus Brünn, Rosa 1819 den Kaufmann Johann Friedrich Samuel Liedmann (*1785) aus Pest (Ungarn). Financier: Damit ist keine konkrete Person gemeint, sondern dies ist eine selbst distanzierende Bemerkung von Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977), der damit Abstand zu seinen früheren, noch Ende 1809 skizzierten Auffassungen gewinnen will, wonach Erziehungs- und Medizinalpolizei Hebel der Finanzen seien. Diese auf präventiver Bevölkerungspolitik beruhende Auffassung hatte er noch aus der durch seine ab 1806 bekleidete Position als Präsident der württembergischen Oberfinanzkammer, als «Financier» gemacht, die er dann hier unter den Erfahrungen als pädagogische Akteur revidierte. Lit.: Oswald Isey: Untersuchungen zur Lebensgeschichte des Freiherrn Karl August von Wangenheim. Freiburg 1954, S. 33 König: Friedrich I., König von Württemberg (1754–1816) ⇒ Nr. 939 Heinrich: konnte nicht näher bestimmt werden Elementarbücher: Johann Heinrich Pestalozzi: ABC der Anschauung, oder Anschauungs-Lehre der Massverhältnisse. Zürich 1803 (PSW XV, S. 175– 340); Johann Heinrich Pestalozzi: Buch der Mütter, oder Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und reden zu lehren. Zürich 1803 (PSW XV,

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Z. 43 Z. 45 Z. 53 Z. 58 Z. 74 Z. 88 Z. 89 Z. 89 Z. 89 Z. 92 Z. 106 Z. 114 Z. 116

S. 341–424); Johann Heinrich Pestalozzi: Anschauungslehre der Zahlenverhältnisse. Zürich: 1803/1804 Thieriot: Paul Emil Thiriot (1780–1831) ⇒ Nr. 984 Erzieherin: Klara/Claire von Hartmann (*1774) ⇒ Nr. 984 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Iferten: dt. Name für Yverdon Zeller: Karl August Zeller (1774–1846) ⇒ Nr. 656 Confer: Vergleiche (lat.) Süskind: Friedrich Gottlieb von Süskind (1767–1829) ⇒ Nr. 1038 Werkmeister: Benedikt Maria Leonhard von Werkmeister (1745–1823) ⇒ Nr. 1038 Himly: Johann Friedrich Wilhelm Himly (1769–1831) ⇒ Nr. 637 Minister Humbold: Wilhelm von Humboldt (1767–1835) ⇒ Nr. 1643 Wochenschrift: Diese oder eine ähnliche Erklärung ist in der Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811) nicht erschienen. Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Vale faveque: Leb wohl und sei mir gewogen (lat.)

1205. Karl/Carl Ritter 28. Dezember 1810 An Herrn Pestalozzi 5

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Frankfurt d[en] 28t[en] Dec[ember] 1810 Verehrungswürdiger Mann! Durch mein Stillschweigen auf Ihren letzten liebevollen Brief nicht allein, auch dadurch dass Sie mir zwei herzvolle, kräftige Männer zuführten, Burckhart und Wette, bin ich noch mehr in Ihrer Schuld, als ich es von jeher war. Ich wollte und konnte mich nicht zu Ihnen setzen, und versichern wie werth mir der Gedanke an Sie und an alles was zu Ihrem Lebenskreise gehört, sey, ohne es kräftiger als durch Worte zu erkennen zu geben. Und doch war mir Alles so zuwider, dass ich erst in diesem Augenblicke mein Päckchen zubinden konnte, und es auch jetzt immer nur noch in seiner Halbheit geben kann. Nehmen Sie diesen Beitrag zu den Lehrmitteln der Anstalt mit dem Sinne auf in dem ich ihn gebe, als ein Versuch und Streben nach dem Bessern. Ich getraue mir zu beweisen dass der Lehrgang naturgemässer und der Inhalt in Beziehung auf das Daseyn der grossen Natur würdiger und wahrer aufgefasst ist, als in allen vorhergehenden Compendien und Lehrbüchern, welche alles zur Nothdurft zuschnitten und zerschnitten wie der Schneider das Tuch zu einem besondern Zwecke. Aber ich bin weit entfernt in dieser Überzeugung zu ruhen: auch hier

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mag vieles Menschl[iche] mit unterlaufen und ich wünsche nichts mehr, als dass jeder falsche Zug, der der Natur, sey es aus Unkunde oder Vorurtheil angedichtet ist, gemeistert und aufgedeckt werde. Weit entfernt den Methodischen Gang den ich einschlage für den einzigen zweckmässigen in diesem Zweige des wissenschaftlichen Unterrichts zu halten, ziehe ich ihn aber bis jetzt jedem andern vor, weil er zu den wichtigsten und grössten Resultaten führt, zu denen die bisherige Geographische Methode nicht führte, und zwar zu Resultaten welche nicht blos wissenschaftlich, sondern rein menschlich sind. Hierbey liegt die Fortsetzung der Geographie von welcher die e i n e Hälfte (obwohl in einer sehr unvollkommnen Gestalt ich habe sie bereits berichtigt und vollständiger ausgearbeitet) Herrn Hennings schon bekannt ist; ich hätte gern die g a n z e zweite Hälfte der Geographie bis auf die Allgemeine Menschenkunde überschickt, wenn nicht täglich durch mancherlei Studien und glückliche Umstände sich mir wichtige Zusätze dargeboten hätten, welche das schnellere Copiren unmöglich machten. Erschrecken Sie nicht vor dem scheinbar grossen Volumen. Es ist nur durch die weitläufigen Charactere so angeschwellt worden. Die Fortsetzung soll schneller folgen als bisher. Sollte Ihnen einmal zufällig das Aprilstück der Pädag[ogischen] Bibliothek v[on] Guts Muths vom Jahr 1810 in die Hände kommen; und ein Augenblick der Musse finden: so durchsehen Sie gefälligst einen Aufsatz von mir über Heusingers Schulatlas; ich habe in demselben meine Ansichten über einige wichtige Puncte des Geographischen Unterrichts mitgetheilt, die wie es scheint nicht ohne Berücksichtigung geblieben sind. Daneben werden Sie einige Blätter mit Zeichnungsversuchen finden, nebst einigen Zeilen von mir über einen Beitrag zum Zeichenunterricht. Vielleicht können Sie von der Ansicht, welche dabei zum Grunde liegt für die Vervollständigung der Methode im Institut Gebrauch machen. Die Beobachtung der kindlichen Natur wird bei der Benutzung dieses Mittels weiter führen als viele Regeln über die Theorie. Wenn dieses Ihnen auch nichts weiter beweiset, als dass ich obgleich von Ihnen getrennt, doch sehr oft bey Ihnen bin, und alles was ich denke, in näherer oder entfernterer Beziehung zum Felde Ihrer Thätigkeit gehört: so soll diess mich doch innig erfreuen, da ich leider durch mein Zögern Gelegenheit zu andern Gedanken gegeben haben könnte, doch nur denen die mich nicht kennen, also Ihnen und meinen theuersten Freunden nicht. Eben so wenig ist es möglich dass diejenigen die Sie genauer kennen Sie

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zu vergessen im Stande sind. Sie haben vielen Kummer gehabt, sagen Sie mir, ehrwürdiger Mann; ich empfinde mit Ihnen die Trauer Ihres Herzens, und kann es denen nicht vergeben die ihn verursachten. Aber welche Freuden haben Sie auch: Sie haben Niemand verloren; die Thaten Ihres Lebens können nicht durch das Wort einer Stunde, die vorüber fliegt wie eine düstere Wolke und alsbald dem Sonnenlicht weicht, aufgehoben werden. Ich habe Schmidts Buch gelesen, und gesehen dass er mit Ihren Gedanken und Worten spricht wo das Gute ist, und dass bei mancher kräftigen Ansicht, der Rest ein Gemälde seines eignen Dünkels ist. Was er niederdrückt haben Sie längst in seiner Baufälligkeit gezeigt, was er aufbaut ist leicht in die Luft gerissen, und weil alles nur halb gesagt ist desto höher aufgethürmt. Wenn Schmidt derselbe ist für den ich ihn gehalten: so wird gewiss geschehen was mir Mieg von ihm schrieb: [«]Er wird bald zu Pestalozzi zurückkehren». Weder der Methode noch der Anstalt kann sein Buch, das er einst als Jugendsünde bereuen wird, wenn auch im ersten Stoss, doch nicht auf die Dauer schaden, wenn beide ferner consequent fortgeführt werden. Ich stimme hierin ganz den wenigen aber kräftigen Worten Muralts bey, die ich in dem so eben für Sie erhaltenen Briefe hier beilege. Sollte z[um] B[eispiel] in diesem Augenblicke die Zahl der Zöglinge nicht so gross als vordem seyn: so suchen Sie den Grund davon nicht in Schmidts Anhängern, sondern in den allgemeinen traurigen politischen Verhältnissen, welche a l l e g r o s s e n Anstalten, von welcher Art sie auch seyen, hemmen. Die Vereinfachung der Anstalt wird Ihnen einen ruhigern Wirkungskreis in der Nähe, und da Ihre Arme von Petersburg bis Rom reichen, bei dem Angebahnten einen sichern in die Ferne darbieten. Die Methode kann auf keine Weise gefährdet werden; sie hat in ihr Zeitalter eingegriffen, in das alle R e d e n einzugreifen unvermögend waren. Sie kann daher auch durch kein Reden verwiesen werden. Sie haben das Herz der Menschen durch Ihr Leben für die Erziehung wieder urbar gemacht, und die Augen welche mit dem Nebel des Wissens umgeben waren, wieder sehen gelehrt. Das Ausführen und Vollenden wird das Werk eines halben oder ganzen Jahrhunderts seyn; Tage und Jahre sind nur kurze Termine, und bei solchen Revolutionen liegt Widerspruch im Gang der Geschichte. Überlassen sie den Kummer jüngern Schultern, und leben Sie den grossen Ideen die Sie bewegen, deren Mittheilung ihren Zeitgenossen eine grosse Wohlthat seyn würde.

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Meine schönsten Wünsche so bald in Ihre Nähe zu kommen sind mir wie so viele andre vereitelt worden, die politischen und Familien und tausend andre Verhältnisse haben leider immer nur zu viel Einfluss auf meine eigenen gehabt. Es ist wieder ganz still von meinem Aufenthalte in Genf, und da ich für meine Zöglinge den Aufenthalt in einer deutschen Stadt einem jeden in einer französischen vorziehe: so bringe ich auch den Plan nicht in Anregung. Könnte ich freilich bey Ihnen selbst bleiben, dann wäre es etwas Anderes; so aber würde ich nur zufällig auf einige Tage bey Ihnen rechnen können wo ich lieber Jahre seyn möchte. Haben Sie Nachrichten von Mieg aus Rom erhalten? reinen Genuss hat er dort nicht. Über Muralts entschiedene Thätigkeit und Art, werden Sie sich freuen; er ist dazu gemacht um an einer solchen Stelle zu wirken. Ihre hiesigen Freunde sind wohl. Madame Bethmann denkt mit inniger Herzlichkeit und Freundschaft an Sie; der redliche Le Jeune und unser Engelmann grüssen Sie herzlich. Ich umarme Sie Verehrungswürdiger, wünsche Ihnen Freude und Gesundheit für das neue Jahr und bitte um die Fortdauer Ihres Andenkens wie in dem alten für Ihren C[arl] Ritter. Da ich Muralts Brief doch heute auf die Briefpost zur schnellern Expedition geben muss: so lege ich auch diesen Brief bei u[n]d schicke das Päckchen da sich mir keine Gelegenheit darbieten will mit der fahrenden Post.

Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 305/3 Bogen, 257 x 212 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 18 Z. 25 Z. 38 Z. 39 Z. 81 Z. 100

Versuch und Ausriss Allgemeine ∫ täglich durch ihm: eigentlich ihnn gemacht ∫

274 Sacherklärung I. Karl/Carl Ritter (1779–1859) ⇒ Nr. 908

Z. 7 Z. 9 Z. 9

Z. 16

Z. 34 f.

Z. 37 Z. 47

Z. 48

Z. 74 Z. 79 Z. 81 Z. 86 Z. 87 Z. 112

Z. 121 f.

III. Brief: PSB VII, Nr. 2216 Burckhart: Karl Friedrich Celestin Burkhart (1785–1857) ⇒ Nr. 1428 Wette: Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780–1849) aus Ulla bei Weimar studierte ab 1799 in Jena Theologie und war ebenda ab 1805 als Privatdozent der Theologie tätig. 1807 folgte er einer Berufung als Professor für Exegese nach Heidelberg und lehrte von 1810 bis zu seiner Entlassung im Jahre 1819 an der Universität Berlin. Erneut einem Ruf folgend wurde er von 1822 bis 1849 Professor der Theologie in Basel, wo man ihm 1829 das Bürgerrecht verlieh und ihn viermal zum Rektor wählte. De Wette war zudem Verfasser und Herausgeber zahlreicher theologischer Schriften und Werke. Beitrag: Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) hatte eine Arbeit über Geografie in Form eines Manuskripts geschickt. Um welches es sich genau handelte bleibt offen, da er an mehreren Entwürfen gleichzeitig arbeitete. Es ist denkbar, dass hier eine Überarbeitung von Europa, ein geographisch-historisch-statistisches Gemälde für Freunde und Lehrer der Geographie gemeint ist. Der erste Band dieser Publikation erschien 1804, der zweite 1807. Geographie: Carl Ritter: Europa, ein geographisch-historisch-statistisches Gemälde für Freunde und Lehrer der Geographie, für Jünglinge, die ihren Cursus vollendeten, bei jedem Lehrbuche zu gebrauchen, 2 Bände. Frankfurt am Main 1804 und 1807 Hennings: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Aufsatz: Carl Ritter: Einige Bemerkungen bey Betrachtung des Handatlas über alle bekannte Länder des Erdbodens, herausgegeben von Professor Heusinger im Herbst 1809. In: Neue Bibliothek für Pädagogik, Schulwesen und die gesammte neueste pädagogische Literatur Deutschlands (1810), H4, S. 298–312 Heusingers Schulatlas: Johann Heinrich Gottlieb Heusinger (Hrsg.): Handatlas über alle bekannte Länder des Erdbodens. Nach einer auf Natur-Grenzen beruhenden Darstellung der Länder entworfen, zum Studium der Geographie und Geschichte, zum Jugendunterricht, und für jedes allgemeinere Bedürfniss der Liebhaber der Geographie bestimmt. Gotha 1809 Schmidts Buch: Joseph Schmid: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen. Heidelberg 1810 Schmidt: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Mieg: Johann Elias Mieg (1779–1842) ⇒ Nr. 1244 Muralts: Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 Briefe: Damit könnte der Brief von Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) vom 3. November 1810 (⇒ Nr. 1189) gemeint sein. meine Zöglinge: Zöglinge von Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) waren Moritz August von Bethmann-Hollweg (1795–1877, ⇒ Nr. 1176) und Detmar/Dietmar Wilhelm Soemmerring (1793–1871, ⇒ Nr. 1176). Madame Bethmann: Susanne Elisabeth Bethmann-Hollweg (1763–1831) ⇒ Nr. 908

275 Z. 123 Z. 123

Le Jeune: Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 Engelmann: Julius Bernhard Engelmann (1773–1844) ⇒ Nr. 916

1206. Constant Bugnon 31. Dezember 1810 [Reg.] Antwortvermerk «31 Xbre» auf dem Brief Pestalozzis vom 17. November 1810.

Überlieferung 1

Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel, Département des manuscrits, Ms. Arm. de fer 45 Sacherklärung I.

Constant Bugnon (1773–ca. 1850) ⇒ Nr. 1023 III. Z. 4

Brief: PSB XIV, Nr. 2268 a

1206 a. Frédéric César de Laharpe Dezember 1810 5

[Reg.] Laharpe gibt seinem Erstaunen Ausdruck, dass Pestalozzi mit seinem «Thun und Lassen noch immer so durchschlüpfen konnte zwischen den Steinen, die die Zeitwelt allem Guten in Weg legt und in Weg legen muss, wenn sie allenthalben mit Ehren und Sicherheit bestehen will in ihren Werken.»

Überlieferung 1

PSB VII, S. 189.9 ff. Sacherklärung I.

Frédéric César de Laharpe (1754–1838) ⇒ Nr. 722

276 1207. J. L. Lenz Winter 1810/1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1295 Sacherklärung I.

J. L. Lenz ⇒ Nr. 943

1208. Anonym um 1810–1820 5

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Herrn Heinrich P e s t a l o z z i in Yver d un Verehrunngswürdiger Mann! Diese hier folgende Bücher wurden Ihnen von einem jungen Manne entwendet, der sich vor einigen Jahren eine zeitlang in Ihrem Institut aufhielt. Indem sie Ihnen derselbe reumüthig zurückgiebt, bittet er Sie zugleich innliegendes Goldstük – für 2 Piecen, die ihm verlohren gegangen – als einen kleinen Ersatz anzunehmen, und ihm sein Verbrechen grossmüthig zu verzeihen, um dessen Vergebung er Gott schon oft gebeten hat. +++ Verachten Sie den Thäter nicht zu sehr, und können Sie ihm verzeihen, so wagt er noch d i e B i t t e : G e l e g e n t l i c h in die Beyersche Allgemeine Zeitung die 2 Worte einrüken zu lassen: E r h a l t e n , Pestalozzi.

277 Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 56 Bogen, 204 x 167 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–7

lateinische Buchstaben Sacherklärung I.

Anonym III. Z. 19

Beyersche Allgemeine Zeitung: Da unklar ist, wann dieser anonyme Brief verfasst wurde, konnte auch nicht überprüft werden, ob Pestalozzi wie gewünscht die Bestätigung in der Zeitung einrücken liess. Bei der Zeitung könnte es sich um die bei Johann Friedrich Cotta, Freiherr von Cottendorf (1764–1832, ⇒ Nr. 617) erscheinende Allgemeine Zeitung handeln, die seit 1803 auch unter dem Namen Kaiserlich- und kurpfalz-bairisch privilegierte Allgemeine Zeitung lief und täglich erschien.

1209. Agnes Emerita Gyr 1. Januar 1811 1. Jenner 1811. 5

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Der Sc h w ester nkr anz auf das Jahr 1811, den 1. Jenner an Vater Pestalozzi. Di e Muse. Seht die schönsten Blumen pflückte Ich zum trauten Schwesternkranz; Und was aus dem Innern blickte, Mahlte sich im stillen Glanz. Möchte es mir keine deuten, Wenn auch schweigend sie mich sehn; Die sich mit der Muse freuten, Werden sie ja wohl verstehn.

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S i c h n u r , möge jede finden Liebend in dem Morgengruss; Könnte ich ihn enger binden, Küsste ihn der Schwesternkuss! Ew i ges. Alles sind Funken. Das Göttlichste glimmet im inneren Leben; Aber was ewig nur strahlt, leuchten die Sternen dir zu.

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Reli gi on . Heilig erhebt sich das Heil’ge; die strahlende Tochter des Himmels Wallet so himmlisch und schön; über dir ruhet ihr Glanz. Das Wah r e. L i e b e veredelt das Schöne, das S c h ö n e nur huldigt dem G u ten; Aber das W a h r e a l l e i n windet der Liebe den Kranz. B i ld en d es. Sind es der Liebe Gestalten, die tiefer das Tiefe dir gründen, Oder der bildende Geist, der dir das Hohe erhöht?

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Kr aft. Thätig entäussert sich geistiges Leben, und muthig empfanget Alles die fassende Kraft, ernsterm Denken geweiht. Aufm un ter un g. Bild’ dich zum heitern Ernste; die düstern Wolken der Schwermuth Falten die Jugend dir kraus. Frohsinn macht fröhlichen Muth. Or d n un g. Ordnung nur schmücket des Hauses Gebieterinn; immer geschäftig Ordnet vorsorgend die Braut künftiges häusliches Glück.

45

50

Das Wei b . Kraft gebühret dem Gatten, das Weib sey sanft und bescheiden; Aber das Höchste, sie sey weiblich gebildet in sich. Beh er r sc h un g. Ruhig beherrschest du dich, o dass kein Sturm dich erfasste; Steu’re nur freudigen Muths denkend und handelnd wie jetzt. Men sc h li c h es. Vieles gewähret Natur; doch das Schönste nur geben die Menschen, Denn durch Menschen allein bildet sich Menschliches gross.

279 55

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Woh lth un . Immer wohlthuend öfnest du spendend die Hände den Armen; Wandelst den bittern Schmerz milde in süsseres Wohl. Fr eun d li c h kei t. Schön entfaltet sich weibliche Tugend. Mit Zartheit noch schöner, Wenn mit bescheidenem Sinn lächelnd die Grazien nah’n. Der Kr an z . Glaube, Vertrau’n mit Freundschaft verbunden, die Ehe dir segnet, Wann der bräutliche Kranz Unschuld und Liebe vereint.

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Rath . Lasse dir deinen Sinn den natürlichen nimmer verkünsteln, Bleibe der Heimath treu, freundlich und sittlich und fromm. Kun st. Pflücke zum geistigen Kranz’ die Blumen im edleren Sinne; Schmücke der Muse Altar, höherer Bildung geweiht.

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Ah n un g. Was dir in heiliger Tiefe des Herzens oft ahnend ertönet, Glaub’ mir, es kündet sich laut täglich im Leben dir an. Begei ster un g. Schöne Momente im Leben beseelen uns immer und immer; Aus der Begeisterung quillt überirdisches Seyn. Jugen d . Freu dich, noch wallen die goldnen Wolken des Lenzes am Himmel. O dass dein kindliches Herz immer das Kindliche säh’!

80

Das Selb st. Suche nicht immer nur dich, du verlierest dich suchend im Stillen, Sieh nur, aus andern strahlt lebendig eigenes Ich.

1

Überlieferung Agnes Emerita Geyer: Alpenblumen. Basel 1813, S. 48–53 Textkritik

Zeuge [a]

280 Sacherklärung I. Agnes Emerita Amiet-Gyr (1787–1836) ⇒ Nr. 1113 II. Dem Abdruck der Gedichte ist folgende Anmerkung angefügt: «Jedes dieser kleinen Gedichtchen, war an eine der damaligen Töchtern im Institute des Herrn Pestalozzi gerichtet».

1209 a. Hans Georg Nägeli 5. Januar 1811 [Reg.] Nägeli kündigt die dreistimmigen Gesänge an.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 191.6 f. Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 III. Z. 4

dreistimmigen Gesänge: Dabei handelt es sich um eine Beilage zur Gesangbildungslehre von Michael Traugott Pfeiffer und Hans Georg Nägeli (1810).

1210. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 7. Januar 1811 5

An Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeboren zu Yver d on . Berlin d[en] 6. Jan[uar] 1811.

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Da der Studiosus Kraetz nach Euren Wohlgeboren Äusserungen in einem Schreiben an Herrn St[aatsra]th Nicolovius sich jetzt anders

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als vorher, und der Aufnahme unter die kön[iglichen] Preüssischen Eleven nicht würdig zeigt, so werden Sie hierdurch autorisiert, den Studiosus Patzig, vorausgesetzt, dass er sich ferner zu Ihrer Zufriedenheit benimmt, anstatt des Kraetz unter die Königlichen Eleven zu nehmen, ihm die daraus für ihn hervorgehenden Verbindlichkeiten zu Gemüthe zu führen, sich das schriftliche Versprechen ihrer Erfüllung zur Beförderung an das unterzeichnete Departement geben zu lassen und die Ihnen schon übersandten anfänglich dem Kraetz bestimmten 175 R[eichsthaler] halbjährigen Unterhaltungsgelder zum Besten des Patzig aufzubewahren und nächstdem, wenn er ihrer bedürfen wird für ihn zu verwenden. Dep[artement] des öf[fentlichen] Unt[errichts] Sch[uckmann] N[icoloviu]s Süvern 7 7. 6. An den Studiosus Patzig zu Yverdun im Kanton Waadt in der Schweiz Berlin den 6. Jan[uar] 1811.

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Dem Studiosus Patzig wird auf die Vorstellung von 30t v[origen] M[onats] hiermit zur Resolution ertheilt, dass die Ihm in der Verfügung vom 4ten Aug[st]en c[ourant] zugesicherte 100 r[eichstal]er nicht aus Neufchatel haben angewiesen werden können, sondern von den Gebrüdern Bennecke hieselbst aufs das Haus Tourtor Ravel u[n]d Comp. in Paris mit dreihundert Sechzig francs 11. Centimes assignirt worden sind. Das Schreiben worin sich diese assignien, die in Neufchatel leicht zu realisiren seyn wird, befindet, ist bereits unterm 23t v[origen] M[onats] unter Dienste des König[lich]en Gesandten Herrn Chambrier d’Oleyris abgegangen, und wird dem Studiosus Patzig nunmehr wohl schon zugekommen seyn. Die Quittung über die erhaltenen 100 r[eichstal]er hat derselbe gelegentlich in das Departement des Kultus u[n]d öffentlichen Unterrichts einzusenden. Dep[artement] des Kultus u[n]d öff[entlichen] Unterrichts.

Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII, Sekt 1 aa, Nr. 4, Bd. 6, S. 104 a Datum am Schluss Copia

282 Textkritik Zeuge h Z. 5 Z. 10 Z. 10 Z. 11 Z. 21 Z. 28 Z. 30 Z. 31 Z. 33 Z. 34 Z. 36 Z. 37 Z. 37 Z. 37 Z. 38 Z. 38 Z. 38 Z. 39 Z. 41 Z. 41

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Kraetz: lateinische Schrift Kraetz nach Nicolovius: lateinische Schrift Patzig aufzubewahren Patzig: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Waadt: lateinische Schrift den 6. Patzig: lateinische Schrift Neufchatel: lateinische Schrift Bennecke: lateinische Schrift Tourtor Ravel: lateinische Schrift Comp.: lateinische Schrift Paris: lateinische Schrift francs: lateinische Schrift Centimes: lateinische Schrift Neufchatel: lateinische Schrift Chambrier d’Oleyris: lateinische Schrift Patzig: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 987

II. Am 19. November 1810 hatte die Sektion Unterricht des Preussischen Innenministeriums (⇒ Nr. 987) August Kraetz (†1821, ⇒ Nr. 1197) mitgeteilt, dass er wegen «des Antrags des Herrn Pestalozzi und des guten Zeugniss seiner ehemaligen Lehrer in Breslau» als Eleve nach Yverdon geschickt werde (Geheimes Preussisches StA BerlinDahlem, Rep. 76 VII, Sekt 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 61). Am 4. Januar 1811 teilte Kraetz dem preussischen Staatsrat Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839, ⇒ Nr. 423) mit (ebd., S. 110–111), dass er nicht mehr daran interessiert sei, preussischer Eleve zu sein, da er auf seinen Brief vom 6. September – der aber mit 6. Oktober datiert ist (ebd., S. 43–44 a) – so lange keine Antwort erhalten habe und deshalb davon ausgegangen sei – und Pestalozzi auch so informiert habe – dass Preussen kein Interesse an seiner finanziellen Unterstützung habe. Deshalb habe er sich an seinen ehemaligen Gönner, Kaufmann Hollmann in Breslau, gewandt, der ihm auch sofort die nötige finanzielle Unterstützung habe zukommen lassen. III. Z. 10 Z. 11 Z. 14

Kraetz: August Kraetz (†1821, ⇒ Nr. 1197) Schreiben: Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII, Sekt 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 110–111 Patzig: Gotthilf Friedrich Patzig (1788–1877) ⇒ Nr. 1369 b

283 Z. 25

Z. 25 Z. 25 Z. 26 Z. 37

Z. 37

Z. 39 Z. 41

Sch[uckmann]: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834), preussischer Minister und Staatsmann, studierte nach dem Besuch der Ritterakademie von Brandenburg Rechts- und Staatswissenschaften in Halle und trat 1779 beim Kammergericht Berlin ein. 1786 wurde er Breslauer Oberamtsregierungsrat und 1790 zusätzlich Oberbergrichter beim schlesischen Oberbergamt. Nach dem Verkauf der beiden fränkischen Fürstentümer Bayreuth und Ansbach an Preussen (1791) war von Schuckmann bis 1807 mit deren Verwaltung und Organisation beschäftigt, 1795 erfolgte die Ernennung zum Kammerpräsidenten in Bayreuth, ein Jahr später die Ernennung zum Kammerpräsidenten in Ansbach. 1810 wurde er Geheimer Staatsrat und Vorstand der Abteilungen für Handel, Gewerbe, Kultus und Unterricht im preussischen Ministerium des Innern (⇒ Nr. 1049), 1814 folgte die Ernennung zum preussischen Staatsminister des Innern, welches Amt er mit kurzem Unterbruch und gesundheitsbedingt ab 1830 mit der Abgabe einiger Geschäfte bis 1834 bekleidete. N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Datum der Unterschriften Gebrüdern Bennecke: Das 1792 von den Brüdern Chrétien (1763–1803) und Etienne (1768–1806) Bennecke gegründete Waren-, Speditions-, Geld- und Wechselgeschäft gehörte dank einem rasanten Aufstieg schon um 1800 zu den wichtigsten Berliner Firmen. Nach dem frühen Tod der Gründer figurierte das von einem Neffen, Wilhelm Christian Bennecke (1779–1860), weitergeführte Unternehmen in seiner Blütezeit um 1812 unter den am höchsten eingestuften Handelshäusern Berlins, ging aber rund ein Jahrzehnt später Konkurs. Haus Tourtor Ravel u[n]d Comp.: Das Pariser Bank- und Handelshaus Tourton & Ravel wurde 1783 als Nachfolgeinstitution von Tourton & Baur, einer traditionsreichen Unternehmung, die ihrerseits auf Tourton & Guiguer und damit eine der vier grössten Pariser Banken anfangs des 18. Jahrhunderts zurückging, gegründet. Die sowohl in Frankreich als auch im Ausland tätige Bank trat in zahlreichen grossen Finanzgeschäften des ausgehenden Ancien Régimes auf den Plan und vermochte trotz ihres bisweilen zweifelhaften Rufs über die französische Revolution hinaus bis mindestens 1828 im Geschäft zu verbleiben. assignien: Assignation (Geld- oder Zahlungsanweisung) Herr Chambrier d’Oleyris: Jean-Pierre de Chambrier d’Oleyres (1753–1822) aus Neuenburg war zwischen 1780 und 1805 Gesandter des preussischen Königs in Turin, anschliessend bis 1814 preussischer Gesandter in der Schweiz und zuletzt bis zu seinem Tod Gouverneur und Generalleutnant des Fürstentums Neuenburg.

1210 a. Heinrich Remigius Sauerländer Anfang Januar 1811 [Reg.] Büchersendung.

284 Überlieferung 1

PSB VII, S. 192.16 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1210 b. Ludwig Rudolf Walthard Januar 1811 [Reg.] Walthard schickt zwei Exemplare des Tagsatzungsberichts.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 193.11 Sacherklärung I.

Ludwig Rudolf Walthard (1765–1832) ⇒ Nr. 1139 a III. Z. 4

Tagsatzungsberichts: Abel Merian/Gregor Girard/Friedrich Trechsel: Bericht über die Pestalozzische Erziehungs-Anstalt zu Yverdon, an seine Excellenz den Herrn Landammann und die Hohe Tagsatzung der Schweizerischen Eydgenossenschaft. Bern 1810

1211. Franz Adam Lejeune 8. Januar 1811 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. 8 janv. 1811» auf dem Brief Pestalozzis vom 18. Dezember 1810.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal 3/70 a, 13

285 Sacherklärung I. Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z.. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2298

1212. Georg Heinrich Ludwig Nicolovius 8. Januar 1811 [Reg.] Antwortvermerk «8. Jan. 11» auf dem Brief Pestalozzis vom 26. Dezember 1810.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 95/22 Sacherklärung I.

Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2321

1213. Georges de Rougemont 9. Januar 1811 Yverdon Pestalozzi 9 Jan[vier] 1811

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J’ai fort bien reçu les deux remises que v[ou]s m’avez fait passer par votre lettre du 5, j’en ai fait faire la rentrée aujourd’hui et vous en avez crédit de conformité en L[ivres] 180.1 de Suisse, j’ai etc.

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Überlieferung Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 243, S. 650 Copia

286 Textkritik Zeuge h Sacherklärung I. Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 III. Z. 7

lettre: scheint nicht erhalten zu sein

1213 a. Fridolin Jenny 11. Januar 1811 [Reg.] Jenny erkundigt sich, ob Pestalozzi ihm das Kostgeld erlassen könne.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 193.20 ff. Sacherklärung I.

Fridolin Jenny (1783–1866) von Sool (Kt. Glarus), jüngster Sohn eines Schützenmeisters, wird zuerst Landwirt, dann Weber, Baumwollhändler und Fabrikant in Schwanden. Er heiratet dreimal: 1809 Anna Maria Tschudi (1789–1836), 1842 Rosina Hösli (1784–1852) von Haslen und schliesslich 1853 Maria Hefti (1791–1873) von Luchsingen. Alle der insgesamt elf Kinder stammen aus erster Ehe. II. Es ist unklar, ob Fridolin Jenny (1783–1866, ⇒ Sacherklärung I.) den Erlass des Kostgeldes für sich oder für jemand andern einforderte.

1214. Hermann Krüsi 12. Januar 1811 Der 66te Geburtstag von H[einrich] Pestalozzi. 5

Rede an Pestalozzis 66 ten Geburtstage von H[ermann] Krüsi. –

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Du, den so viele Vater nennen – Wohl uns dass wir dein sind! – Heil uns dass du wohl bist! – So begrüssten dich heute mit flammender Schrift die kleinsten Deiner Kinder. – Wohl uns, dass wir dein sind! Heil uns, dass du wohl bist, hallt es jetzt in unser aller Herzen wieder. – Auf andere Weise sinnvoll, einfach, und deine Seele erquikend haben die ältern Zöglinge des Hauses, – Söhne und Töchter – dir die Empfindung ihrer Liebe, ihres Dankes und ihrer Freude an den Tag zu legen gesucht. Doch das, was in stiller Nacht bereitet, beym Anbruch dieses festlichen Tages, als liebliche Überraschung hervortrat, ist nicht das Einzige was heute geschah. Stille Gebete für dich und deine Erhaltung und das Gelingen deines Werkes stiegen aus der Seele deiner Kinder zum Himmel empor. – Auch die Lehrer des Hauses und seine übrigen, hier versammelten Freunde möchten gern das Ihrige zur Erhöhung dieser Feyer beytragen. Aber womit sollen sie es? Durch die gelungenste Veranstaltung von irgend etwas Äusserm, das nur auf heute berechnet gewesen wäre, hätten wir nicht hoffen dürfen dein Herz zu befriedigen. Es hätte uns selbst nicht befriedigt. Wir wollten den Festtag deiner Geburt, nicht bloss zum Tage froher Erinnerung an vorübergehende Erscheinungen, wir wollten ihn auf dein und unser Leben hinaus zum Tage eines bleibenden Seegens machen. Aber wie dieses? – Das Mittel dazu könnte nur in der tiefsten Tiefe deines Seyns und Thuns selbst, es könnte nur da gefunden werden, wo dein frommer Wahlspruch: «Wer sich der Armen erbarmet, der ehrt Gott!» – Quelle der Freude, Sporn zur Hülfe, Mittel zur Erhebung und Richtschnur des Lebens wird. Hier suchten wir es. Wir erinnerten uns der Opfer, die du auf den Altar der Armuth, dem Vater der Menschheit und seinem Sohn, ihrem göttlichen Bruder darlegtest, dessen erhabenes Wort: «Wer den Geringsten in meinem Namen aufnimmt, der nimmt auch mich auf» – in dieser feyerlichen Stunde vor unsern Augen glänzt. – Vater dieser hofnungsvollen Familie! – Du wirst nicht sterben, ehe du noch schöne Früchte deines Thuns und deiner Leiden gesehen. Blicke mit frohen Gefühlen auf uns. Wir kennen keine grössere Wonne, als wenn der Anblick deiner Kinder deine Seele erhebt. Vater! ich darf es aussprechen, wir ahnden die Grösse und Würde deiner Zwecke. In unsern Herzen lodert die Flamme des Göttlichen der Menschennatur, und unser Wille ist, zu erhalten, was du gegründet, auszuführen, was du begonnen und zu entwickeln die Keime, die du in uns selbst und dein ganzes Werk gelegt hast. – Wir schwören dir heu-

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te, deiner Aufgabe mit treuem Herzen zu leben! – Voll hohen Muthes betreten wir die Bahn, die du uns vorgezeichnet. Wir suchen nicht äussern Glanz und den trügenden Beyfall der Menschen, wir wissen, dass Arbeit und Mühe uns ziemt und dass wir uns nicht scheuen dürfen, Wege zu wandeln, auf denen Schwierigkeiten aller Art, wie Felsentrümmer herumliegen, unsern Gang zu hemmen. Auch das Gefühl unsres Zurückstehens schreckt uns nicht. Der Gedanke an dich, an deine Kraft, und dein Ausharren, wird unser Streben vor Erschlaffung bewahren, und frommes Aufsehen auf den, der in den Schwachen mächtig ist, unsere Seele erheben, dass sie sich labe an der reinen Quelle der Wahrheit und Liebe, und in ihrem himmlischen Genusse und ihrer anspruchlosen Beförderung unter den Menschen allein ihr Heil suche. – Ja, Vater! dem Armen im Lande m u s s geholfen werden. Sein Kind darf nicht ewig der Verwahrlosung Preis gegeben bleiben. Deine Erfahrungen über seine Erhebung und die Mittel derselben dürfen nicht verloren gehen. Es ist Recht, es ist Gottes Stimme in dir, dass die Mühseeligkeiten deiner frühern Versuche ein Beyspiel aufzustellen, wie er aus leiblicher u[nd] geistiger Versunkenheit errettet und der Menschheit wiedergegeben werden könne, dich auch bey der Neige deines Lebens nicht von fernern Versuchen für diesen edeln Zweck abschrecken. Dein Ruf zu seiner Hülfe ist Gottes Stimme in dir, die, wenn sie gleich so lange nun, wie in der Wüste verhallte, doch endlich den Weg zum Herzen der Edlern u[nd] Bessern unsers Gechlechts finden wird. – Ja Vater! sie wird ihn finden! Ich sage dir nicht: halte fest im Glauben an die Möglichkeit eines bessern Looses der niedern Menschheit! – Dieser Glaube ist es ja, der dich selbst in allen Stürmen aufrecht hält. Hättes du ihn je verlieren können – du lebtest nicht mehr. Eben so wenig sage ich dir: «es thut Noth, beydes dem Armen und dem Menschenfreunde, der ihm als Engel Gottes, die Hand der Hülfe biethen möchte, zu zeigen, dass das Spenden der Gaben ohne Wirkung eines bessern Sinns und ohne Entwicklung der Kräfte, die Gott in seine Natur gelegt hat, ewig keinen befriedigenden Erfolg auf die Verbesserung des Zustandes dieser Menschenklasse haben könne! – Das alles lebt unendlich tiefer in deiner Seele, als ich es anzudeuten vermöchte. – Aber das sage ich dir: Die Freunde deines Werkes, (und ihrer sind viele,) möchten die Aufgabe: «Was leiblich und geistig aus den Armen zu machen sey» von d i r gelöst und die Mittel dazu von d i r begründet und ausgesprochen wissen.

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Du hast Vertrauen gefunden: Was du schon geleistet, bürgt für den Erfolg der Massregeln, die du für den Armen in deinem Herzen trugest. Noch mehr – du hast Vertrauen zu dir selbst gewonnen. Du hast erfahren, dass seit langem, der Vater der Menschen all dein Beginnen für deine Kinder segnete. Wir waren Zeugen dieses Segens. Das ganze Haus, wie du es jetzt um dich versammelt siehst, ist Zeuge dieses Segens. Eine halbe Welt ist Zeuge dieses Segens. Wende dein Auge nach welcher Seite du willst – überall werden edle Menschen deinen Blicken begegnen, die du mit Recht unter deine Freunde u[nd] die Beförderer deiner Zwecke zählen darfst. – Spreche sie an, diese Freunde alle in der Nähe und in der Ferne, biete ihnen den Lieblingswunsch deines Herzens dar; sprich sie getrost um Unterstützung zu seiner Verwirklichung an. Mit vollem Rechte darfst du sie versichern, gereifte Ansichten und Erfahrungen über die Natur des Menschen und aus ihnen selbst geschöpfte Mittel seiner Bildung setzen dich in stand – eine Anstalt für Dürftige zu errichten, wie die Menschheit sie bedarf, wie sie bis auf heute noch keine besitzt, und wie ohne diese Ansichten, Erfahrungen und Mittel keine je erhalten wird. Spreche dich aus frey und voll, wie du es in deinem Herzen trägst, über die Natur einer solchen Unternehmung und die Bedürfnisse derselben. Es müsste uns alles trügen, oder der Erfolg unsers heiligen Schrittes zur Anbahnung der Mittel für das, was du immer wolltest, und nie aufhören kannst zu wollen, muss für dein Herz befriedigend ausfallen. Im Namen aller, die du als deine Kinder und Freunde vor dir siehst, verspreche ich die Theilnahme und Handbiethung zu allem, was du hiefür einzurichten gut findest. Mancherley Vorschläge wurden in unserer Versammlung zur Erhöhung der Feyer dieses Tages gemacht. Wir konnten uns über keinen derselben vereinen, keiner genügte uns. Aber dahin vereinigten wir uns alle, – dich unserer Hingebung an dein Werk zu versichern; dahin vereinigten wir uns alle, auf Mittel zu denken, die Erfüllung deines Wunsches möglich zu machen – aus den Kindern der Verlassenen und Armen eine Pflanzschule kraftvoller und wohlwollender Menschen zu erschaffen, aus der vor allem Erzieher und Lehrer des Volkes nach deinem Sinne hervorgehen würden. – Vater, dieses schönen Vereins! deine Kinder werden die erste Gabe der Liebe zur Gründ[un]g deines Armenhauses in deine Hände legen. Es ist zwar nur ein Scherflein, aber es kommt aus gutem Herzen. Das Saamenkorn des grössten Baumes ist ja auch klein,

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und nur mit Gottes Seegen wird es gross. So sey unsere Gabe in deiner väterlichen Hand. – Von heute an ist die Art jeder künftigen Feyer deines Festes bestimmt. Es soll uns heiliges Gesetz seyn bey jeder Erneuerung desselben das Schärflein der Liebe auf den Altar der Armuth und deren menschenfreundlichen Zwecke zu legen. Und ihr geliebte Kinder! freut euch! Bedarf es der Aufmunterung dazu? Nein, wahrlich nicht! Ihr schwimmt ja gleichsam in frohen Gefühlen. Aber das sage ich euch, ein Tag der Freude, wie der heutige, wird Euch selten erscheinen. Ihr l i e b e t , darum freuet Ihr Euch; Ihr d a n k e t , darum glänzt Euer Auge so heiter; Ihr h o f f e t , darum strahlt Euer Blick so freundlich. Es bietet sich Euch der Anlas dar, an der Gründung eines Werkes Theil zu nehmen, dessen Folgen, wenn Gott es segnet, nicht zu berechnen sind. – Darum frohlocket Euer Herz, und ist seelig in himmlischen Gefühlen. – Kinder! Dieser festliche Tag, und diese Stunde desselben und die Handlung der Liebe, die ihr so eben zu verrichten bereit seyd, – müssen unauslöschlich in Eurem Gedächtniss bleiben. Bedarf es dann Ermunterung dazu? – Nein, wahrlich nicht! Ihr könnt es unmöglich vergessen. Was einmal mit Eurer Seele Eins geworden, trennt sich nicht wieder von ihr, und einst wird so Gott will, die Sache selbst leben u[nd] sprechen, – einst wird, so Gott will, die Anstalt, die heute nur in unserer Hoffnung ihr Daseyn hat, als lebendiges Denkmal des Tages aufblühen und Früchte bringen, die unser aller Herz erquicken werden. Und wenn dann gerettete Arme sich ihres bessern Schicksals freuen, wenn sie, dem Höchsten für ihre Rettung dankend den Stifter des Hauses segnend und ihn als Vater verehren werden, wie wird Euch dann zu Muthe seyn? Voll der frohesten Gefühle werdet Ihr Euch wieder dieses Tages erinnern, in ihre Segnungen einstimmen, und mit gerührter Seele aussprechen: «Der Stifter dieses Hauses ist auch unser Vater!» Ihr Jünglinge und Töchtern, und ihr meine Brüder, Mitarbeiter und Freunde des Werkes! – Was soll ich Euch sagen? – Ich habe in meinen Ansichten und Gefühlen auch die Eurigen aus zu sprechen gesucht. Nur das sage ich Euch noch: Wir stehen nicht allein –, wir werden Hülfe finden. – Viele liebe Herzen in der Nähe und in der Ferne schlagen für dasselbe, wofür das Unsere schlägt. Wir werden sie alle zur Mitwirkung einladen. Manche edle Seele hätte schon lange gern ihre Theilnahme an den Zwecken unsres Vaters thätig erwiesen, allein, bis jetzt fehlte der Impuls dazu und die Aussicht, es auf eine wirksame Weise thun zu können. Von nun an

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soll diess nicht mehr fehlen. Es erhebt mein Herz und gewiss auch das Euerige, sagen zu dürfen: diese vier Mauern schliessen nicht unsere ganze Familie ein. Das Schicksal hat schon manchen unserer Brüder von uns weg in andere Verhältnisse geführt; aber wo sie auch seyen, sie leben der Sache, und werden sich freuen, durch neue Bande uns an sie u[nd] sie an uns geknüpft zu wissen. Ihr! entfernte Brüder und Freunde alle! In eurem Namen gelobe ich was auch ihr geloben würdet, wenn ihr an dieser Stelle wäret. Ja ihr Theuren, wir wissen, dass unsere Stiftung euern Wünschen entspricht, und jeder in seinem Kreise zur Beförderung der heiligen Sache mitwirken wird. Unter den vielen entzückenden Gedanken, die mich diessfalls beleben, kann ich einen derselben unmöglich verschweigen. Es ist der, dass bald überall, wo nach den Grundsätzen der Methode erzogen und unterrichtet wird, Lehrer und Zöglinge im Hochgefühl der Freude und des Dankes mit uns den Geburtstag unsres Vaters feyern, und wie wir, es sich zur heiligsten Pflicht machen werden, bey diesem Anlass ihr Schärflein der Liebe auf den Altar der Armuth für seine menschenfreundlichen Zwecke zu legen. – Und so, Vater, ist es denn wahr die Unschuld ist der Stützpunkt deines Thuns und der Segen deines Alters geworden. Kinder geben dir, was du beynahe unerreichbar glaubtest. Ja, es ist wahr, im Herzen der Unmündigen und Säuglinge hast du dir eine unerschöpfliche Quelle der seligsten Freuden bereitet. – Und Du! Mutter des Hauses! du hast als treue Gefährtin an der Seite unsers Vaters einen harten Kampf gekämpft, aber wohl dir! auch du hast den Glauben behalten! Im Sommer deines Lebens thürmte schweres Gewitter sich über deinem Haupte zusammen. Es brach los, es erschütterte, es richtete Unglück an, aber es zerstörte doch die Saat nicht, die dein Geliebter, mit fast übermenschlicher Anstrengung in die Erde gebracht hatte. Endlich nach langem Harren zertheilten die Wetterwolken sich wieder, und dein Abend ist über dein eignes Erwarten sanft und helle geworden. – Auch bey dir ist die Verheissung erfüllt: die in Thränen säen, werden in Freuden ernten. Gott! Wie führst du oft deine Menschen so dunkle Pfade hindurch! – Theurer Vater! Zeuge vor deinen Kindern von den Fügungen Gottes, die du selbst in deinem Wirken und Leiden erfahren. – Was kannst Du andres thun, als anbethen u[nd] sagen: des Herrn Rath ist wunderbar und er führt es herrlich hinaus?

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Würdige Mutter! Zeuge vor deinen Kindern von den Fügungen Gottes, die du in deiner Theilnahme und in dem Würken u[nd] Leiden deines theuern Geliebten erfahren. Was kannst du anders thun, als anbethen u[nd] sagen: des Herrn Rath ist wunderbar und er führt es herrlich hinaus! – Kinder, Freunde, Brüder, Schwestern! Was wollen wir weiter zeugen. Dankend stimmen wir ein und anbethend wiederholen wir: Ja Herr! dein Rath ist wunderbar, aber du führst es herrlich hinaus, dir sey Ehr und Lob in Ewigkeit! – Amen! –

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Überlieferung Burgerbibliothek Bern, Mss. h.h. XII. 376, S. 1–7 Bogen, 242 x 180 mm Abschrift Textkritik

Zeuge h Z. 27 Z. 30 Z. 36 Z. 39 Z. 132 Z. 135 Z. 214

vorübergehende selbst, es erhabenes Wort du noch die Art menschenfreundlichen dem Sacherklärung I.

Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 II. Der Plan, eine Armenanstalt zu gründen, ist ein in regelmässigen Abständen wiederkehrendes Thema in Pestalozzis Briefwechsel. 1807 hatte er ein umfangreiches Mémoire über Armenversorgung (PSW XX, S. 73–192) verfasst, das er zuerst bei den entsprechenden Verhandlungen mit dem Neuenburger Rat und anschliessend mit dem Aargauer Rat verwenden wollte. Beide Ideen scheiterten allerdings, so dass auch das Mémoire nicht gedruckt wurde. 1811 erschien in der Wochenschrift für Menschenbildung eine leicht überarbeitete und gekürzte Version mit dem Titel Bild eines Armenhauses (ebd., S. 248–255). Dieser Abdruck stand wohl im Zusammenhang mit der hier anlässlich von Pestalozzis Geburtstag wiederaufgenommenen Idee der Gründung einer Armenanstalt (⇒ Nr. 1216).

293 1215. Jánoshoz/János/Johann von Szabó 12. Januar 1811 5

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Rede Bey der Übergabe der Steuerung die zur Gründung eines Armenhauses gesammelt wurde, gehalten von Baron von Szabo aus Ofen in Ungarn an Pest[alozzis] 66 stem G e b u r t s t a g 1811. – Wer d en Ger i n gsten aufn i m m t i n m ei n em Nam e n , d e r n i m m t m i c h a u f . – So, Freunde! fordert auf zur Tugend und Wohlthätigkeit, unser Heiland, zunächst seine Schüler, durch diese die Nachwelt. Mit diesen Worten drückt er die beyspiellose Liebe zur Menschheit aus. Aber nicht nur durch Worte, durch That empfiehlt er die Ausübung dieser Tugend. Seine Lehre, seine Thaten, alle seine Bemühungen, sein ganzes Leben war Liebe und Wohlthat. Partheylichkeit, Ruhmsucht, eitle Ehre, Haschen nach Äusserm Glanze, dem Menschen zu gefallen, nichts dieses Kleinlichen war in ihm, das die Reinheit seiner Tugend in Nebel gehüllt hätte. Er, der Vollkommene stand da auf der Erde, ein Muster für alle und Vorbild für uns. Eine Familie nur war ihm das Menschengeschlecht, nur Brüder und Schwestern umgaben ihn. Nicht Hoheit, nicht Macht, nicht Schätze konnten ihn reitzen, nicht Weise der Welt um in ihren Schulen zu sprechen; er ging vorüber die Thore der Palläste, und suchte die Hütte der Dürftigen auf, er kam als ein Tröster der Armen und Gedrückten zu erquicken, die mühseelig und beladen sich fühlten. – Die Würde des Menschen achtete er so im Niedern, wie im Hohen, im Schwachen am Geiste, wie in den Denkern und Weisen der Nationen. – Als Bruder, als Wohlthäter erklärte er sich denen, die von der Welt zurückgestossen, verachtet, verlassen dastanden, niemand war ihm, dem Göttlichen zu gering, nicht eine Krankheit, nicht die Lumpen des Bettlers verursachten ihm Eckel, er nahte sich ihnen, erschien ihnen als ein Helfer, und empfahl dieses auch seinen Nachfolgern, indem er ihnen sagte: Was ihr gethan, einem meiner geringsten, das habt ihr mir gethan. Beyspiellose Tugend! Abbild der allumfassenden Liebe, einziger Grund allein, Quell alles Wohl, alles Glücks der Menschheit! – O seelig ja drey mal seelig das Land, das in seinen Bewohnern solche enthält, die Wille und Kraft haben, auf dieses Muster zu sehen, ihre Pflicht zu erfüllen, dort wird der Mensch in seiner Würde erkannt, dort herrschet die Liebe, da findet sich Treu, da küsst sich Einfalt

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und Weisheit, da wandert verbrüdert der Hohe mit dem Niedern. Ein Starker nimmt sich des Bedrängten an, da ist kein Händeringen, dort hört man kein Stöhnen und Jammergeschrey verlassener Tugend, dort darf der Hungrige das harte Bettelbrod mit seinen Thränen nicht erweichen. Dort ist es wie im Paradies. Ein Liebestempel blüht. Heil dem Manne, dem jenes Muster vorschwebt, der da wandelt auf der Bahn seines heiligen Vorgängers. Wohlthun erhöht die Menschennatur, es macht ihn gleich dem Allmächtigen, und lässt ihn das Glück, das ihm in einem Lande jenseits bereitet ist, schon hier auf Erden geniessen. – Wem ist dieses tiefer in’s Herz gedrungen, wer zeigt, dass er besser die Worte verstehe, die Tiefe ihres Sinnes noch tiefer erkannt habe; wer zeigt dieses m e h r als du, Vater? – Mit wem können wir uns mehr rühmen, die wir d i c h kennen, mit wem das Land, das d i c h erzeugte, mit wem die jetzige Generation mehr als m i t d i r ! Wohlthun der Menschheit war von jeher deine Freude; in der frühesten Jugend schon zeigtest d u diess. Wohlthun, Vater, war und ist der Zweck deines Lebens. Wenn andere bey ihren Unternehmungen nur Interesse, Vortheil, Luxus, Bequemlichkeit, Genuss und was sonst noch bezwecken, so war es d e i n Streben dich aufzuopfern, deine Ruhe zu beseitigen, dein Wohl zu vergessen, um den andern zu helfen. Nicht Gunst der Grossen, nicht eitler Ruhm, nicht der Zuruf des Volks, der Beyfall der Menge, nicht die Begierde in deinem Vaterlande zu glänzen, mit Stern und Band geschmückt zu seyn, nicht diess war dein Streben, dein hellscheinendes Auge gepaart mit dem innigsten tiefen Gemüthe richtete sich auf das Bedürfniss die Menschheit, zu trösten, zu helfen, wo du wusstest u[nd] konntest. Du erkanntest die Quellen des Elends der Menschen, du sahst, du hörtest ihren Jammer, ihr Leid, und du Vater! du machtest diess alles zu deinem. – Aus dem lautern Buche der Natur daraus forschtest du, Meister, den Menschen, da fandst du, wie er seyn solle, und ach! wie er nicht ist, da fandst du die Mittel ihm aufzuhelfen, und laut theiltest du deinen Brüdern mit, da[s], was du gefunden, wodurch die Quellen ihres Elends verstopft wurden. Bald fandest du Menschen, die für das Edle entbrannt waren, doch das Ganze vermochtest du nicht zu bewegen. Die Masse stellte sich dir entgegen, doch muthig verfolgtest du deinen Pfad. Erkennen, und fühlen und thun ist bey dir Eins, g e h o l f e n m u s s s e y n !

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Diess ist der Gedanke, den du, Edler! zum Zweck deines Lebens gemacht hast, Ernste Thaten erfoderte der Ernst deiner Zeiten. Da entsagtest du deinen Verh[ältnissen] mit der Welt, deinen Vortheil setztes du hintenan, und suchtest die Armuth, gingst in die Hütte des Elends, du theiltest ihr Loos, verachtetest die Weltsache, schrittest weiter und erzogst die Kinder des Unglücks, um der Welt deine gute Sache zu zeigen, die Kindheit deines Herzens ihr vorzutragen, und Nachahmung zu empfehlen. Mit welchen Hindernissen musstest du kämpfen, bis du die Welt überzeugen konntest dass du für das Wohl der Menschheit nur lebtest; nur strebtest ihr Heil zu befördern; denn es erkennt die Welt nicht immer das Gute, oft arbeitet sie ihrem eigenen Heil entgegen: doch eben bey Wiederstand verdoppelt die Kraft sich, und lauter und herrlicher erscheint dann die Wahrheit. Drum troztest du nicht; du murrtest nicht, zufrieden mit der Gegenwart, wenn sie auch hart war, lebtest du nur der Hoffnung einer bessern Zukunft und arbeitetest ihr froh entgegen. Und siehe, die Hoffnung täuschte dich nicht, wenn auch noch wenige dir wiederstreben; von Tag zu Tag stehen Zeugen für dich auf; von einem Pole zum andern erscholl dein Name. Der Genius der Menschheit wacht noch für dieselbe. Hier blüht unter deiner weisen Führung, dem thätigen Eifer deiner Mitarbeiter eine Schule der Bildung, und so erwachen ähnliche in allen Ländern der Erde. – Ist aber dein Tagwerk hiemit schon vollendet? – Grünen überall schon, die Zweige des Baumes, den Vater, du pflanztest? – Kannst du nun schon dein graues Haupt u[nd] deinen von Mühen gebeugten Rücken anlehnen an seinen Stamm, in der Kühlung seines Schattens seine Früchte geniessen? – Nein, Vater! dein Werk ist wie die Menschheit einer unendlichen Bildung fähig, so wie es nicht nur für eine, zum wenigsten nur für die jetzige Generation bestimmt ist, so schreitet seine Vervollkommnung mit dem Menschengeschlechte fort. Hiedurch nun aufgeregt, wird der Genius der Humanität verjüngt in seiner Gestalt aufblühen und patingenetisch in Völkergeschlechtern und Generationen weiter ziehen; du gabst der Welt die Mittel an die Hand. Du zeigtest den Weg vor auf welchem Mensch – Mensch werden kann: aber bey dem allem wird immer nur denen geholfen die äussere Mittel besitzen, sich selbst helfen zu können; deine Sache betrifft jedoch das Ganze, somit muss es nun auch dein Zweck seyn, und er ist es, dem Ganzen zu helfen. – Du siehst wohl ein, wo Hülfe vonnöthen, du fühlst, du siehst, du hörst von ferne die Hülfslosen zu dir flehen, die Armen, denen mancher nur um dem Anblick des Elends zu entgehen, vielleicht

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auch nur aus Prahlsucht mit verächtlicher Miene ein Schärflein hinwirft, zu deren geistiger Bildung sich keine wohlthätige Hand aufthut, die, ohne alle Bildung aufwachsend, vom Menschen nichts als die äussere Form haben, den Zweck ihres Lebens durchaus nicht kennen, wohl eine Schande der Menschheit werden. Die Waisen, der Willkühr der Welt überlassen, auch wohl dem Verderben Preis gegeben, die sind es, für deren Wohl nur zu sorgen, du lebst, die selbst dir, Vater! deine Träume vorführen. Auch diesen zu helfen ist jetzt deine Hauptsorge, du trägst Ellends Gestalt in deinem Innern. Vollendest du diess Werk, dann Vater, kannst du dein Haupt niederlegen mit Ruhm und Zufriedenheit in das Vergangene zurückblicken. Oft blutet dein Herz, wenn du nicht Hülfe siehst, da blickst du wohl hiehin, und schauest nach dorten; doch nirgends siehst du den Stern aufdämmern. Aber Vater! sey gutes Muthes, auch hierinn soll deine Hoffnung nicht sinken; denn Gott, der dich zur einem besondern Rüstzeug erwählt hat, wird auch hier helfen; er wird dir seine Engel, die Edeln der Menschheit zusenden, und sie werden kommen, deine Sache zu unterstützen. – Wir Vater, die wir länger oder kürzer um dich her waren, die wir von dir lernten, was der Mensch dem Menschen seyn soll, wir wünschen so herzlich die Hand dir zu bieten. Wohlan! Heute sey der heilige Tag, wo wir zu deinem Zwecke, zu dessen Ausführung die Mittel Dir fehlen, zwar freylich nur geringe, aber, glaube es, Vater! die herzlichste Hülfe von uns dargereicht wird. Heute wo wir, deine Brüder, Freunde, Söhne u[nd] Töchtern mit kindlicher Freude dein Wiegenfest feyern. Heute, wo vor Freude unser Auge funkelt, wo jeder die Zeugnisse seiner Liebe ablegt, nimm an zum sichersten Pfande unsrer Liebe zu dir, unsrer Achtung zu deinem Wollen, und der Theilnahme an armen Brüdern das, was wir dir reichen! Klein ist es und wenig, nicht so, wie unsere Liebe, doch gross wird es in deinen Augen erscheinen. – Alles Grosse, es geht vom Kleinen hervor – die Ceder, die Königin der Wälder, die stolz ihr Haupt bis zum Himmel erhebt was war ihr Beginnen? Der Königspallast dessen Zinnen in den Wolken sich verlieren, zu dessen Anbau man Felsen gesprengt hat, er hat zu seinem Grundstein nur einen gehabt. Auch langsam wächst aus dem Kleinen das Grosse, so wird es unserm Beginnen ergehen. Wohl dir! und Freunde uns allen, wenn du noch den Tag seiner Blüthe sehen kannst! Und sollte diess Loos dir nicht mehr zu Theil werden, auch dann wirst du freudig dein

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Greisenhaupt senken. Der wahre Wohlthäter berechnet für die Zukunft, sein Abtreten vom Schauplatz begränzt nicht sein Wirken. – Auf deinem Grabhügel werden Waisen noch weinen, deinen Staub segnen und mit Zähren des Dankes die Blumen erquicken, die Vater, aus der Asche deines Herzens erblühen. Brüder und Freunde! Lasst uns die ernste That, die wir aus Liebe miteinander unternehmen, als Männer mit Ernst betreiben. Den Zweck kennen wir alle, die Mittel lasst uns suchen. Muth und vereinigte Kraft, Besonnenheit und Klugheit, thätige Liebe und eifriges Streben, die werden uns leiten dieselben zu finden. Lasst uns durch Hindernisse nicht abgeschreckt werden; kämpft muthig und gedultig im Laufe der Zeiten. Unser Zweck ist gross darum kann er nur langsam reifen. Je schwerer der Kampf erst, desto herrlicher der Sieg dann; je grösser die Mühe, desto süsser der Lohn einst. Uns allen steht ein Weg offen zu dienen der Welt und dem Manne, dem wir so liebevoll heute begegnen. Doch vergönnt mir Vater! Brüder und Freunde! zum Sprechen noch einige Augenblicke. Ich fühle mich heute auf’s höchste beehrt, dass ich, von Euch aufgefordert die Feyer dieses Tages zu beendigen habe. Ihr habt mir vieles heute anvertraut, die Liebe Euerer aller, die Achtung Euerer Aller gegen ihn, unsern Vater, den Menschenbeglücker zu erklären. Ich weiss, dass mehrere unter Euch sind, die reicher an Worten u[nd] besser als ich, die Sache dargestellt hätten, doch, glaubt es mir alle mit tiefrem Gefühl und grössrem Herzen könnte es keiner. Das erstemal ist es und das letzte, dass ich vor Euch rede, Euer aller Gefühl in das meine vereine: ich fühle mich stolz durch diese Beehrung und meine Freude ist gross. – V a t e r ! Auch ich habe ein Herz, das da glüht und entbrannt ist für Menschenwohl, belebt von dem Eifer für die Menschheit zu wirken; ich habe von frühe an mich dazu bestimmt; du bist es von dem ich zu lernen habe. Ich suchte den Menschen, in dir musste ich ihn finden. Beseelt durch dein Beyspiel, will ich fest seyn in meinem Unternehmen. Ich kehre zurück in mein Vaterland, und preise mich glücklich mit dir gelebt zu haben; du allein wirst wirken auf meiner Laufbahn durch mich, ich kann nur als Mittel dir dienen. Es seyen also die Verdienste, die ich einst habe, nur Vater! die deinen! – Brüder, Geliebte, Freunde, Theilnehmer und Ausführer seines herrlichen Plans! Monate verflossen seitdem ich unter Euch lebte, und wie schnell war diese Zeit hin! Den Eifer, womit ihr für die Sache eures Vaters, Eures Freundes und Wohlthäters arbeitet, den

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habe ich täglich und täglich tiefer gefühlt, durch Euch ward ich entflammt für ein ähnliches Streben. Wo Ihr hier steht, gerade hier auf eurem Platze, da steht Ihr als Männer, masst aber Beharrlichkeit Euerer Kraft an. Er, Euer Vorbild beseele Euch tiefer – noch habt Ihr zu kämpfen, doch bald wird das Zeichen des Sieges gegeben, und dann, welch ein Lohn für Euch! – Jetzt sey Euch der Lohn Euerer Arbeit, das Bemerken der täglich durch Eurer Leitung sich hebenden Kraft Euerer Schüler. Als Männer steht da, heilig sey Euch der Zweck Eures Meisters, den nie ihr durch irgend eine That sollt entweihen. Wie glücklich seyd Ihr von Tausenden doch, die Ihr mit ihm unter einem Dache wohnt, in dem sich die Liebe persönlich darstellt. Lernt Freunde, ich bitte Euch lernt von ihm diese Liebe. Sie muss in euerm Handeln, in euern Werken und Leben erscheinen. Aus Liebe geht euere Sache hervor, ehrt Euere Sache, ehrt Euch selbst, dann müssen auch andere Euch ehren. Die Eintracht bringt Euch fest aneinander; ohne sie kann nichts Grosses gedeihen – und ist es schon gross, ohne sie muss es sinken. – Die Welt sieht auf Euch, und wo Euere Sache sich hinverpflanzt, von da sieht man wieder auf Euch zurück. – Was Ihr an mir thatet, was Ihr mir waret, das fühle ich tiefer, als ich es Euch sagen kann. – Nie wird Euer Andenken in mir erlöschen; der Dank nie ersterben den ich Euch zolle! Entfernt von Euch will ich in Euch leben und Ihr in mir, und bis ich mein Tagewerk vollendet, bin ich der Eurige. – Was ich gehofft und was ich hier suchte, das fand ich in Euch, Zöglinge der Anstalt, durch sie dargestellt. Ihr sollt nicht ermüden in Euerm Streben; Ihr seyd die Hoffnung so vieler, die auf Euch sehen; in Euch soll sich krönen das Werk Eures Vaters, strebt weiter und werdet glücklich! – und nun lebt w o h l , A l l e !

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Überlieferung Burgerbibliothek Bern, Mss. h.h. XII. 376, S. 8–14 Bogen, 242 x 179 mm Abschrift Textkritik

Zeuge h Z. 6 Z. 11 Z. 116 Z. 201

Szabo: lateinische Buchstaben diesen patingenetisch: lateinische Buchstaben du

299 Sacherklärung I. Jánoshoz/János/Johann von Szabó (1783–1864) besucht nach dem Abschluss des Kollegiums in Sárospatak (Ungarn) die Universität Heidelberg und wird Privatlehrer in der Familie des Barons Johann Nikolaus von Vay (1756–1824, ⇒ Nr. 1374a), der ihn 1810/11 zu Pestalozzi nach Yverdon schickt. Nach seinem Aufenthalt in der Schweiz, der zur Mitgliedschaft in der Schweizerischen Gesellschaft für Erziehung (⇒ Nr. 1012) führt, ist Szabó zusammen mit Wilhelm/Guillaume Egger (1792–1830, ⇒ Nr. 1234 a) weiterhin als Hauslehrer bei der Familie Vay angestellt. 1816 zieht er mit der Familie von Vay nach Pest und baut dort Kontakte zur evangelischen Volksschule auf, die 1819 zur Gründung der Industrieschule in Pest führen. Der 1816 von Szabó veröffentlichte Aufsatz über Pestalozzi in der Zeitschrift Berichte aus dem In- und Ausland löst in Ungarn eine Kontroverse über Pestalozzi aus. Er wird Oberinspektor einer Salpeterfabrik und lehnt 1826 einen Ruf auf eine Professur in Debrecen ab. III. Z. 116

patingenetisch: Adjektiv zu Palingenese (Seelenwanderung, Wiederholung der Entwicklungsgeschichte während der embryonalen Entwicklung eines Lebewesens)

1216. Johannes Niederer 12. Januar 1811 5

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Anrede bey der Übergabe der Akte, durch die wir uns als Gesellschaft für Pestal[ozzis] Zwecke zur Erziehung der Armen konstitutieren – von H[errn] Niederer. Vater! Ehrwürdige und Hochgeehrte Theilnehmer dieser heiligen Stunde – Freunde! Brüder! Schwestern! Kinder! Ihr habt aus der Anrede unsers Freundes vernommen, dass diese Stunde zur Grundlage eines grossen Werkes, nehmlich: zur Stiftung einer Gesellschaft, zur Beförderung der Zwecke unsers Vaters für die Erziehung der Armen, und zugleich zum ersten und daher gewissermassen heiligsten Beytrag eines Armenhauses vorzubahnen, bestimmt ist. Was mit Gott begonnen ist, segnet Gott. – Gottes Seegen offenbare sich reichlich an dem Schärflein unserer Beysteuer. – Dass ein Edlerer durch sein ehrwürdiges Wort, diese Stiftung sankzionire, die Urkunde davon Euch vorlesen und sie dem Vater überliefert hätte! – Da diess nicht geschehen kann, so vernehmet sie von mir: Freunde! Brüder! Das Begonnene ist dieses Tages! es ist Euer, es ist Eures Vaters, es ist der Unternehmung würdig – in der und für die

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wir edler leben! Brüder! es ist um eine Stiftung zu thun, die statt Geld u[nd] Geldmittel als ihren Fonds zu betrachten, diesen Fonds auf die Natur und auf das Menschliche im Menschen, auf die Kräfte, die Gott in das Kind gelegt hat. Würde ein Unvergängliches, keinem Raube, keinem Verlust unterworfenes, und eine Richtung, die statt mit vergänglichem Guten wirken und sie vermehren zu wollen, die göttlichen Kräfte der Menschennatur im Armen selbst, als ihr Kapital ansieht, womit sie wuchert und das sie zum Besten des Vaterlandes und zur Rettung der Armen an Zinse legen will. – Brüder! niemand verachte den geringen Anfang! Er ist gross durch den Geist, womit ihn euer Vater beseelen wird! Niemand verschmähe unsere Armuth, der Vater wird sie reich machen durch den Reichthum seines Herzens, und durch die Fülle der Hülfsquelle, die dieses sein grosses Herz erschaffen wird. – Mit ohne Vergleichung wenigern Geldmitteln, als unsere heiligen Beyträge ausmachen werden, gründete der unsterbliche August Herrmann Franklin vor einem Jahrhundert sein Waisenhaus. Es hat geblüht zum Seegen für Tausende, es blüht heute noch zum Seegen für Tausende; und doch ist in seinem Zwecke das Höchste nicht erreicht. Niemand zeihe uns der Anmassung! Wir verkennen unsere Schwäche nicht. Wir fühlen am besten wie weit wir hinter unsern Zwecken zurückstehen, und was wir schon hätten leisten sollen. Nicht mit unsern Personen wollen wir hervortreten. Es sollen Männer von höherm Werke, von verdienterm Zutrauen, von durchgreifenderer Kraft an die Spitze gestellt werden. Wir freuen uns Handlanger zu seyn am Bau des Hauses des Herrn. Ein volles Jahrzehend ist seit der Schöpfung der Anstalt in Burgdorf verflossen. Das Werk Eines Mannes nur, fast ohne Unterstützung, ohne Geld, ohne Gehülfen, ohne Zutrauen! Wie gering war der Anfang! Wie gross die Hindernisse! Wie hart die Kämpfe! Aber wie reissend schnell der Fortgang! wie wichtig der gute Wille! Wie drang die Stimme der Wahrheit durch die Völker! Wie siegreich war der Ausgang bis auf diese Stunde! Wie mussten hier immer die härtesten Erschütterungen zum Besten dienen! Ein neues Jahrzehend beginnt für unsers Vaters Unternehmung mit dem heutigen Tage. Was aus ihr werden kann, hat sich gezeigt. Die Fundamente der allgemeinen Menschenbildung sind gelegt. Noch bleibt das Schwerste und vielleicht Verdienstvollste zu thun übrig, weil es am meisten Entäusserung, Demuth, Selbstverläugnung fordert; die Anwendung auf die besondere Lage.

301 Überlieferung 1 2 5

Burgerbibliothek Bern, Mss. h.h. XII. 376, S. 15–16 Blatt, 242 x 179 mm Abschrift Textkritik

Zeuge H Sacherklärung I. Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 III. Z. 10 Z. 39

Z. 39

Z. 50

Anrede unsers Freundes: ⇒ Nr. 1214 Franklin: August Hermann Francke (1663–1727) studierte in Erfurt und Kiel Theologie, erlernte mehrere Fremdsprachen (Hebräisch, Englisch und Französisch), erwarb 1685 in Leipzig die Magisterwürde und hielt Vorlesungen. 1687 wandte er sich nach einem Bekehrungserlebnis dem Pietismus zu und übernahm 1690 in Erfurt eine Stelle als Diakon, 1692 berief man ihn zum Gemeindepfarrer von Glaucha bei Halle und zugleich zum Professor für griechische und orientalische Sprachen an der Universität von Halle. Ebenfalls in Glaucha gründete er 1695 eine Armenschule, es folgten 1696 die Eröffnung des Pädagogiums (eine Art Ritterakademie für Söhne vornehmer Familien), 1697 die Gründung einer Lateinschule, 1698 die Einrichtung einer höheren Mädchenschule (Gynäceum), 1700 die Fertigstellung eines Waisenhauses (⇒ Z. 39) und 1707 die Einrichtung einer Lehrerausbildungsanstalt. Zur wirtschaftlichen Sicherstellung seiner Stiftungen gründete Francke eine Apotheke, eine Druckerei und eine Buchhandlung. 1698 erhielt er eine Professur der Theologie, gründete 1710 zusammen mit Carl Hildebrand von Canstein (1667–1719) die Cansteinsche Bibelanstalt und 1715 wurde Pfarrer an der Ulrichskirche in Halle. Waisenhaus: Das Waisenhaus wurde zwischen 1698 und 1700 als erster Bau der Franckeschen Stiftungen mit Hilfe von Spenden errichtet. Bis zur Erstellung weiterer Bauten waren im Waisenhaus nebst Schlaf- und Unterrichtssälen auch die Buchhandlung, die Apotheke und die Druckerei untergebracht. Schöpfung der Anstalt: Im Oktober 1800 hatte Pestalozzi die Leitung des Instituts im Schloss Burgdorf übernommen, nachdem der designierte Leiter des geplanten helvetischen Lehrerseminars, Johann Rudolf Fischer (1772–1800, ⇒ Nr. 571), am 4. Mai verstorben war.

1216 a. Jean Jacques Paschoud 14. Januar 1811 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten.

302 Überlieferung 1

PSB VII, S. 196.19 Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) stammt aus Genf und hat als Buchhändler und Verleger grossen Erfolg mit französischsprachigen Büchern, so dass er 1809 eine Buchhandlungsfiliale in Paris eröffnet.

1217. Heinrich Remigius Sauerländer 15. Januar 1811 [Reg.] Sauerländer schickt Bücher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 195.25 f. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1217 a. Georg Ludwig Hurter 16. Januar 1811 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten seinen Sohn betreffend.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 196.30 f. Sacherklärung I.

Georg Ludwig Hurter (1759–1812) ist Kaufmann in Schaffhausen und besitzt vielfältige persönliche Kontakte zu Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) und Karl Ludwig Georg von Raumer (1783–1865, ⇒ Nr. 1314 a), der 1809/10 in Yverdon unterrichtet.

303 III. Z. 4

Sohn: Georg Ludwig Hurter (1795–1816) war gemeinsam mit Johann Bernhard Zündel (1791–1863) und Karl Friedrich Peyer (1797–1878, ⇒ Nr. 1313 f) 1806 der erste Zögling aus Schaffhausen in Yverdon. Er galt als gutmütig und anhänglich, aber auch als wenig begabt und willensschwach. Seinem Wunsch, Yverdon zu verlassen, entsprach sein Vater nicht, erst im Frühjahr 1811 nahm er eine Lehre im Geschäft seines Vaters auf, starb jedoch schon fünf Jahre später.

1217 b. Verlag Mohr & Zimmer 19. Januar 1811 5

[Reg.] Der Verlag Mohr & Zimmer teilt Pestalozzi mit, dass er an den Buchhändler Flick in Basel ein Paket Bücher zur Weiterleitung nach Yverdon geschickt habe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 216.21 f. Sacherklärung I.

Verlag Mohr & Zimmer ⇒ Nr. 1173

Z. 4

III. Flick: Samuel Flick (1772–1833) ⇒ Nr. 460

1218. Erziehungsrat des Kantons Zürich 22. Januar 1811 Actum 22 ten Januar 1811. 5

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Demnach wird beschlossen, Herr Pestaluz zu Iferten zu ersuchen, dass er einen seiner Methode in den Elementen der Zahl ganz mächtigen, und überhaupt zur Bedienung so zahlreicher Schulklassen tüchtigen Lehrer für Ein Jahr überlasse, durch den ein ProbeKurs in diesem Fache gemacht werden solle; unter dessen will man die Lehrstelle der Arithmetik an den 2 untern Klassen und ihren Parallelen unbesetz lassen, und die Besoldung derselben, den zu erwartenden Probe-Lehrer anweisen.

304 Überlieferung 1 5

StA Zürich, Protokoll des Erziehungsrats vom 22. Januar 1811, UU. 1.3., S. 323 Protokolleintrag Textkritik

Zeuge

H Sacherklärung I.

Als oberstes Aufsichtsorgan über sämtliche öffentlichen und privaten Unterrichtsanstalten des Kantons Zürich bestimmte der Erziehungsrat über genuin schulische Elemente wie Lehrinhalte, Lehrmethoden oder Lehrmittel. Er war erstentscheidende Instanz bei schulischen Streitigkeiten, ernannte die Schulinspektoren und war für die Prüfung und Wahl der Lehrer am Gymnasium und der Kantonsschule (mit Ausnahme der Professoren) und der Lehrer an den Primarschulen zuständig. Das Gremium setzte sich zusammen aus dem älteren der beiden städtischen Bürgermeister, zwei Mitgliedern des Kleinen Rats (⇒ Nr. 1534), dem Antistes, dem Rektor des Gymnasiums und acht vom Grossen Rat gewählten Mitgliedern weltlichen oder kirchlichen Standes sowie einem Aktuar, der vom Erziehungsrat selbst ernannt werden konnte. II. Anfang 1811 wurde die Bürgerschule einer kleineren Reorganisation unterzogen, sie erhielt eine neue Ordnung. Zudem gab es einige personelle Mutationen, so auch im Mathematikunterricht. Dass diese Stellen eine Weile unbesetzt blieben, spricht dafür, dass man der pestalozzischen Rechenmethode den Vorzug geben wollte. III. Z. 7

Lehrer: Adrian Frick (*1787) von Sennwald (Kt. St. Gallen) lebte zuerst in Basel, dann in Neuchâtel. 1805 trat er als Schüler in Pestalozzis Anstalt in Münchenbuchsee ein und siedelte mit nach Yverdon über, wo er Unterlehrer für Mathematik und Geographie wurde. Von 1811 bis 1815 unterrichtete er Arithmetik an der unteren Bürgerschule in Zürich. Frick kündigte seine Stelle, weil er dem Ruf des amerikanischen Gesandten in Paris, William Harris Crawford (1772–1834), folgte, mit ihm nach Philadelphia auszureisen. Hier verliert sich seine Spur.

1218 a. Johann Balthasar Streiff 24. Januar 1811 5

[Reg.] Streiff bezahlt die Pensionskosten für seinen Sohn und wünscht, dass dieser hauptsächlich in Mathematik ausgebildet werde.

305 Überlieferung 1

PSB VII, S. 202.27 ff. Sacherklärung I.

Johann Balthasar Streiff (1762–1828) ⇒ Nr. 876 III. Z. 4

Sohn: Konrad Streiff (1794–1825) ⇒ Nr. 876

1219. Michael Traugott Pfeiffer 29. Januar 1811 5

Herrn Herrn H . P e s t a l o z z i im Schlosse zu Iferten, K[an]t[on] Vaud Expedirt

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Lenzburg, den 29 tn Jänner, 1811 Lieber, theurer Vater! Empfangen Sie von mir den allerinnigsten Dank für alles Gute, das Sie meinem Heinrich Halder erweisen! Sie erweisen es m i r ; ich erkenne Sie darum als meinen Wohlthäter. Der Knabe mit dem weichen Herzen und den glücklichen Anlagen soll nie, – oder ich würde mich selbst verachten, – die Verdrüsslichkeiten entgelten, die ich seit einiger Zeit hier in Lenzburg erfahre. Seit in den öffentlichen Blättern so vieles gegen Pestalozzi und seine sogenannten Jünger gesalbadert und gewitzelt wird, sind auch meine Leute, die am bequemsten finden, den Zeitungsschreibern nachzudenken, mir nicht mehr so hold wie ehemals. Neckereyen und Verläumdungen haben Schär, meine Frau und mich bestimmen müssen, Lenzburg spätestens zu Ende des Julii dieses Jahrs gänzlich zu verlassen. Schmid hat mir seine – nicht «schöne, nichthumane – Erfahrungen und Ansichten geschickt. Sollte man die Schrift noch nicht bey Ihnen haben, so begehren Sie sie von mir. Er kommt, wie ich höre, im Frühling wieder in die Schweiz. Man sagt, er werde mit H[er]rn v[on] Türk in nähere Verbindung treten.

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Adieu! Von meiner Frau, von Schär, von J[un]gf[e]r Schmidt alles Herzliche an Sie, an die Mama, an Niederer und Krüsi. Mit inniger Liebe Ihr M[ichael] Tr[augott] Pfeiffer Sie werden manches schlimme gegen mich aus Lenzburg, vielleicht von H[er]rn Dekan, meinem Freunde selbst, vernehmen. Glauben Sie es nicht! Ich habe mich nicht verschlechtert.

Überlieferung 1 2 3 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 54a, Umschlag 289/1 Bogen, 240 x 194 mm leicht eingerissen Stempel LENZBURG, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 8 Z. 16 Z. 35

Vaud: lateinische Buchstaben Verdrüsslichkeiten schlimme gegen Sacherklärung I.

Michael Traugott Pfeiffer (1771–1849) ⇒ Nr. 917 III. Z. 7 Z. 13

Z. 17 f.

Z. 22

I f e r t e n : dt. Name für Yverdon Heinrich Halder: Johann Jakob Halder (1795–1831) aus Lenzburg wurde 1813 bis 1816 auf Kosten seiner Heimatstadt am pestalozzischen Institut in Yverdon zum Lehrer ausgebildet. Ab 1817 unterrichtete er in Lenzburg an der Schule seines Vaters Hieronymus Halder (1764–1833) Elementarfächer, an der Sekundarschule Geometrie, technisches Zeichnen und Gesang sowie an der oberen Mädchenschule Französisch. 1823 übernahm er das Singinstitut von Michael Traugott Pfeiffer (1771–1849, ⇒ Nr. 917). Halder leitete zudem den Orgeldienst der Stadtkirche (ab 1817). öffentlichen Blättern: Damit dürften wohl die ersten kritischen Berichterstattungen gemeint sein, die nach dem Tagsatzungsbericht vom Sommer 1810 einsetzten, in welchem die Anwendbarkeit der pestalozzischen Methode in den Volksschulen abschlägig beurteilt wurde. Schär: Rudolf Schär (1786–ev. um 1822) ⇒ Nr. 1047

307 Z. 22

Z. 25 Z. 25 f. Z. 29 Z. 30

Z. 31 Z. 31 Z. 31 Z. 36

meine Frau: Maria Elisabeth Katharina Amiet (1780–1830), Tochter eines Notars aus Solothurn, heiratete 1805 Michael Traugott Pfeiffer (1771–1849, ⇒ Nr. 917). Schmid: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Erfahrungen und Ansichten: Joseph Schmid: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen. Heidelberg 1810 H[er]rn v[on] Türk: Wilhelm Christian von Türk (1774–1846) ⇒ Nr. 653 J[un]gf[e]r Schmidt: Marie Reidel-Schmid (1794–1864), die Schwester von Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712), wirkte nach einem Aufenthalt am Töchterinstitut in Yverdon (⇒ Nr. 867) als Lehrerin in Lenzburg (Kt. Aargau), Dornbirn und Bregenz (Vorarlberg), bevor sie 1818 erneut nach Yverdon kam, wo sie sich insbesondere um die Armenerziehungsanstalt in Clindy kümmerte. 1825 folgte sie Pestalozzi auf den Neuhof, unterrichtete kurzfristig Deutsch, Englisch und Französisch an der Anstalt ihres Bruders in Paris, kehrte nach Pestalozzis Tod nach Österreich zurück und führte, nunmehr verheiratet, im vorarlbergischen Brederis einen Gastbetrieb. Mama: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 H[er]rn Dekan: Johann Heinrich Hünerwadel (1771–1831) ⇒ Nr. 923

1220. Heinrich Remigius Sauerländer 29. Januar 1811 [Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi «Schmieds Lehrbuch der Mechanik».

Überlieferung 1

PSB VII, S. 204.23 f. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084 III. Z. 4

Schmieds Lehrbuch der Mechanik: Johann Gottlieb Schmidt: Lehrbuch der Mechanik. Leipzig 1807

308 1220 a. Elisabeth Bourgeois-Terroux 29. Januar 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 203.14 f. Sacherklärung I.

Elisabeth Bourgeois-Terroux (1759–1822) ⇒ Nr. 1151 b

1221. Georg Ludwig Vogel Ende Januar 1811 5

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Mehr als Alles erfreulich und wichtig, ist mir die gütige Theilnahme, die Sie mir für meinen jetzigen Beruf und für das besondere Kunstfach bezeigen, das ich mir als mein Liebstes erwählt habe, nämlich Bilder meines theuern Vaterlandes zu malen, wo erstaunenswürdige Kraft mit Bescheidenheit und frommer Einfalt verbunden mehr als fast nirgends anders zu Hause waren. Die vorzügliche Veranlassung dieser meiner Wahl war – Ihnen darf ich es wohl gestehen – eine Art H e i m w e h , das ich bei meinem früheren Aufenthalte in W i e n hatte: ich lernte dann erst unsere Schweiz recht schätzen und lieben, als ich von ihr e n t f e r n t war! – Das viele Neue und Prächtige, was mir eine Gross- und Residenzstadt darbot, betäubte mich anfangs; aber bald waren meine vergnügtesten Stunden, wenn ich mich wieder in meinen einsamen Sommerfussreisen in die Waldstätten und das Berneroberland zurückträumte. So eine herrliche grosse Natur, dachte ich dann, fordert wahrlich ihre Bewohner auf, nie von dem edlen Geist unserer Vorfahren abzulassen. Meine liebste Lektüre war Müllers ‹Geschichte der Eidgenossen›; ich fand da Züge, die der Kunst ebenso würdig gewesen wären wie vielleicht jene aus der Zeit der Patriarchen in der Bibel; nur dass unsere Voreltern nicht in so unmittelbarem Verhältnis mit Gott standen wie jenes auserwählte Volk – aber hier wie da äusserten sich die natürlichen Tugenden und selbst die Laster mit starken Farben und sie wurden noch

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nicht wie in späteren Jahrhunderten zu dieser Charakterlosigkeit amalgamiert, die der hohen Kunst unwürdig ist, weil sie ihr keinen sprechenden Stoff geben kann. Den grellen Kontrast, den die jetzige Schweiz mit der alten macht, lernte ich mit Wehmut immer mehr einsehen; ich gab aber die Hoffnung nicht auf, dass, wenn der Himmel einem Künstler seinen Segen schenken würde und dadurch seine Bilder jenen rühmlichen Geist unserer Väter recht lebhaft in die Erinnerung zurückrufen könnten, so könnte er doch da und dort dem gänzlichen Erkalten des vaterländischen Sinnes und der Liebe der alten Tugenden etwas entgegenarbeiten. – Dies schien mir ein schöner Zweck, und so schwach meine Kräfte sind, so sah ich denn doch, dass mir nichts so sehr aus dem Herzen entstehen würde als solche Bilder, und ich suchte mich durch einige kleinere Versuche, die noch nicht eigentlich geschichtlichen Inhalts waren, in dieses Fach hineinzuarbeiten, in dem ich mich jetzt, da ich an der Urquelle der Kunst und im Angesicht der herrlichsten Muster bin, mich weiter zu bilden sehnlich wünsche. – Dieses Vorhaben billigen also auch Sie mit mehreren mir ungemein schätzenswerten Männern meines Vaterlandes. Der Schluss Ihres Briefes, dass Sie nämlich grosse Hoffnungen auf mich nähren, wird mir zwar ein steter und starker Sporn zum Weiterstreben sein; aber es ist mir zugleich demütigend, weil ich daraus deutlich sehe, dass zu nachsichtige Beurteiler Ihnen mehr müssen von mir gesagt haben als ich wahrlich verdiene; denn wenn Sie wüssten, wie ich oft traurige Stunden habe, weil sich mit jedem kleinen Schritt, den ich vorwärts thue, das hohe Ziel der Kunst von mir entfernt – und dann die Lage meines Vaterlandes, wo ich jeden Tag die Auflösung dessen erwarten muss, was mich begeistert – vielleicht selbst des Namens Schweiz! – Sie schreiben mir zwar, ich solle die Welt vergessen und der K u n s t leben, aber wenn ihre Ereignisse so schmerzhaft selbst in mein Kunstfach eingreifen – wie ist mir das möglich, wenn ich bei meinen Arbeiten immer denken muss; ach, das ist alles nicht mehr – es ist sogar bald die Möglichkeit benommen es wieder zu werden – wie soll ich glücklich bei meinen Arbeiten sein und wie sollen sie freudigen Eindruck auf andere machen können! – Bei solchen Gedanken bedarf ich wahrlich Trost, und wünsche sehr mit Ihnen, werthester Herr Pestalozzi, einmal darüber sprechen zu können. Sie wünschen so sehr alle Menschen glücklich zu wissen und würden auch mir in diesem Punkt gewiss manches Aufmunternde und manche zu meinem Zweck nützliche Idee mitteilen.

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Behalten Sie mir nur als Freund meines Vaters Ihre liebevolle Teilnahme bei, so wird es, will’s Gott, nach meiner Rückkehr möglich werden. Ich weiss nur um mir Mut zu machen nichts anderes zu sagen, als dass man nicht nur für das jetzige Geschlecht, sondern auch für f o l g e n d e soll zu wirken suchen und so sehr auch im Ganzen die Nachkommen ausgeartet seien, so sei deswegen das, was die Vorfahren Gutes und Grosses getan, nicht minder verehrenswert!

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Überlieferung Karl Emil Hoffmann: Aus dem Leben des Zürcher Malers Ludwig Vogel. Zürich 1921, S. 34–36 Textkritik

Zeuge [a] Sacherklärung I. Georg Ludwig Vogel (1788–1879) widmet sich als gelernter Zuckerbäcker der Malerei und fertigt Werke zu bedeutenden Ereignissen der Schweizer Geschichte an, etwa die Rückkehr aus der Schlacht bei Morgarten 1315, malt aber auch zahlreiche Volksszenen. 1808 geht er an die Akademie in Wien, sieht dort aber rasch keine Perspektiven mehr, wechselt 1810 nach Rom und hält sich ab 1813 eine Zeit lang in Florenz auf, bevor er – unterbrochen von zahlreichen ausgedehnten Reisen in den Schwarzwald, nach Paris oder München – in die Schweiz zurückkehrt. II. Pestalozzi war seit langem mit David Vogel (1760–1849, ⇒ Nr. 1187 a), dem Vater von Georg Ludwig Vogel (1788–1789, ⇒ Sacherklärung I.), befreundet. Vogel verfasste diesen Brief in Rom, wo er auch Kontakt zu der Familie Hofmann pflegte (⇒ Nr. 1202). III. Z. 17

Z. 20 f. Z. 46

Waldstätten: Mit diesem Namen wurden die drei Kantone der Urschweiz (Uri, Schwyz, Unterwalden) bezeichnet. Seit dem 15. Jahrhundert wurde auch der Kanton Luzern dazu gezählt. Müllers: Johannes von Müller: Geschichten Schweizerischer Eidgenossenschaft, 6 Bände. Winterthur 1786–1825 Ihres Briefes: PSB VII, Nr. 2340

311 1221 a. Louis-Elie Luquiens Anfang Februar 1811 [Reg.] Bücherlieferung.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 205.17 Sacherklärung I.

Louis-Elie Luquiens (1765–1830) aus Juriens (Kt. Waadt) eröffnet um 1790 an der Rue de Bourg in Lausanne eine Buchhandlung, verlegt selbige 1792 an die Place Saint-François und ist zumindest eine Zeit lang auch als Herausgeber aktiv. Unter dem Namen Luquiens cadet führt auch Louis-Elies Bruder Jean-François Luquiens (1768–1836, ⇒ Nr. 1348 f) an der Rue Saint-François einen Buchhandel, dem ein cabinet de lecture angegliedert ist; wie lange die beiden Büchereien bestanden, ist unklar, Jean-François scheint bis 1819 im Geschäft geblieben zu sein, während sich sein Bruder, Luquiens l’ainé, zumindest als Verleger schon früher zurückgezogen haben dürfte.

1222. Johannes von Muralt 1. Februar 1811 St. Petersburg den 1 ten Februar 1811. 5

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Theüerster H[er]r Pestalozzi und Freünde. So wie ich nach Nachrichten aus der Schweiz im Allgemeinen, Tag u[nd] Nacht mich vergebens sehne, so besonders auch nach solchen von Ihnen: man spielt mir arg mit!! Wie es Ihnen, Ihrer Familie u[nd] dem Institut geht, was Sie für Aussichten, Hoffnungen u[nd] Besorgnisse haben, wie Ihre Angelegenheiten stehen, welchen Fortgang die gute Sache, besonders in ihrer erwünschten Entwicklung, habe, das zu wissen liegt mir eben so sehr am Herzen, als mir irgend etwas, das mich selbst angeht, nahe liegen kann. – Von Schmids Unternehmungen habe noch nichts erfahren, s[eine] Schrift auch noch nicht erhalten; aber eine, herzerquickende Anzeige davon, so wie von s[eine]r Trennung von Ihnen, in der Berliner Zeitung von Himly, gelesen, ganz zu Ihren Gunsten, diesen Artikel habe ich nicht gelesen, s[on]d[e]rn verschlungen. Auch las ich etwas darüber in der Zeitung für die ele-

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gante Welt. – Vernehmen Sie nun, was ich, Ihre Sache betrefend u[nd] überhaupt in Rücksicht auf das Erziehungs[-] u[nd] Unterrichtswesen, Ihnen ferner mitzutheilen habe. – auch von Ewald üb[er] Schmid kenne: Schröter von Königsberg schreibt mir, dass Zeller nun seine Filialschulen besucht u[nd] untersucht; u[nd] hernach ein neues Mutterinstitut beginnen wird; dass ein Pfarrer an Zellers Stelle, in Verbindung mit Grieb, das Königsbergerinstitut dirigirt u[nd] zwar mit Erfolg; dass man in Zukunft nur Knaben, die das 14 te Jahr zurückgelegt haben, darinn und überhaupt in die Mutterinstitute aufnehmen werde, weil diese jungen Schulmeister von 10 und unter 10 Jahren schon zu viel gelernt haben, u[nd] man nichts mit ihnen anzufangen wisse, da sie doch noch nicht à la Zeller zu Schulmeistern angestellt werden können; dass in Königsberg niemand mehr sich so weit erniedrige, über die Anstalt zu sprechen. – Asmus hat grosse Lust, wieder nach Yverdon zurückzukehren, weil er Ihre Anstalt für den einzigen Platz hält, wo man sich zum Schulmeister ausbilden könne; u[nd] weil er nun einsieht, dass er sie damals als solche hätte benutzen sollen. S[eine] Schule geht, s[eine]r Aussage nach, gut; er thut sehr wohl daran, sich auf wenige, u[nd] zwar einzig die Elementarfächer einzuschränken, was überhaupt, meiner Meinung nach, gegenwärtig jeder noch thun sollte, der als pestalozzischer Lehrer auftreten will. Seine Eitelkeit findet hinlängliche Aufmunterung u[nd] Anspornung in dem Beyfall der Professoren, u[nd] in der Neügierde der Eltern. Vermuthlich hat er nun an Sie selbst geschrieben; ich habe ihm noch nicht geantwortet, weil ich ihm nichts von Ihnen zu sagen hatte. Allmählig eröffnet sich auch für mich eine neüe Sphäre für mein Lieblingsgeschäft, welches zu betreiben auch in diesem kalten u[nd] rohen Lande, wie Sie wissen, einer meiner Hauptabsichten war bey der Auswanderung; es fängt mich wirklich an zu drängen, dem hiesigen Publikum zu beweisen, dass ich Ihnen angehöre. Nun finde ich aber bey der Ausführung derselben weit mehr Schwierigk[ei]ten als ich mir anfänglich gedacht hatte. Um etwas für die Russen wohlthätiges im Unterrichtswesen zu begründen, muss es in russischer Sprache geschehen, die erlernen will ich nun. – Ich allein, ohne Gehülfen, werde kaum im Stande seyn, etwas ganz Befriedigendes, Vollständiges u[nd] Ihrer Würdiges aufzustellen. – Bey Unternehmungen von der Art kömmt man hier mit den vielerley Kaiserl[ichen] Erziehungsinstituten in Beziehung u[nd] Collision, u[nd] alle gleichen dem nachher zu beschreibenden. – Der hiesige Geist u[nd] die Denkungsart über diesen Gegen-

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stand ist äusserst verdorben u[nd] verkehrt. – Der Sinn für Volksschulen ist noch gar nicht geweckt u[nd] gereift. Die ganze Ansicht des M[en]schen ist noch illiberal u[nd] sklawisch. – Man findet keine Unterstützung u[nd] Beystand unter dem lehrenden Personal, etc. etc. – – Kotschubey hat mich sehr gut aufgenommen u[nd] Ihnen herzlich nachgefragt: Ihren Brief durfte ich ihm nicht übergeben, weil er vertolgt war u[nd] deütsch geschrieben. Nun bitte ich Sie, ihm einen andern französisch zu schreiben, ihm darinn für s[ein] Intresse, das er an der Sache u[nd] an mir nimmt zu danken, mich ihm ferner als Ihren Freünd zu empfehlen, u[nd] ihm ihre Wünsche, die Sache betrefend, von neuem auszudrücken. S[eine] Adresse ist: à Son Excellence – Monsieur le Comte Kotschubey – weiter nichts. Er hat jtzt keine andere Anstellung als im Staatsrath: er ist meistens unpässlich. Ich gebe nun s[eine]r Gouvernante Unterricht u[nd] Anleitung in der Methode; sie ist ein Zögling von Picard, u[nd] eine geistreiche Frau. Der Graf zählt sehr auf den Erfolg des mathematischen Unterrichts nach der Methode, weil das, nach den neüern Sprachen, der einzige Unterrichtsgegenstand sey, dem man allgemein Werth beylege in den öffentlichen Anstalten, u[nd] weil der Russe mit besondrer Leichtigkeit die mathematischen Wissenschaften lerne, diess letztere bestätigt mir auch General Klinger, Chef vom Cadettenkorps. Kotschubey meinte, ob man Schmid nicht nach Russland ziehen könnte? – Offenbar ist’s, dass ich in jedem Fall einen Gehülfen haben müsste, der im mathematischen u[nd] Zeichnen sehr geübt wäre, z[um] B[eispiel] wie Ramsauer: natürlich kann ich nie darauf zählen, dass Sie mir einen Ihrer Gehülfen abtreten könnten, allein, sollte allenfalls irgend einer sonst austreten, so würde ich Sie ersuchen, mir ihn, wo möglich, im Fall er für mich brauchbar seyn könnte, in Beschlag zu nehmen. Jeden könnte ich zwar nicht brauchen u[n]d placiren, indem man hier viel Ansprüche macht an einen Lehrer, obschon sie selten was taugen, u[nd] man selbst nicht versteht, was man von Lehrern verlangen sollte, übrigens bliebe dann s[eine] Versorgung meine Sache: ich würde einen Gehülfen in eine solche Lage setzen, dass s[ein] Fortkommen mit dem Meinigen immer im gleichen Verhältniss stünde; so dass das, was ich unternehme, eben so gut s[ein] Eigenthum würde, als das Meinige. – Der Graf sagte, er habe manchmal daran gedacht, ob man nicht dem H[errn] Pestal[ozzi] junge Leüte zum Ausbilden zu Schulmeist[e]rn von Russland in s[ein] Institut schicken könnte, allein nun sey er überzeügt, dass das nicht möglich sey, weil sie noth-

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wendig müssten in ihrer Landessprache unterrichtet werden, u[n]d überhaupt sey die Entfernung zu gross. Er meint, ich sollte mich im Padagogischen Institut anstellen lassen, worinn auch Lehrer gebildet werden – allein das ist eine so unzweckmässige, u[nd] übel eingerichtete Anstalt, dass ich mich nie darauf einlassen werde. Nein, ich will auch trachten, so unabhängig u[n]d frey als möglich zu bleiben, im Kleinen u[nd] Stillen etwas Solides vorzubereiten u[nd] zu begründen suchen. Dazu, meine ich, könnte mich bringen folgendes: wenn ich eine kleine Privatschule von 12 Knaben auf meine Rechnung u[n]d Verantwortung, Kinder aus mir bekannten Häusern genommen, errichtete; in dieser suchen würde, den ganzen Unterricht, nach der Methode zu organisiren; dann der Regierung den Vorschlag machte, mir 3–4 Erwachsne Lehrer zu übergeben, die dem Unterricht, den ich den Kindern gebe, beywohnen müssten, u[n]d noch zudem täglich 1 Stunde besondern Unterricht von mir erhielten. Diese Lehrer blieben ein Jahr in meiner Schule, dann würde man jedem derselben eine kleine Anzahl Elementarschullehrer nebst einer Schule von Kindern übergeben, die sie zu besorgen hätten –: nach dem Austritt der 4 Ersten bekäme ich dann fürs 2 te Jahr 4 andere u.s.f. – So scheint mir könnte vielleicht der Anfang, für mich u[n]d für die Sache, am vortheilhaftesten gemacht werden. Noch habe ich k[einen] Vorschlag gemacht, indem ich mit der grössten Vorsicht zu Werk gehen will. Kotschubey scheint die Einführung der Methode u[n]d m[eine] Anstellung zu Herzen zu nehmen; er verschaffte mir, in dieser Absicht, die Bekanntschaft des Ministers der Wissenschaften Rasumofsky, und des nun bedeütendsten Staatsmanns, des Staatssekretärs Speransky; beide haben lange Unterredungen mit mir gehalten, u[nd] mir versprochen mich ferner anzuhören. – Alle solche Dinge ziehen sich aber hier sehr in die Länge, indem noch nichts recht reglirt ist. Beide scheinen sehr frappirt von dem was ich Ihnen in der ersten Unterredung sagen konnt, u[n]d zweifeln nicht an der möglichen Einführung dieser Unterrichtsreform, auch als Erziehungsidee schien sie ihnen höchst wichtig. Speransky sagte «das müsste bey uns einen grossen Schritt vorwärts machen. Es ist ganz sicher, dass bisher noch keine allgemeine Erziehungsmethode aufgestellt worden, weil jede angenommene mit der Zeit, in der sie entstanden auch wieder gefallen ist». Ihm erschien diese Methode besonders wichtig, im Verhältniss zur blossen Memorisirmethode, die hier so allgemein eingeführt ist, das ist auch eine Erbsünde von den Franzosen, die gar nichts anders kennen für den Volksunterricht, bis in den höhern Wissen-

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schaften ihre so genannte Analyse angewandt werden kann! Speransky sprach im Lauf der Unterredung u[n]d Darstellung auch noch folgende Worte: «Nach dieser Methode werden die Mütter, welche darnach erzogen worden, wahre philosoph[isch]e Lehrerinnen. Das Kind geht so immer einen sichern Gang u[nd] bringt selbst hervor, was man sonst nur s[eine]m Gedächtniss eingeprägt hat. Das Kind muss Achtung für den Lehrer bekommen der so zu unterrichten weiss, weil ihm der Unterricht eine Wohlthat ist; der Lehrer muss das Kind auch besser behandeln lernen. Diese Art zu rechnen ist eine philosophische Algebra. Wir haben in Russland noch keine National Cultur.» Rasumofsky. Bey ihm musste ich folgende Fragen beantworten: Was ist Pestal[ozzi] für ein Mann? Worinn besteht das Charakteristische s[eine]r Methode? Glauben Sie, dieselbe wäre anwendbar in einem Lande, wie das unsrige? Warum hat er so viele Gegner gefunden? Sind schon andere Anstalten der Art u[n]d mit welchem Erfolg errichtet? Mich wundert, dass nicht irgend ein Gelehrter darüber geschrieben hat, u[n]d das G[an]ze in einem System dargestellt hat, da Pestal[ozzi] selbst, in s[eine]m prakt[ischen] Wirkungskreis nicht Zeit dazu haben wird? Was sind für Zöglinge aus s[eine]r Anstalt hervorgegangen? – Beide wollten gleich von mir vernehmen, was ich zu einem Versuch für Vorschläge machen könnte? Allein ich hielt das Erstemal noch bedächtlich im Rückhalt – Ich will erst sehen, wie sie sich weiter benehmen. Unterdessen orientire ich mich in allen öffentlichen Anstalten. – Eben komme ich aus dem kaiserl[ichen] Fräuleinkloster, worinn 400 adelige u[n]d 300 bürgerliche Töchtern vom 8 ten bis zum 17 ten Jahr auf Unkosten der Krone, grösstentheils, erzogen werden. Der Unterricht wird gegeben von Lehrern; dieser ist unter aller Critik, planlos, oberflächlich u[n]d gar nicht für das weibliche Geschlecht berechnet; sie lernen unter anderm Physik, Geometrie, histor[ische] Gemählde abkonterfeyen, 3 Sprachen auf einmal fast alles memorisirend, sogar die Logik u[n]d die Grammatik sagen sie auswendig her, so den Katechismus, wie bey uns, im Canton Bern, hingegen lernen die adelichen keine andern weiblichen Arbeiten u[n]d Fertigkeiten, als Luxusbeschäftigungen, Klavierspielen, d[as] h[eisst] klimpern, brodiren etc. denn sie haben immer Arbeiten für die Kaiserinn Mutter im Vorrath zu machen, Teppiche zu durch nähen mit Blumen u[n]d andr[e]n Alfanzereyen, Überzüge über Stühle u[n]d was dergleichen Dinge mehr sind, die man am Hof braucht. Während dem Unterricht hält immer die inspectrice die Aufsicht, u[n]d in den andern Stunden hat jede Abtheilung eine Klassendahme zur Erzieherinn; diess weibliche

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Personal ist gleich den Lehrern höchst mittelmässig u[n]d gewöhnlich weil sie schlecht bezahlt sind. Über das Ganze ist eine Generalin gesetzt, eine verständige, kraftvolle Frau. – Alle sind gleich gekleidet; in einer Klasse hält man bis 50 zusammen, die Einth[ei]l[un]g geschieht nach dem Alter, in jeder Klasse bleibt jede Tochter eine bestimmte Zeit. Herausgehen dürfen sie nicht, die Eltern aber können sie alle Sonntag im Versammlungssaale besuchen. Für Herzensbild[un]g u[n]d die weiblichen Tugenden wird nichts besonders gethan, die Religion nur als strenge Formel vom Popen gelehrt, fürs freye, gesellschaftliche Leben u[nd] die häuslichen Besorgungen sind gar keine Anstalten in diesem Ersten kaiserl[ichen] Erziehungshause getroffen. Die Annahme der Zöglinge geschieht alle 3 Jahre durchs Loos aus dem ganzen Reich. Die Reinlichkeit u[nd] die äussere Decenz sind aufs höchste Raffinement getrieben, wie überhaupt in allen hiesigen öffentlichen Anstalten. Das Ganze hat ein steifes u[n]d gezwungnes Ansehen. – Die Lebensart ist streng. – Wenn irgend ein bedeütendes Werk über die Methode erscheinen sollte, das nicht zu meiner Kunde käme, welches sehr oft der Fall seyn wird, so bitte den H[er]r Niederer, dass er den H[er]r Buchhändler Schiegg in Leipzig durch die Orells u[n]d Füssly in Zürich aufford[e]rn lasse, es mir zu schicken. Hat er’s gehört, H[er]r Niederer?

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 250/10 Bogen, 236 x 191 mm späterer Besitzvermerk Gehört H[err]n Oberst Pestalozzi, P’s Urenkel Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 5 Z. 17 Z. 22 f. Z. 22 Z. 23 Z. 24 Z. 24 Z. 26 Z. 27 Z. 32

Petersburg: lateinische Buchstaben Pestalozzi: lateinische Buchstaben Berliner Zeitung auch von Ewald üb[er] Schmid kenne: ∫ Ewald: lateinische Buchstaben Schmid: lateinische Buchstaben Schröter: lateinische Buchstaben Zeller: lateinische Buchstaben Zellers: lateinische Buchstaben Grieb: lateinische Buchstaben à la Zeller: lateinische Buchstaben

317 Z. 35 Z. 35 Z. 60 Z. 64 Z. 67 Z. 70 Z. 74 Z. 76 Z. 78 Z. 84 Z. 84 Z. 85 Z. 87 Z. 88 Z. 93 Z. 101 Z. 106 Z. 122 Z. 122 f. Z. 127 Z. 130 Z. 131 Z. 137 f. Z. 139 Z. 142 Z. 143 Z. 146 Z. 146 Z. 146 Z. 147 Z. 155 Z. 156 Z. 157 Z. 163 Z. 176 Z. 179 Z. 183 Z. 183 f. Z. 186 Z. 195 f. Z. 207 Z. 208 Z. 208 Z. 208 Z. 210

Asmus: lateinische Buchstaben Yverdon: lateinische Buchstaben Collision: lateinische Buchstaben illiberal: lateinische Buchstaben Kotschubey: lateinische Buchstaben französisch ∫ à Son Excellence – Monsieur le Comte Kotschubey: lateinische Buchstaben Gouvernante: lateinische Buchstaben Picard: lateinische Buchstaben Klinger: lateinische Buchstaben Cadettenkorps. Kotschubey: lateinische Buchstaben Schmid: lateinische Buchstaben mathematischen: lateinische Buchstaben Ramsauer: lateinische Buchstaben placiren: lateinische Buchstaben Pestal[ozzi]: lateinische Buchstaben Padagogischen: lateinische Buchstaben zu ∫ der 4 Kotschubey: lateinische Buchstaben Rasumofsky: lateinische Buchstaben Speransky: lateinische Buchstaben Speransky: lateinische Buchstaben allgemeine ∫ wichtig, im Memorisirmethode: lateinische Buchstaben ihre so genannte ∫ eigentlich: ihre so genannte die Analyse Analyse: lateinische Buchstaben Speransky: lateinische Buchstaben Algebra: lateinische Buchstaben National ∫ Cultur.» Rasumofsky: lateinische Buchstaben Pestal[ozzi]: lateinische Buchstaben Pestal[ozzi]: lateinische Buchstaben abkonterfeyen, 3 Canton Bern: lateinische Buchstaben durch ∫ Alfanzereyen: lateinische Buchstaben inspectrice: lateinische Buchstaben besonders ∫ Niederer: lateinische Buchstaben Schiegg: lateinische Buchstaben in Leipzig ∫ Orells: lateinische Buchstaben Niederer: lateinische Buchstaben

318 Sacherklärung I. Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 II. Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610), der 1810 eine Stelle als reformierter Pfarrer in St. Petersburg angetreten hatte, berichtete regelmässig in langen Briefen von seinem Leben in Russland. III. Z. 14

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Schmids Unternehmungen: Nachdem Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) Yverdon im Juli 1810 verlassen hatte, arbeitete er in seiner vorarlbergischen Heimat an einer kritischen Schrift zum Institut. Pestalozzi erwähnte dieses Vorhaben und das schliesslich im November 1810 publizierte Buch (⇒ Z. 15) gegenüber Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) in mehreren Briefen (PSB VII, Nr. 2233, Nr. 2269, Nr. 2408), weshalb anzunehmen ist, dass jener hier auf diese Angelegenheit Bezug nimmt. Schrift: Joseph Schmid: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen. Heidelberg 1810 Anzeige: Diese Anzeige konnte weder in der Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen noch in der Neuen Berlinischen Monatsschrift gefunden werden. Himly: Johann Friedrich Wilhelm Himly (1769–1831) ⇒ Nr. 637 etwas: Karl Gottlieb Horstig: Ueber Pestalozzi. In: Zeitung für die elegante Welt, Nr. 251, 17. Dezember 1810, S. 1993–1996 Ewald: Johann Ludwig Ewald (1748–1822) ⇒ Nr. 529 Schröter: Friedrich Leopold von Schrötter (1743–1815) ⇒ Nr. 992 schreibt mir: scheint nicht erhalten zu sein Zeller: Karl August Zeller (1774–1846) ⇒ Nr. 656 Pfarrer: Johann Christoph Benecke (1774–1842) aus Gardelegen (SachsenAnhalt) war seit 1800 Diakon in Zossen (Brandenburg) und wurde Anfang 1811 neuer Direktor des Instituts in Königsberg. Bereits 1812 verliess er das Institut wieder, um Pfarrer in Schönerlinde (Brandenburg) zu werden. Grieb: Johann Georg Grieb (1787–1823) ⇒ Nr. 1015 Asmus: Martin Asmuss (1784–1844) arbeitete in Handelshäusern seines Bruders in Lübeck und Riga und liess sich ab 1805 zum Lehrer ausbilden, unter anderem durch ein Studium im estnischen Tartu (Dorpat), wo er nach einem Aufenthalt in Yverdon 1809/10 in den Jahren bis 1817 an der Töchter- und Kreisschule unterrichtete. Anschliessend wurde er Syndicus (Anwalt) an der Universität Tartu. S[eine] Schule: Nach der Rückkehr aus Yvderon gründete Martin Asmuss (1784–1844, ⇒ Z. 35) 1810 eine Privatlehranstalt, die bis in die 1820er-Jahre hinein bestand. Kotschubey: Viktor Pawlowitsch Kotschubey (1758–1834) ⇒ Nr. 1007 Ihren Brief: Schon in seinem Brief vom 3. November 1810 (⇒ Nr. 1189) sprach Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) von einer Adresse Pestalozzis an Viktor Pawlowitsch Kotschubey (1758–1834, ⇒ Nr. 1007), die er sich wegen zu starker «Vertolggung» nicht auszuhändigen traute. Vermutlich hat Pestalozzi einem Brief an Muralt im Herbst 1810 ein Schreiben für Kotschubey beigelegt, das aber offenbar nicht erhalten ist. Muralt bit-

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Z. 76 Z. 78 Z. 84 Z. 88 Z. 106

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Z. 131 Z. 170 f.

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tet Pestalozzi im Januar 1812 nochmals, einen Brief an Kotschubey zu schreiben (⇒ Nr. 1304), Pestalozzi verspricht, dies zu tun (PSB 8, Nr. 1965), erhalten ist aber auch davon nichts. s[eine]r Gouvernante: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Picard: Damit könnte (François-Ferdinand) Gabriel Pichard (1753–1809, ⇒ Nr. 799) gemeint sein. Klinger: Friedrich Maximilian von Klinger (1752–1831) ⇒ Nr. 721 Ramsauer: Johannes Ramsauer (1790–1848) ⇒ Nr. 1525 Padagogischen Institut: Basierend auf einer 1783 von der russischen Zarin Katharina II. (1729–1796) gestifteten Hauptvolksschule mit Lehrerseminar, das 1803 zum «Institut für Lehrerbildung» wurde, bestand das Pädagogische Institut unter diesem Namen seit 1804. Es bezog sein Lehrpersonal vorwiegend aus dem Ausland, wurde 1816 in «Pädagogisches Hauptinstitut» umbenannt und 1819 zur Universität umgestaltet. Rasumofsky: Alexei Razumovsky (1748–1822), Spross einer ukrainischstämmigen Adelsfamilie, begann nach Studien im Ausland eine Karriere als russischer Höfling, wandte sich aber bald botanischen Projekten zu und unterhielt auf seinem Gut Gorenky in der Nähe von Moskau Gartenanlagen von Weltruhm. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kehrte er in den Staatsdienst zurück, wurde 1807 als Kurator der Universität Moskau eingesetzt, amtete von 1810 bis 1816 als Erziehungsminister und gründete später eine eigene Wissenschaftsgesellschaft in Gorenky. Speransky: Michael von Speransky (1772–1839) ⇒ Nr. 1189 kaiserl[ichen] Fräuleinkloster: Auf Initiative von Katharina II. (1729–1796) wurde 1764 im Smolny-Auferstehungskloster bei St. Petersburg eine Erziehungsanstalt für adlige Mädchen gegründet, welcher ein Jahr später ein Institut für bürgerliche Töchter angegliedert wurde. Die bald als SmolnyInstitut bekannte Einrichtung legte den Grundstein für die höhere Mädchenbildung in Russland und bestand bis 1917. brodiren: sticken, einfassen, ausnähen (brodieren) Kaiserinn Mutter: Maria Feodorowna, Zarin von Russland (1759–1828) wuchs als Sophia Dorothea von Württemberg in Trzebiatów (Treptow, Westpommern) und Montbéliard (Franche-Comté) auf. Sie heiratete 1776 den russischen Thronfolger Paul (1754–1801, ⇒ Nr. 520) und war während dessen Regentschaft von 1796 bis 1801 Zarin von Russland. Nach Pauls Ermordung ging der Zarentitel an den gemeinsamen Sohn Alexander (1777–1825, ⇒ Nr. 520) über, und Maria Feodorowna widmete sich als Zarin Mutter fortan verschiedenen Bildungs- und Wohltätigkeitseinrichtungen. Alfanzereyen: Gaukelei, Possenreisserei inspectrice: Inspektorin (frz.) Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Buchhändler Schiegg: Johann Balthasar Schiegg (1754–1830) ⇒ Nr. 1363 a Orells u[n]d Füssly: ⇒ Nr. 1317 b

320 1223. Jakob/Jean Jacques Witz 3. Februar 1811 5

Monsieur Monsieur Pestalozzi Yverdon Cernay le 3 Fevrier 1811.

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Respectable Monsieur et Amy! Si jamais cher Monsieur Pestalozzi j’ai eu besoin d’amis pour me consoler, c’est dans ce moment cruel, ou la Providence, Surement injuste vient de nous arracher notre cher Pere des Bras par un Coup d’appoplexie, il est mort 4 heures après le coup sans pouvoir dire adieu à son Epouse, respectable et chérie de lui et de ses Enfants ni de nous qu’il aimait comme bon et même le meilleur Père du Monde. Cher Monsieur et bien aimé Consolateur écrivez moi par 1 er Courrier q[uel]q[ues] Mots pour me donner du Courage à Supporter la plus grande Perte que j’ai pu faire pendant ma Vie, et qui n’est pas à reparer. – Je Vous prie S[’il] V[ous] P[lait] de faire part de mon malheur à mon cher Ami Monsieur Niederer et à tous ceux qui m’aiment. – Etant au Désespoir j’espère que Vous me pardonerez mon griffonage, et ma Lettre tout à fait en désordre, La vie m’est à charge si-tot que je pense que je n’ai plus de Père, o Dieu je n’ai plus de Père, et suis encore si jeune. Je suis perdu à jamais et malheureux pour le reste de mes Jours. – Soyez cher Monsieur mon Second Père et rendez moi Homme par vos vertus que je pourrai prendre de vos Lettres. Adieu adieu, le plus malheureux du monde Vous embrasse, et reste à jamais v[otr]e Fils et Ami. Mon cher Père n’avoit que 49 ans. J[a]ques de J[ea]n Witz remettez S[’il] V[ous] P[laît] ce Billet à François Edouard Bonnet.

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ZB Zürich, Ms Pestal 55a/56, Umschlag 392/1 Bogen, 255 x 202 mm leicht defekt

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Stempel CERNAY, Siegel, Dorsualvermerk Cernay le 3e Fevrier 1811. J[acque]s de J[ea]n Witz, R[épondu] 6. dit, Beantwortet den 15ten Febr[uar] Original Textkritik

Zeuge H Z. 11 Z. 12 Z. 12 Z. 14 Z. 14

cher d’appoplexie pouvoir ∫ nous qu’il meilleur Père Sacherklärung I.

Jakob/Jean Jacques Witz (1791/93–1855) aus Cernay (Sennheim) im Oberelsass ist von 1807 bis 1809 Zögling im pestalozzischen Institut in Yverdon. 1820 heiratet er Sophie König (1799–1889), mit der er drei Kinder bekommt. Witz ist wie sein Vater Jean Witz (1762–1811, ⇒ Z. 11) Fabrikant von Indiennestoffen. II. Jakob/Jean Jacques Witz (1791/93–1855, ⇒ Sacherklärung I.) informiert mit diesem Brief das Institut in Yverdon, dass sein Vater überraschenden an einem Gehirnschlag verstorben sei. III. Z. 7 Z. 11

Z. 13 Z. 21 Z. 32

Cernay: Gemeinde im Elsass Pere: Jean Witz (1762–1811) aus Cernay (Sennheim, Elsass) heiratete 1782 Anna-Catherine Schmerber (1759–1827, ⇒ Z. 13), wurde Vater von sieben Kindern, wobei zwei früh verstarben, und war Fabrikant von Indiennestoffen. Epouse: Anne-Catherine Schmerber (1759–1827) aus Mulhouse heiratete 1782 Jean Witz (1762–1811, ⇒ Z. 11). Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Bonnet: François Edouard Bonnet (*1795), von 1809 bis 1811 Schüler am pestalozzischen Institut in Yverdon, war Offizier der neuenburgischen Miliz und seit 1828 mit Julie Cécile Augustine Lardy verheiratet, mit der er drei Kinder hatte: Cécile-Mina (*1830), François-Alfred (*1831), Augustine Henriette Elisa (*1834). Möglicherweise lebte er später in Mulhouse.

1223 a. Josef Anton Kuen 5. Februar 1811 [Reg.] Kuen erkundigt sich, ob Pestalozzi erwachsene Zöglinge aufnehmen könne.

322 Überlieferung 1

PSB VII, S. 205.6 ff. Sacherklärung I.

Beim Schreiber dürfte es sich vermutlich um Josef Anton Kuen (*1772) aus Immenstadt im Allgäu handeln, der möglicherweise 1798 Mitglied der Immenstädter Theatergesellschaft ist und 1810 in Mellingen (Kt. Aargau) zum Lehrer gewählt wird.

1224. Heinrich Remigius Sauerländer 5. Februar 1811 5

[Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi ein Exemplar von Curths «niederländischem Revoluzions-Krieg», sowie das «Winterthurer Lesebuch».

Überlieferung 1

PSB VII, S. 208.20 ff. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

Z. 5 Z. 5

III. Revoluzions-Krieg: Karl Curths: Der Niederländische Revolutionskrieg im 16 und 17ten Jahrhundert. Leipzig 1808 Winterthurer Lesebuch: Lesebuch, 3 Bände. Winterthur 1792

1224 a. Frédéric Brandt-Robert 7. Februar 1811 5

[Reg.] Brandt vermutet, dass sein Sohn keine Fortschritte mehr mache und kündigt an, dass er ihn zum Ende des Trimesters von der Schule nehmen werde.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 206.19 ff.

323 Sacherklärung I. Frédéric Brandt-Robert (1771–1837) ⇒ Nr. 1152 b III. Z. 4

Sohn: Louis Brandt (1800–1866) ⇒ Nr. 1152 b

1224 b. Anna Barbara Eckenstein-Läderich 9. Februar 1811 5

[Reg.] Frau Eckenstein schickt ein Paket Münzen und lässt ihrem Sohn einen Auftrag ausrichten. Zudem erkundigt sie sich, ob die Leintücher angekommen seien.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 206.2 ff. und S. 210.5 Sacherklärung I.

Anna Barbara Eckenstein-Läderich (1766–1835) aus Basel ist mit dem Handelsmann Johann Caspar Eckenstein (1775–1842) verheiratet. Ihr Haus am Marktplatz 12 in Basel wird 1828 verkauft.

Z. 4

III. Sohn: Jean Gaspard/Karl Eckenstein (1800–1879) aus Basel war 1809 während kurzer Zeit Schüler in Yverdon. Über den weiteren Lebenslauf ist nichts weiter bekannt.

1224 c. Wilhelm Haas 11. Februar 1811 5

[Reg.] Haas kündigt an, dass er seinen Sohn auf «künftiges Frühjahr» zurückziehen werden und ihn mit Gemuseus und Birmann werde reisen lassen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 208.5 ff.

324 Sacherklärung I. Wilhelm Haas (1766–1838) ⇒ Nr. 709 III. Z. 4

Z. 5

Z. 5

Sohn: Karl Eduard Haas (1801–1853) aus Basel lernte im väterlichen Geschäft in Münchenstein (Kt. Basel-Landschaft) Schriftgiesser und Buchdrucker. Ab 1830 führte er die Haassche Schriftgiesserei zusammen mit seinem Bruder Georg Wilhelm (1792–1853) weiter. Karl Haas blieb unverheiratet. Gemuseus: Wilhelm Gemuseus (1798–1862) besuchte von 1808 bis 1811 die pestalozzische Anstalt in Yverdon. Später war er Handelsmann in seiner Heimat- und Geburtsstadt Basel. Gemuseus heiratete 1825 Rosina Frei (1806–1856) und 1857 in zweiter Ehe Charlotte Respinger (*1828). Birmann: Wilhelm Birmann (1794–1830) wurde von seinem Vater Peter Birmann (1758–1844) in dessen Atelier für Kunst- und Flachmalerei zum Maler und Zeichner ausgebildet und war anschliessend im familieneigenen Unternehmen tätig, das auch als Ausbildungsstätte für junge Künstler diente und einen erfolgreichen Kunstverlag betrieb. Birmann verstarb an Tuberkulose.

1224 d. Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann Februar 1811 5

[Reg.] Frau Sturz denkt darüber nach, ihren Sohn aus dem Institut zu nehmen, auch weil sie unsicher ist, ob die Ausbildung auch für ältere Kinder geeignet sei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 214.17 ff. Sacherklärung I.

Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann

Z. 4



Nr. 1171

III. Sohn: Friedrich/Fritz Sturz (1796–1879) ⇒ Nr. 1171

325 1225. Heinrich Remigius Sauerländer 22. Februar 1811 5

[Reg.] Sauerländer schickt Pestalozzi einen Brief mit einer Rechnung für bestellte Bücher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 231.14 f. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1226. Jakob/Jean Jacques de Witz 24. Februar 1811 Sennheim den 24 Février 1811. 5

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Viel geliebter Herr Pestalozzi! Ach, guter Vater, nicht nur in dem Unglück, denke ich an Sie, sondern auch in freud[ig]en Stunden; das Andenken an Sie erhebt mich immer sehr, u[nd] giebt mir jetzt Kraft mein Unglück besser zu ertragen, oh wär ich des Morgens u[nd] Abends wenn Sie mit Ihren Zöglingen bethen bey Ihnen, oh wie könnten Sie mich trösten, aber ich überlasse mich von jetzt an dem Schicksal sehr ruhig, u[nd] hoffe auf Gott, der mich nicht verlassen wird; denn er verlässt ja keinen Vogel er giebt ihnen Nahrung, also wird er mich auch ernähren, u[nd] lieben, aber doch bey dem Gedanken dass ich keinen Vater mehr habe, blutet mir das Herz u[nd] wünscht sich bey ihm. Denn Gott ist mein Zeuge, dass ich willig, unter den schrecklichsten Martern mein Leben aufgeopfert hatte um ihn meiner lieben Mutter u[nd] Geschwisterten zu erhalten auch meine Geschwisterten hatten es gerne gethan, denn sie seyn alle mit einem englischen Herzen begabt. Ich nenne Sie Vater, wollen Sie meinen zweyten seyn, ja Sie sind es schon.

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Ich ende lieber Vater u[nd] küsse Sie so wie die gute Frau Pestalozzi herzlich. Ihr ergebener Sohn. J[a]ques de J[ea]n Witz. Schreiben Sie mir, ich bitte Sie bald wieder.

Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 55a/56, Umschlag 392/2 Blatt, 202 x 128 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 23 f.

Pestalozzi: lateinische Buchstaben Pestalozzi: lateinische Buchstaben Sacherklärung I.

Jakob/Jean Jacques de Witz (1791/93–1855) ⇒ Nr. 1223 II. Am 3. Februar 1811 hatte Jakob/Jean Jacques de Witz (1791/93–1855, ⇒ Nr. 1223) Pestalozzi mitgeteilt, dass sein Vater verstorben war. Interessant ist, dass der damalige Brief (⇒ Nr. 1223) auf Französisch, der vorliegende hingegen auf Deutsch verfasst wurde. III. Z. 4 Z. 15 Z. 18 Z. 18

Z. 20

Z. 23 f.

Sennheim: dt. Name für Cerney (Elsass) Vater: Jean Witz (1762–1811) ⇒ Nr. 1223 Mutter: Anne-Catherine Witz-Schmerber (1759–1827) ⇒ Nr. 1223 Geschwisterten: Jakob/Jean Jacques de Witz (1791/93–1855, ⇒ Nr. 1223) hatte sechs Geschwister, zwei starben noch vor 1811 im Kindesalter. Anne-Catherine Witz (1782–1858) heiratete 1802 den Fabrikanten JeanJacques Oehl (1780–1847) aus Cernay (Elsass). Frédéric Witz (1787–1833) heiratete 1816 Sophie Blech (1792–1864) und war in Cernay als Fabrikant tätig. Marie-Madeleine Witz (1788–1860) heiratete 1813 den Chemiker Michel Wolf (1779–1841). Annette Witz (1791–1859) heiratete 1813 den Händler Frédéric Engel (1784–1862). englischen Herzen: Damit könnte eine Anspielung auf die Empfindsamkeit gemeint sein, eine Strömung des 18. Jahrhunderts, welche in einem überschwänglichen Gefühl keinen Makel sah, sondern das Kennzeichen eines sittlichen Menschen. Samuel Richardsons (1689–1761) Roman Pamela (1740) gilt als «Begründungsroman» dieses Genres. Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

327 1226 a. David Theodor August Suabedissen Februar 1811 5

[Reg.] Suabedissen schickt eine Subskriptionsliste für den zweiten Teil der Gesangslehre.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 217.5 f. Sacherklärung I.

David Theodor August Suabedissen (1773–1835) wird 1800 als studierter Theologe zum Professor für Philosophie an der Hohen Landesschule in Hanau und 1822 an der Philipps-Universität in Marburg berufen und wirkt zugleich als Pädagoge. 1803 gründet er eine Erziehungsanstalt in Bad Homburg vor der Höhe, 1810 bekleidet er verschiedene Lehrerstellen in Lübeck und wird 1812 Fürstenerzieher von Friedrich Wilhelm von Hessen, dem späteren Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. (1802–1875). III. Z. 4 f.

Gesangslehre: Der zweite Teil der Gesangsbildungslehre von Michael Traugott Pfeiffer und Hans Georg Nägeli ist entgegen der Ankündigung nicht erschienen.

1226 b. Marc Antoine Jullien Februar 1811 5

[Reg.] Jullien zeigt sich beunruhigt, da er auf mehrere Briefe keine Antwort erhalten habe und legt eine entsprechende Liste bei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 217.36 ff. Sacherklärung I.

Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200

328 1226 c. Georg Ludwig Hurter 27. Februar 1811 5

[Reg.] Hurter bittet Pestalozzi, seinen Sohn an Ostern zu konfirmieren und ihn anschliessend nach Hause zu schicken.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 230.5 ff. Sacherklärung I.

Georg Ludwig Hurter (1759–1812) ⇒ Nr. 1217 a III. Z. 4

Sohn: Georg Ludwig Hurter (1795–1816) ⇒ Nr. 1217 a

1226 d. Caroline von Wolzogen-Lengefeld Winter/Frühjahr 1811 5

[Reg.] Frau von Wolzogen teilt Pestalozzi mit, dass sie sich über seinen Brief gefreut habe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 263.35 ff. Sacherklärung I.

Caroline von Wolzogen-Lengefeld (1763–1847) aus Rudolstadt (Thüringen), Schwägerin von Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759–1805, ⇒ Nr. 427), heiratete 1794 in zweiter Ehe Wilhelm von Wolzogen (1762–1809). Sie lebte ab 1797 in Weimar und zog 1825 nach Jena, wo sie bis zu ihrem Tod blieb. Caroline von Wolzogen war literarisch tätig und Verfasserin mehrerer Erzählungen und Romane (Agnes von Lilien, 1798). 1830 erschien eine von ihr geschriebene Schiller-Biographie mit dem Titel Schillers Leben. Verfasst aus Erinnerungen der Familie, seinen eigenen Briefen und den Nachrichten seines Freundes Körner. III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2336

329 1227. Franz Adam Lejeune 5. März 1811 [Reg.] Antwortvermerk «rép. 5 mars» auf dem Brief Pestalozzis vom 9. Januar 1811.

1

Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 70a/15 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2339

1227 a. Louis-Elie Luquiens 6. März 1811 5

[Reg.] Luquiens schickt einen Bericht und unterbreitet Pestalozzi einige Bücher zum Kauf, so zum Beispiel die «Odes de Rousseau».

Überlieferung 1

PSB VII, S. 227.15 f. und S. 235.25 f. Sacherklärung I.

Louis-Elie Luquiens (1765–1830) ⇒ Nr. 1221 a

Z. 5

III. Odes des Rousseau: Jean-Baptiste Rousseau: Odes, cantates, épigrammes et poésies diverses, 2 volumes. London 1723

330 1227 b. Josef Anton Müller 8. März 1811 5

[Reg.] Müller erkundigt sich, ob Pestalozzi seine Schwester in Yverdon anstellen könne.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 227.24 ff. Sacherklärung I.

Möglicherweise handelt es sich hier um Josef Anton Müller (1782–1813) aus Mellingen (Kt. Aargau), der 1805 die Luzernerin Maria Patientia Corragioni d’Orelli (1785–1812) heiratet. Sie haben zwei Kinder, Josef (1808–1869) und Emilie (1810–1872). III. Z. 4

Schwester: Joseph Anton Müller (1782–1813, ⇒ Sacherklärung I.) hatte eine offenbar unverheiratet gebliebene Schwester, Katharina (1772–1864), über deren Leben nichts weiter bekannt ist.

1228. Jakob/Jean Jacques Witz 10. März 1811 Basel den 10 Marz 1811. 5

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Lieber Herr Pestalozzi! Ubermenschliche Kraft müsst ich haben guter Vater um Ihnen meine Freude da ich Herr Niederer sah zu beschreiben, ewig werd ich daran denken, denn es war einer meiner freudevollsten Augenblicke jetzt wünscht ich nur noch Sie guter Freund u[nd] Ihre Neebenmenschen im Institut zu sehen, aber vielleicht ist dieses Vergnügen für mich noch lange nicht bescheren u[nd] doch hoffe Sie noch alle zu sehn, es ist mir so zu sagen ein Bedürfnis Sie lieber Freund zu sprechen. Ein ander mahl mehr, ich haben meine Hand ein bisschen unpas, schreiben Sie mir wenn mir Herr Niederer schreibt. – Ich grüsse Sie, Ihre Frau Gemahlin sehr freundlich. Ihr Jaques de J[ea]n Witz

331 Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 55a/56, Umschlag 392/3 Blatt, 201 x 122 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 15 Z. 18

Pestalozzi: lateinische Schrift Niederer: lateinische Schrift Jaques de J[ea]n Witz: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Jakob/Jean Jacques Witz (1783–1855) ⇒ Nr. 1223 II. Jakob/Jean Jacques Witz (1783–1855, ⇒ Nr. 1223) hatte sich nach dem Tod seines Vaters im Februar 1811 an Pestalozzi gewandt und ihn um Trost und moralische Unterstützung gebeten. Ob Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) allerdings extra dafür nach Basel gereist war oder ob sich die beiden aus anderen Gründen in Basel trafen, ist unklar. III. Z. 7 Z. 16

Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Frau Gemahlin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1229. Johann Gottfried Ebel 12. März 1811 Zürich d[en] 12 t Merz. 1811. 5

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Theuerster Freund. Ich bin den Winter hier geblieben, denn es grauete mir, nach Frankfurth, wo es in November u[nd] Dezembris so abscheulich zu gieng, zu rükzukehren. Diesem Entschluss danke ich die Fortdauer meiner Gesundheit, die sich unter der Ruhe u[nd] Stille, die mich von allen Seiten umgab, befestigt hat. Oft habe ich mich bei H[errn] Nägeli nach Ihnen erkundigt, u[nd] zu meiner grossen Freude gehört, dass Sie sich wohl befinden, u[nd] dass Ihre Anstalt gut u[nd] stets fortarbeitet. Gott sei gelobt. Vor wenigen Wochen lass ich Joseph Schmidts Schrift. So schlecht u[nd] kalt u[nd] troken hatte ich mir sie nicht vorstellen können. Er will Ihnen bisweilen in Ihren Ausrufungen Vater! Mut-

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ter! nachahmen, die in der Gertrud mit eindringender Wärme ergreifen, allein es ist so etwas lahmes u[nd] eisskaltes dabei, als wenn ein Holzbein tanzen wolte. Ohnmöglich kan diese Schrift Eindruk machen, ausgenommen auf einige solche Flachköpfe wie Horstig, der alle Tagblätter beschmiert. Was in der Schrift gut u[nd] wahr ist, wissen wir lange u[nd] Sie haben es besser gesagt, das übrige ist halbwahr, halbverdaut u[nd] zeigt den jungen Man, der nichts von der wahren praktischen Lage der Welt u[nd] der Menschen kennt u[nd] weiss. Ich kan mir durchaus nicht vorstellen, dass Schmidt irgendwo die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Was sagen Sie zu der Schrift, u[nd] werden Sie etwas darauf antworten lassen? Wie H[err] Nägeli mir sagte, so habe Schmidt zu München keine Aufnahme gefunden. Wie ich höre, so hat der hiesige Erziehungsrath einen Zögling Ihrer Anstalt kommen lassen, um in hiesiger Schule zu arbeiten; das muss Ihnen grosse Freude gewähren. Ein sehr theurer Freund von mir auf dem Lande am Rhein, 3 St[unden] von Mainz, frägt mich, ob er für seine 6- u[nd] 4 jährigen Söhne nicht einen bei Ihnen gebildeten Lehrer erhalten könte. Könen Sie von den dortigen Deutschen e i n e n besonders empfehlen, der zu dieser Stelle Lust hätte, so bitte ich Sie sehr, mir es sobald wie möglich zu schreiben, u[nd] mir dabei d i e B e d i n g n i s s e des jungen Mannes zu melden. Wie mir derselbe Freund schreibt, so verlautete im Monat Januar zu Frankfurth unter dem Kreise, wo er sich befand, die Nachricht, Ihre Anstalt sei auseinander gegangen. Sie sehen daraus, welche Gerüchte in Umlauf gesezt worden sind. Ist der Jacob Käche u[nd] die andern Frankfurther noch bei Ihnen? Was haben Sie für Nachrichten von unser treflichen Mieg? Von der edlen Charlottte Kulenkamp hatte ich vor 14 Tag Briefe. Sie begreifen es von selbst, wie unglüklich sie sich mit allen Mitbürgern fühlt. Ihr Man hat grosse Verluste gemacht, u[nd] sie hat nichts zu thun als ihn zu trösten. Überhaupt hat der Jammer in Deutschland seit vorigen Herbst auf einen unglaubl[ichen] Grad zugenommen; ich fürchte mich, die Briefe zu öffnen, die ich erhalte. Seit 12 Tagen sagen die Briefe aus Petersburg u[nd] Paris, dass an den Krieg zwischen disen beiden Mächten nicht mehr zu zweifeln sei. – Das Herzogthum Berg ist nun auch in Frankreich einverleibt, u[nd] man sagt, dass das Königreich Italien nächstens auch vereinigt werden würde. Machen Sie meine besten Empfehlungen an H[errn] Niederer u[nd] Mad[ame] Kastenhofer. Meine besten Wünsche umschweben

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Sie unausgesezt. Der Himmel beschüze Sie, die Ihrigen u[nd] Ihre Anstalt. Unwandelbar Ihr getreuer Freund Dr. Ebel Sie verbinden mich, mir in betref eines Lehrers sobald wie möglich zu antworten. Haben Sie die zwei Kisten Pflanzen erhalten? Wie haben Sie dieselben gefunden? Ich bitte Sie, mir in betref des Empfanges dieser Sammlung, die ich durch die Beiträge von 12–14 Personen ankaufen konte, einen Brief zu schreiben, den ich vorzeigen kan, damit jeder sieht, die Summe ist zu dem angezeigten Zwek verwandt, u[nd] das Ganze in Ihren Händen.

Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 50/51, Umschlag 68/2 Bogen, 186 x 116 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 16 Z. 18 Z. 55

Ihnen bisweilen dabei, als Italien nächstens Sacherklärung I.

Johann Gottfried Ebel (1764–1830) ⇒ Nr. 954 II. 1810 wurde das nur bis 1813 bestehende Grossherzogtum Frankfurt als napoleonischer Modellstaat im Rheinbund gegründet, in das die vormals freie Reichsstadt Frankfurt eingegliedert wurde. Regent war Carl Theodor von Dalberg (1744–1817, ⇒ Nr. 565), doch war als Nachfolger Napoleon I. Bonapartes (1769–1821, ⇒ Nr. 580) Stiefsohn Eugène de Beauharnais (1781–1824, ⇒ Nr. 1397) vorgesehen. Das Grossherzogtum Frankfurt stand unter starkem französischem Einfluss und war verpflichtet, am Wirtschaftskrieg Napoleons gegen England teilzunehmen, hohe Kontributionszahlungen für französische Feldzüge zu leisten und napoleonische Truppen einzuquartieren. Zugleich kam es unter Dalbergs Regentschaft zu umfangreichen Reformen. So wurde

334 die Leibeigenschaft aufgehoben, ein Dekret zu Judenemanzipation erlassen und auch Schulreformen initiiert.

Z. 11 Z. 14 Z. 17 Z. 21 Z. 26 Z. 29

Z. 30 Z. 30

Z. 33

Z. 35

Z. 40 Z. 43 f.

Z. 44

III. Nägeli: Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 Schrift: Joseph Schmid: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen. Heidelberg 1810 Gertrud: Johann Heinrich Pestalozzi: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt (1801). In: PSW XIII, S. 181–359 Horstig: Karl Gottlieb Horstig (1763–1835) ⇒ Brief vom 21. Juli 1822 Schmidt: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 Aufnahme: Bestrebt, in seiner Heimat Vorarlberg eine Art Lehrerbildungsstätte einzurichten, hatte sich Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) im Herbst 1810 mit dem Ziel nach München begeben, das Erziehungsministerium um Unterstützung anzuhalten. Die schriftliche und möglichst klare Ausformulierung der Pläne, um die man Schmid daraufhin bat, lag indes noch im Sommer 1811, als Schmid erneut in die bayrische Hauptstadt reiste, unbearbeitet auf dem Ministerium (vgl. Camilla Martha Halter: Joseph Schmid. Affoltern am Albis 1943, S. 70–72). Erziehungsrath: Zürcher Erziehungsrat ⇒ Nr. 1218 Zögling: Der Zürcher Erziehungsrat (⇒ Nr. 1218) hatte am 22. Januar 1811 beschlossen, Pestalozzi um einen Rechenlehrer zu bitten, der probehalber ein Jahr an der städtischen Bürgerschule unterrichten sollte. 1812 erhielt Adrian Frick (*1787, ⇒ Nr. 1218) eine ordentliche Stelle, die er bis 1815 versah. Freund: Hier dürfte Johann Karl Dumont (1770–1813) gemeint sein, Kaufmann und Tabakhändler in Lüttich und Mainz. Nach dem Verbot des Tabakgeschäfts erwarb er 1806 in Ingelheim (Rheinland-Pfalz) ein Landgut für sich und seine Familie. Dort starb er 1813 an den Folgen einer Typhuserkrankung. In einem Brief von Franz Wilhelm Jung (1757–1833, ⇒ Nr. 1088) an Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954) von 1811 (ZB Zürich, Nachlass Ebel Z II 510, Umschlag 29, C VII, 22) wird ein auf dem Land lebender Freund Dumont erwähnt, der für seine beiden verwilderten aber gutmütigen Knaben einen Lehrer haben möchte, und Ebel solle sich doch hier umschauen und eine geeignete Person vermitteln. Söhne: Julius Wilhelm Hermann Dumont (1807–1853) wanderte 1827 in die USA aus, zunächst nach Virginia und dann nach Baltimore. Ein älterer, um 1805 geborenen Bruder, ist allerdings nicht bekannt. Allenfalls könnte Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954) hier einen Neffe von Johann Karl Dumont (1770–1831, ⇒ Z. 33) gemeint haben, der im selben Haushalt erzogen wurde. schreibt: scheint nicht erhalten zu sein Jacob Käche: Jakob Käche (*1796/97), Sohn eines früh verstorbenen Landwirts aus Wachenheim bei Worms (Rheinland-Pfalz), war von 1808 bis 1811 auf Veranlassung und Kosten von Friedrich Freiherr Barkhaus von Wiesenhütten (1755–1836, ⇒ Nr. 1230) am Institut in Yverdon und studierte später in Göttingen und Heidelberg Kameralwissenschaften. anderen Frankfurther: Wie Pestalozzi Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954) in seinem Antwortschreiben vom 18. April 1811 mitteilte (PSB VII, Nr. 2478), hielten sich zur fraglichen Zeit nebst Jacob Käche (⇒ Z. 43 f.) folgende Frankfurterkinder in Yverdon auf: August Eduard Adam Lejeune

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Z. 45 Z. 46 Z. 46 f. Z. 48 Z. 49

Z. 57 Z. 58 Z. 69

(1797–1882, ⇒ Nr. 926), Reinhard von den Velden (1801–1858, ⇒ Nr. 1194 b), Johann Wilhelm Meyer (1798–1876), Johann Friedrich Wilhelm Kayser (1801–1826), Gustav Friedrich Arnold Jacobi (1795–1861, ⇒ Nr. 1186 a), Heinrich Peltzer und Georg Emile August van Panhuys (1796–1871). Meyer weilte von 1809 bis 1817 als Zögling in Yverdon, wurde, nachdem er zunächst 1829 den väterlichen Holzhandel übernommen hatte, erster Schreiber des Rechneiamts (oberste Frankfurter Finanzbehörde) und Inspektor auf der städtischen Salzmagazin-Verwaltung und betätigte sich parallel dazu als Kunstsammler. Kayser war zwischen 1809 und 1814 Schüler in Yverdon. Peltzer stammte aus Hodimont (Lüttich) und war zwischen 1807 und 1811 Schüler bei Pestalozzi. Panhuys, Sohn der Luise Friederike Auguste von Panhuys-von Barkhaus von Wiesenhütten (1763–1844, ⇒ Brief vom 9. Januar 1823), war von 1808 bis 1813 Schüler in Yverdon, trat 1814 in den österreichischen und 1817 in den niederländischen Militärdienst ein und stand zwischen 1836 und 1866 der Militärkommission der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt am Main vor. Mieg: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 Charlotte Kulenkamp: Charlotte Amalia Kulenkampf-Platzmann (1777–1862) ⇒ Nr. 1148 Briefe: scheint nicht erhalten zu sein Man: Arnold Kulenkampf (1770–1826) ⇒ Nr. 902 Jammer: Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954) spielte hier wohl auf die politische Lage an: Im Dezember 1810 hat Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) zum Zweck der besseren Durchsetzung der Kontinentalsperre die norddeutschen Küstengebiete, die Herzogtümer Arenberg und Oldenburg sowie die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen – wo Arnold Kulenkampf (1770–1826, ⇒ Nr. 902) als königlich dänischer Konsul waltete – per Dekret annektiert und dem französischen Kaiserreich einverleibt. Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Kastenhofer: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 Brief: Dieser Brief ist nicht mehr erhalten, Pestalozzi schreibt jedoch im Antwortbrief an Johann Gottfried Ebel (1764–1830, ⇒ Nr. 954), dass er sich schon bei Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) dafür bedankt habe, da er geglaubt habe, dass dieser dafür verantwortlich gewesen sei (vgl. PSB VII, S. 223.34 ff.).

1229 a. Johann Jakob Heimlicher 13. März 1811 5

[Reg.] Heimlicher erkundigt sich, ob sein Sohn zu den gleichen Bedingungen wie andere Schüler aus Basel in Yverdon aufgenommen werden könne.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 220.33 ff.

336 Sacherklärung I. Johann Jakob Heimlicher (1766–1820) aus Neuhausen (Kt. Schaffhausen) ist Maurermeister in Basel und mit Rosina Bosshard (1769–1839) aus Schaffhausen verheiratet. III. Z. 4

Sohn: Johann Jakob Heimlicher (1798–1848) aus Basel war Architekt. Bekannt wurde er insbesondere durch die nach seinen Plänen als neugotische Saalkirche mit Doppelturmfassade neu errichtete reformierte Kirche in Aarburg (Kt. Aargau). Heimlicher war ferner Mitglied des Basler Grossen Rats (1835–1848), Appellationsrichter (1847–1848) und Mitglied der Basler Künstlergesellschaft.

1230. Friedrich Freiherr Barkhaus von Wiesenhütten 15. März 1811 5

[Reg.] Freiherr Barkhaus von Wiesenhütten teilt Pestalozzi mit, dass er sich für die Pensionszahlungen von Herrn Panhuys in Zukunft an eine andere Adresse zu wenden habe.

Überlieferung 1

PSB XIV, S. 141.5 ff. Sacherklärung I.

Friedrich Freiherr Barkhaus von Wiesenhütten (1755–1836) aus Frankfurt am Main ist Grossherzoglich-Hessischer Wirklicher Geheimer Rat und Kreisgesandter für Darmstadt und Waldeck am kurfürstlichen Hof und später in Frankfurt.

Z. 6

III. Panhuys: Georg Emile August van Panhuys (1796–1871) ⇒ Nr. 1299

1231. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 19. März 1811 5

An den Herrn Pestalozzi Wohlgeboren zu Yverdün

337 im schweizerischen Kanton Waadt Berlin den 15 ten März 1811.

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Das Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts übersendet H[er]rn Wohlgeboren hierneben eine Anweisung auf den Werth von Eintausend R[eichs]th[ale]r Pr[eussisch]er Kour[ant]. Davon sind 700 R[eichstha]ler bestimmt zu den halbjährigen Unterhaltungskosten der Herren Kawerau, Dreist, Hennig und des Patzig, welchen letztern das Departement auf Ihre Empfehlung unter die Preuss[isch]en Eleven um so lieber aufnimmt, als dasselbe genöthigt ist, einen andern Ihnen und dem Departement sehr werthen Zögling, den Preuss, von Yverdun abzurufen. Jeder von diesen Eleven erhält sein Quantum mit dem Werthe von 175 R[eichstha]lern für die Monate März bis incl[usive] August d[ieses] J[ahres]. Das Departement legt dem Patzig dieselben Verpflichtungen auf, die die übrigen Herrn auf sich haben, und erwartet von ihm, dass er sich gewissenhaft zu seiner Bestimmung vorbereite, und sobald der Ruf, ihr zu folgen, an ihn ergeht, dazu bereit sei, überlässt es aber übrigens H[er]rn Wohlgeboren selbst, ihm seine Verbindlichkeiten näher vorzustellen und einzuschärfen. Des p[erge] Preuss bedarf das Departement an einem in seinem Vaterlande Litthauen neu zu errichtenden Institute, wo er in einer sehr glücklichen Lage, in der Nähe und unter den Augen seines ehemaligen Lehrers arbeiten wird. Zum Reisegelde für ihn und den Herrn Kzionscik, den das Departement nach seiner eignen u[n]d H[er]rn Wohlgeboren Wünschen ebenfalls zurückberuft, enthält die Anweisung den Werth von 300 R[eichstha]lern Pr[eussisch]er Kour[ant] wovon Sie einem jeden 150 R[eichstha]ler mit Bekanntmachung ihrer Zurückberufung einzuhändigen und sie aufzufordern belieben werden, sich auf ihrer Reise so einzurichten, dass sie spätestens gegen Ende des Monat May hier in Berlin eintreffen können. Departement etc. etc. Sch[uckmann] N[icoloviu]s Süvern 19 18. d[es] a[nni] c[urrentis] 16.

Überlieferung 1

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 156–157 a

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Datum am Schluss Entwurf Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 7 Z. 9 Z. 10 Z. 15 Z. 16 Z. 19 Z. 19 Z. 22 Z. 28 Z. 29 Z. 32 Z. 36 Z. 39 Z. 39

Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdün: lateinische Schrift Waadt: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Kawerau, Dreist, Hennig: lateinische Schrift Patzig: lateinische Schrift Preuss: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Patzig: lateinische Schrift Preuss: lateinische Schrift Litthauen: lateinische Schrift Kzionscik: lateinische Schrift 150 R[eichstha]ler ∫ spätestens ∫ Berlin: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

III. Z. 15 Z. 15 Z. 15 Z. 16 Z. 19 Z. 28 Z. 30

Z. 31 Z. 32 Z. 42 Z. 42 Z. 42 Z. 43 Z. 44

Kawerau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453 Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 Hennig: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Patzig: Gotthilf Friedrich Patzig (1788–1877) ⇒ Nr. 1369 b Preuss: Johann Wilhelm Preuss (1790–1867) ⇒ Nr. 1048 p[erge]: und so weiter (lat.); Abkürzung für bereits weiter oben formulierte Anrede Institute: Aus einem Brief vom Februar 1812, den Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829, ⇒ Nr. 1049) an die preussischen Eleven schickte, geht hervor (P.-St. V, Nr. 4, S. 51), dass die Stiftung eines «ersten reinpestalozzischen Institut» in Königsberg geplant war und Johann Wilhelm Preuss (1790–1867, ⇒ Nr. 1048) als Mitarbeiter vorgesehen war. Diese Idee wurde aber nicht realisiert. Es wäre aber auch möglich, dass hier das Normalinstitut in Braniewo (Ermland-Masuren) gemeint ist, an welchem Preuss nach seiner Heimkehr zuerst für kurze Zeit lehrte. Lehrers: Karl August Zeller (1774–1846) ⇒ Nr. 656 Kzionscik: Michael Ksionzek ⇒ Nr. 1069 Sch[uckmann]: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834) ⇒ Nr. 1210 N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 a[nni] c[urrentis]: laufenden Jahres Datum der Unterschriften

339 1232. Anna Barbara Eibler-Imhof 23. März 1811 Herren Pestalozzi Jverdon 5

expedirt Lindau den 23 t Martj 1811.

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Schätzbahrster Herr, Edler Man, Dero Schreiben erhielte ich mit Bewundrung und groser Bestürzung, weil Sie mir darin die traurige Lage meiner l[ieben] Schwöster schildern, ich kan mir gar kein Begrif machen, wie und auf welche Weise sie, zu einer solch traurigen Gemüthe Krankheit kommen, – in unsrer Famillie, hat sid Mans Gedenken keine solche Exestiert, nun dem sey wie ihm wolle so wil ich Ihnen diser wegen keine Epistel vorlesen es ist jezo nichts anders zu thun, als auf mittel zu denken wie u[nd] auf welche weise sie soll behandelt werden, Aufrichtig zu gestehen, ich weis vast kein Rath, – das Sie sie lange im Institut behalten, das kan ich nicht begehren weil solche Persohnen eine grose Senssation, in einem Instidut machen, – sie hollen, ist auch nicht wohl möglich, ich kan sie nicht haben das weist meine l[iebe] Renate wohl, Der älteste Bruder kan Sie auch Nicht haben, er ist bey Schwiger Eltern, hat 7 kleine Kinder. – Der Jüngere Bruder, hat zur Verpflegung schon ein Elender Bruder, seine Frau die Ihrer ersten Nider Kumft nahe ist, ist auch nicht gar zu wohl, so das er sich nicht getraut von ihr einiche Tage forth zu gehen. Ich hoffe es werde sich etwan sid disen Tagen als Sie so güttig wahren mir zu Schreiben, gebesert haben – im Fall es nicht wehre, so bitte ich Ihnen um einen vätterlichen Rath. Sie wissen villeicht, das widrige Schiksalle unsre l[ieben] seligen Eltern verfolgten, das Sie nichts hinter lassen als armme Waysen ich wahr schon früher G[ott] s[ei] D[ank] glüklich verheyrathet, mein Man hatte ein groses Opfer für meine Eltern gebracht, so das ich nichts mehr von ihm verlangen dürfte, Alle meine Geschwisterte wahren der Hilfe bedürftig, ich half einem jeden so vill in meinen Kräften stund, nur hörte das Schiksall nicht auf, Sie zu verfolgen, das ich beynahe nicht mehr weis wo ich zu erst helfen soll, zu Ihnen sey es gesagt, es wird mir zu vill, ich kans nicht mehr auf bringen, alle zu unterstüzen, so herzlich gerne ich wollte, doch dise unglükliche ligt mir sehr nahe

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am Herzen, ich will thun was ich nur immer kan. Der letzte heller will ich für sie aufopfern. Ich habe ein Blan, m ö c h t e n u r w i s e n , ob er Ihren Beyfall erhält, ich meindte wan Sie, die Lisette zu gemeinen Leuthen, die aber darbey Rechtschaffen wehren Köntten auf einniche Wochen in die Kost thun, und Ihr ein Artz, der Sie nach Umständen behandlet zu kommen lassen, würde es sich besern, so wehre es guth – wo nicht, so müsste sie der Jüngere Bruder abhollen, und ich müsste dan sehen, wohin ich sie versorgen Kontte, Ich werde von allen, meinen Geschwisterten mit lautter Klaglieder alle Wochen angefühlt, habe ohne hin eine grose Haushaltung u[nd] villes zu besorgen, Sie sind ein Edeldenkender u[nd] mit viller Vernumft begabter Mann, Sie werden daher mir wohl glauben, wan ich Ihnen sage, das ich beynahe nicht mehr weis wo mein Kopf steth. – Nur das veste vertrauen an die Vorsehung, die uns durch Prüffungen bewährt, erhält meinen muth das ich nicht wanke, Das ist freylich eine harte Prüffung, doch hoffe das mir, nicht mehr, auferlegt, als ich ertragen kan ich finde nicht Worte Ihnen, den Dank darzubringen wie ihn meine Seele fült – der, der, Alles Gutte belohnt wird Sie hier u[nd] dorth für Ihre Schönen Handlungen Seegnen, besondern Lohn ist denen verheisen die sich der Armmen, Waysen annehmen, so lange ein Athem in mir schlägt, will ich dankbahr für Ihre Wohlthatten sein komme ich in Standt es mit Werken zu beweisen so sey es meine erste u[nd] heilligste Pflicht. Handlen Sie mit meinner Unglüklichen Schwöster nach Ihren weisen einsichten, nur lassen Sie mir durch die Renate Ihre Ansicht wissen, damit ich meine mass Reglen treffen kann, Ich habe Ihnen mein ganzes Geheimniss endtekt nur muss ich Sie bitten, mein trauriges Schiksal meiner l[ieben] Renate nicht zu entteken, Sie weist noch nichts von dem Zustande, das meine Geschwisterte, so in Dürftigkeit sich befinden, es thäte mir leid, wan sie es ganz erfahren würde. Übrigens ist mir dise Tochter so lieb als mein Leben – wan meiner Schwöster Zustand nur kein zu starken einfluss in ihr gefüll volles Herz hat, ich bin Ihrethalben sehr bekümert. Gott wölle sie stärken, Verzeichen Sie doch meiner Weitläuffigkeit, ich kontte mich nie mand beser, als Ihnen anvertrauen.

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Empfangen Sie nebst Ihrer theüren Gemmallin die wärmsten Seegenswünsche, nebst herzlichen Gruss, von einer dankbahren u[nd] Ihnen mit besondrer Hochschätzung zu gethanen Fr[au]. Babbete Eibler née Imhoff

1 2 5

Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 50/51, Umschlag 70/1 Bogen, 239 x 198 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 6 Z. 12 Z. 13 Z. 18 Z. 19 Z. 19 Z. 43 Z. 79

Pestalozzi Jverdon: lateinische Schrift Lindau den 23t Martj 1811.: lateinische Schrift Famillie: lateinische Schrift Exestiert: lateinische Schrift Institut: lateinische Schrift Senssation: lateinische Schrift Instidut: lateinische Schrift Lisette: lateinische Schrift Gemmallin: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Anna Barbara Eibler-Imhof (1775–1844) aus Altnau (Kt. Thurgau) ist mit dem Lindauer Getreidehändler Johann Heinrich Eibler (1763–1842, ⇒ Nr. 1249 c) verheiratet und Mutter von sieben Kindern.

Z. 8 Z. 9 f.

Z. 21

Z. 22

III. Schreiben: scheint nicht erhalten zu sein Schwöster: Lisette/Elisabeth Imhof stammte aus dem Thurgau und war 1812 Schülerin des Mädcheninstituts (⇒ Nr. 867) in Yverdon. Nach der Beendigung ihrer Ausbildung sollte sie die Stelle Renate Eiblers (1794–1844, ⇒ Z. 21) als Lehrerin und Gehilfin der Hausfrau am Institut von Gottfried Friedrich Oelschläger (1786–1816, ⇒ Nr. 1243) in Stuttgart übernehmen. Es bleibt jedoch unklar, ob sie diese Stelle auch wirklich angetreten hat (vgl. Karin de la Roy-Frey: Schulidee: Weiblichkeit. Höhere Mädchenschulen im Königreich Württemberg, 1806 bis 1918. Tübingen 2003, S. 379). Renate: Renate Eibler (1794–1844) war 1812 am Töchterinstitut in Yverdon (⇒ Nr. 867). Sie unterhielt eine Beziehung zu Karl Justus Blochmann (1786–1855, ⇒ Nr. 1111), die sie auf Wunsch ihres Vaters, des Fruchthändlers Johann Heinrich Eibler (1763–1842, ⇒ Nr. 1249 c) in Lindau, aber 1814 auflöste. 1815 heiratete sie in erster Ehe den Apotheker Wilhelm Weismann (1786–1836) in Friedrichshafen, 1839 in zweiter Ehe Pfarrer Ferdinand Kauffmann (1801–1870). Bruder: konnte nicht näher bestimmt werden

342 Z. 22 f. Z. 23 Z. 23 Z. 24 Z. 24 Z. 30

Z. 32 Z. 79

Schwiger Eltern: konnten nicht näher bestimmt werden Kinder: konnten nicht näher bestimmt werden Bruder: konnte nicht näher bestimmt werden Bruder: konnte nicht näher bestimmt werden Frau: konnte nicht näher bestimmt werden Eltern: Damit könnten Hans Jacob Imhof und Anna Margaretha Nägeli gemeint sein. Sie sind gemäss dem Taufregister der Kirchgemeinde Altnau (Kt. Thurgau) im Jahr 1775 Eltern einer Tochter namens Anna Barbara (⇒ Sacherklärung I.) geworden. Man: Johann Heinrich Eibler (1763–1842) ⇒ Nr. 1249 c Gemmallin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1233. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 23. März 1811 5

An Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeboren in Yverden Berlin d[en] 23. März 1811.

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Das Departement des öff[entlichen] Unterrichts erwiedert Herrn Pestalozzi auf dessen an den Herrn St[aat]sr[at] Nicolovius gerichtetes Schreiben, dass es nicht zu besorgen ist, der Eleve Preuss werde an der für ihn bestimmten Stelle nicht allein stehen können, auf der antern Seite aber grosse Schwierigkeiten machen würt, den Kaverau ihm zuzugesellen. Es wünscht daher, dass der Erstre, sobald es geschehen kann, von dort abreise. Die 10 neüen französischen Louisd’or, welche nach Herrn Pestalozzi’s Schreiben vom 30n v[origen] M[onats] von den zuletzt für H[er]rn Marsch übersandten halbjährigen Unterhaltungsgeldern übrig geblieben sind, ersucht es denselben vorläufig für Rechnungen des Departements und in Anschlag auf künftige Geldsendung zu behalten. Departement des öff[entlichen] Unt[errichts] Sch[uck]m[ann] N[icoloviu]s Süvern 19. 13.

343 Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 196 Datum am Anfang und am Schluss Entwurf Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 9 Z. 11 Z. 19

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift d[en] 23. Nicolovius: lateinische Schrift Marsch: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

II. Am 19. März 1811 (⇒ Nr. 1231) hatte die Sektion Unterricht (⇒ Nr. 1049) Pestalozzi mitgeteilt, dass Johann Wilhelm Preuss (1790–1867, ⇒ Nr. 1048) zurückgerufen werde, um in Litauen ein Institut einzurichten. Pestalozzi hatte offenbar in einem nicht überlieferten Brief erwidert, dass diese Aufgabe für Preuss alleine zu anforderungsreich sei und vorgeschlagen, Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844, ⇒ Nr. 1453) an die Seite von Preuss zu stellen; ein Vorschlag, auf den die Sektion nicht eingehen wollte. III. Z. 11 Z. 12 Z. 12 Z. 15 Z. 17 Z. 19 Z. 24 Z. 24 Z. 25

Nicolovius: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Schreiben: scheint nicht erhalten zu sein Preuss: Johann Wilhelm Preuss (1790–1867) ⇒ Nr. 1048 Kaverau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453 Louisd’or: frz. Goldmünze Marsch: Gottlob Friedrich Marsch (1761–1829) ⇒ Nr. 1160 Sch[uck]m[ann]: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834) ⇒ Nr. 1210 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Datum der Unterschriften

1233 a. Georg Ludwig Hurter 27. März 1811 [Reg.] Hurter erinnert an seinen Brief vom 27. Februar.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 230.6

344 Sacherklärung I. Georg Ludwig Hurter (1759–1812) ⇒ Nr. 1217 a III. Z. 4

Brief: ⇒ Nr. 1226 c

1233 b. Dirk van Dapperen 27. März 1811 [Reg.] Van Dapperen bittet Pestalozzi um einen Zahlungsaufschub.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 253.33 Sacherklärung I.

Dirk van Dapperen (1791–1822) ⇒ Nr. 994 II. Dirk van Dapperen (1791–1822, ⇒ Nr. 994) musste 1810 seinen Aufenthalt in Yverdon abbrechen, weil Holland von der französischen Armee besetzt worden war und die Regierung nicht mehr für seine Ausbildungskosten aufkam. Wie aus der Antwort Pestalozzis auf diesen nicht erhaltenen Brief van Dapperens deutlich wird (PSB VII, Nr. 2498), zeigte sich Pestalozzi über den neuerlichen Zahlungsausfall verärgert und forderte eine amtliche Beglaubigung für den ausstehenden Betrag.

1233 c. Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin 30. März 1811 5

[Reg.] Madame Fraissinet teilt Pestalozzi mit, dass ihr Sohn nach der Konfirmation an Pfingsten noch ein halbes Jahr in Yverdon bleiben solle.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 247.5 ff.

345 Sacherklärung I. Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin

Z. 4



Nr. 1135 b

III. Sohn: Jean Charles Jules Félix Prosper Fraissinet (*1796) ⇒ Nr. 1135 a

1233 d. Georg Arnold Jacobi 31. März 1811 5

[Reg.] Jacobi schickt einen Wechsel über 300 Louis d’or und eine Beilage von Herrn Benzenberg.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 252.21 ff. Sacherklärung I.

Georg Arnold Jacobi (1768–1845) ⇒ Nr. 1178 a

Z. 4 Z. 4

Z. 5

III. Louis d’or: frz. Goldmünze Beilage: Damit dürfte wohl folgende Publikation gemeint sein: Johann Friedrich Benzenberg: Briefe, geschrieben auf einer Reise durch die Schweiz im Jahr 1810, 2 Bände. Düsseldorf 1811/1812. Benzenberg: Johann Friedrich Benzenberg (1777–1846), einziger Sohn eines Landpredigers, studierte von 1795 bis 1797 Theologie in Marburg und von 1797 bis 1799 Astronomie und Mathematik in Göttingen. 1805 wurde er Professor für Mathematik und Astronomie am Lyzeum in Düsseldorf und leitender Landvermesser des Herzogtums Berg. Seit jeher stark an der Erforschung von Sternschnuppen interessiert, gründete er 1844 in Bilk (heute Stadtteil von Düsseldorf) eine gut ausgestattete Privatsternwarte, die nach seinem Tod an die Stadt Düsseldorf überging und in der Folge zu einer regelmässig genutzten Station wurde.

346 1233 e. Johann Gottfried Ebel Anfang April 1811 5

[Reg.] Ebel erinnert Pestalozzi daran, dass er noch nicht alle Fragen des letzten Briefes beantwortet habe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 241.22 ff. Sacherklärung I.

Johann Gottfried Ebel (1764–1830) ⇒ Nr. 954 III. Z. 4 f.

letzten Briefes: ⇒ Nr. 1229

1234. J. L. Lenz Frühjahr 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1295 Sacherklärung I.

J. L. Lenz ⇒ Nr. 943

1234 a. Wilhelm/Guillaume Egger Frühjahr 1811 [Reg.] Egger teilt Pestalozzi mit, dass Jullien für ihn in Brescia Mineralien suche.

347 Überlieferung 1

PSB VII, S. 244.1 Sacherklärung I.

Wilhelm/Guillaume Egger (1792–1830) aus Staad (Kt. St. Gallen), ein Mündelkind von Karl Friedrich Reinhard (1761–1837, ⇒ Nr. 565), ist 1800 einer der ersten Schüler Pestalozzis in Burgdorf; er folgt dem Institut nach Yverdon und unterrichtet dort später als Unterlehrer Turnen, Musik und Zeichnen. In letzterem Fach besonders begabt, wird er von Georg Friedrich Adolf Schöner (1774–1841, ⇒ Nr. 774) gefördert und erhält Gelegenheit, sich in Italien, wohin er Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) als Hauslehrer für dessen Söhne begleitet (1810–1811), weiterzubilden, bevor er ab 1813 im ungarischen Alsózsolca gemeinsam mit Johann von Szabó (1783–1864, ⇒ Nr. 1215) die Erziehung der Söhne des Baron Johann Nikolaus von Vay (1756–1824, ⇒ Nr. 1374 a) übernimmt. 1816 übersiedelt Egger gemeinsam mit der Familie von Vay nach Pest. Ab 1817 ist er an der evangelisch-lutheranischen Schule als Zeichenlehrer angestellt, leitet bald ein öffentliches gymnastisches Institut und macht sich bis zu seinem Tod in Ungarn nicht nur als Pionier der Gymnastik sondern auch als Portraitmaler einen Namen. III. Z. 4

Jullien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200

1234 b. Johann Joseph Knusert Frühjahr 1811 [Reg.] Knusert schickt Briefe und Nachrichten über Eicher nach Yverdon.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 245.29 Sacherklärung I.

Johann Joseph Knusert (1787–1811) ⇒ Nr. 714 III. Z. 4

Eicher: Damit dürfte Fidel Eicher gemeint sein, der als Sergeant im napoleonischen Bataillon von François de Riaz (1781–1838), einem aus Spanien stammenden Offizier in französischen Diensten, diente. Seine Geburts-, Wohn- oder Sterbeorte sind unbekannt.

348 1234 c. Unbekannt Frühjahr 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 255.32 f. Sacherklärung I.

Gemäss dem Antwortbrief Pestalozzis muss er den Absender gut gekannt haben. Da dieser Brief aber nur in einer nicht adressierten Abschrift erhalten ist, bleibt der Briefschreiber unklar. Auf der Abschrift ist mit fremder Schrift von einem «hochstehenden Staatsmann D.A.» die Rede, es ist aber ebenfalls unklar, woher diese Angaben stammen und wer damit gemeint sein könnte. Möglicherweise ist damit Andreas Michael D[all’]A[rmi] (1765–1824) gemeint, der ursprünglich aus Trient stammt, aber Bankier und Handelsmann in München war – was die Verwendung der deutschen Sprache im Brief erklären würde –, dort im Äusseren Rat und einer königlichen Schuldentilgungskommission sitzt und wie Pestalozzi Mitglied des Illuminatenordens ist.

1235. Franz Adam Lejeune 1./2. April 1811 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. 1 et 2 avril» auf dem Brief Pestalozzis vom 13. März 1811.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 70a/16 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2424

349 1235 a. Monsieur Martin 3. April 1811 5

[Reg.] Der Friedensrichter von Yverdon lädt die Schüler des Instituts zur Feier am 14. April ein.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 230.24 ff. Sacherklärung I.

Der Friedensrichter Martin wohnte in Clindy bei Yverdon. Da der Vorname in den Protokollen aber nicht vermerkt, der Zeitpunkt seiner Ernennung unbekannt und mehrere Martins zur fraglichen Zeit in Clindy wohnten, konnte Martin nicht näher bestimmt werden. III. Z. 4

Feier: Das Waadtland wurde in der Mediationsakte (1803) zu einem eigenständigen Kanton erklärt und am 14. April 1803 fand die erste Session des Grossen Rats in Lausanne statt. Dieser Tag gilt seither als kantonaler Feiertag.

1235 b. Wilhelm Haas 3. April 1811 5

[Reg.] Haas zeigt sich erfreut über die Entwicklung, die sein Sohn in Yverdon gemacht hat.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 233.5 ff. Sacherklärung I.

Wilhelm Haas (1766–1838) ⇒ Nr. 709

350 II. Karl Eduard Haas (1801–1853, ⇒ Nr. 1224 c) war 1808 ins Institut in Yverdon eingetreten und hatte seine Ausbildungszeit offenbar ganz zur Zufriedenheit seines Vaters genutzt. III. Z. 4

Sohn: Karl Eduard Haas (1801–1853) ⇒ Nr. 1224 c

1235 c. Baronin Elisabeth von Kaiserstein-von Herbert 6. April 1811 5

[Reg.] Die Baronin teilt Pestalozzi den Tod ihres Bruders mit und beklagt sich, dass ihr Sohn seit Weihnachten keine Briefe mehr geschickt habe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 260.35 ff. Sacherklärung I.

Baronin Elisabeth von Kaiserstein-von Herbert (1764–1823) ist die Tochter des erfolgreichen Klagenfurter Bleiweissfabrikanten Johann Michael von Herbert (1726–1806) und heiratet 1788 Johann Nepomuk Philipp Freiherr von Kaiserstein zu Krastowitz (1765–1827), den Besitzer mehrerer Schlösser in Kärnten. Mit dieser Ehe etabliert sich die erst 1767 von Maria Theresia (1717–1780) nobilitierte Unternehmerfamilie von Herbert im Kärntner Adel. II. Den Kontakt mit Pestalozzi verdankte die Familie von Herbert dem Bruder Elisabeths, Franz Paul von Herbert (1759–1811). Er übernahm 1781 die väterlichen Fabriken, baute sie aus und zog 1790/91 nach Jena, um Philosophie zu studieren. Dort knüpfte er Bekanntschaft mit Christoph Martin Wieland (1733–1813, ⇒ Nr. 637), Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759–1805) und Novalis (1772–1801) und unterstützte Künstler und Literaten finanziell. Auch in Klagenfurt war er als Mitglied der Loge Zur Wohltätigen Marianna im Zentrum des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens verankert und gründete den Herbert-Kreis, ein Netzwerk mit zahlreichen Anhängern und Verfechtern der Reformen Josephs II. (1741–1790, ⇒ Nr. 297). Als Verfechter dieser Reformen und Anhänger Napoleon I. Bonapartes (1769–1821, ⇒ Nr. 580) musste Franz Paul von Herbert 1797 vor politischer Verfolgung in Kärnten fliehen und gelangte in die Schweiz, wo er Pestalozzi kennenlernte. Später siedelte er nach Triest über, wo er 1811 Selbstmord beging.

351 III. Z. 5

Sohn: Johann Nepomuk Emanuel von Kaiserstein (1800–1848) war von 1810 bis 1813 Schüler in Yverdon und verfolgte anschliessend eine militärische Karriere als Oberleutnant in der österreichisch-ungarischen Armee. Er war Besitzer des Kärntner Schlosses zu Tentschach.

1235 d. Jean Jacques Paschoud April 1811 [Reg.] Paschoud schickt die Rechnung für verschiedene Bücher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 242.30 Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a

1235 e. Fulwar Skipwith April 1811 [Reg.] Skipwith schreibt einen Brief mit einem, für Pestalozzi «unerklärlichen Inhalt».

Überlieferung 1

PSB VII, S. 251.19 f. Sacherklärung I.

Fulwar Skipwith (1765–1839) ⇒ Nr. 878 II. Wie aus dem Antwortbrief Pestalozzis (PSB VIII, Nr. 2494) auf diesen nicht erhaltenen Brief erkennbar wird, hatte Fulwar Skipwith (1765–1839, ⇒ Nr. 878) in einem Schreiben an Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) den Wunsch geäussert, wieder nach Yverdon zu kommen. Diesem Wunsch war möglicherweise eine Aufforderung oder eine Einladung Pestalozzis vorausgegangen, was aber mangels überlieferter Korrespondenz nicht rekonstruiert werden kann.

352 1236. Jakob Ott 11. April 1811 5

Herrn Herrn Lehrmeister Pestaloze in Iferten. Bern den 11 tn Aprill 1811.

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Mein Wohlgeehrter Herr! Es ist mir sehr unangenehm zu vernehmen: dass es, in ansehung [d]er beantwortungen Ihrer Briefe, und – wie ich vermuthe – auch vielliecht in entrichtung der verfallenen Bezahlungen, für meinen, in Ihrem Institut befintlichen Knaben, sehr Schläfrig hergehet. Allein, für einen Augenblick hat das unglükliche Schiksale mich so betroffen, das ich desorts nicht auswürken kan, was ich zu Würken, Wünschte. Denn; seit der Zeit als mein Sohn bey Ihnen ist, bin ich Unglüklicher Weise, für eine Zeitlang, in das Zuchthause, in Bern, eingesperret worden; Wo sich auch bey mir, Ihrer ehmalegr sehr bekannte und vertrautte Freünd, der Docter Sam, von Jegenstorf, befindet. In Beiseitssezung alles dessen aber, seyen Sie nur ohne Sorge. Ich habe die Anstaltungen getroffen, das Sie – wo nicht gerade plözlich – doch richtig, und wie billich bezalt werden sollen. Verdanke Ihnen die gütige Aufnahme meines Knabens, und befehle Ihnen im fernern, bestens an. Ich wünste mit Gelegenheit von Ihnen zu vernehmen, wie die Aufführung, und die Fortschritte, in der Lehre, des Knaben beschaffen seyen. Herr Saam last Ihnen den sehr freüntl[ich]en Grus vermelden. Indessen verharre mit alle Hochachtung Ihrer ergebener Jak[ob] Oth.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 54a, Umschlag 273/1 Bogen, 218 x 172 mm Dorsualvermerk Bern den 11ten Aprill 1811. Jacob Oth, den 13ten, Siegelspuren Original

353 Textkritik Zeuge H Sacherklärung I. Jakob Ott (1764–1817) ist Hutmacher und seit 1786 Lehrer in Meiringen (Kt. Bern), wo er zwischen 1764 und 1817 auch als Bürger verzeichnet ist. II. Es ist unklar, was der Grund für den Gefängnisaufenhalt von Jakob Ott (1764–1817, ⇒ Sacherklärung I.) war. III. Z. 8 Z. 12 Z. 14

Z. 20

I f e r t e n : dt. Name für Yverdon Ihrer Briefe: PSB VII, Nr. 2397 und Nr. 2460 Knaben: Jakob Ott (1793–1855) war von 1810 bis 1814 Schüler und Unterlehrer in Pestalozzis Anstalt in Yverdon und hielt in den 1830er-Jahren – vermutlich in Meiringen (Kt. Bern) – private Lehrerkurse ab. Docter Sam: Franz Xaver Sam(m), Chirurg und Doktor der Medizin, war mit Rosina Stäbler verheiratet und wohnte zwischenzeitlich in Münchringen (Kt. Bern). Sam schien aus Klagenfurt zu stammen, wo die Kinder Johannes und Ana Maria Sam(m) 1803 und 1805 getauft wurden.

1237. Heinrich Remigius Sauerländer 12. April 1811 [Reg.] Betrifft Buchbestellungen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 241.8 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1238. Franz Adam Lejeune 23. April 1811 [Reg.] Antwortvermerk «rép. 23 – 1811» auf dem Brief Pestalozzis vom 16. April 1811.

354 Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 70a/17 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2465

1238 a. Johanna von Vay-von Adelsheim 24. April 1811 [Reg.] Frau von Vay erkundigt sich nach Szabó.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 253.14 f. Sacherklärung I.

Johanna von Vay-von Adelsheim (1776–1862) stammt aus dem badischen Kandern und heiratet 1799 in zweiter Ehe Johann Nikolaus, Baron von Vay (1756–1824, ⇒ Nr. 1374 a). Sie ist mit Pestalozzi persönlich bekannt, schickt den Hauslehrer Jánoshoz/János/ Johann von Szabó (1783–1864, ⇒ Nr. 1215) 1810/11 nach Yverdon zur Weiterbildung und vermittelt 1817 zahlreiche Subskribenten (⇒ Brief vom 16. Juli 1826). III. Z. 4

Szabó: Jánoshoz/János/Johann von Szabó (1783–1864) ⇒ Nr. 1215

1238 b. Dirk van Dapperen 26. April 1811 [Reg.] Betrifft den gewünschten Zahlungsaufschub.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 253.33

355 Sacherklärung I. Dirk van Dapperen (1791–1822) ⇒ Nr. 994 II. ⇒

Nr. 1233 b

1238 c. Georg Arnold Jacobi 28. April 1811 5

[Reg.] Jacobi ist über die Mitteilung seines Sohns Gustav beunruhigt, dass seine Körperhaltung und sein Gang orthopädisch korrigiert werden.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 252.21 ff. Sacherklärung I.

Georg Arnold Jacobi (1768–1845) ⇒ Nr. 1178 a

Z. 4

III. Gustav: Gustav Friedrich Arnold Jacobi (1795–1861) ⇒ Nr. 1186 a

1238 d. Christian Dapples April 1811 [Reg.] Dapples verabschiedet sich von Pestalozzi und seiner Frau.

Überlieferung 1

P.-St. 1903, S. 45 Sacherklärung I.

Christian Dapples (1797–1864) ⇒ Nr. 758

356 II. Christian Dapples (1797–1864, ⇒ Nr. 758) hatte im April 1811 das Institut in Yverdon verlassen und litt offenbar noch längere Zeit unter Heimweh, wie einem Brief von Anna Pestalozzi-Schulthess’ (1738–1815, ⇒ Nr. 3) an Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) vom 7. August 1811 zu entnehmen ist (P.-St. 1903, S. 45 ff.). III. Z. 4

Frau: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1238 e. Georg Arnold Jacobi 6. Mai 1811 [Reg.] Jacobi erkundigt sich, ob sein Wechsel angekommen sei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 279.13 ff. Sacherklärung I.

Georg Arnold Jacobi (1768–1845) ⇒ Nr. 1178 a

1239. Wilhelm/Guillaume Egger 10. Mai 1811 Monsieur P e s t a l o z z i 5

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Verona den 10 ten May 1811. Theurer Vater Pestalozzi, H[err] Jullien hat mit seiner ganzen Familie Mailand verlassen u[nd] sich nach Verona begeben. Ich hätte gewünscht wegen dem Zeichnen noch länger in Mailand bleiben zu können; H[err] Appiani hat aber die Güte gehabt mich an einen andern geschickten Mahler in Verona zu empfehlen, habe diesen letztern aber noch nicht gesehen obschon wir seit mehr als 3 Wochen hier sind. Ich freue mich desswegen an diesem Orte zu seyn, weil H[err] Jullien u[nd] ich hier Gelegenheit haben werden Versteinerungen zu kaufen, besonders Fische, welche aber sehr theuer sind. Gestern hat

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uns H[err] Jullien hier zu einem reichen Partikularen (Comte Casiola) geführt, der ein Mineralien-Kabinet hat u[nd] sein ganzes Vermögen dazu verwendet; u[nd] dieser hat besonders eine schöne u[nd] ausserordentlich intressante Sammlung von solchen versteinerten Fischen. Das Merkwürdigste ist, dass alles nur Meerfische sind u[nd] zwar von ganz verschiedenen u[nd] von den entferntesten Meeren. Es hat deren auch von allen Grössen von halbzoll- bis zu 3 Fuss langen. Wir haben solche gesehen, welche die ganze Dicke ihres Körpers völlig beybehalten haben; ferner kann man Kopf, Schwanz, Flossfedern, Gräthe etc., kurz alle Theile so deütlich unterscheiden als wenn es die Natur selbst wäre. Ebenfals merkwürdig ist es, dass bey den grössern Fischen der Rückgrath jedes mal chrystalisiert ist, u[nd] eine schöne Reihe kleiner Chrystallen bildet; u[nd] dieser Herr Casiola hatte so gar einen, dessen Rückgrath vererzt war, u[nd] zwar in Eisen. Diese Fische werden, etwa 8 Meilen von Verona auf mehreren Bergen aus den Felsen gegraben. H[err] Cas[iola] hat dort eine Menge Arbeiter, denen er den Taglohn giebt, u[nd] die ihm solche Fische ausgraben u[nd] muss ihnen doch jedesmal den Fisch noch dazu bezahlen, welcher man ihn oft in 30 bis 40 Stücken bringt, u[nd] für einen solchen zerstückelten Fisch muss er oft über 40 fr[an]z[ösische] Thaler bezahlen, u[nd] erst nachher ihn mit vieler Mühe u[nd] grossen Kösten zusammensetzen lassen, wo ihn das Stück oft auf 14 Thaler kommt. – Obgleich diese Versteinerungen ausserordentlich theuer kommen, so wird H[err] Jullien doch trachten einige Stücke zu bekommen. Vater Pestalozzi, Schon in mehreren Briefen die ich von meinem Freunde Ramsauer bekommen habe, musste ich vernehmen, dass er immer starke Zahn- u[nd] Brustschmerzen hat. Das beunruhigt mich sehr. Da er nun schon seit so langer Zeit keiner guten Gesundheit geniesst, so möchte ich in diesem Augenblicke eine Bitte an Sie thun: ihm nehmlich zu erlauben eine kleine Reise zu machen, welches, um seine Gesundheit zu befördern, gewiss nöthig ist. Es würde H[errn] Jullien, u[nd] besonders mich ausserordentlich wohl freuen, wenn er einige Tage bey uns zubringen würde. Die Zeit die er dazu verwenden würde, gienge gewiss nicht verlohren: wir würden hier zusammen über das Zeichnen arbeiten u[nd] die Zeit zu nützlichen Sachen anwenden. Wir werden hier mit einander mehr in unsrem Fache ausrichten können, als es einer allein thun kann; u[nd] vorzüglich hier, wo wir mit einander das was wir schon zusammen über dasselbe ausgearbeitet haben, es einem oder mehreren Künstlern mittheilen würden.

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Auch würde Ramsauer seine neuen Bemerkungen u[nd] Ansichten, die er seither darinn erlangt hat, H[errn] Jullien mittheilen, so auch in mehreren andern Fächern: wie in der Gymnastik, Algebra, Mathematik etc., u[nd] würde also dadurch sehr viel nützen, u[nd] würde besonders sehr viel dazu beytragen seinen Körper wieder herzustellen. Ich möchte wünschen, bald wieder nach Yverdon zu rückkehren zu können; aber leider werde ich Sie noch für einige Monate entbehren müssen. Gewiss werde ich mich immer glücklich schätzen, so lange ich Ihre u[nd] Ihrer guten Gattin’s Liebe u[nd] Zutrauen besitzen werde; aber noch weit glücklicher, wenn ich noch dazu bey Ihnen leben kann, Ihnen meine Anhänglichkeit durch mein Thun und Handeln zu erkennen zu geben. Ich sehe mit grosser Sehnsucht jenem Augenblicke entgegen, welcher mir meinen Vater- u[nd] meine Mutter-Pestalozzi wieder geben wird. Möchte aber jener glückliche Tag bald erscheinen! … Ramsauer’s Briefe ersetzen mir zum Theil diesen wahren Freund, den ich viel mehr Bruder nenne; aber auch diese sind nicht hinreichend, u[nd] ersetzen mir ihn nur auf eine sehr unvollkommene Art. Ich habe seiner Gegenwarth nöthig, u[nd] da ich doch das doppelte Vergnügen noch lange nicht haben kann Sie u[nd] ihn in Yverdon zu sehen, so machen Sie mir das einfache Vergnügen, u[nd] lasset es zu, dass er mich hier besuche. Leben Sie wohl; ich wünsche von Herzen dass Sie u[nd] Madame Pestalozzi immer einer guten Gesundheit geniessen mögen. Einen herzlichen Gruss an Madame Pestalozzi, an H[errn] Niederer, H[errn] Krüsi u[nd] H[errn] Henning. Wi lh elm E gger

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 50/51, Umschlag 69/1 Blatt, 245 x 183 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 5 Z. 7 Z. 7 Z. 8 Z. 9

Monsieur P e s t a l o z z i : lateinische Schrift Verona: lateinische Schrift Jullien: lateinische Schrift Mailand: lateinische Schrift Verona: lateinische Schrift Mailand: lateinische Schrift

359 Z. 9 f. Z. 11 Z. 13 Z. 16 Z. 16 f. Z. 29 Z. 31 Z. 32 Z. 40 Z. 49 Z. 59 Z. 64 Z. 79 Z. 81 f. Z. 83

Appiani: lateinische Schrift Verona: lateinische Schrift Jullien: lateinische Schrift Jullien: lateinische Schrift Comte Casiola: lateinische Schrift Casiola: lateinische Schrift Verona: lateinische Schrift Cas[iola]: lateinische Schrift Jullien: lateinische Schrift Jullien: lateinische Schrift Jullien: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Madame: lateinische Schrift Madame: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Wilhelm/Guillaume Egger (1792–1830) ⇒ Nr. 1234 a II. Wilhelm/Guillaume Egger (1792–1830, ⇒ Nr. 1234 a) begleitete die Familie Jullien als Privatlehrer für die Söhne 1810/11 nach Italien. III. Z. 7 Z. 7

Z. 9 f.

Jullien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200 Familie: Sophie Jouvence Jullien-Nioche (†1832), Tochter des republikanischen Juristen Pierre Claude Nioche (1751–1828), heiratete 1801 Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200). Der älteste Sohn, Auguste Jullien (1802–1854), studierte Jurisprudenz, arbeitete als Journalist und Redaktor (La Semaine und Siècle, Le Tems) und übernahm von 1831 bis 1833 die Leitung der vom Vater gegründeten Revue Encyclopédique. Adolphe Jullien (1805–1873) besuchte das Pariser Polytechnikum, wurde Chefingenieur für Brücken- und Strassenbau und konstruierte unter anderem die Eisenbahnstrecken Paris-Lyon, Paris-Orléans und Paris-Corbeil. Alfred Jullien studierte in Paris Architektur. Die beiden erstgeborenen Söhne Julliens wurden zwischen 1811 und 1816 bei Pestalozzi in Yverdon unterrichtet, der dritte trat 1812 ebenfalls ins Institut ein. Ob zu diesem Zeitpunkt auch schon Alphonse und Antoinette-Stéphanie (⇒ Nr. 1393) auf der Welt waren, ist unklar. Auguste erkundigt sich aber in seinem Schreiben an den Vater vom 6. April 1812 (Lettres des Enfants Jullien 1812–1816. Yverdon 1985, S. 25 f.) nach dem Benehmen der beiden Kinder, so dass anzunehmen ist, dass zumindest eines der Kinder schon 1811 Teil der Familie war. Über Alphonse ist nur bekannt, dass er 1816/17 mit seiner Mutter in der Schweiz lebte. 1822 sollte noch das letzte Kind, Ange-Felix (*1822), geboren werden. Appiani: Andrea Appiani (1754–1817) war ein klassizistischer Maler aus Mailand, der in zahlreichen Mailänder Kirchen und Palästen Wandmale-

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Z. 16 f. Z. 43 Z. 67 Z. 83 f. Z. 84 Z. 84

reien hinterlassen hat, nicht zuletzt weil er von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) zum Hofmaler ernannt wurde. Comte Casiola: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Ramsauer: Johannes Ramsauer (1790–1848) ⇒ Nr. 1525 Gattin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Henning: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021

1239 a. Theodor Conrad von Kretschmann Mai 1811 5

[Reg.] Kretschmann erkundigt sich, ob er seine beiden Söhne nach Yverdon schicken könne.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 268.28 f. Sacherklärung I.

Theodor Conrad von Kretschmann (1762–1820) durchläuft als promovierter Jurist durch die Protektion Karl August von Hardenbergs (1750–1822, ⇒ Nr. 1394) eine vielfältige Karriere im preussischen Staatsdienst, zunächst ab 1793 als Regierungsrat in Preussen, dann in Ansbach. Ab 1801 leitet er als dirigierender Minister im Herzogtum SachsenCoburg-Saalfeld sieben Jahre die Verwaltungs- und Regierungsgeschäfte dieses Kleinstaats, saniert die Staatsfinanzen, überwirft sich jedoch mit zahlreichen anderen Beamten, unter anderem mit dem späteren württembergischen Kultusminister Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) und zuletzt mit Herzog Ernst Anton Carl Ludwig (1784–1844), so dass er 1808 seinen Dienst quittiert und sich auf sein Gut in Obertheres am Main zurückzieht. III. Z. 4

Söhne: Moritz von Kretschmann (1790–1868) war bayrischer Generalmajor und Kommandant des Kadettenkorps. Auch Julius Emmanuel von Kretschmann (1804–1884) schlug als Major der preussischen Armee eine militärische Karriere ein.

361 1239 b. Heinrich/Henry Senn 16. Mai 1811 [Reg.] Senn wünscht, dass die Knaben nach Hause geschickt werden.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 276.34 f. Sacherklärung I.

Heinrich/Henry Senn (1755–1828) stammt aus Buchs (Kt. St. Gallen) und heiratet 1797 Magdalena Senn. III. Z. 4

Knaben: Niklaus/Nikolaus Senn (1798–1867) aus Buchs (Kt. St. Gallen) war von 1806 bis 1817 als Zögling und später auch als Lehrer für Latein und Zeichnen am pestalozzischen Institut in Yverdon. Danach folgten Anstellungen als Lehrer in Bautzen (Sachsen) und Dresden. 1824 übernahm er eine Stelle am katholischen Gymnasium in St. Gallen und wurde 1829 an die neu gegründete Realschule in Bern berufen. Beim zweiten Knaben dürfte Fridolin Hilty (1796–1863) gemeint sein. Hilty stammte aus Buchs (Kt. St. Gallen) und war von 1806 bis 1811 Schüler am pestalozzischen Institut in Yverdon. Er wurde Apotheker und war in Chur tätig.

1240. Franz Adam Lejeune 21. Mai 1811 [Reg.] Antwortvermerk «rep. 21.» auf dem Brief Pestalozzis vom Mai 1811.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 3.70a/13a Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB XIV, Nr. 2524 a

362 1240 a. Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin 25. Mai 1811 [Reg.] Madame Fraissinet ist beunruhigt über den Gesundheitszustand ihres Sohnes.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 272.26 ff. und S. 275.13 ff. Sacherklärung I.

Anne Louise Etienne Julie Fraissinet-Beguin ⇒ Nr. 1135 b II. Jean Charles Jules Félix Prosper Fraissinet (*1796, ⇒ Nr. 1135 a) war wegen seiner schlechten Haltung in ärztlicher Behandlung und trug zeitweise ein Korsett. III. Z. 4

Sohnes: Jean Charles Jules Félix Prosper Fraissinet (*1796) ⇒ Nr. 1135 a

1240 b. Hans Georg Leonhard Schläpfer Ende Mai 1811 5

[Reg.] Schläpfer teilt Pestalozzi mit, dass er immer noch mit seinem Sohn zufrieden sei und empfiehlt die Tochter einer Verwandten in St. Gallen. Dem Schreiben ist auch ein Brief der Mutter des Mädchens beigelegt, in welchem sie mitteilt, dass der Vater die Tochter nach Yverdon bringen werde, sobald seine Geschäfte dies erlauben.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 268.22 ff. Sacherklärung I.

Hans Georg Leonhard Schläpfer (1766–1840) ⇒ Nr. 783 III. Z. 4 Z. 5

Sohn: Johann/Jean Schläpfer (*1800) ⇒ Nr. 1240 c Tochter: Cleophea Marie Anna Vonwiller (*1801) wuchs in St. Gallen auf. Ob sie das Mädcheninstitut (⇒ Nr. 867) in Yverdon tatsächlich besucht hatte, konnte nicht ermittelt werden. 1836 heiratete sie Johannes Kopp, der aus dem Thurgau stammen soll.

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Z. 6

Mutter: Sara Cleophea Vonwiller-Binder (1772–1843) aus St. Gallen war die Tochter des Militärs und Zunftmeisters Johannes Binder (1741–1790). Sie heiratete 1796 Georg Vonwiller (1762–1834, ⇒ Z. 6). Vater: Georg Vonwiller (1762–1834) aus St. Gallen war der Sohn eines Fabrikanten und ebenda Kaufmann und Salzverwalter.

1240 c. Johann/Jean Schläpfer Ende Mai 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 268.23 Sacherklärung I.

Johann/Jean Schläpfer (*1800) von Speicher (Kt. Appenzell-Ausserrhoden) ist von 1807 bis 1811 Zögling im Institut in Yverdon und steigt später ins Textilhandelsgeschäft seines Vaters, Hans Georg Leonhard Schläpfer (1766–1840, ⇒ Nr. 783) ein, das er nach dessen Tod als einziger Sohn weiterführt.

1241. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 8. Juni 1811 5

An den Herren Ksionzeck im Kloster zu Kreuzlingen am Bodensee Berlin den 1ten Juny 1811.

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Das Schreiben des Herren Ksionzeck vom 16ten v[origen] M[onats] ist in einem Ton abgefasst, der ihm durchaus nicht ziemet. Er ist nach Yverdun gesandt um zu lernen, nicht um von da aus Vorschriften zu geben. Lange genug hat er, der Absicht seiner Sendung zuwider, sich willkührlich von dem Aufenthalt in Yverdun und den Arbeiten mit und unter Pestalozzi dispensirt und dem unterzeichneten Departement, das ihn aufgefordert; seiner Pflicht und seinem Versprechen nachzukommen, Trotz geboten. Sein letzter Brief aber zeugt von einem solchen Dünkel, dass das Departement bedauern muss, ihn jemals verkannt und würdig gehalten zu haben, als Eleve des Staats für dessen Dienst ausgebildet zu werden. Die Bedingung, die er seinem Zurückkommen zu sezen gewagt hat, seinen Freund Steheli mit ihm anzustellen, den das Departement anzusetzen weder Beruf noch Gelegenheit hat, hebt nun von selbst alle fernern Beziehung zwischen ihm und dem Departement auf, das seine Erklärung, die Kosten welche er in Yverdun gemacht, zurückzahlen zu wollen, nur als eine Äusse-

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rung trotziger Undankbarkeit aufnehmen kann und ihn seinem fernern Schicksale zu überlassen sich genöthigt sieht, wenn er nicht durch baldige willige Fügung in die Anordnung des Departements, die ihn zurückberuft, bessere Gesinnungen an den Tag legt. Departement des Cultus

An Herrn Pestalozzi zu Yverdun Berlin den 1ten Juny 1811. 30

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Das unterzeichnete Departement ersucht ferner, dem bisherigen Eleven Ksionzeck das für denselben übermachte Reisegeld von 150 R[eichstha]ler Preuss[ische]r bis auf weiteres nicht verabfolgen zu lassen, falls solches nicht schon geschehn seyn sollte, da das Departement sich vielleicht veranlasst sehen dürfte, alle fernere Verbindung mit ihm aufzuheben. Departement des Cultus N[icoloviu]s Süvern 8. 7. Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 202–202 a Randnotiz Mundum 10 z[ur] Post eod[em] Entwurf Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 8 Z. 9 Z. 10 Z. 11 Z. 17 Z. 20 Z. 21 Z. 21 Z. 22 f. Z. 23 Z. 30 Z. 31 Z. 32 Z. 33 Z. 33

Ksionzeck: lateinische Schrift Ksionzeck: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift von da aus ∫ Yverdun: lateinische Schrift Steheli: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Undankbarkeit zu ∫ er nicht … an den Tag legt. ∫ zurückberuft, bessere Ksionzeck: lateinische Schrift bis auf weiteres ∫ seyn sollte ∫ vielleicht ∫ dürfte ∫

365 Z. 33 f. Z. 34

Verbindung ihm aufzuheben. Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht ⇒ Nr. 1049 II. Die Entsendung und Ausbildung der preussischen Eleven in Yverdon wird in der Regel als Erfolgsgeschichte erzählt. Wie der vorliegende Brief zeigt, verhielten sich allerdings nicht alle Eleven den in sie gesetzten Erwartungen gemäss, sondern massten sich offenbar auch Urteile und Kritik an, die nicht im Sinne der Auftraggeber waren. III. Z. 5 Z. 8 Z. 17

Z. 36 Z. 36 Z. 37

Ksionzeck: Michael Ksionzek ⇒ Nr. 1069 Schreiben: Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII, Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 199–200 a Steheli: Markus Karl Stehle (1781–1850), auch Stehli, Stehelin genannt, stammte aus Binsdorf (Baden-Württemberg), war von 1809 bis 1810 zur Erlernung der Methode bei Pestalozzi in Yverdon und ging anschliessend nach Kreuzlingen, wo er möglicherweise an der Knabenschule von Philipp Nabholz (1782–1842, ⇒ Nr. 967) unterrichtete. Seit etwa 1812 war er als Lehrer in Horb (Baden-Württemberg) tätig und heiratete 1818 Magdalena Blum (1800–1856). 1811 publizierte er die Kritik aller Untersuchungen der Pestalozzischen Methode. N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Datum der Unterschriften

1241 a. Jacques François Dombald 8. Juni 1811 [Reg.] Dombald erkundigt sich nach einer Stelle als Sprachlehrer.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 281.13 f. Sacherklärung I.

Jacques François Dombald (*1792) stammt aus Moudon (Kt. Waadt). Über sein weiteres Leben konnten keine Daten recherchiert werden.

366 1241 b. Christian Tester Juni 1811 5

[Reg.] Tester möchte einen jungen Mann nach Yverdon schicken und erkundigt sich nach den Pensionskosten.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 284.14 ff. Sacherklärung I.

Christian Tester (1784–1855) aus dem Safiental (Kt. Graubünden) besucht eine Privatschule in Thusis (Kt. Graubünden), anschliessend die Kantonsschulen in Aarau und Chur, danach studiert er an der Universität Heidelberg Mathematik. Anfang 1810 hält er sich zwecks pädagogischer Ausbildung drei Monate lang am pestalozzischen Institut in Yverdon auf und übernimmt anschliessend eine Stelle als Mathematik- und Physiklehrer an der evangelischen Kantonsschule in Chur, die er vierzig Jahre lang innehat. 1827 tritt er dem neugegründeten evangelischen Schulverein Graubünden als Mitglied des Vereinskreises Chur bei. 1830 wird ihm die Ausarbeitung eines Lehrmittels für den Rechenunterricht anvertraut, welches 1832 unter dem Titel Leitfaden zum zweckmässigen Verfahren beim Rechnungsunterricht in den bünderischen Volksschulen erscheint. 1833 veröffentlicht Tester zudem die Dorfgeschichte Einiges aus der Geschichte der Gemeinde Felsenthal, oder das Buch vom Junker Hanns. III. Z. 4

Mann: Da dieser Plan nicht umgesetzt wurde, ist unklar, wer damit gemeint war.

1241 c. Adolf Liebmann Juni 1811 [Reg.] Liebmann erkundigt sich, ob Pestalozzi einen Setzer brauchen könne.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 286.7 ff. Sacherklärung I.

Adolf Liebmann ist Drucksetzer bei der Offenburger Buchdruckerei von Andreas Patsch (1773–1833), einem von Innsbruck zugewanderten Drucker, der 1812 das Offenburger Wochen- und Intelligenzblatt gründet.

367 1241 d. Pierre François Saugier Juni 1811 [Reg.] Saugier empfiehlt einen jungen Mann nach Yverdon.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 286.16 ff. Sacherklärung I.

Damit ist möglicherweise Pierre François Saugier (1765–1828) aus Montaigu gemeint, der 1791, nach dem Besuch des Priesterseminars Besançon, Vikar in Villevieux (alle Franche-Comté) wurde, sich 1792 als eidverweigernder Priester in die Schweiz flüchtet und im Exil in Estavayer-le-Lac (Kt. Fribourg) lebt, bevor er 1796 nach Frankreich zurückkehrt, wo er von 1803 bis 1807 und später wieder von 1821 bis 1827 als Pfarrer in Fétigny (Franche-Comté) arbeitet. III. Z. 4

jungen Mann: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte.

1242. Heinrich Remigius Sauerländer 11. Juni 1811 Herrn H[einrich] Pestalozzi in Iferten 5

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Aarau den 11. Juny 1811. E[uer] Wohlgeborn kann ich nun nach beendigter Leipziger Messe über den Verkauf des 1n und 2ten Bandes der Wochenschrift, welche mir noch in Comission geblieben sind, einige Auskunft geben. Vom 1ten Band sind noch 111. Exemplar, vom 2 Band noch 98. Ex[emplare] abgesezt worden; allein darunter sind mehrere Exemplare im verflossenen und in diesem Jahre an solche Buchhandlungen versandt und abgesezt worden, die entweder gänzlich fallirt haben, oder unter Administration gesezt sind, oder die sonst auf keinerlei Weise zur Bezahlung gebracht werden können. Ich kann Ihnen über diese verschiedenartige Verluste bis jezt noch keine Rechnung tragen, bis die Geschäfte solcher Handlungen definitif auseinander gesezt sind, und ich überhaupt weiss, was dabei heraus kömmt. Am kürzesten wäre es freilich, um diesen ganzen Comissions-Geschäft ein Ende zu machen,

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und derley so sehr in Detail laufenden Abrechnungen überhoben zu seyn, wenn Sie mir den Rest der kleinen Vorräthe vom 1n u[nd] 2n Band um einen billigen Parthiepreiss in Summa überlassen würden. Es versteht sich natürlich von selbst, dass dieser Preiss äusserst billig seyn müsste, indem ich an diesem Rest von Exemplaren ohne Zweifel noch manches Jahrlang zu verkaufen habe. Es sind laut unserer lezten Abrechnung vom 1ten Band 311. Ex[emplare] und vom 2ten Band 252. noch vorräthig geblieben, davon sind 12. Exemplar des 1ten Bandes Ihnen mit heutigem Postwagen übersandt worden, u[nd] 11. Ex[emplare] sind Defect, so wie vom 2ten Band 17. Ex[emplare] die man auch nicht mehr zu complettiren vermag, was im Buchhandel durchaus nicht zu vermeiden ist. Ich sende Ihnen davon hierbei noch die übrigen ersten Bogen vom ersten Band, welche den Bericht an Eltern enthalten, der Ihnen vielleicht sonst noch nützen kann. Ich will Ihnen für den übrigen ganzen Vorrath von 288. Exemplar vom 1n Band und 235. vom 2ten Band noch 300. Schw[ei]zerfranken offeriren, nur damit wir wegen diesen Geschäft gänzlich in Ordnung kommen können. Jedoch muss ich dabei die Bedingung erst setzen, dass Sie sich für diesen Betrag nach und nach bey mir Bücher bestellen, welche Sie für Ihr Institut od[er] Ihre Bibliothek gebrauchen, und Ihnen folglich eben so gut, wie baares Geld sind. Mit den 3ten B[an]d ist es mir schon nicht gelungen, eben so viel abzusetzen, als von den beiden ersten Bänden, und es liegen mir davon noch beinahe 500. Ex[emplare] vorräthig. Mit dem 4ten B[an]d aber geht es mir ganz gegen alle Erwartung schlecht, und von allen Seiten sind mir davon Ex[emplare] wieder remittirt worden, so dass ich über 600 Ex[emplare] übrig behalte. Viele behaupten, dass die Wochenschrift ihrer Erwartung nicht mehr entspreche; Viele sagen die ausserordentliche Unrichtigkeit in Ihrer Erscheinung der einzelnen Hefte sey viel daran Schuld, dass sich so viele Abonenten verliehren. – Dem sey nun, wie ihm wolle, der Verleger leidet allein darunter, und Sie als ein so gerechter und billig denkender Mann werden einsehen, dass ich unter solchen Umständen unmöglich das sehr starke Honorar von 50. Lois für den Band bezahlen kann. Eine sehr einfache Berechnung mag Sie davon vollkommen überzeugen: – Wenn ich 400. Ex[emplare] absetze, so nehme ich 800 Fr[anken] dafür ein; so viel beträgt Ihr Honorar, und wo bleiben meine Druk[-] und Papierkosten? – Dieser Schaden wäre um so bedeutender, da ich warlich bisher diese Wochenschrift nur aus Zuneigung für die gute Sache gedrukt und unternommen habe und gewiss nicht wegen des Gewinnstes, der dabei heraus kömmt,

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wie Sie sich selbst überzeugen können. – Dennoch will ich Ihnen für diesen 4n Band, in der Hoffnung, dass er durch die baldige Erscheinung des 2ten u[nd] 3ten Heftes noch einigen Abgang finden wird 400. Fr[anken] in Rechnung zu gut schreiben, und ich theile auf diese Art dadurch meine ganze Einnahme mit Ihnen. – Für das 2te Heft erwarte ich inzwischen das Manuscript vollständig, denn schon ist das erste halbe Jahr beinahe wieder vorüber, und noch nicht weiter erschienen. In betreff Ihrer Rechnung habe ich zu bemerken, dass die Artikel welche darin unrichtig sind, sich gefunden haben, und dass solche Ihnen demnach wieder zu gut geschrieben worden, od[er] vielmehr in der Rechnung abgezogen worden sind, so wie Sie auf derselben beiliegend ersehen werden. Eben so ist Ihnen die Zahlung für 36 Wochenschrift 1r B[an]d, die ich mit H[err]n Mohr verrechnet habe, mit 36 Fr[anken] Netto zu gut geschrieben. Bey den zurükgesandten Büchern unter dem 5 Juni fehlt 1 Niemeyers Anweisung f[ür] Volksschulen welches Sie wahrscheinlich noch gebraucht u[nd] behalten haben. Noch ist zu bemerken, dass Sie vom 4n Band 100 Ex[emplare] empfangen haben, laut meinem Buche. Sie schreiben nur von 50. und ich bitte dies doch genau zu untersuchen. Nach dieser beiliegende Rechnung behalte ich also noch F[ranken] 206. 17So[u] zu gut, und ich bitte desfalls um baldige Auskunft, damit wir nur einmal in Ordnung kommen und den Abschluss der alten Rechnung bewerkstelligen können. Wollten Sie doch so gefällig seyn, und H[err]n Niederer bitten mir die von H[err]n Hofmann eingetrofenen Nachrichten gütigst mitzutheilen; ich sende sie alsobald wieder zurück. – Das Myrsche Werk schon seit 4. Jahren nicht mehr fortgesezt, und ist also davon nichts weiter rem[ittend] erschienen. Mit vollkomenster Hochachtung empfiehlt sich Ihnen ergebenst Sauerländer Überlieferung 1 5

StA Aargau ZwA 2004.0027/2191 Copia Textkritik

Zeuge h Z. 4 Z. 5 Z. 5 Z. 11 Z. 13

H[einrich] Pestalozzi in Iferten: lateinische Schrift Aarau: lateinische Schrift Juny: lateinische Schrift eigentlich: sind sind fallirt: lateinische Schrift

370 Z. 17 Z. 20 Z. 22 Z. 29 Z. 51 Z. 54 Z. 57 Z. 74 Z. 74 Z. 75 Z. 85 Z. 86

definitif: lateinische Schrift Detail: lateinische Schrift Summa: lateinische Schrift Defect: lateinische Schrift Abonenten: lateinische Schrift Honorar: lateinische Schrift Honorar: lateinische Schrift die ∫ Mohr: lateinische Schrift Netto: lateinische Schrift Niederer: lateinische Schrift Hofmann: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084 II. Nach anfänglichen Erfolgen liess die Nachfrage nach der Wochenschrift für Menschenbildung sehr bald nach, wohl auch, weil sich die Zeitschrift entgegen der anfänglichen Zielsetzung zu einem Rechtfertigungsorgan von Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) entwickelt hatte. III. Z. 4 Z. 8 Z. 33

Z. 54 Z. 74

Z. 77 Z. 82

Z. 85 Z. 86 Z. 88

Iferten: dt. Name für Yverdon Wochenschrift: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811) Bericht an Eltern: Johann Heinrich Pestalozzi: Bericht an die Eltern und an das Publikum über den gegenwärtigen Zustand und Einrichtungen der Pestalozzischen Anstalt in Iferten von Pestalozzi. In: Wochenschrift für Menschenbildung Band 2 (1808), 1. Stück, S. 1–48 Lois: Louis d’or (frz. Goldmünze) Mohr: Der Frankfurter Buchhändler Jakob Christian Benjamin Mohr (1778–1854) leitete zusammen mit Johann Georg Zimmer (1776–1853) den Verlag Mohr und Zimmer (⇒ Nr. 1173) in Heidelberg. Mohr zählte zu den Begründern des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Niemeyers … Volksschulen: Friedrich A. Junker/August Niemeyer: Handbuch der gemeinnützigsten Kenntnisse für Volksschulen. Halle 1787 So[u] : Die französische Kupfermünze sou war seit 1795 keine offizielle Währung mehr, der Begriff blieb jedoch bis ins 20. Jahrhundert hinein als Bezeichnung für 5-Centime-Stücke im Gebrauch. Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Hofmann: Damit dürfte wahrscheinlich Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) gemeint sein. Myrsche Werk: Damit ist wohl das zwischen 1807 und 1808 in Kommission bei Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847, ⇒ Nr. 1084) in Aarau erschienene und mehrbändig angelegte Werk Systematische Darstellung aller Erfahrungen in der Naturlehre, entworfen von Johann Rudolph Meyer dem Jüngeren; bearb. von mehreren Gelehrten gemeint. Entgegen dem langfristigen Publikationsplan erschienen jedoch nur der Teil 1 (Sys-

371 tematische Darstellung aller Erfahrungen über allgemeiner verbreitete Potenzen) von Ludwig von Schmidt (gen. Phiseldeck) und Teil 3 (Systematische Erfahrungen über die einzelnen Metalle) von Karl Albrecht Kielmann. Der Herausgeber, Johann Rudolph Meyer (1768–1825, ⇒ Nr. 571) übernahm 1811 nach einer entsprechenden Ausbildung in der Seidenbandfabrik seines Vaters Johann Rudolf Meyer (1739–1813) den väterlichen Betrieb und unterrichtete kurzzeitig auch an der Aarauer Kantonsschule Physik und Chemie. Pestalozzi forderte «das Werk des Herrn Meyer» am 5. Juni 1811 von Sauerländer (PSB VII, Nr. 2534). Der Herausgeber der Briefe Pestalozzis, Emanuel Dejung, vermutete fälschlicherweise, dass es sich bei diesem Buch um Mathematiklehrbücher des deutschen Mathematikers Meyer H. Hirsch (1765–1851) handelte (PSB VII, S. 488 f.). Doch erfuhren diese Bücher mehrere Fortsetzungen und Ausgaben und wurden nicht, wie es in der hier vorliegenden Briefstelle heisst, vor vier Jahren eingestellt, geschweige denn von Sauerländer verlegt.

1242 a. Jacques François Dombald 18. Juni 1811 5

[Reg.] Dombald erkundigt sich, weshalb er auf seine Anfrage vom 8. Juni noch keine Antwort erhalten habe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 281.15 Sacherklärung I.

Jacques François Dombald (*1792) ⇒ Nr. 1241 a III. Z. 4

Anfrage: ⇒ Nr. 1241 a

1242 b. Monsieur Belcourt 18. Juni 1811 [Reg.] Belcourt erkundigt sich nach einer Stelle als Tanzlehrer.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 281.21 f.

372 Sacherklärung I. Über Monsieur Belcourt – wahrscheinlich ein Franzose – konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Belcourt logiert im Juni 1811 bei einem Herrn Jaques in Vevey. Möglicherweise ist er identisch mit einem Belcourt, professeur de danse, der 1822 ein Kleidergeschäft in Chambéry (Rhones-Alpes) eröffnet.

1242 c. Hans Georg Nägeli 26. Juni 1811 [Reg.] Nägeli schickt eine Rechnung.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 289.13 Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998

1243. Karl August von Wangenheim 26. Juni 1811 Stuttgart den 26sten Juny 1811. 5

10

15

Der Ueberbringer dieses Briefs, der Kammerherr u[nd] Oberst von Lindenau, sey Ihnen, verehrungswürdiger, geliebter Vater! recht dringend empfohlen. Er ist ein reiner Mensch, voll innern Trieb nach Wissenschaft u[nd] rechtem Leben, wahr und einfach in seinem Wesen; ohne viel Worte und Äusseres schlägt ein warmes Menschenherz hinter einer scheinbar kalten Brust. Er hat sich die Bearbeitung der Geographie, als Wissenschaft, nach eignen weitumfassenden Ansichten, zur Aufgabe seines Lebenswerks gemacht. In diesem Behuf studirt er die Naturwissenschaft, Botanik, Mineralogie, Astronomie u.s.w. nur zu diesem Ende reist er auch. Mathematiker ist er in dem Platonischen Sinne des Worts und als solcher ist er auch durch seinen Versuch über die Primzahlen dem Institute bekannt, Krüsi aber kennt ihn persönlich und war oft bey ihm. Yverdon ist mit ein Ziel seiner Reise und ich bin überzeugt, dass Sie, theurer Mann! alles thun werden, um ihm seinen Aufenthalt nützlich

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u[nd] angenehm zu machen. Und eben so sey er auch Ihren Freunden u[nd] Gehülfen, nahmentlich den Mathematikern, empfohlen. Dass ich den lebhaftesten Antheil an allem nehme, was Sie persönlich u[nd] die Aufgabe Ihres Lebens angeht, bedarf keiner Versicherung. Wer Sie und Ihre Sache einmal kennt u[nd] genossen hat, kann nicht aufhören beyde zu lieben, ohne sich selber verlohren zu haben. Dafür aber bin ich – so hoffe ich – sicher, nachdem ich d u r c h S i e u [ n d ] I h r e S a c h e mich selber eigentlich erst gefunden habe. Hier, theurer Mann! wird geflickt und geflickt, aber aus Lumpen wird kein ganzer Rock. Das Tuch fehlt, aber man würde es haben können, wäre nur der rechte Schneider da u[nd] Licht u[nd] Raum für die Werkstatt. Lindenau kann Ihnen davon erzählen. Rösler arbeitet brav, nach dem Maass seiner Kräfte. Das neuliche Examen hat mich überrascht. Er hat mit wenig Mitteln unendlich viel geleistet. Die Hagenauer wird dem Institute täglich mehr. Ich habe einen Wunsch für dieses. Rösler hat einen Lehrer, Nahmens Oehlenschläger, einen Jungen Mann von ungemeinem Willen u[nd] vieler Kraft. Er hat gute Anlagen zum Lehrer u[nd] leistet viel. Das grösste aber ist, dass er weiss u[nd] sagt, wie viel ihm fehlt. Sein sehnlichster Wunsch ist, ein Jahr w e n i g s t e n s in Yverdon zu arbeiten. Nun kann ihn aber Rösler nicht entbehren, ohne anderweite Aushülfe. Gieng es nicht, dass Sie einen auf 1 Jahr hergäben u[nd] dagegen Oehlschläger nähmen? Er würde auf einer gereiften Stufe seinen Platz ausfüllen, wie ein Anderer u[nd] doch lernen, während der Yverdoner vielleicht auch hier Gelegenheit fände, sich für Ihr Institut weiter auszubilden, in alten Sprachen zum Beyspiel? Denken Sie doch darüber nach. In Esslingen ist ein Schullehrer-Seminar errichtet, das wir den Bemühungen d’Autel’s verdanken. Noch ist nicht viel davon zu sagen und der ganze Plan ist zu beschränkt; aber ein braver Mann, Pfarrer Denzel (nicht der Hofprediger, der sich in Yverdon amusirte) steht an der Spitze u[nd] es galt vor Allem Fuss zu fassen. Alle diese Anfänge sind mir für meine Zwecke wichtig u[nd] lieb. Kommt meine Zeit, so soll’s – so Gott will – besser werden. Aber – Niederer wird es Ihnen gesagt haben – wie sehr es mir an Menschen fehlt. Auf den D[okto]r Eschenmayer, den Sie gewiss auch lieben gelernt haben u[nd] der sich sehnt, I h r Urtheil über seine Prolegomena zu jeder Pädagogik zu lesen – baue ich viel. Vielleicht könnten Sie mir aber auch in dieser Hinsicht einen Dienst leisten, der Ihnen selbst für den Augenblick nützlich wäre. Sie dehnen – dem Himmel sey Dank – Ihre literarischen Arbeiten aus. Ihre Wochenschrift hat einen

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herrlichen Absatz u[nd] sollte häufiger erscheinen; eine Ausgabe Ihrer s ä m m t l i c h e n Werke ist Bedürfnisse; die Arbeiten, die jetzt Kawerau, Thieriot, Göldy, Krüsi, Niederer u[nd] wer weiss wer noch, unter Ihrer Leitung, im Kopfe u[nd] unter den Händen haben, reiften doch auch der Publizität entgegen; Kurz Ihr literarischer Verkehr, selbst Ihr Briefwechsel, der jezt, unter dem Drang der Geschäfte, vielleicht mehr, als gut ist, vernachlässigt wird – machen einen Menschen nöthig, der Fleiss, Kopf und Sprache genug hat, um zu r e d i g i e r e n und dabey in einer Lage ist, nicht zu grosse pekuniäre Forderungen machen zu müssen. In dieser Lage ist K ä m p f , den Sie ja persönlich kennen. Er hat jezt P e n s i o n von Baaden, an das er mit dem Amte Radolphzell übergeben ist. Sie reicht nicht zu seinem Unterhalte u[nd] dem seiner abgeschiedenen, unwürdigen, Frau; aber wenn er bey Ihnen L o g i s und K o s t hätte, so wäre er zufrieden, bis seine Arbeiten Sie in den Stand sezten, f r e y w i l l i g mehr für ihn zu thun. Er ist brav, eifrig, gemüthlich, gewandt u[nd] schreibt gut. Frau Bach wünscht i h m u[nd] I h n e n das näml[iche]. M i r wäre es wichtig, an ihn einen Mann ziehen zu lassen, den ich dann hier brauchen könnte, wenns Tag wird. Beschlafen Sie die Sache. Herzliche Grüsse, lieber Verehrter! an die gute Frau Pestalozzi u[nd] alle die Freunde u[nd] Freundinnen, den mein Gruss aber würkl[ich] seyn kann. Ewig u[nd] immer, mein lieber, lieber Mann! Ihr Freund u[nd] Verehrer Wangenheim Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 55a/56, Umschlag 383/I,4 Bogen, 225 x 185 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 17 f. Z. 40 Z. 45 Z. 49 Z. 51 Z. 56 Z. 75

Yverdon: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Yverdoner: lateinische Schrift d’Autel’s: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift D[okto]r: lateinische Schrift L o g i s : lateinische Schrift

375 Sacherklärung I. Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 II. Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) war seit 1806 im württembergischen Staatsdienst tätig und bemühte sich in dieser Funktion – mit unterschiedlichem Erfolg – um die Einführung und Verbreitung der pestalozzischen Methode in Württemberg. III. Z. 6 Z. 17 Z. 33 Z. 34

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Z. 49 Z. 51 Z. 51 Z. 54 Z. 56 Z. 57

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Lindenau: Friedrich Wilhelm von Lindenau (1781–1859) war ein württembergischer Oberst und Kammerherr. Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Rösler: Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845) ⇒ Nr. 1043 Examen: Damit dürfte wohl das jährlich stattfindende Frühjahrsexamen gemeint sein, das Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845, ⇒ Nr. 1043) kurz vor seinem Weggang auch für April 1812 ankündigte (vgl. Karin de La Roi-Frey: Schulidee: Weiblichkeit. Höhere Mädchenschulen im Königreich Württemberg, 1806 bis 1918. Tübingen 2003, S. 37). Hagenauer: Sophie Bertschinger-Hagnauer (1786/7–1873) ⇒ Nr. 1016 Institute: ⇒ Nr. 1136 Oehlenschläger: Gottfried Friedrich Oelschläger (1786–1816) war Unterlehrer am Stuttgarter Waisenhaus (⇒ Nr. 1136) und anschliessend Lehrer am von Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) 1809 gegründete Institut für den Unterricht nach der pestalozzischen Methode (⇒ Nr. 1136). 1812 übernahm er dessen Leitung von Gottfried Friedrich Rösler (1782–1845, ⇒ Nr. 1043) und übte diese bis zu seinem Tod aus. Wunsch: Gottfried Friedrich Oelschläger (1786–1816, ⇒ Z. 37) war laut den Geschäftsbüchern nicht am Institut in Yverdon angestellt. Etwaige Pläne machten wohl die unvorhergesehene Leitung des wangenheimschen Instituts (⇒ Nr. 1136) in der Nachfolge Gottfried Friedrich Röslers (1782–1845, ⇒ Nr. 1043) 1812 und dann sein früher Tod 1816 zunichte. Schullehrer-Seminar: Im Zuge des Erlasses der katholischen und evangelischen Volksschulordnungen im Königreich Württemberg 1808 und 1810 erfolgte bereits 1809 die Anordnung zur Gründung eines Lehrerseminars, das schliesslich 1811 in Esslingen unter dem Inspektorat von Johann Bernhard Gottlieb Denzel (1773–1838, ⇒ Nr. 1652) eröffnet wurde. d’Autel: August Heinrich d’Autel (1779–1835) ⇒ Nr. 1136 Denzel: Johann Bernhard Gottlieb Denzel (1773–1838) ⇒ Nr. 1652 Hofprediger: Christoph Samuel Denzel (1774–1846) ⇒ Brief vom 1. Juni 1826 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Eschenmayer: Adam/Adolph Karl August Eschenmayer (1768–1852) ⇒ Nr. 1136 Prolegomena: [Adam/Adolph Karl August] Eschenmayer: Prolegomena zu jeder künftigen Pädagogik. In: Wochenschrift für Menschenbildung (1811), Heft 2, S. 91–116 Wochenschrift: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811) Kawerau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453

376 Z. 64 Z. 64 Z. 71 Z. 75

Z. 78 Z. 81 f.

Thieriot: Paul Emil Thiriot (1780–1831) ⇒ Nr. 984 Göldy: Andreas Göldi (1786–1840) ⇒ Nr. 1200 K ä m p f : Jakob Wilhelm Kämpf (1755/60–1811) ⇒ Nr. 1128 Frau: Damit dürfte wahrscheinlich Luise Kämpf, möglicherweise aus Tübingen, gemeint sein, die um 1794/95 geheiratet hatte (vgl. Stadtarchiv Heilbronn, D 92, Brief Nr. 43). Bach: Magdalene Friederike Bach-Schumann (1778–1830) ⇒ Nr. 1143 Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1243 a. Thomas Joseph Lienert 30. Juni 1811 [Reg.] Lienert bietet Pestalozzi ausgestopfte Vögel als Unterrichtsmaterialien an.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 285.11 ff. Sacherklärung I.

Thomas Joseph Lienert (1777–1824) aus Luzern ist als technischer Konstruktionszeichner und als (Wachs-)Bildhauer tätig und betreut seit 1808 zugleich als Kustos im Berner Museum eine grosse Sammlung ausgestopfter Tiere, vor allem von heimischem Wild, aber auch von Vögeln, die er selbst ausstopft. II. Wie diesem Brief zu entnehmen ist, war die Verwendung von konkretem «Anschauungsmaterial» im Unterricht schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekannt.

1243 b. Michael Ksionzek Ende Juni 1811 5

[Reg.] Ksionzek verlangt das Reisegeld, welches Pestalozzi vom preussischen Departement für ihn erhalten hat.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 287.18 f.

377 Sacherklärung I. Michael Ksionzek ⇒ Nr. 1069 II. ⇒

Nr. 1241

1243 c. Albert Louis Francillon Juni 1811 [Reg.] Francillon erkundigt sich nach Pestalozzi, seiner Familie und den Lehrern.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 290.29 ff. Sacherklärung I.

Albert Louis Francillon (1802–1840) ⇒ Nr. 1144 a

1243 d. Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann Juni/Juli 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 315.26 Sacherklärung I.

Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann (*1768) ⇒ Nr. 1171

378 1244. Johann Elias Mieg 9. Juli 1811 Frankfurt, den 9. Juli 1811. 5

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Hier, lieber Vater, erhalten Sie meine Antwort auf die schändliche Rezension in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen, die an manchen Stellen ziemlich scharf ausgefallen ist und noch ärger geworden wäre, wenn ich mich nicht mit aller Gewalt zurückgehalten hätte. Ich habe rechts und links Hiebe ausgeteilt und habe mich nicht gescheut, in das Wespennest der Rezensenten zu greifen; ohne Zweifel werden sie nun über mich herfallen; das tut aber nichts, wenn es not täte, werde ich mich zu verteidigen wissen. Was mich am meisten interessirt, ist, dass Sie meine Antwort genehmigen und nicht sagen, dass ich die Sache schlechter gemacht habe als sie war. Diesen Vorwurf würde ich auf keinen Fall fürchten, wenn mein Kopf so hell und deutlich sähe und sich mitteilen könnte als mein Herz Ihnen lebendig und ungeteilt angehört. Freund Ritter ist nun bei Ihnen; wie gerne wäre ich auch in Yverdon, wäre es auch nur auf eine Viertelstunde; allein meine Zeit ist so bedrängt, dass selbst das Schreiben mir kaum gestattet ist. Ich kann Ihnen daher heute nichts weiter sagen, als dass ich immer bin – Sind die – – Überlieferung 1

P.Bl. 1902, S. 22 Textkritik

Zeuge [a] Sacherklärung I. Johann Elias Mieg (1770–1842) aus Weinheim studiert in Heidelberg Theologie und ist danach als Brigadeprediger in Karlsruhe tätig. Um 1790 wird er Hauslehrer in der Familie des Frankfurter Bankiers Johann Jakob Willemer (1760–1838, ⇒ Nr. 875), freundet sich während dieser Zeit mit Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) und Julius Bernhard Engelmann (1773–1844, ⇒ Nr. 916) an und ist auch als Jugendschriftsteller tätig. Von 1807 bis 1810 hält er sich zusammen mit seinem Zögling Abraham (Brami) Ludwig Heinrich Jakob von Willemer (1797–1818, ⇒ Nr. 948) bei Pestalozzi in Yverdon auf, unterrichtet zeitweise als Lehrer am Institut und ist Mitglied des ökonomischen Komitees, das auf seine Initiative hin zur Verbesserung der finanziellen Lage Pestalozzis gegründet wird. Anschliessend reist er mit Brami nach Italien und Frankreich, von 1811 bis im Sommer 1813 weilen sie in Paris. Danach

379 hält er sich in Frankfurt und Boudry am Neuenburgersee auf und besucht 1813 erneut Pestalozzi in Yverdon. Nach Beendigung seiner Erziehungsaufgabe im Hause Willemer ist Mieg 1814 zuerst als Feldprediger tätig, im selben Jahr übernimmt er die Erziehung der Söhne des Fürsten Carl Friedrich Ludwig Moritz zu Ysenburg und Büdingen (1766–1820, ⇒ Nr. 1450), mit denen er sich von 1816 bis 1818 in Lausanne aufhält. Nach dieser Tätigkeit zieht sich Mieg ins Privatleben zurück und wohnt meist in Heidelberg. Lit.: Ludwig Fertig: Ein Hofmeister zwischen den Zeiten Johann Elias Mieg (1770– 1842). In: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge 60 (2002), S. 223–306 II. Der teilweise kritische Bericht der Tagsatzungskommission über das Institut in Yverdon wurde nach der Veröffentlichung sowohl in Briefen als auch in verschiedenen deutschen und schweizerischen Zeitschriften diskutiert, wobei in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen ein besonders hämischer Kommentar erschien (⇒ Z. 6). Viele «Anhänger» Pestalozzis fühlten sich dabei aufgefordert, Pestalozzi, seine Methode und seine Verdienste gegen in ihren Augen nicht gerechtfertige Kritikpunkte zu verteidigen. III. Z. 6

Z. 18

Rezension: Göttingische Gelehrte Anzeigen, 59. Stück, den 13. April 1811, S. 577–588. Der Rezensent Karl Ludwig von Haller (1788–1854, ⇒ Nr. 908) wurde nicht namentlich genannt. Ritter: Karl/Carl Ritter (1779–1859) ⇒ Nr. 908

1244 a. Jean Jacques Paschoud 9. Juli 1811 [Reg.] Paschoud schickt eine Rechnung für eine Ausgabe von Buffon.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 296.22 Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a III. Z. 4

Ausgabe: Georges Louis Le Clerce de Buffon: Morceaux Choisis De Buffon. Ou Recueil De Ce Que Ses Écrits Ont De Plus Parfait Sous Le Rapport Du Style Et De L'Éloquence. Paris 1807

380 1245. Heinrich Remigius Sauerländer 12. Juli 1811 [Reg.] Sauerländer schickt Bücher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 305.5 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1246. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 14. Juli 1811 5

An den H[er]rn Pestalozzi zu Yverdun Berlin den 12ten July 1811.

10

Das unterzeichnete Departement ermangelt nicht, Euer Wohlgeb[or]en die halbjährigen Unterhaltungs Kosten für den Herren Kraetz durch die anliegende assignation mit 175 p[reussischer] Cour[ant] zu weitern Aushändigung ganz ergebenst zu übersenden. Departement des Cultus Sch[uckman]n N[icoloviu]s Süvern 14. 13. Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA, Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 230 a Datum am Schluss Copia Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 6 Z. 9

Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Kraetz: lateinische Schrift

381 Sacherklärung I. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht ⇒ Nr. 1049 III. Z. 9 Z. 10 Z. 13 Z. 13 Z. 13 Z. 14

Kraetz: August Kraetz (†1821) ⇒ Nr. 1197 assignation: Anweisung Sch[uckman]n: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834) ⇒ Nr. 1210 N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Datum der Unterschriften

1246 a. Michael Ksionzek 16. Juli 1811 [Reg.] Ksionzek erkundigt sich erneut nach seinem Reisegeld.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 305.18 f. Sacherklärung I.

Michael Ksionzek ⇒ Nr. 1069

1247. Wilhelm Dünner 22. Juli 1811 5

Monsieur Pestaloutz Yverdun, Svizzera an meinem 11ten Geburtstag den 22. Juli 1811. in Liworno

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Lieber Herr und Frau Pestalozzi! Wir sind hier sehr glücklich angekommen und ich will Ihnen nun einmal einen Brief schreiben um Ihnen Einiges über unsere Reise zu erzählen wie mann es immer nach einer Reise thut. Als wir zuerst über den Luzerner See kamen, hatten wir eine prächtige Aussicht z[um] B[eispiel] die hohen Berge, vorzüglich der Pilatusberg waren weil es ein prächtiger Morgen war, von der Morgen Sonne schön

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erleuchtet. Weiters kamen wir bey der Tellskappele vorbey und noch weiter zum Zuckerhut, eine grossen Felsen welcher hoch aus dem Wasser hervorragt und die Form eines Zuckerhuts hatt. In Alltorf sahen wir ein trauriges Beyspiel wie der Mensch den Elementen unterworfen ist indem uns noch viele Merkmahle anzeigten wie vor 12 Jahren der ganze Fleck abgebrannt ist und jetzt an einigen Orten wieder aufgebaut ist. In Alltorf fiengen wir an auf Eseln zu reiten und so kamen wir nach Steg einem Dorfe Zwischen hohen Bergen wo die Reuss die sich im Luzerner See ergiesst sehr brauste und schäumte. Hier sahen wir Schnee von einigen Lawinen, die sich dort an einigen Orten zerschmettert und noch nicht verschmolzen waren. Von hier ritten wir nach Ursern und ohngefähr eine Viertelstunde vor dem Einsamn Dörfchen kamen wir zur Teufelsbrükke, wo nahe dabey ein Langer in Felsen ausgehauener Weg ist durch den wir gehen mussten. Dieses Erstaunliche Werk schreibt mann dem Tapfern Julius Caesar zu. Bey Ursern fängt eigentlich die Strasse über den Gotthard an, welchen Berg wir, da es noch Ends Aprill ausserordentlich viel Schnee hatte, unter vielen Mühn und Beschwerde theils zu Fuss theils zu Pferd endlich Glücklich überstiegen, und auf der Südseite kamen wir alsobald in Warme und angenehme Thäler. Von nun an Reisten wir viele Stunden durch das Schöne Liviner Thal meistens dem Ufer des tobenden Tessin Flusses nach welcher mich durch seine prächtige Wasserfälle und durch das donnernde Geräusch, wo er durch enge Felsen dringt, in Erstaunen setzte. Überal ströhmten von den hohen Bergen schäumende Quellen herab, und überal sahe ich Gottes erstaunliche Macht in der Natur. Es würde zu weitläufig wenn Ich alles Schöne das die Natur und die künstlichen Menschen hervorgebracht haben, und ich auf dieser Reise sah, beschreiben wollte. Diess alles wissen Sie schon aus Ihren Büchern, und nur Ihnen danke ich es dass Sie mich Lehrten, aufmerksam auf alles zu seyn. Also erzehle ich nur kurz den weitern Weg den wir nahmen. Wir kammen nun durch Lugano, über den See gleichen Namens, durch Mendris, Komo und endlich nach Meyland, wo wir mehrere Tage blieben und das Merkwürdigste der Stadt beschauten. Jetz nahmen wir unsern Weg gegen Genua durch Pawia, über den Po durch Nowi etc. In Genua blieben wir 8 Tage, und setzten uns dann in ein Schiff um nach Livono zu kommen. Aber wir hatten Gegenwind und mussten nach einer 12 stündigen Fahrt unsere Zuflucht wieder zu Maulthieren nehmen die uns nach zwey Tagen glücklich über die kahlen Genueser-Gebirge nach Sarzana brachten, wo die Strasse wieder erlaubte in einer Kutsche zu fahren in der wir über Pisa, alle gesund und wohl hier angekom-

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kommen. Hier will ich mich nun immer gut zu lernen und Ihnen einst Ehre zu machen bestreben. Wir sind alle wohl und gesund und ich werde Ihnen noch mehrere mahl schreiben und Sie nie vergessen. Grüssen Sie mir alle meine Freunde und Lehrer. Leben Sie wohl Lieber Herr und Frau Pestalozzi, das gleiche wünscht Ihnen der Papa und die Mama. Ihr ehmaliger Schüler Wilhelm Dünner, Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 50/51, Umschlag 64/1 Bogen, 244 x 184 mm Datum am Schluss, Stempel Milano, Dorsualvermerk Livourne 22 Juillet Wilhelm Dünner R 1 0 A o u s t , Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–6 Z. 29 Z. 30 Z. 51 Z. 53

lateinische Schrift gehen Julius Caesar: lateinische Schrift Livono: lateinische Schrift nehmen die Sacherklärung I.

Wilhelm Dünner (*1800) konnte nicht näher bestimmt werden. II. Wilhelm Dünner (*1800) war im Mai 1808 ins Institut eingetreten und scheint 1811 zu seiner Familie nach Livorno zurückgekehrt zu sein. III. Z. 7 Z. 8 Z. 12 Z. 15

Z. 16

Z. 17 f. Z. 22 Z. 26

Liworno: Livorno (Toskana) Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Luzerner See: Vierwaldstättersee Tellskappele: Die Tellskappelle liegt auf der Tellsplatte am Vierwaldstättersee, wo der Sage nach Wilhelm Tell vom Boot des Landvogts Gessler an Land gesprungen ist. Die erste Kapelle wurde 1388 errichtet. Zuckerhut: Am Eingang zum Urnersee ragt ein fast 30 Meter hoher Felsbrocken in den See hinaus. Im Andenken an Friedrich Schillers Wilhelm Tell wurde er 1859 als Naturdenkmal in Schillerstein umbenannt. Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung Mythenstein. Alltorf: Altdorf (Kt. Uri) Steg: Amsteg (Kt. Uri) Ursern: Teil des Kantons Uri, südlich der Teufelsbrücke bei Göschenen

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Z. 36 Z. 36 Z. 47 Z. 47 Z. 48 Z. 50 Z. 50 Z. 51 Z. 55 Z. 62 Z. 62

Julius Caesar: Gaius Julius Caesar (100–44 v.Chr.) war ein römischer Staatsmann, Feldherr und Schriftsteller und führte Eroberungsfeldzüge nach Frankreich, Deutschland und England. Liviner Thal: Leventina (Kt. Tessin) Tessin: Ticino Mendris: Mendrisio (Kt. Tessin) Komo: Como (Lombardei) Meyland: Mailand Pawia: Pavia (Lombardei) Nowi: Novi Ligure (Piemont) Livono: Livorno (Toskana) Sarzana: Gemeinde in Ligurien Papa: Herr Dünner konnte nicht näher bestimmt werden. Mama: Frau Dünner konnte nicht näher bestimmt werden.

1247 a. Johann Jakob Läderich 24. Juli 1811 [Reg.] Läderich teilt Pestalozzi mit, wie sein Sohn nach Basel reisen soll.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 301.10 f. Sacherklärung I.

Johann Jakob Läderich (1757–1831) ist Kolonialwarenhändler in Mulhouse, wo er auch geboren und als Sohn eines Händlers aufgewachsen ist. Er ist seit 1798 mit Ursula Schlumberger (1766–1848) verheiratet. III. Z. 4

Sohn: Karl Läderich (1800–1879) aus Mulhouse war von 1810 bis 1811 Pensionär im pestalozzischen Institut in Yverdon. Er wurde in Mulhouse Handelsmann und heiratete 1830 Elisabeth Schlumberger (1809–1895).

1248. Johann Elias Mieg ca. 25. Juli 1811 5

[Reg.] Mieg legt dem Brief an Anna Pestalozzi vom 25. Juli 1811 einen Brief an Pestalozzi bei. «Er enthält einige Äusserungen von Vogt über den Zustand des Instituts, die unangenehm sind, die ich aber notwendig glaubte mitteilen zu müssen. Besonders macht Vogt Bemerkungen über die Verhältnisse der Lehrer zu den Töchtern, die der

385 Anstalt nachteilig werden können, wenn auch in dem Umgang selbst nichts Anstössiges für die nahen und unparteiischen Beobachter liegen sollte.»

Überlieferung 1

P.Bl. 1902, S. 23 Sacherklärung I.

Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 II. Im Februar 1810 hatte schon Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848, ⇒ Nr. 1120) Pestalozzi in einem Brief darauf aufmerksam gemacht (⇒ Nr. 1120), dass in Luzern Gerüchte über unangemessenes Benehmen der Lehrpersonen kursierten. Reale oder angenommene Verhältnisse zwischen den (männlichen) Lehrpersonen und den (weiblichen) Zöglingen waren in dem Sinne natürlich besonders brisant. Pestalozzi hatte sich damals mit dem Argument verteidigt, dass er nur für diejenigen Personen Verantwortung übernehmen könne, die auch bei ihm im Institut wohnten, dass diese Lehrer rund um die Uhr beschäftigt seien und deshalb auch kein Anlass für Gerüchte geben könnten (PSB VII, Nr. 1995). III. Z. 4 Z. 4 Z. 5

Brief: P.Bl. 1902, S. 23–24 Anna Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Vogt: Da sich Johann Elias Mieg (1770–1842, ⇒ Nr. 1244) im Juli 1811 in Frankfurt aufhielt, wäre denkbar, dass hier Nikolaus Vogt (1756–1836) gemeint war. Vogt studierte ab 1774 an der Universität seiner Geburtsstadt Mainz Philosophie und Geschichte, übernahm 1784 dort eine Stelle als Professor und ging 1797, als Mainz im Gefolge der Koalitionskriege zum zweiten Mal von Frankreich besetzt wurde, nach Aschaffenburg, hielt Vorträge an der dort neu eingerichteten Universität, übernahm die Leitung des Schulwesens und ab 1803 die Stelle eines Bibliothekars. Nach der Gründung des Grossherzogtums Frankfurt im Jahre 1810 zog er nach Frankfurt und Fürstbischof Carl Theodor Anton Maria, Freiherr von Dalberg (1744–1817, ⇒ Nr. 565) übertrug ihm die Stelle als Kurator des Schulwesens. Vogt war Verfasser und Herausgeber mehrerer historischer und politischer Schriften und Werke.

1248 a. Joseph Fernandez Mesa 26. Juli 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

386 Überlieferung 1

PSB VII, S. 350.31 f. Sacherklärung I.

Joseph Fernandez Mesa ist 1811 beisitzender Konsulatsbeamter in Malaga.

1249. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 30. Juli 1811 5

An H[er]rn Pestalozzi Wohlgeboren zu Yverdun Berlin den 27ten July 1811.

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Das unterzeichnete Departement macht Euer Wohlgeb[or]en auf das Schreiben vom 5ten v[origen] M[onats] hierdurch bekannt: dass dem Eleven Herrn Kcionzeik die 150 r[eichs]t[a]ler Reisegelder nunmehr ausgezahlt können, da er sich unbedingt zur Rückkehr nach Preussen erklärt hat. Departement des Cultus, Sch[uckma]nn N[icoloviu]s 30. Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 239 Datum am Schluss Copia Textkritik

Zeuge h Z. 6 Z. 10

Yverdun: lateinische Schrift Kcionzeik: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht ⇒ Nr. 1049 III. Z. 9 Z. 10

Schreiben: scheint nicht erhalten zu sein Kcionzeik: Michael Ksionzek ⇒ Nr. 1069

387 Z. 14 Z. 14 Z. 15

Sch[uckma]nn: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834) ⇒ Nr. 1210 N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Datum der Unterschrift

1249 a. Jeanette Kervand-Paganetto 30. Juli 1811 [Reg.] Frau Kervand erkundigt sich nach ihrem Sohn.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 295.16 ff. Sacherklärung I.

Jeanette Paganetto (*1778) aus dem elsässischen Seltz heiratet 1798 Louis Frédéric Kervand (*1770) aus Rolle (Kt. Waadt), der ab 1799 in St. Petersburg und ab 1805 am Wiener Hof als herrschaftlicher Mundkoch angestellt ist. Das Ehepaar hat zwei Kinder, den Sohn Adolphe Louis Jacob Philippe Kervand (*1805, ⇒ Z. 4) und die Tochter Louise Charlotte (1799–1823). Diese wird in St. Petersburg geboren und stirbt in Lausanne. III. Z. 4

Sohn: Adolphe Louis Jacob Philippe Kervand (*1805) wurde in Wien geboren und in der kaiserlichen Michaelskirche getauft. Von 1811 bis 1812 besuchte er das Institut in Yverdon.

1249 b. Madeleine Koch-Senn Juli 1811 [Reg.] Madame Koch überweist die Pensionskosten für ihren Neffen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 303.15 ff. Sacherklärung I.

Madeleine Koch-Senn (1782–1868) aus Lyon heiratet 1803 den ebenfalls aus Lyon stammenden Bierbrauer Frédéric Koch (1778–1821). Das Paar hat sechs Kinder:

388 Isaac François (1804–1860), Jean (1805–1840), Catherine Antoinette (1807–1900), Thomas (1813–1903), Catherine Isaline (1814–1885) und Jeanne Marie (1818–1898). III. Z. 4

Neffen: Philipp Graff (1795–1872), geboren in Vienne (Rhône-Alpes), ist der Sohn von Frédéric Kochs (1778–1821) Schwester Marie Henriette Graff-Koch (1773–1818) und dem aus Darmstadt stammenden Jérémie George Graff (1749–1799), der sich in Lyon als Bierbrauer niedergelassen hatte. Philippe weilte von 1808 bis 1811 zur Ausbildung in Yverdon, kehrte dann nach Lyon zurück, wurde dort ebenfalls Bierbrauer und heiratete 1803 Henriette Auguste Graff (*1803).

1249 c. Johann Heinrich Eibler 1811? 5

[Reg.] Eibler bietet Pestalozzi an, den Korneinkauf gegen eine geringe Provision zu übernehmen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 369.18 ff. Sacherklärung I.

Johann Heinrich Eibler (1763–1842), geboren im heutigen Lindauer Stadtteil Reutin, ist als Getreidehändler tätig und mit Anna Barbara Imhof (1775–1844, ⇒ Nr. 1232) verheiratet.

1250. J. L. Lenz Sommer 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1295 Sacherklärung I.

J. L. Lenz ⇒ Nr. 943

389 1250 a. Fridolin Kaufmann Sommer 1811 [Reg.] Kaufmann kündigt seine Ankunft an.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 315.9 Sacherklärung I.

Fridolin Kaufmann (1778–nach 1830) ⇒ Nr. 599

1250 b. Rosemann Steiner August 1811 5

[Reg.] Steiner teilt Pestalozzi mit, dass er wieder gesund sei und dass es ihm ganz allgemein wieder besser gehe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 319.19 ff. Sacherklärung I.

Rosemann Steiner (*1781) ⇒ Nr. 740 II. Rosemann Steiner (*1781, ⇒ Nr. 740) war 1807 in französische Dienste eingetreten und im Moment als Korporal in Lille stationiert.

1250 c. Jeanette Kervand-Paganetto 2. August 1811 [Reg.] Frau Kervand wünscht, dass ihr Sohn definitiv in Yverdon bleibe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 302.7

390 Sacherklärung I. Jeanette Kervand-Paganetto (*1778) ⇒ Nr. 1249 a III. Z. 4

Sohn: Adolphe Louis Jacob Philippe Kervand (*1805) ⇒ Nr. 1249 a

1251. Hermann Krüsi 6. August 1811 den 6ten August 1811 5

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Theuerster Vater! Inliegender Brief sagt Ihnen, dass ein Knabe angekommen ist, und von wem. Seine Erscheinung überraschte uns. Der Vetter vom General, ein junger Officier sagt: dass er 5 Jahre hier bleiben soll. Das Beste an der Sache ist der Knabe selbst der ein heiteres Kind ist und kräftig zu werden verspricht. Beyde werden heute bey Frau Pestalozzi zu Mittag essen. Der Officier glaubt den Ausbruch des Krieges mit Russland für gewiss. Er sagt es seyen bereits aus allen Regimentern die kräftigsten Soldaten ausgewählt worden und ohne Zweck habe eine solche Maassregel nie statt. Ich habe beyde bereits in den Klassen herumgeführt der Officier scheint wenig Kenntnis zu haben; er sagte nur: In den Schulen in denen er war, seyen die Kinder nicht so aufmerksam gewesen. Man habe sie nicht hindern können zu lachen und Muthwillen zu treiben. Gestern waren die Grafen oder Prinzen von Montorenci aus Paris hier. Sie reisten mit der Frau von Stael die aber nicht ins Institut kam. Die Knaben Debari sind wohl. Der Kränkliche hat sich gestern ein wenig über Bauchweh geklagt. Nachher aber sagte er, der Bauch thue ihm nicht weh. Er hätte nur gern seine Mutter hier gehabt. Heute gehts gut. Mit den Klassen geht es ebenfalls gut. Ich hoffe Sie sollen alles gut antreffen und mit unsrer Haushaltung während Ihrer Abwesenheit zufrieden seyn. Wir suchen mit Ernst – Einrichtungen zu treffen, in deren Natur es liegt, die speziellste Behandlung der Kinder – nicht nur möglich, sondern nothwendig zu machen. Weilenman und Schneider wollen sich der Kleinsten mit Leib und Seele an nehmen – und bey ihnen Vater- Mutter- und Lehrerstelle zugleich zu vertreten suchen. Es ist dringend, dass diese Kleinen besonders beachtet

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und nicht mit den mittlern und grössern so vermischt werden dass das Eigenthümliche ihrer Bedürfnisse von den Forderungen des Ganzen verschlungen wird. Wie Weilenmann und Schneider den Kleinsten leben so wollen Leuenberger Heusi und ich denen die unmittelbar auf die kleinsten folgen, unsre Zeit und unsre Kräfte wiedmen. Auch wir hoffen gemeinschaftlich demjenigen was diese bedürfen ein Genüge leisten zu können. Der 3ten Klasse sind Blochmann Ramsauer und Baumgartner nicht nur vollkommen gewachsen sondern können noch der vierten wo es nöthig ist, an die Hand gehen. In der 4ten wäre dann Göldi und Schacht. Mit Diezi müsste von Ihnen aus bestimmt werden in wie fern er daran Theil nehmen könne und solle. Niederer würde hier wesentlich auf die moralische Führung dieser, dem Jünglingsalter sich nähernden Zöglinge Einfluss zu haben suchen und so wären auch diese versorgt. Alle Lehrer sind vom besten Willen erfüllt nach diesen Gesichtspunkten dem Institut zu dienen, und sich mit Eifer und Treue der Erfüllung ihrer Pflichten hinzugeben. Aber Eins thut Noth – Ihre persönliche Zustimmung zu dem was in’s Werk gesetzt werden soll. Ich bin des guten Erfolgs einer solchen auf die speziellen Bedürfnisse der Kinder, und die richtige Stellung der Lehrer berechneten Einrichtung wie meines Lebens sicher. Die Verantwortlichkeit aller Lehrer für den Gebrauch ihrer Zeit und ihrer Kräfte müsste ein nothwendiges Resultat dieser Einrichtung werden. Doch ich muss enden. Der Officier wird eben zu Tische kommen. Grüssen Sie mir Niederer herzlich. Ich kann ihm unmöglich schreiben. Leben sie recht wohl. Herzlich grüsst Sie Ihr treuer Krüsi Überlieferung 1 2 4 5

Forschungsbibliothek Pestalozzianum Zürich, Nachlass Krüsi 1.3 Bogen, 116 x 194 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 8 Z. 8 Z. 11

Officier: lateinische Schrift soll. Das Officier: lateinische Schrift

392 Z. 14 Z. 15 Z. 19 Z. 27 Z. 32 Z. 36 Z. 37 f. Z. 50 Z. 54 Z. 59

nie ∫ Officier: lateinische Schrift Montorenci: lateinische Schrift gut antreffen bey ∫ wird wollen Leuenberger nach diesen Erfolgs einer Officier: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 II. Pestalozzi war mit Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) an die Versammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Erziehung (⇒ Nr. 1012) nach Lenzburg gereist. Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) war in seiner Abwesenheit mit der Führung der Alltagsgeschäfte betraut. III. Z. 6 Z. 6

Z. 7 f. Z. 8

Z. 10 f. Z. 19 Z. 20 Z. 22

Brief: scheint nicht erhalten zu sein Knabe: Joseph Numa Pastol de Keramelin (1802–1862) wurde in Brescia (Lombardei) geboren und war von 1811 bis 1815 zur Ausbildung am Institut in Yverdon. Später absolvierte er wie sein Vater (⇒ Z. 7 f.) eine Militärlaufbahn, in der er 1837 den Grad eines Kapitäns erlangte. General: Yves Marie Baron Pastol de Keramelin (1770–1813) ⇒ Nr. 1309 a Officier: Laut einem Nachsatz des Übersetzers eines Schreibens von Pestalozzi an Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) vom 6. August 1811 (PSB VII, Nr. 2611) hatte ein Neffe, nicht ein Vetter von Yves Marie Baron Pastol de Keramelin (1770–1813, ⇒ Nr. 1309 a) dessen Sohn, Joseph Numa Pastol de Keramelin (1802–1862, ⇒ Z. 6) nach Yverdon begleitet. Über diesen als «Mr. Delambray» bezeichneten Verwandten Pastols konnte nichts Genaueres ermittelt werden. Es müsste sich um einen Sohn einer der vier Schwester von Pastol gehandelt haben. Eine war zwar mit einem Monsieur «Lambert» verheiratet, was mit etwas Fantasie denkbar wäre, allerdings scheint dieses Paar kinderlos gewesen zu sein. Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Montorenci: Matthieu-Jean-Félicité de Montmorency (1766–1826) ⇒ Nr. 1095 Frau von Stael: Anne Louise Germaine de Staël-Necker (1766–1817) ⇒ Nr. 997 Debari: Johann/Jean De Bary (1802–1852), Johann Heinrich De Bary (1803–1872) und Adolf/Adolph De Bary (1804–1853) stammen aus zwei Frankfurter Kaufmannsfamilien. Johann, der von 1811 bis 1817 im Institut in Yverdon und später als Kaufmann tätig war und sein jüngerer Bruder Adolf, der von 1811 bis 1818 bei Pestalozzi war und ebenfalls Kaufmann wurde, waren die Söhne von Christian De Bary (1775–1857, ⇒

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Z. 24

Z. 30 Z. 31 Z. 38 Z. 38 Z. 42 Z. 42 Z. 42 Z. 45 Z. 45 Z. 45

Z. 47

Nr. 1304 a). Heinrich war der Sohn von Samuel De Bary (1776–1853, ⇒ Nr. 1304 b) und von 1811 bis um 1815 in Yverdon. Er wurde wie seine Cousins Kaufmann. Zudem gründete er den Pestalozzi-Verein von Frankfurt mit, war Teilhaber des Bankhauses Heinrich Gontard & Co. und Mitglied der Ständigen Bürgerrepräsentation und der Gesetzgebenden Versammlung. Mutter: Johanetta Henriette Veronika Jordis (1783–1813) heiratete den Frankfurter Kaufmann Samuel De Bary (1776–1853, ⇒ Nr. 1304 b), mit dem sie zwei Söhne (⇒ Z. 22) und eine Tochter, Antoinette Sophie De Bary (1805–1841), hatte. Wegen ihrer Krankheit und des frühen Todes wurden die Söhne zu Pestalozzi nach Yverdon geschickt. Weilenman: Johann Jakob Weilenmann (1787–1827) ⇒ Nr. 1268 Schneider: Johannes/Jean Schneider (1792–1858) ⇒ Nr. 1317 f Leuenberger: Christian/Christen Leuenberger (*1789) ⇒ Nr. 971 Heusi: Martin Heusi (1788–1841) ⇒ Nr. 1151 c Blochmann: Karl Justus Blochmann (1786–1855) ⇒ Nr. 1111 Ramsauer: Johannes Ramsauer (11790–1848) ⇒ Nr. 1525 Baumgartner: Fridolin Baumgartner (1791–1814) ⇒ Nr. 1317 f Göldi: Andreas Göldi (1786–1840) ⇒ Nr. 1200 Schacht: Theodor Schacht (1786–1870) ⇒ Nr. 1134 Diezi: Joseph Anton Dietzi aus Bremgarten (Kt. Aargau) arbeitete als Mathematik- und Physiklehrer am Institut in Yverdon (1811–1813), bevor er in St. Gallen eine Privatschule für angehende Kaufmänner eröffnete und 1820 mit diesem Institut nach Lausanne umzog. Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

1252. Georg Heinrich Ludwig Nicolovius 10. August 1811 Berlin am 10ten August 1811. 5

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Deine Briefe, alter ehrwürdiger Vater! durch Hagenauer u[nd] Preuss, sind mir richtig zugekommen, u[nd] haben mir, so wie alle mündlichen Nachrichten Freude gebracht. Du verjüngst dich, wie ein Phönix u[nd] stehst in neuer Kraft da. Auf dein Werk freue ich mich u[nd] triumphire mit meinem Glauben über den Unglauben derer, die keine Schrift mehr von Dir erwarteten. – Hagenauer ist hier wacker u[nd] thätig, zufrieden mit Plamann’s Institut, u[nd] hülfreich für dessen redliches u[nd] wirklich gelingendes Bestreben. Preuss ist schon weiter zu seiner Bestimmung gereiset. Es ist kein kraftvolles, trotzendes Leben in ihm; aber ein frommer, stiller Sinn, der das Rechte ergreift u[nd] treu festhält. Er wird in der angemessenen Umgebung uns herrliche Dienste leisten. Seine Ehrfurcht für Dich, seine bis zum krankhaften Heimweh steigende Anhänglichkeit an sein dortiges Leben u[nd] dessen Theilhaber, sein gesundes Ur-

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theil über Alles, haben mir sehr gutes Vertrauen zu ihm gegeben. Er wird auch gewiss mit Dir in Verbindung bleiben, u[nd] das allmählig befördern, was ich lange vergebens gewünscht habe, dass unsre Institute mit dem Deinigen Verkehr haben, gegenseitige Lebensnahrung mitgetheilt werde, u[nd] unsre Hülflosigkeit sich dort Rath erhole. Du hast Recht, Lieber! unsere Regierung vor Allen zu loben, in Beziehung auf Dich; denn wir verdienen es. Wir gehen unsern Gang stille, aber entschlossen u[nd] sicher fort, sehen klar u[nd] wollen fest, u[nd] werden, mit Gottes Hülfe! an’s Ziel gelangen. Gewonnen ist schon jezt viel. Trät auch eine politische Unruhe ein; das ausgestreute Samenkörnlein wird dennoch überwintern u[nd] zu besserer Zeit an’s Licht treten u[nd] Frucht bringen. Ach, lieber Vater! welch lange, schöne Laufbahn liegt hinter mir, Jener Abend an Deiner Seite in Neuhof u[nd] der folgende Tag u[nd] alle Briefe deiner Hand seitdem. Deine Worte fielen in gutes Land, in das Herz eines treu u[nd] wahr gebliebenen Jünglings, u[nd] der Mann, der jezt mit dir redet, hat Gottes Sache noch bis jezt niemals verlassen, u[nd] wird ihr treu bleiben in Noth u[nd] Tod. Weisst Du es noch, dass ich seit Neuhof ein Heft des zwischen Lotterie-Listen geschriebenen Manuscripts deines Lienhard u[nd] Gertrud besitze? – Damals wolltest du mir nicht dein Bildniss geben, u[nd] sagtest mir: «es ist ein Stolz, sich malen zu lassen, aber auch ein Stolz, sich nicht mehr malen zu lassen». Preuss erzält mir, dass sehr ähnliche Profile von dir in Stein in der Schweiz gemacht werden. Schicke mir eins, ich bitte dich, sobald wieder jemand von dort in diese Gegend kommt. – Sage nicht, dass ich tändle, Mann von Riesenkraft! Ich schäme mich nicht des warmen weichen Herzens vor Dir; denn auch Du hast ein solches in der Brust; u[nd] auch ich versteh, mich fest u[nd] männlich zu halten, u[nd] der schnöden Welt kalt zu scheinen. – Ich muss enden. Grüsse die Preussen, Lass sie wacker fortschreiten im Glauben an die Ernte, die ihnen hier bereitet seyn wird. Ich bleibe Dein; denn ich bin es in meinen eigenthümlichsten tiefsten Lebenstrieben. Dein Nicolovius – Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 261/6 Bogen, 205 x 123 mm Dorsualvermerk Brief des Staatsrathes Nicolovius an Pestalozzi. Original

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Textkritik Zeuge H Sacherklärung I. Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 II. Johann Wilhelm Preuss (1790–1867) war im Juni 1811 aus Yverdon abgereist und hatte nach seiner Rückkehr nach Berlin auch Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839, ⇒ Nr. 423) besucht, der als preussischer Staatsrat wesentlich für die Entsendung der Eleven nach Yverdon verantwortlich war. III. Z. 5

Z. 5 Z. 6 Z. 11 Z. 38 Z. 48

Briefe: Der von Georg Andreas Hagnauer (1783–1848, ⇒ Nr. 1169) überbrachte und von Pestalozzi am 14. Mai 1811 verfasste Brief ist erhalten (PSB VII, Nr. 2508). Derjenige, den Johann Wilhelm Preuss (1790–1867, ⇒ Nr. 1048) bei seiner Abreise von Yverdon Mitte Juni mitgenommen haben dürfte, scheint nicht erhalten zu sein. Hagenauer: Georg Andreas Hagnauer (1783–1848) ⇒ Nr. 1169 Preuss: Johann Wilhelm Preuss (1790–1867) ⇒ Nr. 1048 Plamann’s Institut: ⇒ Nr. 637 Lienhard u[nd] Gertrud: Lienhard und Gertrud, 4 Teile (1781–1787) Preussen: Im August 1811 hielten sich folgende Preussen in Yverdon auf: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836, ⇒ Nr. 1599), Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868 ⇒ Nr. 1021), Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844 ⇒ Nr. 1453), August Kraetz (†1821, ⇒ Nr. 1197), Gotthilf Friedrich Patzig (1788–1877 ⇒ Nr. 1369 b) und Felix Rendschmidt (1787–1853 ⇒ Nr. 1265).

1252 a. Henri (David) Turtaz 25. August 1811 [Reg.] Turtaz bittet Pestalozzi, seine Nichte an einen passenden Platz zu vermitteln.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 341.9 ff. Sacherklärung I.

Henri (David) Turtaz (1765–1828) ⇒ Nr. 566

396 II. Über die Pläne von Henri (David) Turtaz (1765–1828, Nichte sind keine weiteren Details bekannt.



Nr. 566) bezüglich seiner

III. Z. 4

Nichte: Julie Turtaz konnte nicht näher bestimmt werden.

1252 b. Heinrich Remigius Sauerländer 28. August 1811 [Reg.] Sauerländer schickt eine Büchersendung mit Rechnung.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 355.9 f. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1253. Hans Georg Nägeli 28. August 1811 Iferten H[err] Pestalozzi 5

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Zürich den 28 Aug[ust] 1811 Ich habe mich verpflichtet, Ihnen, (mein gütiger Freund)! zu melden, wie die Vertheidigungsschrift hier aufgenommen werde. Voraus muss ich bemerken, dass auf laue Menschen die keine Liebe zu den Wissenschaften haben, fast gar nicht litterarisch zu wirken ist. Hier sind nun, wie Ihnen längst bekannt, die bessern lau, die übrigen kalt. Wenn etwas noch auf sie einzudringen vermag, so ist es jezt die kriegerische Stellung die das Institut angenommen hatt und die Canonenschüsse, die unser Geniemajor aus der Festung losgedonnert hat. Ein Pfarrer S c h w e i z e r und Ihr Vetter Pfarrer H u g sind durch die Schrift erwärmet (d[as] h[eisst] durch den Theil derselben, den ich v[on] Lenzburg mitgenommen, das Uebrige kam erst gestern durch Prof[essor] Schulthess in meine Hände) sie versichern viel da-

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raus gelernt zu haben und können die kraftvolle Sprache nicht genug rühmen, die sie weit mehr angesprochen habe, als alles Frühere. – Halb gereizt, halb gerührt ward dadurch Hardmeyer; er würde sehr gern mit Ihnen – wie man hier sagt – wieder anbinden, wenn er eine Art Einladung bekäme, u[nd] würde über die Schrift selbst schreiben; übrigens ist er voll Neid gegen die Kraftsprache, die darin herrscht – er meinte sonst immer, es habe in der Schweiz niemand recht Kraft, als er obschon er so schildbürgerlich in den Tag hinein schulmeistert, wie jeder andre. – Eine meiner Schülerinnnen, die Sontagsgespielin ist der Tochter des Chorh[errn] Hottinger glaubt wahrgenommen zu haben, in dem sie das Gespräch auf Pestalozzi lenkte, es herrsche dort Bestürzung – und in der That könnte ich mirs erklären, wen der hypochondrische Herr Papa etwas unpässlich würde. Denn der Pöbelhaftigkeit überwiesen, dem Pöbel preisgegeben zu werden! ist ein ganz unerträglich Loos für einen Zürcherchorherr. Einen Ihrer wirksamsten Anhänger ist doch auch ein Zürcher und zwar ein Namens Vetter: der Pfarrer Pestaluz in Hüttlingen (Cant[on] Thurgau). Er hat grossen Einfluss auf die Regierungsräthe in Frauenfeld; er wandert v[on] seiner doppelten Pfarre wöchentlich schon Jahr u[nd] Tag nach Frauenfeld um die Schulmeister in der neuen Gesanglehre u[nd] a[nderem] zu unterrichten. Sobald ich mehr weiss, schreibe ich mehr. Erwarten Sie aber von der Schweiz nicht viel mehr als auf der einen Seite halbe Theilnahme, die nicht in That übergeht, auf der andern Widerbellerey, die nicht auf die Sache eintritt, die höchstens auf Niederers Worten herum reitet. Gewiss wird es im Vaterlande noch gut gehen, aber ohne Zweifel geht es langsam. Aufs Ausland hingegen wird die Schrift durch ihre Weisheit und Kraft mächtig wirken, und die heroische Klage über das Vaterland – besonders der Vorwurf dass man weit geneigter sey, die physischen Moräste auszutroknen, als die moralischen – wird manchem braven Deutschen an die Seele gehen. Von Herzen Ihr H[a]n[s] Georg Nägeli Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Car XV.196.49.1 Blatt, 194 x 229 mm Dorsualvermerk Nägeli Original

398 Textkritik Zeuge H Z. 9 Z. 21 Z. 26 Z. 28 Z. 29 Z. 31 Z. 36 Z. 42

litterarisch ∫ Hardmeyer: lateinische Schrift er obschon Hottinger: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift erklär>en Pestaluz: lateinische Schrift als auf Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. Als Reaktion auf eine Rezension des Tagsatzungsbericht in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen (⇒ Nr. 1244) hatte Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) eine Gegenschrift verfasst (⇒ Z. 7), um die Verdienste und die Methode Pestalozzis wieder ins rechte Licht zu rücken. III. Z. 4 Z. 7

Z. 13 Z. 15

Z. 15 Z. 18 Z. 21 Z. 27 Z. 28 Z. 36

Iferten: dt. Name für Yverdon Verteidigungsschrift: Johannes Niederer: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe, veranlasst durch eine Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, und zugleich ein vorläufiger Beitrag zur Feststellung des Verhältnisses der gewöhnlichen Darstellungen und Beurtheilungen, besonders des offiziellen Berichts an die Tagsatzung zu Pestalozzis wirklicher Unternehmung. Yverdon 1811 Geniemajor: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 S c h w e i z e r : Hier ist wohl der aus Zürich stammende Johann Konrad Schweizer (1761–1820) gemeint. Er wurde 1785 ordiniert, arbeitete anschliessend als Katechet in Hottingen (heute Stadtteil von Zürich), ab 1788 als Pfarrer am Kreuz und zuletzt ab 1805 in Birmensdorf (Kt. Zürich), wo er auch als Schulinspektor tätig war. H u g : Jakob Christoph Hug (1776–1855) ⇒ Nr. 879 Schulthess: Johannes Schulthess (1763–1836) ⇒ Nr. 788 Hardmeyer: Kaspar David Hardmeyer (1772–1832) ⇒ Nr. 527 Eine meiner Schülerinnen: konnte nicht näher bestimmt werden Hottinger: Johann Jakob Hottinger (1750–1819) ⇒ Nr. 1108 Pestaluz: Mathias Pestaluz/Pestalozzi (1777–1829) ⇒ Nr. 871

399 1253 a. Franz Adam Lejeune Ende August 1811 [Reg.] Lejeune versichert Pestalozzi seine Unterstützung.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 323.5 ff. Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870

1253 b. August Eduard Adam Lejeune Ende August 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 323.6 und S. 324.6 Sacherklärung I.

August Eduard Adam Lejeune (1797–1882) ⇒ Nr. 926

1254. Albrecht Rengger Anfang September 1811 5

[Reg.] Rengger urteilt über die Schriften Niederers und zeigt sich entrüstet über die Veranlassung derselben.

Überlieferung 1

Nr. 1262

400 Sacherklärung I. Albrecht Rengger (1764–1835) ⇒ Nr. 646 II. Dieser Brief wird auf Anfang September datiert, hatte Pestalozzi doch Albrecht Rengger (1764–1835, ⇒ Nr. 646) am 31. August Johannes Niederers (1779–1843, ⇒ Nr. 507) Schrift mit Bitte um ein Urteil geschickt (PSB VII, Nr. 2655). III. Z. 4

Schriften Niederers: Johannes Niederer: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe, veranlasst durch eine Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, und zugleich ein vorläufiger Beitrag zur Feststellung des Verhältnisses der gewöhnlichen Darstellungen und Beurtheilungen, besonders des offiziellen Berichts an die Tagsatzung zu Pestalozzis wirklicher Unternehmung. Yverdon 1811

1255. Karl Otto von Transehe September 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 326.29 Sacherklärung I.

Karl Otto von Transehe (1761–1837) studiert 1779 in Göttingen Jurisprudenz und wird Oberlandesgerichtsassistent in Riga, bis er wegen einer Beleidigung des Präsidenten aus dem Amt ausscheiden muss. 1795 bis 1797 ist er Adelsmarschall, 1797 Hofgerichtsassistent und bis 1818 Kreisdeputierter des wendenschen Kreises. 1818 wird er livländischer Landrat und in den Jahren 1818 bis 1824 sowie zwischen 1827 und 1837 Oberdirektor der livländischen Adeligen Gütersozietät. 1800 heiratet er Dorothea Margarethe von Gersdorff (1784–1821, ⇒ Nr. 1189). Aus der Beziehung gehen sieben Söhne und zwei Töchter hervor: Karl Friedrich Erich (1802–1868, ⇒ Nr. 1314), Alexander Theodor Otto (1804–1820, ⇒ Nr. 1314), August Ernst Konstantin (1805–1775, ⇒ Nr. 1314), Eugen (1806–1882, ⇒ Nr. 1314), Elise Charlotte Dorothea Marie Agnese (1808–1874), Georg (1809–1887), Adam Heinrich Ernst (1813–1829), Arthur Michael (1817–1846) und Wilhelmine Dorothea (1819–1890). Karl Otto von Transehe gilt als Förderer der Bauernemanzipation und war zwischen 1800 und 1802 als livländischer Delegierter in der Kommission zur Abfassung der livländischen Bauernverordnung von 1819 tätig.

401 1256. Barbara Lucia Jezler September 1811 [Reg.] Barbara Jezler beklagt sich über Frau Transehe.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 326.29 Sacherklärung I.

Barbara Lucia Burkhart-Jezler (1789–1864) aus Schaffhausen ist zur Ausbildung bei Pestalozzi in Yverdon, nachdem sie früh ihren Vater Lukas Jezler (1761–1804) verloren hat. Anschliessend wird sie Hauslehrerin bei der Familie Transehe auf Selsau in Riga (Lettland) und bei Pfarrer Christian Wilhelm Müthel (1771–1847, ⇒ Nr. 1347) in Cesvaine (Sesswegen, Lettland). Sie heiratet den Religionslehrer Karl Friedrich Celestin Burkhart (1785–1857, ⇒ Nr. 1428), den sie wohl aus ihrer Ausbildungszeit in Yverdon kennt. II. Die Tätigkeit von Barbara Lucia Burkhart-Jezler (1789–1864, ⇒ Sacherklärung I.) bei der Familie Transehe stand unter keinem guten Stern. Wie sie in einem Brief an Pestalozzi vom 30. November 1812 darlegte ( ⇒ Nr. 1347), den sie verfasste, nachdem sie ihre Stelle verlassen hatte, hatte sie den Eindruck, dass die Mutter der Kinder, Dorothea Margarethe von Transehe-Gersdorff (1784–1821, ⇒ Nr. 1189), der Methode Pestalozzis gegenüber kritisch eingestellt und deshalb eine gemeinsame pädagogische Arbeit nicht möglich gewesen sei. III. Z. 4

Frau Transehe: Dorothea Margarethe von Transehe-Gersdorff (1784–1821) ⇒ Nr. 1189

1257. Johann Ernst Plamann September 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 326.33 ff.

402 Sacherklärung I. Johann Ernst Plamann (1771–1834) ⇒ Nr. 616

1258. Georg Andreas Hagnauer September 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 326.33 ff. Sacherklärung I.

Georg Andreas Hagnauer (1783–1848) ⇒ Nr. 1169

1259. Friedrich Wilhelm Braun September 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 326.33 ff. Sacherklärung I.

Friedrich Wilhelm Braun (1778–1860) aus Speyer studiert Theologie in Halle, arbeitet als Lehrer am dortigen Waisenhaus und wird 1808 als erster preussischer Eleve nach Yverdon geschickt. Nach seiner Heimreise unterrichtet er 1811 am plamannschen Institut (⇒ Nr. 637) in Berlin, wird 1812 Oberlehrer am Waisenhaus in Königsberg und amtet von 1819 bis 1836 als Direktor des Seminars in Neuwied (Rheinland-Pfalz). Nach seinem Rücktritt lebt er in Düsseldorf und Bonn und stirbt in Gross-Salze (Sachsen).

403 1260. Rosette Kasthofer und Sophie von Pobeheim 4. September 1811 5

Monsieur H. Pestalozzi à Yver d on Vevey den 4 ten Herbstm[o]n[a]t 1811

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Glüklich sind wir gestern des Morgens um 10 hier angelangt; entzükt über die Schönheiten der Gegend, über die freündliche Stadt u[n]d gestärkt durch die reine Himmelsluft die wir nun in frohem Genuss einathmen. Unsre Wohnung ist allerliebst; ein Engländer hat sie 11 Jahre lang bewohnt u[nd] nach seinem Gefallen eingerichtet, niedlich, reinlich u[nd] einfach. Die Trauben sind schon sehr süss, u[nd] schmeken uns trefflich; das Seebad werd ich heüte anfangen; schöne Spaziergänge hab ich gestern schon gemacht u[n]d werde es alle Tag thun; Alle Menschen die wir hier sehen sind gut u[n]d zuvorkommend; bey meiner theüren Pobicheim ist mir so wohl als häten wir uns ewig froh in einem Kreis bewegt; ihre Kinder sind rein gut, u[nd] Beschäftigung mit Ihnen gewährt mir Freüde; fern von Ihnen mein Vater fühl ich mich nicht denn Ihr Bild trag ich im Herzen es nährt u[nd] stärkt mich. Ich kann mich seyn in allen Augenbliken u[n]d frey kann ich mir selbst leben im tiefern Sinn, so oft ich das Bedürfniss dazu fühle; u[n]d leb ich mir dann leb ich auch Ihnen u[n]d allem was das Leben nun heiligt. Nein, keine Sorge für mich darf Sie stören, ich bin so glüklich, so ruhig so voll Zuversicht über die Bevestigung meiner auflebenden Gesundheit u[nd] Kraft. Gott wird sorgen! U[n]d was ich seiner Vatersorge verdanke rührt mich mehr u[n]d macht mich glüklicher, seit ich weiss dass auch Sie theil daran nehmen. O Vater, wie schön hat mein Schiksal sich mir verklärt, seit ich Ihnen u[n]d Nied[erer] so nahe bin! Ich kann nur leise andeüten was ich hierüber empfinde; aber laut danke ich’s meinem Gott der mich auf diesem Weg ihm näher gebracht. Grüssen Sie mir alle alle Theüren, besonders Frau Pestalozzi u[n]d Fr[au] Kuster u[n]d H[err]n Krüsi – Nied[erer] werd ich nächstens selbst grüssen. Wie freü ich mich mein theürer Vater auf Briefe von Ihnen an Ihr Kind! R[osette] Kasthofer Nur heute meine lezten Grüsse für Sie guter Pestalozi der guten Mutter u[n]d allen Ihrigen, besonders H[errn] Niederer. Ich freue

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mich Ihnen sagen zu können dass mir ganz wohl ist, denn ich weiss, das thut Ihrem guten Herzen wohl, an meiner guten Kasth[ofer] erquik ich mich so heiter blikt sie in der Welt hinrein, ich hoffe sie wird es bleiben. Wie schön u[nd] lieblich es hier ist, welch, herrliche milde Bergesluft einen anweht davon ein andermal, Heute nur noch eine herzliche Umarmung von Ihrer Freundin Sophie Pobecheim Meine Kinder senden tausend Grüsse u[n]d Danksagungen.

Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 264/V,7 Bogen, 223 x 177 mm Dorsualvermerk Vivis am 4t en Septem: 1811. J[un]gf[e]r Kasthofer und Bobechheim, Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–5 Z. 6 Z. 16 Z. 38

lateinische Schrift Vevey: lateinische Schrift Pobicheim: lateinische Schrift Pestalozi: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 Sophie von Pobeheim (1767–1857) ist jüdischer Herkunft und Tochter des Strelitzer Hofagenten Meyer. 1787 heiratet sie in erster Ehe Michael Joseph Fränkel. Nach ihrer Scheidung (1796 oder 1798) ändert sie ihren ursprünglichen Vornamen Sara in Sophie. Nach ihrer zweiten Heirat mit dem Bankier H.P. Pobeheim lebt sie in Paris, wo sie ein offenes Haus führt, das 1802/03 auch von Pestalozzi frequentiert wird (vgl. Johann Friedrich Reichardts vertraute Briefe aus Paris geschrieben in den Jahren 1802 und 1803. Hamburg 1804, S. 259). Aus ihrer ersten Ehe hat sie einen Sohn, den späteren Berliner Bankier Josef Maximilian Fränkel (1787–1857), aus der zweiten Ehe zwei Töchter. Namentlich überliefert ist nur eine, Marie. In der Briefedition Pestalozzis wurde Frau Pobeheim bisher fälschlicherweise als Maria Johanna von Pobeheim-Ebner, geborene Schusterschitz (1760–1832) identifiziert, die in erster Ehe mit Sebastian Ebner, einem Grubenbesitzer aus Bleiberg, verheiratet war. Nach dessen Tod heiratet sie 1786 den Industriellen und als Förderer des Bergbaus sowie der sozialen Fürsorge bekannt gewordenen Joseph Sebastian Pobeheim (1753–1826). II. Traubenkuren wurden eine reinigende Wirkung zugesprochen und schon im antiken Griechenland praktiziert. Sophie von Pobeheim (1767–1857, ⇒ Sacherklärung I.) war

405 1811 mit ihren beiden Kindern nach Yverdon gekommen, während ihr Mann nach Paris weiterreiste und begleitete Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) zur Kur nach Vevey. III. Z. 16 Z. 18 Z. 30 Z. 33 Z. 34 Z. 34 Z. 41 f.

Pobicheim: Sophie von Pobeheim (1767–1857) ⇒ Sacherklärung I. Kinder: Damit dürften wohl die beiden Töchter aus zweiter Ehe gemeint sein (⇒ Sacherklärung I.). Nied[erer]: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Fr[au] Kuster: Anna Magdalena Custer-Pestalozzi, geborene Frölich (1767–1814) ⇒ Nr. 547 H[err]n Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Kasth[ofer]: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842

1261. Hans Georg Nägeli 6. September 1811 5

Monsieur Pestalozzi à Yverdun Ifer[ten Herr Pest]alozzi Zürich, den 6 Sept[ember] 1811.

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Ich fahre fort Ihnen zu rapportieren. Obmann F ü s s l i sagte in Gesellschaft, wo auch u[nter] a[nderem] Prof[essor] H o r n e r u[nd] Doktor R ö m e r zugegen war, er finde die neue Streitschrift von Iferten höchst merkwürdig, sie gebe auch beyläufig in dem, was nicht Streitsache sey, wesentliche Aufschlüsse. Mir sagte er dann nebenbey, es wäre freylich besser, man erschiene nicht so gereizt, er räche sich auch gern, aber er räche sich lieber kalt (lezteres natürlich s c h e r z e n d ). Gegen alle sagte er dann auch, die Gegner haben es doppelt verdient, was ihnen nun widerfahre, und mir sagte er noch dies, er werde auch öffentlich bey erster Gelegenheit nicht ermangeln, das zu bezeugen. (Worin wir aber kaum etwas mehr zu erwarten haben, als etwa einen andren der Zeitungsschwenker, vermittelst welchem er mit I h r e n Gegnern zugleich auch die seinigen treffen möchte.) Doktor R ö m e r , der sonst, wie immer, mit Achtung von Ihnen und der Sache sprach, meint doch, Sie und Ihre Freunde können

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den Widerspruch nicht wohl vertragen. Ich fand nicht Gelegenheit, ihn gleich durch Thatsachen wie die, dass man im Institut auch S c h m i d t s Schrift verkaufe, vom Gegentheil zu überzeugen. Er hatte die Schrift noch nicht gelesen; ich werde ihn alsdann wieder zu sprechen bekommen. Ich wollte, Sie setzten mich mit einigem Nötigen in Stand den Leuten zu sagen, dass Sie jederzeit Widerspruch wenns keine Widerbellerey sey gern und human aufgenommen haben, oder noch besser, ich möchte Sie oder das Institut zu einem Aufruf oder einer besondern Schrift auffordern, worin Sie aus der halb vernünftigen und halb wahren Schriften des Gegners das im einzelnen Ganz vernünftige und Ganz wahre mit Auszeichnung und Lob hervorzögen, wenns auch nicht sonderlich wichtig ist. Ich wollte freylich lieber mit den Kinder ladenreiten oder gigampfen, als ein solches Buch schreiben; wenn man aber den Bösen zum Truz tut, was Sie gethan haben und fürder thun müssen, so darf man den Einfältigen zu lieb wohl auch etwas thun. Eilig Ihr H[an]s Georg Nägeli Wann bekomme ich wohl etwas von Freund Niederer?

Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Car XV.196.49.2 Blatt, 203 x 242 mm Stempel ZURICH 8. SEPT. 1811, Dorsualvermerk Nägeli Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–7 Z. 8 Z. 9 Z. 16 f. Z. 32 Z. 39

lateinische Schrift Ausriss Sept[ember]: lateinische Schrift lezteres natürlich Widerbellerey sey gigampfen Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998

407 II. ⇒

Nr. 1253 III.

Z. 10 Z. 11

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Z. 12

Z. 28 Z. 38 f. Z. 39

F ü s s l i : Johann Heinrich Füssli (1745–1832) ⇒ Nr. 1 H o r n e r : Johann Jakob Horner (1772–1831) aus Zürich studierte dort und in Leipzig Theologie und Philosophie und wurde 1800 in seiner Vaterstadt zum Professor der Kirchengeschichte, später auch der praktischen Philosophie, Ästhetik und Ethik berufen. Ab 1809 amtete er als Inspektor des theologischen Internats und stand zwischen 1817 und 1831 der Stadtbibliothek Zürich vor. Römer: Johann Jakob Römer (1763–1819) aus Zürich studierte nach einer Kaufmannslehre in Bergamo Medizin in Zürich und Göttingen, wo er 1786 promovierte. Zurück in Zürich arbeitete er als Lehrer am medizinischchirurgischen Institut und war einige Zeit auch als Arzt am städtischen Siechenhaus tätig. Zudem war er über zwanzig Jahre lang Direktor des botanischen Gartens. Streitschrift: Johannes Niederer: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe, veranlasst durch eine Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, und zugleich ein vorläufiger Beitrag zur Feststellung des Verhältnisses der gewöhnlichen Darstellungen und Beurtheilungen, besonders des offiziellen Berichts an die Tagsatzung zu Pestalozzis wirklicher Unternehmung. Yverdon 1811 S c h m i d t s Schrift: Joseph Schmid: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen. Heidelberg 1810 ladenreiten: Es ist unklar, was damit gemeint sein könnte, möglicherweise eine Art «Brettschaukel». gigampfen: schaukeln (mdl.)

1262. Albrecht Rengger 18. September 1811 5

Monsieur Monsieur Pestalozzi Yverdon Lausanne 18 t Herbstm[onat] 1811

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Ich bedaure recht sehr, mein verehrenswürdigster Freund, den Überbringer Ihres Briefes verfehlt u[n]d wegen der Kürze seines hiesigen Aufenthaltes nicht gesehen zu haben. Mein Urtheil über Niederers Schriften so wie meine Entrüstung über die Veranlassung derselben haben Sie nun durch meinen letzten Brief vernommen. Ich habe seither bey Gelegenheit eines Auftrags an Prof[essor] Trechsel geschrieben u[nd] diesen Anlass

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ergriffen, um ihm nachdrücklich ans Herz zu legen, was die Commissarien als ehrliche Männer Ihnen schuldig sind, ich hoffe, wenn sie es anders nicht schon gethan haben, sie werden sich auf eine Art erklären, die den Göttingischen Recensenten mit der verdienten Schande bedeckt. Ihrem Wünschen, Herrn Näff betreffend, werde ich mit Vergnügen entsprechen, obgleich ich mir von der Erfüllung desselben keine besondre Wirkung verspreche. Die Personen, von denen die Prüfung seiner Zöglinge angestellt wurde, werden sich auch ohne diess u[nd] auf Ihre blosse Empfehlung hin, für H[errn] Näff verwenden, so wie es H[err] Chavannes bey den Eltern eines taubstummen Knaben in Vevey, bis jetzt mit unentschiednem Erfolge, bereits gethan hat. Allein, wie gesagt, wenn H[err] Näff darauf besteht, so werde ich herzlich gern zu einer Prüfung in Lausanne die Hand bieten; nur sollte dieselbe noch einige Zeit aufgeschoben werden, indem H[err] Chavannes, dessen Beyseyn wesentlich ist, 5 seiner Kinder an einem Nervenfieber krank liegen hat. Mit unveränderter Achtung u[nd] Freundschaft Ihr ergebenster Rengger

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 302a/2 Bogen, 234 x 195 mm Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 11

Mein Sacherklärung I.

Albrecht Rengger (1764–1835) ⇒ Nr. 646 III. Z. 9

Überbringer: Damit könnten Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844, ⇒ Nr. 1453) oder Gotthilf Friedrich Patzig (1788–1877, ⇒ Nr. 1369 b) gemeint sein, die beide Anfang/Mitte September mit Briefsendungen von Yverdon nach Vevey zu Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) reisten (vgl. PSB VII, Nr. 2666, Nr. 2671) und wohl unterwegs in Lausanne Halt gemacht hatten.

409 Z. 9 Z. 11

Z. 13 Z. 14 Z. 14 Z. 16

Z. 18 Z. 20 Z. 23 Z. 25 Z. 25

Z. 26 Z. 31

Briefes: PSB VII, Nr. 2655 Niederers Schriften: Johannes Niederer: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe, veranlasst durch eine Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, und zugleich ein vorläufiger Beitrag zur Feststellung des Verhältnisses der gewöhnlichen Darstellungen und Beurtheilungen, besonders des offiziellen Berichts an die Tagsatzung zu Pestalozzis wirklicher Unternehmung. Yverdon 1811 letzten Brief: ⇒ Nr. 1254 Trechsel: Friedrich Trechsel (1776–1849) ⇒ Nr. 1184 geschrieben: scheint nicht erhalten zu sein Commissarien: Père Grégoire Girard (1765–1850, ⇒ Nr. 1156) und Abel Merian (1771–1842, ⇒ Nr. 1104) waren die beiden anderen Mitglieder der Tagsatzungskommission. Göttingischen Recensenten: Karl Ludwig von Haller (1768–1854) ⇒ Nr. 908 Näff: Johann Konrad Näf (1789–1832) ⇒ Brief vom 16. Oktober 1822 Prüfung seiner Zöglinge: Über diese Prüfung scheinen keine Berichte erhalten geblieben zu sein. Chavannes: Daniel-Alexandre Chavannes (1765–1846) ⇒ Nr. 661 Eltern: Die Anfänge von Johann Konrad Näfs (1789–1832, ⇒ Brief vom 16. Oktober 1822) damals noch nicht institutionalisierter Arbeit mit taubstummen Kindern sind schlecht dokumentiert und lassen Rückschlüsse auf lediglich zwei Knaben zu, die aber beide nicht aus Vevey stammten. Knaben: konnten nicht näher bestimmt werden (⇒ Z. 25) 5 seiner Kinder: Daniel-Alexandre Chavannes (1765–1846, ⇒ Nr. 661) hatte acht Kinder, nämlich Jeanne Henriette Cornélie (1794–1874), César Daniel (1795–1811), Jacqueline Herminie (1798–1853), Henriette Cornélie Elizabeth (1800–1881), Jacques Félix (1802–1863), Jean Alexandre (*1805), Adelaïde Marie Victoire (1807–1850) und Jacques Auguste (1810–1879); César Daniel dürfte am hier erwähnten Nervenfieber gestorben sein, welche weiteren vier Kinder 1811 an der Krankheit litten, ist unklar.

1263. Franz Adam Lejeune 19. September 1811 [Reg.] Antwortvermerk «rep. 19.» auf dem Brief Pestalozzis vom 8. September 1811.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 70a/18 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870

410 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2664

1264. Karl August von Wangenheim 21. September 1811 Stuttgardt, du 21. september 1811 5

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Je fais, depuis plusieurs jours, l’examen des gymnases de cette ville. Hier, dans l’un d’eux où le calcul est assez bien mis en pratique, je proposai moi-même un problême pour lequel un calculateur avait besoin de réfléchir. Chaque écolier devait chercher à le résoudre, et celui qui croirait y avoir réussi était invité à le dire. Au bout d’un certain tems, il s’en présenta un qui l’avait très-bien résolu. Je lui demandai comment il s’y était pris, et je fus étonné, en recevant d’une bouche modeste, mais sûre de son fait, une solution parfaitement bien pensée et clairement exprimée. J’en fis compliment au maître; mais j’appris que ce jeune homme était au gymnase seulement depuis quatre semaines, et qu’il avait auparavant passé deux ans à Yverdun. C’était le jeune Grandheur de Louisbourg … Je résolus de me servir de cette occasion pour mettre à l’épreuve la marche de l’Institut Pestalozzi, aussi loin que cela était possible dans le collége de Stuttgardt. Je le fis examiner sur l’histoire ancienne et la géographie: à ma grande satisfaction, non-seulement il répondit à tout, mais toutes ses réponses portaient le caractère d’un jugement mûr et d’un bon esprit … Je m’informai de ses connaissances dans la langue latine; et je m’assurai qu’il composait et traduisait bien et qu’il expliquait couramment Tite-Live. Il me semble que cela prouve beaucoup en faveur du mouvement général de l’esprit et du développement des facultés, combiné avec l’instruction, que vous avez pour but. Ce jeune homme demeure chez le précepteur Werner, homme plein d’esprit, de savoir et de probité. J’ai reçu de lui les informations suivantes: Il est paisible, réfléchi, appliqué, rangé dans tout ce qu’il fait; il juge les événemens de la vie avec rectitude; il est bon camarade; rien ne peut faire présumer, non-seulement qu’il ait été négligé sous le rapport des sentimens religieux et moraux, mais qu’il ait manqué même des soins les plus etendus. C’est ainsi que m’a répondu ce digne homme. L’enfant lui-même m’a rendu le compte le plus satisfaisant des leçons de religion qu’il a reçues de M[onsieur] Niederer. Ses yeux brillaient de joie, pendant que je l’entretenais ainsi des lieux, des

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choses et des personnes qui l’intéressaient, et il ne pouvait ni ne voulait dissimuler son chagrin d’avoir dû quitter Yverdun, son cher Yverdun.

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Überlieferung Marc Antoine Jullien: Précis sur l’Institut d’éducation d’Yverdun, en Suisse, organisé et dirigé par Monsieur Pestalozzi. Milan 1812, p. 81–82 Textkritik

Zeuge [a] Sacherklärung I. Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 II. Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) zitierte diesen Brief von Karl August von Wangenheim (1773–1850, ⇒ Nr. 977) in seiner Abhandlung über das Institut in Yverdon als Beleg für den Erfolg der Methode. III. Z. 16

Z. 28

Z. 36

Grandheur: Eduard Carl Alexander von Grundherr (1797–1827) war von 1809 bis 1811 Schüler in Pestalozzis Anstalt in Yverdon, studierte in Stuttgart und schlug eine Militärkarriere ein, bevor er drei Jahre nach der Heirat mit Luise Friederike Jakobine von Vischer (1803–1849), mit der er eine Tochter hatte, starb. Werner: Georg Andreas Werner (1752–1828) war als Lehrer zunächst in Tübingen tätig, 1770 als Mädchenprovisor und 1778 als Kollaborator (Hilfslehrer) der Knabenschule, bevor er 1796 auf Empfehlung von Christian Friedrich von Schmidlin (1780–1830, ⇒ Nr. 1038) an die Realschule und das Gymnasium in Stuttgart wechselte, wo er bis zu seiner Pensionierung unterrichtete. Werner trat zudem als Autor von Latein- und Griechischschulbüchern hervor. Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

1264 a. Heinrich Remigius Sauerländer 27. September 1811 [Reg.] Sauerländer schickt Bücher mit einer Rechnung.

412 Überlieferung 1

PSB VII, S. 355.9 f. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1265. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 27. September 1811 Durch Einlage an H[er]rn Pestalozzi 5

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1. resp[ektiv] Das Depart[ement] habe die Vorliebe des Patzig für das Amt eines Landschullehrers und was er über die Art, wie er in demselben den Unterricht der Kinder anzulegen gedenke, ohnerachtet es ihn selbst nicht befremden würde, wenn reifere Ansichten, grössre Erfahr[un]g und vielleicht auch Localverhältnisse in den lezten künftig manche Modification herbeiführten, gern gesehen. Es habe auch sogleich die nöthigen Einleitungen getroffen um ihn im nächsten Sommer für ein solches Amt zurückberufen zu können und wird ihm zu seiner Zeit das Nähre eröffnen. Einstweilen habe es wieder die halbjähr[ige]n Unterhalthskosten zw[ischen] Dec[ember] d[es] J[ahres] bis 4. May d[ieses] J[ahres] in einer Anweisung mit dem Werthe von 175 r[eichsthaler]n Preuss[ischer] Cour[ant] an H[er]rn Pest[alozzi] übermacht. Uebrigens bemerke es, dass er in seinem künftigen Schreiben an das Depart[ement] von der gewöhnlichen Anrede und dem üblichen Stile abzuweichen nicht nöthig habe. 2. resp[ektiv] an die Broschaur Gr[un]ds[ätze des] Dep[artements:] Das Depart[ement] habe seit 1½ Jahren einen jungen Schlesier Namens Kraetz, der zuerst in Breslau auf dem Elisabethano nachher in Heidelberg studirt, auf seine dringenden Wünsche und die über ihn erhalten vortheilhaften Zeugnisse in Yverdon unterhalten und denke ihn im May k[ommenden] J[ahres] zurückkommen zu lassen. Er habe eine grosse Neig[un]g zum Stand eines Landschullehrers und das Depart[ement] zweifle nicht dass die Ge[l]ds[en]d[un]g vielleicht die beste Gelegenheit, diese Neig[un]g durch eine angemessene zu befriedigen im Stand als auch diese Gelegenheit einen Lehrer, den man wieder zur Leit[un]g andrer Lehrer gebrauchen könne, zu gewinnen, mit Freude ergreifen werde. Man trage daher ihr auf dem Kraetz eine passen-

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de Stelle auszumitteln u[n]d nächstdem an das Dep[artement] zu berichten, damit es die nöthigen Veranstalt[ung]en zur Rückkehr des Kraez zeitig treffen könne. Sollte sich aber bis zur Mitte des April k[ommenden] J[ahres] noch keine schickliche Gelegenheit gefunden haben so sey dies dem Dep[artement] sofort anzuzeigen. 3. Die General-Dep[artements] Kasse ist anzuweisen, eine Anweisung auf den Werth von 350 R[eichsthaler]n, Pr[eussischer] K[urant] auf Francf[urt] o[der] Basel unter recht vortheilh[aften] Beding[un]gen von einem hiesigen Handl[un]gshause zu lösen u[n]d diese der Geh[eimen] Kanzlei zur Befriedung an H[er]rn Pest[alozzi] zuzustellen. Zur Erstatt[un]g dieser Auslage sey die Of[fizielle] G[el]ds[en]d[un]g anzuweisen. 4. resp[ektiv] diese Anweisung auf den El[even] Rendschmidt an die Of[fizielle] G[el]ds[en]d[un]g. 5. Die Anweisung ist H[er]rn P[estalozzi] zuzufertigen mit der Bemerk[un]g, dass sie für die Eleven Kraetz u[n]d Rendschmidt für erstern pro Dec[ember] d[ieses] J[ahres] bis 4. May k[ommenden] J[ahres] gelte; für letztern pro November d[ieses] J[ahres] bis ult[ima] Apr[il] k[ommenden] J[ahres] gelte.

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Überlieferung Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 3, S. 18–18 a Entwurf Textkritik

Zeuge h Z. 6 Z. 6 f. Z. 15 Z. 16 Z. 16 Z. 23 Z. 23 f. Z. 24 Z. 29 Z. 30 Z. 31 Z. 37 Z. 38 Z. 39 f. Z. 41 Z. 41

das Amt in demselben∫ in einer Anweisung mit∫ Anweisung mit: unsichere Lesart mit dem der zuerst Elisabethano: lateinische Schrift Heidelberg: lateinische Schrift vielleicht∫ Neigung durch einen Lehrer keine schickliche sofort∫ anzuweisen, eine Anweisung auf Francf[urt]: lateinische Schrift Basel: lateinische Schrift

414 Z. 46 Z. 49 f. Z. 50

Rendschmidt: lateinische Schrift für erstern∫ pro Dec[ember]∫ Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

III. Z. 5 Z. 23 Z. 46

Patzig: Friedrich Patzig (1788–1877) ⇒ Nr. 1369 b Kraetz: August Kraetz (†1821) ⇒ Nr. 1197 Rendschmidt: Felix Rendschmidt (1787–1853) aus Gorzów Slaski (Landsberg, Polen) war bereits mit 19 Jahren Schulrektor in seiner Heimatstadt. Von 1811 bis 1814 war er als Eleve an Pestalozzis Institut in Yverdon, unterrichtete dort Deutsch, Geographie und Gesang, bevor er 1815 Seminarlehrer und zugleich Rektor der Stadtpfarrschule in Breslau wurde. 1830 reiste er noch einmal in die Schweiz und besuchte die Anstalt von Philipp Emanuel von Fellenberg (1771–1844, ⇒ Nr. 426) in Hofwyl.

1266. Rosette Kasthofer Herbst 1811 5

Herren Pestalozzi in Iferten Vevey den __ Dienstag Morgens 1811

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Lieber Vater. Mit meiner Rükkunft bin ich so viel mir bewusst auf dem halben u[n]d das ist mir recht, wenn nemmlich der Himmel sich lange in Grau u[nd] Nass kleidet wie heüte. Doch lacht er wieder freündlich u[nd] ich muss scheiden von dem schönen Land, so werd ich wimmern u[n]d klagen den ersten Theil des Wegs der mich von hier wegführt, u[n]d froh seyn u[n]d jubeln den zweyten Theil der mich zurückbringt in Ihre Arme. Mit meiner Gesundheit gehts gut. Fragen Sie nun den guten, lieben Kaverau, dessen Besuch mir grosse Freüde gab, wie ich aussehe, u[nd] wie es in Schein u[n]d Wahrheit um mich stehe? Einen Gruss, u[nd] schönen Dank an H[er]rn Niederer für das übersandte, kraft dessen ich fröhlich seyn kann mit den Fröhlichen in Yverdon. Gewiss lieber Vater, geniessen Sie jezt Ruh u[n]d

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Freüde das ists was mich erquikt, u[nd] nicht das Schreiben der getroffenen Herren, dem ich keinen Geschmak abgewinnen kann. Als Schuzschrift gegen Plakereyen ist es mir lieb; als Nothschrift merkwürdig; als Rükzug lächerlich; u[nd] als das was es seyn soll leicht, kraft u[n]d karakterlos. Kurz es erscheint mir als ein Produkt dreyeiniger Angst dreyerumeiniger Gemüther in sich u[n]d unter sich; u[n]d denn wiederum in dieser Hinsicht, u[n]d unter solchen Umständen, das Beste was entstehen konnte. Von Madame Leriche wissen wir nichts seit sie uns verlassen, entweder ist sie jezt mit ihrem Sohn in Yverdon, od[er] es ist ihr ein Unfall begegnet. [Wiss]en Sie nichts von unsrer guten Rönneberg? Müsste ich [jezt schon] ob vielem Schreiben die Lust zum Schreiben verlieren, wahrlich ich könnte nicht so stumm bleiben für Sie – doch von Ihnen wird sie inzwischen etwas erhalten haben? Nicht wahr Sie handlen besser an ihr als ich? Sie sind es auch mehr verpflichtet weil Sie wissen wie sehr Ihr Stillschweigen sie schmerzen würde. Ich fühle dass Sie in Yverdon viele Geschäfte, viele Fremde, u[n]d überhaupt vieles zu denken u[n]d zu thun haben – Fragen Sie doch Freünd Niederer ob es nicht höchst natürlich seye dass ich das fühle? – – Leben Sie wohl lieber Vater! Tausend herzliche Grüsse an Mutter u[n]d alle Lieben die gern einen Gruss empfangen von Ihrem Kinde R[osette] Kasthofer

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 264/V,6 Bogen, 218 x 163 mm Einriss Dorsualvermerk Vivis … 1811, Ros[ette] Kasthofer Original Textkritik

Zeuge H Z. 7 Z. 17 Z. 18 Z. 21 Z. 22 Z. 28 Z. 30

Vevey: lateinische Schrift Kaverau: lateinische Schrift wie es Yverdon: lateinische Schrift Freüde, das Hinsicht, u[n]d Madame Leriche: lateinische Schrift

416 Z. 31 Z. 39 Z. 44

Yverdon: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift einen Gruss Sacherklärung I.

Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 II. Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) war im August zur Traubenkur nach Vevey gereist (⇒ Nr. 1260; P.-St. 1903, S. 47). III. Z. 6 Z. 17 Z. 19 Z. 22

Z. 30 Z. 31 Z. 33

Z. 43 f.

I f e r t e n : dt. Name für Yverdon Kaverau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Schreiben: Johannes Niederer: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe, veranlasst durch eine Rezension in den göttingischen gelehrten Anzeigen und zugleich ein vorläufiger Beitrag zur Feststellung des Verhältnisses der gewöhnlichen Darstellungen und Beurtheilungen, besonders des offiziellen Berichts an die Tagsatzung zu Pestalozzi’s wirklicher Unternehmung. Yverdon 1811 Madame Leriche: Frau Leriche ⇒ Nr. 686 Sohn: Felix Leriche ⇒ Nr. 769 Rönneberg: Hier ist möglicherweise die unverheiratete Lehrerin Wobeta (Betty) Rönneberg (1785–1851) aus Bremen gemeint oder aber Henriette Rönneberg (*1782), die 1814 und 1817 von Johann Jakob Blendermann (1783–1862, ⇒ Nr. 627) als Lehrerin in Bremen erwähnt wurde und augenscheinlich junge Kinder unterrichtete, bevor diese in die bis 1817 bestehende Privatanstalt von Blendermann übergeben wurden. Mutter: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3

1266 a. Sophie von Pobeheim Herbst 1811 [Reg.] Von Pobeheim vermutet, dass Pestalozzi Schmid «für einen Teufel achte».

Überlieferung 1

PSB VII, S. 335.8, S. 336.30, S. 337.27 f.

417 Sacherklärung I. Sophie von Pobeheim (1767–1857) ⇒ Nr. 1260 II. Sophie von Pobeheim (1767–1857, ⇒ Nr. 1260) hielt sich im Winter 1811/12 mit ihren beiden Kindern (⇒ Nr. 1260) in Yverdon auf, während ihr Mann, der Bankier H. P. Pobeheim in Paris weilte. Sie begleiteten Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) zur Traubenkur nach Vevey und stand mit Pestalozzi in einem Briefwechsel über das Institut.

Z. 4

III. Schmid: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712

1267. J. L. Lenz Herbst 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1295 Sacherklärung I.

J. L. Lenz ⇒ Nr. 943

1267 a. Johann Jakob Holdenecker 11. Oktober 1811 [Reg.] Holdenecker schickt Bücher und Kataloge.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 345.23 und S. 367.18

418 Sacherklärung I. Johann Jakob Holdenecker (1758–1839) aus Pratteln (Kt. Basel-Landschaft) lässt sich in Basel zum Buchbinder ausbilden und heiratet 1801 Maria Magdalena Wittwer (um 1777–1853) aus Langnau (Kt. Bern). Spätestens zu diesem Zeitpunkt führt Holdenecker in Basel eine Buchdruckerei samt einer Buchhandlung, an der spätestens ab 1827 auch seine Söhne mitbeteiligt sind.

1267 b. Isaac Cox Barnet 15. Oktober 1811 [Reg.] Barnet teilt Pestalozzi mit, dass er gut zu seiner Familie zurückgekehrt sei.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 353.34 f. Sacherklärung I.

Isaac Cox Barnet (1773–1833) wurde in der Edition der Briefe Pestalozzis (und darauf basierend auch im zweiten Band der Briefe an Pestalozzi) als John Cox Barnet (⇒ Nr. 1028) bestimmt. Ein amerikanischer Konsul dieses Namens konnte denn auch nicht gefunden werden. Allerdings dürfte es sich bei dem besagten Konsul um Isaac Cox Barnet handeln, der von 1797 bis 1799 im konsularischen Dienst für die Vereinigten Staaten zuerst in Brest (Bretagne) tätig ist, anschliessend bis 1801 als Konsul in Bordeaux, dann von 1802 bis 1803 ebenfalls als Konsul und zudem als Handelsattaché in Antwerpen (Belgien). 1803 wird er Mitglied des Komitees, welches Entschädigungen für amerikanische Bürger bei der französischen Regierung einfordert, die Opfer des nicht erklärten Seekrieges zwischen Frankreich und Amerika während der Jahre 1797/98 geworden sind. Von 1803 bis 1808 lebt er als Handelsvertreter in Le Havre (Haute-Normandie), 1810 geht er nach Rouen, wobei nicht klar ist, ob dieser Wechsel als Konsul erfolgt oder nicht. 1814 zieht er nach Paris, wo er erneut bis zu seinem Tod als Konsul tätig ist, II. Isaac Cox Barnet (1773–1833, ⇒ Sacherklärung I.) hatte im September 1811 seine beiden Söhne William Armand (*1795, ⇒ Nr. 1028) und Charles (⇒ Nr. 1028) zur Ausbildung nach Yverdon gebracht.

Z. 4

III. Familie: Damit dürfte seine Frau (⇒ Nr. 1028) und sein Sohn George (⇒ Nr. 1028) gemeint sein.

419 1268. Johann Jakob Weilenmann im Namen der Lehrer vor dem 17. Oktober 1811 5

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Theurer, edler Vater! Die Söhne Deines Hauses stehen vor Dir, um mit Dir zu reden, höre ihnen einige Augenblicke mit Ruhe und Aufmerksamkeit zu. Wenn gute Söhne ihren alten Vater, dem das Glück derselben so sehr am Herzen liegt, traurig, niedergeschlagen und verzagt unter ihnen herumgehen sehen, so kann es nicht anderst möglich sein, als dass der Kummer, die Traurigkeit, die sie an ihm wahrnehmen, auch in sie hinübergehen und dieselben oft noch mehr quält, als ihren alten Vater; gerne würden sie die Bürde, die so hart auf seinen Schultern liegt, über sich nehmen, unter sich vertheilen und sie mit Geduld tragen, wenn sie ihn nur heiter und vergnügt unter ihnen sehen könnten. Vater, Deine Sorgen, Deine Muthlosigkeit, Deine Unruhe und Deine Zweifel sind bei Dir auf’s höchste gestiegen. Unglücklich bist Du, wir und Dein ganzes Haus, wenn wir sie nicht zu lindern oder ganz zu tilgen vermögen und nicht Freude und Fröhlichkeit an ihre Stelle tretten. Dieser Kummer, diese Muthlosigkeit und Niedergeschlagenheit bleiben nicht allein auf Dir, sie sind auch in uns hinübergegangen, nagen täglich stärker an uns, machen uns trauriger, muthloser und ängstlicher, als wir es jemals waren, so dass wir in unserer Muthlosigkeit oft glauben, es seye unmöglich, dass wir Dir noch helfen können. Wie gerne, Vater, würden wir die Bürde, die so schwer auf Deinen Schultern liegt und unter der Du fast erliegst, auf uns nehmen, wenn wir nur wüssten, wie wir sie Dir abnehmen könnten. Lange vermagst Du diese schwere Bürde nicht mehr zu ertragen, denn sie wird täglich schwerer und drückender und Deine Kräfte nehmen ab, das fühlst Du ja tief genug. Wir haben uns fest überzeugt, dass Dein Haus der schändlichen Auflösung nahe, aber eben so nahe der hoffnungsvollen Errettung ist. Jetzt steht es noch in Deinen und unsern Händen, dasselbe der Auflösung zu entreissen. Wir glauben sogar, dass es nicht schwer seye, dasselbe vor dem Abgrunde des Verderbens gänzlich zu befreyen und es auf felsenfesten Boden zu stellen, wo es unerschütterlich als ein ewiges Denkmal für Deine Nachkommen wird stehen bleiben. Vater, es ist Dein sehnlichster Wunsch, Dein Haus werde gerettet; aber so sehnlich wünschen wir es mit Dir. Wir versprechen Dir, Vater, in diser wichtigen Stunde, das für die Errettung Deines

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Hauses zu thun, was von unsern schwachen Kräften immer nur gefordert werden kann; rechne auf diese Hülfe, sie wird Dir zu Gebote stehen, wo und wann Du willst. Wir wären ja nicht mehr werth, Deine Kinder genannt zu werden, wenn wir das nicht sehnlich wünschten. Keine Mühe, keine Anstrengung soll für uns zu gross seyn, Deine Ehre und Dein Haus zu retten. Vater, das Versprechen, welches wir Dir in diesem Augenblicke ablegen, ist uns ernst, theuer und heilig; nur bitten wir Dich um Dein Zutrauen und Deine väterliche Liebe. Erheitere uns, muntere uns auf, tröste uns, welches wir so sehr bedürfen, dann werden wir nicht mehr wie bis dahin, uns vor Deinem Antlitz zu verbergen suchen, sondern uns endlich mit neuer Liebe und Freude an Dich und dein ganzes Haus anschliessen können; dann musst Du uns das sein können, was ein guter Vater, der nur das Glück seiner Söhne sucht, denselben seyn kann; Du kannst uns dann mehr seyn, als was Du uns jemals warst; dann werden wir auch an unsern jüngern Brüdern, die Du uns übergeben und anvertraut hast, das thun können, was Du und unsere heilige Pflicht von uns verlangen. Vater, jetzt haben wir Dir es versprochen, mit Dir dein Haus zu retten, und diesem theuren Versprechen bleiben wir treu, so lange Du willst. Es ist also auch unsere heiligste Pflicht, den Quellen der Übeln des Hauses von allen Seiten nachzuforschen, sie mögen auch nur Namen haben und entsprungen seyn wo sie wollen, und dann Mittel suchen, denselben so kraftvoll als möglich zu wiederstehen und abzuhelfen suchen. Vater, Deiner Sorgen und Klagen sind viele, Du hast Ursache zu klagen und zu sorgen; oft würdest Du aber noch mehr, oft aber auch weniger klagen, als Du klagest, wenn Dir alles bekannt wäre, was in Deinem Hause vorgeht, wenn Du die Sachen, worüber Du klagst, oft besser kennen und Untersuchen würdest, dann würdest Du nicht jedesmal alle Schuld auf uns werfen und uns als die einzige Ursache anklagen. Wie wir nun den Übeln des Hauses abhelfen sollen und es Dein Wille ist, dass wir es thun, so müssen wir von Dir Vollmacht haben, es thun zu dürfen und wir werden es dann als treue Söhne des Hauses gewissenhaft auszuführen suchen. Wir werden dabey vieles vor deinen Augen enthüllen und Dich vielen Zweifeln entziehen können. Glaube ja nicht, Vater, dass wir uns bei dieser Nachforschung und Abschaffung der Übeln des Hauses vergessen oder überspringen werden. Nein, Vater, wir wollen der erste und wichtigste Gegenstand dieser Untersuchung seyn. Wir fühlen es tief genug, dass wir mit Mängeln, Fehlern und Schwach-

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heiten angehäuft sind, gegen die wir mit dem grössten Eifer kämpfen wollen. Es ist unmöglich, dass unsere jüngern Brüder gut werden können, wenn wir selbst nicht gut sind. Alles Gute und Bessere muss von uns herkommen, wir können sonst gegenwärtig auf keine andere Hülfe rechnen. Habe nur Nachsicht mit uns, ermahne uns, muntere uns auf, wenn wir unser Versprechen allenfalls übertretten; jeder von uns verlangt es sehnlich, dass Du es ihm sagest, wenn er einen Fehltritt thut, er wird dies immer als eine väterliche Ermahnung von Dir annehmen. Wirf uns nur nichts zur Last, was uns nicht zur Last gelegt werden darf und wir nicht verdienen, damit nicht ein Unschuldiger für einen Schuldigen leiden müsse. Glaube ja nicht, Vater, dass alles von uns herkomme, was nicht den geraden Weg geht. Oft klagst Du aber auch über Sachen, die doch nicht anderst sein können als sie sind, und zwar nur desswegen, weil sie Dir an einem unrechten Ort oder zur unrechten Zeit erscheinen. Nur noch ein Wort, theurer Vater, lass uns vor Dir reden, welches uns sehr schwer am Herzen liegt und kränkt und welches wir nicht länger zu tragen vermögen, zürne aber nicht darüber. Eine Ursache, die deinen Kummer und Zweifel um vieles vermehret, ist auch die üble Lage, in der dein Haus der Ökonomie wegen gegenwärtig steht. Täglich sprichst Du es stärker aus, dass es unmöglich seye, dein Haus könne desswegen nicht länger bestehen, weil die Ausgaben desselben dessen Einnahmen um Vieles übertreffen. Wir sagen das gleiche mit Dir, fühlen es vieleicht noch tiefer als Du. Täglich sehen wir den Abgrund deutlicher, der deinem Hause von dieser Seite bevor steht und fürchten uns und zittern vor demselben. Wir wundern uns aber auch nicht, warum dasselbe nicht besser steht. Aber welch ein kränkender und betrübter Schlag für Söhne, von ihrem Vater täglich lauter sagen zu hören: «Ihr seid die Ursache davon, ihr habt mein Haus in dise traurige Lage versetzt, ihr macht mich und dasselbe unglüklich, an Euch finde ich keine Söhne mehr.» Wenn diess wäre, Vater, so würden wir es heute noch vor deinem Hause und der ganzen Welt bekennen, uns als einzige Schuldner angeben und alle deine übrigen Hausgenossen für unschuldig erklären. Unsere Pflicht fodert aber von uns, zu zeigen, dass nicht Wir die Ursachen dieser traurigen Übel sind; wir wollen Dir die Quellen derselben zeigen; zwar werden Dir viele von denselben schon bekannt seyn, viele aber auch ganz fremd. Wir wollen, wenn es nöthig ist noch zeigen, dass wenn das Haus von irgend einer andern Seite zu Grunde gehen müsste, nicht wir die Ursachen davon wären. Vater, wir müssen

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Dir diese Quellen zeigen, theils desswegen, um das Haus vor dem nahen Verderben zu retten, theils aber auch desswegen, um zu zeigen, dass wir falsch angeklagt sind. Vater, Du weisst, was wir wollen, wir haben Dir unsere Herzen geöffnet, Du kennst unsere Gedanken, Du siehst, wie wir, dass dein Haus so nicht lange mehr bestehen kann, es muss ihm geholfen werden, oder wir müssen uns von demselben trennen, wir können ihm in seinem schrecklichen Falle nicht zusehen. Was hälfe es uns auch, wenn wir demselben noch eine morsche Stütze unterstellen könnten, um es einige Tage länger erhalten zu können, wenn es doch bey dem geringsten Sturme einsinken würde. Vater, deine Erklärung ist uns wichtig, wir verlangen sie sehnlich von Dir. Wenn Du glaubst, wir seyen zur Errettung deines Hauses zu schwach oder sogar untüchtig, oder wir können demselben nicht mehr seyn, was wir ihm sein sollten, so darfst Du es uns als ein guter Vater frey heraussagen. Dann wollen wir deinem Hause nicht länger zur Last fallen, wir verdienen dann nicht mehr, dass uns unser väterliches Haus in seinen Schutz nehme, sondern dass wir aus ihm verstossen werden. Wenn wir Dich auch verlassen müssen, väterliches Haus, in dem wir nun eine Reihe von Jahren zugebracht haben und nicht mehr zu Dir zurückkehren dürfen, so werden wir auch in der Ferne nicht vergessen, was Grosses Du an uns gethan. Wenn uns auch das Schicksal zerstreut, wie Spreuer vom Winde zerstreut werden, wenn uns Unglück aller Art wiederfahrt, so wollen wir dieses uns und nicht Dir zur Last legen, denn Du hast mehr als dieses um uns verdient. Unsere grösste Freude wird immer sein, auf Dich zurückzublicken, Dich erhalten und der Vollendung entgegengehen zu sehen, damit einst die Asche unseres alten Vaters eine Krone trage, die nur wenigen gebührt. Vater, deine Söhne sind tief gerührt, mehr als diess können sie diesmal vor Dir nicht sagen. Gott segne dich und uns und stehe unserm Entschlusse bei! Deine Söhne.

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Überlieferung Blätter für bernische Geschichte XV (1919), S. 75–79 Textkritik

Zeuge [a]

423 Sacherklärung I. Johann Jakob Weilenmann (1787–1827) aus Illnau unterrichtet ab 1807 als Lehrer am pestalozzischen Institut in Yverdon. 1815 tritt er wegen Meinungsverschiedenheiten aus und gründet in Kloten eine eigene Anstalt. 1818 verlegt er diese zuerst nach Embrach (alle Kt. Zürich) und noch im selben Jahr weiter nach St. Gallen. 1824 gibt er die Leitung seines Instituts ab und wird Lehrer am Gymnasium von St. Gallen. II. 1811 spitzten sich die organisatorischen Probleme in Yverdon zu und Johann Elias Mieg (1770–1842, ⇒ Nr. 1244) war für viele der optimale Kandidat zur Lösung der Probleme (⇒ Nr. 1269). Er lehnte diesen Auftrag allerdings ab (⇒ Nr. 1361).

1269. Johann Jakob Weilenmann im Namen der Lehrer Oktober 1811 5

[Reg.] In einem Brief wird formuliert, «wie wichtig es seye, einen Mann im Hause zu haben, dem die gänzliche Leitung und Besorgung des Hauses anvertraut werden könnte und schlugen Mieg als den einzigen vor, den wir gegenwärtig kennen».

Überlieferung Blätter für bernische Geschichte XV (1919), S. 80

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Sacherklärung I. Johann Jakob Weilenmann (1787–1827) ⇒ Nr. 1268 II. ⇒

Nr. 1268

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III. Mieg: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244

1269 a. Heinrich Remigius Sauerländer Oktober 1811 [Reg.] Sauerländer schickt ein Ballot und einen Brief.

424 Überlieferung 1

PSB VII, S. 340.15 ff. Scherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084 III. Z. 4

Ballot: Bezeichnung (frz.) für einen Ballen von Kaufmannswaren. Dieser bestand je nach Ware aus einer bestimmten Anzahl von Paketen oder Stücken.

1269 b. Johann(es) Wüst Oktober 1811 [Reg.] Wüst schickt drei Kataloge, von denen einer für Mieg bestimmt ist.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 347.5 f. Sacherklärung I.

Johann(es) Wüst (1765–1843) ist als Buchbinder und Bücherantiquar tätig und seit 1792 mit Ursula Wüst (1769–1854) verheiratet.

Z. 4

III. Mieg: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244

1269 c. William Thompson 22. Oktober 1811 [Reg.] Thompson teilt Pestalozzi mit, dass er seinen Wechsel akzeptiere.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 352.25 ff.

425 Sacherklärung I. William Thompson, Kaufmann aus den USA, hält sich in Paris auf und steht im Kontakt mit der Familie Barnet (⇒ Nr. 1267 b). Seine Söhne John, Thomas und William jun. besuchen zwischen 1811 und 1813 Pestalozzis Institut in Yverdon, William Thompson sen. wird nach verschiedenen Besuchen des Instituts 1812 dort selbst für kurze Zeit als Englischlehrer tätig.

1269 d. Johann Heinrich Oschwald 23. Oktober 1811 [Reg.] Oschwald schickt die Pensionskosten für Conrad und Helena Maurer.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 339.28 f. Sacherklärung I.

Damit dürfte wohl Johann Heinrich Oschwald (1779–1854) aus Schaffhausen gemeint sein. Er ist als Kaufmann tätig, heiratet 1806 Barbara Elisabetha Hurter (1787–1831) und wird Vater von acht Kindern. II. Johann Heinrich Oschwald (1779–1854, ⇒ Sacherklärung I.) war der Vormund der Familie Maurer. Der Vater, Ratsherr Johann Jakob Maurer (1764–1814), war 1811 wegen «Umtrieben gegen seinen Schwager» verurteilt worden. III. Z. 4

Z. 4

Conrad: Johann Konrad Maurer (1798–1842) aus Schaffhausen war von 1810 bis 1814 Schüler, ab 1815 Unterlehrer für Mathematik am pestalozzischen Institut in Yverdon. Anschliessend war er um 1817 an der plamannschen Erziehungsanstalt (⇒ Nr. 637) in Berlin als Lehrer tätig, danach in Moskau und Odessa. Helena Maurer: Helena/Helene Maurer (*1795) ⇒ Brief vom 20. August 1819

426 1270. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 25. Oktober 1811 5

An Herrn Pestalozzi Wohlgeb[re]n zu Y v e r d ü n Berlin den 25 ten Oct[o]b[e]r 1811.

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Euer Wohlgeb[or]en benachrichtiget das unterzeichnete Departement ergebenst, dass dem Eleven Kawerau erlaubt ist, zwey Monate früher von Yverdun als die beiden andern Eleven Hennig und Dreist abzugehen, um zu Annaberg seinem Freunde Burkhardt bei der Einrichtung der dortigen Schule zu helfen, in dem Vertrauen, dass derselbe den dortigen Aufenthalt gleichfalls zu seiner Ausbildung benutzen und um Ostern 1812. bestimmt zurück kommen werde. Das Departement fügt zugleich eine asignat[ion] auf 700 r[eichs]t[hal]er Cour[ant] als den Betrag der Unterhaltungs Gelder für die Eleven Kawerau, Hennig, Dreist und Patzig pro 1 ten Sept[em]ber 1811. bis net: Februar 1812, a 175 p[reussischer] für Jeden, ganz erg[e]b[en]st hirbei. Departement für den Cultus,

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Überlieferung Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 2, S. 307–307 a Datum am Schluss Entwurf Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 6 Z. 9 Z. 10 Z. 10 Z. 11 Z. 11 Z. 18 Z. 18

Pestalozzi: lateinische Schrift Y v e r d ü n : lateinische Schrift Kawerau: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Hennig: lateinische Schrift Dreist: lateinische Schrift Annaberg: lateinische Schrift Kawerau, Hennig, Dreist: lateinische Schrift Patzig: lateinische Schrift

427 Sacherklärung I. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht

Z. 9 Z. 10 Z. 11 Z. 11 Z. 11 Z. 16 Z. 18



Nr. 1049

III. Kawerau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453 Hennig: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 Annaberg: Annaberg-Buchholz (Sachsen) Burkhardt: Karl Friedrich Celestin Burkhart (1785–1857) ⇒ Nr. 1428 asignat[ion]: Zuweisung Patzig: Gotthilf Friedrich Patzig (1788–1877) ⇒ Nr. 1369 b

1271. Frédéric César de Laharpe 27. Oktober 1811 5

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A Monsieur Monsieur Pestalozzi à Yver d un Can ton d e Vaud en Sui sse Liebster Landsmann u[nd] Freund Erst gerade gestern hohlte ich Ihren lieben Brief mit dem theuren beygefügten Geschenke welches ihn begleitete; haben Sie meinen herzlichen Dank für beyde. – Vor wenigen Tagen hatte ich auch Nachrichten von Yverdun, durch H[err]n Barnett, dem ich auf der Strasse begegnete, und der mir recht vieles von Ihnen erzählte. Er ist mit Ihren Einrichtungen sehr zufrieden, welches mir ein ungemeines Vergnügen machte. – Die Amtsberichte so wenig als die öffentlichen Blätter, werden die Meinungen der vernünftigen Menschen, in Ansehung Ihrer und Ihres Unternehmens verändern. Was mich sehr wundert, liebster Pestalozzi, ist, dass Sie gar nie unpartheyschen Bericht von Seiten der T[ag] S[atzun]g, wie sie heute besteht, erwarten konnten. Wäre ich an Ihrer Seite gewesen so hätte ich Sie vor dem Schritte gewarnt! den Sie sowohl bey ihr, als bey dem Land A[mmann] thaten. – Eine Methode die darauf geht, den Menschen zu lehren wie er sich mit seiner Vernunft benehmen muss um richtig zu sehen, zu vergleichen und zu schliessen, muss natürlicher Weise alle zu Feinden haben, welche auf die Unvernunft, auf die Dummheit, auf die Vorurtheile der grossen Menge zählen, um das Gebäude ihrer Macht, ihres

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Reichthums etc. aufrecht zu halten – Eine solche Methode ist desto gefährlicher, als sie nicht nur von allen Religionen, sondern auch von allen Regierungs-arten unabhängig bleibt, und sich gar nicht mit ihnen beschäftiget; denn weder unter dem einen, noch unter dem andern Vorwande kann man ihr was anhaben. – Ein grosser Fehler war es denn, liebster Freund dass Sie sich willig solche Männer zu Richter erkohren, die gar nicht dazu passen konnten. Dass Sie A[ffry] trauten, war auch ein fataler Irrthum. Dieser ehemalige Höfling hatte, von dem ehemaligen f[ürstlichen] Hofe, das feine und artige Benehmen entlehnt, welches damals diese Art Menschen vor allen andern auszeichnete. Natürlich musste in einem Lande, wo die ehemaligen Magnaten ihre Untergebenen, sehr grob anzufahren, gewohnt waren, ein entgegengesetztes Benehmen, dem 1 ten L[andamman]e viele Freunde erwerben; dass aber A[ffry] die olygarchischen Grundsätze seiner vaterländischen Klasse verläugnet hätte, ist so wenig wahr, dass bey allen Wahlen die er vornahm, bey allen den Maassregeln, die von ihm herkamen, das Gepräge der alten ehemaligen Unvernunft bemerkbar wird. Glücklicher Weise endete er seine Lauf Bahn, ehe ihm das Vaterland was ärgeres vorwerfen konnte. – Schauen Sie um sich, Liebster Freund: nur in den Kantonen Vaud, Lucern u[nd] St. Gall ist noch Freyheits-Sinn, Tendenz zur würklichen Aufklärung vorhanden. Die scharfe Lektion von 1798 u[nd] 1799 ist schon vergessen, und in den ehemaligen regierenden Städten, so wohl als auf den Alpen- u[nd] Jura-Spitzen, thronen wieder, Egoismus, kleinlichter Stadt Geist, Unverstand, Verfinsterung, Durst nach Rache, Uneinigkeit, und Tyranney. – Nein edler Pestalozzi, lasst uns nicht an unsere Zeitgenossen appelliren. Nicht ihnen, sondern den Nachkommen allein kömmt es über diejenigen zu sprechen, welche die moralischen und die politischen Fesseln zerbrachen, unter deren Drucke ein ehemals edles und freyes Volk erlag. Verfolgt und ausgehunzt wurden sie selbst von denjenigen die sie frey zu machen versucht hatten; so geht es, und nicht anders; darum liebster Freund lasst uns nicht den Muth sinken; Was wahr ist bleibt wahr; und sollten auch mehrere Jahrhunderte der Barbarey nachrollen, so werden doch einst die Anstrengungen zur wahren Aufklärung nicht ganz verlohren gehen, und die treuen Apostel wahrer Grundsätze, behalten einst den Guten Ruff, den sie verdient haben. – Ich habe ihre Schutz[schrift ge]rade angefangen, finde sie bündig, hätte aber — gewünscht sie abzukürzen, damit sie von [noch] mehreren Menschen gelesen würde. Dem — Berichte an die

429 T[ag]s[atzung] hätte ich blosse Noten — beygefügt, wo es nöthig wahr: Alles übrige hätte ich als 0 angesehen. Grüssen Sie von mir alle Ihre Getreuen. Meine Frau lässt sich Ihnen empfehlen Vale. L a h a r p e .

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Überlieferung Privatbesitz. Fotokopie: ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 181/3 Bogen, 245 x 184 mm Dorsualvermerk La harpe 27. 8b re 1 8 1 1 Paris Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–8 Z. 13 Z. 13 Z. 13 Z. 14 Z. 15 Z. 16 Z. 17 Z. 19 Z. 24 Z. 28 Z. 30 f. Z. 32 Z. 34 Z. 36 Z. 39 Z. 42 f. Z. 43 Z. 46 f. Z. 47 Z. 49 Z. 49 Z. 49 Z. 49 f. Z. 55 Z. 60 Z. 65 Z. 68–71

lateinische Schrift von Yverdun ∫ Yverdun: lateinische Schrift Barnett: lateinische Schrift und der ein ∫ machte. – Die werden die Pestalozzi: lateinische Schrift sich ∫ zählen, um ∫ von ∫ (2x) denn weder Sie sich trauten, war Menschen vor erwerben; dass aber A[ffry] die Grundsätze seiner Unvernunft bemerkbar wird ∫ Lauf ∫ Freund: nur in den ∫ Vaud, Lucern: lateinische Schrift St. Gall: lateinische Schrift Gall ist Pestalozzi: lateinische Schrift selbst ∫ Apostel wahrer Siegelausriss

430 Sacherklärung I. Frédéric César de Laharpe (1754–1838) ⇒ Nr. 722 II. Isaac Cox Barnet (1773–1833, ⇒ Nr. 1267 b) hatte seine beiden Söhne im September 1811 nach Yverdon begleitet und kannte Frédéric César de Laharpe (1754–1838, ⇒ Nr. 722) aus Paris. III. Z. 10 Z. 13 Z. 16

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Brief: scheint nicht erhalten zu sein Barnett: Isaac Cox Barnet (1773–1833) ⇒ Nr. 1267 b Amtsberichte: Abel Merian/Jean-Baptiste Girard/Friedrich Trechsel: Bericht über die Pestalozzische Erziehungs-Anstalt zu Yverdon. An Seine Excellenz den Herrn Landamman und die Hohe Tagsatzung der Schweizerischen Eydgenossenschaft. Bern 1810 öffentlichen Blätter: Besprechungen zum Tagsatzungsbericht erschienen in der Allgemeinen Zeitung (1810, Nr. 306–308), in den Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur (1811, Band I, S. 472–478), in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen (1811, Nr. 59) und in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung (1812, Nr. 32–34, Sp. 249–272). Für die daran anschliessende öffentliche Debatte vgl. Israel I, S. 409–450. Land A[mmann]: Louis d’Affry (1743–1810) ⇒ Nr. 618 scharfe Lektion: Damit erinnerte Frédéric César de Laharpe (1754–1838, ⇒ Nr. 722) an die verschiedenen Aufstände in der Schweiz im Rahmen der Helvetischen Revolution und wandte sich dadurch auch gegen die restaurativen Tendenzen der Mediation. ausgehunzt: ausgescholten Schutz[schrift]: Johannes Niederer: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe, veranlasst durch eine Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, und zugleich ein vorläufiger Beitrag zur Feststellung des Verhältnisses der gewöhnlichen Darstellungen und Beurtheilungen, besonders des offiziellen Berichts an die Tagsatzung zu Pestalozzis wirklicher Unternehmung. Yverdon 1811 Frau: Dorothea (Catharina) de Laharpe-Boethlingk (1775–1858) ⇒ Nr. 722

1272. Franz Adam Lejeune 1. November 1811 5

[Reg.] Antwortvermerk «rep. 1er 9bre» auf dem Brief Pestalozzis vom 27. September 1811.

431 Überlieferung 1

Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, PEST 10 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2674

1273. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 1. November 1811 5

An den Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeb[or]en zu Yverdun im Kanton Waadt in der Schweiz Berlin den 1 ten 9 br 1811.

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Euer Wohlgeb[or]en benachrichtigt das Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts hiermit, dass es dem an Ihrem Institute arbeitenden Schulrektor Rendschmidt in Rücksicht des demselben von Ihnen ertheilten vortheilhaften Zeugnisses eine Unterstützung aus öffentlichen Fonds von 350 R[eichsthale]rn auf Ein Jahr von Ostern k[ommenden] J[ahres] ab bewilligt hat, und ersucht Sie zugleich, demselben das beiliegende Schreiben zu behändigen. An den Schulrektor Herrn Rendschmidt zu Yverdun. Berlin, den 1t e n Nov[em]b[e]r 1811.

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Das Departement des Kultus u[n]d öffentlichen Unterrichts macht dem Herrn Schulrektor Rendschmidt auf die Vorstellung vom 7t n Juli c[ourant] hiedurch bekannt, dass es in Rücksicht der guten Zeugnisse, die es von Seinem Eifer, womit derselbe eine bessere Methode des Unterrichts und der Erziehung sich anzueignen bemüht ist, erhalten hat, Ihm eine Unterstützung aus öffentlichen Fonds von dreihundert und fünfzig

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R[eic]h[s]t[hale]r auf Ein Jahr von Ostern k[ommenden] J[ahres] ab bewilligen will, in der Voraussetzung, dass derselbe Seine Zeit in Yverdun wohl anwenden werde, um nach Seiner Rückkehr durch Seine erworbenen Kenntnisse und die Fertigkeit im Unterricht Seinem Vaterlande recht nützlich zu werden.

Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 3, S. 3–3 a Datum am Schluss Copia Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 8 Z. 9 Z. 10 Z. 13 Z. 20 Z. 22 Z. 23 Z. 25 Z. 30

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Waadt: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Rendschmidt: lateinische Schrift Rendschmidt: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Rendschmidt: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

III. Z. 13

Rendschmidt: Felix Rendschmidt (1787–1853) ⇒ Nr. 1265

1273 a. Heinrich Remigius Sauerländer 5. November 1811 [Reg.] Sauerländer schickt Bücher und eine Rechnung.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 355.10

433 Sacherklärung I. Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1274. Georg Franz/Franz Georg Hofmann 5. November 1811 Neapel, den 5. November 1811. 5

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Lieber Herr Pestalozzi! Seit mehreren Jahren war es mein stärkster und lebhaftester Wunsch, auf einem fremden guten Boden den ersten Samen der Methode auszustreuen; und schon lange hatte ich dafür Italien im Auge, als das Land, das ich vorzüglich, so wie fürs Schöne, auch fürs Gute empfänglich glaubte. Italien schien mir zugleich, wie kein anderes Land, dazu geschaffen, für die Kunstbildung im Allgemeinen die wahrsten und schwersten Mittel aufzufinden und ihren besten und zweckmässigsten Gebrauch kennen zu lernen und durch sie insbesondere die Ausbildung meiner eigenen Kinder am gewissensten zu befördern, Gründe genug zu grossen Entschlüssen dem Manne, der früher fürs Gute und Schöne belebt, vier Jahre in Ifferten mit Glauben und Vertrauen gelebt – an Ihrer Seite, unter Ihren Freunden, in Ihrer Schöpfung als lebendiger Zeuge Ihres Verdienstes gelebt hat. Wahrlich, es brauchte auch solcher Bestimmungsgründe zu dem, was ich unternommen und theils schon ausgeführt, theils der Ausführung nahe gebracht habe. Hinter mir liegt eine weite, beschwerliche Reise, die überstanden und manche Schwierigkeit, die glücklich gehoben worden; über mir und um mich herum schwebt und kreist eine neue Welt, voll des Herrlichsten und Schlechtesten, in verworrener und gährender Mischung, aus der die reinen Elemente des Wahren, Guten und Schönen entwickelt werden sollen; und vor mir steht ein Ideal der Menschheit, ungekannt von den Meisten, deren Forderungen und Erwartungen gross sind, und grösstenteils mit dem, was ich diesem Ideale gemäss thun und leisten möchte und sollte, in offenbarstem Widerspruche stehen. Aber grösser, weit grösser ist meine Zuversicht auf die Kraft unserer Mittel und unserer Gesinnungen, befruchtet und gesegnet durch die Weihe von Ifferten. Ja, lieber Herr Pestalozzi, wir leben und wirken in dem Geiste und in der Wahrheit der Lehre für Menschenbildung, die von Ihnen ausgegangen, und wir freuen uns

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des menschenwürdigsten Berufes, sie auf italiänischen Boden zu verpflanzen, und der süssen Hoffnung, einst mit Früchten unseres Fleises die Freuden Ihres Lebens zu mehren. Aber wir bedürfen der Hilfe noch mehr in unserer jungen Pflanzung, deren Gebiet sich täglich erweitert. Ich bitte Sie uns dieselbe zukommen zu lassen, wenn es anders die Umstände der Personen, in denen wir Sie vorzüglich wünschen, und die Rücksichten auf die uns allen so heilige Sache des Unternehmens und auf die Verhältnisse und Bedürfnisse Ihres Hauses gestatten. Möchte beiligender Bericht Sie überzeugen, dass wir Ihre Hilfe verdienen! Möchte er ferner das Band immer fester knüpfen, das uns an Ifferten bindet, und das Feuer der Liebe unterhalten das uns so oft wohlthuend erwärmt, unserem Willen Kraft und unserem Herzen die Freudigkeit des reinsten Gefühls der schönsten Gemeinschaft gewährt. In diesem Gefühle grüsse ich Sie, lieber Herr Pestalozzi, und Ihre liebe Gattin und all die Lieben Ihres Hauses und mit mir stimmen ein die Meinigen mit Herz und Mund zum herzlichsten: Lebet wohl! Hofmann. Neapel, am 20. August 1811

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Heute ist’s ein Jahr, dass wir von Ifferten schieden mit schwerem, wehmuthvollem Herzen. Unvergesslich wird mir dieser Tag und besonders die Stunde des Abschieds und die der rührendsten Scene auf dem Bergrücken seyn, wo wir aus der Chaise stiegen, Ifferten noch einmal sahen und ihm das letzte Lebewohl zuriefen. O, es war ein schöner, ächt menschlicher Akt! Er stellte das Schönste und Höchste feierlich dar, was in uns ist und lebt, die Liebe, die kindliche Liebe zu Ifferten. In diesem schönsten Gefühle, das mich heute wie von neuem belebt, will ich einen Brief nach Ifferten schreiben, der da melden soll, was ich mit den Meinigen bis heute gethan habe, was diesem Gefühle entspricht. Von meinem Thun und Wirken im selbstgeschaffenen Kreise soll und will ich jetzt ausführlich reden. Früher wollte ich nicht, weil ich nur davon reden soll, was da ist und besteht und sicher noch zu erwarten ist. Aus meinem letzten vor November an Krüsi geschriebenen Briefe erhellt, dass ich zufolge wichtiger Bekanntschaften und dringender Einladungen und unter schönen, frohen Aussichten auf ein grosses Feld der Menschenkultur, am 16. März Rom verlassen und gegen Neapel gezogen bin. Hier wurden wir weit über unsere

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Erwartung gut empfangen, von Deutschen, Schweizern und Italiänern. Unter allen aber zeichnete sich Herr Dr. Mayer, ein Badenser, Frau von Filangieri und das sehr geschätzte Haus Meurikofre durch entgegenkommende Freundlichkeit und zuvorkommende Dienstanerbietungen aus. Dies that uns in der Seele wohl. Nach diesen ersten Bekanntschaften, die heute noch unsere liebsten sind, lernte ich Männer kennen, die in jedem Kreise gebildeter Menschen eine der ersten Stellen mit allem Rechte behaupteten mit Würde des Geistes und Herzens: die Herren Staatsräthe von Coco und Delphico; Tedeschi, einen Freund des Ersteren und eifrigen Verehrer Pestalozzis; den Erzbischoffen von Tarento; Bandus, den Gouverneur der kön[iglichen] Prinzen; Tenore, den Direktor des botanischen Gartens. Auch lernte ich bald den Bruder des Generals Julien und einige andere Freunde desselben und mehrere Familien kennen, mit welchen ich in nähere Verbindung treten sollte. Fast alle hatten schon theils einige Kenntniss von der Methode, theils eine recht gute Meinung von ihr. Dies stärkte sehr meinen Glauben an die glückliche Schöpfung einer Pestalozzischen Erziehungsanstalt, zumalen da für die eigentliche Erziehung keine Anstalt in Neapel besteht. Aber ich erfuhr auch gar zu bald, dass auch die Zahl der Antagonisten der Methode gross und ihr Widerspruch stark und ihr öffentlicher Einfluss bedeutend sey. Es gaben mir daher meine Freunde gleich anfänglich den klüglichen Rath, bey meinem Unternehmen den Namen Pestalozzi und seiner Methode nicht zu nennen. Die Hauptgründe der Antagonisten sind: 1) die Tendenz der Methode zum Naturalismus; 2) die Unzufriedenheit der Eltern, die ihre Kinder in Ifferten hatten; 3) die Eigenheiten Pestalozzis, qui est, il es vrai, un homme d’un grand génie, mais aussi un grand charlaten (es ist leicht zu errathen, aus welchem Munde dieses Urtheil komme); 4) die Neuheit der Sache; 5) la trop haute metaphysique de système. So lächerlich und elend im Grunde alle diese Gründe sind, so setzten sie mich doch in eine nicht geringe Verlegenheit. Ich erinnerte mich zwar in einer recht ernstlichen Stimmung an das, was mir einst Niederer im Garten über den Unterschied des Sach- und Namensbekenntnisses sagte; allein ich fand darin, nach meinem jetzigen Gefühle, weder Weisheit noch Klugheit. Aber desto schwieriger ward meine Aufgabe und ich muss es gestehen – mein Kampf. Die Liebe entschied. Ich beschloss, unter der einzigen Firma aufzutreten, unter der ich mich geehrt sehe und gestärkt fühle, vertrauend auf Gott und die gute Sache. Und unter dieser Firma lies ich mich durch den Baron Randohr, einen deutschen Reisenden aus Hannover, der Pestalozzi

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sehr verehrt, dem Minister des Innern ankündigen. Dieser lies mir sogleich schriftlich sagen, dass er sich freue, dass mit der Methode, deren Grundsätze er näher kennen zu lernen wünsche, hier ein Versuch gemacht werde. Zugleich theilte ich mehreren bedeutenden Männern die Mémoires des Herrn Julien mit, und liess in vielen Exemplaren eine geschriebene Anzeige meines Unternehmens ausgehen, worin ich frei mein Glaubensbekenntniss ablege und die Methode als diejenige verkünde, die aus der Natur des Menschen geleitet auf den Naturgesetzen der Menschenbildung beruht, den Menschen vorzüglich zum Menschen bildet und deswegen in vielen Staaten Europens eingeführt und zum Systeme der Normalbildung erhoben worden ist. Diese letzte Behauptung ward sehr beachtet und erhielt grosses Gewicht durch den Umstand, dass gerade eine ausserordentliche Commission, aus Staatsräthen und anderen Gelehrten bestehend, ihren Vorschlag zur allgemeinen Organisation des verbesserten Schul- und Erziehungswesens dem Könige zu erstatten hatte und worin es unter anderem hiess: «del metodo di Pestalozzi si narran prodigi. Non meriterebbe d’esser essaminata?» Der Verfasser des Projekts, der oben genannte Chevalier Coco, ein junger Mann, der Verfasser vom Stato Italiens und der Geschichte der Revolution in Neapel, würdig des höchsten Berufes, der Reformator seiner Nation zu seyn, freute sich daher ungemein, dass eben jetzt der Beweis von der Wahrheit und Zweckmässigkeit derjenigen Methode geliefert und öffentlich aufgestellt werden soll, die er längst geprüft und durch seinen Freund Tedeschi aus der Schweiz nach Neapel verpflanzt wissen wollte. Dieser Umstand gab meinem Unternehmen eine höhere Bedeutung und mir die schönste Hoffnung, aus einer Privatsache eine öffentliche entstehen zu sehen. Der Eifer Coco’s für die Methode, der immer stärker und lauter wurde, und sein freundschaftliches Wohlwollen gegen mich gewannen mir und der Methode neue wichtige Freunde. Viele andere wurden bestimmter und entschiedener in ihrem günstigen Urtheile, viele wurden durch ihn vom Irr- und Unglauben zurückgebracht und mehrere von diesen wurden die eifrigsten Gläubiger. Viele Eltern wollten indessen zuwarten und selbst hören und sehen, was eigentlich an der Sache sey; andere machten grosse Forderungen in Absicht auf Sprachen, höhere Kenntnisse und Kunstfertigkeiten. Noch andere wollten sich zuerst versichern, ob auch Religion gelehrt werde u.s.w. Ein sonderbares Gemisch von Entschlossenheit, Bedenklichkeit und Misstrauen! Kein Wunder: es waren ja Deutsche und Schweizer, Franzosen und Italiäner, mit

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welchen ich zu thun hatte. Mit vollem Vertrauen handelten die Deutschen und mehrere Schweizer. Ein sehr schwieriger Punkt war die Auffindung der verschiedenen Lehrer, deren ich bedurfte. Aus der Menge der Taglöhner, die sich mir darboten und zum Theil stark empfohlen wurden, konnte und wollte ich keinen gebrauchen; und wo die Männer finden, die mit wahrem Sinne und ächtem Gefühle für Menschenbildung die nöthigen Kenntnisse und Geschicklichkeiten vereinigten, in einem Lande, wo der Mensch als solcher fast keine Bedeutung und fast keinen Zweck hat? Das gute Geschick schaffte auch da Hilfe und wies mir Männer zu, die von Geist und Herz das sind und hoffen lassen, was sie seyn und werden sollen. Tedeschi, Coco’s vertrauter Freund, entschloss sich hauptsächlich aus Liebe zur Sache und den Deutschen die Parthie der italiänischen Sprache, die die Entwicklungssprache des Instituts ist, zu übernehmen. Er versteht ziemlich deutsch und griff mit Lust zum «Buch der Mütter», wovon bereits die Hälfte in’s Italiänische übersetzt ist. Mithois, ein Franzose und Freund des Generals Julien, ein Mann, der viel über allgemeine Gesetzgebung und Erziehung geschrieben, ein genialischer Kopf, der die Idee der Methode schnell ergriff und von ihr durchdrungen ist, übernahm die Parthie der französischen Sprache, in der er ganz methodisch arbeitet und arbeiten lässt. Ein Irrländer, ein zu Wasser und Land geprüfter Gläubiger, wie es wenige giebt, lehrt die englische Sprache mit frommem Bestreben, sie recht zu lehren. Pfyffer, unser braver, lieber Sohn der Methode, lehrt die mathematischen Fächer in zwei höhern Klassen mit dem besten Erfolge. Die Kinder der untersten Klasse von sechs und sieben Jahren werden von mir in Zahl, Form und Sprache entwickelt; in den höheren gebe ich Unterricht in der deutschen Sprache, die hier sehr geschätzt und begehrt ist, in Geographie und Naturgeschichte. Zur letzteren ist uns der freie Besuch des königlichen botanischen Gartens bewilligt, und da bietet uns der Obergärtner, ein Deutscher, freundlich die Hand bei jedem Schritte. Den Schreibunterricht besorgen Pfyffer und Döhlers, ein Berliner, vormals Secretär des spanischen Gesandten. Die Elemente der Musik und des Gesanges werden von mir gelehrt; den schönen Gesang lehrt ein Kapelmeister, der ursprünglich ein Spanier, seit langem aber in Neapel angestellt ist. Die Elementarzeichnung lehrt Pfyffer, die Kunstzeichnung ein Meister aus der Stadt, der die Elementarzeichnungslehre, so wie ich sie in Ifferten ordnete und von Pfyffer und anderen Zöglingen darstellen liess, bewundernd hochschätzt und nach ihr fortzubilden versteht. Mein erstes, wahrhaft grosses

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Glück sind meine Gehilfen, die mir nur das günstigste Geschick zuweisen konnte. Ihr gemeinsames Bestreben, der Sache und der Anstalt von innen und von aussen Bestand und Glück zu verschaffen, ist so eifrig als ihr Bemühen, sich der methodischen Mittel dazu zu bemächtigen und hierin sind die braven Männer meine gelehrigsten Schüler. Für mich war und ist noch das allerschwierigste, die genialische deutsche Idee in fremde Sprachen überzutragen, die theils selbst nicht fähig sind, das Hohe und Tiefe derselben darzustellen, und deren wir anderen Theils nicht mächtig genug sind, um sie so viel als möglich unseren Ideen anzupassen. Ich sehe es erst jetzt recht ein, was es heissen wolle, das deutsche Evangelium in fremden Ländern zu predigen. Doch wer die Methode versteht, findet in ihr selbst das beste und sicherste Verständigungsmittel für alle Nationen. Sie spricht ja die allgemeine Sprache der Natur und spricht jedes nicht zerrütteten Menschen Natur laut und stark an. Zu meinem Glücke verstehen sie meine Mitarbeiter. Wo die Wortsprache nicht hinreicht, reicht das Gefühl aus, das ohnehin deutlicher spricht als alle Zungen. Der Methode grösster Vorzug und Hauptcharakter ist und bleibt, dass sie eigentlich der Zunge nicht bedarf, um zu allen Völkern der Erde zu sprechen, und dass sie da nicht verstanden wird, wo sie nicht zum Gemüthe sprechen kann. Indessen befleissigen wir uns auch der Sprachen als der besten äussern Verständigungsmittel. Es sollen und müssen uns wenigstens die französische und italienische Sprache geläufig werden; denn erstere ist unsere Sprache des täglichen Lebens und letztere unsere Entwicklungssprache und beide sind abwechselnd die Sprache des Unterrichts. Auch mit der englischen Sprache ist ein guter Anfang gemacht; sie zu verstehen fällt uns Deutschen nicht schwer, sehr schwer aber sie zu lesen und zu sprechen. Doch haben meine Kinder und Pfyffer schon viele Schwierigkeiten überstanden. Man sollte doch ja die Kinder, die mehrere Sprachen zu lernen haben, in früher Jugend, wo die Sprachorgane noch recht geschmeidig, bieg- und bildsam sind, die Sprachen wenigstens richtig und geläufig lesen lehren. Was hierin das Hänschen nicht lernte, lernt Hans gewis nicht. Freilich ist es hart und der Natur des Kindes zuwider, es zu gleicher Zeit mit mehreren Sprachen zu beschäftigen, zumalen wenn diese in ihrer Eigentümlichkeit verschiedenen Betonungen fordern, wie die französische und italiänische, so analog sie auch in ihrer Bedeutung sind; aber wenn es einmal geschehen muss, so soll wenigstens der körperliche Theil

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der Sprachen mit Maass und Ziel und in leichten Abwechslungen in früher Jugend gelernt werden. Von meiner Anstalt werden für einmal die vier genannten Sprachen gefodert. Ich fing an, ihre Elemente ganz nach dem «Buche der Mütter» ordnen und in grossen Tabellen nebeneinander aufstellen zu lassen. Es thun dies aber die Zöglinge, besonders die älteren, selbst unter der Leitung der Lehrer, und der Eifer, es recht zu thun, d[as] h[eisst] den Gegenstand zu erschöpfen und so die Tabellen vollständig zu machen, ist gross und immer lebendig. Sehr lebendig und fruchtbar sind dann die Sprachübungen, wobei die Freude über das Selbstgeschaffene vorherrschend ist. Bei den jüngeren Zöglingen wird mehr auf Aussprache, Lese-, Sprech- und Schreibfertigkeit, bei den älteren mehr auf die objektiven Theile, auf Bedeutung und Erkenntniss gehalten. Ich überzeuge mich täglich mehr, dass diese Vereinigung der sinnorganischen und intellektuellen Sprachübungen theils nach dem Muster, teils im Geiste des Buchs der Mütter, unfehlbar zum Sprechen und zur Sprache, zu ihrer materiellen und formellen Vortheilen und Fertigkeiten führe und dass es dann ein leichtes seyn müsse, die Regeln zu abstrahiren zum grammatischen Gebäude. Nach eben dieser Ansicht behandle ich den Gesang. Ich suche nämlich den Kindern Freude am Gesang und Vergnügen durch den Gesang zu verschaffen und lehre sie vor allem singen, singen die einfachen, schönen und lieblichen Gesänge von Pfeiffer, Nägeli und anderen. Das, was sie singen können, lehre ich sie musikalisch verstehen, d[as] h[eisst] rhytmisch berechnen und abmessen und melodisch ordnen. Dabei wird insoweit methodisch verfahren, als die Kinder die vorliegenden und schon bekannten Verhältnisse selbst zu bestimmen und dann, vom speziellen, im Kreise ihrer Erfahrung liegenden und in ihrem Gefühle und Bewusstseyn gegründeten ausgehend, zum allgemeinen naturgemäss fortschreiten, wobei sie gewis zum Gesetze der Nothwendigkeit in Bildungen und Verbindungen der Töne und der Harmonie gelangen müssen. Die grosse Sönderung der Rhytmik und Melodik und die lange Behandlung jeder einzelnen ist wenigstens ermüdend und der musikalischen Belebung ungünstig und unpädagogisch. Dabei ist, dass der natürlichen Fröhlichkeit, dem ersten Elemente des Gesanges durch ein trockenes Einüben seiner äusseren Regeln grosser Abbruch geschieht. Warum soll nicht vorzüglich hier vom Leben und hauptsächlich vom Gemüthe ausgegangen werden, da ohne Leben und Gemüthlichkeit kein Gesang denkbar ist?

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Vor 14 Tagen gab ich die erste öffentliche kleine Probe von unserm Gesange in einer bei mir veranstalteten Versammlung von mehr als 100 Personen, worunter viele Künstler und Künstlerinnen des ersten Ranges waren; wir sangen das erste und dritte aus der Teutonia: Süsse, heilige Natur, Schön ist die Natur und einige italiänische Arien, und die Freude der Versammlung war laut und allgemein, obgleich Wenige den Text verstanden. Man lobte vorzüglich die Leichtigkeit, Einfachheit und Vollständigkeit der Harmonie und die Taktfestigkeit der Kinder. Indessen will man das Verdienst der Erfindung einer besseren Gesganglehre nicht anerkennen. Man glaubt sich hier im Besitze der einzigen Gesangmethode, von der alle anderen ausgehen müssen, so wie alle musikalische Bildung aus der Neapolitanischen Schule in alle Welt ausgegangen seyn soll. Ich kann mich auf diese letztere Behauptung nicht einlassen; aber frei und stark behaupte ich, dass in Italien die Bedeutung des Gesanges verlohren gegangen und nichts übrig geblieben [ist], als ein gewaltiger, kunstreicher und oft betäubender Ohrenkitzel, das Herz bleibt kalt, der Verstand leer und nirgends findet man eine Spure von der hohen Weihe des Gesanges, mit der Nägeli seine Vorrede schrieb und Pfeiffer seinen musikalischen Genuss zum Höchsten und Würdigsten seines Lebens macht. Es ist doch eine grosse innige Freude, auch in Italien – in Rom und Neapel – auf Männer von ähnlichem deutschem Sinne und Gefühle zu stossen. Dort wie hier fand sich eine Gesellschaft von Deutschen, die unsern einfachen Naturgesang dem geschmückten Kunstgesange aller Theater vorzogen, weil ihnen das belebte Wort mehr gilt als der belebende Ton und sie nur in beiden die weihende Kraft der Musik finden. Günstiger ist das Urtheil über die neue Zeichnungsmethode. Mehrere Meister, selbst Professoren der hiesigen Zeichnungsakademie, erkennen ihr einzig wahres festes Fundament, ihren natürlichen Stufengang und die Nothwendigkeit ihrer Resultate an und wünschen, dass sie in’s Italiänische übersetzt werde. Ganz besonders gefällt ihnen das gemeinsame Band der Hand-, Aug- und Gefühlbildung und der Entwicklung der schöpferischen Formbildungskraft. Als Resultat davon zeigt sich ihnen zu unserer grossen Freude unsere Karoline, von der sie nicht glauben wollten, dass sie nur sechs Monate der Kunstzeichnung obliege. Überhaupt sind es die mathematischen Fächer, die auch hier ihr Vorrecht behaupten werden. Es gefällt der hier noch nicht gehörte Grundsatz, die Kinder durch reine Verstandesübungen zum Denken zu bringen, Denk-, Urtheils- und Schlusskraft zu we-

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cken und zu bilden. Sonderbar schien jedoch einigen Mathematikern die Behauptung, dass unsere Zöglinge ihre Mathematik aus sich selbst produciren, selbstthätig schaffen und erfinden sollen. Aber sie kamen, sahen und fingen an zu glauben an die neuen Wunder. An diese wollen aber viele durchaus nicht glauben, weil alles schon geschaffen ist und nichts mehr zu erschaffen sey. Einen ungetheilten Beifall erhielt unsere Geographie, d[as] h[eisst] die bis jetzt behandelten Elemente der mathematischen und physischen Geographie. Für letztere hat Pfyffer grosse Generalkarten gezeichnet, die uns treffliche Dienste leisten. Es ist aber um so leichter in diesem Fache zu excelliren, da sich hier alles, was bis heute darin geschah, auf den todten Theil der geographischen Nomenclatur beschränkte, nach Osterwalds Anleitung. Von geographischen Ansichten und wahrer lebendiger Erdkunde hatte man keine Idee. Daher mangeln auch alle physisch-geographischen Hilfsmittel. Mit den Elementen der Geographie verband ich bis jetzt die allgemeinen Elemente der Naturgeschichte, ein Zweig des menschlichen Wissens, der hier gänzlich vernachlässigt und in keiner Schule als Unterrichtsgegenstand gekannt ist. Erst vor einigen Jahre fing man an, einen botanischen Garten anzulegen und meine Zöglinge sind es allein, die ihn um des Unterrichts willen besuchen. An Mineralien fehlt es hier nicht, aber an Menschen, die sie zu schätzen, zu benutzen und zu ordnen wissen. Sie sind blos als Handelszweig gesucht und gebraucht. Zum Unglücke ist auch unter uns Niemand, der mineralogische Kenntnisse besässe. Wir sind daher für einmal nur darauf bedacht, zu sammeln, zu schauen, zu vergleichen und zu beschreiben das, was das ungebildete Auge darbietet. Mit den Elementen der Naturlehre ist auch ein glücklicher Anfang gemacht nach den Ansichten und Erfahrungen, die ich von Ifferten durch Siegrist erhielt, wofür ich ihm hier den herzlichsten Dank erstatte. Ein geschickter Physiker wird die angefangene Arbeit fortsetzen, in geordneter Reihefolge von praktischen Erfahrungen und einfacher Experimente. Das was uns hauptsächlich noch abgeht, ist der eigentlich religiöse Unterricht. Es wird zwar von Herrn Tedeschi, der ein Geistlicher ist, das Wesentliche der katholischen Religion, d[as] h[eisst] das kirchliche System des katholischen Glaubens gelehrt, so gut, so verständig und so christlich, als es dieses kirchliche Glaubens- und Religionssystem selbst gestattet, aber zur wahren Religiosität und zur religiösen Veredlung führt sein Unterricht nicht. Darüber bin

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ich oft betrübt. Ich suche zu helfen, wo und wie ich kann und schmeichle mir oft mit der Hoffnung, dass unser übriges Thun und Leben zur Erkenntniss und zum Gefühle des Reinmenschlichen und Gottähnlichen führen werde, und ich kann auch zufrieden seyn mit dem Einflusse unseres Thuns und Lebens auf das Gemüth unserer Kinder und mit deren Thun und Willen selbst. Allein wir stehen zu fest auf dem Irdischen, zwischen dem Höheren und Tieferen und müssen uns zu sehr mit dem Gemeingute begnügen. Doch ist uns der Prachthimmel Italiens und die uns überall umgebende herrliche Natur oft, sehr oft so erhebend, dass unserem Gefühle nicht Stärke und nicht Reinheit, nur Verdeutlichung mangelt. Doch mir fehlt eins noch, eins, das ich bei aller Resignationskraft, deren ich fähig bin, kaum entbehren, kann: das wahre Brod des Lebens, die Seelenfreude der religiösen Erbauung. Ich hatte eine zeitlang grosse Hoffnung, dass sich die hiesige protestantische Colonie zu einer kristlichen Kirchgemeinde bilden und ein deutscher Mann als Religionslehrer und Vorsteher berufen werde. Ja ich selbst hatte schon den Auftrag und die Vollmacht ihn nach meiner eigenen freien Wahl zu berufen unter sehr annehmlichen Bedingungen. Er sollte zugleich Lehrer an meiner Anstalt seyn etc. Ich war im Begriffe zu schreiben nach Ifferten, damit der rechte Mann erkohren werde. Aber der französische Theil der Colonie wünschte einen französischen Prediger; die Deutschen mussten der Mehrheit der Stimmen weichen und ich gab meinen Auftrag und meine Vollmacht zurücke mit der deutschen Erklärung, dass meiner Anstalt religiöses Bedürfniss nur durch einen deutschen Religionslehrer befriedigt werden könnte. Ich weis nun nicht, was geschehen werde. Die Colonie ist einmal getheilt und wird, wie ich fürchte, getheilt und ohne Religionslehrer bleiben. Ein sicheres Mittel dagegen wäre, wenn ein deutscher braver Mann, von gutem Geschicke uns zugeführt, sich bei uns niederlassen und als Lehrer an der Anstalt angestellt würde; gewiss würden ihn dann die hiesigen Deutschen auch zu ihrem Pfarrer wählen und die Franzosen wären gezwungen beizutreten, wenn er anderst auch ihre Sprache sprechen und zuweilen auch einen französischen Vortrag halten könnte. Ein solcher machete hier sein Glück und könnte sich grosses Verdienst in dem unbestellten Weinberge des Herren erwerben.

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Unmöglich war es mir bis heute, zu diesem meinem Berichte zurückzukehren. Von Woche zu Woche vermehren sich meine Zöglinge und mit jedem Tage meine Geschäfte. Aber auch die Freunde der Methode nehmen zu. Diese erhielt einige mächtige Gönner in einigen Männern des Hofes von grossem Ansehen und Einfluss. Unter diesen zeichnet sich durch Einsichten und Gesinnung der Direktor der königlichen Pagen aus. Er ist mit der ganzen Einrichtung des Unterrichts und der Bildungsanstalt äuserst unzufrieden und hofft, das man sich Rath und Hilfe bei uns hohlen werde. Mein grösster Gewinn seit kurzem ist die Bekanntschaft, das freundlichste Wohlwollen und der väterliche Schutz des bairischen Ministers, des Bischoffs von Hähnlein und die Freundschaft seines Secretairen. Bei beiden habe ich den freien Zutritt eines Hausgenossen, und beide besuchen unser Haus mit der ganzen Theilnahme deutscher Herzlichkeit. Sie interessiren sich wo und wie sie können für die Anstalt. Das grösste Glück, das meiner Anstalt und der Methode zu theil werden könnte, wäre unstreitig, wenn der Plan des öffentlichen Unterrichts von der oben erwähnten ausserordentlichen Commission dem Könige vorgelegt, angenommen und ausgeführt und Coco an die Spitze der Direction gestellt würde, was alle patriotischen Freunde des öffentlichen Wohls wünschen und hoffen. Für diesen erwünschten Fall erklärte bereits Herr Coco, dass eines seiner ersten Geschäfte seyn würde, eine eigentliche Normalschule zu organisiren nach einem Plane, den ich ihm vorzulegen hätte und der auf keinem anderen Fundamente beruhen könnte, als auf dem der Methode. Sollte aber diese Organisation, wie ich bemerkte, grosse Schwierigkeiten finden, so soll mein Institut zur Normalbildungsanstalt erhoben und einstweilen 30–40 junge Männer ihr zugewiesen werden, die sich in ihr zu Erziehern zu bilden hätten. So herrlich dieser Gedanke aber und so erfreulich diese Hoffnung ist, so gross wäre meine Verlegenheit, wenn zur Ausführung geschritten werden sollte, ehe uns noch mehr Hilfe von Iferten zu theil geworden würde. Ohne sie müsste der eine oder der andere Theil der Anstalt Noth leiden, und beide würden aus Mangel der vollen Lebenskraft der Gefahr der Auflösung und der Zerstörung ausgesetzt werden. Aber auch, wenn die Idee der Normalschule noch nicht oder gar nicht ausgeführt würde, bedürfen wir doch der Hilfe einiger tüchtiger Männer. Die Anzahl der Zöglinge stieg seit kurzem auf 40 und wird bis zum November, wo viele Familien, die auf dem Lande leben, zur Stadt zurückkehren werden, sich stark vermehren.

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Dies und ihre grosse Verschiedenheit machen mehrere Abtheilungen nöthig, die von uns allein nicht gehörig besorgt werden können, wenigstens nicht in den mathematischen Fächern. Unser allersehnlichster Wunsch und unser dringendstes Bedürfniss erheischt demnach Hilfe, Hilfe von Ifferten. Schon die leiseste Hoffnung, sie zu erhalten, sie bald, noch in diesem Jahre und vielleicht in den Freunden Pfyffers, dem trefflichen Bruderpaare Schneider und Siegrist zu erhalten, ist süss und stärkend für uns. Es liegt freilich in dem Gedanken des grossen Entschlusses, der weiten Reise und der beträchtlichen Kösten alles, was oft diese Hoffnung in uns ganz zernichtet; aber wir schöpfen dann wieder neue Hoffnung aus dem Gedanken, dass so gross der Entschluss wäre, so würdig er derer seyn würde, die im höchsten Berufe leben, das Evangelium der Menschenbildung in ferne Lande und zu einem Volke zu tragen, das seiner so sehr bedarf; dass ferner die Reise, die in das schönste Land auf Erden führt, alle Mühen tausendfach entschädigt durch Bildungen, Erfahrungen und Genüsse der wichtigsten und schönsten Art; dass endlich die Reisekösten von mir, ganz oder zum Theile nach Massgabe meiner Kräften erstattet würden. In Ansehung der jährigen Geldentschädigung hätten die Freunde von mir zu erwarten, dass ich mit ihnen wie mit meinen übrigen Gehülfen nach Verdienst und Kräften brüderlich theilen würde. Ich schreibe dies mit besonnenem Ernste, aber auch in dem Glauben nieder, dass sie ehrlich und bieder, freundlich und brüderlich in Anschlag bringen würden, dass mein schwerer Anfang schwere Opfer nöthig machte und dass man erst säen und pflanzen muss, ehe man ärndten kann. Sie fänden schon eine gute Aussaat im bereiteten Felde und selbst keimende Pflanzen, die heranwachsen und schöne Früchte versprechen. Die Menschen, mit welchen sie eine Familie bildend leben würden, kennen sie. Es sind theils die nämlichen, bei welchen es in der Schweiz jedem guten und billigen Menschen, der unter jeder Forme, selbst unter der nicht altdeutschen und ächt schweizerischen, den Menschen zu finden und zu würdigen versteht nach Willen und Gesinnungen, recht wohl seyn konnte; theils sind es Menschen, die um ein Jahr, reich an Erfahrungen, älter geworden, an Sinn und Gefühl unverändert geblieben und jetzt so glücklich sind, sich in ihrer eigenen, neuen Welt von zutrauensvollen Menschen ähnlichen Sinnes und Gefühles umgeben zu sehen, denen es ebenfalls wohl bei ihnen ist. Jungen Männern, die sich zu praktischen Erziehern bilden wollen, kann dieser Wechsel von Anschauungen der Kunst- und Naturschönheiten, der Einfluss von beiden auf ihren Sinn und Geschmack, der

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Gewinn an neuen und grossen Ansichten, Erfahrungen und Menschenkunde und der Zuwachs neuer Kenntnisse und Wissenschaften, wozu es ihnen nicht an Gelegenheit und Aufmunterung fehlen würde, nicht anderst als von höchster Wichtigkeit seyn. Gewis könnten sie nach 3 oder 4 Jahren, reichlich ausgestattet mit mancherlei guten und schönen Gaben für Zeit und Ewigkeit freudig heimkehren ins liebe Vaterland mit Pfyffer, ihrem trefflichen Freunde und dort die Früchte ihres Fleises die geniessen lassen, die ihren Herzen am theuersten geblieben sind. Der Gedanke, dass Pfyffer einst sicher so heimkehren werde, ist für mich ein erhebender Gedanke. Wären mit uns Schneider und Siegrist noch vereinigt, so besässen wir Kräfte genug für eine Anstalt von 80–100 Zöglingen, selbst wenn sie zur Normalanstalt erhoben und als solche einen grossen Zuwachs von Kandidaten, die zu Erziehern sich bilden sollten, erhalten würde; und aus diesen unseren vereinigten Kräften und Kraftanstrengungen müssten nothwendig diejenigen Resultate hervorgehen, die unser Daseyn durch die Methode und den Glauben an dieselbe rechtfertigen und sie zum Gemeingute einer grossen Gemeine machen würden. Am 20. September.

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Gern möchte ich noch manches von den inneren Einrichtungen meiner Anstalt und unserem häuslichem Leben erzählen; aber mich drängen Zeit und Geschäfte und der lebhafteste Wunsch, diese Blätter absenden zu können, so sehr, dass ich nur noch weniges in wenigen Zeilen sagen will. Meine Anstalt ist als eigentliche Erziehungsanstalt nur denen offen, die nicht blos unterrichtet, sondern hauptsächlich erzogen werden sollen. Die Zöglinge sind theils in ganzer, theils in Halbpension; der grösste Theil aber besteht aus solchen, die nicht bei mir wohnen und nicht mit mir speisen, doch Zöglinge wie die anderen sind. Alle vereinigen sich um 8 Uhre morgens in einem grossen Saale mit mir, meiner Familie und einigen Lehrern zu einer religiösen Erbauung, die sich mit einem allgemeinen Gebete schliesst. Dann folgen vier Unterrichtsstunden für die italiänische und französische Sprache, Zahl-, Formund Grössenlehre, den Schluss des Morgens macht die Musik- und Gesanglehre. Um 3 Uhr des Nachmittags fängt der Unterricht wieder an mit der Schreiblehre, dann wechseln in verschiedenen Tagen Geographie, Naturgeschichte, Naturlehre, deutsche und englische Sprache, den Schluss des Tages machen die gymnasti-

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schen Übungen bei den Jüngeren, Tanz- und Fechtkunst bei den Älteren. In drei Stunden der Woche wird Kunstzeichnung gelehrt, als Fortsetzung der Elementarzeichnung den Zöglingen, die in letzterer die nöthige Kraft und Fertigkeit erworben und so für erstere ganz vorbereitet sind. Jeden Donnerstag ist hier ein Feiertag, an dem in keiner Schule Unterricht gegeben wird. Ich benutze den Morgen davon zu freien Selbstbeschäftigungen meiner Zöglinge und den Nachmittag zum Spaziergange in den botanischen Garten, oder wir gehen hinter den See, d[as] h[eisst] auf die einzige Wiese oder Weide ausserhalb der Stadt, auf einer grossen Ebene, die mit der in Ifferten Ähnlichkeiten hat. Weite Spaziergänge können im Sommer nicht gemacht werden, der grossen Hitze wegen. Wir freuen uns sehr auf den nächsten Monat Oktober, der hier ausserordentlich schön, von gemässigter Wärme und den abgeschwitzten Neapolitanern das seyn soll, was den erstarrten Nordländern der erwärmende Frühling ist, neue Belebung. Wahrscheinlich werden wir dann die weiteren Umgebungen von Neapel, die himmlischen Gegenden von Castelamare u[nd] a[ndere] und das verschüttete Pompeji etc. mit unseren älteren Zöglingen besuchen, vielleicht auch den Vesuv besteigen. Unser häusliches Leben ist ein wahres Familienleben. In schönsten und besten Einverständnissen mit allen Lehrern, in Verbindung mit vielen grossentheils liebenswürdigen Familien, im Kreise recht guter Kinder von 7 bis 14 Jahren, die bei uns wohnen, geniesen wir manche schöne häusliche Freude besonders des Abends, theils am Klavier mit Gesang, theils bei kindlichen Spielen, theils bei militärischen Übungen, die von einem unterrichteten Zöglinge aus Paris organisiert wurden. November den 4.

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Den ganzen October konnte ich nicht soviel Ruhe und freie Muse gewinnen, dass ich meinen Bericht hätte endigen können. In diesem Momente werden hier alle öffentliche und Privatschulen, alle Gerichtshöfe und Kanzleien geschlossen, um frei und ungestört den Erholungen und Zerstreuungen zu leben. Auf’s Land, auf’s Land, ruft, singt und schreit fast Jedermann. Ich wollte keine Ferien geben, wurde aber von Alt und Jung dazu gezwungen. Doch waren die meinigen von kurzer Dauer. Wir benutzten sie, um die näheren Merkwürdigkeiten zu sehen. Wir waren auf Comandoli, dem höchsten Standpuncte in unseren näheren Umgebungen, von dem aus man die herrlichsten, wahrhaft himmlischen Ansichten auf’s

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Land, auf’s Meer und seinen prächtigen Inseln geniesst. Wir waren in Castelamare, einer Landschaft von ländlichem Zauberreitze, in Pompeji, dem merkwürdigsten Orte der Welt. Wir wollten auch den Vesuv besteigen, aber wir trauten ihm nicht. Er ist seit dem Herbstäquinox sehr unfreundlich, mürrisch und grob. Oft am Tage speit er Asche, Feuer und Steine. Man erwartet eine starke Eruption. Unsere Vakansfreuden wurden durch einige Freunde aus Rom, unter welchen Vogel aus Zürich sich befindet, sehr erhöht und vermehrt. Der Himmel begünstigte sie ausserordentlich. Die Witterung war ununterbrochen die schönste, reinste und erquickendste seit vielen Jahren. Nie sah ich den Himmel so herrlich und prachtvoll, als in den letzten Wochen. Um des Genusses willen, den der October in Neapel gewährt, erträgt man gerne die heisse Last des Sommers; er ist unbeschreiblich. Nur eines störte meinen Genuss. Der glückliche Anfang und Fortgang unserer Anstalt weckt viele Neider, schwer bewaffnet. Ihre stärkste Waffe ist von Menschen entlehnt, die Feinde der Methode sind und arges von ihr sprechen. Dies schreit man nach und schimpft und lästert dazu. Die ärgsten sind Franzosen und französischsprechende Schweizer. Man beruft sich auf einen Herrn Regnier, der selbst gegen die Methode in Pariser Journalen geschrieben haben soll. Ein neuer Vorwurf, den man hier der Methode macht, ist, dass sie die Kinder den langsamen Gang der schwerfälligen Deutschen führt in ein dunkles Labyrinth von Formen und Zahlen, aus dem sich der junge Mensch mit vieler Mühe wieder herauswinden muss, um die Mathematik etc. erlernen zu können. Ich sehe mich genöthigt, jetzt schon meine Ideen über Erziehung drucken zu lassen, die ich erst im künftigen Frühjahr drucken lassen wollte. Dazu fodert mich das Geschwäz einiger Hohlköpfe, aber auch und vorzüglich das Vertrauen meiner Freunde dringendst auf, denen wie mir daran liegt, die Wahrheit öffentlich aufgestellt zu sehen, die zum Schweigen und Glauben bringen soll. Ich habe die Arbeit angefangen, und der Anfang macht mir Freude. Das Schwierigste wird die Übersetzung seyn. Doch wenn anderst unsere Ideen in französische Formen verständlich und belehrend zu bringen sind, so geschieht es gewis durch Mithoys und seine Arbeit mag denn die Übersetzung in’s Italiänische sehr erleichtern. Ich hoffe, in zwei Monaten dem Ziele nahe zu seyn, das ich mir festsetzte und verspreche mir viel Wirkung, einen guten Erfolg und den Beifall von Ifferten. Wir feiern heute den Namenstag meiner Frau. Die Zöglinge und Lehrer der Anstalt, mehrere Eltern und einige Freunde werden

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lebhaften Antheil nehmen. Die Feier wird ernsthaft, gemüthlich, kindlich und mit unschuldigen Genüssen gewürzt seyn. Der Saal wird in einen Tempel umgeschaffen, in dem ein Opferaltar die Opfer des Herzens aufnehmen soll. Ein feierlicher Gesang wird zu andächtiger Freude stimmen. Mich freut ungemein der Sinn und die Liebe, womit alles belebt ist zur sinnigen Feier. Ich schliesse nun diesen Bericht mit dem herzlichsten Wunsche, dass er Herrn Pestalozzi und allen Guten und Lieben seines Hauses einiges Vergnügen gewähren und sie überzeugen möge, dass wir hier in der Wahrheit und in der Liebe werkthätig leben, zum Dienste der Menschheit, in seinem Geiste, nach seiner Lehre. Wir hoffen, Segen und Freude zu ärndten und durch die Früchte unseres Lebens die Freuden dessen zu mehren, dem wir unsere bessern Überzeugungen und Gefühle, die uns zu den schönsten Entschlüssen brachten, verdanken und ewig verdanken werden. Hofmann.

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Überlieferung Gustav Tobler: Aus dem Leben eines Pestalozzianers. Bern 1905, S. 188–204 (Brief), S. 187–188 (Bericht) Textkritik

Zeuge [a] Sacherklärung I. Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838) ⇒ Nr. 802 II. Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) hatte im Sommer 1810 mit seiner Familie Yverdon verlassen, wo er während vier Jahren als Lehrer gearbeitet hatte, um zuerst in Rom und bald darauf in Neapel ein eigenes Institut zu gründen. III. Z. 17 Z. 45 Z. 52 Z. 72 Z. 73 Z. 78 Z. 79 Z. 79

Ifferten: dt Name für Yverdon Bericht: vgl. Z. 56–628 Gattin: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Briefe: scheint nicht erhalten zu sein Mayer: Dr. Meier ⇒ Nr. 1202 Filangieri: Carolina Filangieri (1750–1828) ⇒ Nr. 950 Haus Meurikofre: Damit dürften Céleste Meuricoffre-Coltellini (1760–1828, ⇒ Nr. 950) und ihr Onkel Frédéric Robert Meuricoffre (1740–1816, ⇒ Nr. 950) gemeint sein.

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Coco: Vincenzo Cuoco (1770–1823), geboren in Civitacampomarano (Molise), beschäftigte sich nach Abbruch des Jurastudiums (um 1789) mit ökonomischer, politischer und philosophisch-historischer Schriftstellerei. Nach aktiver Teilnahme an der neapolitanischen Revolution (1799) floh er nach Paris und Mailand. 1806 zurückgekehrt, amtete er als Schatzmeister und enger Berater von Joachim Murat (1767–1815, ⇒ Nr. 784), dem König von Neapel. Delphico: Melchiorre Delfico (1744–1835) war italienischer Jurist, Ökonom, Historiker und hoher Politiker. Nach der Auflösung der neapolitanischen Republik (1799) verbrachte er sieben Jahre im Exil in San Marino. 1806 wurde er unter Joseph Bonaparte (1768–1844), von 1806 bis 1808 König von Neapel, Staatsrat, ab 1815 war er Präsident der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Parlamentsmitglied von Neapel. Tedeschi: Herr Tedeschi konnte nicht näher bestimmt werden. Erzbischoffen: Monsignore Giuseppe Capecelatro (1744–1836), neapolitanischer Patrizier, Jurist und Kaplan war 1778 bis 1816 Erzbischof von Taranto. Ab 1808 wirkte er in Neapel, zuerst als Innenminister, danach als Museumsdirektor und Vorsteher der Erziehungsanstalten (ab 1809). Bandus: Jean-Louis-Amable de Baudus (1761–1822) wuchs in Cahors (MidiPyrénées) auf und war Magistrat und Publizist. 1792 emigrierte er nach Leyden und zog 1795 weiter nach Hamburg, wo er bis 1803 die politischliterarische Zeitung Spectateur du Nord redigierte. 1808 bis 1814 war Baudus in Neapel Erzieher der beiden Söhne (⇒ Z. 88) von König Joachim Murat (1767–1815, ⇒ Nr. 784) und (Maria Annunziata) Caroline Bonaparte (1782–1839, ⇒ Nr. 1202). Prinzen: Napoleon Achille Murat (1801–1847) verliess nach der Hinrichtung seines Vaters Joachim Murat (1767–1815, ⇒ Nr. 784) Neapel Richtung Schloss Frohsdorf (Niederösterreich). 1821 wanderte er nach Florida aus, erwarb dort eine Farm und erhielt alsbald die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ab 1824 hatte er mehrere öffentliche Ämter inne. Napoleon Lucien Murat (1803–1878) hielt sich von 1815 bis 1822 ebenfalls in Frohsdorf (Niederösterreich) auf. Von 1825 bis 1848 lebte er an unterschiedlichen Orten in den USA. Nach Frankreich zurückgekehrt wurde er Mitglied der Verfassungsversammlung, Minister für Turin (1849), Senator (1852) und erhielt den Titel eines Prinzen (1853). Tenore: Michele Tenore (1780–1861) aus Neapel wandte sich nach dem Medizin- und Jurastudium botanischen Studien zu, die er ab 1810 als Generaldirektor des königlichen Gartens sowie ab 1811 als Professor für Botanik mit internationalem Erfolg weiterführte. Für seine wissenschaftlichen Leistungen erhielt er später den Titel Ehrensenator des Königreichs Italiens. Bruder: Auguste-Etienne Jullien (1779–1846) arbeitete 1796/97 als Englischübersetzer für Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580), als Sekretär seines Bruders Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) in Ägypten und in derselben Funktion für den Französischen Gesandten in Florenz, Karl Friedrich Reinhard (1761–1837, ⇒ Nr. 565). Später übernahm er verschiedene militärische Aufgaben. Generals Julien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Baron Randohr: Vermutlich ist Friedrich Wilhelm Basilius von Rahmdohr (1757–1822) gemeint. Nach dem Studium in Recht und Altertum in Göttingen war er Jurist in Hannover (ab 1778), Celle (ab 1787) und Dresden

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(ab 1806) und Diplomat in den Diensten Kurhannovers und Preussens, zuletzt ab 1816 als Gesandter in Neapel, wo er auch verstarb. Minister des Innern: Giuseppe Zurlo (1759–1828), Jurist und Politiker aus Baranello (Molise), wurde 1790 Richter der Gran Corte della Vicaria (oberster Gerichtshof des neapolitanischen Königreichs). Später amtete er als Finanzminister und Innenminister (1809–1815, 1820). Mémoires: Es dürfte sich hier um zwei unpublizierte Mémoires handeln, die Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) aus Notizen gefertigt hatte, die er bei seinem ersten Aufenthalt in Yverdon 1810 gesammelt hatte und die ihm als Grundlage für das 1812 erschienene Werk Esprit de la méthode d’éducation de Pestalozzi, suivie et pratiquée dans l’institut d’éducation d’Yverdun dienten (⇒ Nr. 1202). Anzeige: Es ist unklar, ob sich diese Anzeige erhalten hat. ausserordentliche Commission: Am 27. Januar 1809 ernannte Joachim Murat (1767–1815, ⇒ Nr. 784) eine ausserordentliche Kommission, die einen Reformplan des öffentlichen Unterrichtswesens entwerfen und gegebenenfalls auch umsetzen sollte. Das Präsidium übernahm der Innenminister und Erzbischof von Taranto, Giuseppe Capecelatro (1744–1836, ⇒ Z. 87), Sekretär der Kommission wurde Staatsratsekretär Tito Manzi (1769–1836). Weitere Mitglieder waren der Generalvikar der neapolitanischen Kirche Bernardo della Torre (1736–1820), Staatsrat Melchiorre Delfico (1744–1835, ⇒ Z. 86) und Vincenzo Cuoco (1770–1823, ⇒ Z. 86). Lit.: Maria Rosa Strollo: L’Istruzione a Napoli nel «decennio francese». Napoli 2003 Stato Italiens: Vincenzo Cuoco: Platone in Italia. Milano 1804–1806 Buch der Mütter: Johann Heinrich Pestalozzi: Buch der Mütter, oder Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und reden zu lehren. Zürich 1803 (PSW XV, S. 341–424) übersetzt ist: Diese Übersetzung ist nicht im Druck erschienen. Mithois: Mithois unterrichtete am hofmannschen Institut (⇒ Z. 435) in Neapel Astronomie. Ob es sich bei diesem Lehrer um einen Verwandten von Pierre-Charles-François Mithois (1760–gegen 1800) handelte, der Redaktor des Argus, premier journal du département de la Manche war, ist unklar. Irrländer: Es ist unklar, wer damit gemeint sein könnte. Pfyffer: Joseph Alphons Pfyffer (1791–1812) aus Luzern, Sohn des Staatsrats Alphons Pfyffer (1753–1822, ⇒ Nr. 675), war Schüler und Unterlehrer für Mathematik in Pestalozzis Anstalt in Yverdon. 1810 folgte er Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) nach Rom, ein Jahr später dann nach Neapel, wo sie zusammen die Privatschule (⇒ Z. 435) gründen. Pfyffer starb 1812 an Nervenfieber. Obergärnter: Federico/Friedrich Dehnhardt (1787–1870) aus Hannover arbeitete in verschiedenen Gärten in Deutschland. 1810 erhielt er eine Anstellung in Capodichino bei Neapel, ein Jahr später wurde er Obergärtner des königlichen Gartens und enger Mitarbeiter seines Vorgesetzten Michele Tenore (1780–1861, ⇒ Z. 88). Dehnhardt fertigte viele Beschreibungen und Zeichnungen exotischer Pflanzen an und war für die Gestaltung zahlreicher städtischer und privater Parkanlagen verantwortlich. Döhlers: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Möglicherweise ist damit der Vater des in Neapel geborenen und in Florenz gestorbenen Komponisten Theodor Döhler (1814–1856) gemeint, der Regimentskapell-

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meister in Neapel war und um die Mitte der 1820er-Jahre als Kapellmeister nach Lucca (Toskana) zog, wo er 1843 starb. Kapelmeister: Es ist unklar, wer damit gemeint sein könnte. Meister aus der Stadt: Es ist unklar, wer damit gemeint sein könnte. Pfeiffer: Michael Traugott Pfeiffer (1771–1849) ⇒ Nr. 917 Nägeli: Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 Teutonia: Hans Georg Nägeli: Teutonia. Rundgesänge und Liederchöre. Zürich 1808/1809. Dieses Liederbuch erschien ab 1808 in zwölf Heften. Die hier erwähnten ersten und dritten Lieder heissen «Der blaue Himmel» und «Natur». Vorrede: Anonymus: Vorrede. In: Michael Traugott Pfeiffer/Hans Georg Nägeli (Hrsg.): Gesangbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen. Zürich 1810, S. IX–X, darin unter anderem: «Musik ist uns für Sinn und Seele, für Leben und Liebe, für Tugend und Gottseligkeit ein so kräftiges, so heilbringendes Bildungsmittel, dass wir es auf die Jugend nicht anders, als mit Gewissenhaftigkeit und Würde, mit Eifer und Beharrlichkeit angewandt wissen mögen.» Denkbar ist aber auch folgende Publikation: Anonymus: Ankündigungen. In: Hans Georg Nägeli: Teutonia. Rundgesänge und Liederchöre. Zürich 1808, S. III–V. Karoline: Karoline Hofmann ⇒ Nr. 1166 Osterwalds Anleitung: Samuel Frédéric Ostervald: Historische Erdbeschreibung zum Nutzen deutscher Jugend vorzüglich eingerichtet. Strassburg 1763 Siegrist: Johann Georg Sigrist (1788–1866) ⇒ Nr. 1126 Direktor: Rémy-Isidore-Joseph Exelmans (1775–1852) war seit 1791 französischer Militär und wurde kurz nach seiner Ernennung zum Brigadegeneral 1807 in Spanien gefangen genommen und in England inhaftiert. Nach der Flucht 1811 amtete er zuerst in Neapel als Grossstallmeister (AprilDezember 1811), womit er auch die Oberaufsicht über die Ausbildung der königlichen Pagen innehatte. Danach nahm Exelmans in verschiedenen führenden Positionen wieder am Kriegsgeschehen teil. Bischoffs von Hähnlein: Heinrich Karl Alexander von Hänlein (1762–1829) war ab 1792 ausserordentlicher Professor für Theologie in Erlangen. 1808 wurde er Erster Bayrischer Oberkirchenrat des Oberkonsistoriums in München, 1818 bis 1828 stand er dem Gremium als Direktor vor. Secretairen: Dabei dürfte es sich um Friedrich Georg Gossinger (†1821) aus Oberfranken handeln. Er war Sekretär des General-Kreiskommissariats Brixen (Südtirol) und Geheimer Protokollist beim bayrischen MinisterialDepartement des Innern (1808), expedierender Sekretär der MinisterialKirchensektion (1810) und der Departemental-Versammlung (1815) sowie Wirklicher Geheimer Rat und Geheimer Sekretär im Innenministerium (ab 1817). Könige: Joachim Murat (1767–1815) ⇒ Nr. 784 Institut: Die Anstalt wurde am 1. Mai 1811 eröffnet. 1812 zählte das Institut bereits 60 Knaben, die vor allem aus französischen, deutschen und einigen neapolitanischen und englischen Familien höherer und mittlerer Stände stammten. Obgleich das hofmannsche Institut in den ersten Jahren florierte – 1814 bezog man sogar grössere Räumlichkeiten – gab es schon früh Schwierigkeiten. Vor allem der familiäre Erziehungsansatz mit vielen gemeinsamen Ritualen war für einen Teil der einheimischen Eliten, die ihre Kinder üblicherweise in Klöstern oder Kollegien bilden lies-

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sen, sehr fremd. Entscheidend für den Niedergang der Anstalt war indes das Ende der Napoleonischen Herrschaft. So floh der dem Institut wohl gesonnene König Joachim Murat (1767–1815, ⇒ Nr. 784) im Mai 1815 und mit der Vertreibung der Franzosen setzte ein markanter Schülerrückgang ein. In zwei amtlichen Inspektionen anfangs 1816 wurde die Unterrichtsweise zwar gelobt, der Anstalt aber ein fehlender christlich-katholischer Geist attestiert. Auf den Verdacht hin, dass Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) protestantisch sei, verfügte die neue Regierung die Schliessung der Anstalt. Diese konnte Hofmann durch Nachweis des Taufscheins zwar verhindern, dennoch gab er – unter anderem auch in Rücksicht auf seine protestantische Frau sowie protestantischer Mitarbeiter, die Schule Ende September 1816 auf. Schneider: Johannes/Jean Schneider (1792–1858) ⇒ Nr. 1317 f Castelamare: Castellammare di Stabia (Kampanien) besuchen: ⇒ Nr. 1338 Zöglinge: Es ist unklar, wer damit gemeint sein könnte. Comandoli: Damit dürfte der Camaldoli gemeint sein, ein Hügel bei Neapel, und mit 450 Metern der höchste Punkt in der Umgebung. Herbstäquinox: Herbsttagundnachtgleiche (21. September) Vogel: Georg Ludwig Vogel (1788–1879) ⇒ Nr. 1221 Regnier: Damit könnte Jean-Louis-François-Antoine Reynier (1762–1824) aus Lausanne gemeint sein, der wegen seiner Tätigkeiten für die französische Verwaltung 1808 bis 1815 als Oberpostintendant in Neapel war. geschrieben: konnte nicht näher bestimmt werden Ideen über Erziehung: Giorgio Francesco Hofmann: Idee generali sulla educazione per servir di base all’organizzazione dell’instituto di G. F. Hofmann. Napoli 1812 Frau: Frau Hofmann ⇒ Nr. 1170

1275. Hans Georg Nägeli 5. November 1811 5

Monsieur Pestalozzi à Yverdun. Iferten H[err] Pestalozzi Zürich, den 5 Nov[ember] 1811

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Wir haben durch lezte Post vergebens Briefe von Ihnen erwartet. Rathsherr Vogel erwartet mit Ungeduld Ihre Instruktion und Vollmacht, um gegen B r ä m i gerichtlich agiren zu können. Dieser scheint über die Wendung, welche V[ogel] der Sache giebt, viel-

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leicht auch, weil er Vogels Einfluss auf einen Theil der Rathsglieder fürchtet, theils erschrocken, theils erbittert. Durchaus nothwendig ist, dass Sie eine in besondere Punkte ausgeschiedene und je einem Brämischen Fragepunkte gegen über gestellte Auseinandersetzung der Verfälschungen, Verdrehungen der Schrift, und der Verdächtigung des Charakters und der gesunden Vernunft Niederers u[nd] der Erzieher von Iferten, für den Advocaten in so populären Ausdrücken wie möglich abgefasst, einschicken. – Wir finden, die Frage im 2 ten Duzend, ob denn der Religionslehrer von Iferten von gar keiner Confession sey, müsse am Recht besonders ausgehoben werden. Hochachtend Ihr H[a]n[s] Georg Nägeli Freund Dreist verzeihe mir, dass ich die Fugetten noch nicht zusammengelesen habe. Es soll nächstens geschehen.

Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Car XV.196.49.3 Blatt, 201 x 242 mm Siegel, Stempel ZURICH 6. NOV. 1811; Dorsualvermerk Nägeli Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–7 Z. 8 Z. 11 Z. 11 Z. 17 Z. 18 f.

lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift Vogel: lateinische Schrift Instruktion und ∫ ausgeschiedene Verdrehungen der Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. In der Züricher Freitags-Zeitung vom 27. September, 4. und 11. Oktober 1811 hatte Johann Heinrich Bremi (1772–1837) insgesamt drei Dutzend kritische Fragen an das pestalozzische Institut gestellt. Bremi mischte sich damit in einen in der breiten Presse ausgetragenen Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der pestalozzischen

454 Konzeption ein. Hintergrund des Disputs bildete der Bericht über die Pestalozzische Erziehungsanstalt vom Sommer 1810, den die von Père Grégoire Girard (1765–1850, ⇒ Nr. 1156) geleitete Kommission zuhanden der Tagsatzung erstellt hatte. Obwohl Pestalozzi einige Sachverhalte noch geklärt haben wollte, wurde der Bericht unverändert gedruckt. Dabei wurde vor allem den Gegnern Pestalozzis Vorschub geleistet, denn nebst Positivem war darin etliche Kritik enthalten wie etwa die Feststellung, dass eine Einführung der Methode in den allgemeinen Volksschulen abzulehnen sei (PSW XXIII, S. 404). Nachdem sich auch der Berner Strafrechtsprofessor Karl Ludwig von Haller (1768–1854, ⇒ Nr. 908) in einem Artikel in der Göttingischen Gelehrten Anzeigen vom 13. April 1811 nachteilig und teils auch abschätzig über Pestalozzis Unternehmung geäussert hatte, sah sich die Institutsleitung zur Verteidigung genötigt. Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) verfasste die etwas polemische Schrift Das Pestalozzische Institut an das Publikum: eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe (1811), der Bremi seine Fragen entgegensetzte. In der Folge lieferten sich Niederer, Pestalozzi und Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) eine literarische Fehde mit Bremi, die bis 1813 andauerte. Ein juristisches Vorgehen gegen Bremi wurde zwar immer wieder diskutiert, schliesslich sah man aber davon ab.

Z. 8 Z. 11 Z. 12 Z. 20 Z. 22

Z. 28

III. Iferten: dt. Name für Yverdon Vogel: David Vogel (1760–1849) ⇒ Nr. 1178 a B r ä m i : Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784 Niederers: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 einschicken: Pestalozzi wollte dieses Schreiben nachreichen (vgl. PSB VII, S. 356 f.). Es scheint aber nicht verfasst worden zu sein, zumindest ist es nicht erhalten. Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599

1275 a. Heinrich/Henry Stünzi 10. November 1811 5

[Reg.] Stünzi ist mit der Rechnung für seinen Sohn nicht einverstanden. Er beanstandet die Kosten für den Italienischunterricht sowie für den Schuhmacher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 359.5 ff. Sacherklärung I.

Heinrich/Henry Stünzi von Horgen war Kaufmann. Er war mit Barbara Huber verheiratet.

455 III. Z. 4

Sohn: Wilhelm/Guillaume Stünzi (*1798) von Horgen besuchte 1811 bis 1816 Pestalozzis Erziehungsanstalt in Yverdon. 1817 studierte er an der Universität in Heidelberg Mathematik.

1276. Hans Georg Nägeli 13. November 1811 5

Monsieur Pestalozzi à Yverdun Iferten H[err] Pestalozzi Zürich, den 13 t Nov[ember] 1811.

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In Ihrer trefflichen Schrift finde ich auch alles neuhinzugekommene trefflich und treffend. Nur sehr weniges, doch sehr wesentliches bemerkte ich noch. Ich würde durchaus nicht mit meinem Personalverhältniss mit Brämi enden, sondern mit meinem Verhältniss zur deutschen Nation, oder vielmehr ihrem Verhältniss zu mir; z[um] B[eispiel] da, wo Sie, beynah am Ende sagen (ich habe die Schrift nicht vor Augen) «Mein Gutes Schicksal[»] etc. könnten Sie etwa fortfahren hat mich wenn die Zürcher mir zu Leib gehen wollten durch andre Schweizer und wenn andre Schweizer mir zu Leib gehen wollten, durch deutsche Ehren und Hülfsmänner, die es mir aus weiter Ferne zugesendet, gerettet oder geschützt. Ferner: So sehr es Ihnen Ehre macht, was Sie, nach allem was vorgefallen, von und zu der Stadt Zürich freundliches sagen – da nämlich, wo Sie von ihrem Edelmuth sprechen – so möchte ich doch bitten, sich auch nicht zu weit herabzulassen, u[nd] wenigstens den Ausdruck «kindisch», der mich, von Ihnen auf sich selbst angewandt, sehr ärgern würde, wegzulassen. Da Sie Ihre Ausdrücke gegen Brämi durchgehends so klug gewählt haben, so wäre es wohl besser anstatt «Verschreyung meiner Bemühungen», was Sie in der Schrift irgend wo sagen, zu wählen Verschreyung meiner A n s t a l t oder noch lieber meiner S a c h e . I h r e B e m ü h u n g e n hat es wörtlich nicht verschreyt. – Brämi stellt sich nun – auch nach einem Zürcher Sprichwort auf die hintern Beine, um weiter zu bellen, wo nicht zu beissen.

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Sie müssen sich gefasst machen, dass er mit seiner saubern Kameradschaft von allem Gebrauch macht, was Neid Hass und Bosheit auszusinnen und auszuspinnen vermag. Es ist mir, wenn ichs schon nicht beweisen könnte, ausser Zweifel, dass er nicht für sich und aus sich handelt, sonst hätte er dem Vogel nicht geschrieben wie er ihm nun im Lauf vom heutigen Tag (er las uns gestern etwas davon vor) geschrieben haben wird. Vogel wird es Ihnen mittheilen. Ob Sie nach demjenigen, was Sie jezt von Brämi vernehmen, Ihre Versöhnungsworte am Ende der Schrift stehen lassen wollen, empfehle ich Ihrer Ueberlegung. – Schicken Sie doch – wie ich in meinem lezten Briefe gebeten die Specification der Brämischen Verfälschungen, aus jedem der 3 Dutzend Fragen ausgehoben, für den Advocaten her. – Ich bin unschlüssig, ob ich Ihre Schrift den Rathsherren S c h i n z u[nd] M e y e r , die sich zu den Gebildeten zählen, mithteilen soll. Ich traue dem einen so etwas mehr als halb, dem andern etwas minder als halb. Im Hause des erstern spricht man übrigens mit Hochachtung von Ihrer Person und Sache im Allgemeinen. – Ich hoffe und glaube doch, Ihre kräftigen Strafworte gegen Bürkli werden für einmal diesem und jenem Rathsherr, und bey ihrer Erscheinung manchem Landpfarrer oder auch Landmann oder Handwerker etc. die Augen öffnen. (Dato hat Bürkli – deuten Sie doch! – 5200 wöchentliche Abnehmer, also vielleicht 20000 Leser.) Ich verstehe aber die Sache so, dass Niederer nichts desto weniger die Fragen mit aller Umständlichkeit beantworten wird, so fern Sie dieselben gar nicht, oder [nicht s]peciell beantwortet haben. Brämi hat mir auf die Frage, ob er sich einbilde seine Lo[gi]k in jenen Fragen halte Stich, mit einer lächerlichen Selbstgenügsamkeit versichert er habe jedes Wort und jede Wendung erwogen, und sey auf jede Einwendung, wenn solche möglich seyen, gefasst. Hierin haben ihn wahrscheinlich die guten Kameraden bestärkt, die nothwendig in ihm und mit ihm geschlagen werden müssen. – Was Sie den Zürchern sagen, lasse ich auch mir gesagt seyn. Ich möchte in dieser allerrealsten Sache auch nicht zu den Unterlassungssündern gehören, u[nd] wenn ich nur ein Paar Wochen frey von dem «Schallenwerk» des Sing- und Klingstunden gebens befreyt hätte, so würde ich mir getrauen, meinen Mitbürgern deutlich genug zu sagen, was sie sich von Pestalozzis Idee heraus zu nehmen hätten, wenn sie mitten im moralischen Siechthum noch

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ihr Seelenheil finden wollen. Aber ich kann die Paar Wochen nicht frey gewinnen! Ich denke indess es gibt immer wieder Gelegenheit u[nd] wird nicht so bald überflüssig seyn, ein Wörtchen mitzusprechen – wird es überflüssig, desto besser. Mit Hochachtung und Freundschaft Ihr H[an]s Georg Nägeli

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Car XV.196.49.4 Bogen, 202 x 242 mm Stempel ZURICH 13. NOV 1811 Dorsualvermerk Nägeli Original Textkritik

Zeuge H Z. 9 Z. 15 Z. 17 f. Z. 29 Z. 30 Z. 31 Z. 33 f. Z. 39 Z. 40 Z. 41 Z. 48 Z. 55 Z. 58 Z. 61 Z. 62 f. Z. 63 Z. 70 Z. 73 f. Z. 74 Z. 78

Nov[ember]: lateinische Schrift Nation: lateinische Schrift hat mich ∫ haben, so sagen, zu meiner A n s t a l t Sprichwort auf Vogel: lateinische Schrift er ihm Vogel: lateinische Schrift Advocaten: lateinische Schrift Strafworte gegen Dato: lateinische Schrift Niederer: lateinische Schrift so fern … haben ∫ Ausriss auch mir ursprünglich: mir auch von … befreyt ∫ Mitbürgern deutlich denke indess Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. Im Kontext der Veröffentlichung des Tagsatzungsberichts hatte auch Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) in der Freitags-Zeitung Bescheidene Fragen an Pestalozzi

458 veröffentlicht (PSW XXIII, S. 421–426). Dies forderte nicht nur Pestalozzi und Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) in Yverdon zu einer Antwort heraus, sondern auch einige Zürcher Freunde, die sich vehement für die «Rehabilitierung» der pestalozzischen Methode einsetzten und sich auch juristische Schritte überlegten (ebd., S. 427 ff.). Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) war eine wichtige Drehscheibe für den Kontakt zwischen Yverdon und Zürich. III. Z. 8 Z. 10

Z. 14 Z. 17

Z. 39 Z. 39

Z. 46 Z. 48 Z. 50 Z. 50

Z. 55 Z. 56 Z. 61

Iferten: dt. Name für Yverdon trefflichen Schrift: Hier handelt es sich um ein nicht erhaltenes Manuskript zu Pestalozzis Schrift Erklärung gegen Herrn Chorherr Bremis drey Dutzend Bürklische Zeitungsfragen. Die Endfassung ist abgedruckt in: Johannes Niederer: Pestalozzis Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur. Ein historisch-kritischer Beitrag zur Kenntnis und Berichtigung der öffentlichen Beurtheilung dieses Gegenstands, Band 2. Yverdon 1813, S. 89–141. Brämi: Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784 Mein Gutes Schicksal: Damit dürfte Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) die Schlusspassage von Pestalozzis Schrift (⇒ Z. 10) angesprochen haben (PSX XXII, S. 168 f.). Vogel: David Vogel (1760–1849) ⇒ Nr. 1187 a geschrieben: Das Schreiben ist abgedruckt in: Johann Heinrich Bremi: Ueber die Schrift: Pestalozzi’s Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitcultur: früher genannt das Pestalozzische Institut an das Publicum. Zürich 1812, S. 27. lezten Briefe: ⇒ Nr. 1275 Advocaten: Hans Jakob Koller (1757–1841) ⇒ Nr. 583 S c h i n z : Hans Caspar Schinz (1755–1838) ⇒ Nr. 823 M e y e r : Ludwig Meyer von Knonau (1769–1841) war ein hochrangiger Zürcher Politiker, Jurist und Geschichtsschreiber. Nach juristischen, philologischen und historischen Studien in Halle (1789–1790) trat er in den Staatsdienst ein. Er war Kleinrat bzw. Regierungsrat (1805–1830, 1831–1839), (Erziehungsrat 1799–1831), Tagsatzungsgesandter (1811, 1830–1831), Rechtsprofessor am Politischen Institut (1807–1813), langjähriger Sekretär der Naturforschenden Gesellschaft und Verfasser des zweibändigen Werks Handbuch der Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft (1826/1829). Strafworte: ⇒ Z. 10 Bürkli: Johann Heinrich Bürkli (1760–1821) ⇒ Nr. 1108 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

459 1277. Hans Georg Nägeli 20. November 1811 5

Monsieur Pestalozzi à Yverdun Iferten, H[err] Pestalozzi Zürich den 20 Nov[ember] 1811

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Vergebens habe ich seit 2 Tagen Briefe von Ihnen, betreffend die nähere Instrüktion für den Advocaten, und die versprochenen Bogen der neuen Schrift von H[errn] Niederer erwartet. Hardmeyer bittet mich, dass ich Sie ersuchen möchte, ihm einen Lehrer für seine Privatanstalt von der Tüchtigkeit des Herrn F r i c k und für das nämliche Fach, das dieser treibt, verabfolgen zu lassen. Er stellt sich wenigstens so, als wollte er hinfort in seiner (in Zürich ziemlich accreditirten) Anstalt mehr Ihre Sache einführen und befördern. Ein solcher Lehrer bekäme einen Gehalt v[on] 400 bis 500 Gulden, u[nd] hätte viel Zeit für sich. Freund Dreist forderte mich auf, Ihnen für Ihre Verlagswerke Commissionaire vorzuschlagen. Ich sagte ihm nämlich, es sey nicht gut, bey dem jezigen elenden Stand des Buchhandels viele Commissionäre anzustellen, od[er] sich überhaupt mit vielen Buchhandlungen einzulassen. Denn auch die für solid geltenden sind zu langsame Zahler. Mein Commissionair in Leipzig ist die J.B.G. Fleischersche Buchhandlung. In F r a n k f u r t ist mein Commissionair die G a y l & H e d l e r s c h e M u s i k h a n d l u n g , die sehr solid ist u[nd] richtig zahlt. Es würde sich der Mühe lohnen sie zu fragen, ob sie sich mit B ü c h e r n befassen könne u[nd] wolle. Eine sehr solide Musikhandlung ist auch die Faltersche in München. * * * Am Schreiben dieses Briefes ward ich unterbrochen und zu meiner sehr, gar sehr grossen Freude kommen die Bogen der neuen Schrift an. Sie haben Sauerländer als Hauptcommissionair auf den Titel gestellt. Hier ist zu bemerken: a) Man wählt sich nicht gern einen Hauptcommissionair in der Nähe, weil man den Detailverkauf ohne od[er] mit geringem Rabat für sich behält, sondern in 200stündiger Entfernung; wer in Norddeutschland wohnt, wählt sich einen im südlichen, wer

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im südlichen wohnt, einen in Leipzig, als dem Stapelort des Buchhandels. b) Einem Hauptcommissionair giebt man 50% Rabatt, macht ihm dabey die Bedingungen, dass er den Handlungen, die mehr als 1 Ex[emplar] zumal bestellen, 33 1/3% Rabatt gebe. c) Man macht ihm auch die Bedingung, dass er den Preis nicht erhöhe, was die Herren etwa um einige p[ro] Cente thun, wenn sie von einer Gegend in die andere hin Gulden in Reichsthaler verwandeln müssen; oder unter dem Vorwand, das Werk koste franko da u[nd] dahin geliefert das u[nd] das. d) Da Sie ohne Zweifel gesonnen sind und willens sind ihre Werke in mässigen Preisen in die Hände der vielen armen Pädagogen zu bringen, so ist es gut wenn Sie den Ladenpreis in S ä c h s [ i s c h e n ] Th[a]l[e]r u[nd] Groschen auf jedes Werk drucken, damit nicht durch die 2 te Hand im Detail der Preis erhöht werden könne. e) Geben Sie H[errn] Sauerlander nicht zu viel auf Credit; ich halte ihn aus guten Gründen nicht für solid genug, wenn er auch solider seyn mag als ich selbst. Warum kommt denn die nähere Instruktion für den Advocaten nicht? Da auf dessen Stimmung auch etwas ankommt, so haben wir ihn gehörig zu erwähnen gesucht. Lassen Sie ihn durch Ihre Zögerung nicht wieder erkalten! Wollen Sie keine förmliche Instruktion in seine Hände legen, so theilen Sie m i r Ihre Notizen mit. Vorher thut der Advocat keinen Schritt, od[er] vielmehr wir halten ihn zurück. Mit Hochachtung und Freundschaft H[an]s Georg Nägeli

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Car XV.196.49.5 Bogen, 202 x 242 mm Siegel, Stempel ZURICH 24. NOV 1811 Dorsualvermerk Zürich 20t 9t 1811 Nägeli Original Textkritik

Zeuge H Z. 9 Z. 12 Z. 13 Z. 30 Z. 46

Nov[ember]: lateinische Schrift Niederer: lateinische Schrift Hardmeyer: lateinische Schrift Faltersche: lateinische Schrift ihm auch

461 Z. 49 Z. 54

Vorwand, das auf jedes Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. ⇒

Nr. 1276

Z. 8 Z. 11 Z. 12

Z. 12 Z. 13 Z. 14

Z. 14 Z. 15 Z. 20 Z. 26

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Z. 30 Z. 35

III. Iferten: dt. Name für Yverdon Advocaten: Hans Jakob Koller (1757–1841) ⇒ Nr. 583 neuen Schrift: Johannes Niederer: Pestalozzis Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur. Ein historisch-kritischer Beitrag zur Kenntnis und Berichtigung der öffentlichen Beurtheilung dieses Gegenstands. Erste Abteilung. Enthaltend die Beleuchtung des Berichts der Untersuchungskommission der schweizerischen Tagsatzung, veranlasst durch die Rezension derselben in der göttingischen gelehrten Anzeigen. Yverdon 1812 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Hardmeyer: Kaspar David Hardmeyer (1772–1832) ⇒ Nr. 527 Lehrer: Es ist unklar, ob ein Lehrer ausgewählt wurde, schrieb doch Pestalozzi bereits am 27. November 1811 an Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998), dass er nicht wisse, ob er dem Wunsch Kaspar David Hardmeyers (1772–1832, ⇒ Nr. 527) entsprechen könne (PSB VII, Nr. 2730). Privatanstalt: ⇒ Nr. 675 F r i c k : Adrian Frick (*1787) ⇒ Nr. 1218 Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 J.B.G. Fleischersche Buchhandlung: Die 1788 im Fürstenhause zu Leipzig eröffnete Sortimentsbuchhandlung Johann Benjamin Georg Fleischers (1758–1803), der 1796 den väterlichen, in Frankfurt am Main ansässigen Verlag übernahm, verlegte 1810 Hans Georg Nägelis Gesangsbildungslehre. G a y l & H e d l e r s c h e M u s i k h a n d l u n g : Johann Conrad Gayl (1760–1842) übernahm nach dem Tod seines Vaters, des Schneiders und Essigsieders Johann Jost Gayl (1717–1794), die Essigsiederei und Kupferdruckerschwärzfabrik und betrieb bis zum 1. Dezember 1811 zusammen mit Georg Heinrich Hedler (1756–1814) die Musikalienhandlung mit inund ausländischen Stücken, in der auch Hans Georg Nägelis Gesangsbildungslehre 1810 verlegt wurde. Nach der Trennung führten Gayl und Hedler eigene Musikalienhandlungen, die bis 1826 bzw. 1866 Bestand hatten. Faltersche: Hierbei handelt es sich um den von 1796 bis 1888 bestehenden Musikverlag von Makarius Falter (1762–1843). Sauerländer: Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

462 1277 a. Johann Jakob Holdenecker 22. November 1811 [Reg.] Holdenecker schickt Bücher.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 367.18 f. Sacherklärung I.

Johann Jakob Holdenecker (1758–1839) ⇒ Nr. 1267 a

1278. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 29. November 1811 5

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An den Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeb[or]en zu Yverdun im Kanton Waadt in der Schweiz. Berlin den 26 tn 9 br 1811 Euer Wohlgeb[or]en übersendet das unterzeichnete Departement in der Anlage eine Anweisung auf den Werth von dreihundert und fünfzig Th[a]l[e]r Pr[eussischer] Kour[ant] als den halbjährigen Unterhaltungskosten, für die Eleven Kraetz und Rendschmidt, und zwar für erstern pro Xbr. c[ourant] bis ult[im]o May a[nni] f[uturi] und für letztern pro 9 br c[ourant] bis ult[im]o April a[nni] f[uturi] und ersucht dieselben zugleich, dem etc. Kraetz das beikommende Schreiben zu behändigen. Departement etc. S[chuckman]n N[icoloviu]s Süvern 29. 28.

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An den Eleven Herrn Kraetz zu Yverdun (Einlage zw[ischen] dem Schreiben an Herrn Pestalozzi) Berlin den 26t e n 9br 1811.

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Das Departement des Kultus u[n]d öffentlichen Unterrichts hat aus der Vorstellung des Eleven Herrn Kraetz vom 12t e n 7br c[ourant] dessen Vorliebe für das Amt eines Landschullehrers gerne entnommen, und bemerkt auf die darin enthaltenen Äusserungen über die Art, wie er als solcher den Unterricht der Kinder anzulegen gedenkt, dass er es sich selbst künftig nicht wird befremden lassen dürfen, wenn reifere Ansichten, grössere Erfahrung und vielleicht auch Lokalverhältnisse manche Modifikationen in seinen jetzigen Ideen herbeiführen. Uebrigens hat das Departement sogleich die nöthigen Einleitungen getroffen, um ihn im nächsten Sommer für ein solches Amt von Yverdun zurückberufen zu können, und wird ihm zu seiner Zeit das Nähere bekannt machen. Für jetzt hat dasselbe wieder die halbjährigen Unterhaltungskosten pro Dec[em]b[e]r d[ieses] bis ult[im]o May k[ommenden] J[ahres] in einer Anweisung auf den Werth von 175 R[eichstha]l[er], preussischer Kour[ant] an Herrn Pestalozzi übermacht. Noch bemerkt das Departement, dass der Herr etc. Kraetz in seinen künftigen Schreiben an dasselbe von der gewöhnlichen Anrede und dem üblichen Style abzuweichen nicht nöthig hat.

Überlieferung 1 4

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Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 3, S. 22–22 a und S. 21 (=Brief an Krätz) Datum am Schluss, Randbemerkung M[an]d[a]t[um] 10 Xb r mit einem Wechsel über 577 Fl[orin] 30 Fr[anken] und dem Schreiben an Krätz zur Post. Randbemerkung (S. 21) Wenn die Schreiben an Pestalozzi und Kraetz in der Geheimen Kanzlei mundirt sind, ist es mir, behufs der an die preussischen Eleven von mir beizulegenden Schreiben, anzuzeigen. Süvern 28. Original Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 8 Z. 9 Z. 10 Z. 12 f. Z. 14 Z. 14 Z. 15 Z. 15 Z. 16

Heinrich Pestalozzi: lateinische Buchstaben Yverdun: lateinische Buchstaben Waadt: lateinische Buchstaben Berlin: lateinische Buchstaben und fünfzig ∫ Kraetz: lateinische Buchstaben Rendschmidt: lateinische Buchstaben pro: lateinische Buchstaben ult[im]o May: lateinische Buchstaben pro: lateinische Buchstaben

464 Z. 16 Z. 17 Z. 23 Z. 25 Z. 26 Z. 27 Z. 29 Z. 29 Z. 36 Z. 37 f. Z. 38 Z. 39 Z. 41

ult[imo] April: lateinische Buchstaben Kraetz: lateinische Buchstaben Kraetz: lateinische Buchstaben Yverdun: lateinische Buchstaben Pestalozzi: lateinische Buchstaben Berlin: lateinische Buchstaben Kraetz: lateinische Buchstaben dessen Vorliebe Yverdun: lateinische Buchstaben pro Dec[em]b[e]r: lateinische Buchstaben ult[im]o May: lateinische Buchstaben Pestalozzi: lateinische Buchstaben Kraetz: lateinische Buchstaben Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

III. Z. 14 Z. 14 Z. 20 Z. 20 Z. 20 Z. 21

Kraetz: August Kraetz (†1821) ⇒ Nr. 1197 Rendschmidt: Felix Rendschmidt (1787–1853) ⇒ Nr. 1265 S[chuckman]n: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834) ⇒ Nr. 1210 N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Datum der Unterschriften

1279. Hans Georg Nägeli 31. November 1811 Iferten H[err] Pestalozzi 5

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Zürich, den 31 Nov[ember] 1811 Verdriesslich ist es, dass H[er]r Rathsherr Vogel im Drang seiner Berufsgeschäfte vergass Ihnen die Correspondenz mit Brämi mit zu teilen u[nd] dass Sie uns auf Antwort warten lassen mussten, weil Sie das zu beantwortende nicht hatten. Bey Mittheilung dieser Correspondenz muss ich nun zunächst wünschen, dass Sie, wegen H[err] Rathsherr Vogel, nicht gedruckt werde, weil sein lezter Brief zu trivial endet. Indess w ü n s c h e ich es nur; machen wichtigere Rücksichten es nothwendig, so fällt diese Bedeutlichkeit weg. Wir meinen, die Sache sollte so behandelt werden. Der Advocat hat dem Bremi im Namen Pestalozzis und des Instituts vor dem

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Friedensrichter die Erklärung abzuforderen, ob er alles das Verleumderische, was er in Bürklis Zeitung gegen Sie f r a g e n d aussprach, behaupte. Sagt er er wolle es behaupten, so fordert der advocat ihn gleich durch den Friedensrichter auf dass er seine Behauptungen motivire und vor dem Friedensrichter zu Papier gebe, oder demselben unverzüglich schriftlich zustelle. Sagt er hingegen er gebe keine nähere Erklärung, man habe nicht das Recht ihm diese abzufordern, er habe nur g e f r a g t : so meinen wir, der Advocat müsse ihn in diesem Fall vor dem Friedensrichter einen Verleumder schelten, eigentlich in forma bürgerlich schelten. Hiezu aber ist nöthig, dass Sie den Advocaten förmlich und buchstäblich bevollmächtigen, und ihn zugleich mit allen Belegen und Beweisen, d a s s Brämi Sie v e r l e u m d e t habe, versehen. Diese Belege und Beweise müssen der Hauptsache nach darin bestehen, dass und wie er Sie an ihrem Wirkungskreis überhaupt, dann ins besondere (wenigstens die Person Niederers), von Seite des K o p f s , des H e r z e n s , der Bürgerp f l i c h t und des g e i s t l i c h e n S t a n d e s angegriffen habe. Von Seite des K o p f s hat er ihr angegriffen, indem er von einer verdorbenen Fantasie etc. spricht; V[on] S[eiten] d[es] H e r z e n s in dem er die bescheidene Äusserung, man wolle abtreten, wenn bessere kommen, als Prahlerey auslegte; Von Seite der B ü r g e r p f l i c h t indem er behauptet, (NB d a s f r a g t e r nicht blos!) N[iederer] habe die Berichterstatter zu N u l l e n gemacht; V[on] S[eiten] d[es] S t a n d e s indem er fragt, ob der Relig[ions] Lehrer in J[ferten] der Kinder confirmiert, denn v[on] gar keiner Confession seye. Zu diesen Bew[eisen] u[nd] Bel[egen] gehört denn auch die specielle Aufdeckung der Wortverdrehungen u[nd] Sophistischen Fechterstreichen, wovon es in den Fragen wimmelt; besonders aber die Hauptverdrehung, dass er an den bildlichen Ausdruck T o n , worunter einige Höflichkeits- andere Geschmackssache verstehen, eine Reihe von Anklagen knüpft, worin er über den Inhalt der Schrift und über den Charakter des Schriftstellers sagte, was ihm beliebt. Das alles muss nothwendig für den Advocaten her geschickt werden, ehe er agiren kann. – Daneben – meynen wir – u[nd] auch darüber bitten wir Sie um Erklärung – muss der Advocat dem Friedensrichter, nicht in Anwesenheit Brämis, die Frage vorlegen: Ob ein Bürger gegen den

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andern öffentlich Dinge als Fragen, (in Fragform) aussprechen dürfe, die als Behauptungen ausgesprochen, Injurien wären. – Nächstens Mehreres. Einstweilen bitte um Antwort auf Obiges Ihr H[a]n[s] Georg Nägeli

Überlieferung ZB Zürich, Ms Car XV.196.49.6 Bogen, 194 x 228 mm Dorsualvermerk 1811 Zurich den 31 Nov Nageli. Original

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Textkritik Zeuge H Z. 5 Z. 6 Z. 11 Z. 15 Z. 19 Z. 22 Z. 24 Z. 25 Z. 27 Z. 28 Z. 36 f. Z. 58 Z. 59 Z. 60

Nov[ember]: lateinische Schrift Vogel: lateinische Schrift Vogel: lateinische Schrift Instituts vor advocat: lateinische Schrift keine nähere Advocat: lateinische Schrift forma: lateinische Schrift zugleich mit und Beweisen ∫ Äusserung, man Dinge als dürfe ∫ Einstweilen … Obiges ∫ Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. ⇒

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Z. 4 Z. 6 Z. 7

Z. 7

III. Iferten: dt. Name für Yverdon Vogel: David Vogel (1760–1849) ⇒ Nr. 1187 a Correspondenz: Die zwischen Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) und David Vogel (1760–1849, ⇒ Nr. 1187 a) im Herbst 1811 ausgetauschten Briefe sind abgedruckt in: Johann Heinrich Bremi: Ueber die Schrift: Pestalozzi’s Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitcultur: früher genannt das Pestalozzische Institut an das Publicum. Zürich 1812, S. 17–31. Brämi: Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784

467 Z. 14 Z. 16

Z. 17

Z. 31

Advocat: Hans Jakob Koller (1757–1841) ⇒ Nr. 583 Friedensrichter: Johannes Scheuchzer (1738–1815) aus Zürich studierte Naturwissenschaften in Leiden (Südholland), wo er 1760 auch promovierte. Er war Oberbibliothekar der Zürcher Stadtbibliothek (1789–1795), Direktor des botanischen Gartens (1787–1794) und Friedensrichter (ab 1803). Bürklis Zeitung: Bescheidene Fragen an das Pestalozzische Institut, veranlasst durch dessen Appellation an das Publikum. In: Züricher Freitags-Zeitung vom 27. September (Nr. 39) 1811, vom 4. Oktober (Nr. 40) 1811 vom 11. Oktober (Nr. 41) Niederers: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

1280. Heinrich Remigius Sauerländer November/Dezember 1811 [Reg.] Betrifft Bücherbestellungen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 371.29 f. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1280 a. Jean Jacques Paschoud November/Dezember 1811 [Reg.] Paschoud schickt Pestalozzi 12 Exemplare von Buffons Morceaux Choisis.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 367.10 Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a

468 III. Z. 4

Morceaux Choisis: Georges Louis Le Clerc de Buffon: Morceaux choisis de Buffon ou recueil de ce que ses écrits ont de plus parfait sous le rapport du style et de l’éloquence. Paris 1807

1280 b. Johann Jakob Burgdorfer November/Dezember 1811 [Reg.] Burgdorfer schickt Karten von Vaugondy.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 370.34 Sacherklärung I.

Johann Jakob Burgdorfer (1763–1844) ist Buchhändler und Kunsthändler in Bern und steht mit Pestalozzi in unregelmässigem Geschäftskontakt. III. Z. 4

Karten: Welche Karten von Didier Robert de Vaugondy (1723–1786) hier gemeint sind, ist unklar.

1280 c. Martin Meyer 2. Dezember 1811 [Reg.] Meyer kündigt seinen Besuch für das nächste Frühjahr an.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 363.23 f. Sacherklärung I.

Martin Meyer (*1771) aus Frankfurt am Main führt daselbst eine Holzhandlung, die später sein Sohn übernimmt. Um 1834 ist der Betrieb nicht mehr im Besitz der Familie und über den weiteren Verlauf von Meyers Leben ist nichts bekannt, möglicherweise hat er Frankfurt verlassen.

469 1281. Hans Georg Nägeli 3. Dezember 1811 5

Monsieur Pestalozzi à Yverdun Iferten, H[err] Pestalozzi Zürich, d[en] 3 Dec[ember] 1811

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Seit meinem lezten Briefe, an Niederer, erhielt ich den Ihrigen, so wie Ihre neue Umarbeitung der Schrift: gegen Brämi Bürkli u[nd] Consorten. Wie Sie jezt reden, nicht bloss mit Ihrem Personalverhältniss mit Brämi, sondern ihrem Verh[ältnis] zur Vaterstadt, hat meinen ganzen Beyfall. Ja ich bin überzeugt, dass [dies] auf die Theilnehmer, nicht blos hier im Lande herum, sondern in der Nation herum wahrhaft pathetisch würkt, weil es zum Ganzen Ihrer Erscheinung im Zeitalter gehört, die selbe specialisiert und speciell beleuchtet. Dann eröffnet dieser Akt auch noch die Aussicht, vielleicht Ahnung – auf einen folgenden, wo der Held des Drama in einem neuen Aufzug ehrenhaft in die Stadt einzieht. Dass das Schicksal Ihres Lebens, wenn Gott Sie uns erhält, dereinst so enden muss, das wissen ohne Zweifel die Weisen im Lande, denn alle prophetischen Erscheinungen, so wie die wörtlichen Weisssagungen, lassen sich zum Beweis ihrer Wahrhaftigkeit im Ablauf der Zeiten allmählig auf ein Speciellen, damit sie, in die Nähe gerückt, auch dem Kinde, der kindlichen Einfalt, oder auch der Kunstfähigkeit, anschaulich werden. Wirklich muss ich mir es auch, wenn ich meinen theuren Pestalozzi durch Widerstrebungen, die von Zürich ausgehen, gereifter finde, als durch andere, so erklären, dass er denn – darf ich es sagen – in Momenten des Kleinmuthes die Erfüllung seiner Bestimmung weiter hinaus gerückt sieht, und nicht einsieht, dass gerade die Widersprüche dazu geeignet seyn können, die Sache, indem sie sie zur Sprache bringen, zu verlebendigen und gegen ihre Absichten ins Klare zu sezen, gleichwie die neue Finsternis das Licht herbeyführt und das Dunkel die Welterlösung. Verschiedenes beyläufig! Der allerlezte Periode Ihrer Schrift ist in seiner logischen Construktion, wenn nicht Wörter ausgeschrieben und weggelassen sind unrichtig. Ich bitte nachzusehen.

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Sie machen das alte Mütterchen aus Hass zu einem Männchen, diese Personalität auf der kleinen Chörperschaft würde viele belustigen, wie sie auch mich belustigt hat; allein ich würde sie doch weglassen, weil wir uns ja auch gegen Personalheit zur Wehr setzen wollen. Ehe Ihre Artikel gegen Bürkli gedruckt werden ist doch noch wohl zu erwägen, ob Sie zu den wörtlichen Beschuldigungen gegen Bürkli – in der N° 2 wie ich glaube – ich habe die Schrift nicht vor Augen – so belegen können, dass Bürkli sie nicht so gar in der Zeitung selbst anklagen kann, Sie haben Iniurien gegen ihn ausgesprochen: Sollte nicht zugleich hier hingewiesen werden vide N° der Zeitung? – Die erweislichste Beschuldigung wäre Vermengung von Gegenständen der Religion mit Wälthändeln aller Art. – Ich habe H[errn] Schulthess gefragt, ob die Worte dass Sie J e s u s C h r i s t u s i n d i e S c h u l e s c h i c k e n wollen, das H[err] A n t i s t e s eigene Worte seyen. Er weiss sich nicht mehr zu erinnern. Wenn das nicht seine eignen Worte sind, so möchte ich sehr rathen, diese Stelle, d[as] h[eisst] nur ein Octavblatt umzudeutden, u[nd] das am Bogen stehende sorgfältig aus allen Exemplaren heraus zu schneiden – Diese Neben-Wortsache gäbe den Feinden Anlass zu grosser Bosheit. Ihre Instruktion ist durchaus dem Advocat Koller wirklich gegeben worden. Mit Rathsherrn Schintz habe ich vorläufig gesprochen. Er hat sich zwar rathsherrlich bedächtlich geäussert, aber doch so, dass er Brämis Ansuchung und Bürklis Unfug nicht billigt. Mit Hochachtung und Freundschaft Ihr H[an]s Georg Nägeli

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Überlieferung ZB Zürich Ms Car XV 196.49.7 Bogen, 202 x 242 mm Stempel ZURICH 4. DEC. 1811, Siegelspuren und -ausriss, Dorsualvermerk Nägeli Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–7 Z. 9 Z. 10 Z. 14

lateinische Schrift Dec[ember]: lateinische Schrift Niederer: lateinische Schrift [dies]: Beschädigung

471 Z. 16 Z. 21 Z. 25 Z. 26 Z. 27 Z. 34 Z. 34 f. Z. 38 Z. 42 Z. 44 Z. 46 Z. 50 Z. 51 Z. 56 Z. 58 Z. 58 f. Z. 62 Z. 64

Nation: lateinische Schrift dereinst ∫ sie , in auch ∫ Kunstfähigkeit, anschaulich und gegen sezen Periode: unsichere Lesart Chörperschaft: unsichere Lesart Personalheit: unsichere Lesart Ehe gegen ihn vide: lateinische Schrift seyen. Er Octavblatt: lateinische Schrift Octavblatt umzudeutden Advocat Koller: lateinische Schrift Schintz: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. Pestalozzi hatte Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) ein Manuskript zur Durchsicht geschickt, das im nächsten Jahr gedruckt wurde (⇒ Z. 11; ⇒ Nr. 1276).

Z. 8 Z. 10 Z. 10 Z. 11

Z. 11 Z. 11 Z. 54 Z. 56 Z. 62 Z. 64

III. Iferten: dt. Name für Yverdon Briefe: scheint nicht erhalten zu sein Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Schrift: Johann Heinrich Pestalozzi: Ein offenes Wort eines gekränkten alten Patrioten an seine Vaterstadt, das nicht gedruckt werden sollte, und jetzt doch gedruckt werden muss. Yverdon 1812 Brämi: Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784 Bürkli: Johann Heinrich Bürkli (1760–1821) ⇒ Nr. 1108 H[errn] Schulthess: Johannes Schulthess (1763–1836) ⇒ Nr. 788 H[err] Antistes: Johann Jakob Hess (1741–1828) ⇒ Nr. 560 Advocat Koller: Hans Jakob Koller (1757–1841) ⇒ Nr. 583 Rathsherrn Schintz: Hans Caspar Schinz (1755–1838) ⇒ Nr. 823

472 1282. Georg Heinrich Ludwig Nicolovius 9. Dezember 1811 5

[Reg.] Antwortvermerk «B[eantwortet] den 9. Dec.» auf dem Brief Pestalozzis vom 10. November 1811.

Überlieferung 1

Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Briefsammlung Vieweg 1197 Sacherklärung I.

Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 III. Z. 4

Brief: PSB VII, Nr. 2707

1283. Hans Georg Nägeli 10. Dezember 1811 [Reg.] Rechnungsangelegenheiten.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 373.8 f. Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998

473 1284. Georges de Rougemont 11. Dezember 1811 Yverdon Pestalozzi. 5

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du 11 Xbre Herrn von Sandoz hiesiger Kantzler und ein würdiger Mann, wird nächstens nach Yverdon sich begeben, wegen Verschiedene ihn betreffenden Angelegenheiten. Er wird das Institut besuchen und ich empfehle ihn Ihren besten Aufnahme, Lassen Sie auch den jungen Pfister sehen und sprechen damit er mir von ihm nachrichten mit zurück bringe die ich seinem Vater mit zu theilen würdig finde. Das tief denken, sich deutlich, mit Wärme und edlem Sinn sich ausdrücken den Niederers Antwort an den schaündlichen Verläumder, der, zu meinem höchsten Erstaunen, einen Plaz für seinen Verbrecherischen Aufsatz in den Goetingischen Anzeigen gefunden hat, hab ich mit desto mehr Theilnahme und Freüde gelesen, dass ich, ehe dieselbe zu kennen, über den schweizerischen Bericht, an Herrn Pfister, meine, H[err] Niederers, seiner ähnlichen Meinu[n]g schriftlich mitgetheilt hätte. In dieser Antwort hab ich insonderheit die wenigen, kräftigen Worte, auf Hottingers Anrede an Zürichs Lehrlinge, bemerkt. Sie schlagen zu Boden den Sieger des schrechen Schultheiss. Zweyflen Sie nicht an mich. Wann ich mit meiner Gesundheit und meinen dringen, bekümmere den nichtswürdigen kleinen Geschäften einmahl fertig werden kan, so werd ich was mir an Leben übrig bleiben wird, hauptsächlich der Verbesseren aller hiesigen Erziehungs Anstalten widmen. Auch lass ich, selbst in diesen Augenblik, diess Hauptgeschaft nicht aus dem Gesicht, dann völlig denk und sieht uns mit Ihnen, wie Niederer es sagt, dass Ihre einzige Rücksicht auch die französische Rewolution ist dass Sie derselben Gegengift sind insonderheit nach den jezigen Folgen dieser rewolution davon zu urtheilen; Überzeugt, so lang der Wille des Menschen mit seiner Z[ukun]ftlichts übereinstimt ist der Mensch nicht erzogen sondern niederzogen. Leben Sie wohl würdigster Mann u[nd] mein Freünd. Meine Hochachtung und Freundschaft gehört Ihnen so lange ich lebe.

474 Überlieferung 1 5

Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 243, S. 684–685 Copia Textkritik

Zeuge h Z. 6 Z. 10 Z. 10 Z. 10 Z. 14 Z. 15 Z. 19 Z. 19 Z. 20 Z. 23 Z. 24 Z. 24 Z. 26 Z. 29 Z. 31 Z. 32 Z. 33 Z. 33

Sandoz: lateinische Schrift Pfister: lateinische Schrift sprechen: lateinische Schrift von ∫ ihm den einen Plaz Bericht, an Pfister: lateinische Schrift schriftlich mitgetheilt Sieger des Zweyflen ich mit kan ∫ dem ∫ einzige Rücksicht dass rewolution davon Überzeugt Sacherklärung I.

Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 II. Georges de Rougemonts (1758–1824, ⇒ Nr. 956) ältester Sohn war bis zu seinem Tod im Sommer 1810 Schüler in Pestalozzis Institut in Yverdon. Auch nach dessen Tod brach der Kontakt nicht ab: Rougemont setzte sich aktiv für die Verbreitung der Methode und die Unterstützung Pestalozzis in Neuchâtel ein.

Z. 6

Z. 10

Z. 11 Z. 14

III. Sandoz: François de Sandoz (1771–1835) war nach einem in Basel absolvierten Rechtsstudium Bürgermeister in Cortaillod (1799–1807), später in Les Verrières (1827–1831) und amtete dazwischen als Neuenburger Staatsrat, Staatssekretär (1807) und Kanzler (1810–1831) sowie als Übersetzer für die preussischen Könige. Pfister: Johann Jakob Pfister (1799–1820) war von 1810 bis 1814 Schüler in Yverdon und trat sodann eine kaufmännische Lehre in seiner Vaterstadt Schaffhausen an, die er aber zugunsten einer militärischen Laufbahn aufgab: Seit 1816 in einem Zürcher Regiment in Charleroi (Belgien) dienend, starb Pfister 1820 als Leutnant. Vater: Balthasar Pfister (1757–1825) ⇒ Nr. 1151 c Niederers: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

475 Z. 16

Z. 19

Z. 21 f.

Aufsatz: Göttingische Gelehrte Anzeigen unter der Aufsicht der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften, 59. Stück, den 13. April 1811, S. 577–588. Der Rezensent Karl Ludwig von Haller (1788–1854, ⇒ Nr. 908) wurde nicht namentlich genannt. Bericht: Grégoire Girard/Abel Mérian/Friedrich Trechsel: Bericht über die Pestalozzische Erziehungsanstalt zu Yverdon, an Se. Excellenz den Herrn Landammann und die hohe Tagsatzung der Eidgenossenschaft. Gedruckt auf Befehl der Tagsatzung. Bern 1810 Hottingers Anrede: Johann Jakob Hottinger: Anrede an die studierende Jugend in Zürich bey Abkündigung der Sommerferien. Zürich 1810

1285. Ulrich Müller 12. Dezember 1811 5

[Reg.] Müller möchte nach Yverdon kommen, um sich in drei Monaten für eine Berufstätigkeit zu qualifizieren.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 371.10 ff. Sacherklärung I.

Ulrich Müller ist Setzer in der Gessnerschen Buchdruckerei (⇒ Nr. 1323 b).

1286. Franz Adam Lejeune 17. Dezember 1811 5

[Reg.] Antwortvermerk «rép. 17. Xbre» auf dem Brief Pestalozzis von Ende Oktober 1811 sowie der Antwortvermerk «rép. 17.» auf dem Brief Pestalozzis vom 29. November 1811.

Überlieferung 1

ZB Zürich, Ms Pestal, Umschlag 70a/19 und Umschlag 70a/20 Sacherklärung I.

Franz Adam Lejeune (1765–1854) ⇒ Nr. 870

476 III. Z. 4 Z. 5

Brief: PSB VII, Nr. 2698 Brief: PSB VII, Nr. 2731

1287. Isaac Cox Barnet 18. Dezember 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 1.5 Sacherklärung I.

Isaac Cox Barnet (1773–1833) ⇒ Nr. 1267 b

1288. Isaac Cox Barnet 24. Dezember 1811 5

[Reg.] Barnet übermittelt den Bericht des Arztes, der die junge Kienseck behandelt hat und einen Auszug eines Briefes von Herrn Badollu.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 1.6 ff. Sacherklärung I.

Isaac Cox Barnet (1773–1833) ⇒ Nr. 1267 b

Z. 4 Z. 4

III. Arztes: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Kienseck: Dabei dürfte es sich um die Tochter von Frau Kuentzy (⇒ Nr. 1321 a) handeln. Wie aus einem Brief Pestalozzis an Isaac Cox Barnet (1773–1833, ⇒ Nr. 1267 b) vom 2. Januar 1812 (PSB VIII, Nr. 2773) hervorgeht, hielt sich die Tochter Kienseck Ende 1811 in Paris auf, wurde krank und verstarb. Diese Familie konnte aber nicht näher bestimmt werden, weil erschwerend hinzukommt, dass der Name der Familie in der Korres-

477

Z. 5 Z. 5

pondenz Pestalozzis unterschiedlich geschrieben wurde (Kuentzy, Kienseck, Kientsch, Kuentschy). Briefes: scheint nicht erhalten zu sein Badollu: Herr Badollu konnte nicht näher bestimmt werden.

1289. Marie Curtaz 24. Dezember 1811 5

[Reg.] Frau Curtaz erkundigt sich nach dem Verbleib eines Pakets, das ihr hätte durch Herrn Hahn überbracht werden sollen.

Überlieferung 1

PSB VII, S. 376.19 f. Sacherklärung I.

Marie Curtaz konnte nicht näher bestimmt werden.

Z. 5

III. Hahn: Christian Traugott Hermann Hahn (1765–1845) war Magister der Philosophie und spätestens ab 1816 Pastor von Plaussig und Segeritz bei Leipzig. Er verfasste die Schrift Practische Anleitung zu Denk- und Verstandes-Uebungen für die Jugend (1820).

1290. Heinrich Remigius Sauerländer 24. Dezember 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 3.26 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

478 1291. Josef Anton von Mitsch Dezember 1811 5

[Reg.] Mitsch teilt Pestalozzi mit, dass sich der junge Kaiserstein seit sieben Monaten nicht mehr gemeldet habe und dass sich seine Mutter Sorgen mache, weil etwas vorgefallen sein könnte.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 7.15 ff. Sacherklärung I.

Josef Anton von Mitsch (1754–1848) ist Theologe und stammt aus dem slowenischen Teil Kärntens. Zunächst ist er Dechant in Kappel im Rosental, später Probst in Gurnitz (beides Kärnten). Als Mitglied der Freimaurer zählt er zu den Anhängern des Reformabsolutismus von Kaiser Joseph II. (1741–1790, ⇒ Nr. 297) und verfasst zahlreiche Studien und Publikationen über den Philosophen Immanuel Kant (1724–1804, ⇒ Nr. 442), etwa Etwas über die Unsterblichkeit der Seele nach philosophischen Ansichten (1817) und Aphorismen moralisch-philosophischen Inhalts (1840). Als Onkel von Johann Nepomuk Emanuel von Kaiserstein (1800–1848, ⇒ Nr. 1235 c) steht er der Unternehmerfamilie Herbert und dem von ihr initiierten kulturellen Kreis in Klagenfurt nahe. III. Z. 4 Z. 5

Kaiserstein: Johann Nepomuk Emanuel von Kaiserstein (1800–1848) Nr. 1235 c Mutter: Baronin Elisabeth von Kaiserstein-von Herbert (1764–1823) Nr. 1235 c

⇒ ⇒

1292. Baronin Elisabeth von Kaiserstein-von Herbert 26. Dezember 1812 5

[Reg.] Frau von Kaiserstein beklagt sich, dass sie sowohl von Pestalozzi als auch von ihrem Sohn seit Monaten keine Briefe mehr erhalten habe.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 8.10 f.

479 Sacherklärung I. Baronin Elisabeth von Kaiserstein-von Herbert (1764–1823) ⇒ Nr. 1235 c III. Z. 5

Sohn: Johann Nepomuk Emanuel von Kaiserstein (1800–1848) ⇒ Nr. 1235 c

1293. Heinrich Remigius Sauerländer 28. Dezember 1811 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 3.26 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1294. Johann Jakob Holdenecker 28. Dezember 1811 [Reg.] Holdenecker schickt ein Paket Bücher.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 13.12 f. Sacherklärung I.

Johann Jakob Holdenecker (1758–1839) ⇒ Nr. 1267 a

480 1295. J. L. Lenz Winter 1811/1812 [Reg.] Lenz beklagt sich, dass er auf fünf Briefe keine Antwort erhalten habe.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 17.27 ff. Sacherklärung I.

J. L. Lenz ⇒ Nr. 943 II. Die fehlenden Antworten Pestalozzis sind wohl auf Probleme beim Briefverkehr zurückzuführen, da Pestalozzi in seiner Antwort darauf hinweist, dass sich in den letzten Monaten diese Klagen gehäuft hätten, die angemahnten Briefe aber gar nie bei ihm angekommen seien.

Z. 4

III. fünf Briefe: ⇒ Nr. 1190, ⇒ Nr. 1207, ⇒ Nr. 1234, ⇒ Nr. 1250, ⇒ Nr. 1267

1296. Barbara Lucia Jezler Winter 1811/1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1347 Sacherklärung I.

Barbara Lucia Burkhart-Jezler (1789–1864) ⇒ Nr. 1256

481 1297. Pierrette Julienne Pastol de Keramelin-Basire/Bazire Winter 1811/1812 [Reg.] Mehrere Briefe mit unbekanntem Inhalt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 81.24 ff. Sacherklärung I.

Pierrette Julienne Basire/Bazire (*1784) heiratet 1800 Yves Marie Baron Pastol de Keramelin (1770–1813, ⇒ Nr. 1309 a), lebt aber seit 1804 von ihm geschieden.

1298. Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann Winter 1811/1812 [Reg.] Frau Sturz-Ehrmann schlägt Pestalozzi ein Projekt für Herrn von Greyers vor.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 88.19 ff. Sacherklärung I.

Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann (*1768) ⇒ Nr. 1171

Z. 4

Z. 4

III. Projekt: Dabei könnte es sich um eine Art Lehrstelle oder Ausbildungsplatz beim Forstmann Gottlieb von Greyerz (1778–1855, ⇒ Z. 4) handeln, da der Sohn von Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann (*1768, ⇒ Nr. 1171), Friedrich/Fritz Sturz (1796–1879, ⇒ Nr. 1171), sich für das Forstwesen interessierte (⇒ Nr. 1171). Greyers: Hier könnte Gottlieb von Greyerz (1778–1855) gemeint sein. Er stammte aus Bern, studierte dort Rechtswissenschaften, wechselte dann aber aus politischen Gründen in die Forstwissenschaft und machte in diesem Bereich von 1798 bis 1801 Ausbildungen in Heidelberg, Göttingen und im Harz. 1804 übernahm er die Stelle als Oberförster im bayrischen Stoffenried bei Günzburg. Von 1810 bis 1829 war Greyerz als königlichbayrischer Forstmeister zunächst in Augsburg und anschliessend bis 1842 in Bayreuth tätig. Nach seiner Pensionierung kehrte er nach Bern zurück

482 und übernahm die Leitung verschiedener Allee-Pflanzungen. Er gehörte 1843 zu den Mitbegründern des schweizerischen Forstvereins.

1299. Karl Jacob Alexander, Edler von Rennenkampf Ende 1811/Anfang 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1304 Sacherklärung I.

Karl Jacob Alexander, Edler von Rennenkampf (1783–1854) ⇒ Nr. 891

1299 a. Johann Jakob Burgdorfer Ende 1811/Anfang 1812 [Reg.] Burgdorfer schickt die beiden Kalender Alpenrosen und Helvetia.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 2.15 f. Sacherklärung I.

Johann Jakob Burgdorfer (1763–1844) ⇒ Nr. 1280 b III. Z. 4

Kalender: Die Alpenrosen waren ein 1811 erstmals und dann jährlich bis 1830 bei dem Verleger Burgdorfer in Bern erschienener volkstümlicher Almanach. Er wurde von Gottlieb Jakob Kuhn (1775–1849), der von 1824 bis 1849 Pfarrer in Burgdorf war, herausgegeben. Mit dem Kalender Helvetia könnte der beim Zürcher Verlag Orell Füssli (⇒ Nr. 1317 b) von 1799 bis 1822 erschienene Helvetische Almanach gemeint sein, der Nachfolger des zuvor in 19 Jahrgängen erschienenen Helvetischen Calenders. Der Helvetische Almanach bot vor allem geografisch-statistische Beschreibungen der Schweiz.

483 1300. Eva Hoffmann Anfang Januar 1812 [Reg.] Eva Hoffmann schreibt über Gesang und Hientzsch.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 4.30 f. Sacherklärung I.

Eva Thiriot-Hoffmann (†1826) aus Mainz unterrichtet seit 1809 als Gesangslehrerin am pestalozzischen Institut in Yverdon, von 1811 bis 1812 ist sie am Institut von Wilhelm Christian von Türk (1774–1846, ⇒ Nr. 653) in Vevey (Kt. Waadt) tätig. 1812 heiratet sie den Musiklehrer Paul Emil Thiriot (1780–1831, ⇒ Nr. 984) aus Leipzig, der zwischen 1809 und 1812 ebenfalls als Musiklehrer in Yverdon arbeitet. Sie stirbt in Wiesbaden. II. Eva Thiriot-Hoffmann (†1826, ⇒ Sacherklärung I.) hatte diesen nicht erhaltenen Brief wahrscheinlich an ihren Verlobten Paul Emil Thiriot (1780–1831, ⇒ Nr. 984) adressiert. Da Pestalozzi ihn aber beantwortete und aus der Antwort zudem ersichtlich wird, dass der Brief öffentlich vorgelesen (PSB VIII, Nr. 2784) wurde, wird er hier ediert.

Z. 4

III. Hientzsch: Johann/Friedrich Gottfried Hientzsch (1787–1856) aus Sachsen besuchte die Thomasschule in Leipzig und studierte ab 1808 an der dortigen Universität Theologie. 1810 kam er nach Yverdon und übernahm teilweise den Gesangsunterricht, anschliessend arbeitete er als Gesangslehrer an Wilhelm Christian von Türks (1774–1846, ⇒ Nr. 653) Erziehungsanstalt in Vevey, als Lateinlehrer in Erlach am Bielersee und erneut als Lehrer am pestalozzischen Institut. Auf seiner Heimreise nach Deutschland besuchte er 1815 Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) und dessen Zürcher Singinstitut. In München studierte er Musik und unternahm verschiedene Reisen in Deutschland, auf denen er Schulen, Seminare und Institute besuchte sowie diverse Schul- und Musikleute kennenlernte. 1817 übernahm er eine Stelle am Seminar von Neuzelle (Brandenburg), 1822 erhielt er den Posten als Direktor und Lehrer des evangelischen Schullehrerseminars in Breslau und arbeitete ab 1833 in Potsdam. Hientzsch verfasste mehrere Lehrbücher für den Musikunterricht, aber auch das 1839 erschienene Werk Elementar-Lesebuch nach Pestalozzischen Grundsätzen, zudem war er Herausgeber des Wochenblatts für Volksschulwesen sowie der Zeitschrift Eutonia: eine hauptsächlich pädagogische Musik-Zeitschrift.

484 1301. Johann Elias Mieg 1. Januar 1812 Paris, den 1. Januar 1812 5

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Geliebter Vater! Meine erste Beschäftigung zieht mich heute im Geiste dahin, wo mein Herz ist, zu dir, geliebter Vater und deinem Kreise, der mir überall in seiner kraftvollen Liebe vorschwebt, u[nd] mich durch das freudige Andenken erhebt, dass ich ihm einst angehörte, u[nd] dass ich mich deinen Sohn nennen durfte. – Schon zum zweytenmahl feyre ich den heutigen festlichen Tag ferne von Euch, aber mit meinem Geist u[nd] meinem Hertzen, mit meinen Wünschen u[nd] Hoffnungen für euer segenvolles Wachsthum u[nd] Gedeihen war ich euch immer nahe, u[nd] werde es hoffentlich geistig wenigstens, immer seyn. Was würde ich nicht darum geben wenn ich heute nur wenige Minute bey Euch seyn, wenn ich dir Geliebter aus der Fülle meines Herzens meinen Wunsch darbringen könnte, wenn ich von deinem Munde die muthigen Entschlüsse für die Zukunft, und das gläubige Vertrauen auf die allwaltende Vorsehung hören könnte. – Es soll nicht seyn, ich soll fern von eurem Wirkungskreis meinen Weg wandeln, auf jeden Fall finden wir uns am Ziele wieder, u[nd] die Freude ist dann desto grösser. Ich bin seit dem 22ten October hier, u[nd] jetzo ganz zu Haus, allein, diese Heimath ist nicht die Meinige, u[nd] ich würde in Paris in manchen Beziehungen ewig ein Fremdling bleiben, so entgegengesetzt sind meine Bedürfnisse des Herzens allem dem, was die grosse Kaiserstadt mir zu ihrer Befriedigung gewähren kann. Wie lange mein Aufenthalt hier dauern wird ist ganz unbestimt. Herr Willemer schien bey meiner Abreise nicht geneigt, vor zwey Jahren mir die Führung seines Sohnes abnehmen zu wollen, der letztere würde mich wohl eher entlassen, da Paris ein Ort ist wo es für einen jungen Menschen angenehmer ist, Bekanntschaften zu machen, u[nd] an diese sich anzuschliessen, als eine alte Bekanntschaft, die frostig und ungerührt in das übertünchte Leben der moralisch todten Geschöpfe die hier zu hunderttausenden herumlaufen, wie eine Beinschelle überall herumzuschleppen. Die Zeit ist mir heute zu kurz u[nd] auch zu kostbar als dass ich meine Ansichten u[nd] Empfindungen über meinen jetzigen Aufenthalt mittheilen könnte, allein im Laufe der nächsten Woche werde ich einen grossen Brief an Ritter schicken, den dieser nach

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Yverdon spediren wird, damit ich nicht mehreremahle denselben Gegenstand wiederkaue, da der erste Originalgenuss schon seinen hinlänglichen Zusatz von Galle hat, um verdaut zu werden. Dass ich so lange hier leben konnte, ohne meinen Freunden ein Zeichen meines Lebens in einigen Zeilen zu geben liegt theils in der Zerstreuung in die man in dem Treiben einer grossen Stadt versinkt, theils in der Unmöglichkeit etwas über sich selbst in seinen neuen Verhältnissen sagen zu können, theils in dem gegründeten Misstrauen bey der schnellen Aburtheilung über einen so grossen Gegenstand, den man mit einem Blick kaum umfassen kann, sich gröblich zu irren, u[nd] zum Widerruf genöthigt zu werden. Ausser diesen Gründen muss ich aber noch einen aus dem Hinterhalt hervorziehen u[nd] an das Tages Licht bringen, den nehmlich dass ich auf etliche Zeilen wenigstens auf meinen letzten Brief warten wollte, in dem ich mich nicht der Sünde theilhaftig machen wollte u[nd] Euch in eurer Nachlässigkeit euren Freunden etwas von Euch zu sagen, nicht bestärken wollte. Wenn es nur der ciceronianische Eingang zu einem Brief ist, si vales bene est e g o v a l e s , den ich von Y[verdon] erhalte, so bin ich schon zufrieden, aber etwas der Art muss es durchaus seyn – Dass meine Forderung nicht auf die Rechnung des kindischen point d’honeur geschrieben wird, dafür bürgt mir eure Kenntniss meines ganzen Charakters, u[nd] ich bin gewiss dass ihr den Grund derselben eher in meinem Herzen, als anderswo sucht. Ich sehe hier wenige Menschen oft, Dapples ausgenommen die uns mit schweizerischer Geradheit empfangen u[nd] behandeln, daher gefällt es mir auch nur bey ihnen, ob ich gleich den Umgang mit andern Menschen nicht scheue, sondern sogar aufsuche, wo es mir zweckmässig scheint, u[nd] wo ich glaube zur Erweiterung u[nd] Berichtigung meiner Ansichten über Paris, dessen Anstalten u[nd] Bewohner etwas lernen zu können. Christian Dapples ist in einer Pension bey M[onsieu]r Lemoine, wo etwa 250 Zöglinge sind, er denkt mit ausserordentlicher Liebe u[nd] Anhänglichkeit an Y[verdon] zurück, in seinem ganzen Wesen drückt sich das lebhafteste Gefühl des Unterschieds aus, zwischen eurem Thun, u[nd] dem hiesigen Pensionswesen, ich bin überzeugt dass das Andenken an Y[verdon] wie einen wohlthätiger Frühlingsonnenstrahl sein ganzes Leben über, ihn erwärmen wird – Ich habe durch Besuchung der Pension von Lemoine, durch Nachsehung der Hefte von Christian D[apples] u[nd] durch Fragen die ich an letztern that, wie ich glaube, eine ziemlich richtige Ansicht dieser Anstalt, allein ich darf dieses Capitel gar nicht berühren, weil ich

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entweder mehr sagen muss, als mir meine Zeit heute erlaubt, u[n]d nicht genug sagen kann um verstanden zu werden. Mein fester Vorsatz ist es aber, meinen Freunden, meine Hauptansichten von Paris, u[nd] dem was ich hier beobachten konnte mitzutheilen, u[nd] in 14. Tagen bis 3. Wochen sollt Ihr mehr u[nd] befriedigtes von mir hören. Um die Methode bekümern sich hier nur wenige von den Menschen die ich sehe u[nd] diese urtheilen ungefähr wie H[err] Dapples. On forme à Y[verdon] le cœur, et l’esprit autant qu’il depend du cœur. Les enfants y sont bien heureux, mais ils apprennent peu et lentement. Überhaupt ist es mir aufgefallen wie ausserordentlich gross u[nd] weiteingreifend der Unterschied des Nationalcharakters zwischen den Franzosen, u[nd] so gar den französisirten Deutschen u[nd] Schweitzern ist, ein Unterschied den die Natur so harscharf gezogen hat, dass keine Zeit, keine Vermischung, u[nd] kein gemeinschaftliches Gouvernement so wird verwischen können, es müsste dann eine solche Verschlechterung allgemein werden, dass kein Unterschied im mehr od[er] weniger besser seyn möglich wäre. Eine Aufgabe die ich mir bis jetze noch nicht lösen konnte ist diese: ist der ganze Gang der französischen Regierungsform von der frühesten Zeit, bis auf den heutigen Tag, eine Folge des sich entwicklenden Nationalcharakters, od[er] ist umgekehrt der Nationalcharakter eine Folge der Regierungsform. Je nach dem man diese Frage beantwortet erscheint alles in einem ganz veränderten Licht, u[nd] man kann gewissermassen gar nicht genügend sich selbst über das was man sieht Rechenschaft geben, wenn man mit obigen Fragen nicht im Reinen ist. Auch Emil Schlumberger u[nd] Hedelhofer habe ich gesehen, die ebenfalls erfreut waren, jemand von Y[verdon] zu sehen. Mit ersterem konnte ich nur wenig sprechen, da ich ihn zufällig in der Kirche antraf. Den Letztren hatte D[apples] zum Essen gebeten – er soll für die école polytechnique zugestutzt werden, allein ich zweifle ob er dazu Kraft genug haben wird, da in dieser Anstalt gründliche Kenntnisse der Mathematik, zum Übergang der höheren Mathematischen Wissenschaften erfordert werden, wozu Hedelhofer in Yverdon wenigstens, keine Anlagen hatte, da überhaupt sein ganzes Wesen eine grosse Oberflächlichkeit verrieth – Von diesem Schüler darf das Institut wenig erwarten, hingegen ist Christian Dapples überaus kräftig, u[nd] H[err] Lemoine ist in jeder Hinsicht sehr wohl mit ihm zufrieden, es wäre zu wünschen dass alle Schüler des Instituts die in andere Lehranstalten übergehen, sich so benehmen würden, diess würde der Methode Freunde

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u[nd] Anhänger verschaffen. Ch[ristian] Dapples kommt alle Sonntage zu mir, um seine Kenntniss der deutschen Sprache theils zu erhalten, theils zu erweitern u[nd] dann besuchen wir abwechselnd, die öffentl[ichen] Sammlungen. Dass eine neue Ausgabe von Niederers Schrift erschienen ist, freut mich sehr, es ist mir theils ein Beweis der lebhaften Theilnahme des Publicums, theils überzeugt sie mich, dass ihr in der Verbreitung dieser Schrift recht thätig gewesen seyd, was mir sehr lieb ist, sorgt aber nur dafür dass der Geist dieser Schrift unter eurem Lehrerpersonale recht ins Leben übergehe. Es sollte jedem Lehrer zur Pflicht gemacht werden, sie nicht 1 mahl, sondern 10 mahl zu lesen, nirgends würde der lateinische Ausdruck non multa sed multum legere heilsamer u[nd] wünschenswerther seyn. Wenn sich irgend eine Gelegenheit findet, so schickt mir doch diese neue Ausgabe, u[nd] was von der Wochenschrift vom 3ten Band erschienen ist, ich hungere recht nach einer solidern pädagogischen Nahrung – Niederer soll auch einmahl den Gänsekiel als Sprachrohr zur Unterhaltung mit seinen Freunden, und nicht immer als Feuerschwerd im Kampf gegen die Feinde gebrauchen, er kann mir schon einmahl schreiben, u[nd] sein Streitross etwas verschnaufen lassen – Noch fällt mir eben ein dass der Zeitpunkt immer näher heran rückt, wo die wackeren preussischen Zöglinge das Institut verlassen werden, sie haben brav u[nd] männlich u[nd] einsichtsvoll dem guten Werk ihren reinen Willen geweiht, u[nd] ihre Kräfte geliehen, ich hoffe u[nd] bin gewiss dass solche Anstalten getroffen sind, dass durch ihren Abgang in der Thätigkeit des Instituts keine Lücke entstehen wird, nichts desto weniger nimt mir es der gute Vater nicht übel, dass ich diesen Punkt berühre, u[nd] auch gerne hierüber etwas zu wissen wünschte. Das Institut sehe ich als eine Anstalt an, die der Menschheit angehört, u[nd] von dem Daseyn des Einzelnen ganz unabhängig seyn sollte, aber eben damit es das ist, was es nach der Höhe seines Standpunktes seyn soll, muss nie der gegenwärtige Augenblick das Bedürfniss fühlen lassen, sondern der waltende Geist muss es voraus ahnden, u[nd] ihm begegnen, ehe es drückend u[nd] stossend fühlbar wird. – Wie viel hätte ich noch zu sagen, wenn ich nur den 1000ten Theil von dem andeuten wollte, was ich für Euch alle u[nd] für euer Thun fühle – allein da ist schon ein halber Bogen eng vollgeschmirt, ohne Zusammenhang, u[nd] nicht so gesagt wie ich es wünsche, da ich alle Augenblicke unterbrochen wurde, allein ich denke es ist besser unvollkommen etwas zu sagen als gar nichts, wenn man

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weiss dass man so gerne gehört wird. Mein Wunsch zum allge[meinen] neuen Jahr lieber Vater kommt nun zwar zu spät, aber zu deinem neuen Jahr d[es] 13 Jan[uar] hoffentlich noch zu rechter Zeit, Fortdauer deiner Heiterkeit, Erhaltung deiner Kraft, Freudigkeit im Wirken, u[nd] vor allem die Wärme deines Hertzens erhalte Dir noch lange der Himmel zum fröhlichen Daseyn im Kreise derer die Dich lieben mir aber erhalte auch in der Ferne die Liebe des Vaters die meinem Herz so wohl thut. E[lias] Mieg Es bedarf wohl des Wortes nicht dass alle meine Freunde in Y[verdon] mir gegenwärtig sind, u[nd] dass ich alle herzlich grüsse.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 225/1 Bogen, 234 x 198 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 4 Z. 42 Z. 54 Z. 58 Z. 59 f. Z. 62 Z. 66 Z. 72 Z. 73 Z. 79 f. Z. 80 Z. 80 Z. 81 Z. 91 Z. 91–94 Z. 111 Z. 111 Z. 114 Z. 115 Z. 118 f.

Paris: lateinische Schrift Januar: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift dem Hinterhalt nicht ∫ si vales bene est e g o v a l e s : lateinische Schrift point d’honeur: lateinische Schrift Dapples: lateinische Schrift Christian Dapples: lateinische Schrift Lemoine: lateinische Schrift habe durch Pension Lemoine: lateinische Schrift Christian D[apples]: lateinische Schrift diese urtheilen H[err] … lentement: lateinische Schrift Emil Schlumberger: lateinische Schrift Hedelhofer: lateinische Schrift D[apples]: lateinische Schrift école polytechnique: lateinische Schrift Hedelhofer: lateinische Schrift

489 Z. 122 Z. 126 Z. 137 f. Z. 148 Z. 170

Lemoine: lateinische Schrift Ch[ristian] Dapples: lateinische Schrift non multa sed multum legere: lateinische Schrift Zöglinge das Jan[uar]: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 II. Johann Elias Mieg (1770–1842, ⇒ Nr. 1244) hatte in Yverdon neben den beiden Brüdern August Eduard Adam Lejeune (1797–1882, ⇒ Nr. 926) und Johann Gustaf Adolf Lejeune (1800–1880, ⇒ Nr. 870) auch Johann Jakob von Willemer (1760–1838, ⇒ Nr. 875) betreut, der Yverdon im September 1811 verlassen hatte. Ihn begleitete Mieg in den nächsten zwei Jahren auf seiner Bildungsreise nach Paris und Italien. III. Z. 29 Z. 31 Z. 41 Z. 41 Z. 56 Z. 59 f. Z. 62 f. Z. 66

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Willemer: Johann Jakob von Willemer (1760–1838) ⇒ Nr. 875 Sohnes: Abraham (Brami) Ludwig Heinrich Jakob von Willemer (1794–1818) ⇒ Nr. 948 Brief: ⇒ Nr. 1303a Ritter: Karl/Carl Ritter (1779–1859) ⇒ Nr. 908 letzten Brief: Damit dürfte wohl der Brief vom 9. Juli 1811 (⇒ Nr. 1244) gemeint sein. si vales bene est e g o v a l e s : Wenn es dir gut geht, ist gut. Mir geht es gut. point d’honeur: Ehrensache (point d’honneur, frz.) Dapples: Christian Samuel Ferdinand Dapples (1768–1848) war 1794 Mitglied im Rat der Zweihundert in Lausanne und betrieb ab 1801 eine kaufmännische Handlung in Lausanne, die er ab 1814 in Paris weiterführte. Er heiratete 1796 Esther Steiner. Christian Dapples: Christian Dapples (1797–1864) ⇒ Nr. 758 M[onsieu]r Lemoine: Damit dürfte wohl die Pension von Edme-MarieJoseph Lemoine D’Essoies (1751–1816) gemeint sein. Er war vor der Revolution Advokat und Lehrer des jungen Adels, wurde zum Professor für Mathematik und Physik ernannt, war Mitglied der Jury d’Instruction Publique in Paris und verfasste verschiedene Elementarlehrbücher für Mathematik und Geografie. Er leitete das von ihm um 1780/82 gegründete Institut Polytechnique, dem eine Pension angegliedert war und von den Eltern der Zöglinge bezahlt wurde. Laut einem Institutsprospekt von 1803 war das Institut in sechs Klassen aufgeteilt, wobei zwischen grossen und mittleren Schülern unterschieden wurde. mehr … hören: Damit dürfte wahrscheinlich der nicht erhaltene Brief von Johann Elias Mieg (1770–1842, ⇒ Nr. 1244) vom 16. Januar 1812 gemeint sein (⇒ Nr. 1303 a), den Pestalozzi in einem Brief an Isaac Cox Barnet (1773–1833, ⇒ Nr. 1267 b) vom 21. Februar 1812 (PSB VIII, S. 27) erwähnte. On forme … cœur: Man bildet in Yverdon das Herz, den Geist insoweit, als er vom Herz abhängt. Die Kinder sind dort sehr glücklich, aber sie lernen wenig und langsam.

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Schlumberger: Emile Schlumberger (1799–1838) ⇒ Nr. 1185 a Hedelhofer: Albert Louis Frédéric Hedelhofer (1797–nach 1858) aus Lausanne war von 1807 bis 1810 Schüler bei Pestalozzi in Yverdon und lebte später als Händler in Paris. Er war zweimal verheiratet, zuerst mit Joséphine Françoise Rochat, mit der er zwei Töchter hatte und danach mit Adélaide Catherine Joséphine Kaempfen (1814–1838). école polytechnique: Die Schule wurde 1794 als École Centrale des Travaux Publics gegründet, ein Jahr später in École Polytechnique umbenannt, und hatte den Auftrag, den Schülern eine wissenschaftliche, auf Mathematik, Physik und Chemie gestützte Grundausbildung zu geben. 1804 erhielt sie von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) den Status einer Militärschule mit der Devise «pour la patrie, les sciences et la gloire» verliehen. Niederers Schrift: Johannes Niederer: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verläumderische Angriffe, veranlasst durch eine Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, und zugleich ein vorläufiger Beitrag zur Feststellung des Verhältnisses der gewöhnlichen Darstellungen und Beurtheilungen, besonders des offiziellen Berichts an die Tagsatzung zu Pestalozzis wirklicher Unternehmung. Yverdon 1811 non multa sed multum legere: Nicht vieles, sondern viel lesen (lat.) Wochenschrift: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811) Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Zöglinge: Im Mai 1812 verliess August Kraetz (†1821, ⇒ Nr. 1197) das Institut, im Juli 1812 folgte Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868, ⇒ Nr. 1021) und im September kehrten Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844, ⇒ Nr. 1453) und Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836, ⇒ Nr. 1599) nach Preussen zurück. neuen Jahr d[es] 13 Jan[uar]: Johann Elias Mieg (1770–1842, ⇒ Nr. 1244) sprach damit auf Pestalozzis Geburtstag vom 12. Januar an, irrte sich aber um einen Tag.

1301 a. Hans Georg Nägeli Anfang Januar 1812 5

[Reg.] Nägeli bittet Pestalozzi, der Musikhandlung Nägeli mitzuteilen, dass die von ihm überschickten 80 Louis d’or für ihn bestimmt gewesen seien.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 2.5 ff. Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998

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Z. 5

Musikhandlung Nägeli: Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) hatte im Jahr 1791 eine Musikalienhandlung eröffnet, der er nach dem Erfolg des Lieddrucks Freut Euch des Lebens von Johann Martin Usteri (1763–1827, ⇒ Nr. 420) 1794 einen Musikverlag anschloss. Trotz der erfolgreichen Herausgabe der Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven (1770–1827) und Werken von Johann Sebastian Bach (1786–1750) musste Nägeli 1807 sein Geschäft seinem Freund und Kreditgeber Jakob Christoph Hug (1776–1855, ⇒ Nr. 879), Pfarrer in Thalwil, übergeben, der es bis 1817 unter dem alten Namen Hans Georg Nägeli & Comp. weiterführte, bevor dann die Gebrüder Hug als Namensgeber fungierten und es bis heute weiterführen. Louis d’or: frz. Goldmünze

1301 b. Isaac Cox Barnet 5. Januar 1812 5

[Reg.] Barnet erkundigt sich, ob es bei Pestalozzi oder in Yverdon Arbeit für einen Englischlehrer gäbe und teilt ihm mit, dass er ihm durch Delavaux drei Pakete geschickt habe.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 15.10 ff., S. 24.19 ff. und S. 28.5 ff. Sacherklärung I.

Isaac Cox Barnet (1773–1833) ⇒ Nr. 1267 b III. Z. 5 Z. 5 Z. 5

Englischlehrer: Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Monsieur Fierville (PSB VIII, Nr. 2819), der allerdings nicht näher bestimmt werden konnte. Delavaux: Gabriel Louis Delavaux (1771–1847) ⇒ Nr. 1312 a Pakete: Darin waren (wohl unter anderem) ein Buch von Julien Offray de La Mettrie sowie eine Karte der Vereinigten Staaten.

1302. Heinrich Remigius Sauerländer 7. Januar 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

492 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 3.26 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1303. Agnes Emerita Gyr 12. Januar 1812 5

Auf P e s t a l o z z i ’ s G e b u r t s t a g , den 12. Jenner 1812. Lass auch ferne mich der süssen Liebe, Und des holden Tag’s mich kindlich freun; Dir mit stillem Sinn, voll edler Triebe, Dieses kleine Blümchen liebend weyhn.

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Lass es unter jene Blumen winden, Die in einem Kranz’ dir heute blüh’n, Lass’ die hohe Freude mich empfinden: Dass es mög’ am Vaterherzen glüh’n! Schön verklärst du dich im Abendglanze, In die ferne Zukunft schau’st du mild, Und aus deines Daseyns letzter Pflanze Haucht Dein Geist, der ew’gen Liebe Bild. Wie aus einem Saamen tausend Keime Blühend aus der Erde aufersteh’n, Und aus kleinen Sprossen hohe Bäume Früchte bringend herrlich um uns weh’n. So ist deine Liebe, deine Lehre, Nie wird sie bey Guten untergeh’n. Und bey jedem neuen Weltverkehre Wird sie immer blühend aufersteh’n. Edle Männer werden immer leben, Auf dein Werk und deine Liebe bau’n, Nach der Wahrheit Sonnenhügel schweben, Segnend wirst du auf sie alle schau’n.

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Hoher Glaube wandle dir zur Seite

493 Und mit deiner Liebe treuem Sinn, Führe dich die Hoffnung im Geleite Zu der ew’gen Friedenshüte hin.

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Überlieferung Agnes Emerita Geyer: Alpenblumen. Basel 1813, S. 97–98 Textkritik

Zeuge a Sacherklärung I. Agnes Emerita Amiet-Gyr (1787–1836) ⇒ Nr. 1113 II. Agnes Emerita Amiet-Gyr (1787–1836, ⇒ Nr. 1113) liess sich zwischen 1810 und 1813 in Yverdon zur Lehrerin ausbilden. Das Gedicht dürfte wohl an Pestalozzis Geburtstagsfeier vorgetragen worden sein.

1303 a. Johann Elias Mieg 16. Januar 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 29.15 f. Sacherklärung I.

Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 II. Der Brief war von Karl/Carl Ritter (1779–1859, ⇒ Nr. 908) überbracht worden.

1303 b. Abraham Meyer 17. Januar 1812 5

[Reg.] Meyer teilt Pestalozzi mit, dass er seinen Sohn in diesem Jahr aus dem Institut nehmen werde.

494 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 6.29 ff. Sacherklärung I.

Abraham Meyer (1774–1832) ⇒ Nr. 1047 III. Z. 4

Sohn: Isaac Meyer (1798–1838) ⇒ Nr. 1100 a

1303 c. Marc Louis Auguste Ducoster 17. Januar 1812 5

[Reg.] Ducoster teilt Pestalozzi mit, dass er nach Yverdon kommen werde, um seinen Sohn abzuholen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 21.13 ff. Sacherklärung I.

Marc Louis Auguste Ducoster (1763–1837) aus Nyon studiert von 1779 bis 1782 an der philosophischen Fakultät der Akademie in Genf und lebt später als Kaufmann in Neapel. Dort heiratet er 1793 Marie Antoinette Zeno, nach deren Tod vermählt er sich 1812, immer noch in Neapel lebend, in Paris mit Marie Marc Caroline Simonne und stirbt in Florenz. III. Z. 5

Sohn: Charles Ducoster weilte von 1808 bis 1812 als Zögling in Yverdon. Über sein weiteres Leben ist nichts bekannt.

1303 d. Jean Jacques Paschoud Januar 1812 [Reg.] Paschoud schickt 3 Exemplare von Gumal und Lina.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 9.8

495 Sacherklärung I. Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a III. Z. 4

Gumal und Lina: Kaspar Friedrich Lossius/Wilhelm Hey: Gumal und Lina. Eine Geschichte für Kinder, zum Unterricht und Vergnügen; besonders, um ihnen die ersten Religionsbegriffe beizubringen, 3 Bände. Gotha 1795–1800

1303 e. Charles Bergeon Januar 1812 [Reg.] Bergeon möchte für einige Zeit zu Pestalozzi nach Yverdon ziehen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 10.29 f. Sacherklärung I.

Charles Bergeon konnte nicht näher bestimmt werden.

1303 f. Heinrich Remigius Sauerländer Januar 1812 [Reg.] Sauerländer schickt Bücher.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 14.5 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

496 1303 g. Karl/Carl Cnobloch Januar 1812 [Reg.] Cnobloch möchte die Elementarbücher in Kommission übernehmen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 20.19 f. Sacherklärung I.

Karl/Carl Cnobloch (1778–1834) wird in Freyburg an der Unstrut (Sachsen) geboren. Er erhält seine Bildung im Elternhaus und bei Verwandten in Bösenrode im Harz. 1793 tritt er als Buchhandlungslehrling bei A. F. Böhme in Leipzig ein und geht anschliessend nach Halle und Paris. 1806 kehrt er nach Leipzig zurück, wo er drei Jahre später ein eigenes Kommissions- und Sortimentsgeschäft gründet. Durch den Ankauf mehrerer Verlage baut er das Geschäft nach und nach zu einem erfolgreichen Unternehmen aus. Kurz vor seinem Tod übergibt er die Firma seinem Schwiegersohn Eduard Langbein (1802–1857). III. Z. 4

Elementarbücher: Johann Heinrich Pestalozzi: ABC der Anschauung, oder Anschauungs-Lehre der Massverhältnisse. Zürich 1803 (PSW XV, S. 175– 340); Johann Heinrich Pestalozzi: Buch der Mütter, oder Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und reden zu lehren. Zürich 1803 (PSW XV, S. 341–424) und Johann Heinrich Pestalozzi: Anschauungslehre der Zahlenverhältnisse. Zürich 1803/1804

1303 h. Jean Baptiste Mettraux 19. Januar 1812 5

[Reg.] Mettraux möchte seinen Sohn nach Yverdon schicken und erkundigt sich nach den Pensionskosten.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 17.5 ff. Sacherklärung I.

Jean Baptiste Mettraux (1760–1839) ⇒ Nr. 662

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III. Sohn: (Antoine) Simon Mettraux (1798–1879) ⇒ Nr. 662

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Ich komme zwar etwas spät, theüerster H[err] Pestalozzi, mit meinem Neujahrswunsche, indessen il vaut mieux tard que jamais, sagen ja die Gesellschaft-Franzosen, und so muss es wol wahr u[n]d gültig seyn. Die Ursache der Verspätung ist e i n e r s e i t s unser alte Kalender, gegen den man ja schon in Bündten zu Felde zieht, es wird also auch noch die Reihe a n u n s kommen, u[nd] der Jan[uar] gilt ja doch überall für den blauen Montag des Jahrs, u[nd] so lange gilt auch der Neüjahrswunsch: damit der meinige gelte, schicke Ihnen ein Paar Steine mit, (die mir ein Mineralienhändler gewaltig angerühmt hat), um Sie damit für die Annahme des Wunsches z[u] bestechen: denn wenn man ihn annimmt, so wird er auch erfüllt, also ein glückliches, gutes Jahr! Das N e ü – will ich nun eben weglassen – doch das a n d e r s e i t s der Verspätung ist Mangel an Gelegenheit. – In einigen Wochen hoffe wieder eine Gelegenheit zu bekommen, um Ihnen andere, vielleicht bedeütendere Seltenheiten, auch einiges von Ihren hiesigen Freünden z[u] senden. Wie aber Alles diess bey Ihnen ankommen werde, weiss ich nicht, u[n]d wann, noch weniger. Ich kann nichts als bitten, u[nd] das Glück auf den Weg wünschen. Dass mich Ihr letztes Billet, worin Sie v[on] d[e]r V[e]rsteinerung durch Nied[erer] sprechen so wie alle Ihre herzl[ichen] Worte der Liebe, der Kraft u[n]d der väterlichen Winke, höchlich entzückt haben, darf ich Ihnen nicht erst sagen: durch der guten Mutter Pestal[ozzi], Nied[erers], Krüsis, der Kasth[ofer] u[nd] Henings Briefe bin nun ganz in eüre gegenw[ärtig] gewiss nicht unglückl[iche] Lage versetzt, so dass ich mir gl[au]be klar vorstel[len] z[u] können, wie Ihr eben jetzt lebt, sprecht u[nd] wirkt. Allen diesen Guten u[nd] Lieben danke tausendmal für Ihre Nachrichten. Ob es mir möglich seyn werde, einigen andern zu schreiben, kann noch nicht bestimmen. Gegenwärtig bin ich über Kopf u[nd] Hals beschäftigt, dass ich oft nicht weiss, wo angreifen; indessen ist mir das recht, ich fühle mich nun in meinem Element u[nd] zufrieden. Die PastoralGeschäfte gehen es ist nicht zu läugnen, etwas hinkend neben her, u[n]d das Schulmeistern an Kindern, Männern u[n]d Frauen streckt den Kopf weit voraus: es wird sich aber bald alles freündlich u[n]d harmonisch zusammen gesellen, sobald der erste Stoss wird gegeben seyn. Meine Schule hat guten Fortgang, 4 Gehülfen arbeiten

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aus allen Kräften, mit Einsicht u[nd] Ruhe: Der Bruder von Bourdillon wird bey Ihnen seyn, nach 2 Jahren wünsche ihn hier zu haben u[nd] zum Gehülfen zu machen. Lassen Sie sich ihn doch recht empfohlen seyn und geben Sie mir Bericht über ihn durch Krüsi. Ich sehne mich, wie eine Braut auf ihren Bräutigamm wartet, nach Nied[erers] Buch, 2 te Aufl[age] dünn an Leib, dick an Gehalt, eben so auf Juliens franz[ösisch] geschr[iebenen] Rapport. Mit diesen 2 Schriften werde ich hier Posaunen blasen, u[nd] Thür u[nd] Thor aufschliessen. Unterdessen setze meine Schüler ganz im Stillen in den Stand, dass man sie sehen lassen darf, u[nd] das weitere wird der gute Geist der Sache schon mit sich bringen als Bescheerung. Sobald ich denke im Stande zu seyn, etwas Wesentliches und Unzerstörbares für den Volksunterricht zu leisten, so lasse nicht nach, bis mir Lehrer zur Vorbereitung übergeben werden. Lassen Sie mir doch durch die Kasthofer schreiben, ob Mad[ame] Mengden im Stande u[n]d g e e i g n e t ist, eine Töchternschule zu führen. Denn auch eine solche bin Willens mit meiner Knabenschule in Verbindung zu bringen. Wollen Sie nicht so gut seyn, u[n]d an den Grafen Kotschubey schreiben; er wird gerne einen Brief von Ihnen empfangen u[nd] Sie erhalten dadurch bey ihm, der doch oft by der Kais[erlichen] Mutter ist, das Andenken an die Sache warm. Eben darum, weil man hier viel davon, ohne Sinn u[nd] Kenntniss, meistens mit Abneig[un]g, Gleichgültigkeit u[n]d Spott davon spricht, halte ich mich für einmal noch ganz im Hinterhalt. Die Eltern meiner 13 Knaben sind äusserst zufrieden u[n]d schätzen sich glücklich ihre Kinder in meiner Schule zu wissen. Ich hoffe, in Allem Fortschritt zu machen u[n]d Gutes zu wirken. Was mir in meiner pädagogischen Wirksamkeit sehr zuträglich seyn wird, ist meine Verbindung mit angesehnen, theilnehmenden u[n]d mich liebenden Männern, auch dass ich als Prediger u[n]d Gesellschafter beliebt u[n]d geschätzt bin: u[n]d an keinem Orte ist wohl Protection nöthiger als hier. Ökonomisch bin ich nun auch gesichert, besonders wenn der Werth unsers Geldes besser wird, wozu aller Anschein vorhanden u[n]d wirklich schon der Anfang geschehen ist. Wäre es mir nicht so stark u[n]d wohlmeinend widerrathen worden von Hause aus, so hätte ich nun schon eine ganz für mich passende Frau. Allein die Vorstellungen, Abräthe u[nd] Bitten v[on] den Meinigen haben mich äusserst bedenklich gemacht, u[n]d noch ist Alles beym Alten; kann es auch noch lange bleiben, obschon es ganz eigne Schwierigk[ei]t[en] u[nd] Unannehmlichkeiten für mich hat, ledig zu leben. Je länger man wartet, desto ängstlicher wird man. Die Zeit wird doch auch

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für mich das Beste herbeyführen. – Prof[essor] Escher von Zurich schreibt mir: «Du weisst, dass Nied[erer] gegen den Bericht der eidgen[össischen] Comm[ission] eine Schrift drucken liess. Abges[ehen] v[on] der Sache, ist der Ton d[e]rs[elben] durchaus unwürd[i]g, u[n]d fällt an einigen Orten beyn[ahe] wie pöbelh[aft], auch erstrecken sich die Beschimpfungen n[icht] bloss auf d[ie] Comm[ission], s[on]d[e]rn auf Evers u[n]d and[ere] Philologen. Dagegen machte nun Brämi einige Dutzend Fragen, die sich ganz auf die Schrift gründen, Widerspr[üche] u[n]d falsche Beh[au]pt[un]gen d[e]rs[elben] ausheben, u[nd] auch die Injurien, welche in d[e]r Schr[if]t enth[alten] s[ind], n[icht] v[e]rg[e]ssen. Diese Fragen liess er in d[e]r Bürkli Z[ei]t[un]g abdrucken, w[ei]l die Allgem[eine] Z[ei]t[un]g dies[e] n[icht] annehmen wollte, indem sie schon im Streit war mit dem Institute. Nied[erer] schrieb an Brämi, dass er Antw[ort] machen wolle, u[nd] ford[e]rte, dass sie auch in Bürklis Z[ei]t[un]g aufgenommen werden; Brämi bewog den Bürkli dazu, u[nd] schrieb diess an N[iederer], allein die Antw[orten] kamen nicht. Dagegen mischte s[ich] Vogel in die Sache, fordete v[on] Br[ämi] eine Ehrenerkl[ärung], u[n]d drohte ihm, einen Prozess anzuhängen. Wahrl[ich] lächerl[ich], denn d[e]rgl[eichen] Sachen können n[ach] d[e]n Tribunalien ausgemacht werden. Dabey schrieb er ihm sehr grobe Briefe, allein Brämi lässt sich natürl[ich] nicht erschrecken. Als H[au]ptv[e]rbrechen will man Brämi aufbürden, dass H[err] Blochmann von Bauern in einer Schenke desswegen geprügelt worden. Diess wird in einem Briefe von Yv[erdon] an Brämi «die erste Lumpenwirk[un]g» s[eine]r Fragen genannt. Wahrlich ein edler Ausdruck. Itzt hängt die Sache noch unentschieden. Übrigens kömmt weder Pest[alozzis] Person, noch die Methode eigentl[ich] ins Spiel u[n]d Brämi lässt in den Fragen Pestal[ozzis] Absichten alle Gerechtigkeit wiederfahren. – Viel neües kann ich dir v[on] hier nicht sagen, als dass unter uns[ern] Studenten grosse Unsittl[ichkeit] u[n]d Unordnung herrscht, sodass wir uns zu strengen Massregeln genöthigt sehen; v[e]rschiednen s[in]d die Stipendien entzogen worden, einen hat man relegirt, u[n]d einem ist Relegation angekündigt, wenn neüe Klagen entstehen. Überh[au]pt aber ist d[e]r G[ei]st der Ungebundenh[ei]t u[n]d der Widersetzlichk[ei]t, Mangel an Acht[un]g gegen Eltern u[nd] Lehrer sehr gross. Wahrscheinlich eine Folge der Revolution. Nur kräftige Massregeln können hier helfen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Ich bitte vorsichtig zu seyn mit der Benutzung dieser Äusserungen. O Ihr schwarzen Zürcher, der Schwerzeli muss früh Tag machen. Von Ihren Antworten schrieb mir schon Henning etwas. –

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Wenn ich sie nur bekommen könnte? – Hier haben Sie einen Brief vom ältern Rennenkampf. Der jüngere hat sich mit einer Brunn von Kopenhagen verehlicht u[n]d wird Güterbesitzer. – Wenn Sie Mad[ame] Dupeyron sehen so sagen Sie ihr, nebst meiner Empfehlung, die Mad[emoiselle] Herrenschwand von Murten, sey hier gut placirt bey H[errn] Bacheracht, einem Kaufmann, der auch im Institut gewesen u[nd] 2 Söhne in Genf hat, welche dort das Gymnasium mit einem Gouverneur besuchen, u[n]d jährlich 10’000 R[ubel] kosten. – Hennings Brief war für mich sehr reichhaltig, ich schreibe meinen preussischen Freünden nächstens. Die Nachrichten von dem Wohlverhalten meiner Schwester erquicken mich. Die Meinigen wünschen sehr, dass sie eine bessre Handschr[ift] bekomme. Herzlichen Dank Ihnen allen für die ihr erwiesne Liebe. Nied[erers] Buch cirkulirt u[n]d findet Freünde. Krüsis Bericht über die Lehrer gab mir herzl[ichen] Genuss u[n]d erhebende Erinnerungen. Ich komme alle Donnerstag mit meinen Lehrern zusammen, da theile ich ihnen viel von Yverdon mit. Nägeli hat im Morgenblatt auch tüchtig ausgeschlagen. Der Heidelberger wird wol auch nicht schweigen. Was macht Wangenheim bey seiner neüen Stellung? – Von Asmus in meiner Nähe hör ich gar nichts. In Riga scheint es mit der Methode auch keinen Fortgang z[u] haben. Auch Zeller arbeitet nun still. Höchst neügierig bin ich zu erfahren, was Schmid bey Ihnen gemacht, u[n]d welches s[eine] gegenw[ärthigen] Ansichten seyen wie er sich besonders gegen Sie persönlich, benommen. Heer in Glarus wird gewiss auch viel Gutes wirken, sollte s[eine] allgem[eine] Grammatik herauskommen so bitten Sie doch Nied[erer], sie mir zuzuschicken. Noch habe ich die letzte Sendung v[o]n Büchern, worin die Wochenschr[ift] u[n]d andres nicht erhalten, wie drückend ist doch diese Entfernung! Sollte ich niemandem mehr schreiben können, so bitte, dass mich alle entschuldigen und nicht an meiner Liebe zweifeln. Gott sey mit Ihnen theürer Vater. – Muralt.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 250/11 Bogen, 188 x 112 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 5

St. Petersburg d[en] 24t Jan[uar]: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift

501 Z. 6 Z. 11 Z. 27 Z. 36 Z. 42 f. Z. 47 Z. 48 Z. 56 Z. 57 Z. 60 Z. 73 Z. 84 Z. 84 Z. 85 Z. 86 Z. 90 Z. 90 Z. 91 Z. 97 Z. 97 Z. 101 Z. 111 Z. 113 Z. 121–122 Z. 127 Z. 127 Z. 128 Z. 129 Z. 130 Z. 130 Z. 131 Z. 131 Z. 133 Z. 134 Z. 139 Z. 142 Z. 142 Z. 145 Z. 145 Z. 147 Z. 148 Z. 150 Z. 150 Z. 152

il vaut mieux tard que jamais: lateinische Schrift Jan[uar]: lateinische Schrift Pestal[ozzi], Nied[erers]: lateinische Schrift Pastoral: lateinische Schrift Bourdillon: lateinische Schrift Nied[erers]: lateinische Schrift Juliens: lateinische Schrift Kasthofer: lateinische Schrift Mad[ame] Mengden: lateinische Schrift Kotschubey: lateinische Schrift Protection: lateinische Schrift Prof[essor]: lateinische Schrift Zurich: lateinische Schrift Nied[erer]: lateinische Schrift Comm[ission]: lateinische Schrift Comm[ission]: lateinische Schrift Evers: lateinische Schrift Brämi: lateinische Schrift Nied[erer]: lateinische Schrift Brämi: lateinische Schrift Vogel: lateinische Schrift Pest[alozzis]: lateinische Schrift Pestal[ozzis]: lateinische Schrift Wahrscheinlich … !: grössere Schrift, lateinische Schrift Rennenkampf: lateinische Schrift Brunn: lateinische Schrift Kopenhagen: lateinische Schrift Mad[ame] Dupeyron: lateinische Schrift Mad[emoiselle] Herrenschwand: lateinische Schrift Murten: lateinische Schrift placirt: lateinische Schrift Bacheracht: lateinische Schrift Gouverneur: lateinische Schrift R[ubel]: lateinische Schrift Nied[erers]: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Nägeli: lateinische Schrift Asmus: lateinische Schrift Riga: lateinische Schrift Zeller: lateinische Schrift Schmid: lateinische Schrift Heer: lateinische Schrift Glarus: lateinische Schrift Nied[erer]: lateinische Schrift

502 Sacherklärung I. Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 II. Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) berichtete in regelmässigen Briefen über sein Leben, die gemeinsamen Bekannten und die Aufnahme und Diskussion der Methode in St. Petersburg. Zudem erkundigte er sich jeweils auch nach den neuesten Ereignissen in Yverdon. III. Z. 6 Z. 9

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il vaut mieux tard que jamais: besser spät als nie (frz.) alte Kalender: 1582 wurde der Gregorianische Kalender durch eine Bulle des Papstes Gregor XIII. (1502–1585) dekretiert. Nur Spanien, Portugal, Polen und teilweise Italien übernahmen die Reform am 5./15. Oktober 1582, die meisten katholischen Länder folgten in den nächsten Jahren, während die Reform in den protestantischen Ländern zuerst meist abgelehnt wurde. Russland führte den neuen Kalender erst am 14. Februar 1918 ein. Bündten: Während die reformierten Orte der Schweiz die Kalenderreform am 31. Dezember 1700/12. Januar 1701 vollzogen, erfolgte in Graubünden der offizielle Übergang zu verschiedenen Terminen zwischen 1760 und 1812. Billet: PSB VII, Nr. 2724 Nied[erer]: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Mutter Pestal[ozzi]: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Krüsis: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Kasth[ofer]: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 Henings: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Schule: Ende 1811 hatte Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) die Erlaubnis erhalten, in St. Petersburg eine Privatschule mit Unterricht in Religion, russischer, deutscher und französischer Sprache, Zeichnen, Schönschreiben, Arithmetik, Geometrie, Musik und Gymnastik zu eröffnen. Zu Beginn von sieben Knaben besucht, wuchs die bald in ein Pensionat umgewandelte Schule schnell und stark – zur Blütezeit besuchten rund 80 Schüler Muralts Institut –, sodass sie mehrmals umziehen musste. Als in den 1820er-Jahren auch Söhne aus der russischen Oberschicht zur Erziehung angenommen wurden, richtete sich die Schule verstärkt auf muttersprachlichen Unterricht aus und beschäftigte auf dem Gebiet der russischen Sprache und Literatur zahlreiche renommierte Kräfte. 1837 sah sich Muralt aufgrund finanzieller Probleme und verstärkter Konkurrenz durch Kron- und städtische Lehranstalten zur Schliessung seiner Schule gezwungen. 4 Gehülfen: Es ist nicht eindeutig klar, auf welche vier Mitarbeiter Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) hier verweist. Schon in einem Bericht zu seiner Schule von 1812 (StA Zürich, W I 20.130.1) tauchen insgesamt sieben Namen von Lehrern auf, die als «vollkommen mit mir in Grundsätzen übereinstimmende Gehülfen» den Unterricht in einzelnen Fächern erteilten: Im Sprachunterricht wirkten Karl Friedrich Radlow/Radloff (1783–1842, ⇒ Nr. 1189), Liepmann, Subakowitsch und Jean-JacquesRaymond Bourdillon (*1787, ⇒ Z. 42 f.), im Mathematikunterricht Radlow/

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Radloff und Liepmann, im Unterricht in Kunstfertigkeiten Jakob Christoph Miville (1786–1836), Jahn und Trendelenburg. Über Liepmann, Subakowitsch, Jahn und Trendelenburg ist nichts weiter bekannt. Miville, ein bedeutender Schweizer Maler der Romantik, gelangte nach Kunstausbildungen in seiner Vaterstadt Basel, Zürich und Rom, nach Russland, wo er ab 1810 als Landvermesser und Maler des Grafen Grigorij Vladimirovic Orlov (1777–1826, ⇒ Brief vom 5. Mai 1822) angestellt war, bevor er von 1812 bis 1816 als Zeichenlehrer bei von Muralt arbeitete. 1816 kehrte er in die Schweiz zurück und arbeitete weiterhin nicht nur als Künstler sondern auch als Lehrer an der Zeichenschule der Gemeinnützigen Gesellschaft in Basel. Bruder: Jean-Ami-Antoine Bourdillon (*1798) wanderte nach einem Studium an der Genfer Akademie um 1816 als Kaufmann nach Frankfurt am Main aus. Bourdillon: Jean-Jacques-Raymond Bourdillon (*1787) aus Genf studierte an der dortigen Akademie, lebte ab 1808 in Russland und reiste 1822 nach Martinique, wohin 1803 bereits sein älterer Bruder Ami-Jean Bourdillon (1783–1872) ausgewandert war. Nied[erers] Buch: Johannes Niederer: Pestalozzis Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur, Teil 1. Yverdon 1812 Juliens: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200 Rapport: Marc-Antoine Jullien: Esprit de la méthode d’éducation de Pestalozzi, suivie et pratiquée dans l’institut d’éducation d’Yverdun, en Suisse. Milan 1812 Mad[ame] Mengden: Wilhelmine Helene Mengden-Sivers (1781–1836) stammte aus Tartu (Dorpat, Estland) und heiratete 1800 den königlich preussischen Kammerherrn und Landrichter Carl Gustav von Mengden (1767–1808). Nachdem sie Yverdon im Sommer 1811 besucht hatte, plante sie mit Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) in St. Petersburg ein Mädcheninstitut zu gründen, woraus aber offenbar nichts wurde. Ob sie sich wie geplant ab Februar 1814 in St. Petersburg im Irrenhaus zur Lehrerin ausbilden liess, ist unklar. Sicher ist, dass sie im selben Jahr die Erziehung ihrer vier Nichten und Neffen übernahm (ZB Zürich, Ms Pestal 826 b, 136, Nr. 19); dabei dürfte es sich wohl um die Kinder ihrer im selben Jahr verstorbenen Schwester Anna Wilhelmine Freytag von Loringhoven (1778–1814) handeln. Kotschubey: Viktor Pawlowitsch Kotschubey (1758–1834) ⇒ Nr. 1007 Kais[erlichen] Mutter: Maria Feodorowna, Zarin von Russland (1759–1828) ⇒ Nr. 1211 Wäre … Frau: Diese Information kommentierte Rosette NiedererKasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) auch in ihrem Brief an Johannes von Muralt (780–1850, ⇒ Nr. 610) vom 9. April 1812 (ZB Zürich, Ms Pestal 819/13, Umschlag 3). Escher: Heinrich Escher (1781–1860) aus Zürich wurde 1807, nach einem Theologiestudium und einem darauf folgenden Aufenthalt an der Universität Halle und in Paris, von der Zürcher Regierung zum Professor der allgemeinen und vaterländischen Geschichte am Politischen Institut und am Carolinum ernannt. Nebst seiner Lehrtätigkeit – nach der Umgestaltung des höheren Schulwesens übernahm er 1832 die Professur für allgemeine und schweizerische Geschichte am neu eingerichteten Zürcher Gymnasi-

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um – amtete Escher von 1817 bis 1850 auch als Erziehungsrat und war bis 1847 Aktuar des Gremiums. schreibt mir: scheint nicht erhalten zu sein Evers: Ernst August Evers (1779–1823) ⇒ Nr. 1081 Brämi: Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784 abdrucken: Johann Heinrich Bremi: Bescheidene Fragen an das Pestalozzische Institut, veranlasst durch dessen Appellation an das Publikum. In: Züricher Freitags-Zeitung vom 27. September (Nr. 39) 1811, vom 4. Oktober (Nr. 40) 1811 vom 11. Oktober (Nr. 41) Allgem[eine] Z[ei]t[un]g: Dabei dürfte es sich um die von Johann Friedrich Cotta, Freiherr von Cottendorf (1764–1832, ⇒ Nr. 617) zu diesem Zeitpunkt in München herausgegebene Allgemeine Zeitung handeln. schrieb: Der Brief von Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) an Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) vom 15. Oktober 1811 ist abgedruckt in: Johann Heinrich Bremi: Ueber die Schrift Pestalozzi’s ‹Erziehungsunternehmung im Verhältniss zur Zeitcultur›, früher genannt das Pestalozzische Institut an das Publicum. Zürich 1812, S. 11–12. schrieb: Der Brief von Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) an Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) vom 18. Oktober 1811 ist abgedruckt in: Johann Heinrich Bremi: Ueber die Schrift Pestalozzi’s ‹Erziehungsunternehmung im Verhältniss zur Zeitcultur›, früher genannt das Pestalozzische Institut an das Publicum. Zürich 1812, S. 12–14. Vogel: David Vogel (1760–1849) ⇒ Nr. 1187 a Blochmann: Karl Justus Blochmann (1786–1855) ⇒ Nr. 1111 Briefe: PSW VII, Nr. 2685 schwarzen Zürcher: Damit könnte eine Anspielung auf die Zürcher Pestalozzi-Kritiker gemeint sein, die sich nach Ansicht Johannes von Muralts (1780–1850, ⇒ Nr. 610) Mühe geben sollten, die Repliken aus Yverdon auf ihre Vorwürfe zu widerlegen. Muralt kannte die Reaktionen aus Yverdon zumindest teilweise. Schwerzeli: Teufel Brief: ⇒ Nr. 1299 Rennenkampf: Karl Jacob Alexander, Edler von Rennenkampf (1783–1854) ⇒ Nr. 891 jüngere: Gustav Reinhold Georg, Edler von Rennenkampf (1784–1869), geboren auf Schloss Helmet (Estland) und ab 1818 dessen Erbherr, war Kirchspielrichter (bis 1817), Rat der Oberdirektion der Livländischen Adeligen Güter Kredit-Sozietät (1827–1836), Mitglied der Kommission zur Einführung der neuen Bauernverordnung (1818–1826) und livländischer Landrat (ab 1847). Brunn: Antoinette Ernestine Auguste von Brun (1790–1845) war die Tochter des Kaufmanns und dänischen Legationsrats Constantin Brun (1745/46–1836) und von Friederike Brun-Münter (1765–1835, ⇒ Nr. 531). Sie heiratete Gustav von Rennenkampf (1784–1869, ⇒ Z. 127) am 11. Oktober 1811 in Kopenhagen. Mad[ame] Dupeyron: Madame Dupeyron konnte nicht näher bestimmt werden. Mad[emoiselle] Herrenschwand: Damit könnte Elisabeth Herrenschwand gemeint sein, die in Russland lebte und mit dem ehemaligen Neuenburger Stadtrat Heinrich Chaillet (†1825) verheiratet war. Ein Kontakt zur Familie Bacheracht (⇒ Z. 131) lässt sich allerdings nicht nachweisen.

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H[errn] Bacheracht: Hier ist wohl Johannes Bacheracht (*1761) gemeint, der 1797 Katharina Meybohm (†1852) heiratete. Bacheracht führte das Handelshaus seines Vaters Gabriel (1728–1804) weiter, der zur ersten Gilde der St. Petersburger Kaufleute zählte und 1799 von Zar Paul I. (1754–1801, ⇒ Nr. 520) zum Hofrat ernannt worden war. Die Familie war im 17. Jahrhundert von Holstein nach Moskau und dann nach St. Petersburg ausgewandert und betätigte sich dort im Aussenhandel. Das Handelshaus Bacheracht & Söhne wurde von Gabriel Bacheracht (1693–1775) begründet, der 1767 Bürgermeister der ausländischen Kaufleute in St. Petersburg war. 2 Söhne: Georg Bacheracht (1800–1874) übernahm als Kaufmann den väterlichen Beruf, während Robert/Roman Ivanovic (1798–1884) 1817 in den diplomatischen Dienst Russlands eintrat. Er war von 1825 bis 1850 russischer Generalkonsul in Hamburg, anschliessend bis 1857 in Brüssel, bis 1864 in Korfu und bis zu seinem Tod in Genua. Er war in erster Ehe mit der deutschen Schriftstellerin Therese von Struve (1804–1852) verheiratet, von der er sich 1849 scheiden liess. Gouverneur: konnte nicht näher bestimmt werden Brief: scheint nicht erhalten zu sein Schwester: Anna Felicitas Locher-von Muralt (1797–1872) trat 1811 ins Töchterinstitut (⇒ Nr. 867) ein. Sie heiratete 1820 den Bettwarenfabrikanten Hans Conrad Locher (1794–1866). Krüsis Bericht: Damit ist der Brief von Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) an Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) vom August 1811 gemeint, in dem er in diversen einzelnen Abschnitten von den aktuellen Tätigkeiten und Fortschritten der verschiedenen Lehrer berichtet (StA Zürich, W I 20.134). Nägeli: Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 Morgenblatt: Im Morgenblatt für gebildete Stände ist für das Jahr 1812 kein Artikel Hans Georg Nägelis (1773–1836, ⇒ Nr. 998) verzeichnet. Es könnte sich hier um den von Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) Nägeli zugeschriebenen Artikel Beitrag zur Berichtigung der Urteile über Pestalozzi und seine Erziehungsanstalt, in Beziehung auf die Schrift: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verleumderische Angriffe (Morgenblatt Nr. 1 und 2/1812) handeln. Dieser grundsätzliche Beitrag zur Verteidigung Pestalozzis ist im Zusammenhang mit der Kritik am Institut in Yverdon zu sehen, die Karl Ludwig von Haller (1768–1854, ⇒ Nr. 908) in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen am 13. April 1811 und dann noch einmal von Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) am 27. September 1811 in der Freytags-Zeitung losgetreten hatten. In diesem Zusammenhang ist am 15./16. November 1811 ein zweiteiliger anonymer Aufsatz Ueber Pestalozzis neueste Rede im Morgenblatt erschienen (S. 1093–1099). Möglicherweise ist hier auch dieser Beitrag gemeint. Heidelberger: Friedrich Heinrich Christian Schwarz (1776–1837) ⇒ Nr. 947 Wangenheim: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 Asmus: Martin Asmuss (1784–1844) ⇒ Nr. 1222 Riga: Über Rückschläge bei der Etablierung einer auf Pestalozzi sich berufenden Schule gibt es keine näheren Angaben. Karl Otto von Transehe (1761–1837, ⇒ Nr. 1255), der seine Söhne Karl Friedrich Erich (1802–1868, ⇒ Nr. 1314) und Alexander Theodor Otto (1804–1820, ⇒ Nr. 1314) bis zum Spätsommer 1811 im Institut in Yverdon untergebracht hatte, ging mit seinen Söhnen zurück ins Baltikum und nahm Barbara Lucia Burkhart-

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Jezler (1789–1864, ⇒ Nr. 1256) nach Riga mit. Doch sie zerstritt sich bald mit Transehes Frau Dorothea Margarethe von Transehe-von Gersdorff (1784–1821, ⇒ Nr. 1189), so dass die Kooperation zum Erliegen kam. Dabei hatte Transehe sogar die Übersiedlung von Pestalozzi nach Riga ins Auge gefasst (vgl. Marcel Müller-Wieland/Herbert Schönebaum: Pestalozzis Beziehungen zu Österreich und Russland. Zürich 1962, S. 126 f.). Zeller: Karl August Zeller (1774–1846) ⇒ Nr. 656 Schmid: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 gemacht: ⇒ Nr. 1308 Heer: Damit dürfte wohl Jakob Heer (1784–1864) aus Glarus gemeint sein. Er war seit 1802 Diakon in Mollis (Kt. Glarus), anschliessend ab 1805 Pfarrer in Azmoos und seit 1807 in Henau (beide Kt. St. Gallen). Aus gesundheitlichen Gründen trat Heer 1811 vom Pfarramt zurück und wurde Lehrer für Sprache und Mathematik im neu gegründeten heerschen Institut in Glarus. 1816 bis etwa 1852 wirkte er als Pfarrer im glarnerischen Matt. allgem[eine] Grammatik: scheint nicht gedruckt worden zu sein Wochenschr[ift]: Wochenschrift für Menschenbildung (1807–1811)

1304 a. Christian De Bary 24. Januar 1812 [Reg.] De Bary zeigt sich erfreut über die Fortschritte seiner Kinder.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 22.6 ff. Sacherklärung I.

Christian De Bary (1775–1857), Bruder von Samuel De Bary (1776–1853, ⇒ Nr. 1304 b), ist in Frankfurt am Main als Handels- und Kaufmann tätig. 1800 tritt er in die Firma Johann Mertens ein und heiratet ein Jahr später Sophie Karoline Christiane Pilgrim (†1853); das Paar hat 13 Kinder. 1838 zieht er nach Ludwigsburg und stirbt in Weinheim.

Z. 4

III. Kinder: Adolf/Adolph De Bary (1804–1853, ⇒ Nr. 1251) und Johann/Jean De Bary (1802–1852, ⇒ Nr. 1251)

1304 b. Samuel De Bary 24. Januar 1812 [Reg.] De Bary ist zufrieden mit den Fortschritten seines Sohnes.

507 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 23.10 f. Sacherklärung I.

Samuel De Bary (1776–1853), Bruder von Christian De Bary (1775–1857, ⇒ Nr. 1304 a), stammt aus einer Kaufmannsfamilie aus Frankfurt und ist von 1802 bis 1808 Mitbesitzer und Mitführer der Firma Johannes de Bary Söhne, der Gold- und Silberwarenfabrik seines Vaters. 1808 tritt er in die Firma Preye und Jordis ein, eine Eisenhandlung, die auch im Bankgeschäft tätig ist, ab 1826 leitet er diese alleine weiter, 1831 wird er Mitglied der Bürgerrepräsentation. 1802 heiratet Samuel De Bary Johannette Henriette Veronika Jordis (1783–1813, ⇒ Nr. 1251), mit der er drei Kinder hat: Johann Heinrich (1803–1872, ⇒ Nr. 1251), Antoinette Sophie (1805–1841) und Karl Ludwig (1807–1873, ⇒ Nr. 1458 b).

Z. 4

III. Sohnes: Johann Heinrich De Bary (1803–1872) ⇒ Nr. 1251

1304 c. Wilhelm Haas 25. Januar 1812 [Reg.] Haas erkundigt sich nach einer Bestellung Pestalozzis.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 9.15 f. Sacherklärung I.

Wilhelm Haas (1766–1838) ⇒ Nr. 709

1305. Baedeker & Kürzel 28. Januar 1812 [Reg.] Baedeker & Kürzel fragen nach einer Zahlung vom Juni 1811.

Überlieferung 1

PSB XIV, S. 146.6 ff.

508 Sacherklärung I. 1798 übernimmt Gottschalk Diederich Baedeker (1778–1841) die Buchhandlung Baedeker & Kürzel in Duisburg und Essen von seinem Vater, dem Fürstlich Essendischen Hofbuchdrucker Zacharias Gerhard Diederich Baedeker (1750–1800). Die ehemalige Wohllebensche Buchdruckerei verlegt Zeitungen und Schulbücher. Lit.: Peter Jürgen Mennenöh: Duisburg in der Geschichte des niederrheinischen Buchdrucks und Buchhandels bis zum Ende der alten Duisburger Universität (1818). Duisburg 1970

1306. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 30. Januar 1812 5

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An den Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeb[or]en zu Yverdon in der Schweiz im Kanton Waadt Berlin den 30 ten Januar 1812

15

Das unterzeichnete Departement übersendet E[u]er Wohlgeb[or]en in der beiliegenden Assignation den Betrag der halbjährigen Unterhaltungskosten für die Eleven Kawerau, Hennig, Dreist und Patzig vom 1 ten März bis ult[im]o Aug[st]en d[ieses] J[ahres]. – Im Fall die drei erstern vor Ablauf dieses Termins von Yverdon abgerufen werden sollten, wird das Departement bestimmen, wie viel von jener Summe zu ihrem Reisegelde gezogen werden soll. Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 3, S. 49 Datum am Schluss, Randbemerkung M[an]d[a]t[um] 18. Febr[uar] mit einem Wechsel über 1170 Fr[anken] z[ur] Post. Copia Textkritik

Zeuge h Z. 5 Z. 8 Z. 10 Z. 11

Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift Waadt: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift

509 Z. 14 Z. 14 f. Z. 15 Z. 15 f. Z. 16 Z. 16

Kawerau, Hennig, Dreist: lateinische Schrift Patzig: lateinische Schrift ult[im]o: lateinische Schrift Fall< sie> die die drei erstern ∫ Yverdon: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

II. Dieser Brief des Preussischen Innenministeriums, Sektion Unterricht (⇒ Nr. 1049) war von einem Brief von Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829, ⇒ Nr. 1049) begleitet, den er, datiert vom 15. Februar 1812, an die sich in Yverdon befindlichen Eleven schickte. Er teilte ihnen darin mit, dass dem Wunsch von Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844, ⇒ Nr. 1453) und Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836, ⇒ Nr. 1599), sich noch etwas länger in Yverdon aufzuhalten, stattgegeben worden sei (P.-Bl. 1894, S. 58–60). III. Z. 13 Z. 14 Z. 14 Z. 14 Z. 14 f.

Assignation: Geld- oder Zahlungsanweisung Kawerau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453 Hennig: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 Patzig: Gotthilf Friedrich Patzig (1788–1877) ⇒ Nr. 1369 b

1307. Albrecht Rengger 31. Januar 1812 5

[Reg.] Rengger teilt Pestalozzi mit, dass Preisig im Institut in Yverdon Chemie und Mineralogie unterrichten möchte.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 11.19 ff. Sacherklärung I.

Albrecht Rengger (1764–1835) ⇒ Nr. 646 III. Z. 4

Preisig: Johannes/Johan/Jean Preisig (1775–1814) ⇒ Nr. 963

510 1307 a. Baronin Elisabeth von Kaiserstein-von Herbert 31. Januar 1812 5

[Reg.] Frau von Kaiserstein teilt Pestalozzi mit, dass sie einen Brief von ihrem Sohn erhalten habe.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 35.12 ff. Sacherklärung I.

Baronin Elisabeth von Kaiserstein-von Herbert (1746–1823) ⇒ Nr. 1235 c III. Z. 4

Sohn: Johann Nepomuk Emanuel von Kaiserstein (1800–1848) ⇒ Nr. 1235 c

1308. Joseph Schmid Januar/Februar 1812 5

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Schmid schreibt, dass er die versprochne Vorrede zu seiner angewandten Form und Grössenlehre noch nicht geschickt, weil die Überzeugung in ihm lebt, dass es gefährlich sei, den Menschen etwas nur halb zu zeigen, wenn man nicht will missverstanden werden. Der Brief handelt von dieser Arbeit u[nd] schliesst mit den Worten:

Ich kome in mein Vaterland nach Bregenz, werde im Frühjahr anfangen praktisch thätig zu seyn. Ich brenne im Leben zu zeigen dass ich Ihrer Vaterliebe werth bin u[nd] dass meine Anmasslichkeit im Schreiben eine Folge eines geseegneten Tuns war, frejlich bis jezt nur im Schreiben. Ein dehmütiges Hingeben an ein höheres Wesen war von jeher ein Grund zu meinem Charakter und Tiefe meines Gemüth in der Erziehung begründet. Wenn aber die Natur einen Menschen mit schönen Gaben ausstattet, so wendet die Welt, Weltsinn und der Teüfel, den höchsten Fleiss daran ihn zu verführen. – Von Jugend auf konnte ich bethen, mich an ein höheres Wesen hingeben, trauen und danken. – Ich kann es auch jezt wieder. Ich kenne die Stimme die Menschen mit Gott und Gott mit den Menschen verbindet. Ich bin kein unglückliches, verwaistes Kind mehr. Ihr in Liebe ersterbender

511 Überlieferung 1 5 6

ZB Zürich, Ms Pestal 823, S. 115 Abschrift Teil des Briefes von Rosette Niederer-Kasthofer an Johannes von Muralt vom 27. Januar 1812 Textkritik

Zeuge [h] Z. 10 f.

Anmasslichkeit im Sacherklärung I.

Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 II. Dieser Auszug aus einem nicht erhaltenen Brief Joseph Schmids (1785–1851, ⇒ Nr. 712) ist aus dem Kopierbuch von Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) bekannt. In einem Brief an Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) notiert sie diesen Auszug sowie die (klein gedruckten) einführenden Sätze. III. Z. 10 f.

Anmasslichkeit im Schreiben: Joseph Schmid: Erfahrungen und Ansichten über Erziehung, Institute und Schulen. Heidelberg 1810

1308 a. Christoph Maximilian Jury Februar 1812 5

[Reg.] Jury teilt Pestalozzi mit, dass er sich gerade in Schwierigkeiten befinde und bittet um Unterstützung.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 38.30 f. und S. 39.13 ff. Sacherklärung I.

Christoph Maximilian Jury ⇒ Nr. 706 II. Seit 1804 als Lehrer an der Stadtschule in Murten angestellt, hat Christoph Maximilian Jury (⇒ Nr. 706) diesen Posten 1812 aufgrund einer fehlenden Niederlassungsbewilligung und wegen Unzufriedenheit mit seinem mathematischen Unterricht verloren, woraufhin Pestalozzi mit diversen Empfehlungsschreiben versuchte, ihm zu einer neuen Anstellung zu verhelfen (PSB VIII, Nr. 2862, Nr. 2865, Nr. 3007).

512 1309. Ruprecht Zollikofer Anfang Februar 1812 5

[Reg.] Zollikofer erkundigt sich, ob in Yverdon ein Musiklehrer, Herr Roth, gebraucht werde und bedauert das Schicksal von Herrn Jury.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 25.22 ff. Sacherklärung I.

Ruprecht Zollikofer (1787–1872) aus St. Gallen wird 1807 Helfer und Lehrer in Murten, wo er 1809 auch seine erste Pfarrstelle antritt. Ab 1816 wirkt er in seiner Heimatstadt als Pfarrer am Linsenbühl. Zollikofer initiiert 1824 das «St. Galler Jugendfest», das heute noch unter dem Namen «Kinderfest» gefeiert wird. 1837 wird ihm das Präsidium des örtlichen Bezirksschulrats übertragen, das er bis ca. 1863/64 ausübt. Danach engagiert er sich als Hauptförderer und Präsident eines Rorschacher Aktienvereins zur Gründung einer privaten Realschule für protestantische Mädchen. Ein Jahr vor seinem Tod gibt Zollikofer das Amt der inzwischen eröffneten und gut besuchten Anstalt «zum Bäumlistorkel» ab. II. ⇒

Nr. 1308 a III.

Z. 4 Z. 5

Herr Roth: Ein Musiklehrer Roth konnte nicht näher bestimmt werden. Jury: Christoph Maximilan Jury ⇒ Nr. 706

1309 a. Yves Marie Baron Pastol de Keramelin 4. Februar 1812 [Reg.] Pastol teilt Pestalozzi mit, dass er sich in Trient aufhalte.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 31.10 f. Sacherklärung I.

Yves Marie Baron Pastol de Keramelin (1770–1813) aus Guingamp (Bretagne) durchläuft eine Militärkarriere, welche ihn ab 1792 in verschiedenen Graden auf das Mittelmeer, in die Westarmee, mehrfach nach Italien, 1798 und 1802/03 in die Helvetische Armee und später auch nach Österreich bringt, bevor er 1804 zum Brigadegeneral

513 und 1809 zum Baron des französischen Kaiserreichs ernannt wird und als solcher 1813 in Lützen den Folgen einer Kampfverwundung erliegt. III. Trient: Trento (Trentino-Südtirol)

Z. 4

1309 b. Isaac Cox Barnet 6. Februar 1812 [Reg.] Barnet erkundigt sich nochmals wegen des Englischlehrers.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 27.32 ff. Sacherklärung I.

Isaak Cox Barnet (1773–1833) ⇒ Nr. 1267 b II./III. ⇒

Nr. 1301 b

1309 c. Johann Heinrich Brunner 8. Februar 1812 [Reg.] Brunner bittet Pestalozzi, einen seiner Knaben zum Lehrer auszubilden.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 64.30 ff. Sacherklärung I.

Damit dürfte Johann Heinrich Brunner (1749–1834, ⇒ Nr. 478) gemeint sein.

Z. 4

III. Knaben: Wenn es sich beim Briefschreiber wirklich um Johann Heinrich Brunner (1749–1834, ⇒ Nr. 478) handelte, dann kann hier eher nicht sein Sohn Hans Caspar Brunner (1776–1854, ⇒ Nr. 466) gemeint sein, da dieser zum Zeitpunkt des Briefes als Handlungsteilhaber von Hottinger & Brunner bereits Konkurs gegangen und als königlich bayrischer Oberbuchhalter

514 bei der Münchner General-Zoll- und Mautdirektion angestellt war. Möglicherweise war hier einer der Söhne von Hans Caspar Brunner aus erster, 1808 geschiedener Ehe gemeint: Jakob Wilhelm (*1800), später Kanzleisubstitut und Bezirksgerichtsschreiber in Andelfingen, oder Carl Ferdinand (*1804), ordinierter reformierter Theologe in München. Das wären dann die Enkel von Johann Heinrich Brunner, die der Grossvater möglicherweise im Jahr der Geburt von Eduard (*1812) aus der ein Jahr später geschlossenen zweiten Ehe Hans Caspar Brunners nach Zürich zurückholen wollte. Dass der Lehrerberuf in der Familie Brunner durchaus eine berufliche Option war, sieht man daran, dass Hans Caspars Schwester Anna Cleophea (1782–1843) im Bürger-Etat als Privatlehrerin geführt wird.

1310. Heinrich Remigius Sauerländer 11. Februar 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 29.22 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1310 a. Melchior Leuenberger 11. Februar 1812 [Reg.] Betrifft die bei Leuenberger lagernden Schriften Pestalozzis.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 58.5 f. Sacherklärung I.

Melchior Leuenberger (*1773) ⇒ Nr. 1115 c II. Die Buchdruckerei Gaudard und Leuenberger (⇒ Nr. 703) vertrieb die Elementarbücher Pestalozzis.

515 III. Z. 4

Leuenberger: Gaudard und Leuenberger ⇒ Nr. 703

1310 b. Joseph Ignaz Harder 11. Februar 1812 5

[Reg.] Harder bittet um einen Zahlungsaufschub für die Pensionskosten seiner beiden Töchter.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 74.8 ff. Sacherklärung I.

Joseph Ignaz Harder (1768–1840) wächst in Konstanz als Sohn eines Arztes auf. Er studiert 1784 bis 1788 Medizin mit Doktoratabschluss in Freiburg. 1789 wird er Stadtarzt in Radolfzell (Baden-Württemberg), 1812 ebenda Amtsarzt und 1834 Medizinalrat. Im Jahre 1838 erhält er das Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen und wird 1840 zum Geheimen Hofrat ernannt. Harder ist seit 1793 mit Euphemia Karg, Tochter eines Konstanzers Stadtarztes, verheiratet. III. Z. 5

Töchter: Es ist unklar, welche zwei der insgesamt drei Töchter der Harders am Institut waren. Grundsätzlich kommen in Frage: Regina Angelika (*1795), Maria Aloisia (1796–1829) sowie Maria Adelheid (*1803).

1311. Hans Georg Nägeli 12. Februar 1812 5

Monsieur Pestalozzi à Yverdun Iferten, H[errn] Pestalozzi Zürich d[en] 12 t Febr[uar] 1812

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Der Auszug a[us] d[er] eleganten Zeitung, den Sie von mir verlangt haben, kann ich Ihnen noch nicht schicken. Das verhält sich so: Es ist nicht erlaubt, das Exemplar aus dem Lesecabinet wegzu-

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nehmen; ich muss also die Copie an der Stelle machen u[nd] dazu werde ich erst in einigen Tagen Zeit gewinnen. Neulich ist mir Ihr Haus-almanach zu Gesicht gekommen. Ich bitte um einige Exemplare, um, wenn Sie mirs nicht verbieten, eins im Lesecabinet (auf der Chorherren) u[nd] da u[nd] dort abzulegen. Dieser artige aber auf zu wüstes Papier gedruckte Büchelchen hat mich auf die Idee gebracht, Sie sollten, oder man sollte einen Pestalozzischen Almanach unternehmen. Der müsste, inerlich zwar solid, aber äusserlich nothwendig für die elegante Welt zugeschnitten seyn. Die Tages oder Jahres Geschichte der Pädagogik müsste darin in hübschen kleinen feinen Versen vorkommen; dazu rechne ich auch die Geschichte des Instituts mit allen seinen Äusserlichkeiten und zu diesen Äusserlichkeiten rechne ich hier wesentlich ein Namens u[nd] Verzeichnis aller Besuchenden aus der Nähe u[nd] Ferne. Solche Scheinausstellung sind wahrlich unveräusserliche Beförderungsmittel der Sache, wenn man die grosse Zahl der Scheinheiligen und Scheinunheiligen die in weltlichen und geistlichen Dingen nur im Schein und vom Schein leben, in Betracht zieht. Dabey dürfte freylich auch die Musik nicht fehlen, aber so wenig neue Gedichte für und an die Jugend. Im ersten Jahrgang käme schicklich die hübsche Cantatine v[on] Dreist auf Pestalozzis Geburtstag vor, die mit kleinen Nötchen gedruckt nicht zu voluminös wäre. Ein solcher Almanach dürfte 3 bis 4 Schw[eizer] Franken kosten. – Mit Hochachtung un[d Freu]ndschaft H[an]s Georg Nägeli

1 2 4 5

Überlieferung ZB Zürich, Ms Car XV 196.49.8 Blatt, 202 x 239 mm Siegelausriss, Stempel ZURICH 13 FEBR. 1812, Dorsualvermerk 1812 Zurich 12 Febr[uar] Naegeli. Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–7 Z. 15 Z. 19 Z. 23 Z. 24 Z. 24 Z. 28 Z. 35 f.

lateinische Schrift almanach: lateinische Schrift sollten, oder Versen ich auch Instituts mit Sache, wenn Schw[eizer] ∫

517 Z. 37

Siegelausriss Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) hatte sich im publizistischen Streit über die Brauchbarkeit der Methode Pestalozzis, der in der Zürcher Freitags-Zeitung ausgetragen worden war, vehement auf die Seite der Verteidiger Pestalozzis gestellt (⇒ Nr. 1276). In dem Sinne ist auch der vorliegende Brief als eine Anstrengung dafür zu lesen, Pestalozzi und seine Methode bekannt zu machen, um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. III. Z. 8 Z. 10

Z. 10 f.

Z. 15 Z. 17

Z. 33

Z. 33

Iferten: dt. Name für Yverdon Auszug: Hier spielte Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) wohl auf seinen Beitrag im Morgenblatt für gebildete Stände an, den schon Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610) am 24. Januar 1812 (⇒ Nr. 1304) erwähnt hatte. Es handelt sich also entweder um den anonymen Beitrag zur Berichtigung der Urteile über Pestalozzi und seine Erziehungsanstalt, in Beziehung auf die Schrift: Das Pestalozzische Institut an das Publikum. Eine Schutzrede gegen verleumderische Angriffe (Morgenblatt Nr. 1 und 2/1812) oder um den zweiteiligen, am 15. und 16. November 1811 erschienenen anonymen Aufsatz Ueber Pestalozzis neueste Rede im Morgenblatt (S. 1093–1099). verlangt haben: Es ist unklar, wie diese Forderung Pestalozzis zu Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) gelangt war, da keine Briefe Pestalozzis erhalten sind, die darauf Bezug nehmen. Haus-almanach: Neuer Haus-Almanach für die Pestalozzische Erziehungsanstalt 1812. Yverdon 1812 Lesecabinet: Damit dürfte das Lesekabinett der Lesegesellschaft auf der Chorherrenstube gemeint sein. Diese Lesegesellschaft war 1808 aus der Gesellschaft der Gelehrten auf der Chorherrenstube hervorgegangen. Der Lesestoff wurde mit Hilfe von Mitgliederbeiträgen und Verträgen mit der Stadtbibliothek sowie wissenschaftlichen Vereinen angeschafft und es wurde ein Lesezimmer eingerichtet, das auch Nicht-Mitgliedern der Gesellschaft zur Verfügung stand. Als «Abonnenten» konnte jeder die dort vorhandenen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen einsehen. Die Lesegesellschaft auf der Chorherrenstube schloss sich 1834 mit der Kaufmännischen Lesegesellschaft zu der noch heute existierenden Museumsgesellschaft zusammen. Cantatine: Möglicherweise handelt es sich um Karl August Gottlieb Dreists (1784–1836, ⇒ Nr. 1599) undatiertes Lied der Liebe (ZB Zürich, Ms. Car XV 248 (76):1), dessen Text allerdings keine direkten Rückschlüsse auf Pestalozzis Geburtstag als Entstehungsanlass zulässt. Weitere Kompositionen Dreists scheinen nicht zu Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) gelangt zu sein oder sind in dessen Nachlass zumindest nicht erhalten. Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599

518 1312. Heinrich Remigius Sauerländer 17. Februar 1812 [Reg.] Sauerländer schickt die Jahresrechnung.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 30.3 und S. 95.3 Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084

1312 a. Gabriel Louis Delavaux zwischen 15. und 21. Februar 1812 5

[Reg.] Delavaux teilt Pestalozzi mit, dass das noch nicht angekommene Paket nicht verloren gegangen sein könne.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 28.10 f. Sacherklärung I.

Damit könnte Gabriel Louis Delavaux (1771–1847) aus Lausanne gemeint sein, der als Fuhrmann und Postmeister arbeitet. II. Pestalozzi hatte sich am 21. Februar 1812 (PSB VIII, Nr. 2840) bei Isaac Cox Barnet (1773–1833, ⇒ Nr. 1267 b) für Bücher und Karten bedankt, deren Übersendung ihm in einem Brief Barnets angekündigt worden war (⇒ Nr. 1309 b). Während zwei dieser Pakete auch wirklich ankamen, blieb das dritte aus, weshalb er sich beim Spediteur nach dessen Verbleib erkundigte.

1312 b. Pierre Thouvenot 23. Februar 1812 5

[Reg.] Thouvenot kündigt die Ankunft seines Sohnes an und gibt Hinweise auf seine Eigenschaften.

519 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 62.6 und S. 66.10 ff. Sacherklärung I.

Pierre Thouvenot (1757–1817), Baron aus Toul (Lothringen), ist königlicher Geograf und Ingenieur, bevor er die militärische Laufbahn einschlägt: Von 1792 bis 1793 Stabschef bei den Kampagnen gegen Belgien und Holland, folgt er Charles-François Dumouriez (1739–1823) 1793 nach dem gescheiterten Versuch, die Regierung zu stürzen in die Emigration, kehrt 1800 nach Frankreich zurück, wird als Brigade-General in Santo Domingo (Dominikanische Republik) eingesetzt und leitet danach Divisionen in Deutschland und Spanien, bevor er 1815 aus dem Militär ausscheidet und 1817 in Orly (Île-de-France) stirbt. III. Z. 4

Sohnes: Charles/Télémache/Télémaque Thouvenot war zwischen 1812 und 1817 im Institut in Yverdon. Weitere biographische Angaben konnten nicht recherchiert werden.

1312 c. Christian De Bary 25. Februar 1812 5

[Reg.] De Bary teilt Pestalozzi mit, dass er die Pension des zweiten Quartals vorauszahlen könne und auch mit einer temporären Erhöhung der Pensionskosten einverstanden sei.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 44.7 ff. Sacherklärung I.

Christian De Bary (1775–1857) ⇒ Nr. 1304 a II. Durch die allgemeine Preissteigerung bei den Lebensmitteln sah sich Pestalozzi gezwungen, die Pensionskosten dem neuen Preisniveau anzupassen.

520 1312 d. Johann Georg Grieb Februar 1812 5

[Reg.] Grieb teilt Pestalozzi mit, dass er die meisten der 100 Exemplare der Gesangslehre verkauft habe und auch 100 Exemplare der günstigeren Auszüge verkaufen könne.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 47.6 ff. Sacherklärung I.

Johann Georg Grieb (1787–1823) ⇒ Nr. 1015 II. Johann Georg Grieb (1787–1823, ⇒ Nr. 1015) scheint sich in Königsberg auch als Buchhändler betätigt zu haben, zumindest verkaufte er die Gesangslehre in Kommission. III. Z. 4 f. Z. 5

Gesangslehre: Michael Traugott Pfeiffer/Hans Georg Nägeli: Gesangsbildungslehre nach pestalozzischen Grundsätzen. Zürich 1810 Auszüge: Michael Traugott Pfeiffer/Hans Georg Nägeli: Auszug aus der Gesangsbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen. Leipzig 1818

1313. Erziehungsrat des Kantons Zürich 25. Februar 1812 Z ü r i c h , den 25. Horn[ung] 1812. 5

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Die verbindliche Gefälligkeit, mit welcher Sie vor einem Jahr unserm Ansuchen entsprochen und einen in Ihrer Anstalt gebildeten Lehrer, H[er]rn Adrian Frick von Sennwald, für ein Jahr uns überlassen haben, um durch denselben an den untern Klassen der hiesigen Bürgerschule eine entscheidende Probe anzustellen, ob Ihre Methode der Arithmetik in einer so zahlreichen öffentlichen Schule sich als zweckmässig und fruchtbar bewähre, legt uns die angenehme Pflicht auf, Ihnen von dem Erfolge dieses Probejahrs in Rücksicht auf Methode sowohl als Lehrer unmittelbare Kenntniss zu geben. Nach dem einmüthigen Zeugniss der zahlreichen, durch theoretische Einsichten und praktische Kenntnisse aller Art, namentlich in dem mathematischen Fache ausgezeichneten Aufseher uns-

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rer Bürgerschule, die mit besonderem Fleisse und aller Aufmerksamkeit diese Probestunden das ganze Jahr durch besucht haben; wie auch in Folge dessen, was wir selbst und andre achtbare und sachverständige Personen bei der öffentlichen Prüfung wahrgenommen, und nach der Stimme des theilnehmenden Publikums überhaupt, erzeigte sich die Methode selbst an unsern Knaben vollkommen als ein vortreffliches Mittel zur Erweckung, Entwicklung und Stärkung der Geisteskräfte. Es wird Sie interessiren, aktenmässig das Zeugniss zu vernehmen, das aus den hier gemachten Erfahrungen sich ergeben hat. «Wenn auch,» sagt der amtliche Bericht, «auf einem andern Wege dasselbe, und die Schüler in einer gegebenen Zeit eben so weit, vielleicht weiter gebracht werden könnten, so würde doch, ohne ihr ähnlich zu seyn, keine andre Methode in so hohem Grade auf den Verstand wirken, ohne je die Fassungskraft der jungen Schüler zu übersteigen.» «Was sonst blosse verdrussliche Arbeit des Gedächtnisses ist, wird hier durch Anschauung zur deutlichen Erkenntniss gebracht, und durch die eigene Selbstthätigkeit des Kombinations-Vermögens hervorgerufen und geübt, und so dem Gedächtniss auf eine zweckmässigere Art und tiefer eingeprägt; das Bewusstseyn der eignen Kraft wird dabei geweckt und für den folgenden Unterricht ein fester Grund gelegt! – Wir haben daher keinen längern Anstand genommen, diese Ihre Methode für das gedachte Lehrfach als bleibend in dieser Kantonalschule einzuführen, mit einigen ganz unwesentlichen Modifikationen, welche die besondern Verhältnisse in der Ausdehnung des Kopfrechnens und in seiner Verbindung mit dem Zifferrechnen zu erfordern scheinen. Was den überlassenen Lehrer anbelangt, so haben wir in dem H[er]rn Frick einmüthig einen Mann gefunden, der das Geschick und die Kunst völlig besitze, der Methode in der Ausübung Kraft und Leben zu geben, der alle und jede Eigenschaften eines trefflichen Lehrers in sich vereinige, und auch als Mensch einen schätzbaren und würdigen Karakter habe. – Wie wir also daraus, dass Sie uns diesen Lehrer zugesandt, die wahre Angelegenheit und Sorgfalt erkennen, womit Sie ein Bedürfniss der vaterländischen Schule befriedigen wollten, und Ihnen dafür den bestverdienten Dank bringen, so zweifeln wir nicht, Sie werden es für eine höchst natürliche Folge ansehen, wenn wir, ohne sein Ansuchen, den H[er]rn Frick zum steten, öffentlichen Lehrer an der hiesigen Bürgerschule berufen, da wir keinen andern Mann zu finden wüssten, der die Methode richtiger und glücklicher auszuüben geeignet wäre. Wenn nun derselbe diese, zumal für einen so

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jungen Mann, allerdings ehrenhafte und auch ökonomisch vortheilhafte Stelle anzunehmen, nicht ungeneigt ist, und Sie, dem er mit seiner ganzen Bildung auch das Glück zu verdanken hat, pflichtmässig um Ihre Genehmigung ansuchen wird, so überzeugen wir uns, dass Sie beides, Ihrer Vaterstadt zu Liebe, und aus dem, Ihrem Herzen eignen Wohlgefallen gegen einen würdigen Zögling Ihrer Anstalt die gleichsam väterliche Einwilligung nicht versagen werden. Mit wahrer Hochachtung und mit dem aufrichtigen Wunsche, dass je mehr und mehr solche allen Zweifel besiegende Thatsachen den Werth Ihrer Methode und Ihrer Anstalt erweisen mögen, sind wir Namens des Erziehungsraths des Kantons Der Präsident R e i n h a r d . Der Aktuar S c h u l t h e s s .

1

Überlieferung Wochenschrift für Menschenbildung IV (1811), S. 123–125 Textkritik

Zeuge [a] Sacherklärung I. Erziehungsrat des Kantons Zürich ⇒ Nr. 1218 II. Anfang 1811 war die Bürgerschule reorganisiert und die pestalozzische Methode für ein Jahr probeweise im Mathematikunterricht eingeführt worden. Der Erziehungsrat (⇒ Nr. 1218) hatte Pestalozzi deshalb auch um einen Lehrer angefragt (⇒ Nr. 1218).

Z. 6 Z. 7 Z. 28 Z. 73 Z. 74

III. Ansuchen: ⇒ Nr. 1218 Adrian Frick: Adrian Frick (*1787) ⇒ Nr. 1218 Bericht: scheint nicht mehr erhalten zu sein R e i n h a r d : Hans von Reinhard (1755–1835) ⇒ Nr. 1108 S c h u l t h e s s : Johannes Schulthess (1763–1836) ⇒ Nr. 788

523 1313 a. Stephan Spleiss 26. Februar 1812 5

[Reg.] Spleiss teilt Pestalozzi mit, dass er seinen Sohn nach Ostern zurückrufen möchte und dass er ihn auf diesen Zeitpunkt hin konfirmieren lassen solle.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 41.12 ff. Sacherklärung I.

Stephan Spleiss (1766–1832) ⇒ Nr. 622 III. Z. 4

Sohn: Johannes Spleiss (1795–1838) aus Schaffhausen besuchte seit etwa 1805 das örtliche Gymnasium und hielt sich von 1808 bis 1812 im pestalozzischen Institut in Yverdon auf. Danach trat er in ein Lenzburger Handelshaus ein und hielt sich später als Kaufmann in Livorno auf. 1819 kehrte Spleiss, der unverheiratet blieb, nach Schaffhausen zurück.

1313 b. Christoph Maximilian Jury Ende Februar/Anfang März 1812 5

[Reg.] Jury erkundigt sich, ob Pestalozzi ihn nicht an einen seiner Freunde in Solothurn empfehlen könne und teilt Pestalozzi mit, dass Herr Schopfer in einem Freundschaftsverhältnis zu Herrn Zuber stehe.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 42.33 ff. Sacherklärung I.

Christoph Maximilian Jury ⇒ Nr. 706 II. ⇒

Nr. 1308a III.

Z. 4

Freunde: Damit dürfte wohl der Solothurner Staatsrat Urs Joseph Lüthy (1765–1837) gemeint sein (vgl. PSB VIII, Nr. 2888). Lüthy, der wegen einer körperlichen Behinderung auch «Stumparm-Lüthy» genannt wurde, be-

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Z. 5 Z. 6

suchte das Kollegium in Solothurn. 1785 kritisierte er das solothurnische Regierungssystem und das Bildungswesen mit der Schrift Theodorus Rabiosus über den schweizerischen Freistaat Solothurn derart, dass er eine Haftstrafe erhielt und zudem für mehrere Jahre des Landes verwiesen wurde. Von 1786 bis 1789 studierte er in Wien Rechtswissenschaften und veröffentlichte 1787 Fabeln sowie Scherzhafte Gedichte. 1789 kehrte er in die Schweiz zurück, zuerst nach Luzern, 1791 dann nach Solothurn, wo er ab 1794 als Notar praktizierte. 1796 wurde er Kommissionsmitglied der Helvetischen Gesellschaft (⇒ Nr. 971), 1798 erfolgte seine Ernennung zum Generalsekretär der provisorischen Regierung, zudem wurde er Mitglied des helvetischen Senats. Es folgten Tätigkeiten als Regierungskommissar im Kanton Bern (1799), als Regierungsstatthalter von Solothurn (1801/02), ebendort als Mitglied der Verwaltungskammer (1802) und ab 1798 im solothurnischen Erziehungsrat, den er von 1803 bis 1837 präsidierte. Während und nach der Mediationszeit war Lüthy bis zu seinem Tod Mitglied des Grossen und Kleinen Rates von Solothurn, von 1810 bis 1834 redigierte er das Solothurner Wochenblatt. Schopfer: Heinrich Schopfer ⇒ Nr. 1182 Zuber: Herr Zuber war Pestalozzi zufolge 1810 Bergwerksverwalter in Reichenau (Kt. Graubünden) (vgl. PSB VIII, S. 40). Weitere Daten konnten nicht recherchiert werden.

1313 c. Johann Philipp Rossel 2. März 1812 5

[Reg.] Rossel erkundigt sich erneut nach Möglichkeiten, die Pensionskosten in Yverdon zu senken.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 51.20 ff. Sacherklärung I.

Johann Philipp Rossel (1791–1831), geboren in Born (Hessen), hält sich von 1812 bis 1813 am pestalozzischen Institut in Yverdon auf. 1814 eröffnet er in Koblenz, unterstützt vom damaligen Direktor des öffentlichen Unterrichts am Mittelrhein, Johann Joseph Görres (1776–1848), eine Pestalozzischule, später übernimmt er eine Stelle als Lehrer am Gymnasium von Aachen. 1824 gründet Rossel die Rheinisch-Westfälische Monatsschrift für Erziehung und Volksunterricht und veröffentlicht als Sonderdruck davon 1828 und 1829 die Pestalozzischen Blätter für Menschen- und Volksbildung oder Beyträge zur Kenntnis Pestalozzis als Menschenbildner und zur Beförderung seiner Entwicklungs- und Unterrichtsweise von Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507). Rossel berichtet in einem Brief vom 22. Januar 1813 an den hessischen Justizrat von seinem Alltag in Yverdon (vgl. Allgemeines Schulblatt. Organ des Allgemeinen Lehrervereins im Regierungsbezirk Wiesbaden 46(1895), N° 17, S. 132–133, S. 140–141).

525 1313 d. Johann Ludwig Beyerbach 3. März 1812 5

[Reg.] Beyerbach wünscht, dass sein Sohn an Ostern konfirmiert werde und anschliessend mit einem Reisebegleiter nach Frankfurt geschickt werde.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 43.21 ff. Sacherklärung I.

Johann Ludwig Beyerbach (1758–1822) ist der Sohn eines Zinngiessermeisters und ergreift in Frankfurt am Main den väterlichen Beruf. III. Z. 4

Sohn: Philipp Carl Beyerbach (1797–1860) war von 1808 bis 1812 Schüler in Yverdon und handelte als Kaufmann und Fabrikbesitzer in Frankfurt am Main mit rohem Bernstein, Metall und Bernsteinwaren, Wiener und Pariser Pendeluhren, Taschenuhren und Fournituren (Einzelteile zur Herstellung von Schmuckstücken) sowie mit ungeschliffenen Glaswaren aus der eigener Fabrik.

1313 e. Isaac Cox Barnet 4. März 1812 [Reg.] Barnet erkundigt sich nach Pestalozzis Gesundheit.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 48.23 ff. Sacherklärung I.

Isaac Cox Barnet (1773–1833) ⇒ Nr. 1267 b II. Anfang 1812 zog sich Pestalozzi eine Verletzung im Innenohr zu, als er unglücklicherweise in dem Moment, als er mit einer Stricknadel im Ohr spielte, gegen einen Ofen stiess und sich dabei die Nadel in den Kopf bohrte. Anfänglich schien die Ver-

526 letzung harmlos zu sein, doch dann verschlechterte sich Pestalozzis Gesundheitszustand stetig, so dass er zur ärztlichen Behandlung für mehrere Wochen nach Lausanne gehen musste (vgl. Morf IV, S. 306 f.).

1313 f. Maria Sabina Peyer 11. März 1812 5

[Reg.] Frau Peyer teilt Pestalozzi mit, dass sie ihren Sohn aus dem Institut nehmen werde.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 52.5 ff. Sacherklärung I.

Maria Sabina Peyer (1767–1846) von Haslach (Kt. Schaffhausen) wächst in Schaffhausen als ältestes Kind des Reichspostmeisters, Freihauptmanns und Haslacher Gerichtsherrn Johann Conrad Peyer (1741–1776) auf. 1789 heiratet sie Johann Konrad Peyer (1761–1800), einen Schaffhauser Kaufmann und Leutnant. Nach dem Tod ihres Mannes bleibt sie verwitwet in Schaffhausen wohnhaft. III. Z. 4

Sohn: Karl Friedrich Peyer (1797–1878) aus Schaffhausen weilte 1806 bis 1812 in Pestalozzis Institut in Yverdon. Danach begab er sich nach Jena. Nach Schaffhausen zurückgekehrt trat er in den militärischen Dienst ein und stieg bis zum Rang eines Hauptmanns auf. Peyer war Mitglied der Zunft der Oberen Gesellschaft zun Herren (1831).

1313 g. William Thompson 13. März 1812 [Reg.] Thompson teilt Pestalozzi mit, dass das Paket gut angekommen sei.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 58.25

527 Sacherklärung I. William Thompson ⇒ Nr. 1269 c III. Z. 4

Paket: Es ist unklar, was der Inhalt dieses Pakets war.

1313 h. Andreas Heussi 14. März 1812 [Reg.] Heussi ist zufrieden mit Weilenmanns Bericht über seinen Sohn.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 57.5 ff. Sacherklärung I.

Andreas Heussi (1779–1821) ⇒ Nr. 1112 a II. Die Eltern der Schüler in Yverdon wurden in der Regel vierteljährlich in einem ausführlichen Bericht über die Entwicklung ihrer Kinder informiert. III. Z. 4 Z. 4

Weilenmanns: Johann Jakob Weilenmann (1787–1827) ⇒ Nr. 1268 Sohn: Georg Heussi (1802–1835) ⇒ Nr. 1112 a

1313 i. Hans Georg Kappeler 16. März 1812 5

[Reg.] Kappeler teilt Pestalozzi mit, dass Joachim Schneider für ein halbes Jahr nach Yverdon kommen werde.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 55.30 ff.

528 Sacherklärung I. Hans Georg Kappeler (1775–1818) ⇒ Nr. 776 III. Z. 4

Schneider: Joachim Schneider (1787–1847) ⇒ Nr. 1462 g

1313 k. Christian De Bary 20. März 1812 [Reg.] De Bary erkundigt sich nach Pestalozzis Gesundheit.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 78.6 f. Sacherklärung I.

Christian De Bary (1775–1857) ⇒ Nr. 1304 a II. ⇒

Nr. 1313 e

1313 l. Buchhandlung in Zürich Ende März 1812 5

[Reg.] Die Buchhandlung in Zürich zeigt Pestalozzi das Eintreffen der 500 Exemplare von Niederers Schrift an und teilt ihm mit, dass diese umgehend zu Cotta nach Tübingen weitergeleitet worden seien.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 73.24 ff. Sacherklärung I.

Es ist unklar, welche Zürcher Buchhandlung hier gemeint sein könnte.

529 III. Z. 5

Z. 5

Schrift: Johannes Niederer: Pestalozzis Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur. Ein historisch-kritischer Beitrag zur Kenntnis und Berichtigung der öffentlichen Beurtheilung dieses Gegenstandes. Erste Abtheilung. Yverdon 1812 Cotta: J. G. Cottasche Buchhandlung ⇒ Nr. 1455 a

1313 m. Pierre Louis Massa 28. März 1812 [Reg.] Massa erkundigt sich nach den Pensionskosten für einen jungen Mann.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 62.5 f. Sacherklärung I.

Pierre Louis Massa (*1756) aus Genua lebt als Kaufmann in Genf und tritt wiederholt als Vermittler zwischen Pestalozzi und im Ausland weilenden Eltern von Institutsschülern in Erscheinung. III. Z. 4

jungen Mann: Charles/Télémache/Télémaque Thouvenot ⇒ Nr. 1312 b

1313 n. William Thompson 31. März 1812 5

[Reg.] Thompson kündigt an, dass er einen Teil des Sommers in Yverdon verbringen wolle.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 67.16 f. Sacherklärung I.

William Thompson ⇒ Nr. 1269 c

530 1314. Barbara Lucia Jezler Frühjahr 1812 5

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Gerne, lieber Vater, würde ich Ihnen schon lange geschrieben haben, allein auf dem Lande fehlt es oft an Gelegenheit nach den Postämtern zu schicken: Nun aber sollen Sie beruhigendere Briefe von mir erhalten. Oft mache ich mir die bittersten Vorwürfe, dass ich Ihnen das Unangenehme, das ich hatte, so genau erzählte, und Ihnen dadurch Unruhe verursachte. Verzeihen Sie, bester Vater, einem Ihrer Kinder, das litt und seinen Schmerz niemandem mittheilen konnte, weil es allen fremd war und sich niemand für es interessierte! Freuen Sie sich aber jetzt mit mir! Jetzt erst haben Sie ein wahres Glied Ihrer Gemeinschaft gefunden! Erst jetzt fange ich an zu wissen, was der Mensch seyn könnte und seyn sollte, und was er leider ist, – was S i e suchen und wollen – dass Ihr einziger Zwek dahin geht, die Menschen aus ihrer Sinnlichkeit zu reissen und sie zum Höchsten zu führen. Vater, in Ihrem Kreise ging mir das neue Leben auf, ich fühlte Wonne in ihm, ich empfand die Herrlichkeit desselben, und alles Schöne und Gute fand Eingang zu meinem Herzen, allein keine Versuchung prüfte mein Inneres, und wenn ich bey Ihnen auch noch so viel theilnehmende Freunde würde gefunden haben, die sich meiner angenohmen und mir gerathen hätten – würde ich nicht zur Selbständigkeit im Guten gelangt seyn, zu deren Erlangung ich den ersten Schritt gethan habe, und mich über dem Guten, das ich an mir bemerke, kindlich freue und das Böse ernstlich zu meiden suche. Doch würde ich es keiner Tochter rathen, sich so weit zu wagen, wenn sie im Guten nicht fester ist als ich, und doch ihre angefangene schöne Laufbahn fortsetzen und dem Guten und Wahren treu bleiben will, – denn tausend Dinge suchen uns von dieser Bahn abzubringen und unserer Eitelkeit zu schmeicheln. Nur Liebe, Freundschaft und Anhänglichkeit an Ihr Haus und das Vertrauen haben mich dahin gebracht diesen Lockungen nach langem Kampf einigermassen zu widerstehen, und nur durch anhaltendes Kämpfen werde ich dahin gelangen, dem Wahren zu dienen. Vater, wunderbar und weise sind die Fügungen des Höchsten für die Erhaltung seiner Kinder. Ich habe Erfahrungen von seiner Güte und Liebe gemacht, die ich mir durch Leichtsinn zugefügt, habe darin seine Weisheit erkannt und gesehen, wie liebreich er ist und den Verirrenden zurecht zu führen sucht; denn wäre ich zu meinen Unternehmen mehr vorbereitet gewesen, so würde ich nie in eine solche Traurigkeit versetzt worden seyn und gleich im Anfang mei-

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ner Laufbahn das Wahre vom Unwahren zu unterscheiden gewusst haben. Mein Dank, meine Liebe und mein Vertrauen haben sich nun so gestärkt, dass ich Muth hätte, noch mehr Unannehmlichkeiten zu ertragen, als die vorübergegangenen waren, auf welche ich nun mit Scham zurückblicken muss und mir jedesmahl neue Fehler zu gestehen habe. Ich sehe nun meine Fehler und verzeihe gern der andern Parthey; denn hätte ich meine Kraft gebraucht und mit Muth entgegen gearbeitet, so wäre ich nicht in den kindischen Traum versetzt worden und hätte mich immer zu erhalten gewusst. Aus diesem Traum erwachend, fing ich ein ganz neues Leben an. Alles scheint sich heller und deutlicher vor meine Augen zu stellen; mein Inneres spricht immer mit sich selbst, um das Rechte und Unrechte von einander zu scheiden und nach ersterem zu handeln. Ich empfinde Freude an allem, was sich mir in der Natur vor Augen stellt und in meinem Kreise umgiebt. Jeden Tag beginne ich mit neuem Muth, und bitte Gott um Beistand, nach meinem Gewissen und nach seinem Willen zu leben. Wenn mir diese zwey nichts vorzuwerfen haben, so würde ich die grössten Unannehmlichkeiten zu ertragen im Stande seyn, wenn diese sich mir entgegen stellten. Vater – was für ein herrliches Gut ist der innere Friede und die nahe Verwandtschaft mit Gott! Unzählig sind die süssen Augenblicke, die es mir gewährte. Ich fühle, was Sie in Ihrem Briefe sagen, dass vorübergehende Leiden bildend seyen. Noch einmal danke ich der Vorsehung, dass sie mich diesen Weg geführt und durch diese Epoche mich zu meiner Bestimmung tüchtig gemacht hat. Durch Sie verlor sich mein Leichtsinn, ich wurde über meine Bestimmung nachdenkender, – kurz, ich kenne ihren Nutzen im höchsten Grad, und sie wird mir in meinem ganzen Leben unvergesslich bleiben. Oft ist der Drang zur Mittheilung meiner Gefühle unbeschreiblich gross und würde sich durch Ergiessen in ein gleich gestimmtes Herz noch mehr erhöhen; allein noch habe ich niemanden gefunden, der gleich denkt und nach dem gleichen Ziele strebt wie ich. Im Allgemeinen lebt man hier unbekümmert und leicht sein Leben dahin. So sehe ich mich oft in grossen Umgebungen einzig, aber nicht t r a u r i g ; auch gehe ich nie von einem Besuche, ohne meine Bemerkungen und Lehren gezogen zu haben. Vater, könnte ich Ihnen alles mittheilen, was mich beschäftigt und mir oft so wohl macht! Ist der Mensch mit sich selbst zufrieden, so kann er sich alles zu einem Lustgefinde umwandeln und seine Umgebung selbst beleben. Dieses fühle ich; noch ist es nicht mein Eigenthum, gebe mir aber Mühe, dahin zu gelangen.

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Ich bin gesund und gebe mir mit jedem Tage mehr Mühe meine Pflichten genauer zu erfüllen. Ich bin glücklich und geniesse nun unter meinen Kindern die frohesten Gefühle. Ich weiss, dass meine Lage meine Verhältnisse und alles, so wie es ist, zu meinem Besten dient, und sehe ein, dass eine günstigere Lage mich bey weitem nicht so stärken, meinen Geist nicht so beschäftigen und mein ganzes Wesen hinunterziehen würde. Wenn ich mir zuweilen die Vergangenheit zurückrufe und Sehnsucht in mein Inneres dringt, oder ich mit sehnsuchtsvollen Blicken der Zukunft entgegen sehe – dann nehme ich mir vor, nicht mehr diesen Gedanken Gehör zu geben. Verschwinden sie nicht gleich, so suche ich mich mit den Kindern zu zerstreuen, und gelingt es mir dann nicht, so nehme ich mir fest vor, nicht mehr an mich zu denken, sondern an das, was andere bedürfen. So habe ich es so weit gebracht, dass diese Gefühle nie zum Ausbruch gelangen. Dem Grundsatz der Methode bleibe ich getreu, und der Unterricht, den ich ertheile, macht mir die grösste Freude. Alle Tage wird mir vieles deutlicher, ich fasse den Geist derselben mehr auf; die Kinder begreifen alles mit voller Lebhaftigkeit und bekommen eine richtige Vorstellung von allem, was sie lernen. Besonders Eugen entzückt mich oft mit seiner kindlichen Freude. Wenn ihm etwas deutlich geworden ist, oder er eine Rechnung zuerst gerechnet hat, so kann er nicht auf seinem Stuhl sitzen bleiben, er steht entweder auf, hängt sich an mich und schreit mir in die Ohren: Ich hab’ es! oder dreht sich um und wieder um und sagt: Warte, warte, ich will es zuerst haben! Er macht jedem Anwesenden Freude und Vergnügen. Schade, dass dieser unschuldige Sinn in diesen herrlichen Kindern nicht kann in seiner völligen Reinheit erhalten werden! Könnte ich nach Ihrem B u c h d e r M ü t t e r , welches oft mein Herz stärkt und erhebt und meine liebste Lektüre ausmacht – sie behandeln und leiten! Vater, unbegreiflich ist es mir, wie Sie den Geist des unmündigen Kindes ausstudiert haben! Jede Bemerkung trifft mit dem Handeln der kleinen M i n a überein. Mit Staunen sehe ich sie oft an und bemerke ihre Aufmerksamkeit und ihren immer weiten und umfassenden Geist. Was für ein Himmel muss die Mutter, die ihrem Kinde l e b t , auf Erden schon geniessen! Unrecht kömmt es mir oft vor, dass ich die Person bin, die diese Freude der Mutter entreisst, und die heiligen Bande, die die Mutter und das Kind vereinigen, an sich zu ziehen sucht. Ein Trost, dass das Feine und Zarte, das von vielen ungeahndet bleibt, mich so an die Kinder anzieht.

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Haben Sie die Güte, meine Schwester mit diesem Buche bekannt machen zu lassen, ich denke es wird ihr von grossem Nutzen seyn. Ich bedauere sehr, dass ich mich in der Anstalt selbst nicht mit demselben bekannt gemacht und mit den guten Lehrern darüber gesprochen habe. Ich kann mich in die Welthöflichkeiten nicht finden; die vielen Komplimente und das wenig Wahre macht mich oft traurig und nachdenkend. Nun leben sie recht wohl, lieber theurer Vater! B[arbara] J[ezler].

Überlieferung 1

Forschungsbibliothek Pestalozzianum Zürich, Nachlass Dejung Textkritik

Zeuge [a] Sacherklärung I. Barbara Lucia Burkhart-Jezler (1789–1864) ⇒ Nr. 1256 II. Dieser Brief ist als Typoskript im Nachlass Dejung (Forschungsbibliothek Pestalozzianum Zürich) überliefert. Gemäss Dejung findet sich der Text in einer gebundenen Sammlung von Briefen Hermann Krüsis und Katharina Eggers, im Besitz von Frau Schuster-Gilly, Rorschach, zur Einsicht übermacht durch Herrn W. Schlegel, Jugendanwalt, Winterthur. Der Band habe keine Paginierung und stehe bei der Korrespondenz vom April 1812. Er sei dort wohl von Krüsi kopiert und mit dem Vermerk «von der lieben Jezler» versehen worden. Es ist unklar, wo sich diese gebundene Sammlung heute befindet. III. Z. 64 Z. 86

Z. 113

Z. 117

Briefe: scheinen nicht erhalten zu sein Kindern: Hier dürften wohl die vier ältesten Söhne gemeint sein: Karl Friedrich Erich von Transehe (1802–1868), Alexander Theodor Otto von Transehe (1804–1820), August Ernst Konstantin (1805–1875) von Transehe und Eugen von Transehe (1806–1882). Karl Friedrich Erich besuchte wie sein Bruder Alexander Theodor Otto um 1809 das Institut in Yverdon, wurde livländischer Landrat und heiratete 1833 Elise von Transehe (1815–1856). August Ernst Konstantin wurde Leutnant der russischen Garde und heiratete 1835 Klementine (Clemence) Freiin von Wolff (1811–1884). Über Eugen ist nichts weiter bekannt. B u c h d e r M ü t t e r : Johann Heinrich Pestalozzi: Buch der Mütter, oder Anleitung für Mütter, ihre Kinder bemerken und reden zu lehren. Zürich 1803 (PSW XV, S. 341–424) M i n a : konnte nicht näher bestimmt werden

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Schwester: Maria Juliane/Marie Julie Kawerau-Jezler (*1793) aus Schaffhausen besuchte das Töchterinstitut (⇒ Nr. 867) in Yverdon, um sich zur Lehrerin ausbilden zu lassen. Dort lernte sie den preussischen Eleven Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844, ⇒ Nr. 1453) kennen, den sie 1814 heiratete.

1314a. Antoinette Mutschefal Frühjahr 1812 5

[Reg.] Antoinette Mutschefal teilt Pestalozzi mit, dass von Raumer ihm einige Mineralien zukommen lassen möchte.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 90.28 ff. Sacherklärung I.

Antoinette von Fischer-Mutschefal hält sich 1809 im Institut in Yverdon auf, 1810 in Meiningen (Südthüringen). Sie heiratet später einen Obergerichtspräsidenten, womit möglicherweise Maximilian David Benjamin von Fischer (1763–1824, ⇒ Nr. 1654) gemeint ist, und ist Malerin. II. Da sowohl Antoinette von Fischer-Mutschefals (⇒ Sacherklärung I.) (möglicher) Ehemann Maximilian David Benjamin von Fischer (1763–1824) als auch Karl Ludwig Georg von Raumer (1783–1865, ⇒ Z. 4) in öffentlichen Ämtern in Breslau tätig waren, ist denkbar, dass sie sich kannten. Weitere Beziehungen sind aber nicht aktenkundig. III. Z. 4

Raumer: Karl Ludwig Georg von Raumer (1783–1865) Geologe, Geograf und Pädagoge aus Wörlitz (Sachsen-Anhalt) studierte ab 1801 Jurisprudenz, zuerst in Göttingen, ab 1803 in Halle und begann 1805 in Freiburg Mineralogie zu studieren. 1808/09 folgte ein Aufenthalt in Paris, bei dem er mit den Schriften Pestalozzis und Johann Gottlieb Fichtes (1762–1814, ⇒ Nr. 1039) in Kontakt kam und 1809/10 besuchte er das Institut in Yverdon. 1810 wechselte er an das preussische Oberbergdepartement in Berlin, wurde 1811 Sekretär des Oberberghauptmanns Carl A. Gerhard (1738–1821), führte die geologische Kartierung des Riesengebirges durch, wurde zum Bergrat ernannt und erhielt eine Professur für Mineralogie an der neu errichteten Universität Breslau. Seine Sympathien mit der Turn- und Burschenschaftsbewegung führten zu Konflikten, so dass er 1819 von Breslau an die Universität und das Oberbergamt Halle/Saale

535 zwangsversetzt wurde. 1823 quittierte er wegen erneuten Anfeindungen den preussischen Staatsdienst und wurde Vorstand im «Dittmarschen Erziehungsinstitut» in Nürnberg, welches 1826 aber aufgelöst werden musste, weil der von Raumer favorisierte Erziehungsstil in der Tradition der Erweckungsbewegung die Schüler abschreckte. 1827 folgte er einem Ruf als Professor für Naturgeschichte und Mineralogie an die Universität Erlangen, wo er bis zu seinem Tod wirkte. 1849 gehörte er zu den Mitbegründern eines Rettungshauses im Sinne Johann Hinrich Wicherns (1808–1881) in Erlangen. Raumer verfasste mehrere Schriften und Werke zu geologischen, aber auch pädagogischen und religiösen Themen. In den Jahren 1843 bis 1851 veröffentlichte er eine mehrbändige pietistisch-germanophile Geschichte der Pädagogik für die Lehrerbildung, die für dieses Genre bis ins 20. Jahrhundert wegweisend wurde.

1315. Anna Barbara Gross-Pestalozzi Frühjahr 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 158.14 Sacherklärung I.

Anna Barbara Gross-Pestalozzi (1751–1832) ⇒ Nr. 2

1316. Carl Ellmaurer Anfang April 1812 Anfang A p r i l 812 5

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An Vater Pestalozzi! Hingerissen fand sich mein Geist gewaltig zu dir – ich sehnte mich nach deinem Lichte; allein – aus der Ferne leuchtete es nur im Schleyer gehüllt meinem aus der Finsterniss blickenden Auge: Da kamm dein Sohn – und riss mit warmer Theilnahme den Schleyer hinweg: itzt steht es vor uns dies göttliche Licht, mit froher und entschlossener Stimmung wollen wir ihm nacheilen. Heil dir – und Dank – und Segen des Himmels für dein Streben o Vater! – in dei-

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nem Sohne deinen Geist zu finden schätzt’ ich mich glüklich – könnt’ ich dich selbst sehen – mir an deinem Bilde neue Kraft und Begeisterung holen – diess ist der innigste Wunsch Seines wärmsten innigsten Verehrers Carl Ellmaurer

Überlieferung 1 4 5 6

UB Bern, Laut. 651 Datum an Schluss Original Der Brief ist handschriftlich notiert auf der nächsten leeren Seite nach S. 14 des folgenden Buches: Dem Herrn Joseph Schmid beym Abschiede von dem Ellmaurerischen Institute ein Angedenken von seinem Freunde Kloyber. Wien 1812 Textkritik

Zeuge h Z. 17

Carl Ellmaurer: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Carl Ellmaurer leitet 1812 eine Privaterziehungsanstalt in Wien. Er ist möglicherweise mit demjenigen Carl Ellmaurer identisch, der 1817 und 1825 als Professor für deutsche Sprache und Literatur am Convictlyzeum und am Patriarchatsgymnasium in Venedig lehrt. Unklar ist ebenfalls, ob der 1771 in Krems geborene Carolus Josephus Ellmaurer mit dem hier Gesuchten identisch ist. Ob es sich hier um Carl Ellmaurer handelt oder aber um den Wiener Archivar, Bücherzensor und -revisor Joseph Ellmaurer (1772–1833) ist ebenfalls unklar. II. Im Sommer 1811 hatte sich Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) in Wien aufgehalten (vgl. Camilla Martha Halter: Joseph Schmid. Affoltern am Albis 1943, S. 72). Es ist anzunehmen, dass er Carl Ellmaurer (⇒ Sacherklärung I.) damals kennenlernte und ihm von Pestalozzi und seiner Methode erzählt haben dürfte. Die Druckschrift, in welcher der Brief an Pestalozzi notiert ist, entstand dann wohl in diesem Kontext. III. Z. 9

Sohn: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712

537 1316 a. Johann David/Jakob von Gonzenbach Anfang April 1812 5

[Reg.] Gonzenbach teilt Pestalozzi mit, dass er zwei seiner Kinder nach Yverdon schicken werde.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 71.21 f. Sacherklärung I.

Johann David/Jakob von Gonzenbach (1777–1842) ist Kaufmann und Schulrat in St. Gallen. III. Z. 4

Kinder: David Hermann von Gonzenbach (1805–1872) und Carl Arnold von Gonzenbach (1806–1885) waren jeweils von 1812 bis 1819 Schüler in Pestalozzis Anstalt in Yverdon. David Hermann war seit 1828 Pfarrer in Oberutzwil und Bichwil (Kt. St. Gallen), wurde jedoch 1836 von der Gemeinde abberufen und war anschliessend Aktuar des evangelischen Kirchenrates in St. Gallen. Carl Arnold wurde nach Ausbildungen in Zürich, München und Paris Kupferstecher und Porträtmaler und lebte von 1838 bis 1878 in München.

1317. Anna Pestalozzi-Schulthess, Ursula Hotz, Anna Magdalena Custer-Pestalozzi, geborene Frölich und Elisabeth Krüsi-Näf 2. April 1812 5

An lieben Vatter Pestalozzi! Iferten den 2ten April 1812.

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Sie haben dich lieber! in Lousann behalten, deine Freünde u[nd] ärzte es ware mir u[nd] allen traurig dass du nicht gestren zu rük kammest, doch wenn es nur bessert, deine Schmerzen lindern, gott segne alles u[nd] schenke uns dich bald wieder ganz gesund, Koller hat mir schon wieder geantwortet, so herzlich, hoft wenn man mit einsprizen vom nahen baadwasser fleissig fortfahre, so thue das vortrefliche dienste, es seye dem Schinznachter gleich heilsam – es freüet mich das schöne Wetter, u[nd] die Probe der Freundschaft

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H[errn] Fransillons dennen ich herzlich danke, bis Dato haben Flaxion nicht hier gesehen, er schikte nur lieb Krüssis brief u[nd] sagte durch den Boten er wäre angekommen – hingegen olos kame, so bald er angekommen, es war befriedigens für mich u[nd] alle, sonst gehet alles im alten fort, Niederer wird dir auch schreiben, u[nd] liebe Hoz – wir haben alle dich unausssprechlich gemanglet, teurer lieber! Tag u[nd] Nacht, alle Stunden u[nd] augenblik sind meine gedanken bey dir, u[nd] wie mag es dir gehen, hofen wir auf gott! u[nd] liebe immer wie über all in allem, Deine Nanne – Wir freuten uns alle so herzlich auf den Mitwoch Abend Sie theurer Papa beruhigt durch die ärztlichen Aussprüche wieder in unserer Mitte zu sehen, so wehe es uns thut Sie länger von uns getrennt zu wissen, finden wir dennoch, dass Sie recht gethan länger zu bleiben, damit die Ärzte Sie besser und genauer beobachten können – o möchten Sie nur ganz gesund wieder zurückkehren, diess ist unser aller innigster Wunsch – Grüssen Sie Herrn Krüsi – und lieben Sie wie immer Ihr treues Kind U[rsula] Hotze Auch ich komme lieber Papa um Euch Herzlich zu grüssen und dass ich mich mit freüen werde Euch bald und wen es Gott gefiel ganz gesund zu umarmen; hofe werdet Ihr nicht zweiflen, bey uns geht es immer im alten, doch die l[iebe] J[ung]f[e]r Kastenhofer wird selber schreiben. Mein l[ieber] Man grüsst Euch von Herzen und Herrn Krüsi grüsst mir so recht von Herzen, und ich bin wie immer E[uer] treues Kind Custer und ich komme auch noch hinden drein und bestätige allen alles obige – wen eüch die Herren Tökter in Loussanen nichts bessers sagen als die hiesigen so fahret den auch über orben heim, um Raht zu fragen schat ja nichts, ihr könnt den ja doch wieder thun was ihr wolt, lebet wohl der liebe Gott Schenke eüch bald wieder völige gesundheit und langes leben tausend grüsse von eüerer Lisabeth. 1000 grüss im H[er]r Krüssj an lieben Vatter – Pestalozzj –

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ZB Zürich, Ms Pestal 54a, Umschlag 281/11 Blatt, 240 x 182 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 15 Z. 15 f. Z. 17 Z. 17 Z. 35 Z. 41 Z. 49

Dato: lateinische Schrift Flaxion: lateinische Schrift olos: lateinische Schrift kame: unsichere Lesart bald und Custer: lateinische Schrift grüss im Sacherklärung I.

Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Ursula Hotz (1774–1828) ist die Enkelin des Chirurgen Hans Heinrich Hotz (1701–1762), dem Bruder von Pestalozzis Mutter Susanna Pestalozzi-Hotz (1720–1796, ⇒ Nr. 44). Sie besorgt seit 1812 den Haushalt der Anstalt in Yverdon, zieht 1814 mit Anna Pestalozzi nach Zürich und auf den Neuhof und kehrt anschliessend wieder nach Yverdon zurück. Anna Magdalena Custer-Pestalozzi, geborene Frölich (1767–1814) ⇒ Nr. 547 Elisabeth Krüsi-Näf (1762–1836) ⇒ Nr. 594 II. Pestalozzi hatte sich Mitte Januar 1812 mit einer Stricknadel im Ohr verletzt. Nachdem es zuerst so ausgesehen hatte, als ob die Wunde ohne grössere Komplikationen heilen würde, verschlechterte sich der Gesundheitszustand Pestalozzis im Frühjahr und zwang ihn zu einem chirurgischen Eingriff in Lausanne (PSB VIII, S. 385). III. Z. 6 Z. 7 Z. 10 Z. 15 Z. 15 f. Z. 16

Z. 16 Z. 17

Iferten: dt. Name für Yverdon Lousann: Lausanne Koller: Johann Franz Koller (1738–1823) ⇒ Nr. 837 H[errn] Fransillons: Jacob Francillon (1770–1846) ⇒ Nr. 1144 a Flaxion: Georges-Rodolphe-Adolphe Flaction (1776–1846) ⇒ Nr. 1082 Krüssis: Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) hatte Pestalozzi nach Lausanne begleitet (vgl. Hermann Krüsi: Beiträge zu den Mitteln der Volkserziehung. Zürich 1833, Band 2, S. 261 f.). Brief: scheint nicht erhalten zu sein olos: Henri Georges Louis Olloz (1784–1850) aus Ollon (Kt. Waadt) war nach dem Tod Louis Frédéric Develeys (1766–1811) Institutsarzt bei Pestalozzi und Stadtarzt in Yverdon, wo er mit einer Studie zur Restaurierung des Thermalbades beitrug. Später arbeitete Olloz, der seit 1833 Mit-

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Z. 19 Z. 20 Z. 37 Z. 38 Z. 44

glied der Allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften war, in Lausanne, wo er auch starb. Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Hoz: Ursula Hotz (1774–1828) ⇒ Sacherklärung I. Kastenhofer: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 Man: Laurenz Jakob Custer (1765–1822) ⇒ Nr. 748 orben: Orbe (Kt. Waadt)

1317 a. Jean Charles/Johann Karl Schleicher 11. April 1812 5

[Reg.] Schleicher schickt Pestalozzi eine grosse Menge Steine, bietet ihm diese zum Kauf an, sichert aber auch zu, Steine Pestalozzis im Tausch zu übernehmen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 72.15 ff. und S. 82.17 Sacherklärung I.

Jean Charles/Johann Karl Schleicher (1768–1834) stammt aus dem hessischen Hofgeismar, zieht dann nach Bex (Kt. Waadt), wo er als Apotheker tätig ist. Dort legt er einen der ersten botanischen Gärten der Schweiz an und betätigt sich ausserdem als Mineraliensammler. II. Bei einem Besuch in Yverdon hatte Jean Charles/Johann Karl Schleicher (1768–1834, ⇒ Sacherklärung I.) Pestalozzi Steine angeboten. Offenbar kam es dabei zu einem Missverständnis, was die Menge und den Verwendungsweck der Steine betraf. Während Pestalozzi die Steine für seine persönliche Mineraliensammlung tauschen wollte, ging Schleicher offenbar davon aus, dass zumindest ein Teil auch zum Weiterverkauf bestimmt sei und liess Pestalozzi deshalb eine grössere Menge Steine zukommen.

1317 b. Orell Füssli & Co. 15. April 1812 [Reg.] Orell Füssli ist bereit, weitere Liederbüchlein in Kommission zu nehmen.

541 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 80.33 f. Sacherklärung I.

Die Wurzeln des Unternehmens Orell, Füssli & Co. liegen bei der Druckerei Froschauer, die 1519 zur Zürcher Staatsdruckerei wird. Um 1800 ist das Unternehmen vom Druckerei- und Verlagsgeschäft geprägt, vom Buchhandel sowie vom aufkommenden Zeitungswesen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt sich die Firma von einer Verlagsdruckerei zum grössten Druckereibetrieb der Schweiz, seit 1911 druckt Orell Füssli im Auftrag der Nationalbank die Banknoten der Schweiz und hat sich im Druck von Sicherheitspapieren spezialisiert. III. Z. 4

Liederbüchlein: Lieder. Gesammelt zum Gebrauche und nach dem Bedürfnisse der Anstalt zu Yverten. Yverdon 1811

1317 c. Joseph Bonavita Blank April 1812 5

[Reg.] Herr Blank schickt Pestalozzi im Austausch für einen Vesuvian 44 Fossilien und bittet ihn, den Empfang der Sendung Herrn Raumer anzuzeigen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 90.16 ff. und S. 91.5 Sacherklärung I.

Damit dürfte wohl Joseph Bonavita Blank (1740–1827) gemeint sein, der mit 15 Jahren in den Minoritenorden, einen Franziskanerorden, eintritt, 1763 zum Priester geweiht wird und während vielen Jahren als Naturkundelehrer tätig ist. Nach kurzer Amtszeit als Prediger in Schaffhausen wird er 1786 Sekretär des Minoritenordens und drei Jahre später Ordensoberer in seiner Heimatstadt Würzburg, wo er 1792 zum Professor der Philosophie und Naturgeschichte ernannt wird. Er fertigt unter Verwendung von Moosen und Flechten Landschafts- und Naturbilder an und legt eine Mineraliensammlung im Wert von rund 20 000 Gulden an, die er 1803 der Universität vermacht. 1810 verfasst er zudem ein Handbuch der Mineralogie und 1811 eines der Zoologie. III. Z. 4

Vesuvian: Der Vesuvianit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Klasse der Silikate und Germanate.

542 Z. 5

Raumer: Karl Ludwig Georg von Raumer (1783–1865) ⇒ Nr. 1314 a

1317 d. Ludwig Wolf April 1812 5

[Reg.] Levy Wolf erkundigt sich, ob Pestalozzi ihm eine Stelle oder eine Unterkunft in Yverdon verschaffen könne.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 91.20 ff. Sacherklärung I.

Damit könnte Ludwig Wolf gemeint sein, der vom Herbst 1811 bis spätestens 1813 das Lyzeum in Solothurn besuchte. Da Pestalozzi ihm am 9. Mai 1812 eine Absage erteilt (PSB VIII, Nr. 2964) und in den Solothurner Akten kein Herkunftsort angegeben ist, kann er nicht näher bestimmt werden.

1317 e. Christoph Maximilian Jury April 1812 5

[Reg.] Jury teilt Pestalozzi mit, dass er seinen illyrischen Heimatschein nun erhalten habe.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 97.5 f. und S. 110.19 Sacherklärung I.

Christoph Maximilian Jury ⇒ Nr. 706 II. ⇒

Nr. 1308 a

543 III. Z. 4

illyrischen: Die Illyrischen Provinzen waren eine von Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) geschaffene Verwaltungseinheit und umfassten zwischen 1809 und 1814 Dalmatien, Kroatien südlich der Save, Istrien, Triest, Görz, Krain und den westlichen Teil Kärntens. Hauptstadt war Ljubljana.

1317 f. Johannes/Jean Schneider und Fridolin Baumgartner April 1812 [Reg.] Schneider und Baumgartner teilen Pestalozzi ihre Ankunft in Neapel mit.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 117.4 ff. Sacherklärung I.

Johannes/Jean Schneider (1792–1858) aus Langnau (Kt. Bern) tritt 1807 als Schüler in Pestalozzis Institut in Yverdon ein, wo er sich bald zum Lehrer ausbilden lässt. Von 1812 bis 1815 unterrichtet er am hofmannschen Institut (⇒ Nr. 1274) in Neapel. Nach einem weiteren Aufenthalt in Yverdon gründet er 1817 eine private Knabenanstalt auf dem Dorfberg bei Langnau, die er bis 1831, dem Jahr seiner Wahl in den Berner Grossen Rat, auch leitet. Ab dann widmet er sich der Politik, wobei er sich namentlich als Erziehungsrat (1831–1846) und Erziehungsdirektor (1846–1848) im Bildungswesen verdient macht. Am Ende seiner Karriere ist Schneider, 1848 in den Nationalrat gewählt, Regierungsstatthalter des Amtsbezirks Signau. Fridolin Baumgartner (1791–1814) aus Schwanden (Kt. Glarus) ist seit 1806 als Schüler, später als Unterlehrer für Mathematik am Institut in Yverdon, bis er 1812 nach Neapel geht, um dort bis zu seinem frühen Tod am Institut von Georg Franz/ Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) zu unterrichten.

1318. Heinrich Remigius Sauerländer April 1812 [Reg.] Sauerländer bestellt 24 Exemplare von Pestalozzis Erziehungsunternehmung.

544 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 73.5 f. Sacherklärung I.

Heinrich Remigius Sauerländer (1776–1847) ⇒ Nr. 1084 III. Z. 4

Erziehungsunternehmung: Johannes Niederer: Pestalozzis Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur, Teil 1. Yverdon 1812

1318 a. Christian De Bary 16. April 1812 5

[Reg.] De Bary erkundigt sich nach Pestalozzis Gesundheit und stimmt (mit seinem Bruder) der Erhöhung des Pensionspreises zu.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 78.8 ff. Sacherklärung I.

Christian De Bary (1775–1857) ⇒ Nr. 1304 a II. ⇒

Nr. 1313 e III.

Z. 5

Bruder: Samuel de Bary (1776–1853) ⇒ Nr. 1304 b

1318 b. Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann 22. April 1812 5

[Reg.] Frau Sturz erkundigt sich, weshalb sie auf ihren Brief keine Antwort erhalten habe und berichtet nochmals von dem Projekt mit Herrn von Greyers.

545 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 88.19 ff. Sacherklärung I.

Johanna Magdalena Sturz-Ehrmann (*1768) ⇒ Nr. 1171 III. Z. 4 Z. 5 Z. 5

Brief: ⇒ Nr. 1298 Projekt: ⇒ Nr. 1298 Greyers: Gottlieb von Greyerz (1778–1855) ⇒ Nr. 1298

1319. Katharina Egger 23. April 1812 5

Monsieur Monsieur H[einrich] P e s t a l o z z i au Château Yverdun. canton de vaud. Mülhausen den 23ten Aprill 1812.

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L i e b e r leidender Vater! Undankbar mag ich Ihnen theurer Vater vorkommen, Ihnen so lange kein Zeichen mein[er] kindlichsten Liebe zu geben – doch meine Herz ist eines Bessern überzeugt, und S i e leben liebewirkend und segenverbreitend in mir fort. Das Leben bietet uns so Vieles dar welches unsern Geist in Besitz nimmt, und wodurch wir doch nicht besser werden, und so Vater hat auch noch mancher äusserer Schein auf mich Wirkung, nur das Andenken an Sie, der Glauben an eine bessere Wohnung nach welcher wir streben müssen, kann mich wieder von der Welt ableiten. Ich verdanke es ewig der gütigen Vorsehung mich in einen solchen Kreiss wie der Ihrige ist, geführt zu haben, ohne dieses hätte ich mich der Welt Preiss gegeben, mit einem Wort ich wäre einem Wurme ähnlich geblieben, welcher nicht vermag sich von der Erde zu heben. Oh Vater wie freut mich Ihre Liebe, wie gut hat Gott mein Schicksal geleitet! – ich darf bald wieder in Ihren beglückendes Kreiss tretten und Wonne schöpfen aus Ihrer unversiegbaren Quelle. Vater im Himmel siehe segensvoll auf dein Kind herab, gieb mir Kraft das zu vollbringen wozu du mich bestimmt hast – ich bin bereit deinen frohen oder auch stren-

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gen Winken zu folgen wenn nur d u mich nicht verläss’t! So Vater rufe ich d e n an dem ich vertraue: in meinem F r e u n d e werde ich Aufmunterung finden reine Liebe, und reine Hingebung, und einst mit Freude vor dem Allerheiligsten erscheinen zu dem Sie jetzt in Ihren Leiden so vertrauen. Mir thut es so wohl, mein Krüsi mit Hülfe an Ihner Seite zu wissen; o fühlen Sie meine Liebe auch durch i h n , ich bin Ihnen nahe! Der H e r r wird Ihnen wills Gott wieder Kräfte schenken Ihr angefangenes Werk zu vollenden, und Ihre Kinder werden Ihnen Vater von neuem mit Hingebung an die Hand gehen. Vater wir bedürfen Sie noch, ich möchte mich gerne noch mehr an Sie anschliessen, Ihr Beyspiel soll mich noch fester in meinen Vorsätzen machen, damit ich einst mit Freude von Ihrem Sterbelager gehen kann, und sagen: J a V a t e r d e i n W i l l e g e schehe.¬ Auch an die Mutter P[estalozzi] wende ich mich noch. Mutter! Froh winkt mir die Zukunft wieder in Ihre Nähe, ich will sie kennen lernen die w a h r e n Freuden des Lebens. Und nicht wahr auf Ihre mütterliche Liebe darf ich immer zählen? mir wird wieder so wohl seyn an Ihrer Seite! Ich zögerte so lange Ihnen auf Ihr wohltuendes Briefli zu antworten, da ich aber Ihres theuren Andenkens wegen so f r o h bin, so mag ich gar nicht anfangen mich zu entschuldigen. Was macht die l[iebe] Frau Kuster; grüssen Sie sie mir mit ihren Kindern besonders auch Gottlieb herzlich, und denken Sie öfters an Ihr liebendes Kind, welches V a t e r und M u t t e r herzlich umarmt.

C[atharina] E[gger]

Überlieferung 1 2 3 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 52/53, Umschlag 175/1 Bogen, 239 x 196 mm leicht beschädigt Datum am Schluss, Stempel MUHLHAUSEN, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–8 Z. 14 Z. 27 Z. 31 Z. 32 f. Z. 34 Z. 47

lateinische Schrift so Vieles herab ∫ finden reine jetzt in Ihren Leiden ∫ Ihner Seite wegen ∫

547 Sacherklärung I. Katharina Krüsi-Egger (1790–1848) aus Netstal (Kt. Glarus) kommt während der Helvetischen Revolution nach Zürich, wo sie bei Pflegeeltern aufwächst. Mit 18 Jahren zieht sie nach Yverdon, um sich am Töchterinstitut (⇒ Nr. 867) zur Lehrerin und Erzieherin ausbilden zu lassen. Dort lernt sie Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) kennen, den sie 1812 heiratet. Das Paar hat elf Kinder. 1816 verlässt sie zusammen mit ihrem Mann das pestalozzische Institut, um in Yverdon ein eigenes Knabeninstitut zu gründen. 1822 zieht die Familie in die Ostschweiz, weil der Vater die Leitung der Kantonsschule Appenzell Trogen übernimmt. II. Katharina Krüsi-Egger (1790–1848, ⇒ Sacherklärung I.) war nach ihrer Ausbildung in Yverdon als Lehrerin bei Elisabeth Krüsi (1773–1819, ⇒ Nr. 594) in Mulhouse tätig. Im Sommer 1812 kehrte sie wieder nach Yverdon zurück und heiratete Hermann Krüsi (1775–1844, ⇒ Nr. 588) am 23. Juli 1812 in Lenzburg. III. Z. 33 Z. 43 Z. 48 f. Z. 49

Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Mutter P[estalozzi]: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Frau Kuster: Anna Magdalena Custer-Pestalozzi, geborene Frölich (1767–1814) ⇒ Nr. 547 Gottlieb: Gottlieb Pestalozzi (1797–1863) ⇒ Nr. 594

1319 a. Jean Charles/Johann Karl Schleicher 25. April 1812 [Reg.] Betrifft den Austausch von Mineralien.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 82.15 ff. Sacherklärung I.

Jean Charles/Johann Karl Schleicher (1768–1834) ⇒ Nr. 1317 a II. ⇒

Nr. 1317 a

548 1319 b. Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn Frühjahr 1812 [Reg.] Amrhyn teilt Pestalozzi mit, dass es ihm gut gehe.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 106.12 ff. Sacherklärung I.

Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848) ⇒ Nr. 1120

1320. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 28. April 1812 5

An den Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeb[or]en zu Yverdun in der Schweiz im Kanton Waadt Berlin den 24ten April 1812

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E[ue]r Wohlgeb[or]en übersendet das unterzeichnete Departement in der beiliegenden Assignation den Betrag der halbjährigen Unterhaltungskosten für den Eleven Rendschmidt vom Monat May bis Oktober d[ieses] J[ahres]. Departement etc. Sc[huckma]nn N[icoloviu]s Süvern 28 28. 27.

Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 3, S. 170–171 Randnotiz L[iefer]z[eit] d[en] 29ten ej[us] [mensis] M[an]d[a]t[um] 5. Mai z[ur] Post mit einem Wechsel über 294 Fl[orin] Copia

549 Textkritik Zeuge h Z. 4–9 Z. 10 Z. 13

lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Rendschmidt: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht ⇒ Nr. 1049 III. Z. 12 Z. 13 Z. 16 Z. 16 Z. 16 Z. 17

Assignation: Geldanweisung Rendschmidt: Felix Rendschmidt (1787–1853) ⇒ Nr. 1265 Sch[uckma]nn: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834) ⇒ Nr. 1210 N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Datum der Unterschriften

1320 a. Salomo Heinrich Karl August Michaelis 1. Mai 1812 [Reg.] Michaelis versichert Pestalozzi, dass er sich für Levy Wolf einsetzen werde.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 91.23 ff. und S. 92.3 Sacherklärung I.

Salomo Heinrich Karl August Michaelis (1768–1844) aus Hameln (Niedersachsen) studiert in Berlin zunächst Naturwissenschaften und setzt sich später, als er eine Hofmeisterstelle angenommen hat, die ihn abwechselnd nach Breslau, Jena und Weimar führt und in Kontakt mit literarischen Grössen bringt, vermehrt mit Philosophie und Literatur auseinander. Nachdem er 1795 in Neustrelitz (MecklenburgVorpommern) eine Hofbuchhandlung mit Verlag errichtet und unter anderem den ersten Band von Schillers Musen-Almanach herausgeben hat, gibt Michaelis das Unternehmen wegen schlechten Geschäftgangs bald schon wieder auf, weilt von 1799 bis 1807 in Frankreich, wird nach seiner Rückkehr 1808 ausserordentlicher Professor für Französisch in Heidelberg und besetzt ab 1811 den in Tübingen neu geschaffenen Lehrstuhl für deutsche und französische Literatur, bevor er sich 1817 aus dem akademischen Betrieb zurückzieht, um sich fortan als antidemokratischer Politpublizist in den Dienst des Württembergischen Staates zu stellen.

550 II. Ludwig Wolf (⇒ Nr. 1317 d) hatte sich mit der Frage an Pestalozzi gewandt, ob er nicht in Yverdon eine Stelle oder eine Unterkunft für ihn habe oder ihn an einen seiner Freunde oder Bekannte vermitteln könnte. Wie dem Antwortbrief Pestalozzis an Wolf vom 9. Mai 1812 zu entnehmen ist (PSB VIII, Nr. 2964), hatte sich Salomon Heinrich Karl August Michaelis (1768–1844, ⇒ Sacherklärung I.) bereit erklärt, sich um eine Unterbringungsmöglichkeit zu kümmern. III. Z. 4

Wolf: Ludwig Wolf ⇒ Nr. 1317 d

1320 b. William Thompson Mai 1812 5

[Reg.] Thompson teilt Pestalozzi mit, dass er die Wohnung in Yverdon ab dem 1. Juli für drei Monate und zum Preis von 9 Louis d’or mieten solle.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 99.21 ff. Sacherklärung I.

William Thompson ⇒ Nr. 1269 c II. ⇒

Nr. 1313 n

1321. Georg Franz/Franz Georg Hofmann Mai 1812 5

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Lieber Herr Pestalozzi! Zu jedem Beweise, den ich von meinem Eifer für die Methode und meiner Liebe zu ihrem Erfinder in Thatsachen aufstellen kann, fühle ich mich auf eine Weise verpflichtet, die mir oft den Genuss der Selbstzufriedenheit mit meinen Gesinnungen und Absichten in einem hohen Grade gewährt, auch wenn die Resultate nicht befriedigend sind. Mit Freuden sende ich Ihnen daher, lieber Herr Pestalozzi, durch Herrn Jullien einige Exemplare der von mir herausgegebenen

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Schrift, in der ich die Grundsätze aufstellte, zu denen wir uns bekennen und auf welchen unsere Anstalt und ihre Organisation beruhen. Als erstes Produkt auf einem fremden Boden, der für manche Pflanze der geistigen und gemüthlichen Natur eben nicht so gar empfänglich ist und für manche erst urbar gemacht werden muss und als Produkt einer kurzen Zeit, die vieles noch nicht zur Reife und von Umständen, die manches noch nicht zum Entstehen kommen liessen, ist sie beinahe ganz das, was sie werden konnte und seyn sollte. Weit mehr als hier gedruckt erscheint, stand geschrieben, fertig zum Uebersetzen, weit mehr sollte von der Methode selbst, ihrem Erfinder, ihrer Aufnahme in fremden Ländern und vorzüglich von ihrem hohen Werthe in Absicht auf Bildung des Volkes und der Volkserzieher gesagt werden; ich freute mich des Geschriebenen und es freuten sich dessen Schneider und Baumgartner. Allein gerade das, was meinem Herzen am wohlsten that, sollte und durfte jetzt noch nicht gesagt werden. Die Methode ist theils noch zu wenig gekannt, theils noch zu viel verkannt, als dass sie in ihrem einzigen und absoluten Werthe auf eine ansprechende Weise hätte dargestellt werden dürfen. Jede Anmassung und besonders jeder Verdacht der absichtlichen Verbreitung hätte beleidigt und Menschen von Bedeutung und Einfluss, unter denen auch viele Lichtscheue sind, gegen mich und die Sache aufgebracht. Selbst war es um des Glaubens an meine eigene Selbständigkeit willen, auf welchem einmal unsere Anstalt und unser Zutrauen hauptsächlich beruht, höchst nöthig, als Mann eigener Ideen und eigener Kraft und nicht als blosses Organ zu erscheinen. Ich musste mich daher auf das in der Vorrede Gesagte beschränken und ich konnte mir auch diese Beschränkung um so mehr gefallen lassen, da die wenigen Stellen die Methode bezeichnen und sie als die Quelle angeben, aus der ich meine Ideen hauptsächlich schöpfte, und um so mehr, da ich in einer Woche das Werk, das Herr J(ullien) ankündigte, das die genaueste und vollständigste Belehrung über den Geist und das Wesen der Methode geben kann. Ich liess zu dem Ende meine Brochüre gewissermassen nur als vorläufige Ankündigung des Werkes von Herr J(ullien) ankündigen trachten, um Intresse für dasselbe zu erwerben. Die Schrift fand überall, wohin sie bis jetzt gekommen, gute Aufnahme; nirgends ist man ihr noch mit einem unfreundlichen Worte begegnet, bei vielen hat sie einen starken Eindruck gemacht und Männer der ersten Bedeutung haben sich laut und stark für sie und für uns und für unsere Sache erklärt. Unter diesen sind mehrere des Staatsrathes, einige Minister, der Direktor der P[estalozzi] Schule,

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der Gouverneur der königlichen Prinzen, der allereinsichtigste Mann auf dem Gebiete der Erziehung. Von diesem erhielt ich eine Zuschrift des schmeichelhaftesten Inhaltes. Von mehreren Männern sind vortheilhafte Anzeigen in öffentlichen Blättern eingesandt worden, deren Aufnahme ich aber zu verhindern suchte, weil ich jedes öffentliche Lob im Uebermass für höchst gefährlich halte, und für einmal des Feuereifers in häuslichen Kreisen genug ist, um uns zu wärmen. Das Intresse für die Schrift gewann ungemein durch unser erstes im Anfange dieses Monates gehaltenes öffentliches Examen, dem dieselbe vorausgegangen war. Die Prüfung sollte hauptsächlich die Wahrheit und Anwendbarkeit der Methode in bestimmten Resultaten beweisen. Ich ordnete daher dieselbe so an, dass in jedem Lehrfache von den ersten Elementen ausgegangen, zu den ersten Elementarbildungen fortgeschritten und mit den positiven selbsterzeugten Kenntnissen geendiget wurde. Auf diese Weise sollte der progressive Stufengang der Entwicklung und Bildung und aus beiden unzertrennlichen Operationen der schaffenden Natur das Wissen und Können, als Produkt der freien Selbstthätigkeit, offenbar werden. Es gelang diese erste Probe. Ihr Gelingen ist eine Thatsache, von der alle, die der Prüfung beiwohnten, mit Zufriedenheit, und die meisten Eltern mit * sprechen. Der Gang der Prüfung war ein ruhiges, stetes und ernstliches Fortschreiten von einem Gegenstande zu dem andern, von einer Stufe zur andern. Die Stimmung der Kinder zeugte von heiterem und frohem Sinne und dem Bewusstseyn der Kraft, aus der allein die Freyheit der Mittheilung hervorgeht. Eine der guten Wirkungen der Prüfungen ist, dass mehrere wichtige Männer, die derselben nicht beiwohnen konnten, eine privative Darstellung des Wesentlichsten wünschten, um das Wesen und den Gang der Methode kennen zu lernen. Wir freuen uns des Wunsches und werden ihn erfüllen. Sie sehen aus dem Gesagten, lieber Herr Pestalozzi, dass wir in einem Jahre einen etwas höheren und festeren Standpunkt und ein grösseres Feld gewonnen und dass die Hoffnungen unserer ersten Aussaat sich verstärkt haben. Von wirklichen Früchten rede ich nicht, sie sind der Zeit der Reife vorbehalten; aber sie wird kommen diese Zeit, wir sehen sie herannahen in guten Kindern, gepflegt von treuen Händen. Das Vertrauen, das wir um dieser Pflege willen geniessen sowohl in physischer als moralischer und geistiger Hinsicht, ist gross und stark und vielleicht einzig. Es fehlt uns wenig mehr zur vollständigen Organisation. Wäre Pfyffer noch unter uns! O wir

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haben viel, sehr viel an ihm verloren und meinem Herzen ist er schwer zu ersetzen. Wäre er noch unter uns mit seinen gründlichen Kenntnissen in Sprachen, Mathematik und im Zeichnen, mit seinem grossen Geschick in bildenden Darstellungen, mit seinem hingebenden Eifer und seiner kindlichen Anhänglichkeit an uns und unsere Sache, wie glücklich wären wir! O dass er uns verlassen musste in der Blüthe seiner Kraft und in der Zeit der ersten Bestellung unseres Feldes! Wenige seines Alters können sich seiner Vorzüge rühmen. Er war in allem stark, an Geist und Herz, weit stärker als man glaubte, am stärksten in seiner Bescheidenheit. An ihm verlor die Methode und sein Vaterland eine der schönsten Hoffnungen, und ich – den Liebling meines Herzens. Das schmerzliche Gefühl über seinen Verlust hat meine Lebenstage abgekürzt und geht mit mir zu Grabe. So bald ich Zeit gewinne, werde ich eine kleine Skizze von seinem Leben entwerfen und sie nach der Schweiz senden. Baumgartner und Schneider sind voll des besten Willens und des regsten Eifers. Sie werden bestimmt grossen Nutzen schaffen, jeder auf seinem eigenen Felde, nach seiner eigenen Weise. Schneiders Wirkungskreis sind vorzüglich die Kleinen in der Periode der ersten Entwickelung. Baumgartner ist einem stärkeren Boden gewachsen, auf dem er mit Kraft und Anstrengung das Positive zu pflanzen hat. Beide benahmen sich bei der öffentlichen Prüfung so, das sie viel Zutrauen erweckten und als lebendige Zeugen der Methode den besten Beweis von ihrer Vortrefflichkeit an sich und durch sich selbst aufstellten. Ich bitte Sie inständig, lieber Herr Pestalozzi, uns alles Dasjenige, was seit Schneiders und Baumgartners Abreise gedruckt worden, durch Herrn Jullien zuzuschicken. Wir fangen in wenigen Tagen an, unsere Sprach- und andere Uebungen, insofern sie geeignet sind, das Kind in die Natur und ins Leben einzuführen, ins Italienische zu übersetzen. Eine Arbeit, von der wir die beste Aufnahme uns versprechen dürfen, und dazu wäre uns die freundliche Handbietung von Iferten sehr erwünscht. Rechnen Sie ja bei aller ihrer väterlichen Unterstützung auf den Dank, der nie getrennt sein kann von der wahren Liebe, womit ich von Herzen bin Ihr Hofmann.

Überlieferung 1

Gustav Tobler: Blätter für bernische Geschichte XV (1919), S. 85–89

554 Textkritik Zeuge [a] Z. 76

*: unleserliche Stelle in der Handschrift Sacherklärung I.

Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838) ⇒ Nr. 802 II. Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) hatte Yverdon im Sommer 1810 verlassen und war mit seiner Familie zuerst nach Rom und anschliessend nach Neapel gereist, um dort ein Institut nach der pestalozzischen Methode zu eröffnen. Da die Arbeit mit 50 Kinder für nur einen Lehrer, Joseph Alphonse Pfyffer (1791–1812, ⇒ Nr. 1274), zu aufwendig war, hatte Hofmann bei Pestalozzi um weitere Lehrer gebeten. Im Frühjahr 1812 schickte Pestalozzi Johannes/Jean Schneider (1792–1858, ⇒ Nr. 1317 f) und Fridolin Baumgartner (1791–1814, ⇒ Nr. 1317 f) nach Neapel. Am 7. März 1812 verfasste Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815, ⇒ Nr. 3) für Schneider einen Eintrag in sein Stammbuch (vgl. Gustav Tobler: Aus dem Leben eines Pestalozzianers. In: Historischer Verein des Kantons Bern (Hrsg.): Festgabe zur 60. Jahresversammlung der allgemeinen geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz. Bern 1905, S. 167). Am 31. März 1812 verabschiedete sich Schneider zudem von seinem Freund Josua Heilmann (1796–1848) in Mulhouse (vgl. Mülhauser Tagblatt 44 (1927), Nr. 42). In einem Brief vom 17. September 1812 an Karl Justus Blochmann (1786–1855, ⇒ Nr. 1111) in Yverdon erzählen Schneider und Baumgartner ausführlich von ihrem Leben in Neapel (ZB Zürich, Ms Pestal 970 a, Nr. 223). III. Z. 11 Z. 12

Z. 25 Z. 25 f. Z. 53 Z. 53 Z. 53

Z. 54 Z. 54 Z. 55 f. Z. 95 Z. 128

Herrn Jullien: Marc Antoine Jullien (1775–1848) ⇒ Nr. 1200 Schrift: Giorgio Francesco Hofmann: Idee generali sulla educazione per servir di base all’organizzazione dell’istituto di Giorgio Francesco Hofmann. Neapel 1812 Schneider: Johannes/Jean Schneider (1792–1858) ⇒ Nr. 1317 f Baumgartner: Fridolin Baumgartner (1791–1814) ⇒ Nr. 1317 f Staatsrathes: Es ist unklar, wer damit konkret gemeint war. Minister: Es ist unklar, wer damit konkret gemeint war. Direktor: Matteo Angelo Galdi (1765–1821) aus Coperchia (Salerno) war Jakobiner, Politiker und Schriftsteller und wurde 1809 zum Direktor des öffentlichen Unterrichtswesens ernannt. Gouverneur: Jean-Louis-Amable de Baudus (1761–1822) ⇒ Nr. 1274 Prinzen: Napoleon Achille Murat (1801–1847, ⇒ Nr. 1274) und Napoleon Lucien Murat (1803–1878, ⇒ Nr. 1274) Zuschrift: scheint nicht erhalten zu sein Pfyffer: Joseph Alphons Pfyffer (1791–1812) ⇒ Nr. 1274 Iferten: dt. Name für Yverdon

555 1321 a. Isaac Cox Barnet 23. Mai 1812 5

[Reg.] Barnet schickt Anna Pestalozzi eine Brille und teilt Pestalozzi mit, dass seine Frau im Sommer vielleicht nach Yverdon kommen werde. Zudem bittet er ihn, Frau Kuentzy 12 francs de France für seine Rechnung zu geben und erkundigt sich, ob er von Herrn Mieg etwas über den Brief von Monsieur Pictet wisse.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 103.5 ff. Sacherklärung I.

Isaac Cox Barnet (1773–1833) ⇒ Nr. 1267 b III. Z. 4 Z. 5 Z. 6 Z. 7 Z. 7 Z. 7

Anna Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Frau: Frau Barnet ⇒ Nr. 1028 Kuentzy: Es ist unklar, wer hier gemeint sein könnte. Mieg: Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 Brief: Da unklar ist, wer mit Pictet gemeint ist, ist auch unklar, ob dieser Brief erhalten ist. Pictet: Es unklar, wer aus der weit verzweigten Genfer Familie Pictet hier gemeint sein könnte.

1321 b. (Jean-)André Fischer Ende Mai/Anfang Juni 1812 [Reg.] Fischer schickt Pestalozzi 50 Exemplare von Julliens Précis.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 108.15 ff. Sacherklärung I.

(Jean-)André Fischer (1759–1821) aus Mainbernheim (Bayern) emigriert um 1785 nach Lausanne, wo er ab 1789 eine Druckerei betreibt, 1796 das renommierte Druckereigeschäft seines Onkels Jean-Pierre Heubach (1736–1799) übernimmt und

556 dieses zwischen 1797 und 1810 gemeinsam mit dem aus Basel stammenden Lukas Vincenz/Luc Vincent (1748–1809) unter dem Namen Fischer & Vincent führt. Nach Vincents Tod zieht sich Fischer auf das Buchhandels- und Verlagsgeschäft zurück, worin ihm 1818 sein Sohn Henri (1787–1859), der spätere Gross- und Staatsrat, nachfolgt. III. Z. 4

Précis: Marc-Antoine Jullien: Précis sur l’Institut d’Education d’Yverdun en Suisse, organisé et dirigé par M. Pestalozzi. Milan 1812

1321 c. Christoph Maximilian Jury Juni 1812 5

[Reg.] Jury teilt Pestalozzi mit, dass er gerne die frei gewordene Lehrerstelle in Burgdorf übernehmen würde und dazu eine Empfehlung von ihm wünscht. Von seinen bisherigen Vorgesetzten habe er ein gutes Zeugnis bezüglich seiner Lehrbefähigung und seiner Aufführung erhalten, da ihm aber der Heimatschein fehle, müsse er Murten verlassen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 109.24 ff. Sacherklärung I.

Christoph Maximilian Jury ⇒ Nr. 706 II. ⇒

Nr. 1308a und ⇒ Nr. 1317 e

1321 d. Sigmund Friedrich Bigler 14. Juni 1812 [Reg.] Bigler teilt Pestalozzi mit, dass er sich gerne an seine Zeit in Yverdon erinnere.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 108.30 ff.

557 Sacherklärung I. Sigmund Friedrich Bigler konnte nicht näher bestimmt werden. Sein Aufenthalt bei Pestalozzi dürfte wohl in die Anfänge der Yverdoner Zeit fallen. Der Aufenthalt beim Stadtberner Bankunternehmen Marquard Beuther und Co. (1812) lässt vermuten, dass er kaufmännisch tätig ist. Möglicherweise ist er aber gar kein Berner, da er im Bürgerarchiv und im Adressbuch der Stadt Bern von 1822 nicht verzeichnet ist.

1321 e. Johannes Niederer Juni 1812 [Reg.] Niederer schickt Briefe aus Zürich.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 111.20 Sacherklärung I.

Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 II. Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) war Mitte Juni 1812 für vier Wochen nach Zürich gereist, um Material gegen Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) zu sammeln (⇒ Nr. 1322).

1321 f. Johann(es) Wüst Juni 1812 [Reg.] Betrifft Bücherbestellungen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 114.16 ff.

558 Sacherklärung I. Johann(es) Wüst (1765–1843) ⇒ Nr. 1269b

1322. Johannes Niederer 27. Juni 1812 5

Monsieur Monsieur Henry Pestalozzi chef de son Institut à Yverdun Zürich, Samstags den 27ten Juni 1812.

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Theüerster Vater Pestalozzi. Ihr Briefchen hat mich hoch erfreüt. Gottlob dass Sie gesund sind. Ich schrieb Ihnen bis jetz weniger, theils weil ich Ihnen nichts Besonders zu melden hatte, theils weil ich fast immer zu Haus war und entweder arbeitete oder mich mit H[errn] Naegelis u[nd] Baumann zerstreüte. Die Materialien gegen B[remi] sind jetz so viel als gesammelt. Die künftige Woche will ich ganz darzu anwenden sie zusammenzustellen. Da Sie mir erlauben, noch hier zu bleiben, so erkenne ich das als eine mannigfaltige Wohlthat. Ich bedurfte wirklich sehr auszuruhen, werde aber täglich gesunder und ruhiger. Meine hiesige Zeit ist gewiss nicht verlohren. Weilenmann kann Ihnen manches Interessante sagen. Er kehrt voll Eifer und Muth; aber auch mit Erkenntniss der dringenden Nothwendigkeit zurück, sich der Zöglinge recht anzunehmen, und ein geschlossnes, ganz organisirtes Ganze zu bilden, zurück. Naegeli meint, man sollte nichts Unreifes schreiben, aber sich den Vortheil des Selbstverlags (in dem was in der Anstalt neü bearbeitet wird) nicht aus der Hand nehmen lassen. Es müsse eine Zeit kommen, wo es, besonders die Schulschriften, sehr abträglich werde. Diess wird mit Hennings Geographie der Fall seyn. – In Berlin ist eine neue Schrift von Harnisch, über deütsche Volksschulen, ganz für Sie und ganz gegen mich gerichtet, erschienen. Ich bringe sie mit.

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Schmid hat auch an Naegeli geschrieben und ihm seine Brochure geschikt – Er schreibt ihm zur Verwunderung freundschaftlich und gegen seinen gewöhnlichen Ton. Von Stilling habe ich hier ein wichtiges Werk, Vertheidigung des Protestantismus gegen den Katholizismus gelesen. Ein Muster von Klarheit Würde Gründlichkeit und Popularität. Es ist von der grössten Wichtigkeit, dass wir den Gang der religiösen Bewegungen kennen. Vogel und Füssli sind sehr gut. Erstrer führte mich zu letzterm, wo wir ein paar Stunden blieben. Auch Usteri will ich sehen. Von Meyer von Knonau verspricht man sich nicht viel, er sey sehr unentschlossen in allem. Nicht er, sondern Chorh[err] Hirzel ist Verfasser des Aufsatzes in den Süddeutschen Miszellen. Wangenheim schrieb an Esslinger über B[remis] Schrift mit Unwillen und der stärksten Überzeügung, sie sollte nicht beantwortet werden. Er kennt die Lage nicht. Näg[eli], Esslinger und ich schrieben ihm einen gemeinschaftlichen Brief um ihn zu einem Rendez vous einzuladen. Schicken Sie mir doch eine Copie Ihres Zusatzes gegen Bremi mit künftiger Dienstags oder spätestens Mitwochs post. Gessner werde wieder gesund obgleich entstellt. Ich habe ihn noch nicht gesehen, auch Dr. Hirzel nicht, von dem zuweilen ein Spässchen über unsern Streit höre. Aber vor der Abreise gehe ich noch an alle Orte. Stapfern werde ich besuchen und alle Ihre Aufträge ausrichten. Heüte passirt Vogel den Abend bei uns. Gott sey mit Ihnen ich muss schnell schliessen. Ewig Ihr dankbarer Sohn Niederer

Überlieferung 1 2 3 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 262/IV,15 Bogen, 238 x 201 mm am Rande leicht beschädigt Stempel ZURICH 27 JUN. 1812, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–8 Z. 14 Z. 26 Z. 34

lateinische Schrift Naegelis: lateinische Schrift Naegeli: lateinische Schrift Naegeli: lateinische Schrift

560 Z. 34 Z. 50 f.

Brochure: lateinische Schrift Rendez vous: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 II. Seit November 1811 hatte Pestalozzi mit Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) und Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) an der Ausarbeitung einer Schrift gegen die von Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) in der Züricher Freitags-Zeitung formulierten Kritikpunkte gearbeitet (⇒ Nr. 1275). III. Z. 11 Z. 14 Z. 14 Z. 16 Z. 21 Z. 30

Z. 31 Z. 31 Z. 34 Z. 34 Z. 34

Z. 37 Z. 37

Z. 42 Z. 42 Z. 43 Z. 44 Z. 45 Z. 46

Z. 47 Z. 47 Z. 47

Briefchen: PSB VIII, Nr. 3009 Naegelis: Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 Baumann: Christoph Baumann (1789–1863) ⇒ Nr. 675 B[remi]: Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784 Weilenmann: Johann Jakob Weilenmann (1787–1827) ⇒ Nr. 1268 Hennings Geographie: Johann Wilhelm Mathias Henning: Leitfaden beim methodischen Unterricht in der Geographie, besonders für Eltern und für Lehrer in Elementarschulen. Yverdon 1812 Schrift: Wilhelm Harnisch: Deutsche Volksschulen mit besonderer Rücksicht auf die Pestalozzischen Grundsätze. Berlin 1812 Harnisch: Christian Wilhelm Harnisch (1787–1864) ⇒ Nr. 1422 Schmid: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 geschrieben: scheint nicht erhalten zu sein Brochure: Joseph Schmid: Gedanken über Mathematik und Anwendung der mathematischen Erkenntnisse auf den bürgerlichen Erwerb, besonders zur Verminderung der armen Kinder. Bregenz/Heidelberg 1812 Stilling: Johann Heinrich Jung-Stilling (1740–1817) ⇒ Nr. 572 Werk: Johann Heinrich Jung-Stilling: Antwort durch Wahrheit in Liebe auf die an mich gerichteten Briefe des Herrn Professor Sulzers in Konstanz über Katholicismus und Protestantismus. Nürnberg 1811 Vogel: David Vogel (1760–1899) ⇒ Nr. 1187 a Füssli: Johann Heinrich Füssli (1745–1832) ⇒ Nr. 1 Usteri: Paul Usteri (1768–1831) ⇒ Nr. 823 Meyer von Knonau: Ludwig Meyer von Knonau (1769–1841) ⇒ Nr. 1276 Hirzel: Heinrich Hirzel (1766–1833) ⇒ Nr. 610 Aufsatzes: Unter dem Titel Miscellen aus der Schweiz war in den Süddeutschen Miscellen vom 4. Januar 1812 ein anonymer Aufsatz erschienen, der die «literarische Fehde eigener Art» aufrollte, welche «seit einigen Monaten das Schweizerische, besonders aber das Zürcherische Publikum [beschäftigt].» Der Verfasser äusserte darin den Wunsch, Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) möge in seinem geplanten neuen Werk mehr Achtung walten lassen. Wangenheim: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 schrieb: scheint nicht erhalten zu sein Esslinger: David Esslinger (1779–1828) ⇒ Nr. 1133 d

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Z. 50 Z. 51 Z. 53 Z. 54

Z. 57

Schrift: Johann Heinrich Bremi: Ueber die Schrift: Pestalozzi’s Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitcultur: früher genannt das Pestalozzische Institut an das Publicum. Zürich 1812 Brief: scheint nicht erhalten zu sein Zusatzes: Vermutlich ist hier Pestalozzis Zuschrift an Niederer, Sommer 1812 gemeint (PSW XXIII, S. 114–123). Gessner: Heinrich Gessner (1768–1813) ⇒ Nr. 607 Hirzel: Hans Kaspar/Caspar Hirzel (1751–1817) arbeitete ab 1774, nach einem Medizinstudium in Wien und Promotion in Erlangen, als Hebammenlehrer in Zürich und wurde dort 1803 zum ersten Stadtarzt ernannt. Er engagierte sich als Präsident in der Zürcherischen Hülfsgesellschaft und war Mitinitiant des Blindeninstituts sowie der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft. Stapfern: Philipp Albert Stapfer (1766–1840) ⇒ Nr. 899

1323. Anna Barbara Gross-Pestalozzi Sommer 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 158.14 Sacherklärung I.

Anna Barbara Gross-Pestalozzi (1751–1832) ⇒ Nr. 2

1323 a. Pierrette Julienne Pastol de Keramelin-Basire/Bazire Sommer 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 133.27 f.

562 Sacherklärung I. Pierrette Julienne Pastol de Keramelin-Basire/Bazire (*1784) ⇒ Nr. 1297

1323 b. Gessnersche Buchhandlung vor 16. Oktober 1812 [Reg.] Die Gessnersche Buchhandlung schickt mehrere Abrechnungen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 149.29 ff. Sacherklärung I.

Die in den 1660er-Jahren von David Gessner (1647–1729) gegründete Buchhandlung David Gessner Gebr. erbt Heinrich Gessner (1768–1813, ⇒ Nr. 607) 1788 in vierter Generation nach dem Tod seines Vaters, des Dichters und Künstler Salomon Gessner (1730–1788). Teilweise zusammen mit seiner Mutter Judith Gessner-Heidegger (1736–1818) führt er die Verlagsgeschäfte. Er verlegt Bücher von Pestalozzi, Heinrich von Kleist (1777–1811), Johannes Heinrich Daniel Zschokke (1771–1848, ⇒ Nr. 561) und Christoph Martin Wieland (1733–1813, ⇒ Nr. 637), dessen Tochter Charlotte Louise (1776–1816, ⇒ Nr. 637) er heiratet. 1798 tritt er die ebenfalls ererbten väterlichen Anteile an der Buchhandlung Orell Gessner Füssli (⇒ Nr. 1317 b) ab, wird im selben Jahr Nationalbuchdrucker der Helvetik, schliesst diese Tätigkeit jedoch 1803 mit hohen Verlusten ab und kann 1809, nachdem auch Pestalozzi sich 1807 für sein Journal für die Erziehung einen anderen Verlag gesucht hat, den Konkurs nur mit Unterstützung Wielands abwenden. Nach seinem Tod geht der Verlag an seine Söhne Christian Heinrich Gessner (1798–1872) und Eduard Gessner (1799–1862) über, die beide in engem Kontakt zur deutschen Nationalbewegung stehen und ihn schliesslich 1833 an den deutschen Emigranten Adolf Ludwig Follen (1794–1855) verkaufen.

1324. Karl Friedrich Rudloff und Johannes von Muralt Zweite Hälfte 1812 5

Wie gern ich diese Zeilen, dem Drange meines Herzens, und meiner innersten Überzeugung zu folge mit der Überschrift: Theuerster Vater Pestalozzi; begonnen erkennet nur Gott; doch sicher ist auch Muralt davon überzeugt der als Kind vom Hause, mich heute bei Ihnen einführt. Seit Jahren schon hätte ich gern Ihnen, Verehrtester!

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sagen mögen, was ich denke, und fühle, hätte ich nicht – mit Recht oder Unrecht – gefürchtet, die Zahl derer zu vermehren, welche nur deswegen dem Würdigsten sich andrängen, damit jenes Verdienstfülle eigene Verdienstlosigkeit vorbeuge. Schwerlich würde ich mich daher wohl je entschlossen haben, Ihnen unter die Augen zu tretten, hätte nicht höhere Leitung Ihren Sohn hieher geführt, in dessen Sinn u[nd] That ich den Vater erkenne, und über Alles schätze; der mir von Neuem eben das wurde was Sie mir waren, als Ihr Sinn, Ihr Geist, ausgesprochen in Ihren Schriften und Werken, mir den Blick öffneten, über das, was Erziehung und Unterricht sein und leisten sollten; und als ich nun im hellsten Lichte erkannte, wie einseitig und bruchstückig mein bisdaheriges Treiben und Thun, wie wenig der einzig wahren Idee der Menschenbildung gemäss, gewesen, und welche Fuss und Augen kranke Führer ich mir gewählet, am Mehrtheil derer, die ihre Erfahrungen und Ansichten zu Methoden gestämpelt, und deren fast jeder die seinige aus den Trümmern einer andern aufbaute. Wie wäre es aber auch wohl möglich gewesen, die Einheit in das Wesen der Menschenbildung zu bringen; wo jeder nur nach eigener oder anderer Er- oder Verziehung abstrahirte, wo jeder seine Methode auf äussere Zufälligkeiten, spezielle Ansichten u[nd] Systeme begründete, wenn man nicht dahin gelangte, einzusehen, dass es eine Methode geben müsse, eben so einzig wahr und untrüglich bestehend als die Menschennatur selbst und deren ewige Gesetze? Je lebendiger ich mich, nach wiederholtem Lesen Ihrer Schriften von dieser Idee, und der Möglichkeit der Verwirklichung derselben durchdrungen fühlte, umso mehr drängten mich die Schwierigkeiten, welche der Egoismus derer überall entgegensetzte, welche in der theuren Bisherigkeit, und in ihren eigenen Treiben u[nd] Gewerbe-Art sich so Ehre voll festgebissen, dass sie fürchteten, ihre ganze, mühevoll errungene Berühmtheit aufzugeben, wenn sie eingestünden, dass ihr bisheriges Treiben ohne sichern Grund, ohne Zusammenhang und Einheit gewesen: dass sie nicht die Wissenschaft um des Menschen willen gelehrt, sondern, dass sie dem Menschen um der Wissenschaft willen, bald den Kopf abgeplattet bald zugespitzt, gewürfelt, gebunden und gewindelt, kurz vor- und zer-zogen statt e r zogen. Bei diesen Ungünstigkeiten öffentlichen Wirkens, und ohne Mittel, meinem sehnlichsten Wunsche gemäss, zu Ihnen zu kommen, schien mir das Loos eines Erziehers in einer Familie um so reizender, um so mehr, da ich hoffen durfte, dass gutes Gelingen, bei festem Willen und angstrengter Kraft Aufmerksamkeit auch die Güte der Sache erweken würde, um dann, von einem solchen Mittelpunk-

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te aus, ein allgemeineres Wirken zu errmöglichen. Doch die Erfahrungen einiger Jahre überzeugten mich auch bald, dass je mehr man sich des guten Erfolges freute, diese Freude daran, so zur Liebhaberei wurde, dass man dieselbe weit eher sich selbst, als andern gönne; und dass, von der andern Seite Zunftgeist, Eigendünkel und Unwissenheit, hier wie an andern Orten dem Einzelnen mit allbekannten Waffen entgegengehe. Verloren würde ich mich endlich haben im Einzelnen Treiben, wäre nicht, gleich einem Boten von Gott gesandt, Muralt, mir erschienen, mich wieder zu erweken, und der Sache der Menschheit der Gottes sache wiederzugeben. Glücklich fühle ich mich durch ihn. Ihm, seinem Muthe, seiner Thätigkeit danke ich es, dass ich jetzt neue Hoffnung schöpfe, dass auch in diesem Boden die gute Sache Wurzel schlagen werde, dass auch Menschen, im edleren vollen Sinne des Wortes vom Norden aus, einst jenen aus Süden entgegnen werden, damit endlich auch die Zeit vermittelt werde, dass, so wie Eine Sonne Allen leuchtet, Alle erwärmt, auch Ein Sinn, ächter wahrer Menschensinn, Alle beseele. Glücklich fühle ich mich durch diese Hoffnung, muthig und stark, zur Mitwirkung für Verwirklichung derselben, zuversichtlich in Anwendung der Mittel zu deren Erforschung u[n]d Entwickelung Sie mich geleitet. Ihnen verdanke ich was ich vom Wesen der Menschenbildung weiss, und wenn ich etwas kann und vermag, was ich kann und thue, Ihnen also meine geistige Geburt, so wie durch Muralt, Ihnen meine Wiedergeburt. Längst schon nannte mein Herz Sie Vater, erkannte mein ganzes Wesen sie dafür. Kann dieses wohl den Wunsch meines Herzens der sich mir beim Anfange des Briefes vordrängte entschuldigen? Mit Wonne hören wir Alle und lesen Ihre Briefe an Muralt, mit festem Vertrauen auf Gott und auf die gute Sache erfüllte uns Alle, die letzte Nachricht, von Ihrer glücklichen Genesung, von einem Unfalle, dessen Benachrichtigung uns mit tiefem Schmerze erfüllte. Mit Sehnsucht erwarten wir hier Ihre Zuschrift des Gesunden an die Kranken; sowie die neue Auflage von Herrn Niederers Schrift, und wünschen nichts mehr, als auch unserer Seits zur Lebensverlängerung des Vaters, durch Ausübung seines Testaments: «Über Naturgemässheit in der Erziehung» sobald es nur erschienen, soviel in unsern Kräften stehet beizutragen, indem wir sein Herz mit jugendlicher Freude durch Verwirklichung seiner sehnlichsten Wünsche, erfüllen helfen. Wie gern wäre ich, wenn auch nur auf wenige Tage, bei Ihnen, um Sie Alle, Alle von Angesicht zu Angesicht zu sehen, den Ehrwürdigen Vater Pestalozzi, Frau Pestalozzi, Herrn Niederer, und alle

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treuen Theilnehmer und Theilnehmerinnen, Freunde und Freundinnen, am Werke der Menschheit! Doch wird mir auch vermuthlich dieses menschlichen Wunsches Erfüllung, nie gewährt, so fühle ich mich doch Allen nahe, und befreundet, ich sehe u[n]d höre sie, und ihre Briefe an Muralt klingen mir alle schon wie Stimmen bekannter Freunde. Der Gedanke an alle diese Befreundeten wird mir schärfster Sporn zum Handeln immer sein, um so mehr, da ich es fühle dass jede, auch die kleinste Vernachlässigung einen Schatten auf Sie, auf alle verehrte Freunde u[n]d auf die gute Sache werfen könnte, ja werfen müsste, welcher einstiger rüstigerer Verbreitung mehr schaden würde als völlige Unbekanntschaft, oder Nichtachtung. Dass jedoch dieses nicht zu befürchten, dafür bürget Ihnen Muralts Sinn. Wäre nicht die Furcht Ihnen lästig zu fallen, und gütige Nachsicht unbescheiden zu missbrauchen, zu gross so fände mein Herz wohl noch mancherlei Entschuldigungen, um den Brief noch weiter auszu dehnen. Doch dieselbe Hochachtung welche mich vermochte zu schreiben gebietet mir auch jetzt zu enden, und Ihnen, Verehrtester! nur noch zu versichern, dass es mir ewig heilige Pflicht sein wird, durch mein Streben und Thun, mich einst der Zahl Ihrer wahren und würdigen Verehrer und Freunde an zu reihen. Mit aufrichtigster Hochachtung Carl Fried[rich] Rudloff. Theürer H[er]r Pestalozzi. Gott sey gepriesen für Ihre glückliche Wiederherstellung; für die himmlische Ruh u[n]d Heiterkeit, die der Allgütige Ihnen erhalten hat. Sie haben mich durch Ihre gütigen Zeilen hoch erfreüt. Wir denken u[nd] sprechen so viel Ihnen, darum sind uns wenn auch geschriebne Worte von Ihnen, wie heilig. Kannten Sie nicht einen Christoph Meyer von Wädenschwyl, nun in Hamburg etablirt, ein Lavaterianer? Dieser Mann liebt u[n]d verehrt Sie, aber dennoch hat er immer mit mir über Ihre Ansicht der Religion zu disputiren. Er will nicht glauben, dass Sie Christus für ein höhres Wesen, für den wahren Gottes Sohn anerkennen. – Aber Alles in Liebe. Grippenberg errichtet eine Erziehungsanstalt in Finnland; er scheint eignes Streben zu haben, doch aber etwas Schlafmütze. Nicht wahr Sie verzeihen mir Alle, Mad[ame] Pestal[ozzi], H[err] Nied[erer], H[er]r Krüsy, H[err] Blochm[ann] H[err] Dreist, H[err] Hening, H[err] Ramsauer, u[nd] Alle die lieben Schreibenden an den nordischen Freünd, dass er Ihnen diess mal nicht antwortet. Da ich der J[ung]f[e]r Kasthofer auf mehrere Briefe Antwort schuldig war, musste doch was Ordentliches schreiben, ist es der Correspondent nicht werth? Sie wird

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Ihnen manches mitzutheilen haben, woraus Sie sehen können, wie es mir geht. – Neulich war ich mit Klinger im Pagen Corps, habe mich aber nicht ergötzt – Es ist s[ein]e eigne Meinung: dass in allen öffentl[ichen] Erziehungsanstalten höchstens unter 100 einer gefunden werde, der aus Intersse für Wissensch[aft] u[n]d Bildung lerne u[n]d sich mühe – die Massen u[nd] weil es nun schon einmal so seyn müsse, dass man diese u[n]d jene Schulen, Examen u[n]d Klassen durchgehe, um zu dem u[n]d diesem Zwecke zu kommen Charakter u[n]d Amt, und Entlassung aus der Anstalt sey immer die Hauptrücksicht. Die Adelichen wissen, dass sie angestellt werden – wie es auch sey – also bleibts denn nur schon so beym Alten, u[n]d diese Überzeügung meint er haben auch die Lehrer. Darum treiben sie es darnach. Er ist äusserst selbstsüchtig u[n]d hat wenig Humanität. Aller seiner frühern Verhältnisse u[nd] Verbindungen scheint er sich zu schämen. Des stetigen Fortschreitens, dieser gereinigten Stimmung aller Lehrer freüe ich mich aufs innigste. Diese Ihre Versicherung wurde mir durch St. Petersburg u[nd] Ramsauers Brief bestätiget, dessen ansichten u[n]d umfassenden Blick ich ihm noch nicht hätte zutrauen können – es ist erstaunenswurdig. Guter Gott! was haben Sie doch in dem Lande, das Sie lieben, wie Ihr Herz, nicht Alles auszustehen! Hat man denn noch nicht genug gelitten, um die Herren seiner Nation in Ehren halten zu lernen, um Humanität als das Einzige, ewig bestehende anzuerkennen u[n]d zu befördern. O Bern u[n]d Zürich! warum solche Tatzen? Ich möchte so gerne noch jedes Fleckgen Papier au[s]füllen, aber die Post gebietet – halt! – Gott erhalte Sie u[n]d alles, was Ihnen nahe ist! –

Überlieferung 1 2 5

ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 310a/1 Bogen, 223 x 186 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 59 Z. 73 f. Z. 78 Z. 83 Z. 92 Z. 92

Muralt: lateinische Schrift Muralt: lateinische Schrift Muralt: lateinische Schrift Niederers: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift (2x) Niederer: lateinische Schrift

567 Z. 97 Z. 104 Z. 114 Z. 115 Z. 121 Z. 121 Z. 121 Z. 122 Z. 125 Z. 126 Z. 128 Z. 128 Z. 128 Z. 129 Z. 129 Z. 130 Z. 131 Z. 135 Z. 135 Z. 136 Z. 151 Z. 151

Muralt: lateinische Schrift Muralts: lateinische Schrift Carl Fried[rich] Rudloff: lateinische Schrift Pestalozzi: lateinische Schrift Christoph Meyer: lateinische Schrift Wädenschwyl: lateinische Schrift Hamburg: lateinische Schrift Lavaterianer: lateinische Schrift Grippenberg: lateinische Schrift Finnland: lateinische Schrift Mad[ame] Pestal[ozzi]: lateinische Schrift Nied[erer]: lateinische Schrift Krüsy: lateinische Schrift Blochm[ann]: lateinische Schrift Dreist: lateinische Schrift nordischen: lateinische Schrift Kasthofer: lateinische Schrift Klinger: lateinische Schrift Pagen Corps: lateinische Schrift s[ein]e eigne St. Petersburg: lateinische Schrift Ramsauers: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Karl Friedrich Rudloff konnte nicht näher bestimmt werden. Gemäss seinen eigenen Aussagen hält er sich um 1812 in St. Petersburg auf und ist zuvor als Erzieher in einer Familie tätig. Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 II. Da Karl Friedrich Rudloff nicht näher bestimmt werden konnte, ist auch der Entstehungskontext dieses Briefes nicht näher zu rekonstruieren. Wahrscheinlich hielt sich Rudloff (möglicherweise als Erzieher) in St. Petersburg auf und bewegte sich in den Kreisen um Johannes von Muralt (1780–1850, ⇒ Nr. 610), der ebendort eine Stelle als Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde innehatte. III. Z. 7 Z. 82 Z. 83 Z. 83

Muralt: Johannes von Muralt (1780–1850) ⇒ Nr. 610 Zuschrift: Johann Heinrich Pestalozzi: Der kranke Pestalozzi an das gesunde Publikum (PSW XXIII, S. 213–219) Niederers: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Schrift: Johannes Niederer: Pestalozzi’s Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur: ein historisch kritischer Beitrag zur Kenntnis und Berichtigung der öffentlichen Beurtheilung dieses Gegenstands. In zwei Abtheilungen. Yverdon 1812, 1813

568 Z. 85 Z. 92 Z. 121 Z. 125

Z. 128 Z. 129 Z. 129 Z. 129 Z. 129 Z. 131 Z. 135 Z. 151

Testaments: Johann Heinrich Pestalozzi: Das Wesen der Naturgemässheit in der Erziehung (PSW XXIII, S. 185–212) Frau Pestalozzi: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Christoph Meyer: konnte nicht näher bestimmt werden Grippenberg: Odert Henrik Gripenberg (1788–1848) schloss die Akademieschule in Turku mit der Matura ab, besuchte danach die Offiziersschule in Haapaniemi, trat 1806 in die schwedisch-finnische Armee ein und kämpfte 1808 bis 1809 im Finnischen Krieg gegen Russland. 1809 unternahm er eine längere Auslandreise, die ihn auch zur Erlernung der Methode nach Yverdon zu Pestalozzi führte. 1810, zurück in Finnland, heiratete er Frederika Maria Nyman (1793–1875) und gründete 1811 in Hämeenlinna eine Schule nach Pestalozzis Grundsätzen, die er wegen finanzieller Schwierigkeiten zweimal verlegen und 1822 endgültig schliessen musste. Von 1823 bis 1827 unterrichtete Gripenberg an der Kadettenschule von Haminaa, gründete anschliessend das schwedische Wochenblatt Weckoblad för Uppfostran och Undervisning und veröffentlichte in den 27 Ausgaben auch Aufsätze über die pestalozzische Pädagogik. 1835 gründete er in Helsinki erneut Schulen, eine schwedischsprachige Mädchenschule sowie eine Kleinkinderschule für Buben und Mädchen, die nach seinem Tod in Stockholm von seiner Frau und einer Tochter weitergeführt wurden. Krüsy: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Blochm[ann]: Karl Justus Blochmann (1786–1855) ⇒ Nr. 1111 Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 Hening: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Ramsauer: Johannes Ramsauer (1790–1848) ⇒ Nr. 1525 Kasthofer: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 Klinger: Friedrich Maximilian von Klinger (1752–1831) ⇒ Nr. 721 Brief: scheint nicht erhalten zu sein

1324 a. Johann Karl Gross und Christiane Sophie Gross-Thierbach Sommer/Herbst 1812 [Reg.] Briefe mit unbekanntem Inhalt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 146.8 ff. Sacherklärung I.

Johann Karl Gross (1778–1866, ⇒ Nr. 858) und Christiane Sophie Gross-Thierbach (1786–1841), Tochter eines Leipziger Sensals (Makler). Das Paar hatte sechs Kinder.

569 1325. Barbara Lucia Jezler Sommer 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1347 Sacherklärung I.

Barbara Lucia Burkhart-Jezler (1789–1864) ⇒ Nr. 1256

1326. Hans Georg Nägeli Anfang Juli 1812 [Reg.] Betrifft die Drucklegung der Auseinandersetzung mit Bremi.

Überlieferung 1

Nr. 1327 Sacherklärung I.

Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 II. ⇒

Nr. 1322 III.

Z. 4

Bremi: Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784

570 1327. Johannes Niederer 4. Juli 1812 Zürich den 4ten Juli 1812. 5

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Theüerster Vater Pestalozzi! Ihre letzten Briefe haben mich sehr erschreckt. Mein Herz ist ganz beklemmt dass ich noch hier bin. Ihre erste Aufforderung zu bleiben, so lang es noth thue, und besonders ein sich mir täglich mehr aufdringendes Gefühl des Bedürfnisses meiner Gesundheit zu p f l e g e n , machten mich unbesonnen. Ich sah fast keine Menschen ausser Vogel, Füssli, Gessner, Esslinger etc. die mir alle sehr viel Freündschaft erweisen, aber in Naegelis Umgang und mit Genuss der entzückenden Natur verflogen die Tage wie Minuten. Ruhig, heiter, fest im Andenken an Sie und im Genuss Ihrer Liebe, war mein Hauptgeschäft, mich zu sammeln, zu stärken, mein Inneres und Aüsseres in Harmonie zu bringen. Aber noch liessen mich die Eindrücke Ihrer Briefe fühlen, wie körperlich und geistig schwach ich bin. Auf Ihre ersten Aüsserungen hin, begiengen wir die Unvorsichtigkeit, Wangenheim um ein Rendez vous zu bitten. Noch ist keine Nachricht da, ich erwarte aber nicht, dass er kommt. Nächsten Montag oder spätestens Dienstag den 7ten reise ich zu Fuss ab, und werde am Ende der Woche, oder dem Sonntag eintreffen. Der Brief an Cotta schicke heüte ab, und finde nicht nöthig etwas hinzuzusetzen. Auch Naegeli schreibt Ihnen. Schulthess und er meinen: Ihre Aüsserungen und meine Antworten, sollten jedes noch besonders abgedruckt werden als 2 Abtheilungen oder zusammengehörige Broschüren, jede zu 4 Batzen. Wenn Sie es so gut finden, so müsste man anfangen, erstre so schnell als möglich zu setzen, und dann könnten die Stellen die bedenklich sind z[um] B[eispiel] gegen Bürkli bereinigt werden. – Die Sache meinen sie würde bedeutenden Abgang finden, und man könnte so Lichtstrahlen unters Volk werfen. Damit würden auch die Setzer indessen beschäftigt. Sie könnte in der Vorrede sagen, was Sie noch Bre[mi] über die Broschüre zu antworten hätten. Ich bite Sie aber mit der Correctur bis zu meiner Ankunft zu warten. Zu meinem Aufsatz sind alle Materialien gesammelt u[n]d zusammengeschrieben. N[ägeli] hätte aber sehr gewünscht, ich hätte sie hier ganz aus arbeiten und druckfertig mitbringen können. Ich möchte mir vor den Kopf schlagen, dass ich die Zeit so wenig zu

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benutzen verstehe. Die Oekonomie betreffend, habe ich ein Projekt, dessen R e s u l t a t ich Ihnen mittheilen werde, so bald es ausgemacht ist. Für einmal nur so viel. Ich betrachte es als meine Aufgabe, Sie und H[errn] Kuster von dieser Seite zu beruhigen, oder vielmehr dafür zu sorgen, dass der oekonomische Zustand gedeiht und gesichert werde. Bis das ist kan ich nicht mehr ruhig schlafen. Empfehlung und herzliche Grüsse an die theüren Ihrigen, von der Mama an, den Lehrern alles Freündschaftliche J[ungfer] Kasthofer, Krüsi, Schacht, Dank für Briefe und Berichte von Ihrem ewig treüen Niederer Man erwartet Sie allgemein mit Ihrer th[euren] Gattin hier und alte Freünde freuen sich – besonders auch der R[a]thsh[err] Gessner –

Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 262/IV,16 Blatt, 239 x 203 mm Dorsualvermerk Zürich July 1812 Niederer an Pest Original Textkritik

Zeuge H Z. 4 Z. 11 Z. 12 Z. 20 Z. 24 Z. 26

Juli: lateinische Schrift Esslinger? ∫ Naegelis: lateinische Schrift Rendez vous: lateinische Schrift Cotta: lateinische Schrift Naegeli: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 II. Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) hatte sich während einiger Zeit in Zürich aufgehalten, um mit Hans Georg Nägeli (1773–1836, ⇒ Nr. 998) die Publikation der Antwort auf die von Johann Heinrich Bremi (1772–1837, ⇒ Nr. 784) in der FreitagsZeitung publizierten Kritikpunkte an Pestalozzi und seiner Methode voranzutreiben. III. Z. 6

Briefe: PSB VIII, Nr. 3009

572 Z. 11 Z. 11 Z. 11 Z. 11 Z. 12 Z. 20 Z. 24 Z. 24 Z. 26 Z. 26 Z. 31 Z. 35 Z. 45 Z. 50 Z. 50 f. Z. 51 Z. 51 Z. 55

Vogel: David Vogel (1760–1849) ⇒ Nr. 1187 a Füssli: Johann Heinrich Füssli (1745–1832) ⇒ Nr. 1 Gessner: Heinrich Gessner (1768–1813) ⇒ Nr. 607 Esslinger: David Esslinger (1779–1828) ⇒ Nr. 1133 d Naegelis: Hans Georg Nägeli (1773–1836) ⇒ Nr. 998 Wangenheim: Karl August von Wangenheim (1773–1850) ⇒ Nr. 977 Brief: scheint nicht erhalten zu sein Cotta: Johann Friedrich Cotta, Freiherr von Cottendorf (1764–1832) ⇒ Nr. 617 schreibt: ⇒ Nr. 1326 Schulthess: Johannes Schulthess (1763–1836) ⇒ Nr. 788 Bürkli: Johann Heinrich Bürkli (1760–1821) ⇒ Nr. 1108 Bre[mi]: Johann Heinrich Bremi (1772–1837) ⇒ Nr. 784 Kuster: Laurenz Jakob Custer (1765–1822) ⇒ Nr. 748 Mama: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Kasthofer: Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 Krüsi: Hermann Krüsi (1775–1844) ⇒ Nr. 588 Schacht: Theodor Schacht (1786–1870) ⇒ Nr. 1134 Gessner: Johann Georg Gessner (1765–1843) ⇒ Nr. 586

1328. Georg Heinrich Ludwig Nicolovius 4. Juli 1812 5

[Reg.] Antwortvermerk «B[eantwortet] 4» auf dem Brief Pestalozzis von Ende Juni 1812.

Überlieferung 1 6

PSB VIII, S. 351, Nr. 3010 Das Original des Briefes von Pestalozzi gilt seit der Auslagerung der Bestände des Deutschen Schulmuseums des Lehrervereins 1943 nach Benesov nad Ploucnici (Bensen, Tschechien) als verschollen. Sacherklärung I.

Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 III. Z. 4

Brief: PSB VIII, Nr. 3010

573 1329. Johann Friedrich Cotta, Freiherr von Cottendorf 6. Juli 1812 [Reg.] Cotta bittet um Vorschläge bezüglich der Herausgabe der Werke.

Überlieferung 1

PSB XIV, S. 148.5 ff. Sacherklärung I.

Johann Friedrich Cotta, Freiherr von Cottendorf (1764–1832) ⇒ Nr. 617 II. Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) teilte Pestalozzi am 4. Juli 1812 schriftlich mit (⇒ Nr. 1327), dass er den Brief an Johann Friedrich Cotta, Freiherr von Cottendorf (1764–1832, ⇒ Nr. 617) abschicken werde. Möglicherweise hatte er sich darin bei Cotta nach den Bedingungen für die Herausgabe einer Gesamtausgabe der Werke Pestalozzis erkundigt. Dieser Plan konkretisierte sich aber erst Ende 1816 mit der Einwerbung von Privilegien und der daran anschliessenden Subskription. Mit der bei Cotta erscheinenden Gesamtausgabe verband sich für Pestalozzi auch immer die Hoffnung auf eine zusätzliche Einkommensquelle, mit welcher sein Institut mitfinanziert werden konnte.

1329 a. Luigi Camillo Prina 8. Juli 1812 5

[Reg.] Prina bringt seine Zustimmung über die Erziehungsprinzipien Pestalozzis zum Ausdruck und scheint sich nach dem Lehrplan sowie den Pensionskosten zu erkundigen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 119.12 ff. Sacherklärung I.

Damit ist möglicherweise der Rechtsgelehrte Luigi Camillo Prina (1763–1832) gemeint. Er stammt aus Novara (Piemont), wo er später auch Bürgermeister ist, und hat mit seiner Frau Giuseppa Longoni (1781–1820) sechs Kinder. Prina ist ein Cousin des damaligen italienischen Finanzministers Giuseppe Prina (1766–1814).

574 1329 b. Michael Schneider 11. Juli 1812 5

[Reg.] Schneider erkundigt sich bei Pestalozzi, ob es eine Möglichkeit gäbe, den Heimatschein seines Bruders kostengünstig nach Neapel zu schicken.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 118.13 f. Sacherklärung I.

Michael Schneider (*1779) von Eriswil wächst in Langnau (beide Kt. Bern) als Sohn des Arztes Andreas Schneider (1749–1806) auf. 1799 ist er Mitglied der bernischen medizinischen Bibliothek. Schneider studiert Medizin in Jena und promoviert 1802. Anschliessend arbeitet er in der väterlichen Praxis mit, die er nach dessen Tod übernommen haben dürfte. 1810 heiratet er Maria Elisabeth Aeschlimann von Burgdorf (Kt. Bern). Die Familie zieht um 1811/12 aus Langnau mit unbekanntem Ziel weg. III. Z. 5

Bruders: Johannes/Jean Schneider (1792–1858) ⇒ Nr. 1317 f

1329 c. Rudolf Schär 14. Juli 1812 [Reg.] Schär erkundigt sich nach dem Verbleib einer Kiste.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 118.26 f. Sacherklärung I.

Rudolf Schär (1786–ev. um 1822) ⇒ Nr. 1047

575 1329 d. Simon Heinrich Sturz Juli 1812 5

[Reg.] Sturz teilt Pestalozzi mit, dass er seinen Sohn auf September aus dem Institut zurückrufen werde und dass er wünscht, dass dieser vorher noch konfirmiert werde.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 124.30 ff. Sacherklärung I.

Simon Heinrich Sturz (1756–1816) war zuerst in Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) als Hof-Kammer-Assessor tätig und wurde danach Hofkammerrat und Landesdirektionsrat der III. Deputation. Seit 1788 war er verheiratet mit Johanna Magdalena Ehrmann (*1768, ⇒ Nr. 1171) und Vater von mehreren Kindern. III. Z. 4

Sohn: Friedrich/Fritz Sturz (1796–1879) ⇒ Nr. 1171

1330. Georges de Rougemont 21. Juli 1812 Yverdun Pestalozzi 5

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du 21 Juillet 1812. Je viens mon respectable ami v[ou]s demander un service. J’ai reçu la Circulaire que le Sécretaire de la Société helvétique M[onsieu]r Wirtz m’a adressée et je n’y ai pas encore répondée. Je vous prie d’en faire mes excuses à M[onsieu]r Wirtz. Je regrette beaucoup que mes affaires et surtout la présidence du Conseil d’Etat ne me permettent pas de m’absenter, je regrête plus encore de n’avoir rien d’interressant à Communiquer à la société relativement à l’Education publique dans mon pays. J’espére que l’année prochaine je serai plus heureux à l’un et à l’autre de ces deux égards. Recevez mon respectable ami la nouvelle assurance de mon sincére attachement et je puis ajouter de ma vénération pour un homme qui ne vit que pour s’occuper du bonheure de ses semblables.

576 Überlieferung 1 5

Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 244, S. 34–35 Copia Textkritik

Zeuge h Z. 13

eigentlich: days Sacherklärung I.

Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 II. Die Versammlungen der Helvetischen Gesellschaft waren mit der Helvetischen Revolution 1798 unterbrochen worden und wurden ab 1807 wieder installiert. Georges de Rougemont (1758–1824, ⇒ Nr. 956), der im Schloss Haldenstein zur Schule gegangen war – einem Institut, in welchem die Helvetische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts ihre pädagogischen Ziele verwirklich sah – musste sich für die diesjährige Versammlung wegen Zeitnot entschuldigen. Allerdings ist unklar, weshalb er dies Pestalozzi mitteilte. Als Präsident amtete 1812 Johann Jakob Römer (1763–1819). III. Z. 7 Z. 8

Société helvétique: Helvetische Gesellschaft ⇒ Nr. 971 Wirtz: August Heinrich Wirz (1787–1834) ⇒ Nr. 847

1331. Johann Friedrich Heinrich Schlosser 28. Juli 1812 Zürich, 28ten Jul[i] 1812. 5

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Lieber, edler Vater Pestalozzi. Sie sind nun wohl aus meinen Augen, nicht aber aus meinem Herzen und Geiste gewichen. Da werden Sie so lange es zuschlägt und es denkt wohnen. Ich habe das schönste menschliche Streben bei den Ihren gesehen, die Stäte gesehen, wo man nicht das Wohl seiner Brüder alleine will, sonder sich thätig bemüht es zu fördern, und darin fortschreitet. Man muss sich bemühen, so wahrhaft gut zu werden, wie ihr seid, und wenn Gott will, so habt ihr Epoche in meinem Leben gemacht. Das Manuscript ist aus der Beobachtung und dem Drang des Lebens gegriffen, wie das Weib eines Alten Griechen, voll Gottesliebe, voll Menschenweisheit. Ich glaube, sein letztes Ziel zu ahnden, wie in allem andern wohin Ihr Herz treibt. Auch sein nächstes ist mir

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um so verständlicher und klarer, als ich in den Jülich und Bergischen Ländern, ähnliche Erfahrungen, des Menschens einseitiger Verbildung, jezt plözlichen, kaum rettbaren, erniedrigenden und trostlosen Verfalles, erlebt habe. Es giebt jezt dreierley Menschen in der Welt: Die welche in den engen eiteln Zwekken der Gegenwart befangen, diese befriedigen helfen. Von ihnen muss man lassen. Die welche eine wünschenswürdige, bessere, edlere Zukunft bereiten wollen. Sie muss man fördern, in so ferne sie auf den Pfaden des Friedens gehen. Die welche sich auf die hohen, heiligen und ewigen Zwekke der Menschheit hinrichten, wohlkundelig dass jeder zu seinem Leben neue Frucht dieser Triebe sein könne. Zu ihnen muss man stehen, mit Leib und Seele, Blut und Gut. Sie sind, liebster aller Greise, in ihrem inneren Kerne, ganz von diesen. In diesem Sinne nenne ich mich ganz den Ihren. Das Bild des Armenhausvaters, (wohl dem der leiblich und sittlich dazu geordnet wäre), das mag am schwersten zu finden sein. Der selbst den ganzen Adel der Armuth übt und empfindet, und so Frieden hat mit der ganzen Welt. Ein Frieden der so sehr vonnöthen, und um als dann dankend und wahr sein kann; wenn wir wissen dass jede, auch die kleinste Abweichung von unserem Ziele Veruntreuung ist. Denn hielten wir immer rein und vollkommen unseren Sinn zu Gott gekehrt, wüssten wir immer in uns und in allen sein Werk zu fördern, so wären wir des Streites überhoben. Wer einen Schimmer des Allein wahren geschauet hat, weiss dass es sich nur der Liebe offenbaret. Nicht seine Gesezze predigen, sondern das Herz zur Liebe schmelzen und läutern, das ist es was ihm den Einzug zurichtet. Wäre das der Falle; gieng es nicht gleich aus der heiligen Empfindung, in das wilde Wollen, aus dem Wollen in die Leidenschaft und endlich die Fäuste über, sie würden gehört und geliebt, die Wahrheit, die der ihr Fürst ist, Christus, würde gehört geliebt und gekannt. Es wäre eine Wonne zu leben. Worüber ich etwas mehr wissen möchte, das ist, in wieferne in die ersten Uebungen der Triebe, schon das jenige vorbereitend eingeflochten wird was die lezte, höchste Äusserung ihrer Kraft sein soll. Das scheint mir im sittlichen und religiösen von der höchsten Wichtigkeit. In der kleinsten kindischen Entsagung eines fehlerhaften Triebes, vielmehr in jeder Entsagung aus Dankbarkeit und Liebe, liegt das höchste Geheimniss der Erde, und es kann dem jugendlichen Geiste in Wahrheit, ein Vorgefühl der Versöhnung gegeben werden, die ihm das ganz besondere seiner That

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zuschnell zu einer hohen allgemeinmenschlichen hinanhebt, und so mit immer steigender Helle ihn bildet, die Sonne zu schauen, unter deren lauterem Lichte allein dem Menschen, der ganzen Menschheit wahr und vollkommen wohl wird. Ich bin überhaupt wenn ich über Wissenschaft, Kunst, Lauf der Völker, und letzte Bestimmung nachdenke, durchaus von denen, welche mit einer wahren positiven That von oben herab alles anfangen sehen, und alles herleiten von ihr. Von allem dem jezt genug. Ihr habt mir viel zu denken gegeben; und werdet immer auf meine Wirkung und den Kreis meiner Gedanken Einfluss haben. Dank Euch dafür, wie für alles Gute. Möchte ich Euch je vergelten können; und möchten wir auch in näherer Lebensberufe einig fortdauernd bleiben. Die herzlichsten Grüsse, allen die meiner denken. Vor allen Niederer, dessen Antheil mir unendlich werth, den ich hoch schätze, der über mich zu gebieten hat in allem worinn er mich brauchen kann. Ich schreibe aus dem Hause Vogels, eines weisen, guten, redlichen Mannes, ihres wahren Freundes. Alles daraus grüsst Sie. Machen Sie, liebster Vater Pestalozzi, dass ich bei der Ankunft bei den meinen zwei Begrüssungsworte von Euch finde. Seien Sie mir hold und gut, und Gott, der allein fördern kann fördre Euch, und mich, und jeden der ihn sucht. Mit der wahrsten Treue, der Ihre Schlosser.

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 329/1 Bogen, 242 x 185 mm Dorsualvermerk Solilocher an Pestalozzis Original Textkritik

Zeuge H Z. 59

werden ∫ Sacherklärung I.

Johann Friedrich Heinrich Schlosser (1780–1851) stammt aus einer evangelischen Frankfurter Pfarrers- und Juristenfamilie. Er studiert ab 1799 Jura in Halle und Jena und promoviert in Göttingen. Danach arbeitet er im Stadt- und Landgerichtsrat in

579 seiner Heimatstadt und heiratet 1809 Sophie Charlotte du Fay (1786–1865), wird 1812 Oberschulrat und Leiter des neu gegründeten grossherzoglichen Lyceums in Frankfurt und nimmt 1814 als Abgesandter der Stadt am Wiener Kongress teil. Im selben Jahr treten Schlosser und seine Frau zum Katholizismus über. In der Folge gibt er alle öffentlichen Ämter ab und betätigt sich fortan als Privatgelehrter, Literatursammler und Übersetzer lateinischer, französischer und englischer Werke. 1825 erwirbt Schlosser das ehemalige Kloster Stift Neuburg am Neckar bei Heidelberg, das sich zu einem bekannten Treffpunkt für Literaten, Musiker und Kunstliebhaber entwickelt. II. Johann Friedrich Heinrich Schlosser (1780–1851, ⇒ Sacherklärung I.) scheint im Sommer 1812 Pestalozzi in Yverdon besucht und sich nun auf dem Heimweg nach Frankfurt befunden zu haben. Allerdings ist über diesen Besuch nichts weiter bekannt. III. Z. 14

Z. 18 f. Z. 74 Z. 77

Manuscript: Dabei dürfte es sich um die zweite Fassung von Pestalozzis Erklärung gegen Herrn Chorherr Bremis drey Dutzend Bürklische Zeitungsfragen handeln. Das Manuskript selbst scheint nicht mehr vorhanden zu sein. Die endgültige Fassung ist erschienen in: Johannes Niederer: Pestalozzis Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur. Yverdon 1813, S. 89–141. Jülich und Bergischen Ländern: Herzogtum im heutigen Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf, Köln) und Rheinland-Pfalz (Eifel) Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Vogels: David Vogel (1760–1849) ⇒ Nr. 1187 a

1331 a. Andreas Heussi 31. Juli 1812 5

[Reg.] Heussi teilt Pestalozzi mit, dass er gut in St. Gallen angekommen sei und übermittelt ihm sowohl seine positiven als auch negativen Eindrücke über das Institut in Yverdon. Zudem äussert er Bedenken zum herrschenden Umgang mit Taschengeld.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 123.18 ff. Sacherklärung I.

Andreas Heussi (1779–1821) ⇒ Nr. 1112 a II. Andreas Heussi (1779–1821, ⇒ Nr. 1112 a) liess seinen Sohn Georg Heussi (1802–1835, ⇒ Nr. 1112 a) bei Pestalozzi unterrichten und scheint ihn in Yverdon besucht zu haben.

580 1332 b. Johannes Häfeli 10. August 1812 5

[Reg.] Häfeli kündigt die Zahlung von 250 Franken für die Pensionskosten seines Sohnes an.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 140.35 ff. und S. 176.27 ff. Sacherklärung I.

Johannes Häfeli (1774–1846) ⇒ Nr. 1150 a III. Z. 5

Sohnes: Johannes Häfeli (*1799) ⇒ Brief vom Februar 1820

1332. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 11. August 1812 5

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An den Herrn Heinrich Pestalozzi Wohlgeb[or]en zu Yverdun im Kanton Waadt in der Schweiz. Berlin den 7 tn August 1812. Das Departement des Kultus u[n]d öffentlichen Unterrichts hat die Herren Kawerau, Hennig und Dreist zur Abreise von Yverdun aufgefordert, und ersucht E[u]er Wohlgeb[or]en, ihnen das beiliegende Schreiben nebst dem Reisegelde von 150 R[eichstha]lern für jeden, welches so wie die halbjährigen Unterhaltungskosten für den Eleven Patzig vom 1 tn Sept[em]ber c[ourant] bis ult[im]o Febr[uar] 1813. in der beikommenden auf den Werth von 625 R[eichstha]ler Kourant lautenden Anweisung erfolgt, zu behändigen. Das Departement hofft, dass die vortheilhaften Erwartungen von dem Einflusse, welchen E[u]er Wohlgeb[or]en besonders und Ihr Institut auf die schon früher abgegangenen Eleven Braun, Preuss und

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Kraetz gehabt haben, sich auch an dem Kawerau, Hennig und Dreist bestätigen werden, und stattet Ihnen in dieser Hoffnung schon im voraus seinen aufrichtigen Dank für die Früchte ab, die es sich für die Zukunft von ihnen verspricht.

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An die königlich Preuss[isch]en Eleven Kawerau Hennig u[n]d Dreist zu Yverdun. Berlin den 7tn August 1812.

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Da nunmehr die Zeit herannaht, wo das Departement des Kultus u[n]d öffentlichen Unterrichts der Eleven Kawerau, Hennig u[n]d Dreist bedarf, und die Früchte ihres zeitherigen Aufenthalts in Yverdun erndten will, so werden dieselben hiedurch aufgefordert, von da abzureisen, und sich vorläufig hieher nach Berlin zu begeben, um weitere Instruktionen zu erhalten. Die nöthigen Reisegelder sind mit 150 R[eichsthaler] für jeden in einer Anweisung an Herrn Pestalozzi übermacht worden. Sch[uckma]nn N[icoloviu]s Süvern 11. 10.

Überlieferung 1 4 5

Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 3, S. 224–224 a Datum beim Brief an Pestalozzi sowohl am Anfang als auch am Schluss Copia Textkritik

Zeuge h Z. 8 Z. 10 Z. 12 Z. 12 Z. 12 Z. 16 Z. 21 Z. 21 Z. 22 Z. 22 Z. 23 Z. 27 Z. 28 Z. 28 Z. 30

Yverdun: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Kawerau, Hennig: lateinische Schrift Dreist: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Patzig: lateinische Schrift Braun: lateinische Schrift Preuss: lateinische Schrift Kraetz: lateinische Schrift Kawerau: lateinische Schrift Dreist: lateinische Schrift Kawerau: lateinische Schrift Hennig: lateinische Schrift Dreist: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift

582 Z. 31 Z. 33 Z. 33 Z. 34 Z. 35

Berlin: lateinische Schrift Kawerau, Hennig: lateinische Schrift Dreist: lateinische Schrift Yverdun: lateinische Schrift Berlin: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht

Z. 12 Z. 12 Z. 12 Z. 16 Z. 21 Z. 21 Z. 22 Z. 38 Z. 38 Z. 38 Z. 39



Nr. 1049

III. Kawerau: Peter Friedrich Theodor Kawerau (1789–1844) ⇒ Nr. 1453 Hennig: Johann Wilhelm Mathias Henning (1783–1868) ⇒ Nr. 1021 Dreist: Karl August Gottlieb Dreist (1784–1836) ⇒ Nr. 1599 Patzig: Gotthilf Friedrich Patzig (1788–1877) ⇒ Nr. 1369 b Braun: Friedrich Wilhelm Braun (1778–1860) ⇒ Nr. 1259 Preuss: Johann Wilhelm Preuss (1790–1867) ⇒ Nr. 1048 Kraetz: August Kraetz (†1821) ⇒ Nr. 1197 Sch[uckma]nn: Kaspar Friedrich von Schuckmann (1755–1834) ⇒ Nr. 1210 N[icoloviu]s: Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839) ⇒ Nr. 423 Süvern: Johann Wilhelm von Süvern (1775–1829) ⇒ Nr. 1049 Datum der Unterschriften

1333. Josef/Joseph Karl Xaver Aloys Leopold Leodegar Amrhyn 22. August 1812 Luzern den 22ten August 1812. 5

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Edelster der Menschenfreunde! Zürne nicht wenn ich so spät dir für deinen schätzbaren Brief vom letzten Brachmonath danke, kann ich jene, den mir mein aus deiner Erziehungsanstalt in meine Arme zurükkehrender Joseph mitbrachte, erst jezt beantworten, erst heute dir die glückliche Ankunft meines Sohnes melden. Du weisst ich bin so wenig über meine Zeit meister, dass ich nur zu oft meinem Herzen die angenehmsten Wünsche versagen muss, u[nd] unter diese gehört vornehmlich, an dich, mein schätzbarster Vater Pestalozzi! einige Worte des Zutrauens, des innigen Dankes zu schreiben. Diesen fühle ich so ganz in mir, dass es schon oft meinem Herzen wehe that, dir ihn nicht nach seiner ganzen Fülle an Tag legen zu können. Ich bin dir nicht nur das frohe Bewusstseyn, eines in seinen Kindern, sich glücklich fühlenden Vaters, die sorgfältige Erziehung meines Erstgebornen schuldig, der aus deiner Vaterhand, gut,

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herzlich fromm, dankbar, thätig u[nd] doch kindlich in meine Arme zurükkehrte, sondern du hast mir auch mein häusliches Glük, das des Vaters u[nd] Gatten, durch Antonia auf meine spätern Lebenstage hin gesichert, die ihre Bildung unter deiner seegensvollen Leitung in dort erhielt; mit einem Wort, ich verdanke dir alles, was nur immer den Menschen Beglückendes, der Sohn dem edeln Vater zu danken haben kann. Seitdem ich Antonia von dort als meine Gatin nach Luzern brachte, habe ich von neuem, gleichsam wiederum zu leben begonnen; meine Seele ist ruhig u[nd] heiter, mein Geist zufrieden u[nd] thätig, weil der Pflege meiner Kinder eine unverdorbene Tochter Pestalozzis, einfach, gut und bieder, vorsteht, weil mich bey meiner Rükkehr in mein Haus, von der Arbeit u[nd] dem Unsinn der Menschen ermüdet, eine theilnehmende wirksamme Freundin, deine Schülerin, erheitert u[nd] durch ihren gemeinnützigen Sinn, auch mich zum Ausharren im Dienste der Menschheit von neuem ermuntert. Durch diese Beyhülfe war auch mir mein innigster Wunsch gewährt, alle die Meinigen im neueren Zeitalter um mich versammelt zu sehen, wo es unter den Menschen immer wüster zu werden anfängt, allen meinen Kindern im gleichen Masse Vater seyn zu können. In diesem häuslichen Glücke verschmerze ich manches leicht, das mein Herz, sonst tief mit Kummer für die künftigen Tage der Menschheit erfüllen müsste; aus diesem häuslichen Glücke durch dich geschaffen, geht auch neue Zuversicht in mich über, dass es einst doch noch besser mit den Menschen werden soll. Wie gerne! wie gerne überlasse ich mich nicht diesem süssesten, diesem zur innern Erhebung stimmenden Gedanken, u[nd] wie leicht wird es mir nicht dabey, wo sich mir immer eine Gelegenheit dazu darbiethet, auch mein zwar schwaches Schärfchen zum Dienste der Menschheit darzubringen. Im Studium deiner Schriften, im Beob[a]chten deines Handelns, für u[nd] um die Menschheit u[nd] im dankbaren Genusse der Früchte dieses deines ausgestreuten Samens, der so herzlich in meiner nächsten Nähe emporwachst, bringe ich am liebsten meine wenigen Freystunden zu. In diesem Studium suche ich mir Kraft, Vertrauen und richtige Gewandtheit zum Dienste des Menschenwohls zu sammeln, und mein einziger, mein innigster Wunsch geht dahin, dass die göttliche Vorsehung wenigstens mein endliches Bestreben nicht verschmähen möchte. Du aber Vater Pestalozzi, gedenke ferner wie bisher, deines Sohnes in deinem Gebethe; auch ich werde mit meinen Kindern (Dich) in der Stunde der häuslichen Andacht nicht vergessen.

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Kann dir dieses was ich hier aus meinem unbefangnen Herzenswiederscheins, als einen Beweiss meiner treuen Anhänglichkeit zu dir, deinem Leben u[nd] Wirken, an deinem Hause dienen, o! so darfst du gewiss nie an meinem besten Willen, diesem a l l e s zu seyn, was ich ihm in meiner Lage u[nd] in meinen Verhältnissen zu werden vermög[e]n sollten, niemals zweifeln. Dabey aber schmerzt es mich auch um so tiefer, wenn ich das Gute so oft angefeindet sehe; wenn der Druck der Zeiten immer mehr die Theilnahme an diesem lähmt, den Unsinn und die Leidenschaft, die grössten Feinde jedes wahrhaft Edeln und Guten, immer mehr steigert. Es scheint mir oft als wolle das rasende Zeitalter alles mit sich fortreissen, alles, was ist, in seiner Verdorbenheit verschlingen, um, was am Ende doch das Beste wäre, – sich selbst nicht einmal zu überleben, und so, wolle es die Vorsehung! – bald einem besseren und einfacheren Zustand der Menschen, dem Zeitalter der Tugend und der Liebe, Platz zu machen. Allein für heute kann ich Dir nichts mehr sagen, so voll auch mein Herz noch ist. Doch bald soll diesem Brief ein anderer an dich oder Niederer folgen. Empfehle mich doch deinem und der deinen Andenken; und empfange inzwischen noch mal, meiner Gattin, meines Sohnes und meinen kindlichen Dank, und die Vorsehung wallte stets über dir und deinem Hause! Dein treuer Sohn J[osef] K[arl] Amrhyn Staatsschreiber.

Überlieferung 1 2 5

StA Luzern, FA Amrhyn 3926 Blatt, 220 x 350 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 28 Z. 51 Z. 52 f. Z. 61 Z. 61 Z. 79

von ∫ Genusse der meiner nächsten (Dich) ∫ Andacht nicht soll diesem Sacherklärung I.

Josef/Joseph Karl Xaver Alois Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848) ⇒ Nr. 1120

585 II. Josef/Joseph Karl Xaver Alois Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848, ⇒ Nr. 1120) hatte im Mai 1812 Antonia Segesser (1789–1866, ⇒ Z. 22) geheiratet, die seit 1810 als Lehrerin im Töchterinstitut in Yverdon (⇒ Nr. 867) arbeitete. Im Sommer hatte auch sein ältester Sohn Josef/Joseph Karl Franziskus Salesius Johann Baptist Niklaus von Flüe Amrhyn (1800–1849, ⇒ Nr. 1179) die Ausbildung in Yverdon beendet. III. Z. 6 Z. 7 Z. 8 Z. 22

Z. 80

Brief: PSB VIII, Nr. 2990 Brachmonath: Juni Joseph: Josef/Joseph Karl Franziskus Salesius Johann Baptist Niklaus von Flüe Amrhyn (1800–1849) ⇒ Nr. 1179 Antonia: Antonia Amrhyn-Segesser (1789–1866) heiratete 1812, nach einer Ausbildung in Yverdon, Josef/Joseph Karl Xaver Alois Leopold Leodegar Amrhyn (1777–1848, ⇒ Nr. 1120). Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507

1333 a. Jean Jacques Paschoud 25. August 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 156.15 Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a

1333 b. Johann Franz Ziegler 10. September 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 143.6 f.

586 Sacherklärung I. Johann Franz Ziegler (1762–1838) aus Schaffhausen studiert in Göttingen Theologie und ist Feldprediger in einem holländischen Schweizer Regiment. 1793 wird er Pfarrer in Büsingen (Baden-Württemberg), wo er auch als örtlicher Schulinspektor amtet. Zudem übernimmt Ziegler, der weiterhin in Schaffhausen wohnt, die Stelle des Frühpredigers am Münster und engagiert sich für philanthropische Einrichtungen: Von 1816 bis 1831 steht er der von ihm mitinitiierten Schaffhauser Hülfsgesellschaft vor und leitet die aus ihr hervorgegangene Ersparniskasse sowie ein 1822 eröffnetes Waisenhaus.

1333 c. Jean Jacques Paschoud 13. September 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 187.17 Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a

1333 d. Johann David/Jakob von Gonzenbach 14. September 1812 [Reg.] Herr von Gonzenbach erkundigt sich nach seinen Kindern.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 141.32 f. Sacherklärung I.

Johann David/Jakob von Gonzenbach (1777–1842) ⇒ Nr. 1316 a III. Z. 4

Kindern: David Hermann von Gonzenbach (1805–1872, Carl Arnold von Gonzenbach (1806–1885, ⇒ Nr. 1316 a)



Nr. 1316 a) und

587 1333 e. Jean Triol 18. September 1812 5

[Reg.] Triol möchte mehr über die Methode und deren Anwendung in Yverdon erfahren.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 153.16 ff. Sacherklärung I.

Jean Triol (1759–1826), geboren in Genf, lässt sich als Kaufmann in Marseille nieder und engagiert sich dort in verschiedenen Funktionen – zunächst als Vizesekretär, dann als Schatzmeister – in der gemeinnützigen Société de Bienfaisance.

1334. Anna Barbara Gross-Pestalozzi Herbst 1812 5

[Reg.] Anna Barbara Gross freut sich über die herzliche Aufnahme, die sie in St. Gallen, im Haus von Herrn Gonzenbach sowie in der ganzen Schweiz erhalten hat.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 158.14 und S. 142.3 ff. Sacherklärung I.

Anna Barbara Gross-Pestalozzi (1751–1832) ⇒ Nr. 2

Z. 5

III. Gonzenbach: Johann David/Jakob von Gonzenbach (1777–1842) ⇒ Nr. 1316 a

1334 a. Johannes Vögeli September 1812 [Reg.] Vögeli kündigt seine Ankunft mit seinem Sohn in Yverdon an.

588 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 142.16 ff. Sacherklärung I.

Johannes Vögeli (1773–1840) ist Papierfabrikant in Zürich und amtet als Grossrat, Spital- und Zunftpfleger.

Z. 4

III. Sohn: Johannes Vögeli (1798–1865) war von 1812 bis 1815 zur Ausbildung in Yverdon, wurde Kaufmann und leitete die väterliche Papierfirma.

1335. Johannes/Jean Schneider September 1812 [Reg.] Schneider kündigt einen Brief mit ausführlicheren Informationen an.

Überlieferung 1

Nr. 1338 Sacherklärung I.

Johannes/Jean Schneider (1792–1858) ⇒ Nr. 1317 f III. Z. 4

Brief: ⇒ Nr. 1338

1335 a. Hans Georg Kappeler 24. September 1812 5

[Reg.] Kappeler schickt 183 Franken für Joachim Schneider und legt ein Schreiben an ihn mit der Bitte bei, dem Schulrat seine Wünsche und Absichten mitzuteilen.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 148.24 ff.

589 Sacherklärung I. Hans Georg Kappeler (1775–1818) ⇒ Nr. 776 II. Joachim Schneider (1778–1847, ⇒ Nr. 1463 g) war von 1812 bis 1813 auf Kosten des Thurgauer Schulrats (⇒ Nr. 766) zur Ausbildung in Yverdon. III. Z. 4 Z. 5

Schneider: Joachim Schneider (1778–1847) ⇒ Nr. 1462 g Schulrat: Schulrat des Kt. Thurgau ⇒ Nr. 766

1335 b. Henri Monod September/Oktober 1812 5

[Reg.] Monod teilt Pestalozzi mit, dass er sich immer noch für seine Arbeit interessiere.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 151.32 f. Sacherklärung I.

Henri Monod (1753–1833) ⇒ Nr. 624

1335 c. Jean Charles/Johann Karl Schleicher 5. Oktober 1812 5

[Reg.] Schleicher beklagt sich, dass die Kiste mit Mineralien noch nicht bei ihm angekommen sei.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 148.6 ff.

590 Sacherklärung I. Jean Charles/Johann Karl Schleicher (1768–1834) ⇒ Nr. 1317 a

1335 d. Jean Jacques Paschoud 11. Oktober 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 187.18 Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a

1336. Rosette Kasthofer 13. Oktober 1812 5

Monsieur Pestalozzi à Yverdon Montreux den 13. October 1812

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Lieber Vater. Für heüte nur wenige Worte im Fluge um Ihnen zu sagen dass ich vernügt still u[n]d ruhig bin u[n]d treffliche Trauben geniesse die ich jedoch mit Mühe bekommen kann u[n]d zwar nur von Kindern die ihre Eltern bestehlen, od[er] von Weibern die Geld zum Trinken nöthig haben, kein Besizer will seinen Wein durch Trauben Verkauf gemindert sehen da es ohnehin nicht viel geben wird weil mehr als die halben Beeren klein bleiben. In 8 od[er] 10 Tagen soll schon die Weinlese seyn, wegen der Fäulniss die hier am frühsten eintritt, werden auch die Trauben früher als an andern Orten gebrochen.

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Pf[arrer] Bridel beehrte mich mit seinem Besuch er sprach nichts von Ihnen als L’institut de M[onsieu]r Pest[alozzi] est il nombreux? Aber in seiner Seele war deutlich zu lesen dass er zu der Classe derjenigen gehört die Sie für irreligiös od[er] kezerisch halten u[n]d seiner Nase merkt ich’s wohl an dass auch ich etwas Kezerey in seinen Geruch brachte od[er] vielmehr unschuldiger Weise in die Kezerey seines Geruchs fiel. Was er über die lezten schreklichen Kriegsposten sagte, seine Mienen u[n]d Geberden alles zeigte mir leidenschaftliche verhärtete u[n]d gelehrte Befangenheit; kurz der Eindruk seines Besuchs war so dass ich mit Feüer ihm versicherte ich sey nicht verlegen mit meiner Zeit u[n]d die Einsamkeit gehe mir über alles. Jezt aber da der erste Ärger verdaut ist bin ich lüstern nach dem zweyten, denn ich möchte wirklich wissen was an dem Herren u[n]d meinem Urtheil ist. Wenn nur die wärmende Sonne käme u[n]d zerstreüte den quälenden Trost, ich friere u[n]d laufe Berg auf Berg ab um mich zu wärmen. Die Aussicht meines Zimmers ist entzükend – wenn mein Innres tief bewegt ist von all der Schönheit dann möcht ich auch Ihnen ins Auge bliken können u[n]d Worte der Liebe u[n]d Weisheit vernehmen. Ich frage Sie so vieles u[n]d Sie wissens nicht dass ich frage aber Ihre Schriften geben mir Antwort – ich lese sie jezt mit Erhebung u[n]d unbeschreiblichen Genuss – – O weh die Poststunde schlägt – tausend herzliche Grüsse an die Mutter u[n]d Frau Kuster J[un]gf[e]r Hotz u[n]d Dank innigen Dank an H[err]n Niederer für sein Geleit ich werde ihm nächstens schreiben. Danken Sie doch lieber Vater in meinem Nahmen dem H[err]n Esslinger für seine Gefälligkeit – Allen Töchtern u[nd] allen Lehrern der Töchter biet ich den freündlichsten Gruss u[n]d Ihnen theürer Vater gehört das Beste von meinem Herzen schreiben Sie doch bald an Ihre ergebene R[osette] Kasthofer

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 264/V,8 Bogen, 237 x 196 mm Stempel VERNEX, Dorsualvermerk Montreux den 13ten Octobris 1812. J[un]gf[e]r Kasthofer. Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H

592 Z. 4–7 Z. 19 Z. 20 f. Z. 22 Z. 25

lateinische Schrift Bridel: lateinische Schrift L’institut … nombreux: lateinische Schrift irreligiös: lateinische Schrift die lezten Sacherklärung I.

Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 II. Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) hatte sich schon im Herbst 1811 zur Traubenkur an den Genfersee begeben. Damals war sie allerdings nach Vevey gereist (⇒ Nr. 1260). III. Z. 19

Z. 43 Z. 43 Z. 43 Z. 44 Z. 46 Z. 46

Bridel: Philippe Bridel (1757–1845) arbeitete nach der Beendigung des Theologiestudiums und seiner Priesterweihe 1781 zwischen 1786 und 1796 als Pfarrer an der Französischen Kirche in Basel, anschliessend bis 1805 als Pfarrer in Château-d’Œx und bis zu seinem Tod in Montreux sowie von 1811 bis 1814 als Dekan des Kapitels Lausanne-Vevey (alle Kt. Waadt). Bridel versuchte mit zahlreichen literarischen Werken eine nationale Schweizer Poesie französischer Sprache zu schaffen. Mutter: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Kuster: Anna Magdalena Custer-Pestalozzi, geborene Frölich (1767–1814) ⇒ Nr. 547 Hotz: Ursula Hotz (1774–1828) ⇒ Nr. 1317 Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Esslinger: David Esslinger (1779–1828) ⇒ Nr. 1133 d Gefälligkeit: Es ist unklar, was hier gemeint sein könnte.

1337. Barbara Lucia Jezler Herbst 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

Nr. 1347 Sacherklärung I.

Barbara Lucia Burkhart-Jezler (1789–1864) ⇒ Nr. 1256

593 1338. Johannes/Jean Schneider 13. Oktober 1812 Neapel den 13 t Octobre 1812 5

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Theürer Vater Pestalozzi. In meinem Briefe vom Herbstmonat, den Sie hoffentlich werden erhalten haben, versprach ich einige Stunden meiner Ferien Ihnen zu weihen um Sie ausführlicher über unser Thun und die Resultate desselben zu benachrichtigen. Der Sohn der den Vater liebt verspricht nicht nur er führt es auch so weit es in seinen Kräften steht aus. Die Zeit der Ruhe ist seit etwa 8 Tagen eingetretten, und sie schmekt nach strenger Arbeit süss; nach wenig Tagen werden wir alles mit neuer Kraft u[nd] frischem Muthe wieder ergreiffen u[nd] fortsetzen. Über den Erfolg unseres Thuns spricht unser Examen über welches Sie H[er]r Hoffmann benachrichtigt. Das Wissen u[nd] Können der meisten Zöglinge kam indessen an dieser allgemeinen Prüfung nicht an Tag, wie es wirklich ist; die Zeit die man für jedes Fach hatte war zu beschränkt. Haben wir Gelegenh[ei]t einen Zögling s p e c i e l vor seinen Eltern zu prüfen, so sind sie gewiss besser mit ihm und uns zufrieden als sonst. Im Ganzen sind alle Eltern, so viel wir wissend befriedigt. Einige ganz besonders. Uns fehlt hauptsächlich noch Hülfe. Die Verschiedenheit der Zöglinge ist zu gross u[nd] deshalb die Führung einer Klasse desto schwieriger. Oft geben uns auch die Eltern auch viel zu thun, da wenige den Sinn der wahren Erziehung ihrer Kinder haben, u[n]d deshalb diese u[nd] jene vorzeitige Forderung machen die nicht in Erfüllung gehen kann. Es ist ausserordentlich frappierend wie so wenige Zöglinge, die zu uns kommen etwas wissen, etwas Schreiben ausgenommen ist gewöhnlich alles was sie können. Man hält sie zwar in der hiesigen Schule auch zum Zeichnen; wie wenig hirbey herauskommt u[n]d wie nothwendig auch hier das Elementarzeichnen erscheint, wird Ihnen ein Beyspiel zeigen. Ein Zögling von etwa 12 Jahren trat vor kurzem in unsere Anstalt; als einen Schönschreiber und guten Zeichner wurde er uns von seinen Eltern geschildert. Wir fanden in mehrerem, das er hierüber mit sich brachte, dass die Sache nicht übertrieben sey; als ich ihm aber ein einfaches Modell aus der Elementarzeichnung zum Kopieren vorlegte, ja da war ich sehr erstaunt zu sehen, dass er im Zeichnen unter die gehöre die vor wenigen Tagen angefangen hatten. Sein Auge u[nd] seine Hand waren gar nicht gebildet. Wel-

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cher Contrast findet da statt, er zeichnete Köpfe und diess konnte er nicht; er schrieb eine schöne Handschrift und konnte die ersten Elemente des Schreibens nicht machen. Hier sieht man wie alles diess den Kindern muss eingezwungen werden ehe sie dahin kommen so etwas nachzeichnen zu können, u[nd] wie ihnen dabey alle Lust u[nd] Liebe zu einem Fache genommen wird. Ein anderer Punkt der unserer Anstalt auch ausserordentlich fehlt sind die religiösen Erbauungen. Die meisten Zöglinge sind katholisch u[nd] besuchen zur Obligationszeit die Messen; dieses lateinische Gemurmel allein kann wenig zur Bess[er]ung beytragen. Wir halten zwar auch abwechselnd mit H[err]n Tedeschi einem ital[ienischen] Geistlichen Gebete mit ihnen, in welchen sie uns aufmerksamer als ihn anhören. Wir führten auch die Specialaufsicht ein, in welcher wir jeden Samstag Abends nach einer allgemeinen Versammlung mit jedem einzelnen sprechen. Unser Familienleben ist noch nicht so häuslich wie in Iferten geworden, desswegen die Zöglinge auch nicht so vertraut und innig s[ich] daran anschliessen wie es seyn soll u[nd] muss wenn unser Thun gesegnet und von wahren Folgen seyn, wenn unser Leben und unser Ziel dem Ihrigen nicht entgegenstreben soll. Nur späth und gewiss nach langen Kämpfen wird unser häusliches Verhältniss vielleicht einmal dem Ihrigen gleichen; allein der Hindernisse die uns im Wege liegen sind viele. Wenn die oekonomische Lage des Hauses einmal erlaubt, dass wir keine Halbpensionnairs mehr anzunehmen gezwungen sind, und wir ausser Neapel wohnen können, dann wirds auch besser gehen. Das Glük Hoffmanns, wie das Napoleons, ist, dass kein Stärkerer um ihn ist. Alle Anstalten in Neapel haben den Ruf, dass die Zöglinge nicht gehörig genährt werden, oder dass es darin unmoralisch zugehe, weder den einen noch den andern Vorwurf kann man gottlob unserer Anstalt machen, und da die Zöglinge durch ihre Fortschritte im Examen befriedigten (ich sage diess ohne Anmassung) so ist zu vermuthen, dass ihr Ansehen ziemlich steigen wird; was aber wir beide dabei besonders befürchten ist, dass uns der Neid der Pfaffen hauptsächlich einmal sehr drücken könnte. Wenn die Zöglinge aus den Anstalten die unter der geistlichen Leitung stehen zu uns gethan würden, so möchte wahrlich Hass und Neid und Verfolgung uns nahe kommen. Hoffmann ist indessen in dieser Hinsicht sehr vorsichtig, wenn er die ersten Männer des Staats, wie mehrere Staatsräthe, Minister, den Gouverneur der königl[ichen] Prinzen u.s.w. für sich gewonnen hat, wie es wirklich schon zum

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Theil der Fall so werden sie wahrscheinlich nicht viel ausrichten können. Vieles, was ich Ihnen noch sagen könnte werden Sie zum Theil aus den Brochuren und in Hoffm[anns] Brief selbst erfahren ich gehe also zu etwas andrem über. Um unsere Ferien für uns recht angenehm und zugleich nützlich zu machen beschlossen wir schon lange zuvor während dieser kurzen Zeit uns mit den umliegenden Gegenden etwas bekannter zu machen. Den ersten Tag nach dem Examen, wo wir nur noch etwa 6 Zöglinge im Hause hatten (alle übrigen giengen für die 14 Tage nach Hause) schickten wir beyde uns mit 3 derselben zu einer Reise auf den Vesuv an. Wir verreisten von hier an einem schönen Sonntagsabend zu Wasser bis nach Portici, 1½ Stunden von Neapel, von da giengen wir bis nach Resina ohnweit Portici, nahmen da 2 Führer und stiegen fröhlich den Berg hinan; es war eine dunkle Nacht und nur die Fakeln der Führer erhielten uns auf der rechten Bahn. Vom Fusse des Feuerbergs an wandelt man immer auf Lava, die er bey seinen Ausbrüchen ausspeit. Gegen 10 U[hr] langten wir in der Einsiedeley an, die von einem 60jährigen Greisen seit 22 Jahren bewohnt ist, der dem müden Wanderer Herberge giebt; ein geringes Nachtessen, das wir verlangten schmeckte uns mit dem köstl[ich]en Lacritigno Christi herrlich. Hierauf legten wir uns auf Stühle um etwas auszuruhen. Um 3 U[hr] Morgens brachen wir auf u[nd] nun fieng das Steigen an, wir waren an dem Kegel der sehr steil ist u[nd] bis hinauf beynahe fusshoch mit Asche bedekt, die wie kleine braune Steinchen aussieht, die das Steigen sehr beschwerlich macht. Vor Tagesanbruch waren wir ganz durchschwitzt droben, wir legten uns auf kleine Spalten, woraus eine zieml[iche] Wärme kam, nahe bey der Hauptmündung aus der Feuer zuweilen einige Fuss hoch stieg. Wir nährten uns ihr und sahen da in den Höllenschlund hinab. Die Öffnung war gegenwärtig nicht sehr gross höchstens bey 16–20 Fuss im Umfange. Rings umher sieht man vielleicht an hundert u[nd] mehr Orten Rauch aus Spalten steigen. Der Genuss der Aussicht den wir hier genossen ist unbeschreiblich; wir sahen das von der Morgensonne bescheinte Neapel in seiner ganzen Grösse, das Meer u[nd] seine Ufer, die mit Landhäusern übersät sind lagen lachend vor unsern Füssen; wir verweilten uns lange hier u[n]d jeder füllte sein Schnupftuch u[nd] seine Taschen mit den bunten Steinen. Pflanzen wachsen am Kegel selbst keine. Hunger u[nd] Durst trieben uns in die Hütte des Einsiedlers. Gegen Mittag waren wir wieder zu Hause.

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Einige Tage später machten wir in gleicher Gesellschaft die Reise nach Castelamare; dort werden die Schiffe der hiesigen Marine gebaut; da findet man wirklich noch sehr viel Spuren der Alten. Töpfe etc. sind ganz noch der gleichen Form. 1½ Pfund Feigen kosten da einen Kreuzer. Der folgende Tag kam uns H[er]r Hofmann mit seiner Familie in der Kutsche nach und nun giengen wir zusammen nach Pompeji das vor beynahe 1800 Jahren mit Herculanum durch die Asche des Vesuvs zugedeckt wurde. Schon seit vielen Jahren war man daran es wieder hervorzugraben u[nd] vieles davon ist wirklich der Vergessenh[ei]t entflohen. Man sieht mehrere Strassen, das Amphitheater, viele Häuser, Geld, Krüge worin noch Wein, Öhl etc. waren. In einem Keller fand man 17 Menschen, sie waren noch ganz unversehrt, sobald man sie aber berührte zerfielen sie in Staub. Die Farben an den Gemälden sind wie ganz frisch und äusserst fein; nicht so schön sind die Gemählde selbst. Mit vieler Einfachheit und Geschmack sind die Zimmer mit Mosaiquen belegt. Der grösste Teil der Stadt ist noch unbekannt. Alles was gefunden wird, wird auf Portici, Neapel oder Palermo geborgen. Etwas wird Sie sehr befremden, dass der neue Pfarrer Girard, wegen schlechter Aufführung aus dem Königreich gejagt werden soll, wenn es nicht schon geschah.

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Überlieferung Burgerbibliothek Bern, Mss h.h. XII, 376/1, S. 1–5, Nachlass Schneider Entwurf Textkritik

Zeuge h Z. 4 Z. 7 Z. 8 Z. 10 Z. 12 Z. 12 Z. 15 Z. 15 Z. 17 Z. 17 Z. 18 Z. 22 Z. 22 Z. 23

Octobre: lateinische Schrift ich einige Sie ∫ ausführlicher über unser Thun und verspricht nicht nur er führt nach strenger Tagen werden Über Thuns spricht meisten Zöglinge allgemeinen ∫ an Tag , wie es wirklich Eltern, so wissend befriedigt. fehlt hauptsächlich

597 Z. 26 Z. 28 f. Z. 29 Z. 30 Z. 36 Z. 38 Z. 39 Z. 46 Z. 48 Z. 49 Z. 50 Z. 52 Z. 53 Z. 59 Z. 59 Z. 60 Z. 69 Z. 71 f. Z. 73 Z. 73 Z. 74 Z. 76 Z. 77 Z. 77 Z. 80 Z. 85 Z. 86 Z. 88 Z. 90 Z. 93 Z. 95 Z. 96 Z. 96 Z. 97 Z. 99 Z. 100 Z. 101 Z. 101 f. Z. 103 Z. 104 Z. 104 Z. 105 Z. 106 Z. 107 Z. 110

den Sinn frappierend wie so ∫ wenige ∫ Zöglinge , die zu wissen, etwas ist gewöhnlich in mehrerem, ein ∫ einfaches ∫ Modell ∫ er im wie ihnen der unserer fehlt sind Messen; dieses Tedeschi: lateinische Schrift ihnen, in es seyn wenn unser seyn , wenn Ruf unserer Anstalt machen, und da die Zöglinge durch befriedigten (ich so ist dass ihr Pfaffen hauptsächlich einmal aus den Anstalten die geistlichen Leitung wenn er die ersten ∫ Männer des Staats , wie Vieles ∫ und ∫ in ∫ Hoffm[anns] ∫ Brief ∫ selbst ∫ erfahren Um den umliegenden Hause) schickten wir beyde ∫ uns mit 3 derselben Portici: lateinische Schrift Resina: lateinische Schrift Portici: lateinische Schrift Führer und stiegen Bahn. Vom Lava, die die von Greisen seit ein geringes Lacritigno Christi: lateinische Schrift herrlich. Hierauf auf Stühle wir waren u[nd] bis hinauf beynahe wir ganz

598 Z. 111 Z. 111 Z. 113 Z. 113 f. Z. 117 Z. 120 Z. 121 f. Z. 123 Z. 126 Z. 126 Z. 131 Z. 131 Z. 131 f. Z. 138 Z. 142 Z. 142 Z. 142 Z. 142 f. Z. 144 Z. 144

woraus eine kam, nahe den Höllenschlund Öffnung war unbeschreiblich; wir Füssen; wir Steinen. Pflanzen uns in Castelamare: lateinische Schrift Castelamare; dort Pompeji: lateinische Schrift vor beynahe Herculanum: lateinische Schrift sie in wird, wird Portici, Neapel: lateinische Schrift Portici, Neapel Palermo: lateinische Schrift Etwas wird Girard: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johannes/Jean Schneider (1792–1858) ⇒ Nr. 1317 f II. Johannes/Jean Schneider (1792–1858, ⇒ Nr. 1317 f) war im Frühjahr 1812 zur Unterstützung von Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838, ⇒ Nr. 802) nach Neapel gereist. In diesem Brief berichtete er ausführlich über seine ersten Monate als Lehrer. Auffällig ist dabei, dass das Institut in Neapel (⇒ Nr. 1274) nicht ausschliesslich als Internat geführt werden konnte, was dazu führte, dass seiner Ansicht nach die Erziehung neben dem Unterricht zu kurz komme und die Schüler deshalb nicht genügend von der Methode profitieren könnten. Ein weiteres Problem sieht er in der Konfession der meisten Schüler, da für ihn die katholische Lehre weniger Möglichkeiten der moralischen Belehrung bietet.

Z. 6 Z. 16 Z. 52 Z. 57 Z. 68 Z. 81 Z. 82 Z. 86 Z. 101

III. Briefe: ⇒ Nr. 1335 Hoffmann: Georg Franz/Franz Georg Hofmann (1765–1838) ⇒ Nr. 802 Tedeschi: Herr Tedeschi ⇒ Nr. 1274 Iferten: dt. Name für Yverdon Napoleons: Napoleon I. Bonaparte (1769–1821) ⇒ Nr. 580 Gouverneur: Jean-Louis-Amable de Baudus (1761–1822) ⇒ Nr. 1274 Prinzen: Napoleon Achille Murat (1801–1847, ⇒ Nr. 1274) und Napoleon Lucien Murat (1803–1878, ⇒ Nr. 1274) Brief: ⇒ Nr. 1339 Einsiedeley: Wer den Vesuv bestieg, pflegte in der Einsiedelei auf dem Colle San Salvatore am Westhang des Berges einzukehren, um sich zu ver-

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Z. 129 Z. 130 Z. 144

verpflegen, sofern er die in zahlreichen Quellen beklagten teueren Preise des Eremiten zu zahlen bereit war. Lacritigno Christi: Damit dürfte «Lacryma Christi» gemeint sein, ein neapolitanischer Tafelwein, dessen Reben an den Hängen des Vesuv angebaut werden. Dem Mythos nach sollen die Hänge durch die Tränen Christi über den Fall Luzifers den Rebenwuchs hervorgerufen haben. Tatsächlich scheint es sich beim ausgeschenkten Wein aber um eine mindere Weinqualität gehandelt zu haben: Ludwig H. Friedländer bezeichnet ihn als «erbärmlichen Krätzer, den er [der Einsiedler] Lacryma tauft» (Ludwig H. Friedländer: Ansichten von Italien während einer Reise in den Jahren 1815 und 1816, Zweiter Theil. Leipzig 1820, S. 226). Kreuzer: In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gebräuchliche Münze Familie: Frau Hofmann (⇒ Nr. 1170), Karoline Hofmann (⇒ Nr. 1166) und zwei weitere Töchter Hofmann (⇒ Nr. 1166) Girard: Es ist unklar, welcher Pfarrer Girard hier gemeint sein könnte.

1338 a. Joseph Schmid Oktober 1812 [Reg.] Schmid schreibt einen «lieblichen Brief».

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 163.8 Sacherklärung I.

Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 II. Im Juli 1810 hatte Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) nach Unstimmigkeiten mit seinen Lehrerkollegen das Institut in Yverdon verlassen (⇒ Nr. 1152), den Kontakt allerdings nie ganz abbrechen lassen. Mit der Zeit intensivierten sich diese Kontakte wieder und Schmid kehrte 1815 nach Yverdon zurück.

1339. Georg Franz/Franz Georg Hofmann Oktober 1812 [Reg.] Hofmann berichtet über den Fortgang der Anstalt in Neapel.

600 Überlieferung 1

Nr. 1338 Sacherklärung I.

Franz Georg/Georg Franz Hofmann (1765–1838) ⇒ Nr. 802 III. Z. 4

Anstalt: ⇒ Nr. 1274

1339 a. Ignaz Wetzlar, Freiherr von Plankenstern 22. Oktober 1812 5

[Reg.] Wetzlar möchte seinen fünfjährigen Sohn nach Yverdon schicken, da er grosses Zutrauen in Pestalozzis Erziehungsmethode hat.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 161.15 ff. Sacherklärung I.

Ignaz Wetzlar, Freiherr von Plankenstern (1789–1841) schlägt anders als sein vom Judentum zum Katholizismus konvertierter Vater Karl Abraham Wetzlar von Plankenstern (1715/16–1799), einer der reichsten Kaufleute in Wien und Geldgeber des habsburgischen Kaiserhauses, die militärische Offizierslaufbahn ein, wird Hauptmann und 1815 im Krieg gegen Frankreich als Ritter des Maria-Theresia-Ordens ausgezeichnet. Die Herrschaften Plankenstein und Neulengbach werden bereits 1798 an den Reichsgrafen Moritz Christian von Fries (1777–1826, ⇒ Nr. 1442) verkauft, der ebenfalls einen Sohn zu Pestalozzi sandte. III. Z. 4

Sohn: Gustav Karl Wetzlar, Freiherr von Plankenstern (1808–1862) aus Bregenz war Oberstleutnant der Reserve in der österreichischen Armee.

601 1340. Georges de Rougemont 24. Oktober 1812 Yverdun Pestalozzi du 24 8 bre 1812

5

Je prie M[onsieu]r Pestalozzi de permettre au jeune Pfister de se rendre à St. Aubin pour y passer la Vendange qui commence Lundy 26 O[c]t[obre].

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Überlieferung Privatbesitz Familie de Rougemont, Inv. 244, S. 66 Copia Textkritik

Zeuge h Sacherklärung I. Georges de Rougemont (1758–1824) ⇒ Nr. 956 II. Auch nach dem Tod seines Sohnes Georges de Rougemont (1802–1810, ⇒ Nr. 968), der Schüler in Yverdon gewesen war, blieb sein Vater in Kontakt mit Pestalozzi und seinem Institut. Er wurde offenbar auch von weiter entfernt lebenden Bekannten beauftragt – die Familie Pfister wohnte in Schaffhausen –, sich gelegentlich persönlich nach dem Ergehen ihrer Kinder in Yverdon zu erkundigen.

Z. 6 Z. 7

III. Pfister: Johann Jakob Pfister (1799–1820) ⇒ Nr. 1284 St. Aubin: Gemeinde im Kt. Fribourg

1340 a. Heinrich/Henry Senn 26. Oktober 1812 5

[Reg.] Senn teilt Pestalozzi mit, dass er schon bald wieder einen Teil der Pensionskosten für seinen Sohn überweisen werde.

602 Überlieferung 1

PSB VIII, S. 167.6 ff. Sacherklärung I.

Heinrich/Henry Senn (1755–1828) ⇒ Nr. 1239 b III. Z. 5

Sohn: Niklaus/Nikolaus Senn (1798–1867) ⇒ Nr. 1239 b

1341. Johann Georg Sigrist Herbst 1812 5

[Reg.] Sigrist schickt aus Wien ein Brief und ein Paket mit Steinen, zudem Bücher an Herrn und Frau Thiriot.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 172.21 ff. Sacherklärung I.

Johann Georg Sigrist (1788–1866) ⇒ Nr. 1126 II. Johann Georg Sigrist (1788–1866, ⇒ Nr. 1126) hatte sich in Yverdon zum Lehrer ausbilden lassen und arbeitete 1811/12 als Privatlehrer in Wien.

Z. 5

III. Herrn und Frau Thiriot: Paul Emil Thiriot (1780–1831, Thiriot-Hoffmann (†1826, ⇒ Nr. 1300)



Nr. 984) und Eva

1342. Johann Elias Mieg 1. November 1812 Paris den 1ten Nov[ember] 1812 5

Die Nachrichten welche Sie mir geliebter Vater! in Ihrem Brief vom 4ten August über Ihr Befinden, und den Zustand des Instituts

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mitgetheilt haben, waren mir sehr erfreulich, und ich hoffe dass Sie noch lange thätiger und kräftiger Zeuge des guten Fortgangs Ihres Werkes seyn werden. Dass Sie mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, und wie Sie sagen eingerissen Gewohnheiten entgegenarbeiten müssen, das ist das Schicksal eines jeden kräftigen Mannes, der nicht den Schlendriansgang des grossen Haufens annehmen will, sondern im Gefühl der eignen u[nd] selbstständigen Kraft die Menschheit um eine Stufe weiter bringen möchte, als sie bis jetzo erstiegen hat. Sie haben wenigstens den Genuss dass Sie um einen Preis kämpfen welcher der Mühe u[nd] Anstrengung werth ist, während hier so viele Menschen um die elendesten Lumpereyen, deren erste Erfindung sich mehrere anmassen bis aufs Blut verfolgen, u[nd] Partheyen machen, um sich zu behaupten. Ich habe seit einiger Zeit bey einem Deutschen Nahmens Rosenstein Privatunterricht in der Mathematik genommen, um am Ende mit eignen Augen zu sehen, wie sich der Unterricht der Methode in Beziehung auf diese Wissenschaft verhält, und um beurtheilen zu können, was von Schmids Gang zu halten ist, da wo er sich in trigonometrische Aufgaben gewagt hat, die er synthetisch ganz glaubte durchführen zu können. Rosenstein ist ein Mann von vielen Kenntnissen, u[nd] gelehrter Mathematiker der für einen andern Gang nicht mehr Augen u[nd] Ohren hat, so dass er seinen Unterricht nicht anders als französisch ertheilt, daraus können Sie schon auf den Mann schliessen, nichts desto weniger hat er den Kopf an der rechten Stelle u[nd] beisst um sich, diesem Manne der 112 Stufen hoch über der Erde wohnt, machen die Gelehrten den mühsamen Besuch, damit er in den Recensionen, die er in verschiedenen Zeitblättern liefert, ihre eigne Werke u[nd] die ihrer Freunde glimpflich behandle. Durch ihn sehe ich erst recht klar wie das hiesige litterarsche Leben ein bloses Partheygehen ist, wobey die Wissenschaften ein Nebensache sind, die Hauptsache ist, etwas Neues aufzubringen, mag es immerhin schlechter seyn als das was da ist, wenn man ihm nur den Mantel der Neuheit umhängen kann, denn diesen verlangt das Publikum durchaus, u[nd] dass man es amüsire, wer das Letztere versteht, der trägt über alle Nebenbuhler den Sieg davon. Die faden, oberflächlichen u[nd] pöbelhaften Critiken von litterarischen Producten in den politischen Zeitungen werden troz ihrer Weitschweifigkeit geduldet, weil sie das Publikum, das ohne Neuigkeiten nicht seyn kann, amüsiren. Es gibt hier viele Menschen die ihre Zeit damit tödten, dass sie alle diese Critiken von Anfang bis zu Ende durchlesen u[nd] dann sehr weitschweifig und wohlgefällig sich besprechen, wie der Herr X,

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der Y u[nd] Z. diese Schrift recensirt hat, wobey dann die Particularitäten die zu der Recension Anlass gegeben haben aufgetischt werden. Nicht selten bekommt dann ein solcher Recensent auch Nasenstüber, in eigentlichsten Verstand, od[er] sein Buckel bekommt eine Gegenrecension mit dem Stock, wenn der Critiker eine Zweysprache in dem Bois de Boulogne mit dem Accompagnement von Pistolen nicht anzubieten das Herz hat. Das Publikum hat eine grosse Freude wenn es zu diesem Hauptspectacle kommt, u[nd] wer den Gänsekiel u[nd] den Degen führen kann, der darf schon caustisch seyn, denn zu litterarischem Martyrthum verstehen sich die Pariser nicht leicht. – Diesem Scandal der Zerfleischung sucht die friedliche Universität dadurch vorzubeugen, dass nach dem Grundsatz clericus clericum non decimat; keiner der zum Mitglied der Universität sich hat aufnehmen lassen, an critischen Blättern theilnehmen darf, um Werke seiner Collegen zu recensiren, u[nd] man sucht daher Leute von Kopf u[nd] schneidender Zunge an die Universität zu attachiren durch Anstellung bey den Lyceen oder an der Academie von Paris, allein die Gehalte sind meistens gering, u[nd] 2400 fr[an]cs u[nd] Wohnung u[nd] Kost im Lycée, allein mit dem Beding keine Privatstunden zu geben, sind für Paris keine glänzende u[nd] anlockende Belohnung. Nach den neuen Verordnungen sind nun alle Zöglinge der Privaterziehungsanstalten uniformirt, das Zeichen zum Aufstehen, u[nd] zu den Lehrstunden muss, wie in den Lyceen mit der Trommel gegeben werden, u[nd] unter den Schülern werden Officire u[nd] Unterofficire gewählt, die ihre Abzeichen tragen, u[nd] neben den 2 Mann hoch Hand in Hand einherziehenden Schülern, wenn sie wie man sagt Spaziren gehen, einhertretten u[nd] die Aufsicht haben. Nach dem Reglement sind alle Schüler vom Kinn an bis eine Hand breit unter dem Nabel fest zugeknöpft, alles liegt prall an, u[nd] ein dreyeckiger Hut wovon die Hinterkrempe 10–12 Zoll hoch ist schmückt den kurzgeschorenen Kopf eines 8–9 jährigen Knaben. Die Schüler die aus den Secundarschulen nach Haus gehen, marschiren zwey u[nd] zwey Buben hoch, u[nd] theilen sich nach der vorgeschriebenen Marschruthe, kurz alles geht nach dem strengen Gesetz der Disciplin u[nd] Subordination, u[nd] in dem Äusseren u[nd] Mechanischen sind die Lehrer dadurch sehr erleichtert. Wie es aber im Innern geht, davon kann ich nichts sagen, weil dazu niemand Zutritt hat, u[nd] von den öffentlichen Prüfungen kann man nicht urtheilen, weil dabey alles mit viel Localkenntniss für das Publikum berechnet ist.

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Von den neulichen Unternehmen gegen die Regierung durch den Exgeneral Mallet, haben Sie wohl auch gehört, u[nd] wahrscheinlich mit Vergrösserungen u[nd] Zusätzen aller Art. So unbegreiflich die ganze Sache ist, u[nd] vielleicht immer dem grössern Publicum bleiben wird, so wenig Einfluss hat sie auf die öffentliche Ruhe u[nd] Sicherheit gehabt, die Einwohner haben durchaus keinen Theil genommen, u[nd] nirgends haben Zusammenrottirungen Statt gehabt, ausser General Hulin den Mallet erschiessen wollte, weil er nicht die Übergabe der hiesigen Truppen an M[allet] unterschreiben, u[nd] die Register derselben herausgeben wollte, ist niemand beschädigt worden. Gen[eral] Lahorie verhinderte Gewaltthätigkeiten gegen den Polizeyminister bey seiner Gefangennehmung u[nd] installirte sich in dessen Pallast so sicher als ob er Jahre lang da zu bleiben sicher wäre. Er liess den Schneider kommen u[nd] sich ein Ministercostüme anmessen, Chokolade machen etc. Den Bedienten sagte er: vous êtes de braves gens soyez tranquille, je vous garderai. Die Details sahen einer Comödie vollkommen gleich, u[nd] je mehr man davon erfährt, desto unerklärlicher wird sie, nur die Zeit kann vielleicht etwas davon aufklären. So viel ist gewiss dass eine schreckliche Verwirrung wäre zu befürchten gewesen wenn Mallet sich des Schatzes u[nd] der Bank bemächtigt, u[nd] statt Verschreibungen Geld ausgetheilt hätte, denn Pöbel bleibt immer Pöbel. Die Geschäfte gingen übrigens ganz ruhig fort, jetzo soll man es aber im Handel verspüren, weil in den Provinzen die ganze Geschichte entstellt, bekannt wird u[nd] dadurch eine kleine Stockung entstehen wird, die aber nicht von Dauer seyn kann, man hofft dass der Kaiser zurückkommen wird, u[nd] überhaupt spricht man viel von einem Waffenstillstand, indessen scheint es nicht wahrscheinlich zu seyn dass die Russen nach dem verzweifelten Streich in Moskau, den man gar nicht erwartete, eher zu einem Waffenstillstand die Hand bieten werden, als bis alles für sie verloren seyn wird. Nun leben Sie wohl mein theurer geliebter Vater, u[nd] grüssen Sie alle Freünde auf das beste von mir, Niederer sagen Sie doch dass ich sein Buch für Stapfer vor einiger Zeit bekommen habe, durch wen weiss ich nicht denn es wurde während ich nicht zu Haus war dem Portier gegeben, ich habe mich schon an mehreren Orten nach Stapfer erkundigt aber niemand weiss von ihm etwas bestimmtes, es gibt hier so viele Exminister u[nd] Minister, dass man genau ihre Wohnung wissen muss um nicht zu irren, nur etwa 24 bis 30 Menschen sind hier allgemein bekannt, die übri-

606 gen verlieren sich im grossen Haufen. Brami der sich recht brav macht grüsst Sie herzl[ich] Ihr E[lias] Mieg

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53, Umschlag 225/11 Bogen, 227 x 185 mm Original Textkritik

Zeuge H Z. 20 Z. 24 Z. 26 Z. 35 Z. 54 Z. 56 Z. 61 Z. 68 Z. 72 Z. 84 Z. 84 Z. 88 f. Z. 91 Z. 97 Z. 97 Z. 100 Z. 110 Z. 115 Z. 126 Z. 127

Rosenstein: lateinische Schrift Schmids: lateinische Schrift Rosenstein: lateinische Schrift behandle. Durch Bois de Boulogne: lateinische Schrift hat eine clericus clericum non decimat: lateinische Schrift Lycée: lateinische Schrift Lyceen: lateinische Schrift Disciplin: lateinische Schrift Subordination: lateinische Schrift Local: lateinische Schrift Exgeneral Mallet: lateinische Schrift Hulin: lateinische Schrift Mallet: lateinische Schrift Lahorie: lateinische Schrift Mallet: lateinische Schrift entstehen wird Portier: lateinische Schrift Stapfer: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Johann Elias Mieg (1770–1842) ⇒ Nr. 1244 II. Johann Elias Mieg (1770–1842, ⇒ Nr. 1244) hielt sich als Privatlehrer von Abraham (Brami) Ludwig Heinrich Jakob von Willemer (1794–1818, ⇒ Nr. 948) in Paris auf und berichtete regelmässig über die Ereignisse in der französischen Hauptstadt.

Z. 5 Z. 20

III. Brief: scheint nicht erhalten zu sein Rosenstein: Herr Rosenstein konnte nicht näher bestimmt werden.

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Schmids: Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 trigonometrische Aufgaben: Joseph Schmid: Die Elemente der Form und Grösse (gewöhnlich Geometrie genannt) nach Pestalozzis Grundsätzen bearbeit, 3 Teile. Bern 1809–1811 caustisch: scharf, ätzend (Chemie) clericus clericum non decimat: Ein Geistlicher nimmt von einem anderen Geistlichen keine Abgabe (lat.) neuerlichen Unternehmen: Während seiner Gefangenschaft heckte Claude François Malet (1754–1812, ⇒ Z. 91) einen Staatstreich aus. In der Nacht vom 22./23. Oktober 1812 floh er als General verkleidet aus dem Pariser Gefängnis und verkündete den Tod Napoleon I. Bonapartes (1769–1821, ⇒ Nr. 580), der sich gerade auf dem Russlandfeldzug befand. Zudem versuchte er, die Militärs für eine provisorische Regierungsbildung zu gewinnen. Malet wurde aber erkannt und der Putschversuch scheiterte. Mallet: Claude François Malet (1754–1812) aus Dôle (Franche-Comté) trat um 1770 in die französische Armee ein. 1799 wurde er Brigadegeneral, 1805 erhielt er das Gouvernement von Pavia. 1807 wurde er abgesetzt und bis 1812 in Gefangenschaft genommen. Kurz nach seinem missglückten Putschversuch (⇒ Z. 90) wurde er exekutiert. Hulin: Pierre-Auguste Hulin (1758–1841) aus Paris war ein hoher Militär. Er kommandierte Truppen in Mailand (1795), Wien (1805) und Berlin (1806) und wurde 1807 zum Divisionsgeneral der Pariser Truppen ernannt. Hulin, der 1808 den Titel eines Comte erhielt, verbrachte die Jahre 1815 bis 1819 in der Verbannung in Belgien und Holland. Lahorie: Victor-Claude-Alexander Faneau de Lahorie (1766–1812) aus Gavron (Pays de la Loire), war ab 1800 Brigadegeneral. Die Nähe zu seinem Förderer und Napoleonrivalen Jean-Victor Moreau (1763–1813) kostete ihn die Karriere: Lahorie wurde der antinapoleonischen Propaganda beschuldigt, konnte sich aber während Jahren verstecken. 1810 wurde er gefasst und in Paris inhaftiert. Nach der Teilnahme an dem von Claude François Malet (1754–1812, ⇒ Z. 91) initiierten Putschversuch vom 22./23. Oktober 1812 (⇒ Z. 90) wurde er zum Tode verurteilt. Kaiser: Napoleon I. Bonaparte (1769–1821) ⇒ Nr. 580 Streich in Moskau: Napoleon I. Bonaparte (1769–1821, ⇒ Nr. 580) war im September 1812 in Moskau einmarschiert. Nach dem Einmarsch wurde die Stadt – wahrscheinlich von den russischen Truppen – in Brand gesetzt und Zar Alexander I. (1777–1825, ⇒ Nr. 520) verweigerte Verhandlungen. Am 18. Oktober gab Napoleon den Befehl zum Rückzug der französischen Truppen. Diese wurden Ende November 1812, von Hunger und Krankheit geschwächt, in der Schlacht an der Beresina entscheidend geschlagen. Niederer: Johannes Niederer (1779–1843) ⇒ Nr. 507 Buch: Da aus der in Frage kommenden Zeit keine Briefe von Johannes Niederer (1779–1843, ⇒ Nr. 507) an Philipp Albert Stapfer (1766–1840, ⇒ Nr. 899) oder Johann Elias Mieg (1770–1842, ⇒ Nr. 1244) erhalten sind, kann nicht sicher bestimmt werden, um welches Buch es sich hier handelte. Die Annahme liegt aber nahe, dass Niederer Stapfer ein Exemplar seines neuesten Werks Pestalozzis Erziehungsunternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur, Teil 1 (1812) zugestellt hatte. Stapfer: Philipp Albert Stapfer (1766–1840) ⇒ Nr. 899 Brami: Abraham (Brami) Ludwig Heinrich Jakob von Willemer (1794–1818) ⇒ Nr. 948

608 1342 a. Jean Jacques Paschoud 2. November 1812 [Reg.] Paschoud schickt 12 Exemplare von Campes Robinson.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 165.5 f. Sacherklärung I.

Jean Jacques Paschoud (1768–1826) ⇒ Nr. 1216 a III. Z. 4

Campes Robinson: Joachim Heinrich Campe: Robinson der Jüngere. Hamburg 1779–1780

1342 b. Ferdinand Reitter 3. November 1812 5

[Reg.] Reitter wünscht, dass sein Bruder noch einige Monate in Yverdon bleiben und sich während dieser Zeit im Französischen und in der Mathematik verbessern solle.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 166.19 ff. Sacherklärung I.

Ferdinand Reitter ⇒ Nr. 1164 b

Z. 4

III. Bruder: Johann Reitter (1797–1851) ⇒ Nr. 1164 b

609 1343. Rosette Kasthofer 7. November 1812 H[er]r Pestalozzi 5

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den 7ten 9br 1812 Meine Freüde Sie zu sehen mit all den lieben Menschen, thut mir noch alle Tage wohl u[n]d wird mir noch lange wohlthun in der Erinnrung. Mit Ihrer Liebe mein Vater gehts mir wie mit meinem stillen heitern Himmel: der Augenblik in dem ich die höchste Stufe erreiche ist’s auch der meinem Leben die höchste Würde der Heiligung giebt; u[n]d jeder andre Augenblik der mich diese höchste Stufe ahnden lässt, macht mich auch froh hinaufbliken u[n]d gläubig sie fühlen diese Würde diese Heiligung. Ich lese Ihre Nachforschungen mit Genuss u[n]d Erhebung. Zum lesen Ihrer Schriften fühl ich mich nun wirklich vorbereitet, sie durchdringen mich ganz u[n]d mehren in mir die Kraft zum Handlen. Wenn ich schon darinn nicht Schritt für Schritt Ihnen folgen kann; ist gleich mein Wissen zu beschränkt um ins Auge zu fassen was Sie ins Auge fassten als Sie diess u[n]d jenes aussprachen; hell leüchtet mir dennoch Gedanke auf Gedanke, u[n]d erquikend reiht sich Gefühl an Gefühl, dass ich nirgends im Finstern tappe u[n]d immer mit Freüden vorwärts gehe. Tritt dann ein reines Resultat hervor, so liegt entweder seine Wahrheit vorbereitet in meiner Seele u[n]d es braucht ein Hauch nur, dass sie mir aufgehe in ihrer Klarheit, od[er] es liegt selbst ganz ausgesprochen in den Erfahrungen meines Lebens. Ich fühlt es nie wie jezt das Recht zur Wahrheit ist jeder erschaffnen Seele angebohren u[n]d auf dem Wege der Natur des Glaubens u[n]d der Liebe wird mir oft klar was dem Denker nur als schwerer Lohn durchgearbeiteter Jahre u[n]d durchwachter Nächte zu theil wird. Der Unterschied ist nun: ich fühle was ist u[n]d das muss mir genügen, doch er weiss warum es ist u[n]d wo ers nicht weiss braucht er die Jahre seines Lebens um es zu suchen. Wahrlich ein reines thätiges Leben führt auch zu grossen Resultaten u[n]d seit ich das empfinde bin ich getröstet über all mein Nichtwissen das mich sonst drükte u[n]d über alles was mir sonst Unrecht schien u[n]d mich in frühern Jahren empörte. Meine Angst vor Unwissenheit u[n]d mein namenloses Sehnen nach Unterricht sind auch gelöst in ein ruhiges nie ermüdendes Weiterstreben – Ihre Worte, ihre Schriften Ihr Leben, u[n]d mein Leben

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an Ihrer Seite öfnen mir Quellen eines ewigen Reichthums, aber im Drang des Lebens birgt viel Schönes sich unsren Bliken u[n]d weniges lässt sich froh geniessen – Ich bedurfte der Ruhe denn ich war sehr müde – u[n]d danke Gott der mir Ruhe gab u[n]d danke Ihnen dass Sie mir Zeit schenkten um sie zu geniessen. Gestärkt u[n]d froh hoff ich wieder in Ihre Arme u[n]d in den Kreis meiner Pflichten zurückzukehren. Schreiben Sie mir bald Sie wissen nichts bringt grössere Freüde ihrem Kinde R[osette] K[asthofer]

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 264/V,10 Blatt, 239 x 195 mm Dorsualvermerk an Pestalozzi 1812 Original Textkritik

Zeuge H Z. 12 Z. 24 Z. 29 Z. 31 Z. 32 Z. 32 Z. 34 Z. 35 Z. 45 Z. 48

hinaufbliken braucht ein oft ∫ zu theil ∫ muss ∫ mir ∫ genügen , doch ist u[n]d auch ∫ bin ich getröstet ∫ mir Zeit schenkten bald Sie Sacherklärung I.

Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842 II. Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) war im Herbst 1812 für eine Traubenkur nach Montreux (Kt. Waadt) gereist (⇒ Nr. 1336). Ende Oktober war Marc Antoine Jullien (1775–1848, ⇒ Nr. 1200) in Yverdon eingetroffen und enttäuscht, Rosette Kasthofer nicht anzutreffen. Deshalb reiste er zusammen mit Pestalozzi am 1. November nach Lausanne, um sie dort zu treffen (PSB VIII, Nr. 3141).

611 III. Z. 14

Nachforschungen: Johann Heinrich Pestalozzi: Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwiklung des Menschengeschlechts. Zürich 1797

1343 a. Anton Holzhalb 7. November 1812 5

[Reg.] Holzhalb bittet Pestalozzi, seinem Sohn mitzuteilen, dass seine Tante verstorben sei und ihm den beiliegenden Brief zu übergeben.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 167.23 ff. Sacherklärung I.

Anton Holzhalb (1764–1838) ⇒ Nr. 1177

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III. Tante: Damit dürfte wohl Emerentiana Holzhalb (1766–1812), eine Schwester väterlicherseits gemeint sein. Wie jedoch schon im Falle von Maria Margaretha Nüscheler (1738–1813), der Stiefmutter von Anton Holzhalb (1764–1838, ⇒ Nr. 1177), gibt es auch hier eine kleine Unstimmigkeit zwischen dem Briefdatum und dem im Bürgerregister verzeichneten Todesdatum (⇒ Nr. 1358 c). Letzteres wird mit 12. November 1812 angegeben, der Brief ist aber gemäss Antwortbrief Pestalozzis, der allerdings nur in einer Abschrift erhalten ist, vom 7. November datiert (PSB VIII, Nr. 3160). Brief: scheint nicht erhalten zu sein

1344. Rosette Kasthofer 15. November 1812 5

à Monsieur Pestalozzi à Yverdon Montreux den 15 ten Lieber Vater der Regen fällt in furchtbarer Masse, wenn das so fortfahrt, so könnt ich in Verlegenheit kommen. Ich kann im gan-

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zen Dorf kein gedektes Fuhrwerk kriegen, wär es wohl möglich dass jemand mich in Vevey abhohlen könnte? Ich bin jezt jeden Tag bereit meinen Rükzug anzutreten, doch möcht ich gerne noch Antwort haben; das ist auf Mitwoch möglich, u[n]d so will ich den Donnerstag festsezen wenn es seyn kann das jemand von den Ihrigen auf diesen Tag komme, sonst sagen Sie mir doch in alle Fälle ob ich später u[n]d wann, in Vevey eintreffen soll. Endlich wäre die Post noch eine Zuflucht wenn’s nicht möglich wäre bis auf Vevey mir entgegen zu kommen. Auf Mitwoch erwarte ich bestimmt eine Antwort. Ich bin gesund u[n]d wohl aber weder fett noch rosenroht – wenn die Freüde Sie, theürer Vater u[n]d alle alle Lieben in Yverdon wiederzusehen, mir nicht Farbe giebt, dann bin ich gewiss erblasst fürs ganze Leben u[n]d weiss doch nicht worüber. Grüssen Sie mir die liebe Mutter, Fr[au] Kuster u[n]d H[er]rn K[uster] J[un]gf[er] Hotz u[n]d alle Menschen. Es ist spät in die Nacht – ich war unschlüssig, sollt ich noch schreiben oder nicht – nun bin ich doch ruhiger dass ichs gethan. Leben Sie wohl, bald bald wieder unzertrennlich die Ihrige R[osette] Kasthofer

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 53/54, Umschlag 264/V,9 Blatt, 238 x 145 mm Dorsualvermerk Montreux 15t 9t 1812 Ros[ette] Kasthofer, Stempel VERNEX, Siegelspuren Original Textkritik

Zeuge H Z. 4–6 Z. 7 Z. 11 Z. 16 Z. 18 Z. 21 f. Z. 22 Z. 26

lateinische Schrift Montreux: lateinische Schrift Vevey: lateinische Schrift Vevey: lateinische Schrift Vevey: lateinische Schrift Yverdon: lateinische Schrift wiederzusehen, mir noch ∫ Sacherklärung I.

Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857) ⇒ Nr. 842

613 II. Rosette Niederer-Kasthofer (1779–1857, ⇒ Nr. 842) hatte sich während einiger Wochen in Montreux (Kt. Waadt) zur Traubenkur aufgehalten und plante jetzt ihre Heimreise nach Yverdon. III. Z. 24 Z. 24 Z. 25 Z. 25

Mutter: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Kuster: Anna Magdalena Custer-Pestalozzi, geborene Frölich (1767–1814) ⇒ Nr. 547 K[uster]: Laurenz Jakob Custer (1765–1822) ⇒ Nr. 748 Hotz: Ursula Hotz (1774–1828) ⇒ Nr. 1317

1344 a. Hans Jakob Trümpler 18. November 1812 5

[Reg.] Trümpler erkundigt sich nach dem Wohlergehen von François und teilt Pestalozzi mit, dass er Charles zurückrufen werde.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 173.11 ff. Sacherklärung I.

Hans Jakob Trümpler (1768–1845) aus Küsnacht (Kt. Zürich) etabliert sich nach einer kaufmännischen Ausbildung in Zürich zunächst als Mitarbeiter eines Handelshauses in Lausanne und in der Folge als Grosskaufmann in Genua und Marseille, bevor er 1811 nach Zürich zurückkehrt. Dort gründet er die auf Baumwollhandel spezialisierte Firma Trümpler & Gysi und schliesst diese 1829 mit einer Spinnerei in Uster zusammen, wo das Unternehmen heute noch besteht. III. Z. 4

Z. 5

François: Damit dürfte wohl Jules/Julius Trümpler (1805–1877) gemeint sein, der zwischen 1811 und 1812 als Zögling in Yverdon weilte und später mit seinem Bruder Charles/Karl Trümpler (1801–1879, ⇒ Z. 5) die väterliche Firma in Uster weiterführte. Charles: Damit dürfte wohl Charles/Karl Trümpler (1801–1879) gemeint sein, der von 1809 bis 1812 als Zögling in Yverdon weilte und später mit seinem Bruder Jules/Julius Trümpler (1805–1877, ⇒ Z. 4) die väterliche Firma in Uster weiterführte.

614 1344 b. Jean Stoll November 1812 [Reg.] Inhalt unbekannt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 176.6 f. Sacherklärung I.

Jean Stoll (1747–1833) ⇒ Nr. 911

1344 c. Joseph François Paturel November 1812 5

[Reg.] Paturel äussert väterliche Empfindungen für seine Tochter, die seit kurzer Zeit bei Pestalozzi in Yverdon weilt.

Überlieferung 1

PSB VIII, S. 177.33 ff. Sacherklärung I.

Joseph François Paturel (1774–nach 1833) aus Grenoble ist als Leutnant Quartier- und Schatzmeister eines französischen Infanterieregiments in der norditalienischen Provinz Cueno (Piemont), wo er 1807 die aus Nîmes stammende Eugénie Farinière (*1791, ⇒ Nr. 1408) heiratet. Da weder die Sterberegister von Nîmes noch diejenigen von Grenoble Informationen zu dem Ehepaar enthalten, ist denkbar, dass sich Paturel später mit seiner Familie irgendwo in Italien niedergelassen hat. III. Z. 4

Tochter: Rosalie Catherine Eugénie Françoise (*1808) wurde in Italien geboren und besuchte von 1812 bis 1814 das Töchterinstitut (⇒ Nr. 867) in Yverdon. Da konkrete Hinweise auf den späteren Aufenthaltsort der Familie fehlen, konnte über ihr weiteres Leben nichts ermittelt werden.

615 1345. Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht 26. November 1812 5

An Pestalozzi zu Yverdun Berlin den 26 ten 9 br 1812

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Das unterzeichnete Departement ermangelt nicht Herrn Wohlgeb[or]en die halbjährige Rate der Unterhaltungsgelder für den Eleven Rendschmidt vom 1 ten Nov[em]b[e]r 1812 ab ult[imum] aprile 1813. durch die anliegende Anweisung im Werth von 175 r[eichs]t[ale]r Preuss[ischer] Courent ergebenst zu übersenden. Departement des Cultus etc.

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Überlieferung Geheimes Preussisches StA Berlin-Dahlem, Rep. 76 VII Sekt. 1 aa, Nr. 4, Bd. 3, S. 265 Absender am Anfang Copia Textkritik

Zeuge h Z. 9 Z. 9

Rendschmidt: lateinische Schrift ult[imum] aprile: lateinische Schrift Sacherklärung I.

Preussisches Innenministerium, Sektion Unterricht



Nr. 1049

III. Z. 9

Rendschmidt: Felix Rendschmidt (1787–1853) ⇒ Nr. 1265

1346. Joseph Schmid 27. November 1812 Bregenz den 27ten 9 bris 1812. 5

Lieber Vater! Noch nie that es meinem Herzen so wohl ein Wort der Liebe aus ihrem liebenden Herzen zu vernehmen als in dem Augenblick, wo

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nicht nur meine Aussichten u[nd] Verhältnisse gegen unsern Landesvater erhebend sind, sondern wo mein positives Dastehen unter 300 Kinder u[nd] ihren Eltern mir schon jetzt gewährt was mein Herz suchte. Ja bin glücklich, ich bin glücklicher als ich es verdiene; geht es so fort so bring ich es dahin dass ich auch Ihnen mit der Zeit wieder seyn kann nach was ich immer strebte; das Gefühl dass ich dieses sicher erreiche redet u[nd] bringt Ihnen an das Herz was mir auf demselben liegt. Des Armen Vater Freund, Trost u[nd] Führer hier, u[nd] für das Leben jenseits zu seyn ist Glückseeligkeit u[nd] Himmel schon hier. Ja diess ist’s welches mich besonders freut, dem ich in ein praktisches Wirken für die Armuth versetzt bin, so mächtig wieder an Sie ankettet; es war ihr erstes Element ihr Herz hengt u[nd] bis an ihren Tod daran hangen; durch Armuth wurde durch Jesum der Menschheit geholfen, soll sie wieder erwärmt u[nd] erfrischt werden, so muss es hier geschehen. Ich fühle jetzt aus Erfahrung dass ihr Herz bis an ihr Grab daran hengen wird, u[nd] dass Sie ohne dieses keine Befriedung hier finden, nachdem Sie ein mal so tief fühlen u[nd] erfahren haben was möglich ist –. Was hiefür in meinen Kräften liegt will ich nicht nur gern thun, sondern es wird mich freuen u[nd] mich glücklich machen wenn sie es von mir annehmen. Fangen Sie ihre Armenanstalt an so halt mich nichts ab dass ich Ihnen nicht wieder werde was ich Ihnen wenigstens in Rücksicht meines Willens war, als die hoffnungsvolle Aussicht für Jugend u[nd] die Verlassenen in meinem Vaterlande, diese ketten mich jetzt allerdings so an dasselbe dass ich es für unverantwortlich hielt wenn ich nicht realisierte was zum theil schon in meine Hand gelegt u[nd] noch in sie gelegt werden wird. Kommenden Herbst mache ich eine Reise in die Schweitz, werde Sie dann besuchen u[nd] sind meine Aussichten u[nd] Verhältnisse nicht so dass Sie selber sagen: ich müsse vollenden was ich angefangen hab; es wäre nicht recht wenn ich es nicht thäte; Sie können u[nd] dürfen mich in dieser Lage nicht für das letzte Werk ihres Lebens unmittelbar unter Ihren Händen gebrauchen etc. – wohl u[nd] gut; wo nicht so bin ich bereit Ihnen zu folgen wohin Sie mich zu einer grössern u[nd] würdigern Aufgabe rufen. – Es ist gewiss, eine Armenanstalt die das wird was die L i e b e vermag, kann vielleicht für unsere Zeit wichtiger werden als alles andere in der Welt, u[nd] ich glaube auch dass in Ihrer Hand für diesen Zweck recht viel liege; wenn es von der rechten u[nd] gehörigen Seite angegriefen wird.

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Seyddem ich so durch Erfahrung überzeugt bin: der Mann der mit Ernst, Kraft u[nd] Reinheit des Willens etwas für die Menschheit würdiges will wird es erreichen u[nd] wenn das Ideal noch einmal so gross wäre; fasse ich wieder von neuem Muth zu einem noch grössern, würdigern u[nd] noch mehr hingebendem Unternehmen –; u[nd] diess ists was mich bewegen konnte Ihnen ganz wieder zu seyn wenn Sie mich so gebrauchen können –. Seyd 4 Wochen ist mein ganzes Treiben u[nd] Thun wieder im Gang, u[nd] berechtigt mich zu den schönsten Hoffnungen was mir bisher beynahe unmöglich schien ist besiegt –; mit mir presidiert der Stadtpfarrer an der Spitze der Eltern[-] u[nd] Armenversammlung, u[nd] was mir im Anfang jedermann abrieth zu thun ist durch kräftige Hülfe dieser Männer durchgegangen –. Am Ende des Jahres will ich über manches aufmunterten Aufschluss machen der das Gute in unserm spetzielle Gegenden will geben. Gelingt es mir auch nicht Ihnen zu zeigen, wie dankbar ich Ihnen für alles was Sie mir waren u[nd] thaten, seyn möchte; so werd ich nicht nachlassen bis ich es wenigstens an Ihrem lieben Enkel Gottlieb dargethan haben werde; grüssen Sie mir ihn herzlich, u[nd] sagen ihm: sein Brief habe mir grosse Freude gemacht, ich werde ihm wenn es mir die Zeit wieder gestatte auch Schreiben, ich woll wenn es in meinen Kräften stehe seiner Liebe u[nd] Zutrauen entsprechen –. Ich habe Göldi manches was ich für das Institute nothwendig u[nd] wichtig halte gesagt, er wird es Ihnen gewiss überbracht haben: ich setze nur noch hinzu: eine gewisse feste Ordnung in den Unterricht u[nd] in das ganze Treiben des Hauses mit grosser Berufstreue erfüllt ist dringend u[nd] vielleicht dringender als sie glauben, wenigstens was ich so durch Reisende die aus der Schweitz J. u[nd] W. kommen erfahren kann; u[nd] ich habe für Punkt u[nd] durch meine Bekannte dasselbst Gelegenheit hiefür –. Bleibt unser Land was es ist – u[nd] kommt der Kronprinz an die Spitze, so findet das was auch Sie einmal wollten, gewiss in keinem Land mehr Handbiethung als in dem unsern –. Der Kronprinz ist Ihnen unveränderlich –. Um Steine werd ich mich umsehen –. Eine ausserordentliche Konscription ist bey uns vor der Thüre, wo es enden wird, mag man muthmassen aber wissen kann es niemand –.

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Einen herzlichen Gruss an ihre Frau Liebste u[nd] an ihre ganze liebende Familie u[nd] alle die sich meiner noch erinnern; auch die Schwester möchte Sie u[nd] ihre sämmtlichen Bekannten gegrüsst haben. Von ihrem in Liebe erstrebenden Sohn Joseph Schmidt

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Überlieferung ZB Zürich, Ms Pestal 55, Umschlag 333/2 Bogen, 383 x 233 mm Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 6 Z. 7 f. Z. 9 Z. 16 Z. 18 Z. 21 Z. 21 Z. 21 f. Z. 22 Z. 23 Z. 23 Z. 25 f. Z. 29 Z. 30 Z. 31 Z. 31 f. Z. 32 f. Z. 33 f. Z. 34 Z. 39 Z. 40 Z. 41 Z. 41 f. Z. 46 Z. 46 f. Z. 48 Z. 48 Z. 53

that dem Augenblick, wo nicht erhebend sind, Vater Freund, Trost u[nd] Führer hier, ein ∫ Tod hangen; durch der Menschheit eigentlich: erfirscht geschehen. Ich aus Erfahrung ∫ dass tief fühlen u[nd] sie es nichts ab eigentlich: ich ich Rücksicht meines Jugend u[nd] ∫ mich jetzt es für müsse vollenden wenn ich ∫ es letzte ∫ Lebens unmittelbar unsere Zeit ∫ Welt, u[nd] ∫ ich ∫ rechten ∫ u[nd] ∫ Seite ich wieder

619 Z. 55 Z. 56 Z. 58 Z. 64 Z. 65 Z. 65 f. Z. 68 Z. 70 f. Z. 73 Z. 79 Z. 80 Z. 82 Z. 86 Z. 88 Z. 90

mich bewegen so gebrauchen den schönsten unserem spetzielle Gegenden will auch ∫ wie dankbar ∫ ich Ihnen für Gottlieb ∫ Schreiben, ich Göldi: lateinische Schrift habe für ∫ Bekannte dasselbst wollten, gewiss wird , mag an ihre ∫ eigentlich: möchte u[nd] Sie u[nd] ihre Sacherklärung I.

Joseph Schmid (1785–1851) ⇒ Nr. 712 II. Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) war 1812 nach Bregenz gekommen, wo er die Leitung einer Schule mit 300 Kindern im Haus des ehemaligen Amtmanns des Klosters Mehrerau übernahm (vgl. ZB Zürich, Ms Pestal 910, Umschlag 35, Nr. 4).

Z. 8 f. Z. 60

Z. 68 Z. 69 Z. 73 Z. 79 Z. 79 Z. 81 Z. 86 Z. 88 Z. 90

III. Landesvater: Maximiliam I. Joseph, König von Bayern (1756–1825) ⇒ Nr. 985 Stadtpfarrer: Jakob Liberat Steger (1765–1832) besuchte das Gymnasium in Feldkirch, studierte Philosophie und Theologie in Innsbruck, Graz und Wien und erhielt 1789 die Priesterweihe. 1792 wurde er Kaplan und 1796 Administrator der Pfarrei Bregenz, übernahm 1801 die Stelle als Stadtpfarrer und wurde 1808 zum Dekan des Dekanats Bregenz gewählt. Als Schulinspektor des Landkapitels Bregenz setzte er sich für Joseph Schmid (1785–1851, ⇒ Nr. 712) und die Ideen Pestalozzis ein. 1821 folgte die Ernennung zum Generalvikariatsrat in Feldkirch und übernahm die Aufgaben als Schulaufseher von Vorarlberg. Lit.: Karl Josef Steger: Dekan Jakob Liberat Steger. 1765–1832. Ein hervorragender Priester aus Bregenz. Wien 1964 Gottlieb: Gottlieb Pestalozzi (1797–1863) ⇒ Nr. 594 Brief: scheint nicht erhalten zu sein Göldi: Andreas Göldi (1786–1840) ⇒ Nr. 1200 J.: Es ist unklar, wofür diese Abkürzung steht, möglicherweise für J[ferten]. W.: Diese Abkürzung steht möglicherweise für W[ürttemberg]. Kronprinz: Ludwig I. von Bayern (1786–1868) ⇒ Nr. 1051 Konscription: Aushebung zum Kriegsdienst Frau Liebste: Anna Pestalozzi-Schulthess (1738–1815) ⇒ Nr. 3 Schwester: Katharina Pestalozzi-Schmid (1797–1853) ⇒ Brief vom November 1822

620 1346 a. Pierre Henry Lambelet 30. November 1812 [Reg.] Lambelet empfiehlt Pestalozzi einen Lehrer.

Überlieferung 1

PSB VIII, S 177.20 ff. Sacherklärung I.

Pierre Henri Lambelet (1763–1843) aus Les Verrières (Kt. Neuchâtel) ist Notar, wird 1803 zum Gerichtsherrn von Les Verrières ernannt und amtet zudem auch als Sekretär der Générale Communauté des Verrières, der gemeinsamen Organisationsstruktur der fünf Einzelgemeinden Meudon, Belle-Perche, Petit Bayard, Grand Bayard und GrandBourgeau. Er ist seit 1791 mit Charlotte Lambelet (*1771) verheiratet und Vater von sieben Kindern.

1347. Barbara Lucia Jezler 30. November 1812 5

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Herrn Joh[ann] Heinrich Pestalozzi Direktor der Erziehungsanstalt zu Y v e r d o n in der Schweiz Seswegen den 3/15ten Novembris 1812. Nov den 18/30ten Lieber, theurer, unvergesslicher Vater! – Wie lange, wie unaussprechlich lange ist es, seit dem ich nur ein einziges Wort von Ihnen, u[nd] allen denen die mir im Geiste die Nächsten sind vernahm. Seit den ersten Wochen dieses Jahres vernahm ich nicht das Geringste von Ihnen selbst, und im Ganzen nur ein paar Worte von meiner glücklichen Schwester, die mit der glücklichsten und frohesten Nachricht begleitet waren. Welch Glück geniesst sie in Ihrem alles belebenden Hause, und an der Hand des g r ö s s t e n Menschenfreundes. U[nd] was für ein Glück erwartet sie an der Hand eines Ihrer liebsten Zöglinge, mit dem sie ihre Lebenstage

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theilen will! Gott erhalte sie wohl u[nd] gebe ihnen seinen Segen! – Vater! obschon ich Ihrer Briefe und aller Nachricht beraubt bin u[nd] war, so schlägt Ihnen mein Herz mit der reinsten kindlichsten Liebe entgegen, derer sich eines Ihrer g l ü c k l i c h e n Kinder erfreuen kann, die mich mit jedem Tag mehr erhebt u[nd] beseeligt; sie ist mein Schutzgeist und mein Leitstern in allen meinen Unternehmungen! – Ich habe sie erhalten, ich habe sie erkämpft, die Liebe der ich mein ganzes Leben weihe! Ich bin glücklich durch den Kampf den ich mit ihr errungen; ich fühle mich auf einer herrlichen Stufe des geistigen Lebens. Ich bin Ihnen und den Ihrigen u[nd] durch S i e meinen Freunden und Freundinnen, im Geiste so nahe, wie ich es ohne die, uns allen, traurig scheinende Lage, es nie gewesen wäre! – Und, o Vater, lassen Sie es mich mit dem f r o h s t e n Gefühl sagen: ich fühle die Nähe des Herrn der Menschheit wie sie wenige Menschen fühlen können! ich habe mit ihm gesprochen! ich habe ihn und mein Gewissen zu Zeugen meiner Handlungen gemacht! Er war mein Rather, mein Freund mein Beschützer und mein Vater! – Unter seinem Schutz und mit seinem Willen, nahm ich die grosse Veränderung meiner physischen Lage vor, die mir Ruhe, Friede u[nd] Glück bringt. – Die Zeitumstände, die Kriegsunruhen, die Entbehrung Ihrer und aller Briefe, und besonders m e i n e r Lage, würden ein vollkommenes Ganzes gemacht haben (wenn ich mich meiner Stimung, die Sie aus meinen Briefen kennen, weiter ergeben, und nicht über dieselbe einigermassen gesiegt hätte) um mich recht fühlen zu lassen, wie dem Menschen zu Muthe ist, dem von allen Seiten Widerwärtigkeiten, fehlgeschlagene Hoffnungen etc. in den Wege tretten, und den Drang seines fühlenden Herzen zurückstossen. Auf der einen Seite, liess er mich sehen wie es dem seyn muss, der ohne innere Erhebung sich seiner Lage ergiebt; und dem hingegen der sucht, so viel als möglich, seine missliche Lage, durch Ergebung u[nd] Erhebung zu verbessern, und sie zu seinem Besten anzuwenden. Schon sind wieder acht Tage verflossen, seit dem ich Ihnen liebster Vater, Obiges geschrieben habe. Die täglichen Geschäfte und die Kürze der Wintertage erlaubten mir nicht meinen B[rief] fortzusetzen. Aus diesem Grund wird es also ein Sontags-Geschäft, dass mir desto angenehmer wird, da ich Ihnen zugleich sagen kann wie ich die vergangene Woche verlebte. Leider muss ich gestehen dass der Gedanke meiner Schwäche mir sehr drückend war, u[nd] mein Herz beohnmächtigte. Ach, wie oft habe ich wider dieselbe zu kämpfen! und wie oft fehlt mir Glaube an mich

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selbst! Wohlthätig wirken in dieser Gemüthsstimmung Ihre Wochenblätter, die mir vergangenen Sommer durch Ihre Güte, zu kamen, sie beleben, sie erheben u[nd] stärken mich, aber leider nicht für lange Zeit. Vater, was könte ein Brief od[er] Nachricht von Ihnen od[er] M u t t e r , Herr N i e d e r e r od[er] K r ü s i oder irgend jemand von den Ihrigen, in dieser Stimmung für Trost bringen?! o wüssten Sie mit welcher Sehnsucht ich dem Augenblicke entgegen sehe, der mir dieselben mittheilen soll od[er] wird! Ich schrieb 4 od[er] 5 Briefe an S i e , und den an meine S c h w e s t e r (welcher der letzte war) schrieb ich im Mäymonat. Möchten sie doch alle Ihnen zugekommen seyn! Nun ist es Zeit, dass ich Ihnen sage, dass ich das Haus Ihres Freundes verlassen habe, und dass ich es um seiner, seiner Frauen und meiner Ruhe willen verlassen musste. Könnte ich Ihnen alle Umstände mündlich erzählen, wie viel besser und deutlicher, könnte ich sie Ihnen mittheilen; jezt muss ich mich nur auf einige einschränken. Vater, es muss Ihnen leid thun, von Personen, von denen Sie sich viel versprachen, die in Ihrer Mitte lebten, u[nd] die sie lieben, unangenehmes zu vernehmen; allein ich kann nicht anders ich muss Ihnen meine Fehler, als wie auch das was mich kränkte u[nd] mir Leiden verursachte erzählen. – Sie wissen aus meinen Briefen, wie Fr[au] v[on] T[ransehe] von der Methode denkt, u[nd] wie Vieles sie von einer schlechten Seite ansieht, u[nd] es zum Verderben ihrer Kinder auslegen will. Sie errinnern sich wol auch noch mit welchem Vertrauen und mit welcher Liebe ich in Ihrem Hause lebte und von vielen Gegenliebe und Vertrauen genoss; mit einem Wort ich fühlte mich g l ü c k l i c h , u[nd] mir war w o h l ; wiewol ich den eigentlichen Werth, u[nd] den hohen u[nd] grossen Zweck noch nicht klar durchdrungen hatte. – Auch können Sie aus meinen Briefen sehen, was die Entfernung aus Ihrem Hause, für Eindruck auf mich machte, u[nd] täglich noch auf mich macht, dass die Methode mich begeistert u[nd] durchdrungen hat … Mit dieser gegenseitigen Gesinnung sollten nun die Mutter u[nd] ich gemeinschaftlich wirken, und in allem für das Wohl der Kinder sorgen. Aber wie konnte denn das seyn da die Grundsätze einander ganz entgegengesetzt waren, und ich mich durch die Herz durchschneidenden Reden, und den unedlen Ansichten die sie von meinen Unterrichtsmittel hat ganz abgeneigt fühlte, u[nd] ganz erschrocken war wenn ich nur mit ihr sprechen musste. Nach und nach überwande ich diese Furcht; allein mein Zustand besserte sich nicht, F[rau] v[on] T[ransehe] wurde mir immer abgeneigter, u[nd] sagte ich eine Ansicht über das Wohl der

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Kinder, so setzte ich mich den empfindlichsten Worten aus. Zu dem musste ich mit jedem Tag mehr sehen wie sich die Unschuld u[nd] Reinheit der zarten Pflanzen verloren, das höhere Leben sich in Leichtsinn u[nd] Wildheit verwandelte. Vater dis that mir wehe, ich litt viel dabei! Fritz u[nd] Theodor waren den ganzen Winter ohne Unterricht, sie schrieben u[nd] lasen wol alle Tage 4 Stunden aber ohne eigentliche Aufsicht, u[nd] was lasen sie? jedes Buch ohne Unterschied. Und was schrieben sie? Vier Vorschriften den ganzen Winter über. – Am Ende desselben war ihr Geist so schlaff dass Fritz herumschlich, u[nd] aus seinem, sonst so feurigen Auge, kein Leben mehr zu bemerken war. Dies gieng mir zu Herzen, ich konnte dies Elend nicht mehr ansehen; bat deswegen H[errn] v[on] T[ransehe] sie mir zu überlassen bis sie einen Lehrer bekämen. Er willigte es gerne ein. Nun legte ich mir eine neue Bürde auf. Alle 4 Knaben giengen nun in meine Schulde, ohne den Willen der Mutter, und also auch ohne Unterstützung von ihr. (Herr von [Transehe] bekümmert sehr wenig um die Kinder) Oft waren die lebhaften Kinder, die ganz ohne Häuslichkeit, u[nd] der Wilkühr u[nd] Launen der Mutter leben, zu keinem Lernen zu bringen. Versetzen Sie sich in meine Lage: gieng ich klagen, so wurde mir in Gegenwart der Kinder so vieles gesagt, dass ich es bereute, u[nd] es in meiner Schule es den folgenden Tag noch schlimmer gieng. Konnten auf diese Art die Kinder etwas lernen? Konnte ich einen ruhigen Tag verleben? War es möglich dass ich mit Liebe und Lust arbeitete? Konnte ich mich in meiner Lage ausbilden? … Ich überlasse Ihnen die Beantwortung dieser Fragen. Mit jedem Augenblick sah ich dass sich Ihre Methode auf keinen Fall erzwingen lasst: sie muss freie Aufgabe seyn, und eben so frei behandelt werden. Vater ich lebte den ganzen Winter über in traurigsten und beklommensten Gefühlen, suchte meine Lage auf irgend eine Weise zu verbessern, und mich mehr auszubilden; allein der Geist war nicht frei u[nd] desswegen gelang mir nicht viel. Die traurigen Gedanken u[nd] die Aussicht in die Zukunft liessen mich auch keinem bessern Ziele entgegen sehen: ja der Gedanke dass ich nicht in diesem Hause leben könnte, durch drang mein Innerstes; wollte ich ihn unterdrücken, so fühlte eine Beklommenheit, die mit meinem Gewissen in dem grossten Widerspruch war; gab ich ihm Raum, so war mir leicht u[nd] es schwebten schöne Bilder der Zukunft vor meiner Seele. Dessen ohngeachtet suchte mich zu überwinden, und zu denken die Lage der Dinge habe mein Schicksal bestimmt, und bat Gott um seinen Beistand in meinem

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Leiden u[nd] um seinen Rath in dem was ich thun sollte. Vater! ich betrieb diese Sache als eine Gewissenssache: Ich weiss wie viel I h n e n daran gelegen war, dass die Kinder nach Ihren Grundsätzen unterrichtet werden sollten, u[nd] weiss was i c h lehren will. Zudem tönten mir Ihre aufmunternden Worte, aus Ihren Briefen laut in meinem Innern: «Gebe dich selbst nicht auf, vertraue deiner innern Kraft. Vorübergehende Leiden sind bildend benehmen grössere Freude und sind die Garantie der Dauer aller Freuden.» – Dies waren meine Trostworte die ich mir so oft mich Kleinmuth anwandelte, wiederholte, allein nichts konnte mich beruhigen, ich sah ein dass weder die Kinder auf diese Art etwas lernen konnten, noch ich an meiner Vervollkommnung arbeiten konnte. Tagliche Vorwürfe vermehrten meine Unruhe, denn, Sie können sich vorstellen, wie dem zu Muthe seyn muss, der sich immer sagt: Ich könnte mein Pfund besser benützen, wenn ich Freiheit hätte! – Sonst, o Vater, was hätte ich für Sie gethan bei Ihrem Freund, dem Sie noch ein grösseres Opfer bringen wollten. – – Meine Unruhe stieg gegen den Sommer so sehr, dass ich weder schlafen, noch eigentlich wachen konnte; ich kämpfte gewaltig mit dem Gedanken, mich aus dieser Lage zu reissen. Endlich, nach langem Kampf, Gebet und Ueberlegung, sprach ich mit H[errn] von T[ransehe] und sagte ihm dass wir uns trennen wollten, weil ich mich zu schwach fühle, und er einen Lehrer für seine Kinder bedürfe, der mehr Kenntnisse besitze als ich; bat ihn zugleich sich um jemanden um zu sehen. Dies überraschte ihn sehr, und wollte nichts davon hören, sagte mir dass er wohl sehe dass ich sehr traurige Tage in seinem Hause verleben müsse, u[nd] es ihm herzlich leid thäte, ich möchte mich noch besinnen auch sagte er, wenn ich weg gienge so würde er die Kinder alle auch von Hause wegthun. Ich blieb bei meinem Vorsatz, und Herr von T[ransehe] reiste nach Riga. Diese Erklärung beruhigte mich einigermassen; aber auf der andern Seite brachte sie nun neue Sorgen. Wo sollte ich nun hin in einem ganz fremden Lande, u[nd] mit so wenig Kenntnissen? – Bald bekam ich Hoffnung zu den Kindern eines würdigen Predigers zu kommen; allein die verflossen bald wieder. Während dem kam H[err] von T[ransehe] zurück, er glaubte mich in meiner Gesinnung geändert zu finden, dies war aber nicht möglich, denn ein unwiderstehlicher Drang meines Gewissens, machte mich meinem Vorsatz immer treuer zu bleiben. Herr von Tr[ansehe] bestimmte mir keine Zeit, sein Haus zu verlassen, und er wollte auch niemand ins Haus nehmen, bis ich wieder eine Versorgung hätte. Einige Woche verflossen; die schrecklichsten Kriegs-

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unruhen kamen, jedermann suchte zu flüchten; ich aber blieb ohne Platz. Während dieser Zeit hatte auch an Herr M u r a l t geschrieben und ihn mit meiner Lage bekannt gemacht, und ihne gebeten mir behülflich zu seyn; Noch hatte aber keine Antwort von ihm. Wie wir im Begriff waren Sessw[egen] zu verlassen u[nd] weiter ins Land hinein zu ziehen, so erklärte Fr[au] von T[ransehe] gegen mir, und wollte ihre Verfahren gegen mir entschuldigen. (Herr von Transehe hatte ihr oft Vorwürfe wegen mir gemacht.) Wie entschuldigte sie sich? Ich hätte sie b e l e i d i g t , ich hätte sie o f t beleidigt! Das weiss u[nd] bat sie mir zu verzeihen, aber dies mal war es mir ganz unerwartet, und hatte sie das grösste Recht dazu. – Ich habe mir anfangs ein kleines Tagebuch gemacht, in das ich mir vieles schrieb das ich keinem Dritten zu lesen gegeben hätte, u[nd] es auch nicht geschrieben hätte, wenn ich in einem bessern Gemüthszustand gewesen wäre. Nun dieses Tagebuch hatte sie unter meinen Büchern g e f u n d e n von welchen sie eines um darin zu lesen hatte nehmen wollen (so erzählte sie mir ihr ist aber ein grosses Vergnügen andrer Sachen zu durchstöbern) ohne zu wissen was es wäre hätte sie es aufgeschlagen, und gleich ihr Namen gelesen; einige Zeilen weiter, immer mehr dass meine Gesinnung gegen sie völlig ausdrückte, u[nd] so noch manches. Dabei sagte sie mir, ich wäre ein f a l s c h e r Mensch, hätte eine s c h w a r z e Seele, und hätte alles das aufgeschrieben um sie und ihr Mann einst bei Ihnen, mein Vater, zu v e r l e u g n e n ; mit meiner Freundlichkeit wisse ich die Menschen für mich einzunehmen, und ihnen Liebe abzugewinnen, um nachher mich über sie zu belustigen. – Was dieser Auftritt für Eindruck auf mich machte, können Sie sich vorstellen. Ich war wie versteinert, der Schmerz war zu gross, als dass ich ihn gleich hätte empfinden können. Am Anfang wollte er mich darnieder drücken; allein da ich keine Absicht dabei hatte, so minderte er sich bald wieder. Jezt da es zu kalter Ueberlegung geworden ist finde ich dass die ganze Geschichte zu gemein ist, und sie nebst dem ganzen Betragen der Frau von T[ransehe] in zu groben Ausdrücken begleitet war, um eine gebildete oder nur eine in der Welt etwas vorstellende Dame, darunter zu erkennen. Vater ganz fremd waren mir diese Zumuthungen! Ich habe mich noch gegen keinem Menschen von einer so schlechten Seite gezeigt! habe Freunde und Verwandte die mich lieben und kennen, mit denen ich von Kindheit auf gelebt habe, und die gewiss keine Spur von solchen Fehlern an mir entdeckt haben. Und Sie mein bester Vater, hätten Sie diesen Fehler nicht bald auch an mir entdecken müssen? hätte ich mich

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bei I h n e n denn so verstellen können? Hätte ich Ihre Gegenwart ertragen, an Ihrem Arm, Ihnen so frei und offen meine Meinung sagen können? Und wären Sie nun mein Trost in diesen traurigen Tagen gewesen?! Mein Vater weder Sie noch denen, den ich in Ihrem Hause meine Liebe schenkte w e r d e ich je hintergehen od[er] sie nur mit einem b ö s e n Gedanken betrüben! noch die Lieben die ich in meiner Vaterstadt zurück liess! niemand wird mich von dieser Seite je kennen lernen! Aber hier habe ich meinen guten Namen verloren! Durch wessen Schuld? Durch meine eigene – denn hätte ich nicht geschrieben, hätte ich in meiner Stimmung nichts aufs Papier gesezt, so wäre dies auch nicht begegnet. Fr[au] v[on] T[ransehe] hatte Ursache sich beleidigt zu fühlen, und konnte nicht wissen wie ich es meinte, und da sie ohnedem noch gegen mich eingenommen war, so verzeihe ich ihr von ganzen Herzen, und sehe sie, in diesem Stück für den beleidigten Theil an. – Aber warum sagte sie es mir nicht gleich? Warum liess sie mich ein halbes Jahr lang ihren Widerwillen fühlen ohne mir den Grund zu sagen? – Durch dies musste ich, wie ganz natürlich, bei Herrn von T[ransehe] verlieren (der sich aber in seinem Betragen gegen immer gleich freundschaftlich blieb) Einmal nur sagte er mir dass ich in ihrer Ehe so viel Uneinigkeit gestiftet hätte. Darauf reiste er weg, und wir nach. – – Endlich kam ein Brief von H[errn] Muralt, der sehr freundschaft[lich] ist, aber mir für mein Aufenthalt nichts bestimmte. Nun blieb mir keine Hoffnung mehr; denn die Zeiten verschlimmerten sich, der Feind kam näher, und niemand dachte daran eine fremde Person ins Haus zu nehmen. Nun schrieb ich an H[errn] v[on] T[ransehe], der sich in Dorpat beim Gericht aufhält, machte ihn mit meiner Lage bekannt, bat ihn aufs dringendste mir aus seinem Hause zu verhelfen um wider Frieden in dasselbe zu bringen, und seinen Kindern doch bald eine andre Person zu ihrer Aufsicht zu geben. (Von diesem sollte umständlicher schreiben; allein Zeit u[nd] Raum fehlen.) Ich verlangte nur einen Aufenthaltsort. Ich dachte dabei an meine Hände um mir etwas zu verdienen. Herr von T[ransehe] versprach mir sich Mühe zu geben; allein, wie er zurück kam, sagte er dass seine Mühe vergeblich gewesen wäre. Und Fr[au] v[on] T[ransehe] sagte dass sie gesonnen wären, in Zeit 14. Tagen nach Dorpat zu ziehen und die Kinder dort in die Schule zu geben. Nun war meine Noth aufs Höchste gestiegen. Nach 14 sollte ich das Haus verlassen, und wusste nicht wohin! Mit nach der Stadt ziehen konnte und wollte ich nicht! Nun in dieser Noth wagte ich das Letzte, und schrieb an des Pastors Frau, den ich vorhin erwähnt habe, mich

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wenigstens für einige Zeit zu sich zu nehmen: welches sie mit der grössten Bereitwilligkeit auch thaten. Wie glauben Sie, dass mir bis zur Antwort dieses Briefes zu Muthe war? Wohl war mir, mein Vater, denn ich wusste ja unter wessen Schutz ich bin; dass sich alles zu meinem Besten wenden werde. In diesem Glauben lebte ich nicht, wie viele Menschen in Versunkenheit; ich hielt mich am Gebet; diess liess mich nicht sinken; sondern stärkte mich u[nd] hielt mich aufrecht; ja ich fühlte eine innige Gemeinschaft mit Gott. Mein Gewissen war so ruhig, und achtete des Sturmes nicht der ihm drohete; denn dachte ich: Bist unschuldig so wird sich dein Leiden in Freuden verwandeln; bist du schlecht so bessere dich im Unglück. Gott ist gerecht, und du bist sein Kind. – Wie nun die Antwort auf meinen B[rief] kam. Ach da fühlte ich mich so gücklich, so leicht, und vor Gott gerechtfertigt; denn hätte er mich dies Glük geniessen lassen, dass ich nun froh geniesse, wenn ich dessen Unwerth wäre? Mein Leben bekam von diesem Augenblicke an, eine neue Wendung, eine neue Epoche fieng nun für mich an. Mein neues Leben, schien sich aufzuklären und zu stärken, wie die Morgenröthe unserer schönen Wintertage. Sie erscheint uns an dem fernen Horizont wie eine rothe Streife die sich allmählig erweitert, bis sie den ganzen Gesichtskreis mit ihrem Roth gefarbt hat. Nun, lieber Vater, sollen Sie auch von meinem gegenwärtigen Zustande etwas hören, und wissen wie glücklich Ihre Tochter ist. Die trüben Tage sind vorüber. Wir lassen sie ruhen und danken Gott dass sie gewesen sind. Auch Sie bitte ich, diesen B[rief] zu lesen wie eine alte Begebenheit, u[nd] dabei zu denken, dass sie mein zeitliches und ewiges Wohl ausmachen wird. Die Haushaltung in der ich jezt lebe, ist eine deren die Welt w e n i g e besitzt; sie ist in jeder Hinsicht e d e l ; sie ist Muster der Häuslichkeit. Die Mutter ist, in so fern sich das Ideal Ihrer Gertdrud, verwirklichen lässt, wie das vollkommene; der Mann ist ein Wahrheit liebender Pastor, u[nd] V a t e r seiner, bald 6, Kinder, wie seiner Bauern. Die beste Vorstellung von ihm, können Sie sich machen, wenn Sie ihn mit Herr Hening vergleichen. Die Kinder sind talentvolle, reine und unschuldige Geschöpfe, die mir als die dritte Person, nebst Vater und Mutter anvertraut sind, und zu deren Wohl wir gemeinschaftlich arbeiten. Das älteste dieser K[inder] ist ein Sohn von 7. Jahr dann eine Tochter von 6. J[a]hr[en], denen ich alle Tage 4. St[u]nd[en] Unterricht ertheile. Vater hier darf ich mit Freiheit nach Ihrer Methode d e n k e n und h a n d e l n ! Wir sind vereint Ihre Freunde. H[err] Pastor liebt Sie, wie Sie jeder

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w a h r e Mensch l i e b e n muss. Er hat Ihre Schriften gelesen, ihr Geist hat ihn begeistert. Er sagt: «Wäre ich ein freier Mensch, würden mich nicht Geschäfte etc. abhalten, ich würde ein Jahr nach Y[verdon] um mich mit allem recht bekannt zu machen.» Vater, er wünscht Ihnen einen langen und frohen Abend. Mit den Unterrichtsfächern wünscht er auch bekannt zu werden. Ich werde sie ihm mittheilen in deren Besiz ich bin; allein es sind deren Wenige. Lieber Vater jezt erneuere ich meine Bitte mir alle Schriften, und alle Unterrichtsmittel zuzustellen, mögen sie kosten was sie wollen. Schicken Sie sie mir, ich bedarf ihrer! Jedermann sieht mich für mehr wissender an als ich es bin. H[err] Pastor und seine Fr[au] selbst, glauben mir nicht wenn ich ihnen sage dass mein Wissen beschränkt ist; allein ich fühle es, und muss mir recht Mühe geben, um meinen Kindern die gehörige Erklärung zu geben. Besonders in der G e o g r a p h i e fühle ich Schwäche, ich habe nichts als H[errn] Hennings Elementar-Geographie, und dies ist doch nicht hinreichend. Die G e s c h i c h t e die in diesem Lande zur Bildung höchst nothwendig ist, ist mir ganz unbekannt. Schreiben Sie mir, od[er] wenn Sie selbst nicht können, so lassen Sie mir schreiben, wie ich mich in dieser Rücksicht zu verhalten habe. Ist etwas Geschriebenes über das Z i f e r r e c h n e n , so wie auch P o t a n i k so bitte es ja nicht zu vergessen. – Ich habe ein grosses Verlangen mich immer mehr zu b i l d e n und meinen Geist zu v e r v o l l k o m m n e n . Hier bin ich an einem Ort, wo mir dazu nichts mangelt. Unsere Unterhaltungen sind dem Gegenstand angemessen. Bin ich mit der Mutter allein, so sind die Kinder etc. unser Sujet: ist der Mann dabei so wird der Geist derselben mehr berücksichtigt. Oft ist die schöne Natur, od[er] die Schriften der deutschen Dichter der Gegenstand unserer Unterhaltung. Ganz befreit bin ich, Gott sey Dank, von dem Lobe dass der Eitelkeit so oft ertheilt wird, und der Zwang des bon ton, dem sich so viele Menschen unterwerfen k ö n n e n ! – Mit den Fortschritten in der f r a n z ö s i s c h e n Sprache geht es so zimmlich gut, und würde noch besser gehen wenn ich mir n o c h m e h r Zwang anthun würde, sie noch mehr zu s p r e c h e n . – Auch fehlen mir gehörige S p r a c h u n t e r r i c h t s m i t t e l , deren ich mir gerne anschaffen würde; wenn die Wahl derselben nicht so schwer zu treffen wäre. – Die M u s i k habe in S e l s a u ganz aufgegeben (aus mehreren Gründen) so wenig ich davon verstand, so that es mir doch leid, und jezt wird sie schwerlich wieder fortgesetzt werden können. Doch wird sie mir nicht ganz fremd; H[err] Pastor singt und spielt das Clavier sehr gut. Im Z e i c h n e n weiss ich selbst

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nicht wo ich stehe denn auch zum dem war mein Geist nicht frei genug; aber haben wir wieder etwas längere Tage, so werde dasselbst fort setzen; denn in 7. Stunden Tag lässt sich wenig anfangen. – – Von Selsau bin ich nur eine Meile entfernt, allein seit den 6. Wochen dass ich die Famille Transehe verlassen, habe noch niemanden von ihnen gesehen. An H[errn] v[on] Tr[ansehe] werde nach Dorpat schreiben, um ihm zu melden wie ich in meiner Umgebung lebe; er wollte, (weil wir nicht wussten wie ich hier leben würde), mir mein Gehalt fort bezahlen. Für dies ist aber hinreichend gesorgt, ich habe das erste halbe Jahr ohngefähr 5 Louis d’or mit den Zeiten wird sich auch dieser bessern. Dazu kommt noch von heute an ein Mädchen aus der Nachbarschaft, von dem ich Jährlich eben so viel annehmen soll; steigt der Wehrt der Bonconotten so steigt auch mein Gehalt. Wenn ich an die Einnahme denke, so erschrickt mich der Gedanke dass ich den Leuthen vielleicht mehr abnehme als ich verdiene, und fange denn wieder mit neuem Muth zu arbeiten an. Lieber Vater unterstützen Sie mich, dass ich nicht auf einmal stille stehen muss; dass ich mir Mühe geben werde können Sie versichert seyn. – Wie Manches hätte Ihnen noch zu sagen, allein soeben wird mir gesagt, dass Morgen Gelegenheit ist den B[rief] wegzuschicken. Er geht über Schweden Sie werden ihn durch H[errn] Muralt empfangen. Mir ist als müsste mich zum zweitenmal von Ihnen, lieber Vater trennen! und die gute M u t t e r ! Ach ihr Bild schwebt mir vor, ich sehe sie, neben mir, vor dem kleinen Tischchen! M u t t e r sehen auch noch zuweilen die Silouette der w e i t Entfernten an, die sich in Ihrer und in Vaters Gegenwart so glücklich fühlte? O, Mutter u[nd] Vater sie ist Ihrer nicht unwerth! oft würde sie das Schicksal anklagen und sich selbst beweinen, wenn nicht ein guter Gott es leitete! oft fühlt sie es im Glück so wie im Leiden was ihr mangelt, dass sie w e i t von den Ihrigen entfernt ist! Nicht wahr Vater und Mutter, ich darf der Hoffnung Raum geben, einst wieder in Eurer Mitte glücklich zu seyn? – Mutter ich weiss dass so liebevoll als sie gegen mich handelten, so handeln Sie nun auch gegen meine Geschwister. Sie sind gewiss viel bei Ihnen die Lieben! Verdienen sie Ihre Liebe? – O hoffentlich ihre Herzen sind nicht b ö s e !!! Lebt K a w e r a u noch in Ihrer Mitte? Auch ihn den Edlen kan ich unter die Meinigen zählen. Grüssen Sie mir die Lieben tausendmal! Meiner Schwester sagen Sie dass ich nach Sch[affhausen] bald schrieben werde, und für sie dann auch ein Briefchen beilegen werde. Von diesem B[rief] melden Sie dorthin was Sie für gut finden. – Wo ist denn auch die L i e b e , gute Pfenninger? Sollte sie in meiner Nähe

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seyn! und ich kann ihr nicht schreiben! habe keine Adresse und weiss seit einem Jahr nichts von ihr! Mutter auf Ihrem Zimmer grüssen Sie zuerst H[errn] Niederer und Krüsi. Warum schreibt mir auch letzterer kein Wort! Er hat es mir doch versprochen! Bald, bald hoffe ich wird uns der Pass offen seyn, dass wir uns ohne diesen grossen Umweg unsre Gedanken mittheilen können! Der Franzos weicht mit schnellen Schritten. M[ademois]elle Hotz, die l i e b e S[chweste]r Kuster und Fr[au] Krüsi grüssen Sie mir am Abend wenn sie alle beisammen sind. Und gehen Sie nach dem Töchtern Institut M[ademois]elle K[asthofer], M[ademois]elle Scherer dann die Liebe Segesser, Schnewelin, Pfiffer, Renate, Muralt, Marie W[agner], und a l l e a l l e besonder vielmal mein gutes Treni u[nd] Louise sagen Sie ihnen dass sie mir vereint ein kleines Briefchen schreiben, und mir von dem was mich am meisten intressire, melden sollten, Meine Gesinnung ist die gleiche. – Nun lege ich Ihnen noch einige ausgeschnitte Figuren bei die meine Kinder ganz ohne einige Anleitung ausgeschnitten haben. Sie werden Ihnen gefallen. So eben bringt mir auch Fr[au] Pastorin ein kleines Zettelchen von ihrem Mann dass ich beilegen soll. Nun liebster theurer Vater und Mutter u[nd] Alle Alle lebet wohl und behaltet im Andenken die A l t e J e z l e r sie ist sie noch und will sie bleiben Adieu Adieu Ihre Sie liebende Tochter. Add[resse] Bei H[errn] Pastor Müthel im Pastorat des Sesswegischen Kirchspiels, über Riga und Wenden.

Überlieferung 1 2 4 5

ZB Zürich, Ms Pestal 51/52, Umschlag 150/1 Bogen, 233 x 189 mm Dorsualvermerk Fr[au] Jetzler 1812, Siegelspuren, zweites Datum am Schluss Original Textkritik

Zeuge H Z. 5 Z. 7 Z. 9 Z. 13 f. Z. 31

Joh[ann] Heinrich Pestalozzi: lateinische Schrift Y v e r d o n : lateinische Schrift Novembris: lateinische Schrift sind vernahm ∫ Freundinnen, im

631 Z. 60 Z. 68 Z. 82 Z. 83 Z. 86 Z. 90 Z. 93 Z. 94 f. Z. 95 Z. 96 Z. 100 Z. 100 Z. 110 Z. 111 Z. 120 Z. 122 Z. 123 Z. 126 Z. 127 Z. 131 Z. 140 Z. 146 Z. 155 Z. 162 Z. 162 f. Z. 177 Z. 190 Z. 191 Z. 191 Z. 205 f. Z. 209 Z. 218 Z. 232 Z. 234 Z. 256 Z. 282 Z. 287 Z. 288 Z. 298 Z. 310 Z. 329 Z. 330 Z. 333 Z. 338 Z. 341 Z. 343 f.

mir sehr drückend den ∫ was ∫ Sie wissen es ∫ den hohen auf mich ∫ eigentlich: druchdrungen Gesinnung u[nd] ∫ die sie von ∫ hat ∫ wol ∫ aber ∫ ohne Unterstützung u[nd] der Lernen es ∫ in meiner Schule es gieng ∫ auf ∫ keinen drang ∫ meinem ∫ oft ∫ Sie gethan