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German Pages 263 [266] Year 2023
Matthias Heinz Silbentyp und Wortschatz im diachronen Sprachkontakt
Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie
Herausgegeben von Éva Buchi, Claudia Polzin-Haumann, Elton Prifti und Wolfgang Schweickard
Band 479
Matthias Heinz
Silbentyp und Wortschatz im diachronen Sprachkontakt Zentrum und Peripherie in phonotaktischen Systemen und im Lexikon romanischer Sprachen
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Forschungsgruppe Grammatik der romanischen Sprachen am Fachbereich Romanistik der Universität Salzburg.
ISBN 978-3-11-058544-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-064842-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-064857-7 ISSN 0084-5396 Library of Congress Control Number: 2023936611 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis Abkürzungen und Sonderzeichen Vorwort
IX
XI
Einleitung 1 1 Vorbemerkung 2 Gliederung 5
1
I Theoretische Grundlegung 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3
2 2.1 2.1.1
Einführung in die Thematik 9 Problemstellung 9 Methodisches 15 Typologie und Wandel: Phonotaktik, Lexikon und Artikulationsmuster 19 Gelehrte Entlehnungen und Probleme des Verhältnisses Phonie – Graphie 25 Multifokaler Ansatz: Phonie – diachrone Lexikologie – Typologie 30
Zum Status der Silbe im Sprachsystem 33 Struktureigenschaften von Silben 35 Definitionsversuche auf allgemein-linguistischer und phonetischer Basis 35 2.1.2 Phonologische Definitionen – Strukturmodelle – phonotaktische Beschränkungen 40 2.1.3 Markiertheit, Sonoritätsabfolge, Präferenzgesetze 47 2.2 Silben als materielle Seite von Sprachzeichen 54 2.2.1 Silben und die Beschreibungsebenen der Sprache 55 2.2.2 Ökonomie, Zeichenextension und nichtsilbische Zeichenträger 57 2.2.3 Von der Silbe zum Satz: Signifikantenhierarchien 61 2.2.3.1 Minimalsignifikanten 63 2.2.3.2 Exkurs: Maximalsignifikanten 68 2.3 Silbische Organisation der Sprache und Signifikantenzuordnung 70
VI
2.3.1 2.3.2 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.7 3.7.1 3.7.2
Inhaltsverzeichnis
Lento vs. Allegro – Vollformen und Reduktionsformen Silben als phonomorphologische Informationsmaxima?
71 73
Silbentypinventare 77 Theorie und Praxis der Silbentypologie 78 Kernsilbentypen (core syllable types) in der CV-Phonologie 79 Präferenzen für den Silbenbau 82 Parameter für maximale Silbengröße 85 Theoretische Ansätze zum silbentypologischen Wandel 88 Latein 93 Spanisch 97 Katalanisch 99 Portugiesisch 101 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung 109 Frequenzanalysen in spanischen Texten 110 Frequenzanalysen in katalanischen Texten 117 Vergleichswerte Portugiesisch 120 Überblick Französisch, Italienisch, Rumänisch 122 Grenzen und Möglichkeiten der frequentiellen Bestimmung von Silbentypdistributionen 127 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität 131 Tendenzen in den untersuchten Sprachen 131 Silbenkomplexität als typologische Variable 135
II Das Verhältnis von Zentrum und Peripherie in silbentypologischen Systemen der Romania 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1
Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie silbentypologischer Systeme 145 Zentrum und Peripherie im Sprachsystem: core grammar vs. periphery 146 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie 153 Universeller Kern 159 Einzelsprachlicher Kernbereich 160 Peripherie: Sprachkontakt und Entlehnung 160 Lehnwortphonologie 164 Lehnwortphonologische Prozesse und die Optimalitätstheorie (OT) 165
VII
Inhaltsverzeichnis
4.3.2
Zentrum-Peripherie-Konstellation und lehnwortphonologische Adaptation 170 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel 174 Traditionen des (Aus-)Sprechens 176 Zum Zusammenhang von Silbentypen und Rhythmustypologie 181
4.4 4.4.1 4.4.2
5 5.1 5.2 5.3 6 6.1 6.2
Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen 193 Gelehrte Entlehnungen und komplexe Silbentypen in romanischen Kultursprachen 194 Entlehnung und wortphonologische Struktur 203 Optimalität und romanische Silbentypsysteme 207 Diachrone Tendenzen der Silbentypologie in der Romania Trajektorien 221 Ausblick: phonotaktische Entwicklungspfade in der Iberoromania 225
Bibliographie Register
251
229
219
Abkürzungen und Sonderzeichen Notationskonventionen // []
‘ ... ’ → > < _ # /ka.sa/ C CC ... ... CC Ē/Ĕ G McL N PAUPERU(M)
V ω Φ σ µ
phonemische Transkription phonetische Transkription graphematische Notation Bedeutung eines Beispielworts ‘wird zu’ (in synchronen phonologischen Prozessen) ‘entwickelt sich zu’/‘nimmt die empfängersprachliche Form an’ ‘hat sich entwickelt aus’/‘geht zurück auf die gebersprachliche Form’ Platzhalter (in phonologischen Regeln) Wortgrenze Silbengrenze (Punkt) Konsonant komplexer Silbenanlaut komplexe Silbencoda lateinischer Langvokal (Makron)/lateinischer Kurzvokal (Breve) Gleitlaut Muta cum Liquida Nasalkonsonant lateinisches Etymon (in Kapitälchen) Vokal phonologisches Wort metrischer Fuß Silbe More
Sprachen, Varietäten, Dialekte altfr. altsp. BP dt. engl. EP fr. gr. it. kat. log. jap. lat. mex.
Altfranzösisch Altspanisch Brasilianisches Portugiesisch Deutsch Englisch Europäisches Portugiesisch Französisch Griechisch Italienisch Katalanisch Logudoresisch Japanisch Lateinisch mexikanische Varietät (Spanisch)
https://doi.org/10.1515/9783110648423-203
X
mfr. pen. pt. russ. rum. sp. tsch. vlat.
Abkürzungen und Sonderzeichen
Mittelfranzösisch peninsular (iberische Halbinsel) Portugiesisch Russisch Rumänisch Spanisch Tschechisch Vulgärlatein
Wortarten und grammatische Kategorien adj. adv. art. aux. def. f. indef. m. n. / subst. neutr. part. perf. pers. pl. präp. präs. pron. sg. v.
Adjektiv Adverb Artikel Auxiliar definit feminin (Genus) indefinit maskulin (Genus) Nomen / Substantiv Neutrum Partizip Perfekt Person Plural (Numerus) Präposition Präsens Pronomen Singular (Numerus) Verb
Vorwort Das vorliegende Werk ist die überarbeitete und aktualisierte Fassung meiner Habilitationsschrift, die 2011 von der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen angenommen wurde. In diesem Zusammenhang gebührt mein großer Dank zunächst deren Mentor und den Gutachtern, Johannes Kabatek, dem leider viel zu früh verstorbenen Peter Koch, Tilman Berger und Harro Stammerjohann. Ausgangspunkt der Studie sind die gegenläufigen Tendenzen von Vereinfachung vs. Persistenz, welche die Silbenstrukturen in vielen Sprachen der Romania kennzeichnen. Diese Dynamiken wirken in den einzelsprachlichen Systemen nicht gleichzeitig und ausnahmslos, sondern unterliegen einer weitgehend systematischen Zentrum-Peripherie-Verteilung. Einerseits scheint sich diachron eine ausgeprägte Tendenz zum Abbau silbischer Komplexität bemerkbar zu machen, doch führt diese andererseits nicht zum vollständigen Verschwinden komplexerer Silbentypen, die sich vielmehr in peripheren Bereichen des Systems, im (Lehn-) Wortschatz u. a. unter Einfluss der Graphie, erhalten oder durch Entlehnung (re-)importiert werden. In einigen Varietäten können zugleich phonologische Kerntendenzen wie die Tilgung unbetonter Vokale die Entstehung komplexer Strukturen begünstigen. Bei dem vorliegenden Band gilt mein besonderer Dank den Herausgebern und Herausgeberinnen für die Aufnahme in die Reihe der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, Christine Henschel und Ulrike Krauß für die kompetente verlegerische Betreuung ebenso wie für unschätzbare praktische Unterstützung in redaktionellen Fragen Eleonora Doria sowie Karoline Wurzer und Viktoria Katherl. Gewidmet sei er Viorel, Felix und Livia. Salzburg, im Herbst 2022
https://doi.org/10.1515/9783110648423-204
Einleitung [D]ie Aufgabe [der historischen Phonetik] besteht [darin], mit Hilfe phonetischer Kenntnisse den Weg nachzuzeichnen, von dessen Zurücklegung im Bewußtsein der Sprechenden keine Spur bleibt,der aber ganz bestimmt zurückgelegt worden ist. (Richter 1977 [11919], 369)
1 Vorbemerkung Die lautliche Charakteristik von Sprachen wird neben spezifischen segmentalen (Phonemrekurrenzen) und prosodischen (Intonation, Rhythmus) Frequenzverteilungen bzw. Strukturmustern maßgeblich durch deren Phonotaktik, d. h. Lautkombinatorik primär in Form silbischer Einheiten, bestimmt. Die hier fokussierten romanischen Sprachen haben sich auf der Grundlage des Lateinischen auch phonotaktisch ausdifferenziert, d. h. neben prosodischen, besonders intonatorischen Zügen sind die Regularitäten der Lautanordnung in einzelnen Sprachen prägend für deren lautlich-materielle «Physiognomie», deren gestalthaften Lauteindruck,1 kurz dafür, dass die jeweilige Sprache so klingt, wie sie klingt. Allgemein wie hinsichtlich der Romania stellt sich die Aufgabe, höhere phonotaktische Typologieprinzipien zu identifizieren – eine Typologie, die so viele einzelne Typen wie Sprachen aufweist, erscheint kontraintuitiv. Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, wie die in den romanischen Sprachen vorhandenen Silbensysteme mit der bemerkenswerten Persistenz und der Neuentstehung komplexer Silbentypen umgehen, obwohl bereits im Lateinischen ein klarer Trend zur Silbenvereinfachung und der Dominanz des kanonischen, universellen Silbenmusters CV auszumachen ist (s. u., 1.2.1; 3.2). Alle romanischen Sprachen verzeichnen in ihrer Geschichte eine mehr oder minder starke Wortschatzbeeinflussung durch gelehrte Entlehnungen lateinischen und griechischen Ursprungs. Vielfach bringen diese Elemente Silbentypen in die jeweilige Empfängersprache ein, die in ihrer Komplexität nicht den in erbwörtlichen Formen reflektierten phonotaktischsilbenphonologischen Gegebenheiten2 entsprechen. Bei den zulässigen Silbentypen zeigen die einzelsprachlichen Systeme unterschiedliche Anpassungsstrategien, teils erlauben sie auch komplexe Silben, die aus Schnellsprechrealisierungen entstehen. Die zentrale These dieser Arbeit ist, dass dabei jeweils analoge Mechanismen nach
Dabei mag man im Sinne Bühlers (cf. 1934, 271–290) auch an das «Klanggesicht» als «auditiven Gesamteindruck» (Krefeld 1999, 137) der einzelnen Wörter denken. Im Sinne einer unmarkierten Realisierung des historisch-einzelsprachlichen Systems. Zu Markiertheit vs. Unmarkiertheit allgemein und in Bezug auf Silbenstruktur s. u., 2.1.3. https://doi.org/10.1515/9783110648423-001
2
Einleitung
einem allgemeinen Ordnungsprinzip wirken, das hier als Zentrum-PeripherieKonstellation bezeichnet werden soll. Als phonotaktische und prosodische3 Grundeinheit ist die Silbe besonders aussagekräftig. Die vorliegende Untersuchung widmet sich einem der Sprecherintuition naheliegenden, der phonetisch-phonologischen Beschreibung aber nicht leicht zugänglichen Phänomen (noch die Regelbeschreibungen in Chomskys und Halles einflussreichem Sound pattern of English von 1968 versuchten ohne die phonologische Domäne der Silbe auszukommen, cf. 2.1) an der Schnittstelle zwischen segmentaler und suprasegmentaler Ebene. Die Silbe mag dabei nicht der einzige, alles erklärende Faktor sein, sie ist jedoch zweifellos die zentrale Domäne für das Wie der Lautgestalt von Sprachen,4 ohne den ein phonotaktisches Gesamtsystem, das alle mit der silbischen Organisation verbundenen Parameter umfasst, nicht rekonstruierbar ist. System wird hier in Anlehnung an Bußmann (42008, s.v. ‘Sprachsystem’) verstanden: Der Begriff (aus gr. σύστημα [sýstēma] ‘aus Teilen Zusammengestelltes’) bezeichnet im mathematisch-naturwissenschaftlichen Sinn eine Menge von Elementen und Relationen zwischen diesen Elementen; auf Sprache angewandt, meint man damit «die interne Ordnung sprachlicher Elemente (Phoneme, Morpheme, Sätze usw.) untereinander sowie ihren Funktionszusammenhang auf allen Beschreibungsebenen und in Relation zu sozialen, dialektalen u. a. Subsystemen»; im engeren Sinne wird System vielfach synonym zu de Saussures Begriff der Langue verwendet, der sich auf «Sprache als synchronisches, statisches System von Zeichen und die Regeln ihrer grammatischen Kombinierbarkeit» bezieht. Daraus wird im Folgenden besonders der Parameter der Silbenstruktur anhand einiger Silbentypsysteme der Romania betrachtet. Als solche werden hier die systematischen Ordnungen der in Einzelsprachen vorkommenden Inventare an Typen von Silbenstrukturen, d. h. pho-
Phonotaktik und Prosodie interagieren besonders in den in zahlreichen Sprachen zu findenden Sandhi-Phänomenen; z. B. im Italienischen in dem externen Sandhiphänomen des regelmäßigen, durch vorhergehenden akzentuierten Wortauslaut konditionierten raddoppiamento fonosintattico, Bsp. città bella [tʃitːabːɛlːa] (cf. zu diesem intensiv diskutierten Phänomen u. a. Absalom/Hajek/Stevens 2004; zur Diachronie Loporcaro 1997; Waltereit 2004). In historisch gewachsenen nicht-linguistischen Urteilen zur Lautgestalt von Sprachen mischen sich vielfach subjektiv-impressionistische mit nachweisbaren phonologischen und prosodischen Fakten; z. B. finden sich im Fall des besonders häufig stereotypisierten Italienischen einerseits allgemeine subjektive Charakterisierungen wie «harmonische, melodische Sprache», andererseits ist oft die Rede vom Vokalreichtum dieser Sprache, wofür sich prosodisch die ausgeprägte Abfolge von CV-Silben begünstigt durch vokalische Flexionsendungen anführen lässt. Dies gilt für die Zahl von Vokalvorkommen, d. h. die Tokenfrequenz, nicht dagegen für die im standarditalienischen System mit insgesamt sieben Vokalphonemen relativ niedrige Anzahl von Typen (für eine – teils impressionistische – Annäherung cf. Wandruszka 1990, 128–134; zur oft behaupteten besonderen Sangbarkeit des melodiösen Italienisch Stammerjohann 2012).
1 Vorbemerkung
3
notaktischen Grundeinheiten aus Segment-Kombinationen (meistens KonsonantVokal-Verbindungen), definiert. Dabei erweisen sich auch die oben bereits erwähnten komplexen, in manchen romanischen Sprachen systemfremd erscheinenden Silbentypen, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, als aussagekräftig über die phonotaktische Organisation einzelsprachlicher Systeme. Aus dem äußerst vielgestaltigen, ein immenses Spektrum von linguistischen Fragestellungen umfassenden Phänomenbereich Silbe wird in dieser Untersuchung somit besonders eine Eigenschaft, die Komplexität von Silbentypen, in den Vordergrund gestellt. Anhand dieser Eigenschaft können allgemeine Tendenzen in der Konfiguration einzelsprachlicher Subsysteme und deren Wandel gezeigt werden.5 Dieser Parameter wird fassbar einerseits im Lehnwortschatz von Sprachen, dessen besonderes Interesse darin liegt, dass bei der Anpassung von Lehnwortmaterial phonologische (und vielfach morphologische) Prozesse an Schnittstellen aktiv sind und so sprachliche Systeme in ihrem natürlichen6 Funktionieren zu beobachten sind. Der Bereich der Lehnwortphonologie (engl. loanword phonology), die Untersuchung von lautlichen Adaptationsmustern beim lexikalischen Transfer durch Sprachkontakt, erweist sich damit in den letzten Jahren als ein fruchtbares Forschungsfeld, nicht zuletzt im Zusammenhang mit relativ neuen Analyseansätzen wie der Optimalitätstheorie (OT). Einige Arbeiten (z. B. Uffmann 2007) verknüpfen diesen theoretischen Ansatz mit typologischen Überlegungen. Weiter sind als Quelle silbentypologischer Komplexität verdichtete Formen zu berücksichtigen, die sich in einigen romanischen Sprachen aus Vokalschwächungs- und Schwundprozessen besonders in Allegro- (Schnellsprech-) Stilen der mündlichen Realisierung ergeben (zur Begrifflichkeit cf. 1.1 und 2.3.1). Ausgehend von den günstigen Bedingungen eines romanistisch-typologischen Ansatzes7 mit seiner gesicherten Materialgrundlage, die in Generationen fortlaufender Forschung bis in eine Vielzahl von Detailaspekten gesichtet ist, soll hier eine typologische Einordnung der Romania und insbesondere der Iberoromania zum Parameter der Silbenkomplexität unternommen werden. Im Fall der romanischen Sprachgruppe liegt, beginnend mit den Verhältnissen des Lateinischen, Evidenz Dies gilt selbst bei bewusst gewählter methodischer Einengung auf eine linguistische Fragestellung, etwa die Typologie dieser Einheit in einer Einzelsprache. Ein Überblick dieser Art wie etwa Lehmann (2005) zur Silbe im Lateinischen aus typologischer Sicht macht deutlich, wie viele verschiedene Parameter für die Einordnung des Phänomens Silbe relevant sein können. Als natürlich ist dieses Funktionieren zu beschreiben im Sinne eines dabei in actu beobachtbaren, mitunter punktuell datierbaren Wirkens typologischer Parameter einzelsprachlicher Systeme beim Kontakt mit Material anderer Sprachen und dessen Integration; dennoch ist Entlehnung zweifellos als eine klare Ausprägung externer, kultureller Prozesse anzusehen, der jedoch Konsequenzen für das interne Funktionieren des jeweiligen Systems haben kann. Einen typologischen Überblick zur Beschreibung der romanischen Sprachen liefert z. B. Bossong (2008).
4
Einleitung
über lange Zeiträume der Sprachentwicklung vor, wie sie für keine andere Sprache oder Sprachfamilie in vergleichbar reicher Form verfügbar ist. Zugleich besitzt die Bezugseinheit Silbe den Vorzug, nach langer Vernachlässigung in den letzten Jahrzehnten zunehmende Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden zu haben, was die Literatur zwar praktisch unüberschaubar macht, dafür aber eine recht differenzierte Beschreibung der Verhältnisse in den einzelnen Sprachen bereitstellt, auf die die vorliegende Arbeit aufbauen kann, ohne alle Grundsatzfragen neu stellen zu müssen. Allerdings erfordert die Einheit Silbe einen Überblick zu den vielfältigen, komplexen Definitionsversuchen der Forschung (Kap. 2). Die daran anschließenden Überlegungen gewinnen ihre Relevanz gerade aus der relativ guten Forschungslage zur Silbenstruktur der romanischen Sprachen, die ein Ausgreifen in zweierlei Hinsicht erlaubt: einerseits einen genuin romanistischen, typologisch ausgerichteten komparativen Ansatz, andererseits die Frage der phonologischen Relevanz lexikalischer Entlehnungen für eine makroskopisch-diachrone Beschreibung der einzelnen Silbentypsysteme in einer Betrachtungsweise, die Zentrum und Peripherie gleichermaßen berücksichtigt. Methodisch ist die Arbeit damit im Spannungsfeld zwischen «internen» und «externen»8 Parametern angelegt, aus denen sich eine weite diachrone Sicht auf die jeweils spezifische Herausbildung der Systemorganisation ergibt. In ähnlicher Weise beschreibt Sampson (2010, 35) den Ansatz seiner breitangelegten Untersuchung zur diachronen Entwicklung der Vokalprosthese in den romanischen Sprachen, wobei er sich auch gegenüber hauptsächlich theoriegetriebenen Deutungsmustern von Sprachwandel positioniert: In the broad comparative-historical view being adopted here, the use of fine-grained theoretical interpretation of the sort undertaken in a synchronic study of a given linguistic variety, whether using OT or some other model becomes problematic. It has seemed appropriate therefore to offer a fairly «surface», phonetically grounded account of the history of vowel prosthesis in Romance. To this end, external (philological and sociopolitical) and internal linguistic data are used in conjunction in order to identify, sometimes very tentatively, the process of change that may have operated (Hervorhebung MH).
In der Präferenz für einen solchen oberflächenorientierten, sich auf phonetische Gegebenheiten gründenden Ansatz soll deutlich werden, dass es bei der Beschreibung systematisch vorkommender Muster, ob Formen der Vokalprosthese oder wie hier bestimmte Silbentypen, angebracht ist, die Wahrnehmung von Systemati-
Die letzliche Untrennbarkeit interner und externer Sichtweisen auf die Historizität des Phänomens Sprache betont Oesterreicher (2001 und 2007); cf. die Überlegungen von Blumenthal (2003, besonders 42–44 zur Nützlichkeit der Annahme eines möglichen tertium zwischen interner und externer Perspektive) sowie, bezugnehmend auf das schon in seiner frühen Entwicklung stark durch Sprachkontakt geprägte Galicische, Kabatek/Szij (2008, 1352–1353).
2 Gliederung
5
zität nicht auf Phänomene einzuengen, die a priori als phonologische Einheiten definiert werden. So sind Silbentypen wie etwa das CV-Schema zwar abstrakt phonologisch definiert, die segmental gefüllten Silbenmuster, auf denen die Definition eines solchen Silbentyps beruht, sind jedoch zunächst phonetische Phänomene (z. B. koartikulatorisch bedingte unterschiedliche Qualitäten des velaren Okklusivs [k] in fr. qui und cou), die daneben phonotaktischen Kombinationsbeschränkungen unterliegen. Alle diese Eigenschaften sind als systematisch geordnet anzusehen und können nicht umstandslos in eine Dichotomie phonetisch (d. h. materiell, tendenziell ungeordnet) vs. phonologisch (organisiert) einsortiert werden.9 Im Sinne einer Sampson (2010) folgenden Positionierung versteht sich die vorliegende Untersuchung nicht als vollständige Neubewertung vorherrschender theoretischer Betrachtungsweisen des Phänomens Silbe in den einzelnen romanischen Sprachen, sondern strebt die Erstellung einer bis dato nicht verfügbaren Synthese unter bislang zum Teil vernachlässigten komparativen und sprachhistorischen Aspekten an.
2 Gliederung Die Auswahl von sechs etablierten Standardsprachen der Romania, von denen die drei iberoromanischen, Spanisch, Katalanisch (mit dem Status einer Brückensprache zur Galloromania) und Portugiesisch, ausführlicher und drei weitere, Französisch, Italienisch, Rumänisch, im Überblick behandelt werden, erscheint auch durch die schwächere Präsenz der hier besonders interessierenden lexikalischen Kultismen in nichtstandardisierten und Substandardvarietäten gerechtfertigt. Eine eigene Untersuchung der teilweise oder überwiegend in Varietäten mit geringerem Standardisierungsgrad gebrauchten romanischen Sprachen (Okzitanisch, rätoromanische Varietäten, Galicisch, Sardisch)10 wie auch des reichen Spektrums romanischer Dialektvarietäten mag wichtige zusätzliche Aufschlüsse liefern und wäre für künftige Forschung zum Thema eine wünschenswerte Ergänzung. Angesichts des Umfangs des empirischen Feldes sowie des inzwischen monumentalen Umfangs romanistischer und allgemeinlinguistischer Forschungsliteratur war es allerdings
An manchen Stellen ist im Folgenden daher von Phonie, phonischer Ebene u. ä. die Rede, wenn eine Zuordnung bestimmter Phänomene zur phonetischen oder phonologischen Ebene nicht zweckmäßig oder gar zwingend erscheint. Die Existenz von zahlreichen Standardisierungsvorschlägen und die faktische Übernahme dieser Vorschläge in manchen Domänen wird hier nicht in Abrede gestellt, doch hat die feste Etablierung des jeweiligen Standards in der soziolinguistischen Realität dieser Sprachen zumeist erst begonnen; relativ weit fortgeschritten ist dabei das Galicische, für das Sardische sind nach wie vor nur erste Anfänge zu verzeichnen.
6
Einleitung
geboten, den Forschungsgegenstand für eine Studie monographischen Zuschnitts in geeigneter Weise einzugrenzen. Die Untersuchung gliedert sich in zwei größere Teile zur theoretischen Grundlegung (I: Kap. 1–3) und zum konkreten Verhältnis von Zentrum/Kern und Peripherie in romanischen Silbensystemen (II: Kap. 4–6). Das erste Kapitel führt in die Problemstellung ein. Als Bezugsgröße silbenphonologischer Adaptationsprozesse wird dann zunächst die Silbe als Struktureinheit sowie ihre Stellung im Zeichensystem Sprache (Kap. 2) behandelt. Grundlegende Silbenbaumuster und die resultierenden Silbentypinventare der untersuchten Sprachen, wie sie Kap. 3 darstellt, legen Fragen der typologischen Distribution komplexer Silbenstrukturen offen. Im Teil II der Arbeit wird daran anschließend das Konzept einer systematisch zentralen vs. peripheren Einordnung der Strukturen entwickelt (Kap. 4). Kapitel 5 liefert empirische Befunde zu Einzelaspekten lehnwortphonologisch bedingter silbischer Komplexität in romanischen Sprachsystemen. Eine abschließende Synthese (Kap. 6) trägt die in den einzelnen Silbentypsystemen ermittelten Tendenzen zusammen.
I Theoretische Grundlegung
1 Einführung in die Thematik 1.1 Problemstellung In der Typologie der silbenprosodischen Systeme der Romania und insbesondere der Iberoromania dominieren gegenüber den lateinischen Ausgangsstrukturen (s. u. Kap. 3.2 bis 3.6) vergleichsweise einfachere Silbentypen mit einfachem oder leerem Silbenanlaut und -auslaut, d. h. Muster wie V, CV, CVC.11 Zumal die Präferenz für offene, d. h. vokalisch auslautende Silben, besonders ausgeprägt im Französischen, Spanischen und Italienischen, ist oft und zweifellos zu Recht festgestellt worden (cf. u. a. Delattre/Olsen 1969; Malécot 1974; 2514–2517; Hess 1975, 272; Frank 1995, 11, 179; Schmid 1999, 159; Koch 22008, 43–44). Weniger Aufmerksamkeit galt und gilt hingegen den in den romanischen Sprachen in unterschiedlicher Verteilung vorkommenden komplexen12 Silbentypen. Deren Vorkommen erstreckt sich in Teilen der Romania einerseits auf bestimmte Einheiten und mitunter ganze Bereiche des Lexikons, andererseits resultieren komplexe Silben insbesondere aus gewissen Modalitäten der Sprachproduktion. Die Tendenz zum Abbau silbenstruktureller Komplexität ist jedoch in der diachronen Entwicklung dem periodischen Einfluss von strukturerhaltenden oder sogar strukturrestaurierenden Gegengewichten ausgesetzt. Solche Gegentendenzen der Erhaltung oder des Aufbaus silbischer Komplexität ergeben sich einerseits durch die Einführung entlehnter Elemente mit phonologisch-graphematischer Relevanz (in erster Linie Kultismen, d. h. gelehrte Entlehnungen griechischer oder lateinischer Herkunft, im Spanischen, gekennzeichnet durch als grupos cultos bezeichnete Konsonantengruppen), die die «phonographische Verfasstheit» (Erfurt 1991) und durch neue Aussprachegewohnheiten, Formen von Leseaussprache (spelling pronunciation, s. u. 1.2.2) etc. schließlich die phonotaktischen Inventare der Sprachen beeinflussen können. Andererseits spielen in einzelnen Sprachen
Wenn im Folgenden von Silben und Silbentypen die Rede ist, so werden die sprachsystematische Relevanz dieser Einheit sowie grundlegende Strukturprinzipien (wie die Existenz einfacher vs. komplexer Typen) a priori vorausgesetzt. Evidenz für eine silbische Ebene der sprachlichen Gliederung, deren Bedeutung für die Organisation sprachlicher Systeme sowie Einzelheiten der typologischen Ausgestaltung dieser Einheiten werden sukzessive in den Kapiteln 2, 3 und 4 diskutiert. Als silbenstrukturelle Komplexität wird hier in gängiger Weise (cf. etwa Maddieson 2013 und Easterday 2019) die Häufung konsonantischer Segmente in einer Silbeneinheit aufgefasst. Die in den Silbentypinventaren der jeweiligen Sprachen vorkommenden Muster können bildhaft verschiedenen Punkten auf einer Ideallinie absteigender Silbenkomplexität hin zu einem Endpunkt silbenstruktureller Optimierung CV zugeordnet werden (cf. hierzu 1.2.1, Kap. 3 und 6). https://doi.org/10.1515/9783110648423-002
10
1 Einführung in die Thematik
bzw. Varietäten in einem Realisierungskontinuum von kontrolliert artikulierten Lento- zu Schnellsprech- oder Allegro-Formen gerade am äußeren Pol verringerter artikulatorischer Kontrolle systeminterne phonologische Prozesse wie Zentralisierung und Schwund unbetonter Vokale eine Rolle bei der Entstehung silbischer Komplexität. Zum Kontinuum von Lento- und Allegrorealisierungen seien hier einige terminologische Erläuterungen angemerkt: Neben deren Unterscheidung in ihrer Relevanz für das Funktionieren phonologischer Regeln, die grundlegend Dressler (1975) behandelt, erwähnen Koch/Oesterreicher (22011 [11990], 129–133) «Lento»-, «Allegro»und «Prestoformen», letztere mit deutlicher lautlicher Schrumpfung des Zeichensignifikanten, in der gesprochenen Sprache. Kabatek (2003, 206–209) verortet anschaulich, u. a. anhand eines Beispiels aus dem andalusischen Spanisch, «reduzierte Formen» am nähesprachlichen und «Vollformen» am distanzsprachlichen Pol des Koch-Oesterreicherschen Nähe-Distanz-Kontinuums (cf. Koch/Oesterreicher 1985 und 22011 [11990]). Für das Spanische differenziert in phonologischer Perspektive bereits Harris (1969, 6–61) unterschiedliche Aussprachestile in LargoAndante-Allegretto-Presto mit zugehörigen Subgrammatiken aus. Die für diese Arbeit wesentliche Problematik des Realisierungskontinuums und seiner Verdichtungen wird in 2.3.1 und 3.7 anhand konkreter Beispiele aufgegriffen. Eine weitere terminologische Bemerkung ist zur Bezeichnung der Untergliederung von Lautketten in silbische Einheiten angebracht: Für die hier vielfach gebrauchte Bezeichnung Syllabierung finden sich auch die Termini Silbifizierung (seltener Syllabifizierung). Zur terminologischen Unterscheidung zwischen Syllabierung und Silbifizierung: beide Termini werden oft synonym im Sinne von ‘Gliederung (des Wortes, der Rede) in Silben’ gebraucht, es kann jedoch eine Differenzierung zwischen Syllabierung als oft graphisch gestützte ‘(Verfahren der) Silbentrennung’ (z. B. beim Erstspracherwerb, beim Schreibenlernen in der Schule, in der Orthographie etc.) und Silbifizierung ‘(theoriegeleitetes Verfahren der) Bestimmung von Silbengrenzen’ vorgenommen werden, wenn sich beide auch nicht immer sicher auseinanderhalten lassen. Mit einer solchen Differenzierung operieren z. B. Vogel (1993, 154) oder De Dominicis (2003, 102), die sillabazione und sillabificazione in den o. g. Bedeutungen voneinander abgrenzen. Die in diesen Fällen italienische Fachterminologie lässt sich leicht auf anderssprachige Terminologien übertragen. Z.B. bei Restle/Vennemann (2001) findet sich jedoch Syllabierung als Begriff, der die theoriegeleitete Operation der Silbengliederung meint. Wo eine weitergehende Unterscheidung nicht naheliegt, werden in dieser Arbeit beide Ausdrücke synonym gebraucht. Gegenstand dieser Untersuchung ist die Stellung derartiger Phänomene – lexikalisch, d. h. hier lehnwortphonologisch, sowie realisierungsbedingte Silbenkomplexität – in den phonotaktischen Teilsystemen der jeweiligen Sprachen. Als Beispiel denke man etwa an die relativ komplexen Silbenstrukturen,
1.1 Problemstellung
11
wie sie folgende in alle romanischen Standardsprachen entlehnten lexikalischen Einheiten aufweisen: (1a) lat. ABSTRACTIO > rum. abstracţie (auch abstracţiune), it. astrazione, fr. abstraction, kat. abstracció, sp. abstracción, pt. abstracção (graphische Variante im BP: ) (1b) lat. EXACTUS > rum. exact, it. esatto, fr. exact, kat. exacte, sp. exacto, pt. exacto (graphische Variante im BP: ) Die in lat. ABSTRACTIO (bzw. flektierten Formen wie ABSTRACTIONE(M), die in nachfolgenden Beispielen auch den Entlehnungen zugrundegelegt sind, da sonst Formvarianten wie abstracţiune schwerlich erklärbar sind) auftretenden Konsonantengruppen /bstr/ und /kt/ (+ Halbkonsonant /j/, der über die Palatalisierung des vorangehenden Dentals zur Bildung von Affrikaten führt) werden in den gesprochenen romanischen Sprachen zwar teilweise vereinfacht, dennoch erhält sich ein graphischer und phonischer Reflex dieser Konsonantenfolgen in komplexen Silbenstrukturen, etwa in der italienischen, französischen oder spanischen Form. Diese sind hier notiert mit phonetischer Transkription und Syllabierung; in der Notation von Silbentypen steht C für konsonantische, V für vokalische Bestandteile, G steht, wo eine weitere Präzisierung gegenüber C und V angestrebt wird, für Gleitlaute (Approximanten, d. h. Halbvokale oder -konsonanten, engl. glide). (2a) it. astrazione [a.strat.ˈtsjo.ne] (2b) fr. abstraction [ap.strak.ˈsjɔ̃] (2c) sp. abstracción sorgfältig artikuliert: [aβs.trak.ˈθjon] (2c’) sp. abstracción nachlässig artikuliert: [as.tra(ɣ).ˈθjon]14
V.CCCVC.CAFFRGV.CV VC.CCCVC.CGVNAS13 VCC.CCVC.CGVC VC.CCV(C).CGVC
Abweichend von dieser Syllabierung als dreifachkonsonantisches Maximalonset sind Sequenzierungen wie abs.tr- und ab.s.tr (wobei zur Wahrung der Sonoritätshierarchie, cf. 2.1, s als extrasilbisches Element gilt) zu finden; da Fr. aber Anlaute wie strict kennt, wird hier zunächst von einer Syllabierung ab.str- ausgegangen (theoretische und praktische Fragen der Syllabierung werden in Kap. 3.1 angesprochen). Eine übliche phonetische Realisierung ist [a(β)s.traɣ.ˈθjon] mit Sonorisierung und teilweise Schwund der Plosive im Silbenauslaut, wie z. B. bei Navarro Tomás (242004 [11918], 140) beschrieben.
12
1 Einführung in die Thematik
(2d) sp. exacto sorgfältig artikuliert: [ek.ˈsak.to/eɣ.ˈsak.to] (2d’) sp. exacto nachlässig artikuliert: [e.ˈsa.to]15
VC.CVC.CV V.CV.CV
Abgesehen von den spät bezeugten rumänischen Formen abstracţie/abstracţiune (1821) und exact (1830) sind die italienische, französische, spanische, katalanische und portugiesische Form zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert (cf. die Datierungen in Reinheimer Rîpeanu 2004, s.vv. «abstractio», «exactus») entlehnt, d. h. weitgehend vor der Verstetigung und Fixierung heutiger Schriftnormen. Die Eigenschaften entlehnter Elemente werden in Kapitel 5 ausführlicher diskutiert, als Grundlage für das Folgende seien hier einige Merkmale aufgezählt, anhand derer solche Formen als Bestandteile von Texten, Einzeläußerungen bzw. abstrakter: des Wortschatzes erkennbar sind. Latinismen (und einige Gräzismen) sind neben semantischen, morphologischen und bisweilen akzentuellen Besonderheiten häufig durch komplexe Konsonantennexus (in der spanischen Tradition grupos cultos genannt) und entsprechende Silbenstrukturen als Entlehnungen markiert. Im Vorgriff auf die Ausführungen zum Markiertheitsbegriff in 2.1.3 wird eine markierte sprachliche Form hier als merkmalhaltiger, gegenüber einer einfachen Form mit weiteren Kennzeichen ausgestattet verstanden. Vielfach weisen Lehnwörter gelehrter Herkunft graphische Besonderheiten wie archaische Schreibungen, Digraphen u. ä. auf; dabei sind besonders in den romanischen Sprachen verschiedene Strategien zu beobachten:16 – (Teil-)Integration → Semikultismen (Kontinuum von markierter, wenig integrierter bis unmarkierter, vollintegrierter Form, s. u., 5.1) – Übernahme der ausgangssprachlichen Strukturen → Kultismen (markiert) Dabei ist zunächst einfach die Präsenz solcher Strukturen in Texten zu konstatieren, aus der oft nicht sicher auf die tatsächlichen lautlichen Verhältnisse geschlossen werden kann. Dennoch verbleibt als erklärungsbedürftiges Faktum, dass diese Nexus – wenn auch mit intra- und intertextuellen Schwankungen in der Graphie – in großer Zahl und über lange Zeiträume vorkommen. Bei diesen schon lange in das jeweilige Lexikon inkorporierten Formen hat eine usure phonique (cf. Lüdtke 1986, 17), die diachrone «Abnutzung» der Lautsubstanz, kaum
Auch im Französischen kommen zwei hauptsächliche Aussprachevarianten vor: fr. exact [ɛgˈzakt], daneben [ɛgˈza]; letztere ist die ältere, immer seltener benutzte Variante, die Form mit komplexem Silbenauslaut ist mindestens seit dem 18. Jh. bezeugt und wird von der Académie ab 1798 empfohlen, cf. TLFi, s.v., wo ein historischer Überblick der Ausspracheentwicklung des Wortes gegeben wird. Zu verschiedenen Beschreibungsansätzen cf. 4.3 und 5.1.
1.1 Problemstellung
13
zu entscheidender Reduzierung der graphisch repräsentierten Konsonanten und der resultierenden Silbenstrukturen geführt, wofür zweifellos der Einfluss des Lateinischen und seiner traditionellen Schreibungen ein festigender bzw. restaurativer Faktor ist.17 Zwar kann die italienische Schreibung astrazione (als Ergebnis der Assimilationen /bs/ > /s/ und /kt/ > /t/) vereinfacht genannt werden, dennoch bleiben hier lautliche Merkmale wie das Cluster /str/ und die gelängte Affrikate /tts/, gefolgt vom Approximanten /j/, erhalten; den komplexen phonologischen Gegebenheiten der letztgenannten Form trägt das italienische Schriftbild nicht Rechnung. Es ist bei diesen Formen eine erhöhte Komplexität der Silbenstruktur festzustellen: Komplexe Silbenonsets mit mehrfachkonsonantischen Sequenzen (CCV, CCCV) in den romanischen Sprachen ergeben sich unter anderem aus Verbindungen von Anlautkonsonanz und semikonsonantischem Gleitlaut (fr. loi [lwa], it. buono [ˈbwɔ.no], sp. bueno [ˈbwe.no]), sekundär enstandenden Nexus (z. B. durch Synkope wie in BP para [prɐ]; cf. 3.5) und besonders aus den Muta cum Liquida (McL), die teils in erbwörtlichen Entwicklungen aus dem Lateinischen sowie häufig in gelehrten lateinischen und griechischen Entlehnungen vorkommen. Aus dem Griechischen stammen überdies Anlautverbindungen wie [ps] oder [pt] z. B. in fr. psychique, ptyalisme, it. psicologo, ptolemaico.18 Im Rumänischen, Italienischen, Französischen, und Portugiesischen (als phonetisches Phänomen in der europäischen Varietät) können bikonsonantische Gruppen kombiniert mit dem Spiranten /s/ dreifachkonsonantische Silbenanlaute bilden. Bei den McL (cf. Loporcaro 2005; 2011, 102–108; Ségéral/Scheer 2007; Scheer 2020, 175–176) handelt es sich um Konsonantengruppen aus stimmlosen und stimmhaften Obstruenten und Liquiden (Vibrant oder Lateral): [pr, br; tr, dr; kr, gr] und [pl, bl; kl, gl]. Komplexe Anlaute des Spanischen bestehen aus einem Obstruenten /p, t, k, b, d, g, f/ gefolgt von einem Liquid /l/ oder /ɾ/, wobei die Sequenzen /dl/ und je nach Varietät auch /tl/ ausgeschlossen sind (cf. Bradley 2006; Harris 1983, 13–14, 20–22, 31–35). U. a. wohl aus artikulationsökonomischen Gründen kommt die homorgane Verbindung [tl, dl] selten vor, cf. nur die Formen sp., fr. atlas, it. atlante etc., bei deren Syllabierung die heterosilbische Segmentierung at.las etc. vorherrscht. Nichtgelehrten Ursprungs sind Entlehnungen aus dem Nahuatl (sp. náhuatl) im Spanischen, welche die Verbindung [tl] enthalten, z. B. sp. tlacuache, tlapalería, tlaxcalteca etc. (cf. DRAE; zu silbenphonologischen Adaptationsprozessen, s. u., 5.2). Im Silbenaus-
Zu solchen Relatinisierungstendenzen, cf. 1.2.2. Formen wie sp. < psique >, < ptosis > weisen diese nur als graphischen Reflex der Etymologie auf, lautlich erfolgt regressive (hier totale) Assimilation zu [s-], [t-]. Die phonetischen Eigenschaften und Produktionsmechanismen von Konsonantenclustern beschreibt detailliert Recasens (2018).
14
1 Einführung in die Thematik
laut sind in der Romania unterschiedliche Komplexitätsgrade zu finden (cf. für die sechs hier untersuchten Sprachen Kap. 3.3 – 3.6). In der spanischen Grammatik hat sich für lexikalische Vorkommen solcher und anderer (homo- und teils heterosilbischer) Nexus die Bezeichnung grupos cultos herausgebildet. Dass es in der grammatikographischen Tradition des Spanischen hierfür einen eigenen Terminus gibt, spricht für eine Wahrnehmung bestimmter Konsonantenverbindungen als gewissermaßen systemfremd. Die silbenphonologischen Ergebnisse der Erhaltung solcher grupos cultos in gepflegten Aussprachstilen (für die Diachronie cf. Sampson 2010, 106) sind insbesondere gefüllte Silbenauslaute, wo sonst offene Silben dominieren, sie stehen genauer gesagt im Gegensatz zu einem Trend der spanischen Phonotaktik zur optimalen Silbe CV mit einfachkonsonantischem Silbenanlaut, den Frequenzuntersuchungen bestätigen (s. u., 3.6.1). Zur Optimalität und Universalität des CV-Silbentyps folgen Ausführungen im nächsten Abschnitt (v. a. 1.2.1). Charakteristisch sind diese Verbindungen auch für komplexe Silbentypen in anderen romanischen Sprachen, ihre Häufigkeit und Bedeutung für die lexikalisch-morphologische Füllung von Silben hat maßgeblich mit der Verbreitung von (oft) panromanischen gelehrten Entlehnungen zu tun. Während z. B. McL-Gruppen für die Entwicklung vom Latein zu den romanischen Sprachen (mit entsprechenden erbwörtlichen Resultaten im Lexikon) in der Forschung viel Beachtung gefunden haben, ist ihre Bedeutung in entlehntem Wortmaterial gelehrten Urprungs wenig thematisiert worden. Allgemein verdienen die in Wörterbüchern und historischen Grammatiken oft eher vernachlässigten Kultismen (und Semikultismen, cf. 1.2.2 und Kap. 6) auch in (silben)phonologischer Hinsicht eine genauere Betrachtung, da es in den romanischen Sprachen insbesondere solche morpho-lexikalischen Einheiten sind, deren Lautgestalt gegenüber einer ausgeprägten Tendenz zur Optimierung auf den CV-Silbentypus hin (und darüber hinaus z. B. in vielen Varietäten des Spanischen der allgemeinen Tendenz zur Schwächung von konsonantischen Segmenten) Haltepunkte in Form komplexer Silbenränder entgegensetzen. Die Entwicklungswege entlehnter Elemente wurden in der Forschungstradition mitunter als weniger interessant angesehen, da der Blick sich auf die Rekonstruktion vulgärlateinisch-protoromanischer Frühphasen konzentrierte. Hinzu kommt das in Sprachwandelsicht gewissermaßen katastrophische Auftreten derartiger Elemente in Entlehnungen, deren Erstvorkommen oft punktuell z. B. in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texten wie Übersetzungen identifiziert werden kann19 und insofern nicht mehr als Produkt einer
Cf. bereits die große Zahl lateinischer Entlehnungen, die allein auf die Aristoteles-Übertragungen von Nicole Oresme aufgrund mittellateinischer Quellen zurückgehen (s. u., Kap. 5.1).
1.2 Methodisches
15
Dynamik lautlichen Wandels gesehen wird – tatsächlich erweisen sich die Erstbelege oft nicht als Endpunkt der lautlichen und/oder graphischen Entwicklung, sondern unterscheiden sich noch von der modernen Form. Ein französisches Beispiel soll dies illustrieren: Vergleicht man das Verb démontrer und das Adjektiv démonstratif, so fällt auf, dass laut dem etymologisch-wortgeschichtlichen Apparat des TLFi letzteres auf 1370 zu datieren, démontrer dagegen erst im 16. (Petit Robert) oder 17. Jh. (1690 Furetière, TLFi) erstmals belegt ist. Vorher finden sich in Texten folgende Formen (cf. TLFi, s.v.): demonstrat (mit der näheren Angabe: 2. Hälfte 10. Jh. in der Vie de Saint Léger), demustrer (um 1175). In diesen Varianten mag ein Einfluss latinisierender Graphie vorliegen, doch der etwas spätere altfr. Beleg demustrer ist so weit von der jüngeren, im modernen Französisch etablierten Form démontrer entfernt, dass der Erhalt der etymologischen Konsonantengruppe [-str-] in der altfr. Lautung kaum auszuschließen ist. Die graphisch wie lautlich im Ergebnis reduzierte Silbenkomplexität in démontrer, analog dem im Mittelfr. einsetzenden Verstummen wort- und silbenauslautender Konsonanten, ist hier also erst ein junges Phänomen und zeigt wohl, dass die Form démontrer immer eher als halbgelehrte Bildung anzusehen war (cf. montrer, das zunächst in den Varianten mostrer und monstrer auftaucht). Die gelehrte Entlehnung demonstratif, bei Nicole Oresme 1370–1372 erstbelegt, übernimmt dagegen ganz die Silbenstruktur der lateinischen Ausgangsform (cf. 5.1). Neben kontaktinduzierter silbischer Komplexität im Lexikon zeigen andererseits einige der romanischen Sprachen die Entstehung von komplexen Silbenstrukturen aus artikulatorischen Tendenzen der mündlichen Realisierung, zu denen insbesondere Allegroformen gehören. Man denke etwa an fr. devoir in üblicher einsilbiger Realisierung [dvwaʁ] mit komplexer konsonantischer Anlautgruppe gegenüber der zweisilbigen Vollform [dəvwaʁ] (ausführlicher hierzu 2.3.1). Das Ergebnis der dabei entstehenden Strukturen – bzw. wenn sie habitualisiert vorkommen und Teil eines Inventars werden: Silbentypen – wird durch inhärente Tendenzen der jeweiligen einzelsprachlichen Systeme gesteuert, welche Grundlage für eine typologische Einordnung sein können. Auch diese zweite Quelle phonotaktisch-silbentypologischer Charakterisierung von Sprachen dient der Erschließung typologischer Parameter und gehört damit ebenfalls zum Gegenstandsbereich der Untersuchung (s. u., 1.2, 1.2.1 und 3.7).
1.2 Methodisches Zur Einführung seien hier nur einige methodische Aspekte der Untersuchung von phonotaktischen Systemen in romanischen Sprachen erwähnt, auf strukturelle Eigenschaften von Silben geht Kapitel 2.1 ein. Der Phänomenkomplex «Silbe» wird
16
1 Einführung in die Thematik
z. B. von Prince/Smolensky (22004 [1993], 103) als in seinen (vor allem typologischen) Grundlagen sehr gut erforscht und nur noch theoretischer Klärung bedürftig dargestellt: «The typology of syllable structure systems has been the object of a successful research effort over the last century and is fairly well understood empirically. Basic theoretical questions remain open or undecided, of course, despite (or because of) the body of modern work in the area». Ob das empirische Verständnis von Silbenstruktursystemen jedoch tatsächlich schon so weit fortgeschritten ist, erscheint zumindest fraglich, gerade wenn «basic theoretical questions» noch offen sind, deren Beantwortung Reflexe auf die Validität der empirischen Beschreibung haben dürfte. Während zwar in der Tat theoretische, strukturelle, qualitative und allgemein synchrone Aspekte der Silbenstruktur für eine Vielzahl von, nicht zuletzt romanischen, Sprachen, häufig Gegenstand der Forschung waren und sind, bleiben gegenüber den zweifellos gut erfassten Kerntendenzen in den jeweiligen Sprachen, die Ränder der Systeme zum Teil klärungsbedürftig. Darunter fallen die hier verfolgten Aspekte der Materialität und Typologie komplexer Silbenstrukturen, zumal in einer diachronischen Sichtweise,20 deren systematische Organisation gegenüber der Betrachtung der wenigen unstrittig dominanten Kerntypen von Silbenstruktur vielfach in den Hintergrund tritt. So wollen die vorliegenden Untersuchungen nicht apriorische universale Postulate an einzelsprachliche Strukturen anlegen (cf. 2.1), sondern vielmehr von einzelsprachlichen und (bezogen auf die romanischen Sprachen) vergleichenden Befunden zu Generalisierungen kommen – sie gehen also, wenn man so will, bottom up und nicht top down vor.21 Die Eingrenzung auf die sechs größten romanischen Standardsprachen erscheint nicht zuletzt durch die in Substandardvarietäten schwächere Präsenz der hier vorrangig betrachteten Kultismen gerechtfertigt (s. o., Einleitung). Vier Hauptmotivationen leiten die Untersuchung:
In manchen Bereichen der theoretischen Phonologie war lange eine gewisse ‘Diachronieblindheit’ festzustellen, für die sich jedoch teilweise ein Bewusstsein entwickelt (cf. mit Bezug zur Prosodie Reich 2005; zur Optimalitätstheorie s. u., 3.1.4 und 4.3.1). Die auf induktive vs. deduktive Methodik verweisenden Ausdrücke bottom up vs. top down kommen ursprünglich aus der Informatik und v. a. Computerlinguistik (Parsing) und bezeichnen datengeleitete gegenüber konzeptuell gesteuerten Analysen (cf. Bußmann 42008, s.v. ʻBottom-Up vs. TopDown’, ʻOberflächenstruktur’, ʻTiefenstruktur’). Zu dem Begriffspaar in einer kognitiv-linguistischen Sicht cf. auch Cornips/Corrigan (2005, 96, n.1): «The notions ʻtop-down’ and ʻbottom-up’ are borrowed from language processing models where the former refers to the type of processing which relies on prior knowledge to predict or enhance the perceived event or message. The latter, on the other hand, is used in connection with perceptual processing which extracts information directly from the sensory signal (for example, voice quality)». In einem weiteren, übertragenen Sinn wird das Begriffspaar schließlich u. a. in Bezug auf Entscheidungsprozesse verwendet.
1.2 Methodisches
–
–
– –
17
die mehr oder weniger große Toleranz von Sprachen für silbenstrukturelle Komplexität ist bislang nicht immer befriedigend typologisch erfasst, die Organisation von phonotaktischen Systemen über bloßes Erstellen von Silbentypinventaren hinaus wird oft eher für Systeme mit vorwiegend einfachen (wenig komplexen) Silbentypen bestimmt; der weit größere Merkmalkomplex Sprechrhythmus (s. u., Kap. 4.4.2) stellt zudem (noch) keine abschließende typologische Zuordnung gerade der romanischen Sprachen zur Verfügung, während der rhythmische Teilaspekt der Silbenkomplexität ein durchaus salientes Merkmal für die Wahrnehmung der lautlichen Charakteristik von Einzelsprachen darstellt; externe, kontaktbedingte und interne, durch bestimmte Realisierungsmuster beeinflusste Entwicklungen fließen dabei als Faktoren einer Typologie ein (s. u.; 1.2.1 und 3.7.2). die Etymologie und insbesondere die Lautentwicklung des gelehrten Lehnwortschatzes wird in historischen Grammatiken und Wörterbüchern weniger behandelt, weil sie für vermeintlich nicht erklärungsbedürftig gilt; die speziellen lautlichen Verhältnisse von halbgelehrten Entlehnungen (Semikultismen) sind oft ungeklärt; Sprachkontakt besonders in der Form lexikalischer Entlehnungen wurde bei phonologischer Betrachtung oft auf den segmentalen Aspekt verengt, Implikationen auf phonotaktischer, silbenphonologischer Ebene vielfach nicht beschrieben.22
Obwohl das Problem des Sprachkontakts auf phonologischer Ebene in der Forschung an sich viel Aufmerksamkeit gefunden hat,23 verbleiben Desiderate. Deren Einlösung steht jedoch die methodologische Schwierigkeit entgegen, die diversen Zwischenstufen in den Formen historisch zu dokumentieren. Elise Richter brachte das Problem der Rekonstruktion phonologischen Wandels in ihrer «Chronologische[n] Phonetik des Französischen bis zum Ende des 8. Jahrhunderts» auf den Punkt. Die historische Phonetik führt, so die Wiener Romanistin (Richter 1977 [11919], 369) anhand eines Beispiels aus der segmentalen Lautentwicklung des Französischen, «von einem gegebenen Ausgangspunkt zu einem gegebenen Endpunkt, z. B. [lat.] PRETIAT > [fr.] prise, wobei die Aufgabe darin besteht, mit Hilfe phonetischer Kenntnisse den Weg nachzu-
So etwa in dem verdienstvollen Werk zum Sprachkontakt von Sala (1998, 61–128; cf. auch die Rezension der Neuauflage von Schlösser 2002), das phonologische Auswirkungen von Sprachkontakt jedoch fast ausschließlich auf Segmentebene behandelt. Die Literatur hierzu ist umfangreich und wächst weiter, hier nur eine erste Auswahl: einen guten Überblick zur Kontaktlinguistik jeweils mit Berücksichtigung der Phonologie neben anderen Ebenen des Sprachsystems bieten das genannte Werk von Sala (1998, 61–128) sowie das mehrbändige Handbuch von Goebl et al. (1996–1997), Thomason (2001) und Riehl (32014).
18
1 Einführung in die Thematik
zeichnen, von dessen Zurücklegung im Bewußtsein der Sprechenden keine Spur bleibt, der aber ganz bestimmt zurückgelegt worden ist». Explizit auf die Silbe bezieht sich der Sprachhistoriker Diego Catalán, der die Notwendigkeit unterstreicht, den Wandel in der Silbenstruktur historischer Einzelsprachen, hier etwa des Spanischen, nachzuzeichnen: Pero, si la tendencia a estructurar fonológicamente una lengua según unos ciertos paradigmas silábicos (o aún de acuerdo con unidades de expresión superiores) requiere mucha mayor atención que la que tradicionalmente se le ha prestado en las fonologías diacrónicas, todavía me parece de mayor importancia el historiar las modificaciones sufridas, dentro de una lengua histórica, por su organización silábica (Catalán 1971, 77, Hervorhebungen MH).
Bei der diachronen Untersuchung von typischen Silbenstrukturen können insbesondere zwei Arten von Entwicklungen untersucht werden: Einerseits der Wandel in der Distribution und Frequenz von bereits vorhandenen Mustern – Silbentypen bzw. -prototypen – über die interne Entwicklung der Sprache hinweg. Frequenz, die Vorkommenshäufigkeit von Elementen, spielt für die Verbreitung sprachlicher Muster eine wichtige Rolle, auch dieser Begriff sei für diese Grundlegung kurz erläutert. Es ist dabei zunächst an das Zipfsche Gesetz zu erinnern: Dieses meint zum einen die Korrelation zwischen der Verwendungshäufigkeit von Wörtern in einzelnen Texten bzw. bei einzelnen Sprechern/Autoren und deren Rangplatz auf einer Liste genereller Auftretenshäufigkeit, eine universell unabhängig von Textsorte, Alter der Texte und Sprache gültige Formel (cf. Zipf 1949; Bußmann 42008, s.v.; Divjak 2019, 30–35). Der Zusammenhang resultiert u. a. aus dem ökonomischen Prinzip des geringsten Kraftaufwandes (engl. principle of least effort, fr. loi du moindre effort), dem alle menschliche Tätigkeit unterliegen soll. Zum anderen ist eine Korrelation zwischen der Länge eines Wortes und seiner Auftretenshäufigkeit festzustellen. Als die am häufigsten gebrauchten Wörter einer Sprache erweisen sich daher Einsilber (die angesichts der absoluten Häufigkeit dieses Typs sehr oft CV-Gestalt haben). Unterschiedliche Frequenzbegriffe in der Linguistik nennt aus einer methodischen Metaperspektive Loiseau (2010), der einleitend (21) die grundlegende Bedeutung der Wiederholung für Sprechen und Sprache unterstreicht: «Peu de cadres de travail donnent un statut important à cette propriété des faits de langue d’être répétés ou la considèrent comme une dimension centrale et constitutive des faits de langue. [...] ce qui caractérise particulièrement les faits de langue à tous les niveaux de description c’est qu’ils sont l’objet d’une intense répétition, aussi caractéristique et spécifique que leurs propriétés structurales». Loiseau (2010, 21) unterscheidet «fréquence empirique» von «fréquence théorique», und innerhalb ersterer die quantitativ fundierte «fréquence mesurée» von der auf Sprachwissen
1.2 Methodisches
19
beruhenden «fréquence intuitive».24 Divjak (2019, 15–70) zeichnet die wachsende Bedeutung von Frequenzuntersuchungen für neue (etwa konstruktionsgrammatische, gebrauchsbasierte) Ansätze der Linguistik nach. Die Erfassung dieses quantitativen Aspekts ist mit einer Reihe methodischer Schwierigkeiten verbunden, Ansätze zu seiner Erforschung auf der Grundlage von Textzeugnissen älterer Sprachstufen werden in Kapitel 3.6 vorgestellt. Andererseits erfordert die Untersuchung des Imports neuer Silbenbaumodelle sowohl quantitative als auch qualitative Sichtweisen. Hierbei bedingt Sprachkontakt die Übernahme zunächst unveränderter oder nur leicht adaptierter fremdsprachlicher Lexikoneinheiten mit vorher in der Empfängersprache nicht vorhandenen silbenphonologischen Mustern.25
1.2.1 Typologie und Wandel: Phonotaktik, Lexikon und Artikulationsmuster Neben anderen Klassifikationskriterien können Sprachen nach phonologischen Kriterien typologisch eingeordnet werden.26 Zur grundsätzlichen Möglichkeit der Erstellung phonologischer Typologien auf prosodischer Grundlage ist Auer (2001, 1391) beizupflichten, der mit Blick auf die einschlägige Literatur feststellt: Von ihrer Art her stehen prosodisch basierte Systeme für phonologische Typologien inventarbezogenen gegenüber; Vertreter prosodisch basierter Systeme machen geltend, dass sich inventarbezogene phonologische Typologien nur relativ schlecht mit anderen phonologischen oder gar grammatischen Eigenschaften der klassifizierten Sprachen korrelieren lassen, insbesondere mit phonologischen Prozessen.
Eine prosodische Typologie der romanischen Sprachen, vergleichbar, aber mit weiterer Perspektive als der gesamtromanische Ansatz von Hess (1975), der letztlich weitgehend auf Phoneminventare beschränkt bleibt, verspricht interessante Aufschlüsse. Unter dem weiten Rubrum des «Prosodischen» können dabei akzentund dauerbasierte, intonatorische wie auch im engeren Sinne silbenphonologische Kriterien oder deren Kombination als typologische Parameter angesetzt werden.
Der Autor weist zu Recht darauf hin, dass es Frequenzuntersuchungen in der Linguistik bereits lange vor der Verfügbarkeit der Rechenleistung von Computern gab. So stellt etwa bereits Mańczak (1969) die Rolle der Frequenz für phonetische Entwicklungen in den romanischen Sprachen in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen und geht dabei z. B. unregelmäßigen Formen nach, die aktuelle Anätze der theoretischen Linguistik in Begriffen wie frequency und entrenchment zu fassen suchen (cf. z. B. Bybee 2001; 2006; Divjak 2019, 131–142; s. u. 4.1). Cf. die in 5.1 und 5.2 besprochenen Fälle. Exemplarisch für das Französische ist der Überblick in Koch (22008, 40–46).
20
1 Einführung in die Thematik
Mit der Komplexität der einzelsprachlichen Silbentypsysteme steht, wie vorher erwähnt, ein solcher Parameter im Mittelpunkt dieser Arbeit. Die Typen werden als grundlegende Muster der Kombination von konsonantischen und vokalischen Elementen (CV-Strukturen), die im Sinne von Maddieson 2013 von Detaileigenschaften der segmentalen Distribution zunächst abstrahieren, in Inventaren mit frequentieller Gewichtung erfasst (Kap. 3) und in ein Modell systematischer Organisation eingeordnet (Kap. 4). Allgemeine typologische Intuitionen dienen dabei als Ausgangspunkt. Auf der Ebene segmentaler Realisierungen sind zunächst romanische Varietäten mit zwei gegenläufigen phonologischen Tendenzen festzustellen: Schwächung von Vokalen (über ungespannte, teils zentralisierte Varianten) bis hin zur Tilgung vs. Schwächung von Konsonanten (insbesondere Sonorisierung intervokalischer Verschlusslaute), ebenfalls mit dem möglichen Endpunkt der Segmenttilgung. Diese haben Konsequenzen für die Inventare zulässiger Silbenstrukturen. Deutlich werden die unterschiedlichen Ausprägungen der jeweiligen Segmentvereinfachungstendenz in phonotaktisch stark divergierenden Varietäten wie europäischem (EP) vs. brasilianischem Portugiesisch (BP), Hochland- vs. Tieflandspanisch (cf. Kap. 3) oder z. B. Standardfranzösisch vs. français du Midi. Eine diachronische Entwicklungslinie führt vom Lateinischen her zur Dominanz des Silbenbautyps CV, der wegen seiner strukturell optimalen Einfachheit auch in vielen anderen Sprachen das kanonische, unmarkierte Silbenbauschema (zu Markiertheit und Silbenbaupräferenzen s. u., 2.1.3) darstellt und Züge eines Universale auweist («universal syllable type», Maddieson 2013; cf. auch Trask 1996, s.v. ‘syllable’). Dieser Typ kann gewissermaßen als Fluchtpunkt der silbischen Komplexitätsreduktion angesehen werden, er ist optimal im Sinne der Herstellung von zyklischen Segmentkontrasten zwischen artikulatorischer Schließung (Konsonanten) und Öffnung (Vokalen) in der Rede, idealiter mit Silbenfolgen CVCVCV usw. In diatopisch markierten und Allegro-Formen z. B. des Spanischen sind allerdings noch weitere Reduktionen möglich, die sich auf die Silbenstruktur auswirken können, wie can.ta.do → can.tao mit sekundärem Diphthong [-ao̯]. Ähnlich gelagert ist das postvokalische Lenisierungsphänomen der gorgia im Toskanischen; die intervokalischen Okklusive [p, t, k] weisen dabei ein Realisierungskontinuum von Frikativen ([ɸ, θ, x, χ, h]) bis zum Glottisverschlußlaut [Ɂ] und Schwund (-ø-) auf. Auch skandinavische (cf. das Phänomen des dänischen stød) oder westgermanische Sprachen wie die südöstlichen Varietäten des Englischen (die als sog. Estuary English möglicherweise zunehmend die Standardaussprache beeinflussen) kennen die tendenzielle Auflösung von CV.CV-Strukturen zu CV.V- Strukturen (jedoch aufgrund des glottalen Silbengrenzsignals in der Regel nicht CVV) aufgrund der Glottalisierung mit Schwund
1.2 Methodisches
21
der intervokalischen Verschlußlaute [p, t, k] (water Standard British English [ˈwɒtə] vs. Southeastern/Cockney [ˈwɒɁə]).27 Das Vorkommen des Silbentyps CV in allen Sprachen der Welt («the only syllable type which seems to occur in all languages», d. h. dieser ist eine «universal syllable structure», Trask 1996, s.v.) und die Tendenz vieler Sprachen zu einer Optimierung ihrer silbischen Gliederung auf CVCV-Folgen hin ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dessen (Quasi-)Exklusivität (neben V-Silben) in den Typinventaren der meisten Sprachen der Welt. Augenfällig ist eine starke phonotaktische Präferenz für den CV-Typ in Sprachen wie dem Japanischen, das diese Präferenz sehr weitgehend durch Epentheseprozesse selbst bei der Lehnwortübernahme aufrechterhält (cf. engl. strike → jap. sutoraiku, Uffmann 2007, 1), doch auch hier kommen neben der CV-Struktur noch andere Strukturen wie z. B. CVC vor. In Maddiesons (2013) Dreiteilung von 485 Sprachen in solche mit «einfacher», «mäßig komplexer» und «komplexer»28 Silbenstruktur gehören lediglich 61 (12,5% der Stichprobe) zu den Sprachen, die nur einfache Silbentypen des Musters (C)V zulassen, die Mehrheit (274, 56,5%) gilt als «moderately complex» in ihrer Silbenstruktur und erlaubt Typen der Form (C)CV(C), ca. 31% weisen komplexere Silbentypinventare mit noch mehr möglichen Segmenten in Anlaut und/oder Coda auf. Wie die Inventare im Zusammenhang mit Frequenzangaben in Kap. 3 zeigen werden, ist der CV-Typ gerade in der Romania von höchster Bedeutung, zugleich sind jedoch (mitunter deutlich) komplexere29 Strukturmuster zu berücksichtigen (cf. Beispiele in 2.1.3). Als Effekte phonologischen Wandels sind nämlich entgegen der CV-Optimierungstendenz durchaus auch Fälle der Komplexitätszunahme zu beobachten, was eine Zyklizität des Auf- und Abbaus von Komplexität (z. B. die Entstehung komplexer Konsonantengruppen durch vulgärlateinische Synkopierungen, s. u., 3.2) in manchen Sprachsystemen nahelegt, analog zum Wirken gegenläufiger Sprachwandeltendenzen in anderen Systembereichen.
Allerdings könnte man hier dem Glottisverschlußlaut neben seiner Funktion als Silbengrenzsignal auch einen primär phonematischen Charakter als konsonantisches Segment zuschreiben, was auf die Annahme einer CV.CV-Struktur hinausliefe. Easterday (2019, 38) erweitert dies um die Kategorie «highly complex», welche die Kategorie der «komplexen» Silbenstruktur weiter ausdifferenziert. Für die grundlegende Einordnung der Phonotaktik in den hier betrachteten romanischen Sprachen ist Maddiesons Unterteilung hinreichend. Relativ zur Einfachheit des silbischen Grundschemas CV (sowie, im Fall eines leeren Silbenanlauts, V) dürfen alle über diesen Aufbau hinausgehenden Silbentypen als komplex gelten, auch wenn Silben mit gefülltem Silbenauslaut (zu den Konstituenten von Silben s. u., 2.1) des Typs CVC und VC vielfach noch zu den Basistypen (cf. 3.1.1) gezählt werden. Erhöhte silbische Komplexität liegt nach dieser Definition vor, wenn der An- oder Auslaut mehr als ein konsonantisches Segment enthält.
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1 Einführung in die Thematik
Einen Widerstreit zwischen «Deutlichkeit» und «Bequemlichkeit» im Sprachwandel veranschaulicht bereits von der Gabelentz (1972 [1901], 181–185; zur Theorie des Sprachwandels Keller 32003). Lüdtke (1980) entwirft eine Zyklizität des Wandels im Sinne des Kreislaufs von «Schrumpfung – Anreicherung – Verschmelzung – Schrumpfung...» sprachlicher Formen (zu gegenläufigen Kräften cf. auch die Überlegungen von Harnisch 2004), genauer unterscheidet er in einer mehr funktional als deskriptiv ausgerichteten Aufzählung folgende Prozesse sprachlichen Wandels: usure phonique, amplification sémantactique, fusion (ou amalgame) (diese drei als zyklische Bewegung zu verstehen), structuration, grammaticalisation. Darauf bezugnehmend fasst Meisenburg (1996a, 4) in ihrer Untersuchung zur Entstehung romanischer Schriftsysteme drei grundlegende Tendenzen diachronen Wandels zusammen, die auch für die vorliegende Arbeit relevant sind: – Vereinfachungs-Tendenz: Abbau struktureller Komplexität – Ausgestaltungs-Tendenz: Komplexitätszunahme bestehender Strukturen – Generalisierungs-Tendenz: D. h. «Ergebnisse der beiden ersten Tendenzen [erfahren] eine mehr oder weniger starke Ausdehnung auch auf andere Bereiche des Sprachsystems» Ein weiterer Fall ist anzufügen: Denkbar ist noch das – freilich seltenere – formale Gleichbleiben des strukturellen Rahmens, wenn in einem sprachlichen Teilsystem etwa ein regelmäßiges Paradigma allmählich oder sprunghaft durch ein anderes regelmäßiges Paradigma ersetzt wird (meistens sind dabei Phasen des Synkretismus von Formen zu erwarten). Vor allem die ersten beiden in der Aufzählung genannten Tendenzen, Vereinfachung und Ausgestaltung, lassen sich in den Silbensystemen romanischer Sprachen beobachten (zur Dynamik des Aufbaus bzw. der Reduktion silbenstruktureller Komplexität s. u., Kap. 3.7.2 und 6). Im Vorgriff auf die folgenden Kapitel seien hier silbentypologische Grundtendenzen für die hauptsächlich untersuchten Sprachen Spanisch, Katalanisch, Portugiesisch zusammengefasst, die durch das Folgende (vor allem Kap. 3 und 4) qualifiziert und differenziert werden. Unter den iberoromanischen Sprachen läßt sich für das Spanische besonders klar eine Art Ideallinie präferierter Silbenstrukturen von komplexen zu einfachen Typen postulieren, die hier Trajektorie genannt werden soll (s. u., 3.1.4 und 6). Unterschiedliche Ausprägungen solcher Trajektorien der silbentypologischen Entwicklung finden wir innerhalb der historischen Einzelsprache Spanisch in der Distribution phonologischer Muster im lateinamerikanischen Spanisch. Die bekannte Unterscheidung von Hochlandgebieten, tierras altas (bzw. nach Menéndez Pidal 1962: tierras interiores / de la
1.2 Methodisches
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corte) und Tiefland- bzw. Küstengebieten, tierras bajas30 (bzw. nach Menéndez Pidal 1962: tierras marítimas oder de la flota mit andalusischem Einfluss)31 veranschaulicht das: – tierras altas / Hochland: tendenziell instabiler Vokalismus (Schwächung, teils Elision unbetonter Vokale, cf. Lope Blanch 1963/1964 u. a.; s. u., 3.7.2), tendenziell stabiler Konsonantismus – tierras bajas / Tiefland: tendenziell stabiler Vokalismus, instabiler Konsonantismus (Schwächung/Aspiration, teils Elision, besonders /s/ vor Konsonant und im Silbenauslaut) Daraus resultiert eine differenzierte Verteilung der vorkommenden Silbenstrukturen; in den tierras altas folgt aus dem instabilen Vokalismus mit Schwächung bis hin zum Ausfall von Vokalen eine Tendenz zu geschlossenen Silben, während in den tierras bajas die Instabilität des Konsonantismus (Schwächung, teilweise Ausfall) offene Silben begünstigt (hierzu ausführlicher 3.7.2 und 4.2.3). Ähnliche Züge weisen südliche Varietäten des peninsularen Spanisch (Andalusisch, Extremeño, Murcianisch) auf. Kastilisch (insbesondere in seinen südlichen Varietäten) mit seiner CV-Präferenz scheint insofern ein Extrempol eines silbentypologischen Kontinuums zu sein. In der übrigen Iberoromania stellen sich die Verhältnisse komplizierter dar. Im Katalanischen ist eine Präferenz für offene Silben der Typen CV und V zwar ausgeprägt; auch sind Fälle phonotaktisch bedingter Segmentreduktion zu finden: aque[t] noi neben aque[st] ome, jedoch weist das System insgesamt eine deutlich
Auf den gesamten hispanophonen Raums bezogen wird auch von einer allgemeineren Unterscheidung zwischen einem español continental und einem español atlántico ausgegangen (cf. Catalán 1958). Zur Entstehung dieser ursprünglich von Henríquez Ureña (1921) erwähnten Unterteilung (der allerdings zunächst von fünf dialektalen Hauptzonen des amerikanischen Spanisch ausgeht) cf. den Überblick bei Sosa (2000, 487–491); zwar gehen die Termini tierras altas und tierras bajas auf Henríquez Ureña zurück, doch skizziert vorher schon Wagner (1920) die sprachliche Unterscheidung zwischen Küstengegenden und Inseln sowie binnenländischen Gebieten, cf. Noll (42019, 66 und zur diatopischen Gliederung 64–74). Zur Präzisierung der, gleichwohl langlebigen, Terminologie bemerkt kritisch Ménendez Pidal (1962, 142–43): «[L]a tradicional denominación de «tierras altas» y «tierras bajas», usada en la dialectología hispanoamericana, debe rechazarse como engañosa y [...] en su lugar debe decirse tierras marítimas o «de la flota» y tierras interiores, destacando la situación favorable de las tierras que están en contacto regular con la flota de Indias que zarpaba dos veces al año. Esa flota se carenaba, se equipaba, se cargaba y se despachaba en Sevilla y en San Lúcar; su alistamiento obligaba a todo viajero indiano a permanecer en Andalucía una temporada [...]. Pues estas numerosas naves de cada flota iban anualmente cargadas de andalucismo y lo repartían por las costas de América donde aportaban [...]» (Hervorhebung MH).
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höhere Toleranz für komplexe Silben auf (cf. Badia i Cardús 2002, 126–131), etwa in: (3a) kat. di.marts (CV.CVCCC) (3b) kat. troncs (CCVCCC) Neben dem Katalanischen stellt das moderne europäische Portugiesisch (EP) aufgrund seiner starken Tendenz zur Schwächung (Zentralisierung und Elision) von Vokalen den anderen Extrempol dar (häufiges Vorkommen konsonantenreicher Silbenrandcluster).32 Brasilianisches Portugiesisch (BP) tendiert dagegen silbenphonologisch teilweise eher in Richtung Kastilisch, mit Vokalepenthesen wie in (cf. Kiss 1971, 100): (4)
BP absoluto [abisoˈlutu] (CV.CV.CV.CV).
Allerdings sind auch hier Silbenreduktionen mit der Folge komplexerer Anlautränder möglich, wie im folgenden Beispiel: (5)
BP pa.ra (CV.CV.)
→ pra (CCV)33
In diachroner Sicht zeigt aber auch das Portugiesische zunächst eine Neigung zum Abbau komplexer Silbenränder bzw. zu deren Sonoritätsoptimierung: (6a) lat. PLUMBU(M) (CCVC.CV) (6b) lat. ADMORDIU(M) (VC.CVC.CVV)
> pt. chumbo (CVC.CV > pt. almoço (VC.CV.CV)
Für eine im Spanischen wirksame historische Entwicklungstendenz zur Zunahme des Silbentyps CV spricht textuelle Evidenz (Frequenzanalyse der Silbentypen in Texten verschiedener Epochen, cf. 3.6.1). Andererseits fungieren Entlehnungen vielfach als Träger komplexer Silbenstrukturen – d. h. als Bewahrer von bereits abgebauten Strukturen des Lateinischen, teils auch als Innovatoren, die systemfremde
Das hier nicht betrachtete Galicisch bedürfte zu seiner Verortung näherer Analyse. Es wäre denkbar, ihm gegenüber dem (Standard-)Portugiesischen und peninsularen (Standard-)Spanischen eine Zwischenposition zuzuweisen, da sein Vokalismus eher stabil (keine Zentralisierung) ist, andererseits gewisse Phänomene der Schwächung von Konsonanten vorhanden sind (cf. die sog. gheada, die Aspiration anlautender Velarkonsonanten, der auch aus anderen iberoromanischen Arealen bekannte seseo und die Aspiration/Wegfall von auslautendem -s). Jedoch ist zu beachten, dass der Vibrant /r/ viele Eigenschaften mit silbenbildenden Konsonanten teilt.
1.2 Methodisches
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Elemente integrieren (neben gelehrten Formen z. B. die spanischen NahuatlLehnwörter mit dem Nexus tl im Wortanlaut und -inlaut wie tlapalería, cacastle, im Auslaut fast nur in Namen wie Popocatépetl, s. u. 5.2)34 –, die sich im silbenphonologischen System bis heute finden und der Tendenz zum Abbau komplexer Strukturen somit gewisse «Halte-» bzw., im Sinne einer Zyklizität von Sprachwandeltendenzen, «Rückkehrpunkte» entgegensetzen.
1.2.2 Gelehrte Entlehnungen und Probleme des Verhältnisses Phonie – Graphie Die entlehnten Elemente stehen zumeist im Zusammenhang mit Relatinisierungstendenzen, wie sie die Geschichte der romanischen Sprachen phasenweise kennzeichnen (cf. z. B. Raible 1996). Gerade in der Sprachkontaktforschung sind die sogenannten grupos cultos vielfach eher als lexikalisches, orthographisches35 oder segmental-phonologisches Problem36 und weniger im Zusammenhang mit den Konsequenzen dieser Konsonantennexus für die Silbenstruktur gesehen worden. In seinem Überblick zum Sprachkontakt Latein-Iberoromania schreibt Bustos Tovar hinsichtlich des Altkastilischen: La aportación del mester de clerecía fue esencial para la transformación del romance en lengua de cultura. Berceo es el más grande introductor de cultismos en la lengua española. Su obra, junto con el Libro de Apolonio y el Libro de Alexandre, culmina un proceso de acercamiento del latín al romance que no se había conocido antes. El vocabulario de estos textos refleja una abrumadora mayoría de neologismos de origen latino (2006, 1593).
Der frühe Einfluss entlehnter Elemente auf die noch in Formationsprozessen begriffene mittelalterliche Sprache, der umfassende, neuartige «proceso de acercamiento del latín al romance», von dem Bustos (2006, 1593) spricht, hat Konsequenzen auch auf phonischer Ebene. Gegen diese Annahme könnte man zunächst einwenden, dass die cultismos nur die graphische Ebene beeinflussen, ihr Einfluss auf
Zur Syllabierung des Nexus /tl/ cf. Harris (1969, 59n). Orientierend zum Komplex Schriftlichkeit-Mündlichkeit die Beiträge von Raible (1994), Ehlich (1994), Harris (1994), Schlieben-Lange (1994) in dem umfassenden Handbuch von Günther/Ludwig (1994; 1996), zudem Koch/Oesterreicher (1985; 2008; 22011) und Kabatek (2005a, 52–54). Z.B. behandelt die bereits erwähnte Untersuchung von Sala (1998, 120–122) die grupos cultos vor allem als Einführung neuer Phonemkombinationen im Spanischen und anderen romanischen Sprachen, geht dabei jedoch auf die Bezugseinheit Silbe kaum ein.
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1 Einführung in die Thematik
lautliche Realisierungen jedoch zweifelhaft ist. Die mittelalterlichen Lesegewohnheiten37 und in der Sprachgeschichte wiederkehrende Tendenzen zu vom Schriftbild beeinflussten Aussprachevarianten (spelling pronunciation) oder Aussprachemoden, die ihrerseits Spuren in den graphischen Realisierungen hinterlassen können (man denke an den bekannten Fall von fr. chaise < lat. CATHEDRA), verweisen auf eine Relevanz systemfremder Elemente wie Kultismen.38 Das gilt für die Ebene der Norm, jedoch auch – wo phonologische und allophonische bzw. Normebene trennbar sind – für die systemisch-phonologische Ebene (cf. Kap. 3). Phänomene wie die grupos cultos im Spanischen illustrieren Tendenzen, durch die schriftsprachliche Formen auch in der Lautung restituiert werden: So wächst ab dem 17. Jahrhundert die Neigung zu etymologisierender Schreibung und Aussprache des Kastilischen, die sich dann im 18. Jahrhundert (zur jüngeren Wortschatzgeschichte cf. Álvarez de Miranda 2004) stark ausprägt: It was not until the early seventeenth century that supporters of the etymologizing approach to spelling and pronunciation began to raise their voices. This led to a conservative trend that developed strongly from the eighteenth century resulting in the restoration of «silent» etymologically justified consonants in the standard pronunciation of more learned words, as in -ct- and -pt- in doctor, concepto (Sampson 2010, 106).
Der Trend zur Restitution lateinischer Lautstrukturen betrifft jedoch nicht alle Phänomene gleichermaßen. Von einer relatinisierenden Zurückdrängung z. B. unetymologischer prosthetischer Vokale wie in anderen romanischen Sprachen zu Renaissancezeiten bleibt das Kastilische ausgenommen: «[I]n the Renaissance period when strong latinizing tendencies arose which militated against the continued use of prosthetic vowels in the spelling and pronunciation of words of Latin origin, Castilian was not affected in the same way as other Romance varieties» (Sampson 2010, 106). Die Frage der lautlichen Realisierung lexikalischer Formen früherer Sprachstufen wirft zwangsläufig die allgemeinere Frage nach dem Verhältnis von Graphie und Phonie auf. Den Komplex Graphie-Phonie stellen insbesondere die Arbeiten von Wright (1982; 1989; 1994; 1999) in den Mittelpunkt, der sich vorwiegend mit dem frühen (v. a. Ibero-)Romanisch beschäftigt. Wright (1994, 176) erwähnt explizit Silbenstruktur als Faktor für die Wiedererkennung von Wörtern bei mittelalterlichen Schreibern, der die Wiedergabe von Wortformen beeinflusst: «For the written representation of words whose integral form they had not learned, scribes had to Wenngleich mit neuen Methoden der Textanordnung ab ca. 1200 ein allmählicher Wandel der Lektürepraxis hin zum (auch) leisen Lesen eintritt, cf. u. a. Raible (1997, 30–31). Zur Problematik des orthographischen Einflusses auf die Lautung cf. den Überblick von Levitt (1978), der u. a. Französisch, Spanisch, Italienisch berücksichtigt; cf. auch 4.4.1.
1.2 Methodisches
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fall back consciously on a loose piecemeal collection of rules of thumb, probably comprising both sound-letter and syllable-multigraph correspondences». Der Autor betont dabei die Bedeutung silbenbasierter Sprachvermittlung: «The existence of [...] syllabic correspondence seems possible in the light of the fact that the units are syllabic rather than phonemic in the late eleventh-century Artes Lectoriae from South-Western France [...] (and the fact that modern Spanish schoolchildren are taught that way as well)» (Wright 1994, 176). Solche früh bezeugten Wortformen sind an dieser Stelle bewusst in der Reihenfolge des Vorliegens materieller Zeugnisse genannt; retrospektiv ist zunächst die einzige gesicherte Dokumentation die schriftliche, wenngleich historisch in aller Regel eine Abfolge der mündlichen Produktion vor der graphischen Fixierung anzunehmen ist.39 Die nur schriftlich in historischen Texten belegten Formen können folglich zunächst nur – möglicherweise irreführende – Hinweise auf ihre lautliche Realisierung zu bestimmten Zeiten geben. Die schriftliche Fixierung in Texten koppelt sich auch insofern von konkreten Lautungen ab, als der je nach Beobachterstandpunkt angenommene phonische Bezugspunkt für die Verschriftung40 stark variieren kann: soll dieser die Wiedergabe von zur Zeit der Niederschrift üblichen Lautmustern sein oder setzt man Muster an, die zu einem früheren Zeitpunkt zur Konventionalisierung gewisser (oft nicht mehr einen gewandelten Lautstand repräsentierende) Phonem-GraphemEntsprechungen geführt haben (cf. auch Loporcaro 2011, 69–70)? Noch komplizierter wird diese Frage, denkt man entweder an nur noch als historisches Relikt in mehrfach abgeschriebenen Manuskripten vorhandene Graphien oder andererseits an viel spätere Realisierungen beim lauten Vorlesen älterer Texte.41 Ein Grundproblem besonders der handschriftlichen Überlieferung mittelalterlicher Textzeugnisse ist zudem die oft ausgeprägte graphische Varianz (cf. Formen wie in Bsp. 102,
Besonders deutlich, doch bei aller Forschungsanstrengung letztlich unentwirrbar, ist diese Reihenfolge im Falle der vermuteten Vorläufer der Chanson de Roland in mündlich tradierter, memorierter Vortragsdichtung, auf die das vieldiskutierte Kürzel «AOI» am Ende jeder Laisse mit vielleicht mnemotechnischer Funktion als metrischer Merkvers verweisen dürfte (cf. Lausberg 1957; Hilka/Rohlfs/Pfister 81997, 157; die Hypothesen zusammenfassend Beckmann 2008, der gestützt auf ältere und neue Analysen und unter Hinweis auf starke Belege für die Hörbarkeit der Vokalfolge für deren Interpretation als nicht-obligatorische Interjektion beim Vortrag plädiert; cf. auch Beckmann 2019). Zur begrifflichen Differenzierung zwischen Verschriftung und Verschriftlichung cf. auch Kabatek (2005a, 52–53); die Termini gehen auf Peter Koch zurück und wurden von Wulf Oesterreicher aufgegriffen: der Prozess der Verschriftung beschreibt den Wechsel vom phonischen zum graphischen Medium, während Verschriftlichung das «konzeptionelle Relief von Äußerungen, von Sprachmitteln oder Gattungen, aber auch Aspekte der dabei erforderlichen Aktivität des Sprechens» (Oesterreicher 1993, 272) umfasst (cf. auch Oesterreicher 1998, 12 und passim). Zur Geschichte der Lesepraxis cf. den Überblick bei Gauger (1994).
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1 Einführung in die Thematik
Kap. 5.1). Einheitliche, konsequent verwendete Orthographiekonventionen kommen für die romanischen Sprachen hauptsächlich nach der Verbreitung des Buchdrucks auf.42 Die Möglichkeit einer zweifelsfreien Rekonstruktion der lautlichen Verhältnisse konkreter Textexemplare ist dadurch weiter erschwert.43 Dennoch ist es durch textphilologische Verfahren recht weitgehend möglich, auf die Ausspracheverhältnisse zu schließen, besonders gut in metrisch gebundenen Texten durch den Vergleich von Reimen, Assonanzen, Verschreibungen, hyperkorrekten Schreibweisen etc. Ein konkretes Beispiel hierfür wären Graphien wie tucte neben Formen wie nocte in einem frühen altitalienischen Text, den Laudes Creaturarum (auch: Cantico delle creature, ca. 1224) des Franz von Assisi.44 Aus dem Hyperkorrektismus tucte (< lat. TOTAS) analog zur Schreibung nocte (< lat. NOCTE(M)) erschließt sich der der heutigen Lautung entsprechende Lautstand (neuit. tutte, notte). In der Summe gilt daher: wie problematisch das Verhältnis von Graphie und Phonie im Einzelfall auch erscheinen kann, so sind dem Medium Schrift doch starke Indizien und weitgehend regelhafte Analogien zu sprechsprachlichen Realisierungen zu entnehmen, die allerdings in vielen Fällen philologischer Auswertung bedürfen. Für ältere Sprachstufen sind die Muster der Verschriftung von Sprachen unerlässliche Indikatoren für den Lautstand, ergänzt durch metasprachliche Aussagen, soweit solche für bestimmte Sprachzustände dokumentiert sind. Auch können charakteristische Fehler, d. h. Abweichungen gegenüber einer älteren Norm, Auskunft über Lautwandelprozesse geben, wie etwa Glossen als früheste Textdokumente für die Herausbildung neuer, vom Lateinischen sich ablösender romanischer Varietäten zeigen. Man denke z. B. an Wortpaare in der Appendix Probi (cf. Baehrens 1922) wie «speculum non speclu», wo eine der klassischen und spätlateinischen Norm entsprechende Form einer als fehlerhaft markierten Form mit innovativer Synkopierung des Nachtonvokals und Ausfall des Endkonsonanten (Flexionsmarker) gegenübergestellt ist. Was den strukturellen Zusammenhang einzelsprachlicher Schriftsysteme mit den jeweiligen lautlichen Verhältnissen betrifft, spricht Erfurt (1991, 7) von einem «Prinzip der phonographischen Verfaßtheit» von Sprachen und nennt als Beispiele einer solchen recht konsequenten phonographischen Verfasstheit die spanische
Hervorzuheben ist allerdings die Einführung von einheitlichen Schreibkonventionen (zur Schaffung eines «castellano drecho») bereits in der Kanzlei des kastilischen Königs Alfons X. (genannt der Weise, 1252–1284), zum spanischen Schriftsystem cf. Meisenburg (1996b). Die Rekonstruktion diatopisch differenzierter Schreibtraditionen steht im Mittelpunkt der Skripta-Forschung, die u. a. der Tatsache Rechnung trägt, dass angesichts der Begrenztheit oraler Überlieferung Texte größere räumliche und zeitliche Zirkulation nur im Medium der Schrift erlangen konnten, cf. z. B. die Überlegungen von Grübl (2013). Zum historischen und philologischen Hintergrund dieses Textes cf. Contini (71991).
1.2 Methodisches
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und die rumänische Graphie, in der Graphem-Phonem-Beziehungen vielfach 1:1Entsprechungen darstellen, sofern man eine sorgfältige, relativ langsame Leseweise (Lento-Aussprache) zugrundelegt. Die gerade hinsichtlich der romanischen Sprachen gut erforschte Thematik kann hier nicht eingehend behandelt werden. Zur allgemeinen Entwicklung von Schriftsystemen in den Sprachen der Welt sei verwiesen auf Coulmas (1989), außerdem Kabatek (1994b, passim; 1996, 26–28) sowie Arbeiten aus dem Umfeld des Freiburger Sonderforschungsbereichs «Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit» wie Oesterreicher (1993) und die bereits erwähnte Untersuchung von Meisenburg (1996a) zur Genese von Schriftsystemen in den romanischen Sprachen. Bei der letztgenannten Arbeit handelt es sich um eine Studie über alt(Französisch, Spanisch, Portugiesisch) und neuverschriftete romanische Sprachen (Katalanisch, Okzitanisch, Rumänisch), wobei das Italienische fehlt.45 Diese weist die Entstehung von einfachen, d. h. phonologisch «flachen» (etwa Spanisch) vs. komplexen, phonologisch «tiefen» (z. B. Französisch, weniger ausgeprägt: Portugiesisch) Schriftsystemen nach (cf. 1996a, 3) und entwickelt in Anlehnung an Kellers (32003) Theorie der «unsichtbaren Hand» im Sprachwandel einen eigenen theoretischen Ansatz mit einem «Modell (ortho-)graphischer Komplexität» (Meisenburg 1996a, 13, 29 und passim); die Verfasserin bezieht sich allerdings nicht explizit auf die Einheit Silbe.46 Der Gegensatz zwischen einfachen, phonologisch flachen und komplexen, phonologisch tiefen Schriftsystemen findet jedoch einen interessanten Reflex in der höheren Komplexität möglicher Silbentypen im Französischen und Portugiesischen gegenüber der Präferenz für einfache Typen im Spanischen (s. u., 3.3.–3.7). Die hier verzeichneten sprachlichen Formen werden in gängiger Notation so wiedergegeben, dass Missverständnisse zwischen graphischer und phonischer Ebene möglichst ausgeschlossen werden. Üblicherweise erscheint ein Beispiel zunächst kursiv als Einzelwort in seiner lexikalisch-morphologischen Wortform (z. B. sp. casa), sodann als silbenstrukturell relevante lautliche Realisierung in phonetischer Transkription, [ˈka.sa], wo angebracht auch in pho-
Zum französischen Schriftsystem cf. außerdem Catach (1996), zum Spanischen auch Meisenburg (1996b), für das Italienische gibt Cornagliotti (1988) einen ersten Überblick, aktuell Eufe (2021) und ausführlicher Heinz/Schmid (2021, 203–227). Der Band enthält relativ wenig über die hier besonders interessierende graphische Behandlung von Entlehnungen, doch finden sich einige Bemerkungen zum Latein (46–47), zum Verhältnis Latein-Französisch (121–122) und zu «Fremdwortschreibung und phonotaktische[n] Restriktionen» im Spanischen (272–273); ausführlicher behandelt die Autorin phonische und graphische Fremdwortintegration im Spanischen in Meisenburg (1993; cf. auch 1996b, 1440).
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1 Einführung in die Thematik
nologischer Notation, /ˈka.sa/, und bei Hinweis auf die verschriftete Form ggf. auch graphematisch: .
1.2.3 Multifokaler Ansatz: Phonie – diachrone Lexikologie – Typologie Gegenstand dieser Arbeit ist ein heterogenes Untersuchungsfeld an den Schnittpunkten der Bereiche Silbe, Wortschatz (besonders in diachronischer Sicht), Typologie. Zu betrachten ist zum einen die materielle (lautliche und silbenstrukturelle) Schichtung des Lexikons in das, was traditionell als ein Nebeneinander der diskreten Kategorien Erbwörter – Semikultismen – Kultismen klassifiziert wird (diese Dreiteilung wird in 5.1 aufgegriffen). Weiter stellt sich die Frage: Welche lexikalisch-morphologischen Einheiten kodieren gelehrte Silben? Beispiele wie die präfixalen Präpositionen mit komplexen Rändern lat. ab(s)-, con(s)-, des-, ex-, ob-, prae-, pro-, sub(s)-, trans- machen die Affinität von komplexen Silben und gelehrten Entlehnungen, die diese Strukturen mitunter erst in den silbenphonologischen Systemen der romanischen Sprachen etablieren, deutlich. Das Fortleben komplexer Silbentypen hauptsächlich in Kultismen wird auch an dem in den romanischen Sprachen reichen Bestand an Dubletten des Typs sp. enterar-integrar etc. augenfällig. Dabei sind in Erbwort und Lehnwort oft divergente phonologische Mechanismen mit Auswirkungen auf die Silbenstruktur zu beobachten, wie z. B. die unterschiedlichen Resultate von vlat. REG(U)LA im Katalanischen zeigen: im Erbwort rella [ˈreʎa] liegen eine Assimilation und eine Sonoritätsoptimierung vor, in der (halb)gelehrten Bildung regla treten in emphatischer Aussprache Auslautverhärtung und Gemination mit hohem Sonoritätskontrast auf: [rɛkˈklə] (Ähnliches gilt für die kat. Dubletten enyorar – ignorar; cf. 5.1). Hinzu kommen morphologische Dubletten, d. h. morphosemantische Doppelbelegungen von Silben/Morphemen wie in sp. tras/trans, -azon/-ación (cf. Lüdtke 2005), von denen die gelehrte Variante eine markierte Silbenstruktur aufweist. Solche vergleichsweise komplexen Silbenstrukturen signalisieren zudem auf diskurstraditioneller Ebene die Gelehrtheit von Wortmaterial, womit ein weiteres Arbeitsfeld berührt ist.47 Typologisch relevant sind zudem komplexe Silbentypen, die aufgrund interner Gegebenheiten mancher einzelsprachlich-phonologischer Systeme (z. B. Schwundtendenz bei unbetonten Vokalen in Allegroformen, morphologische Faktoren) entstehen.
So prägen auffällige, oft redundante (etymologisch und teils volksetymologisch bedingte) Graphien auch die retrospektive Wahrnehmung bestimmter Sprachstufen, etwa des Renaissancefranzösischen (z. B. bei Rabelais im 16. Jh. Schreibungen wie doncques, escholier, prescriptz, poids, sçavoir etc.; cf. Kap. 5.2).
1.2 Methodisches
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Der Befund komplexer Silbenstrukturen als in den betrachteten Sprachen mitunter systemfremd erscheinende, vorwiegend lexikalisch enkodierte phonische Phänomene (Kap. 3) führt über deren Einordnung in ein Modell von Systemzentrum und -peripherie (Kap. 4) und empirische Detailbeobachtungen (Kap. 5) zu Schlussfolgerungen hinsichtlich der Dynamik einzelner Silbentypsysteme (Kap. 6). Die vorliegende Arbeit verknüpft in diesem multifokalen Ansatz bewusst Fragestellungen der Phonetik und theoretischen Phonologie (funktional-typologische wie formale Ansätze kommen in den Kapiteln 2, 3 und 4 zur Sprache), der Typologie und der diachronen Lexikologie (Kap. 4–6) und versucht dabei im Sinne des in der Einleitung skizzierten Ansatzes dem Ineinandergreifen von externen wie internen Faktoren der Beschreibung Rechnung zu tragen.
2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem Auch wenn eine allgemeingültige Definition der Silbe in vielerlei Hinsicht der Qualifizierung bedarf, vielleicht sogar unmöglich ist, so ist ein intuitives, vorwissenschaftliches Verständnis der Silbe als eine Einheit zur Gliederung von Wörtern und der Rede einigermaßen unstrittig. Der griechische Terminus συλλαβή (syl-labé, daraus lat. SYLLABA) bezeichnet ‘das (beim Sprechen) Zusammengefasste’ (cf. Heinz/Schmid 2021, 97). Er verweist auf die Eigenschaft von Silben, Laute48 in einer bestimmten Ordnung zu enthalten, die wiederum mit bestimmten weiteren Einheiten enger verbunden sind als mit anderen und in dieser Kombinatorik der Lautanordnung, der Phonotaktik, die zulässigen Segmentverbindungen in einer Einzelsprache zu bilden. Die jeweils möglichen Lautkombinationen prägen maßgeblich die äußere Gestalt der in einer Sprache vorkommenden bedeutungstragenden Elemente, der Wörter oder je nach Sprachtypologie analog funktionierenden Struktureinheiten. Coserius knappe Beschreibung der Stellung von Silben im Sprachsystem: «[E]ine Silbe [...] ist ein minimales Lautsyntagma» (21992, 152), stellt vor allem einen konsequenten Systemgedanken in den Vordergrund und wertet die Silbe als hierarchische Einheit. Als so definiertes Syntagma hat die Silbe eine Position oberhalb der phonematischen Ebene, als Minimaleinheit verstanden kommt ihr implizit auch die Funktion einer Basisgröße der Phonotaktik zu. Silben können formidentisch sein mit: Segmenten (mit oder ohne Phonemstatus), Morphemen,49 Lexemen und insofern die Ausdrucksseite von Einheiten höherer Domänen bilden, aufgrund des Prinzips von Sprachsystemen, dass die Einheit einer Ebene auch jene der nächsthöheren Ebene umfassen kann.50 Es genügt an eine Form wie lat. Ā zu denken, die als einzelnes Lautsegment (und Phonem), Silbe, Morphem oder Wort beschrieben werden kann (etwa als Präposition mit der Bedeutung ‘von, aus’, gebunden z. B. im Verb ACCURRERE ‘herbeilaufen’). Mit Blevins (1995, 206–207) können Silben zunächst als strukturelle Einheiten
Auch Silben aus einem einzelnen Sonoranten (i. d. R. einem Vokal) sind in den meisten Sprachen möglich. Z.B. bei Klitika wie in asp. nol quería (aus Negationselement no + Enklitikon l < lat. ILLU(M)) können Einheiten mit morpholexikalischer Bedeutung jedoch auch auf subsilbische Domänen beschränkt sein (hier: Silbenauslaut). Dies entspricht insbesondere dem Grundgedanken des tagmemischen Ansatzes, den höheren Einheiten einer Beschreibungsebene jeweils den Status von Minimaleinheiten der nächsthöheren Beschreibungsebene zuzuweisen, cf. Pike 21967. Weite Teile dieser Auffassung, die auf frühere strukturalistische Überlegungen aufbaut, sind Gemeingut geworden, cf. Kap. 2.2.1 sowie das Modell einer prosodischen Hierarchie in der generativen prosodischen Phonologie (Nespor/Vogel 2 2007 [11986]; s. u., 2.2.3), wobei die Schwierigkeit stets in der Abgrenzung der einander übergeordneten Einheiten besteht (bzw. deren Pertinenz für die postulierte Hierarchie). https://doi.org/10.1515/9783110648423-003
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
definiert werden, die für Segmentketten eine prosodische Organisation bereitstellen. Die Schwierigkeit, zu einer einheitlichen Funktionsbeschreibung der Einheit Silbe zu gelangen, wird bei Eisenberg (1996, 1370) deutlich: Silben sind bedeutungsdifferenzierend auf der Basis der Phoneme, die sie enthalten. Diese Sicht führt funktionale Eigenschaften der Silbe auf solche des Phonems zurück. Aber auch die Silbe spielt als Grundeinheit eine Rolle. Bestimmte Theorien sehen sie als phonologische Grundeinheit schlechthin. Andere weisen Silben als Trägern suprasegmentaler Eigenschaften, insbesondere der Akzente, den Status von Grundeinheiten neben den Phonemen zu.
Mit dem Verweis auf «Silben als Träge[r] suprasegmentaler Eigenschaften, insbesondere der Akzente» hebt Eisenberg auch den Zusammenhang zwischen Silben und metrischer Struktur heraus, da Silben primäre Domänen von Akzenten sind, worin ein bedeutendes eigenes Untersuchungsfeld hinsichtlich des Silbenphänomens liegt. Die vorliegende Untersuchung stellt die strukturelle Typologie von Silben in den Vordergrund und geht nicht näher auf mögliche Konsequenzen der Silbenstruktur für die Akzentzuweisung auf Wort- und Satzebene ein (cf. aber Kap. 3.1 und passim zu einzelnen Zusammenhängen zwischen Akzentverhältnissen und Silbentypen). Die vorliegende Arbeit geht von der Existenz der sprachlichen Einheit «Silbe» aus, auch wenn diese vereinzelt als eine deskriptive Fiktion in Frage gestellt wurde. Versuche, ohne eine Entität «Silbe» in der Sprachbeschreibung auszukommen, vor allem in dem für die theoretische Phonologie im generativen Paradigma wirkmächtigen Sound pattern of English (SPE) von Chomsky/Halle (1968),51 haben das Interesse für deren Definition und Beschreibung eher noch verstärkt: «Die gerade aus phonologischer Sicht kaum haltbare Negation der Entität Silbe, wie sie die aufkommende generative Schule im Zuge von Chomsky/Halle (1968) propagierte, stellt sich aus der Retrospektive [...] eher als Impetus der Silben(struktur)forschung denn als retardierendes Momentum dar» (Restle/Vennemann 2001, 1310). In den folgenden Abschnitten werden drei allgemeine Aspekte des Phänomens besprochen: wesentliche sprachsystematische Eigenschaften der Einheit «Silbe» (2.1) unter Berücksichtigung phonetischer (2.1.1) wie phonologischer (2.1.2) Definitionsan-
In ihrer Opposition zu vorherrschenden strukturalistischen, aufgrund behavioristischer Grundannahmen insbesondere distributionalistisch ausgerichteten Ansätzen in der Phonologie (cf. etwa die Kritik von Chomsky/Halle 1965) entwerfen die generativen Theoretiker eine syntagmatisch orientierte Phonologie, die die paradigmatische Phonemanalyse des Strukturalismus durch eine feature-basierte Analyse ersetzt und besonders phonologische Prozesse zu fassen versucht (d. h. prozessphonologische Regularitäten, wie sie strukturale Analysen, besonders in der Tradition Bloomfields, in der sog. Morphophonologie behandeln). Diesen in seinen Prämissen tiefgreifend neuen phonologischen Beschreibungsansatz wenden Chomsky/Halle (1968) auf das Englische an.
2.1 Struktureigenschaften von Silben
35
sätze und phonotaktischer Strukturmodelle, die typologischen Konzepte von Markiertheit, Sonoritätsabfolge und Präferenzgesetzen (2.1.3), die Materialität von Silben als Ausdrucksgestalt von Sprachzeichen (2.2) sowie Besonderheiten der silbischen Organisation von Sprache im Hinblick auf Voll- und Schwundformen der Realisierung und die Frage des Informationsgehalts von Silben (2.3). Auf diese allgemeine Charakterisierung des Phänomens aufbauend konkretisieren die anschließenden Kapitel die strukturelle Typologie von Silben in ihren einzelsprachlichen Ausprägungen.
2.1 Struktureigenschaften von Silben 2.1.1 Definitionsversuche auf allgemein-linguistischer und phonetischer Basis Die Schwierigkeiten einer allgemeinen (d. h. im weiteren Sinne linguistischen und psycholinguistischen) und phonetischen Definition der Silbe sind notorisch. Relative Übereinstimmung herrscht darüber, dass es sich um eine Art Prominenzgipfel in Lautäußerungen handelt, doch die Frage der Silbengrenzen bleibt damit ungeklärt (cf. Duanmu 2008, 36; Easterday 2019, 4). Eine Besonderheit silbischer Strukturen gegenüber anderen prosodischen und phonotaktisch determinierten Einheiten52 ist die Tatsache, dass (1) nur ihr Kern und damit ihre Anzahl in einer mehrsilbigen Sequenz intuitiv bestimmbar ist – die zuverlässige Bestimmung von Silbengrenzen ist, ob aus Sprecher-Hörer-seitiger, praktisch-metrischer oder theoretisch-phonologischer Perspektive weitaus schwieriger; das gilt für betonte wie für unbetonte Silben. Außerdem ist (2) die Identifizierung betonter Silben bei der Hörwahrnehmung gesprochener Sequenzen aufgrund einzelsprachlich festgelegter Wortbetonungsmuster53 recht problemlos möglich – sofern die jeweilige Sprache betonte, ob mit fester oder mobiler Akzentposition, und unbetonte Silben klar kontrastiert. Dagegen ist der Status unbetonter Silben bis hin zur Frage, ob es sich überhaupt um eine eigenständige Silbe handelt, oft schwerer bestimmbar. Z.B. dem phonologischen Wort, dessen Grenzen in Sprachen (wie Deutsch), in denen diese Domäne eine Rolle spielt, in der Regel klarer bestimmbar sind (cf. die resultierende Typologie bei Auer 1993, 2001; hierzu 3.7.2 und 4.4.2). Auffällig ist die Funktionalisierung von distinktiven Akzentverschiebungen nicht nur in relativ frequenten Einheiten des Lexikons wie, hier vereinfacht notiert, dt. Überˈsetzen vs. ˈübersetzen, überˈgehen vs. ˈübergehen (in den Besitz o. ä.) sondern auch in weniger frequenten Wortschatzbereichen wie bei dt. Teˈnor (‘Stimmlage’) vs. ˈTenor (‘Gehalt’). Für die drei genannten Beispielpaare liegt darüber hinaus die Hypothese nahe, dass das erste Vergleichsglied mit unmarkierter Akzentlage das relativ häufigere, verfügbarere Wortschatzelement darstellt (allerdings liefern Wörterbücher mit Frequenzangaben wie DWDS für die Varianten mit Akzentunterscheidung keine eigenen Frequenzdaten).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
Ebenso ist die Identifizierung einzelner Silbentypen in Sequenzen schwierig, cf. etwa die möglichen Syllabierungen einer VCCCCV-Sequenz (lat. EXTRA /ˈɛkstra/) in VC.CCCV (/ˈɛk.stra/), VCC.CCV (/ˈɛks.tra/), VCCC.VC (?/ˈɛkst.ra/) etc. und setzt genaue Kenntnis von einzelsprachlichen Syllabierungsregeln bzw. eine sprachspezifische oder -übergreifende Syllabierungstheorie voraus. Auch wenn eine abschließende Definition der Silbe gerade in der phonologischen Theorie nicht in Sicht sein mag (s. u.) und verschiedene Ansätze bis heute kontrovers diskutiert werden,54 gehen wir hier von «substanzielle[r] empirische[r] Evidenz für die Silbe als fundamentale Einheit in der Wahrnehmung und Planung des Sprechvorgangs» (Heinz/Schmid 2021, 96) aus. Definitionsversuche zur Silbe und deren jeweilige Schwierigkeiten sind zahlreichen Handbüchern, (u. a. enzyklopädischen) Überblicksdarstellungen und Studien zu entnehmen (z. B. Laver 1994; Blevins 1995, 2006; Trask 1996; Easterday 2019, 1–13). Mit Trasks enzyklopädischem Definitionsversuch ist zu konstatieren, dass die Silbe eine fundamentale Einheit der Sprache ist, sich jedoch trotz externer (Perzeptionsexperimente, Versprechersammlungen, silbenbasierte Schriftsysteme) und interner Evidenz (ihre Rolle bei Lautwandel und Lautgesetzen, cf. Heinz/Schmid 2021, 95–98), die weiter unten ausgeführt wird, einer endgültigen Definition entzieht: A fundamental but elusive phonological unit consisting of a short sequence of segments, most typically a single vowel or diphthong preceded and/or followed by one or more consonants. Although native speakers usually find it easy to decide how many syllables are present in a given word or utterance, although syllable-based writing systems have been in use for thousands of years and although speech errors provide abundant evidence for the mental reality of syllables, the syllable has proved exceedingly difficult to define. (Trask 1996, s. v. «syllable»)
Unverändert lautet dieser Befund in Easterdays neuerer Studie, die dem Vorkommen von Silbenstrukturen hoher und höchster Komplexität in einem Sample von 100 typologisch entfernten Sprachen nachgeht (Easterday 2019, 3): [T]he syllable eludes precise definition: research has not yet established clear and consistent correlates for it at the phonetic, physiological or phonological levels [...]. Much like consonants and vowels, syllables are characterized by distributional, phonetic, and phonological features, of which no single criterion is sufficient for perfectly describing or predicting the trends observed.
Dies wird z. B. bei Trask (1996), Schmid (1999, 95–98), Blevins (2010), Easterday (2019, 1–13) deutlich, die offene Fragen weder aussparen noch durch theoretische Postulate für gelöst erklären (teils wider empirische Evidenz; cf. etwa Kritik von Blevins 2010 an Duanmu 2008; s. u. 3.1.4).
2.1 Struktureigenschaften von Silben
37
Auch wenn die Bestimmung von definitorisch hinreichenden Einzelkriterien nicht gelingt, so gilt doch die Relevanz dieser Domäne für viele phonologische Phänomene wie Akzentsetzung, Töne, Reduplikationsmuster und weitere, auch morphologische Erscheinungen: «Nevertheless, the syllable enjoys a well-established role in phonology, proving to be a highly useful unit in linguistic analysis and description. For many languages, it has been demonstrated that stress placement, tone, reduplication, and other phonological and morphological phenomena operate on the domain of the syllable [...]» (Easterday 2019, 3). Zentrale Elemente für die Annahme dieser schwer zu definierenden Einheit liegen somit darin, dass es Muttersprachlern meist spontan gelingt, die Silbenzahl von wort- oder äußerungsförmigen Sequenzen anzugeben, silbenbasierte Schriftsysteme seit Jahrtausenden im Gebrauch sind und Versprecher starke Evidenz für eine mentale Repräsentation von Silben liefern. Trask verweist ferner auf die in weiten Teilen der Forschung etablierte Auffassung, Silben komme grundlegendere Bedeutung zu als Segmenten: «In much contemporary work, syllables are regarded as more fundamental than segments». Zur Forschungsgeschichte und den bis heute zahlreichen Versuchen, feste phonetische Kriterien für die Einheit Silbe zu bestimmen, schreibt der Linguist weiter: «There have been various attempts to define the syllable phonetically: as a single respiratory movement (the chest pulse theory), as a single opening and closing of the vocal tract, as a single peak of prominence in the soundstream resulting from a combination of stress, pitch, length and intrinsic sonority (the prominence theory) [...]» (Trask 1996, s. v. «syllable»). Die lange einflussreiche motor theory (cf. Stetson 21951 [11928]) oder chest pulse theory, die die Hebung und Senkung der Atemmuskulatur als physiologische Basis der silbischen Gliederung annimmt, vertritt etwa noch der britische Phonetiker Abercrombie (1967, 96), der als «syllable-producing process», solche «chest pulses» ansetzt. Weder die sog. chest pulse theory noch die prominence theory (cf. Jespersen 1904), derzufolge Silben einzelne Prominenzgipfel im Lautstrom darstellen, haben sich letztlich als schlüssig für eine phonetische Grundlegung der Silbendefinition erwiesen,55 so dass die Silbe als bloße theoretische Fiktion erscheinen könnte.56 Dagegen spricht aber das Vorhandensein einer großen Zahl phonologischer Prozesse, deren Domäne die Silbe ist (in vielen Sprachen z. B. die Zuweisung der Akzentposition im Wort). Hinsichtlich einer «psychologischen Realität» der Einheit Silbe gibt Schmid (1999, 95–98; cf. auch Heinz/Schmid 2021, 96) einen nützlichen Überblick über Typen Cf. auch die kritische Auseinandersetzung mit den genannten Theorien bereits bei Bühler (1934, 259–271). Die ältere Diskussion fasst Kloster Jensen (1963) zusammen; cf. auch Hess (1975, 238–241) und Schmid (1999, 95–96).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
externer und interner Evidenz. Externe Nachweise resultieren aus psycholinguistischen Untersuchungen mit delayed auditory feedback, der Natur von Versprechern (welche in der Regel Silben, nicht jedoch Einzellaute intakt lassen), und der Struktur von Silbenschriftsystemen sowie Sprachspielen und Geheimsprachen. Sprachinterne Evidenz erweist die Silbe als Domäne von Prozessen diachronen Lautwandels (z. B. Diphthongierungen in offenen, jedoch nicht in geschlossenen Silben des Italienischen) und synchron beobachtbaren Prozessen (wie der deutschen Auslautverhärtung). Easterday (2019, 4) erwähnt zusätzlich noch Dichtung und Gesang, deren metrische Bedingungen auf der Distribution von Silben beruhen. Zwei Auffassungen der Silbe können als besonders plausibel gelten (cf. Trask 1996, s. v. «syllable»; auch Schmid 1999, 95–96; MacNeilage/Davis 2005): 1. Die Silbe ist eine Einheit neuronaler Programmierung («unit of neural programming», Trask 1996), die der Hörer durch eine Vielzahl von Hinweisen rekonstruiert, obwohl ein abgrenzbares einzelnes phonetisches Korrelat fehlt. 2. Die Silbe ist eine rein phonologische Einheit, die mit gewissen Einschränkungen aus einem Gipfel intrinsischer Sonorität besteht. Diese phonologische Begründung durch Sonoritätseigenschaften unter 2. wird weiter unten im Abschnitt zum Silbenbegriff der Phonologie (2.1.2) aufgegriffen. Unter den zahlreichen Versuchen, eine physiologisch-artikulatorische und mentale Realität der Einheit Silbe zu belegen, sei hier der neurokognitive Ansatz im Sinne von 1. von MacNeilage/Davis (2005, 130) genannt, der die Identifizierung des phonetischen Korrelats der Silbe als einzelne Öffnungs- und Schließbewegung des Vokaltrakts («single opening and closing of the vocal tract») mit der kognitionswissenschaftlichen Auffassung der Silbe als Einheit neuronaler Programmierung kombiniert. Die periodische Abfolge von Schließungen (bei Konsonanten) und Öffnungen (bei Vokalen) im Artikulationsprozess kann dafür als plausibles Kriterium herangezogen werden. Die beiden Kognitionsforscher führen als Beleg für ihre Hypothese und deren Wirksamkeit eine beträchtliche Zahl von Studien aus dem Bereich der Hirnforschung an. Gestützt auf Arbeiten über Versprecher, lapsus linguae, Aussprachefehler etc. geht ihre «frame and content theory of the evolution of speech production» von bestimmten Beschränkungen (constraints, zu derartigen Beschränkungen im Rahmen der Optimalitätstheorie s. u., 4.3.1) für die Silbenstruktur (als Rahmen, frame) beim Vertauschen von Segmenten (als inhaltliche Füllung, content) aus. Die allgemeinste derartige Beschränkung legt fest, dass Vokale (Silbennuklei) nie durch Konsonanten (Silbenränder) ersetzt werden und umgekehrt. So gilt etwa: «‘no’ is never pronounced as ‘own’, or ‘abstract’ as ‘bastract’» (2005, 130), d. h. die Konstituenten (s. u., folgender Abschnitt) der Silbe werden in Versprechern nicht vertauscht. Ziel einer Theorie der Evolution des Sprechens sollte demnach das Phänomen programmierbarer «Silbenrahmen» bei der Sprachproduktion Erwachsener sein («program-
2.1 Struktureigenschaften von Silben
39
mable syllable frames in modern adult speech production», 2005, 130). Die sich wiederholenden Schließ- (Konsonanten) und Öffnungsbewegungen (Vokale) bei der Sprachproduktion verlaufen in entgegengesetzter Richtung, was eine zeitliche Überschneidung ihrer neuronalen Korrelate verhindert («there has never been an opportunity for their neural accompaniments to get interchanged in the time domain», 2005, 130) und somit die Vertauschung von nukleusbildenden und silbenrandaffinen Segmenten schon auf neuronaler Ebene ausschließt. MacNeilage/Davis sind der Auffassung «that the close-open cycle of the mandible provided an initial Motor frame for speech» (2005, 131), dass also der Öffnungs-Schließ-Zyklus des Unterkiefers eine motorische Disposition für das Sprechen vorgab. Dieser Zyklus entspricht exakt dem grundlegenden, universellen Silbenmuster CV, das auch im frühen Spracherwerb dominiert (2005, 132). In komplexeren Silbentypen zulässige zusätzliche Segmente am Anfangs- (Onset) bzw. am Endrand (Coda) können als Hinzufügungen erklärt werden, die jedoch nicht die ursprünglich erworbene Alternation Öffnung-Verschluss, mit dem Ergebnis des CV-Silbenmusters, als kanonische Form ablösen: Perhaps word-initial vowels and word-final consonants are better regarded as additions to the basic close-open cycle rather than developments beyond it. Initial vowels involve adding an initial open phase, and final consonants involve adding a final closing phase to the basic CV form. [...] In this view, the close-open alternation remains the canonical syllable-related form throughout life, even in speakers of languages like English in which phonological organization goes well beyond the usual predominance of the CV syllable (MacNeilage/Davis 2005, 132).
Der Basistyp silbischer Organisation CV («core syllable type» im Sinne von Clements/Keyser 1983, s. u. Kap. 3.1.1) ist demnach das grundlegende Muster auch in Sprachen, die eine weitaus höhere silbenstrukturelle Komplexität zulassen. Das gilt insbesondere für den Erstspracherwerb (zur Frage der strukturellen Unmarkiertheit s. u., 2.1.3).57 Ausgehend von der Bedeutung alternierender Öffnungs- und Verschlussgesten in der Sprachproduktion leitet Pompino-Marschall (32009, 240–241) die Plausibilität einer phonetischen Fundierung der Silbe als prosodischer Einheit in überzeugender Weise ab aus den physiologischen Voraussetzungen unseres Sprechapparats, der «natürlicherweise» für eine alternierende Abfolge artikulatorischer Öffnungs- und Schließbewegungen prädestiniert ist. Auf der anderen Seite ist auch unser Gehör insbesondere für die relativ schnellen Änderungen einzelner akustischer Parameter besser ausgestattet als für gleichbleibende Reize. Er folgert für die artikulatorische Natur der Silbe und deren akustisch-auditive Entsprechung:
Cf. Kubarth (2009, 71–72), der das CV-Schema als «Ursilbe» wiedergibt; Morales-Front 2006 unterstreicht allerdings, dass im L1-Erwerb das einfache V-Silbenschema gleichfalls früh erscheint.
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
In diesem Sinn stellt die Silbe als Artikulationsbewegung vom konsonantischen oralen Verschluß bzw. von der artikulatorischen Engebildung zur vokalischen Öffnung – mit ggf. anschließender ambi- bzw. heterosyllabischer erneuter konsonantischer Enge-/ Verschlußbildung – eine elementare phonetische Produktionseinheit dar. Dem entspricht die akustisch-auditive, durch eben diese vokalische Öffnungsgeste mit ggf. anschließender konsonantischer Verschlußgeste bewirkte, durch einen raschen Pegelanstieg/-abfall bzw. Lautheitsanstieg/-abfall gekennzeichnete rhythmische Einheit der phonetischen Silbe (Pompino-Marschall 32009, 240).
Gestützt auf die oben angeführten Ansätze soll hier die Silbe in phonetischer Hinsicht als eine in elementaren physiologischen Gegebenheiten begründete Produktions- und Rhythmuseinheit aufgefasst werden. Die zentrale Bedeutung der Silbe für die Gliederung der Rede, gewissermaßen als «Skelett» der phonischen Struktur von Sprachen, und damit als ein Merkmal, das maßgeblich die lautlichmaterielle «Physiognomie»58 eines Idioms ausmacht, wirft die Frage nach der Relevanz und Beschreibung dieser Einheit auf der Ebene der phonologischen Organisation von Sprachen auf.
2.1.2 Phonologische Definitionen – Strukturmodelle – phonotaktische Beschränkungen Aus phonologischer Sicht ist die Abgrenzung einer Einheit «Silbe» vergleichsweise einfacher, wiewohl auch dort nicht unumstritten (zur phonologischen Evidenz für diese Einheit im einzelnen Hall 22006, 329–330). Entgegen den eingangs (2.) erwähnten früheren (insbesondere generativen) Konzeptionen der Phonologie (emblematisch für diese Sicht der genannte Ansatz von Chomsky/Halle 1968), die versuchen, in ihren Regelformulierungen ohne die Silbe als theoretische Bezugseinheit auszukommen (und dafür morphonologische Regeln und Prozesse in den Vordergrund stellen), wie auch der daran angelehnten eigenen früheren Beschreibung der spanischen Phonologie (Harris 1969, stark segmentorientiert und mit nur knapper Erwähnung der Silbe in Fußnoten, 33n, 59n), stellt Harris die Silbe (und nicht etwa Morphem oder Wort) als die sprachliche Gliederungseinheit heraus, die den eigentlichen Bezugspunkt phonotaktischer Regeln bildet (1983/ 1991, 14; hier auf Spanisch zitiert): «[L]a unidad de organización lingüística sobre la que operan las restricciones fonotácticas es la sílaba y no, por ejemplo, el morfema o la palabra».
Die Gesamtheit der «Lautgestalt» einer Sprache untersucht Frank (1995) für das Französische, wobei sie sich weitgehend auf die Segmentebene beschränkt.
2.1 Struktureigenschaften von Silben
41
Phonologisch wird die Silbe zunächst fassbar als «elementare sprachliche Organisationseinheit für die Anordnung und Kombination von Phonemen, oder genauer formuliert, als minimale phonotaktische Bezugsgröße» (Kubarth 2009, 71; cf. auch Coseriu 21992, 152: «minimales Lautsyntagma»), deren Bestandteile als hierarchische und funktionale Ordnung beschrieben werden können. Die kanonische Sicht auf die interne Konstituenz der Silbe beschreibt der generative Phonologe Núñez-Cedeño (2000, 456) knapp: «[L]a definición clásica de los elementos constitutivos de una sílaba: núcleo, cabeza y coda». Dabei handelt es sich um den in der umfangreichen Literatur weitgehend unumstrittenen Grundaufbau, in dem nur das erste Element segmental gefüllt sein muss. In einem Grundmuster des Silbenaufbaus der Form CVC, wie z. B. in sp. por, sind alle drei Strukturpositionen gefüllt (Abb. 2.1):
Abb. 2.1: Grundmuster einer Silbe des Typs CVC.
Strukturelle Eigenschaften beschreiben detaillierter Restle/Vennemann (2001, 1311), ausgehend vom Zentrum der Silbe, dem Nukleus bzw. Kern: dieser (bestehend aus einem Sonorant, in vielen Sprachen der Welt einem Vokal, zu Ausnahmen s. u.) ist obligatorisch, die Silbenränder mit Kopf (engl. head, in anderer Terminologie auch Onset, Anlaut, Anglitt genannt) und Coda (auch Offset, Auslaut, Abglitt), die zusammen die Silbenschale um den Kern herum bilden (cf. Vennemann 1988; Restle/Vennemann 2001, 1311) sind optional. Offen werden Silben mit nicht gefüllter (leerer) Coda genannt, bei gefüllter Onset- (oder Kopf-)Position spricht man von «bedeckter», ist diese Position leer, d. h. der Nukleus ist silbeninitial, von «nackter» Silbe. Kopf und Nukleus bilden den Körper einer Silbe (cf. Restle/Vennemann 2001, 1311), wie in Abb. 2.2 abgebildet. Für die «in der heutigen Forschung so wichtige Teilung der Silbe in verschiedene subsyllabische Konstituenten» (Restle/Vennemann 2001, 1326) gibt es verschiedene Modelle. Weithin wird analog zu dem in den meisten Theorien üblichen hierarchischen Gliederungsprinzip anderer sprachlicher Beschreibungsebenen (etwa der Syntax) eine binär verzweigende Konstituentenstruktur aus Onset (Silbenanlaut) und Reim angenommen (Abb. 2.3). Die Verbindung von obligatorischem Kern (Nukleus) und optionaler Coda wird dabei als Reim (engl. rhyme,
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
Abb. 2.2: Grundmuster einer Silbe des Typs CVC (Restle/Vennemann 2001, 1311).
rime) bezeichnet («It is now usual to subdivide the syllable into an onset and a rhyme, with the rhyme further divided into a nucleus (or peak) and a coda», Trask 1996, s. v. «syllable»; zur Diskussion cf. Davis 22006).
Abb. 2.3: Binäres Silbenmodell (Reimstruktur).
Daneben gibt es weitere Hierarchisierungsmöglichkeiten, Restle/Vennemann (2001, 1326) verzeichnen eine binäre, linksverzweigende «Körperstruktur» (Abb. 2.4):
Abb. 2.4: Binäres Silbenmodell (Körperstruktur).
sowie, komplizierter in der hierarchischen Anordnung, «Schalenstruktur» und «Überlappungsstruktur» (Abb. 2.5):
2.1 Struktureigenschaften von Silben
43
Abb. 2.5: Hierarchische Silbenmodelle (Schalen- und Überlappungsstruktur, Restle/Vennemann 2001, 1326).
Für jedes dieser Modelle subsyllabischer Hierarchisierung kann «Evidenz angeführt werden, die es als (zur Beschreibung der phonologischen Daten) besonders geeignet erscheinen lassen» (Restle/Vennemann 2001, 1326). Allerdings «hat sich in der Literatur vor allem das Reimmodell durchgesetzt», nicht zuletzt durch den metrischen Zusammenhang, dass «die weitaus meisten Akzentregeln sensitiv für die interne Struktur des Reims sind», außerdem spricht «die Häufigkeit des Endreims in der Dichtung (Gleichheit/Ähnlichkeit des Silbenreims) für eine auf dem Reimmodell aufbauende Silbenstruktur» (Restle/Vennemann 2001, 1326–1327). Die Silbe ist ihrerseits größeren Einheiten unterzuordnen, als nächsthöhere Einheit ist sie Konstituente von (phonologischen) Wörtern. Die hierarchischen Verhältnisse werden im Schema (Abb. 2.6) anhand von it. porta /ˈpɔr.ta/ deutlich:
Abb. 2.6: Silben als Konstituenten der nächsthöheren Einheit ω (= phonologisches Wort: cf. Heinz/ Schmid 2021, 97).
Neben ihrer Einteilung in Konstituenten können Silben als metrische Einheiten zur Bestimmung der Akzentposition im Wort nach der Zahl der darin vorkommenden Längen-Komponenten (Moren, d. h. Einheiten des Silbengewichts) gewichtet werden (cf. 3.1.2). Ein tabellarisches Modell der Silbenstruktur findet sich bei Hayes (1995)
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
und Tatham/Morton (2003, 22), wobei die möglichen segmentalen Füllungen der silbischen Konstituenten numerisch gefasst werden; das Modell abstrahiert dabei völlig von der segmentalen Charakteristik der in der einzelsprachlichen Phonotaktik zulässigen silbeninternen Sequenzen. Aus sehr allgemeinen Silbenstrukturregeln, die unterschiedliche Silbentypen generieren, ergeben sich die phonotaktisch einfach oder mehrfach besetzbaren Positionen im tabellarischen Schema. Zu Illustrationszwecken folgen hier die phonotaktischen Beschränkungen für das Englische, hier exemplarisch mit Silbenstrukturregeln, und die untersuchten romanischen Sprachen (von Ost nach West) Rumänisch, Italienisch, Französisch, Katalanisch, Spanisch, Portugiesisch (a-g). Regelbasiertes Modell phonotaktischer Beschränkungen in Einzelsprachen (nach Tatham/Morton 2003, 22; Chitoran 2002, 12–21; Heinz/Schmid 2021, 172–175; Pustka 2016, 112–120; Badia i Cardús 2002, 126; Kubarth 2009, 164; Ferreira-Netto 2001, 146): (a)
Strukturregeln (Bsp. Englisch)59 Σ → onset + rhyme rhyme (R) → nucleus + coda onset (O) → C0–3 nucleus (N) → V coda (C) → C0–3
Phonotaktische Beschränkungen (Englisch) Σ O
R N
–
C
C
V
C
–
(b) Rumänisch Σ O
R N
–
C
V
C C
–
Diese Formulierung besagt, dass im Englischen Silben mit bis zu acht Segmenten, davon bis zu drei Konsonanten im Onset und bis zu vier in der Coda, vorkommen können (cf. z. B. /striːt/, /teksts/).
2.1 Struktureigenschaften von Silben
45
(fortgesetzt)
(c) Italienisch Σ O
R
C–
N
C
V
C–
(d) Französisch Σ O
R
C–
N
C
V
C–
(e) Katalanisch Σ O
R N
–
C
V
C
C
–
(f) Spanisch
Σ O
R N
–
C
V
C C
–
Französisch lässt im Anlaut und in der Coda maximal drei Segmente zu (cf. /stʀikt/, /tɛkst/, /pɛʀdʀ/). Die spanische Silbe kann mit einer «Silbenumfangsbeschränkung» so beschrieben werden: «Die spanische Silbe enthält maximal fünf Segmente, von denen höchstens zwei im Onset und höchstens drei im Reim stehen dürfen» (Kubarth 2009, 164; cf. Harris 1983/1991, 14).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
(fortgesetzt)
(g) Portugiesisch Σ O
C–()
R N
C
V
C–()
Die hochgestellten Ziffern hinter dem Symbol für Konsonanten (C0–3, C0–4 etc.) geben je nach Position die Anzahl (bei Maximalrealisierung in isolierter Silbe) zulässiger konsonantischer Segmente im Silbenanlaut bzw. der Coda wieder, V steht für den in der Regel vokalischen Silbenkern. Diese Elemente unterliegen für jede Sprache einer Reihe von phonotaktischen Beschränkungen, die die erlaubten Sequenzen festlegen und über die schematische Darstellung hinaus einzeln spezifiziert werden müssen (d. h. das reduktionistische, beschreibungsökonomische Modell bedarf in einem zweiten Schritt einer Reihe von Zusatzinformationen). Das Modell veranschaulicht gut den kompositionalen Charakter der Silbenstruktur, die sich als Zusammensetzung («Bau») von C- und V-Elementen nach der Maßgabe einzelsprachlicher Strukturbeschränkungen beschreiben lassen. Tatsächlich gehören Silben als «Grundbausteine» von Sprache zu den Elementen, die einzelsprachlich recht klaren Strukturrestriktionen unterworfen sind. Die maximale und minimale Zahl der sie ausmachenden Positionen kann regelhaft bestimmt werden und liegt üblicherweise im niedrigen einstelligen Bereich, angesichts der Basissstruktur CV heißt dies nahe einem numerischen Wert 2. Andererseits ist dieses Modell zwar schematisch klar, lässt aber die segmentale Füllung der Positionen und Lautkombinatorik in der jeweiligen Sprache offen und abstrahiert von möglichen phonologischen Konditionierungen (z. B. Akzentabhängigkeit, Resyllabierung je nach vorherigem oder Folgesegment in einer Silbensequenz). Für ein vollständigeres Bild einzelsprachlicher Silbenvorkommen bedarf es zunächst ergänzender Angaben zu Markiertheitsbeschränkungen, Sonoritätsabfolgen und Baupräferenzen, die der folgene Abschnitt behandelt. Weitere Klärungen zu möglichen Spezifizierungen der jeweils realisierten Silbentypen – sowohl aus der Sicht theoretischer Voraussagen wie aus der Sicht des materiellen Befunds in Einzelsprachen – erbringen die Silbentypinventare und Frequenzinformationen in Kap. 3 sowie die Einordnung von Silbentypen in ein Organisationsschema, wie es in Kap. 4 entworfen wird.
2.1 Struktureigenschaften von Silben
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2.1.3 Markiertheit, Sonoritätsabfolge, Präferenzgesetze Neben Ansätzen, die auf die Identifizierung von Positionen, Konstituenten der Silbe abstellen, werden vielfach allgemeine Strukturprinzipien der Einheit Silbe angenommen, deren Universalität je nach theoretischer Position unterschiedlich gesehen wird. Kriterien für die Unmarkiertheit einer sprachlichen Struktureigenschaft, hier auf den «Bau der Silben und Silbenfolgen sowie auf die syllabische Organisation angewendet» (Restle/Vennemann 2001, 1312), liegen in deren Verbreitung in den Sprachen der Welt (Typ-Vorkommen in Inventaren und Token-Häufigkeit), dem Zeitpunkt ihres Auftauchens im Erstspracherwerb und ihrer Erhaltung unter Bedingungen des aphatischen Sprachverlusts. Oft wird der Gegensatz Markiertheit vs. Unmarkiertheit bei der Beschreibung der Glieder eines Oppositionspaars mit der Merkmalhaltigkeit vs. Merkmallosigkeit kontrastierender sprachlicher Elemente (z. B. in der Morphologie) gleichgesetzt. Allgemein werden unmarkierte Einheiten durch einfachere Mittel ausgedrückt, sie sind sowohl in ihrem Textvorkommen als auch in den Sprachen der Welt häufiger, erscheinen im Spracherwerb früher und sind vielfach Endpunkt von Sprachwandelprozessen. Für die relative Markiertheit phonologischer Einheiten kann man in Anlehnung an Jakobson/ Halle (21971 [1956]) hinzufügen: Ein Element Y ist markierter als ein Element X, wenn die Existenz von Y in Einzelsprachen die Existenz von X impliziert.62 In der Phonotaktik treffen mindestens für den CV-Typ alle diese Kriterien zu (s. u., 3.7.2). Der CV-Typ, den wir oben (1.2.1) bereits als «Fluchtpunkt» silbischer Komplexitätsreduktion bezeichnet haben, ist silbentypologisch in der Tat Endpunkt struktureller Optimierung durch Sprachwandelprozesse (zur Bedeutung im Erstspracherwerb s. o., 2.1.1; cf. MacNeilage/Davis 2005; Kubarth 2009, 71–72; auch Morales-Front 2006). Auf diesen Punkt zulaufende Trajektorien (s. u. 3.1.4 und 6) können für einzelne romanische Varietäten konstruiert werden (s. u., Kap. 6). Auf den Zusammenhang zwischen Unmarkiertheit und hoher Vorkommensfrequenz bzw. Markiertheit und geringerer Vorkommensfrequenz sowohl innerhalb eines Sprachsystems als auch übereinzelsprachlich weist auch Pons-Moll (2009, 47–48) hin: Während unmar-
Zur Markiertheitstheorie und dem Gegensatz markiert vs. unmarkiert cf. allgemein Bußmann (42008, s. v. «Markiertheitstheorie»), zur Markiertheit in Phonologie und Morphologie auch Pons Moll (2009), ferner Koch (22008, 40). Die Begrifflichkeit wird bereits in der Prager Schule unter Einfluss von Trubetzkoy und Jakobson (cf. Jakobson/Halle 21971 [1956]) entwickelt und in der Typologie fruchtbar gemacht, cf. Greenberg (1966); zur phonologischen Typologie cf. W. Mayerthaler (1982); Maddieson (1984); zum typologischen Vergleich von Silbenstrukturen Maddieson (2013; s. o., 1.2.1).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
kierte Elemente in den Inventaren der meisten Sprachen vorkommen,63 finden sich markierte Elemente nicht in den Inventaren aller Sprachen.64 Allerdings sind hier in makroskopischer Perspektive interessante Einschränkungen zu machen. Wenn Maddieson (2013) zur Silbenstrukturtypologie feststellt, dass in der Überblicksbetrachtung von knapp 500 Sprachen, was eine gewisse Repräsentativität erwarten lässt, nur bei 12,5% ein Silbentypinventar von ausschließlich unmarkierten (C)V-Strukturen auftritt, so legt das möglicherweise den Schluss nahe, in solch makrotypologischer Sicht auf eine Vielzahl von Sprachen der Welt ein Inventar mit einer in den einzelnen Sprachsystemen fraglos unmarkierten (Einfachheit, universelles Vorkommen, Bedeutung im Spracherwerb etc. sind gegeben) Struktur seinerseits als markiert anzusehen. Für die genauere Klassifizierung des Silbenaufbaus ist das Modell einer geordneten Sonoritätsabfolge (bzw. -skala oder -hierarchie) in verschiedenen Ausprägungen postuliert worden. Es beschreibt die Zunahme der Schallfülle (Sonorität), wie sie silbenkernbildende, meist vokalische, Elemente kennzeichnet, gegenüber dem geringeren Sonoritäts- (bzw. ansteigenden Obstruktions-)Grad konsonantischer Elemente, wie er für Silbenränder charakteristisch ist. Diese Tendenz fasst Blevins (1995, 210) in folgender Weise als «Sonority Sequencing Generalization (SSG): Between any member of a syllable and the syllable peak, a sonority rise or plateau must occur» (cf. Tab. 2.1; auch Heinz/Schmid 2021, 102). Tab. 2.1: Sonoritäts- bzw. Obstruktionsskala (hier nach Vennemann 1988; Harris 2000; Hall 22006). ← zunehmende Obstruktion / zunehmende Sonorität → [+konsonantisch]
[-konsonantisch]
Obstruenten (Plosive < Frikative)
Nasale
Liquide
[+hoch]
[-hoch]
ptʧkbdgfθsx
mnɲ
lr
iu
eoa
Vermutlich gibt es keine Sprache, die ausschließlich im typologischen Vergleich markierte Elemente enthält, doch ist dies angesichts von geschätzten 4.000–6.000 Sprachen auf der Welt, cf. z. B. Ruhlen (1991), schwer abschließend zu klären. Zum kognitiven Zusammenhang zwischen Markiertheit, Frequenz und dem sog. entrenchment von Elementen cf. Schmid (2007) und 4.1.
2.1 Struktureigenschaften von Silben
49
Eine solche Generalisierung formuliert und problematisiert auch Vennemann (1986, 36; cf. auch Restle/Vennemann 2001, 1312),65 doch entwickelt bereits der junggrammatisch geprägte Germanist und Pionier der wissenschaftlichen Phonetik Eduard Sievers (51901, 182–196) das Konzept einer Sonoritätsabfolge in der Silbe. In der hier dargestellten Form steht das Modell auch im Zusammenhang mit der Theorie der distinktiven Merkmale (cf. Jakobson/Fant/Halle 71967 [1952]; Jakobson/Halle 21971 [1956]; Chomsky/Halle 1968 u. a.). Zwei wesentliche Strukturprinzipien für eine solche Hierarchie der Schallfüllegrade finden sich ursprünglich bei Jespersen (1904). Dieser konstatiert zum einen, dass in jeder Äußerung genauso viele Silben gezählt werden können, wie Schallfüllegipfel vorhanden sind. Zum anderen sieht er eine Hierarchie vor, derzufolge die Sonorität vom Silbenanlaut zum Gipfel hin zu-, vom Gipfel zur Coda dagegen spiegelbildlich (dies ist in der Literatur auch als coda mirror bekannt) abnimmt, wie z. B. in engl. brand (Sonoritätssequenzierungsprinzip, SSP). Die angenommene Symmetrie einer solchen Hierarchie ist umstritten, es lassen sich leicht Beispiele für abweichende Sonoritätsfolgen an Silbenrändern finden. In vielen Sprachen verbreitete Silbenstrukturen des Typs spV, stV, skV im Anlaut oder Vps, Vts, Vks in der Coda verletzen dieses Prinzip in offensichtlicher Weise, sind jedoch gegenüber den in der Hierarchie vorgesehenen symmetrischen Sonoritätssequenzen möglicherweise perzeptuell vorteilhaft (cf. Engstrand/ Ericsdotter 1999). Der Spirant /s/ (oft auch präpalatales /ʃ/) hat in der Silbifizierung vieler Sprachen, darunter auch der romanischen, eine gewisse Sonderstellung inne. Wegen seines Unterbrechens theoretisch präferierter Sonoritätsabfolgen in Silbenanlauten und -auslauten wird für diesen teils der Status als «extrasilbisches» (d. h. außerhalb der Silbenstruktur zu wertendes) oder «verirrtes» (engl. stray) Segment angenommen (z. B. von Steriade 1982). Unter den romanischen Sprachen erlaubt etwa Französisch zunehmende Sonorität auch in der Coda, z. B. in table, arbre, livre etc. [tabl, arbʁ, livʁ], wobei hier die sonoren Elemente aus Anlauten zu einem elidierten, ursprünglich nukleusbildenden Schwa herrühren (zum Sonoritätsprofil s. u., Kap. 3.1, Bsp. 31). Katalanisch kennt morphologisch bedingt steigende Sonorität durch das Flexionssuffix -s als Nominal oder Verbalendung in verschiedenen Funktionen (z. B. kat. gat-s ‘Katzen’, et-s ‘du bist’, s. u. Kap. 3). Die Annahme eines Sonoritätskontinuums, das Laute tendenziell entlang einer Linie von geringerer zu größerer Eignung, Silbenkerne zu bilden, anordnet, erscheint aber für die Beschreibung von Silbenstruktur grundsätzlich nützlich, denn «[d]as Konzept der Sonorität erlaubt eine prägnante Formulierung von Präferenzgesetzen zur Silbenstruktur» (Restle/Vennemann 2001, 1312; differenziert auch bei Pons-Moll 2011, 107–110).
Einen knappen Überblick dazu liefert Hall (22006, 330–331).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
Die Zunahme der Sonorität zum Silbenkern hin und deren Abnahme zu den Rändern hin hat Konsequenzen für diese Präferenzgesetze, d. h. Silbenbauregeln, die universal feststellbare Präferenzen des Aufbaus von Silben formulieren (cf. Vennemann 1988; Restle/Vennemann 2001; Pompino-Marschall 32009, 237–243; zu Details der Strukturgesetze cf. Kap. 3.1). Diese beziehen sich auf den Gegensatz markiert/unmarkiert (cf. Jakobson/Waugh/Taylor 32002 [1941]), der hier in anderer Formulierung erscheint: «Präferenzgesetze sind dabei als graduierende Qualitätsfeststellungen aufgefasst. Die Konzeption ist eine Generalisierung der Jakobson’schen (Un-)Markiertheitsauffassung: Statt mit dem Gegensatzpaar ‹Unmarkiert› : ‹Markiert› arbeitet sie mit der Graduierung ‹Umso weniger markiert, je› bzw. ‹Umso stärker präferiert, je›, oder einfach ‹Umso besser, je›» (Restle/Vennemann 2001, 1312). Die silbische Organisation gesprochener Sprache ist im Sinne der bis hierher beschriebenen Prinzipien als zyklische Abfolge von Sonoritätsminima und Sonoritätsmaxima zu denken, was auch die wahrnehmungsoptimierende Funktion der Silbifizierung lautsprachlicher (sekundär auch schriftlicher) Sequenzen verdeutlicht.66 Als dieser Abfolge ideal entsprechende Struktur ist der universelle Typ CV (s. o., 1.2.1) anzusehen.67 Optimale Silbenfolgen CV.CV.CV etc. (cf. Vennemann 1986, 33) sind charakteristisch für viele Sprachen. Neben diesen einfachen Silbentypen kommen in den Sprachen der Welt jedoch vielfach deutlich komplexere Strukturen vor (zur statistischen Verteilung cf. den in 1.2.1 referierten Überblick von Maddieson 2013), die aufgrund ihrer hohen Merkmalhaltigkeit (gegenüber einfachen Typen enhalten diese Merkmalinformationen wie Onset/Coda besetzt, Anzahl der Onset/Coda-Segmente etc.) nicht anders als markiert genannt werden können, in den Inventaren vieler Sprachen jedoch keine Ausnahmeerscheinungen sind. Deutsche und englische Beispiele68 (7a–b, 8a–b) veranschaulichen Strukturen mit ausgeprägter Onset- und Coda-Komplexität: (7a) dt. Strumpf (7b) dt. strolchst
(n.) [ʃtʀump͡f ] CCCVCCC (2. pers. sg. v.) [ʃtʀɔlçst] CCCVCCCC
S. u., 2.3.2, cf. Geisler (1992, 17–18); Obstruktion und Sonorität fungieren als alternative oder auch komplementäre Kriterien für Stärkehierarchien, die «auf dem für die lautliche Organisation fundamentalen Kontrast zwischen ‘vokalischen’ und ‘konsonantischen’ Segmenten, letztlich also zwischen dem Öffnen und dem Schließen des Mundes, beruhen» (Krefeld 2001, 1341). Zudem ist artikulatorisch auch nach dem «Kriterium des maximalen Kontrastes [zwischen konsonantischer Stärke/Obstruktion einerseits und Sonorität andererseits] die optimale Silbe» (Krefeld 2001, 1341) eine CV-Struktur. Hier und nachfolgend sind lexikalische Beispielformen aus verschiedenen Sprachen i. d. R. der Wörterbuchsammlung PONS entnommen.
2.1 Struktureigenschaften von Silben
(8a) engl. strands (n. pl.) (8b) engl. strengths (n. pl.)
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[stɹændz] CCCVCCC [stɹɛŋkθs] CCCVCCCC
Die Beispiele (7a–b) und (8a–b) sind zumindest bei einer phonetisch orientierten Syllabierung als klare Vertreter monosyllabischer Lautsequenzen anzusehen (eine primär phonologische Sichtweise insbesondere der Konsonanten-Cluster kann hier zu abweichenden Ergebnissen kommen, s. u. und Kap. 3.1.3). In den russischen Beispielen (9a–b) mag hingegen auch die phonetische Silbifizierung der einzelnen Elemente uneindeutig sein,69 unstrittig ist jedoch die Tendenz zur Konsonantenhäufung mit dem Ergebnis komplexerer Silbenstrukturen, hier verstärkt durch die Klitisierung der Präposition в [v]: ‘an der Tür’ (9a) russ. [v.dvjer.ˈji]70 j j j (9b) russ. [vdn e.prɑ.p e.ˈtroːvsk. e] ‘in Dnjepropetrowsk’ In Sprachen mit Tendenz zur Schwächung und Tilgung unbetonter Vokale wie dem Russischen findet sich überdies die Tendenz in Schnellsprechformen (Allegroformen) zur Vereinfachung von Konsonantenclustern, teilweise gepaart mit der Tilgung ganzer Silben (getilgtes Lautmaterial hervorgehoben): (10) russ. [ˈzdɾa.stvʊj.tje] → [ˈzdra.stje] ‘Guten Tag’ Diese Tendenz ist auch in manchen romanischen Sprachen möglich und üblich, im Rumänischen (cf. 3.6.4) kann hieraus sowohl eine silbische Vereinfachung (11a) als auch eine tendenzielle Komplexitätszunahme folgen (11b): (11a) rum. / [ˈtrej.spre.ze.ʧe / ˈʃaj.spre.zeʧe] → [ˈtrej.ʃpe / ˈʃaj.ʃpe] ‘dreizehn’/‘sechzehn’ (11b) rum. [ne.ve.ˈdem.la.ˈpa.tru.ʃi.ʒu.mə.ˈta.te] → [(...) la.ˈpa.tru.ʃʒu.ˈma.te] ‘wir sehen uns um halb fünf’
Insbesondere aufgrund des klärungsbedürftigen Status der Segmente [j] und [v], weshalb hier auf eine CV-Strukturangabe verzichtet wird; allerdings enthält die Transkription einen Segmentierungsvorschlag auf der Basis möglicher Wortanlautgruppen. Hochgestellte Laute zeigen in der phonetischen Transkription reduzierte, i. d. R. ungespannte Artikulation an.
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
Eine Syllabierung CCV [ʃʒu] als Ausdruck der Klitisierung der unbetonten Partikel şi ‘und’, in der formelhaften Verwendung bei Uhrzeitangaben semantisch weitgehend ‘leer’, erscheint hier plausibel, eine Wertung des Sibilanten als Coda der vorhergehenden Silbe VC [ˈpa.truʃ] eher unplausibel; alternativ ist hier ein silbischer Status von [ʃ] anzunehmen. Der tschechische Satz (12) tsch. [str̩ tʃ pr̩ st skr̩ z kr̩ k] ‘Steck den Finger durch die Kehle’71 enthält Beispiele von phonetisch gesehen konsonantischen, phonologisch nach gängiger Definition vokalischen (oder vokoiden) Silbenkernen – typischerweise Liquide, d. h. Laterale und Vibranten, hier der Vibrant [r̩ ] –, wie sie etwa in verschiedenen slawischen Sprachen, doch nicht nur dort, vorkommen.72 Gleichzeitig erweist (12) die Möglichkeit des Vorkommens sehr komplexer, segmental ausschließlich konsonantisch gefüllter Silbentypen, die in lexikalisch unmarkierten Formen des Kernwortschatzes erscheinen und syntaktisch ohne weiteres in einer Folge auftreten können. Bei der Beschreibung der Bestandteile von Silbenstrukturen und deren Distribution in komplexen Clustern geht die vorliegende Darstellung von dem aus, was phonetisch-materiell (d. h. wahrnehm- und beschreibbar) ist, und nicht von dem was phonologisch im Sinne modelltheoretischer Voraussagen vermeintlich sein müsste. Im Konzept der Präferenzgesetze, die im Detail in Kap. 3.1.2 besprochen werden, konvergieren nicht von ungefähr Bedingungen der Wohlgeformtheit, Optimalität, typologischen Verallgemeinerbarkeit und Natürlichkeit, hatte Vennemann selbst doch die Entstehung der Natürlichen Generativen Phonologie maßgeblich beeinflusst (cf. Vennemann 1972). Vennemann fasst Sprach-, in diesem Fall Lautwandel als Verbesserung an einem Parameter auf, wodurch weitere Wandelprozesse in Gang gesetzt werden können (cf. auch Bybee 2001, 205). Die Bedingungen struktureller Optimalität zu formalisieren, bleibt als zentrales Anliegen der OT überlassen (hierzu 4.3.1 u. 5.5), die Vorstellung typologischer Präferenzen aufgrund in unterschiedliche Richtungen wirkender universaler Strukturprinzipien ist dagegen weitaus älter. Daraus folgt für diese Untersuchung, dass zunächst alle in Sprachdaten realisierten Elemente von Silben berücksichtigt werden und nicht a priori aufgrund einer gewählten phonologischen Interpretation der vorgefundenen Strukturen aus der Betrachtung ausscheiden. Der umstrittene Status eventuell extrasilbischer Ele Cf. Bußmann (42008; s. v. «Contoid vs. Vocoid»); in der phonetischen Transkription ist die silbenbildende Eigenschaft des Vibranten in üblicher Weise diakritisch notiert. Im Tschechischen und Slowakischen können außerdem auch längere vokallose Sätze gebildet werden.
2.1 Struktureigenschaften von Silben
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mente wie /s/ vor Zweierkonsonantengruppen z. B. in it. stra.me (CCCV oder Cextr. CCV)73 kann und soll hier daher nicht entschieden werden (s. o., Steriade 1982; Hall 2002 sowie die Diskussion der Syllabierung von sC-Nexus bei Bertinetto 1999; 2004).74 Aus formaler Sicht bietet Duanmu (2008, 2011) einen Überblick zu silbischen Strukturen und den Grenzen ihrer einzelsprachlichen Variation, der auch strittige Fälle betrachtet, und dabei eine strikte Rückführung auf einen einzigen generalisierbaren (phonologischen) Silbentyp CVX postuliert, in der Ausschließlichkeit der postulierten Strukturbeschränkung dabei nicht unähnlich Lowenstamms (1996) auf anderen theoretischen Prämissen beruhendem Vorschlag, phonologisch den Typ CV als einzigen Silbentyp zugrundezulegen (zu diesen Herangehensweisen u. a. Passino/Brandão de Carvalho/Scheer 2021 und zu Kritik daran aus typologischer Sicht, z. B. Blevins 2004; 2010; cf. Kap. 3.1). Die Strukturtypen, die Gegenstand dieser Arbeit sind, gehören in aller Regel zum anerkannten Kernbestand beschriebener Silbenmuster. Weniger als deren Zulässigkeit im Rahmen einer bestimmten phonologischen Analyse interessiert hier deren Zugehörigkeit zu und das Gewicht in bisher erstellten Silbentypinventaren romanischer Sprachen sowie deren mögliche Anordnung in einem neuen Modell silbentypologischer Organisation. Die Betrachtungsweise dieser Arbeit ist also «datengetrieben» und gelangt von der Beschreibung und klassifikatorischen Anordnung sprachlichen Materials zu Hypothesen über deren Kategorisierung und Systemorganisation.75 Damit wird nicht ausgeschlossen, dass sich in einer strikt phonologischen Interpretation die Komplexität der vorgefundenen Elemente, zumindest in einigen Fällen, in plausibler Weise auf zugrundeliegende einfachere Syllabierungsmuster reduzieren lässt. Doch steht hier der Befund der Variation und Komplexität (im Sinne der Lautsubstanz der beschriebenen Se-
Nach Vennemann (1988) ist ein Segment /s/ zu den silbischen Appendices (silbenitial: Präpendix, silbenfinal: Suppendix) zu zählen, das als lokales Sonoritätsmaximum nicht des Status eines Silbenkerns innehat, und diachronisch Teil einer eigenen Silbe werden kann, etwa durch die Entstehung prosthetischer Vokale (cf. z. B. lat. SCHOLA /sk-/ > sp. escuela /esk-/), die Sampson (2010) auf breiter Basis untersucht. Dies berührt typologisch durchaus bedeutsame Fragen wie die, ob Sprachen wie das Italienische über dreifachkonsonantische Silbenonsets verfügen; die Forschung ist darin nicht einig, cf. die luzide Diskussion der wesentlichen Ansätze bei Bertinetto (1999) sowie w.u. 4.4; zur Annahme von stray segments cf. Steriade (1982); s. o. 2.1. Hall (2002) argumentiert gegen die Annahme extrasilbischer Konsonanten im Deutschen und Englischen. Die hier vertretene Herangehensweise (primär data driven vs. theory driven approach) lehnt sich damit an kognitiv-funktionale, sprachgebrauchsbasierte Erklärungsversuche für phonologische Struktur wie Bybee (2001) an. Zu den gegenüber anderen Forschungsgebieten der Linguistik dennoch sichtbaren Gemeinsamkeiten formaler, funktionaler, typologischer etc. Ansätze in der Phonologie cf. die einleitenden Bemerkungen von Durand/Laks (1996).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
quenzen) von Silbenbautypen in (romanischen) Einzelsprachen im Vordergrund; die konkreten Strukturtypen werden in Kap. 3 diskutiert. Die Untersuchung sieht sich damit eher als notwendige Ergänzung denn als entgegengesetzte Alternative zu Betrachtungsweisen, die rein theoriebasierte Postulate aufstellen und auf die vorfindlichen Strukturen anzuwenden suchen.
2.2 Silben als materielle Seite von Sprachzeichen Segmente und Silben stellen gewissermaßen den materiellen Anfangspunkt natürlicher Sprache dar.76 Neben ihren inhärenten phonologischen Struktureigenschaften fungieren Silben maßgeblich, wenn auch nicht ausschließlich, als materieller Ausdruck von Sprachzeichen.77 Im Folgenden wird dieser materielle Aspekt von (insbesondere silbenförmigen) Signifikanten näher betrachtet.78 Zu klären ist zunächst der Zusammenhang der Einheit Silbe mit den Strukturebenen der Sprache (2.2.1), es folgen Überlegungen zu Prinzipien der Ökonomie in der Zeichenextension, Typen nichtsilbischer Zeichenträger und zu verschiedenen Graden der Substanz von Zeichenhaftigkeit (2.2.2). In Form eines Exkurses wird ferner nach möglichen Signifikantenhierarchien (2.2.3) mit minimalen (2.2.3.1) und maximalen (2.2.3.2) Domänen des Zeichenausdrucks gefragt.
Für die folgenden Ausführungen cf. Heinz (2009). Neben segmentalen und silbischen Einheiten als phonische «Hülle» für Morpheme und Lexeme sind auch sub- und suprasegmentale Merkmale auf ihre semiotische Relevanz hin zu befragen (cf. Jakobson/Waugh/Taylor 32002; Krefeld 2001, 1341–1343). Als Nullpunkt sprachlicher Realisierung kann man ferner die Nicht-Realisierung von Elementen anführen (wobei die Absenz von Elementen ex negativo durch die Möglichkeit ihrer Präsenz definiert ist, diese also nicht für sich allein Ausdrucksmacht haben). Die mögliche Zeichenhaftigkeit sogenannter Nullelemente in der Morphologie und prosodischer Erscheinungen wie Sprechpausen (mit einer Vielzahl möglicher Bedeutungen) wird im Folgenden kurz behandelt. Als Signifikantenseite wird hier die einzelsprachliche Ebene des konkreten Zeichenausdrucks sowie seiner abstrakten Repräsentation bezeichnet (cf. die Ausdrucksseite im Sinne Saussures, Substanz und Form des Ausdrucks bzw. im Sinne von Martinets Unterscheidung die zweite Gliederungsebene in ihrem Bezug zur ersten, s. u., 2.2.1). Graphische Signifikanten bedürften einer gesonderten Behandlung, die jedoch über den Themenbereich dieser Arbeit hinausginge; interessant könnte dies z. B. im Blick auf die Entwicklung von ideographischen zu Silbenschriften in Schriftsystemen wie dem Chinesischen sein.
2.2 Silben als materielle Seite von Sprachzeichen
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2.2.1 Silben und die Beschreibungsebenen der Sprache Das Phänomen Sprache muss bekanntlich in mehreren Dimensionen beschrieben werden. Die präzise Ermittlung und Beschreibung der relevanten Strukturebenen und deren (in der Sprachproduktion und -wahrnehmung prozessuales) Zusammenspiel wird nach wie vor rege diskutiert – insbesondere die Interaktion mehrerer Ebenen an Schnittstellen (Interfaces). Ebenen der sprachlichen Struktur manifestieren sich etwa in Lauten, Form-Bedeutungseinheiten, Mustern der linearen Anordnung etc., die als (gegebenenfalls hierarchisierbare) Beschreibungsebenen Gegenstand der systematischen Sprachbetrachtung sind. Solche deskriptiven Ebenen (Level) spielen in den verschiedensten Grammatikmodellen, etwa in der von M.A.K. Halliday begründeten systemisch-funktionalen Grammatik oder in der generativen Grammatik im Gefolge Chomskys, eine wichtige Rolle.79 Gängige Systematiken unterscheiden in der Regel mindestens eine lautliche (meist in eine phonetische und eine phonologische Perspektive gegliederte) Ebene sowie als Grammatik im engeren Sinne eine morphologische (den Bau von Wörtern betreffende), eine syntaktische (Wortstellungsphänomene betreffende) und eine semantische (die Inhaltsseite sprachlicher Äußerungen betreffende) Ebene; vielfach wird zudem eine pragmatische (sprachliche Äußerungen als kommunikative Handlungen oder Sprechakte betreffende) und eine eigene lexikalische Ebene angenommen.80 Sprachliche Phänomene, die mehrere Ebenen betreffen bzw. an deren Schnittstelle realisiert werden, finden zunehmende Aufmerksamkeit in der Forschung.81 Man kann mit Klann-Delius (32016, 62–63; cf. auch Ramchand/Reiss 2007, 1–3) zunehmend von einem Abrücken vom Postulat relativ sauber getrennter Modularität (oder gar Autonomie) der Beschreibungsebenen sprechen, das den nordamerikanischen (nach Chomsky «taxonomischen») Strukturalismus prägte und noch in frühere Ansätze generativer Phonologie hineinwirkt.
Crystal (62008, s. v. «level») definiert diese so: «A general term in linguistics to refer to a major dimension of structural organization held to be susceptible of independent study». Zur Bestimmung des Gegenstandsbereichs von grammatischer Beschreibung cf. Linke/Nussbaumer/Portmann (52004, 50–57). Elaborierte Hierarchien struktureller Ebenen entwirft schon früh das über den amerikanischen Strukturalismus hinausweisende Modell der Tagmemik, das jenseits rein sprachlicher Kategorien unter Einschluss anthropologischer Sichtweisen eine systematische Beschreibung menschlichen Verhaltens anstrebt und besonders bei der Erforschung noch nicht beschriebener Sprachen zum Einsatz kam, cf. Pike (21967), eine Anwendung ist z. B. Crawford (1963). Cf. z. B. den Titel eines Bandes über generative (minimalistische) Grammatiktheorie, Interfaces + recursion = language? (Sauerland/Gärtner 2007) oder das Handbook of Linguistic Interfaces (Ramchand/Reiss 2007).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
Vor der Frage nach der möglichen Zuordnung von Silben zu bestimmten Ebenen stellt sich zunächst die allgemeinere Frage: Welche dieser Dimensionen sind im Zusammenhang der materiellen Manifestation von Sprachzeichen besonders wichtig? Bei der Ausdrucksseite von Sprachzeichen überlagern sich verschiedene Ebenen der Zeichenhaftigkeit: – phonologische Ebene (Lautketten → Morpheme) – morphologische/lexikalische Ebene (Morpheme → Wörter) – syntaktische Ebene (Wörter → Syntagmen) Bei primärer Betrachtung der Materialität von Sprache fällt zunächst die zweifache Gegliedertheit auf, die double articulation du langage (cf. Martinet 21970 [11960], 13–27) in Ketten kleinster bedeutungstragender (abstrahiert: Morpheme) und bedeutungsunterscheidender Einheiten (abstrahiert: Phoneme). Seitens der Sprecher werden vor allem erstere in Form von Silben (man denke z. B. an die Wahrnehmung von Präfixen als «Vorsilben») als lautlich und graphisch fassbare materielle «Hülle» der Sprache wahrgenommen. In Sprachen wie dem Chinesischen kommt es zu einer sehr weitgehenden Gleichsetzung von Silben und Morphemen, die Konsequenzen auch für die linguistische Beschreibung hat (cf. etwa der silbenphonologische Ansatz von Duanmu 2008). Phonemrepräsentationen werden dagegen ohne linguistische Vorbildung in der Regel weniger klar erkannt, die Bestandteile einer Lautkette werden von (alphabetisierten) Sprachverwendern mit Buchstaben gleichgesetzt. Eine Präposition wie spanisch a kann z. B. als Lautsegment, Silbe, Morphem und Lexem zugleich analysiert werden, in der Sprecherwahrnehmung wird diese Einheit primär als Wort (Lexem) und Silbe, sekundär als Buchstabe identifiziert. Bei der Syllabierung von größeren Einheiten, Lexemen, ist, vor allem wohl bedingt durch Habitualisierung im frühkindlichen Spracherwerb und in der Schule, eine ausgeprägte Übereinstimmung innerhalb von Sprachgemeinschaften festzustellen.82 Auf die Frage nach der Ebenen-Zuordnung der sprachlichen Größe Silbe zurückkommend erscheint es angebracht, diese nicht begrenzt auf eine einzelne Dimension zu sehen: Das unterschiedliche Verhalten der Einheit Silbe auf phonetischer, phonologischer und – in ihrer Eigenschaft als materieller Ausdruck von Morphemen – auf morphologischer Ebene legt vielmehr nahe, sie zu den sog. Mehrebenen- bzw.
Cf. Yang (2006, 53–54); zum Erwerb von Silbentypen bei spanischsprachigen Kindern cf. Morales-Front (2006); jenseits dieser im Spracherwerb angelegten intuitiven Perzeption ist die Einheit ‘Silbe’ theoretisch gegenüber etwa dem Morphembegriff schwerer zu fassen (s. o., 2.1.1, 2.1.2); gleichfalls umstritten ist der Phonembegriff, der besonders in der frühen generativen Phonologie in Frage gestellt wird (cf. Chomsky/Halle 1965).
2.2 Silben als materielle Seite von Sprachzeichen
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Schnittstellenphänomenen83 des Sprachsystems zu zählen. Mit einiger Berechtigung wäre die Silbe analog zu sehen zum Wort als einer sprachlichen Einheit mit ähnlich notorischer Definitionsproblematik, die je nach dem funktionalen Aspekt, der gerade in den Blick genommen wird, einzelnen Beschreibungsebenen zugeordnet und dann etwa phonologisches Wort, Morphem(kombination), Lexem, Lexie, syntaktisches Wort, Signifikant etc. genannt wird.
2.2.2 Ökonomie, Zeichenextension und nichtsilbische Zeichenträger Die kaum zu überblickenden Diskussionen zum sprachlichen Zeichenbegriff aus über zweitausend Jahren der Sprachreflexion werden im hier interessierenden Zusammenhang einer semiotischen Einordnung der Silbe auf die seltener behandelte Frage nach der Extension von Zeichendomänen eingeengt. Zumeist wird erst morphemhaften Elementen aus Form und Bedeutung (als Moneme, Morpheme, Glosseme oder Plereme bezeichnet)84 Zeichencharakter zugesprochen, lediglich bedeutungsunterscheidenden Elementen (Phonemen) hingegen nicht. Martinet (21970 [11960], 21) nennt explizit auch als Beispiel aus der Prosodie, das weder segmental noch linear im Sinne eines Morphems kodiert ist, die Frageintonation bei unveränderter Satzsyntax (s. u.). Wegweisende Überlegungen für eine strukturale Auffassung des Problems (und darüber hinaus) finden sich u. a. bei Saussure, Martinet und Jakobson.
Zu solchen Schnittstellenphänomenen (engl. interface phenomena) können Phänomenkomplexe wie die sprachliche Enkodierung von Informationsstruktur (Schnittstelle Syntax-Semantik z. B. bei Satzsegmentierungen, Phonologie-Syntax bei gleichzeitiger prosodischer Fokusmarkierung) oder Tempus-Modus-Aspekt (TMA, betrifft in vielen Sprachen die morphologische, syntaktische und semantische, teils auch die lexikalische Ebene) und Verbundphänomene wie Sprechrhythmus (s. u., 4.4.2) gezählt werden wie auch einzelne enger umrissene Erscheinungen etwa im Bereich der Phonosyntax (z. B. die französische liaison oder das italienische raddoppiamento fonosintattico). Ansätze einer «Schnittstellenperspektive» für die Syntaxforschung entwirft Goldbach (2005). Zur Rolle von Morphemen als Minimalsignifikanten, s. u., 2.2.3.1. Für eine Klärung der terminologischen Vieldeutigkeit von Morphem cf. auch die komplexen Unterscheidungen der Glossematik, z. B. Hjelmslev/Uldall (21967), sowie Coseriu (1954). Dabei ist zunächst die Doppelunterscheidung Ausdruck vs. Inhalt und Form vs. Substanz (auf die Lautebene bezogen: Phonetik = Substanz des Ausdrucks, Phonologie = Form des Ausdrucks) zu gewärtigen. Im glossematischen Zeichenbegriff stehen Plereme einerseits für kleinste «volle» Einheiten der Inhaltsebene (in Verbindung mit abstrakten phonologischen Merkmalen, sog. Kenemen, als Glosseme klassifiziert), andererseits synonym für Morpheme, aus Monem als Ausdrucksform und Semem als Inhalt (cf. Bußmann 42008, s. v. «Plerem», «Glossem», «Glossematik»). Abzugrenzen ist davon Bloomfields (1933, 264) Definition von Glossem als «smallest meaningful unit of linguistic signaling» (zugleich Oberbegriff für grammatische Tagmeme und lexikalische Morpheme).
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In seinem Cours de linguistique générale spricht Saussure (1972 [11916], 26) an einer Stelle explizit von der Möglichkeit, den «langage articulé» als Doppelung von Silbenunterteilung und Zeichenabfolge zu beschreiben:85 «[E]n matière de langage, l’articulation peut désigner ou bien la subdivision de la chaîne parlée en syllabes, ou bien la subdivision de la chaîne des significations en unités significatives [...]». Dies entspricht ante litteram einer abgewandelten Definition der double articulation (hier eine chaîne parlée in Silben und eine chaîne des significations in Bedeutungseinheiten), welche André Martinet weiterentwickelt, wobei er die chaîne parlée primär in distinktive Laute gegliedert sieht. Die Bedeutung dieser zweifachen Gliederung für die weitgehend unbeschränkte Kreativität und zugleich größtmögliche Ökonomie menschlicher Sprache ist klar ersichtlich: [...] Quelques milliers d’unités, comme tête, mal, ai, la, largement combinables, nous permettent de communiquer plus de choses que ne pourraient faire des millions de cris inarticulés différents. [...] Chacune de ces unités de la première articulation présente, nous l’avons vu, un sens et une forme vocale (ou phonique). Elle ne saurait être analysée en unités successives plus petites douées de sens [...] (Martinet 21970 [1960], 14).
Zum Minimalzeichencharakter der «unités linguistiques de base», der Moneme (bzw. Morpheme in der Terminologie des amerikanischen Strukturalismus), bemerkt Martinet: «Un énoncé comme j’ai mal à la tête ou une partie d’un tel énoncé qui fait un sens, comme j’ai mal ou mal, s’appelle un signe linguistique. [...] Les unités que livre la première articulation, avec leur signifié et leur signifiant sont [...] des signes minima puisque chacun d’entre eux ne saurait être analysé en une succession de signes» (21970 [1960], 15). Die Reduktion auf einige tausend minimale Laut-Sinn-Einheiten als Kombinationsgrundlage des Lexikons ist ein erster Schritt ökonomischer Verknappung der zu erlernenden sprachlichen Elemente. Radikaler ist diese Vereinfachung auf der zweiten Gliederungsebene: «Grâce à la seconde articulation, les langues peuvent se contenter de quelques dizaines de productions phoniques distinctes que l’on combine pour obtenir la forme vocale des unités de première articulation [...].» (Martinet 21970 [1960], 15). Wie Phoneminventare der bislang beschriebenen Sprachen übereinstimmend zeigen, beschränkt sich das Repertoire distinktiver Laute stets auf wenige Dutzend.86 Hier bedingen Grenzen der Erlernbarkeit, insbesondere aber physiologische Grenzen des phonatorischen Apparats die Reduktion möglicher Elemente.87 Martinet un-
Zu Saussures Silben- und Phonemkonzeption cf. Albano Leoni (2007). Der für die Phoneminventare bekannter Sprachen angegebene Bestand liegt zwischen 13 und 75 (cf. Hockett 1958, 93; Bußmann 42008, s. v. «Phoneminventar»). Der Entwicklung des Artikulationsapparats und des phonologischen Systems ist nach einer frühkindlichen Prägephase weitgehend abgeschlossen (cf. Klann-Delius 32016, 21–24; auch Yang 2006,
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terstreicht die sehr unterschiedliche Häufigkeit der Einheiten der ersten als offene, erweiterbare und in der Tat beständig erweiterte Liste der Wortbildungselemente und der zweiten Gliederungsebene als synchron weitgehend geschlossene, nicht erweiterbare Liste der distinktiven lautlichen Grundeinheiten (cf. Martinet 21970 [1960], 19). Semiotisch ermöglicht die doppelte Gliederung menschlicher Sprache ein Optimum aus einer einerseits sparsamen Auslastung der Signifikantenseite und einer andererseits potentiell unbegrenzten Kreativität bei der Versprachlichung neuer Designate zu Signifikaten. Grundlage dafür ist die reiche Kombinatorik von Lauten zu Morphen und von Morphen zu Lexemen und Syntagmen verbunden mit der gegenüber den physiologischen Begrenzungen der Artikulation relativ großen Kapazität menschlichen Erinnerungsvermögens in Form eines mentalen Lexikons.88 Die Anzahl möglicher Sprachzeichen bezeichnet Saussure (1972 [11916], 107) als unbestimmbar: «[L]es signes linguistiques sont innombrables». «Baumaterial» der Sprache stellen allerdings, wie Martinet richtig bemerkt, einige tausend kombinierbare («[q]uelques milliers d’unités [...] largement combinables», 21970 [1960], 14) lexikalische und grammatische Zeichen dar, die meistens durch einsilbige Morphe repräsentiert sind,89 ihre Anzahl ist für synchron betrachtete Sprachzustände bestimmbar. Die Struktur historischer Einzelsprachen weist einerseits eine sehr begrenzte Zahl Phoneme auf, eine noch immer begrenzte, aber höhere Zahl grammatischer Morpheme und schließlich eine sehr hohe, wenn auch nicht unbegrenzt generierbare und zu größeren Sequenzen kombinierbare Anzahl lexikalischer Morpheme (formal üblicherweise in dualistischer Silben-Morphem-Gestalt als nicht weiter morphosemantisch segmentierbare Einheit repräsentiert). Angesichts der Kreativität der Sprecher und sich daraus ergebenden Entwicklungsmöglichkeiten erweisen sich die potentiellen Kombinationen als «innombrables» im Sinne Saussures. Abgesehen von in lexikalischem90 Material manifesten Zeichen gibt es Klassen von Sprachzeichen, die, wie Martinet (21970 [1960], 21) bemerkt, der zweifachen Gliederung als Proprium aller natürlichen Sprachen entzogen sind: «Toutes les langues présentent le type d’organisation qu’on vient de décrire. Mais ceci ne veut pas dire que les langues n’aient pas recours à des procédés qui n’entrent pas dans le
46–48). Ein Hinweis darauf, dass bereits eine relativ sparsame Auslastung der menschlichen Lautproduktion eine reiche Kombinatorik erlaubt, ist das Freibleiben mehrerer Felder in der Tabelle des allgemeinen Lautinventars der International Phonetic Association (I.P. A.), die für als möglich geltende, aber bislang in keiner Sprache dokumentierte Laute stehen (cf. IPA-Chart 2015). Zur Wortschatzentwicklung im Spracherwerb cf. Klann-Delius (32016, 34–38). Cf. auch die Ausführungen von Bloomfield (1933, 276–277) zur Bedeutung der Häufigkeit von Morphemen und Wörtern in Sprachsystemen. Bzw. in Form von Silben gewissermaßen prälexikalischer Substanz, die jedoch bereits mehr als bloße Segmentkette ist.
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cadre de la double articulation». Solche zu segmentalem Material, Silben, Wörtern, Sätzen ‘querliegenden’ Fälle zeigt Martinet anhand der beiden Signifikanten est-ce que und ‘steigender Intonationsverlauf’ (mit Skopus über der syntaktischen Abfolge, andernfalls vorangestelltes est-ce que), denen im Französischen der satzgrammatische signifié ‘Frage’ zugeschrieben werden kann: En français, par exemple, il est fréquent que le caractère interrogatif de l’énoncé ne soit marqué que par une montée mélodique de la voix sur le dernier mot. On distingue fort bien ainsi entre l’affirmation il pleut et la question il pleut? Ce dernier est l’équivalent de est-ce qu’il pleut? ce qui revient à dire que la montée de la voix dans il pleut? joue le même rôle que le signe /esk/ orthographié est-ce que. On peut donc dire que cette courbe mélodique est un signe, tout comme est-ce que, avec un signifié : «interrogation», et un signifiant perceptible : la montée de la voix (Martinet 21970 [1960], 21, Hervorhebungen MH).
Der Unterschied zwischen den beiden Signifikantentypen beruht auf der Verschiedenenheit ihrer materiellen Manifestation, segmental im ersten, suprasegmental im zweiten Fall. Auch suprasegmentale, sprich prosodische Merkmale können demnach Signifikantenstatus haben; sie müssen nicht auf intonatorische Eigenschaften beschränkt sein (s. u., 2.2.3.1). Ihre Extension ist wiederum variabel, sie kann von der Domäne Silbe (bei der vor allem der meistens vokalische Silbengipfel Akzentträger ist) bis zu satzförmigen Äußerungen (im Skopus einer Intonationskontur) reichen. Ferner kann man fragen, ob auch Einheiten unterhalb der Segmentebene, d. h. subsegmentale Merkmale mit minimaler lautlicher Extension, semiotische Relevanz haben oder gar Zeichenträger sein können. Jakobson/Waugh/Taylor (32002, 21) stellen im Rahmen ihrer Überlegungen zur Lautgestalt, «sound shape», der Sprache fest: «The question of the relationship between the two sides of verbal signs – the signans and the signatum – has finally been extended to the sound units of language as well.» Den Zeichencharakter von distinktiven lautlichen Merkmalen verorten Jakobson/Waugh/Taylor auf einer sehr allgemeinen Stufe: The sole signatum of any distinctive feature in its primary, purely sense-discriminative role is ʻotherness’ [...]. Distinctive oppositions have no positive content on the level of the signatum and announce only the nearly certain unlikeness of morphemes and words which differ in the distinctive features used. The opposition here lies not in the signatum but in the signans: phonic elements appear to be polarized in order to be used for semantic purposes (Jakobson/Waugh/Taylor 32002, 47).
Diese rein bedeutungsunterscheidende («purely sense-discriminative») Eigenschaft von distinktiven Merkmalen, «otherness» zu signalisieren, ohne eine positive inhaltliche Füllung der Signatum-Seite, bedingt die wichtige, oft aber nur sekundär beachtete semantische Funktion dieser Merkmale. Die «Polarisierung» phonischer Elemente ermöglicht deren Nutzung zu semantischen Zwecken. Die semantische Unterscheidungsfunktion tritt beim Verfahren der Minimalpaarana-
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lyse oft in den Hintergrund, da in phonologischer Perspektive die formalen Eigenschaften von Phonemen und distinktiven Zügen interessieren; der festgestellte Bedeutungsunterschied entspricht dagegen einer Art «Nebenprodukt» des Testverfahrens. Die Extension von größeren Zeichendomänen, die die Einheiten der jeweils kleineren Ebenen enthalten, lässt sich in Form von Signifikantenhierarchien geordnet darstellen.
2.2.3 Von der Silbe zum Satz: Signifikantenhierarchien Als Figurae (cf. Pulgram 1970, 73) des Zeichenausdrucks sind Silben Bestandteil von Signifikantenhierarchien. Das Spektrum von Maximal- zu Minimalsignifikanten, die weiter unten in den Abschnitten 2.2.3.1 und 2.2.3.2 an konkreten Formen exemplifiziert werden, lässt sich zunächst als Hierarchisierungsmodell der segmentalen und suprasegmentalen Gliederung sprachlicher Äußerungen darstellen. Ein Modell phonisch-prosodischer Hierarchie mit weiter aufgefächerten Beschreibungseinheiten findet sich etwa im generativen Modell der prosodic phonology (cf. Nespor/Vogel 2 2007 [11986]; Ladd 22008, Hall 22011; auch Heinz 2006, 14–18)91 mit seiner Stufung prosodischer Konstituenten von der größeren zur nächstkleineren Ebene (Abb. 2.7):
Abb. 2.7: Prosodische Hierarchie aus generativ-phonologischer Sicht.
Für lautlich realisierte Sprachzeichen stellt sich im Sinne der vorausgehenden Überlegungen (s. o., 2.2.2) eine Hierarchie der Signifikanten folgendermaßen dar:
Schiering/Bickel/Hildebrandt (2010) stellen anhand der austroasiatischen Sprache Vietnamesisch und der sinotibetischen Sprache Limbu Grundannahmen dieses Modells einer Hierarchie prosodischer Domänen (insbesondere deren Universalität) in Frage (cf. auch Nguyen 2015).
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Abb. 2.8: Signifikanten-Hierarchie.
Eine Ordnung semiotisch relevanter Einheiten der Ausdrucksseite, wie sie Abb. 2.8 grafisch veranschaulicht, reicht vom «Makrozeichen» Text bzw. (in interaktionaler Perspektive) Diskurs über den phonologischen Absatz (respektive Turn/ Redezug), die phonologische Äußerung, die Intonationsphrase, das phonologische Wort, den metrisch relevanten Fuß und die Silbe bis zur segmentalen Ebene, wobei auch supra- und subsegmentale Elemente im Sinne der oben (2.2.2) diskutierten Phänomene eine Rolle spielen können. In der Hierarchie ist ab der Einheit Silbe zwischen phonetischen Eigenschaften materiell realisierter Zeichenträger und phonologischen Eigenschaften im Sinne von im Signifikanten mitkodierten festen Regeln der Repräsentation zu differenzieren, also Eigenschaften, die die Silbe und darunter liegende Domänen als Teil des Zeichenausdrucks ausweisen. Dass in einer strikt an der kommunikativen Funktion von sprachlichen Äußerungen ausgerichteten Perspektive die verschiedenen hierarchischen Ebenen von Sprachzeichen mitunter in einem einzigen lexikalischen Morphem, einer Silbe und eventuell sogar in einem Lautsegment zusammenfallen können, verdeutlicht die lateinische Anekdote vom Wettstreit über den kürzesten Brief (d. h. auch Satz und Text). Die Aussage (13a) und die Antwort (13b) – die in der Anekdote eine eigenständige Textäußerung in Form eines Briefes verkörpert – verdeutlichen das Streben nach Kürze: (13a) «Eo rus.» (‘ich gehe aufs Land’) (13b) «I!» (‘geh’) Man kann hier von einem nicht-komplexen textuellen Sprachzeichen minimaler Extension bzw. lautlicher Substanz sprechen. Demgegenüber sind auch komplexere Signifikantenfolgen anzuführen, die zusammen für ein sehr kompaktes textuelles Makrozeichen stehen. Mindestens im literarischen Sinne dürfte die Text-
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und Zeichenhaftigkeit einer lyrischen Äußerung wie Giuseppe Ungarettis (1992 [1969], 65) in sich abgeschlossenem Werk Mattina mit dem Wortlaut (14) «M’illumino d’immenso» außer Zweifel stehen. Dieser Sequenz kann sowohl gattungsbedingt («Gedicht = [literarischer] Text») als auch qua Kohärenzerwartung der Rezipienten der Charakter eines komplexen textuellen Sprachzeichens zugeschrieben werden. Dabei ist die Signifikantenextension gemessen an typischen lyrischen Sprachkunstwerken gering, das hermeneutisch-interpretativ zu erschaffende Signifikat dagegen (potentiell) kaum weniger komplex als gattungsverwandte literarische Äußerungen größeren Umfangs.92 2.2.3.1 Minimalsignifikanten Oben wurden bereits die «signes minima» angeführt, mit der Eigenschaft, dass «chacun d’entre eux ne saurait être analysé en une succession de signes» (Martinet 21970 [11960], 14), diese also nicht in weitere Zeichenfolgen teil- und analysierbar sind. Darunter sind Signifikanten minimaler Extension zu verstehen, wobei diese nicht zwingend mit einer einfachstmöglichen lautsubstantiellen Ausdehnung gleichzusetzen ist. Vielmehr handelt es sich um Elemente, die morphologisch nicht weiter segmentierbar sind. Diesen «Minimalsignifikanten» sind komplexe Zeichen aus zwei oder mehr (taxonomisch darstellbaren) semiotischen Untereinheiten gegenüberzustellen (im einfachsten Fall etwa Komposita des Typs N + N wie Stuhlbein ← Stuhl + Bein). Solche in synchroner Analyse nicht weiter zerlegbaren Lexeme können aus einer, aber auch aus mehreren Silben bestehen, wie einige Fälle aus dem französischen Lexikon belegen: (15) main, palais, édredon, perroquet, environ Zeichen weisen meist ein- (main) und zweisilbige (palais), selten drei- oder mehrsilbige (édredon, perroquet, environ) Signifikanten auf, was sich wie folgt erklären lässt: Mit zunehmender Länge von Silbensequenzen nimmt deren Frequenz im Wortschatz ab und zugleich die Wahrscheinlichkeit zu, dass analysierbare Wort-
Sofern man ein Makrozeichen Text mit einem (wenn auch nicht abschließend) bestimmbaren Gesamtsinn annimmt, ist es nicht zwingend, etwa Schillers Glocke – materiell fraglos ein weit umfangreicheres poetisches Werk – eine komplexere Inhaltsseite zuzuschreiben als Ungarettis Gedicht. An solchen hochgradig bezügereichen und verdichteten literarischen Diskursen wird allerdings die Schwierigkeit deutlich, aus linguistischer Sicht über mehr als deren formale Seite relevante Aussagen zu treffen.
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bildungs- oder Flexionselemente darin enthalten sind. Nach Zipfs Gesetz (Zipf 1949; Bußmann 42008, s. v.) des geringsten Kraftaufwandes (principle of least effort) besteht eine Korrelation zwischen der Verwendungshäufigkeit von Wörtern in einzelnen Texten bzw. bei einzelnen Sprechern/Autoren und deren Rangplatz auf einer Liste genereller Auftretenshäufigkeit sowie zwischen der Länge eines Wortes und seiner Häufigkeit. Je länger (d. h. in der Regel je morphologisch komplexer) ein Wort, desto niedriger seine Verwendungsfrequenz; Einsilber zählen daher zu den häufigsten Wörtern einer Sprache.93 Das legt eine Präferenz für wenig komplexe Signifikanten nahe, sagt aber nichts über die Frequenz einzelner Typen von Zeichenkombinationen aus. Dreisilbige Lexeme wie fr. édredon, perroquet, environ, die nicht weiter morphologisch analysiert werden können, sind eher selten. In Sprachen, die an Flexions- und Wortbildungselementen reicher sind, etwa Spanisch, Italienisch oder auch Deutsch – um nur strukturell vertraute SAE-Sprachen (Standard Average European) anzuführen, dies gilt auch für zahlreiche sog. exotische Sprachen–, sind derartige Wörter (außer als Entlehnung, etwa dt. Kardamom, sp. ágape) kaum zu finden.94 Umgekehrt sind Wortbildungsbestandteile wie Affixe und Kompositionselemente von ihrer Lautsubstanz her meist einsilbig:95 (16a) fr. faire → dé-faire (16b) it. ragazza → ragazz-in-a Ein Beispiel reduzierter Sprachzeichen in der Morphologie sind Elemente vom Typ des sogenannten cranberry morph:96 (17a) dt. Brom-beere (17b) engl. cran-berry (17c) fr. leu (→ à la queue leu leu)
Dies gilt unbeschadet einer gewissen Variation zwischen Sprachen, die zu transparenten Wörtern neigen, und solchen mit vielen opaken Formen über Sprachen und Textklassen hinweg; cf. Zipf (1949) und Bußmann (42008, s. v. «Zipfsches Gesetz»). Die Akzentverhältnisse solcher Lehnwörter im Deutschen beleuchtet Speyer (2010), der den sprachhistorisch zunehmenden Einfluss des lateinischen Betonungssystems auf die Regeln der Akzentzuweisung im Deutschen durch verstärkte Entlehnungsprozesse hervorhebt. Im Einzelnen können jedoch auch nichtsilbische konsonantische Segmente Affixcharakter haben, cf. z. B. das Negationspräfix s- in it. sbilanciato, sleale, smontare etc. Der Terminus stammt aus den Analysen des amerikanischen Strukturalismus.
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Hierbei handelt es sich um sog. unikale Elemente der Morphologie, die nur in Opposition zu anderen morphologischen Elementen sememisch definiert sind. Solche nicht reihenbildenden unikalen Elemente sind für Morphologie und Semantik von Interesse, weil sich an ihnen, unbeeinflusst von Effekten einer individuellen lexikalischen Bedeutung, das Funktionieren sprachlicher Strukturebenen besonders deutlich zeigen lässt. Ihre Bedeutung ergibt sich einzig aus der Opposition zu analogen Elementen einer Wortbildungsreihe: Him-beere vs. Blau-beere. Zeichentheoretisch bedeutet dies, dass die Signifikantenseite Selektionsbeschränkungen (keine freie Kombinierbarkeit) aufweist und die Bedeutungsseite hinsichtlich ihrer sememischen Füllung restringiert ist (was der Inhalt von Him- unabhängig vom speziellen Wortbildungsvorkommen, d. h. jenseits der semantischen Merkmale von Himbeere, wäre, kann nicht bestimmt werden). Materielle Minimalsignifikanten als Sonderfall minimaler Signifikanten zeichnen sich primär durch reduzierte lautlich-materielle Präsenz aus. Dabei sind drei Typen von semiotisch relevanten Phänomenen zu unterscheiden: I.a hypothetische (Nullelemente in Flexionsparadigmen); I.b materielle (durch Signale begrenzte) Nicht-Realisierungen (Unterbrechungen der Phonation, d.h. Sprechpausen, Junkturen); II. Realisierungen im subsegmentalen, segmentalen und silbischen Bereich; III. suprasegmentale Realisierungen. Zum Typ Ia.: Hierzu kann man sogenannte Nullformen oder Nullmorphe zählen, die – wenn man solche Elemente für theoretisch begründet hält – allerdings nur in Flexionsparadigmen und nicht isoliert angenommen werden können. Demzufolge können auch allomorphische Nullelemente können Zeichencharakter haben: (18) engl. one sheep, two sheep-Ø vs. one dog, two dog-s Zum Typ I.b: Zu den minimalen Zeichendomänen gehört eine weitere sprachliche Realisierungsform, die Nichtrealisierung von Lautbildung. Jenseits nur theoretisch angenommener Nullelemente spielt diese in der Pragmatik des Sprechens eine wesentliche Rolle. Per definitionem werden (stille) Sprechpausen durch keinen messbaren Signifikanten verkörpert, sondern durch die Abwesenheit oder Unterbrechung der Phonation bzw. des akustischen Signals. Um diese lautsprachlich unbestritten reale Einheit deskriptiv zu erfassen, könnte man hilfsweise die jeweilige Grenze zwischen segmentalem Material und Stille der Definition hinzufügen. Die prosodischen – außer- und parasprachlichen wie verbalen – Funktionen von Pausen sind vielfältig. Trubetzkoy (1962 [11939], 241–261) bezeichnet Pausen als «phonologisch[e] Grenzsignale» zum Ausdruck von Morphem- und Wortgrenzen. In nachfolgenden
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Arbeiten wurden für Sprechpausen zahlreiche sprachliche Bedeutungen identifiziert,97 daher sind Pausen auch unter die nichtsegmentalen, jedoch linearen (insofern sie an die Temporalität der Zeichenproduktion gebunden sind) Signifikanten zu zählen. Darin liegt im Übrigen eine aufschlussreiche Parallele zur Verschriftung von Sprache. Die meisten Schreibsysteme kennen Interpunktion; Pausen unterschiedlicher Funktion bzw. Hierarchiestufe können durch Spatien, Kommas und andere Satzzeichen oder typographisch (etwa durch Einrückung oder Leerzeilen) markierte Absätze signalisiert werden. Diese Pausensignale können folgende Einheiten markieren:98 Tab. 2.2: Typen prosodischer und graphischer Grenzsignale. Sprachliche Einheit
prosodisches Grenzsignal
graphisches Grenzsignal
Text
Lange Pause
Leerzeile(n), Überschrift etc.
Absatz
Kürzere Pause
Einrückung/Leerzeile
Phonologische Äußerung/ Satz
Kurze Pause (auch Vokaldehnung o. a.)
Punkt/Komma/Apostroph o. a.
(Phonologisches) Wort
Minimale Pause (auch Vokaldehnung o. a.)
Spatium
Jenseits solcher textpragmatischen Bedeutungen von Pausen, die zugleich eine informationsstrukturelle Markierung transportieren können (z. B.: relativ längere Pause = ‘es folgt neue Information’), können Pausen auch lexikalisch-semantische Unterscheidungen bedingen. Das gilt etwa für die prosodische Realisierung der sog. Junktur. Nach Ternes (21999, 195) ist dieser Terminus am besten mit «Übergangs-» oder «Anschlussart» wiederzugeben.99 Diese kann als Pause, in Vokalverbindungen auch durch Hiatbildung oder die Einfügung eines Glottisverschlusslauts sowie intonatorisch realisiert sein (Tab. 2.2). In deutlicher Lento-Aussprache liegen offene, wahrnehmbare Junkturen, in Allegro-Aussprache dagegen geschlossene, kaum wahrnehmbare Junkturen vor (cf. Lewandowski 51990, s. v. «Junktur»): (19a) dt. den Bau erkennen vs. den Bauer kennen (19b) sp. y responsable vs. irresponsible
Zu grammatischen, textlinguistischen und pragmatischen Bedeutungen von Pausen cf. Weinrich (1958); Cutler/Dahan/Donselaar (1997) und Heinz (2006, 45–47). Schriftliche Einheiten und die zugehörigen Grenzsignale stellt auch Lüdtke (1985, 107) gegenüber. Ternes (21999, 192–203) diskutiert phonologische Grenzsignale und Junkturen ausführlich.
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In (19a) wird in standardsprachlicher Lentowiedergabe durch eine kurze Pause zwischen Bau und erkennen das erste vom zweiten Syntagma (den Bauer kennen) semantisch abgegrenzt. In standarddeutscher Allegrolautung ist die Junktur nur (so Lewandowski, ibid.) durch den im Deutschen (auch in Lentoaussprache) vor vokalisch anlautenden Morphem- und Wortgrenzen regelhaften Glottisverschlusslaut ([ʔ]) markiert: cf. [denˈbawʔɐˌkɛnən] vs. [denˈbawɐˌkɛnən]. Im Spanischen (19b) kann die Junktur durch eine kaum wahrnehmbare Pause und/oder durch Tonhöhenvariation (steigend-fallende Kontur im ersten Fall, kontinuierlich fallende Kontur im zweiten Fall) signalisiert werden. Zum Typ II: Der Ausdruck von Flexionsmorphemen bewegt sich oft im segmentalen, subsilbischen Bereich, wie (20) zeigt: (20) fr. chantons /-ɔ̃/ vs. chantions /-jɔ̃/ Eine Realisierung von chantions als chant[i.jɔ̃], bei der der Tempus-Markierung eine eigenständige Silbe entspricht, ist in normaler Aussprache kaum vorstellbar. Es liegt nahe, die hier vorliegende Opposition nicht nur auf phonologischer Ebene als bedeutungsunterscheidend (wie in Minimalpaaren des Typs ose [3. pers. sg. des Verbs oser]: rose) sondern auch auf lexikosemantischer bzw. hier grammatischer Ebene als bedeutungstragend anzusehen, da hier dem /j/ exakt zwei grammatische Bedeutungen, [imparfait] respektive [subjonctif présent], zugewiesen sind.100 Im subsegmentalen Bereich gibt es außerdem Bedeutungsdifferenzierungen, die nur auf der Abweichung eines distinktiven Merkmals, d. h. der semiotisch-semantischen Auslastung des Merkmals [+otherness] sensu Jakobson/Waugh/Taylor (32002, 47) beruhen. Wie aus der Minimalpaaranalyse hinlänglich bekannt können Merkmale wie Vokalöffnungsgrad (21a) oder Stimmhaftigkeit (21b) alleinige Träger einer Bedeutungsunterscheidung sein: (21a) dt. H[o]chzeit vs. H[ɔ]chzeit (21b) fr. bas /bɑ/ vs. pas /pɑ/
Solche kleinsten Ausspracheunterschiede können dabei Träger nicht nur denotativer, sondern auch konnotativer, sozialer, pragmatischer etc. Bedeutungen werden. Sog. Schibboleths (cf. die alttestamentarische Chronik in der Bibel, Richter 12, 5–6, wo auf dem Schlachtfeld die abweichende Aussprache Sibboleth zum ethnischen Unterscheidungsmerkmal zwischen eigenen und gegnerischen Kriegern wird) sind der verfeinerten Wahrnehmung für Ausspracheeigenheiten in allen Sprachgemeinschaften (auch unter Laien) zugänglich. Ein modernes Beispiel dafür stellt eine de facto «konfessionell» bedingte Aussprachetradition im Französischen dar, auf die TLFi (s. v. «Christ») hinweist: neben der Aussprache von Christ [krist] und [ʒezykʀi] für Jésus Christ gibt es demnach speziell bei Protestanten die Aussprachevariante mit Realisierung der Codakonsonanten, [ʒezykʀist].
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Zum Typ III: Im suprasegmentalen Bereich sind vor allem Akzentdomänen für semantische Unterscheidungen, etwa in Verbparadigmen oder auch zwischen Lexemen, nutzbar:101 (22a) sp. hablo (1. pers. sg. praes.) vs. habló (3. pers. sg. perf.)’ (22b) it. ˈcapitano (3. pers. pl. v. capitare) vs. capiˈtano ‘Kapitän’ (22c) dt. ˈübersetzen vs. ˈübersetzen 2.2.3.2 Exkurs: Maximalsignifikanten Am anderen Ende einer gedachten Skala der Zeichenextension stellt sich die Frage nach der Form maximal komplexer Zeichenausdrücke, «Maximalsignifikanten». Dabei ist zunächst an lexikalisierte Phraseologismen mit einheitlicher Bedeutung zu denken, deren Fixierungsgrad jenen bloß habitualisierter oder okkasioneller Wortverbindungen übersteigt – was auch ihre Lemmatisierung in Wörterbüchern belegt.102 Einige Beispiele aus romanischen Sprachen zeigen dies (mit Bildungen wie Tunichtgut, Taugenichts kennt das Deutsche ähnliche Fälle): (23a) (23b) (23c) (23d) (23e)
sp. sp. sp. it. fr.
hazmerreír sabelotodo correvedile, auch: correveidile biascicapaternostri couche-tôt
‘komische Figur’ ‘Besserwisser’ ‘Klatschmaul’, ‚Zuträger’ ‘bigotte Person’ ‘jmd., der früh zu Bett geht’
Besonders die spanischen Beispiele «verpacken» eine phraseologische Sequenz in ein Wort. In 23a-c stellt eine satzförmige syntaktische Einheit den Signifikanten. Bei dem (in DLE als umgangssprachlich, coloquial, markierten) Beispiel (23c) handelt es sich sogar um einen dreigliedrigen Hauptsatz, den man in seiner Umschreibung der einer so titulierten Person zugeschriebenen Handlungsweise (corre, ve y dile) geradezu als narrativ bezeichnen könnte. Das italienische (23d) und das französische (23e) Beispiel bleiben dagegen formal näher an herkömmlichen Komposita des Typs V + N (23d) res-
Auf die potentielle semiotische Relevanz weiterer prosodischer Merkmalkomplexe und Verfahren kann hier nicht eingegangen werden, man denke jedoch an Fokusakzente zum Ausdruck der Informationsstruktur syntaktischer Sequenzen (cf. Hülsmann 2019) oder die textsemiotische Bedeutung von Text(sorten)prosodie, cf. Heinz (2006, 11–19). Phraseologische Terminologie und Beschreibung können hier nicht ausgeführt werden; zum Themenkomplex Phraseologie, Kollokation, okkasionelle Wortbildung etc. cf. Sinclair (1991); Sabban (1998); Wray/Perkins (2000); Wray (2002) sowie zu allgemeinen Implikationen Erman/Warren (2000) und Bybee (2006).
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pektive V + Adv (23e). Die auch auf graphischer Ebene durch die Zusammenschreibung dokumentierten Wortförmigkeit dieser Einheiten steht außer Zweifel. Zwischen hochfrequenten, sich wiederholenden lexikalischen Sequenzen und den im Sprachgebrauch zumeist hochgradig repetitiven Silbeneinheiten kann man gewisse Analogien ziehen. Die theoretisch unendliche Generierbarkeit neuer Wortschatzelemente wird in der Sprachverwendung begrenzt durch die empirisch beobachtete Tendenz, mündliche wie schriftliche Diskurse mittels vorfabrizierter, wiederholbarer Ausdrucksmuster, sogenannter prefabs («prefabricated expressions», cf. Erman/Warren 2000 und Bybee 2006), zu verfertigen. Prefab kann dabei als Oberbegriff für lexikalisch-syntaktische Muster wie Phraseologismen, formelhafte Sprache, Kollokationen etc. fungieren (Erman/Warren 2000, 31): «A prefab is a combination of at least two words favored by native speakers in preference to an alternative combination which could have been equivalent had there been no conventionalization». In einer Studie anhand mündlicher und schriftlicher Korpora kommen Erman/Warren (2000) auf eine Häufigkeit solcher formelhaften Sprachverwendungen von über 50%. Aguado (2002, 29) bezieht weitere Typen lexikalischer Kollokationen ein und bezeichnet «ca. 70% der von Muttersprachlern verwendeten Sprache als formelhaft». Der Vorteil vorgefertigter Muster liegt zweifellos in einer enorm erhöhten Verarbeitungsgeschwindigkeit, was Kommunikationsprozesse beträchtlich erleichtert. Wray/Perkins (2000, 15) bezeichnen folgerichtig «[f]ormulaicity as a short-cut in processing» und schließen daraus: «[W]e appear to use formulaic sequences to reduce the amount of new processing to only that which has to be new». Umgekehrt gilt, dass die hohe Vorkommenshäufigkeit derartiger Einheiten für deren entrenchment (cf. 4.1) im mentalen Lexikon sorgt, d. h. diese Sequenzen «graben» sich tief ein, sie sind im Lexikon der Sprecher fest verankert (cf. auch Bybee 2006, 716). Erman/Warren (2000, 56–57) postulieren demgemäß zusätzlich zu Lexikon (als Einzelwortspeicher) und Grammatik (als Regelinventar) ein sog. Phrasicon (als Prefab-Speicher). Daraus folgt, dass sprachliche Zeichenverwendung viel repetitiver abläuft als manche Grammatikmodelle annehmen, die eher den Kreativitätsaspekt und die unbegrenzte Generierbarkeit von Äußerungen aus einer endlichen Anzahl von Regeln betonen. Diese Theoriebildungen schließen zwar das Vorhandensein solcher repetitiven, stereotypen Sprachgebrauchsmuster nicht aus, relegieren sie jedoch als performanzgebundene Erscheinungen der Oberfläche (surface phenomena) an andere Instanzen der Sprachbeschreibung (z. B. Sozio-/Variationslinguistik), fern dem formal zu beschreibenden Kern des Sprachvermögens (core grammar, cf. 4.1). Wiederholung und häufige Okkurrenz zeichnen in noch höherem Maße die Silbenstrukturen als phonologische Grundeinheiten aus, das hochfrequente Vorkommen bestimmter Strukturen prägt wiederum das Formeninventar des
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
Lexikons einer Sprache, z. B. durch häufige Affixe («Vorsilben, Nachsilben») in der Wortbildung. [Ende des Exkurses]
2.3 Silbische Organisation der Sprache und Signifikantenzuordnung Der vorangehende Durchgang durch ein breites Realisierungsspektrum von minimalen bis maximalen Zeichenausdrücken hat gezeigt, dass darin alle Typen materieller Sprachhervorbringung vorkommen: silbische, segmentale, sub- und suprasegmentale sowie Null-Realisierungen. Wenn auch auf einer anderen Ebene systematischer Organisation der Sprache angesiedelt, so bestehen in der Vorkommenshäufigkeit und Repetitivität silbenförmiger Sequenzen bei der Sprachverwendung Analogien zu den oben erwähnten Formen. Dabei kommt der Silbenform insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie einerseits auf fast allen Signifikantenebenen eine Rolle spielt und andererseits primäre materielle Instanz aller lexiko-morphonologischen Gliederung ist. Dabei ist die in ihrem Inventar begrenzte Klasse der systematischeinzelsprachlich möglichen Silbentypen (CV, CVC etc.) auf einer abstrakten Ebene anzusiedeln.103 Die konkreten, segmental gefüllten Vorkommen von Silben (z. B. dt. Bei.ne)104 werden von einzelsprachlich ausdifferenzierten phonotaktischen Gesetzmäßigkeiten der Kombination von Segmentklassen gesteuert (primär konsonantische und vokalische Segmente, sekundär die kompatiblen features der kombinierten Segmente), die zur Spezifizierung der einzelnen lautlich realisierten Formen führen.105 Diese Typen von (einzelsprachlich festgelegten) Silbenokkurrenzen sind viel zahlreicher als die grundlegenden (oft übereinzelsprachlich vorhandenen oder gar quasiuniversellen) Silbenbautypen106 und zeigen Affinitäten zur lexikalische Ebene, insofern als sie lexikalische und grammatische
Silbentypen gehören zu einer sprachlichen Organisationsebene, die sowohl eine umfassende phonetische Berücksichtigung aller zu einem Silbenmuster gehörigen Segmente als auch eine eventuelle phonologische Reduktion der Silbenkonstituenten (z. B. durch Wertung von Segmentkombinationen als komplexe Segmente u. ä., cf. die Diskussion maximaler Silbengrößen in Kap. 3.1.3) beinhalten kann. Silben- (Bei.ne) und Morphemgrenzen (Bein-e) fallen dabei nicht zwangsläufig zusammen. Z.B. erlaubt das Deutsche Sequenzen Dental-Velar (cf. [kt] in fragt) jedoch nicht umgekehrt (✶tk-) und diese nur im Auslaut (-kt), nicht im Anlaut (✶kt-). Cf. z. B. sp. [tɛɾ] in tercero, eterno, meter, [tɔɾ] in torneo, destorcer, actor u. ä. vs. CVC; die potentielle Kombinatorik aus einzelsprachlichem Segmentinventar und Silbenbaupräferenzen ergibt eine endliche, aber sehr große Liste, in der einige Glieder formgleich mit Morphemen sein können, aber nicht müssen (z. B. reihenbildendes sp. [tɔɾ] in actor, director etc. vs. nicht motivierbares [tɛɾ] in eterno).
2.3 Silbische Organisation der Sprache und Signifikantenzuordnung
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Bedeutungsträger (Morpheme) materiell kodieren. Die durchgreifend silbische Organisation der Sprache kommt besonders im Zusammenhang mit Fällen unklarer bzw. flexibler Signifikantenzuordnung zum Tragen. Im Hinblick auf die typologischen Überlegungen in Kap. 3 streben die nachfolgenden Abschnitte zunächst eine Annäherung an die Problematik des Nebeneinanders von Voll- und Reduktionsformen an.
2.3.1 Lento vs. Allegro – Vollformen und Reduktionsformen Grundsätze eines Realisierungskontinuums sprachlicher Formen nach artikulatorischen Eigenschaften (primär des Sprechtempos) wurden in der Problemstellung unter 1.1 berührt, wie auch die Bezeichnungen für verschiedene Ausspracheregister (Lento, Allegro, Presto, cf. Dressler 1975 und Koch/Oesterreicher 22011 [11990], 122–124; bei Harris 1969, 6–61, Largo-Andante-Allegretto-Presto; cf. auch Kabatek 2003). Die jeweiligen Registerbezeichnungen versuchen in der phonetischen Beobachtung kontinuierliche Phänomene als charakteristische Verdichtungen von diskret wahrnehmbaren Merkmalen zu fassen. Beispielsweise ist bei weniger kontrollierter Lautproduktion mit zunehmend ungespannter Artikulation, erhöhtem Sprechtempo etc. vielfach neben «schwächenden» Prozessen wie Sonorisierung oder Aspiration auch der diskret wahrnehmbare Endpunkt eines Segmentausfalls zu beobachten, welcher Relevanz für die Silbenstruktur haben kann. Im Folgenden ist die kontinuale Natur vieler Realisierungen mitzudenken, jedoch liegt der Klarheit halber der Fokus meistens auf zwei Verdichtungsbereichen des Kontinuums, d. h. kontrollierte, langsame Artikulation (Lento) vs. nachlässigere, schnellere Artikulation (Allegro), während einerseits (über-)emphatische, extrem verlangsamte Realisierungen (cf. z. B. foreigner talk und baby talk, Wiederholungen auf mehrfache Nachfrage) und andererseits Presto-Äußerungen an den physiologisch-artikulatorischen Grenzen des Sprechtempos107 ausgeschlossen werden. Weiter ist zu bedenken, dass die Merkmale der Allegroaussprache vielfach normale (einer deskriptiven Norm entsprechende) Ausprägungen diaphasisch markierter, nähesprachlicher Register sind, d. h. nicht zwangsläufig mit der Sprecher- oder Hörerwahrnehmung erhöhten Sprechtempos einhergehen müssen.
Cf. z. B. die in Heinz (2006, 95–97) beschriebenen Erscheinungen in gelesenen italienischen und französischen Nachrichtentexten; ab einer gewissen Artikulationsgeschwindigkeit (für das Italienische jenseits von ca. 8–9 Silben pro Sekunde) lässt die Kontrolle segmentaler und prosodischer Parameter des Sprechens so weit nach, dass komprimierte Silben wiederum reduziert (d. h. durch Vokalschwund entstandene Konsonantengruppen vereinfacht) werden.
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
In einigen romanischen Sprachen finden wir, v. a. in Allegro-Aussprache Vokaltilgungserscheinungen, so dass der verbleibende «geschrumpfte» Signifikant (cf. auch die Beispiele in Koch/Oesterreicher 22011 [11990], 122–124) weitgehend aus Konsonantensegmenten bestehen kann.108 Eine französische AllegroSequenz wie (24) fr. qu’est-ce que tu fais cet après-midi? Allegro [kstyfɛstapʁɛm] (Lento [kɛskətyfɛsɛtapʁɛmidi] deren Silbenstruktur [ksty.fɛ.sta.pʁɛm] (CCCV.CV.CCV.CCVC) aufgrund von Synkopen unbetonter Schwas und Vollvokalen, Clustervereinfachung sowie Apokopierung (Wortkürzung) den üblichen Beschreibungen der französischen Phonetik und Phonotaktik zuwiderläuft (und dort oft nicht erwähnt werden, cf. Krötsch 2004, 218), ist keineswegs untypisch für das gesprochene Französisch (cf. ähnliche Beispiele bei Wioland 1985, 253, n. 2 und Krötsch 2004, 218–228). Eine Schwierigkeit bei der Analyse solch komplexer Silbenanlautcluster liegt mitunter in der Zuordnung der reduzierten Elemente zu den zugrundeliegenden Bedeutungen. Das Syntagma qu’est-ce que ist hier zu der Konsonantenfolge [ks] geschrumpft, die sich in einer Silbe [ksty] mit dem Pronomen tu verbindet. Die Reduktion und Verschmelzung in einer Sequenz kann als phonologischer Nachvollzug der fortschreitenden Desemantisierung und Grammatikalisierung von est-ce que zu einem Interrogationsmarker (mit dem Formenkontinuum [ɛskə]-[ɛsk]-[ɛs]-[s]) angesehen werden, der sich mit dem reduzierten Fragewort que enklitisch109 verbindet. In einer Sequenz [kstyfɛ], die diaphasisch höher markiertes [kəfɛty] (que fais-tu?) mit Inversion des Subjektpronomens in den meisten Kontexten ersetzen kann, fungiert [s] gewissermaßen als «Spur», auf der in einer ansonsten mindestens stark markierten
Auch im Standard wie in den meisten Regionalvarietäten des Deutschen ist ein deutlicher Unterschied zwischen Lento- und Allegroformen auszumachen. Hierzu ein Beispiel zur Realisierung von Namensformen, welche besonderer usure phonique unterliegen: in üblicher Allegrorealisierung ist keine auditive Unterscheidung zwischen den Namen Reinhard und Reinhold möglich, die Aussprache lautet immer [ˈʁanɔt], d. h. Silben werden mitunter so stark reduziert (sowohl vokalischer Kern/Diphthong in der ersten Silbe, als auch komplexe Coda in der zweiten Silbe, es verbleibt gegenüber CVG.CVCC die vereinfachte Sequenz CV.CVC), dass die Disambiguierung nur durch den Kontext möglich ist. Während es häufiger pronominale Klitika sind, die in Enklise zu einer Verbform stehen, fungiert hier eine Interrogativpartikel als Enklitikon, vergleichbar der lat. Partikel -ne (malumne an bonum est?). Krötsch (2004, 218) stellt zu den Schwundvokalen in komplexen Gruppen fest: «[C]es voyelles, élidées ou syncopées, se trouvent en grande partie dans des clitiques» und gibt als Beispiele [tla] tu l'as und [ʃtlə] je (ne) te le (fais pas dire), führt aber auch häufige nichtklitische Formen wie [dʒa] déjà und [vla] voilà an.
2.3 Silbische Organisation der Sprache und Signifikantenzuordnung
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Frage?✶que tu fais?110 die interrogative Markierung beruht. In einer Form wie tla (Krötsch 2004, 218) in der Äußerung (25) fr. Allegroaussprache [tla.dʒa.vy.stə.fij] (Lento: tu l’as déjà vue, cette fille?) liegt eine komplexe Silbe des Typs CCV mit einer Anlautgruppe aus Plosiv und Liquid vor.111 An morphologisch-grammatischer Information beinhaltet hier eine einzige Silbe die Sequenz Subjektpronomen-Objektpronomen-finites Verb. Man könnte hier sogar von einer Art Makrofusionsmorphem, einem sprachlichem «Hyperzeichen» sprechen, in dem sich lexikalische und grammatische Informationen in höchster materieller Verdichtung mischen. Für das Französische mit seiner als e caduc (auch e muet etc.) bekannten Möglichkeit der Reduktion unbetonter Schwa-Silben unter bestimmten phonologischen Bedingungen (wie die Formen [tla] zu tu l'as oder [vla] zu voilà zeigen, können auch von Schwa verschiedene Vokale ausfallen) ist von einem Realisierungskontinuum von Lento- (Vollformen) und Allegrorealisierungen (Schwundformen) mit einer gewissen Variationsbreite von Zwischenformen auszugehen. Dabei kann man an den Extrempolen nahezu von Parallelsystemen unterschiedlicher Ausgabe- (oder Output-)Formen sprechen – für das français parlé typische Allegrosignifikanten respektive für gewählte distanzsprachliche Diktion (öffentliche Reden, Bühnenaussprache etc.) übliche Lentosequenzen – die auf die gleichen Signifikate zugreifen. Dieses Spektrum von Voll- und Reduktionsformen ist im Varietätenrepertoire durchschnittlicher Sprecher des Französischen vorhanden.
2.3.2 Silben als phonomorphologische Informationsmaxima? Wie der vorangehende Abschnitt gezeigt hat, können Silben speziell in Allegrostilen als kontrahierte, verdichtete Signifikantenketten fungieren (Bsp. tla). Daraus ergibt sich die Frage, ob Silben als eigenständige Informationsträger einzuordnen sind und damit Eigenschaften mit minimalen und maximalen Informationseinheiten wie Phonemen und Texten teilen. In einer klassischen Definition des frühen Experimentalphonetikers Sievers werden Silben und insbesondere deren (zumeist) vokalische Kerne als Träger von Schallmaxima und als Gliederungselemente der «Rede» beschrieben:
Unmarkiert ist diese Folge in Nebensätzen, z. B. la différence que tu fais. Solche Cluster sind im Französischen phonotaktisch zwar üblich (blague, train), nicht jedoch als Anlautfolge Dental-Lateral.
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
Diese Zerlegung der Rede in Silben beruht darauf, dass das Ohr gewisse Discontinuitäten in der Schallstärke der einzelnen Momente der Rede wahrnimmt und bewerthet. Speciell werden Minima der Schallstärke als silbenscheidend empfunden, d. h. das Ohr lässt allemal da eine Silbe zu Ende gehn und eine neue Silbe anheben, wo in zusammenhängender Rede ein Durchgang durch ein Minimum von Schallstärke stattfindet. (Sievers 51901, 198)112
So sind Silben zunächst nur als lautlich-rhythmische Gliederungsbestandteile oder, mit einem anderen Bild, als das «Skelett» der Sprache anzusehen.113 Mitunter können Silbennuklei als Sonoritätsmaxima jedoch zugleich semantische Maxima verkörpern. Das verdeutlichen z. B. semitische Wurzelmorpheme wie arabisch k-t-b, bei denen das morphologische Verfahren der Introflexion durch Vokalinsertion einer spezifischen (Silben-)Form ihre Bedeutung zuweist: (26) ar. Kitāb ‘Buch’ (K1iK2āK3 Produkt) ar. kātab ‘schreiben’ (K1āK2aK3 Grundform) (cf. Lehmann 2013) Darin wie auch in der oben erläuterten zwischen Lento- und Allegroformen divergierenden informativen Verdichtung von Silben wird deren ausgeprägte Flexibilität bei der Materialisierung von Signifikanten deutlich. Geisler (cf. 1992, 17–18) bezeichnet die Silbe zu Recht als wahrnehmungsoptimierende Einheit der Sprache, die als Schnittstelle zwischen segmentaler und wortprosodischer Information vermittelt und deren Bedeutung für neurophysiologische Aspekte der Sprachverarbeitung grundlegend ist (cf. die in 2.1.1 besprochene frame and content theory von MacNeilage/Davis 2005). In semiotischer Perspektive kann Silben sowohl der Status von Signifikanten (bei entsprechender segmentaler Füllung) als auch die Funktion von abstrakten «Bauskeletten» oder «Rahmen» des Sprachbaus (wenn sie primär als Konstruktionsmuster, d. h. Typen der Segmentkombination betrachtet werden) zukommen. Die bisherigen Überlegungen sprechen dafür, Silbenmuster – im Unterschied zu konkret realisierten Lautsequenzen – im Sinne von Blanks (2001, 9) komplexem Zeichenmodell (cf. Abb. 2.9) als Teil eines phonologischen Wissens (Zeichenausdruck) auf der Ebene kognitiver Repräsentation
Coserius (21992, 152) bereits erwähnte Definition der Silbe als «minimales Lautsyntagma» hebt außerdem auf deren formal zumeist kompositen Charakter ab mit dem Prototyp der bedeckten, offenen Silbe CV als Syntagma aus Konsonant und Vokal (deutlich seltener: der nackte, offene Silbentyp V aus einem einzelnen vokalischen Kern). Deutlich macht dies Pulgram (1970, 73): «[S]yllables [...] are not per se information-bearing». Die flexible Bedeutungszuweisung zu einzelnen Silbengestalten zeigt z. B. der frühkindliche Spracherwerb; dabei werden lautsprachliche Einheiten zunächst in Form weniger «Passepartout»-Silben (etwa ba für ‘Ball’, ‘Bälle’, ‘ich will den Ball’ etc.) erworben, die dann zunehmend variiert und semantisch ausdifferenziert werden
2.3 Silbische Organisation der Sprache und Signifikantenzuordnung
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anzusehen, gleich ob die Aktivierung dieses Wissens als seriell-modular oder eher als interaktiv-konnektionistisch funktionierend modelliert wird. Die genaue Organisation dieser Aktivierungsvorgänge muss hier offen bleiben, denn nach wie vor gilt, wie 2.1 gezeigt hat und Schmid resümiert: «allo stato attuale non c’è una definizione di sillaba accettata all’unanimità dai fonetisti, così come non esiste un accordo tra i fonologi rispetto al posto che spetta a questa unità nel sistema fonologico, in particolare se la struttura sillabica formi parte dell’informazione lessicale memorizzata dal parlante o se la sillabazione avvenga soltanto nel momento della produzione della parola» (1999, 96). Die erste Auffassung (Silbenstruktur als Teil memorisierter lexikalischer Information) steht im Einklang mit aktuellen exemplartheoretischen Ansätzen der Phonologie (cf. 3.1.4).114
Abb. 2.9: Komplexes Zeichenmodell (cf. Blank 2001, 9; Raible 1983, 5).
Als vorläufiges Fazit aus den vorangehenden Überlegungen können wir drei funktionale Seiten des Phänomens Silbe hervorheben, die in Vorgängen lautsprachlicher Kommunikation unmittelbar zu beobachten sind: Silben transportieren phonologische und morphologische Information und vereinen die Funktion von a) die Wahrnehmung unterstützenden lautsprachlichen Gliederungselementen (qua strukturellem Aufbau: cf. Silbentypen wie CV, dt. da, CVC, los, etc.);
Ein dritter möglicher Organisationstyp von Sprachverarbeitungsprozessen wäre die Kombination der beiden oben genannten Modelle, cf. den Überblick zur Begriffsklärung bei Bußmann (42008, s. v. «Sprachverarbeitung», «Konnektionismus», «Modularität», hierzu auch Ramchand/ Reiss 2007, 2–3), der auch bibliographische Hinweise zu diesem weit ausgreifenden Themenkomplex liefert, der hier nicht vertieft werden kann (zur konkreten Verankerung der Einheit Silbe in neuronal-physiologische Prozesse s. o., 2.1.2).
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2 Zum Status der Silbe im Sprachsystem
b) Trägern (wort-)prosodischer Information (cf. die Akzentsilbe /ro/ in sp. /ˈro.sa/); c) eigenständigen Informationseinheiten (qua individueller segmentaler Zusammensetzung, z. B. fr. pour, das formal Silbe, Morphem und Lexem vereint und als Präposition Funktionswort, als Nomen – cf. fr. le pour et le contre d’une chose – Inhaltswort ist). Im vorangehenden Kapitel haben sich einige Definitions- und Beschreibungsschwierigkeiten wie auch die sprachsystematische Relevanz des Phänomens Silbe gezeigt. Für das hier angestrebte Verständnis dieses Phänomens ist ein typologisch-vergleichender Fokus auf die in einzelnen Sprachen vorkommenden Muster (Präferenzen für den Silbenbau und Silbentypen) und deren praktische Erfassung und theoretische Einstufung unabdingbar. Diesem Schwerpunkt widmet sich das folgende Kapitel, wobei stellenweise weitere Facetten, z. B. die eminente Bedeutung der Silbe als Domäne der Metrik und Akzentuierung und damit für grammatische Sachverhalte, zur Sprache kommen.
3 Silbentypinventare Im Mittelpunkt des vorhergehenden Kapitels stand Grundsätzliches zur Theorie der Silbe und zu deren Stellung als hierarchischer Einheit in der Organisation einzelsprachlicher Systeme. Im Folgenden wird die Silbe als struktureller Verbund in ihren konkreten typologischen Ausprägungen betrachtet. Dazu werden zunächst Prinzipien des Aufbaus einzelner Silbentypen (3.1) und nach einem Blick auf die Verhältnisse des Lateinischen (3.2) Silbentypinventare der untersuchten romanischen Sprachen vorgestellt (3.3–3.6), die Auskunft über das Spektrum der in den einzelsprachlichen Systemen realisierten Baumuster geben. Abschließend werden Einfachheit vs. Komplexität von Silben als typologische Parameter diskutiert (3.7). Synchron sind in den romanischen Silbentypsystemen zwei einander entgegengesetzte Tendenzen zu beobachten: einerseits herrschen wenig komplexe Silben vor, da besonders Allegro-Sprechstile mit Phänomenen wie der Reduktion von Konsonantenclustern eine Neigung zur Silbenkontaktoptimierung auf CVCVAbfolgen hin befördern; etwa im Spanischen sind Reduktionen wie in (27) [seˈtjembre] häufig, die sich auch in der graphischen Nebenform < setiembre > spiegeln. Andererseits bleiben in Vollrealisierungen – diese sind in Lento-Sprechweise die Regel – Konsonantengruppen und Silbenstrukturen höherer Komplexität erhalten. Im Spanischen ergibt sich entsprechend folgende, keineswegs unübliche Realisierung: (28) [sepˈtjembre] Entgegen einer reduktiven Darstellung der jeweiligen Systeme, die sich wie in der Tradition systemorientierter Grammatikbeschreibung üblich eher auf die Beschreibung von Kerntendenzen beschränkt, sind diese komplexen Strukturen als zum Gesamtbild der jeweiligen einzelsprachlichen Phonologie gehörig zu werten (cf. die Zentrum-Peripherie-Einteilung solcher Systeme in Kap. 4);115 gerade deren Persis-
Eine durch den gewählten Analyseausschnitt manchmal erzielte Glättung und Vereinheitlichung der in actu oft heterogenenen, fast chaotisch wirkenden Sprachdaten, die den Systemgedanken klarer hervortreten lässt, ist sowohl in formal-generativen als auch in typologisch-funktionalen Ansätzen zu finden. Trotz deren unbestreitbarer Sinnhaftigkeit für die klare Profilierung und Erklärung zentraler Muster, die den systematischen Zusammenhalt sprachlicher Einzelfakten verdeutlicht, bedürfen jedoch Unschärfen, Variation, Wandelprozesse, wie sie gleichzeitig das Funktionieren von Sprachen auch prägen, ergänzend variationslinguistischer, sprachhistorischer und philologischer Sichtweisen. https://doi.org/10.1515/9783110648423-004
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3 Silbentypinventare
tenz bis in die Gegenwartssprache auch über lange Phasen von Systeminstabilität und Wandel hinweg muss berücksichtigt werden. Angesichts der jahrhundertealten Präsenz solcher lexikalischen Elemente in den jeweiligen Sprachen (cf. z. B. Kap. 1.1, Bsp. 2a–c) wäre sonst längst eine Form der usure phonétique, des ‹Abriebs› phonetischer Substanz, zu erwarten, mit der Folge des vollständigen Verschwindens derartiger Realisierungen (s. o., 1.1). Die konservierende Wirkung der Graphie als Erklärung für die Erhaltung lautlicher Muster greift im zitierten Beispiel (sp. septiembre u. ä.) nur bedingt, da mit sp. eine akzeptierte und lexikographisch registrierte graphische Variante existiert.116
3.1 Theorie und Praxis der Silbentypologie Vor der Aufstellung romanischer Silbentypinventare (3.3–3.6) werden zunächst Konzepte zur Identifizierung prototypischer Modelle des Silbenbaus diskutiert, die vor allem an romanischen Sprachen exemplifiziert werden. Dabei geht es um Ansätze für die Identifizierung grundlegender typologischer Parameter zur Silbe; in diesem Zusammenhang werden wesentliche Auffassungen zur maximalen Silbengröße und zu den Gründen für die unterschiedliche Ausprägung einzelsprachlicher Silbentypen behandelt.
Gegenüber komplexen phonotaktischen Mustern, die trotz ihrer Markiertheit Teil der jeweiligen einzelsprachlichen Strukturen sind (jedenfalls Teil von deren Peripherie, s. u., Kap. 4), ist auch die – etwas häufiger verfolgte – umgekehrte Untersuchungsrichtung vorstellbar: von den Ergebnissen regelhafter Modifikationen der Sprache in Sondersystemen kann auf zugrundeliegende Prinzipien der unmarkierten Phonotaktik einer Sprache geschlossen werden. Dies ist außer in Phänomenen wie Versprechern der Fall in sog. Kunst- oder Geheimsprachen, (teils kindlichen) Sprachspielen, die über typische Veränderungen der wortinternen Silbenstruktur, etwa der regelmäßigen Reduplikation eines vokalischen Nukleus oder der ganzen Silbe, einen Verfremdungseffekt bedingen. So ist z. B. das französische Verlan (aus fr. l’envers) mit Formen wie ripou (< pourri), béton (< tomber), moeuf (< femme) trotz der Verfremdung durch Silbentausch den in der Phonotaktik des Französischen geltenden Silbenbauprinzipien unterworfen und repliziert auch dessen Akzentverhältnisse. Eine Analyse derartiger Kunstsprachen kann also Aufschlüsse über die in den zentralen Systembereichen gültigen Silbifizierungsregeln geben. Formale und experimentelle Untersuchungen solcher Phänomene liefern z. B. Yip (1982) für das Chinesische und Vogt (2010) für das Deutsche.
3.1 Theorie und Praxis der Silbentypologie
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3.1.1 Kernsilbentypen (core syllable types) in der CV-Phonologie Nach Clements/Keyser (1983, 24) muss eine universelle Silbentheorie drei Anforderungen genügen: Sie muss, erstens, die wohlgeformten Ausdrücke der Theorie, d. h. die zulässigen Silbentypen spezifizieren, zweitens die Parameter bestimmen, nach denen Einzelsprachen in ihrer jeweiligen Auswahl an Silbentypen variieren, und drittens die einzelsprachlichen Regeln, die zugrundeliegende Silbenrepräsentationen (Silbifizierungsregeln, «syllabification rules»), verändern oder erweitern, sowie deren Integration in die Gesamtanlage des phonologischen Subsystems beschreiben. Die Autoren schlagen im Rahmen ihres Modells, das sich im Rahmen systemorientierter, generativer Phonologie bewegt (sie überschreiben es explizit als «a generative theory of the syllable»), dabei jedoch auch Aussagen zur typologischen Zugehörigkeit von Einzelsprachen macht, ein Primärinventar bestimmter Sequenzen konsonantischer (C) und vokalischer (V) Segmente als Kernsilbentypen, «Core syllable types», vor. «Core» erinnert an die Core-periphery-Einteilung der Grammatik bei Chomsky (1981, 7–8), allerdings stellen Clements/Keyser ihren Kernsilbentypen nicht explizit ein Konzept peripherer Silbentypen gegenüber, das dieser oder der hier entwickelten Zentrum-Peripherie-Perspektive auf sprachliche Subsysteme (s. u., Kap. 4) entspräche. Die Bedeutung dieser Konzeptualisierung liegt gegenüber den vorher (Kap. 2.1) behandelten Silbentheorien in ihrem Schwerpunkt auf der Spezifizierung grundlegender Silbentypen. Dabei ist die Formulierung von Silbenstruktur als Folge von C- und V-Elementen nicht neu, sie findet sich bereits früher z. B. bei Hockett (1947) bezogen auf morphologische Analysen, in einer tagmemischen Sprachbeschreibung bei Crawford (1963) oder im Rahmen des phonetischen Silbenkonzepts von Abercrombie (1967, 38–41). Clements/Keyser (1983, 28, fig. 2) stellen folgenden Katalog solcher Kernsilbentypen vor: a. CV b. V c. CVC d. VC Diese Grundtypen haben jedoch je unterschiedlichen Status. Alle bekannten Sprachen verfügen über den Silbentyp CV, er stellt ein phonologisches Universale dar («the only syllable type which seems to occur in all languages», Trask 1996, s. v. «universal syllable structure», s. o. 2.1). Dagegen fehlen in manchen Sprachen einzelne oder alle der drei übrigen Typen, wie bereits Jakobson feststellt: «There are languages lacking syllables with initial vowels and/or syllables with final consonants,
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3 Silbentypinventare
but there are no languages devoid of syllables with initial consonants or of syllables with final vowels» (Jakobson 32002 [1958], 526).117 Außerdem setzt die Existenz des Typs d. (VC) in einer Sprache die Existenz von 2a–c voraus. CV wird als zur Grammatik aller Sprachen gehörig angesehen und dient als Ausgangspunkt für die Ableitung weiterer Silbentypen. Aus dem CVTyp können aufgrund zweier einfacher Operationen ein oder mehrere weitere Silbentypen generiert werden (Clements/Keyser 1983, 28, fig. 3): a. delete syllable initial C. (Tilge silbeninitialen Konsonanten.) b. insert syllable final C. (Füge silbenfinalen Konsonanten ein.) Jede Sprache wählt eine, beide oder keine der Regeln zur Erweiterung ihres Inventars von Grundsilbentypen, woraus sich folgende silbenphonologische Sprachtypen ergeben (29): Typ I: CV Typ II: CV, V Typ III: CV, CVC Typ IV: CV, V, CVC, VC (sowie weitere komplexe Silbentypen) Der Zusammenhang zwischen den Regeln (a, b) und den Sprachtypen liegt in der unterschiedlichen Auslastung der Regeln in den verschiedenen Sprachtypen: Typ I: es gilt weder Regel a noch b Typ II: nur a gilt Typ III: nur b gilt Typ IV: sowohl a als auch b gelten Spanisch, Italienisch und Französisch gehören (wie etwa auch Englisch, Deutsch, Russisch und viele weitere Sprachen) zu Typ IV und greifen sowohl auf Regel a als auch auf Regel b zurück, lassen also eine größere Zahl von Silbentypen zu. Clements/Keyser (1983, 29) führen danach konkrete Sprachen als Beispiel für die jeweiligen Typen von Silbeninventaren auf (als Beispiel für Typ I Senufo, für Typ II Maori, für Typ III Klamath, für Typ IV Englisch). Eine im weiteren Sinne vergleichbare Silbenstrukturtypologie findet sich in der bereits (1.2.1) erwähnten Dreierklassifikation von Sprachen von Maddieson (2013). Ausgehend von dieser Basistypologie wohlgeformter Silbenmuster entwickeln die Autoren weitere Strukturprinzipien. Im Modell der CV-Phonologie werden drei Die Existenz von Sprachen, die nur nackte Silben (ohne möglichen Anlautkonsonanten) zulassen, erscheint gerade aufgrund der in vielen Sprachen verbreiteten Resilbifizierungsprozesse (Coda-Konsonanten können einen nachfolgenden Onset füllen) unplausibel, cf. auch Bertinetto (2003).
3.1 Theorie und Praxis der Silbentypologie
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Schichten (tiers) der phonologischen Repräsentation silbischer Einheiten angenommen. Zwischen der Silbenschicht (σ-Knoten) und der Segmentschicht als temporaler Ebene befindet sich eine sog. Skelettschicht (sceletal tier), in der C und V jeweils temporal definierte Momente darstellen; Assoziationslinien verbinden die Elemente der einzelnen Ebenen:118 (29) sp. gato
Die als CV-Phonologie bekannte silbenphonologische Theorie wurde von Clements/Keyser entwickelt (1983, cf. auch Clements 1990); jüngere Ausprägungen generativer Silbentheorie sind unter der Bezeichnung Strict CV Phonology, einem anders als Clements/Keyser 1983 von der Government Phonology abgeleiteten Ansatz, bekannt. Dieser versucht aufgrund anderer Prämissen als Clements/Keyser (1983) sämtliche Silbenstrukturen auf eine zugrundeliegende CV-Struktur (als universelle Strukturvorgabe, «template») zurückzuführen («CV as the only syllable type», cf. Lowenstamm 1996, weiterentwickelt bei Scheer 2004). Dieser hochabstrakte (so, kritisch, Blevins 2010, 287) Ansatz operiert dabei mit der Annahme leerer Elemente, mit dem Ziel, die Formulierung umfassender theoretischer Generalisierungen zu ermöglichen.119 Eine vergleichbar abstrakte Formalisierung liegt Duanmus (2008, 2011) Vorschlag zugrunde, der außer an Wortgrenzen die maximale Silbengröße phonologisch auf ein Silbenschema des Typs CVX beschränkt sieht (C als optionales Einzelsegment im Onset, X als einzelner Vokal oder Konsonant nach dem Silbenkern; zur Diskussion s. u., 3.1.3 ). Zur Annahme solcher timing slots cf. zentrale Konzepte der Tagmemik (die sog. Tagmeme als Korrelate zwischen Slots und Klassen in einer distributionalistisch angelegten Grammatikbeschreibung vorsieht) als einer frühen und für spätere formale wie funktionale Theorieentwicklungen indirekt einflussreichen Theorie mit expliziten Formalisierungsansätzen; als Gesamtdarstellung cf. Pike (21967), zur Silbentypologie cf. Crawford (1963), der in seiner Analyse einer indigenen Sprache Mexikos, des Totontepec Mixe, Silben von Silbentypen unterscheidet und im Sinne Pikes, wenn auch mit einzelnen Abweichungen von dessen Theorie, für alle sprachlichen Einheiten einen feature mode, einen manifestation mode und einen distribution mode vorsieht. Diesem Modell folgt z. B. die Untersuchung von Balogné Bercés (2008). Im Rahmen der «Lateral Phonology» stellt Scheer (2004) die Sequenz CVCV in den Mittelpunkt seiner Theorie (cf. die Rezension von Nevins 2008); im Überblick Scheer 2015 und 2020 zur Diachronie des Französischen.
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3 Silbentypinventare
Als Grundlage für die folgende Aufstellung von Silbentypinventaren wird primär auf die Notierung von Segmenten in Silben als C- und V-Elemente (wo die Darstellung einzelner Typen dies nahelegt, ergänzt durch G-Elemente, Gleitlaute) zurückgegriffen. Ebenso folgt diese Arbeit der Auffassung von Theorien wie Hooper (1976), Clements/Keyser (1983) oder Blevins (1995, 2004, 2010), dass zunächst alle Konsonanten einer silbischen Einheit zuzuordnen sind und sieht kein Problem in der Annahme entsprechend großer, komplexer Silben.
3.1.2 Präferenzen für den Silbenbau Für die oft schwierig zu entscheidende Syllabierung von Lautketten ist zunächst das Prinzip der Onset-Maximierung zu nennen, das in vielen Fällen eine korrekte Zuordnung von segmentalem Material zu Silben voraussagt. Die bereits von Pulgram (1970) vorgeschlagene Maximal-Onset-Regel besagt, dass «consonants between vowels should be syllabified as the onset of the following vowel as far as possible» (Duanmu 2008, 56), d. h. bei der Syllabierung von Konsonanten zwischen Vokalsegmenten ist der Konsonant als Kopf zu werten, sofern der sich ergebende Anlaut möglich ist. Eine Folge VCCV ist also als V.CCV zu syllabieren, sofern sich eine in der jeweiligen Sprache zulässige Anlautkombination ergibt (cf. wiederum das oben zitierte Prinzip für Initialsegmente). Die Generalisierung der Onsetmaximierung greift nur bei empirischer Kenntnis der zulässigen Kombinationen, kann dann aber helfen, Ambiguitäten beim Syllabieren zu beseitigen, z. B. in: (30) [sɪŋ.ə] singer ✶[sɪ.ŋə], weil [ŋ-] kein mögliches Onset [des Englischen] ist [lɛ.mən] lemon ✶[lɛm.ən], weil [m-] ein mögliches Onset [des Englischen] ist (cf. Duanmu 2008, 57) Steriade (1982, 77) und Clements/Keyser (1983, 37) gehen für VCV-Folgen von einer universell gültigen Syllabierung V.CV aus. Duanmu (2008, 57–58) verweist jedoch auf einige gegenläufige Tendenzen, die eine Universalität, jedenfalls aber die ausnahmslose Gültigkeit des Prinzips der Onset-Maximierung in Frage stellen. Rekurrente Muster der Silbentypologie resultieren aus dem Wirken universeller Präferenzen für den Silbenbau, die hier in den wesentlichen Zügen nach Vennemann (1988) und Restle/Vennemann (2001) wiedergegeben werden (cf. auch die Übersicht in Heinz/Schmid 2021, 103–107). Im Anschluss an Vennemann (1988) formulieren Restle/Vennemann (2001, 1314) folgendes Kopfgesetz für die Struktur von Silbenköpfen (heads, d. h. in anderer Terminologie Onsets):
3.1 Theorie und Praxis der Silbentypologie
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KOPFGESETZ: Ein Silbenkopf ist umso besser, (a) je näher die Anzahl seiner Sprachlaute bei Eins liegt, (b) je größer die Konsonantische Stärke seines ersten Sprachlauts ist und (c) je schärfer die Konsonantische Stärke vom ersten Sprachlaut auf den folgenden Nukleus zu abfällt.
Für die Coda (auch Koda, Pl. Coden oder Codas) ergibt sich ein Präferenzgesetz mit Korollaren folgender Form (Restle/Vennemann 2001, 1316; cf. auch Bybee 2001, 204): KODAGESETZ: Eine Silbenkoda ist umso besser, (a) je näher die Anzahl ihrer Sprachlaute bei Null liegt, (b) je geringer die Konsonantische Stärke ihres letzten Sprachlauts ist und (c) je schärfer die Konsonantische Stärke vom letzten Sprachlaut auf den vorangehenden Nukleus zu abfällt.
Weiter sind zwei Gesetzmäßigkeiten festzustellen, die die Vorkommenskorrelation von wort- und silbeninitialen sowie wort- und silbenfinalen Mustern betreffen (cf. Vennemann 1988, 32–33; Restle/Vennemann 2001, 1319), ein INITIALGESETZ: Wortmediale Silbenköpfe sind umso besser, je weniger sie sich von wortinitialen Silbenköpfen unterscheiden.
und als Gegenstück dazu ein FINALGESETZ: Wortmediale Silbenkodas sind umso besser, je weniger sie sich von wortfinalen Silbenkodas unterscheiden.
Präferiert sind in beiden Fällen wortinterne Onsets bzw. Coden, die sich möglichst wenig von den zulässigen wortinitialen bzw. –finalen Strukturen unterscheiden. Dies deckt sich mit der typologischen Beobachtung, dass die in Lexikoneinheiten kanonisierten Onset- bzw. Coda-Strukturen in den meisten Sprachen phonotaktische Strukturvorlagen (oder «templates») für die möglichen wortinternen Sequenzen bilden. Weiter können ein «Reimattraktivitäts-», ein «Kopfattraktivitäts-» und ein «Allgemeines Syllabierungsgesetz» unterschieden werden, die Eigenschaften des Silbenkontakts im syllabischen Wortbau betreffen (Restle/Vennemann 2001, 1320–1321). Für die Betrachtung einzelner komplexer Silbenstrukturen relevant ist das «Akzentsilbengesetz»: «Silbenstrukturkomplexitäten sind umso weniger disfavorisiert, je mehr rhythmische Prominenz auf einer Silbe liegt» (Restle/Vennemann 2001, 1321). Darin werden «Zusammenhänge zwischen Silbenbau und Akzent» (Restle/ Vennemann 2001, 1321) deutlich, d. h. prominente Silben können eine größere Komplexität aufweisen. Häufig wird ein Einfluss des aus der jeweiligen Struktur resultierenden Silbengewichts für die Vorhersage der Akzentposition angeführt.
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3 Silbentypinventare
Diese Zusammenhänge sind bereits in der antiken Metrik bekannt.120 Das Silbengewicht wird in Moren angegeben, leichte Silben (kurzer Vokal und offen), sind einmorig wie in (31) lat mă.lum
‘Übel’
schwere Silben mit langem Vokal (32), Diphthong oder kurzem Vokal in Verbindung mit einem oder mehreren Coda-Konsonanten (33) sind zweimorig: (32) lat mā.lum
‘Apfel’
(33) lat re.demp.tor ‘Erlöser’. Für Sprachen wie etwa das Altgriechische oder das klassische Latein ist so die Akzentposition in drei- und mehrsilbigen Wörtern durch das Silbengewicht vorhersagbar, man vergleiche nach dem sog. Paenultima-Gesetz (34) lat an.ti.ˈkwĭs.sĭ.mi mit leichter, unbetonter Silbe und (35) lat an.ti.kwis.si.ˈmō.rum mit schwerer, betonter vorletzter Silbe. Ein entsprechendes Weight-Stress Principle (WSP) lautet demnach, hier in der Formulierung von Duanmu (2008, 59): a. Stressed syllables should be heavy (rhyme being VX [X = weiteres Segment, Vokallänge]). b. Unstressed syllables should be light (rhyme being v [= unbetonter Vokal] or a syllabic C)
Allerdings ist festzuhalten, dass im Fokus dieser Arbeit die grundlegenden Möglichkeiten der (konsonantischen) Komplexität von Silbenschalen in den untersuchten Sprachen stehen, weniger hingegen Fragen, wie die sich aus dem o. g. «Akzentsilbengesetz» ergebende, ob in einer Sprache rhythmisch (d. h. primär akzentuell) prominente Silben höhere Komplexität erlauben als weniger prominente (i. d. R. unbetonte) Silben, ferner ob die Silbenkomplexität nach der Position im Wort variiert (wortrand- vs. wortinterne Position) etc. Derartige Fragen sind zweifellos bedeutend für die vertiefte Beschreibung des rhythmisch-prosodischen
Zur Tradition lateinischer und romanischer Metrik aus sprachwissenschaftlicher Sicht Pulgram (1975).
3.1 Theorie und Praxis der Silbentypologie
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Gesamtsystems einer einzelnen Sprache (wie sie etwa Caro Reina 2014 und ausführlicher 2019 für das Katalanische entwirft), können jedoch im hier intendierten makroskopischen Vergleich der Silbentypologie mehrerer Sprachen nicht vertieft werden (cf. jedoch punktuelle Beobachtungen in 3.7 und 4.4.2).
3.1.3 Parameter für maximale Silbengröße Nimmt man Silben jenseits ihres Zusammenspiels mit anderen Silben in der wortprosodischen Organisation, z. B. als Akzentträger, als einzelne sprachlautliche Einheiten in den Blick, so stellt sich die Frage nach der maximalen Größe möglicher Strukturen. Binär angeordnete Parameter für maximale Silbengrößen erlauben eine Typologie der Silbengröße in Einzelsprachen (cf. Blevins 1995, 219; Duanmu 2008, 67): Parameters Can the onset contain two sounds? Can the nucleus contain two sounds? Is the coda allowed? Can the coda contain two sounds? Can extra C occur initially? Can extra C occur finally?
settings Yes/No Yes/No Yes/No Yes/No Yes/No Yes/No
Für eine Sprache wie das Englische oder das Deutsche müssten die entsprechende Parametersetzungen jeweils fast durchgehend «Ja» lauten, was die Existenz sehr komplexer Silbentypen in diesen Systemen zum Ausdruck bringt. Duanmu (2008) schlägt dagegen die schon in 3.1.1 erwähnte «CVX-Theorie» vor, die besagt, dass, abgesehen von Sonderbedingungen für Wortränder, die maximale Silbe die Struktur CVX hat, d. h. CVC oder CVV, während alle anderen Elemente durch morphologische Effekte bzw. als komplexe Laute erklärt werden und der Theorie zufolge nicht als Elemente der Silbe zu zählen sind. Als maximale Größe eines einsilbigen Wortes im Deutschen nennt Duanmu (2008, 222) die Sequenz CCCVXCCCCC, ohne allerdings ein Vorkommen im deutschen Lexikon zu belegen. Diese sei zu analysieren als (C)CVX(C)M, wobei (C) und M morphologisch und sonstige Cluster als komplexe (Einzel-)Segmente (wie Affrikaten, nasalierte Vokale, s. u.) zu erklären seien. Als Beispiel für eine Silbe höchster Komplexität im Deutschen wäre (die vom Autor nicht erwähnte) Verbform strolchst (2. pers. pl.
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3 Silbentypinventare
/ʃtʀɔlçst/ CCCVCCCC) zu nennen,121 auf welche Duanmus Analyse jedoch nur bedingt zutrifft. Als Beispiel für die mögliche Minimierung von Silben, bei der bis zu sechs zugrundeliegende Laute in die drei slots des CVX-Musters eingepasst werden können (d. h. zu postulierten komplexen Segmenten komprimiert werden), führt er an: (36) Word engl. prints
Sounds [prɪnts]
CVX [prĩts]
Wie die (von Blevins 2010, 290 als teils inkonsistent bemängelte) Notierung suggeriert, lokalisiert der Autor die Minimierung der Lautelemente nicht nur auf der silbenphonologischen, sondern auch auf der phonetischen Ebene: «The word prints has six underlying sounds, which can merge into three complex sounds, where [pr] is formed from [p] and [r], the nasalized vowel [ĩ]122 is formed from [ɪ] and [n], and the affricate [ts] is formed from [t] and [s]» (Duanmu 2008, 70). Die Studie basiert auf einer für ihren grundlegenden Erklärungsanspruch relativ kleinen Sprachenauswahl, nämlich Englisch, Deutsch, Standard- und ShanghaiChinesisch sowie der tibeto-birmanischen Sprache Jiarong, aufgrund derer der Autor eine Theorie (Duanmu 2008, 237–255) mit sehr weitreichenden Implikationen entwirft.123 Er wendet sich (cf. 238–239) insbesondere gegen jedwede «super-syllable theory» (cf. etwa Blevins 1995), die das Vorkommen großer, sehr komplexer Silben in verschiedenen Sprachen bis auf die Ebene phonologischer Repräsentation vorsieht und nicht von einer Reduzierbarkeit aller Silbentypen auf ein grundlegendes Baumuster ausgeht. Duanmu hält dem seinen radikal reduktiven CVX-Vorschlag entgegen, mit dem komplexe Silbenränder (weg-)erklärt werden können. Problematisch ist einer seiner epistemologischen Haupteinwände gegen eine «super-syllable theory»: «if there is no evidence for super-syllables, there is no reason to assume them» (2008, 238), denn gerade die erwiesenermaßen komplexen, in vielen Einzelsprachen wie Russisch, Tschechisch, Deutsch, Englisch, manchen Berbersprachen, Georgisch etc. vorkommenden Konsonantencluster kehren die Beweislast um und Oder mit noch komplexerer Coda wie in der in Studien zur Silbenstruktur vielfach angegebenen Form Herbsts (/hɛʀpsts/ CVCCCCC), die im Deutschen in dieser Realisierung allerdings als hochgradig markiert zu gelten hat. Eine umfassende Untersuchung der silbenstrukturellen Charakteristik vom Althochdeutschen zum Neuhochdeutschen bietet Szczepaniak (2007). Inwieweit diese für die phonetischen Verhältnisse des Englischen problematische, eher unplausible Analyse von Vokal-Nasalkonsonant-Folgen von der Wahrnehmung des chinesischen Muttersprachlers (cf. Duanmu 2008, xi; in chinesischen Varietäten finden sich zahlreiche Beispiele für Nasalierung) beeinflusst sein könnte, muss hier offen bleiben. Dabei sind etwa die Daten zum Deutschen teils fehlerhaft, manchmal sind für die Analyse relevante Vokallängen falsch angegeben (cf. Duanmu 2008, 212, 214).
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erfordern von jeder Theorie, die als zugrundeliegende Formen einfache Typen annehmen will, plausible Erklärungen,124 warum phonetisch realisierte Elemente in der phonologischen Analyse wegfallen können. Jenseits seiner spezifischen CVXModellierung operiert Duanmu in vielen phonologisch relevanten Interpretationen gleichwohl mit segmentreichen Silbenstrukturen. Es gälte also eher, in Abwandlung von Duanmus Formulierung: «if there is no evidence for minimal syllables, there is no reason to assume them».125 Ähnlich kritisch äußert sich die von Duanmu (2008, 239) im Zusammenhang mit sog. «super-syllable»-Theorien genannte typologisch ausgerichtete Phonologin Blevins in ihrem Besprechungsartikel (2010, 287): «Where surface syllables larger than CVX occur in word-medial position, complex onsets and trisegmental and longer rhymes are squeezed into single timing slots by a poorly justified process of complex sound formation». Sie führt als Gegenindizien die Befunde von Maddieson (2013; s. o. 1.2.1) zu den tatsächlich sehr zahlreichen Sprachen mit silbentypologisch moderat (274 Sprachen, die deutlich komplexere Typen als CV oder CVX kennen) bis sehr komplexen Strukturen an (cf. auch das «exotische» SprachenSample von Easterday 2019). Angesichts der typologischen wie theoretischen Unplausibilität von im formalphonologischen Rahmen keineswegs isolierten Annahmen wie der CVX-Analyse von Duanmu, die viele empirische Belege schuldig bleibt, schließt sie: «[F]uture researchers must counter the CVX proposal with their own empirical arguments for complex syllable types» (Blevins 2010, 291). Für einen begrenzten Ausschnitt von Sprachen versucht hierzu die vorliegende Arbeit beizutragen, denn gegenüber der manchmal pauschal und verengt gesehen CV-Tendenz in der Romania gilt es, auch den Status komplexer Silbentypen in diesen Sprachen nuanciert zu beschreiben. In der phonologischen Analyse von Silbenstrukturen nimmt die vorliegende Arbeit daher bei der Zuordnung subsilbischer Komponenten (Onset- und Codasegmente) eher eine «all-in»-Perspektive auf die tatsächlich belegten Oberflächenstrukturen ein, wie sie von zahlreichen Phonologen vertreten wird, die besonderen Wert auf eine phonetische Fundierung der Analyse legen (etwa Hall 2002 und Blevins 2004, 213–214) und komplexe Silbentypen nicht durch theoretische A-priori-Festlegungen ausschließen.
Zu denen allerdings Kenntnisse der Morphologie der als Fallbeispiele diskutierten Sprachen vonnöten wären und nicht nur mechanistisches Abfragen von Datenbanken sowie Zitaten aus der Literatur; dies scheint bei der Betrachtung des Deutschen nicht der Fall zu sein. Pierrehumbert/Beckman/Ladd (1996) unterstreichen in ihrer Beschreibung der Ziele der sog. Laboratory Phonology die Anforderungen, denen eine realistische Formulierung generalisierter phonologischer Beschränkungen genügen muss und beziehen dabei explizit formale wie funktionale Sichtweisen ein.
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3 Silbentypinventare
3.1.4 Theoretische Ansätze zum silbentypologischen Wandel Über die Annahmen klassischer formalphonologischer Analysen gehen sprachgebrauchsbasierte (usage-based) Ansätze hinaus, die Faktoren wie die Frequenz sprachlicher Mustern in die Modellierung einbeziehen und dabei neuartige Hypothesen über die kognitive Repräsentation von Lautelementen und lexikalischen Einheiten entwickeln. Pierrehumbert (2001) und dezidierter Bybee (2001) entwickeln ein solches gebrauchsbasiertes Modell aus der Auseinandersetzung mit formal-generativen Grammatikmodellen, die beide in ihren Arbeiten etwa zur Natürlichen Generativen Phonologie (Bybee) und zur autosegmentalen Intonationstheorie (Pierrehumbert) maßgeblich geprägt haben, wobei Affinitäten zu kognitiv-funktionalen und konstruktionsgrammatischen Theorien offenkundig sind. Darin gewinnen Faktoren wie Gebrauchsfrequenz von Lexikoneinheiten und die Emergenz grammatischer Strukturen (zum Konzept «emergenter Grammatik» programmatisch Hopper 1987) unter Berücksichtigung von Variation und Diachronie an Bedeutung für die Erklärung der Prinzipien phonologischer (und allgemein grammatischer) Kategorisierungen und deren mentaler Repräsentation. Gerade in der Spracherwerbsforschung hat sich dieser Ansatz zu einem einflussreichen Paradigma entwickelt. Gegenüber einer pauschalen Annahme angeborener Dispositionen zum Erwerb sprachlicher Strukturen (UG) hebt dieses die Erfahrung der Sprecher mit Sprachstrukturen hervor, aufgrund derer sich charakteristische Muster herausbilden und weiterentwickeln. Die Existenz von Universalien wird nicht verneint, allerdings gelten als tiefere Universalien die Mechanismen diachronen Wandels (s. u.). Pierrehumbert (2001) bezieht in phonologischer Sicht den in vielen traditionellen generativen Analysen als reinen Performanz-Aspekt126 gewerteten Parameter der Wortfrequenz auf Lenisierungsprozesse. Bei der von ihr entwickelten formalen Architektur phonologischer Repräsentationen und Prozesse behält sie Grundannahmen generativer Grammatiktheorien bei («[l]ike a generative grammar, [the model] is informed by the goal of specifying all and only the outcomes which are possible in human language», Pierrehumbert 2001, 139), integriert diese jedoch in das «usage-based framework» der Sprachanalyse. Zentral ist dafür die ursprünglich in der Psychologie entwickelte Exemplartheorie: «In an exemplar model, each category is represented in memory by a large cloud of remembered tokens of that category. These memories are organized in a cognitive map, so that memories of highly similar instances are close to each other and memories of dissimilar instances are far apart» (2001, 140; eine erste Übersicht hierzu u. a. bei Heinz/Schmid 2021, 136–140).
Zur Gegenüberstellung von Performanz und Kompetenz s. u., 4.1.
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Für die Speicherung von Laut- und Worteinheiten bedeutet das, dass einzelne Wörter mit detaillierten phonetischen Informationen assoziiert sind und sich wortspezifische Wahrscheinlichkeitsverteilungen hinsichtlich der phonetischen Realisierung ergeben. Ohne strikte Trennung des Lexikons127 von der Grammatik wie in herkömmlichen Grammatiktheorien üblich, geht das Modell von zwei eng verbundenen Generalisierungsgraden aus, die auf die gleichen gespeicherten Einheiten zugreifen (cf. 139). Der Zusammenhang mit Frequenzeffekten ist intrinsischer Natur: [T]he exemplar approach associates with each category of the system a cloud of detailed perceptual memories. The memories are granularized as a function of the acuity of the perceptual system (and possibly as a function of additional factors). Frequency is not overtly encoded in the model. Instead, it is intrinsic to the cognitive representations for the categories. More frequent categories have more exemplars and more highly activated exemplars than less frequent categories (Pierrehumbert 2001, 143).
Zu ähnlichen Annahmen kommt Bybee (2001), die viele ihrer Argumente anhand von Mustern des Silbenstrukturwandels entwickelt. Anhand der Tatsache, dass Silbenstrukturen in den Sprachen der Welt unterschiedliche Ausprägungen aufweisen, die jedoch innerhalb bestimmter universeller Strukturbeschränkungen verlaufen, schließt Bybee (2001, 86–95, 204–210) auf «universal paths of change» (207) für die Phonologie, wie sie für die Morphosyntax zu beobachten sind. Sie zeigt anhand der Entwicklung des Spanischen und anderer Sprachen solche Pfade auf, die zur Schwächung und Tilgung silbenfinaler Konsonanten und damit zur Zunahme offener Silben in einer Sprache führen (208–209). Das bezeugen Assimilationserscheinungen vom Lateinischen zum modernen Spanisch wie in (37) dargestellt: (37) CiCj lat. ipse
> >
Cj sp. ese
Auch die graduelle Abschwächung auslautender Konsonanten, die z. B. in manchen sekundären (südspanische Varietäten) und tertiären (Lateinamerika) Dialekten des Spanischen zu beobachten ist, hat diese Konsequenz. Diese betrifft besonders morphologisch polyvalentes /s/ in silben- und wortfinaler Stellung (cf. Bybee 2001, 209; zu Faktoren des /s/-Schwundes cf. Brown 2009):
Pierrehumbert (1994) befasst sich mit der Silbe als «unit of hierarchical structure» (182) und betrachtet dreifachkonsonantische wortinterne Konsonantengruppen auch auf ihre Stellung im Lexikon hin.
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3 Silbentypinventare
(38) [entonses] > [entonseh] > [entonse] Eine Tendenz zur Zunahme offener Silben belegen auch die vorliegenden Untersuchungen zum Spanischen (cf. 3.3, 3.7), sie ist bereits für das Lateinische nachgewiesen (cf. 3.2). Bybee argumentiert für die Berücksichtigung einer diachronen Komponente als eigentlich treibender Kraft hinter universell beobachtbaren Mustern synchroner Alternanz und Varianz in Sprachsystemen (cf. die Konzeptualisierung von synchroner Variation als diachronem Wandel in Lehmann 1985). Dieser Linie folgt auch Blevins (2004), die in ihrem Modell einer «Evolutionary Phonology» eine evolutionär fortschreitende Emergenz lautlicher Muster, vergleichbar mit biologischen Anpassungsprozessen, in den Vordergrund stellt. Die Phonologin bezieht gleichfalls über die synchrone hinaus die diachrone Perspektive in die Erklärung verschiedener Typen von Lautwandel ein. Sie unterstreicht die Herkunft einer Vielzahl rekurrenter Lautmuster aus phonetisch motiviertem Lautwandel und gelangt so ähnlich wie Bybee – im Widerspruch zum Synchronieprimat bei Saussure, das in weiten Teilen strukturalistischer wie traditioneller generativer Theoriebildung nachwirkt – zu einem Primat diachronischer Erklärungsansätze vor synchronischen Erklärungen, indem sie die zentrale Prämisse einer evolutionären Phonologie wie folgt festlegt:128 Central premise of Evolutionary Phonology Principled diachronic explanations for sound patterns have priority over competing synchronic explanations unless independent evidence demonstrates, beyond reasonable doubt, that a synchronic account is warranted (Blevins 2004, 5).
Blevins (1995; 2004, 213–214 und 22006) vertritt in ihrer Sicht auf Silben eine phonetisch motivierte Sicht der in einzelnen Silben zulässigen phonologischen Konstituenten und deren segmentaler Füllung. In der Existenz komplexer Silbentypen, die der Erwartung universeller Strukturvereinfachungstendenzen widersprechen, sieht sie demnach keine besondere Schwierigkeit für die phonologischer Interpretation. Sie erwähnt als Beispiele für «uncommon syllable types», tautosilbische VVVV-Sequenzen in der mikronesischen Sprache Gilbertesisch (etwa in einem einsilbigen Augmentativsuffix –kaaei) und tautosilbische CCCCCC-Sequenzen im Georgischen, einer Sprache kaukasischen Typs. Solche ungewöhnlichen Lautmuster, etwa die sechsfachen Konsonantencluster innerhalb einer Silbe im Georgischen (Blevins nennt eine finite Verbform gvprckvnis),129 stehen im Widerspruch zu
Zu diesen einander gegenüberstehenden Positionierungen cf. die abwägenden Reflexionen Bertinettos (2003). Der Ursprung dieser langen Wortinitialen C-Cluster liegt wohl in vortoniger Vokalschwächung mit der Folge des Vokalausfalls (cf. Blevins 2004, 214, n. 12).
3.1 Theorie und Praxis der Silbentypologie
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phonologischen Ansätzen zur Minimierung der Silbengröße wie Duanmus CVXTheorie, sie lassen sich gleichwohl im Sinne einer evolutionären Optik des Lautwandels erklären (Blevins 2004, 214): [T]here is nothing intrinsically difficult about the production or perception of VVVV in Gilbertese or CCCCCC in Georgian, and there is no evidence that these tautosyllabic sequences are in any way unstable. Rather, the rarity of such systems appears to be the result of the uncommon convergence of significant rules of consonant or vowel loss resulting in long V and C clusters respectively; prosodic systems in which stress-timing, and not syllable-timing, prevails; and unambiguous rules of syllabification.
Im Einklang mit Blevins’ Annahmen arbeitet Easterday (2019) für ein breites Sample von typologisch «exotischen» Sprachen die Diversität der Entstehungsfaktoren für hochkomplexe Silbenstrukturen heraus, welche manche Postulate der theoretischen Phonologie herausfordern. Um das Wirken universeller Sprachwandelmechanismen zu verstehen, die über sprachübergreifende Pfade des Wandels in synchroner Perspektive zu Generalisierungen, d. h. dem Befund sprachlicher Universalien und allgemeiner Tendenzen der Sprachtypologie, führen, bedarf es also einer «essential diachronic component» (Bybee 2001, 211), da es gilt, von einem diachronen Gesichtspunkt zu Erklärungen für strukturelle Tendenzen wie deren Ausnahmen zu gelangen: «The diachronic viewpoint [...] provides an explanation both for the structural tendencies and for the exceptions to them» (Bybee 2001, 215), denn die eigentlich Aufgabe ist es, die gemeinsamen Entwicklungspfaden zugrundeliegenden Wandelmechanismen zu verstehen, «the real job is to understand the mechanisms of change that create these common paths of development» (Bybee 2001, 215). Lautwandel, der etwa die Herausbildung von Silbentypen bedingt, entsteht bei den Sprechern neuromotorisch aus Automatisierungstendenzen, die Artikulationsgesten reduzieren und komprimieren (cf. Bybee 2001, 215). Hieraus folgt eine Tendenz, phonetische Alternanzen zu lexikalisieren und zu morphologisieren, aufgrund von gespeicherten Repräsentationen – hier nimmt Bybee auf die Exemplar-Theorie Bezug –, die phonetische und grammatische Detailinformation verknüpfen, und der Bildung lexikalischer und morphologischer Kategorien aus Ketten phonologisch und semantisch verknüpften Materials. Solche Strukturen resultieren aus dem Zusammenwirken von «common trajectories of change» (Bybee 2001, 215). Solche «Trajektorien» als Verlaufskurven silbentypologischer Entwicklungen versucht diese Arbeit zu erfassen, sie sind in Kap. 6 visualisiert. Für eine Erklärung struktureller Details in der einzelsprachlichen Vielfalt an Silbentypen können die gewichteten Strukturbeschränkungen der Optimalitätstheorie (OT, cf. Prince/Smolensky 22004; s. u., Kap. 4.3.1) nützlich sein. In optimalitätstheoretischen Analysen erfahren vielfach Erkenntnisse der traditionellen historischen
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3 Silbentypinventare
Phonologie über zentrale, diachronisch wirksame Prozesse der Silbenbildung wie Epenthese (cf. z. B. Uffmann 2007), Synkope und Metathese (cf. z. B. Holt 2004) eine neue Formulierung und dienen der Überprüfung als universell vermuteter Tendenzen von Sprachsystemen. OT-Analysen sind allerdings meistens synchroniebasiert, d. h. diese streben zunächst «geschichtsblind» danach, die synchron aktive Interaktion von Constraints zu beschreiben. Bybee (2001, 211) vermisst die Berücksichtigung einer für die Erklärung universeller typologischer Muster essentiellen diachronischen Komponente in neueren Theorien wie der OT: «[C]urrent theories, such as Optimality Theory, posit synchronic universals that are crosslinguistic observations incorporated directly into the grammar, without further analysis that might reveal what sort of mechanism underlies the crosslinguistic patterns». Grundsätzliche Kritik in dieser Richtung, auch an explizit sprachhistorischen Erklärungsversuchen im Rahmen der OT, äußert Sampson (2010, 35) in seiner diachronen Untersuchung zur Entwicklung prosthetischer Vokale in den romanischen Sprachen: In the case of OT, the apparent claim that change in a given variety essentially involves just modification over time in the ranking of a set of violable constraints seems to offer less than an appealing vision of language change unless the factors lying behind the modifications in constraint ranking can be identified. OT historical accounts typically contain just ex post facto statements of such modification, which is not of course an explanation of change.
Für die Intention dieser Arbeit erscheinen in diachronen Entwicklungslinien gründende Tendenzen zur Herausbildung von Strukturtypen im Sinne Bybees und allgemein datengetrieben-typologisch argumentierender Sprachtheorien besonders plausibel und geeignet für die Darstellung der globalen Verhältnisse in den romanischen Silbensystemen. Wie bereits in Kap. 3.4 angeführt, legen die Pfade von Peripherie-Kern-Bewegungen Parallelen zu den für Grammatikalisierungsprozesse beschriebenen Wandelpfaden nahe. Doch können die einzelnen synchronen Prozesse, die zu bestimmten Resultaten führen (hier etwa die Bildung bestimmter Silbentypen aufgrund entlehnter und dabei teils oder ganz angepasster Strukturen) in fruchtbarer Weise im Rahmen der OT als An- und Umordnung des Rankings gewisser Constraints veranschaulicht werden. Entsprechende diachron agierende Constraints lassen sich konstruieren, außerdem nehmen viele neuere Studien explizit Bezug auf sprachgeschichtliche und typologische Entwicklungen (etwa Holt 2004).130 Exemplarisch werden daher im Kap. 5.3 einige für die untersuchten romanischen Silbensysteme relevante Struktur-Constraints zusammengefasst. Freilich resümiert Bertinetto (2003, 175) eine deutliche Divergenz zwischen originär
Zur Berücksichtigung der Diachronie für die Ermittlung zugrundeliegender Formen und des Inputs im OT-Ansatz cf. z. B. Cagliari (2005).
3.2 Latein
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historisch-typologischer und funktionalistisch orientierter Phonologie und der theoretischen Perspektive formaler (generativer) Phonologien, wobei er die Berechtigung beider Betrachtungsweisen in ihrer jeweiligen Eigenlogik würdigt: Per [i fonologi generativisti], è del tutto assiomatico che praticamente tutti i processi morfofonologici, in quanto osservabili oggi, debbano presuporre una soluzione sincronica, anche a costo di enormi, e talora astruse, complicazioni dell’apparato grammaticale. Per [i fonologi non generativisti], è altrettanto assiomatico che buona parte dei processi morfofonologici vengano acquisiti come tali, in quanto frutti di un’avventurosa, e non di rado tortuosa, evoluzione storica.
Im Sinne der oben angeführten Ansätze von Bybee (2001) und Blevins (2004) wird hier diachronisch-typologischen Erklärungsmustern der Vorzug gegeben, ohne die synchronischen Gegebenheiten aus den Augen zu verlieren; ein von der Synchronie ausgehender Systematisierungsvorschlag der einzelsprachlichen Silbentypverteilungen wird in Kap. 4 entwickelt. In den folgenden Abschnitten (3.3–3.6) werden so neben den synchronischen Typinventaren, strukturellen Besonderheiten (etwa des Portugiesischen) und Frequenzverteilungen Aspekte des silbentypologischen Wandels beleuchtet. Die Diachronie kommt dabei in allgemeinen Entwicklungslinien zur Sprache, während einzelne Erscheinungen im Kap. 5 detaillierter betrachtet werden.
3.2 Latein Die verwickelten silbenphonologischen Verhältnisse des (archaischen, klassischen und späten) Lateins können hier nur vereinfachend skizziert werden. Es ist über die langen Zeiträume der Verwendung des Lateinischen als gesprochene Sprache hinweg, überdies in reich ausdifferenzierten Sprachkontaktsituationen und mit komplexer Varietätenschichtung, von einem dynamischen Verhalten auch des Lautsystems auszugehen.131 Aus der umfangreichen (v. a. älteren) Bibliographie zu den lateinischen Lautverhältnissen sei zu Aussprache und Silbenstruktur des Lateinischen lediglich auf Allen (1965; 1973, 27–45), Kiss (1971), Pulgram (1970 und 1975),
Trotz metasprachlicher Kommentare von Grammatikern zur Lautung, aus Graphien ableitbaren Tendenzen etc., die eine phonologische Veränderung wie den sog. «Quantitätenkollaps» mit der bekannten Folge Reorganisation des vulgärlat. Vokalsystems greifbar machen, erscheint es leichter, für die Grammatik im engeren Sinne, die Morphosyntax, und in einem gewissen Maße auch für die Erfassung semantischer Wandelbewegungen, Oszillationen des Sprachgebrauchs etwa in Polymorphismen, synkretistischen morphologischen Paradigmen u. ä. anhand der schriftlichen Dokumentation des Lateinischen verschiedener Zeiträume zu beobachten.
94
3 Silbentypinventare
Lahiri/Riad/Jacobs (1999, 396–399), Lehmann (2005) und Sampson (2010, 41–52) verwiesen.132 Eine Grundtendenz zum Abbau silbischer Komplexität und zur Dominanz des CV-Musters ist bereits in der Entwicklung des Lateinischen angelegt, wie die Untersuchung von Kiss (1971) auf der Basis eines kleinen Textkorpus nachweist. In üblichen Schreibungen manifest sind z. B. regressive Assimilationen bei Konsonantenkontakten des Typs ADNAVIGARE > ANNAVIGARE, ADPONERE > APPONERE, ADQUIRERE > ACQUIRERE. Insgesamt sieht Kiss im Lateinischen primär das Wirken zweier gegenläufiger Tendenzen mit silbenphonologischer Relevanz: Synkope und Epenthese (14–21, 103, 107). Während letztere, trotz erhöhter Vorkommenshäufigkeit in der Kaiserzeit und danach, im Romanischen zunächst keine Spur zu hinterlassen scheint,133 beeinflusst erstere nachhaltig neu entstehende Silben. Die silbenphonologisch folgenreiche Synkopierungstendenz führt durch den Ausfall eines unbetonten, i. d. R. nachtonigen Vokals zur Tilgung einer Silbe. Sie ist bereits im Altlateinischen in Formen wie den folgenden belegt: (39)
REPPULI
< ✶REPEPULI, SURGO < SURRIGO, VALDE < VALIDE (Väänänen 31981, 40)
Höchst charakteristisch sind vulgärlateinische Entwicklungen wie (40)
CALDUS
< CALIDUS etc. (Väänänen 31981, 40)
Zu den bedingenden Faktoren dieses Phänomens schreibt Väänänen (31981, 41): «La syncope est un phénomène d’aspect éminemment populaire ou familier. Sur 227 ‹fautes› relevées dans l’Appendix Probi, 25 se rapportent à la syncope. Ce phénomène est sans doute déterminé, à l’origine, par un débit relativement rapide et dégagé, propre à la langue parlée». Väänänen erwähnt hier mit dem erhöhten Sprechtempo («débit relativement rapide») das Hauptcharakteristikum der für gesprochene Sprache typischen Allegro-Sprechweisen (vgl. Dressler 1975; Koch/Oesterreicher 22011 [11990], 122–124), die häufig Ausgangspunkt für lautlichen Wandel sind (cf. auch E. Mayerthaler
Zu lautlichen Entwicklungen im Vulgärlatein cf. außerdem Väänänen (31981), w.u. zitiert; Pulgram (1975) bemängelt an älteren Darstellungen zu lateinischer Metrik und Silbe die oft wenig linguistisch-stringente Zielrichtung. Allgemeiner zu Besonderheiten der «feste[n] Gestalt», d. h. der Standardisierung des Lateins cf. Leonhardt (22011, 57–81). «Malgré sa fréquence relativement forte en latin impérial et même plus tard (par exemple dans les chartes de la Gaule des VIIe—VIIIe siècles), elle ne semble avoir laissé aucune trace en roman» (Kiss 1971, 100). Kiss erwähnt allerdings (1971, 100 n.) das brasilianische Portugiesisch als Beispiel einer romanischen Varietät, in der die Epenthese bei der Vermeidung geschlossener Silben eine Rolle spielt.
3.2 Latein
95
1982, 60–65). Aus der Synkope (cf. Kiss 1971, 99–102) kann sich Komplexität sowohl für den Onset wie für die Coda ergeben, wie (38) und (39) zeigen (cf. Kiss 1971, 101; Lehmann 2005, 144): (41) o.cu.lus V.CV.CVC
> >
o.clus V.CCVC
(42) do.mi.na CV.CV.CV
> >
dom.na CVC.CV
Die Phonotaktik der Silbe im Klassischen Latein gibt Sampson (2010, 46) wieder (Abb. 3.1), der hier einer Darstellungsweise folgt, die dem Randkonsonanten /s/ einen besonderen Status zuweist. Sampson verweist auf die in theoretischer Phonologie vielfach übliche Einstufung von /s/ in Onset- bzw. Codaposition als «stray or extrasyllabic» (Steriade 1982) oder als «prependix» respektive «suppendix» (Vennemann 1988), d. h. nicht als Teil der Kernsilbe, hält aber fest: «this approach is not wholly satisfactory when a diachronic view is adopted, for as it fails to take sufficient account of the close relationship between /s/ + voiceless obstruent sequences which has clearly affected phonological evolution» (2010, 46).
Abb. 3.1: Silbenstruktur im Klassischen Latein (nach Sampson 2010, 46).
So soll auch hier das Randelement /s/ jeweils als möglicher Teil komplexer lateinischer Silbenschalen aufgefasst werden. Es ergeben sich folgende Merkmale: In entsprechend komplexen Silben (CCC-Anlaut) des Lateinischen ist nach dem Spiranten /s/ und einem konsonantischen Segment C die dritte Position im linken Silbenrand, unmittelbar vor dem Nukleus, mit einem Liquid gefüllt (phonotaktische Verteilung: sCCliq). Der Nukleus kann aus einem Monophthong (V) oder einem Diphthong (VV) bestehen. Der linke Silbenrand kann bis zur Struktur CCC gefüllt sein (phonotaktische Distribution: C1C2s, wobei /s/ fast immer als Flexionsmarker fungiert).
96
3 Silbentypinventare
Lehmann (2005) ordnet die Silbe im Lateinischen unter Berücksichtigung einer Vielzahl silbenphonologischer Parameter in einer weiten typologisch-diachronen Perspektive ein. Drei für die romanische Silbentypologie wesentliche Punkte aus Lehmanns Befund lauten (2005, 145): As for the nucleus, there is a diachronic drift from Proto-Indo-European up to ProtoRomance to reduce it or to assign relevant material to the coda [...]. / The coda is relatively complex, with a postcoda on top. The diachronic tendency is towards simplification. / Onset complexity is relatively low, but pre-initials are allowed at the lexical level. There is a diachronic shift that reduces this complexity further towards Proto-Romance.
Der Typologe sieht demnach langfristige, von protoindoeuropäischen bis zu protoromanischen Sprachstadien Verschiebungstendenzen am Werk, die die Komplexität im Nukleus wie auch in der Coda und im Onset verringern («diachronic shift that reduces this complexity further towards Proto-Romance»). Lehmann zieht für die Diachronie der lateinischen Silbenstruktur folgendes Fazit: «As regards diachrony, Latin represents a stage in a movement that starts in Proto-Italic and ends in Proto-Romance (or, in some respects and some language, even later) and that leads to a simplification of syllable structure in all of its constituents» (2005, 145). In allen Bereichen der lateinischen Silbe wirkt also ein langfristiger Trend zum Abbau von Komplexität. Der Typ CV, dessen Zunahme mit einem generellen Anwachsen offener Silben einhergeht, macht im Spätlateinischen mehr als die Hälfte aller Silbenvorkommen aus (53%, cf. Kiss 1971, 103), komplexere Typen wie CCV, CVC etc. sind weit seltener.134 So ist bereits für das Lateinische einerseits eine Entwicklungslinie auszumachen, die eine allmähliche Tendenz zur Vereinfachung der Silbenkonstituenten (Onset, Nukleus, Coda) beinhaltet, die sich in den romanischen Sprachen weiter ausprägt, während zugleich in der spätlateinisch zunehmenden Synkopierung ein gegenläufiger Trend vorliegt, aus dem neue komplexe Anlautgruppen sowie geschlossene Silben entstehen.135 Im Vorgriff auf die nachfolgenden Silbentypinventare gilt, dass lateinische Typen mit komplexen Anlautgruppen (z. B. CCCVC in lat. STRIN.GE.RE) in unterschiedlicher Weise Entsprechungen in den romanischen Sprachen finden:
Bedauerlicherweise gibt Kiss (1971) kein Typinventar für das Lateinische an. Die erbwörtliche Lautentwicklung der romanischen Sprachen kann als gut erforscht gelten. Die Auswirkungen der Synkope auf Prosodie und Silbe auf dem Weg vom Lateinischen zu den romanischen Sprachen sowie einzelne Prozesse der Silbenkontaktoptimierung behandelt Geisler (1992, 44–89).
3.3 Spanisch
97
a. Allgemein gilt dies in vergleichbaren sCr-Sequenzen (darin ist C = Obstruent, d. h. Plosiv oder Frikativ) im Rumänischen und Italienischen. b. Im Französischen gibt es s + Plosiv-Cluster in gelehrten Wortschatzschichten und jüngeren Entlehnungen, die nicht mehr vom Prozess der I-Prosthese erfasst werden (cf. Sampson 2010, 112–130), jedoch auch CCC-Anlautgruppen mit ganz anderen Kombinationen (cf. Krötsch 2004 und 3.7.2). c. Hingegen schließt dieser Prozess im Katalanischen und Spanischen silbenanlautende s + Plosiv-Liquid-Cluster aus (Sampson 2010, 100–112). d. Das EP der Gegenwart lässt diese Cluster dagegen auf phonetischer Ebene zu: «In standard Portuguese, the disappearance of prosthetic vowels at a phonetic level is a recent phenomenon caused by the general weakening of unstressed vowels» (Sampson 2010, 112). Für die Coda zeigt sich einzelsprachlich mehr Variation, die jeweiligen Möglichkeiten in dieser Position sind den folgenden Typinventaren zu entnehmen.
3.3 Spanisch Für das Inventar des Spanischen nennt Núñez-Cedeño (2000, 460) aus (formal-) phonologischer Sicht insgesamt neun Typen. Núñez-Cedeño nimmt anders als Quilis (1992a, 60–62), der u. a. im Anschluss an die Untersuchungen von Guerra (1983) von einer stärker phonetischen Silbendefinition ausgeht und mehr Typen aufführt, in seine Auflistung keine Silbentypen mit mehr als einem vokalischen Element auf: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
CV CVC V CCV VC CCVC VCC CVCC CCVCC
(de) (por) (a) (gru.po) (el) (tras) (abs.tracción) (cons.truir) (trans.por.te)
Zu dieser Minimal-Aufzählung müssen seltenere, wenn auch im spanischen Gemeinwortschatz geläufige Typen, ergänzt werden, die die in steigenden und fallenden Diphthongen auftretenden Gleitlaute beinhalten (cf. Schmid 1999, 103;
98
3 Silbentypinventare
Colina 2009, 11). Dabei handelt es sich mindestens136 um folgende Kombinationen (hier der Eindeutigkeit halber in phonologischer Notierung wiedergegeben): 10. 11. 12. 13. 14.
CCVG CCVGC CGVG CCGV CGVGC
/plej.te.ˈar/ /lus.ˈtrajs/ /bwej/) /ˈtrwe.no/) /a.so.ˈθjajs/
Die Frequenz und Distribution der Typen des spanischen Inventars variiert beträchtlich, wie die entsprechenden Untersuchungen in 3.6.1 zeigen werden. Guerra (1983) und Quilis (1992b) werten etwa sp. bien als Typ CVVC, gehen also zunächst von den phonetischen Eigenschaften der jeweiligen Segmente aus. Dieser Wertung folgen die Frequenzuntersuchungen in 3.6.1. Núñez-Cedeño (2000, 456, 460) bezeichnet im Anschluss an Malmberg (1949), Granda (1966) und andere den universellen Silbentyp CV als Prototyp der spanischen Silbenstruktur, die Frequenzuntersuchungen bestätigen den Vorrang dieses Typs vor allen anderen Mustern (s. u., 3.6.1). Betrachtet man die Entwicklung im Altspanischen bezüglich der Silbentypverteilungen, so ist allerdings Cataláns (1971, 81) Befund zuzustimmen: «[E]l español antiguo —desde finales del siglo XI hasta el siglo XIII y, menos claramente ya, hasta bien avanzado el siglo XIV— no estaba estructuralmente inclinado a dar preferencia al paradigma silábico /C1V/ [...]». Der Autor spricht sogar von einer «proliferación de las sílabas cerradas» (Catalán 1971, 78), einer sprunghaften Vermehrung geschlossener Silben in der älteren Sprache, d. h. Strukturen wie CVC und VC gewinnen stark an Gewicht. Neben den auch im neuspanischen Lexikon vorkommenden konsonantischen Endungen /d/ (final als [ð] realisiert), /n, l, ɾ, s, θ/, selten /x/ und der verbreiteten Apokope137 von wortfinalen Vokalen sind diese Bautypen im Altspanischen z. B. in relativ hochfrequenten Formen aus finitem Verb + enklitischem Pronomen zu beobachten, etwa dixol (neuspanisch le dijo), deren Häufigkeit mit dem sog. Tobler-Mussafia-Gesetz138 zusammenhängt. Die ausgeprägte Zunahme des CV-Typs auf mehr als die Hälfte aller Typvorkommen ist, wie die Zusammenschau in Abschnitt 3.6.1 ebenfalls zeigen wird, eine jüngere Entwicklung. Neben dem quantitativ vorherrschenden CV-Muster blei-
Schmid (1999, 103) nennt insgesamt 19 Typen für das Spanische, zum Vergleich der Inventare verschiedener Sprachen s. u., Kap. 3.7. Cf. die ausführliche Diskussion bei Tuten (2003, 160–173). Dieses schließt unbetonte Pronomina am Satz oder Versanfang aus. Aufgrund der Tendenz zur Enklise schwachtoniger Pronomina lassen sich auch viele andere Sequenzen finden, z. B. Negationsadverb + Klitikon u. ä. wie in nol (neuspanisch no lo).
3.4 Katalanisch
99
ben im heutigen Spanisch geschlossene Silben des CVC-Typs (unabhängig von spezifischen silbeninternen Segmentdistributionen) sehr bedeutend (jeweils zweiter Frequenzrang in den unten folgenden Textuntersuchungen), auf deren hohe Relevanz als Gestalt von Wortformen weisen Guirao/García Jurado (1989, 253) in ihrer Untersuchung der phonotaktischen Restriktionen der Kernsilbentypen des Spanischen hin: «[L]a mayor parte de las sílabas básicas pertenecen al tipo CV. No obstante, si bien es cierto que este es el esquema silábico mas recurrente tambien es verdad que CVC, el segundo mas frecuente, es el que abarca el mayor número de palabras diferentes».
3.4 Katalanisch Die Vielfalt, wenn auch nicht die absolute Zahl, der vorkommenden Silbentypen ist im (Zentralost-)Katalanischen, das Grundlage der Standardsprache ist, größer als im Spanischen. Bei Bonet/Lloret (1998), Lloret (2002) und Badia i Cardús (2002, 126–131) werden zwölf bzw. dreizehn Typen mit Beispielen angegeben.139 Wiederum ist der Typ CV als «canonical syllable type» (Hualde 1992, 383) anzusehen, während der Typ V (z. B. in anar [ə.ˈna]) die geringste Komplexität aufweist. In einem summarischen Überblick erwähnt Hualde die relativ hohe Komplexität, die katalanische Silbentypen erreichen können (1992, 383):«The most complex syllable would be the result of combining a complex onset (plosive or /f/ plus a liquid) with a rhyme with a complex coda, as in transmissió [trəns.mi.ˈsjo] ‹transmission›, grocs [grɔks] ‹yellow, m.pl.›, embrions [əm.ˈbrjɔns] (or [əm.bri.ˈɔns]) ‹embryos›, bruscs [brusks] (or [ˈbrus.kus]) ‹rude, m.pl.›». Der letztgenannte Typ (CCVCCC wie in kat. bruscs) veranschaulicht besonders gut die komplexen konsonantischen Cluster, die das standardkatalanische Silbensystem erlaubt. Badia i Cardús (2002, 131) verzeichnet auch den Typ CVCCCC ([-ksts], cf. mixts, texts neben textos). In diatopischen Varietäten wie dem balearischen Dialekt Mallorkinisch treten z. B. durch Tilgung der vokalischen Personenmarkierung in der ersten Person Singular von Verben weitere Typen ausgeprägter Coda-Komplexität auf in CC- und CCC-Folgen ohne Einfügung eines Stützvokals wie obr [ɔpɾ], arregl [ə.ˈrekl], mostr [mɔstɾ], meskl [məskl] (cf. Pons-Moll 2011); letztere Form zeigt auch das im Balearischen Katalanisch vorkommende Schwa unter dem Ton. Durch den Ausfall des etymologischen Vokals der Flexionsendung entstehen Sequenzen, die in klarem Widerspruch zu den Postulaten der Sonoritätshierarchie
Eine detaillierte formale Beschreibung der katalanischen Phonologie bietet Wheeler (2005), der theoretische Annahmen zur Silbenstruktur u. a. in OT- Perspektive entwickelt.
100
3 Silbentypinventare
stehen (s. auch in 3.7.1 besprochenen Fälle). Das standardkatalanische Inventar enthält folgende Silbentypen (cf. Badia i Cardús 2002, 126–131; Lloret 2002, 209): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
V CV VC CVC CCV CCVC VCC CVCC CCVCC VCCC CVCCC CCVCCC CVCCCC
i mà ós pas cru crim els carn brusc erms text [-kst] bruscs pl. mixts [-ksts]
In seiner vergleichenden Studie zu phonologischen Parametern von Rhythmus in 20 Sprachen der Welt zählt Schiering (2007, 346–347) das Katalanische als einzige romanische Sprache seiner Stichprobe zu den Sprachen, deren Silbenstruktur in der in 1.2.1. beschriebenen Typologie von Maddieson (2013) als «moderately complex» gilt. Kriterium ist hierfür wie erwähnt das Vorkommen kanonischer Silbenmuster («templates») des Typs (C)CV(C), «complex» sind dort Sprachen mit Typen, die in Onset und/oder Coda mehr C-Elemente zulassen. Wie Maddieson (2013) selbst angibt, ergibt die Dreiteilung in «einfache», «mäßig komplexe» und «komplexe» Silbenstrukturen nur eine recht grobmaschige typologische Erfassung, die in ihrer makroskopischen Anlage dafür große, klar ausgeprägte Arealverteilungen anzeigt. Für das Katalanische wird dabei offenbar die Existenz komplexer Typen wie CCVCC u. a., wie sie das obige Inventar zeigt, übersehen, was auf der Sprachenkarte zur gleichen Einstufung wie beim Spanischen führt («moderately complex»), eine, wie im weiteren Vergleich klar werden wird, wenig plausible Gleichsetzung.140 Gegenüber lateinischen Ausgangsformen zeigt das Katalanische jedoch auch eine Tendenz zur Clustervereinfachung durch Assimilationsprozesse: (43) lat. PREHENDERE > Vlat. ✶PREND(E)RE > kat. prendre [ˈpɛn.drə] CCVC > CVC
Die französische Silbenstruktur wird als «complex» klassifiziert, die übrigen Sprachen dieser Untersuchung erscheinen nicht auf der Karte.
3.5 Portugiesisch
101
Diese progressive Assimiliation mit dissimilierender Wirkung auf die Gruppe /pr/ gegenüber der zweiten Muta-cum-liquida-Gruppe /dr/ in der zweiten Wortsilbe, greift in flektierten Formen des Verbs nicht: (44) kat. prenc [prɛŋk] 1. pers. sg. v. prendre Neben einer einerseits größeren Bandbreite komplexer Silbentypen wirkt also auch im Katalanischen eine Lautwandeltendenz zur Reduzierung silbischer Komplexität. Ein solches Beispiel sehr weitgehender phonetischer Assimilation ursprünglich gelehrten Wortmaterials ist (45) kat. fesomia [fɛ.zu.ˈmi.ə] < gr.-lat. PHYSIOGNOMIA Diese früh entlehnte Form kann als Semikultismus bezeichnet werden und weist eine starke Vereinfachung der Silbengestalt des Ausgangsworts auf. Die Silbenzahl sinkt, geht man jeweils von einem Hiat in den Vokalfolgen -IO- und -IA- des Etymons aus, von sechs auf vier, das Beispiel zeigt demnach auch für das Katalanische eine diachron wirksame Tendenz zur silbeninternen Vereinfachung und zur Tilgung ganzer Silben, die vielfach zur Schrumpfung des Wortkörpers führt.
3.5 Portugiesisch Die portugiesische Sprache zeigt in ihren beiden Hauptvarietäten, europäischem und brasilianischem Portugiesisch (letzteres mit erheblicher weiterer, bis dato nicht vollständig geklärter diatopischer Subdifferenzierung) charakteristische Divergenzen. Eine einheitliche Referenzvarietät mit der Funktion einer Standardnorm ist für das BP gerade in distanzsprachlichen Domänen schwer auszumachen (cf. Große 2014, 660, 663): Neben einer nachlassenden Bezugnahme auf die traditionelle europäische Norm, die das Bildungswesen lange prägte, ist im Sinne einer internen Vielfalt der normativen Zentren für das BP die im Großraum São Paulo (mit ca. 15% der brasilianischen Bevölkerung) gesprochene «Paulista»-Varietät (bedingt durch Medienpräsenz etc.) zunehmend präsent, während historisch besonders die in Rio de Janeiro gesprochenen «Carioca»-Varietät über kulturelles Prestige verfügt. Auch phonologisch und gerade phonotaktisch divergieren EP und BP. Das Lusoromanische führt in seiner Herausbildungsphase in den erbwörtlichen Lautentwicklungen die starke, bereits in spätlateinischer und protoromanischer Zeit einsetzende Tendenz zur Vereinfachung von Silbenstrukturen fort (s. o. 3.2). Die durch Ausfall von Konsonanten bedingte Entstehung von Vokalfolgen (in
102
3 Silbentypinventare
Bsp. 46 in Hiat-Stellung, häufiger jedoch in Diphthongen wie in Bsp. 47), wie sie das Lautbild des Portugiesischen prägen, zeigen Formen wie (46) pt. conteúdo
[kɔ̃(n)teˈuðu] < CONTENUTU(M)
(47) pt. entoação141 [ɛ̃(n)twaˈsɐ̃w] < INTONATIONE(M) Auch sonst zeigt sich diachron ein ausgeprägter Abbau von Konsonanten, der neben der Veränderung und Vereinfachung einzelner Silben vielfach den kompletten Schwund von Silben und die deutliche Schrumpfung der aus dem lateinischen Wortkörper ererbten Lautsubstanz (Bsp. 48–50) zur Folge hat: (48) pt. geral
[ʒɛˈɾał]
< generale(m)
CV.CVC
< CV.CV.CV.CV
(49) pt. mestral
[mɛˈʃtɾał] < magistrale(m)
CV.CCCVC < CV.CV.CCCV.CV
(50) pt. almoço
[ɐłˈmɔsu] < admordiu(m)
VC.CV.CV < VC.CVC.CGV
Die Graphie gibt im Portugiesischen nur bedingt Auskunft über den heutigen Lautstand. So können die phonetisch realisierten Silbenstrukturen einfacher sein als die von der Graphie suggerierte Segmentstruktur: (51) pt.
[i.ˈza.tu]
V.CV.CV
(52) pt.
[ˈdi.nu]
CV.CV
Strukturen können jedoch auch komplexer sein, als die Graphie nahelegt, etwa durch Nichtrealisierung eines nur in der Graphie konservierten prosthetischen Vokals (und der im Satz-Sandhi aufscheinen kann), ein im modernen EP übliches phonetisches Phänomen (s. o., 3.2; cf. Sampson 2010, 112): (53) EP
[ˈʃtre.lɐ]
CCCV.CV
Daneben kommen komplexe, konsonantenreiche Silbenschalen oft sekundär durch Vokaltilgungen zustande.142 Besonders im EP können wortintern wie satzphonetisch Daneben gibt es die Formvariante entonação. Zu den Realisierungsvarianten der auslautendem Vokale e und u (graphisch < o >) im europäischen und brasilianischen Portugiesisch cf. ergänzend zu den Darstellungen von Teyssier (1989, 26) und Noll (1999, 36) die Bemerkungen von Barme (2009). Barme verweist auf die in der
3.5 Portugiesisch
103
mitunter beträchtliche Unterschiede zwischen Vollformen in Lento- und Schwundformen in Allegro-Realisierungen bestehen: (54a) Allegro (charakteristisch für unmarkierte Umgangssprache): EP os nossos garotos [ʒnɔsʃ.gə.ˈɾɔt(ə)ʃ] (54b) Lento (langsame, verdeutlichende Aussprache, markiert): EP os nossos garotos [uʒ.nɔ.suʒ.gə.ˈɾɔ.tuʃ] Möglich werden diese Unterschiede durch die ausgeprägte Tendenz des EP, unbetonte Vokale zu schwächen. Die resultierenden zentralisierten Vokale des Typs [ɐ, ə, ɨ]143 können in den meisten Kontexten getilgt werden (cf. Barme 2009). Die Silbenstrukturtypen des Portugiesischen sind hier nach Ferreira Netto (2001, 146) aufgeführt (N notiert hier Nasalierung des vorhergehenden Vokals bzw. Diphthongs, G steht für halbvokalische Elemente in steigenden Diphthongen).144 Es handelt sich um eine Aufstellung der nach üblicher phonologischer Interpretation zulässigen Typen, die teils bereits einen beträchtlichen Komplexitätsgrad aufweisen (nach den Kriterien von Maddieson 2013, der Portugiesisch nicht aufführt, gehörte EP zur Gruppe von Sprachen mit der komplexesten Silbenstruktur). Phonetisch ist auch die Realisierung erheblich komplexerer Onsets zu beobachten, was weiter unten an einigen Beispielen gezeigt werden wird.145 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
V VC CV CCV CVC CVCC CCVC CCVCC VG
a.mar és de pra.to mal pers.pi.caz fler.tar trans.por.te au.to.mo.vel
/a-/ /es/ /de/ /pra-/ /mal/ /pers-/ /fler-/ /tɾɛ̃ŋs-/ /aw-/
europäisch-portugiesischen Standardaussprache bestehende Realisierungsmöglichkeit der Vokale /e/ und /o/ als Elision im absoluten Auslaut (neben Schwa-Realisierungen anstelle von /e/ und Realisierung von /o/ als [u]), was phonotaktisch die Tendenz zu geschlossenen und damit komplexeren Silben im EP begünstigt. Typische Realisierungen von Schwa im EP sind phonetisch recht akkurat mit [ɨ] wiederzugeben. Hier werden in Transkriptionen ggf. auch die im BP vorkommenden Varianten [ɐ, ə] verwendet. Einen detaillierten Vergleich zwischen der Silbenstruktur des EP und des BP unternimmt Cunha (2008, 2015a). Cf. u. a. Delgado-Martins/Harmegnies/Poch-Olivé (2002).
104
3 Silbentypinventare
10. 11. 12. 13. 14.
VGC CVG CCVG CVGC CCVGC
eis coi.sa prei.to dois an.ces.trais
/ejs/ /koj-/ /prej-/ /dojs/ /-tɾajs/
Für die Silbenstruktur des BP (v. a. in Varietäten jenseits einer norma urbana culta) ist die epenthetische Auflösung komplexer Konsonantencluster charakteristisch (cf. u. a. Oliveira 2006, 471):146 (55) Excel
BP [e.ki.ˈsɛw]
(56) absoluto BP [ˌɐ.bi.so.ˈlu.tu] (57) adquirir
BP [ɐ.di.ki.ˈɾiɾ]
(58) Alex
BP [ɐ.ˈlɛ.kis] (Eigenname, übliche EP-Realisierung: [ˈa.lɛks])
Auch im EP sind Fälle von optionalem epenthetischem Schwa möglich, die als volkstümliche, bildungsferne Realisierungen anzusehen sind:147 (59) flor
EP [fɨ.ˈlɔɾ], übliche Realisierung [flɔɾ]
Typischer für die Silbenstruktur des EP ist jedoch die Komplexitätszunahme durch sekundär aus dem Ausfall von unbetontem Schwa entstehende komplexe Onsets: (60) felicidade
EP [fli.si.ˈðað(ə)]
CCC-
Für eine (eher unüblich) deutliche Lento-Realisierung wie (61a) desprezar
EP Lento [dɨʃ.pɾɨ.ˈzaɾ]
CVC.CCV.CVC
ergeben sich mindestens in informellem Allegro-Stil auch sehr komplexe Anlaute (61b); wie Barme (2009) festhält, ist die Möglichkeit zur Vokaltilgung bei /e/ und
Diese Formen sind nicht nur, aber besonders häufig in diastratisch und diatopisch markierten Varietäten zu beobachten, die Bspp. 55–57 verzeichnet Jankowsky (2003, 49), (58) hat Vf. in einer Fernsehreportage dokumentiert (kontrollierte Sprechsituation/Interview, Sprecher aus der unteren Mittelschicht). Cf. Beispiele bei Veloso (2007, 125), Cunha (2015a, 23–24).
3.5 Portugiesisch
105
/o/ (phonetisch jeweils Schwa) in vielen Kontexten jedoch registerunabhängig gegeben: (61b) desprezar
EP Allegro [dʃpɾ.ˈzaɾ]
CCCC.CVC
Nach der Nukleustilgung verbleibendes Material im Silbenreim (cf. 61a: [dɨʃ] > [dʃ] wie in 61b) kombiniert sich hier mit dem Obstruent-Liquid-Cluster in der Folgesilbe, ebenfalls ohne vokalischen Nukleus, zu einer verdichteten, phonotaktisch ungewöhnlichen Sequenz mit vier C-Segmenten, von denen zunächst einzig dem Vibranten genügend Sonorität für einen Silbengipfel zukommt (cf. z. B. einsilbige Formen wie kroatisch Krk, Tršt oder tschechisch strč).148 Gegenüber dem phonetischen Befund einer Zusammengehörigkeit und gemeinsamen Artikulation des CCCC-Clusters stellt sich allerdings die Frage, ob das Cluster eventuell phonologisch zweisilbig (61b) analysierbar ist, wonach die nukleusbildende Eigenschaft des zentralisierten Vokoids [ə] auf den zwischen zwei Verschlusslauten befindlichen S(ch)ibilanten /ʃ̩ / überginge.149 (61c) desprezar
EP [dʃ̩ .pɾ̩ .ˈzaɾ]
CC.CC.CVC
Schematisch lassen sich die zugrundegelegten Syllabierungsvorgänge so darstellen (die zweite verzweigende Ebene ordnet die Segmente Onset oder Reim zu): (61a’) desprezar
EP Lento [dɨʃ.pɾɨ.ˈzaɾ]
Weitere unorthodoxe, traditionelle (v. a. auf die Binarität von Silbenkonstituenten gründende) phonologische Analysen vor Schwierigkeiten stellende Anlautgruppen durch teils multiplen Vokalausfall sind EP-Formen wie desprestigio [dʃprʃ.] (CCCCC)σ (!), d(e)p(e)nicar [dpni.-], cf. Cunha (2015a, 50–52; 2015b), auch Mateus/D’Andrade (2000, 43–46) sowie die von Frota (2000) angeführten Segmentverdoppelungen, etwa in b(e)bido [bˈbi.du] oder Syntagmen wie un camp(o) poluido [-pp-]. Für eine solche silbische Interpretation des Schibilanten [ʃ̩ ] spricht die kleine Studie zur Wahrnehmung von Silbengrenzen, die Cunha (2008, 87–90) mit 12 EP-Sprechern aus Porto durchgeführt hat. Allerdings ist bei der Silbenwahrnehmung stets der normative Einfluss des Syllabierpraxis in der Schule zu berücksichtigen (d. h. die Wahrnehmung kann von der Produktion sehr weitgehend entkoppelt sein).
106
3 Silbentypinventare
(61b’)desprezar
EP Allegro: zweisilbig?
[dʃpɾ.ˈzaɾ]
(61c’) desprezar
EP Allegro: dreisilbig?
[dʃ̩ .pɾ̩ .ˈzaɾ]
In den Prozessen phonologischer Lehnwortanpassung werden die phonotaktischen Restriktionen der Empfängersprache wirksam, wie das BP deutlich zeigt: (62) dt. Pfand BP (63) dt. kalt
[pi.ˈfɐ̃n.dʒi]150
BP
[ˈkaw.tʃi]
Der Trend zu offenen Silben wird sogar auf orthographischer Ebene reflektiert: graphische Konsonantengruppen in gelehrten Entlehnungen sind im BP oft vereinfacht, während EP etymologisierende ältere Varianten konserviert, bei jeweils gleichem Lautwert:151 (64) lat. OBIECTU(M)
> EP [ob.ˈʒɛtu]
vs. BP [ob.ˈʒɛtu]
(65) lat. OBIECTIONE(M)
> EP [ub.ʒɛ.ˈsɐ̃w] vs. BP [ub.ʒɛ.ˈsɐ̃w]
Dieses und weitere Beispiele finden sich bei Cunha (2008, 96). Für (65) ist im BP je nach Varietät auch die Aussprache [ɔb.ʒɛ.ˈsɐ̃w] (oder diaphasisch markiert mit Epentheseneigung [ɔ.bi.ʒɛ.ˈsɐ̃w]) zu beobachten. Konsonantenkontakte wie /bʒ/ scheinen ähnlich wie die Graphemfolge () im BP den Status bildungssprachlicher, im Gemeinwortschatz eher peripherer Relikte zu haben. Hinweise auf eine solche Stellung komplexer Konsonantenverbindungen gibt Oliveira (2006), der typische Verschriftungsmuster für komplexe Silben im Schrifterwerb historisch dokumentiert; dabei fällt die häufige Auflösung komplexer Cluster durch Metathesen, Auslassungen wie auch Epenthesen auf.
3.5 Portugiesisch
107
Bei engl. scanner wäre im EP ursprünglich wie im BP die Entstehung eines prosthetischen Vokal-Vorschlags (e) zu erwarten, die Phonologie dieser modernen Entlehnung spiegelt jedoch in beiden Varietäten die Tendenzen der gesprochenen Sprache: (66) engl. scanner
BP [is.ˈka.nɛʁ]
vs. EP [ˈska.nɛɾ]152
Für das Portugiesische besonders virulent ist die Frage der Zuordnung zu Rhythmusklassen, insbesondere angesichts der Divergenz zwischen europäischer und brasilianischer Varietät. Fragen der typologischen Einordnung von Sprachen nach ihrem Sprechrhythmus werden ausführlicher in Kap. 4.4.2 besprochen, an dieser Stelle müssen einige Beobachtungen zum Portugiesischen vorweggenommen werden. Auer (1993, 25–29; 2001) stellt in seiner Rhythmustypologie das romanische Sprachenpaar Portugiesisch und Italienisch gegenüber. Portugiesisch (gemeint ist die EP-Varietät) rechnet er zum wortsprachlichen Typus, in dem eher das Wort (und der Wortakzent) denn die Silbe primäre phonologische Domäne ist (s. u. 4.4.2). Innerhalb der romanischen Gruppe hat sich EP von einem im Lateinischen angelegten silbensprachlichen Typ entfernt, es steht demnach Sprachen mit silbenbasiertem Rhythmus wie dem Italienischen (cf. Bertinetto 1977, Bertinetto/Bertini 2008) und Spanischen (Dufter 2003, 162–163) sowie mit Einschränkungen (cf. Dufter 2003, 137–146; 2004; s. u., 4.4.2) dem Französischen gegenüber. Frota/Vigário (2001), die sich auf zahlreiche Vorarbeiten beziehen, kommen aufgrund eigener empirischer Daten zu dem Schluss, dass sowohl EP als auch BP gemischte Rhythmustypen sind.153 Die vielen, in unmarkiertem gesprochenem EP durchaus realistischen Fälle von komprimierten Silben wie (61b) stellen das Konzept der Sonoritätshierarchie vor Herausforderungen (s. o., 2.1). Es ergibt sich (61c’’) eine steigend-fallendsteigende Sonoritätsabfolge, die den Voraussagen einer rigide gefassten Sonoritätshierarchie widerspricht.154 Solche vermeintlich idiosynkratischen Sonoritätssequenzierungen kommen auch in anderen romanischen Sprachen vor (s. u., 3.7.1). Diese Tendenzen des Umgangs mit fremdsprachlichem Lehngut finden ihre Entsprechung auch in Beobachtungen zum unterschiedlichen L2-Ausspracheerwerb des Englischen bei EP- und BP-Sprechern. Während EP eher geringere Schwierigkeiten bei der Realisierung etwa der komplexen Silbenstrukturen in der akzentzählenden bzw. Wortsprache Englisch haben, dominiert der feste rhythmisch-phonotaktische Rahmen der Silbensprache BP die segmentalen Realisierungen (zu den Rhythmusklassen cf. Auer 1993, 2001; Frota/Vigário 2001; s. o. Kap. 4.4.2). EP hat demnach sowohl silbenzählende als auch akzentzählende Anteile, BP silbenzählende und morenzählende Anteile. Auf mögliche perzeptuelle Funktionen von Anlautclustern, die die Sonoritätsskala verletzen, weisen Engstrand/Ericsdotter (1999) hin; cf. auch Kap. 3.7.2.
108
3 Silbentypinventare
Der Linienverlauf in (61c’’) illustriert das Sonoritätsprofil der Silbe mit der komplexen Sequenz Obstruent-Frikativ-Obstruent-Liquid. Die horizontale Ebene steht für den Zeitverlauf der linearen Segmentfolge – der Übersichtlichkeit halber werden nicht-lineare Phänomene der Koartikulation, prosodischen Konturierung etc. hier ausgeblendet – der vertikale Pfeil zeigt die nach oben hin abnehmende konsonantische Stärke bzw. zunehmende Sonorität an:
(61c’’) Sonoritätsprofil [dʃpɾ̩ ] in pt. [dʃpɾ̩ .ˈzar] desprezar Ein kurzer Blick auf die metrischen Verhältnisse verdeutlicht, dass auch solche ‘schlechten’ Silbenstrukturen eine Stabilität des Akzentkontrasts [dʃpɾ̩ .ˈzar] aufweisen. Zum einen liegt es in der Natur solcher Cluster, dass sie in unbetonten Silben, die die Vokalschwächung bedingen, auftreten. Zum anderen entspricht eine Sequenz wie (61c’’) mit dem Vibranten [ɾ̩ ] als silbischem Liquid dem Weight-Stress Principle für unbetonte Silben (s. o., 3.1: unbetonte Silben sollen leicht sein, der Reim also aus einem unbetonten Vokal oder einem silbischen C bestehen). Der Gewichtskontrast im Wort [dʃpɾ̩ .ˈzar] bleibt optimal durch die Adjazenz einer einmorigen leichten Silbe und einer zweimorigen schweren Akzentsilbe. Denn trotz der Komplexität des Onsetclusters [dʃpɾ̩ ] gilt, dass nur der Reim relevant für das Silbengewicht ist: «Only rhyme units bear moras; the presence or absence or complexity of the onset does not matter for syllable weight» (Lehmann 2005, 143). Im Sinne von Auers Einstufung des Portugiesischen als Sprache mit Wortrhythmus (1993, 25–29) ist gerade die Nichtbeachtung der Sonoritätsskala in den für diesen Rhythmustyp charakteristischen komplexen Silben zu erwarten (cf. 1993, 11, fig. 4; s. u. Abbildung 4.4). Andererseits machen offene Silben einen bedeutenden Teil des portugiesischen Inventars aus, die Vermeidung komplexer Silbencoden kennzeichnet eher prototypische Silbensprachen (s. u. die Parameter in Abb. 4.4; Szczepaniak 2007, 52–53). Doch ist dabei wiederum an die weitgehend registerübergreifende Tendenz zur Schwächung und Elision von Auslautvokalen zu erinnern (cf. Barme 2009), welche geschlossene Silben häufiger macht, ein Umstand, den lexikalischgraphisch beeinflusste Typinventare (wie das auf schriftlichen Texten beruhende von Hess 1975) naturgemäß nur näherungsweise erfassen können.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
109
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung Die Frage der quantitativen Präsenz bestimmter Silbentypen führt zurück zur Frage der zentralen oder peripheren Stellung von Silbenmustern in den Sprachsystemen. Es ist zunächst zu erwarten, dass Typen, die zum zentralen Bereich des Silbensystems gehören, auch in ihrer Vorkommenshäufigkeit hohe Werte aufweisen und umgekehrt Strukturmuster der Systemperipherie statistisch nur marginal präsent sind. Es ist dabei an 2.2.3.1 und v. a. das Zipfsche Gesetz zu erinnern (cf. Bußmann 42008, s. v. «Zipfsches Gesetz»): Dieses meint zum einen die Korrelation zwischen der Verwendungshäufigkeit von Wörtern in einzelnen Texten bzw. bei einzelnen Sprechern/Autoren und deren Rangplatz auf einer Liste genereller Auftretenshäufigkeit, eine universell unabhängig von Textsorte, Alter der Texte und Sprache gültige Formel (cf. Zipf 1949). Der Zusammenhang resultiert u. a. aus dem ökonomischen Prinzip des geringsten Kraftaufwandes (engl. principle of least effort, fr. loi du moindre effort), dem alle menschliche Tätigkeit unterliegen soll. Zum anderen ist eine Korrelation zwischen der Länge eines Wortes und seiner Auftretenshäufigkeit festzustellen. Als die am häufigsten gebrauchten Wörter einer Sprache erweisen sich daher Einsilber (die angesichts der absoluten Häufigkeit dieses Typs sehr oft CV-Gestalt haben). Um über diese Häufigkeitsverteilungen von Silbentypen Aufschlüsse zu gewinnen, wurde je eine Auswahl spanischer und katalanischer Texte untersucht. Hinzu kommen Vergleichswerte zum Portugiesischen sowie überblickshaft zum Französischen, Italienischen und Rumänischen aus der Literatur (3.6.3 und 3.6.4). Die Segmentierung und semiautomatische Erkennung von Silbentypen wurde durch die Entwicklung der Softwaretools TraDiscTokenizer (Segmentierung) sowie CountSyllables (Kalkulation der Typenverteilung) ermöglicht.155 Technisch gesehen ist die automatische bzw. semiautomatische Syllabierung älterer Texte,156 auch
Diese beiden Tools wurden im DFG-Sonderforschungsbereich 441 «Linguistische Datenstrukturen» von Ch. Malisi für das Teilprojekt B14 «Diskurstraditionen romanischer Sprachen und mehrdimensionale Analyse diachroner Korpora» entwickelt. Für die begleitende Ermittlung der häufigsten lexikalischen Formen kam die Konkordanz-Software WordSmith zum Einsatz. Im Einklang mit der Form, in der die Textzeugnisse des Korpus vorlagen, wurden Wortgrenzen beibehalten und auf eine möglicherweise spekulative Annahme potentieller (für ältere Sprachstufen schwerer nachweisbarer) Resilbifizierungserscheinungen verzichtet. Die Syllabierung stützt sich somit auf die graphischen Muster der Texte und nicht auf mögliche lautliche Realisierungen. Allerdings ist die Auswirkung dieser methodischen Entscheidung auf die quantitative Erfassung von Silbentypen als eher gering einzuschätzen. Der Unterschied in der jeweiligen Frequenz zwischen geschriebener und gesprochener Sprache ist, schließt man Allegrorealisierungen – deren Annahme für die historischen Texte ohnehin spekulativ wäre – aus, wenig bedeutend, wie es auch
110
3 Silbentypinventare
wenn die erzielten Resultate durchaus wertvolle Hinweise zur Ergänzung von Befunden aus anderen Quellen geben, nicht ohne spezifische Schwierigkeiten. Der Abschnitt 3.6.5 führt die wichtigsten methodischen Fragen auf, die hinsichtlich der Versuche zur Silbenfrequenzerfassung auftreten.
3.6.1 Frequenzanalysen in spanischen Texten Um Kenntnisse über die tatsächliche Präsenz bestimmter Silbentypen in verschiedenen Phasen der spanischen Sprachgeschichte zu erlangen, wurde ein Korpus mit größeren Ausschnitten157 aus sechs Texten verschiedener Phasen der älteren spanischen Sprache erstellt. Daraus ergeben sich Daten, die frühere quantitative Studien zur diachronen Silbentypologie wie Lloyd/Schnitzer (1967), Hess (1975) – diese Studie zur phonologischen Typologie der romanischen Sprachen ist in ihrer Materialgrundlage deutlich selektiver – und Guerra (1983) ergänzen können. Eine methodisch in Teilen vergleichbare Studie hat Jauregui Nazabal (2008) zum Baskischen vorgelegt, wobei der Fokus jedoch auf der Ermittlung offener Silben lag.158 Bei der grundlegenden experimentellen Untersuchung von Lloyd/Schnitzer (1967) handelt es sich um eine statistische Studie spanischer Silbentypen anhand einer Wörterbuchliste, die ausgehend von 70.755 Wörtern zu einer Stichprobe von insgesamt 252.404 Silben gelangt. Angesichts der Wortzahl und der typischen Wortlänge in Silben wären ungefähr 140.000 Silben zu erwarten, wie es zu der deutlich höheren Gesamtzahl an Silben kommt, wird nicht erklärt (59–60). Die Bemerkungen (71–72) zur kleinen Zahl von «single syllable words» (178) mit einem deutlichen Überwiegen von CVC-Silben (57,9 %) gegenüber dem CV-Typ (28,1%) zeigen, dass ein Wörterbuchkorpus als Ausgangsstichprobe problematisch ist. Die Tokenfrequenz von einsilbigen Wörtern ist in realen Texten weitaus höher, als der verschwindend geringe Anteil dieses Worttyps in der Studie von Lloyd/Schnitzer (1967) suggeriert, wie allein schon hochfrequente Funktionswörter, etwa die im Spanischen mehrheitlich einsilbigen Artikelformen und Präpositionen el, la,
Schmid (1999, 158) bei seiner Zählung zum Italienischen feststellt: «Per quanto riguarda la frequenza dei vari tipi di sillabe in italiano, constatiamo [...] che le differenze tra parlato e scritto sono minime». Es wurden größere Abschnitte aus der ersten und zweiten Hälfte der Texte mit einem Gesamtumfang von bis zu 50% zugrunde gelegt, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung über das Textganze zu erhalten. Diese recht weitreichende Einschränkung zeigt bereits, wie schwierig es ist, zu Daten zu gelangen, die quantitativen Aufschluss über eine Vielzahl von Silbentypen liefern.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
111
los, las, un, a, de, con etc., belegen.159 Das Korpus von Hess (1975) ist dagegen deutlich kleiner, während das größere Korpus von Guerra (1983) interessante Aufschlüsse auch zur Sprachgeschichte liefert. Bei dem spanischen Korpus handelt es sich um Ausschnitte aus Texten, die einer frühen, mittleren und späten Phase des Altspanischen zugeordnet werden können:160 – Cantar de Mio Cid (ca. 10.000 Wörter) – Vida de Santo Domingo de Silos de Berceo (10.000 Wörter) – Lapidario alfonsí (10.000 Wörter) – Libro de los fueros de Castiella (20.000 Wörter) – El Conde Lucanor (Prólogo: 793 Wörter, Exemplos: 10.000 Wörter) – Celestina161 (Prólogo: 2467 Wörter, Haupttext: 10.000 Wörter) Die ca. 73.000 Wörter des Korpus entsprechen ca. 140.000 Silben. In den folgenden Auflistungen erscheinen nur die jeweils häufigsten Silbentypen, Typen mit sehr niedriger bis marginaler Frequenz sind nicht in den Tabellen aufgeführt. Dies sind v. a. die folgenden phonetisch definierten Typen (C: konsonantische Segmente, V: vokalische Segmente im Silbenreim): 1. Offene Silben: a. nackt: V; b. bedeckt: CV, CVV (d. h. in diesem Typ sind steigende und fallende Diphthonge aus Gleitlaut + Vollvokal: CGV, cual, oder CVG, rey, zusammengefasst), CCV 2. Geschlossene Silben: a. nackt: VC; b. bedeckt: CVC, CVVC (bien), CCVC (tras). Cantar de Mio Cid Die Analyse des Cantar de Mio Cid ist der Abbildung zu entnehmen (Abb. 3.2). Bei dem inzwischen üblicherweise um 1200 datierten Text handelt es sich um ein sehr frühes Epos der altspanischen Literatur. Der Typ CV ist hier mit ca. 40% der Vorkommen der häufigste Silbentyp. Jedoch ist, wie der Vergleich mit den Daten von Guerra (1983) zeigen wird (cf. Abb. 3.8), seine Häufigkeit gegenüber dem Neuspanischen deutlich geringer, wo er 52,6% (nach der Zählung von Lloyd/Schnitzer Auch die Erstellung von Konkordanzen mit gängigen Programmen wie MonoConc erweist die hohe Frequenz einsilbiger Wörter unmittelbar. Die Auswahl der analysierten Werke steht in Zusammenhang mit dem Teilprojekt B14 des DFG-Sonderforschungsbereichs 441 «Linguistische Datenstrukturen», in dessen Rahmen die Relation von Diskurstraditionen (cf. ausführlicher 4.4.1) und grammatisch-syntaktischen Strukturen (insbesondere Muster der Satzverknüpfung bzw. Junktion) in historischen Dokumenten des Spanischen untersucht wurde. Dieses Werk ist im Sinne einer Periodisierung der älteren spanischen Sprachstufe am Übergang zum Spanischen der sog. Siglos de Oro zu situieren bzw., sofern man eine derartige Sprachstufe für das Spanische postuliert, als mittelspanischer Text anzusehen, cf. die Einteilung bei Eberenz (1991, 105–106).
112
3 Silbentypinventare
1967 sogar 61,3%) aller Silbenstrukturen ausmacht. Demgegenüber sind insbesondere geschlossene Silben des Typs CVC mit 27% stark vertreten. Hierin zeigt sich nicht zuletzt die im Altspanischen hohe Inzidenz apokopierter Formen (cf. 3.3, Catalán 1971, Tuten 2003).
Abb. 3.2: Typfrequenzen Cid.
Gonzalo de Berceo, La Vida de Santo Domingo de Silos In Gonzalo de Berceos Heiligenvita La Vida de Santo Domingo de Silos, verfasst um die Mitte des 13. Jh. (ca. 1239–1264), sind gegenüber dem vorher besprochenen Textzeugnis gewisse Unterschiede in der Verteilung der Typfrequenzen auszumachen: CV ist beträchtlich häufiger (45.17% vs. 39.9% im Cid), was insbesondere zulasten der Okkurrenzen von CVC-Silben (21,65% vs. 26,97%) geht, wie in Abb. 3.3 zusammengefasst.162 Lapidario Alfonsí In dem naturkundlich-astrologischen Prosatraktat mit dem Titel Lapidario Alfonsí (1250–1279) fällt insbesondere eine stärker reduzierte Präsenz des CVC-Typs auf, der hier 17,3% aller Silbentypen ausmacht, während die anderen Werte näher an denen der beiden vorhergehenden Beispieltexte liegen (Abb. 3.4):
Zu den Besonderheiten der Sprache Berceos cf. Alarcos Llorach (1992).
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
113
Abb. 3.3: Typfrequenzen Berceo, Vida de Santo Domingo de Silos.
Abb. 3.4: Typfrequenzen Lapidario.
Libro de los Fueros de Castilla Zur Stichprobe gehört ein Vertreter der juristischen Diskurstraditionen, die Fallrechtssammlung Libro de los Fueros de Castilla (vollendet 1285). Die hierfür erhobenen Ergebnisse liegen relativ nah bei denen des vorhergehenden Prosatextes, des Lapidario: (CV: 40.9%, Lapidario: 42,5%; CVC: 19.4%, Lapidario: 17,3%), cf. Abb. 3.5. El Conde Lucanor Die Novellensammlung El Conde Lucanor von 1335 dokumentiert in ihrer Sprache eine fortgeschrittene Entwicklungsphase des Altspanischen. In silbentypologischer Hinsicht ist ein unverändert hoher Anteil geschlossener Silben – CVC, VC und CCVC machen im Prolog mehr als 42% aller Typen aus – festzustellen, wie er für das Altspanische kennzeichnend ist (cf. die bereits zitierte «proliferación de las sílabas cerradas», von der Catalán 1971, 78, spricht). Allerdings zeigt sich für diesen Parameter
114
3 Silbentypinventare
Abb. 3.5: Typfrequenzen Libro de los Fueros de Castilla.
eine interessante Binnendifferenzierung des Textes. Bei getrennter Betrachtung des Prologs und der Exemplos, der einzelnen Erzählungen des Binnentextes, welche den Hauptumfang des Werkes ausmachen, resultieren unterschiedliche Werte gerade für die beiden häufigsten Silbentypen: CV: 38.4% vs. 43.1 %, CVC: 25.6% vs. 20.2%; cf. Abb. 3.6). Diese Textbestandteile stehen für verschiedene Diskurstraditionen, die abweichenden Silbentypwerte können somit ein Reflex unterschiedlicher lexikalisch-textueller Muster sein.
Abb. 3.6: Typfrequenzen Conde Lucanor.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
115
Celestina Es ist aufschlussreich, diese Tendenzen noch klarer in dem chronologisch jüngsten Text der Stichprobe zu sehen.163 Die Celestina, eine novela dialogada mit Zügen eines Theaterstücks,164 entstanden 1499, steht sprachlich an der Schwelle von der älteren Sprachstufe zum Spanisch der Siglos de Oro.
Abb. 3.7: Typfrequenzen Celestina.
Ähnlich wie im Falle des Conde Lucanor bezeugen Prolog und Haupttext Unterschiede in der Silbentypdistribution (Abb. 3.7), die einen Zusammenhang mit diskurstraditionellen Differenzen auf der Ebene lexikalischer und grammatischer Muster haben können, welche sich letztlich in den ermittelten Silbenmustern spiegeln. Eine höhere Zahl von Kultismen165 mit ihren komplexeren Silbenstrukturen kann dabei ein bedeutender Faktor sein.166 Kultismen mit ihren oftmals komplexeren Silbenstrukturen gegenüber den in ihrer Lautsubstanz stärker reduzierten Erbwörtern können Strukturen, deren Verschwinden aufgrund von Tendenzen des phonologischen Sprachwandels zu erwarten wäre, mitunter als Bestandteil (der Peripherie) des Lautsystems konser-
Dies umso mehr, als die Materialbasis für den Vergleich bei der Celestina mit ihrem längeren Prolog breiter ist (Prolog ca. 5.000 Silben vs. Text ca. 20.000 Silben; Conde Lucanor: Prolog ca. 1.500 Silben vs. Text ca. 20.000 Silben). Zur (komplexen) gattungsgeschichtlichen Einordnung des Werks cf. Neuschäfer (2001, 65–66). Zu Kultismen im Spanischen cf. Bustos Tovar (1974); García Gallarín (2007). Nicht alle dieser Elemente gehören dabei zur Peripherie des Gemeinwortschatzes. Unter den 150 häufigsten Wörtern des Gegenwartsspanischen tauchen Kultismen wie momento, problema, presidente auf, die auch eine gewisse silbische Komplexität aufweisen (cf. die Frequenzliste unter http://eduteka.icesi.edu.co/curriculo2/TecladoPalabrasFrecuentes.pdf).
116
3 Silbentypinventare
vieren (cf. Kap. 4.3). Im Conde Lucanor und in der Celestina entspricht die Silbentypverteilung eher den Tendenzen, die für die älteren Texte festzustellen war, wohingegen der narrative respektive dialogische Haupttext der Werke die Tendenzen späterer Sprachstufen aufweist. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit den Daten von Guerra (1983) im folgenden Abschnitt. Vergleich mit Guerra (1983) Die Daten der aufwendigen experimentellen Untersuchung von Guerra (1983) beziehen sich auf die Frequenzverteilung der Silbentypen in verschiedenen Jahrhunderten der spanischen Sprachgeschichte (13.–20. Jh.). Guerras Korpus stützt sich auf 45.000 Silben pro Jahrhundert, verteilt auf je vier Prosawerke, es ist mit unserem Korpus von ca. 140.000 Silben, verteilt über sechs Werke aus drei Jahrhunderten, durchaus vergleichbar. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse erweist in weiten Teilen Übereinstimmungen. Aus Abb. 3.8 wird deutlich, dass der CV-Typ diachron gesehen zunimmt, während VC in etwa den gleichen Anteil erhält und CVC ebenso wie V seltener werden. Gerade der Basistyp CV ist durch die deutlichste quantitative Bewegung gekennzeichnet; die Tendenz des Spanischen zu offenen, einfachen Silben dieses Typs kann schließlich bei einem prozentualen Anteil von mehr als 50% (52,6%) als vorherrschender Zug des silbenstrukturellen Paradigmas im heutigen Spanisch angesehen werden.
Abb. 3.8: Synopse Typfrequenzen Spanisch (13., 15., 20. Jh.) nach Guerra, 1983.
In Listendarstellung ergeben sich für die häufigsten Silbentypen des modernen Spanisch nach Guerra (1983; so auch bei Quilis 1992a, 62) folgende Werte:
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
CV CVC V VC CVV CCV CVVC CCVC
117
52,64% 19,0% 9,58% 8,34% 3,18% 3,07% 2,6% 0,95%
3.6.2 Frequenzanalysen in katalanischen Texten Gegenüber den Verhältnissen im Spanischen ist die Silbentypologie des Katalanischen durch klar abweichende Tendenzen geprägt, wie sie bereits ein begrenztes Korpus aufzeigt. Das katalanische Silbenkorpus besteht aus einer Auswahl von drei Prosatexten (ein altkatalanischer Text und zwei Textsammlungen zum modernen Katalanisch) mit insgesamt 30.000 Wörtern und ca. 55.000 Silben, davon ca. 12.500 Wörter (ca. 22.000 Silben) aus dem Ritterroman Tirant lo Blanc, einer Auswahl von Texten aus einer katalanischen Bibelübersetzung des 20. Jh. (Bíblia, ca. 12.500 Wörter/ca. 22.000 Silben) und dem Teilkorpus Diari mit Pressetexten aus der Tageszeitung Avui (ca. 6.000 Wörter/ca. 11.000 Silben). Die Analyseergebnisse zeigen die deutlich von der Silbentypverteilung im Spanischen verschiedene Tendenz. Über die drei chronologisch, diskurstraditionell und formal sehr diversen Textexemplare hinweg scheinen die Typfrequenzen relativ stabil zu bleiben, d. h. die Prozentwerte variieren eher wenig zwischen dem Text von 1490, der modernen Bibelübersetzung (die 1970 abgeschlossen wurde) und den aktuelleren Pressetexten. Dies steht im Einklang mit dem sprachhistorischen Befund: Aufschlussreich für den Vergleich älterer Sprachzustände mit dem Gegenwartskatalanischen ist etwa Rasicos (1982) Untersuchung der Phonologie des vorliterarischen Katalanisch. Der Autor konstatiert, dass im späten 13. Jh. bereits eine mit dem modernen Katalanisch weitestgehend identische phonologische Struktur erreicht ist, was in längerfristig diachroner Perspektive auch auf Silbenstrukturebene wenig Divergenz erwarten lässt: «Cap al darrer quart del segle XIII l’estructura fonològica del català era gairebé idèntica a la de la llengua moderna. Les poques transformacions que encara restaven per acomplir-se van resoldre’s vers la darreria del segle XV o el començament del segle següent» (Rasico 1982, 245).
118
3 Silbentypinventare
Abb. 3.9: Typfrequenzen Tirant.
Allgemein sind somit die Werte für die Stichprobe Tirant (Abb. 3.9) nicht weit von denen der Teilkorpora Bíblia (Abb. 3.10) und Diari (Abb. 3.11) entfernt.167
Abb. 3.10: Typfrequenzen Bíblia.
Die Ergebnisse erscheinen in der Zusammenschau in Abb. 3.12.168 Daraus folgt zunächst, dass die vier Typen CV (um 41% variierend), CVC (zwischen 21,9 und
In den Daten ist gleichwohl die valencianische Herkunft des Textes Tirant lo Blanc (1490) bemerkbar an der Tatsache, dass der Silbentyp VCC (wie in der hochfrequenten zentralkatalanischen Artikelform els) nur marginale Bedeutung hat (0,44%). In der standardkatalanischen Bíblia (1926, 70) dagegen ist der Typ VCC mit 2,5% relativ bedeutend. Daran zeigt sich allgemeiner auch, dass trotz klarer Übereinstimmungen der Werte für die häufigsten Silben textbezogene sprachliche Eigenheiten in der Statistik erkennbar bleiben. Caro Reina (2019, 187) zitiert diese Synopse (die sich auch in Heinz 2010 findet) und fasst die Ergebnisse für seine Vergleichsuntersuchung zentralkatalanischer und schwäbisch-alemannischer Varietäten (in einer wort- und silbensprachlichen Rhythmustypologie, cf. 3.7.2 und 4.4.2) zusammen.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
119
Abb. 3.11: Typfrequenzen Diari.
Abb. 3.12: Synopse Silbentypfrequenz Katalanisch.
25,6%), V (zwischen 8,3 und 10,8%) und VC (zwischen 5,6 und 8,1%) in den drei Texten die quantitativ bedeutendsten Silbentypen sind. Jedoch erreichen diese Silbentypen im Vergleich nicht die für das Spanische des dreizehnten Jahrhunderts und noch weniger das der Gegenwart erhobenen Werte. Hingegen weisen komplexe Silbentypen wie CVCC (von 3,8 bis 4,8%) und CCVC (2,2 bis 3%) in den drei Textkorpora relativ hohe Anteile auf; im Vergleich erreicht der CCVC-Typus im Spanischen kaum 1% aller Vorkommen. Die Frequenz von Silbentypen in der heutigen katalanischen Sprache hat De Yzaguirre (1995, 67–69) auf der Grundlage eines sehr umfangreichen Wörterbuchkorpus ermittelt. Dieses bestand aus 68.500 Wörtern des Diccionari de la llengua catalana mit Flexionsformen (insgesamt ca. 2,4 Mio. Silbenokkurrenzen). Ähnlich der Studie von Lloyd/Schnitzer (1967) für das Spanische (s. o., 3.6.1) wurden Silbenvorkommen in einer Lexikonliste, nicht deren Okkurrenzen (tokens) in Texten gezählt.
120
3 Silbentypinventare
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
CV CVC VC V CCV CVCC CCVC VCC CVCCC CCVCC
48,0% 27,08% 9,23% 6,53% 4,83 % 1,98% 1,45% 0,44% 0,20% 0,19%
Mit 48% liegt besonders der Anteil der CV-Silben höher als die in Abb. 3.12 wiedergegebenen Werte; der Gesamtanteil offener Silben, mit 59,4% deutlich geringer als im Spanischen (ca. 70%), liegt dagegen nahe am entsprechenden Anteil in der Stichprobe Diari, das den Verhältnissen des modernen Katalanisch – wenn auch mit allen Besonderheiten eines Zeitungskorpus – am nächsten kommt, er beträgt dort ca. 57,3%. Umgekehrt weichen folglich die Anteile geschlossener Silben mit je über 40% wenig voneinander ab. Es handelt sich im Vergleich der sechs Sprachen (s. u. 3.6.5) um den höchsten Wert für Silbentypen mit gefüllter Coda.
3.6.3 Vergleichswerte Portugiesisch Für das Portugiesische liegen keine eigenen empirisch erhobenen Daten vor. Hier können jedoch als Vergleichsgrundlage zunächst die von Hess (1975, 265–267) ermittelten Werte für Silbentypfrequenzen in der Synchronie des Portugiesischen dienen, aus denen sich folgende Rangordnung ergibt (Werte auf die zweite Nachkommstelle gerundet):169 1. 2.
CV CVC
43,22% 23,67%
Hess’ Methode geht von Stichproben (ca. 20.000 Phoneme je Sprache), verteilt auf schriftliche Texte verschiedener Gattungen der gehobenen Allgemeinsprache aus, also Daten mit geringer diaphasisch-diastratischer Streuung (cf. Hess 1975, 195–203). Sie zählt Phonem- und Silbenfrequenzen (schätzungsweise 8.000–10.000 Silben pro Sprache) in der Synchronie des Französischen, Italienischen, Katalanischen, Okzitanischen, Portugiesischen, Rumänischen und Spanischen. Trotz der begrenzten Datenbasis liegt das Verdienst von Hess’ umfangreicher Untersuchung nicht zuletzt darin, überhaupt Grundlagen für einen typologischen Vergleich der Phonologien einer so großen Zahl romanischer Sprachen bereitgestellt zu haben.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
3. 4. 5. 6. 7. 8 9. 10. 11. 12.
V VC CCV CVCC CCVC VCC CCVCC CVCCC VCCC CCVCCC u. CCCV je
121
14,74% 7,35% 4,36% 3,77% 1,29% 0,77% 0,14% 0,12% 0,04% 0,01%
Die Einordnung von Konsonantenverbindungen mit nasalen Segmenten bleibt bei Hess jedoch offen. In einer Studie zur automatisch ermittelten Silbentypokkurrenz im gesprochenen Portugiesisch von Vigário/Frota/Martins (2006) ist diese Segmentklasse als «autossegmento nasal» (N) neben C-, V- und G-Segmenten (Gleitlauten) berücksichtigt.170 Die resultierenden Typfrequenzen bei Vigário/ Frota/Martins (2006) weichen u. a. dadurch von den von Hess ausgezählten relativen Werten ab und ergeben eine andere Rangfolge (wobei hier der Vollständigkeit halber auch sehr seltene Typen wiedergegeben sind): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
CV V CVC CVGN CVN VC CVG VN CCV VG CVGC VGN CCVN
46,36% 15,83% 11,01% 5,62% 5,37% 3,03% 2,66% 2,64% 2,18% 1,51% 1,21% 0,59% 0,47%
Allerdings entfernt sich die Studie damit bei den Silbifizierungskriterien weiter von einer Zählung relativ unstrittiger (dafür teilweise mehr intuitiv als theoretisch identifizierter) konsonantischer und vokalischer Segmente hin zu einer primär auf der Annahme theoretisch-phonologischer Repräsentation beruhenden Interpretation von Segmenten mit dem Merkmal [+nas] («para esta contabilização, assumiu-se o que se crê ser a representação da nasalidade», Vigário/Frota/Martins 2006, 4 ).
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3 Silbentypinventare
14. CCVC 0,38% 15. CGV 0,25% 16. CVGNC 0,17% 17. GV 0,13% 18. CGVC 0,12% 19. GVGN 0,12% und weitere marginale Typen (< 0,10%) Augenfällig ist in beiden Studien das gegenüber den offenen Silben größere Gewicht komplexer Silbentypen. Dennoch überwiegen auch im Portugiesischen die offenen Silbentypen bei weitem die geschlossenen. Die beiden Untersuchungen liefern hier sehr ähnliche Ergebnisse: die Typen CV, V und CCV kommen bei Hess zusammen auf 62,32%, bei Vigário/Frota/Martins (2006) auf 64,37% aller Okkurrenzen (sonstige offene Silben erreichen nur marginale Ränge). Dies ist nicht zuletzt mit der hohen Inzidenz einsilbiger Synsemantika mit leerer Coda verbunden. Das Frequenzwörterbuch von Davies/Raposo (2008) auf der Grundlage des umfangreichen Corpus do português zeigt den üblichen Befund von Frequenzlisten in den Sprachen der Welt: die ersten Häufigkeitsränge sind einsilbigen Wörtern vorbehalten. Auch die Tatsache, dass die häufigsten Elemente zunächst vor allem Synsemantika sind und Autosemantika erst auf unteren Rangplätzen folgen, wie es für das Portugiesische gilt, ist der Regelbefund. Funktionswörter wie Artikel und Präpositionen wiederum sind überproportional oft, wenn auch nicht ausschließlich, einsilbig (cf. zum Italienischen Schmid 1999, 165) und haben häufig die Form CV (z. B. de, que, se etc.) oder V (a, e). Im Portugiesischen betrifft dies die Ränge 1–8 der häufigsten Wörter, erst an neunter Stelle steht die zweisilbige Präposition para, die in Allegrorealisierung regelmäßig einsilbig ist ([pɾɐ]), auf Rang 17 folgt mit como ein weiteres zweisilbiges Element.
3.6.4 Überblick Französisch, Italienisch, Rumänisch Die Sprachen Französisch, Italienisch, Rumänisch werden im Rahmen dieser Arbeit kursorisch betrachtet. Die Zusammenschau dieser drei großen romanischen Sprachen einerseits, die jeweils für die Varietätenräume Gallo-, Italo- und Dakoromania stehen, mit ihren teils sehr unterschiedlichen Entwicklungslinien und typologischem Gepräge, und andererseits der in sich weit ausdifferenzierten iberoromanischen Sprachen soll dem Skizzieren eines romanischen Gesamtbildes dienen, wenngleich der Fokus dieser Arbeit auf den drei verbreitetsten Idiomen der Iberoromania liegt. Es werden jeweils die wichtigsten Silbentypen aufgeführt.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
123
Vergleichswerte für die Synchronie der drei Sprachen liefern Wioland (1985), Schmid (1999) und Hess (1975, 258–261, 268–269).171 Französisch Die wichtigsten Silbentypen des Französischen sind hier nach der Untersuchung von Wioland (1985, 255–348, in Klammern die teils abweichenden Werte von Hess 1975, 258–259) angegeben (cf. auch die sprachvergleichende Liste in Heinz/Schmid 2021, 99). Halbkonsonanten sind in beiden Studien als Konsonanten und damit silbentypologisch als C-Element gezählt:172 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
CV CVC CCV V CCVC CVCC VC CCCV
(la) (car) (tri) (à) (drogue /dʀɔg/) (parc) (il) (splendeur /splɑ̃.dœʀ/)
55,61 13,55 13,90 9,80 2,65 1,50 1,32 1,01
(59,79)% (16,72)% (10,19)% (7,05)% (2,36)% (1,72)% (1,39)% (0,54)%
Es folgen weitere Typen marginaler Häufigkeit wie CCVCC (triste /tʀist/, peutêtre /ptɛtʀ/ als Allegroform), CCCVC (devoir /dvwaʀ/), CCCVCC (strict /stʀikt/) (cf. Hess 1975, 259; Wioland 1985, 345–348; Schmid 1999, 103). Auffällig ist der extrem hohe Anteil offener Silben, der mit ca. 80% (bzw. bei Hess ca. 77,5%) im Französischen höher liegt als in allen anderen hier untersuchten romanischen Sprachen. Hinzu kommt häufige Resilbifizierung durch das enchaînement consonantique über Wort- und Morphemgrenzen hinweg (etwa in il aide une amie /i.lɛ.dy.na.mi/, cf. Encrevé 1988; Koch 22008, 44).173 Andererseits nehmen komplexe bis sehr komplexe Die typologische Untersuchung von Frank (1995) zu Phonem- und Merkmalsfrequenzen des Französischen, das sie mit dem Italienischen, Spanischen, Deutschen und Englischen kontrastiert, liefert kaum unmittelbare Daten zur Silbenstruktur, allerdings Hinweise zur «Vorrangstellung der Vokale gegenüber den Konsonanten» (179) und der Bevorzugung offener Silben im Französischen (11, 179). Die Silbentypen erscheinen bei Hess und Wioland nur als CV-Folgen (Schmid 1999 differenziert C- und G-Elemente), Beispiele für entsprechende Silben sind hier auf der Basis von Wioland und Schmid ergänzt. Zur Bevorzugung offener Silben im Neufranzösischen cf. zusammenfassend Koch (22008, 43–44). Auf der Ebene phonetischer Realisierungen ist außerdem die artikulatorische Erscheinung der détente (oder «final consonant release», Delattre 1965, 113) bei französischen Endkonsonanten im absoluten Auslaut zu nennen, die aufgrund der unmittelbaren Öffnung und Rückführung des Ansatzrohrs in Neutralposition zur «Andeutung eines neutralen Vokals» (Meisenburg/Selig 1998,
124
3 Silbentypinventare
Typen wie CCVC, CVCC, CCCV, CCVCC, CCCVC etc., im Vergleich zu derartigen Mustern z. B. im Spanischen, einen größeren Teil des Inventars ein. Niedere relative Frequenz ist, wie einige der zur Illustration der Silbentypen gewählten Beispielwörter zeigen, nicht gleichzusetzen mit Marginalität im Lexikon (cf. devoir, triste, peut-être etc.). Offen bleibt in Wiolands wie in Hess’ Zählung die Wertung von Nasalvokalen, die trotz ihrer primär vokoiden Eigenschaften als die Komplexität des Silbenkerns erhöhende Elemente angesehen werden können. Italienisch Für das Italienische liegen Daten aufgrund von Schmids (1999, 159) Zählung auf der Grundlage von zwei Frequenzwörterbüchern des Italienischen (LIF, LIP) vor, die teils deutlicher divergieren (der erste Wert entspricht dem LIF, der zweite, sofern ermittelbar, dem LIP), zusammengefasst in Heinz/Schmid (2021, 173).174 Schmid unterscheidet neben Konsonanten (C) und Vokalen (V) bei den Typangaben Semivokale/-konsonanten (dort mit S angegeben, hier wie üblich mit G notiert). Italienisch (157–160) weist für eine romanische Sprache relativ komplexe Strukturen auf, es weist 26 Typen auf, von denen die zwölf häufigsten hier wiedergegeben werden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
CV CVC V VC CCV CGV CVG CGVC CCVC VG GV CCCV
/ˈpa.ne/ /ˈfɛs.ta/ /ˈo.ra/ /ˈan.ke/ /ˈtrɛ.no/ /ˈpjɛ.de/ /ˈpɔj/ /ˈpjan.ta/ /ˈpron.to/ /ˈaw.to/ /ˈjɛ.ri/ /ˈstra.da/
55.82 / 57.74 14.41 / 14.83 10.10 / 7.52 7.18 / 5.83 3.94 / 4.73 3.29 / (5.75 = CSV + CVS) 1.38 / (s. o.) 1.23 / 1.34 1.03 / 1.20 0.60 / (0.26 = VS + SV) 0.18 0.29
Unter den 14 weiteren Typen sehr niedriger Frequenz sind etwa CCGVC (sguardo /ˈzgwar.do/), CCVCC (sport /spɔrt/), CCCVCC (sprint /sprint/), wobei die beiden letzte-
59) im Auslaut führt und deren Verstärkung in der Artikulation Expressivität anzeigt; durch diesen im Sprachvergleich «most characteristic auditory effect» entsteht, so Delattre, ein «syllabic embryo» (Delattre 1965, 113). Zum Italienischen cf. außerdem die Zählung von Bortolini (1976).
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
125
ren Wortbeispiele wiederum die Präsenz von Lehnstrukturen in den komplexesten Typen an der Peripherie (s. u., 4.1; auch Pustka 2021) des Silbensystems zeigen. Rumänisch Rumänisch weist in seinen Strukturen, auch auf phonologischer Ebene, gegenüber Französisch und Italienisch sowie der Iberoromania einige Besonderheiten auf. Seiner Phonologie und Phonotaktik widmet sich Chitoran (2002) in generativ-theoretischer Perspektive, mit einem nützlichen Überblick zu Phonologie, Morphologie und Lexikon (2002, 7–49). Teixeira-Kalkhoff (2021, 140–148) behandelt Rumänisch als eine von fünf Vergleichssprachen in seinen Untersuchungen zu Vokalsequenzierungen (hierzu auch Chitoran, 201–251). Auch im Rumänischen ist einerseits ein diachroner Trend zur Reduzierung konsonantischer Komplexität mit der Folge offener CV-Silben auszumachen: (67) rum. cuceri
‘erobern’
< vlat. ✶CONQUERIRE
Zentralisierte Vokale bilden im Rumänischen mit zwei Phonemen, die betont und unbetont vorkommen, ein vergleichsweise umfangreiches Teilsystem. (68) rum. cât [kɨt] ‘wieviel’: cat [kat] ‘Stockwerk’ (69) rum. doamnă [ˈdwamnɐ] ‘Dame’: doamna [ˈdwamna] ‘Dame-die’ (def. art. enklitisch) Das Vorliegen zentraler Vokale begünstigt Silbentilgungserscheinungen (Synkopierungen), die zu komplexen Silbenkonstituenten führen können, es seien hier die Beispiele aus Kap. 2.1.3 wiederholt: (70) rum. treisprezece/şaisprezece ‘dreizehn’/‘sechzehn’ (71) rum. ne vedem la patru şi jumătate ‘wir sehen uns um halb fünf’
Allegro: [ˈtrejʃpe/ˈʃajʃpe] Allegro: [ne veˈdem la ˈpatru ʃʒuˈmate]
Neben diesen konsonantischen Phänomenen können im Rumänischen auch wortintern lange Vokalsequenzen (cf. Teixeira-Kalkhoff 2021, 140–148; zu den rum. Diphthongen Chitoran 2002, 213–221) auftreten: (72) deoarece -VVV-
‘weil’
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3 Silbentypinventare
(73) cafegioaică -VVVV-
‘Kaffeehausbesitzerin’
Dies kann je nach Segmentierung und Sprechtempo – Allegroformen begünstigen eher die Entstehung von Gleitlauten – Silbennuklei beträchtlicher vokalischer Komplexität zur Folge haben. Insgesamt weist das Rumänische neben dem auch hier dominanten Typ CV, Silben hoher Komplexität auf. Dabei kommen Onset-Cluster wie die Folge Spirant-Frikativ (rum. sfânt ‘heilig’, sfârşit ‘Ende’) oder FrikativVibrant (rum. hrană ‘Nahrung’)175 vor, die von den hier betrachteten romanischen Sprachen nur das Italienische (it. sfizio)176 oder keine dieser Sprachen kennt. Im Überblick besitzt das Rumänische folgendes Typinventar (cf. Hess 1975, 268–269): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
CV CVC V CCV VC CVCC CCVC CCCV VCC CCVCC
(la) (alt.fel) (o) (tre.ce) (îl) (mult) (sfâr.şit) (spre) (alt) (prins)
55,61% 18,58% 7,21% 7,01% 5,11% 2,47% 1,96% 0,7% 0,58% 0,33%
Hinzu kommen einige Typen marginaler Okkurrenz. Auch im Rumänischen herrschen offene Silben klar vor (über 70% aller Silben). Jedoch sind komplexe Typen auf relativ hohen Frequenzrängen zu finden (CVCC, CCVC). Die komplexen vokalischen Nuklei des Rumänischen finden allerdings in Hess’ Zählung keinen Niederschlag. Durch morphologisch bedingtes /i/ in Substantiv- und Verbformen, das im absoluten Auslaut und vor Konsonanten kaum hörbar als palataler Approximant [j] realisiert wird und keinen eigenen Nukleus bildet, ergeben sich auch am rechten Silbenrand komplexe Sequenzen des Typs CCG, z. B. in (74a) rum. vorbeşti
[vɔɾˈbɛʃtj]
2. pers. sg. v. vorbi ‘sprechen’
(74b) rum. cărţi
[ˈkɐɾʦj]
Pl. ‘Bücher’
Diese rum. Anlautgruppen resultieren aus slawischem Lehneinfluss (cf. DEX s.vv.), während es auch s-Okklusiv-Liquid-Cluster lateinischer Herkunft gibt (z. B. scrie < lat. SCRIBERE). Die Phonotaktik möglicher An- und Auslaute des Italienischen fasst Stammerjohann (1988, 8–9) zusammen.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
127
In Allegroformen mit für das gesprochene Rumänisch charakteristisch verminderter Artikulationsspannung kommt es wiederum zu Codavereinfachungen, die oft hochfrequente Elemente betreffen, wie die Beispiele des enklitischen Artikels und des Partizips zum Auxiliar (a) fi zeigen: (75a) rum. domnul Lento: [ˈdɔmnul] (75b) rum. fost Lento: [fɔst]
‘Herr’-‘der’ (enkl. def. Art.) vs. Allegro: [ˈdɔmnu] part. perf., aux. fi ‘sein’ vs. Allegro: [fɔs]
3.6.5 Grenzen und Möglichkeiten der frequentiellen Bestimmung von Silbentypdistributionen Die frequentielle Erfassung von Silbentypdistributionen ist, wie eingangs (3.6) erwähnt, mit einer Reihe methodischer Schwierigkeiten verbunden. Die wichtigsten Methodenprobleme, die den hier vorgestellten und den aus der Literatur referierten Versuchen der frequentiellen Erfassung silbischer Muster gemeinsam sind, seien hier stichpunktartig zusammengefasst. Sofern die Silbendefinition nicht als an sich ungelöst angesehen, eine Realisierbarkeit entsprechender Untersuchungen also grundsätzlich anerkannt wird, wie es die Autoren der besprochenen Studien offenkundig getan haben, sind folgende Punkte zu benennen (zu Problemen insbesondere automatisierter Verfahren Marchand/Adsett/Damper 2009):177 – Methode der Segmentierung/Transkription: manuell, semiautomatisch, automatisch? – Fehlerträchtigkeit automatisierter Verfahren vs. Begrenzung der Materialbasis bei manueller Zählung178 – (teils davon abhängig) Korpusgröße – Resilbifizierungserscheinungen in der untersuchten Sprache (erhöhte Zählung bedeckter/offener Silben) vorhanden? Marchand/Adsett/Damper vergleichen bestehende Systeme der automatischen Syllabierung für das Englische und verweisen auf Schwierigkeiten der technischen Umsetzung, die mit der nach wie vor schwierigen linguistischen Definition der Silbe zu tun haben: «Automatic syllabification of words is challenging, not least because the syllable is not easy to define precisely» (2009, 1). Auch in dieser Darstellung des state of the art für das Englische, für das entsprechende Ansätze mit am weitesten fortgeschritten sind, kann bislang nicht von einer befriedigenden Lösung der automatischen Syllabierung die Rede sein, so dass derartige Untersuchungen vorläufig recht aufwendig bleiben. Gerade wenn von einem geringen Anteil Fehlzählungen auszugehen ist (d. h. nicht korrekt segmentierten Silben) ist das Auffinden dieser Fehler in einem größeren Korpus besonders auf-
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– – –
3 Silbentypinventare
Korpus: Wörterbuch (Einzellemmata) oder Texte (geschrieben vs. gesprochen) Textauswahl nach Diskurstraditionen/Textsorten, Repräsentativität? Synchronie, Diachronie (Latein, ältere Sprachstufen: Lautrekonstruktion/Rückprojektion von Schrift aus), evtl. diatopische Varietät (z. B. Zentralkat. mit Reduktion unbetonter Vokale vs. Valencianisch mit größerem Nebentonvokalismus)
Was kann angesichts dessen für den Versuch einer frequentiellen Erfassung von Silbentypen in einer begrenzten Textauswahl, der hier unternommen wurde, geschlossen werden? Allgemein gilt: trotz offenbleibender Fragen und nicht abschließend lösbarer methodischer Beschränkungen ist eine wenigstens näherungsweise Vorstellung vom quantitativen Gewicht der einzelnen Silbentypen unverzichtbar für typologische Aussagen (cf. z. B. Caro Reina 2019). Was den textuellen Aspekt betrifft, so sind in den spanischen Texten Conde Lucanor und Celestina Divergenzen auch auf silbentypologischer Ebene zwischen einzelnen Textteilen wie Vorrede und narrativem/dialogischem Text sichtbar geworden. Guerra (1983, 13) erwähnt explizit das Problem der Texttypologie und deren möglichen Einfluss auf die Ergebnisse: «Desconocemos hasta qué punto el estilo de las obras y de los fragmentos seleccionados haya podido condicionar los resultados estadísticos, y no es ésta una cuestión que se resuelva fácilmente». Ein Einfluss unterschiedlicher textstruktureller Muster auf hochfrequente Phänomene wie Silben erscheint nicht zwingend, Hinweise darauf resultieren jedoch aus der Untersuchung des Spanischen, wo eine Tendenz zu offenen, weniger markierten Silbentypen einerseits das ältere vom neueren Spanisch und andererseits bestimmte Diskurstraditionen unterscheidet. Das Katalanische scheint hingegen eine systematisch größere Toleranz für komplexe, markierte Silbentypen aufzuweisen, die chronologisch und über Texttypen hinweg stabiler ist. Dazu passt die klar sichtbare Zunahme im Zuge der Sprachentwicklung (cf. die vorhergehenden Untersuchungen und Guerra 1983) des universell unmarkierten CVTyps im Spanischen, während dieser im Katalanischen ebenso wie der im Spanischen abnehmende CVC-Typ frequentiell eher stabil bleibt. Schmid (1999, 102–104; cf. auch Heinz/Schmid 2021, 99–100) skizziert interessante Vergleiche des Italienischen mit den Silbentypinventaren des Spanischen, Französischen, Englischen und Deutschen. Demzufolge sind Englisch und Deutsch
wendig. Ergeben sich in der Typauswertung nicht belegte Silbentypen (z. B. weil in einer Textdatei trotz vorheriger Eliminierung von Steuerzeichen eine unsichtbare Markierung die Segmentierung eines Wortes oder Wortteils verhindert), so hängt es wiederum von deren Zahl ab, ob ein Einfluss auf die gesamte Zählung gegeben ist. Werden in einer Stichprobe mit Tausenden oder Zehntausenden von Tokens absolut nur 1 oder 2 falsch segmentierte Strukturen angezeigt, so ist dieser Fehler statistisch nicht signifikant.
3.6 Quantitative Präsenz von Silbentypen und Probleme der frequentiellen Erfassung
129
mit jeweils 39 von 47 besetzten Positionen in einer Liste möglicher Silbentypen in den vier Sprachen (cf. Schmid 1999, 103), wobei auch marginale, äußerst selten auftretende Strukturen verzeichnet sind, silbentypologisch ungleich komplexer als Italienisch, Französisch und Spanisch mit 26 respektive 23 respektive 19 nachweisbaren Typen. An dem italienischen Silbentyp CCCV, der hier mit einer statistisch marginalen Häufigkeit von unter 0,3% auf dem 12. Rang steht, wird die Problematik einer frequentiellen Erfassung der Silbentypologie deutlich: mag auch der Typus CCCV relativ zu hochfrequenten Strukturen wie CV, CVC, V, VC vernachlässigbar erscheinen, so ist doch offenkundig, dass Wortschatzelemente wie it. strada, scritto, etc. alles andere als marginal in authentischer Sprachverwendung sind. Diachron gesehen steht der frequentiellen Marginalität solcher dreifachkonsonantischen Anlautgruppen im älteren Italienisch aufgrund des sog. prosthetischen i (selten e), das Schwinden dieses i-Vorschlags in der modernen (Nähe- und zunehmend auch Distanz-)Sprache gegenüber; Formen mit Prosthese sind nur noch als historisch und literarisch anzusehen (cf. Sampson 2010, 79–96).179 Somit ist die in der älteren Literatursprache noch regelhafte Einfügung eines prosthetischen Vokals (bis heute vereinzelt zu finden in formelhaften Ausdrücken wie per iscritto, in iscuola) anders als z. B. im Spanischen und Katalanischen kein aktiver phonologischer Prozess mehr, wovon Konsonantenkontakte wie in_stazione, per_scrivere zeugen. Solche CsC-Cluster (aus C +/s/ + C) als mögliches Resultat des Aufeinandertreffens konsonantischer Endungen (nicht selten in Funktionswörtern wie Artikeln, Pronominalbegleitern, Präpositionen) mit diesen Anlautgruppen haben in der Norm des gegenwärtigen Standarditalienisch keinen klaren Status (cf. auch Bertinetto 1999 und 2004). Während die I-Prosthese nicht mehr aktiv ist, verhindert die Morphophonotaktik des maskulinen Artikels im Singular «schlechte» Lautkontakte dieser Art (wie auch Verbindungen aus Konsonant [außer r, l] + Affrikate /ʣ/), man vergleiche die morphologische Alternanz it. il/un sole, tratto vs. lo/uno stato, straccio, zoo. Zu beachten sind im Italienischen ferner seltene, jedoch mögliche Anlautfolgen wie [mʣ] (cf it. mzabitico ‘mozarabisch’), ohne dass eine Epenthese-Tendenz vorhanden wäre (Zentralvokale, die diese Tendenz begünstigen könnten, gibt es im Vokalismus des Standarditalienischen, anders als in der südlichen Italoromania, nicht, cf. Heinz/Schmid 2021, 162). Somit erlaubt das Italienische erbwörtlich komplexere Anlautstrukturen als etwa Spanisch und Französisch, das aber lehnwörtlich Dreifachkonsonanz im Anlaut kennt, cf. fr. strict vs. erbwörtliches étroit, beide < lat. STRICTU; gelehrte Anlautstrukturen besonders griechischer Herkunft des Typs ps-, pt- kommen in allen drei
Zur I-Prosthese in der Italoromania cf. im Detail Sampson (2010, 79–96, 137–145).
130
3 Silbentypinventare
Sprachen mindestens als Varianten vor (s. u., Kap. 5.1). Komplexe Anlautgruppen (Typ CCGV, CCV, CCCV) mit anlautendem s- sind im Italienischen auch wortbildungsbedingt (in Präfixbildungen mit negierender, intensivierender u. a. Funktionen) zu finden, man vergleiche it. spianare [spj-], sdolcinato, sleale, smerigliare, sbrinare, sfrecciare. In der Silbencoda tendiert das Standarditalienische dagegen ähnlich dem Spanischen zur Einfachheit (leere Codaposition oder Einfachkonsonanz), im Wortauslaut sind Abweichungen von seiner «sprachrhythmischen Zielstruktur» CV.CV (cf. E. Mayerthaler 1982, 50–65) selten. Entgegen seiner Tendenz zu offenen Silben kennt das Italienische jedoch auch konsonantische Wortauslaute z. B. in Funktionswörtern (il, un, nessun, in, per), gekürzten Adjektiven (bel, gran, San) sowie in auch in absoluter Auslautposition vorkommenden Siglen (LABSBEF [labzˈbɛf] ‘Verbraucherschutzorganisation’) und modernen, zumeist englischen Entlehnungen wie bar, gas etc., die in Formen wie colf (‘Hausangestellte’, Sigle aus collaboratrice familiare), film, golf (‘Pullover’; ‘Golf (Sportart)’), sport eine gewisse Komplexität (...CC) erreichen können (cf. 5.1, 5.3).180 Eine extrasilbische Wertung des s-Elements (cf. die Diskussion solcher Vorschläge bei Bertinetto 1999, 2004) oder dessen satzphonetische Zählung als Coda-Konsonant einer vorausgehenden wortfinalen Silbe erscheint durch die italienische Phonotaktik mit ihrer Neigung zu einfachkonsonantischer oder leerer Coda nicht gedeckt. In der Gesamtschau der Typfrequenzen fallen am Französischen, gefolgt vom Spanischen und Italienischen, besonders hohe Anteile offener Silben auf, während Rumänisch, Italienisch, Französisch, Katalanisch und Portugiesisch auf je eigene Art silbische Komplexität zulassen: Französisch erweist die relativ höchste Toleranz für komplexe Silben (eine charakteristische Spannung zu den andererseits besonders zahlreichen einfachen, offenen Silben), cf. die Silbenkomplexitätsskala unter (88); Italienisch lässt Konsonantenhäufung weit stärker am linken als am rechten Silbenrand zu; im Rumänischen, dessen Vokalsystem anders als Italienisch und Spanisch und stärker als Französisch Zentralvokale aufweist, kommen die komplexen Typen CVCC und CCVC auf vergleichsweise hohe Frequenzränge. Es ähnelt in dieser Hinsicht eher dem Katalanischen und Portugiesischen. Angesichts der in allen Inventaren hohen absoluten und relativen Werte für core syllable types wie CV, CVC, V, VC mag die Aussagekraft der Frequenzwerte für komplexere Typen gering erscheinen. Es wurde bereits erwähnt, dass diese jedoch durchaus in häufigen
In volkstümlichem Toskanisch und allgemein in mittel- und süditalienischen Varietäten besteht die Tendenz, den Wortauslaut in derartigen Fällen mit einem (oft ungespannt und schwach artikulierten, mitunter als paragogisches Schwa, cf. Heinz/Schmid 2021, 177) Stützvokal, d. h. faktisch zweisilbig, zu realisieren: tosc.pop. film [filme]. Ähnliches gilt für die im Italienischen verbreitet als phonologische Wörter gelauteten Siglen wie CISL [ʧisl(e)] (Name einer Gewerkschaft), USL [usl(e)] (lokales Gesundheitszentrum).
3.7 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität
131
Einheiten des Kernwortschatzes zu finden und insofern in einem als bloße Frequenzliste dargestellten Inventar nicht adäquat repräsentiert sind. So muss ein vorläufiger Schluss zur frequentiellen Erfassung von Silbentypen lauten, dass die quantitative Präsenz der häufigsten Typen zwar durch Ranglisten nachvollziehbar wird. Hingegen muss die Bedeutung der selteneren komplexen Typen, ohne die zweifellos bestehende und typologisch gerade besonders relevante Unterschiede zwischen Silbentypsystemen verwischt würden, unter Rückgriff auf weitere Ordnungskriterien beschrieben werden. Der Frage der typologischen Salienz (cf. Schmid 2007) von markierten Strukturen (Silbentypkomplexität) in den untersuchten Systemen widmet sich der folgende Abschnitt.
3.7 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität 3.7.1 Tendenzen in den untersuchten Sprachen Einfache und komplexe Silben kommen in den Inventaren der untersuchten Sprachen in unterschiedlicher Gewichtung vor. Die wichtigsten sprachübergreifenden und –spezifischen Strukturtendenzen werden nachfolgend zusammengefasst. Welche Segmentkombinationen kennzeichnen die systematisch realisierten Silben in den betrachteten romanischen Sprachen? Die im Anlaut vorkommenden Gruppen beschränken sich weitgehend auf die bereits im Lateinischen vorhandenen Muta-cum-Liquida-Verbindungen aus Verschlusslauten gefolgt von Liquiden (Vibranten oder Lateralen, z. B. sp./pt. tras) bzw. deren diachronischen Reflexen. Zudem greift bei der wortinternen Syllabierung von konsonantischen Kontakten das Law of Initials und das Onset-Maximierungs-Prinzip (s. o., 3.1), sofern sich so eine zulässige Anlautstruktur ergibt. Aufgrund der weitgehenden Tendenz zur Sonoritätsoptimierung im Auslaut (cf. das in 3.1 erwähnte Coda-Gesetz) mit der Folge einer Präferenz für offene Silben sind die im Silbenauslaut zulässigen Sequenzen in vielen der hier betrachteten Sprachen vergleichsweise weniger komplex als im Onset. Segmentfolgen wie VCC (z. B. abs-) oder CVCC (cons-) sind wortintern selten und gehören zumeist dem Lehnwortschatz und damit der Systemperipherie (s. u., 4.1) an. Allerdings wirkt sich die sprachspezifische Flexionsmorphologie unterschiedlich aus, im Portugiesischen und Katalanischen können durch nominale und verbale Flexionsendungen komplexe C1C2-Gruppen (cf. 65) und sogar C1C2C3-Gruppen (pt. suportes [-.pɔɾtʃ] pl.) entstehen, die in der Grammatik der beiden Sprachen zweifellos nicht peripher sind. Die für die in den rechten und linken Silbenrändern zulässigen Konsonantencluster stimmen nicht immer mit den von der Sonoritätshierarchie vorgesehenen Abfolgen (s. o., 2.1.3; 3.5) überein. Im Onset zeigen dies Frikativ-Plosiv-Folgen (sC-
132
3 Silbentypinventare
Cluster wie z. B. it. stella) oder komplexe Konsonantengruppen wie das unter 3.5 bereits diskutierte portugiesische Beispiel (61c’’), zu dessen Sonoritätsverteilung sich in französischen (76) und katalanischen (77) Codastrukturen Analogien finden: (61c”) Sonoritätsprofil [dʃpɾ̩ ] in pt. [dʃpɾ̩ .ˈzar] desprezar
In der Coda finden sich im Französischen z. B. Plosiv-Liquid-Folgen durch wortfinale Vokaltilgung (76), im Katalanischen (77) flexional bedingt Plosiv-Frikativ-Folgen: (76) Sonoritätsprofil fr. table181
(77) Sonoritätsprofil kat. gats pl.
Solche plurikonsonantischen Coden sind in Standardaussprache (Lento und mittleres Tempo) üblich, Allegroformen im Kontext _#/C (vor konsonantischem Wortrand) zeigen dagegen Codavereinfachung, z. B. [yn.tab.puʁ.kat.pɛʁ.sɔn] (une table pour quatre personnes), cf. auch Grammonts loi des trois consonnes, dessen Regelhaftigkeit jedoch zweifelhaft ist, cf. den Überblick im Zusammenhang mit dem französischen Schwa (e muet/caduc) bei Ayres-Bennett/Carruthers/Temple (2001, 101–102).
3.7 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität
133
Zwar sind offene Silben (CV, V, CCV etc.) im Katalanischen wie in den anderen romanischen Sprachen quantitativ sehr bedeutend, doch relativ zu Sprachen wie Französisch, Spanisch oder Italienisch (auch Rumänisch) ist ihr Gewicht geringer. Die offenen Silbentypen CV, V, CCV erreichen im Katalanischen zusammen ca. 59% der Silbenvorkommen gegenüber ca. 80% im Französischen, und ca. 70% im Spanischen und Italienischen, der Anteil geschlossener Silben (ca. 41%) liegt damit noch höher als im Portugiesischen, das ebenfalls durch zahlreiche geschlossene Silben charakterisiert ist.182 Zugleich kennt das Zentral(ost)katalanische, das sich zunehmend als Standard durchsetzt, insbesondere in Allegrosprechstilen zahlreiche Assimilationsphänomene (cf. Bonet/Lloret 1998, 117–186), die aufgrund phonotaktischer Beschränkungen eine Vereinfachung der Silbencoda bedingen können. Hieraus resultieren Formen mit Codareduktion wie in (78) kat. tirant
[ti.ˈɾan]
CVCC > CVC.
Der phonologische Kontext, hier das Anlautsegment des Folgewortes (Vokal oder Konsonant), bedingt s-Erhalt oder Schwund in Sequenzen aus Demonstrativum und Nomen, wodurch sich die Silbifizierung ändert: (79) kat. aquest ome
[ə.kɛs.ˈtɔ.mə]
V.CVC.CV.CV
(80) kat. aquest noi
[ə.kɛt.ˈnɔj]
V.CVC.CVS
So kann es zur Clustervereinfachung in der Coda kommen: (81) kat. aquests flors
[ə.kɛts.ˈflɔs]
CVCCC > CVCC.
Daneben mit s-Realisierung: (82) kat. aquestes coses
[ə.ˈkɛs.təs.ˈkɔ.zəs]
...CVC.CVC...
Andererseits kommt es in einigen Aussprachevarietäten zu einer Steigerung silbischer Komplexität durch die Möglichkeit der Spontangemination in bestimmten Kontexten (cf. Bonet/Lloret 1998, 93–96), etwa in (83) kat. poble
[ˈpɔb.blə]
Die Zahlen beziehen sich auf die in 3.6.1–3.6.4 aufgeführten Werte.
134
3 Silbentypinventare
Generell scheint die im Katalanischen höhere Silbenkomplexität systematisch stabil zu sein, während im Spanischen das Gewicht komplexer Silbentypen abnimmt. Besonders deutlich ist eine Tendenz zum Abbau silbenstruktureller Komplexität in südspanischen und vielen lateinamerikanischen Varietäten, in denen die Tilgung von Auslautkonsonanten üblich ist;183 z. B. schwindet das als morphologischer Marker im Auslaut häufige /s/ über aspirierte Zwischenstufen ([h]C) oft ganz (Bsp. 84; cf. Alvar 1996a, passim; Brown 2009; zum Andalusischen auch Ruch 2013), zudem werden (wie generell in spanischen Allegro-Stilen) Konsonantengruppen vereinfacht: (84) andalusisch la vaca las vacas
[la.ˈβa.ka] [la.ˈba.ka]
CV.CV.CV CV.CV.CV184
(85) pen. sp. exacto Lento [ek.ˈsak.to/eɣ.ˈsak.to] C.CVC.CV Allegro [e.ˈsa.to] V.CV.CV Zum unterschiedlichen Lautwert je nach Sprechstil der ursprünglichen Konsonantengruppe [ks] (graphisch < x >), den das Beispiel (86: exacto) wiedergibt, bemerkt bereits Navarro Tomás (242004 [11918], 140; cf. auch Blaser 2007, 72–73) in seinem Aussprachehandbuch des (peninsularen) Spanischen: «Históricamente, la x de nuestra actual escritura equivale al grupo [ks]; pero su pronunciación sólo se ajusta al valor literal que este grupo representa en casos muy marcados de dicción culta y enfática. En la conversación corriente, la x se pronuncia como una simple s». Mit «dicción culta y enfática» gibt Navarro Tomás eine knappe Definition dessen, was auch als Lento-Ausspracheregister bekannt ist, welches durch sorgfältige, langsamere Artikulation und in diesem Fall durch den Erhalt der komplexen Konsonantengruppe gekennzeichnet ist, während es in der «conversación corriente» als schnellerem, weniger kontrolliert artikuliertem Allegro-Register zur Vereinfachung der Segmentfolge durch regressive Assimilation kommt. Die Auswirkungen dieser bereits allgemein eingeführten Problematik für die Klassifikation von Silbentypen werden im folgenden Abschnitt behandelt.
Neben /s/ können auch auslautendes /r/ (z. B. in Infinitivformen; in Verbindung mit enklitischen Pronomina etwa im Andalusischen auch assimiliert mit resultierender Geminierung) und /n/ getilgt werden (z. B. in der 3. pers. pl. der Verbflexion), cf. u. a. Brown 2009; Colina (2009, 29). Zum Ausfall von «implosivem» und finalem /s/ im Andalusischen cf. Alvar (1996b, 242–247).
3.7 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität
135
3.7.2 Silbenkomplexität als typologische Variable In allen betrachteten Silbentypinventaren können einfache von komplexen Strukturen unterschieden werden. Der Gegensatz zwischen struktureller Einfachheit und Komplexität kann zunächst analog zum weiter oben (2.1.3) ausgeführten Konzept von Markiertheit (Merkmalhaltigkeit) vs. Unmarkiertheit (Merkmallosigkeit) gefasst werden. Der CV-Typ vereint demnach alle Kriterien für Unmarkiertheit, an die hier noch einmal erinnert sei: unmarkierte Einheiten werden durch einfachere Mittel ausgedrückt, sowohl in ihrem Textvorkommen als auch in den Sprachen der Welt sind sie häufiger, sie erscheinen im Spracherwerb früher und sind oft der Endpunkt von Sprachwandelprozessen. Bei der Betrachtung sprachstruktureller Komplexität185 stellt sich allerdings die Frage nach der Produktions- bzw. der Wahrnehmungsperspektive,186 denn komplex für den Sprecher (z. B. im Sinne von artikulatorisch aufwendig) kann für den Hörer leichtere Wahrnehmung (wegen der besseren Markierung von Silben, Morphemund Wortgrenzen z. B. bei gespannten Artikulatoren) bedeuten. Ebenso können umgekehrt – um bei der Lautebene zu bleiben, auch andere Beschreibungsebenen der Sprache wie Morphologie oder Syntax können davon betroffen sein – artikulatorisch weniger aufwendige, z. B. ungespannte, zentralisierte Vokale in schwachtonigen Silben wie in vielen Sprachen (Französisch, EP, Rumänisch, Deutsch, Englisch, Russisch u. a.) besonders in Allegrorealisierungen üblich (z. B. im EP kann die Zentralisierung auch Haupttonvokale betreffen), für die Wahrnehmung erhöhte Komplexität bedeuten, die sich für L2-Lerner einer Sprache noch deutlich steigert. Solche Vereinfachungen in der Segmentstruktur bis hin zur Tilgung können sekundär wiederum zu gesteigerter Komplexität von Silbenstrukturen führen, wenn z. B. durch Vokaltilgung Silbengrenzen kollabieren und komplexe Onset- oder Coda-Cluster entstehen.187
Zu Komplexität als einem allgemeinen Parameter der strukturellen Sprachtypologie, der zunehmend ins Blickfeld gerückt ist, cf. Hawkins (2004), Miestamo/Sinnemäki/Karlsson (2008), zur (v. a. segmentalen) Phonologie Coupé/Marsico/Pellegrino (2017). Krefeld (2001, 1341–1343) setzt sich (neben stärkenden vs. schwächenden) kritisch mit verdeutlichenden vs. entdeutlichenden und sprecher- vs. hörerorientierten Prozessen im Sinne der Natürlichen Phonologie (cf. Dressler 1984) auseinander und betont, dass phonologische Prozesse nicht nur Phonation und Audition, sondern auch die Memoration betreffen. Neben der «artikulatorischen Bequemlichkeit» (Phonation, sprecherseitig) und dem «auditiven Distinktionsbedürfnis» (Audition, hörerseitig) ist auch die «mnemotechnisch[e] Präferenz bestimmter Gestaltungsweisen als Quelle phonologischer Prozesse» (Krefeld 2001, 1341–1343) zu berücksichtigen. Bei Schiering (2007) ist Silbenkomplexität ein phonologischer Parameter zur rhythmustypologischen Einordnung von Sprachen (zu den Kriterien hierfür cf. Maddieson 2013); s. o. 3.4 und 4.4.2.
136
3 Silbentypinventare
Für die Wahrnehmung erschwert silbenstrukturelle Komplexität mit der Folge kontrahierter morphologische Elemente vielfach die Interpretation von Wortmaterial, wie etwa das Beispiel (86) zeigt: (86a) felicidade (86b) felicidade
EP BP («Paulista»-Varietät)
[fli.si.ˈðað(ə)] [fe.li.si.ˈda.ʤi]
In der EP-Realisierung ist die morphologische Struktur (deadjektivisches Nomen, abgeleitet von der Basis feliz) eher verdunkelt, während sie im BP deutlich hervortritt. Darin dürfte, neben einer Reihe von internen, systembedingten Anteilen, ein externer Faktor zur Erklärung z. B. der deutlichen silbentypologischen Divergenz des EP und des BP liegen:188 Das EP ist der historisch konsolidierte Code einer bemerkenswert homogenen, demographisch und in gewissem Maße auch territorial kompakten Sprachgemeinschaft, in der demnach die Produktionsperspektive einen gewissen Vorrang vor der Perzeptionsperspektive haben kann, da Grundlage der Sprachgemeinschaft eine recht einheitliche Beherrschung des Codes ist; die aufgrund starker Vokalreduktion teilweise sehr komplexen Silben des EP stellen unter diesen Gegebenheiten kein Verständigungshindernis dar. Das BP dagegen entwickelt sich in einem geographisch äußerst weiten, diffusen Varietätenraum, der durch multiplen Sprachkontakt geprägt wird. Von einer annähernd flächendeckenden Verbreitung und einheitlichen Beherrschung der Leitvarietät(en) des BP kann über lange Zeit und teilweise bis in die Gegenwart nicht ausgegangen werden, was eine Privilegierung der Wahrnehmungsoptimierung vor der Produktionsvereinfachung nahelegt, die sich in der näher zur optimalen CV.CV-Syllabierung tendierenden Struktur des BP spiegelt. Die relative Prominenz der Position (insbesondere am linken Rand sprachlicher Einheiten, der sog. left periphery) scheint als Faktor für die Salienz von ansonsten eher seltenen, komplexen Silbentypen eine Rolle zu spielen. Hierin liegt eine Analogie zur informationsstrukturellen Fokussierung in syntaktischer Hinsicht; so scheinen aufgrund der Linearität von Sprache Randpositionen in sprachlichen Einheiten jeder Beschreibungsebene universell der Markierung und Hervorhebung von Elementen zu dienen. Frota/Vigário/Martins (2006, 2227) formulieren dies in Bezug auf die relative Häufigkeit von Silbentypen: «As word-edges are prominent positions in EP [...] and the syllable bearing stress is naturally prominent, syllable types that prevail in such positions may stand out even though their overall frequency is low, or lower than the frequency of types appearing in non-prominent positions». Demnach erhalten absolut eher wenig frequente Silbentypen durch ihre
Für diese Anregung danke ich Thomas Krefeld.
3.7 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität
137
Positionierung an den Worträndern eine höhere Salienz als gleichhäufige wortintern auftretende Typen. Die Wortrandstellung erlaubt phonotaktisch ungewöhnlich komplexe Cluster aus hochverdichtetem segmentalem Material. Somit kann man die komplexen Silbentypen in Sprachen wie den romanischen, in denen trotz charakteristischer Unterschiede in der Behandlung komplexerer Typen der CV-Typ, die unmarkierte Gestalt der Silbe, dominiert, als perzeptuell saliente (zu perzeptuellen Vorteilen komplexer Cluster cf. Engstrand/Ericsdotter 1999) und damit für die Markierung und Gliederung lexikalischer Einheiten, phonologischer Domänen etc. im Diskurs fungierende Strukturen ansehen. Deren Funktion ergibt sich gerade durch ihre niederfrequente aber einigermaßen regelmäßige Rekurrenz als – bildhaft gesprochen – Knoten im glatten, wenig salienten CV-Gewebe romanischer Sprachen. Die Komplexität von Silbentypen in einzelsprachlichen Systemen kann nach Kriterien wie Anzahl konsonantischer Segmente (am linken bzw. rechten Silbenrand), Eigenschaften vorangehender und in Clustern enthaltener Segmente, artikulatorischer Aufwand hierarchisch angeordnet werden. Wie bereits zusammenfassend in 3.6.5 angeklungen gruppieren sich die Typen in den einzelnen Sprachen sehr unterschiedlich. Unter den sechs hier betrachteten Sprachen weist Spanisch die geringste Bandbreite von Silbentypen auf, die an den Rändern des phonologischen Wortes noch weiter beschränkt ist (es besitzt dort «a simple syllable structure with a maximum of two consonants, plosive + liquid, permitted in word-initial onsets and at most one consonant in word-final codas»,189 Sampson 2010, 106). Standarditalienisch lässt eine recht hohe Onset-Komplexität zu, im Silbentypsystem des (Zentralost-)Katalanischen finden sich – lexikalisch und v. a. morphologisch bedingt – die komplexesten Gruppen in der Coda. Rumänisch, Portugiesisch, (Zentralost-)Katalanisch und Französisch besitzen außerdem elidierbare Zentralvokale,190 die phonetisch zu komplexen Silbenrandclustern führen können. Zu den Auffälligkeiten einiger in den Beschreibungen der französischen Lautung fehlenden komplexen Anlautgruppen sei noch einmal an Beispiele erinnert, wie sie Krötsch (2004, 218; cf. 2.3.1) als keineswegs ungewöhnliche Realisierungen beschreibt:
Wortinterne Coden können mit zwei konsonantischen Segmenten gefüllt sein (in den hier wiederholt diskutierten Formen gelehrten Ursprungs wie pers.pec.tiva, cons.truc.ción etc., cf. Harris 1983/1991; s. o. 3.3). Im Standarditalienischen gibt es phonosyntaktisch bedingte Vokalelisionen, jedoch (anders als in einigen nordwest- und süditalienischen Varietäten) keine Vokalzentralisierung. Zentralvokale sind in der Regel unbetont, doch Rumänisch, mallorquinisches Katalanisch (cf. Radatz 2010; auch Pons-Moll 2011) und EP kennen zudem die Zentralisierung akzenttragender Vokale (cf. z. B. die Tonsilbe in Bsp. 61).
138
3 Silbentypinventare
(87a) [ʃtlə.fɛ.pa.diʁ] (87b) [lvla.ki.ʁvjɛ̃] (87c) [pas.ty.kʁwa] [k̬ ʒvɛ.so.te] (87d) [d̻ stə.o.tœːʁ]
je (ne) te le (fais pas dire) le voilà qui revient parce que tu crois que je vais sauter de cette hauteur?
In einigen dieser Cluster ([ʃtl], [lvl]) stellt wie schon in den 3.7.1 besprochenen Fällen die phonetische Realität die phonologisch-systematisierenden Vorhersagen der Sonoritätsskala (s.o, 2.1.3) eklatant in Frage. Wie bei vielen phonologischen Konstrukten erscheint auch beim Prinzip der Sonoritätssequenzierung die Annahme einer entsprechenden Tendenz zur Optimierung der Sonoritätsverhältnisse in der Silbe als Ordnungskriterium für eine Reihe von Fällen durchaus hilfreich, nicht jedoch der Schluss auf rigide anwendbare Gesetzmäßigkeiten.191 Anhand des (Standard-)Französischen, das ein besonders breites Spektrum von phonetisch wie phonologisch anerkannt einfachen bis sehr komplexen Silbentypen besitzt,192 soll hier eine Silbenkomplexitätsskala (cf. auch Lehmann 2005, 138) skizziert werden: (88) Silbenkomplexitätsskala (Französisch) Komplexitätsgrade im Silbenanlaut (mit Silbentypvorkommen und Bsp.): CCCVCC (sprint, strict), CCCVC (spleen, strep.to.coccie), CCCV (sphra.gis.tique; Allegro: ce petit gamin [spti.ga.mɛ̃]) > CCGVC (devoir [dvwaʁ]), CCGV (droit [dʁwa]) > CCVCC (triste, Allegro: peut-être [ptɛtʀ]), CCV (pty.a.lisme, plu, très [tʀɛ]) > CGV (Dieu [djø]) > CV (la) Komplexitätsgrade in der Silbencoda (mit Silbentypvorkommen und Bsp.): CVNASCCC (monstre [mɔ̃stʁ]193) > CCVCCC (Allegro: cet arbre [staʁbʁ]), CVCCC (marbre, tertre, astre, ter.restre, mixte, texte etc.) > CVCCkompl (Auvergne [o. vɛrɲ], borgne [bɔrɲ]), VCCkompl (hargne [harɲ]) > CVNASCC (montre, comble,
Die Sonoritätsskala differenziert für Silbenkontakte in romanischen Sprachen Pons-Moll (2011). Dabei geht es nicht um die absolute Zahl möglicher Silbentypen, hier liegt das Italienische (26 Typen) nach der Zählung von Schmid (1999, 103; s. o., 3.6.4) noch vor dem Französischen (23 Typen), das wiederum klar vor dem Spanischen (19 Typen) liegt, sondern um die im Französischen höchstentwickelte Ausdifferenzierung von Komplexitätsabstufungen, wie sie die Skala in (88) für linke und rechte Silbenränder zeigt. Im Einklang mit gängigen Beschreibungen und Transkriptionen (etwa in Grand Robert, Petit Robert, TLFi) wird hier bei auf Liquid (Vibrant oder Lateral) auslautenden Wörtern keine SchwaRealisierung angenommen. Dies gilt für die Realisierung vor Pause im Einzelwort und am Ende des groupe rythmique, Listenaussprache etc., während vor konsonantisch anlautender Folgesilbe
3.7 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität
139
semble), VNASCC (entre) > CCVCC (triste), CVCC (liste,194 garde, charme, borne, l’aigle, souffre, souple, sucre etc.), VCC (être) > CVC (mec) Wie die Skala zeigt, sind die höchsten Komplexitätsgrade im Onset durch entlehnte Strukturen und aus Schwa-Tilgung entstandene Cluster repräsentiert (hierzu knapp auch Pustka 2021, 510, 517; sowie zum dévoisement/effacement von Vokalen im Quebec-Französischen Chalier 2021, 81, 121 und passim). Da anders als z. B. im Spanischen oder Katalanischen (im EP nur graphisch, jedoch i. d.R. nicht phonetisch realisiert) die Vokalprosthese im Französischen kein produktiver Prozess mehr ist, sind CCCCluster des Typs /s/ + Obstruent-Liquid-Nexus lateinischer (strict), griechischer (sphragistique) oder sonstiger Herkunft (z. B. engl. spleen, sprint; Allegro: ce petit [spti]) zulässig. Die Skala nimmt Komplexitätsabstufungen zwischen CCC-Gruppen (z. B. [sfʁ]) und CCG-Gruppen an ([drw], bei Hess 1975 und Wioland 1985 als CCC-Sequenz gewertet). Für die Coda ist der wichtigste Faktor für das Entstehen von komplexen Silbenendrändern das Verstummen des unbetonten Zentralvokals /ə/. Die komplexesten Cluster sind dort ebenfalls vom Typ /s/ + Obstruent-Liquid-Nexus. Für die Coda gelten weitere Abstufungen:195 trikonsonantische Cluster, denen ein Nasalvokal (VNASCCC wie monstre [mɔ̃stʁ]) vorausgeht, sind als artikulatorisch markierter zu werten als solche mit vorausgehendem einfachem Vokal. Bei den bikonsonantischen Coden erhöhen komplexe Segmente wie der palatale Nasal /ɲ/ in borgne [bɔrɲ], hargne [arɲ] die Komplexität der Coda gegenüber bikonsonantischer Koda mit vorausgehendem Nasalvokal (VNASCC, entre [ɑ̃tʁ]), deren artikulatorische Komplexität wiederum höher ist als bei solchen mit vorausgehendem einfachem Segment (z. B. CVCC borne [bɔrn], VCC être [ɛtʁ]). Die lexikalische Inzidenz der möglichen Komplexitätsgrade in der Silbencoda dokumentiert z. B. die Aussprache von Wörtern mit den (graphischen) Endungen und . Hierzu gibt Fouché (1952, 790) die drei Realisierungsvarianten [kt], [k] und [ø] an: «On a [-kt] dans compact, contact, intact, tact, abject, correct, direct, infect, intellect, strict, et zéro dans aspect, respect, instinct. Pour les autres mots il y
Clustvereinfachung mit Liquidtilgung und vor Vokal Resyllabierung mit Wechsel des Liquids in Onsetposition vorkommen. Beim verbreiteten Nominalsuffix -isme (fr. fatalisme etc.) ist die silbische Realisierung des bilabialen Nasals üblich ([-ism̩ ]), bei fr. isthme gibt es neben der Aussprache [ism̩ ] auch die Variante [istm̩ ] (cf. TLFi, s. v.). Die Notierung des jeweiligen Dominanzverhältnisses (‘Typ X ist komplexer als Typ Y’) mag an die Hierarchisierung von Constraints in der OT erinnern (dort mit dem Symbol « >> »). Doch geht es hier lediglich um den Versuch, Komplexitätsabstufungen einzelsprachlich vorkommender Silbentypen in Form einer Skala zu fassen. Unter 4.3.1 wird die OT eingehender diskutiert. Eine einfache Anordnung der für die romanischen Silbensysteme wesentlichen Beschränkungen in optimalitätstheoretischem Sinne findet sich dagegen im Abschnitt 5.3.
140
3 Silbentypinventare
a hésitation; trois prononc. : [kt], [k], zéro pour circonspect, suspect; deux : [-kt], zéro pour distinct, succinct; [-kt], [-k] pour district; [-kt], zéro pour exact» (cf. auch Nyrop 1963, § 193; zusammenfassend TLFi s. v. «abject»). Wie die Wortliste zeigt, ist die einer Leseaussprache entsprechende Variante [kt] am häufigsten (diese ist seit dem 19. Jh. auch die üblichere Variante bei fr. exact, cf. TLFi, s. v., s. o. 1.1 n.), die eigentlich unerwartete Präferenz für eine komplexe Coda entgegen der Tendenz zu offenen Silben könnte als Strategie zur Stärkung des rechten Wortrandes interpretiert werden, der für die Sprecher z. B. in Liaison-Kontexten (nachfolgender wortinitialer Vokal) Klarheit unter drei konkurrierenden Realisierungsmöglichkeiten [kt], [k] und [ø] schafft. Eine hohe Bandbreite an komplexen Typen weisen auch EP und Katalanische auf (cf. z. B. den auf phonetischer Ebene fast generellen Schwund von prosthetischem /e/; cf. Sampson 2010, 110–112, im Europäischen Standardportugiesisch) mit der Folge komplexer Anlautcluster. Im EP und im Französischen weisen einige Typen neben der üblichen phonetischen Realisierung auch eine weniger komplexe Variante auf (so die übliche Einfügung eines nichtetymologischen epenthetischen Vokals in einer Sequenz wie fr. ours blanc [uʁsəblɑ̃]). Die Sprachen verhalten sich hinsichtlich der Verteilung von komplexen vs. einfachen Silben auf Lento- vs. Allegro– realisierungen196 unterschiedlich. Es wirken dabei unterschiedliche silbenphonologische Mechanismen, die jeweils zur Strukturvereinfachung bzw. –komplexifizierung führen können. So tendiert nähesprachliches Spanisch bei der Auflösung komplexer Konsonantengruppen zur Segment-Reduktion: (89a) sp. absoluto
[a.so.ˈlu.to]
das BP eher zur Epenthese, d. h. Vokalinsertion wie in (89b) pt. absoluto
[ˌɐ.bi.so.ˈlu.tu]
während sowohl im EP als auch im Standardfranzösischen durch Schwa-Tilgung komplexe Sequenzen mit hochgradig markierter Phonotaktik entstehen, z. B. (hier jeweils mits phonetischer Syllabierung, d. h. zweisilbige Analyse, ohne Annahme einer möglichen Syllabizität des alveolaren Sibilanten im Französischen respektive des präpalatalen Sibilanten im EP): (90a) fr. qu’est-ce que tu fais Lento: [kɛs.kə.ty.ˈfɛ], EP desprezar [dɨ.ʃpɾɨ.ˈzaɾ]
Wobei manche Merkmale allgemein in flüssigen nähesprachlichen Registern auch ohne ausgeprägte Erhöhung des Sprechtempos zu finden sind.
3.7 Silbentypologie: Einfachheit vs. Komplexität
141
(90b) Allegro: fr. [ksty.ˈfɛ], EP [dʃpɾ̩ .ˈzɐɾ] Die Varietäten des BP tendieren dagegen stärker zur Erhaltung unbetonter Vokale. Auch im Spanischen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen europäischen und einigen Übersee-Varietäten. Konsonantengruppen, die einerseits im Kastilischen der iberischen Halbinsel eher als gelehrte, schriftinduzierte (cf. 4.4.1) Formen in sorgfältigen phonetischen Realisierungen vorkommen (cf. Navarro Tomás 242004 [11918], 140), wie im oben schon genannten Beispiel (85) pen. sp. exacto: Lento [ek.ˈsak.to/eɣ.ˈsak.to] vs. Allegro [e.ˈsa.to] finden sich andererseits durch die Tendenz zur Reduktion und Elision von Vokalen bei Erhalt der konsonantischen Lautsubstanz in Hochlandvarietäten (Spanisch der tierras altas/de la corte, s. o., 1.2.1) Perus oder Mexikos: (91) bloques para apuntes mex. Hochlandsp. Allegro:
[ˈbloks.ˈpa.ra.ˈpunts]
(92) bloques para apuntes pen. sp. Normal/Allegro:
[ˈblokes.ˈpa.ra(ː).ˈpuntes]197
Am anderen Ende eines Realisierungskontinuums stehen bereits erwähnte Tendenzen südlich-peninsularer (und sog. Tieflandsp., tierras bajas/de la flota, s. o. 1.2.1) Varietäten des Spanischen, Auslautkonsonanten zu tilgen, was zur Zunahme offener Silben führt: (93) bloques para apuntes südl.-pen./Tieflandsp. Allegro: [ˈbloke(h).ˈpa.ra(ː).ˈpunte(h)] Die Verteilung in den hier besonders klar kontrastierenden romanischen Varietäten Spanisch (peninsular und Tiefland) und BP einerseits, Standardfranzösisch und EP andererseits zeigt folgende Tabelle (3.1). Es ist festzuhalten, dass in dieser Anordnung primär die durch die jeweiligen Realisierungsstile begünstigte Dynamik der Silbentypdistribution betrachtet wird, wie sie für die jeweiligen Varietäten besonders charakteristisch auftritt, also keine Diese relajación vocálica bis hin zum Vokalschwund als Merkmal des mexikanischen (Hochland-)Spanisch (mit diatopischer differenzierter Verteilung) ist vielfach beschrieben worden, cf. u. a. Lope Blanch (1963/1964); Kabatek (1994a); Noll (42019, 29); Moreno de Alba (2002, 31–41); Blaser (2007, 82–83).
142
3 Silbentypinventare
Tab. 3.1: Aus Lento- und Allegrorealisierungen resultierende Silbentypen. Silbentypen Allegro
Lento
Einfach
EP, Standardfranzösisch
Komplex
Spanisch (bes. südlich-peninsular und Tiefland), BP EP, Standardfranzösisch, Hochlandspanisch
Spanisch (bes. südlich-peninsular und Tiefland), BP
statische Beschreibung intendiert ist. Einfache Silbentypen kommen selbstverständlich in allen genannten Varietäten sowohl in Allegro- als auch in Lentoregistern vor, doch tendieren südlich-peninsulare (z. B. Andalusisch) und Tieflandvarietäten des Spanischen sowie das BP im Allegroregister ausgeprägter zur Optimierung der Rede auf CVCV-Folgen hin (v. a. durch Tilgung von Coda-Konsonanten, cf. Brown 2009 und Ruch 2013), während im EP und im Standardfranzösischen schnelle, wenig kontrollierte Artikulation die Entstehung komplexer Cluster (cf. Bsp. 90b), das Lentoregister, in dem die Tilgung unbetonter, zentralisierter Vokale gewissermaßen gebremst ist (cf. Bsp. 90a: im Standardfranzösisch verstärkte Realisierung des sog. e caduc, analog im EP verstärkte Realisierung zentraler, nukleusbildender Vokale), dagegen einfache, offene V- und CV-Silben begünstigt. Die in diesem Kapitel entwickelten Überlegungen zur Silbentypologie haben gezeigt, dass einfache und komplexe Silbentypen in den untersuchten Sprachen unterschiedlichen Systemstatus haben, was sich jedoch nicht in befriedigender Weise durch deren schlichte Anordnung in Inventaren von einfachen zu komplexen bzw. häufigsten zu seltensten Typen erfassen lässt. Zu diesem Zweck wollen wir im folgenden Kapitel ein Modell für die Organisation von Silbentypsystemen entwerfen, welches einen Kernbereich (Zentrum) von einem Randbereich (Peripherie) der Systemanordnung unterscheidet.
II Das Verhältnis von Zentrum und Peripherie in silbentypologischen Systemen der Romania
4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie silbentypologischer Systeme Im vorangehenden Kapitel wurden grundlegende Struktureigenschaften und Aspekte der Materialität von Silbentypen in Einzelsprachen erörtert. In der Folge steht die Organisation dieser Einheiten in Systeme im Mittelpunkt, genauer sollen Silbentypsysteme unter Berücksichtigung typologischer und lehnwortphonologischer Faktoren in eine Ordnung gebracht werden, die einfache und komplexe Typen sinnvoll gruppiert. Auch bei Sprachverwendern, deren Kompetenz sich über mehrere Sprachen mit den zugehörigen Teilsystemen erstreckt, verläuft die (auch beim stillen Lesen bewusste) Aussprachezuordnung für anderssprachige Elemente in der Regel unwillkürlich, das zu einem gegebenen Zeitpunkt in der verwendeten Sprache übliche Realisierungsmuster wird automatisiert abgerufen. Ein introspektives Beispiel soll das veranschaulichen: Beim stillen Lesen des Satzes (94) Dafür hätte sie eine Medaille verdient. ist für das Wort Medaille automatisch die dem (standard-)deutschen System entsprechende Lehnwortphonologie aktiviert (/meˈdaljə/), trotz der deutlich systemfremden, eine stark abweichende deutsche Realisierung nahelegenden Graphie. Bei einem Französischkundigen, erst recht bei häufiger Verwendung dieser Zweitsprache, könnte ausgehend von der graphischen Wortgestalt dagegen – gegenüber der französischen Schreibung médaille nur wenig verändert – spontan die Aussprache /meˈdaj/ abgerufen werden. Diese ist in der lexikalischgrammatischen Umgebung deutscher Elemente jedoch nur unter bewusster Anstrengung abzurufen und wird als unnatürlich empfunden; noch unnatürlicher ist das Empfinden beim Konstruieren einer – bei Kindern oder weniger gebildeten Sprechern durchaus denkbaren – deutschen spelling pronunciation [meˈdajlə].198 Eine mögliche Erklärung hierfür liefert die Betrachtung des Sprachproduktionsprozesses: Der deutsche Ko-Text hat einen deutlich stärkeren Trigger-Effekt für die Aktivierung der phonologischen Zuordnung als das vom Einzelwort ausge-
Als Ursprung der im dt. traditionell üblichen Aussprache /lj/ wäre spontaner Lautwandel /jl/ > /lj/ wie in romanischen Varietäten zu diskutieren, gegen den jedoch dessen gänzliches Fehlen in Wörtern germanischen Ursprungs spricht; ferner kämen als Lösungen zu dieser hier nur beispielshalber skizzierten Frage evtl. das Vorbild älterer französischer Aussprache (bis ins mfr. Sprachstadium, zudem im accent du Midi belegt) als sog. «l mouillé» (palatalisiert), oder sogar Einfluss italienischer Aussprache (cf. it. medaglia, canaglia) in Betracht. https://doi.org/10.1515/9783110648423-005
146
4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
hende graphische Signal. Die von üblichen Graphem-Phonem-Zuordnungsmustern des Deutschen abweichende Lehnwortphonologie wird mühelos aktiviert, wobei im Bild einer sprachlichen Prozessierungstätigkeit des Gehirns sowohl die eventuell mitaktivierte native wie die fremdsprachliche Aussprache «überschrieben» werden. Angesichts dieser mühelosen Abrufbarkeit offensichtlich hoch verfügbarer Muster der Lehnwortphonologie in zumeist niederfrequenten, strukturell markierten lexikalischen Formen ist zu fragen, wo diese Muster im phonologischen Teilsystem angesiedelt sind, wie sie funktionieren und wie sie mit den hochfrequenten, unmarkierten Mustern interagieren. Dabei ist zunächst in einem sehr weitgefassten Sinne eine Anordnung anzunehmen, die aus einem zentralen Bereich universeller, sodann wenigstens allgemein verbreiteter, schließlich idiomatischer, d. h. hier einzelsprachenspezifischer Merkmale bis hin zu einer Peripherie markierter, abweichender Merkmale besteht.
4.1 Zentrum und Peripherie im Sprachsystem: core grammar vs. periphery Eine Unterscheidung zentraler und peripherer Bereiche von Systemen199 findet sich in vielen wissenschaftlichen Theorien. Eine solche Betrachtungsweise liegt angesichts der unzweifelhaften Anschaulichkeit, Systematisierungsleistung und Erklärungsmacht dieser fundamentalen epistemologischen Figur nahe, die zunächst einen Kategorisierungs-, nicht zwangsläufig einen Hierarchisierungsansatz darstellt. Auch in der Linguistik wird diese Zweiteilung in verschiedenen Ansätzen unabhängig voneinander eingeführt. Sie ist verwandt mit grundlegenden Unterteilungen sprachlicher Elemente in einfach vs. komplex, merkmallos vs. merkmalhaft bzw. unmarkiert vs. markiert (s. o., 2.1.3). Die Konzeptualisierung von Sprachsystemen und Teilsystemen als gegliedert in zentrale und periphere Bereiche hat weitreichende Implikationen. Zunächst ist diese Konstellation auf der Ebene des Sprachsystems (als Ensemble struktureller Teilsysteme, sekundär auch als Teil des Diasystems bzw.
Es sei an die im ersten Kapitel erwähnte Definition für System erinnert (s. o., Einleitung, 1, Bußmann 42008, s.v. «Sprachsystem»): ‹Menge von Elementen und Relationen zwischen diesen Elementen› sowie auf Sprache bezogen: «interne Ordnung sprachlicher Elemente (Phoneme, Morpheme, Sätze usw.) untereinander sowie ih[r] Funktionszusammenhang auf allen Beschreibungsebenen». Sprachliche Subsysteme können, um nur die wichtigsten Formen interner Organisation zu nennen, als Gradata mit diskreten Einheiten, als Kontinua mit stufenlosen Übergängen (in der Regel aber mit «Verdichtungspunkten»), vor allem in grammatischen Subsystemen als Ensemble von Paradigmen, als mehr oder weniger gegliederte Inventare und als Regelapparate funktionieren.
4.1 Zentrum und Peripherie im Sprachsystem: core grammar vs. periphery
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der Architektur im variationslinguistischen Sinne) zu betrachten. Das ZentrumPeripherie-Modell unterscheidet sich von der Saussureschen Zweiheit aus langue und parole oder Coserius Dreiebenenunterscheidung von System, Norm und Rede insofern, als darin jeweils die Ordnung von Systemebenen in innere und äußere Bereiche sowie deren möglicher Kontakt mit anderen einzelsprachlichen Systemen betrachtet wird.200 Jedoch weisen die in der Peripherie angesiedelten Phänomene eine gewisse Affinität zu Coserius Norm als Bestand überindividuell üblicher, Tradition gewordener Realisierungen einer historischen Einzelsprache auf. In Fortführung der Prager Schule (cf. Vachek 1966) hat F. Daneš ein (in allgemeiner linguistischer Literatur wenig aufgegriffenes) Konzept von Zentrum und Peripherie sprachlicher Klassen und Kategorien entwickelt, die oft durch Inhomogenität und fließende Grenzen gekennzeichnet sind (cf. Daneš 1982). Für ein Teilsystem der Sprachbeschreibung skizziert Pilch in einem sehr kurzen, älteren Beitrag (1965) die im Anschluss kaum rezipierte (s. u.) Vorstellung «zentraler und peripherer Lautsysteme», deren Grundgedanke zusammen mit einer unmittelbaren Präzisierung des Konzepts durch Daneš in dieser Arbeit fruchtbar gemacht und weiterentwickelt wird. In neuerer linguistischer, besonders in generativer Literatur ist von einem Kernbereich bzw. einer core grammar und einer dieser gegenüberzustellenden Peripherie, periphery, des Sprachvermögens die Rede. Eine Definition des Terminus’, die auf Chomskys Überlegungen zum Sprachwissen («knowledge of language», 1986, bes. 147–149, 221) zurückgeht, formuliert das Nachschlagewerk Glottopedia: «Core-grammar is that part of the relatively stable (steady) state of the language faculty (i. e. of the adult I[internalized]-language) that results from the setting of parameters in UG [Universal Grammar] (the initial state of the language faculty, S0). As opposed to the periphery, which consists of additional, marked, language-specific rules and exceptions.» Ausführlicher hatte Chomsky in seinem Entwurf der Rektions- und Bindungstheorie die Vorstellung eines (idealisierten) Kerns und einer Peripherie in ihrem Bezug zur Universalgrammatik (UG) entwickelt als Summe derjenigen Parameter, die «Grundeinstellungen» für die jeweilige Implementierung der menschlichen Sprachfähigkeit beinhalten:201 But it is hardly to be expected that what are called «languages» or «dialects» or even «idiolects» will conform precisely or perhaps even very closely to the systems determined by fixing the parameters of UG. This could only happen under idealized conditions that are
In der ursprünglichen Modellierung dargestellt bei Saussure (1972 [11916]) und Coseriu (1952). Cf. auch den Überblick von Grießhaber (2004), auf den sich die Zusammenfassung formallinguistischer Vorstellungen des Konzepts u. a. stützt.
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never realized in fact in the real world of heterogenous speech communities. Furthermore, each actual «language» will incorporate a periphery of borrowings, historical residues, inventions, and so on, which we can hardly expect to – and indeed would not want to – incorporate within a principled theory of UG. For such reasons as these, it is reasonable to suppose that UG determines a set of core grammars and that what is actually represented in the mind of an individual even under the idealization to a homogeneous speech community would be a core grammar with a periphery of marked elements and constructions. Viewed against the reality of what a particular person may have inside his head, core grammar is an idealization (Chomsky 1981, 7–8, Hervorhebungen MH).
Was diese Peripherie betrifft, so sprechen Stechow/Sternefeld (1988, 53–54) ein Caveat gegenüber der Gleichsetzung von peripheren mit quantitativ marginalen Phänomenen aus:202 Wenn wir somit feststellen, dass Ausnahmen zur Peripherie gehören, so ist damit keineswegs impliziert, dass die Peripherie marginal wäre. Es ist vielmehr so, dass Ausnahmen gerade deswegen überleben, weil sie besonders häufig benutzt werden. Paradepferde für das Deutsche sind etwa die starken Verben und der Umlaut. (...) Kinder generalisieren deswegen typischerweise nach dem Muster der schwachen Verben, indem sie die Präteritumformen mit dem Dentalsuffix -t- bilden: [...] *singte – *fahrte – *steigte – *gehte. Die starke Verbflexion gehört deswegen sicher nicht zum Kern, sondern zur Peripherie. Aber die meisten dieser Verben sind eben sehr häufig.
Im Sinne der Erkenntnisziele generativer Grammatik sind es andererseits oft eher marginale, hauptsächlich «anhand von künstlichen Beispielen» zu veranschaulichende Phänomene, die Aufschluss über «Prinzipien der Kerngrammatik» versprechen, während periphere Elemente weniger interessieren: Die letzten beiden Beispiele zeigen einen wichtigen Punkt: Man darf aus der Häufigkeit eines Phänomens nicht schließen, dass es zu interessanten Feststellungen über die Kerngrammatik Anlaß geben wird. Das Gegenteil wird oft der Fall sein. Prinzipien der UG wird man oft anhand von künstlichen Beispielen illustrieren, welche im normalen Sprachgebrauch nie oder nur marginal vorkommen, die aber eine eindeutige Reaktion in die eine oder die andere Richtung auslösen. In solchen Fällen hat man recht gute Gründe zur Annahme, dass Prinzipien der Kerngrammatik für diese Reaktion verantwortlich zu machen sind (Stechow/Sternefeld 1988, 54).
Im Rahmen dieser Untersuchung interessiert dagegen primär jene von Chomsky (1981, 8) erwähnte «periphery of marked elements and constructions», die Peripherie aus markierten Elementen (zur Markiertheit sei an 2.1.3 erinnert). und Konstruktionen, genauer Entlehnungen, historischen Residuen und Neubildungen («borrowings, historical residues, inventions»), und zwar vor allem in Bezug auf
Ausführlicher zum Zusammenhang zwischen unregelmäßigen Formen und Vorkommenshäufigkeit Bybee (2001; 2006).
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erstere, Entlehnungen, und ihr Verhältnis zum Kernbereich in einzelsprachlichen romanischen Silbensystemen. Ohne die Implikationen der generativen Postulate im Detail zu diskutieren oder als unumstößlich vorauszusetzen,203 sind daraus zwei Aspekte als wenig strittig und in sich schlüssig festzuhalten, die zu folgenden Grundsätzen unseres Zentrum-Peripherie-Modells führen: (1) Die Kerngrammatik bzw. die zentralen Bereiche des Systems (und der jeweiligen Subsysteme)204 stellen den inneren Bereich, d. h. einen relativ stabilen Grundbestand von Prinzipien und Tendenzen des menschlichen Sprachvermögens, jedenfalls der beschreibbaren Sprachsysteme205 dar; (2) diesem strukturellen wie regelhaften Zentrum ist ein Randbereich gegenüberzustellen, der durch zusätzliche, notwendige und einzelsprachlich relevante Strukturmerkmale und Regelsachverhalte bzw. Regelausnahmen und gegenläufige Tendenzen gekennzeichnet ist. Was die systemzentralen Bereiche betrifft, so kann an dieser Stelle offenbleiben, ob dabei von einer algorithmischen Organisation der Regelmechanismen auszugehen ist, wie sie formale Sprachtheorien in der Regel annehmen; hierfür spricht durchaus die Art des Funktionierens regelhafter struktureller Paradigmen (z. B. in der Flexionsmorphologie vieler Sprachen). Während nach den Erkenntnissen einer typologischen wie kognitiv-funktionalen Sprachbetrachtung kein Zweifel bestehen kann, dass auch in zentralen Bereichen der Grammatik Phänomene der Variation zu berücksichtigen sind (dies gilt auch für umfassend standardisierte Sprachen, wie ein Blick in Sprachbeschreibungen, Grammatiken, Wörterbücher jeder europäischen Standardsprache zeigt), so gilt für die Peripherie per Definition, dass diese aus formaler wie funktionaler Sicht stärkere Variation und von den zentralen Charakteristika eines Systems abweichende Merkmale aufweist. Ferner liegt es nahe, das Zentrum stärker mit dem Wirken systeminterner Funktionsmechanismen in Verbindung zu bringen, während die Peripherie für externe Einflüsse (im Sinne von sozial, geographisch, historisch determinierten Sprachkontaktsituationen, bewussten, punktuellen und weniger bewussten, längerfristigen kulturellen Eingriffen
Eine Diskussion der hier implizit mitschwingenden Nativismushypothese und des Konzepts der Universalgrammatik würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Es wird hier von einer Art Rekursivität der Systemorganisation, also der ‹Pervasivität› der Zentrum-Peripherie-Anordnung, ausgegangen, d. h. diese spiegelt sich auch in der Binnengliederung der grammatischen Subsysteme. Cf. die gemeinsame Annahme von Universalien in formaler (v. a. generativer) und funktionaler (v. a. kognitiver und typologischer) Sprachbetrachtung, auch wenn dem unterschiedliche Grundauffassungen des Phänomens Sprache entsprechen können, wie sie Pons-Moll (2009, 43–44) skizziert.
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und Prägungen, Sprachausbau und Sprachplanung in Form korpus- oder statusverändernder Maßnahmen, sprachpflegerischen Interventionen etc.) empfänglicher ist (cf. auch die w.u. referierten Überlegungen von Bertinetto 2003). Die unterschiedlich bedingten komplexen Silbentypen in den hier betrachteten Sprachen können dazu Hinweise liefern. Aus der Sicht einer kognitiv-funktionalen Linguistik kann das Konzept zentraler, unmarkierter und peripherer, markierter Elemente darüber hinaus mit dem des entrenchment (cf. Langacker 1991; 1994; Bybee 2006; Schmid 2007) in Verbindung gebracht werden. Damit ist eine unterschiedlich «tiefe» kognitive Verankerung solcher Elemente gemeint, die durch die unterschiedliche Frequenz ihrer Verwendung und damit ihre unterschiedlich häufige Aktivierung als mentale Repräsentation bedingt ist. Den von ihm geprägten Terminus erläutert Langacker (1991, 48) so: Each structure has some degree of entrenchment, which reflects the frequency of its previous activation and determines the likelihood of its subsequent activation. Degree of entrenchment varies greatly, even among those structures sufficiently well entrenched to be considered established units; some lexical items, for example, are far more familiar, and readily brought to mind than others.
Die am häufigsten verwendeten Elemente sind damit fester verankert, sie haben ein stärkeres entrenchment (was sich z. B. in ihrer höheren Verfügbarkeit äußert; dies lässt sich etwa in Wortfindungsaufgaben anhand kürzerer Reaktionszeiten überprüfen) als nur sporadisch verwendete. Allerdings kann zentraler vs. peripherer Status im System auf Sprachstrukturen (unmarkiert vs. markiert) bezogen nicht einfach mit hoher Frequenz vs. niederer Frequenz gleichgesetzt werden. Vielmehr wurde an den oben bei Stechow/Sternefeld (1988, 54) angeführten Beispielen unregelmäßiger («starker») Verben im Deutschen deutlich, dass viele markierte (d. h. in diesem Fall unregelmäßige) Formen, als Teil der Peripherie sowohl im Sinne der von Lang angenommenen Unterteilung von core vs. periphery als auch im Sinne unseres Zentrum-Peripherie-Konzepts, relativ häufig vorkommen und damit einen hohen Grad des entrenchment aufweisen dürften. Mit Bybee (2006) u. a. (cf. bereits Mańczak 1969; 1980) kann man darin den Grund für den langfristigen Erhalt vieler unregelmäßiger Formen sehen (man denke an den hochfrequenten Wortschatz, z. B. Paradigmen des Hilfsverbs SEIN in vielen Sprachen, die durch irreguläre Formen, Suppletivismus etc. gekennzeichnet sind). Umgekehrt gilt, dass auch unmarkierte Formen selten sein können, was ein Beispiel aus der Silbentypologie deutlich macht: im französischen Silbentypinventar (s. o. 3.6.4) steht die unmarkierte Basis-
4.1 Zentrum und Peripherie im Sprachsystem: core grammar vs. periphery
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silbenstruktur VC (z. B. in lexikalisch häufigen Formen wie il/ils, elle/elles etc.)206 auf einem unteren Frequenzrang (7. Rang: 1,32%) weit hinter den markierten, komplexen Silbenstrukturen CCV (3. Rang; 13,9%, z. B. cri) und CCVC (5. Rang: 2,65%, z. B. prise /priz/). Durch hohe silbische Komplexität markierte Typen wie CCVCC (z. B. triste) und CCCVCC (z. B. strict) sind mit deutlich weniger als 1% der Vorkommen sehr selten. Die Verhältnisse lassen sich in einer Art Quadrifolium,207 hier verschränkt mit der Zentrum-Peripherie-Dimension (am Beispiel von Silbentypen) differenziert veranschaulichen, als Beispiel werden die o. g. französischen Silbentypen zugrundegelegt: Tab. 4.1: Quadrifolium und Zentrum-Peripherie-Dimension.
Vorkommenshäufigkeit/Markiertheit
Silbentypen
Zentrum
Peripherie
häufig/unmarkiert CV
häufig/markiert CCV
selten/unmarkiert VC
selten/markiert CCVCC
einfach
komplex
Allerdings kommt die folgende, grundlegende Ordnung von Silbentypsystem bereits durch die einfache Zweiteilung in Zentrum und Peripherie zum Tragen, wie die schematischen Darstellungen im Abschnitt 4.2 zeigen. Die doppelte Ausdifferenzierung häufig/unmarkiert + häufig/markiert vs. selten/unmarkiert + selten/ markiert ist dabei zunächst mitzudenken, die Dynamik kann wiederum in der Darstellung als Quadrifolium genauer erfasst werden (s. Tab. 4.1). Wie bereits in 3.7.2 angesprochen ist die Frequenz der Typen nur ein Faktor, der Hinweise geben kann, aber nicht muss, d. h. unmarkierte Elemente, z. B. in der Flexionsmorphologie regelmäßige Formen oder in der Phonologie einfache Silbentypen, kommen in der Regel häufiger vor als markierte Elemente, z. B. unregelmäßige Formen oder komplexe Silbentypen, doch gilt dies nicht durchgehend (cf. das obengenannte Beispiel der Reihung des französischen Silbentypinventars nach
Nur zum Teil dürfte die unerwartete Seltenheit dieses Typs durch Resyllabierungen mit vorausgehenden wortfinalen Konsonanten (durch enchaînement und liaison, cf. Encrevé 1988) erklärbar sein, erst recht, wenn man eine eher abnehmende Tendenz zur Liaison in der gesprochenen Sprache berücksichtigt. Für die Anregung zu einer solchen Darstellungsweise danke ich Johannes Kabatek, zur Form des Quadrifoliums, um «sich kreuzende Dichotomien» in der Sprache darzustellen cf. Bühler (1934, 48–49).
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Frequenz). Entscheidender ist für die Zentrum-Peripherie-Zuordnung die relative Markiertheit der Elemente, d. h. bezogen auf Silbentypen die, vom einfachsten Typ ausgehend, vergleichsweise höhere strukturelle Komplexität. Funktionalistische und formalistische Grammatikauffassungen abwägend kommt Bertinetto (2003) zu einer ebenfalls auf der Unterscheidung von Zentrum und Peripherie beruhenden methodischen Reflexion (wobei er exemplarisch auch die Typologie von Silbenstrukturen anführt): während ihrer Sichtweise, Zielrichtung und ihrem Beschreibungsapparat nach formale (insbesondere generative) Ansätze Zuständigkeit für die Beschreibung innerer, relativ invarianter und universaler Kernbereiche von Sprachsystemen (d. h. der Kompetenz im Sinne Chomskys) beanspruchen können, gelingt es funktional-typologischen Herangehensweisen besonders gut, durch Variation geprägte, auf heterogenen historischen Entwicklungen beruhende Regelsachverhalte und Phänomene zu erklären (im Sinne Chomskys: Phänomene der Performanz;208 Bertinetto erwähnt auch Coserius Begriff der Norm, die er als «uso» wiedergibt), wie sie die Peripherie von Sprachsystemen kennzeichnen. Beide methodischen Zugänge sind demnach legitim und bedürfen der wechselseitigen Ergänzung, gerade in Bereichen, die Bertinetto als Verbindungsglied («anello di contatto») zwischen zentralen und peripheren Bereichen der Grammatik bezeichnet, wobei jedoch fundamentale Unterschiede der jeweiligen Perspektivierung zu gewärtigen sind. Für Sprachwandelphänomene sieht Bertinetto hier einerseits seltene Fälle sprunghaften kategorischen Wandels im inneren Bereich der Grammatik, die theoretischer Modellierung besonders affin sind, neben zahlreichen Fällen graduellen, performanzbedingten Wandels, für
Cf. Chomskys Gegenüberstellung von Kompetenz und Performanz bei Sprachbenutzern (in etwa: Sprachfähigkeit vs. Sprachverwendung), letztere vergleichbar mit Saussures Parole, erstere bedingt analog zur Saussureschen Langue, da als mentales Konstrukt des Individuums und nicht als fait social gedacht, cf. Chomsky (1965, 4): «We thus make a fundamental distinction between competence (the speaker-hearer’s knowledge of his language) and performance (the actual use of language in concrete situations)», der Bezug zu Saussure ist explizit: «The distinction [...] is related to the langue-parole distinction of Saussure», wobei dessen Konzept der Langue zurückgewiesen wird. Wie in vielen anderen Darstellungen (z. B. Gabriel/Meisenburg 42021, 32–35) sei dieses Begriffspaar hier verwendet, wenngleich in der generativen Theoriebildung seit Chomsky (1986) oft die Termini I-Language vs. E-Language verwendet werden. Während der Begriffsgehalt von I-language (I bleibt bewusst ambig zwischen internalised und intensional) im Sinne des generativen Forschungsprogramms relativ scharf umrissen ist und prinzipiell dem ursprünglichen Konzept von Kompetenz entspricht, ist dies bei E-language (E für externalised oder extensional), nicht der Fall; eine solche weitgehend aus dem Gegenstandsbereich der generativen Linguistik herausfallende Entität, so es sie gibt, beinhaltet anders als Performanz/Parole konkrete Äußerungen von Sprechern, Einzelsprachen als Ganzes, aber auch die Studienobjekte von Sozio- und Korpuslinguistik (cf. Bauer 2007, 42–43; 49–50), ist insofern aber als Konzept für nicht-formale Herangehensweisen der Linguistik wenig erhellend.
4.2 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie
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welchen sich die Aufgabe stellt, das Wirken von vielerlei externen Faktoren akribisch zu rekonstruieren, was die Aufgabe von nichtformal orientierten Linguisten, Typologen, Sprachhistorikern etc. jener von philologisch Forschenden annähert. Der italienische Phonologe und Grammatiker sieht zu Recht eine Komplementarität der Arbeitsweisen als unerlässlich für eine umfassende linguistische Analyse des Phänomens Sprache an. Hinweise auf die Bedeutung der Peripherie in der Grammatik finden sich auch – in primär variationslinguistischer und dialektologischer Perspektive – bei Hinskens (1998) und Cheshire/Kerswill/Williams (2005, 136), diese werden im folgenden Abschnitt diskutiert. Die grundlegende Konstellation sprachlicher Systeme und Teilsysteme im Sinne einer Zentrum-Peripherie-Ordnung wird anschließend für den Bereich phonetischer Realisierungen und zugehöriger phonologischer Sachverhalte herausgearbeitet, wobei als Anregung eine ursprünglich in einer knappen Skizze von Pilch (1965) angedeutete Untergliederung von Lautsystemen dient und in Bezug auf die Systematisierung von Silbentypen in romanischen Sprachen weiterentwickelt wird.
4.2 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie Das Konzept einer Peripherie der Grammatik erscheint bei Cheshire/Kerswill/Williams (2005, 136), die der Frage nach dem Ausmaß der Variation in den verschiedenen Teilsystemen der Sprache («[t]he extent of variation in different components of grammar»), namentlich im lautlichen Bereich nachgehen: «A fundamental question is whether there is more variation in the phonetics and phonology of languages than in other components of linguistic structure». Die Autoren beziehen sich auf die Auffassung des Dialektologen und Variationslinguisten Hinskens, in der Peripherie der Grammatik (am meisten in der Phonetik) sei ein höherer Anteil der Variation unterworfener Phänomenen zu beobachten: «the proportion of variable phenomena increases the closer one approaches the ‹periphery› of the grammar, hence: syntax < morphology < phonology < phonetics [...], although the more peripheral language components are, of course, never entirely variable» (Hinskens 1998, 160). Führt man diese sehr implikationsreiche Überlegung weiter, so ergibt sich eine Skalierung des Faktors Variation nach Beschreibungsebenen (vertikal) einerseits und nach Position im Zentrum-Peripherie-Komplex (horizontal) andererseits (s. u., Abb. 4.2), wobei die Stellung der Syntax als Kernbereich von grammatischen Relationen nachvollziehbar ist, die Annahme einer stark reduzierten Variation im syntaktischen Bereich jedoch fragwürdig. Für das phonologische Teilsystem der Phonotaktik und Silbenstruktur stellt sich ferner die Frage, ob dieses tatsächlich ausgeprägter Variation unterworfen sein kann und nicht vielmehr, jenseits eines durchaus stärker variierenden phoneti-
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schen Realisierungsspektrums (vorstellbar etwa als Output phonologischer Beschränkungen), die synchron bestehenden Silbentypen nur sehr begrenzt variieren können (etwa in Richtung einer allophonischen Alternation von Vollformen und Reduktionsformen). Die von Hinskens (1998) und Cheshire/Kerswill/Williams (2005) postulierte stärkere Variation der Phonologie etwa gegenüber der Syntax entspricht der Vorstellung, dass in einem Varietätenspektrum der Bestand an phonologischen Variablen in der Regel deutlich größer ist als im syntaktischen Bereich, wogegen jedoch eine Vielzahl von Untersuchungen zur syntaktischen Variation (etwa in den zahlreichen diatopischen Varietäten romanischer Sprachen) einzuwenden wäre.209 Jedoch ist weder die Variabilität der Syntax noch die Stabilität speziell phonotaktischer Muster zu unterschätzen, man denke einerseits an die in vielen Sprachen relativ große Wortstellungsfreiheit in größeren Satzgefügen (und zumal bei Serialisierungsphänomen an der Satzperipherie zum Ausdruck von Informationsstruktur wie Spaltsatztypen, Segmentierungen etc.) und andererseits an die bei L2-Lernern beobachtbaren sehr tief verankerten (cf. das oben, 4.1, erwähnte entrenchment) phonotaktischen Beschränkungen, die als Ausdruck einzelsprachspezifischer phonologischer Regelkomplexe den Erwerb lautlicher Merkmale einer L2 beeinflussen. Cheshire/Kerswill/Williams (2005) verweisen auf Schwierigkeiten, den Faktor Vorkommenshäufigkeit («frequency of occurrence») jeweils empirisch zu bestimmen, und damit auf ein methodisches Problem beim Vergleich phonologischer und syntaktischer Variation, das den Vergleich des tatsächlichen Ausmaßes von Variation erschwert. Generell ist nämlich phonologischen Einheiten gegenüber syntaktischen Konstruktionen eine höhere Rekurrenz und folglich eine leichtere Elizitierbarkeit eigen: «One wellknown reason why the study of syntactic variation has lagged so far behind that of phonological variation is that syntactic alternants recur less frequently in spontaneous speech than phonological features [...]. Phonological variables show up with high frequencies in sociolinguistic interviews, and can be easily elicited in reading passages and wordlists» (Cheshire/Kerswill/Williams 2005, 138). Ob aus dieser gewissermaßen abgewandelten Variante des «Beobachterparadoxons» (cf. Labov 1972, 209),210 demzufolge die Eigenschaften von Spontansprache
Das in der Forschung (verschiedener theoretischer Richtungen) zunehmende berücksichtigte Thema der syntaktischen Variation kann im Rahmen dieser Arbeit nicht bibliographisch vertieft werden, als Beispiel sei nur verwiesen auf die Arbeiten in iberoromanischer Perspektive zu Variation und Wandel in der Syntax in Kabatek (2008); cf. auch den Kommentar in 4.3.2. Dieses beschreibt Labov (1972, 209) wie folgt: «We are then left with the Observer’s Paradox: the aim of linguistic research must be to find out how people talk when they are not being systematically observed; yet we can only obtain these data by systematic observation. The problem is of course not insoluble: we must either find ways of supplementing the formal data with other data, or change the structure of the interview situation by one means or another».
4.2 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie
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nur durch systematische Beobachtung zu bestimmen sind, die spontansprachlichen Eigenschaften aber gerade unter den Bedingungen systematischer Beobachtung nicht auftreten, folgt, dass syntaktische Varianten in Spontansprache tatsächlich seltener sind als phonologischer Variablen, ist zumindest fraglich. Zweifellos handelt es sich bei lautlichen Einheiten wie Phonemen und Silben im Vergleich zu syntaktischen Konstruktionen um Hochfrequenzphänomene. Eine im Vergleich höhere Variation dieser Einheiten folgt aus den Beschränkungen der Datenerhebung jedoch nicht umstandslos, denn es wäre zirkulär aus der selteneren Beobachtung von Phänomenen aufgrund bekannter methodischer Probleme (in der Tat müssen, um ein vergleichbares Bild syntaktischer Variation zu gewinnen, weitaus größere Datenmengen untersucht werden, was Korpora erst allmählich ermöglichen) auf deren de facto selteneres Vorkommen zu schließen. Wie sich hinsichtlich der Variation lautliche und syntaktische Strukturen im Vergleich verhalten, bleibt also zu klären. Ferner ist, wie in Tab. 4.1 veranschaulicht, eine einfache Gleichsetzung von Peripheriephänomenen mit quantitativ marginalen Formen unzutreffend wie auch umgekehrt eine unzweideutige Verbindung zwischen Häufigkeit und Salienz schwer bestimmbar ist: «There appear to be links, then, between frequency, salience and processes of convergence and divergence. It has to be said, however, that the relationship between frequency and salience ist not yet well understood» (Cheshire/Kerswill/Williams 2005, 139). Unter Bezug auf vorhergehende Studien schreiben die Autoren, dass «some features that were used infrequently [...] were nevertheless salient for [speakers]» (2005, 139). Entgegen der zunächst naheliegenden Erwartung einer engen, eventuell ausschließlichen Korrelation zwischen hoher Vorkommenshäufigkeit von Merkmalen und Salienzwahrnehmung können demnach auch wenig frequente Merkmale als salient empfunden werden (cf. auch Bybee 2006). Die Kombination von geringerer Vorkommenshäufigkeit bei dennoch hoher Salienzwahrnehmung, die hier für die gegenüber phonologischen Strukturen generell selteneren syntaktischen Muster festgestellt wird, findet eine Parallele in der Salienz komplexer Silbentypen trotz deren absolut niedriger Frequenz (s. u., Kap. 4.2.3). Die Salienz ist hier also vom «entrenchment» (s. o., 4.1) zu trennen, welches bei solchen Strukturen aufgrund der geringeren Gebrauchsfrequenz geringer ist. Nach diesen Vorbemerkungen zum allgemeinen Verhältnis von Kern oder Zentrum und Peripherie in Sprachsystemen soll nun Pilchs (1965) in einem sehr kurzen Kongressbeitrag unmittelbar in Bezug auf phonische Strukturen skizzierte Unterscheidung von «zentralen und peripheren Lautsystemen» aufgegriffen werden. Ausgangspunkt unserer Arbeit ist der besondere Status komplexer Silbentypen, die in einer Sprache wie dem Spanischen systemfremd erscheinen, in anderen wie dem Portugiesischen dagegen Ausdruck systeminterner Tendenzen zu sein scheinen (s. o., Kap. 3). Hieraus ergibt sich zunächst die Frage, ob und wie solche Elemente fremder
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Herkunft (Lehnelemente) als Teil des Sprachsystems zu denken sind und dann der Ansatz der vorliegenden Untersuchung, diese als periphere Elemente im Modell einer Zentrum-Peripherie-Konstellation des Systems aufzufassen. Pilch (1965, 468) schlägt für die Abgrenzung peripherer Elemente vom zentralen Lautsystem ein internes und externes Doppelkriterium vor:211 1. Die Klasse K von peripheren Elementen soll strukturelle Besonderheiten aufweisen, die innerhalb des untersuchten Materials nur ihr eignen. 2. Zumindest ein weiteres Kriterium muß die gleiche Klasse K als Sonderklasse ausweisen, sei es Entlehnung, sei es Gebrauch nur in bestimmten Situationen [...] oder seitens bestimmter Kreise [...].212 Aufschlussreich sind dabei auch Kommentare und Anregungen aus der Pilchs Beitrag angefügten Diskussion. F. Daneš (Pilch 1965, 471) zieht es vor, von Zentrum und Peripherie eines Systems, nicht von zwei Systemen, einem zentralen und einem peripheren, zu sprechen, da für die Peripherie gerade charakteristisch ist, dass sie «wenig systematisch» und «in dem gegebenen System nicht völlig integriert» ist. Eine scharfe Abgrenzung zwischen Zentrum und Peripherie gibt es nach Daneš nicht, der Übergang ist stufenlos, wobei es Übergangszonen gibt. Diese Beobachtung entspricht zweifellos der Realität der Sprachverwendung, weshalb hier der Einschätzung von Daneš folgend von einem System mit mehreren Bereichen ausgegangen wird, die in 4.2.1–4.2.3 ausgeführt werden. Pilch erläutert weiter, die Beschreibung des «zentralen Systems» lasse sich «aus der Rede von Sprechern [nicht] unter Ausklammern aller Lehnwörter gewinnen» (Pilch 1965, 469). Damit kommt die Frage der Berücksichtigung von Lehnwörtern für die Beschreibung von Lautsystemen ins Spiel (eine puristische Alternative wäre der Ausschluss aller Elemente fremder Herkunft bei der Bestimmung des Lautinventars, bei der jedoch die Abgrenzung von «fremden» und «eigenen» Merkmalen, zumal im Fall der romanischen Sprachen, rasch auf Schwierigkeiten stößt). Die Thematik wird in älterer Literatur mitunter diskutiert, während neuere Arbeiten diese Frage weniger stellen bzw. den Fokus oft mehr auf Prozesse der Lehnwortphonologie legen (zu
Zur Frage der Kenntnis von fremdsprachlichen Strukturen verweist Pilch auf Hocketts (1956, 468) Terminus der «Anderthalbsprachigkeit» (im englischen Original Hocketts «Sesquilingualism»), mit dem dieser viele monolinguale Sprecher mit rudimentären einer oder mehrerer weiterer Sprachen charakterisiert. In seiner Skizze bestimmt Pilch (1965) diese Kriterien nur sehr vage mit den Beispielen «Erregung, Trunkenheit» für «bestimmt[e] Situationen» respektive «slang, Kindersprache, Fachsprachen» für den Gebrauch durch – wohl diastratisch-diaphasisch gemeinte – «bestimmt[e] Kreise». Jenseits dieser nur skizzenhaften Ausführung interessiert hier primär Pilchs Grundansatz, der auch für Silbentypsysteme fruchtbar gemacht werden kann.
4.2 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie
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Ansätzen der Lehnwortphonologie cf. z. B. Uffmann 2007, zur Natur des Transfers lautlicher Merkmale s. die Hinweise in 4.3.1). Hess (1975, 74–80) diskutiert im Rahmen ihrer phonologisch-typologischen Studie der romanischen Sprachen u. a. die «Behandlung der ‹sons étrangers› im Französischen und in den übrigen romanischen Sprachen», d. h. die Integration von fremden Lauten in die jeweiligen phonologischen Systeme, wobei sie sich auf die Betrachtung entlehnter Phoneme beschränkt (Silbenstrukturen sind Gegenstand eines eigenen Abschnitts ihrer Studie, 238–275). Dabei geht sie kurz (78–79) auch auf Pilchs (1965) Unterscheidung ein, wobei sie von «peripheren» bzw. «marginalen» Phonemen spricht und ebenso wie Müller (1975) für deren – beiden Autoren nicht zwingend erscheinende – Bestimmung höchstens das Kriterium der Phonemhäufigkeit gelten lässt. Müller plädiert für eine vorbehaltlose Berücksichtigung aller lehnwörtlichen Strukturen bei der phonologischen Beschreibung von Einzelsprachen ohne Scheidung in zentrale und periphere Bereiche (er erwähnt dabei Pilchs Vorschlag nur en passant, ohne bibliographische Angabe). In eine ähnliche Richtung, wenngleich ohne das von Pilch vorgeschlagene Ordnungsprinzip zentraler und peripherer Systeme, gingen vorher schon die bei Fries/Pike postulierten «coexistent phonemic systems» («two or more phonemic systems may coexist in the speech of a monolingual», 1949, 29), die an einer mesoamerikanischen Sprache mit spanischem Kontakteinfluss im Detail nachgewiesen werden. Diese ältere Arbeit ist grundlegend für die Idee eines nicht-homogenen Lautsystems, während Arbeiten, in denen diese Idee ausführlicher entwickelt wird, insbesondere in der Optimalitätstheorie (cf. 4.3.1, 5.3) und der Linguistik des Japanischen (mit charakteristischen Mustern der Lehnwortadaptation) zu finden sind (Itô/Mester 1995, 1999; cf. Smith 2018). Jenseits der Arbeiten von Itô und Mester zum japanischen Lexikon in optimalitätstheoretischer Core-periphery-Sicht, die theoretische Ansätze zum Ranking von Constraints in den Mittelpunkt stellen, findet sich ein typologisch orientierter Ansatzpunkt in den oben (4.1) referierten Überlegungen von Bertinetto (2003), in denen jedenfalls die epistemologische Grundfigur einer Zentrum-Peripherie-Unterscheidung vorkommt, allerdings mehr auf allgemeine Fragen der linguistischen Heuristik bezogen. Mit dem Modell von Zentrum und Peripherie in der Phonologie werden zwei Ordnungsmerkmale eingeführt, die es ermöglichen, heterogen erscheinende Phänomene in einem System horizontal statt vertikal zu verorten. Pilchs Unterscheidung kann gerade für den Vergleich von Silbentypinventaren fruchtbar gemacht werden, bei denen hochgradig verfügbaren, unmarkierten (meistens, jedoch nicht immer, zugleich durch hohe Gebrauchsfrequenz gekennzeichnet) und somit zentralen Silbentypen, die charakteristischerweise einfach strukturiert sind, periphere Typen komplexer Struktur gegenüberstehen, die im Sinne von Pilchs Kriterien typischerweise in Entlehnungen vertreten sind. Die Dynamik der Systembereiche beschreibt Pilch frei so: «[P]eriphere Systeme tendieren stets mehr oder weniger
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
zur Angleichung an das zentrale System (aber nicht umgekehrt). Genauer: die Sonderstrukturen peripherer Systeme werden häufig ersetzt durch intuitiv ähnlich klingende Strukturen».213 Bezogen auf Silbentypen wäre eine solche Assimilation komplexer Typen auf einfachere, im System «zentralere» Typen hin (z. B. durch die Vereinfachung komplexer Silbenanlaute oder -auslaute) zu erklären als Optimierungsbewegung in Richtung auf die Strukturen des Zentralsystems. Dessen höhere Verfügbarkeit für Sprecher und Hörer (zu mitunter verschiedenen Anforderungen der Produktions- und der Wahrnehmungsperspektive s. o., 3.7.2) sichert reibungslosen kommunikativen Austausch auch bei Entlehnung von fremdgestaltigen Elementen. Dieses Modell steht im Einklang mit der Differenzierung von Itô/Mester (1995, 1999; cf. auch Umbreit 2004, 74), die den Wortschatz einer Sprache in Kern und Peripherie einteilen: im Kern befinden sich einheimische Wörter, weiter außen assimilierte Lehnwörter, ganz außen unassimilierte Lehnwörter. Legt man core syllable types à la Clements/Keyser (1983, 28; cf. 3.1.1) zugrunde, so kann man die Verhältnisse in einem in Zentrum und Peripherie organisierten System, das mittlere bis hohe Silbenkomplexität erlaubt (s. o., 3.1.1, bei Clements/Keyser 1983, 29; der Typ IV, Typ 3 bei Maddieson 2013), wie folgt schematisieren: CCCV ! ðCCV CVC CV V; VC VCCÞ
( )
VCCC
Die in vielen einzelsprachlichen Silbentypsystemen als faktische Tendenz erkennbare synchronische Variationsdynamik (und potentiell darin angelegter diachronischer Wandel) kann wiederum anhand des Quadrifoliums (Tab. 4.2) dargestellt werden. Zugrundegelegt sind hier Silbentypen des (peninsularen Standard-)Spanischen (zu den Frequenzwerten cf. 3.6.1), wobei offene Silben (CV, CCV) im Sinne der Überlegungen in 3.7.2 (cf. auch Sampson 2010, 106) als einfache, unmarkierte Strukturen gelten, während geschlossene Silben (relativ dazu) markiert sind (CVC, CCVC), d. h. durch die gefüllte Coda ein Merkmal mehr enthalten, welches von Prozessen des Sprachwandels affiziert, d. h. modifiziert oder eliminiert werden kann.214 Für den Wandel CVC → CV ist an Fälle wie die allegro-typische Codavereinfachung, oft mit sonorisierten Zwischenstufen, in sp. exacto ([-saɣ.to] → [-sa.to]), für CCV → CCVC z. B. an den gleichen Prozess in sp. estructura ([-tɾuɣ.tu.ɾa] → [-tɾu.tu.ɾa]) zu denken.
Pilch (1965) spricht von mehreren Systemen, wir folgen hier jedoch der genannten Einschätzung von Daneš (1982), der von einem System mit Teilbereichen ausgeht. Man denke an Modifikationen wie z. B. die Aspiration von silben- oder wortfinalem /s/ oder die Entsonorisierung von auslautendem /ð/ zu /θ/ (z. B. in sp. verdad /bɛɾˈdaθ/), in beiden Fällen ist als Endpunkt der vollständige Konsonantenschwund möglich.
4.2 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie
159
Tab. 4.2: Quadrifolium der Zentrum-Peripherie-Dynamik. Zentrum
Silbentypen
Peripherie
häufig/unmarkiert CV
⟵
häufig/markiert CVC
selten/unmarkiert CCV
⟵
selten/markiert CCVC
einfach
komplex
Im folgenden werden die im Rahmen der Zentrum-Peripherie-Modellierung anzusetzenden Bereiche von Silbentypsystemen schematisch dargestellt. Für die einzelsprachliche Charakteristik und «Füllung» der Silbentypen liefern die Inventare aus Kap. 3.3–3.6 Anschauungsmaterial.
4.2.1 Universeller Kern Aus formaler wie aus typologischer Sicht kann man von einem Grundbestand an universell vorhandenen sprachlichen Prinzipien und Eigenschaften ausgehen, die in den einzelnen Sprachen auf sehr unterschiedliche Weise instantiiert sein können.215 Je nach Herangehensweise fällt der Universalien-Katalog unterschiedlich groß aus. Der folgenden Schematisierung liegt eine typologisierende Intention zugrunde, sie berücksichtigt dabei jedoch Prinzipien formaler Sprachbeschreibung. Im Kern der hier skizzierten Anordnung eines Silbentypsystems steht der in allen beschriebenen Sprachen vorhandene Silbenprototyp CV, hinzu kommen weitere, sehr häufig vorgefundene Typen (die hier ohne Hierarchisierung um den Typ CV gruppiert sind); die abnehmende Dicke der Bereichumrandungen von innen nach außen sollen die zunehmende Durchlässigkeit für Kontakteinflüsse veranschaulichen. Für die peripheren Bereiche eines Sprachsystems oder sprachlichen Teilsystems sind geringere Hürden (Filter) zu denken als für den weitaus weniger extern beeinflussten Kernbereich. Die hier angegebenen Silbentypen sollen keine bestimmten Einzelsprachen, sondern lediglich Systemmöglichkeiten von einfachen zu komplexeren Strukturen darstellen. Es versteht sich gleichfalls, dass zentrale Elemente eines einzelsprachlichen Systems für ein anderes im peripheren Bereich anzusiedeln sein können und umgekehrt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich für die meis-
Es sei an Jakobsons (1959) Diktum erinnert, nach dem Sprachen sich nicht so sehr danach unterscheiden, was sie ausdrücken können, sondern danach, was sie ausdrücken müssen.
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
ten sprachlichen Teilsysteme ein harter Kern von Bestandteilen ausmachen lässt, der für alle heute bekannten Sprachen übereinstimmt, also den Charakter von Universalien aufweist. Für die Silbenphonologie läge ein solches Universale im Typus CV, für die Grammatik wären es bestimmte universal vorhandene Kategorien:
( )
::: CV ::: Nach Maddiesons (2013, s. o., 1.2.1) sprachtypologischer Einteilung von Silbenstrukturkomplexität auf der Basis von 485 Sprachen (d. h. mit grosso modo ca. 8–12% der üblicherweise angenommenen 4.000–6.000 Sprachen weltweit einer vermutlich durchaus repräsentativen Stichprobe) haben von diesen ca. 12,5% ein System, das maximal die Struktur (C)V216 zulässt, dessen Inventar also nur aus den Kernsilbentypen CV und V besteht.
4.2.2 Einzelsprachlicher Kernbereich Der einzelsprachlich determinierte Kernbereich umfasst all jene Silbenmuster, die (in ihrer Zusammenstellung, nicht zwangsläufig in ihrem Typus – es gibt weitaus mehr Sprachen und Sprachfamilien als bekannte Silbenbautypen) charakteristisch für ein einzelsprachliches silbenphonologisches System sind: ::: CVC CV V; VC :::
( )
Dies entspräche dem Kernbereich von Silbentypsystemen des Typs IV in der Klassifikation von Clements/Keyser (1983) bzw. des Typs 2 in Maddiesons (2013, 54) Dreiteilung, d. h. Sprachen, die als Silbentypen das Schema (C)(C)V(C), mit dem komplexesten Typ CCVC, aufweisen.
4.2.3 Peripherie: Sprachkontakt und Entlehnung Am Beispiel der Phonologie lässt sich auch der Systemstatus peripherer Einheiten klären: bei diesen zum Teil nichtintegrierten217 Elementen handelt es sich
Der Typ V kann als durch den Typus CV impliziert gesehen werden, s. o., 3.1.1, Jakobson (32002 [1958], 526); Bertinetto (2003). Cf. auch die Diskussion in Hess (1975, 74–80), die sich vor allem auf das Französische bezieht, jedoch auch weitere romanische Sprachen miteinbezieht. Die Frage nach der Bestimmung des
4.2 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie
161
um freie, d. h. nicht-systematische, phonische Realisierungen (etwa in einer «Zitierform» aus einer anderen Sprache, die zunächst entsprechend der vielleicht nur rudimentären Kenntnis der L2-Phonetik wiedergegeben wird), denen auf Normebene dann allmählich (sofern eine Übernahme durch mehr Sprecher erfolgt) eine konventionalisierte Aussprache zugeordnet wird. Schließlich können solche Lautungen Phonem- und damit Systemstatus (es kann sich allerdings auch um Phonemfolgen, Silbentypen u. ä. handeln) erlangen (man denke an – seltene – Minimalpaare wie fr. chopine-shopping, cf. Beispiele in Müller 1975).218 Die Filter für externe Einflüsse sind für diesen Übergangsbereich wiederum als durchlässiger zu denken (die Pfeile stehen in der Grafik für das Wirken externer Kontakteinflüsse): ::: ! ðCCV½C CVC CV V; VC VCCÞ
( )
:::
Die obige Typanordnung entspräche einem System des Typs 3 nach Maddieson (2013), d. h. einem Silbentypsystem mit Strukturen, die über CCVC hinausgehen, das im Kontakt mit einem oder mehreren anderen Systemen steht, die noch größere silbische Komplexität erlauben. Im Außenbereich eines solchen Zentrum-Peripherie-Komplexes, der für das jeweilige (hier silbenphonologische) Teilsystem einer Einzelsprache steht, können im Wege des (lexikalischen, phonologischen etc.) Sprachkontakts systemfremde Elemente «attrahiert» werden, die dann allmählich, proportional zu deren steigender kommunikativer Bedeutung und entsprechender Gebrauchsfrequenz (gemäß den Prinzipien der Verbreitung von Wandel über lexikalische Einheiten, cf. Labov 1981 und 4.3), in den Bereich der Systemperipherie gelangen können: CCCV ! ðCCV CVC CV V; VC VCCÞ
( )
VCCC
Dieses Modell trägt der Beobachtung Rechnung, dass Sprachen eine außerordentliche Freiheit bei der Übernahme – unmittelbar insbesondere im Bereich des Lexi-
Integrationsgrads entlehnter Elemente wie auch nach deren Berücksichtigung bei der Beschreibung phonologischer Systeme stellt sich als kaum entscheidbar dar (cf. Hess 1975, 74–76). Für die Zwecke dieser Untersuchung soll der Hinweis genügen, dass es aber in der Regel möglich ist, einen Zustand des Nichtintegriertseins und einen des Integriertseins fremdsprachlicher Elemente zu bestimmen. Das methodische Problem, das hier nicht gelöst werden kann, beschränkt sich also auf den Integrationsgrad von Elementen, es erstreckt sich nicht auf die Möglichkeit der systemischen Integration. Zur Problematik von Graphie und Phonie sowie den dadurch bedingten Interferenz- und Wandelerscheinungen cf. Kabatek (1996, 26–28; 1997).
162
4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
kons und mittelbar in dem der Phonologie, jedoch auch in Morphologie, Syntax und Semantik – von Strukturen aus anderen Sprachen aufweisen, ohne dass auch Jahrhunderte oder gar Jahrtausende des Kontakts zwangsläufig zu einem Wandel zentraler Systembestandteile führen müssen. In der Tat finden sich in vielen Sprachen potentielle und tatsächliche Lautrealisierungsmuster (Phoneme, Silbentypen, evtl. auch Intonationskonturen) aus anderen Sprachen, in denen sie Systemstatus haben, doch sind diese Muster in der Regel nur in Entlehnungen vorhanden und führen für sich allein nicht zur Umgestaltung des vorhandenen Systems in seinen zentralen Ausprägungen. Mit der Berücksichtigung von Entlehnungen wird unvermeidlich ein externer, «außerphonologischer» (Pilch 1965, 469) Faktor in die Modellierung eingeführt, was der Wirklichkeit sprachlicher Realisierungen näherkommt. Mit dem Modell ist z. B. besser zu erklären, dass in der Phonologie des Hochlandspanischen z. B. in Peru oder Mexiko gemeinsprachlich Silbenstrukturen vorhanden sind, die es im peninsularen Spanisch nur in sorgfältiger (Lento)Aussprache gelehrter Entlehnungen (cultismos) gibt. Konsonantengruppen, die im Kastilischen der iberischen Halbinsel eher als gelehrte, schriftinduzierte (cf. 4.4.1) Formen in den phonetischen Normrealisierungen diaphasisch hoher Varietäten vorkommen, ersichtlich im schon genannten Beispiel (86), s.o., 3.7.2: (86) exacto pen. sp. Lentoaussprache: [ekˈsakto/eɣˈsakto] vs. Allegro [eˈsato] können durch die Tendenz zur Reduktion und Elision von Vokalen bei Erhalt der konsonantischen Lautsubstanz in Hochlandvarietäten Perus oder Mexikos auftauchen, wie (91) und (92) gezeigt hatten: (91) bloques para apuntes mex. hochlandsp. Allegro: [ˈbloks.ˈpa.ra.ˈpunts] (92) bloques para apuntes pen. sp. Normal/Allegro: [ˈblokes.ˈpa.ra(ː).ˈpuntes] Die Erklärung liegt im unterschiedlichem Systemstatus dieser formal ähnlichen Lautgruppen, die zunächst nur mit unterschiedlichen Realisierungsbedingungen in den jeweiligen Varietäten in Verbindung zu bringen waren: im Hochlandspanischen gehören diese zum Zentrum, im peninsularen Spanisch zu den peripheren Ausläufern des Systems (bzw. haben als bloße Realisierungsmöglichkeiten Bestand). Am anderen Ende eines Realisierungskontinuums stehen die bereits erwähnten Tendenzen südlich-peninsularer Varietäten des Spanischen, das als morphologischer Mar-
4.2 Systemkern und -peripherie in der Silbentypologie
163
ker häufige /s/ im Auslaut (über aspirierte Zwischenstufen) zu tilgen, was zur Zunahme offener Silben führt: (93) bloques para apuntes südl.-pen. sp. [ˈbloke(h).ˈpa.ra(ː).ˈpunte(h)] Den jeweils entstehenden Silbentypen kann zentraler bzw. peripherer Systemstatus zugeschrieben werden. Folglich kann die Einteilung aus Tab. 3.1 hier wieder aufgenommen und um die Zentrum-Peripherie-Dimension ergänzt werden (Tab. 4.3), wodurch die möglichen Unterschiede in der systematischen Stellung komplexer Silbentypen klarer werden (cf. auch Heinz 2014, 106): Tab. 4.3: Komplexe Silbentypen: Allegro vs. Lento und Systemzentrum vs. -peripherie. Silbentypen (sprechstilabhängige Tendenz)
Allegro
Lento
Einfach
Spanisch. (bes. südlich-peninsular und Tiefland), BP
EP, Standardfranzösisch
Komplex
EP, Standardfranzösisch, Hochlandspanisch [+ zentral]
Spanisch (bes. südlich-peninsular und Tiefland), BP [- zentral]
Gegenüber den in allen Registern unmarkierten einfachen (cf. 3.7.2) zeigen sich für die komplexen Typen zwei Arten von Distributionsmuster, die jeweils dem zentralen [+zentral] bzw. peripheren [-zentral] Systembereich zuzuordnen sind: EP, Standardfranzösisch und Hochlandvarietäten des Spanischen bilden durch systemzentrale Prozesse der Vokaltilgung in Allegrovarietäten komplexe Silben, während die sorgfältige Erhaltung komplexer Muster aus der Peripherie der jeweiligen Silbentypsysteme nur in südlich-peninsularen (z. B. Andalusisch) und Tieflandvarietäten (tierras bajas/ de la flota) des Spanischen sowie dem BP ein besonderes Merkmal des Lentostils ist. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die zentralen Elemente (hier: die im einzelsprachlichen Kernbereich vertretenen Merkmale) sich zwischen Sprachsystemen unterscheiden können, man denke etwa an die zentralen Silbentypen (primär einfache, offene Silbentypen) des Spanischen gegenüber denen des Portugiesischen (systemzentrale Tendenzen des Vokalismus führen zu einer höheren Präsenz komplexer Typen), wobei EP und BP systematisch unterschiedlich funktionieren (neben gemeinsamen einfachen Mustern im EP und BP gibt es im EP deutlich mehr Typen mit komplexen linken und/oder rechten Silbenrändern, s. o. 3.3, 3.6.3, 3.7).
164
4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
4.3 Lehnwortphonologie Die Lehnwortphonologie als ein privilegiertes Interessengebiet sowohl der Sprachwandelforschung als auch formaler Theorieansätze (insbesondere der Optimalitätstheorie, cf. den folgenden Abschnitt) weist inzwischen eine nicht mehr in ihrer Gesamtheit überschaubare Literatur mit teils sehr verschiedenen Fokussierungen auf. Hier werden daraus lediglich einzelne, im Sinne der in dieser Arbeit gewählten Perspektive weiterführende Arbeiten erwähnt.219 Komplexe Silbentypen werden auch in Sprachen mit Präferenz für einfache Silbenbaumuster oft im Wege der lexikalischen Entlehnung transferiert und (bei erfolgreichem Transfer schließlich) inkorporiert sowie auf Systemebene implementiert. Genauer werden solche Strukturen zunächst, analog zu den Vorgängen auf der Lexikonebene, in der Systemperipherie angelagert und können bei erfolgter Übernahme und (Teil- oder Voll-)Integration als Bestandteil der phonologischen Komponente des Gesamtsystems musterbildend wirksam werden. Im Sinne der in Abb. 4.2 (s. u.) skizzierten Skala wandert eine Struktur von der Ebene variabler phonetischer Realisierung auf die Ebene phonologischer Regelhaftigkeit (mit der Möglichkeit allophonischer Alternanten), von der phonotaktischen evtl. auf die morphonologische Ebene (als «Bauplan» oder «Hülle» von Morphemen, s. o., 2.2), man denke an die komplexe Silbenstruktur des spanischen Affixes trans gegenüber der im Spanischen phonotaktisch «natürlichen» Lautfolge tras; vorstellbar sind auch Wirkungen auf morphosyntaktischer Ebene etc. Besonderes Augenmerk soll hier auf die Prozesse beim Übergang von ersten individuellen Lautrealisierungen einer Lehnstruktur (etwa der Zitierform einer anderen Sprache mit je nach Verfügbarkeit von L2-Kompetenz unterschiedlichen Resultaten) zu einer regelhaften Verstetigung des Produktionsspektrums und Bildung wiederholbarer Muster aus der Interaktion von L2-(= ausgangssprachlicher) und L1(= zielsprachlicher) Phonologie gerichtet werden. Die Beeinflussung einzelsprachlicher Phonologie durch Lehnelemente haben erstmals systematisch Fries/Pike (1949) in der schon in 4.2 erwähnten Studie anhand des Kontakts zwischen der mesoamerikanischen Sprache Mazateco und Spanisch untersucht, wobei die beiden linguistischen Feldforscher zu dem Schluss kommen, dass in einer Sprache verschiedene phonologische Systeme koexistieren können. In vergleichbarer Weise beschreibt Hinskens (1998) am Beispiel niederländischer Dialekte die Möglichkeit von Lautwandel, der durch entlehnte Elemente induziert wird: Selbst das eher breit romanistisch orientierte Übersichtskapitel zur Lehnwortphonologie von Pustka (2021) beschränkt seine Auswahl aus der Fülle entsprechender Phänomene in der Romania auf die Sprachen Französisch, Spanisch und Italienisch, was gleichwohl durchaus begründbar ist angesichts der teils disparaten Tendenzen in der Gesamtromania.
4.3 Lehnwortphonologie
165
Dialects can borrow sound changes from each other. However the borrowed sound changes will usually be embedded in specific loaned items or morphemes. Initially a sound change thus borrowed will probably entrench itself for a while in the borrowing dialect in the loan words, before starting to spread in a lexically diffuse fashion (1998, 183–184).
Die Lehnwörter sind demnach zunächst das Reservoir übernommener systemfremder Lautveränderungen, die sich dann «in a lexically diffuse fashion» zu verbreiten beginnen. Implizit sind hier die von Wang (1969) und Labov (1981) beschriebenen Mechanismen der lexikalischen Diffusion von Wandelphänomenen gemeint.
4.3.1 Lehnwortphonologische Prozesse und die Optimalitätstheorie (OT) Eine sprachübergreifende Erklärung der Vielfalt zu beobachtender Silbenstrukturen versucht die Optimalitätstheorie (OT), die sich ausgehend von silbenphonologischen Analysen als eines der inzwischen bedeutendsten theoretisch-deskriptiven Paradigmen auf formal-generativer Grundlage für verschiedenste Beschreibungsebenen wie Morphologie, Syntax, Semantik etabliert hat. Ihre ursprüngliche Ausarbeitung hat die Theorie durch Prince/Smolensky 22004 [1993] erfahren. Eine Einführung bietet Kager 1999, zum ersten Überblick in romanistisch-phonologischer Perspektive Heinz/ Schmid 2021, 133–136). Gerade lehnwortphonologische Prozesse und deren Auswirkungen auf die Ebene der Silbenstruktur stellen ein Hauptinteresse phonologischer Modellierungen im Rahmen der OT dar. Grundidee und allgemeines Erkenntnisziel dieses vergleichsweise jungen generativen Theorieansatzes erläutern dessen Begründer Prince und Smolensky so: [W]e aim to show that the fundamental typological generalizations receive principled explication through the notion of Factorial Typology. The idea is that Universal Grammar provides a set of violable constraints on syllable structure, and individual grammars fix the relative ranking of these constraints. The typology of possible languages is then given by the set of all possible rankings (22004 [1993], 103).
Die OT versucht den Wettbewerb verschiedener (phonetischer) Output-Kandidaten zu modellieren, die sich aus einem bestimmten Input, einer zugrundeliegenden Form, ergeben, indem ein universelles Set von Wohlgeformtheitsbeschränkungen postuliert wird. Die Besonderheit dieser Beschränkungen (Constraints) ist ihre prinzipielle Verletzbarkeit und potentielle Widersprüchlichkeit, d. h. trotz der angenommenen Universalität dieser Beschränkungen gelten diese in Einzelsprachen nicht ausnahmslos, vielmehr können Beschränkungen konfligieren und eine Beschränkung Vorrang vor einer anderen haben (und in verschiedenen Sprachen eine entgegengesetzte Hierarchisierung der gleichen Constraints vorkommen). Genauer stellt sich die Ermittlung der optimalen Kandidaten für eine bestimmte
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
sprachliche Struktur im Rahmen der OT folgendermaßen dar: Eine Generator (GEN) genannte Funktion generiert eine Reihe möglicher Output-Repräsentationen, während eine Evaluator (EVAL) genannte Funktion den optimalen Kandidaten selegiert. Ein solcher optimalitättheoretisch modellierter Grammatikmechanismus kann folgendermaßen schematisiert werden (Abb. 4.1):
Abb. 4.1: Grammatikmechanismus in OT (nach Cutillas Espinosa 2003, 29).
Die EVAL steuernden Beschränkungen zerfallen in zwei konfligierende Gruppen («Familien»), einerseits sog. Treuebeschränkungen (faithfulness constraints), denen zufolge Input (zugrundeliegende Form) und Output (Oberflächenform) nicht voneinander abweichen sollen; andererseits als deren Gegenpart sog. Markiertheitsbeschränkungen (markedness constraints) für strukturelle Wohlgeformtheit bzw. zur Vermeidung markierter Outputformen: «Suppose that the input-output relation is governed by conditions of well-formedness of the output, ‹markedness constraints›, and by conditions asking for the exact preservation of the input in the output along various dimensions, ‹faithfulness constraints›» (Prince/Smolensky 22004 [1993], 5). Die Beschreibung der Grammatik bzw. des jeweiligen durch OT modellierten grammatischen Teilsystems, etwa der Silbenphonologie, resultiert aus der sprachspezifischen Hierarchie (ranking) der Beschränkungen, aufgrund derer suboptimale Strukturen ausgeschlossen und optimale Formen erzeugt werden. In the grammars of individual languages, the overall conflict between both ‹forces› assumes the form of fine-grained interactions of individual constraints. At this level, where individual constraints compete, languages are quite diverse in their resolutions of conflicts be-
4.3 Lehnwortphonologie
167
tween ‹markedness› and ‹faithfulness›. A language may give priority to faithfulness over markedness with respect to some opposition, but reverse its priorities for another opposition. (Kager 1999, 8).
Die Anzahl potentieller Kandidaten, d. h. zu evaluierender Formen, ist theoretisch unendlich, was mittels einer als Richness of the base genannten Bedingung gefasst wird, die Kager (1999, 19) so definiert: «Richness of the Base: no constraints hold at the level of the underlying forms». Die Formulierung des Zusammenwirkens von Constraints ausschließlich auf der Output-Ebene macht die Besonderheit des OT-Modells gegenüber anderen formalen Grammatikmodellen aus: «In OT grammatical generalizations are expressed as interactions of constraints at the level of the output, never at the input level» (Kager 1999, 19).220 Diese Orientierung an Oberflächenrealisierungen und die Verletzbarkeit universeller Constraints (die damit verwandt sind mit der in vorherigen generativen Theorieversionen entwickelten Vorstellung von Parametern der UG, die gesetzt oder nicht gesetzt sein können) geben der OT eine hohe analytische Flexibilität besonders bei der Modellierung nicht-eindeutiger, variierender Bereiche der Grammatik. Willi (52004, 500) fasst Möglichkeiten und Grenzen der OT konzis zusammen: Die Formulierung der Constraints ist das eigentliche Debattier- und Betätigungsfeld der OT. Ein gut formulierter Constraint sollte möglichst allgemeingültige Generalisierungen beinhalten und mit universellen Tendenzen in Einklang stehen (viele Arbeiten innerhalb der OT sind sprachtypologisch-vergleichend orientiert und/oder berücksichtigen sprachtypologische Erkenntnisse).
Bei der zweiten «Familie» von Constraints, den Treuebeschränkungen, ergibt sich die Schwierigkeit, dass für das Ermitteln der zugrundegelegten Input-Form implizit auf Prinzipien und Generalisierungen außerhalb der OT zurückgegriffen wird: Während die Markedness constraints sachlich unbestritten sind, erscheinen viele Faithfulness Constraints problematisch: Ob eine Form einen bestimmten Faithfulness Constraint erfüllt oder dagegen verstösst, hängt entscheidend davon ab, welche Input-Form gewählt wird. Die OT als Theorie sagt aber nichts darüber aus, anhand welcher Kriterien eine InputForm ermittelt werden soll. Dafür werden Prinzipien und Methoden der strukturalistischen und generativen Phonologie oder empirische Generalisierungen der Sprachtypologie implizit vorausgesetzt (Willi 52004, 500).
Ähnlich pointiert ist die bereits zitierte Kritik von Sampson (2010, 35), der den mitunter mehr deskriptiven als explikativen Wert von manch stipulierter Beschränkung gerade bei OT-Analysen, die auf die Diachronie abzielen, bemängelt. Das Funktionieren konkreter Beschränkungen im Rahmen silbentypologischer Beschreibung wird in Kap. 5.3 behandelt. Der Bereich der Lehnwortphonologie bietet sich als geradezu Die OT erscheint damit als eine Theorie der Performanz.
168
4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
idealtypisches Untersuchungsgebiet für ein Grammatikmodell wie die OT an, da zum einen in diesem Bereich die zugrundeliegenden Formen nicht hypothetisch bleiben, sondern als Formen einer jeweiligen Spendersprache verortet werden können. Eine diachrone, unmittelbarer Beobachtung nicht zugängliche Entwicklung kann im Fall von Entlehnungen wenigstens teilweise transparent gemacht werden (allerdings liegt der diachrone Aspekt nicht im primären Fokus des OT-Erklärungsmodells). Zum anderen knüpft die OT gerade im Bereich der lautlichen Lehnwortanpassung an Überlegungen zur Natürlichkeit phonologischer Prozesse im Rahmen der sog. Natürlichen Phonologie (cf. Donegan/Stampe 1979; Dressler 1984; 1989) und der Natürlichen Generativen Phonologie (Vennemann 1972; Hooper 1976) an. Aus den zahlreichen Studien zur Lehnwortphonologie im Rahmen von OT sei hier die ausführliche Untersuchung von Uffmann (2007) genannt. Uffmann liefert eine auf OT basierende Analyse von Vokalepenthesen221 bei der phonologischen Lehnwortadaptation in «exotischen» Sprachen wie u. a. Shona, Sranan, Kinyarwanda, Samoanisch. Beispiele für die von Uffmann untersuchten Entlehnungen aus dem Englischen wären etwa die Vokalentfaltungen in (2007, 1): (95) jap. sutoraiku Shona girini
(< engl. strike) (< engl. green)
Den Prozess der Epenthese bei der lautlichen Adaptierung von Lehnwörtern beschreibt der Autor (2007, 1) folgendermaßen: Vowel epenthesis is a frequently observed phenomenon in the adaptation of loanwords if the borrowing language has tighter phonotactic constraints than the donor language. Hence, languages with strict CV syllable structure epenthesize vowels in borrowed material if the donor language is more permissive with respect to allowed types of syllable structure, for example in permitting coda consonants or consonant clusters in onsets. Epenthesis thus occurs to avoid consonant clusters or consonants in coda position.
Vokalepenthesen werden hier auf phonotaktische Beschränkungen der Empfängersprache zurückgeführt, die eine CV-Struktur vorgeben und damit die Auflösung komplexer Anlaut- oder Coda-Cluster erfordern.222 Grundlegende theoretische Fragen Aus der historischen Phonologie sind neben Epenthese auch die Termini Vokalentfaltung, Sprossvokal oder Svarabhakti bekannt (cf. Bußmann 42008, s.v. «Epenthese», «Svarabhakti»). Cf. in ähnlichem Sinne die knappen Anmerkungen von Fábregas (2004), der bei der silbenphonologischen Anpassung von Lehnwörtern eine generelle, über typologisch weit auseinanderliegende Sprachen hinweg wirksame Tendenz zur Herstellung optimaler unmarkierter CVStrukturen durch epenthetische Vokale annimmt (dabei berührt der Autor auch die Zweiteilung in eine Kern- und eine Peripherie-Grammatik bei der Lehnwortanpassung, ohne dies jedoch näher auszuführen).
4.3 Lehnwortphonologie
169
berührt der Autor in seinen Schlussüberlegungen darüber, ob die Lehnwortadaptation ihren Input von der phonologischen oder der phonetischen Ebene bezieht: We have so far managed successfully to evade the question of what exactly the input to loanword adaptation is. The discussion of Optimality Theory [...] made reference to Richness of the Base and argued that the exact shape of the input need not be known – it is sufficient that the constraint ranking will always produce a well-formed output, irrespective of how precisely the input looks like(Uffmann 2007, 221).
Die Standardannahme ist zunächst die eines Inputs phonologischer Natur: This made the implicit claim that the input is phonological in nature. The argument of Richness of the Base only holds for different phonological inputs which will ultimately all converge on well-formed inputs. This claim is controversial, however, because there exists a competing claim that the input is not phonological but largely phonetic in nature. Under this view, adaptation does not involve phonological processes, and the use of phonological models like OT to explain how words are adapted would then be a fundamental misconception of the processes that underlie loanword adaptation(Uffmann 2007, 221).
Der Autor benennt hier klar die kontroverse Frage, ob lautliche Lehnwortanpassung phonetische oder phonologische Prozesse voraussetzt, wie auch jene nach der Beschreibungsadäquatheit eines phonologischen Modells wie der OT, zumindest was bestimmte Fälle einer nicht-phonologisch bedingten Lehnwortanpassung betrifft (etwa Fälle phonetisch-artikulatorischer Konditionierung in Allegroformen, Aussprachetraditionen etc., s. u., 4.4). In der Literatur zur Lehnwortphonologie, sowohl innerhalb der OT (etwa McCarthy/Prince 2004) als auch in anderen bzw. früheren theoretischen Ansätzen (grundlegend Polivanov 1931; Haugen 1950; Weinreich 1957), gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen zur Natur des Transfers von lautlichen Merkmalen und den zugrundeliegenden Prozessen und Repräsentationen, cf. z. B. Paradis/LaCharité (1997), LaCharité/Paradis (2005), die gegenüber etwa Silverman (1992) und Peperkamp/Dupoux (2003) von phonologischen, nicht primär phonetisch determinierten Adaptationsprozessen ausgehen. Diese sehr implikationsreiche, in Teilen spekulative Diskussion kann hier nicht im Detail aufgegriffen werden, dennoch ergeben sich aus den folgenden Abschnitten (v. a. ab 4.4) Hinweise auf wesentliche bedingende Faktoren solcher Prozesse. Itô/Mester (1995, 1999) nehmen anhand der phonotaktischen Strukturbeschränkungen des Japanischen bei der Lehnwortintegration eine bedeutende Unterteilung des japanischen Lexikons in Core (einheimischer Wortschatz) und Periphery (Lehnwortschatz) an und versuchen dies in einem unterschiedlichen Ranking der Markiertheits- und Treuebeschränkungen abzubilden (cf. auch die daran angelehnte theoretische Exploration potentieller Constraints von Smith 2018). Einige Möglichkeiten des OT-Ansatzes für die Modellierung der einzelsprachlichen Kombination quasi-universeller oder mindestens typologisch stark präferierter und verbreiteter Wohlgeformtheitsbeschränkungen werden in Kap. 5.3
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
exemplarisch aufgezeigt. Zentrum-Peripherie-Konstellationen wirken sich zudem in der Diachronie aus, wie der nachfolgende Abschnitt zeigen soll.
4.3.2 Zentrum-Peripherie-Konstellation und lehnwortphonologische Adaptation Eine Zentrum-Peripherie-Konstellation ist jeweils Ergebnis sprachspezifischer diachroner Prozesse. Die Frage der systematischen Verortung lehnwortinduzierter Silbenkomplexität lässt sich besonders deutlich am Beispiel des Spanischen veranschaulichen. Dort ist schon in der altspanischen Epoche für den zentralen Systembereich223 eine gewisse Abbautendenz silbischer Komplexität in Richtung auf den Basistyp CV festzustellen (s. o., 3.3 und 3.6.1), eine Bewegung zu im Vergleich zu den lateinischen Strukturen weniger komplexen Silbentypen ist in der spanischen Phonologie schon früh vorhanden. Dem korrespondiert ein nachweisbarer Trend zu offenen Silben durch den Rückgang apokopierter Formen in spätaltspanischer Zeit, ab dem 14. Jh. (cf. 3.3, 3.6.1; Catalán 1971, Tuten 2003); der vorübergehende Anstieg stellt womöglich selbst ein Entlehnungsphänomen (< Okzitanisch) dar, das lediglich in die Peripherie des Systems Eingang gefunden hat, sich jedoch immerhin in zeitgenössischen Schreibtraditionen spiegelt. Im zentralen Bereich des phonologischen Systems bleibt die flache, aber kontinuierliche Tendenz zum Abbau von Silbenkomplexität und der Anstieg des Typs CV intakt (cf. 3.6.1). Dagegen sind komplexe Typen wie CCVCC (Bsp. trans) in ihrer Häufigkeit marginal und gehören zum peripheren Systembereich (cf. die häufigere Konkurrenzform tras CCVC). Diese komplexen Strukturen, die im Fall des Spanischen durch Relatinisierungsbewegungen restituiert werden (cf. Sampson 2010, 106), scheinen die Entwicklungstendenz des zentralen Systems nicht zu tangieren, sondern nur die Peripherie der Sprachstruktur (evtl. auch nur das graphische System) «anzureichern», ohne je in den Kern zu gelangen und diesen zu modifizieren. Folgende lexikonspezifische Prozesse können auf die Peripherie einwirken: a) Einführung in Form von Neologismen und Direktentlehnungen, die vorher nicht existierten (z. B. Entlehnungen aus dem Lateinischen in mittelfranzösischen Übersetzungen von Nicole Oresme, 5.1), b) Entstehung von Dubletten, d. h. einer erbwörtlichen Bildung wird eine lehnwörtliche zur Seite gestellt; in der Folge kann c) ein erbwörtliches durch ein gelehrtes Wort ersetzt werden.
Die hier angesetzte Systemvorstellung geht von der Möglichkeit eines geordneten Zusammenwirkens von Systemen als Teil eines Diasystems aus, das Zusammenwirken der Systeme wird seinerseits, wo die Präzisierung nicht erforderlich ist, als System (Singular) bezeichnet.
4.3 Lehnwortphonologie
171
In synchroner Betrachtung der Zentrum-Peripherie-Konstellation des Spanischen (peninsulare Standardvarietät) ist von einem (universellen und einzelsprachlichen) Zentralbereich des Silbentypsystems auszugehen, der nur die Kernsilbentypen bis zum Komplexitätsgrad (C)(C)V(C) (Typsystem 2 von mittlerer Komplexität nach Maddieson 2013) umfasst (cf. sp. [tras]). Im peripheren Systembereich halten sich dagegen mindestens seit dem 18. Jh. (cf. Sampson 2010, 106) relativ stabil Silbentypen von etwas größerer Komplexität, die fast ausschließlich zu den erwähnten gelehrten Entlehnungen (cultismos) gehören. Hier sind Typen wie (C)(C)V(C)(C) (sp. [trans.ˈpɔɾ.te] transporte, [ɛks.trak.ˈθjon] extracción etc.) als Realisierungsmöglichkeit sorgfältigerer Aussprachestile mittleren und langsamen Sprechtempos angesiedelt. Die Peripherie stellt sich synchronisch als durch Traditionen (zum Faktor «Tradition» s. u., 4.4.1) der Realisierung gefülltes Reservoir von markierten Elementen dar, die von außen ins System eingeführt wurden (hier: Strukturen aus gelehrten Entlehnungen); deren Einführung kann willentlich, durch externe Eingriffe wie Sprachausbau, Sprachpflege, graphische Fixierung, Übersetzungen o. ä. oder weniger gesteuert durch individuelle Ergebnisse von Sprachkontakt erfolgt sein. In der Übergangszone zwischen Peripherie und zentralem Systembereich kann die Spannung zwischen mitunter gegenläufigen Tendenzen (hier: markierte, komplexe vs. unmarkierte, wenig komplexe Silbentypen; zu anderen möglichen Konstellationen cf. 5.2) sich in oszillierenden Realisierungen niederschlagen, für die es jeweils einen präferierten Realisierungsmodus gibt (Lento für die Realisierung markierter Strukturen, Allegro mit Tendenz zur Vereinfachung markierter Strukturen).224 So erklärte sich im Fall des Spanischen die sogar graphisch manifeste Variation von Fällen wie septiembre/ setiembre. Die Dynamik von Sprachsystem, Teilsystemen und Zentrum-PeripherieOrdnung der Ebenen im Sinne der zuvor entwickelten Modellierung versucht das nachstehende Schema (Abb. 4.2) zu veranschaulichen. Es stellt die Schnittstellen von jeweils in zentrale und periphere Bereiche organisierten Systemebenen dar, wobei ein Übergang von internen Ebenen zu Ebenen des Systems mit zunehmender Empfänglichkeit für externe Einflüsse (Lehnwortphonologie, lexikalische Entlehnungen etc.) angedeutet ist.225
Eine Analogie zur Eignung des Lento-Stils für die Realisierung markierter Strukturen aus dem nicht-lautlichen Bereich wäre die Präferenz für gewisse hochgradig markierte lexikalische und syntaktische Muster in Registern des distanzsprachlichen Pols im Nähe-Distanz-Kontinuums (cf. Koch/Oesterreicher 22011 [1990], 5–17). Cf. auch die Darstellung des französischen Schriftsystems als «plurisystème» (Catach 1996, 1445, Abb. 126.1), die, wenn auch mit anderem Erkenntnisziel entworfen, entfernt an eine Zentrum-Peripherie-Konstellation erinnert.
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Abb. 4.2: Zentrum-Peripherie-Konstellation in einem Sprachsystem L1.
Sichtbar sind die Überschneidungen und gegenseitige Beeinflussung von jeweils in zentrale und periphere Bereiche organisierten Systemebenen, wobei ein Übergang von internen Ebenen zu Ebenen des Systems mit zunehmender Empfänglichkeit für externe Einflüsse (Lehnwortphonologie, lexikalische Entlehnungen) skizziert wird.226 Die Pfeile bezeichnen Übergänge und Beziehungen zwischen den beteiligten Ebenen im Sinne von Schnittstellen wie Morphosyntax, Morphophonologie; zwischen Phonologie und Phonetik herrscht enge Interaktion (breiter Pfeil), gestrichelte und einseitig gerichtete Pfeile zeigen eine mögliche Beeinflussung in eine
Intern und extern auf der Ebene der Organisation des Gesamtsystems sind nicht gleichzusetzen mit zentral und peripher in den Teilsystemen, doch kann eine Korrelation zwischen der größeren Offenheit für externe Einflüsse und einer möglicherweise durchlässigeren und umfangreicheren Peripherie in einzelnen Teilsystemen bestehen. So ist die Peripherie des Lexikons (in anderer Konzeptualisierung: eine «offene Liste», cf. Martinet 21970 [11960]) als Reservoir markierter, «fremder» Formen fraglos umfangreicher als etwa die der Morphologie.
4.3 Lehnwortphonologie
173
Richtung an. Während zwischen Morphologie, und Phonetik/Phonologie als Systemebenen im engeren Sinne Wechselwirkungen angenommen werden, geht vom Lexikon (das eine Systematizität aufweist, die sich aber von jener der grammatischen Beschreibungsebenen unterscheidet) ein potentieller einseitiger, vom Lehnwortschatz nur ein mittelbarer Einfluss auf die anderen Ebenen aus. Der Lehnwortschatz stellt einen Kontaktbereich zwischen L1 und L2 dar. Die elliptischen gestrichelten Linien deuten eine gewisse Durchlässigkeit an, d. h. zugleich eine Filterwirkung von extern beeinflussbaren Ebenen (die systemfremde Elemente aufnehmen und verarbeiten, wobei systeminterne Vorgaben, Wohlgeformtheitspräferenzen o. ä. hochgradig markierte Strukturen auf die zielsprachlichen Gegebenheiten hin adaptieren können) zu stärker «intern» funktionierenden Ebenen, als Grammatik im engeren Sinne. Eine (von Cheshire/Kerswill/Williams 2005, 136, und Hinskens 1998, 160, angenommene, s. o.) vergleichsweise geringere Variabilität von grammatischen Kernbereichen wie Morphosyntax und Phonologie gegenüber den peripheren Bereichen, die «kontrollierenden» Faktoren wie Normvorstellungen, Prestige u. ä. weniger stark unterworfen sind, erscheint im Sinne der Bemerkung zur Peripherie von Daneš (Diskussionsbeitrag apud Pilch 1965, 471; s. o.) systematisch plausibel. Ein Zusammenhang dieser Ebenen auch mit der syntaktischen Ebene besteht zweifellos, doch betreffen die lehnwortphonologischen Prozesse, um die es hier geht, primär wortförmige Einheiten. Die Frage der von Cheshire/Kerswill/Williams (2005, 136) und Hinskens (1998, 160) angenommenen relativ geringeren Variabilität der Syntax (s. o., 4.2) kann hier nicht abschließend geklärt werden Einerseits ist in den meisten Sprachen eine beträchtliche Variation syntaktischer Realisierungen zu beachten. Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Ausmaß individueller Variation im Bestand syntaktischer Ausdrucksmuster (Holophrasen, Verbinversionen, Links-/Rechtssegmentierungen, Koordination, Subordination etc.) begrenzter sein dürfte im Verhältnis zur hohen bzw. extrem hohen Kombinierbarkeit morphologischer (Produktivität der Wortbildung) respektive phonologischer Elemente (Lautkombinatorik), zu dem breiten Spektrum artikulatorischer Variation (Phonetik) und schließlich der großen paradigmatischen (und teils) syntagmatischen Offenheit und Variabilität des Lexikons (mit in den meisten Sprachen hunderttausenden abgrenzbaren Einheiten). Zentrum und Peripherie der jeweiligen Teilsysteme können, müssen aber nicht in dem Sinne verzahnt sein, dass in einem Teilsystem periphere, markierte Elemente in einem anderen nicht oder weniger markiert sind und noch zum zentralen Bereich zählen. Beispiele hierfür wären Lehnwörter bzw. Fremdwörter (cf. Eisenberg 2011) wie dt. Journalist: auf der phonologischen Ebene ist der stimmhafte Frikativ [ʒ] ein markiertes Element im standarddt. Phoneminventar, auch die Lautgestalt des Wortes weicht in den ersten beiden Silben von einheimischen Mustern ab, auf der Lexikonebene kann die Form jedoch nicht als peripher ange-
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
sehen werden, wozu auch das reihenbildende Suffix -ist beitragen mag. Dabei sind folgende Markiertheits-Konstellationen denkbar: a. ein Element ist auf allen hier betrachteten Strukturebenen (Syntax und Semantik bleiben für die engumrissenen Zwecke dieser Betrachtung außen vor) markiert: z. B. unintegriertes Lehnwort (dt. Jazz), Archaismus (dt. Zores), b. es ist auf einer oder mehreren Ebenen markiert und auf einer oder mehreren anderen unmarkiert (cf. Beispiele wie dt. Journalist, Jogger), c. es ist auf allen Ebenen unmarkiert (z. B. hochfrequentes Wort ohne erkennbare Sprachkontakteinflüsse: dt. Tag, heute u. ä.).
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel Zentrum-Peripherie-Konstellationen sind zunächst als Konzeptualisierung einer horizontalen Anordnung von Struktureinheiten in synchroner Perspektive anzusehen. Diese sind jedoch stets Ergebnis historischer Wandel-, Anpassungs-, Systemoptimierungprozesse. Für die diachrone Perspektive ist damit allgemein (1) zu klären, wie es zu «Wanderungsbewegungen» zwischen Peripherie und Kern kommt (ferner: ob auch der umgekehrte Weg denkbar ist). Es bedarf jedoch (2) der Erklärung, warum gerade gelehrte Entlehnungen gräkolateinischer227 Herkunft, die oft weder in jüngerer Zeit entlehnt noch selten sind, sondern vielmehr lange integrierte Elemente aus dem erweiterten Kernwortschatz mit gewissen – in vielen romanischen Sprachen gegenüber erbwörtlichen Einheiten jedoch nur sehr begrenzten – Assimilationserscheinungen sind, so eindeutig das (vielfach einzige) Reservoir bestimmter seltener Silbentypen sind. Bei der Frage der individuellen Entwicklungen, die der grundsätzlichen nach der Dynamik von Zentrum und Peripherie nachgeordnet ist, ist für die Pfade solcher Peripherie-Kern-Bewegungen an Parallelen zu den für Grammatikalisierungsprozesse beschriebenen Abläufen zu denken (cf. die Emergenz-Perspektive auf Pfade phonologischen Wandels bei Bybee 2001, 204–210). Die einzelnen synchronen Prozesse, die zu bestimmten Resultaten führen (hier etwa die Bildung bestimmter Silbentypen aufgrund entlehnter und dabei teils oder ganz angepasster Strukturen) können dann z. B. im Rahmen der Optimalitätstheorie (OT) als An- und Umordnung des Rankings gewisser Constraints betrachtet werden, die zu der jeweiligen InputOutput-Gleichung mit spezifisch ermittelten optimalen Kandidaten führen (cf. die Überlegungen in 5.3). Dabei stellt sich die in Uffmanns lehnwortphonologischen Untersuchung im Rahmen von OT behandelte Frage (2007, 221) nach der Plausibilität der Richness-of-the-base-Hypothese (cf. Kager 1999, 19–20; s. o. Kap. 4.3.1) im Falle von
Zu gelehrten Gräzismen in den romanischen Sprachen cf. Schlösser (2006).
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
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Lehnwortadaptationen. Gegen die Annahme von zugrundeliegenden Formen, auf die keinerlei Beschränkungen wirken, spricht, dass die Variationsbreite in der Realisierung lehnwortphonologischer Zielstrukturen durchaus begrenzt ist, neben Vorgaben der Empfängersprache beeinflussen dabei auch Strukturvorgaben der zugrundeliegenden spendersprachlichen Wortformen die phonologischen Anpassungsprozesse. Die scheinbar rein sprachstrukturellen, internen Verhältnisse der Silbenstruktur können einerseits aus einer varietätenlinguistischen Sicht erhellt werden. So betonen Auer/Hinskens/Kerswill (2005a) in ihrem Überblick zum Dialektwandel durch Konvergenz- und Divergenzbewegungen zu Recht das Wirken interner, sprachstrukturell bedingter und externer, durch Kontakt und Entlehnung induzierter Faktoren bei Sprachwandelphänomenen: «In our view, either internal (language structure, UG) or external (contact and borrowing) factors cause the actuation of language change [...]» (2005b, 41). Die deskriptive Schwierigkeit liegt zumeist in der Bestimmung und Separierung der jeweiligen Anteile in Wandelprozessen. Noch umstrittener als die Gewichtung externer Faktoren, die – wenngleich greifbarer als Innenansichten des Sprachsystems – historisch dingfest gemacht werden müssen, ist die (je nach theoretischem Ansatz postulierte) Natur der internen, sprachstrukturellen Faktoren. Der Phonetiker und Phonologe John Ohala äußert sich sehr kritisch zu den Versuchen der meisten formalen (v. a. generativen) phonologischen Richtungen, in ihren Grammatiken phonologischer Kompetenz die «phonetische Natürlichkeit» sprachlautlicher Muster zu reflektieren (2005, 34). Lautwandelprozesse, für die er zwar das Wirken weiterer Faktoren einräumt, erklärt er primär durch phonetische Prinzipien: The existence of phonetically natural processes in the sound patterns of languages needs no special or extravagant explanation [contra Ansätze spekulativer generativer Phonologien, MH]. Universal, physical, phonetic factors lead to a speech signal which obscures the speaker’s intended pronunciation; listeners may misinterpret ambiguous phonetic elements in the signal and arrive at a pronunciation norm that differs from the speaker’s. This is how sound change works [...] and how natural sound patterns arise. Such changes will reflect phonetic constraints without speaker or listener having to «know» about them (2005, 35).
Mit «speaker» und «listener» erwähnt der Autor die Instanzen der Sprachproduktion und -wahrnehmung, die als treibende Kräfte von Sprachwandelprozessen teils divergierende Entwicklungen bewirken (zur Sprecher- und Hörerseite bei der Bestimmung von silbischer Komplexität s. o., 3.7.2). Skeptisch bewertet Ohala den Methodenapparat vieler phonologischer Theorieschulen und deren Anspruch, Aussagen über mentale Repräsentationen von Grammatik zu machen: There may be no need for features, underspecification, autosegmental notation, feature geometry, or similar speculative devices. However, whatever is attributed to the speaker’s mental grammar should be subject to the same standards of empirical verification as are elements in phonetic models. Such evidence would probably come from psycholinguistic elements (2005, 35–36).
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Mögen diese Postulate auch radikal erscheinen, so sind sie doch ernst zu nehmen. Eine Kombination aus phonetischem Realismus der sprachinternen Rekonstruktion und angemessener Berücksichtigung externer (kontaktlinguistischer und historischer) Faktoren ist anzustreben, wenn wie bei der diachronen und synchronen Untersuchung der romanischen Lautsysteme modelltheoretische Voraussagen mit gut dokumentierten Sprachgebrauchsdaten eines breiten Varietätenspektrums und langer historischer Zeiträume abzugleichen sind.228 In diesem Sinne realistische, theoretisch und empirisch fundierte Beschreibungsprinzipien der Silbentypologie sind einerseits den in 3.1.4 besprochenen Arbeiten von Bybee (2001), Pierrehumbert (2001) und Blevins (2004), die in unterschiedlichen Perspektivierungen wesentlich ähnliche Anliegen wie Ohala vertreten, zu entnehmen, andererseits verspricht trotz einiger ungeklärter Grundannahmen das OT-Modell (s. o., 4.3.1) relativ große deskriptive Flexibilität. Nachfolgend wird ein weiterer möglicher Faktor von Lauterhalt und -wandel ausgeführt: Tradition.
4.4.1 Traditionen des (Aus-)Sprechens Die Dynamik von Zentrum-Peripherie-Bewegungen und deren potentieller Wandel hängt maßgeblich mit einem wichtigen, bisweilen unterschätzten Faktor der Sprachentwicklung zusammen: der Herausbildung und dem Wirken von Traditionen. Tradition ist ein Universale von Sprache, wie Hockett (21966, 11) in seinem Katalog sprachlicher Universalien ausführt: «2.12 Tradition. The conventions of a language are passed down by teaching and learning, not through the germ plasm. Genes supply potentiality and a generalized drive since nonhuman animals cannot learn a (human) language and humans can hardly be prevented from acquiring one. Bee-dancing is probably genetic». Der amerikanische Linguist hebt nach dieser Unterscheidung zwischen biologischen Prädispositionen und seines Erachtens primär kulturell-traditioneller Weitergabe229 der Sprache die speziesspezifische Bedeutung von Tradition als prägendem In diesem Sinne und explizit bezugnehmend auf Ohala fordern Holtus/Sánchez Miret (2008, 158) phonetischen Realismus für zu entwickelnde zeitgemäße Beschreibungsmodelle des Lautwandels in der Romania. Einem solchen «Realitätstest» müssen sich viele funktional-typologische wie formale Theoriehypothesen zu den Verhältnissen seltener oder sog. exotischer Sprachsysteme nicht immer stellen, weil die Sprachdaten, aufgrund derer manche Spekulation extrapoliert wird, zuweilen nur fragmentarisch vorliegen und der Untersuchende das jeweilige System nur auschnittsweise kennt. Im Licht neuerer kognitionslinguistischer Forschungen, die viele Indizien für die auch biologisch-physiologische Einzigartigkeit einer spezifisch menschlichen Ausstattung zur Sprachfähigkeit oder mindestens zu vorsprachlichen kognitiven Dispositionen liefern, müssen Hocketts
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
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Merkmal menschlicher Sprache hervor: «3.5 Every human language has tradition (2.12). If we design and build a collection of machines that communicate among themselves with a language, this property will be lacking. (12)».230 In besonderer Weise kommt dieses sprachliche Universale in historisch verortbaren Diskursen zum Tragen. Beeinflusst von Konzepten Eugenio Coserius und Brigitte SchliebenLanges sprechen Koch (1997) und Oesterreicher (1997) daher explizit von Diskurstraditionen.231 Eine diskurstraditionelle Konditionierung auch auf der lautlichen Ebene in Form der silbenprosodischen Charakteristik ergibt sich in doppelter Weise: einerseits kommen bestimmte Silbenmuster, wie sie z. B. gelehrte Entlehnungen aufweisen materiell nicht so sehr als als freie sprachliche Elemente, sondern vielmehr, zumindest bei ihrer Einführung in eine historische Einzelsprache, gebunden an bestimmte Diskurstraditionen vor (etwa Übersetzungen, gelehrte Traktate etc.), zum anderen kann man auch bestimmte traditionelle Muster des Aussprechens selbst als Formen von diskursiven Traditionen ansehen (s. 3.6). Es sei an Coserius bekannte Definition erinnert: «Eine historische Sprache ist ein als solches anerkennenswertes Gefüge von historischen Traditionen des Sprechens, ein Gefüge, das normalerweise durch ein adjectivum proprium bezeichnet wird (deutsche Sprache, französische Sprache usw.)» (1980, 115). Wenn man die Wendung von den «Traditionen des Sprechens» (so der Titel eines für die Herausbildung des Konzepts Diskurstradition grundlegenden Werkes von Brigitte Schlieben-Lange, 1983) ernstnimmt und in einem weiten Sinne versteht, so kann man gewiss auch «Traditionen des Aussprechens» annehmen. Was Traditionen und den Zusammenhang zwischen synchroner Variation und diachronem Wandel betrifft, so legt Lehmann in seinen Ausführungen zur Grammatikalisierung zutreffend dar:
Auffassungen hier zwar präzisiert werden, entgegen manch neopositivistisch-biologistischer Spekulation, die den entscheidenden kulturellen Anteil menschlicher Sprache oft ausblendet (die Konfrontation läuft hier nicht zwingend entlang den vertrauten Linien formaler vs. kognitivfunktionaler Linguistik), aber auch nicht grundlegend revidiert werden. In dieser Definition sind «erste» und «zweite» Historizität nicht getrennt (zu den Ebenen der Historizität cf. Koch 1997, 45–46; Kabatek 2005a, 31–36). Eine allgemeine Definition liefert Aschenberg (2009, 709): «Im Vergleich zu Termini wie Textsorte und Texttyp akzentuiert der Begriff Diskurstradition die Historizität von Texten, wobei nicht die historische Individualität und Partikularität des Einzeltextes profiliert werden, sondern dessen Regelhaftigkeit und Konventionalität, d. h. rekurrente mediale und konzeptionelle Muster, die ihn als einer Tradition zugehörig kennzeichnen». Nützlich für eine informierte Begriffsbestimmung und das Abstecken von Arbeitsgebieten ist neben grundlegenden Beiträgen wie Schlieben-Lange (1983), Koch (1997) und Oesterreicher (1997) der Band von Aschenberg/Wilhelm (2003); Jacob/Kabatek (2001) stellen überdies einen Bezug zur sprachgeschichtlichen Forschung v. a. in der Iberoromania her; cf. ferner Kabatek (2005b) sowie Ciapuscio et al. (2006).
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Recall that the autonomy of a linguistic sign is greatest at the start of grammaticalization and weakest at its end. The autonomy of a linguistic sign, however, ist just the structural aspect of what, in terms of linguistic activity, is the greater or lesser freedom with which the speaker creates and manipulates his signs. On the one hand, the speaker is creative, i. e. he enjoys freedom in this activity. (Lehmann 1985, 314).
Der Autor weist hier einerseits auf das kreative Potential bei der Wahl der Ausdrucksmittel durch den Sprecher hin, dem andererseits die Regeln der Tradition Grenzen setzen: On the other hand, he is constrained by tradition, i. e. he must conform to rules. All his activity is subject to the constant tension between these two poles [...]. For each of those functions that constantly recur in language activity, the speaker has at his disposal an array of grammatical means which fulfill that function. The most grammaticalized of them must be used in order to structure the signs in traditional ways and thus to secure understanding. The least grammaticalized of them m a y be chosen whenever the speaker wants to fulfill this particular function in a more prominent way. This explains synchronic variation along a grammaticalization scale(Lehmann 1985, 314–315).
Die dem Bereich der Diskurstraditionen zugeordneten Diskursregeln können, so Koch (1997, 49) «selbst für die lautliche Ebene» gelten. Coseriu (cf. 42007, 50) hatte bereits darauf hingewiesen, dass das Vorkommen gewisser, dem System einer historischen Einzelsprache eigentlich fremden Phoneme texttraditionell bedingt durchaus möglich ist. Er veranschaulicht das anhand einer Formel in einem italienischen Kinderlied, die teilweise aus Fantasiewörtern besteht: (96) A mižú, mižú, mižú per la carne lo pe-í per esem-pin-tú a si fa mižú In diesem Text kommt das Phonem /ʒ/ vor (für das im zitierten Text das Graphem < ž > steht), das im Italienischen vermeintlich nicht existiert,232 italienischen Kindern gleichwohl keinerlei Schwierigkeiten bereitet, während die Sprecher diesen Laut sonst für gewöhnlich weder kennen noch ohne weiteres aussprechen können (Coseriu 42007, 50–51): Wenn Sie hingegen einen Italiener fragen, ob der Laut [ʒ] im Italienischen vorhanden sei, wird er dies sicherlich verneinen und er wird möglicherweise sogar Schwierigkeiten mit
Freilich ist dieses Phonem jenseits der italienischen Standard(aus)sprache in italienischen Dialekten vorhanden, z. B. im Toskanischen, cf. ragione: tosk. [raˈʒoːne] vs. standardit. [raˈʤoːne] (cf. Heinz/Schmid 2021, 168).
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
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der Aussprache dieses Phonems haben. Das Phonem existiert aber gerade in diesem Text, es gehört zur Tradition dieses Textes, so wie auch andere Fakten, die in der Sprache üblicherweise nicht da sind, in bestimmten Texten erscheinen können (Hervorhebung MH).
Coseriu zieht zur Erläuterung dieses Phänomens noch zwei weitere Beispiele heran, die text- oder diskursbedingte Aussprachetraditionen illustrieren: Man sagt z. B. ebenfalls [...] dass der Laut ö ([ø] und [ɶ]) im Italienischen nicht vorkomme, und er existiert auch nicht als Phonem in italienischen Wörtern. Es gibt ihn jedoch in einem bestimmten Text, oder besser gesagt, er existiert a l s ein bestimmter italienischer Text; die Italiener gebrauchen ihn, um etwas als völlig unglaubwürdig oder unvernünftig zurückzuweisen: öööh! Das können alle Italiener – aber kaum ein Italiener kann ö in einem deutschen Wort aussprechen, wenn er es nicht zuvor lange geübt hat. Und auch dort, wo es nicht um Fakten geht, die sonst nirgendwo existieren, gibt es für bestimmte Texte eine besondere Tradition, die die einzelsprachlichen Regeln teilweise aufhebt, auch auf dem Gebiet der Phonetik und Phonologie (42007, 50–51).
Coseriu nennt weiter ein vergleichbares Beispiel des Deutschen, bei dem die traditionelle Aussprache phraseologisch gebunden ist: So spricht man z. B. in der deutschen Standardsprache von der Wurst, sagt aber auch gleichzeitig [...] das ist mir wurscht; man realisiert also in diesem speziellen Fall den Nexus st in der Form scht, obwohl dies in der Hochsprache sonst nur am Morphemanfang üblich ist. Es entsteht dabei sogar so etwas wie ein minimales Paar: Cf. Es ist Wurst, was Sie haben wollen und Es ist wurscht, was Sie haben wollen. Ebenso verhält es sich mit Alles ist für die Katze und Alles ist für die Katz «alles ist umsonst, vergebens»; auch in diesem Fall gibt es eine Tradition für einen besonderen Text, und eine geringfügige materielle Modifikation auf der Ausdrucksebene zieht eine vollständige Änderung des Sinnes nach sich (42007, 50–51).
Dem kann die Beobachtung zu einem Wandel in der Aussprachetradition eines ursprünglich französischen Lehnworts233 im Italienischen hinzugefügt werden. Dabei handelt es sich um (97)
stage ‘Praktikum’, ‘Probezeit’,234
eine Entlehnung, der traditionell die – französische – Aussprache [staːʒ] mit dem systemfremden lautlichen Element [ʒ] und der systemfremden Silbenstruktur mit konsonantischer Coda im Wortauslaut VC# entspricht, ohne dass diese Abweichungen den Sprechern Schwierigkeiten bereitet hätten. Diese Aussprachetradition wird jedoch in letzter Zeit durch eine andere Tradition der Realisierung, diesmal angelsächsischer Provenienz, ersetzt, was eventuell mit gesteigerten zumindest oberflächlichen Kennt-
Laut DELI englischen Ursprungs, wogegen jedoch die Semantik der Form spricht. Bedeutungsähnlich mit it. tirocinio.
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nissen des Englischen und abnehmender Kenntnis phonologischer Regeln des Französischen (bzw. mindestens Regeln der Behandlung französischen Wortmaterials im Italienischen) zu erklären sein mag. Die resultierende Aussprache [steiʤ] ersetzt die Realisierung [staːʒ] durch die systemnähere Realisierung [ʤ], fügt aber den nicht im System vorhandenen Diphthong [ei]235 ein und behält die im Standarditalienischen unübliche Silbenstruktur bei. Es scheint sich um einen Sonderfall von schriftinduziertem Wandel236 (nach dem Modell von Wörtern wie englisch page etc.) zu handeln. Generell den Fällen von Leseaussprache, der sog. spelling pronunciation widmet sich die Studie von Levitt (1978), den Themenkomplex behandeln die klassische Studie von Vladimir Buben (1935) sowie Coulmas (1989; 1996); Erfurt (1991; 1996); Eisenberg (1996; 2011, 192–193).237 Eine solche schriftinduzierte Ausspracherealisierung kann sich etablieren und ihrerseits eine Tradition herausbilden. Als «Traditionen der Aussprache» sind einige der in Kap. 5 behandelten Fälle phonologischen Systemkontakts, der sich zwischen historischen Einzelsprachen im Wege lexikalischer Entlehnung ergeben kann, zu sehen. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Wirken von Präferenzen zur Optimierung des zulässigen Silbenbaus (cf. Hooper 1976, 208–226 und Vennemann 1988), die aber andererseits in stetigem «Widerstreit zwischen Lautwandel und Analogie» stehen: Bestimmte Arten von Lautwandel erleichtern die Aussprache und verbessern das Sprachsystem unter diesem Gesichtspunkt; sie veruneinheitlichen aber oft zugleich die Paradigmen, und das ist unter dem Gesichtspunkt der Transparenz paradigmatischer Zusammenhänge schlecht. Die Analogie, z. B. ein paradigmatischer Ausgleich, ist unter diesem zweiten Gesichtspunkt gut; er führt aber oft die gleichen nicht-optimalen Lautstrukturen wieder ein, die vorher durch Lautwandel beseitigt worden waren. Ähnlich bei der Silbenstruktur: Die optimale Silbenstruktur ist CV.CV.CV usw.; die Entwicklung hiervon abweichender Strukturen ist oft [...] als Folge des Strebens nach diesem idealen Ziel zu verstehen (Vennemann 1986, 33).
Die Optimalitätstheorie (s. o. 4.3.1.) versucht dies gerade bei Lehnwörtern anhand des – inhärent konfliktiven – Gegenübers von Markiertheitsbeschränkungen (die die strukturelle Wohlgeformtheit des Outputs nach Kriterien der Empfängersprache Dabei handelt es sich um eine Annäherung an den englischen Diphthong [eɪ]; in der standarditalienischen Phonologie kommt betont lediglich der Diphthong [ɛi] positionsbeschränkt vor (z. B. in lei, nei im Auslaut); in seicento unbetont an einer Morphemgrenze in der allophonischen Variante [ei]. Zu diesem Konzept cf. Erfurt (1996, 1393–1399). Levitt (1978) behandelt in einer (leider das lexikalische Material etwas unsystematisch anordnenden) vergleichenden Untersuchung zum Englischen, Französischen, Spanischen, Italienischen und Deutschen ausführlicher die Frage des Einflusses der Orthographie auf die Phonologie, vor allem die Rolle von sog. spelling pronunciations in der Geschichte des Wortschatzes dieser Sprachen. Die Diskussion fasst Kabatek (1996, 26–28) in einem Abschnitt zu Problemen des Verhältnisses von Phonie und Graphie und von schriftinduzierter Interferenz und Sprachwandel zusammen.
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
181
erfordern) und Treuebeschränkungen (die die möglichst weitgehende Entsprechung von spendersprachlichem Input und empfängersprachlichem Output verlangen) zu beschreiben. Für das Verhältnis zur Zentrum-Peripherie-Konstellation lässt sich vereinfacht sagen, dass in den Markiertheitsbeschränkungen als Wohlgeformtheitsbedingungen auf der Ebene der empfängersprachlichen Formen eher Vorgaben des Systemzentrums wirken, die Treuebeschränkungen als Bedingungen für die strukturelle Entsprechung der ausgangssprachlichen Inputformen dagegen eher zur Systemperipherie gehören (analog die Unterscheidung bei Itô/Mester 1995).238 Das Verhältnis Tradition und Zentrum-Peripherie lässt sich wiederum in Umkehrung der für Lehnwörter beschriebenen Elemente beschreiben. Es ist davon auszugehen, dass Elemente der Tradition als Archaismen aus dem zentralen in den peripheren Systembereich wandern können. Auch Kernmerkmale eines Systems (etwa die von Szczepaniak 2007 beschriebene Silbensprachlichkeit des Althochdeutschen, cf. 4.4.2) können somit zu archaischen Elementen und letztlich ganz aus dem System ausgesondert werden.
4.4.2 Zum Zusammenhang von Silbentypen und Rhythmustypologie Die Silbenstrukturtypologie der einzelnen Sprachen ist im Zusammenhang mit der Frage der Rhythmustypologie zu sehen, da die in Einzelsprachen möglichen Silbentypen in vielfältiger, wenn auch bisher nicht vollständig verstandener Weise mit Typen rhythmischer Organisation korrelieren. Die Frage des Sprechrhythmus gehört zu den nach wie vor am intensivsten erforschten und debattierten Bereiche der prosodischen Typologie und Silbenphonologie.239 Rhythmus umfaßt einen Verbund von Merkmalen zeitlicher Organisation des Sprechens. Dies spiegelt sich in der allgemeinen Definition von Crystal (1995, 249): «Features of pitch, loudness, speed, and silence combine to produce the effect known as speech rhythm. Our sense of rhythm is a perception that there are prominent units occurring at regular intervals as we speak». Im Zentrum der Beschreibung von Rhythmus stand lange die IsochronieHypothese, derzufolge rhythmische Gruppen zeitlich regelmäßig sind oder wenigs-
Denn streng lehnwortphonologisch bringen nur Markiertheitsbeschränkungen die Kernprinzipien und -regeln eines Sprachsystems zum Ausdruck (und schließen markierte OutputStrukturen so weit wie möglich aus), während die Treuebeschränkungen für die Wiedergabe neuer Strukturen relevant sind, ohne die das System jedoch bereits stabil funktioniert. Vorschläge für die Zuordnung einzelner Sprachen zu gewissen Rhythmustypen sind zahlreich (um nur wenige zu nennen: Abercrombie 1967; Auer 1993 und 2001; Frota/Vigário 2001; Dufter 2003 und 2004; Szczepaniak 2007, Caro Reina 2019 u. a.), einzelne davon werden w.u. besprochen.
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
tens so wahrgenommen werden. Mit der Isochronie-Problematik ist die Einteilung von Sprachen in verschiedene Rhythmustypen oder -klassen verbunden. Auf Kenneth L. Pikes (21947 [1945], 34–36) Untersuchung zur Intonation des amerikanischen Englisch geht die Unterscheidung zwischen syllable-timed rhythm und stress-timed rhythm zurück; dieser Grundintuition verdankt sich eine bis heute fruchtbare, jedoch keineswegs entschiedene Diskussion des Ob und Wie einer Sprachenklassifikation nach Rhythmustypen. Daneben gibt es das auf die More als subsilbische Einheit des Silbengewichts bezogene Konzept «morenzählender» Sprachen. Bereits Trubetzkoy (1962 [1939], 169–181) teilt Sprachen in «silbenzählende» und «morenzählende» ein; er meint mit Silbenzählung im Unterschied zu Pike die «abstraktere phonologische Eigenschaft von Sprachen [...], keine distinktiven Segmentdauerunterschiede aufzuweisen» (Dufter 2003, 12; cf. auch Auer 2001, 1393–1394). Das Postulat einer grundlegenden Unterteilung von Sprachen in silben- und akzentzählende und die damit verbundene Isochronie-Hypothese ist – weniger in der ursprünglichen Formulierung von Pike (21947 [1945]), einer informellen «wahrnehmungsbasierten Beschreibung divergierender Rhythmustendenzen» (so etwa bei Krefeld 2001 als sinnvolle erste Annäherung gewertet), als vielmehr in der «sog. ‹›starken‹› Version» (Szczepaniak 2007, 9) des britischen Phonetikers Abercrombie (1967) – immer noch Gegenstand kontroverser Debatten. Die kanonisch gewordene, inzwischen umstrittene Zweiteilung stellt Abercrombie (1967, 96–97) so dar: As far as is known, every language in the world is spoken with one kind of rhythm or with the other. In the one kind, known as a syllable-timed rhythm [...] the syllables, recur at equal intervals of time – they are isochronous. [...] In the other kind, known as a stresstimed rhythm, the periodic recurrence is supplied by the stress-producing process: the stress-pulses, and hence the stressed syllables, are isochronous. [...]
Gemäß der traditionellen Einteilung haben in silbenzählenden Sprachen wie Französisch oder Italienisch betonte wie unbetonte Silben in etwa gleiche Dauer, in akzentzählenden Sprachen wie Deutsch oder Englisch tendieren die Intervalle zwischen betonten Silben zur Isochronie, während die Silbendauer zwischen betonten und unbetonten Silben variieren kann. Für das Englische illustriert das ein Beispiel aus Quirk et al. (51987, 1588): [...] as a language with a tendency for ‹stress-timed› rhythm, English often shows an identity of rhythm in sentences like the following, provided that the number of syllables does not vary too widely: ˈJohn is ˈhere ˈnow. ˈJohn is at ˈhome to ˈnight. The proˈfessor is in ˈLondon this ˈevening.
Die in ihrer ursprünglichen Fassung sehr alte Isochronie-Hypothese (cf. die Idee einer festen Taktabfolge aus isochronen Zeitintervallen als Bezugsgröße rhythmi-
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
183
scher Organisation bei Joshua Steele 1971 [1775]; cf. Couper-Kuhlen 1993, 6) ist seit langem umstritten und experimentalphonetisch wohl nicht schlüssig beweisbar. Eine zumindest perzeptiv ansatzweise vorhandene Isochronie erscheint zwar plausibel, wie Pompino-Marschall (1990) und Couper-Kuhlen (1993) insbesondere für das Englische überzeugend darlegen, doch scheint dieser Tendenz keine abschließende Begründung für rhythmische Unterschiede zwischen Sprachen zu entnehmen zu sein. So finden die schon lange diskutierten rhythmischen Eigenschaften einzelner Sprachen wie auch umfassendere typologische Klassifikationsvorschläge in den letzten Jahren und aktuell weiterhin starke Beachtung in theoretisch und empirischphonetisch ausgerichteter Forschung. Für die hier interessierenden romanischen Sprachen im einzelnen sei nur auf wenige grundlegende Beiträge verwiesen. Die Verhältnisse im Italienischen erläutern z. B. Bertinetto/Magno Caldognetto (1993),240 einen ersten Überblick zum Französischen bieten z. B. Lacheret-Dujour/Beaugendre (1999, 33–47), zum Katalanischen Carrió i Font/Ríos Mestre (1991) und Recasens (1991), zum Spanischen Dauer (1983) sowie zum europäischen und brasilianischen Portugiesisch Frota/Vigário (2001). Akustische Parameter für die Rhythmuswahrnehmung wie Vokaldauer, Kompression, Kontrolle, Kompensation, die hier nicht ausgeführt werden können, versuchen Metriken zu erfassen, wie sie in den letzten Jahren z. B. Ramus/Nespor/Mehler (1999), Grabe/Low (2002), Dellwo (2003; 2008) und Bertinetto/Bertini (2008) entworfen haben (cf. den Überblick dieser Ansätze bei Payne 2021). Schiering (2007) exploriert phonologische Parameter von Rhythmusklassen in einem typologischen Überblick von zwanzig Sprachen aus sehr unterschiedlichen Sprachfamilien. Neben akzent- und segmentabhängigen Parametern spielt dabei die mögliche Silbenkomplexität (cf. die bereits zitierte Grobgliederung von Maddieson 2013) eine wichtige Rolle bei der Unterteilung von Klassen sprachrhythmischer Typen. Der Frage der «sprachrhythmischen Konturbildung» (Dufter 2003) bzw. der Zugehörigkeit zu einem Rhythmustyp von sog. exotischen wie auch romanischen und germanischen Sprachen widmen sich mehr oder weniger detailliert und teils einzelsprachenbezogen v. a. Donegan/ Stampe (1983), Dauer (1983), Mayerthaler (1982), Dufter (2003, 2004) sowie die Arbeiten von Auer (1993; 2001) und im Anschluss an dessen Modell Szczepaniak zum Deutschen (2007 und 2014; cf. auch die Besprechung von Schiering 2009), deren recht ausdifferenzierte Parametrisierung weiter unten ausführlicher zur Sprache kommt. Eine Sammlung von Arbeiten in einzelsprachlicher und übergreifender Silben- vs. Wortsprachen-Perspektive bieten Caro Reina/Szczepaniak (2014). Sprachvergleichend (katalanische vs. schwäbisch-alemannische Varietäten) arbeitet Caro Reinas Monographie (2019).
Dazu auch Rabanus (2001, 13–15).
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Nachfolgend werden für die Problematik wesentliche Ansätze kurz vorgestellt: Dauer (1983) vergleicht Daten aus flüssig vorgelesenen Texten (kontrastiv Englisch, Thai, Spanisch, Italienisch, Griechisch), wobei ihre Bemerkungen zur Silbenstruktur mit statistischer Aufstellung der häufigsten Silbentypen von besonderem Interesse sind (1983, 55–58). Die Autorin schlägt als zentrales Kriterium einer Rhythmustypologie eine Tendenz zur Akzentbasiertheit vor, um den mit dem Terminus syllable-timing verbundenen Schwierigkeiten zu entgehen: «Languages can be compared to each other along the dimension of having a more or less stressbased rhythm» (59–60) und veranschaulicht dies in einer Grafik (Abb. 4.3):
Abb. 4.3: Akzentbasierte Rhythmustypologie (Dauer 1983, 60).
Dauer führt in ihrer Grafik immerhin drei romanische Sprachen (Französisch, Spanisch und Portugiesisch)241 auf, von denen Französisch demnach die schwächste, Portugiesisch die stärkste Ausrichtung des Rhythmus am Akzent hätte. Sie geht jedoch von einer rein phonetische Tatsachen übersteigenden Differenzierung der Rhythmustypen aus, wobei sie als Extrempunkte Englisch und Spanisch einander gegenüberstellt (1983, 55): «[T]he rhythmic differences we feel to exist between languages such as English and Spanish are more a result of phonological, phonetic, lexical and syntactic facts about that language than any attempt on the part of the speaker to equalize interstress or intersyllable intervals». Trotz einer gewissen perzeptiven Relevanz der Isochronie (die fragliche Tendenz der Sprecher «to equalize interstress or intersyllable intervals»), wie sie Pompino-Marschall (1990) und Couper-Kuhlen (1993) nahelegen, müssen also weitere Faktoren in eine Typologie einfließen. Dufter (2003; auch 2004) unterzieht in seiner theoretischen Studie das Konzept eines silbenzählenden Rhythmustyps grundsätzlicher Kritik und schlägt vier Rhythmustypen vor: a) morenbasierter Rhythmus (als Beispiel nennt er Japanisch), b) prominenzbasierter Rhythmus (z. B. Englisch, Deutsch), c) phrasenbasierter Rhythmus (Französisch), d) alternierender Rhythmus (Italienisch, Spanisch). Zu den gängigen Kriterienkatalogen einer Typologie des Sprachrhythmus liefern Auer/Uhmann (1988) und Auer (2001) einen wertvollen Überblick. Wichtige Eigenschaften prototypisch «silbenzählender» und prototypisch «akzentzählender» Sprachen stellt ein erster tabellarischer Kriterienkatalog (Tab. 4.4) in Auer/Uhmann
Diese weichen also von den in ihrer eigenen Studie untersuchten Sprachen ab.
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
185
(1988, 253), der bereits Kerneigenschaften der von Auer (1993) entworfenen Typologie in sich trägt, einander gegenüber: Tab. 4.4: Rhythmustypen (aus Auer/Uhmann 1988, 253). prototypische «silbenzählende» Sprachen
prototypische «akzentzählende» Sprachen
überwiegend CV-Silbenstruktur
verschiedene, teils komplexe Silbenstrukturen
keine Unterschiede in der Struktur betonter und unbetonter Silben
schwere vs. leichte Silben = betonte vs. unbetonte Silben
konstante, gut definierte Silbengrenze, Geminaten
tempoabhängig variable, schlecht definierte Silbengrenzen (Ambisilbizität), Schwächung ambisilbischer Konsonanten und Geminatenreduktion
Vokalsystem stabil, Vokalharmonie möglich
Vokalsystem im Nebenakzent reduziert, keine Vokalharmonie möglich
Vokalausfall zur Optimierung der Silbenstruktur
Vokalausfall aus akzentuellen Gründen
Akzent wenig grammatisch distinktiv, Wortakzent fehlt teils
Akzent grammatisch distinktiv, komplexe Akzentregeln, Euphonieregeln
Iktus- und Akzentposition: kodachron («trailer-timing»)
Iktus- und Akzentposition: kapochron («leader-timing»)
Das fünfte Kriterium, «Akzent wenig grammatisch distinktiv, Wortakzent fehlt teils», erscheint dabei für (tendenziell) silbenzählende Sprachen wie Spanisch (cf. Dauer 1983), Katalanisch (weniger als Spanisch, cf. Carrió i Font/Ríos Mestre 1991; Recasens 1991; Caro Reina 2014, 2019) oder Italienisch (cf. Bertinetto 1977) eher zweifelhaft und möglicherweise zu stark an den Verhältnissen des Französischen orientiert. Denn einerseits ist der Akzent in diesen Sprachen distinktiv und andererseits ist das Vorliegen des Wortakzents außer für einige Synsemantika die Regel. Die problematische Einstufung des Französischen als nachgerade prototypisch silbenzählende Sprache in weiten Teilen der Literatur zur Rhythmustypologie diskutiert und kritisiert zu Recht Dufter (2004). Vieles spricht aber für eine von der Silbe als zentraler Bezugsgröße ausgehende Rhythmusdefinition, die im obengenannten Katalog in den ersten drei Kriterien zur Komplexität, Akzentabhängigkeit und Grenzmarkierung von Silbenstrukturen zum Ausdruck kommt. Dass diese jedoch nicht die einzige «universale prosodische Hauptkategorie» sein muss, gibt Auer (1994) zu bedenken, der die Bedeutung der Domäne Wort in manchen Sprachen herausarbeitet.
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Das Typologiemodell Silbensprache vs. Wortsprache von Auer (1993; 2001; cf. auch Silben- vs. Wortrhythmus bei Donegan/Stampe 1983 und die oben erläuterte akzentbasierte Typologie bei Dauer 1983) erweist sich für die rhythmische Einordnung von Sprachen insofern als fruchtbar, als es vom Normalfall gemischter Typen ausgeht. Es setzt zwei gegensätzliche Prototypen, Silben- und Wortsprache, als Extrempole in einem Kontinuum an, zwischen denen Sprachen jeweils eingeordnet werden können: «[Auer] distanziert sich von der dichtomistischen Grundidee der Isochroniehypothese und schlägt stattdessen ein Modell vor, in dem Sprachen auf einem Kontinuum zwischen zwei Prototypen, der Silben- und der Wortsprache, individuell situiert werden» (Szczepaniak 2007, 27). In ihrer Arbeit über den «phonologisch-typologische[n] Wandel des Deutschen von einer Wortzu einer Silbensprache» fasst Sczepaniak ausführlich alle wichtigen Parameter einer Typologie von Silben- und Wortsprachen zu einer Übersichtstabelle zusammen (Abb. 4.4). In knappen Zügen kann man das Modell auf folgende Kernaussagen reduzieren: Silbensprachen profilieren durch eine Vielzahl von Verfahren die phonologische Silbe, deren Struktur tendenziell verbessert wird; es herrschen wenig komplexe Silbenschalen vor; der Vokalismus ist unter Haupt- und Nebentonbedingungen einheitlich; die Silbe fungiert als Bezugsdomäne phonologischer und phonetischer Prozesse, etwa von Vokalepenthesen; prototypische Silbensprachen charakterisiert ein nicht oder eher schwach realisierter Wortakzent. Wortsprachen tendieren dagegen zur Profilierung und Optimierung des phonologischen Wortes und tolerieren hohe silbische Komplexität durch Vokaltilgung und Entstehung von Konsonantenclustern; ihr Vokalismus zeigt in Nebentonsilben phonemische (bei komplexerem Haupttonvokalsystem) oder phonetische, durch Vokalzentralisierung geprägte Reduktion; phonologische und phonetische Prozesse funktionieren hier wortbezogen (cf. auch Auer 1994) und dienen etwa der Stabilisierung von Wortgrenzen; sie weisen einen deutlich realisierten, dynamischen Wortakzent auf. In der Gegenüberstellung Silbensprache vs. Wortsprache – wie auch ex negativo in Dauers (1983; 1987) Rhythmustypologiemodell nach dem Grad der Akzentbasiertheit von Sprachen – wäre das Spanische als recht typischer Vertreter einer Silbensprache anzusehen. Dies gilt jedenfalls für die Kriterien Silbenstruktur: geringe Komplexität etc.; Vokalismus: einheitlicher Haupt- und Nebentonvokalismus; phonetische und phonologische Prozesse: silbenbezogen, Tendenz zur Optimierung, ersichtlich z. B. an ausgeprägten Resilbifizierungserscheinungen über Morphem- und Wortgrenzen hinweg; die Silbenstruktur ist hier demnach stärker profiliert als das phonologische Wort. Weniger trifft die Zuordnung z. B. auf die akzentbezogenen Parameter zu, denn das Spanische besitzt einen (in Maßen) dynamischen Wortakzent (mit Oxytona, Paroxytona, Proparoxytona und Proproparoxytona), der auch phonologisch distinktiv sein kann (cf. spanische Verbformen
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
Bezugsdomäne Silbenstruktur Komplexität der Silbenstruktur Komplexität der Silbenkoda
phonologische Silbe
phonologisches Wort
niedrige Komplexitat
hohe Komplexität
geringe Komplexität der Silbencoda
hohe Komplexität der Silbenkoda extrasilbische Elemente Vernetzung der Sonoritätsskala Komplexitätsunterschiede zwischen akzentuierten und nicht akzentuierten Silben erhöhte Komplexität der Silbenschale in betonter Silbe
Sonoritätsablauf innerhalb der Silbe Abhängigkeit der Silbenstruktur von der Wortposition Auswirkungen eines erhöhen Sprechentempos Vokalismus in den Haupt-und Nebensilben
Befolgung der Sonoritätsskala keine bzw. nur schwach ausgeprägte Abhängigkeit Onsetmaximierung
einheitliches Vokalsystem
Phonemische Reduktion in Nebensilben (komplexeres Hauptsilbenvokalsystem) oder phonetische Reduktion in Nebensilben (Vokalzentralisierung)
Phonologische und phonetische Prozesse
silbenbezogen
wortbezogen
Tendenz zur Silbenoptimierung Verbesserung der Silbenstruktur Vokalepenthese
Tendenz zur Wortoptimierung Entstehung von Konsonanten Vokaltilgung in unbetonten Silben Konsonantenassimilitation
Resilbifizierung über morphologische und syntaktische Grenzen hinweg Satzsandhi = Wortsandhi
Simplifizierung der Konsonantencluser im Wortinne-ren
Inventar
Geminaten
ambisilbischen Konsonanten
Wortakzent
kein oder schwach realisierter Wortakzent Phrasenakzent oder musikalischer Akzent Vokalharmonie
deutlich realisierter, dynamischer Wortakzent
Distanzassimilation
keine Vokalharmonie
Abb. 4.4: Typologische Parameter von Silben- vs. Wortsprachen (aus: Szczepaniak 2007, 52–53).
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4 Ein horizontales Ordnungsmodell: Zentrum und Peripherie
Quantität
Silbensprache silbenbezogene Gewichtsopposition vokalische und konsonantische Längenopposition in allen Silben quantitierende phonologische Füße Silbe als Konstruktionsdomäne der More
Wortsprache akzentbezogene Gewichtsopposition vokalische und konsonantische Längenopposition nur unter Akzent Silbenzählende phonologische Füße phonologischer Fuß oder phonologisches Wort als Kontruktionsdomäne der More
Abb. 4.4 (fortgesetzt)
wie canto vs. cantó). Für den katalanischen Dialektraum nimmt Caro Reina (2014, 2019) auf der Basis der genannten Parameter eine Binnenverteilung an (Abb. 4.5), die ein rhythmustypologisches Kontinuum erkennen lässt vom tendenziell «wortsprachlichen» Zentralkatalanisch mit seinem Neutralvokalen und insgesamt stark reduziertem Nebentonvokalismus (3 Vokale vs. 7 mögliche Tonvokale) und komplexen Silbentypen bis zum Valencianischen mit einem weniger stark kontrastierenden Neben- und Haupttonvokalismus, dessen Rhythmuszuordnung hier eher dem «silbensprachlichen» Spanisch entspricht.
Abb. 4.5: Rhythmustypologisches Kontinuum Spanisch―Zentralkatalanisch (Silben- vs. Wortsprachen; cf. Caro Reina 2014; 2019, 177 u. 244).
Eine solche Darstellung lässt sich auf die europäische Romania übertragen, wobei hier vorrangig silbenkomplexitätsbezogene Parameter berücksichtigt sind, während andere Parameter weiterer Untersuchung bedürfen (cf. das Spektrum von Ansätzen bei Caro Reina, Heinz, Reich/Rohrmeier und Schmid im Band von Caro Reina/Szczepaniak 2014). Sofern man bei der zwangsläufig vereinfachenden Bipolarität eines typologischen Kontinuums zwischen Silben- und Wortprofilierung bleibt, können die Sprachen auf einer horizontalen Skala angeordnet werden. Dass im Ergebnis eher eine Typeneinstufung zwischen den Extrempolen steht, sieht Auers Klassifikationsvorschlag wie schon erwähnt explizit vor und stellt damit einerseits einen Fortschritt gegenüber strikten Zweier- (silben- vs. akzentzählend) oder
4.4 Synchronie–Diachronie: Variation und Sprachwandel
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Dreier-Zuordnungen (silben-, akzent-, morenbasierter Rhythmus) dar, bedeutet aber auch den Verzicht auf eine Rhythmusvorstellung, die von der recht klaren Zuordnung einzelner Sprachen zu einem oder sehr wenigen durchgehend salienten Parametern der lautlichen Organisation ausgeht (als identifizierbarem Korrelat der «Lautgestalt», des «Klanges», «Sounds» o. ä. bestimmter Sprachen). Abb. 4.6 gibt somit für die sechs romanischen Standardsprachen ein Spektrum wieder, zu dessen linkem Rand relativ klar silbensprachlich (im Sinne der angesetzten Kriterien) geprägte Systeme tendieren, während die Zuordnung zum wortsprachlichen Pol bei den romanischen Sprachen weniger klar ist.
Abb. 4.6: Rhythmustypologisches Kontinuum romanischer Standardsprachen (cf. auch Caro Reina 2014; 2019, 317).
Caro Reina (2019, 414) kommt für das von ihm detailliert untersuchte Zentralkatalanische und Schwäbische (sowie Portugiesisch und weitere Sprachen) zu dem Schluss, diese einem spezifischen Typ 1 von Wortsprache zuzuordnen, für den Akzentsensitivität (mögliche Reduktion unbetonter Vokale, Dehnung und Diphthongierung betonter Vokale) und komplexe Silbenstruktur in betonter Silbe wie auch an den Rändern des phonologischen Wortes kennzeichnend sind, hierzu gehören «stress-sensitive word languages such as Central Catalan, English, Friulian, Palauan, Portuguese, and Swabian, which have complex syllable structure in stressed syllables and at word and morpheme boundaries as well as stress-related restrictions resulting from unstressed vowel reduction (centralization, vowel shortening, etc.) and stressed vowel enlargement (diphthongization, vowel lengthening, etc.)».242
Typ 2 und 3 einer Wortsprache weisen insbesondere von Vokalharmonie geprägte Wortformen bzw. distributionssensitive Wörter auf, hierfür gibt Caro Reina (2019, 414) einige nichtindoeuropäische Sprachen wie Türkisch und die mixtekische Sprache Itunyoso Trique an. Ein möglicher Kritikpunkt an dem Modell ergibt sich zunächst aus den Kriterien für den wortsprachlichen Typ, die ursprünglich an germanischen Sprachen, insbesondere dem Deutschen,
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Wie auf das Spanische treffen auf Italienisch dagegen viele silbensprachliche Kriterien zu. Ebenso sind wesentliche Merkmale (z. B. der stark reduzierte Nebentonvokalismus und die hohe Komplexität der Silbentypen) des Katalanischen auch beim EP zu finden. Die Zuordnung des Französischen ist mit der des Rumänischen, das jedoch alles in allem in einigen Parametern deutlicher den auch im Katalanischen und Portugiesischen vorhandenen wortsprachlichen Tendenzen folgt, am unklarsten. Angesichts der auch sonst vielfach auffälligen Sonderstellung des dezidiert «progressiven» Französisch in der Romania (cf. z. B. Koch 22008), überrascht dieser Befund zunächst wenig.243 Zwei Eigenschaften des Französischen sind dafür insbesondere verantwortlich: zum einen seine Akzentverhältnisse, genauer der feste oxytone Wortgruppenakzent, der mitunter zur Einstufung des Französischen als «langue sans accent» geführt hat (cf. Meisenburg/Selig 1998, 148–160; Koch 22008, 43), die Identifizierung der Einheit des phonologischen Wortes nicht ermöglicht und es zusammen mit dem enchaînement (Resyllabierung über Wort- und Morphemgrenzen) zum silbensprachlichen Prototyp machen müsste; zum zweiten sein bereits (3.7.2 und 4.2.3) behandeltes unterschiedliches silbentypologisches Verhalten unter Allegro- und Lento-Bedingungen, das in Allegrorealisierungen einige wortsprachliche Kriterien erfüllt. Das für einige Sprachen durchaus akkurate typologische Aufschlüsse liefernde Modell kommt im Fall des Französischen an seine Grenzen, wobei eine hier nicht mögliche Detailbetrachtung aller Parameter möglicherweise ein differenzierteres (wenn auch typologisch nicht unbedingt trennschärferes) Bild ergäbe. Die vorangehenden Überlegungen haben gezeigt, dass neben anderen prosodischen Parametern die Silbenstruktur und deren Typologie eine maßgebliche Bezugsgröße für die rhythmische Klassifikation von Sprachen ist, was auch der Grund für die Einbeziehung des weiten und überaus facettenreichen Themenkomplexes Sprachrhythmus in einer Untersuchung zur Silbentypologie ist. Der noch recht neue Beschreibungsansatz Silben- vs. Wortrhythmus wurde hier eingehender diskutiert, er scheint bei unübersehbaren Grenzen Potential für eine rhythmustypologische Verortung der romanischen Sprachen zu bieten. Legt man dieses Konzept eines silbenbasierten und eines entgegengesetzten wortbasierten Rhythmusprototyps zugrunde, stellt sich der Zusammenhang zwischen Rhythmustyp, Silbenkomplexität und Zentrum vs. Peripherie des Systems so dar: Im
modelliert wurden, dieses entfaltet jedoch zunehmend typologische Fruchtbarkeit, wie die Breite der in dieser Sicht untersuchten Sprachen zeigt. Gleichwohl galt lange Französisch geradezu als Prototyp silbenzählender Sprachen (die mit «Silbensprachen» im Sinne Auers grundlegende definitorische Merkmale teilen); cf. z. B. Abercrombie (1967); in ihrer breiten Metaübersicht der Ansätze zu romanischen Sprachen so auch Payne (2021).
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wortsprachlichen Rhythmus sind u. a. komplexe Silbentypen charakteristisch und gehören zum Systemzentrum (aus universellem Kern und einzelsprachlichem Kernbereich), im silbensprachlichen Typ sind komplexe Silben zwar möglich, gehören jedoch zur Peripherie. Am deutlichsten manifestiert sich dieser Typus unter den romanischen Sprachen im Spanischen. Zur noch allgemeineren Frage nach der zentralen oder peripheren Stellung der rhythmustypologischen Prägung von Sprachen kann die Hypothese formuliert werden, dass in Silbensprachen mit charakteristisch begrenzterem Silbentypinventar und rigiderem Silbenrahmen (template) die für die rhythmische «Konturbildung» (Dufter 2003) verantwortlichen Prozesse relativ zentral im phonologischen System zu verorten sind. In Wortsprachen mit charakteristisch größerer Toleranz für komplexe Silbentypen und u. a. durch Vokaltilgungen variablerer Silbenschale wäre die Rhythmuscharakteristik eher in der phonologisch-phonetischen Peripherie zu verorten, was die ausgeprägten Divergenzen zwischen beiden Prototypen ein Stück nachvollziehbarer macht. Zugespitzt könnte man sagen, Wortsprachen stellten anders als Silbensprachen gar keinen oder nur sekundär einen Rhythmustyp dar, obwohl es sich dabei um einen Prototyp prosodischer Organisation handelt – etwa so wie sich die Unterscheidung zwischen Intonations- und Tonsprachen zwar auf den Tonhöhenverlauf als gemeinsames auditives Korrelat bezieht, jedoch eine radikal verschiedene Funktionalisierung dieses Parameters meint.
5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen Nachdem in Kap. 3 Möglichkeiten und Grenzen herkömmlicher Ansätze der Silbentypologie diskutiert und in Kap. 4 ein Modell entworfen wurde, das Silbentypen in einzelsprachliche Zentrum-Peripherie-Konstellationen einordnet, folgen in diesem Kapitel empirische Befunde zum kontaktinduzierten Vorkommen komplexer Silbentypen in romanischen Sprachen. Als Folge von Sprachkontakt finden sich diese Silbenstrukturen im Lehnwortschatz. Im Sinne der im vorhergehenden Kapitel entwickelten Zentrum-Peripherie-Perspektive ist der Ort des Kontakts zwischen Sprachen die Systemperipherie, jener Bereich, der mit Chomskys Worten «a periphery of borrowings, historical residues, inventions» (1981, 7) darstellt. «Borrowings», Entlehnungen,244 auch und gerade solche gelehrten Ursprungs können maßgeblich zu lautlichen Innovationen führen, indem neue Laute oder Lautkombinationen in das Inventar der Empfängersprache eingebracht werden (cf. u. a. Hinskens 1998, 183–184).245 Das gilt naturgemäß stärker für sog. ear-loans, Lehnformen aufgrund der Wahrnehmung von phonischen Mustern der Spendersprache, als für eye-loans auf der Basis graphischer Formen. Die sprachlichen Innovationen sind durch neuen (meist zunächst fachsprachlich-technischen) Bezeichnungsbedarf motiviert oder treten als «Luxuslehnwörter» bzw. Modeentlehnungen an die Seite bereits vorhandener Bezeichnungen.246 Die Übernahme fremder Lautkombinationen hat vielfach Konsequenzen auf der Silbenebene. Wie schon ab Kap. 3.2 festgestellt, neigen die romanischen Sprachen zu
Eine makrotypologische Sicht auf die Bedeutung von Lehnwortgut aus 369 Gebersprachen (darunter neben Latein und, als eigene Varietät aufgeführt, Spätlatein, die romanischen Sprachen Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch, Rumänisch, teils mit weiteren Varietätenausdifferenzierungen) in 41 Empfängersprachen (darunter als einzige romanische Sprache Rumänisch) bietet die Lehnwortdatenbank von Haspelmath/Tadmor (2009; http://wold.clld.org), die sich allerdings auf Lehnwörter im Bereich eines Kernwortschatzes von 1460 Bedeutungen beschränkt. Das bereits in Kap. 4.3 erwähnte Prinzip der sog. lexikalischen Diffusion führt dazu, dass sich sprachliche Neuerungen zunächst in einzelnen Wortschatzeinheiten verbreiten (cf. Wang 1969; Labov 1981). Cf. u. a. Tagliavini (21972, 273). Die nicht ganz trennscharfe, oft mit puristischen Untertönen wertend gebrauchte Unterscheidung von Bedarfs- vs. Luxusentlehnungen, welche eine gewisse Überflüssigkeit letzterer impliziert, geht auf Hermann Paul und Ernst Tappolet zurück, cf. Winter-Froemel (2017, 24–29), welche die terminologische Unterscheidung ‹katachrestische› vs. ‹nichtkatachrestische› Entlehnungen präferiert; erstere führen einen neuen Ausdruck und ein neues Konzept in eine Sprache ein, letztere nur einen neuen, zusätzlichen Ausdruck. https://doi.org/10.1515/9783110648423-006
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5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
offenen Silben, insbesondere der CV-Typus überwiegt bei weitem, hingegen werden komplexe Strukturen tendenziell abgebaut. Wie die anschließenden exemplarischen – qualitativen und teils quantitativen – Analysen zu speziellen Bereichen der lehnwortphonologischen Problematik in mehreren romanischen Sprachen zeigen werden, weisen jedoch auch komplexe Silben eine eigene Dynamik auf. In kurzen Fallstudien werden nachfolgend Phänomene an der Schnittstelle zwischen Lehnwortschatz und Silbenstruktur in den Abschnitten 5.1–5.3 exemplifiziert. Der überaus umfangreiche Themenkomplex der Entlehnung (im Lexikon und in anderen Bereichen des Sprachsystems, im Zusammenhang mit allgemeineren Fragen von Sprachkontakt und Interferenz, in semasiologischer und onomasiologischer Sicht etc.) kann dabei nur in jenen Aspekten skizziert werden, die für die silbentypologische Fragestellung funktional sind.
5.1 Gelehrte Entlehnungen und komplexe Silbentypen in romanischen Kultursprachen Ein Zusammenhang zwischen der Existenz von Entlehnungen gelehrten Ursprungs im Lexikon (in den romanischen Sprachen vielfach eigens bezeichnet als cultismos, mots savants o. ä.)247 und dem Vorkommen komplexer Silbentypen ist in den meisten romanischen Sprachen ersichtlich. Wie gerade die romanischen Kultursprachen248 Französisch, Italienisch, Katalanisch, Spanisch, Portugiesisch sowie auch Rumänisch in unterschiedlicher Weise zeigen, liegt die raison d’être – oder der Grund ihres Persistierens entgegen den Trends zur Strukturvereinfachung – der komplexesten Silbentypen oft in ihrem Auftreten in solchen Kultismen. Aus der Sicht des Sprachkontakts bedeutet dies, dass lexikalische Entlehnungen als «Transportmittel» für den Import systemfremder silbenphonologischer Strukturen fungieren können. Auffällig ist in vielen romanischen Sprachen das Nebeneinan-
Cf. Stefenelli (1992, 199–218), der auch eine Auswahl von gelehrten romanischen Entlehnungen (Latinismen) aufführt (292–306); lexikographisch sind Entlehnungen aus dem lateinischen Wortschatz in die romanischen Sprachen von Reinheimer Rîpeanu (2004) erfasst. Unter dieser allgemeinen Bezeichnung werden hier Sprachen mit hohem Ausbaugrad, erfolgreicher und konsolidierter Standardisierung sowie kultureller Bedeutung und über die jeweilige Sprachgemeinschaft hinausgehender Ausstrahlung zusammengefasst (das letzte Kriterium gilt für das Rumänische nur in bedingtem Maße), cf. auch die Definition von «Hochsprache» in Ehlich/Ossner/Stammerjohann (2001, 16). Die früheste romanische Kultursprache Okzitanisch, die diesen Status in ihren verbliebenen Domänen seit langem nicht mehr besitzt, ist hier nicht berücksichtigt.
5.1 Gelehrte Entlehnungen und komplexe Silbentypen in romanischen Kultursprachen
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der von lexikalischen Dubletten (zumeist wie hier mit semantischer Ausdifferenzierung) wie (98) lat. MINISTERIU > erbwörtl. fr. métier, it. mestiere, sp. mester vs. lehnwörtl. ministère, ministero, ministerio mit Doppelformen der Wortbildung aus einer gelehrten und einer lautlich stärker angepassten Form. Im obengenannten Beispiel hat die Lautentwicklung in der erbwörtlichen Form durch die charakteristische Synkope eines Vortonvokals und Reduzierung der entstehenden Konsonantengruppen jeweils zur Reduzierung der Gesamtsilbenzahl geführt, wobei die gelehrte Form durch Erhaltung aller Vokale des lateinischen Ausgangworts allerdings keine ausgeprägt komplexen Silben enthält. In Paaren (cf. Lüdtke 2005) wie: (99)
sp. tras/trans
(100) sp. -azon/-ación weist die zweite, später unter gelehrtem Einfluss eingeführte Form jeweils eine höhere silbische Komplexität auf. Für die diachrone Wortschatzschichtung der romanischen Sprachen ist es wichtig zu unterscheiden zwischen a. Erbwörtern, Wortschatzelementen, die direkt aus dem Lateinischen tradiert und systematischen Entwicklungen wie Lautassimilationen, -vereinfachungen und -schwund ununterbrochen unterworfen sind, b. Kultismen, Entlehnungen gelehrten Ursprungs, die in ihrer Form i. d. R. sehr nah an den zugrundeliegenden Etyma bleiben, und c. Semikultismen, den sog. halbgelehrten Formen, welche gegenüber dem erstgenannten Typus in gewissem Maße durch generelle lautliche Entwicklungstendenzen der jeweiligen Sprache beeinflusst sind, die regelmäßigen Lautwandelprozesse vom Latein zu den romanischen Sprachen jedoch nicht vollständig durchlaufen haben. Diese Unterscheidung lexikalischer Schichten manifestiert sich in einem divergierenden Grad an lautlich-graphischer Integration in das System der Empfängersprache. In ihrem Überblick zu den cultismos in der spanischen Lexik veranschaulicht García Gallarín (2007, 49) diese drei Worttypen der diachronen Lexikologie anhand einer selten so vollständig belegbaren Formenreihe (101a–c), die für zwei lateinische Etyma in Belegen verschiedener Epochen jeweils die erbwörtliche, gelehrte und halbgelehrte Entwicklung aufführt:
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5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
(101) MAGNIFICU(M), SIGNIFICARE > sp. (101a) mañifico, siñificar (101b) magnífico, significar (101c) manífico, sinificar Die jeweils auf den lateinischen Etyma MAGNIFICU(M) und SIGNIFICARE beruhenden Belege können dementsprechend a. affiziert sein von einzelsprachlichen Lautentwicklungprozessen (lat. GN > sp. /ɲ/), woraus erbwörtliche Formen wie mañifico (101a) mit der regelmäßigen Entwicklung vom bikonsonantischen Nexus des Lateinischen zum palatalen Nasal des spanischen Systems resultieren, b. als gelehrte Entlehnungen (cultismos) mit weitgehender Beibehaltung der lateinischen Lautsubstanz (d. h. wie in 101b mit Erhalt des charakteristischen Nexus gn) vorkommen oder c. als semicultismos in geringfügig assimilierter Form (wie in 101c mit Vereinfachung des lateinischen Nexus durch regressive Assimilation). Die halbgelehrten Bildungen oder Semikultismen repräsentieren in der Wortschatzsystematik einen Bereich zwischen Zentrum und Peripherie, komplexe Nexus (gn) aus Kultismen (Peripherie) sind hier vereinfacht,249 palatale Phoneme (lat. GN > sp. ɲ), wie sie zum Zentrum des spanischen Lautsystems gehören, dagegen erbwörtlich realisiert. Bei der Untersuchung gelehrter Entlehnungen stellt sich außerdem oft das Problem einer großen Zahl von Varianten, wie die in einer Vielzahl an graphischen Varianten in altspanischen Texten bezeugten Nachfolger von lat. CALUMNIA mit unterschiedlichen Graden von Silbenkomplexität zeigen (cf. García Gallarín 2007, 51):250 (102) lat. CALUMNIA > altsp. calonia, callumpnia, calopnia, calumnia, calumpnia, kalonnia, kalunnia Die (auch neusp.) Form calumnia spiegelt als – obgleich sehr frühe (cf. Reinheimer Rîpeanu 2004, s.v.) – Entlehnung die ursprüngliche lateinische Struktur. Komplexere Konsonantengruppen finden sich zudem oft in latinisierenden Bildungen zu einem Erbwort, die als gelehrte Entlehnungen in jüngeren Sprachstadien eingeführt wurden, z. B. Relationsadjektive wie sp. und pt. pluvial (zum Nomen sp. lluvia [ˈʎuβia] bzw. pt. chuva [ˈʃuvɐ]), deverbale Nomina wie fr. démonstration (zum Verb montrer) u. ä.
Das – zumindest in der Graphie offensichtliche – Fehlen palatalisierter Laute ist für diese halbgelehrten Formen charakteristisch, wie García Gallarín (2007, 49) feststellt: «[L]os fonemas palatales resultan incompatibles con los semicultismos, o al menos no se han encontrado grafías que los representen». García Gallarín (2007, 51–57) zählt Lautwandelprozesse auf, die in den jeweils überlieferten Formen der Kultismen bezeugt sind, cf. auch Penny (2004).
5.1 Gelehrte Entlehnungen und komplexe Silbentypen in romanischen Kultursprachen
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Die romanischen Sprachen weisen unterschiedliche Ausprägungen des Gegensatzes Erbwörter/tendenziell einfache Silbentypen vs. Kultismen/tendenziell komplexe Silbentypen auf. Die Verhältnisse im Spanischen sind insgesamt recht klar differenziert zwischen der Tendenz zu einfachen Silben in Erbwörtern und zu komplexeren Strukturen in Kultismen, wie sie neben den bereits erwähnten Beispielen Dubletten des Typs llamar–clamar und ausgeprägter Kultismen wie extracción, adscribir, perspicaz reflektieren. Selten finden sich außerdem phonotaktisch markierte Anlautnexus in griechischen Fachtermini wie tmesis, die ansonsten nur als graphischer Reflex, etwa in psico-, Aussprache [ˈsiko] oder pseudo- [ˈsewðo], existieren. Im Katalanischen weisen einerseits – auch in anderen romanischen Sprachen verbreitete – Dubletten erbwörtlicher und lehnwörtlicher Formen wie rella–regla (< lat. REGULA, s. 1.2.3) und enyorar–ignorar (< lat. IGNORARE) Muster verschiedener Silbenkomplexität auf. Genauer zeigen hier Erbwort und Lehnwort divergente Strategien der Behandlung des aus der Synkope hervorgegangenen Nexus -gl-: (103a) vlat. REG(U)LA > kat. rella (103b) vlat. REG(U)LA > kat. regla Im ersten Fall zeigt sich eine progressive Assimilation und Sonoritätsoptimierung mit dem Ergebnis eines komplexen ambisilbischen Segments /ʎ/, in der lehnwörtlichen Entwicklung regla /regˈglə/ regelhaft mit Gemination des velaren Plosivs, emphatisch auch mit Verhärtung und Gemination des Silbenauslauts, womit in dem C1–C2-Kontakt aus Velar + Lateral eine maximale Sonoritätsopposition mit dissimilierender Funktion hergestellt wird: [rɛkˈklə]. Andererseits sind in der katalanischen Phonotaktik, bedingt durch systeminterne Faktoren, auch weitere komplexe Cluster üblich (z. B. in hochfrequenten Pluralformen mit komplexer Silbencoda wie dem Adjektiv bruscs oder dem Artikel els).251 Im Portugiesischen sind gegenüber der erbwörtlichen Entwicklung in gelehrten Lehnwörtern vielfach McL-Konsonantengruppen (vgl. Formenpaare wie das bereits genannte lat. PLUVIA(M) > pt. chuva vs. lat. PLUVIALE(M) > pt. pluvial) aber auch andere komplexe Silbenstrukuren erhalten (vgl. pt. ab.strac.to, BP ab.strato) restituiert. Jenseits der Lehnwortphonologie ist vor allem im europäischen Portugiesisch auch das systemzentral bedingte Entstehen sehr komplexer Konsonan-
Einen aktuellen Überblick über – hauptsächlich lexikalische – Entlehnungen im Katalanischen liefert Rull (2008; berücksichtigt werden kat. estrangerismes ʻFremdwörter’ bzw. allgemeiner manlleus oder préstecs ʻEntlehnungen’).
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5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
tencluster durch Schwa-Tilgung ausgeprägt (s. o. Kap. 4.5; Kap. 6 kommt darauf zurück). Im Italienischen ist die Scheidung zwischen Erb- und Lehnwörtern nach lautlichen Kriterien allerdings notorisch schwierig. Aufgrund des konservativen Vokalismus und Konsonantismus des über Jahrhunderte hauptsächlich schriftlich in hohen, überaus konservativ-archaisierenden Registern tradierten (Zentral-)Toskanischen, auf dem die Standardsprache beruht, hinterlassen Entlehnungen weniger deutliche Spuren in der phonischen Wortgestalt als in anderen romanischen Sprachen, die Silbenstruktur kann hier jedoch Aufschlüsse geben. Andererseits sind konsonantische Assimilationsprozesse (z. B. lat. NOCTEM > it. notte) vielfach in gelehrten Entlehnungen aktiv (it. astrarre ‘abstrahieren’, elissi ‘Ellipse’ etc.). Der Wortschatz des Rumänischen ist in hohem Maße durch griechische, slawische, türkische, ungarische wie auch jüngere lateinische und romanische (besonders französische) Lehnelemente geprägt.252 Die Wortschatzschichtung unterscheidet sich daher teilweise von der anderer romanischer Sprachen (Entlehnung ist hier bis tief in den Kernwortschatz hinein der Normalfall der Wortherkunft, erbwörtliche Entwicklung aus dem lateinischen dagegen nicht immer). Gelehrte Entlehnungen im Rumänischen zeigen teilweise Konsonantencluster, die unter Einfluss erbwörtlicher Lautentwicklungen stehen: (104a) rum. ştiinţific [ʃt-] < fr. scientifique (beeinflusst vom Erbwort ştie < lat. SCIRE) (104b) rum. abţine [-b.ʦ-] < fr. abstiner (beeinflusst vom Erbwort ţine < lat. TENERE) Als Lehnbildungen können Formen wie (105) rum. abstrage [-b.str-] < fr. abstraire (unter Einfluss der Erbworts trage < lat. TRAHERE) angesehen werden, da hier die Struktur des französischen Semikultismus (gelehrtes abs- kombiniert mit dem erbwörtlichen Verb traire) mit rumänischem Wortmaterial nachgebildet wird. Im Zuge des Ausbaus im kulturellen und technischwissenschaftlichen Wortschatz des Rumänischen kommt es zum massiven Zustrom lateinischer, romanischer und v. a. französischer Lehnwörter (rum. cuvinte împrumutate). Neben den zumeist auf schriftlicher Tradition beruhenden eye Wie sich aus Haspelmath/Tadmor (2009) ergibt, variiert der einzelsprachliche Lexikonanteil an Lehnwörtern stark (z. B. ist das Lexikon einer Romani-Varietät zu 62,7% entlehnt, im Hochchinesischen nur zu 1,2%); unter den europäischen Sprachen kommt Rumänisch mit 41,8% Lehnwörtern im Kernwortschatz noch vor Englisch mit 41%.
5.1 Gelehrte Entlehnungen und komplexe Silbentypen in romanischen Kultursprachen
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loans, die ausgangsprachlich vorhandene komplexe Segmentstrukturen meistens beibehalten (manchmal in morphologischen Dubletten: abstracţie, abstracţiune), finden sich aber gerade im Rumänischen mit seiner sehr hohen GraphemPhonem-Korrespondenz Fälle von ear-loans wie gişe(ul) (< fr. (le) guichet). Das Französische kennt sowohl lehnwörtlich bedingte Silbenkomplexität (cf. das schon erwähnte mot savant fr. strict vs. erbwörtliches étroit aus lat. STRICTU), als auch wie das Portugiesische komplexe, durch Allegro-Sprechweise bedingte Cluster (vgl. bereits erwähnte Beispiele wie Allegro [tla.vy] vs. Lento [ty.la.vy] < tu l’as vu >), die von den phonotaktischen Regeln der Lento-Artikulation abweichen (z. B. der Nexus tl). Im Französischen ist als Besonderheit festzuhalten, dass silbenstrukturelle Komplexität hier gerade an zwei entgegengesetzten Polen des diaphasischen Varietätenspektrums entsteht: lexikalisch bedingte phonotaktische Komplexität kommt in bestimmten Wortschatzeinheiten vor, welche diaphasisch hohe Varietäten kennzeichnen, phonologisch, durch Synkopierungen unakzentuierter Vokale bedingt findet sich dies in Realisierungsmustern diaphasisch niedriger Varietäten. Das Auftreten komplexer Silbentypen in gelehrten Entlehnungen lässt sich für einen Ausschnitt des in wortgeschichtlicher Hinsicht besonders gut dokumentierten französischen253 Lexikons genauer erfassen. Der Anhang (online) enthält die 109 Direktentlehnungen (cf. Taylor 1965) aus dem Lateinischen, die für das Französische erstmals bei dem Übersetzer mittellateinischer Aristoteles-Versionen Nicole Oresme (1323–1382) belegt sind, und führt dabei neben einem philologisch-wortgeschichtlichen Kommentar zu jedem Eintrag die Silbentranskription auf. Die kleine Stichprobe liefert bereits einige interessante Ergebnisse. Zunächst zur Silbenzahl pro Wort: das Gros der Formen sind dreisilbige (47 = 43,1 %) und viersilbige (36 = 33%) Wörter, neben 14 (12,8%) zweisilbigen sind immerhin 11 (10,1%) mit fünf Silben überdurchschnittlich lange Wörter vertreten, die bei den gelehrten Lehnwörtern wiederum erwartbar sind, da bei den direkten Entlehnungen die erbwörtlich typische Schrumpfung des Wortkörpers durch usure phonétique nicht greift (Tab. 5.1). Von Interesse für die Frage der Silbentypologie in diesen gelehrten Entlehnungen ist auch der erhöhte Anteil geschlossener Silben: er beträgt ca. 28%
Zur mittelfranzösischen Epoche cf. die monographische Vertiefung bei Marchello-Nizia (1997) und der nützliche literaturbezogene Überblick von Finoli (2009); zu Oresme und seinem Wortschatzausbau cf. Taylor (1965), Baldinger (1975), summarisch Meissner (1982), Heinz (2003) und zum historisch-terminologischen Befund Brucker (2001) und das Spezialwörterbuch DMF.
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5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
Tab. 5.1: Lat. Direktentlehnungen bei Nicole Oresme: Wortlänge in Silben. Wortlänge
Abs. Anzahl
Rel. Anzahl
einsilbig zweisilbig dreisilbig viersilbig fünfsilbig sechssilbig Σ
− , % , % % , % , % %
(Typen CVC, CGV, CCV, CCVC, CVCC)254 gegenüber nur ca. 20% gemäß der Zählung von Wioland (1985). Die kanonischen lautlichen Realisierungsmuster für gelehrte Lehnwörter können in einem einzelsprachlichen System mehrheitlich zur Systemperipherie gehören, wobei jedoch nicht ausgeschlossen ist, dass markierte Formen erhöhter Komplexität durch individuelle, d. h. wortgeschichtlich bedingte Lautentwicklungen auch in Erbwörtern erscheinen (cf. Kap. 6). Hier ist an Lautentwicklungen wie in sp. alma < lat. ANIMA zu denken, das gegenüber der präferierten V.CV.CVAusgangsstruktur mit VC.CV gerade keinen optimalen Silbenkontakt aufweist. Dies gilt noch mehr für das Französische: dessen lexikalische Schichtung ist insofern besonders kompliziert hinsichtlich der Silbenstrukturverteilung, als durch die vulgärlateinische Synkopierung und nachfolgende Bildung von Stützlauten durch Konsonantenepenthese auch eine Reihe Dubletten zu finden ist, in denen die populäre Form silbisch komplexer ist als die spätere gelehrte Entlehnung, cf. z. B. combler – cumuler (< lat. CUMULARE), sembler – simuler (< lat. SIMULARE). Auf phonotaktische Systeme bezogen bedeutet dies, dass sich bestimmte Typen komplexer Silben durchaus im Erbwortschatz finden (cf. 4.2.3). Nach der Betrachtung der Kultismen-Liste aus Oresmes Übersetzungen soll nun überprüft werden, ob ein erhöhtes Aufkommen gelehrter Entlehnungen in einem Text gleichfalls silbenstrukturelle Besonderheiten sichtbar werden lässt. Dazu wurde gezielt ein Text zugrundegelegt, der stark durch gelehrtes Wortmaterial geprägt ist und für den ein ansonsten vergleichbarer «Normaltext» zur Verfügung steht.
Ein quantitativer Einzelvergleich der Silbentypen aus der Lehnwortliste mit den sehr viel umfangreicheren Korpora von Hess (1975) und Wioland (1985) wäre allerdings nur begrenzt aussagekräftig.
5.1 Gelehrte Entlehnungen und komplexe Silbentypen in romanischen Kultursprachen
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Es handelt sich um die berühmte Episode im sechsten Kapitel des satirischen Werkes Pantagruel (1532) von François Rabelais, in der der Protagonist, der Riese Pantagruel, einem écolier limousin, einem Studenten aus der damals primär okzitanischsprachigen Region des Limousin, begegnet, der sich in seinem Französisch in grotesk übertriebener Weise eines gräko-latinisierenden Wortschatzes bedient, womit Rabelais entsprechende Tendenzen mancher Zeitgenossen parodistisch zuspitzt. Dieser Text erscheint für den Versuch einer Rekonstruktion der phonischsilbenstrukturellen Unterschiede zwischen einer hochgradig mit gelehrtem Wortgut durchsetzten Passage mit Abschnitten des Vergleichstextes besonders geeignet. Die Ausgangshypothese war, dass sich die gehäuften gelehrten und pseudogelehrten Elemente in der Sprache des écolier auch in der Silbentypauswertung spiegeln dürften. Die Sprache des Textes ist als Mittelfranzösisch an der Schwelle zum frühen Neufranzösisch zu beschreiben. Zur Illustration seien hier zwei charakteristische Passagen aus dem sechsten Kapitel des Pantagruel (1964, VI, 91–105)255 einander gegenübergestellt: (106) Quelque jour, je ne sçay quand, Pantagruel se pourmenoit après soupper avecques ses compaignons par la porte dont l’on va à Paris. Là rencontra un escholier tout jolliet, qui venoit par icelluy chemin; et, après qu’ilz se furent saluez, luy demanda: Mon amy, d’ont viens tu à ceste heure? Die Replik des Limousiners lautet (leicht gekürzt): (107) Nous transfretons la Sequane au dilucule et crepuscule ; nous deambulons par les compites et quadrivies de l’urbe ; nous despumons la verbocination latiale, et, comme verisimiles amorabonds, captons la benevolence de l’omnijuge, omniforme, et omnigene sexe feminin. [...] Et si, par forte fortune, y a rarité ou penurie de pecune en nos marsupies, et soyent exhaustes de metal ferruginé, pour l’escot nous dimittons nos codices et vestes opignerées, prestolans les tabellaires à venir des Penates et Lares patriotiques. In silbenstruktureller Hinsicht können die Graphien des orthographisch noch wenig normierten Renaissancefranzösisch bei reiner Betrachtung der Schriftformen auf den ersten Blick verfremdend wirken. Für das Sprachstadium typische ‚angereich-
Die stark verfremdende Wirkung der Häufung tatsächlicher und vom Autor ad hoc eingeführter Latinismen belegt die Tatsache, dass in der Gallimard-Ausgabe des Textes (1964) das sechste als einziges Kapitel mit einer Übersetzung ins Neufranzösische versehen ist (zusätzlich zu den Glossen des in allen Kapiteln beigefügten Anmerkungsapparats).
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5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
terte‘ Graphien wie avecques, doncques, escholier, prescriptz, poids, sçavoir etc., die manchmal etymologisierend (mfr. prescriptz < PRAESCRIPTOS; nfr. prescrits) manchmal pseudoetymologisch sind (mfr./nfr. poids < PENSU(M), mfr. sçavoir/nfr. savoir < SAPERE, fälschlicherweise mit PONDUS bzw. SCIRE in Verbindung gebracht, cf. jeweils TLFi, s.v.), suggerieren teils größere silbische Komplexität, als die tatsächlich gesprochenen Varianten bezeugen.256
Abb. 5.1: Silbentypen im Textvergleich Normalwortschatz vs. (hyper)gelehrter Wortschatz.
Die Abb. 5.1 vergleicht die wichtigsten Silbentypen. Recht deutliche Unterschiede sind bei zwei Silbentypen zu sehen: In der Rede des Écolier sind CV-Silben im Vergleich der beiden Textteile um mehr als 10% seltener (61,8% vs. 68,8% im übrigen Text) und komplexe (bikonsonantische) Silbenanlaute (CCV) deutlich häufiger (der Typ CCV weist 11,8% vs. 6% auf, ist also fast doppelt so häufig). Gewiss ist die gewählte Stichprobe zu klein für verallgemeinerbare Ergebnisse, dennoch liefert sie erste interessante Hinweise auf Silbentypunterschiede, die auch textintern nachweisbar sind und damit einen Faktor der parodistischen Wirkung der durch die Mimesis von überzeichneter lexikalischer Gelehrtheit geprägten Passagen im Kontrast mit den eher vom erbwörtlichen Normalwortschatz geprägten Textabschnitten sichtbar machen.257
Der Text wurde nach den für den Lautstand des Mittelfranzösischen (cf. Picoche/MarchelloNizia 1994; Marchello-Nizia 1997; DMF) anzusetzenden Tendenzen manuell segmentiert. Cf. auch die Überlegungen zu textspezifischen Einflüssen in 3.6.5.
5.2 Entlehnung und wortphonologische Struktur
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5.2 Entlehnung und wortphonologische Struktur Für die Untersuchung silbenstrukturell relevanten Sprachkontakts, der sich in lexikalischen Entlehnungen spiegelt, stellt sich auch die Frage nach Mustern des (partiellen oder kompletten) Transfers von Wort-Silben-Verhältnissen aus einer Gebersprache L1 in eine Empfängersprache L2. Um ein Bild des allgemeinen Wirkens solcher Adaptationsmuster zu gewinnen, wurden die Verhältnisse bei der Entlehnungsrichtung Italienisch → Französisch anhand eines Sprachkontaktwörterbuchs (DIFIT, cf. Stammerjohann et al. 2008; OIM; Heinz 2017) ausgewertet. Dabei wurde eine Lemmastrecke (Buchstabe L) des Wörterbuchs der Italianismen in mehreren Sprachen (hier: Französisch) vollständig ausgezählt. Als Transfermuster sind, was die Silbenebene betrifft, zwei Verfahren mit einer weiteren Unterscheidung festzustellen: die Übernahme ohne Veränderung in der Silbenzahl des Ausgangsworts (s. u., 108) bei formaler Identität (108a) oder formaler Modifikation (108b) sowie mit Reduktion der Silbenzahl der lexikalischen Ausgangsform (109): (108) Gleichbleibende Silbenzahl (108a) Formale Identität languendo, languente, languido, languidamente, lanital, lapilli, larghetto, lasagne, lazzi [ladzi], lentando, libeccio [libɛtʃo], libero, libretto [libʀɛtːo, libʀeto], lido, lira da braccio, lira da gamba, l’istesso tempo / lo stesso tempo, locanda, loco, loggia [lɔdʒja], longa. (Σ = 21) (108b) Formale Modifikation lanciata, lançade; largo, largue; laurentia, laurentie[loʀɑ̃si]; lazzarone, laz (z)arone [ladzaʀɔne, auch: lazaʀɔn]; lotto, loto [lɔto, loto]. (Σ = 5) (109)
Reduzierung der Silbenzahl lagone, lagon; lampione, lampion; lampeggiare, lampéger; lanciaspezzata, anspessade; lava, lave; lavanda, ?lavande; lazzaretto, lazaret [lazaʀɛ]; legatura, ligature; lega, ligue [lig], lègue; leggiadramente, leggiadrement; leggiadrezza, leggiadresse; leggiadria, leggiadrie; leggiadro, leggiadre; legno, ligne; lenza, ?lance; lesina, lésine; lesineria, lésinerie; lesto, leste; letterina, lettrine; libeccio / lebeccio, lebeche; limone, limon; licorno, ?licorne; liquidare, ?liquider; liquidazione, ?liquidation; liquido, liquide; lira, lire; lira, lire / lyre; lista, liste; listello, listel; l’Italia farà da sé, faradassé; lombarda, lombarde; lombardo, lombard; londra, ?londre; lotteria, ?loterie; lucciola, luciole; lugubre, lugubre; lumachella, lumachelle [lymakɛl, lymaʃɛl]; lungheria, ?longuerie; lustrare, lustrer; lustrino, lustrine; lustro, lustre. (Σ = 41)
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5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
Das relative Gewicht der identifizierten Muster beim Transfer des ausgangssprachlichen Wort-Silben-Verhältnisses in der Empfängersprache stellt die folgende Synopse (Tab. 5.2) dar: Tab. 5.2: Synopse: Veränderung der Silbenstruktur beim Transfer It.→ Fr. Gleichbleibende Silbenzahl Formale Identität ,% , %
Reduzierung der Silbenzahl Formale Modifikation , % , %
Σ = %
Bei gleichbleibender Silbenzahl ist die Mehrzahl der Fälle auch formal identisch, es handelt sich um knapp ein Drittel (31,3%) der Gesamtstichprobe; nur 7,5% dieser Fälle erfahren eine Modifikation der Form. Im weitaus größten Teil (61,2%) der Lehnwörter verringert sich die Zahl der in den ausgangssprachlichen Lexemen vorhandenen Silben. Es ist für den Transfer zwischen Italienisch und Französisch somit eine deutliche Tendenz zur Reduktion der Silbenzahl ersichtlich. Neben silbeninternen Prozessen wird hier als wichtiger lehnwortphonologischer Faktor die materielle Veränderung des ausgangssprachlichen Wortkörpers durch Kürzung um ganze Silben erkennbar. Die Stichprobe, welche sehr weitgehend das im Französischen vorhandene italienische Lehnwortmaterial für den gewählten Anfangsbuchstaben erfasst (zu den Auswahlkriterien des DIFIT cf. Stammerjohann et al. 2008, XI–XII; auch Heinz 2017), spiegelt dabei insbesondere die Bedingungen der französischen Wortphonologie mit der Reduktion vokalischer Auslaute wider. Dieses strukturelle Merkmal der Empfängersprache Französisch schlägt sich in der Mehrheit der entlehnten Elemente nieder. Der Nexus Kultismen – komplexe Silbentypen ist wie in 5.1 erwähnt besonders augenfällig in der Phonotaktik des Standardspanischen, in dem Zentrum und Peripherie eine besonders klar ausgeprägte Divergenz zeigen. Über die gräkolateinischen Entlehnungen hinaus ist auch an den lehnwortphonologischen Import von silbentypologisch relevanten Formen nichtgelehrten Ursprungs zu denken. Dabei sind zweifellos auch Fälle vorstellbar, in denen eine Entlehnung nicht oder nur wenig markiert gegenüber zielsprachlichen Strukturen ist bzw. sogar einfachere Strukturen aufweist. Auch in diesen Fällen greift jedoch in der Regel ein Effekt kontrastiver Markierung: z. B. sind japanische Entlehnungen wie Kamikaze, Harakiri im Deutschen trotz oder wohl eher gerade wegen ihrer vergleichsweise einfachen, in den Inventaren des Deutschen zwar gut vertrete-
5.2 Entlehnung und wortphonologische Struktur
205
nen Strukturen (viele Monophthonge, CV-Silben etc.) recht deutlich als fremd markiert, da sich die Häufung und Ausschließlichkeit der einfachen Strukturen, die spezifische Kombination von Vokalfolgen etc. klar von den Gegebenheiten des Deutschen unterscheiden. Beispielhaft werden hier einige sog. Nahuatlismos im Spanischen zur Illustration silbenstruktureller Entwicklungen in diesem Entlehnungstyp herangezogen. Wörter wie sp. cacahuete, chocolate, tomate etc. entstammen bekanntlich dem Nahuatl, einer indigenen Sprache Mittelamerikas. Den genannten Wörtern, die im Gefolge der spanischen Entdeckung und Kolonisierung der Neuen Welt über die Mittlersprache Spanisch teils zu Internationalismen wurden, liegen die Nahuatl-Formen cacahuatl, chocolatl, tomatl zugrunde. Das charakteristische, für die romanischen Sprachen phonotaktisch im An- oder Auslaut ungewöhnliche Konsonantencluster tl aus Obstruent und homorganem Lateral ist in der vokalisch adaptierten Form des Auslauts -te im Spanischen nicht mehr erkennbar.258 Regional und fachsprachlich finden sich jedoch im spanischen Lexikon auch Formen wie tlacuache, mit erhaltener bikonsonantischer Anlautgruppe [tl-], seltener auch als Codagruppe. Diese komplexe Sequenz gehört nicht zu den kanonischen McL-Nexus, sie entspricht im Anlaut, nicht jedoch im Auslaut (z. B. Popocatépetl) allerdings dem Prinzip der Sonoritätssequenzierung (Sonoritätsanstieg zum Nukleus).259 Um die Wege der phonologischen Adaptation solcher Formen in der Geschichte des Spanischen nachzuverfolgen, wurde ein diachrones Korpus des Spanischen (CORDE) auf Nahuatlismen überprüft, für die die Genese historischer Varianten mit unterschiedlicher Silbentypkomplexität belegbar ist. Dabei erwiesen sich die Nahua-Formen tlacuatzin und cacaxtli als ergiebig für die Dokumentation unterschiedlicher Mechanismen der silbenphonologischen Adaptation: I. Reduzierung initialer Cluster: CCV ⟶ CV (110) Nahuatl tlacuatzin ‘Opossum’ (110a) sp. tacuacín (Honduras 1952, CORDE) (110b) Graphische Variante: tacuazín (Guatemala 1985, CORDE) (110c) tacuache (DRAE, 22a ed.)
Zur phonologischen Lehnwortadaption von Nahuatlismen im Spanischen cf. Hernández (1998); auch Lapesa (1989). Dies auch mit Dissimilierung des Obstruenten wie in den Varianten clacuache, clacuachi, woraus sich eine im Spanischen übliche McL-Sequenz ergibt (cf. sp. claro, clase etc.).
206
5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
II. Modifikation wortfinaler Silben II.1 Reimvereinfachung (C)CVC ⟶ (C)CV (111) Nahuatl tlacuatzin ‘Opossum’ (111a) sp. tlacuatzin (Mexiko 1576–1577, CORDE) CCV.CV.V.CCVC (Affrikate hier als Verbindung aus zwei Elementen gewertet) (111b) tlacuazi (Mexiko 1591, CORDE) CCV.CV.V.CV_ (111c) tlacuache (Mexiko 1780, CORDE) CCV.CV.V.CKOMPLV (Affrikate hier als ein komplexer Laut gewertet) II.2 Clustervereinfachung im Onset CCV⟶ CV (112) Nahuatl cacaxtli ‘Skelett’, ‘Gestell’, ‘Korb’ (112a) cacastle (Spanien 1560, CORDE) CV.CVC.CCV (112b) cacaste (El Salvador 1954, CORDE) CV.CVC.CV Diese Lehnwortanpassungen haben ihren Ursprung in dem Aufeinandertreffen von Elementen, die in ihrer Struktur systemzentrale Merkmale eines Systems (hier: Nahuatl) zeigen, mit den abweichenden systemzentralen Strukturbeschränkungen eines anderen Systems (hier: die phonotaktisch-silbentypologischen Restriktionen des peninsularen Spanisch). Formen wie tlacuazi sind im Spanischen im Sinne des bereits in 4.3.2 beschriebenen Wirkungskomplexes der Zentrum-Peripherie-Konstellation (Abb. 5.2) an der Systemperipherie zu situieren. Eine weitere, bereits in Kap. 4.2.3 erwähnte Möglichkeit der Entstehung silbenstruktureller Komplexität nichtgelehrten Ursprungs findet sich in den hochlandspanischen Varietäten der sog. tierras altas/tierras de la Corte. Dort kommen komplexe Sequenzen auch als Folge von Vokaltilgungen vor (vgl. aus Bsp. 90 die mex.sp. Form [ˈbloks] vs. standardsp. [ˈblo.kes] < bloques > ʻ(Notiz)blöcke’; Lope Blanch 1969, Kabatek 1994a; Blaser 2007, 82–83). Dabei handelt es sich jedoch, wie im vorherigen Kapitel in Tab. 4.3 veranschaulicht, um die Wirkung im System zentraler phonologischer Tendenzen der jeweiligen Varietäten, in denen die Schwächung des Vokalismus die Stärkung des in vielen anderen Varietäten des Spanischen hingegen geschwächten Konsonantismus begünstigen. Die Perspektive einer Interaktion solcher allgemeinen Beschränkungen in den Silbenstrukturen romanischer Sprachen, welche zur Herstellung optimaler Strukturen führt, wird anhand der Beispielanalyse in Abschnitt 5.3 vorgestellt.
5.3 Optimalität und romanische Silbentypsysteme
207
Abb. 5.2: Zentrum-Peripherie-Zuordnung von /tl/-Sequenzen (L1: Spanisch, L2: Nahuatl).
5.3 Optimalität und romanische Silbentypsysteme Die in 3.1.4 und 4.3.1 bereits angesprochene Optimalitätstheorie ermöglicht eine relativ flexible Anordnung von Strukturbeschränkungen, um der Vielfalt möglicher Silbentypen Rechnung zu tragen. Das formale Beschreibungsmodell soll hier aufgegriffen werden, um an konkreten Ausformulierungen dieser Beschränkungen in Bezug auf romanische Strukturen beispielhaft die Funktionsweise des Modells und dessen möglichen Nutzen für Einzelaspekte silbentypologischer Beschreibung zu reflektieren. Bei aller Vorsicht, die der Gebrauch des optimalitätstheoretischen Ansatzes für synchrone wie für diachrone Sichtweisen gebietet – es sei an Sampsons (2010, 35; s. o. 3.1.4) Kritik erinnert –, besteht eine Leistung dieses Ansatzes darin, eine aus formaler Sicht flexiblere Modellierung zuzulassen, die auch widersprüchlichen Tendenzen, wie sie natürliche Sprachsysteme prägen, Rechnung zu tragen vermag. Die Postulate generativer Theoriebildung und die Anforderungen funktio-
208
5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
nal-typologischer und insbesondere sprachhistorischer Analysen an deskriptiven Realismus können so einander angenähert werden. Die individuelle Ausprägung einzelsprachlicher Grammatiken ergibt sich aus dem in 4.3.1 schon behandelten Widerstreit der Markiertheits- und Treuebeschränkungen, hier in Kagers (1999, 8) prägnanter Formulierung wiederholt: «In the grammars of individual languages, the overall conflict between both ‹forces› assumes the form of fine-grained interactions of individual constraints». Ausgeprägte einzelsprachliche Divergenzen der Constraint-Organisation werden, anders als in vielen früheren generativen Theorieansätzen explizit anerkannt: «[W]here individual constraints compete, languages are quite diverse in their resolutions of conflicts between ‹markedness› and ‹faithfulness›» (Kager 1999, 8). Dabei können sehr allgemeine Constraints wie PARSE («underlying segments must be parsed into syllable structure», Duanmu 2008, 242; Prince/Smolensky 22004 [1993]) und spezifischere Treuebeschränkungen angenommen werden, wie sie sich in der von McCarthy/ Prince (2004, 92–93) formulierten Correspondence theory finden: a. MAXIMALITY (MAX) Jedes Element des Inputs korrespondiert mit einem Element des Outputs. b. DEPENDENCE (DEP) Jedes Element des Outputs korrespondiert mit einem Element des Inputs. c. IDENTITY (IDENT) Korrespondierende Segmente haben identische Eigenschaften (features). d. CONTIGUITY (CONTIG) Korrespondierende Elemente des Inputs und des Outputs stehen in einer Reihenfolge. e. ALIGNMENT (ALIGN) Reihenfolge korrespondierender Elemente wird bewahrt: ein Element, das im Input am rechten Rand steht, steht im Output an gleicher Stelle etc. Ohne auf alle theoretischen Postulate des Modells einzugehen, nehmen wir hier die Annahme unterschiedlicher, potentiell gegenläufiger Struktur- und Regeltendenzen in einzelsprachlichen Systemen zum Ausgangspunkt. Auch ist Itô/Mesters (1995; 1999) Annahme auf der Basis des japanischen (Lehn-)Lexikons, dass im Kern und der Peripherie des Lexikons unterschiedliche Constraint-Gewichtungen herrschen, grundsätzlich plausibel. Das OT-Modell kann dann als sinnvolle Ergänzung des vorhandenen Beschreibungsinstrumentariums für sprachliche Teilsysteme, etwa phonotaktische Regelsysteme für Silbenstrukturen dienen.260 Ein Beispiel aus der Phonotaktik einer hier nicht untersuchten romanischen Sprache, des Sardi-
Cf. in dieser Optik Fanselow/Féry (2002) und der Sammelband von Féry/van de Vijver (2003).
5.3 Optimalität und romanische Silbentypsysteme
209
schen, soll illustrieren, wie das OT-Konzept der Constraint-Hierarchie für bestimmte Problembereiche in Sprachen genuin neuartige, in anderen theoretischen Formulierungen nur mit erheblichem Beschreibungsaufwand zu erzielende Einsichten liefern kann. Viele sardische Dialekte kennen charakteristische Erscheinungen des externen, Wortgrenzen überschreitenden Sandhi, etwa generalisierte intervokalische Sonorisierungen, so u. a. intervokalisch im Unterschied zum absoluten Anlaut in der zentralsardischen Varietät Logudoresisch: (113) log. sardu [#sardu] vs. su sardu [#su ˈzardu] bis hin zum intervokalischen Ausfall stimmhafter wortinitialer Okklusive: (114) lat. IPSU(M) DENARIU(M) > log. su dinare [su iˈnare]). Um diese von Teilen des heutigen romanischen Mainstreams261 abweichenden phonosyntaktischen Besonderheiten des Sardischen (bzw. bestimmter Varietäten davon) konzis als typologische Verallgemeinerung zu fassen, könnte die Annahme eines in vielen – und den meisten romanischen – Sprachen aktiven Constraints, sinnvoll sein, der in der spezifischen Constraint-Hierarchie des Sardischen gegenüber anderen phonotaktischen Bedingungen niedrig angeordnet, also leichter verletzbar ist als in vielen anderen Sprachen. Für das Lateinische stellt Sampson (2010, 47) fest: «There is evidence that word boundaries were strong in Latin», gegenüber diesem «relatively high level of autonomy in the word» gilt jedoch auch: «the presence of an intervening word boundary did not systematically override normal syllabification patterns that are found operating within words», so kann etwa ein wortfinaler Konsonant zum Onset einer wortinitialen V(...)-Silbe werden. Auer (1993, 11) zufolge liegt gerade in der Gleichung «externer Sandhi» = «interner Sandhi» ein Kriterium für die Abgrenzung von Silbensprachen gegenüber Wortsprachen, in denen phonologische Prozesse an der Wortgrenze haltmachen (etwa in vielen germanischen Sprachen). Dies gilt in geringerem Maße auch für die in den meisten romanischen Sprachen bei Wörtern mit leerem Onset möglichen Resilbifizierungen über Wort- und Morphemgrenzen hinweg (cf. z. B. fr. les amis [le.za.mi], Geisler 1992, 18), allerdings ist die Wortwahrnehmung in diesen Fällen weniger beeinträchtigt als beim vollständigen Ausfall anlautender Konsonanten. Eine solche allgemeine Strukturbeschränkung hätte die
Cf. aber z. B. mittel- und süditalienisches Raddoppiamento fonosintattico, toskanische Gorgia oder französische Liaison als weitere Interface-Phänomene in der Phonosyntax romanischer Sprachen, die die Wortgrenze affizieren und damit wohl eine schon vorromanisch gültige Tendenz weiterführen.
210
5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
Formulierung262 ✶MODIFYINIWORD-EDGE, zu lesen etwa als ‹der initiale Wortrand darf von phonologischen Prozessen nicht modifiziert werden›. Faktisch ergibt sich mit der Ausweitung z. B. der sonst typischerweise nur wortintern zulässigen intervokalischen Sonorisisierungen im sardischen System eine artikulationsökonomische Optimierung der Produktionsregeln (unter Preisgabe der perzeptiv günstigen Erhaltung intakter und damit leicht wiedererkennbarer Wortformen),263 sprich durch die Generalisierung intervokalischer Sonorisierung erübrigt sich eine Unterscheidung wortinterner von wortübergreifenden phonologischen Kontexten. Typologisch wird damit der Blick auf einen einzelnen Parameter mit verschiedenen Konsequenzen für das phono-morphologische System des Sardischen frei, der eine Vergleichbarkeit z. B. mit sog. Anlautmutationen keltischer Sprachen nahelegt. Zweifellos ist ein solcher vergleichender Blick auch ohne die optimalitätstheoretische Hypothese der Interaktion von Strukturbeschränkungen möglich, es stehen sich dann aber zunächst nur Einzelbeschreibungen oberflächlich ähnlicher Prozesse in den jeweiligen Sprachen gegenüber.264 Vor den weiter unten ausgeführten Einzelanalysen werden nun die in den vorangehenden Kapiteln ermittelten Tendenzen in einer optimalitätstheoretischen Perspektive ausformuliert. Für die Silbentypinventare romanischer Sprachen erscheinen besonders folgende Beschränkungen relevant, die bei Prince/ Smolensky (22004 [1993]) u. a. als grundlegende Bedingungen silbenstruktureller Optimalität gelten: a. ✶P / C: Der Silbengipfel/Peak darf nicht konsonantisch sein b. NOCODA: Der Silbenreim enthält keine Coda c. ✶COMPLEX ONSET: Keine komplexen Onsets d. ✶COMPLEX CODA: Keine komplexen Coden
In 4.3.1 wurde bereits die (berechtigte) Kritik an mancher Ad-hoc-Formulierung von Constraints erwähnt (cf. Willi 42004, 500; Sampson 2010, 35 n.); im Licht von deren manchmal postulierter Universalität sind manche davon in der Tat diskussionsbedürftig. Jenseits des Universalitätsanspruchs kann die Annahme von Constraints als deskriptive Fassung nachweislich wirksamer Prinzipien und Regeln von Sprachsystemen jedoch nützlich sein. Zur Frage der «Kontinuität von Zeichen» cf. Krefeld (1999, 22–27) im Kontext seiner gestaltphonologischen Rekonstruktion des (v. a. italo-)romanischen Vokalismus. Dass oberflächlich konvergente Entwicklungen gerade in genetisch nicht verwandten Sprachen durchaus Effekte ganz unterschiedlicher, manchmal kontingenter Wandelpfade sein können, wird hier nicht in Abrede gestellt. Die Hypothese universell wirksamer Mechanismen, die im Output zu ähnlichen Ergebnissen führen, hat jedoch – sofern Hinweise auf eine strukturelle Vergleichbarkeit von Phänomenen bestehen – den Vorzug, eine heuristische Richtung für die Erklärung aufzuzeigen, wo sonst Beobachtungen struktureller Parallelen zwischen Sprachsystemen unverbunden nebeneinanderstehen.
5.3 Optimalität und romanische Silbentypsysteme
211
Die Beschränkung ✶P / C ist bei Betrachtung von Lento-Vollformen in den romanischen Sprachen als sehr hoch oder am höchsten zu rankender Constraint anzusehen. Allerdings ermöglichen das Französische und das EP phonetisch, zumeist bedingt durch Allegro-Sprechweise, auch Strukturen, die als mitunter komplexe, phonotaktisch markierte Cluster oder als heterosilbische, nichtvokalische Nuklei interpretiert werden können, s. o. Kap. 2.3, man vergleiche zwei- oder dreisilbig analysierbare Realisierungen wie (115a) (115b)
fr.
au revoir au revoir
[oʁ.ˈvwar] [o.ʁ̩ .ˈvwar]
CV.CGVC V.C?.CGVC
(116a) (116b)
fr.
tu l’as vu tu l’as vu
[tla.ˈvy] [t̩ la.ˈvy]
CCV.CV C?.CV.CV
(117a) (117b)
pt.
desprezar desprezar
[dʃpɾ.ˈzaɾ] [dʃ̩ pɾ̩ .ˈzaɾ]
CCCC.CVC CC?.CC?.CVC
Für manche Constraints weichen einzelne Sprachen in charakteristischer Weise von der Mehrheit der romanischen Sprachen ab. So ist für die Formulierung etwa die Silbenposition im Wort zu berücksichtigen: z. B. wird der NOCODA-Constraint im Wortauslaut des Italienischen selten verletzt (außer in Entlehnungen und unter phonosyntaktischen Verhältnissen, die das troncamento von Endungen bedingen); im Spanischen, Katalanischen, Portugiesischen dagegen treten durch Flexionsmorphologie recht häufig konsonantische Coden auf. Im Französischen begünstigt die Tendenz zur Schwa-Reduktion (e caduc) gepaart mit dem oxytonen Akzentmuster (gebundener Phrasenakzent) konsonantische Auslaute (wie in table, possible [-bl], livre [-vʁ], außerdem in Wörtern wie bouc, chef [buk, ʃɛf] oder in août, but, fait, jeweils mit Realisierungsvariante [-t]). Konsonantische Flexionselemente werden hier jedoch bis auf Sonderformen (z. B. fr. mœurs n.f.pl. [mœʁs] neben der Variante [mœʁ]) nur im Rahmen der Liaison realisiert und unterliegen dann in der Regel Resilbifizierungsprozessen, d. h. sie werden als Onsetkonsonanten der Folgesilbe geparst. Das zeigt z. B. die obligatorische Liaison in (118)
fr.
les élèves
[le.ze.lɛv].
Das Rumänische weist andererseits sowohl vokalische als auch konsonantische Wortauslaute auf. Rumänisch hat Anteil an einer fast gemeinromanischen, weite Teile der Italoromania jedoch aussparenden Tendenz zum Schwund unbetonter lateinischer (Wort-)Auslautvokale (v. a. O und U wird zumeist elidiert; deutlich etwa
212
5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
in der 1. pers. sg. und pl. vieler Verben, z. B. rum. fac < lat. FACIO, sowie in maskulinen Nomina), besitzt in der Nominal- und Verbalflexion jedoch überwiegend vokalische (in den meisten Kontexten halbvokalisch realisierte) Endungen, wo die westlichen Sprachen der Romania konsonantische (-s) Flexionsmarkierungen aufweisen (z. B. bărbat m.sg. – bărbaţi m.pl.). Im Spanischen werden die Constraints ✶COMPLEX ONSET und ✶COMPLEX CODA (Onset bzw. Coda dürfen nicht mehr als ein konsonantisches Segment enthalten) seltener verletzt, eine Tendenz zur Reduktion komplexer Cluster, abgesehen von den in allen romanischen Sprachen üblichen Obstruent-Liquid-Folgen (McL), ist hier teils auch in gelehrten Entlehnungen ersichtlich; orthographische Varianten wie < sicología >, < neumático > neben < psicología >, < pneumático > bzw. die Realisierung der Coda in extra als [ˈes.tra] zeigen dies an. Das Katalanische hat wie das Spanische für alle sC-Onset-Cluster den prosthetischen Vokal e herausgebildet (cf. Sampson 2010, 107; Wheeler 2005, 250; so in lat. SPIRITU > kat. es.perit, engl. sprint > kat. es.print), während in der Coda komplexe Gruppen vorkommen können (cf. els, tinc, bruscs). Somit gilt im Katalanischen ✶
COMPLEX ONSET
>> ✶COMPLEX CODA
Demnach steht ✶COMPLEX ONSET hierarchisch höher als ✶COMPLEX CODA. Im Italienischen gilt ✶
COMPLEX CODA
>> ✶COMPLEX ONSET
d. h. ✶COMPLEX CODA steht hierarchisch höher als ✶COMPLEX ONSET, was sich an komplexen Anlauten in reihenbildenden Präfixoiden wie psico-, pneuma- und Clustern wie in sfrecciare zeigt, wohingegen komplexe Coden wie in den englischen Lehnwörtern film, golf oder der Sigle colf als Struktur im Lexikon eher marginal sind, wenn auch gerade die beiden erstgenannten Wörter in ihrer Vorkommenshäufigkeit nicht marginal sind.265 EP, Französisch und Rumänisch verletzen ✶COMPLEX ✶ CODA und COMPLEX ONSET (Bspp. s. o., 3.6.4) häufiger. Details der Sonoritätssequenzierung können (warum -mb als Coda, aber nicht bm- als Onset u. ä.)266 über einen sonority constraint (degree of rise and fall in sonority) und einen similarity constraint formuliert werden. Insgesamt erweisen sich Constraints wie NOCODA, ✶P/C,
S. o. 3.6.4; durch die dort bereits erwähnte diatopisch markierte Tendenz zur Herstellung eines vokalischen Auslauts durch die Einfügung von Stützvokalen in diesen lexikalischen Einheiten ([gɔl.fe] etc.) kommt es auch zu zweisilbigen Realisierungen solcher Auslautcluster. Homorgane Segmentkombinationen wie mb zeigen, dass außerdem das Wirken artikulatorischer Konditionierungen in Form von Constraints zu berücksichtigen ist.
5.3 Optimalität und romanische Silbentypsysteme
✶
213
✶
COMPLEX ONSET, COMPLEX ONSET CODA als unterschiedlich pertinent
für die betrachteten romanischen Sprachen, ihre Hierarchie, d. h. die jeweiligen Dominanzverhältnisse der Beschränkungen, variiert gemäß den Prinzipien der OT von Sprache zu Sprache. Im Anschluss wird für die iberoromanischen Standardsprachen eine exemplarische Analyse von Beschränkungen skizziert, deren diachrones Wirken bei der Lehnwortadaptierung plausibel erscheint, gemäß allgemeinen Tendenzen, die sich bei der Betrachtung einzelsprachlicher Silbenstrukturen als gültig erwiesen haben. Die Interaktion von Constraints in der Lehnwortphonologie der iberoromanischen Sprachen wird gut an einem charakteristischen Kultismus wie (Bsp. 119; s. o. Bsp. 1, Kap. 1.1) ersichtlich. Als Input-Form wird das lateinische Etymon in kasusflektierter (Akkusativ/Obliquus) Form mit Tilgung des Auslautvokals angenommen. Die standardsprachlichen, sorgfältig artikulierten Realisierungen267 entsprechenden Output-Kandidaten erscheinen in reduzierter phonologischer Notation. (119) lat. ABSTRACTION(E) > sp. abstracción, kat. abstracció, pt. abstracção (BP ) Ein problematischer Punkt in OT-Beschreibungen liegt vielfach darin, die Struktur der zugrundeliegenden Form zu bestimmen, weil in deren Definition spekulative phonologische Postulate einfließen, bei denen eine Zirkularität im Sinne einer gewissermaßen teleologischen Ausrichtung der Input-Form auf die Auswahl der bekannten Output-Kandidaten zu vermeiden ist. Auch die traditionell-romanistische Rekonstruktion erbwörtlicher Entwicklungen in romanischen Sprachen stößt auf dieses Problem insofern, als nicht einfach bekannte, weitgehend der klassischlateinischen Norm entsprechende, sondern vulgärlateinische Ausgangsformen mit dem Einfluss nicht immer geklärter weiterer Faktoren angesetzt werden müssen, und Rekonstruktionen mitunter durch die Auswahl der Merkmale angenommener Etyma zum gewünschten, einer bestimmten Theorie entsprechenden Ergebnis gebracht werden können.268 Gelehrte Entlehnungen wie im hier gewähltens Beispiel, welche Resultat bewusster Übernahme aufgrund einer relativ umfassenden Kennt-
Die zugrundegelegten phonischen Realisierungen wären im Kontinuum zwischen kommunikativer Nähe und Distanz (cf. Koch/Oesterreicher 22011 [11990]) näher am distanzsprachlichen Pol anzusiedeln. Man denke an Kontroversen wie die über anzunehmende, nicht belegte Etyma bei Formen wie fr. rôtir (westgermanisch ✶raustjan bei Betonung externer germanischer Superstrateinflüsse vs. vlat. ✶RE-USTIRE bei Betonung der internen Wortbildungsmöglichkeiten des gesprochenen Lateins), für die Namen profilierter Vertreter romanisch-etymologischer Forschungsparadigmen wie W. von Wartburg und H. Meier stehen (cf. die bei Jänicke 1991, 36–38, referierten Fälle).
214
5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
nis des ausgangssprachlichen Systems sind (ein konsolidiertes Wissen über seine grammatischen und lexikalischen Gegebenheiten ist gerade im Falle von Latein als Grundlage gelehrter Entlehnungen in aller Regel vorauszusetzen), erscheinen dagegen als geeignetes Datenmaterial für die intendierte punktuelle Beschreibung, die die Funktionsweise des OT-Ansatzes anhand der hier interessierenden komplexen Silbentypen demonstrieren soll. Hier werden drei Constraints (cf. McCarthy/Prince 2004; Colina 2009, 29) berücksichtigt, die sich für die Beschreibung von Silbenstruktur in optimalitätstheoretischem Rahmen an einer Vielzahl von Sprachen als relevant erwiesen haben: MAXIMALITY (Max-IO) Jedes Element des Inputs korrespondiert mit einem Element des Outputs. DEPENDENCE (Dep-IO) Jedes Element des Outputs korrespondiert mit einem Element des Inputs. ✶
COMPLEX CODA
Die Coda darf nicht komplex sein (maximal ein konsonantisches Segment)
Die Tableaus zeigen das für verschiedene romanische Varietäten unterschiedliche Ranking der drei Constraints. Für im Sinne von 4.2.3 periphere Silbentypen gilt im peninsularen Standardspanisch (diaphasisch höhere Register, Distanzsprache) folgende Hierarchie (✶ = Verletzung eines Constraints, ! fatale Verletzung, aufgrund derer der Output-Kandidat als suboptimal evaluiert wird, ☞ = optimaler Kandidat): MAX-IO, DEP-IO >> ✶COMPLEX CODA
MAX-IO und DEP-IO dominieren hier die Bedingung, dass die Coda nicht komplex sein darf; unter dieser Beschränkungshierarchie ergibt sich also keine Verschlechterung des Silbenkontakts durch mehr als einen Coda-Konsonanten: (120) lat. ABSTRACTION(E) > sp. abstracción /abs.trak.ˈθjon/ (sorgfältige Standardlautung) MAX-IO a. /as.trak.ˈθjon/
DEP-IO
COMPLEX CODA
✶!
b. ☞/abs.trak.ˈθjon/ c. /a.bes.trak.ˈθjon/
✶
✶ ✶!
5.3 Optimalität und romanische Silbentypsysteme
215
Das gleiche Ranking gilt für das in dieser Hinsicht ebenfalls eher strukturkonservative Katalanische,269 das den stimmhaften Coda-Okklusiv des Inputs zudem verhärtet, d. h. den Sonoritätskontrast zum Nukleus maximiert: (121) lat. ABSTRACTION(E) > kat. abstracció /əps.trək.ˈsjo/ MAX-IO a. /əs.trək.ˈsjo/
✶
DEP-IO
✶
COMPLEX CODA
! ✶
b. ☞ /əps.trək.ˈsjo/ ✶
c. /ə.bəs.trək.ˈsjo/
!
Dem entspricht das Ranking der Beschränkungen für Formen wie EP abstracção /ɐbʃ.trɐ.ˈsɐ̃w/. Die Syllabierung des CCCC-Clusters /-bʃtr-/ wird hier phonologisch als CC.CC angesetzt, wenngleich die Vokalprosthese nicht mehr produktiv ist und auf phonetischer Ebene CCC-Onsets im EP weitverbreitet sind (cf. Sampson 2010, 112). Für die (auch in Wörterbüchern übliche) Syllabierung CC.CC sprechen die zahlreichen flexionsbedingten Wortauslaute der Struktur /-Cʃ/ und die Häufigkeit von McL-Nexus wie /tr-/ in Silben- und Wortanlauten. (122) lat. ABSTRACTION(E) > EP abstracção /ɐbʃ.trɐ.ˈsɐ̃w/ MAX-IO
DEP-IO
c. /ɐ.bəʃ.trɐ.ˈsɐ̃w/
COMPLEX CODA ✶
a. ☞/ɐbʃ.trɐ.ˈsɐ̃w/ b. /ɐʃ.trɐ.ˈsɐ̃w/
✶
✶
! ✶
!
Auch im BP gilt dieses Ranking, die Verletzung der Beschränkung ✶COMPLEX wiegt weniger schwer als die mögliche Verletzung von MAX-IO und DEP-IO:
CODA
(123) lat. ABSTRACTION(E) > BP: abstração /ɐbs.trɐ.ˈsɐ̃w/
Hier steht die Erläuterung von Grundsätzen der OT anhand romanischer Sprachen im Vordergrund, deren reicher Bestand an diatopischen Varietäten mit einer Vielzahl interessanter Einzelphänomen nicht vertieft werden kann. Detailliert zu Silbenkontakten besonders in balearischen Dialekten im Kontrast mit anderen katalanischen und romanischen Varietäten cf. Pons-Moll (2011), die eine dezidiert optimalitätstheoretische Perspektive einnimmt.
216
5 Fallstudien zur Peripherie: Lehnwörter und komplexe Silbenstrukturen
MAX-IO
✶
DEP-IO
COMPLEX CODA ✶
a. ☞ /ɐbs.trɐ.ˈsɐ̃w/ ✶
b. /ɐs.trɐ.ˈsɐ̃w/
! ✶
!
c. /ɐ.bis.trɐ.ˈsɐ̃w/
Dagegen kommt die Tendenz zu Silbentypen geringer Komplexität vor allem in südlich-peninsularen und vielen lateinamerikanischen Varietäten270 des Spanischen in OT-Formulierung durch folgende Hierarchie zum Ausdruck, in der die Verletzung der Constraints ✶COMPLEX CODA und DEP-IO schwerer wiegt als die Treuebeschränkung MAX-IO, nach der jedes Element des Inputs mit einem Element des Outputs korrespondiert: ✶
COMPLEX CODA,
DEP-IO >> Max-IO
(124) lat. ABSTRACTION(E) > südl.peninsular-sp./amerik.-sp. abstracción /as.trak.ˈθjon/ ✶
COMPLEX CODA
DEP-IO
✶
a. ☞ /as.trak.ˈθjon/ b. /abs.trak.ˈθjon/ c. /a.bes.trak.ˈθjon/
MAX-IO
✶
! ✶
!
Die Beispiele zeigen, dass die Typen des Umgangs mit silbischer Komplexität in der Sicht der OT zu verschiedenen Constraint-Hierarchieverhältnissen zusammengefasst werden können. Diese machen nachvollziehbar, welche Strukturbeschränkungen jeweils diachron wirksam sind. Die zur Veranschaulichung gewählten punktuellen Fallstudien vereinfachen durch die vorab definierte Beschränkung auf sorgfältig artikulierte standardsprachliche Realisierungen bewusst die tatsächlich oft von intra- und interindividueller Variation (Idiolekte, Soziolekte, Dialekte) überlagerten Gegebenheiten. Dennoch liefert die Grundidee der OT, bei der einzelsprachlichen Beschreibung einander widersprechende, jedoch verletzbares Strukturbeschränkungen zuzulassen, wichtige Intuitionen für die Erfassung von de facto festellbaren gegenläufigen Tendenzen in Sprachsystemen, die oft nicht mit
Cf. Colina (2009, 29): «Many dialects, such as rural varieties of Peninsular, Latin America Spanish and Chicano Spanish, do not allow coda obstruents, often avoiding them through deletion». Diese findet sich auch in anderen peninsularen Varietäten in informeller, nachlässiger Aussprache.
5.3 Optimalität und romanische Silbentypsysteme
217
spontaner Variation erklärbar, sondern systematisch stabil erscheinen. In der jeweils unterschiedlichen Anordnung der Beschränkungen für unterschiedliche Regularitäten in einem Sprachsystem (wie sie Kager 1999, 8, konstatiert: «A language may give priority to faithfulness over markedness with respect to some opposition, but reverse its priorities for another opposition») liegt eine gewisse Analogie zwischen grundlegenden Vorstellungen der OT und dem Bild der Systemorganisation und hier entfalteten Zentrum-Peripherie-Konzept (zumal in der Sicht von Itô/Mester 1995, 1999 auf das Japanische). So ist in vergleichbarer Weise davon auszugehen, dass die Distribution sprachlicher Phänomene in systemzentralen oder systemperipheren Bereichen von einer Einzelsprache zur anderen sowie teilweise je nach Teilsystem innerhalb einer Einzelsprache variieren kann, d. h. ein bestimmtes Phänomen kann im einen Fall zum zentralen Bereich, im anderen Fall zum peripheren Bereich gehören. Die daraus ableitbaren allgemeinen Tendenzen der betrachteten romanischen Silbentypsysteme, wie sie in einer diachronen Perspektive auf große Zeiträume sichtbar werden, wollen wir im abschließenden Kapitel dieser Studie zusammenbringen.
6 Diachrone Tendenzen der Silbentypologie in der Romania Im Sinne der bis hierher beleuchteten Wandeltendenzen, seien diese als «evolution» (Blevins 2004), «path» (Bybee 2001), «diachronic cline» (Easterday 2019, 287) oder im klassischen Sinne Sapirs (1921) als «Drift»271 konzeptualisiert, lassen sich für die Silbentypsysteme des Spanischen, Katalanischen und Portugiesischen diachronisch-typologische Verlaufsbahnen skizzieren, die hier «Trajektorien» genannt werden. Es sei dabei noch einmal an Maddiesons (2013, s. o., 1.2.1) drei Komplexitätsgrade von Silbentypsystemen – «simple», «moderately complex», «complex» – und die von Bybee (2001, 215) genannten «trajectories of change» erinnert (s. o., 3.1.4). Zunächst lassen sich die Grundtendenzen der silbentypologischen Dynamik für die in dieser Hinsicht relativ klar profilierten iberoromanischen Sprachen so skizzieren:272 – Die in der Iberoromania vorhandenen Silbentypsysteme können verschiedenen Punkten auf einer Ideallinie absteigender silbenstruktureller Komplexität zugeordnet werden, die von einem komplexen (Maddieson 2013, Stufe 3, Silbenstruktur: «complex») mit (C)(C)V(C)(C)-Typen (und darüber hinaus) über ein mäßig komplexes (Maddieson 2013: Stufe 2, Silbenstruktur: «moderately complex») mit maximal (C)(C)V(C)-Strukturen hin zum Endpunkt eines einfachen Silbentypsystems (Maddieson 2013: Stufe 1, Silbenstruktur: «simple») mit der kanonischen Maximalstruktur (C)V reicht. Im EP und im Zentralkatalanischen gehören auch die zentralen Systembereiche (Bestand universeller und einzelsprachlicher Typen) zur Stufe 3 (komplex), wobei EP noch komplexere Cluster zulässt als Zentralkatalanisch; Varietäten des BP mit stärkerer Realisierung unbetonter Vokale und Neigung zur Auflösung von Konsonantenclustern durch Epenthese können eher zur Stufe 2 (mäßig komplex) gerechnet werden; Spanisch gehört im Zentralbereich seines Silbentypsystems zur Stufe 2, dessen Peripherie enthält zudem Silbentypen der Stufe 3, während einzelne diatopische (südlich-
Drift wird hier im Sinne einer deskriptiv gefassten Entwicklungstendenz verstanden, in (weiterer) Anlehnung an das Konzept von Sapir (1921, 147—170), welches innersprachliche Tendenzen beschreibt, die Hinweise auf die Richtung gewisser Formen des Sprachwandels geben; Sapir benennt drei für die Entwicklung der indoeuropäischen Sprachen besonders bedeutende Erscheinungen von Drift, den Abbau von Kasusflexion, die Fixierung der Wortstellung und die Tendenz zu unveränderlichen Wortformen. Cf. auch die referierte Diskussion der rhythmustypologischen Einstufung in 4.4.2, die für Spanisch, Katalanisch und Portugiesisch eindeutigere Zuordnungen als für andere Sprachen liefert. https://doi.org/10.1515/9783110648423-007
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peninsulare und die Mehrheit der amerikanischen) Varietäten zur relativ weitgehenden Generalisierung von CV-Typen tendieren (Stufe 1). Graduelle oder sprunghafte Bewegungen zum Abbau silbenstruktureller Komplexität in makrodiachronischen Entwicklungsphasen (etwa: vom Vulgärlatein zu den Frühphasen der romanischen Idiome, von den mittelalterlichen Sprachstufen bis zur Kodifizierung der Schrift, von der grammatikographischen und orthographischen Kodifizierung bis zur Gegenwart) können jedoch in der diachronen Entwicklung dem periodischen Einfluss von externen, strukturerhaltenden oder strukturrestaurierenden Gegengewichten ausgesetzt sein (Relatinisierungstendenzen, Übersetzungsaktivität, Schriftnormierung etc.); soweit diese für den phonischen und speziell den silbentypologischen Bereich Relevanz haben (im Fall des Spanischen gilt dies besonders für die sogenannten grupos cultos, die graphische und lautliche Reflexe haben), wirken sie auf die Peripherie der Silbentypsysteme. Zudem können interne Dispositionen der jeweiligen Sprachsysteme die Silbentypologie beeinflussen, wobei eine ausgeprägte Binnendifferenzierung nach Varietäten greift; zu beobachten sind: ausgeprägte Tendenz zur Optimierung auf eine CVCV-Zielstruktur hin mit Tilgung wort- und silbenfinaler Segmente (spanische Varietäten, BP-Varietäten mit Epenthese-Tendenz), morphologisch bedingt hohe und sehr hohe Coda-Komplexität, die im Widerspruch zur Sonoritätssequenzierungsgeneralisierung (SSG, s. o. 2.1.3) stehen kann (katalanische Varietäten, teilweise EP), phonologisch bedingt (reduzierter Nebentonvokalismus und starke Tendenz zur Tilgung unbetonter Zentralvokale) hohe und sehr hohe Onset-Komplexität, häufig im Widerspruch zum Postulat generalisierter Sonoritätssequenzierung (gerade im EP); in allen drei Sprachen ist die Reduktion von Konsonantenclustern durch Silbenkontaktoptimierung möglich; ebenso sind in allen drei Sprachen Effekte der Artikulationsstile (Lento/Allegro) auf silbenstruktureller Ebene möglich, die in diatopischen Varietäten einzelner Sprachen unterschiedlich zum Tragen kommen.
Für die sekundären Vergleichssprachen der Untersuchung Französisch, Italienisch, Rumänisch, die an vielen Stellen kontrastiv herangezogen und mit Beispielen belegt wurden, ist ein vergleichbar detailliertes silbentypologisches Profil nicht abzuleiten, es sind jedoch Tendenzen festzuhalten, die bereits in 3.7 zur Sprache kamen: – Das Französische neigt einerseits besonders stark zu einfachen, offenen Silben (erst in einigem Abstand folgen Spanisch und Italienisch), zugleich lässt es jedoch, zumal in Allegro-Realisierungen, besonders komplexe Silbentypen zu; s. o. Silbenkomplexitätsskala in Bsp. (88).
6.1 Trajektorien
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Standarditalienisch lässt am linken Silbenrand beträchtliche Komplexität (CCC-Anlaute) zu, während es rechts zu leerer oder wenig komplexer Coda neigt; zugleich weist sein Typinventar eine z. B. im Vergleich zum Spanischen recht hohe Vielfalt von Silbentypen auf. Rumänisch besitzt wie Französisch, östlich-zentrales und balearisches Katalanisch sowie EP Zentralvokale, was besonders in nachlässigen Allegrorealisierungen mit dem Auftreten komplexer Konsonantengruppen korreliert, die außerdem im Onset ausgeprägt durch slawische Lehneinflüsse und in der Coda besonders durch morphologische Markierungen (bei reduzierter Artikulation des Flexionsmarkers /j/) auftreten.
6.1 Trajektorien Die in Teilsystemen, hier den Silbentypsystemen, wirksamen Tendenzen können aufgrund der Gerichtetheit («directionality», cf. Easterday 2019, 287–291) des Entwicklungsverlaufs als Trajektorien visualisiert werden. Sie sind nachfolgend in zwei Diagrammen verdichtet, die die Verhältnisse schematisch stark vereinfachen und einen approximativen bildlichen Eindruck der in diesem (mit vielen weiteren Subsystemen interagierenden) Teilsystem der Silbenphonologie festzustellenden Bewegungen vermitteln sollen (cf. eine vergleichbare, jedoch textuellere Darstellungsweise bei Szczepaniak 2007, Tab. 57, 332). Die erste, steil und etwas idealisiert geradlinig verlaufende Trajektorie zeigt den Entwicklungstrend an, der sich aus einer alleinigen Wirksamkeit der bereits im gesprochenen (doch in typischen Assimilationen in Konsonantengruppen u. ä. auch schriftlich dokumentierten) Latein wirksamen Tendenz zum Abbau silbenstruktureller Komplexität ergäbe. Handelte es sich in katalanischen, spanischen und portugiesischen Varietäten um einen geradlinigen Entwicklungspfad der Silbenkomplexität, so wäre dies wie in Abb. 6.1 zu veranschaulichen. In dieser panchronischen Darstellung sind die Pfeile der Trajektorie nicht als Abbild eines linearen historischen Verlaufs zu sehen, sondern als Entwicklungstendenz im Sinne einer Dynamik gegenüber den Ausgangsstrukturen zu sehen. Doch ein solch idealisiert geradliniger Verlauf entspricht kaum den Realitäten des Lautwandels. Das zweite Schaubild (Abb. 6.2) trägt dem Rechnung, indem es mögliche strukturstabilisierende Faktoren einbezieht. Eine solche immer noch schematisierende Trajektorie, jedoch mit angedeutetem unregelmäßigerem Verlauf berücksichtigt Gegengewichte aus dem Zusammenspiel interner wie externer Faktoren, durch welche Strukturen entgegen einem vorhandenen Trend stabilisiert werden können. Bei diesen Stabilitätsfaktoren kann es sich um interne Faktoren wie die phonotaktische Präferenz einer Sprache für geschlossene oder komplexe Silbentypen
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Abb. 6.1: Silbenkomplexität: idealisierte Trajektorie Spanisch, Katalanisch, EP/BP.
handeln, oder extern-historische Faktoren wie die verstärkte Übernahme gelehrten Wortguts in bestimmten Entwicklungsphasen einer Sprache («Relatinisierungstendenzen» im Lexikon, cf. u. a. Raible 1996) handeln. Der Prozess der Verschriftlichung der romanischen Sprachen (cf. Oesterreicher 1993), deren Gebrauch sich sukzessive auf vorher dem Latein vorbehaltene Diskurstraditionen ausweitet, führt zu einer zunächst graphischen Fixierung der Form von lexikalischen Einheiten. Einwirkungen der graphischen auf die phonische Ebene sind denkbar: a) durch sog. spelling pronunciations (cf. Levitt 1978), von der Graphie beeinflusste Ausspracherealisierungen und/oder b) in der Folge von latinisierenden Graphien und Wortentlehnungen aus dem Lateinischen, die komplexe, im Zuge des Lautwandels bereits verschwundene Silbenstrukturen restituieren können (worauf etwa die sog. grupos cultos im Spanischen zurückgehen). Dagegen scheint das Katalanische, das im Laufe seiner Geschichte durch ähnliche Adstrateinflüsse des Lateinischen geprägt ist, weniger von einer solchen exogenen Stabilisierung betroffen zu sein. Es finden sich allerdings Dubletten wie der Kultismus ignorar ʻnicht wissen’ neben erbwörtlichem enyorar mit Bedeutungswandel zu ʻvermissen’ (< lat. IGNORARE) oder analog aus lat. REGULA die Form regla ʻRegel’ neben rella mit Bedeutungsspezialisierung zu ʻPflugschar’ (cf. Duarte i Montserrat/ Alsina i Keith 1984, 47), mit komplexerem Vokalkontakt (-C1.C2-) in der gelehrten Form (cf. 5.1).
6.1 Trajektorien
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Abb. 6.2: Silbenkomplexität: Trajektorie Spanisch, Katalanisch, EP/BP.
Allgemein bestätigen sowohl sein Silbentypinventar als auch die einzelnen Typfrequenzen eine phonotaktische Tendenz des Katalanischen zu relativ komplexen Silben, die es – besonders in seiner östlich-zentralen Varietät – deutlich von der Nachbarsprache273 Kastilisch unterscheidet. Die phonologisch-systematischen Gründe hierfür, d. h. die Besonderheiten seines «phonological make-up» resümiert Recasens in seiner akustischen Untersuchung zur temporal-rhythmischen Organisation des Katalanischen: «In spite of Catalan being a Romance language, its phonological makeup does not fully-accord with that of other syllable-timed274 languages such as Italian or Spanish. Indeed Catalan allows consonant clusters [of] up to three segments in syllable-final position and has a schwa in unstressed position» (Recasens 1991, 230). Von silbenzählenden Sprachen bzw. in Auers (1993; 2001; Szczepaniak 2007; Caro Reina 2019) Typologie Silbensprachen wie Italienisch und Spanisch unterscheidet es sich besonders durch die hohe Zahl in der Silbencoda zulässiger Segmente (0–3, cf. 2.1.2) und Schwa in unbetonter Stellung, die zu Caro Reinas (2019, 414) Einstufung des Zentralkatalanischen als Vertreter eines akzentsensitiven (u. a. geprägt durch Reduktion von unbetonten Vokalen) Untertyps von Wortsprache mit komplexer Silbenstruktur führt.275
Das Aragonesische und aragonesisch-katalanische Übergangsdialekte mit potentiellen Transitionserscheinungen bleiben hier außer Betracht. Cf. Dauer (1983); Auer (2001); Dufter (2003). Mallorkinische Dialekte des Katalanischen kennen darüber hinaus auch haupttoniges Schwa (cf. Radatz 2010; Pons-Moll 2011).
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Für das Portugiesische (s. o., 3.5 und 3.6.3) gilt in seiner europäischen Varietät gleichermaßen eine hohe systematisch bedingte Inzidenz komplexer Silbentypen. Brasilianische Varietäten des Portugiesischen zeigen dagegen – wenngleich in vielen Varietäten durch Assibilierung von Dentallauten vor den Palatalvokalen /e/ und /i/ Affrikaten, d. h. neue komplexe Laute entstehen276 –, charakteristische Fälle von Vokalepenthese zur Clustervereinfachung. Sie fügen sich damit in einen gesamtromanischen Trend zu offenen Silben, wie er in ähnlicher Weise eher im Spanischen sichtbar ist. Auch auf der silbenphonologischen Ebene manifestiert sich hier eine spannungsreiche Divergenz zwischen EP und BP, die das Bild auseinanderstrebender Systeme vermittelt. In der Zusammenschau können die iberoromanischen Sprachen Spanisch, Katalanisch, Portugiesisch zwei Arten von Zentrum-Peripherie-Konstellation zugeordnet werden. Im Spanischen ist eine recht deutliche Zweiteilung festzustellen zwischen zahlenmäßig weitaus überwiegenden einfachen, vorzugsweise offenen Silbentypen und weiteren Typen bis zu Maddiesons Komplexitätsstufe 2 (CCVC), im Zentrum des phonotaktischen Systems und komplexeren Typen (CCVCC, cf. Präfixe wie sp. trans- [trans] etc.), deren Entstehung auf lehnwortphonologische Prozesse rückführbar ist, in der Peripherie des Systems mit niedrigeren Okkurrenzen (s. o., Kap. 5). Diese Konstellation erscheint im modernen Standardspanisch stabil. Insbesondere in südlichen (sowie überseeischen Tiefland-)Varietäten ist ein weiteres Ausgreifen offener Silben, insbesondere des CV-Typs, vorstellbar, in dem Maße wie informelle AllegroSprechweisen durch Prestigegewinn, Domänenerweiterung, reine Frequenzzunahme etc. auch innerhalb des Spektrums diaphasisch akzeptierter Normrealisierungen Raum erhalten (cf. die von Bybee 2001, 209, skizzierten Wandelpfade mit Realisierungen wie esto [ˈehto], entonses [enˈtonse]). Das Katalanische und das EP zeigen neben offenen Silben und dem dominierenden CV-Typ eine höhere Präsenz komplexer Silbentypen. Diese stehen in beiden Sprachen im Zusammenhang mit systembedingten Tendenzen: einerseits frühromanischen Prozessen der Vokaltilgung, andererseits mit der Zentralisierung und Tilgung unbetonter Vokale bis in die Gegenwartssprache hinein. Komplexe Silben gehören hier zum Zentrum bzw. zu den zentrumsnahen Bereichen des jeweiligen Silbensystems. Das Katalanische lässt sehr komplexe Coden zu (-CCC: bruscs, -CCCC: mixts).277 Hingegen toleriert das EP phonetisch komplexe Onsets (z. B. durch Tilgung von
Es handelt sich um Realisierungen wie sete [ˈsɛʧi] (EP: [ˈsɛt(ə)]). Die dabei entstehenden Affrikaten affizieren somit primär den Onset, varietätenbedingt kann es durch Ausfall wortfinaler Vokale jedoch auch zu Veränderung der Coda kommen (z. B. noite [nojʧ]). Es sind jedoch auch (phonische und graphische) Varianten mit Vokaleinschub (brusc[u]s) möglich. Weiter ist für das Katalanische stets die Einschränkung zu machen, dass das Gesagte für das östlich-zentrale Standardkatalanisch gilt, westkatalanische Varietäten haben keinen Zentralvokal
6.2 Ausblick: phonotaktische Entwicklungspfade in der Iberoromania
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prosthetischem e), es sind aufgrund getilgter Vokalsegmente mitunter Realisierungen ‹superkomplexer› Anlaut-Cluster zu beobachten (cf. Bsp. 61, EP d(e)spr(e)zar), die phonetisch eine tautosilbische Wertung zumindest nahelegen (cf. Bsp. 61b'). Solche komplexen Typen aus Allegro-Varietäten mögen derzeit der Systemperipherie des EP zuzurechnen sein. Zweifellos liegt jedoch in der ausgeprägten Tendenz des EP zur Tilgung unbetonter Vokale (wortfinal und wortintern), die auch mediale Varietäten (Nachrichtenansagen etc.) prägen, ein Charakteristikum, welches auf Dauer das Spektrum üblicher Silbentypen erweitert und damit die Zugehörigkeit des Portugiesischen zum wortsprachlichen Rhythmustyp verdeutlicht (s. o., 3.5 und 4.4.2 sowie Auer 1993, 25–29; 2001). Für die Varietät des BP (mit der offenen Frage einer allgemeingültigen Referenznorm, cf. 3.5 und Große 2014, 660) zeigen die in 3.5 erwähnten Beispiele abweichende Tendenzen auf. Hier scheinen komplexe Silbentypen eher zur Systemperipherie gehörig, es dominieren einfache, offene Silben. Mittelfristig ist jedenfalls davon auszugehen, dass angesichts eines im BP extern weniger fixierten Normmodells der Aussprache als im EP278 ein größeres Variationsspektrum verbleibt.
6.2 Ausblick: phonotaktische Entwicklungspfade in der Iberoromania Während sich jenseits der oben noch einmal zusammengefassten Tendenzen für die Silbentypsysteme des Rumänischen, Italienischen und Französischen279 (noch) kein klares Gesamtbild ergibt, bieten die drei großen Sprachen der Iberoromania Ansätze für eine Systematisierung der typologischen Tendenzen. In der Gesamtschau stehen die Silbensysteme der drei iberoromanischen Sprachen für unterschiedliche Pfade der Entwicklung (im Sinne von Bybee 2001): – Am konservativsten stellt sich das (Zentral-)Katalanische dar, dessen Silbentypinventar seit dem Mittelalter kaum noch Wandel aufweist – es sei an Rasicos Resümee der phonologischen Evolution des Katalanischen erinnert: «Cap al darrer quart del segle XIII l’estructura fonològica del català era gairebé idèntica a la de la llengua moderna» (1982, 245). Konsonantisch komplexe
(kat. vocal neutre) und weisen eine teils andere Phonotaktik auf (zur rhythmustypologischen Klassifikation des Katalanischen cf. 4.4.2 und Caro Reina 2019). Innerhalb eines insgesamt begrenzteren Variationsspektrums des EP dominiert in Medien und Öffentlichkeit die Lissaboner Varietät. Für das Französische ist hier, wie in anderen Bereichen seiner typologischen Verfasstheit, eine besondere Spannung gegenläufiger Trends zu beobachten (zu den Schwierigkeiten seiner sprachrhythmischen Klassifizierung cf. 4.4.2).
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Typen wie CVCC (dels), CCVCC (gròcs) sind durch die katalanische Morphologie sanktioniert und gehören somit zum Zentrum des Systems. Die reich vorhandenen wortinternen und -externen Assimilationsphänomene, von denen bereits die Rede war, weisen dabei sowohl in Richtung einer Komplexifizierung (kat. poble [ˈpob.ble]) wie einer Vereinfachung von Silben (kat. aquest noi [ə.ˈkɛt.nɔj]) und scheinen sich für den gegenwärtigen Sprachzustand gewissermaßen die Waage zu halten, so dass sich das Bild einer momentanen Stabilität des Systems ergibt. Das Spanische ist charakterisiert durch die Persistenz des Trends zu offenen Silben, während der gegenläufige Trend zu apokopierten Formen in älteren Sprachstufen (cf. Catalán 1971; Tuten 2003) mit der Folge geschlossener Silben im Lexikon zwar Spuren hinterlässt, aber in gesprochenen Registern eher die Auflösung von Coda-Segmenten zu beobachten ist (cf. Aussprachen wie sp. verdad [bɛɾˈda]). In Lento-Registern bleibt das bereits im Altspanischen ersichtliche Silbentypinventar im Ganzen erhalten, konsonantisch komplexe Typen wandern jedoch zunehmend an die Peripherie des Systems, das in seinem Kern mit den Typen CV, CVC, V, CCV, VC, CCVC auskommt. Eher am Übergang zwischen Zentrum und Peripherie sind Typen wie CGVG (buey (/bwej/) und CCGV (trueno /ˈtrwe.no/) zu verorten, die gegenüber der konsonantischen Einfachheit des spanischen Systems die relative Komplexität seiner Diphthonge mit Konsequenzen für Onsets und Silbenreime aufgrund der Entstehung von Gleitlauten bezeugen. Besonders in seinen südlichen und überseeischen Tieflandvarietäten zeigt Spanisch die zunehmend klare Tendenz zum Typ einer CV-Sprache, in der dieser Silbentyp gegenüber sämtlichen anderen Strukturen das systematisch zentrale Baumuster darstellt. Silbentypologische Komplexitätsreduktion in diachronem Wandel wie in synchroner Variation (besonders in Allegro-Sprechweisen) ist hier auf das CV-Muster als Endpunkt silbenstruktureller Komplexität gerichtet. Das portugiesische Silbensystem tendiert dagegen in der europäischen Varietät (anders als im BP, für das die Forschung ein klareres Bild noch zeigen muss) zur Komplexitätszunahme. Beim Vergleich der im Altportugiesischen möglichen Silbentypen mit dem heutigen Inventar wird deutlich, dass komplexere Typen nun eine bedeutendere Stellung einnehmen. Massini-Cagliari (2005, 181) führt für das Altportugiesische folgende Typen auf: V, CV, VC, CVV, CVV, CVN, CVC, CVVC, CCVC, CCVN.280 In diesem Inventar erscheinen noch nicht komplexe Silbenmuster wie CCVCC und CCVGC, die Netto (2001, 146) u. a. für das Portugiesische (beide Varietäten) identifizieren. Hinzu kommen übliche phonetische Realisie-
In dieser Notierung ist bei Diphthongen der Nukleus unterstrichen.
6.2 Ausblick: phonotaktische Entwicklungspfade in der Iberoromania
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rungsmuster (CCCC- etc.), wie sie in 3.5 besprochen wurden, die zu noch weitaus komplexeren, das Inventar erweiternden Silbentypen führen. Mögen derartige Muster noch am Übergang zwischen Peripherie und Kern des Silbensystems stehen, so sind Typen wie CCVGC (z. B. pt. an.ces.trais /-tɾajs/) eindeutig im zentralen Bereich des Systems anzuordnen. Für potentielle künftige Anwendungen des hier entwickelten Zentrum-PeripherieModells ist insbesondere die Dynamik von Traditionselementen im Spannungsfeld zwischen zentralen und peripheren Systembereichen in den Blick zu nehmen. Noch mehr Aufmerksamkeit verdient die Core-Periphery-Unterteilung auch beim Ranking von Strukturbeschränkungen im Rahmen optimalitätstheoretischer Modellierungen, trotz gewisser Engführungen bei der Begründung der manchmal ad hoc formulierten Beschränkungen (cf. 4.3.1, 5.3). Jenseits einer primär theoretischen Hierarchisierungsfunktion kann eine breitere funktional-typologisch angelegte Betrachtungsweise, die das Potenzial der ursprünglich strukturalistischen Unterscheidung von zentralen und peripheren Systembereichen ausschöpft, manches zur Klärung alter Probleme der Forschung beitragen. Über die Silbenphonologie hinaus wäre so etwa zu klären, ob Elemente der Norm als Archaismen, d. h. von der Tradition konservierte, aber wenig funktional ausgelastete Einheiten, sich in einem oder mehreren Teilsystemen aus dem zentralen in periphere Systembereiche verlagern können. Modelle des Sprachsystems, welche Peripheriephänomene ausblenden bzw. als nicht theorierelevant ansehen, tun sich schwer damit, die Irregularität, diachronische Dynamik und synchronische Variation einer Reihe von sprachlichen Phänomenen zu erfassen und zu erklären – seien es persistierende archaische Züge in der einzelsprachlichen Phonologie, komplexe Silbentypen, reliktartige bzw. heterogene lexikalische Erscheinungen (auf Form- wie Bedeutungsebene), oder auch morphologische Paradigmen, syntaktische Konstruktionen, pragmatische Marker, die gegenläufig zu den grammatischen Kerntendenzen funktionieren. Eine systembezogene und systematisch angewendete Zentrum-Peripherie-Perspektive verheißt hierfür neue, lohnende Erklärungsansätze.
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Register Affrikate 11, 13, 129, 206, 224 Akzentdomäne 68 Akzentposition 35, 37, 43, 83, 84, 185 Akzentsensitivität 189 akzentzählend, stress-timed (Rhythmus) 107, 182–185, 188 Allegroaussprache/-realisierung 10, 71–73, 110, 122, 135, 142, 190, 221 Apokope, apokopierte Formen 72, 98, 112, 170, 226 Archaismen 174, 181, 227 Artikulation 51, 59, 71, 105, 108, 124, 134, 142, 199, 221 Aspiration 23, 24, 71, 158 Assimilation 13, 30, 94, 101, 134, 158, 196, 197, 221 Beschreibungsebene 2, 33, 41, 55 57, 135, 136, 146, 153, 165, 173 Chest pulse theory 37 Coda-Cluster 135, 168 Clustervereinfachung 72, 100, 133, 206, 224 Core-Periphery (Unterteilung) 79, 127, 157, 227 core grammar, Kerngrammatik 69, 146–149 core syllable type, Kernsilbentyp 39, 79, 99, 130, 158, 160, 171, 196 cultismo 162, 171, 194–196 CV-Phonologie 79–81 CV-Silbenmuster 39 CV-Typ 21, 47, 98, 111, 116, 135, 137, 194, 220, 224 Diphthong 20, 36, 72, 84, 95, 97, 102, 103, 111, 125, 180, 226 Diphthongierung 38, 189 Diskurstradition 109, 113, 114, 128, 177, 178, 222 Drift 96, 221 Dubletten 30, 170, 197, 199, 200, 222 ear-loan 193, 199 Einfachheit vs. Komplexität (Silben) 77, 131 Empfängersprache 1, 19, 106, 168, 175, 180, 193, 195, 203, 204 entrenchment 19, 48, 69, 150, 154, 155 Entwicklungspfad 91, 221, 225
https://doi.org/10.1515/9783110648423-009
Epenthese 21, 24, 92, 129, 140, 168, 219, 220 – Vokalepenthese 24, 168, 186 Evolutionary phonology 90 eye-loan 193 Exemplartheorie 88, 91 extrasilbisch 11, 49, 53, 130, 187 Flexionsmarker 28, 95, 221 Flexionsmorphologie 131, 149, 151, 211 Frequenz 18–21, 47, 48, 63, 64, 88, 98, 110–126, 131, 150–158, 223, 224 – Frequenzanalyse 110, 117 – Frequenzliste 115, 122, 131 – Frequenzuntersuchung 14, 19, 98 – Gebrauchsfrequenz 88, 155, 157, 161 – Hochfrequenzphänomene 155 Gebersprache 193, 203 gelehrte Entlehnung 25, 174, 177, 194, 196, 198, 213 Gewichtskontrast 108 Gleitlaut 11, 13, 82, 97, 111, 121, 126, 226 Graphem-Phonem-Zuordnung 29, 146, 199 Grammatikalisierung 72, 92, 174, 177 grupos cultos 9, 12, 14, 25, 26, 220, 22 Hochlandvarietäten 141, 162, 163 Interferenz 161, 180, 194 Input 165–169, 174, 181, 208, 213 Isochroniehypothese 181, 182, 186 Kernwortschatz 52, 131, 174, 193, 198 komplexe Cluster 137, 197 komplexe Silbentypen 14, 30, 80, 87, 119, 142, 151, 163, 164, 171, 191, 194–199, 204, 220–225, 227 Konsonantencluster/-gruppen 9, 11, 13, 21, 51–53, 71, 77, 86–90, 104, 106, 131–134, 140, 141, 162, 186, 195–198, 205, 219–221 Konsonantismus 23, 198, 206 Konstituentenstruktur 41 Kultismen 5, 9, 12–17, 26, 30, 115, 194–197, 200, 204, 213, 222
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Register
Lateral 13, 52, 73, 131, 138, 197, 205 Lateral phonology 81 Lautwandelprozess 28, 175, 195, 196 latinisierende Graphie 15, 222 Lehnwortadaption 157, 168, 169, 175, 205 Lehnwortphonologie 164, 167–173, 197, 213 Lehnwortschatz 3, 131, 169, 173, 193–194 Lentoaussprache/-register 67, 142, 162 Lento vs. Allegro 10, 66, 71–73, 103, 127, 134, 140–142, 162, 163, 171, 190, 199, 211, 220 lexikalische Diffusion 165, 193 Liquid 13, 48, 52, 73, 95, 97, 99, 105, 108, 126, 131, 137–139, 212 Markiertheit 1, 20, 35, 47, 48, 78, 135, 148, 151, 152 – Markiertheitsbeschränkung 46, 166, 180, 181 – Markiertheitstheorie 47 Maximalsignifikanten 68 mentale Repräsentation 37, 150, 175 Merkmalhaltigkeit vs. Merkmallosigkeit 47, 135 Minimalsignifikanten 57, 61, 63, 65 Monophthong 95, 205 More 182, 188 morenbasierter Rhythmus 184, 189 Morphosyntax 89, 93, 172, 173 Motor theory 37 mot savant 194, 199 Muta cum Liquida (McL) 13, 14, 101, 131, 197, 205, 212, 215 Nähe-Distanz-Kontinuum 10, 171 Natürlichkeit 52, 168, 175 Normrealisierung 162, 224 Öffnungs- und Schließbewegung 38, 39 Okkurrenz(en) 69, 112, 119–126, 229 Onset-Cluster 126, 212 Optimalität 198, 207, 210 Optimalitätstheorie 3, 16, 38, 91, 157, 164, 165, 174, 180, 207 Output-Kandidat 165, 214 Palatalisierung, palatalisierte Laute 11, 145, 196 periphery 69, 146, 147, 148, 169 Phoneminventar 19, 58, 173 phonologische Prozesse 10, 34, 135, 169, 209, 224
phonotaktische Präferenz 21, 221 phonotaktische Beschränkungen 35, 40, 44,47, 49, 50, 52, 168 phrasenbasierter Rhythmus 184 Präferenzgesetze 35, 47, 49, 50, 52, 82, 83 – Akzentsilbengesetz 83, 84 – Kodagesetz 83 – Finalgesetz 83 – Initialgesetz 83 – Kopfgesetz 82, 83 Prominence theory 37 prominenzbasierter Rhythmus 184 Prominenzgipfel 35, 37 Prosodic phonology 61 Ranking, constraint ranking (OT) 92, 157, 165, 166, 169, 214, 215, 227 Realisierungsspektrum 70, 154 Relatinisierungstendenzen 13, 25, 170, 220, 222 Resyllabierung 46, 139, 151, 190 Rhythmusklasse 107, 183 Rhythmustypologie 181, 184, 185 Richness of the base (Hypothese) 167, 169, 174 Sandhi 2, 102, 187, 209 Schreibtraditionen 28, 170 Schriftsysteme 22, 28, 29, 36–38, 54, 171 – Silbenschriftsystem 38 – silbenbasiertes Schriftsystem 2, 37 schriftinduzierte Formen 141, 162, 180 Schwundformen 35, 73, 103 Schwa 49, 72, 73, 99, 103, 104, 105, 130, 132, 138–140, 198, 211, 223 Semikultismen 12, 14, 17, 30, 101, 195, 196, 198 Signifikantenhierarchie 54, 61 Signifikantenzuordnung 70, 71 Silbenbau 76, 82, 83 – Silbenbaumodelle 19 – Silbenbaumuster 6, 164 Silbengewicht 43, 83, 84, 108 Silbengipfel 60, 105, 210 Silbengröße 78, 85, 91 – maximale Silbengröße 81, 85 Silbenkomplexität 3, 10, 15, 17, 84, 135, 158, 170, 183, 190, 199, 221, 223 – Silbenkomplexitätsskala 130, 138, 220 Silbenkonstituenten 70, 96, 105, 125
Register
Silbenkontakt 200, 215 – Silbenkontaktoptimierung 77, 96, 220 Silbenränder 14, 24, 41, 48, 86, 138 Silbenreim 28, 41, 43, 105, 111, 210, 226 Silbensprache 107, 109, 186, 188, 190, 191, 209, 223 Silben- vs. Wortsprache 183, 186 Silbenstrukturtypologie 48, 80, 181 silbenzählend, syllable-timed (Rhythmus) 182–85, 188, 189, 223 silbische Organisation 50, 70, 71 Sonorisierung 11, 20, 71, 209, 210 Sonorität 38, 48–50, 105, 108 – Sonoritätsabfolge 35, 46–49, 108 – Sonoritätshierarchie 11, 99, 108, 131 – Sonoritätsoptimierung 24, 30, 131, 197 – Sonoritätsprofil 49, 108, 132 – Sonoritätssequenzierung 138, 205, 212, 220 – Sonoritätsskala 108, 138, 187 Sonority Sequencing Generalization (SSG) 48 spelling pronunciation, Leseaussprache 9, 26, 140, 145, 180 Spirant 13, 49, 95, 126 Sprachausbau 150, 171 Spracherwerb 47, 48, 56, 59, 74, 135 Sprachkontakt 3, 4, 17, 19, 25, 136, 160, 171, 174 – Sprachkontaktsituationen 93, 149 – Sprachkontakteinflüsse 174 Sprachproduktion 9, 38, 39, 55, 174, 180 Sprachwandel 4, 22, 29, 174 – Sprachwandeltendenzen 21, 25 – Sprachwandelphänomene 152, 175 – Sprachwandelprozesse 47, 135, 175 Sprechtempo 71, 94, 126 Sprechrhythmus 17, 57, 107, 181 stray (segment) 49, 53, 95 Strict CV phonology 81, 168 Struktureigenschaft 35, 54, 146 Strukturmodell 35, 40 Strukturvereinfachung 90, 194 Syllabierung 10–13, 25, 36, 51–53, 56, 82, 110, 127, 131, 136, 140, 215 – Syllabierungsregeln 36, 79–80 – Syllabierungstheorie 36 Synkope 13, 72, 92, 94–96, 195, 197
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Tableau 214 Tieflandvarietäten 142, 163, 226 tierras altas/tierras bajas 22, 23, 141, 163, 206 Trajektorie 22, 47, 91, 220, 221 Treuebeschränkung 166–169, 181, 208, 216 Typfrequenz 112–121, 130, 223 Unmarkiertheit 1, 39, 47, 135 Universalien 20, 79, 88, 91, 149, 159, 160, 176, 177 Universalität 14, 47, 61, 165, 210 usage-based, gebrauchsbasiert (Ansatz) 19, 88 varietätenlinguistisch (Ansatz) 175 Varietätenraum 122, 136 Versprecher 36–38, 78 Vibrant 52, 105, 108, 131 Vokalismus 23, 24, 129, 163, 186, 187, 198, 206, 210 Vokalprosthese 4, 97, 129, 139, 215 Vokalsequenzierung 125 Vokaltilgung 102, 104, 132, 135, 163, 186, 187, 191, 206, 224 Vollformen 10, 71, 73, 103, 154, 211 Vorkommenshäufigkeit 18, 69, 10, 94, 109, 148, 151, 154, 155, 212 Weight-Stress Principle (WSP) 84, 108 Wohlgeformtheit 52, 166, 173, 180, 181 – Wohlgeformtheitsbeschränkung 165, 169 – Wohlgeformtheitspräferenzen 173 Wortakzent 107, 185–187 Wortgruppenakzent 190 Wortschatzschichtung 195, 198 Wortsprache 107, 183, 186, 187, 189, 191, 209, 223 Zeichenextension 54, 57, 68 Zeichenträger 54, 57, 60, 62 Zentralvokal 129, 130, 137, 220, 221 Zentrum-Peripherie-Konstellation 2, 156, 170–174, 181, 193, 206, 224 Zentrum-Peripherie-Modell 147, 149, 159, 227 Zipfsches Gesetz 18, 64, 109