Sein und Werden im Recht: Festgabe für Ulrich von Lübtow zum 70. Geburtstag am 21. August 1970 [1 ed.] 9783428421800, 9783428021802


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German Pages 862 [873] Year 1970

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Sein und Werden im Recht: Festgabe für Ulrich von Lübtow zum 70. Geburtstag am 21. August 1970 [1 ed.]
 9783428421800, 9783428021802

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Sein und Werden im Recht Festgabe für Ulrich von Lübtow

Sein und Werden im Recht Festgabe für Ulrich von Lübtow zum 70. Geburtstag am 21. August 1970

herausgegeben von

Walter G. Becker und Ludwig Schnorr von Carolefeld

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Redaktion: Manfred Harder und Georg Thielmann

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdnlcks, der photo mechanischen Wiedergabe und der übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Berliner BUchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed In Germany

Vorwort Am 21. August 1970 vollendet Ulrich von Lübtow sein 70. Lebensjahr. Freunde, Kollegen und Schüler gratulieren mit dieser Festgabe. Der Jubilar hat sein ganzes Arbeitsleben in den Dienst der universitätswissenschaftlichen juristischen Forschung und Lehre gestellt. Sein reiches wissenschaftliches Werk reicht vom antiken bis zum heutigen Recht. Es umfaßt Recht und Staat im Wandel der Jahrtausende. Das am Schluß des Bandes abgedruckte Schriftenverzeichnis legt davon Zeugnis ab. Wir stehen vor einer großen Lebensleistung. Möge Ulrich von Lübtow in Frische und Gesundheit weiter leben und weiter arbeiten - in mul tos annos! Wir danken allen, die durch ihre Beiträge diese Festgabe ermöglicht haben. Die langjährigen Wissenschaftlichen Mitarbeiter des Jubilars, die Herren Dr. Manfred Harder und Dr. Georg Thielmann, haben die Redaktion des Buches übernommen. Dafür sprechen wir ihnen dankbar unsere Anerkennung aus. Unser besonderer Dank gilt dem Inhaber des Verlages Duncker & Humblot, Herrn Dr. Johannes Broermann, für die bereitwillige Aufnahme der Festgabe in sein Verlagsprogramm.

Walter G. Recker

Ludwig Schnorr von Carolsfeld

Inhaltsverzeichnis Ulrich von Lübtow

1

Grundfragen der Rechtswissenschaft Brief an einen Habilitanden Von Hans Thieme ..................................................

9

Mensch, Staat und Gesellschaft. Soziologische Prolegomena zur Rechtsphilosophie Von Walter G. Becker ................. . .... . ...... . ....... ...........

23

Der Begriff Gesetz Von Ernst Wolf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109

Kleiner Beitrag in juristischer Absicht zum Spannungsverhältnis zwischen Dogmatik und Historik Von Walter Hellebrand ..... . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . 137 Altägyptisches und altgriechisches Recht Randbemerkungen zum Sklaventum im alten Ägypten Von Vojtech Polacek ................................................

153

Ein Fall von Grundkredit im alten Griechenland (SEG XXIV 583) Von Arnold Kränzlein..............................................

173

Römisches Recht Die römischen Juristen in der politischen Gesellschaft des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts Von Franz Wieacker

183

Wege zu Julian Von Erwin Seidl ....................................................

215

Sprachliche und historische Beobachtungen zu den leges XII tabu la rum Von Gerhard Radke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223

eIL VI, 266 (Lis fullonum). Sul testo deI documento Di Francesco de Robertis ............................................

247

Für eine wirklich historische Auslegung der römischen Rechtsquellen Von Milan Bartosek .. ........ . . . . ... . ... . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .

255

Die "Grundgesetze" der römischen Republik Von Endre Ferenczy ................................................

267

Senatus consultum ultimum Di Antonio Guarino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281

VIII

Inhaltsverzeichnis

Sententiae Hadriani de re militari By A. Arthur Schiller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

295

Legis actio per iudicis arbitrive postulationem e processo formulare Due testimonianze nel Digesto (D. 45, 1, 83, 1; D. 19, 1, 38, 2) Di Gaetano Scherillo ............................................ . ...

307

Sulla legittima difesa e sullo stato di necessita in diritto romano Di Giannetto Longo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

321

Aequitas evidens Von Theo Mayer-Maly ..............................................

339

Die Fiktion "pro non scripto habetur" als Beispiel fiktionsbewirkter in terpreta tio Von Elmar Bund ...................................................... 353 Drunkenness in Roman Law By Alan Watson ....................................................

381

Neues zu Ulp. D. 4, 2, 9, 4 (lib. 11 ad ed.) Von Fritz Sturm. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

389

Gaius 1, 111 und die Ehe usu Von Constantin St. Tomulescu . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .

401

Riflessioni sulla costituzione delle servitu e dell'usufrutto pactionibus et stipulationibus sui fondi provinciali Di Giuseppe Grosso. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

411

La mancipation et la garantie d'eviction dans les actes de vente de Transylvanie et d'Herculanum Par Philippe Meylan ................................................

417

La distinctio re - verbis - litteris - consensu et les problemes de la pratique Par Carlo Augusto Cannata ................................... . ......

431

Naturalis obligatio pupilli By J. A. C. Thomas ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

457

Die römische Eviktionshaftung nach Weiterverkauf Von Max Kaser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

481

De la "communicatio rerum" dans la societas omnium bonorum Par Pierre Cornioley ................................................

493

Zum transmortalen und postmortalen Auftrag nach römischem und geltendem Recht Von Manfred Harder ........ ........................................

515

Condictio ob Causam Datorum, Furtum, Aquilische Haftung. Ein exegetischer Versuch Von Hans Julius Wolff ..............................................

537

Mittelalterliches Recht und Privatrechtsgeschichte der Neuzeit Römische und germanische Rechtstradition und Neugestaltung des Rechts am Beispiel der oberitalienischen Stadtverfassung Von Gerhard Dilcher ................................................

547

Inhaltsverzeichnis

IX

Die Verträge zugunsten Dritter in den Schriften einiger mittelalterlicher Romanisten und Kanonisten Von Hans Ankum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

555

Beschränkungen der Testierfreiheit in deutschen Stadtrechtsreformationen und Landrechten der Rezeptionszeit Von Gunter Wesener. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

569

Nota sulla limitazione della garanzia per l'evizione nelle legislazioni dalla romana derivate Di Giambattista Impallomeni ........................................

595

Burkhard Wilhelm Leist. Gedanken zu einer Theorie von den naturalen Fundamenten des Rechts Von Gerhard Sprenger ..............................................

603

Jherings Besitztheorie und die ungarischen privatrechtlichen Kodifizierungsversuche Von Elemer P6lay ..................................................

627

Privatrecht und Zivilprozeß Rechtsvergleichung bei einigen Problemen des Deutschen und Schweizerisch-Türkischen Rechts Von Kudret Ayiter ..................................................

651

Zur Schlechterfüllung Von Ludwig Schnorr von Carolsfeld ...................... . . . . . . . .. . . .

667

Probleme der Nachbesserungsklausel beim Kauf Von Georg Thielmann ..............................................

701

Die Verfügung von Todes wegen zur Bestimmung, zur Änderung und zum Widerruf der Bezugsberechtigung aus einem Lebensversicherungsvertrag Von Horst Bartholomeyczik . .. .. . . .. .. .. .. ..... . ... .. . .. .. . . .. . ... .. .

729

Die Beschränkung der Vertragsfreiheit durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten Von Reinhard Richardi ..............................................

755

Zur Frage des materiellen Anspruchs bei Unterlassungsklagen Von Uwe Wesel ....................................................

787

Zur Lehre vom Pfändungspfandrecht Von Arwed Blomeyer ................................................

803

Strafrecht und Strafprozeß Zweiteilung der Hauptverhandlung? Von Ernst Heinitz ..................................................

835

Strafrechtsrefonn und Strafvollzug Von Richard Lange..................................................

847

Schriftenverzeichnis Ulrich von Lübtow ..............................

857

Verzeichnis der Mitarbeiter ..........................................

861

Ulrich von Lübtow Ulrich" von Lübtow wurde am 21. August 1900 in Demmin (Vorpommern) geboren. Nach dem Besuch des dortigen Gymnasiums studierte er Rechtswissenschaft an den Universitäten Greifswald und Freiburg i. Br. Mit 22 Jahren promovierte ihn die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Greifswald zum Doktor der Rechte. In demselben Jahre legte er vor dem Justizprüfungsamt bei dem Oberlandesgericht Stettin die erste juristische Staatsprüfung ab. Das Assessorexamen bestand er 1926. Er trat nun in den preußischen Justizdienst ein. Am Landgericht Greifswald, an mehreren Amtsgerichten dieses Bezirks und am Arbeitsgericht Stralsund war er als Gerichtsassessor tätig, wurde 1930 Amts- und Landrichter, schließlich 1934 Land- und Amtsgerichtsrat am Landgericht Greifswald. Diese Jahre seines Richteramts, in denen er nicht nur auf den Gebieten der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern auch als Strafrichter reiche Erfahrungen sammelte, ließen ihn auch später als Forscher und Hochschullehrer niemals in die Lage eines weltfremden Stubengelehrten geraten, sondern schärften seinen Blick für die praktische Anwendbarkeit rechtswissenschaftlicher Erkenntnisse. Neben dem richterlichen Hauptamt widmete er seine wissenschaftliche Arbeit besonders dem römischen Recht. Seit 1931 war er Lehrbeauftragter für römisches Recht an der Universität Greifswald. Zwei Jahre später habilitierte er sich dort mit der Schrift über den Ediktstitel ,Quod metus causa gestum erit'. Als Privatdozent führten ihn Gastvorlesungen an die Universitäten Marburg, Freiburg i. Br., Köln und Rostock. Im September 1939 wurde er auf Antrag der Kölner Juristischen Fakultät zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Im Juli 1940 nahm er einen Ruf als Nachfolger von Hans Walsmann auf ein Ordinariat an der Universität Rostock an. Gegen Ende des Krieges erhielt er einen Ruf an die Universität Marburg, der aber infolge der entstandenen Wirren nicht mehr verwirklicht werden konnte. Im November 1948 berief man ihn als einen der ersten Professoren an die damals gerade erst gegründete FreieUniversitätBerlin. Seitdem vertritt er dort in Forschung und Lehre die Fachgebiete Römisches Recht, Bürgerliches Recht und Zivilprozeßrecht. Gleichzeitig wurde er zum Direktor des Instituts für Rechtsgeschichte (Abteilung Antikes und Gemeines Recht) sowie zum Mitdirektor des Instituts für Bürgerliches Recht, Handels- und Zivilprozeß1 Festgabe Lübtow

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Ulrich von Lübtow

recht bestellt. Seit 1959 ist er außerdem Herausgeber der Schriftenreihe "Berliner Juristische Abhandlungen". Der bleibende Wert der Rechtsgeschichte für das moderne Recht spiegelt sich in den Werken von Lübtows lebendig wider. In seinem reichen literarischen Schaffen sind Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik aufs engste verbunden. Auf dieser Synthese beruht die 1949 erschienene Schrift "Schenkungen der Eltern an ihre minderjährigen Kinder und der Vorbehalt dinglicher Rechte". Die fortlaufende fruchtbare Verbindung von Altem und Neuem zeigte sich dann vor allem in den "Beiträgen zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht", 1952. Dort wird dargelegt, wie sich die klassische condictio grundlegend von der byzantinischen unterschied und welchen Schaden die kritiklose Übernahme byzantinischer Gedanken dem geltenden Bereicherungsrecht zugefügt hat. Von Lübtow weist dabei auch den Weg, wie ein Teil dieser mißlichen Folgen durch die Rückkehr zu den klassischen Grundsätzen im Rahmen der positiven Bestimmungen vermieden werden kann. Zu den Werken, welche die historische Erkenntnis für das geltende Recht nutzbar machen, gehört weiter die Abhandlung "Hand wahre Hand, Historische Entwicklung, Kritik und Reformvorschläge" in der Festschrift der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen Juristentag in Berlin 1955 (S. 119 bis 237). Der Titel verrät bereits, daß es dem Verfasser bei seiner historischen Forschungsarbeit nicht um das Sammeln von Rechtsaltertümern, sondern um das Fortwirken der wertvollen Erkenntnisse früherer Zeiten und das Ausscheiden verderblicher, gedankenlos von Generation zu Generation mitgeschleppter Irrtümer geht. Neuerlich zeigt sich die Meisterschaft von Lübtows, die Erkenntnisse des Rechtshistorikers für die moderne Dogmatik fruchtbar zu machen, in seinem Buch "Die Entwicklung des Darlehensbegriffs im römischen und im geltenden Recht", 1965. Den Wert der historischen Forschung für die Gegenwart hat er vortrefflich in seiner äußerlich nur wenig umfangreichen, aber im Inhalt stets wieder als erstaunlich reichhaltig und anregend erscheinenden Schrift "Reflexionen über Sein und Werden in der Rechtsgeschichte", 1954, dargestellt. Er zeigt sich darin als Konservativer im besten Sinne des Wortes, der das Alte um seines Wertes willen bewahrt und vor dem verhängnisvollen Trugschluß warnt, das Alte sei schlecht, nur weil es alt, und das Neue gut, nur weil es neu sei, ein Trugschluß, der nach seinen Worten (a. a. O. S. 31) auf dem "überfröhlichen Glauben an einen naturnotwendigen Fortschritt" basiert. Ebensoweit vom Kulturpessimismus eines Oswald Spengler (vgl. dazu a. a. O. S. 32 f.) wie von dem "überfröhlichen Fortschrittsglauben" entfernt, warnt er vor dem aussichtslosen, geistesarmen Weg, die Geschichte durch bloßes Ignorieren zu überwinden. Nicht durch Totschweigen befreit sich die

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Gegenwart von der suggestiven Kraft jahrhundertelanger Irrtümer, sondern nur durch Erkenntnis der Vergangenheit (a. a. O. S. 61). Das Wissen um die historische Bedingtheit unseres Rechts und die an den Erkenntnissen der römischen Klassiker geschulte dogmatische Methode des Jubilars geben nicht zuletzt denjenigen seiner Schriften das Gepräge, die überwiegend moderne Probleme zum Gegenstand haben. Von den Arbeiten in dieser Richtung sei hier vor allem genannt "Die Struktur der Pfandrechte und Reallasten" in der Festschrift für Heinrich Lehmann, Band 1,1956, S. 328-387. Auch wo sich Ulrich von Lübtow mit Fragen befaßt, die auf den ersten Blick nur das römische Recht betreffen, sieht man beim näheren Hinschauen den Rechtshistoriker an der Arbeit, der dem Ursprung der Rechtsinstitute nachgeht und das Recht nicht als statische Ordnung, sondern als stets bewegtes, aus Aufstieg und Niedergang bestehendes Leben begreift. Ein Meisterwerk in diesem Sinne sind "Catos leges venditioni et locationi dictae", zwar als Festschriftbeitrag in den Symbolae Raphaeli Taubenschlag dedicatae, Band III, 1957, erschienen, aber im Umfang einer Monographie von über 200 Seiten, die sich nicht auf die Interpretation des catonischen Textes beschränkt, sondern die für die juristischen Zusammenhänge unerläßlichen Darstellungen der Entwicklungsgeschichte aus Instituten des Gemeindevermögensrechts, des Pfandrechts, der Kompensation, der Gesellschaft, des Konsensualkontrakts und der bonae fidei iudicia einbezieht. Was die Methode der Interpolationenkritik anlangt, so hält er die Alternative einer "konservativen" oder einer "fortschrittlichen" Betrachtungsweise für unrichtig. Ihm kommt es vielmehr allein auf die konkreten Sprach- und Rechtsinhaltsgründe an, die für oder gegen eine Veränderung des Originaltextes sprechen. Der Würdigung seiner Schriften zum römischen Verfassungsrecht sei hier ein Satz aus den "Reflexionen über Sein und Werden in der Rechtsgeschichte" (S. 31) vorangestellt: "Besonders schlimme Folgen treten ein, wenn man in hemmungsloser Neuerungssucht die Grundlagen der sozialen Ordnung umkehrt und es hypersozial als sozialen Fortschritt betrachtet, dem Individuum und seinen Bestrebungen jeden selbständigen Wert gegenüber der Gemeinschaft abzusprechen, die individuellen Rechte, das Ergebnis zahlreicher geistiger und politischer Kämpfe der Menschheit, zu vernichten". So gehört von Lübtows Wertschätzung vor allem der aristokratisch ausgerichteten libera res publica und dem augusteischen Prinzipat, in denen sich der Genius römischer Staatsbildungskunst am reinsten offenbart. Wie sein Buch "Blüte und Verfall der römischen Freiheit", 1953, bezeugt, beschränkt sich sein Anliegen

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auch hier nicht auf die Altertumskunde um ihrer selbst willen. Vielmehr geht es ihm um die Idee der politischen Freiheit als eines überzeitlichen Wertes. Im Bewußtsein der hervorragenden Rolle des Rechts im römischen Staatswesen entfaltet er in seinem Hauptwerk "Das römische Volk, sein Staat und sein Recht", 1955, das grandiose Bild des Weltreichs von den Anfängen der Königszeit bis zum Ende unter der Despotie des zutiefst unrömischen Dominats. Aus den Rezensionen seien hier folgende Urteile zitiert: "Dieses Buch ist ein wahrer Thesaurus historischen und juristischen Wissens, eine Enzyklopädie der römischen Staats- und Rechtsgeschichte" (L. Wickert, Gnomon 29, 1957, 273); "von Lübtow hat schon durch seine früheren Arbeiten für das Verständnis des römischen Rechts und seiner Werke vorzüglich geworben. Das neue große Werk aber bringt die Krönung dieses Bestrebens" (Schönbauer, IVRA 7, 1956,337); "Daß der Verfasser überall den Mut hat auch zu sehr persönlichen Auffassungen, schmälert schließlich den Wert eines Werkes nicht, in dem eine gewaltige Arbeit steckt und das auch reich ist an interessanten Ausführungen und eindrücklichen Formuilerungen (Ernst Meyer, Neue Zürcher Zeitung vom 28.12. 1955, Blatt 1); "Alles in allem eine würdige Fortsetzung von Mommsens Pionierarbeit" (Nyt fra historien vom 1. 9. 1956, 52). Als Hochschullehrer liegen ihm die Probleme des Universitätsrechts besonders am Herzen. So hat er die grundlegende Monographie über die Rechtsstellung der Emeriti geschrieben. Neben anderen Schriften zu Hochschulfragen sind besonders sein Buch "Autonomie oder Heteronomie der Universitäten", 1966, und sein Beitrag "Freiheit der Wissenschaft, Autonomie der Universitäten und Hochschulreform" in den Studi Sassaresi, 1969, zu nennen. In ihnen setzt er sich sehr ausführlich und kritisch mit der Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit staatlicher Hochschul gesetze auseinander. Auf dem Gebiete des akademischen Unterrichts tritt er allen modernistischen Verflachungstendenzen zum Trotz dafür ein, daß nach wie vor diejenigen Anforderungen an den juristischen Nachwuchs gestellt werden, die allein geeignet sind, ein Absinken des Niveaus der deutschen Rechtspflege zu verhindern. Nur eigenverantwortliches Arbeiten befähigt den angehenden Juristen, in der späteren Praxis der Allgemeinheit gute Dienste zu leisten. Seiner Ansicht nach beruhen die Maßnahmen der Studienreform im wesentlichen auf hektischer Neuerungssucht. Er betrachtet sie mit großer Sorge und glaubt, daß sie nicht zu einer dem Leistungsprinzip entsprechenden Verbesserung des Studiums führen, sondern in Wahrheit eine sehr bedauerliche reformatio in peius darstellen.

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Sein literarisches Wirken hat dem Jubilar Beachtung und Anerkennung nicht zuletzt auch im Ausland eingetragen. Von der Schaffenskraft Ulrich von Lübtows an der Schwelle seines 70. Lebensjahres legen die Arbeiten Zeugnis ab, die kurz vor dem Erscheinen stehen. Neben einer Monographie über die lex Aquilia ist hier vor allem seine großangelegte systematische Darstellung des Erbrechts zu nennen.

Grundfragen der Rechtswissenschaft

Brief an einen Habilitanden Von Hans Thieme Sehr geehrter Herr X! Als Vertreter einer älteren Generation, die in der "Ordinarienuniversität" groß geworden ist und gewirkt hat, welche heute am Ende ihrer Tage steht, möchte ich in dieser Stunde, da Sie die Entscheidung über Ihren Berufsweg treffen wollen, einiges aus meinen Erfahrungen zum Besten geben, was vielleicht von Wert für Sie sein könnte, und hiermit Stellungnahmen zu gegenwärtigen Hochschulfragen sowie Ratschläge für die Zukunft verbinden. 1.

Zunächst ein Wort über die inneren Voraussetzungen für den Beruf des Hochschullehrers! Ich glaube, daß es dabei auf ein ganzes Bündel von Eigenschaften ankommt, die in verschiedener Zusammensetzung vertreten sein können, von denen aber keine ganz fehlen sollte: wissenschaftliche Begabung, praktischer Sinn, Einfallsreichtum und eine gesunde Portion Ehrgeiz sollten sich paaren mit Freude am Lehramt, an der engen Verbindung mit Angehörigen der jungen Generation, an uneigennützigem Einsatz für ihr Fortkommen. Diese und andere Eigenschaften können, wie gesagt, verschieden gemischt sein: im Hause der Universität sind viele Wohnungen. Deshalb hat der hervorragende Lehrer, dem wenig Neues einfällt, der aber das Bekannte zu ordnen und klar vorzutragen versteht, darin keine geringere Existenzberechtigung als der begnadete Forscher, der sein Wissen und seine Ideen nur schwer an den Mann zu bringen weiß. Es ist durchaus zu begrüßen, daß der "Hochschuldidaktik" künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, allein es wäre verfehlt, wenn man pädagogische Fähigkeiten nun zum wichtigsten Kriterium der Auslese von Hochschullehrern machen würde. Diese Gefahr sehe ich zum Beispiel, wenn Studenten bei Berufungen mitwirken sollen. Der zündende Funke, die Einweihung in das Erlebnis "Wissenschaft" kann gerade von einem ungeschickten Lehrer ausgehen. Man wende nicht ein, für solche müßten Forschungsprofessuren geschaffen, ihre Tätigkeit nur noch im Rahmen von Akademien und Instituten zugelassen werden. Mit

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Hans Thieme

der Verbindung von Forschung und Lehre steht und fällt die Universität. Man hat in den letzten Jahren bereits viel zu viel Mißbrauch mit ihrem Namen und mit dem der "Hochschule" getrieben. Der Beruf des Hochschullehrers ist ein solcher, der den ganzen Menschen erfordert. Er kennt keine festen Dienststunden und auch nur in bedingter Weise Ferien. Das bedeutet nicht selten auch besondere Lasten für die Familie. Die Eigenverantwortung des Professors für das, was er aus seinem Amte macht, ist groß; das spöttische Wort: "Bei geschlossener Karriere Halt!" trifft aber gewiß nur einen kleinen Bruchteil; die allermeisten arbeiten weit mehr, als sie müßten. Es gibt wohl keinen Beruf, in dem die Spanne zwischen dem erreichbar Besten und dem, was gerade noch als korrekte Erfüllung der Dienstpflichten hingehen mag, größer ist als beim Universitätslehrer, und ebenso der Kredit, der ihm mit der Anstellung eingeräumt wird. Aus dieser beständigen Anforderung, die eigene Höhe zu überspringen, stammen seine Leiden, aber wer sich hier ergibt, weiß auch nichts von seinen Freuden. Versuchungen, Anfechtungen, Hemmungen, Zweifel am eigenen Können, die sich bis zur Neurose steigern, bleiben dabei wohl keinem ganz erspart. "Sie müssen sich selber überlisten!" sagte einmal ein bewährter Lehrer dazu. Endlich findet man seinen Weg, die Vorzüge der anderen neidlos anerkennend oder auch spöttisch verkleinernd - je nachdem, wie man damit fertig wird. Wer sich solchen inneren Spannungen nicht gewachsen fühlt, der suche sich lieber einen anderen Beruf, der überschaubare Anforderungen, eine risikofreie Laufbahn und geregelte Arbeitszeit kennt oder der die Pflege von Liebhabereien, den Einsatz im öffentlichen Leben, schließlich auch das Geldverdienen in höherem Maße gestattet. Es sollte uns durchaus fernliegen, den Professorenstand gegenüber solchen Betätigungen, etwa denen in Justiz, Verwaltung oder Wirtschaft, zu überschätzen. Sie haben ebenso "Verdienst und Würdigkeit" und es kann sein Gutes haben, wenn das Sozialprestige des Hochschullehrers in jüngster Zeit so gründlich abgebaut wurde, weil sich nun wirklich nur solche dazu entschließen werden, die sich innerlich dazu berufen fühlen. Es könnte damit wieder zur Bildung einer echten Elite kommen - etwas, das heute weithin abgelehnt wird und das uns doch nach all den Umwälzungen der letzten Jahrzehnte dringend nottäte. Eigentlich sollte sich der Professor, seiner Arbeit zuliebe, so viel als möglich in die Stille zurückziehen. Für die meisten von uns ist aber hierzu schon seit langem nur noch selten Gelegenheit. In Zukunft wird die immer zeitraubender werdende akademische Selbstverwaltung uns vollends kaum noch Zeit dafür lassen. Auch ist der berühmte "Elfenbeinturm", den der Wissenschaftler nach heutiger Ansicht hinter sich

Brief an einen Habilitanden

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lassen soll, geradezu anstößig geworden, obschon sich doch hinter diesem abgegriffenen Bilde die schlichte Wahrheit verbirgt, daß Forschung nun einmal der Stille und des Abstandnehmens von vielen äußeren Vorgängen bedarf. Die sogenannten "Freisemester" , mit denen man Abhilfe schaffen wollte, verstreichen nur allzu oft mit dem Aufarbeiten von Rückständen. "Eine glückhafte Fahrt, wie froh wäre man darüber ... Aber immer hat das Schiff überfracht und die Ladung ist schlecht verteilt, beim ersten Ansturm schwerer See verrutscht sie und gibt übergewicht." So schildert Carl Jacob Burckhardt die entsprechende Lage beim Schriftsteller. Gewiß kann sich der einzelne den Anforderungen des äußeren Lebens gegenüber sehr verschieden verhalten. Der Eine versteht es besser als der Andere, Abhaltungen aus dem Wege zu gehn, Notwendiges und überflüssiges zu unterscheiden, Arbeit auf Hilfskräfte zu verteilen; es kann darin geradezu die Quelle von Leistung und Erfolg liegen. Konzentration auf das Wesentliche und Abschaltenkönnen, dies sind Gaben wie andere auch. Ich kannte einen Kollegen, der sogar spielende Kinder in seinem Studierzimmer ertrug; nur in den von ihm um den Schreibtisch gezogenen Kreidekreis durften sie nicht eindringen. Für manchen von uns ist die Zeitung, die Korrespondenz, die Pflege menschlicher Beziehungen eine tägliche Versuchung, und mancher flüchtet sich geradezu in Verwaltungsgeschäfte, um der eigenen geistigen Unfruchtbarkeit weniger inne zu werden. Im Hause der Universität sind aber, wie gesagt, beide Gattungen sehr wohl verwendbar: der Forscher und der Lehrer, der weltfremde Gelehrte und der fähige Organisator. Es liegt nahe, eine Rangordnung zwischen ihnen aufzustellen; sie kommt etwa in akademischen Ehrungen aller Art zum Ausdruck. Man sollte aber nicht übersehen, daß die Universität des einen wie des anderen bedarf und ihnen beiden, wenn sie etwas leisten, Dank schuldet.

Ir. Nun haben Sie sich, sehr geehrter Herr X, für eine Habilitation auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte entschieden. Dies bedeutet, daß das Band, das uns schon seit Ihrer Promotion verknüpft, künftig noch enger und fester werden soll. Gewiß bringt das Lehrer-Schüler-Verhältnis, und zumal dasjenige zwischen dem Habilitanden und seinem Habilitationsvater, eine zeitweilige persönliche Abhängigkeit mit sich. Man spricht heute gern von "Leistungsdruck" oder "Repression", und schon vor 40 Jahren nannte ein damals "progressiver" Kollege einmal den Privatdozenten eine "intellektualistische Brillenschlange mit gebrochenem Rückgrat". Etwas Wahrheit wird man solchen Kennzeichnungen nicht absprechen können. Es gibt Ordinarien, die ihre Schüler allzu sehr nach ihrem eigene Bilde zu formen bestrebt sind; es mag auch Fälle

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Hans Thieme

von Ausnützung geben. Ferner kann die Wegberufung oder der vorzeitige Tod des Lehrers zur echten Katastrophe werden. Man sucht diese Gefahren heute durch eine Art Objektivierung des Habilitandenverhältnisses zu bannen; "die Fakultät" soll in erhöhtem Maße verantwortlich gemacht werden. Aber wer ist diese Fakultät? Der wechselnde Dekan? Die anderen Fachordinarien, sofern es solche gibt? In einer solchen Neuregelung stecken mindestens ebensoviele Gefahren wie in der bisherigen Übung. Schon bisher haben sich in jenen kritischen Fällen Kollegen und Fakultäten der Verwaisten angenommen. In der Wahl des Lehrers ist der Habilitand nicht beschränkt; er braucht auch nicht am gleichen Ort zu bleiben. Man müßte die Tatsache, daß es Lehrer und Schüler gibt, schlechthin beseitigen, wollte man jene fruchtbare Beziehung aus der Welt schaffen, die sich in der Regel zwischen Habilitand und Ordinarius entwickelt. Dann könnte man die Universität gleich ganz und gar auflösen oder, wie es heute heißt, "umfunktionieren"! Der Habilitationsvater wird diese Aufgabe nicht ernst genug nehmen können, ja sie wird für ihn von Rechts wegen einen Markstein auf seinem eigenen Wege bedeuten. Es gibt bedeutende Universitätslehrer, die niemanden habilitiert haben; vielleicht leben sie in ihren Werken fort oder im Gedächtnis ihrer Hörer, aber wissenschaftlicher Nachwuchs ist ihnen versagt geblieben. Gewiß kann ein Lehrer nicht verantwortlich sein und bleiben dafür, wie sich sein Schüler später entwickelt und was er leistet: er hat sich längst "freigeschwommen". Aber die Auslese unter einer oft großen Zahl möglicher Habilitanden, das Gefühl für Qualität und Begabung, für menschliche Werte, die mit den fachlichen Hand in Hand gehen sollten - hierfür kommt es eben doch auf das Urteilsvermögen des Habilitationsvaters entscheidend an, und kein Kollege, keine Fakultät kann es wirklich ersetzen. Wissenschaftliche Erziehung bedeutet bis zu einem gewissen Grade auch Einfluß auf die Bildung der Persönlichkeit. ,Exemplo potius, quam imperio' sollte auch der akademische Lehrer wirken. Neben dieses Wort von Tacitus sei dasjenige von Walter Flex gestellt: "Leutnant sein, heißt seinen Leuten vorleben." Dabei ist Behutsamkeit insbesondere dort angezeigt, wo es sich um das Privatleben, um religiöse oder politische Überzeugungen des Schülers handelt. Die Herkunft, die Konfession dürfen keine Rolle spielen. Der Professor darf nicht vergessen, daß er es mit jungen, bildsamen Menschen zu tun hat und daß von ihm eine prägende Wirkung auf sie ausgeht. Dies ist der tiefere Sinn auch dafür, von seinem außerdienstlichen Verhalten ein erhöhtes Maß an Verantwortung zu fordern, genau wie bei dem Offizier. Der Rechtshistoriker wird bei uns üblicherweise gleichzeitig auch für ein Gebiet des geltenden Rechts habilitiert und zu Vorlesungen darüber

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berechtigt. Darin sehe ich trotz der hiermit verbundenen Belastung einen Vorzug gegenüber anderen Ländern, wo dies nicht der Fall ist. Denn wir werden hierdurch immer wieder genötigt, uns auch als Juristen zu bewähren, den Fragestellungen der Rechtswissenschaft auf der Spur zu bleiben und unser eigentliches Fach nicht nur als Liebhaberei zu pflegen, sondern im Hinblick auf die uns als Juristen in dieser Zeit gestellten Aufgaben. Freilich sollten die Fakultäten dann eine solche Habilitation nicht, wie es leider vielfach geschieht, durch allzu hohe Anforderungen im geltenden Recht erschweren. Es scheint, daß viele Kollegen keinen rechten Begriff davon haben, was heute ein Rechtshistoriker, der mit den verfeinerten und differenzierten Methoden der Geschichtswissenschaft Schritt halten und ihr gewachsen sein, der womöglich auch als Philologe oder Paläograph seinen Mann stehen soll, alles zu leisten hat. Ebenso sollte die Inanspruchnahme junger Rechtshistoriker durch Vorlesungen, Prüfungen, übungen usw. im geltenden Recht ihre Arbeitskaft nicht zu sehr und zu lang von der Rechtsgeschichte ablenken. Heute sind jene besonders kostbar, denn der Zug der Zeit ist historischer Arbeit und Bewußtseinsbildung nicht günstig. In der Rechswissenschaft macht sich leider vielfach ein Neopositivismus geltend, eine überschätzung des positiven Rechts, der Gerichtspraxis und der Dogmatik, und zwar vom ersten Semester bis zum Staatsexamen. Hierdurch wird, wie auch gewisse neue juristische Zeitschriften zeigen, bereits der Anfänger einer echten geistigen Auseinandersetzung mit den Grundfragen seines Studiums entzogen. Die Rechtsgeschichte hat neben der Rechtsphilosophie und der Rechtssoziologie deshalb im Rahmen der juristischen Ausbildung eine besonders wichtige Aufgabe. Ist nun eigentlich das zweite Staatsexamen für den Rechtshistoriker unumgänglich? Berühmte Beispiele unter den heutigen und früheren Kollegen sprechen dagegen. Mancher von ihnen hat sich gerade als Dogmatiker bewährt, ohne jemals die Assessorprüfung abgelegt, ohne in der Praxis gewirkt zu haben. Unsere Habilitanden werden heute viel zu alt; es klingt wie eine Sage, wenn wir hören, in welchem jugendlichen Stadium früher die Habilitation, ja eine Professur bereits erreicht werden konnte. Von hier aus läßt sich vieles beim Assistentenproblem unserer Tage und auch bei der Spannung zwischen den Generationen verstehn: wünschen sich die Studenten nicht mit einem gewissen Recht auch jüngere, voll in Amt und Würden befindlicher Lehrer? Wir sprechen von Akzeleration und züchten Spätentwickler! Sie werden sich nun zunächst mit dem Thema Ihrer Habilitationsschrift vertraut machen. Die Wahl desselben sollte grundsätzlich durch den Habilitanden selbst erfolgen, wenn er auch vor der endgültigen Entscheidung mit seinem Habilitationsvater sprechen wird; denn hierin drückt sich bereits eine tiefere Kenntnis des mit der venia legendi

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erstrebten Fachgebietes und seiner Probleme aus, zugleich aber die spezifische Interessenrichtung des Habilitanden, die oftmals für seinen ganzen weiteren wissenschaftlichen Weg kennzeichnend bleibt. Das Thema einer Habilitationsschrift sollte deshalb auch nicht zu eng oder zu speziell sein; es sollte Gelegenheit geben, das geistige Format zu beweisen. Hingegen scheint es mir begründet, wenn neuerdings eine gewisse Begrenzung des Umfangs angestrebt wird. Bei weitem nicht alles, was man sich erarbeitet hat, muß man seinen Lesern darbieten; erschöpfend zu sein, kann einen Nachteil bedeuten, nicht nur im übertragenen Sinne! Ich möchte Ihnen wünschen, daß Sie nun diese Aufgabe möglichst ausschließlich, das heißt ohne sonstige Belastungen als Assistent, Assessor usw. in Angriff nehmen und ohne längere Unterbrechungen zu Ende führen können. Auch sollte die Habilitationsschrift womöglich druckfertig vorliegen, wenn Sie das Verfahren abgeschlossen haben und Ihre Vorlesungen aufnehmen. Sonst gibt es erfahrungsgemäß jahrelange Verzögerungen; das Thema rückt einem wieder ferner; neue Literatur muß eingearbeitet werden; ein anderer kommt Ihnen womöglich zuvor und die Arbeit bleibt unvollendet. Von so mancher Habilitationsschrift ist nie mehr als der erste Teil erschienen! Denken Sie übrigens nicht nur an den Inhalt, sondern auch an den Stil bei allem, was Sie schreiben. ,Est autem historia ars quomodo poetae proxima" - dieses Wort Quintilians steht auf dem Titelblatt von Andreas Heuslers Deutscher Verfassungsgeschichte. Heute wird leider hierauf vielfach wenig Gewicht gelegt. Der Wortschatz ist dürftig, Wiederholungen und Fremdworte sowie Modeausdrücke und allzu gewöhnliche Wendungen häufen sich. Sprache ist stets Ausdruck der Kultur! Daß Sie als Rechtshistoriker noch ein gewisses Soll an Veröffentlichungen im geltenden Recht erfüllen, wird zwar von manchen Kollegen gewünscht, ich selber halte es jedoch nicht für nötig. In einer guten rechtshistorischen Arbeit steckt, jedem Einsichtigen erkennbar, auch bereits genug Jurisprudenz - von besonderen, auf Randgebieten wie etwa der Rechtsarchaeologie liegenden Themen abgesehn. Hingegen ist es selbstverständlich, daß Sie, wenn Sie eine venia im positiven Recht erstreben, dann das Thema Ihrer Probe vorlesung aus dem betreffenden Gebiet wählen, und daraus mag einmal ein Aufsatz werden. Mehr aber sollte verständigerweise die Fakultät nicht von Ihnen verlangen, insbesondere also auch nicht etwa die Kenntnis ausländischen Rechts, des Verfahrensrechts oder solcher Spezialfragen, wie sie heute vom Vertreter des modernen Zivil- und Strafrechts regelmäßig beherrscht werden müssen. Das Ergebnis der Promotionsarbeit bei der Entscheidung über ein Habilitationsgesuch heranzuziehen - sofern sie auf demselben Gebiet liegt wie die beantragte Lehrbefugnis - halte ich für sinnvoll, da es sich

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dann um eine einschlägige wissenschaftliche Leistung handelt. Dagegen scheint mir irgendeine Koppelung zwischen Habilitation und Ergebnis des Staatsexamens unzweckmäßig. In seiner heutigen Gestalt vermag weder das erste noch gar das zweite irgend etwas über die wissenschaftliche Befähigung eines Kandidaten auszusagen. Leider ist ja sogar die Hausarbeit, die insoweit einigen Aufschluß bieten könnte, in manchen deutschen Ländern weggefallen. Das Gesamtergebnis hängt vielmehr überwiegend vom Resultat der Klausuren ab, und daß jemand dort erfolgreich abschneidet, bedeutet noch längst keinen Ausweis wissenschaftlicher Befähigung. Aufgaben pädagogischer Art, wie etwa die Leitung einer Arbeitsgemeinschaft oder die Vertretung Ihres Habilitationsvaters in Vorlesung und übung, die in nächster Zeit auf Sie zukommen werden, sollten Sie, soweit es Ihre Arbeit irgend zuläßt, zu erfüllen suchen. Sie werden hierbei nicht nur selber Freude an der Unterrichts-Seite Ihres zukünftigen Berufs empfinden, sondern auch den Mitgliedern der Fakultät Gewißheit darüber verschaffen können, daß Sie auch insoweit zur Habilitation qualifiziert sind. Sonst aber sollten Sie nach Möglichkeit keine weiteren Pflichten übernehmen, vielmehr sich ganz und gar auf Ihre große Arbeit konzentrieren. Es gilt allgemein der Satz, daß man sich zu neuen Aufgaben erst verpflichten sollte, nachdem man bereits übernommene gelöst hat. Nichts ist lästiger und belastet auch innerlich mehr, als wenn man ein ganzes Bündel unerfüllter Verpflichtungen mit sich schleppt. In der Freude und Kühnheit der Jugend lädt man sich öfter solche durch Herausgeber, Verleger usw. an einen herangetragene Pflichten auf, die einen nachmals bedrücken. Man sollte immer wieder die Freiheit zurückgewinnen, sich völlig neue Aufgaben zu wählen, seinem wissenschaftlichen Weg eine neue Richtung zu geben und auf ein Gebiet überzugehen, das einem bisher fremd war. Zu solchen unabsehbaren Verpflichtungen gehören insbesondere die Mitarbeit an Sammelwerken, die übernahme von Lehrbüchern und die Herausgabe von Zeitschriften, Abhandlungsreihen und Quellen. Natürlich kann jede dieser Tätigkeiten fruchtbar und notwendig sein; ohne sie könnte die Wissenschaft ja garnicht bestehen. Wer sich ihnen allen gänzlich entzieht, läßt es in der Regel an Verantwortungsbewußtsein fehlen. Im übermaß betrieben oder mit unabsehbaren Belastungen verbunden, können solche Verpflichtungen jedoch die eigene, schöpferische Produktion geradezu lahmlegen. Den Allerwenigsten ist es gegeben, neben solchen Dauerbelastungen noch etwas größeres Eigenes zu schaffen. Natürlich werden hierbei auch die Familienumstände keine geringe Rolle spielen. Der Junggeselle kommt vielfach leichter voran mit seiner Arbeit, als der Familienvater - aber das zählt in der Wissenschaft nicht, und zwar mit Recht!

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Wenn Sie dann nach der Habilitation Ihr Lehramt aufnehmen, so möchte ich Ihnen wünschen, daß Sie sich wiederum einer einzigen Aufgabe möglichst ausschließlich widmen können: der Ausarbeitung der Hauptvorlesungen Ihres eigentlichen Fachgebietes, der Rechtsgeschichte. Es ist überaus wichtig, daß man sie gleich beim ersten Mal möglichst gründlich, unter Heranziehung von Quellen und Literatur, abfaßt; denn erfahrungsgemäß läßt einem später die zunehmende Fülle anderer Pflichten nur selten noch die Zeit, jene Vorlesungen auf größere Strekken oder ganz und gar zu erneuern. Man ändert nur noch einzelne Paragraphen; das Gerüst im Ganzen bleibt bestehn. Es sollte also gleich von Anfang an möglichst tragfähig sein. Vielleicht ist hier der Ort, etwas über die Bedeutung der Vorlesungen im allgemeinen zu sagen. Bekanntlich sind sie heute sehr umstritten; manche sähen an ihrer Stelle lieber nur noch Diskussionen und Arbeitsgemeinschaften. Ich glaube, dies wäre auch im geltenden Recht ein Nachteil, in der Rechtsgeschichte aber wäre es das auf jeden Fall. Hier kommt es nämlich nicht nur auf die Aneignung positiven Stoffs an, den man in jedem Lehrbuch findet. Die Darstellung der Geschichte, auch der Rechtsgeschichte, wird stets in besonderem Maße durch die Persönlichkeit des Forschers und Lehrers, durch subjektive, seiner geistigen Gestalt entsprechende Auffassungen geprägt. Der Vortragende wird, je nach seiner wissenschaftlichen Ausrichtung, nach seinen Interessen, weltanschaulichen und politischen überzeugungen, der von ihm vertretenen Methode usw. das Gewicht stärker auf diese oder jene Tatsachen, Quellenstellen, Gesichtspunkte etc. verlegen. Dies verleiht der Vorlesung Farbe und Inhalt, unterscheidet sie von den vorhandenen Lehrbüchern und macht ihren Wert aus gegenüber den Hörern als eine Leistung von eigenem Gewicht. Hiermit soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, daß Quellenlektüre und Diskussion, womöglich in kleineren Gruppen, die Vorlesung glücklich zu ergänzen und ihren Stoff noch näher an die Studierenden heranzubringen, sie zu eigener Mitarbeit zu erziehen vermögen! Eine heute zu Unrecht verkürzte Begleiterscheinung der Vorlesungen war früher das Mitschreiben. Sinnlos ist es nur, wenn man wiedergibt, was man auch gedruckt lesen kann. Hat dagegen die Vorlesung ein persönliches Gepräge, so muß es auch die Nachschrift haben, und gerade die Umsetzung dessen, was man hört, in verständige Aufzeichnungen, die man später nacharbeiten und vielleicht noch nach Jahren zu Rate ziehen kann, will geübt sein. Die Aufmerksamkeit und das Mitdenken der Studierenden werden hierdurch geschult, und dies kann ein Gewinn sein fürs ganze Leben, da das Hinhören ja die Voraussetzung ist für jedes Verstehen und jede fruchtbare Debatte.

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übrigens war ehedem auch die Ausgabe von Druckbogen, die Quellen, Literaturangaben oder ergänzende, nicht mündlich vorgetragene Teile der Vorlesung enthielten, gang und gäbe; sie wurden umsonst oder gegen ein geringes Entgelt verteilt und dienten, ganz im Sinne heutiger Bestrebungen, der Aktivierung der Hörerschaft. Das alles ist nicht zuletzt finanziellen Gründen zum Opfer gefallen: einerseits sind die Druckkosten sehr gestiegen, andererseits die Einnahmen an Kolleggeld stark zurückgegangen und pauschaliert, so daß auch kein wirtschaftliches Interesse mehr an einer größeren Hörerschaft besteht. Umgekehrt hat man auch auf der Seite der Studierenden das Belegen von Vorlesungen derart reformiert, daß damit finanzielle Aufwendungen für die einzelnen Stunden nicht mehr verbunden sind. Damit ist leider das Prinzip von Leistung und Gegenleistung sowie die Bildung eines einigermaßen geschlossenen Hörerkreises ersetzt worden durch ein sehr gelockertes bloßes Benutzerverhältnis, wie es dem Studium keineswegs zuträglich ist. Man wende nicht ein, die Bewältigung der großen Massen sei nicht anders möglich: vor vierzig Jahren und mehr waren die Auditorien weit voller als heute! Eine der wichtigsten Ursachen für die Erörterung des Werts der Vorlesungen ist wohl, daß sie es dem Hörer nicht so leicht machen, ständig aktiv mitzuarbeiten und hierbei den eigenen Leistungsstand zu kontrollieren, wie übung oder Diskussion. Es scheint mir sehr fraglich, ob man dem deutschen Studenten wirklich einen Gefallen tut, wenn er nach ausländischen Vorbildern durch Semester für Semester, ja Stunde für Stunde sich wiederholende Kontrollen und Prüfungen in Atem gehalten wird, und ob er überhaupt bereit wäre, aus einem überwiegend passiven Hörer zu einem wohl vorbereiteten Mitarbeiter zu werden. Würde dies nicht eine bedauerliche Verschulung der Universität zur Folge haben? Es gehört zu den wertvollsten Bildungserlebnissen, in eigener Verantwortung über die Anlage und Gestaltung des Studiums bestimmen zu können; Irrwege und Fehler können dabei wohl bis zu einem gewissen Grade - zum Beispiel durch Beratung, Studienpläne, ein Zwischenexamen usw. - vermieden, aber nie ganz ausgeschlossen werden. Wer dieser recht verstandenen akademischen Freiheit nicht gewachsen ist, sollte der Universität lieber fernbleiben. Neben der Vorlesung steht in den historischen Fächern seit alters die Exegese, also die Quellenlektüre, verbunden mit schriftlichen Arbeiten. Sie liegt durchaus in der Linie jener vorhin erwähnten modernen Bestrebungen, da sie ja gerade die Mitarbeit der Teilnehmer voraussetzt. Hier soll also eine Brücke geschlagen werden zwischen Vorlesung und Seminar, zwischen Anfängern und reiferen Semestern. Es soll der Umgang mit Literatur und Quellen, die Auslegung der letzteren, die Verlebendigung des geschichtlichen Stoffs durch Bezugnahme auf 2 Festgabe Lübtow

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Gegenwartsfragen dabei geübt werden. Das alles setzt den Besuch der historischen Hauptvorlesungen voraus und sollte wiederum demjenigen der Seminare vorangehen, woraus sich allein schon ergibt, daß die Rechtsgeschichte an den Beginn des Studiums gehört und nicht erst an sein Ende. Wer sich nun tiefer mit der Rechtsgeschichte einlassen, womöglich über ein historisches Thema promovieren möchte, der meldet sich für ein Seminar. Es soll seine Teilnehmer gewissermaßen an die Front der Wissenschaft heranführen; deshalb stellt es an Lehrer und Schüler höhere Anforderungen und setzt eine gewisse Auswahl sowie ein besonderes Interesse voraus. Der junge Dozent wird besser noch etwas abwarten, ehe er ein eigenes Seminar abhält, wie er auch die Annahme von Doktoranden nicht übereilen sollte. Denn beides stellt, wenn es ernst genommen wird, Anforderungen, denen ein Anfänger noch kaum gewachsen sein kann. Im Seminar sollte durch Referat und Diskussion, durch ein freies Gespräch zwischen Teilnehmern, die selber schon etwas sachkundig sind, zum Beispiel als Doktoranden, die Wissenschaft wirklich gefördert werden. Für den Hochschullehrer sollte deshalb das Seminar die höchste Erfüllung seines erzieherischen Wirkens sein und keineswegs nur eine lästige Pflicht, denn hier kann er sich am eindrücklichsten auswirken und seinen Schülerkreis bilden. Exkursionen, etwa zu Archivbesuch oder demjenigen historischer Stätten, tragen hierzu sachlich wie persönlich viel bei, wenn möglich auch geselliges Beisammensein. Wer dem Professor - wie dies von seiten anderer Beamtenkategorien oder gewisser Parlamentarier gelegentlich geschieht - ein angebliches Mißverhältnis zwischen seiner stundenmäßigen Lehrverpflichtung und der Arbeitszeit in ähnlichen Berufen vorhält, der ahnt gewöhnlich nichts von solcher auch ins Privatleben übergreifenden Wirksamkeit des Hochschullehrers. Sobald Sie nun erst einmal in Amt und Würden sein werden, wird Ihnen auch der übliche Apparat zur Verfügung stehen, den heutzutage Vater Staat für uns bereit hält, damit wir unseren Aufgaben besser nachkommen können: Assistenten, wissenschaftliche Hilfskräfte, Sekretärin, Institut, Dienstzimmer. All dies - der sogenannte Mittelbau und was äußerlich dazu gehört - bedeutet sicher eine große Erleichterung; mancher von uns wüßte nicht, wie er sonst seinen Verpflichtungen nachkommen sollte. Freilich ist dieser Apparat auch eine Gefahr: ihn in Schwung zu halten, bedeutet stets auch eine Ablenkung und Versuchung. Die Verantwortung dafür sollten wir nicht zu leicht nehmen; es sind uns ja damit öffentliche Mittel anvertraut, und wir vermögen menschliche Arbeitskraft sinnvoll, unzweckmäßig, pflichtwidrig einzusetzen oder zu vergeuden. Ich halte es aber sehr wohl für berechtigt, mir auch im privaten Bereich Entlastung zu schaffen durch übertragung

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von Aufgaben an Hilfskräfte, die sie mir abnehmen können, damit ich meinerseits mehr von dem zu bewältigen vermag, was nur ich selber tun kann. Hier werden die Grenzen freilich nicht immer leicht zu ziehen sein. Als "Arbeitgeber" im Bereich der Universität wird man die Berufsziele der einem zur Verfügung stehenden jungen Kräfte stets im Auge behalten und sie nicht vor den eigenen Karren spannen dürfen, soweit sie dies von ihrem Wege ablenkt. Man wird sich zwar Vorarbeiten leisten lassen, den eigenen Anteil - etwa bei Anfertigung eines Gutachtens oder Bearbeitung eines Kommentars - aber nicht zu gering bemessen und sich nicht mit fremden Federn schmücken dürfen. Man wird womöglich auch in finanzieller Hinsicht dem Mitarbeiter entgegenkommen, damit jeder Anschein einer Ausnützung vermieden wird. Selbstverständlich gilt dies auch im Hinblick auf das sogenannte "geistige Eigentum" eines am Schaffen des Hochschullehrers Beteiligten. Vielleicht gehen wir einer Zeit entgegen, in der die Instituts- oder die sogenannte team-Arbeit auch bei uns, wie in den angelsächsischen Ländern, eine immer größere Rolle spielt. Ich kann mich da schwer hineindenken, weil für mich das häusliche Arbeitszimmer, die eigene Bibliothek, in Jahrzehnten aufgebaut, und die am Schreibtisch geleistete, höchstpersönliche Arbeit noch immer unabdingbar sind. Ein Manuskript will niedergeschrieben, durchgestrichen, zum zweiten oder dritten Mal abgefaßt, ergänzt, verbessert werden - schon das Diktat in Stenogramm oder Maschine, ja, die Gegenwart eines anderen Menschen erscheint als unerträgliche Mechanisierung und Störung dieses oftmals schmerzhaften, ja qualvollen und dann wiederum beglückenden Zeugungsvorgangs. Aber das sind, wie gesagt, vielleicht höchst altmodische Vorstellungen, die Ihnen, lieber Herr X, den Mut nicht nehmen sollen, andere Wege zu beschreiten! Abhaltungen gibt es nun, sobald man einen Lehrstuhl innehat, mehr als genug - das werden auch Sie erfahren. Spreu und Weizen zu scheiden, das heißt solche, die nützlich und notwendig sind von solchen, die nichts einbringen, nur Zeit vergeuden, - das will gelernt sein. Grundsätzlich sollte freilich auch der engagierteste Forscher sich nicht zu gut sein, einen Beitrag nach dem Maße seiner Kräfte zu leisten zu dem, was Fakultät und Universität von ihren Gliedern fordern müssen, sollen sie überhaupt bestehn. Desgleichen muß er Zeit aufbringen auch für seine Studenten und Schüler und sich ihnen nicht entziehen, soweit es sinnvolle Anforderungen sind, die sie an ihn stellen. Wie weit man hier zu gehen hat, das läßt sich nur von Fall zu Fall entscheiden; auch ist die Gabe, sich organisatorisch, gesellschaftlich oder erzieherisch einzusetzen, verschieden verteilt, wie ich schon zu Beginn ausgeführt habe: in einer guten Fakultät ergänzen sich die Kollegen auch in dieser Hinsicht und lassen einander neidlos die jeweiligen Talente auswirken. 2"

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Geselliger Kontakt ist heute leider unter den Professoren viel seltener geworden als früher; er bedeutet ein wichtiges Ferment der Komposition des fakultären und interfakultären Lebens. Jeder kannte jeden auch außerberuflich, es wurden noch Besuche gemacht und Gesellschaften gegeben; das allen gemeinsame Professorenzimmer spielte eine wichtige Rolle, wo auch der Privatdozent schon mit dem berühmten Geheimrat ins Gespräch kam. Heute eilt fast jeder aus seinem Dienstzimmer unmittelbar in das Auditorium; am Sitzungstisch der Fakultät sieht man sich oft genug völlig fremden Gesichtern gegenüber; die Kollegen trifft man während ganzer Semester nicht ein einziges Mal - nur ihre Wagen sieht man täglich in der Tiefgarage stehen ... Ist diese Entwicklung unvermeidlich gewesen? Läßt sie sich nicht mehr rückgängig machen? Werden künftig kleinere Gemeinschaften - der Fachbereich, das Institut - die Rolle der alten Fakultäten übernehmen? Aber was würde dies bedeuten für die Idee der Universität? Dies sind schwere, bedrückende Fragen. Auf jeden Fall vermag ich mir ein befriedigendes Wirken im Rahmen meines Berufes, der ja schließlich nicht derjenige des Privatgelehrten ist, ohne echte Kollegialität nicht vorzustellen. Eine Erscheinung, die in gewissem Maße an die Stelle der bisherigen Kontakte zwischen Fakultäts- und Universitätskollegen getreten ist, sind die immer mehr überhand nehmenden Kongresse. Was wir im Alltag vernachlässigen, das übertreiben wir in den Semesterferien könnte man sagen! Die wirklich wertvollen wissenschaftlichen Ergebnisse solcher Tagungen, die Vorträge und Diskussionen, werden in aller Regel veröffentlicht; es bleibt also an echtem Gewinn tatsächlich nur die persönliche Begegnung mit den Fachkollegen, den älteren, den gleichaltrigen, den jungen, und der sich hieraus ergebende menschliche Kontakt. Das ist gewiß nicht gering zu schätzen; viele Dinge laufen reibungsloser, wenn persönliche Bekanntschaft oder gar Freundschaft dahinter steht. Es kann freilich auch eine erdrückende Last aus allzu vielen solchen Beziehungen entstehn, und jene Zusammenarbeit am sei ben Ort vermögen sie nicht zu ersetzen. Über den Wert von Quellenausgaben und Monographien brauche ich Ihnen nichts zu erzählen; er ist jedem Wissenschaftler selbstverständlich. Dagegen möchte ich ein Wort zu unserem Vortragswesen, das mir wichtig scheint, sagen: viele Kollegen wissen nicht mehr, daß ein Vortrag etwas anderes sein sollte, als eine vorgelesene Abhandlung. Ich will damit nicht den freien Vortrag fordern; er verbietet sich jedenfalls dort, wo es - wie gerade häufig in der Rechtsgeschichte - auf den genauen Wortlaut ankommt. Vielmehr will ich nur sagen, daß die Gesetze der Komposition des gesprochenen und mitgehörten Worts andere sind als die des geschriebenen. Der Hörer kann nicht eine unbegrenzte Zahl von Einzelheiten aufnehmen, nicht einem komplizier-

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ten Satzbau folgen, bei dem Subjekt und Prädikat meilenweit getrennt sind; er möchte geführt werden, so daß er immer weiß wo er sich befindet im Rahmen eines gegliederten Aufbaus der Rede. Das alles hat nichts mit leerer Rhetorik zu tun, auch wenn es darauf abzielt, zu wirken und die Hörerschaft zu beeindrucken. Vielleicht gestatten Sie auch noch ein Wort über das Rezensionswesen. Oberflächliche Besprechungen, die sich auf ein bloßes Referat beschränken und niemand wehe tun wollen, sind allzu häufig; ernsthafte, aus besserer Kenntnis stammende Kritik bildet eine Ausnahme. Die Bedeutung der Rezensionsblätter von einst, etwa der Kritischen Vierteljahrschrift, der Göttinger Gelehrten Anzeigen oder der Deutschen Literaturzeitung ist stark zurückgegangen; viele von uns haben einfach nicht mehr die Zeit zu solcher eindringlichen Auseinandersetzung mit Neuerscheinungen. Das ist ein übelstand, geboren aus der Überlastung der meisten Professoren, den wir bekämpfen sollten. Jeder muß dazu beitragen und darf sich der Aufgabe des Rezensierens nicht entziehen; die Wissenschaft ist darauf angewiesen. Neben den Habilitationen sind die Promotionen eine der fruchtbarsten, aber auch verantwortungsvollsten Aufgaben des Hochschullehrers. Sie werden bei uns heute ernster genommen als noch vor einer oder zwei Generationen; das zeigt sich an innerem und äußerem Gewicht der Doktorarbeiten. Vielleicht geschieht hier sogar eher des Guten zu viel; auch dies mag ein Grund für die oben gerügte überalterung unseres Nachwuchses sein. Kein Zweifel ist aber, daß die Wissenschaft zahlreichen Dissertationen wirkliche Fortschritte verdankt, ja ohne sie gar nicht vorankommen könnte. Viele von uns stecken in die Arbeiten ihrer Schüler einen sehr hohen Anteil ihrer eigenen Arbeitskraft. Viele Arbeiten sind nicht nur einmal, sondern mehrfach vom Doktorvater durchgelesen, korrigiert, Abschnitt für Abschnitt beeinflußt worden. Und wieviel Zeitaufwand kostet es auch oft, Mittel für die Veröffentlichung zu erlangen und diese selbst herbeizuführen! Das alles geschieht schon seit 35 Jahren völlig umsonst; es darf einmal ausgesprochen werden, daß Zahl und Qualität der Dissertationen unter der damals getroffenen Willkür-Maßnahme, der Abschaffung des Anteils an den Promotionsgebühren für den Doktorvater, nicht gelitten haben und daß dies eine gute Bewährungsprobe bedeutet. Besondere Pflege sollte jeder Hochschullehrer den Auslandsbeziehungen auf seinem Fachgebiet angedeihen lassen, und zwar sowohl nach dem Westen wie nach dem Osten hin. Rechtsgeschichte - sei es nun die Romanistik, die Kanonistik oder die Germanistik, und auch die Naturrechtslehre möge hier genannt werden - darf niemals in nationaler Beschränktheit betrieben werden. Die geschichtliche Rechtsvergleichung

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ist sogar vielleicht der Rettungsanker, mit dem wir Rechtshistoriker diese ahistorische Zeit zu überstehen vermögen. Dies sollte also auch Ihre künftige Arbeit und Interessenrichtung, sehr geehrter Herr X, nicht unbeeinflußt lassen. Die ausländischen Kollegen werden Ihnen dankbar sein, wenn Sie Beziehungen zu ihnen unterhalten, und Sie werden damit an die große Tradition der rechtsgeschichtlichen Forschung Deutschlands im vorigen Jahrhundert wieder anknüpfen, die leider durch die Erschütterungen, die wir seither durchgemacht haben, auf manchem Gebiet - so etwa im Verhältnis zu den skandinavischen und zu den slavischen Ländern - weitgehend abgerissen ist. Voraussetzung hierfür sollte die Kenntnis fremder Sprachen sein, und zwar nicht nur soweit, daß wir sie zu lesen und allenfalls zu verstehen, sondern daß wir sie auch zu sprechen vermögen. Eine solche Kenntnis von mindestens zwei Fremdsprachen sollte heute schlechthin zum Standard der Bildung des Rechtshistorikers jeglicher Observanz gehören; nur so können wir den oben angedeuteten Aufgaben wirklich gerecht werden. Auslandsaufenthalte, Gastvorträge und dergleichen können hierzu wesentlich beitragen. Damit bin ich am letzten Punkt angelangt, der mir heute am Herzen liegt: alle diese Berufsaufgaben sind ihres Lohnes wert; hüten Sie sich einerseits vor dem, was man mit Recht "Primadonnenmanieren" nennt und was das Ansehen unseres Standes schwächt, aber denken Sie bei künftigen Berufungsverhandlungen auch an Goethes Wort "Nur die Lumpe sind bescheiden!" Ich möchte meine Ausführungen schließen, indem ich Sie an einen Ausspruch Adalbert Stifters erinnere; er lautet: "Der Lehrer wirkt mehr durch das, was er ist, als durch das, was er sagt." Empfangen Sie herzliche Grüße und Wünsche von Ihrem H.Th.

Mensch, Staat und Gesellschaft Soziologische Prolegomena zur Rechtsphilosophie Von Walter G. Becker Fichte an Goethe: Solange hat die Philosophie ihr Ziel noch nicht erreicht, als die Resultate der reflektierenden Abstraktion sich noch nicht an die reinste Geistigkeit des Gefühls anschmiegen. F. Sieburg: Der klare Schriftzug, das eindeutige Wort, der vollkommene Satz, sie bannen alle Schatten und vertreiben die Dunkelheiten, in die der übermäßige Genuß der Geschichte und das hoffnungslose Denken an den Mitmenschen einhüllen.

Vorbemerkung Die Arbeit stellt den Flügel eines Triptychons dar, das ich in den letzten Jahren als Eingang zu der von mir in Berlin ständig (meinem zweiten Lehrstuhlgebiet entsprechend auf amerikanistischer Grundlage) gelesenen Rechtsphilosophie errichtet habe - die beiden anderen Teile werden durch die "Grundformein einer anthropologischen Jurisprudenz" in der Festschrift für Gerhart Husserl (1969) und durch "Die reale Norm" in der Festschrift für Karl Engisch (1969) gebildet.Unserem Jubilar steht seinen Fächern nach die Rechtsphilosophie fern. Doch wird er von den Problemen dieser Arbeit öfters berührt worden sein, insbesondere von denjenigen, welche Staat und Gesellschaft betreffen. Gewisse Aussagen über Welt, Erde, Leben, Tier und Mensch sollte die Soziologie, also auch die juristisch gehandhabte, die Rechtssoziologie parat haben - Max Scheler verlangte das, um mit Nietzsche "der Erde treu zu bleiben", für jede Wissenschaft einschließlich der Philosophie. Daß in diesen Punkten nur aus den Naturwissenschaften referiert werden konnte, ist klar - der Leser, speziell der naturwissenschaftlich ausgerichtete, muß hier auch gewisse Toleranzen gewähren. Die Kunde vom Menschen, die Anthropologie, gehört zur Rechtssoziologie. Was den Staat anlangt, so liegt die Bedeutung dieser menschlichen Institution nach meiner Meinung nicht so sehr in ihrem (von der Staatslehre vielleicht überbetonten) Charakter eines "modernen Orga-

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nisationspotentials", sondern darin, daß "der Staat" (oder was sonst als terminologischer Ausdruck dafür eingesetzt wurde oder wird) zuerst einmal das Zeichen für einen menschengesetzten künstlichen Hemmungsmechanismus gegenüber der dem Menschen biologisch beschiedenen Aggressivität darstellt, und daß seine Hauptfunktion daher von vornherein, jeher und bis heute die Aufrechterhaltung des intragruppalen Friedens war und ist - diese Hervorholung einer biologischen Staatsgrundlage ist notwendig. Im Hinblick auf die "Gesellschaft" hielt ich es für erforderlich, selbst im Rahmen von bloßen Fundamentalformeln zu betonen, daß sich aus der vielbesprochenen "pluralistischen Gesellschaft" schlechthin ein dialektischer Kreisring der "formierten Gesellschaft" herausentwickelt hat, in dem das Einzelindividuum nur noch als sozialer Rollenträger, und sonst überhaupt nicht zählt. Wenn dann noch ein "pluralistischer Staat" aufkreuzt, der - nach strenger Definition - seine Souveränität an die formierte Gesellschaft abtritt, also ihr gegenüber abdankt, so schien mir dieses Phänomen (in schroffem Gegensatz zu seiner üblichen Tabuierung) in höchstem Grade "buchenswert" zu sein1 • Paul Trappe formuliert das in seiner Schrift "Zur Situation der Rechtssoziologie" (Tübingen 1968) so: "Wenn das positive Recht nicht die Gesamtordnung innerhalb eines Staates decken kann - wenn es anderen Ordnungen ausdrücklich Raum läßt - wenn offenbar weite Bereiche des sozialen Lebens latent genormt sind, ... dann dürfte die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion solcher Ordnungen die Kernfrage der Rechtssoziologie überhaupt sein?"2 Es geht hier in verschärfter Gestalt um die alte Auseinandersetzung zwischen Staat und Gesellschaft, die mit Rousseau's "Contrat Social" begann (ein Buch, dessen fortdauernde Bedeutung darin liegt, daß es einmal das Wort "sozial" auf seinen Diskussionsthron hob und weiterhin zum erstenmal in der Moderne das Verhältnis von Staat und Gesellschaft erörterte)3, danach von Lorenz 1 Solche Art Abdankung des Staates bedeutet eigentlich etwas viel Entscheidenderes als die Abdankung der deutschen Fürsten im Jahre 1918 - ein Fürst muß übrigens durchaus nicht vom "Staate", sondern kann von den Verbänden der Gesellschaft getragen sein - vielleicht liegt es so auch bei der jüngsten Entwicklung in Griechenland. 2 Es ist die Machtfrage in der Staatsrechtslehre. Mit dieser Machtfrage beschäftigen sich vor allem die Politologen, s. z. B. C. J. Friedrich, K. Loewenstein, F. Hermens, A. Brecht, vgl. aber auch für den Einzelfall die Arbeit von G. C. von Unruh, Spannungen zwischen Staats- und Selbstverwaltung im bürgerlichen und sozialen Rechtsstaat, Der Staat, Zeitschrift für Staatslehre 4,

1965,441 f.

3 Rousseau's "Contrat Social" ist irreal, und der einzig reale Contrat Social bleibt der Brautkauf, später der Verlöbnis- und der Eheschließungskontrakt. Die sich daraus ergebenden Verpflichtungen werden im allgemeinen auch eingehalten, weniger unter moralischem Folgezwang, niemals unter rechtlichem (denn eine Klage auf Herstellung der ehelichen Gemeinschaft gibt es praktisch

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von Stein auf eine Kampfformel gebracht wurde4, derzufolge der in sozialpsychologischer Hinsicht nicht sehr phantasievolle Marx vom

Staate behaupten konnte, er sei nur ein Mittel der "kapitalistischen Ausbeutung"s, und bei Engels im Anti-Dühring dann die Erwartung des Absterbens des Staates vor der Gesellschaft entließ6 - was seit Lenin, der sogar den von der Gesellschaft unabhängigen diktatorischen Staat vorschlug, von der heutigen Staatstheorie und Staatspraxis, vor allem des Ostens, keineswegs mehr mitgemacht wird (nach Lenin vor allem Stalin, gesellschaftsanhänglich eher Trotzki). Um so erstaunlicher, weil man "im Osten zum Staat als überpersonaler Ganzheitsordnung, überhaupt zum Staat als Institution als solcher, in der sich der objektive Geist verwirklicht, kein Verhältnis hat, vielmehr statt dessen eher die Verwirklichung einer lebendigen Gemeinschaft unter dazu bereiten Menschen erstrebt" (M. Buber), streng gesprochen den Mir-Gedanken des gesamthänderischen genossenschaftlichen Dorfeigentums, also nicht den "geschlossenen" Staat der juristischen Verbandsperson (wie in Deutschland und auch in Nordamerika), sondern den "offenen" Staat des gesamthänderischen Personenverbands (wie im Grunde auch in England). Daraus ergibt sich also, daß die schwer einzusehenden Differenzen zwischen Sowjetrußland einerseits, Jugoslavien, Albanien, China (auch Israel) andererseits, nicht immer daher kommen, daß in Sowjetrußland der Staat, andernorts "die Gesellschaft" dominiere, sondern möglicherweise auch aus der verschiedenen Vorstellung vom Staate, der im modernen Rußland "geschlossener" Staat der Verbandsperson, andernorts aber "offener" Staat des gesamthänderischen Personenverbandes sein solle!Wahrscheinlich resultiert von der englischen Zuneigung zum offenen Staate der Genossenschaft - wobei also jeder Genosse auch mit seinem ganzen persönlichen Vermögen für seinen Staat haftet (das Prinzip, das pragmatisch nicht, ganz zu schweigen von der Unmöglichkeit der Urteilsvollstreckung!), aber unter sozialem - ein gutes Beispiel "faktischen", nämlich nur aus dem sozialen Kontakt herrührenden Rechts! - hier liegt auch der zivilistische Ursprung der Einehe. 4 Siehe hier nur die Erinnerung an Stein von F. Ronneberger, Der Staat 4, 1965, 395 ff. 5 Das Wort "Kapitalismus" verliert seine Schrecken, wenn man sich daran erinnert, daß "Kapital" ursprünglich nichts anderes ist als das nicht verbrauchte Ergebnis einmal geleisteter Arbeit - womit sich sozusagen eine "naturale" Achtung vor dem "Kapital", und die Hohlheit vieler Schlagworte vom "Kapitalismus" herausstellt. - Die Ausbeutung ist in der westlichen Wohlstands- und Wohlfahrts-Gesellschaft wohl zum obsoleten Begriff herabgesunken, sie zeigt sich aber noch in der Ausnutzung vor allem psychischer Schwächen des Mitmenschen, des Sorge- und Hilfsbedürfnisses, auch der allgemeinen menschlichen Sympathetik, durch die Arbeits-, Leistungs- und Zuchtunwilligen aller Sparten, die sich groteskerweise dann auch noch dadurch zu legitimieren versuchen, daß sie sich Anhänger einer sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaft nennen - Rollentausch bei der Entwicklung der Begriffe! 6 Diese Parole läßt sich vielleicht auf die Polarität "Individuum-Gruppe" und danach auf die Formel "je mehr Gruppe, umso weniger Staat" zurückführen, woraus umgekehrt zu folgern ist, daß es "je mehr Individuum, umso mehr Staat" heißen muß - Luther's oft beklagte Staatsanhänglichkeit rückt damit in ein neues soziologisches Licht.

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überhaupt die Transformation des Staates von der offenen Struktur der Genossenschaft eines Personenverbandes zur geschlossenen der Verbandsperson einleitete!) wohl auch die nach 1945 von den Alliierten vertretene Auffassung von der kollektiven Verantwortlichkeit aller Deutschen für die Handlungen des NS-Staates, eine Vorstellung, die zunächst auf das fassungslose Staunen der deutschen Juristen stieß und danach schleunigst zu der wenigstens im moralischen Bereich verständlicheren These von der Kollektivschuld der Deutschen umgebogen wurde - vgl. hierzu den Aufsatz, den ich als erste Arbeit nach dem Kriege im 1. Jahrgange (Nr.3, Juni 1946, 53 ff.) der Süddeutschen Juristen-Zeitung veröffentlichte: Rechtsphilosophische Bemerkungen zum Problem der politischen Schuld der Deutschen. Die Personenverbände des öffentlichen Rechts sind anscheinend aus dem deutschen Recht verschwunden. Wo man daran anknüpfen könnte, etwa bei den Fakultäten der Universitäten, oder bei den Fachbereichen nach dem neuen Universitätsrecht von West-Berlin, wird lieber über die Teil- oder die Glied-Korporation konstruiert - so ist die Fakultät nach H. J. Wolff1 eine nichtrechtsfähige öffentlichrechtliche Korporation als Gliedkörperschaft. "Transitorische Rechtsfähigkeiten" ergeben sich hier, wie bei den Personenverbänden des Privatrechts, jedoch zumindest aus den aktiven oder passiven Parteifähigkeiten von Personenverbänden. Eine Fakultät ist schon für parteifähig gehalten worden und, was das private Recht anlangt, so sind z. B. der nichtrechtsfähige Verein und die offene Handelsgesellschaft aktiv oder passiv parteifähig (auch die Haftung der Gewerkschaften, nicht eingetragener Vereine, nach § 31 BGB fällt unter die "transitorischen Rechtsfähigkeiten", wie überhaupt die Gewerkschaft ein Hybrid zwischen Personenverband und Verbandsperson darstellt)8.Pragmatischer, und damit empirischer, hat, jahrzehntelange amerikanische Erfahrungen zusammenfassend, Alexander Pekelis im Jahre 1950 das Problem erörterte. Man hält in der amerikanischen Verfassung und ihren Zusätzen zwar die staatlichen "Offizial-Regierungen" (des Bundes oder der Einzelstaaten, manchmal auch nur des Bundes) am kurzen Zügel, gibt ihn aber, technisch über den konstitutionellen Vermögensschutz, den privaten de-facto-Regierungen hin, z. B. den wirtschaftlichen Monopolen und Verbänden, den nachbarlichen und kirchlichen Sozietäten oder den politischen Parteien10• Pekelis analysiert danach den vielberufenen amerikanischen Individualismus pluralistisch als in Wirklichkeit eine Gruppierung von Klein-Kollektivismen (collectivisms within a smaller group) und bestimmt die typische amerikanische Einzelreaktion nicht aus der menschlichen Individualität, sondern Verwaltungsrecht 11, 1962, 131 f. Siehe dazu vor allem die österreichische Monographie von R. Ostheim, Zur Rechtsfähigkeit von Verbänden, 1967. 9 Pekelis, Law and Social Action, 1950. 10 Die Hauptexempel stellen die de-facto-Kontrollen der allgemeinen Wahlen durch das Einparteien-System der Südstaaten und die der Präsidentenwahlen durch die sogen. "Primaries" dar - z. B. Classic v. United States, 313 U. S. 299 ff., 1941, s. auch W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung. Strukturen des Schuldrechts auf der Grundlage des anglo-amerikanischen ,Check- and Balance'-Systems, 1958,38 f. Anm. 81 c, 105 und Anm. 277. 7

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aus der Mitgliedschaft zu einem dieser Klein-Kollektive heraus, womit sich auch wieder der Rollentausch vom ursprünglichen und historischen amerikanischen Nonconformismus zum Conformismus erklärt, ein "amerikanisches Dilemma", und eine Bestätigung der alten Tatsache, daß eine zentralisierte staatliche Regierungsgewalt, m. a. W. der Staat, die individualistische Entwicklung der Bürger mehr begünstigt als es im dezentralisierten Staate (in der Gesellschaft!) die Nachbarschaft mit ihrem ständigen Drucke tut (s. o. Anm. 6). Beispiele für das kontrollierende Eingreifen des Bundes als der obersten staatlichen Regierungsgewalt (sozusagen "des Staates" schlechthinl1 ) jetzt vor allem im Punkte des verfassungsrechtlichen Schutzes der farbigen amerikanischen Bürger: In den Vereinigten Staaten führte der Konflikt zwischen den "Sklavenstaaten" des Südens und den "freien Staaten" des Nordens schon Anfang des 19. Jahrhunderts zu Bemühungen um einen einheitlichen, für alle Einzelstaaten gleichermaßen geltenden Grundrechtsschutz durch Bundesgesetze. Das Verbot der Sklaverei konnte nach dem Bürgerkrieg (1861-1865) durch das XIII. Amendment zur Bundesverfassung durchgesetzt werden. Die Versuche, die ehemaligen Sklavenstaaten mittels des XIV. und des XV. Amendments (1868 und 1870) zur Gleichbehandlung aller in ihnen lebenden Menschen zu zwingen, scheiterten aber zunächst weitgehend an der restriktiven, auf der ungeschmälerten (Teil)Souveränität der Einzelstaaten bestehenden Verfassungsinterpretation des Supreme Court. Er erklärte zahlreiche Bestimmungen der in den Jahren 1866-1875 vom Kongreß als Durchführungsgesetze zu den Amendments XIII-XV erlassenen sieben Civil Rights Acts für verfassungswidrig (vgl. Robert K. Carr, Federal Protection of Civil Rights, 1947,35-47). Erst die veränderte, bundesfreundlichere Haltung des Supreme Court seit den dreißiger Jahren ermöglichte stärkere Eingriffe in das Gebaren der Einzelstaaten. Zahlreiche administrative Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutze benachteiligter Minderheiten brachten aber nur geringe Abhilfe. Durch die bedeutsame Entscheidung in Brown v. Board of Education (347 U. S. 483, 1954), mit der sich der Supreme Court von der unheilvollen "separate but equal"-Doktrin (Plessy v. Ferguson, 163 U. S. 537, 1896) abwandte und nunmehr jegliche Rassentrennung ("segregation") als diskriminierend ablehnte, wurde jedoch der Weg für eine neue Serie von Civil Rights-Gesetzen frei U ". Den Gesetzen zur Sicherung der Gleichbehandlung aller Bürger bei der Zulassung zu den allgemeinen Wahlen von 1957 und 1960 folgte als bisheriger Höhepunkt der "Civil Rights Act of 1964" (78 Stat. 241), der neben weiteren Bestimmungen zum Wahlrecht das Recht eines jeden auf gleichen Zugang zu 11 Dies stimmt in mancher Hinsicht nicht nur "sozusagen", denn die amerikanischen Einzelstaaten sind nicht Staaten im politischen, sondern nur im rechtlichen Sinne! - d. h., daß sie ihr eigenes Recht setzen können, aber z. B. keine eigene Staatsangehörigkeit geben, höchstens eine "Bürgerschaft". u& Die amerikanischen Civil Rights-Gesetze (die auch die Einzelstaaten erlassen) stellen also einen zweiten "Abolitionismus" dar, hierzu B. Weisberger, Abolitionism: Disrupter of the Democratic System or Agent of Progress, Berkeley Series, 1963.

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öffentlichen Restaurants und Hotels, Theatern und Sportplätzen und sonstigen Stätten der Unterhaltung und Erholung, die Aufhebung der Rassentrennung ("segregation") an öffentlichen Schulen und Colleges und das Diskriminierungsverbot auf dem Arbeitsmarkt regelt. Erneut mit dem Wahlrecht befaßt sich der "Voting Rights Act" von 1965, während das jüngste Civil RightsGesetz von 1968 das Diskriminierungsverbot auf dem Wohnungs- und Grundstücksmarkt betrifft. Zur Durchsetzung der in diesen Gesetzen enthaltenen Vorschriften wurden gleichzeitig Bundesbehörden wie die "Commission on Civil Rights" und die "Equal Employment Opportunity Commission" eingerichtet. 1. Auf dem Gebiete der Gesetzgebung sind zwei Gesetze hervorzuheben, die geeignet und bestimmt sind, einen wesentlichen Einfluß auf die amerikanische Gesellschaftsordnung auszuüben: der Economic Opportunity Act (42 U. S. C. § 2701 ff.) und der Civil RightsAct der Kennedy Regierung (42 U. S. C. §§ 2000 ff.). Ersterer ist bestimmt "to eliminate the paradox of poverty in the midst of plenty in this Nation by opening to everyone the opportunity for education and training, the opportunity to work, and the opportunity to live in decency and dignity". Der Civil Rights Act soll der Rassendiskriminierung eine Schranke setzen, indem er eine Abschlußpflicht für Restaurants, Hotels, Friseure, Einzelhändler etc. statuiert (a. a. O. § 2000 (a) - 2000 (a) (b)).

2. Auf dem Gebiete der Rechtsprechung sind besonders einige Supreme Court Entscheidungen zu nennen, welche die Rechte von Bürgern, gegen die Untersuchungen wegen des Verdachts strafbarer Handlungen durchgeführt werden, wesentlich erweitern. In Map v. Ohio ging der Supreme Court (6 L. ed. 2nd. 1081, 1961) zum ersten Male davon aus, daß die Grundsätze der bundesstaatlichen Verfassung auch bei Strafverfahren nach Landesrecht zu beachten seien. Er entschied, daß "as a matter of due process, evidence obtained by a search and seizure in violation of the Fourth Amendment is inadmissible in astate court as it is in a federal court". In Gideon v. Wainwright (9 L. ed. 2nd. 799, 1963) entschied der Supreme Court, daß jeder Angeklagte nach dem VI. Amendment das Recht auf einen Verteidiger habe und ihm ein solcher gestellt werden müsse, falls er selber sich keinen Anwalt leisten könne - sofern er nicht ausdrücklich und verantwortlich auf einen Verteidiger verzichte. In Miranda v. Arizona (16 L. ed.2nd. 694, 1966) stellte der Supreme Court fest, daß ein polizeiliches Verhör nur stattfinden dürfe, nachdem der Verdächtigte (Beschuldigte) darauf hingewiesen wurde, daß er ein Aussageverweigerungsrecht habe, da im Falle der Aussage diese als Beweis gegen ihn verwendet werden könne, und daß er auch das Recht habe, beim Verhör einen Anwalt zuzuziehen. Werden diese Regeln verletzt, darf die Aussage nicht gegen den Beschuldigten verwendet werden (s. Escobedo v. Illinois, 12 L. ed. 2nd. 977, 1964). In der Entscheidung In the matter of Gault (1967, besprochen von Monrad Paulsen, Columbia University Forum, Vol. X. No. 2, S. 4 ff.) hat der Supreme Court die bestehende ständige Rechtsprechung der Untergerichte aufgehoben, nach der in Strafverfahren gegen Jugendliche (Heranwachsende, juveniles) die due process Klausel nicht beachtet zu werden braucht. Diese Gerichte hatten die Ansicht vertreten, daß der Staat durch die Gerichtsgewalt praktisch die Eltern ersetze und wie diese in unbeschränkter Machtvollkommenheit das

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Wohl der Heranwachsenden wahrnehmen könne. Dagegen entschied der Supreme Court, daß auch die Verhandlungen vor den juvenile courts "must measure up to the essentials of due process and fair treatment". Eine interessante Entscheidung ist auch die in Afroyin v. Rusk (1967) ergangene, in der klargestellt wird, daß keinem Amerikaner die Staatsbürgerschaft gegen seinen Willen entzogen werden kann. -

Methodologisch: Gehandelt wird von der Rechtssoziologie (sociology of law), also nicht vom soziologischen Recht (sociological jurisprudence, auch "legal sociology") - auf den, in Amerika selbstverständlichen, Unterschied zwischen Rechtssoziologie und soziologischem Recht hat kürzlich wieder Barna Horvath hingewiesen12 • In der deutschen Lehre unterscheidet man die reine und die angewandte Rechtssoziologie. Genauer verfahren wir vielleicht, wenn wir uns die drei rechtlichen Dimensionen (soziologisch: Mentalitäten) des Rechts vor Augen führen: wir betrachten danach zuerst das Recht in seinem Werden - dann entweder ideologisch (auch axiologisch!) oder aber historisch - in bezug auf das historische Werden des Rechts können uns des Jubilars "Reflexionen über Sein und Werden in der Rechtsgeschichte" von großem Nutzen sein - es gilt hier vor allem, die Objektivationen, in denen sich der "objektive Geist" niederschlägt, aus ihrer jeweiligen Geschichtlichkeit heraus zu qualifizieren ... Weiterhin nehmen wir das Recht in seinem Sein oder aber in seinem Seienden, in seinem Sein entweder analytisch (was ist die Rechtsnorm?) oder aber eben soziologisch - jetzt haben wir Rechtssoziologie. Das Recht als Seiendes liegt dann entweder technisch vor uns (welches sind die Tatbestandsmerkmale des § 823 BGB?) oder wiederum soziologisch, dann aber nicht als Rechtssoziologie, sondern als "soziologisches Recht" - wir fragen hier etwa, warum die laesio enormis oder der § 447 den Käufer und nicht den Verkäufer belastet - die Vorstellung vom armen Verkäufer gegenüber dem reichen Käufer hat sich in der modernen Konsumenten-Gesellschaft bekanntlich umgekehrt. 1.

Die Naturwissenschaften sagen es ungefähr so: Innerhalb der Entwicklung der Welt, möglicherweise einer "Orthogenese", einer Entwicklung zum Richtigen und Stimmigen hin13 , bewohnt der Mensch die 12 Legal Change, Österr. Z. f. öff. R. 18, 1968, 43. In Bezug auf die deutsche Lehre vgl. J. Tiemeyer, Zur Methodenfrage der Rechtssoziologie, und B. Dombek, Das Verhältnis der Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie, beide 1969, erkenntniskritisch W. Maihofer, Die gesellschaftliche Funktion des Rechts, Jahrb. f. Rechtssoziologie und Rechtstheorie, I, 1970, 13 ff. 13 Im Geist und in der Geisteswissenschaft würde es ohne die Annahme einer Orthogenese keinen Besserungsaktivismus (K. Hiller), kein Streben nach Fortschritt, kein Prinzip Hoffnung (Ernst Bloch) und keinen Goethe geben:

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Erde, einen einzigen Stern in der Gestalt eines Planeten, zunächst im Planetensystem der Sonne, darüber hinaus im Weltall, einem "kosmischen" Raume, der in diffuser Form als Gasnebel erscheint, in kompakter in den kosmischen Ordnungen der aus Sternen bestehenden Milchstraßen-Systeme. Das Lebensalter des Weltalls wird auf 12-15 Milliarden Jahre angenommen. Ebenso meint man, daß das Weltall von seinem Auftreten an in ununterbrochener Ausdehnung begriffen ist. Aus den Umwandlungen der bewegenden Energie wird berechnet, daß das Weltall etwa den sechsten Teil des Weges hinter sich gebracht hat, der es seinem mutmaßlichen Ende, dem sogenannten Wärmetod, entgegenführt. Man richtet sich also vorübergehend im Weltall (auf der Erde und im Leben) ein. "Vor etwa 3350 Millionen Jahren sonderte sich ein Fetzen einer aus besonders beständigen Atomen gebildeten Materie von der Oberfläche der Sonne ab. Anscheinend geschah dies nicht im Laufe eines regelmäßigen Prozesses der Evolution der Sternenwelt, sondern infolge eines unglaublichen Zufalles ... und ohne die Bande, die ihn an das übrige knüpften, durchzureißen, gerade in angemessener Entfernung vom Mutter-Gestirn, um dessen Strahlen in mittlerer Stärke zu empfangen, ballte sich dieser Lappen zusammen, rollte sich um sich selbst, nahm Gestalt anu ." Dieses ist die Erde. Die Erde ist also nicht viel jünger als das Weltall, ursprünglich flüssig oder "staubig", dann abgekühlt und verdichtet. Dem Geologen sind 1100 Millionen Jahre Erdgeschichte übersehbar. Für diese Zeit kennt er in großen Zügen die Veränderung der Erdkruste durch Senkung, Faltung und Hebung. Was die biologische Katastrophe, die Entstehung des Lebens auf der Erde anlangt, so traten nach der orthogenetischen Evolutionstheorie innerhalb des zu Anfang aus Atomen bestehenden Erdstoffes spontane "Wir bekennen uns zu dem Geschlechte derjenigen, die aus dem Dunklen ins Helle streben". Für die Annahme einer Orthogenese sprechen mancherlei Erfahrungen: im Tierreiche die Planmäßigkeit als oberstes Gesetz im Leben der Tiere (Uexküm, im menschlichen Bereich der menschliche Antriebsüberschuß (Gehlen), das Streben nach Fortschritt, das "Anschießen des Totums" (E. Bloch), "der Trieb nach vorwärts im russischen "Graschdanstwennost", der "Besserungsaktivismus" als die juristische Immanenz der Rechtsbesserung, der defektiven praeter legern und der effektiven contra legern im Anwendungsrecht, speziell im "höheren Recht" der Südweststaat-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 10. 1951, des "Naturalrechts" auf defektive Rechtsbesserung, oder des Naturrechts auf effektive Rechtsbesserung - nur aus seiner Funktion als effektiver Rechtsbesserung contra legern bestimmt sich das vielerörterte Naturrecht, dessen substantielle Begründungen immer enttäuschen und immer jeweilig in "Geschichtlichkeit" verwurzelt sind. 14 Pierre Teilhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos, Sonderausgabe 1965, 57, - Teilhard sagt übrigens "Glücksfall"! - zur Orthogenese a. a. O. 95.

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Sprünge oder Metamorphosen auf, die von den Atomen zu den Molekülen, von den Molekülen zu den Makromolekülen führen, von diesen zu den Zellen15, mit denen das organische Leben beginnt16. Das Verfahren vollzog sich anscheinend dabei so, daß aus einer großen Zahl sehr einfacher Stoff-Verbindungen eine kleine Zahl sehr komplexer Verbindungen ausgeschieden wurde, und daß die ausgeschiedenen komplexen Verbindungen sich, um sich zu erhalten, organisieren mußtenalso als die Auseinandersetzung einer organisierten Menge mit einer unorganisierten Masse, oder als eine Befreiung der Menge aus der Masse, bildlich als "Revolution der Zelle"17. Die Fotosynthese, die mit Hilfe der Sonnenenergie die Kohlensäure der Luft in "organische Substanz" verwandelt, ermöglichte das Leben dieser organisierten, also dieser organischen Welt (doch gab es niedrigste Lebewesen, wie Bakterien, die bereits vor der Fotosynthese zu leben vermochten). Neuerdings, erst 1967, beansprucht A. Kornberg in Stanford, U.S.A. (vielleicht im Anschluß an die russische Forschung), in der Retorte die Kernsubstanz allen Lebens, die sogenannte Desoxyribonukleinsäure, erzeugt zu haben.

Weitere Übergänge und Ableitungen in bezug auf zellulos Organisches (animate matter) und Anorganisches (inanimate matter) zu finden, ist bis auf die Übergangsformen der sogenannten Virus-Moleküle nicht gelungen, so daß man das Organische und das Anorganische gelegentlich nur zwei verschiedene Ausdrucksformen für denselben Inhalt, nämlich für den Welt- oder Erdstoff, genannt hat. Alles scheint jedoch auch hier Evolution oder Transformation von niedrigeren zu höheren Formen hin zu sein, ohne irgendwelche Fixiertheit - der Feststellung, daß z. B. das erste Säugetier eben schon ein Säugetier ist, muß vom Standpunkt der Transformationstheorie aus ständig die Frage entgegengehalten werden, wo denn die zur Transformierung bestimmte Urform dieses Säugetiers steckt. - Auch die Trennung des Tierreichs vom Pflanzenreich ist in den niedrigsten, undifferenziertesten Formen nur bedingt möglich. Die Komplexität der Zelle führt schließlich zu einem subjektiven Bewußtsein18 , vielleicht "osmotisch", der Mensch wäre dann, in seiner ersten Definition, "die zum Bewußtsein ihrer selbst gelangte Evolution"19. Biologisch-medizinisch sind "die Lebewesen von den unbeleb15 TeiZhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos a. a. O. 95. 16 a. a. O. z. B. 50, 74, 79, 83, 88.

a. a. O. 81 f., 96. TeiZhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos a. a. O. 50 f., 80. Siehe auch Rene Marcic, Mensch/Recht/Kosmos - Drei Gedankenwege ins Dasein, 1965. 19 TeiZhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos a. a. O. 225 (Julian Huxley). - Zum Problem der prähominiden Evolution: G. Heberer (Hrsg.), Menschliche Abstammungslehre, 1965. 17

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ten Dingen der Natur durch ein bestimmtes chemisches und strukturelles Gefüge unterschieden, durch Stoff- und Energiewechsel, durch Reizbarkeit und Entwicklung, wobei das solcher Art gekennzeichnete Leben an einzelne Individuen gebunden ist, die biologisch gesehen räumlich bestimmt abgrenzbare Gebilde darstellen und eine eigentümliche Gestalt sowie eine eigentümliche Funktion aus inneren Ursachen heraus gesetzesmäßig hervorzubringen und zu erhalten imstande sind, und wobei den Lebewesen eine bestimmte Organisation eignet, die sich aus dem jeweiligen Stoffbestand und dem Baugefüge der äußeren Gestaltung und der inneren Anordnung der Teile ergibt"20. In der Verhaltensphysiologie wird danach das Leben als Inbegriff von Leistungen der Selbsterhaltung, der Selbstregulierung, der Information und Reproduktion kraft Struktur der Lebensmaterie, solange sie eben da ist, bezeichnet 21 . Über die Lebensentstehung im einzelnen, deren erste Spuren im Prä-Kambrium, also vor etwa 825 Millionen Jahren, vorzuliegen scheinen, wird, den bisherigen Formeln entsprechend, angenommen, daß die "organisatorisch" notwendige Reproduktion, mit der die zellulären Lebewesen (anders als die fast unbegrenzt langlebigen, weil starren, Atomgruppierungen der Moleküle) ihrer Vergänglichkeit begegnen mußten, sich zur Konjugation, der geschlechtlichen Verbindung zweier Elemente, damit also zu Zeugung und Vererbung spezialisierte, in der weiteren Entwicklung auch zu "planmäßigen Additivitäten" , symbiotischen Assoziationen und "Wachstumsaggregationen". Es bildet sich als solche Wachstumsaggregation das "Phylum", das "lebende Büschel", der "Stamm der Stämme", der "Lebensbaum", welcher der Lebensentstehung durch den Parallelismus der beiden Konjugationspartner, also der sogenannten "Monogenese", monophyletische Mutationen mit auf den Weg gibt: man vergegenwärtige sich bildlich den Abfluß einer Wasserfläche (die für das Phylum stehe) in ziemlich willkürlichen und in starken "Divergenzwinkeln" auftretenden Bächen, oder eine "Entfaltung", wie die einer Erfindung, bis hin zu ihrem "Plafond", orthogenetisch gesprochen zu ihrem Optimum. Der "Sprung" in die Subjektivität, in das Bewußtsein, später (beim Menschen) in Sprachentwicklung und intelligentes Denkvermögen, kurz: die "Noogenese", ist die phyletische Ent20 W. Maß hoff, Direktor des Pathologischen Instituts der Freien Universität Berlin, Die Grenzen zwischen Leben und Tod, Deutsche Apothekerzeitung 1967, 1581 ff. - Geisteswissenschaftlich über "Individuum und Gruppe" - mit der Absicherung eines Sonderbereichs der Auch-Wesentlichkeit des Individuums, s. W. G. Becker, Prolegomena zu einer Theorie des wirklichen Staates, Festschrift für E. Kyriacopoulos, 1966, 135-145. - Das Kollektiv zerstört oft das Individuum, das Individuum hat aber auch schon das Kollektiv zerstört! 21 LOTenz, Das sogenannte Böse, Zur Naturgeschichte der Aggression 2, 1964, 344.

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faltung mit einbegriffen, diese Entfaltung verläuft "tangential", aber auch "radial", in der Akkumulierung eines intentionellen Impetus 22 • Der Weg der Lebewesen der zoologischen Phylen geht auf ihrem "Lebensbaum" von den Radiolarien über die Urtiere der Protozoen zu den Fischen, den Reptilien, den Säugetieren, den Primaten (Halbaffen und Affen) und schließlich zum Menschen - Insekten und Vögel bleiben in Seitenzweigen liegen (die manchmal anvisierte Chance der Insekten auf Erdbeherrschung scheint nicht groß zu sein). Etwa am Ende der Kreidezeit, vor 80 Millionen Jahren, entstehen die Säugetiere, die in den höchsten Stufen ihrer Entfaltung Wirbeltiere sind. Etwa 450000 Jahre ante steht der Mensch auf - dem Pithecanthropus erectus aus Java und dem Sinanthropus aus China (300000 ante), schon "Hominiden" (also menschenartig), wird bereits eine Kultur zugeordnet: man haut Steine zu Werkzeugen zurecht, man hat Ich-Bewußtsein, man hockt in Gruppen ums Feuer23 • Von 600000 ante bis 10000 ante rechnet man die Alt-Steinzeit, erdgeschichtlich die erste Periode des Quartärs, für die Zeit bis 10000 ante Diluvium genannt, gefolgt von der "mittleren Steinzeit" (10000 bis 5000 ante), und danach der Jungsteinzeit, wobei die ganze Steinzeit bis zum Beginn der Bronzezeit um etwa 3000 ante vier Eiszeiten und drei Zwischenzeiten umfaßt. Ab 160000 ante erscheint der Neandertaler, er wird schon bestattet und die Gruppe wird zum ersten Male als Gemeinschaft der Lebenden und der Toten empfunden, wie die Griechen die spezielle Gruppenform des Staates definierten. Etwa um 25 000 ante lebten in Frankreich die Cromagniden, die schon eine hohe Kultur besaßen. Am Ende des Diluviums (10000 ante) liegt der Mensch fertig vor 24 • Seine Urheimat scheint Ostafrika gewesen zu sein. Von hier aus verbreitete er sich über die ganze Erde, örtliche Anziehungs- und Organisationspole stellten sich ein, z. B. das Niltal. Die Entwicklung des Menschen scheint mit der seines Gehirnumfanges identisch zu sein: als der Java-Mensch einen Gehirnraum von etwa 940 ccm aufwies, hatte der Gorilla davon nur etwa 655 ccm. Je näher der Gegenwart, um so größer wird anscheinend die menschliche Gehirnmasse, wobei sich am auffälligsten die vorderen Gehirnlappen heraus22 Hierzu TeHhard de Chardin a. a. O. 99 f., 101, 102, 103, 110 ff., 111, 112, 114, 133, 149, 175, 182, 193 ff. - Der amerikanische Mikrobiologe S. Spiegelmann will im Jahre 1967 aus Bruchstücken von Viren ein künstliches, vermehrungs-

fähiges Virus gezüchtet haben. 23 a. a. O. 195 ff., allgemein Arnold Gehlen, Der Mensch, Seine Natur und seine Stellung in der WelF, 1962, und ds., Urmensch und Spätkultur2 , 1964. 24 Teilhard de Chardin a. a. O. 199 ff. Herangezogen wurden im ganzen bisherigen Zusammenhang auch die Vorträge des Dahlemer Colloquiums der damaligen Kaiser-Wilhelm-Institute in Berlin von 1947 (Kienle, G. Richter, w. Ulrich, H. Muckermann, J. Ebbinghaus), sonst: H. Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, Berlin 1965, A. Portmann, Biologische Fragmente zu einer Lehre vom Menschen, Basel, 1969. 3 Feslgabe Lübtow

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bildeten, in denen sich nach Ansicht der Mediziner das menschliche Denken abspielt. Der Cromagnide besaß etwa 1600 ccm Gehirnmasse deren Umfang seitdem konstant geblieben ist, daher beginnt mit dem Cromagniden der "homo sapiens". Er tritt in dreierlei Erscheinungsformen auf, im negroiden, im mongoloiden und im weißen Zweige, doch ist ein gemeinsamer Ursprung wahrscheinlich. -

* Man teilt zoologisch alle Lebewesen in Arten (species) ein, die sich nicht kreuzen, während alle Angehörigen derselben Art unbegrenzt miteinander fruchtbar sind25 • Dasselbe Merkmal der unbegrenzten Kreuzungsfähigkeit gilt für die in der Tierwelt oft vorkommenden Unterarten, die Gattungen (z. B. Orang und Pavian in der Art der Affen). Beim Menschen gibt es den Unterschied zwischen Art und Gattung nicht, weshalb die Menschenart oft auch die Menschengattung genannt wird (juristisch z. B. von Gierke und Hölder). Dafür besteht nicht nur beim Tier, sondern auch beim Menschen, die Auffächerung und "Auseinandersetzung" nach Rassen, deren Angehörige unbegrenzt mit Angehörigen anderer Rassen fruchtbar sind, die sich aber nach der Häufigkeit bestimmter Gen-Eigentümlichkeiten - aus denen sich dann der rassenbestimmende "Genpool" ergibt - von anderen Rassen derselben Art oder Gattung unterscheiden. Der rassenbestimmende Genpool ist seinerseits in bezug auf den Menschen anscheinend rein örtlich determiniert: menschliche Rassen werden demgemäß als "örtliche Begrenzungen für die Gesamtvariation der Menschheit" definiert (Nachtsheim). Man kann dabei den Radius des örtlichen Raumes, also des Kreises der jeweiligen Rasse, enger oder weiter ziehen - der weiteste indiziert "die menschliche Rasse" schlechthin, nimmt man engere Radien, spricht man nicht "global", sondern bemerkenswerterweise provinziell (die Begriffe der Rasse und der Heimat berühren sich eben!). Daß "die Rasse" nur an einem örtlichen Radius gemessen werden kann, der seinerseits enger oder weiter gezogen wird, beleuchtet den Tatbestand, daß man, wenn man unterhalb "der Menschenrasse" denkt, die Rasse nicht sachentsprechend deklariert, sondern schon konstituiert, den Rassenbegriff also nicht im Spannungsverhältnis von Pol und Gegenpol, sondern nur als Polarisator einsetzt, so daß die Zurechnung eines Menschen zu einer "Rasse" (unterhalb der des Menschen überhaupt) also großenteils intentionell und willkürlich ist - der politische "Rassismus" wird mit dieser Feststellung schärfstdenkbar ad absurdum geführt - Hautfarben und ähnliche Optiken sind nur "accidentalia negotii" - merkwürdig bleibt, 25

Grundlegend Charles Darwin, Die Entstehung der Arten, 1859, deutsch

z. B. bei Reclam.

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daß man nicht auch die Sprache, in der jemand spricht oder schreibt, zum optisch-akustischen Abgrenzungsmerkmal des Menschen erhebt! Verharrt man bei der "human race", so wird die einzig sachgerechte Aufteilung der Menschen erkenntlich, die der männlichen und der weiblichen Menschen, wenn man will, die der männlichen und der weiblichen Rasse - "eine größere Fremdheit als die zwischen den verschiedenen Geschlechtern bestehende, wird man wohl schwerlich finden", der zwischen den Geschlechtern anhängige große Prozeß erscheint denn auch in der Literatur und ihrer Wissenschaft als das zentrale, weniger erotische, als eristische Problem unserer Wirklichkeit (W. Emrich), der vor allem von der heutigen neu-hedonistischen Philosophie in Nordamerika (Lin Yutang)26 betonte "feminine design for living" spielt dabei vielfach seine Rolle. Die Menschenrassen des üblichen Sprachgebrauchs, die "Populationen" gleichen Genpools, laufen also nach oben hin in einer einzigen Gattung, hier identisch mit einer einzigen Art, nämlich der des Menschen, zusammen, während sie nach unten hin die Menschenart zwar auffächern und auseinandersetzen, aber keineswegs in anderer Weise als wie sich solche Auffächerung und Auseinandersetzung auch in verschiedenen Gestalten oder Typen vollzieht. Je verbreiteter oder größer eine Art ist, um so wahrscheinlicher werden viele Figuren von menschlichen Gestalten, Typen oder "Rassen" (Rasse wird aber oft nur ästhetisch gnommen, sicher auch im Nationalsozialismus). Eine weitere, sowohl zoologisch wie anthropologisch gebrauchte Auffächerung der Art (oder der Gattung) ist die in Wahrheit rein soziologische der Gruppierung. Darüber ist nichts weiter zu sagen, als daß aus diesen oder jenen Gründen Menschen dieser oder jener Rasse, Gestalt oder Typik in Gruppen zusammenleben - von variabler Beschaffenheit und Zusammenhaltsdauer, Völker, aber auch die sozialen Gruppen der Stände, die religiösen Gruppen der Kasten und die wirtschaftlichen Gruppen der Klassen 27 • Die vor allem in Amerika scharf beobachtete und nicht wirtschaftlich, sondern sozial-psychologisch nach jeweiligen Familiengebräuchen und -gesinnungen begründete Auf teilung der Menschenschichten sollte nicht außer acht gelassen werden: aristocracy, upper middle class, lower middle class, proletariat. Aristocracy bedeutet nicht Geburtsaristokratie, was nicht nur für Amerika gilt: "der Adel (um ihn 26 Nach Epicur von Samos, 300 ante, und vor allem nach Aristippos von Cyrene (400 ante, Brief an Menoikos). 27 Der Klassenbegriff ist bekanntlich vor allem von Marx entwickelt worden, offensichtlich "eschatologisch" - der "Proletarier" ist bei Marx etwas ähnliches wie der Bauer bei Rousseau, Rohespierre ging vom "tugendhaften Volk" aus, gemeint ist wohl der einfache und natürliche Mensch - s. H.- J. Schoeps, Was ist der Mensch?, 1960, 51, 54, juristisch etwa Dahin, Der Staat, 1964,39 ff.

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bei dem einmal traditionell gewordenen Namen zu nennen) ist seiner unvergänglichen Natur nach das ideale Element der Gesellschaft, er hat die Aufgabe, alles Große, Edle und Schöne, das im Volke auftauchen mag, zu wahren und das ewig wandelbare Neue mit dem ewig Bestehenden zu vermitteln" (Eichendorff) - eine funktionelle Adelsdefinition, welche die substantielle vom Adels-Charisma gut ergänzt und den Namensfetisch- oder playboy-Aristokratismus erledigt28 - eine intuitive Adels-Definition wäre: "Ambition plus Erinnerung". Auch das Bürgerliche ist am besten nicht wirtschaftlich, sondern sozialpsychologisch zu erklären - Bürger ist der am zyklothymen Temperamentstypus Ausgerichtete, der Vertreter des gesunden Menschenverstandes, der vermittelnden Billigkeit, des Abwägens, des Ausgleichs, kurz: der affektiven Mittellagen 28 • Die Maßstäbe der zoologischen Verhaltenslehre können für die Beschreibung des Verhältnisses von Individuum und Gruppe in der Menschenwelt nicht herangezogen werden, da die einzige fest ermittelbare "objektive" Komponente der zooZogischen Gruppenbildung, die Abstammung vom gleichen Elternpaar, für die Erklärung der menschlichen Gruppenbildung nicht genügt. Auch die zoologische Verhaltenslehre von der "anonymen Schar", in der gewisse Tierarten, z. B. Zugvögel, auftreten, führt zu keinen menschlichen Analogien, insbesondere auch nicht in bezug auf das Phänomen der menschlichen "Masse"8o, weil in der "Schar" "Individual-Distanz" gehalten wird.-

* 28 Rechtlich ist der Adel überall, entweder durch Satzung oder aber durch Gewohnheitsrecht, "abgeschafft", d. h. aus dem objektiven Standesrecht in das objektive Namensrecht überführt worden, in Deutschland z. B. durch Art. 109, Abs. 3, S. 1 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika u. a. durch die zuletzt im Jahre 1906 neu geformte, aber alte "Renunziationsklausel" in 34 Stat. 596, c. 3592, § 4. Was dem Adligen aber dessenungeachtet überall bleibt, ist sein "natürHches" subjektives Persönlichkeitsrecht auf Familiennamen, das von "legalen Ordnungsnormen" nicht beeinträchtigt werden kann (BGH FamRZ 1956, 309) und das manche Eigenwilligkeiten legitimiert, z. B. den genealogischen Rückblick und die Zugehörigkeit zu Verbänden mit "Adelsleite" (z. B. dem Johanniter-Orden). Selbstverständlich kann der Namens-Adlige sein daraus folgendes natürliches subjektives Persönlichkeitsrecht aus "natürlichen" Gründen durch allgemeines Minus-Verhalten auch verwirken. 29 Zusätzlich ein Zitat aus Fontane's "Stechlin": Der Bourgeois tut nichts für die Menschheit. Und wer nichts für die Menschheit tut, der muß abgeschafft werden". 30 Alles, was man von der Masse wissen muß, steht in dem 630 Seiten langen, mit vielen trefflichen Bemerkungen des Verfassers ausgerüsteten, bei uns kaum beachteten schweizerischen Kompendium von Paul Reiwald, Vom Geist der Massen - Handbuch der Massenpsychologie 3, 1948 - s. a. W. G. Becker, Prolegomena a. a. O. 146 f., und ds., Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 320 ff. zum "rnassischen" Vertragsbegriff.

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Die aristotelische Feststellung, daß der Mensch, cinthropos, zoon politikon sei31 , sollte zunächst nicht, wie üblich, auf dem Worte "politikon", sondern auf dem Worte "zoon" betont werden.Zwischen den Geisteswissenschaften, insbesondere der Rechtswissenschaft und dann dem Recht, und der zoologischen Verhaltensphysiologie ergeben sich viele Analoga. Schon gleich bei den Grundbegriffen. Die "Objektivationen", die "ewigen" (konstanten) Objekte der Menschen, werden traditionell weitergegeben (z. B. direkt, weil sie vornehmlich semiotischer oder kommunikationstheoretischer Art sind, also aus den Sprachgewohnheiten der Menschen kommen, vor allem einfach durch Gesprächs- und Lesefrüchte, eventuell übrigens auch aufgegeben), sie werden also nicht vererbt, sondern erworben, wirken aber durch "konvergente Anpassung" auf Erbänderung genauso wie die zoologischen Mutationen, so daß in der Zoologie wie in der Anthropologie die ererbten Instinkte, Triebe, intellektuellen Ausstattungen, zusammen mit den durch "Tradition" bewirkten Mutationen, beim Menschen über Objektivationen hin, "das Wirkungsgefüge der Verhaltensweisen" bilden. Aber auch die Selektion, die Formveränderung durch Leistung (bei der Fortpflanzung die auf Artverbesserung gerichtete ZuchtwahP1a), oft unter Selektionsdruck, oft auch zufällig, hat ihr geisteswissenschaftliches Gegenstück in der Lageänderung, speziell in der privatautonomen rechtlichen Gestaltung durch Setzung von Rechtsgeschäften. Der Raum ist kein menschliches Apriori, Tiere haben Raumplanung und kennen räumliche Exklusivität. Selbst die Zeit ist in der Tierwelt einsichtig - es gibt (z. B. bei Katzen) Zeitpläne und zeitlich vorübergehende Revierfreigaben. Die Dauerehe ist eine Institution bei vielen Vögeln - die bündige Feststellung des Hl. Gregors, die erste Ehe sei Gesetz, die zweite läßlich, die dritte Missetat, alles, was danach kommt, sei tierisch, scheint also nicht zoologisch fundiert zu sein (übrigens führt die zoologische Ehe zur Aggressivität, da in der Tierwelt regelmäßig eine Komplementarität zwischen Eros und Eris, zwischen "Band" oder überhaupt Sozialität und Aggressivität zu beobachten ist - die Liebe ist nicht die Force des Friedfertigen ... ). Als gerecht erscheint in der Tierwelt, was für die Gesamtheit günstig ist. Ein Ordnungsprinzip, ohne das sich ein organisiertes Gemeinschaftsleben höherer Tiere nicht entwickeln kann, ist die (freilich aus dem Aggressivitäts-Potential hergeleitete) durchaus egalitätswidrige Rangordnung. Dementsprechend gibt es, ganz im Sinne der menschlichen Interessenverbände, die Hordenführung, in der Regel plural, z. B. durch ein Gremium besonders bösartiger alter Gorillas. Wahlverwandtschaft statt Blutsverwandtschaft wie die Totem-Integration gegenüber der Sippen-Integration! - kommt z. B. bei den Graugänsen vor: Mutter ist derjenige weibliche Vogel, der auf das "Pfeifen des Verlassenseins" beim jungen Gänschen mit Lautäußerungen antwortet. Ebenfalls die junge Graugans ist es, welche ihr Leben mit einer Reverenz vor der Societät, also mit Sozialrespekt beginnt. Daneben erscheint ein patriarchalisch wirkender angeborener Sozialrespekt von Frauen gegenüber Männern.

31 Vgl. statt aller Hans Ryfjel, Der Mensch als politisches Wesen, Festschrift C. A. Emge, 1960, 56 ff. 31a "Neben den Schwingen des Argusfasans ist das Arbeitstempo des westlichen Zivilisationsmenschen das dümmste Produkt intraspezifischer Selektion" bemerkt freilich Heinroth bei Lorenz (a. a. O. 65-A. 21).

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Alle diese Beobachtungen dürfen natürlich nicht zum Anthropomorphismus führen. Das Phänomen der gegenseitigen Hilfe 32 gibt keine Begründung der Moral oder des Naturrechts: "wenn wir in unserem eigenen Gewissen die unwiderrufliche Richtschnur unseres sittlichen Urteils nicht finden könnten, von den Bestien würden wir sie gewiß nicht erhalten, denn was uns auch ihre Beobachtung lehren könnte, daß die Entwicklungsweise, die wir an ihnen zu finden glauben, aufwärts zu dem Vollkommenen und nicht abwärts zu dem Schlechten geht, können wir doch nur wissen, weil uns vorher vollkommen klar ist, was wir als das bessere und was als das schlechtere Ende dieser Skala ansehen müssen" (Lotze). Auch vom Bienen- oder Ameisen-"Staat" (mit subjektiver Friedenssicherungsgrundlage) darf nicht gesprochen werden, weil das einzige, was wir über das Selbstbewußtsein der Tiere wissen, "die Erkenntnis ist, daß sie eins haben"33. Der Engländer Chesterton meinte, daß er sich einen Ameisenhaufen sehr wohl als Stadt-Staat im menschlichen Sinne vorstellen könne, er vermisse nur die Alleen mit den Standbildern großer Ameisen darin ... Die wohl der Gehlen'schen Anthropologie vom Menschen als "Mängelwesen" entstammende, heute öfters auftretende lose Definition, der Mensch sei "das kranke Tier", kommt vor allem aus der Beobachtung des psycho-physischen Phänomens der Aggressivität34 • Die extraspezifische Aggressivität, die spontane, nicht reaktive, instinktive (freilich motivierbare) Angriffsbereitschaft, und dann die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Angehörigen der einen Art und Angehörigen einer anderen Art im Kampfe, muß als zoologisch normal bezeichnet werden - der Beutefang der Raubtiere ist hier Lebensgebot, für den extraspezifischen Kampf, aber auch nur für ihn, gilt das "beZZum omnium contra omnes" des Thomas Hobbes (freilich gibt es auch viel extraspezifische Gleichgültigkeit). Dagegen stellt die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Angehörigen derselben Art, die intraspezifische oder gar die "intragruppale Aggressivität", zoologisch eine Anomalie dar. Der intraspezifische und der intragruppale Kampf kommt zwar in der Tierwelt als Konkurrenz zwischen nahen Verwandten, und überhaupt als Rivalitäts-, Futter- und Revierkampf vor, damit auch als Instrument der zoologischen Selektion, wird aber generell durch feste Hemmungsmechanismen, schließlich durch "ererbte oder erworbene Bänder" (die zoologische "Liebe"!) gebunden, so daß der zoologische Kampf unter Artgenossen in Wirklichkeit selten ist. Bemerkenswerterweise zeigen vor allem die Wölfe bei stärkster kollektiver extraspezifischer Aggressivität höchste intraspeziftsche Friedenshaltung und 32 Peter Kropotkin (Gustav Landauer), Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt (Volksausgabe 1923). 33 Lorenz, das sogenannte Böse, 316 und passim. 34 Vgl. etwa W. Fischet, Die kämpferische Auseinandersetzung in der Tierwelt, 1947, und - als eine hervorragende Psychologisierung der menschlichen Aggressivität an Hand von neueren deutschen Beispielen - Wanda von BayerKatte, Das Zerstörende in der Politik, 1961.

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verläßlichste Tötungshemmungen innerhalb ihrer Gruppen oder Rudel, so daß das "homo homini lupus", wiederum des Thomas Hobbes, geradezu extrem falsch ist. - Moderne Meinungen gehen im Gegensatz zu Darwin daher auch darauf, daß es im Tierreich keine ernstlichen Auseinandersetzungen gäbe, der Kampf ums Dasein sei eine unbewiesene Theorie, die der Mensch aus seinem gestörten Gesellschaftsleben in die Natur übertrüge (Vietinghoff-Riesch). Was die Menschenart anlangt, so ist sie selbstverständlich - zoologisch normal - extraspezifisch aggressiv, der Sonntagsbraten verursacht im allgemeinen keine Gewissensbisse. Leider aber sind die Menschen keineswegs - was zoologisch, wie gesagt, geradezu normal ist - intraspezifisch aggressionsfrei, sondern von einer grundsätzlichen intraspezifischen Aggressivität, wie sie sich im Tierreich höchstens bei Spinnen und Reptilien findet: Menschengruppe gegen Menschengruppe führt (in der Altsteinzeit noch planlose, dann schon organisierte) intraspezifische (extragruppale) Kriege gegeneinander - vor allem aber entfalten die Menschen das "radikal Böse", nämlich die intragruppaZe Aggressivität (wobei alle menschliche Gewalttat, die nicht als Kriegshandlung, sei es auch als Bürgerkriegshandlung bezeichnet werden kann, eine intragruppale Aggression darstellt - das Strafrecht verfolgt sie spezifisch). Hierbei mögen innerhalb verschiedener Menschengruppen gewöhnliche und außergewöhnliche Neigungen zur extragruppalen (kriegerischen) oder sogar zur intragruppalen Aggression zu verzeichnen sein: es gibt eben "stabile" und "labile" Völker, die Motivationen der jeweiligen Aggressivität sind kasuell, örtliche Einflüsse (wie sie auch bei der Rassenbildung auftauchen) mögen ihre Rolle spielen, weiter Kompensationsgesetze: der Zustand einer extragruppalen Aggression schafft intragruppalen Frieden und Solidarität, z. B. die der Arbeiterklasse oder die der Soldaten eines Kriegsheeres35• Da die intraspezifische und besonders die intragruppale Aggressivität der Menschen wahrscheinlich ein Mutationsresultat aus zelebraler überentwicklung darstellt (vielleicht auch aus der damit zusammenhängenden Triebverdrängung), entfallen in der Menschenwelt vielfach die natürlich-zoologischen Hemmungsmechanismen - die Waffenentwicklung hat dazu erheblich beigetragen, schon die Handgranate des 1. Weltkrieges erwuchs aus den Zaudermomenten beim physischen Nahkampf, ganz zu schweigen vom Einsatz der Groß waffen vom Schreib- und Schalttisch aus. 35 Vgl. vor allem die aus dem homo caelistis des 10. Jahrhunderts nachklingende Kriegspsychologie im Jouvencel, einer Kriegerbiographie aus der burgundischen Literatur des 14. Jahrhunderts bei Huizinga, Herbst des Mittelalters 1961, 97 f., oder die berühmte Friedensrede Stalin's an die "Genossen, Bürger, Brüder und Schwestern", mit der er nach dem deutschen Angriff auf Rußland die Ära schärfster innenpolitischer, also intragruppaler Auseinandersetzungen in Rußland beendete (Werth, Rußland im Krieg, 1965, 134).

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In der Menschenwelt sind daher künstliche Hemmungsmechanismen gegenüber der intraspezifischen Aggressivität entwickelt worden, vor allem die Sitte, dann - seit etwa 3500 ante in Ägypten 36 - die Moral (= Abwendung von Endunheil) und die Ethik/Sittlichkeit (= Abwendung von EndunwerWsa - ihren Triumph bildet das in besonders starkem Gegensatz zu sogar nicht einmal unter die Aggressivität einzureihenden zoologischen Tendenzen stehende 4. Gebot - tierische Vorformen der Moral sind das oben erwähnte "Band", auch Rangordnungs- und Revierzeremonien (in einem Einzelbeispiel die "Komment-Wettkämpfe" bei Fischen). Nach der Moral scheint der "Staat"37 das Zeichen für einen menschlich-künstlichen Hemmungsmechanismus zu sein, welcher dem schlimmsten Bestandteil der menschlichen intraspezifischen Aggressivität, nämlich der intragruppalen Aggressivität entgegengesetzt wurde: der Staat präsentiert sich zuallererst als Friedensordnung, einem "geordneten Verfahren zur Wahrung der existentiellen Verbundenheit", das mit Selbsthilfe- und Fehdeverboten (z. B. in den mittelalterlichen deutschen "Landfrieden") beginnt, die RacheSanktionen durch ein rechtsgenössisches Erkenntnisverfahren (bis auf Reste der Selbsthilfe z. B. in den §§ 227 ff., 904 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches) ersetzt, und dann in die Rechtsordnung eintaucht, worin sich der Urzusammenhang zwischen Staat und Recht im Sinne einer mehr als zoologischen Ge-Rechtigkeit zeigt 38 . Daher ist "das Wesen des Staates" nicht im Organisationspotential des "modernen Staates" aufzufinden39 , sondern in der archaischen Hervorbringung einer menschlichen Objektivation und Institution "Staat" aus einem Befriedungsbemühen heraus, das sich zwecks Schaffung einer künstlichen Hemmung gegenüber der dem Menschen nun einmal beschiede36

Breasted, Die Geburt des Gewissens (deutsch), 1957.

36' Abgrenzung von Sitte und Sittlichkeit z. B. im Beschluß des BGH vom

17. 2. 1954 (JZ 1954, 508).

-

37 Der Terminus ,,10 statu" wird auf MacchiaveHi, um 1570, zurückgeführt

davor, oder auch danach, stehen für "den Staat" die jeweiligen Staatsbezeichnungen durch Herrschernamen, Dynastien, Herrschertitel, "das große Haus" der Ägypter, "die Krone" der Engländer, "Senatus populusque Romanus", das Imperium, König, Kaiser oder Republik. - Vgl. hierzu auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, 1-3, der in seiner Staatslehre vom Renais-

sance-Staat macchiavellischer Prägung auszugehen scheint. Genau gesehen ist aber der Renaissance-Staat nur eine damaliger Zeit entsprechende Objektivierung der menschlich-personal bestimmten Fürstenrolle zum Staat als Institution, dessen Handlungsgesetz dann "die Staatsraison" sein sollte - das "gute alte Recht" mußte, wie es später in der Französischen Revolution hieß, der "association politique" des "corps social" weichen, vgl. hierzu M. Drath, Ev. Staats lexikon (Hrsg. Kunst, Grundmann, Schneemelcher, R. Herzog), 1966, 2120 f.

38 Vgl. Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, 190 ff., 203, konkrete Beispiele des staatlich-rechtlichen übergangs von der Friedensordnung her bei W. G. Becker, Gegenopfer, 1958, 134 und Anm. 6, 138, 140, 143 f. 39 Wie bei Krüger a. a. O. 1-3.

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nen intraspezifischen, und vor allem intragruppalen Aggressivität als menschlich lebensnotwendig erwiesen hatte. Der Staat ist die Friedensgeste des Kaisers Mare Aurel auf dem Campidoglio in Rom (später die Friedenstaube auf dem deutschen Königszepter). Dies ist eine Bildersprache - obwohl für den Einsichtigen das Bild nicht nur den Blick, sondern auch den Gedanken richten kann ... Bildersprache bleibt aber fernerhin das Reden in Wendungen wie "der Staat ist", was dann in der Regel zu lebensfremden Personifizierungen "des Staates" führt - Staat und auch Gesellschaft sind etwas sozial so selbstverständlich Gegebenes, daß die Personifizierung fast unumgänglich wird (etwa wie in bezug auf "Gott"! - Was die entsprechend personifizierte Gesellschaft anlangt, hat man schon erlebt, daß Richter, welche gegen zwei demonstrative Steinwerfer strafrechtlich verhandelten, mit der Verteidigung konfrontiert wurden, daß hier doch nur die Gesellschaft "demonstriert" hätte und in Verantwortung zu nehmen sei, wobei man sich über die alle pseudophilosophischen Spitzfindigkeiten abschnürende logische und juristische Kernregel "societas delinquere non potest" schon aus sprachlichen Gründen nicht verständigen konnte).Der Ausdruck "der Staat" bedeutet in Wirklichkeit nur ein Kommunikationszeichen "für etwas". Für was? Am besten: für ein operatives System menschlicher Handlungen einschließlich ihrer Gedanken, einen menschlichen Handlungs- und Wirkungszusammenhang40 , also nicht für eine Idee, wie es M. Drath ausdrückt: die (logische) Idee ist ein Präzipitat (Ihering), eine Extrapolation oder eine Kompression von Aussage-Urteilen, vergleichbar nach Schopenhauer einem aus einer Blume gewonnenen Parfum (während der Begriff der getrockneten Blume im Herbarium gleicht). Deshalb, weil "der Staat" keine logische Idee ist, müssen auch die sog. "ideologischen" Staatskonzeptionen von Kant bis Lenin, in der Soziologie z. B. die von Gumplowicz, F. Oppenheimer und A. Rüstow, für die Staatsbeschreibung entfallen. Eigentlich schon die zuerst römische, dann bis in die Gegenwart übernommene Umschreibung der res publica als des "Gemeinwohls", des common wealth, sicherlich die augustinische Staatsideologie vom Gottesstaat mit seinem Gegenpol, dem weltlichen Raubstaat, der platonische Sittlichkeitsstaat, Hegel's Verwirklichung des "Weltgeistes" im Staate, der staatliche Konservativismus, ob er nun das Herz rechts oder links trägt40 ', der staatliche Sozialismus mit Planwirtschaft, Sozialisierung der Produktionsmittel und Anspruch auf Wohlfahrt, der kommunistische Schutzstaat für die herrschende Klasse der Werktätigen (die Lohnarbeiter und die werktätigen Bauern ohne fremde Arbeitskräfte), der liberale Staat, so ruhig wie möglich ... In Wahrheit sind diese "Staats-Ideologien" übrigens "Staats-Axiologien", handeln also nicht von Ideen, sondern von Werten - Wert ist das Gegenstück zur (logischen) Idee des Aussage-Urteils beim Wert-Urteil, und Werturteile haben eigentlich in einer realen und reellen, wissenschaftlichen, d. h. in "getestetem" Wissen, und dann grundsätzlich kognitiv, im Aussageurteil, nicht emotional, in Werturteil und Bewertung, arbeitenden Staats-Darstellung nur am Rande etwas zu tun ... 40 So Drath a. a. O. (Anm. 37), 2115, 2144, letzte rechtsphilosophische Ausführungen über den Staat bei H. Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie 2 , 1969, 226 ff. 40_ Konservativ ist nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt (A. E. Günther).

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Was auch Drath übersieht, ist, daß "der Staat" immerhin ein Kommunikationszeichen für eine Idee nicht im logischen, wohl aber im realontologischen Sinne darstellt: auch der oben erwähnte "Wirkungszusammenhang" bedeutet doch nur einen Gedanken, freilich einen Gedanken, der erst einmal selbst eine Realität, wenn auch nur eine ideelle, ist (das ist die logische Idee auch!), zweitens aber (und das tut die logische Idee "abstrakterweise" nicht!) auf Realitäten Bezug nimmt, Realität also hat - "der Staat" steht insofern auf der gleichen Stufe wie ein "immaterielles Gut ohne, oder besser, mit selbständigem Vermögenswert", ein Unternehmen, eine Firma, ein good will oder eine Erfindung, ein Immaterial, das aber in einem Material fundiert ist und auf dieses Material "reduziert" werden kann (der E. Husserl'sche Regreß), auf staatliche Schreibtische und Telefone, auf polizeiliche Maschinenpistolen oder auf die kreatürlichen Konstitutionen von Zollbeamten oder Bundeskanzlern41 • Die theologisch-katholische Staatstheorie von der societas naturalis steht diesen Gedankengängen vom Staate als einer realontologischen Idee, als einem im Material fundierten und auf Material zu reduzierenden Immaterial, wie es auch jeder "Verband" darstellt, nicht fern und schließt sich daher auch gut, im Gegensatz zu den "ideologischen" Staatstheorien, an die oben vertretene biologische Staatstheorie an42 • Indem die Friedenshemmung nicht nur gegen die intragruppale, sondern auch gegen die extragruppale, also gegen die intraspezifische menschliche Aggressivität überhaupt gerichtet wird, erwachsen ius gentium und Völkerrecht, die Bemühungen um den Völkerfrieden und die totale Aggressionsabwehr in der "Satyagraha", dem indischen Begriff für die Ausscheidung des Bösen oder des Schlechten aus dem öffentlichen Leben der Völker (Gandhi). Wenn sich vor allem die christlichen Kirchen um das (künstliche) Hemmungssystem des kosmischen Friedens bemühen, so der Staat um das des sozialen - die ewige Schicksalsverbundenheit von Staat und Kirche, wie sie durch keine technische Trennung aufgehoben werden kann, meldet sich hier. Im weihnachtlichen "Friede auf Erden" greift auch die christliche Kirche in den sonst dem Staate vorbehaltenen Sozialfrieden über, und allerorts tut das, als Vorläuferin des Staates, die Sozialmoral, so daß Pufendorf (1632-1694) sicherlich Recht hatte, wenn er die Staaten zunächst einmal "entia moralia" nannte. Die menschliche intraspezifische Aggressivität löste von jeher den anthropologischen Pessimismus aus, schon im Alten Testament, wo er 41 Siehe über alle diese, für einen Juristen zunächst befremdlichen, aber für das juristische Verständnis einfach unentbehrlichen Dinge, die logische Idee, die realontologische Idee, das Immaterial und den Husserl'schen Regreß, W. G. Becker bei Kaufmann (Hrsg.), Die ontologische Begründung des Rechts, 1965, 597, 601, 575 und 573 f., ferner ds. in der Festschrift Engisch, 1969, 175. - Die realontologische Idee ist substantiell, das Immaterial funktionell gedacht. 42 über die theologischen Staatstheorien s. die Arbeiten von Standtke, Künneth und Klüber im vorerwähnten Evangelischen Staatslexikon (s. oben Anm. 37) im Anschluß an Drath.

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das theologische Dogma von der Erbsünde begründete (1 Mos. 6,5), dann vor allem bei Kant. Bei neutraler, also weder optimistischer noch pessimistischer Betrachtung, sind jedoch die Feststellungen vom Bösen im Menschen immer nur als Warnzeichen vor einem negativandum aufge faßt worden, das "melioristisch" zu überwinden sei43. _ Die Unterscheidung zwischen Tier und Mensch ergibt sich dann über das spezielle Aggressiv-Verhalten hinaus aus dem Verhalten schlechthin. "Bei allen außermenschlichen Lebewesen klinken die Signale der Umwelt von selbst die richtigen Reaktionen aus" (M. Landmann), das Verhalten, insbesondere der Tiere, wird also durch angeborene Instinkte geregelt, das Tier ist spezialistisch in seine Umwelt eingepaßt. Den Instinkten des Tieres entsprechen zwar in gewisser Weise die aus den "Objektivationen" erbauten menschlichen Traditionen. Davon abgesehen aber eignet dem Menschen die Offenheit: in der Weltoffenheit als einem formalen Prinzip "der Aufgabe und der Fähigkeit der Selbstkreation liegt das perennierend-konstante Wesen des Menschen", was den Menschen spezifisch vom Tier unterscheidet, ist seine "exzentrische Position" (Plessner), wenn auch freilich die Offenheit des Menschen durch die Schranken seiner Kreatürlichkeit (seiner "genuinen Natürlichkeit, natura naturans) begrenzt wird, und Lagen und Traditionen jeweils die menschliche Offenheit variieren lassen. Dementsprechend bindet E. Rothacker den Menschen weitgehend an seine UmweU: ein und derselbe Wald bedeutete dem Bauern ein bloßes Gehölz, dem

Förster Forst, dem Wanderer Schatten, dem Verfolgten Unterschlupf, dem Dichter Waldesweben ... Verschiedene Menschen erlebten den gleichen Weltstoff in ganz verschiedenen Aspekten, und Kulturen erhöben derartige Aspekte jeweils zu allgemeiner Geltung, wobei auch der Durchgang von näheren zu weiteren Umwelten offenbliebe. Vom Standpunkte des frühen Marx, dann des englisch-amerikanischen Pragmatismus aus steht der Mensch als Individuum im Fluß der Geschichte und "konstituiert" sich in ständiger Auseinandersetzung mit dem ihn umgebenden Chaos, welches für sich genommen ungeordnet und formlos bleibt (natura naturans, die menschenleere Natur!) und erst durch menschliche Formung konstituierbar wird (natura naturata!), womit sich rückbezüglich der formende Mensch selbst konstituiert".

Die menschliche Offenheits-Definition liegt der Existenzphilosophie, auch der Phänomenologie, zugrunde: da der Mensch nicht anders als in 43 Unvergeßlich voll Strenge und Menschenwürde der unbedingte Aufruf "zu Recht und Moral" in den Schlußsätzen von Thomas Mann's Novelle "Das Gesetz", der Abschlußarbeit der Josephs-Tetralogie. - Bei Ricarda Huch heißt es: "Laßt euch nicht verführen, zu glauben, daß wir das Gute nicht vollbringen könnten, weil uns die Sünde aufgeerbt und eingefleischt wäre - das sagen die Trägen, die SchweIger, die Gleichgültigen, um ihre Unfruchtbarkeit zu entschuldigen". U Vgl. Walter Brüning, Der Mensch als handelndes Wesen, Universidad de Cordoba (Argentinien), 1955.

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einer ständigen Aufnahme seiner Umwelt begriffen werden kann, wird als Korrelat des Menschlichen in bezug auf die Stellung des Menschen gegenüber dem "Sein" die Seins-Kategorie des Daseins (der Existenz), danach die des Habens, eingeführt: der Mensch hat das Bedürfnis, durch das Medium der gesamten Welt, die er auf jede Weise, naiv oder "ekstatisch"45, "noetisch" oder "noematisch", "perceptiv" oder "apperceptiv", deklarativ oder konstitutiv, aufzunehmen versucht, zu Dasein und Existenz zu gelangen, dann, nicht nur in der Welt zu sein, sondern auch die Welt zu haben, selbst auf Kosten von "Ich-Schwund" und "Entfremdung" von seinem eigenen Sein46. Zusätzlich zu der menschlichen Offenheits-Definition können die quantenphysikalische und die semiotisch-semantische von Nutzen sein. Quantenphysikalisch stellt der Mensch "ein Gebilde dar, dessen GesamtverhaI ten Auswirkung eines quantenphysikalischen Einzelereignisses ist" (P. Jordan). Semiotisch-semantisch ist der Mensch das die Bezeichnung von Gegebenheiten im Wege der Artikulation von Sinneserlebnissen zur Fixierung von "Stationen" dieser Sinneserlebnisse und damit zur Symbolisierung vorführende, demnach also das "symbolisierende Wesen«47demgegenüber das Tier nur "Zeichen" setzt.Medizinisch (nach Maßhoff) ist der Mensch "vielschichtig und gestuft aufgebaut und gegenüber den übrigen Säugern durch eine bestimmte Entwicklungsstufe der Cerebration ausgezeichnet. Die Unzahl der an diesem Aufbau beteiligten zellulären Lebenseinheiten ist, einem bestimmten Bau- und Funktionsplan entsprechend, zu verschiedenen zellulären Verbänden, zu Geweben, Organen und Organsystemen zusammengefügt, um den inneren Betrieb in ständiger wechselseitiger Beziehung zur Außenwelt bewältigen zu können. Zur Aufrechterhaltung des Lebensbetriebes bedarf es notwendigerweise übergeordneter vermittelnder und regulierender Einrichtungen (vor allem Atmung, Kreislauf-Apparat, Nervensystem und Endokrinum), der sogennanten Gemeinschaftssysteme" . Vom geisteswissenschaftlichen Standpunkt aus ist die Frage "Was ist der Mensch?" umfassend in dem schon erwähnten Buch von 45 Dazu z. B. Gerhart Husserl, Recht und Welt, 1964,70. - Wer nur "naiv", "noetisch" oder "perzeptiv" aufnimmt, also nicht in den verschärften Formen, bleibt nach Hegel eine "jaule Existenz". 46 "Haben und Selbstentfremdung" zuerst wohl in den Pariser Manuskripten von Karl Marx, sonst z. B. S. Freud. - Das Sein ist auch meta-anthropologisch zu gewinnen, das Haben nur anthropologisch. 47 Susan Langer, Philosophy in a new key, zitiert nach dem Mentor-Buch der 4. Aufl., 1952, 21, 26, 43 ff., ähnlich in Deutschland A. Gehlen und E. Rothacker: Symbolisierung und dann Sprache ist das Mittel, mit dem der Mensch die Welt und dann sich selbst konstituiert. - Natürlich wird der Ausdruck "Symbol" hier im semiotisch-semantischen Sinne genommen, nicht im ästhetischen, der Symbol und Allegorie als Gegensatzpartner verwendet.

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H.-J. SChoeps 48, kurz danach von M. Landmann49 behandelt worden. Zu Worte kommen bei Schoeps insbesondere Marx, Kierkegaard 50 , Kafka, Dilthey/Graf York, Heidegger, Jaspers, N. Hartmann, Scheler, Rothacker, Bollnow, Kunz und Lipps, danach auch die medizinisch-psychologische Anthropologie. "Wenn wir das Personbewußtsein, die Anthropologie, unserer Zeit in den Griff bekommen wollen, ist es notwendig, auf dem Hintergrund der Geistesgeschichte repräsentative Figuren und Strömungen der jüngsten Vergangenheit ins Auge zu fassen, an denen Art, Lagerung und Möglichkeiten unseres übergangszeitalters, des 20. Jahrhunderts, deutlich werden sollen."51Schließlich können wir uns nicht enthalten, einige ästhetisch-künstlerische Stellungnahmen zum Menschen zu verlisten. Zunächst die des Ovid: "Während die übrige Kreatur vornübergeneigt die Erde anschauen muß, gab der erschaffende Gott dem Menschen einen aufrechten Körperbau, wies ihn an, zum Himmel aufzuschauen und den aufgerichteten Blick nach den Sternen zu erheben". - Dann die von Theodor Haecker: "Zu dem, was nur der Mensch im Universum hat, das Tier oder etwa der Engel nicht, gehören z. B. der Glaube, das Lachen und die Tränen"52. - Annette von Droste-Hülshoff fragte: Wie den Soldaten auf der Wacht die Ronde schreckt aus dumpfer Ruh, so durch gewitterschwüle Nacht ruft uns die Zeitenlosung zu: Wie nennst du dich? Wer bist denn du? Und Hans Castorp im Humaniora-Kapitel des Zauberbergs von Thomas Mann rief auf einmal stürmisch ausbrechend: "Was ist der Körper? Was ist

das Fleisch? Was ist der Leib des Menschen? Woraus besteht er? Sagen Sie uns das heute nachmittag, Herr Hofrat! Sagen Sie es uns ein für allemal und genau, damit wir es wissen! ,Aus Wasser' antwortete Behrens".-

Der "offene" Mensch entfaltet, willensfrei nach Kant oder nur determiniert, wenn auch als "Selbst", den objektiven Geist, d. h. die Summe 48

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1960.

1960 (Anm. 27). Michaet Landmann, Der Mensch als Schöpfer und Geschöpf der Kultur,

50 Der exakte Unterschied zwischen den Anthropologien Hegers und Kierkegaard's liegt darin, daß Kierkegaard (nach Schopenhauer) in erster Linie die ewige Dissonanz alles Menschlichen empfand (insofern also auch das "aut-aut" des Menschlichen gegenüber dem "et-et"!), Heget aber (nach Goethe) seine Mittelstellung, sein nicht diatogisches, sondern diatektisches, nicht kontrapunktisches, sondern konzentrisches "et-et", die menschliche TeUhabe, den Kreisring, in dem der Mensch innerhalb des Kreises der Welt steht, wobei nach dem alten logischen und speziell juristischem Gesetze "speciaHs derogat generaH" der Kreis grundsätzlich hinter dem Kreisringe verschwindet, immer aber latent bleibt und oft wieder auftaucht, so daß dann nicht nur der Kreisring, sondern auch der Kreis zu beachten ist - manchmal kommt man mit der tex speciaHs des Handelskaufs aus, manchmal aber auch nicht, und die tex gene"aHs des allgemeinen Kaufs muß heran! 51 Schoeps a. a. O. 19. 52 Th. Haecker, Tag- und Nachtbücher 1939-19453 , 1959, 157.

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der menschlichen Leistungen, die, als "Objekte" betrachtet, zu Objektivationen, zu "ewigen Objekten" (Whitehead) sistiert werden. Wie? etwa analog der Entstehung der Präjudizien, des Gewohnheitsrechts, außerjuristisch etwa in der Stabilisierung von Dichtung und Anthologien (wie Gustav Radbruch am Ende einer von ihm besorgten zutreffend bemerkte)53. Der subjektive Geist ist danach die Offerte einer Leistung zur Objektivation. Der Flügelschlag des subjektiven Geistes trägt bereitwillig in Nietzsche's "ewigen Mittag", allerdings isoliert er auch. Ob der subjektive Geist akzeptiert wird oder nicht, ist gleichgültig, hier gilt also die zivilistische Leistungshandlungs-, nicht die Leistungserfolgstheorie5" und das chinesische Sprichwort mag darüber hinwegtrösten, man solle nur immer wirken, die Wirksamkeit stelle sich schon von selber ein ... "Hat ein Volk Geist? Streitfrage! Wenn doch der Geist endlich ein Volk hätte" (K. Riller). Wir definieren den "Geist" hier also funktionell. Das Funktionsdenken verdrängt dabei keineswegs das Substanzdenken, "erst der Substanzbegriff befähigt uns, aus den sinnlichen Eindrucken die Einheitlichkeit zu erfassen, m. a. W., die Eindrucke in der Denkform des Substanzbegriffes einheitlich zusammenzufassen"55, "unsere Umgangssprache, die im wesentlichen einer Subjekt-Prädikat-Bezeichnung und einer zweiwertigen Logik folgt, beschreibt funktionale Beziehungen nur schwer" (W. Stein). Doch bleiben die substantiellen Definitionen des Geistes fast stets unbefriedigend - in bezug auf den objektiven Geist wird von Paulus über Hegel und Lenin bis auf den heutigen Tag substantiell gedacht, manchmal sogar personifizierend (s. o. S. 41). Von den subjektiven Geist-Definitionen bleibt die beste immer noch die von M. Scheler, Geist sei ein von aller physiologischen Zuständlichkeit unabhängiges Verhalten, der Mensch könne nämlich gegen seine Trieb/Drang-Impulse handeln, das Tier nicht (daß Scheler hier vom subjektiven Geiste spricht und nicht vom Geiste schlechthin, sagt er nicht, wie es überhaupt fast immer an der Unterscheidung des objektiven Geistes vom subjektiven Geist fehlt!). Entgegen S. Freud's Lehre vom subjektiven Geist als der Sublimierung der Triebe meint M. Scheler also, daß der subjektive Geist nicht durch Askese, Verdrängung und Sublimierung entstehe, sondern durch das Neinsagen zur Wirklichkeit der Triebe56 . - Bei der Einpassung des subjektiven Geistes in die Kategorien von Physis und Psyche, Körper und Seele, hilft am besten die alte kartesianische Unterscheidung von res externa und res cogitans. Res externa umfaßt alles Nichtgedachte in Welt, Natur und Lebewesen, res cogitans alles (menschlich) Gedachte. Beim Menschen ist also der subjektive Geist eine (dialektische) Unterabteilung der Psyche, so daß man ein Buch demnach nennen kann "Vom Geist der Massen - Handbuch der Massenpsychologie", Lyrisches Lebensgeleite 2, 1958, 152. Zivilistisch hierzu letztens F. Wieacker, Leistungshandlung und Leistungserfolg im bürgerlichen Schuldrecht, Festschrift für Nipperdey, 1965, 783 ff. 55 Vgl. Leonhard, Die Kausalität als Erklärung durch Ergänzung, 1946,3,41. 56 Vgl. Schoeps a. a. O. (Anm. 27), 204, 206. - Die Scheler'sche Geist-Definition paßt am besten zur etymologischen Herkunft des Wortes "Geist" aus dem gotischen "usgaisir" - "von Sinnen abbringen" (dessen feinste Art freilich wieder die Rückkehr zu den Sinnen in der "geistigen" Musik ist). 53 54

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aber nicht umgekehrt "Von der Psychologie der Massen - Handbuch des Massengeistes" ... Auch das Tatbestandsmerkmal der Metaphysik ist hauptsächlich die res cogitans. Die (stets metaphysischen) Geisteswissenschaften beschäftigten sich, wie der Name sagt, mit dem (menschlichen) Geist, auch mit dem subjektiven. Die englischsprachliche Benennung der Geisteswissenschaften als "humanities" und ihre östliche Erhöhung zu den "Gesellschaftswissenschaften" sind beide teils zu weit, teils zu eng, denn auch die Medizin, grundsätzlich eine Naturwissenschaft, ist eine "humanity", und die Reduzierung der Geisteswissenschaften auf die Gesellschaftswissenschaften läßt die nicht-soziale Seite des menschlichen Geistes außer acht. - Die Abwendung der Rechtswissenschaft aus den Geisteswissenschaften ist in Deutschland seit einiger Zeit auffällig, die Ummontierung der Rechtswissenschaft zur bloßen Rechtskunde stellt das universitätsjuristische Tagesproblem dar - nicht mehr "Rechtswissenschaft ohne Recht" (Wie L. Nelson sein Buch nannte - 2. Aufl., 1962, übrigens auch nur im Hinblick auf das Völkerrecht) - sondern "Recht ohne Rechtswissenschaft" ... Die Naturwissenschaften lehren, wie die Natur und in ihr besonders das Leben ist und erhalten wird, die Geisteswissenschaften, wie man es besteht. Der offene Mensch bezieht seine Stellung im einzelnen mit seinem Verhalten, seinem Handeln und seinem (logischen) Urteil. Über die Handlungen und die Urteile braucht hier nichts ausgeführt zu werden, das Verhalten aber ist ganz wörtlich im Sinne des amerikanischen Behaviorismus nach John Dewey zu nehmen: Wenn der Mensch sich einfach nur verhält, so tut er nichts anderes als auf Reize reagieren (response to stimulus), psychische Faktoren wie Bewußtsein oder Wille zählen nicht. Es ist also in einer "indeterministisch" auf Willen und Schuld gestellten Rechtssystematik, wie es die deutsche ist, immer mißlich, sich auf ein Verhalten von Menschen zu beziehen, z. B. auf das "sonstige rechtswidrige Verhalten" (§ 231 BGB!) oder gar auf die Binding'sche Verhaltens-Straftat, auch auf die "Verhaltensnorm"sea • Wo die Rechtstechnik den Verhaltensbegriff angeblich notwendigerweise zu gebrauchen scheint, wird die Möglichkeit einer bloß faktischen Handlung übergangen: der sinnlos betrunkene Automitfahrer, der vom ebenfalls sinnlos betrunkenen Fahrer in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, hat nicht, wie es der BGH annimmt, durch sein Verhalten, sondern durch seine faktischen Handlungen die Einwilligung des Verletzten erteilt. Das anglo-amerikanische Recht, das überall weniger subjektiv als objektiv denkt, gibt dem menschlichen Verhalten eher Bahn, die Grippe, genauer: das im Durchleiden einer Grippe bestehende Verhalten der Mrs. Carlill galt z. B. im berühmten Carbolic-Smoke-Fall in England, 1893, als Auslobungshandlung51 • 58& Darüber ausführlich W. G. Becker in der Engisch-Festschrift a. a. O. 116-166. 51 Dazu W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung (Anm. 10), 23.

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Die anthropologischen Rechtsfiguren, mit denen wir arbeiten, sind das Subjekt, das Individuum, das Ich/Ego, die Person schlechthin, die Legalperson (z. B. der §§ 1 ff. BGB) und die Naturalperson (z. B. "der Mensch, die Kreatur und die Persönlichkeit)58.

II. Gedankengang: Die pluralistische Gesellschaft - Abgrenzungen von Staat und Gesellschaft nach den Merkmalen Volk, Macht, Recht und "social action" - Das historische Arrangement von Staat und Gesellschaft - Die formierte Gesellschaft - Der pluralistische Staat - Der Obrigkeitsstaat - Der Rechtsstaat, speziell der Barnett-Fall - Die Demokratie - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

* Die Summe der menschlichen Individuen nennt man seit Bentham und Hegel die menschliche Gesellschaft59 • Ihre Auseinanderfaltung in Gemeinschaft und "Gesellschaft schlechthin" nach F. Tönnies befaßt sich mit der sympathetischen und der apathetischen Gesellschaftsintegration. Die apathetische steht z. Zt. durchaus im Vordergrund (sie schlägt, bedingt durch die allgemeine zeitgenössische menschliche Psychopathisierung, häufig sogar in sinnwidrige antipathetische Sozialhalterungen um, in die "ungesellige Gesellschaft" im Sinne Kant's60).Die Gruppierungen der menschlichen Individuen sind von jeher vorhanden und von rechtssoziologischer Bedeutung: in Griechenland Oikos, Genos, Ekgonoi, Syngeneten, Genneten, Anchisten61 , in Rom domus, die 58 Siehe dazu W. G. Becker, Grundformein einer anthropologischen Jurisprudenz, Festschrift Gerhart Husserl, 1969, 110-131. 59 Aus den fortlaufenden Behandlungen des Themas sei vor allem Peter Klöppel's "Staat und Gesellschaft" aus dem Jahre 1887 zitiert, vgl. im übrigen Arch. f. Rechts- und Soz. Phil. 1962, 279, 283, 539 ff. 60 Vgl. H. Plessner, Ungesellige Gesellschaft zu einem Kantischen Begriff, Die moderne Demokratie und ihr Recht, Festschrift Gerhard Leibholz, I, 1966, 383 ff. - Die apathetische Sozialhaltung springt einem z. B. in dem deutschen Romane "Ginster" v. S. Kracauer, 1928, neuaufgelegt 1964, sinnfällig entgegen. - Die allgemeine gesellschaftliche Apathetik ist, unter manchem anderen, wohl auch für die Kunst des Spieles, des Spasses und des "sauren Humors" verantwortlich, welche heute, vor allem in der Literatur, das Monopol besetzt (der Gegensatzpartner wäre die bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts nachwirkende Kunst, vor allem Dichtung, des immer aus der menschlichen Sympathetik kommenden Erlebnisses - aber seit Auschwitz können wohl keine Gedichte mehr geschrieben werden ... ). 61 W. G. Becker, Platon's Gesetze und das griechische Familienrecht, 1932, 160 ff.

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Familie, gens, die Sippe, nomen, der Stamm, in Deutschland bis ins 20. Jahrhundert hinein vor allem die Stände (zuletzt inoffiziell)62. Das Modell der menschlichen Gesellschaft ist und bleibt sonst die griechische Polis. Sie muß nach Aristoteles "wohl überschaubar" (eusynoptos) sein. überbevölkerung bricht, schon in den Tier-Verbindungen, jede Ordnung. Das Indiz der menschlichen überbevölkerung ist die Arbeitslosigkeit. Behelfskonstruktionen zur Bewältigung von Arbeitslosigkeit und überbevölkerung können sich katastrophal auswirken, so im deutschen Nationalsozi~lismus. Der populäre Diamat, auch jeder Kollektivismus 62 ', behauptet, vor allem mit der meistens unterschwelligen Hervorhebung des Gruppen-Charismas, der Faszination durch das Kollektiv als eines tiefenpsychologischen Elements im Menschen, dann mit der faktischen Betrachtung der Ur-Horde, d. h. a. des arithmetischen Phänomens, daß zehn Individuen in der Ausübung von Gewalt in der Regel einem Einzel-Individuum überlegen sind, endlich mit der These vom übergewicht der "Ganzheit" über ihre Teile, die Nicht-Existenz, zumindest die Unwesentlichkeit des menschlichen Individuums gegenüber der menschlichen Gruppe. Diese Lehre vom Monopol oder Primat der Gruppe zieht sich aber offenbar durch die Menschengeschichte überhaupt. "Das ganze Lehrsystem der Kirche bis zu Luther beruht darauf, daß der einzelne sich einzufügen hatte in die Gesamtheit, daß es ihm nicht überlassen werden könne, mit eigenen Augen zu sehen"63. Das Anliegen der Reformation ist demgegenüber die individuelle Eigenoptik, also die Auch-Existenz des Individuums. Intuitiv läßt sich zugunsten dieser Auch-Existenz des Individuums 62 Vgl. dazu letztens Maravall Casesnoves, Vom Lehnswesen zur ständischen Herrschaft, Der Staat 4, 1965, 30 f. Irgendwo heißt es: "Glauben Sie nicht auch, daß der Feudalismus mit seinem Hintergrund von Treue und Schutzverpfiichtung das beste gesellschaftliche Unterpfand war, das die Europäer der Welt hinterlassen haben?" 62- Die Zeichen "sozial" und "kollektiv" sind streng auseinanderzuhalten. Das Wort "kollektiv" bezeichnet in seiner logischen Bedeutung nichts anderes als den Fall einer polythetischen Verknüpfung der Glieder eines logischen Urteils innerhalb der kopulativen Urteilsverknüpfung überhaupt. Das Kolligieren ist demnach eine poly thetische Urteilsleistung, durch die ein Kollektiv verkonstituiert wird (E. Husserl) - man kann es auch so sagen, daß Kollektive zunächst einmal nicht sind, sondern daß Weltgegebenheiten eben kollektiv gedacht werden. Wo das "Kollektiv" als soziale Einheit genommen wird, wird immer schon "kollektivistisch" vorgestellt (wie ja überhaupt jeder "ismus" ein "Weltanschauungsleitbild" bedeutet). Wer z. B. im Sinne der Sozialdemokratie denkt, kann dabei sozial oder sozialistisch denken - das Godesberger Programm denkt wohl noch "sozial", während der "sozialistische" Gedanke schon in den Bereich des Kollektivistischen fällt. Der Unterschied zwischen "sozial" und "kollektiv/kollektivistisch" verläuft ähnlich wie der zwischen der juristischen Korporation und der juristischen Anstalt: Die Korporation behandelt zwar eine "Mehrheit", faßt sie aber noch "mit personalem Durchblick" ins Auge, die Anstalt dagegen verzichtet auf diesen personalen Durchblick und nimmt die Mehrheit nicht mehr als "Menge", sondern nur noch als "Masse" (s. a. A. 76 und oben S. 31). Max Scheler meinte zu diesem Thema, Menschenliebe zum Kollektiv sei nicht nur böse und unsittlich, sondern auch Betätigung von Ressentiment und Werterniedrigung des Individuums. 63 R. Friedenthal, Luther. Sein Leben und seine Zeit, 1967, 142, s. auch 263. 4 Feslgabe Lübtow

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ohne Schwierigkeiten belegen, was Schopenhauer feststellte: "Die gedankenlose Vorstellung freilich läßt das Selbst zur Welt sich verhalten wie den Teil zum Ganzen, sie sieht in dem Selbst ein einzelnes Ding, in der Welt den Inbegriff der Dinge, wie sollte also jenes nicht kleiner sein als diese? Und doch ist es nicht schwer, einzusehen, daß die Welt als Inbegriff der Dinge ein Wesen voraussetzt, das solchen Inbegriff bildet, es ist nicht schwer, einzusehen, daß die Welt als Gegenstand unserer Betrachtung, als Aufgabe unserer Erkenntnis, nur möglich ist unter der Bedingung eines Wesens, das sie zum Gegenstand macht, also eines anschauenden, vorstellenden, mit einem Worte: selbstbewußten Wesens, daß dieses Selbst als ein einzelnes Ding, als Teil der Welt, unter die Objekte gehört, die angeschaut, vorgestellt, gegenständlich gemacht (demnach positiv bewertet) sein wollen, also ein ursprüngliches Selbst voraussetzt, welches den innersten Kern seines Wesens bildet"84. Es gibt freilich auch eine Schopenhauer-These von der Alleinwesentlichkeit "der Gattung", womit Schopenhauer das Individuum über seine Vergänglichkeit hinwegzutrösten versucht. In bezug auf den allein unter den Lebewesen die Realisierung seiner Endlichkeit (des Todes) vollziehenden Menschen klingt das freilich ein wenig abgeschmackt. Vergaß Schopenhauer, daß der Mensch zwar in seiner "biologischen Reihe" steht, aber den außermenschlichen Vorpositionen dieser Reihe doch dialektisch, als specialis gegenüber der generalis, entgegengesetzt ist, in Teilhabe an jener biologischen Reihe, aber nicht schlechthin in ihrem "Kreise", sondern in einem "Kreisringe", der eben als specialis nach altem Denkherkommen den generellen Kreis derogiert. Die unwiderleglichen Kriterien dafür, daß Individuum und Gruppe (Dividuum?) zweierlei sind, bleiben der Tod im physisch-physiologischen Sinne, nicht etwa im bloß bildlichen, sowie die Teilbarkeit. Individuen sterben, Gruppen nicht. Das Individuum ist unteilbar (auf daß es nicht stürbe), die Gruppe ist teilbar. Als schlichtes zivilistisches Beispiel dafür stehe die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts nach § 139 BGB im Sinne der "Teilbarkeit in persona", also derart, daß hier die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts von der Teilbarkeit einer Personengruppe abhängt: innerhalb einer Gruppe/Gesellschaft von drei Verkäufern ist der eine geschäftsunfähig. Er wird von der Gruppe/Gesellschaft ohne Schwierigkeiten abgeteilt, die nunmehr auf zwei Verkäufer reduzierte Gruppe/Gesellschaft hat gültig verkauft 85. Es muß also in bezug auf Individuum und Gruppe beim et-et (anstelle des juristisch stets beängstigenden aut-aut) bleiben 66 • Auch das neue Strafgesetz84 Siehe dazu W. G. Becker, Individuum und Gruppe, Prolegomena zu einer Theorie des wirklichen Staates, Festschrift Kyriacopoulos, 1966, 135--143. Amerikanischerseits z. B. John Brooks, The One and the Many, 1962. 65 Zur zivilistischen Information letztens H. Pierer von Esch, Teilnichtige Rechtsgeschäfte, 1968. 66 Auf die Notwendigkeit des "et-et-Denkens" muß immer wieder hingewiesen werden, "gerade die Ignorierung aller Zwischentöne, die schroffe Ablehnung jedes ,sowohl-aIs-auch' oder ,mehr-oder-minder' sind es, welche vielen das Recht so abstoßend machen", sprach Gustav Radbruch (Quelle bei W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung, 37). - Merkwürdigerweise beharrt der dialektische Materialismus auf dem "aut-aut", z. B. auf der totalen Kausalität alles weltlichen Geschehens unter Außerachtlassung der immerhin auch möglichen, und physikalisch sogar nachgewiesenen Spontaneität, legt den Akzent also weniger auf seine Dialektik, die ja gerade die "Teilhabe" des einen am anderen, demnach das "et-et" beschwört, als auf seinen "Materialismus", der aber wiederum etwas "diktatorisch" anmutet (s. a. Lenin's

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buch der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 schützt zuerst, in den §§ 157 ff., das sozialistische Eigentum (das Monopolkapital in östlicher Terminologie), danach, in den §§ 177 ff., das "persönliche und private" Eigentum. Der anthropologisch-soziologische Pluralismus ist die Denkungsart, das Individuum nicht als die Welt in seinem Selbst umfassend, sondern als "Weltbürger" zu nehmen, der die Welt in dieser oder jener Gestalt bewohnt, die Welt der Gesellschaft also sowohl in einer eigentlich individuellen Intimsphäre, als auch in einer Sozialsphäre, dann aber vor allem auch in einer spezifischen Sozialsphäre, nämlich als eingeschriebenes oder nichteingeschriebenes .Mitglied von" Verbänden". Die Gesellschaft der verschiedenartigen sozialen Gedanken, und vor allem die Gesellschaft der verschiedenartigen "geballten" Ausdrucksformen solcher Gedanken, der verschiedenartigen sozialen Verbände, das ist die pluralistische GeseUschaft67 • Bei der staatsrechtlichen Anerkennung dieser "Verbände" (Interessenverbände - dementsprechend "der Interessenbürger"48) blieb die privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Rechtsstruktur der Verbände im übrigen ohne Einfluß -lediglich "öffentliche Bedeutsamkeit" mußte vorliegen48 , die jeweilige Rechtsstruktur eines Verbandes bedarf oft mühseliger Konstruktion (was ist ein UniversitätsInstitut?70). -

...

Praxis und die "Diktatur des Proletariats" !), weil die Ausscheidung der realontologischen Ideen aus den Weltvorhandenheiten sinnlos ist, vor allem, wenn man diese Ideen nur als Immaterialien nimmt (s. o. Anm. 41). - Der dialektische Realismus bleibt die einzige Denkmöglichkeit. - Wer antibürgerlich denkt, muß übrigens wohl im "aut-aut" denken, denn das "Bürgerliche" ist, sozial psychologisch gesehen, nur das Zeichen für die menschlichen Konstitutionen der affektiven Mittellage, also für ein prinzipielles et-et (siehe oben S. 36, übrigens heißt es in Fontane's "Stechlin": "Mittelzustand - darauf baut sich das Glück auf"). 67 Letzte deutsche Information über die pluralistische Gesellschaft im Ev. Staatslexikon (1966, Roman Herzog, Art. Pluralismus, 1542 ff.,). Doch wird man auch die ursprüngliche, aus der Physik kommende Bedeutung des Begriffs "Pluralismus", die mehrseitige Realität oder mehrseitige Realisierung ein und derselben Gegebenheit, im Auge behalten und dann vom pluralistischen Aufbau von Gegebenheiten schlechthin (nicht nur der Gesellschaft!) sprechen müssen. Zu diesem allgemeinen Pluralismus s. W. G. Becker, Gegenopfer, 36f.68 Drath a. a. 0.2126. Zur Konstruktion des rechtlichen Verbandes (Verband als Tatbestand von Rechtsfolgen, also nicht z. B. Ehe und Familie, wohl aber die OHG!) s. Brecher, "Subjekt und Verband", Festschrift A. Hueck, 1959, 238 ff. und ds. in AcP 166, 1966, 365 ff., auch W. G. Becker, Prolegomena a. a. O. 143 ff. und das in Anm. 8 genannte Buch von R. Ost heim. 68 Vgl. dazu Lange, Die Rechtsstellung der Interessentenverbände, Dissertation Würzburg 1967, siehe auch W. G. Becker, Prolegomena a. a. 0.153, und Krüger a. a. O. 381, allgemein Herzog-Klecatsky-Schambeck, Die Verbände und ihr Ordnungsanspruch, 1965. 70 Versuch einer Beantwortung in der Konstruktion auf S. 142 f. bei W. G. Becker, Mandat und Gesetz, Festschrift Karanikas III,1967.

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Die "Gesellschaft" gilt als substantiell indefinabel (Adorno)70', was sie ist, ergäbe sich nur funktionell aus den ständig variablen Gesellschaftsprozessen. Vielleicht läßt sich die Gesellschaft aber auch substantiell aus ihrem Gegensatzpartner heraus erklären - ein methodisches Verfahren, das in solchen Fällen immer ratsam ist. Seit jeher werden nun Gesellschaft und "Staat" als Gegensatzpartner betrachtet, Gesellschaft und Staat sind in erster Linie Zeichen für zwei "apriorische", d. h. konstanterfahrungsgemäße, damit denknotwendige Visionen der menschlichen SozialweZt - man denkt die Mitmenschen der engeren Gruppe eben entweder in der Kategorie "Gesellschaft" oder in der Kategorie "Staat" und kommt dann zur ungefähren Konfundierung der Figur der Gesellschaft mit derjenigen, die sonst als Gegensatzpartner des Staates vorgestellt wird, nämlich mit der Figur des Volkes. Hierzu folgendes: Nach der biologischen Staatstheorie ist der Staat eine aus dem menschlichen Befriedungsbemühen heraus errichtete Objektivation/Institution. "Der Staat wird nicht vorgestellt als eine Anordnung Gottes oder als eine Forderung der Sittlichkeit. Er wird vielmehr gedeutet als Frucht der Einsicht einer Gruppe von Menschen, daß nur die Staatlichkeit ihres Gemeinlebens ihnen Existenz, überleben und vor allem Freiheit in den heute mehr denn je bedrohlichen äußeren und inneren Lagen in Aussicht stellt, als reale Reaktion auf solche sehr realen Notwendigkeiten"71. Die ebengenannte Einsicht kommt dabei zunächst wohl aus den "Träumen der menschlichen Instinkte oder Intelligenzen" (the American dream), schließlich, schon ganz rational, nämlich integrationell, aus dem "täglichen Plebiszit der Bürger" (Renan/ Smend). Diese "Bürger" des Staates sind anscheinend am besten funktionell mit dem "Wir-Gefühl"72 zu bestimmen, welches die einem konkreten Staate jeweils zugeordnete Gesellschaft mit dem Staate verbindetältere Vorstellungen vom Volk (populus plebesve) laufen noch mit, auch die Einwohner werden gemeint, die Abhängigen, die von den Ständen oder sonstwie Vertretenen, römisch die "Gesamtheit der am Staate Teilnehmenden", nordrhein-westfälisch "die Männer und Frauen des Landes Nordrhein-Westfalen", das Staatsvolk73 • 70_

Ev. Staatslexikon, 1966, 633 ff.

Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, V. 72 Drath a. a. O. 2139. 73 Aus der Literatur zum "Volke": U. v. Lübtow, Das römische Volk 71

Sein Staat und sein Recht, 1955, 35, 40, 142, 147, 157 f., 170, 174, 271, 298 ff., 469, 472. - K. Wolzendorf, Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt, 1916, 75 f., 81-84, 88, 90 ff., 164 f., 208, 224 ff., 304, 305 Anm. 1, überall mit Quellen H. Delbrück, Regierung und Volkswille, 1914, 44 - B. Rehfeldt, Einführung in die Rechtswissenschaft, 1962, 332 ff.

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Dabei existiert aber keine volkliche oder gesellschaftliche "oversoul" (also auch kein "Volksgeist"!), höchstens ein gemeinsamer Nenner für allgemeine Gefühle oder Ansichten und entsprechende Symbole7\ wobei man aber wieder auf der Hut davor zu sein hat, sich mit allzu großer Sicherheit auf die viel erörterte "öffentliche Meinung" zu verlassen die Gallup-Methoden und ähnliche erforschen weniger die öffentliche Meinung als die "unreflektierten Gewohnheiten"75 und "vox populi" kann ebenso gut "vox dei" als (in der stall-derben ostelbischen Junkersprache) "vox Rindvieh" sein. Im ganzen freilich sollte Wohlgefallen auch an Volk und Gesellschaft den allgemeinen affirmativ-sympathetischen Zug im Menschlichen bestätigen - die Ignoranz, die Stupidität oder die Indolenz bildet nicht die Regel, sondern die Ausnahme unter den Menschen - hier (im "common sense") liegt, neuerdings sogar experimentell geprüft, der Grundstein des angelsächsischen Vertrauens in "das Volk", während die Kontinental-Europäer vielfach doch noch der Fürsten-, Herrscher- und Hofpsychologie gegenüber dem "Strumpfwirker aus.Apolda" unterliegen 78 . "Das Volk" geht manchmal, auch bei uns, durchaus "unter" dem Geschirr seiner gesellschaftlichen Rüstung, starrt etwa, Kopf an Kopf, schweigend und voll düsteren Unwillens auf dem Neuen Wall in Hamburg am Morgen danach auf die Trümmer der "gesellschaftlich" inszenierten Kristallnacht vom November 1938 ... Seit etwa 1400 gibt es "den Aufbruch des Heils aus dem Volk,m, vorbereitet durch Franz von Assisi (um 1200) und Wiclif von Oxford (um 1350), kulminierend in Hus und Jeanne d'Arc, dann in der Französischen Reiwald a. a. o. (Anm. 30), 351 ff. 75 W. Lippmann, dazu Reiwald a. a. O. 372, 375 ff., 387. - Bei den Juristen wird die communis opinio daher auch seit Ulrich Zasius (1461-1535) oftmals skeptisch beurteilt, vgl. E. Wolf, Quellenbuch zur Geschichte der Rechtswissenschaft, 1949, 15. 76 Dazu Reiwald a. a. O. 382, 561, sonst jetzt N. Elias, Die höfische Gesellschaft - Eine Untersuchung zur Soziologie des Königtums und des Adels, 1969. Man sollte sich in seinem Wohlgefallen am Menschen auch nicht durch das hysterische Massengekreische bei gewissen Fernsehshows irremachen lassen - in sein Kämmerlein zurückgekehrt, pflegt jeder daran "massisch" Beteiligte individuell zuzugeben, daß alles Unsinn war - verantwortlich dafür bleiben die sogar meistens mit konkreten Namen angekündigten Veranstalter, die ihre Abscheulichkeiten aus individueller Impotenz und Vetternwirtschaft heraus auf den Bildschirm brachten ... Man sollte auch statt "Masse" stets "massisch" sagen, vgl. Reiwald, 390 und W. G. Becker, Prolegomena a. a. o. 146. Dabei darf man die so gerne berufene "Masse" durchaus als politisch-soziologisches Visions- und Wunschbild ansprechen, was der Ontologie von der "Not der Mehrzahl" entsprechen würde - vgl. zu diesen Problemen (welche auch eine ganz neue Theorie der juristischen Person indizieren) W. G. Becker, a. a. O. (Anm.20), 143 ff., eine Verfeinerung von Gierke's Theorie der realen Verbandsperson zu einer Theorie des realen Mehrheitsverbandes. 77 Vgl. F. Heer, Europäische Geistesgeschichte!, 1953, 199 ff. Immermann gibt im 10. Kapitel seines Oberhofs geradezu eine Apotheose des Volkes! 74

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Revolution. Seitdem segelt der Staat zunehmend im Sog des Volkes, demnach seiner Gesellschaft, hat also insoweit vielfach nur "instrumentale Funktionen" (Drath) und übernimmt vieles aus der Gesellschaft, z. B. das Prinzip der menschlichen Majorität, das der Demokratie oder, im bundes deutschen Parteiengesetz von 1967, die an sich rein gesellschaftlichen Partei-Organisationen. Freilich betreibt seitdem der Staat vielfach auch seine Legitimitätswerbung (Drath) im Hinblick auf seine Legitimation durch sein Volk, wobei es oft "Byzantinismus nach unten" gibt, oft auch charismatische, magische, ja psycho-pathologische, neurotische, hysterische und manische Elemente der Massenpsychologie. Selbst die Führerterminologie gehört zur gesellschaftlichen Legitimationswerbung, wie früher die vom Gottes-Gnadentum der Fürsten. Darin, daß sich heute alle Staaten, einschließlich der mit monarchischer oder sogar "totalitärer" Spitze ausgerüsteten, als Demokratien bezeichnen, steckt zuerst einmal eine Legitimationswerbung des Staates bei seinem Volk. Mit besonderer Rasanz wird diese staatliche Legitimationswerbung beim Volk in den sozusagen doppeltnähenden Volksdemokratien betrieben. Der Begriff sollte ursprünglich einen evolutionären Weg zum Sozialismus, also ohne Lenin'sche Diktatur des Proletariats, bezeichnen, ist dann jahrelang umstritten worden, und klingt heute auch in dem grundsätzlichen Gegeneinander von CDU und SPD im gegenwärtigen Westdeutschland leise an, wo die CDU den demokratischen Staat, die SPD aber die demokratische Gesellschaft haben will. Im Osten wird der Begriff der Volksdemokratie sicherlich auch von der obenerwähnten Diamatauffassung getragen, daß das Individuum gegenüber der Gruppe unwesentlich sei - eine Vorstellung, die allerdings auch dem Nazismus und den Konzentrationslager-Henkern zu eigen war, die möglicherweise als das moderne "Opium für's Volk" bezeichnet werden darf und die im täglichen öffentlichen Leben den Techniker der Gewalt, den Apparatschik, vor allem am Schreibtisch, in vollster Verwirklichung der Kafka'schen Alpträume zum Einsatze bringt. Wenn sich "der Aufbruch des Heils aus dem Volk" am sichtbarsten in der Legitimationswerbung des Staates vor dem Volke niederschlägt und niederschlug, so hatte er doch auch andere Folgeerscheinungen, die Strukturierung des Volkes als eines Stimmungsträgers, auch die soziale Stimmung jedermanns zur materiellen Unterstützung des "Niedervolks" - manchmal sogar die des vergessenen Uhland-Gedichtes: An unser Väter Taten Mit Liebe sich erbaun, Fortpflanzen ihre Saaten, Dem alten Grund vertraun;

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In solchem Angedenken Des Landes Heil erneun; Um unsere Schmach sich kränken, Sich unsrer Ehre freun; Sein eignes Ich vergessen In aller Lust und Schmerz: Das nennt man, wohlermessen, Für unser Volk ein Herz ... Was unsre Väter schufen Zertrümmern ohne Scheu, Um dann hervorzurufen Das eigne Luftgebräu ; Fühllos die Männer lästern, Die wir uns ausgewählt, Weil sie dem Plan von gestern Zu danken nicht verfehlt; Die alten Namen nennen nicht anders, als zum Scherz: Das heißt, ich darf's bekennen, Für unser Volk kein Herz! -

• Die Begriffe der Arten, Typen, Rassen oder Scharen (s. o. S. 34 ff.) können nicht zur Bezeichnung von Volks- und Gesellschafts-Partikeln oder gar Konstituenten verwendet werden, da jene Zeichen zoologisch, nicht anthropologisch gestimmt sind, zumindest auch zoologisch, so daß sie als generalia durch die rein anthropologischen specialia "Volk" und "Gesellschaft" derogiert werden. Was den Begriff der Nation anlangt, so genügt die Abstammung vom gleichen Elternpaare, an die man hier letztlich denkt, für die Erklärung irgendeiner menschlichen Gruppenbildung nicht (K. LOTenz). Pro Jahrtausend 30 Generationen gerechnet, hat jeder Mensch bei 40 Generationen 550 Milliarden Ahnen, Karl der Große ist also einer von vielen hundert Millionen Vorfahren eines heutigen deutschen Staatsbürgers (wobei Ahnenschwund durch Inzucht bereits berücksichtigt ist - Vettern und Cousinen haben nicht acht, sondern nur sechs verschiedene Urgroßeltern). Die Engländer und die Franzosen verstehen unter "nation" die Lebenden und die Toten, bewahren also damit den Zusammenhang, der sich in gewisser Weise, wie oben erwähnt, zuerst beim Neandertal-Menschen findet, während "peuple" (people) nur die lebenden Volksangehörigen meint. Was beim Gebrauch des Ausdrucks "Nation" mit Sicherheit verbleibt, ist wiederum, wie schon Fichte wußte die gesellschaftlich-integrationelle Werbewirkung im Hinblick auf die Legitimitätsbejahung der jeweiligen Staaten (oder ihrer Regierungen), wovon eben die Rede war.

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Die Ummontierung der Gesellschaft von der Nation zum Volk im Sinne der englischen und französischen Unterscheidung läßt sich z. Z. sehr deutlich in der Bundesrepublik Deutschland beobachten, die sozial-psychologischen Ursachen dafür sind gut erkenntlich, man "hält den ewig spürbar prüfenden Blick der Toten" offensichtlich nicht mehr aus (Gottfried Benn). Auch eine gewisse übernormale Abneigung der "den Toten" Weiterstehenden gegenüber den ihnen Näherstehenden, also der Jungen gegenüber den Älteren, gehört in diese Rubrik. Wenn man vom "Vaterland" spricht, meint man die Intaktheit oder die Intakthaltung seines Staates. Der in der englischen Literatur (Durren) aufzufindende Satz "It is the duty of every patriot to hate his country creatively" stimmt nachdenklich. Der Ausländer sieht in diesen Dingen oft strenger, aber auch gerechter. "Die Deutschen sind ein großes Volk, auch wenn Sie es nicht wissen, Herr Bundeskanzler" sagte nach einer wenn nicht wahren, so doch gut erfundenen Geschichte der russische Premierminister Chruschtschow anläßlich eines deutschen Staatsbesuches in Moskau. -

Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft an den Zeichen der Staatspolitik und der Machtpolitik ist anscheinend zuerst von Heinrich Triepel erarbeitet worden. Politik bedeutet zunächst die menschliche Aktivität sowohl in bezug auf den Staat als auch in bezug auf die Gesellschaft. Gesellschaftspolitik wird dann dahin spezialisiert, daß man die Kunst, Gruppen zu führen, darunter versteht. M. Drath pragmatisiert den Begriff des Politischen: politisch sei die unerledigte soziale Frage oder Angelegenheit (issue), unpolitisch die erledigte78 . Das Verhältnis zwischen Staatspolitik und Machtpolitik ist dialektischer Art, so daß Staatspolitik auch Machtpolitik sein kann, Machtpolitik aber nicht ohne weiteres mit Staatspolitik gleichzusetzen ist. Von der Vorstellung der Machtpolitik her kommt die politische Freund-Feind-Aufteilung. Ihre Entstehung bei Hobbes in der Zeit der Cromwell-Diktatur (um 1650) zeigt, daß sie gesellschafts-, nicht staatspolitisch angelegt ist. Sie ist letztlich in Deutschland natürlich von Carl Schmitt stark vertreten worden. Man kann in die Freund-Feind-Attrappe, da sie eben gesellschaftspolitisch angelegt ist, jeden Gruppenoder Menschendualismus hineinpressen. Sie ist gefährlich und muß widerlegt werden, wobei ihre sicherste Widerlegung wieder in der zoologischen Verhaltensphysiologie steckt, nach der "Feind" die Bezeichnung einer Reizsituation bedeutet, welche zur Abreaktion sozialer Aggressivität aufruft - nicht der Krieg ist der Vater aller Dinge (wie es Heraklit auch nur bildlich meinte), sondern der Spannungen erzeugende Konflikt zwischen instinktiven Antriebs-Instanzen, die aber ohne weiteres "redirected" werden können7~.78 Siehe auch W. Wengler, Der Begriff des Politischen im internationalen Recht, 1956. 79 Vgl. Lorenz a. a. o. (Anm. 21), 141, 389. Auch ein Merkmal der echten Wissenschaft oder der echten Kunst scheint in einem "redirecting" der menschlichen Aggressivität zu bestehen.

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Das deutsche Wort Macht definiert sich zuerst aus der Zivilistik heraus. Macht (z. B. Vollmacht) ist subjektives Recht ohne subjektive Pflicht, während, wie man seit Thomasius (um 1700) lehrt, sonst jedes subjektive Recht seine Pflichtenseite hat, Recht und Pflicht also nur Korrespondenzbegriffe des Privatrechts sind80 : deshalb stipuliert § 168 BGB die Pflicht zur Vollmachtsbetätigung aus dem Auftragsrecht heraus, § 1626 Abs.2 die Pflicht zur Ausübung der elterlichen Gewalt (auch einer "Macht"!) schlechthin ex lege. Das deutsche Wort Macht schließt anscheinend den Begriff der Gewalt ein, während anderorts differenzierter terminiert wird: aus dem römischen Imperium kommt zunächst die "suprema potestas" danach aber die "suprema auctoritas", so daß der Staat, das Imperium, einen Januskopf trägt, der einmal das Antlitz der "auctoritas", zum anderen Male das Antlitz der "potestas" zeigt. Die Terminologie des modernen Staates stellt der Funktion des Staates nach leider die Gewalt in den Vordergrund, so die Lehre von den verschiedenen "Staatsgewalten" und deren gegenseitiger Kontrolle durch Trennung oder Hemmung nach Locke und Montesquieu, bis hin zu der Fünf-Gewalten-Lehre von heute (Gubernative, Legislative, Administrative, Exekutive, Judikative).

Auctoritas ist der "unerschöpfliche Vorrat an sozialer Haltung, mit dem, nicht wie bei der potestas mit Druck, sondern mit Argument auf die Menschen gewirkt werden kann, eben mit dem argumentum ad auctoritatem - es wirkt fort und fort - auctoritas kommt von auctare, "fort und fort-vermehren" Auctoritas ist sicherlich Folgenötigung, aber gewaltlose. Auctoritas bedeutet Valenz, potestas/power (ein Wort, das der ermordete US-amerikanische Präsident John F. Kennedy im Weißen Hause, wie man sagt, nicht hören wollte!) demgegenüber Potenz, welche in die bei den Erscheinungsformen des Zwanges (vis, force) mündet, des "potentiellen" und des "aktuellen" Zwanges (potential or actual force, vis compulsiva oder vis absoluta, englisch-natural: violence). Die Unterscheidung von auctoritas und potestas (griechisch "exousia") wird zuerst bei dem römischen Kaiser Augustus erkenntlich, der Wert auf die Feststellung legte, daß er vom Jahre 17 a. ehr. n. an seine jeweiligen Amtskollegen zwar nicht an "potestas", wohl aber an "auctoritas" überragt habe - die moralisch indifferente, psychisch oder physisch zwingende und unpersönlich oder auch nach Willkür und Wollen ausgeübte Gewalt wird hier also gegenüber der freiwillig anerkannten Autorität zurückgewiesen, welche auf menschgeistiger überlegenheit beruht. Danach werden auctoritas und potestas im Römerbriefe des Apostels Paulus (13,1) und dessen theologischer Kommentierung deutlich. Luther stellte, den in den seit etwa 1500 konstituierten deutschen Fürstenstaaten gehandhabten Lehren entsprechend, die Staatsgewalt 80 Dazu letztens R. Bruns, Recht und Pflicht als Korrespondenzbegriffe des Privatrechts, Festschrift Nipperdey, 1965, 3 ff.

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in den Vordergrund (s. aber oben Anm.6!) - E. Bodenheimer, Treatise on Justice, 1967, meint auf S.117, daß die Essenz des Staates unmöglich in seiner power liegen könne. Die Gewalt ist theoretisch der absolute Widerpart des Rechts 81 - daher steht es mit dem Recht wie mit der Kirche, es trinkt kein Blut, es legitimiert zwar die aktuelle Gewaltausübung durch Zwang, aber es überläßt diesen Zwang dem Staate, d. h. dessen Agenten (deshalb vielleicht die alte Entschuldigungsbitte des Scharfrichters an den hinzurichtenden Delinquenten82 ). Zwar trennt § 229 BGB bei einem Spezialfall der Gewaltanwendung, der rechtmäßigen Setbsthilfe, die Selbsthilfe gegenüber Sachen von der Selbsthilfe gegenüber Personen, genereH ist aber die Gewalt Tatbestandsmerkmal gewisser (meist rechtswidriger) menschlicher Handlungen, welche auf Willensoder sonstige Selbst-Beugung anderer Menschen gerichtet sind. Die Aufteilung des allgemeinen Tatbestandsmerkmales "Gewalt" in "Gewalt gegen Personen" und "Gewalt gegen Sachen" wäre daher ungefähr so sinnvoll wie die einer Abgrenzung, welche fragen würde, ob die Gewalt im Jackett oder in Hemdsärmeln ausgeführt worden ist83 • Gewalt durch Unterlassung steht, nach den allgemeinen Begriffsumschreibungen, der Gewalt durch Handlung gleich (Sitzstreik!). Gewaltanwendung ist die Manifestation der (oben herausgestellten) menschlichen Aggressivität, wiederum verfolgt das Strafrecht sie spezifisch - gewisse Delikte, z. B. der Raub, sind eben nur gewälttätig denkbar. Die Gewaltanwendung, und die Aufrufe dazu, wachsen in der modernen Gesellschaft an - u. a. Folgeerscheinungen der allseitigen Anerkennung des "genuinen" Menschen in all seiner Kreatürlichkeit (Indiz dafür ist z. B. auch die Abschaffung der Todesstrafe). Streng juristisch gesprochen "setzt die GewaUtätigkeit ein aggressives Handeln voraus", während Gewalt anwendet, "wer physischen Zwang ausübt, z. B. indem er auf den Gleiskörper einer Schienenbahn tritt und dadurch den Wagenführer zum Anhalten veranlaßt" (BGH NJW 1969, 1770). Wir stoßen nunmehr auf die Abgrenzung der Kategorien "Staat" und "Gesellschaft" unter dem Gesichtspunkte des Rechts. Recht ist diejenige menschliche Institution, die sich zusammen mit dem Staat als menschengesetzter, künstlicher Hemmungsmechanismus zwecks Friedensherstellung gegenüber der menschlichen intraspezifischen und speziell intragruppalen Aggressivität herausgearbeitet hat (s. o. S. 40 f.): "Das Recht ist die dem Staate notwendige Erscheinungsform" - die Formel aus Hänel's Studien8" die Hans Kelsen in wilder Wirklichkeitsflucht zu der berüchtigten Identitätsformel "Staat = Recht" aufgedonnert hat (Got ist selve Recht - hieß es schon im Sachsenspiegel) ... 81 Siehe dazu W. G. Becker, Mandat und Gesetz a. a. O. 153. über die Unterscheidung von Macht und Gewalt sollte jeder Sekundaner Bescheid wissen. 82 Dazu W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. o. 266, Anm. 461 und ders., Festschrift Engisch, 1969, Die reale Norm, 161 ff., 179. 83 Vgl. auch W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 369. 84 Bd. II, 1887, 217.

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Im Verhältnis von Staat und Recht bleibt festzuhalten, daß sich der Staat oft zweifelhaften Rechts (und selbst zweifelhafter Rechtswissenschaft!) zur Durchsetzung zweifelhafter Staatspolitik oder sogar bloß Interessen bedient84". Doch gehört das Recht auf keinen Fall zur Gesellschaft, wenn auch die Gesellschaft rechts ähnliche und später auch vom Recht akzeptierte Verhaltensregeln entwickelt hat, die ursprünglich von Sitte und Sittlichkeit herkommen, z. B. die Empfangshaftung, aus der dann rechtlich der Realkontrakt mit der Verpflichtung des Realienempfängers gemacht worden ist, wie heute noch z. B. im § 607 BGB (nicht also etwa die Verpflichtung des Realiengebers, der nach dem gajanischen Obligationenschema realiter kontrahierte, heute etwa bei der Draufgabe) - die Empfangshaftung (Gierke) entstammt eben dem "friedlichen Innenverkehr" der Gesellschaft, nicht aber dem Quiritenrecht des (römischen) Staates85. "Faktisches Recht" kommt höchstens als "sozialtypisches Verhalten" aus der Gesellschaft, sonst aber nicht von der Gesellschaft, sondern vom Staate bei der Setzung von Anwendungsrecht85". Die Gesellschaft hat also Verhaltensmodelle, man kann diese sogar Gesetze nennen, es sind aber nur Gesetze im soziologischen Sinne, nicht im rechtlichen. "Society cannot generate the idea of law in the minds of men for the simple reason that unless the notion of orderly action, of a pattern of will and behavior - that is to say, the 'idea of law' - already exists in the minds of men no Society can subsist among them 86 ". 84' S. Kirchheimer, Politische Prozesse, deutsch 1965. Im deutschen Entwurf eines Gesetzes für eine Neuordnung des zivilrechtlichen Persönlich-

keits- und Ehrenschutzes, der sogen. "lex Soraya", steckt mancherlei Hege von Staatsfunktionären, die freie Jagd in der öffentlichen Meinung, ausgeübt vor allem durch eine kritische Presse (wenn es sie gibt), wird erheblich eingeschränkt, und auch ausgesprochene Abschußböcke erlangen unbillige Gnadenfristen. Fernerhin scheint in der freigebigen Anwendung von Landesverrats- und Geheimhaltungsvorschriften triste Protektion von Interessen vorzuliegen. - Das Recht wird selbstverständlich auch sonst von der Staatspolitik beeinflußt, daher z. B. die Abneigung der Franzosen gegen die Richternorm seit der Französischen Revolution, was bis heute insofern nachwirkt, als die Franzosen ungefähr das gerade Gegenteil des anglo-amerikanischen (und heutigen deutschen) case-Iaw praktizieren - vor der Französischen Revolution hatten die richterlichen französischen Parlamente ihre Ermessensfreiheit in der Tat anscheinend zu stark zum Schutze des Feudalismus und der Königsherrschaft eingesetzt (vgl. dazu John P. Dawson, The Oracles of the Law, Ann Arbor 1968, über die "French deviation", 263 ff.). 85 Vgl. hierzu U. v. Lübtow, Studien zum altrömischen Kaufrecht, Festschrift Koschaker, 1939, 121, 126, ds., Betrachtungen zum gajanischen Obligationsschema, Atti deI Congresso Internazionale di Diritto Romano III, 1951, 243 und, letztlich ds., Die Entwicklung des Darlehensbegriffs im römischen und im geltenden Recht, 1965, s. a. W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 20, 152. 85" Die Literatur jetzt bei Battes, JZ 1969, 685, siehe als Beispiel o. Anm. 3. 86 A. Pekelis a. a. O. (oben Anm. 9) 211 die seit 1959 in der Sowjetunion

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Dennoch stoßen wir auf die Beobachtung, daß die Gesellschaft es mit ihren sogenannten Gesetzen oft strenger nimmt als der Staat mit seinem wirklichen Recht: "Ich finde keine Schuld an ihm", sprach Pontius Pilatus (der "Staat") im Johannes-Evangelium, die Juden (die "Gesellschaft") antworteten: "Wir haben ein Gesetz" ... Auch die Gesellschaftsraison spricht oft härter als die Staatsraison. -

Antonio Tiepolo - der wirkliche Erfinder des Begriffes, also nicht, wie immer gesagt wird, Macchiavelli87 , - hat die "Ragione di statu" in bezug auf die ober-

italienischen Stadt-Staaten entwickelt - im Staatenleben berufen sich, wie eine Unterredung zwischen Lord Disraeli und Fürst Gortschakoff auf dem Berliner Kongreß zeigt, daher auch eher die kleinen Staaten als die Großstaaten auf diese Lehre. Die Engländer haben sie schon bald nach ihrer Entstehung, also zu Anfang des 17. Jahrhunderts, nämlich im Jahre 1628 im Zusammenhang mit der Petition of Rights, scharf abgelehnt 88. In Deutschland wird die Staats raison vor allem im autochthonen "Historismus" begeistert bejaht: nicht nur alle Taten, Leistungen und Werte seien nur aus der geschichtlichen Lage heraus, in der sie entstanden sind, zu verstehen, es sei vielmehr nur in diesem Rückgang auf die Entstehung aus einer Lage heraus auch die zureichende Erklärung des sachlichen Gehaltes und die gegenwärtige Bedeutung der geschichtlichen Ereignisse zu finden - daher gebe auch nicht etwa die psychologische Vertiefung in die historischen Akteure der Staaten die richtigen Aufschlüsse, sondern viel eher die jeweils angewandte "Staatsraison"89. Wie der Staat der Gesellschaft gegenüber nur "instrumental" ist, also im Sog der Gesellschaft segelt (s. o. S. 54), so kommt er ihr auch im Recht entgegen: individualistische Grundstrukturen in der Privatrechtsordnung werden z. B. im Recht des Arbeitskampfes zugunsten kollektivistischer aufgelöst90 . Oft muß die Gesellschaft aber auch beim Staate um Recht bitten, z. B. darum, daß der Staat ihre Ökonomie sichert, was sie selbst nicht kann, etwa um die Sicherung der Binnenstabilität der Währung, oder überhaupt um den Sozialstaat91 • und heute auch im übrigen Ostblock verbreiteten außerstaatlichen Rechtsprechungsorgane, die GeseHschaftsgerichte, sind also im Grunde nicht nur außerstaatliche, sondern auch außerrechtliche Institutionen - vgl. das Buch von H.-Th. Schmidt, Die sowjetischen Gesellschaftsgerichte (1969, Abhandlungen des Bundesinstituts für ostwissenschaftl. Studien). 87 Siehe jetzt B. Horvath in der österr. Z. f. öff. R. 1964,242, s. a. o. Anm. 37. 88 Vgl. hierzu W. G. Becker, Mandat und Gesetz a. a. o. (Anm. 70), 184 ff., 189, Geschichte des Rechtsstaates: Die Geburt des Rechtsstaates. 89 Siehe dazu W. G. Becker, "Der Historismus" in: Wirklichkeit und Recht (Die ontologische Begründung des Rechts, hrsg. von A. Kaufmann, 1965), 588 bis 593. 90 Vgl. F. Fabricius, Individualismus und Kollektivismus im Recht des Arbeitskampfes, 3. Jg. der "Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht" in Wien, 65 ff. 91 Vgl. z. B. das Bonner Bundesgesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8.9.67, dazu O. Veit, Währungspolitik als Kunst des Unmöglichen, 1968, 96 ff., bes. 106 f.

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Die Gesellschaft nutzt auch gern das staatliche Recht für ihre Gesellschaftsinteressen, z. B. die Auslegungsregeln zur Stärkung der nationalsozialistischen Weltanschauung von einst92 • Demnach ist es selbstverständlich, daß das eigentliche Anliegen und die Hoffnung der Gesellschaft nur der mechanisierte, auf den Rädern der staatlichen Gesetze und prinzipiell nur der staatlichen Gesetze laufende "formale Rechtsstaat" ist, ein Staat des nur "mäßigen Rechts", ("denn jede Erfindung der schaffenden Seele, welche vor Augen haben muß, mit gewissen Forderungen der Gesellschaft zusammentreffen, wird notwendigerweise mechanisiert"). - Sogar der "introvertierte Rechtsstaat" erscheint93 • Die schärfsten Unterschiede zwischen Staat und Gesellschaft ergeben sich selbstverständlich aus den "sozialen Aktionen" von einerseits Staat, andererseits Gesellschaft 94 - vor allem über die Gesellschaft sind in dieser Hinsicht ganze Bibliotheken geschrieben worden ... Der Staat "regiert" mit seiner Regierung, die Gesellschaft regiert sich aber auch, dies direkt oder indirekt, sogar mit dem jederzeit zu beobachtenden Versuch, in die Staats-Regierung hinüberzugreifen - das "Schattenkabinett" der Oppositionspartei gibt ein deutliches Beispiel, aber auch die intentionellen Elemente in den Persönlichkeiten der gesellschaftlichen Leitung spielen hier eine Rolle - überall trifft man bei diesen Persönlichkeiten auf den Wunsch, sozusagen das Hochseepatent für große Staatsfahrt zu erlangen (manche freilich müssen am Wann see bleiben ... ). Der Staat regiert, ob er monarchisch, republikanisch, demokratisch oder selbst totalitär 95 ist, entweder "imperativ" oder "mandativ" -: die 92 B. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, 1968. 93 Vgl. hierzu E. ForsthojJ, Der introvertierte Rechtsstaat und seine Verortung, Der Staat 2, 1963. - Man kümmert sich also nicht viel um die Vorstellung, die das Ausland vom Rechtsstaat hat, s. hierzu das bei den Akten des Auswärtigen Amtes in Bonn liegende Schreiben des kanadischen Außenministers an den damaligen deutschen Außenminister Brandt vom 19. 1. 1968. 94 Siehe den Buchtitel von A. Pekelis, Law and Social Action, oben Anm. 9. 95 Das Beiwort "totalitär" bedeutet schlicht, daß der Staat oder der Verband den Einzelmenschen total in Anspruch nimmt, ihn also sozusagen mit Haut und Haar frißt - vgl. E. Hennig, Zur Dialektik von Pluralismus und Totalitarismus, "Der Staat" 7, 1968, 287 ff. - merkwürdigerweise betrachtet die neuere östliche Meinung das "persönliche und private" Eigentum als Mittel des Einzelbürgers, sich von Staat und Gesellschaft zu isolieren, womit ein bemerkenswertes anti-totalitäres Element in Erscheinung tritt - vgl. die Westberliner Dissertation von Inga SchuUhess, Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechts denken in der DDR, 1966. - Die totalitäre Staatsauffassung nimmt auch die Rechtsnormen eines (totalitären) Staates als "ganzheitlich" (morphologisch) - so daß dann also "Führeres Wille" Gesetz wäre! -, während die entgegengesetzte (atomistische) Auffassung der isolierten Normen, welche jede Norm einzeln prüfend ans Licht hält und auf Gültigkeit oder

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amerikanische Rechtssprache verwendet das auf das Substantiv "Imperium" zurückzuführende Adjektivum "imperative" gleichbedeutend mit dem Adjektivum "mandatory" - in beiden Fällen sind rechtliche MußNormen (directory provisions) gemeint - man kommt mit der amerikanischen Unterscheidung sehr viel weiter als mit der deutschen von "Herrschaftsstaat" und "Genossenschaftsstaat"98 und arbeitet auch besser damit heraus, daß der Staat einmal als "Herrschaftssubjekt" und zum anderen Male als "Kontrollobjekt" aufzufassen ist (in der Dekapitation des Staates vom personalen Herrschaftssubjekt zum "dinglichen" Kontrollobjekt liegt eines der bei den essentiellen soziologischen Tatbestandsmerkmale, welche "die neue Welt" von der alten sondern). Die Gesellschaft regiert sich, vor allem in ihren pluralistischen Untergruppen, den Verbänden, den Interessenverbänden, bewußt oder unbewußt im allgemeinen in der Analogie zum Herrschaftsstaat, es wird also hier gerade nicht "mandativ" regiert, der Schein trügt! Der Herrschaftsgedanke der Verbände in Deutschland kommt bezeichnenderweise aus den Selbstverwaltungen und Autonomien, welche den Verbänden im Zuge der nationalsozialistischen Dezentralisierungstendenzen in den 30er Jahren erweitert gegeben wurden.Den Begriff des "Sachlichen" auf die Verbände zu gebrauchen (den eine der letzten Arbeiten des Münsteraner Rechtsphilosophen Wilhelm Sauer als einen primären Topos des Anwendungsrechts bezeichnete!) wäre gerade nicht sachlich, vielmehr muß hier das stieräugige Wort Belang gesagt sein. Interessentenverbände sind Pressionsgruppen, welche öffentlichen Einfluß "durch andere Mittel als ausschließlich das Vorbringen von Argumenten" zu erlangen versuchen, zu welchen Mitteln der aktuelle Zwang im allgemeinen freilich noch nicht gehört97 • In der Herrschaft der Verbände taucht dann häufig die Gruppen-Tyrannis auf. Kontrollen, vor allem auch die staatliche Rechtskontrolle jeder Art, werden vielfach abzuwerfen versucht. Ihrer Vorstellung vom formalen Rechtsstaate entsprechend besteht die Gesellschaft auch in ihren Verbänden im allgemeinen auf strikter Legalität (die bekanntlich oft nicht zum richti ... gen Recht führt, man stelle sich die berüchtigten "Legalitätsstreiks" vor Augen!). Wie es nach der amerikanischen Formulierung das subrosa-Recht gibt (z. B. die privat manipulierte Konventional-EhescheiNichtgültigkeit hin testet, die herrschende ist (vgl. dazu J. Baumann, NJW 1964, 1401 f.). - Die vom Staate geräumten Positionen werden gelegentlich gern von der Gesellschaft bezogen, und die totalitäre Gesellschaft erhebt düster ihr Haupt! 98 Vgl. J. G. Sutherland, Statutes and Statutory Constructions 3, 1943, 11 214 ff., 11176 ff., dazu etwa U. S. ex rel. Siegel v. Thoman,156 U. S. 353 (1894). 97 H. Krüger a. a. O. (Anm. 38), 381, Anm. 5.

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dung), so gibt es hier auch ein sub-rosa-Unrecht, Straftaten, die im täglichen Leben der Verbände so zahlreich erfolgen, daß ihre Verfolgung schon aus Gründen der Quantität unterbleibt, so daß sie "obsolet" werden - Beleidigung, Bedrohung, Nötigung, Erpressung. Das sub-rosaUnrecht wird vielfach von den Verbänden der Gesellschaft auch bewußt eingesetzt, womit diese manchmal in gefährliche Nähe zum soziologischen "gang" rücken: der gang ist primär nur als Leitgremium einer Interessengruppe zu erklären, der gang "gängelt"88, dann taucht auch der aktuelle Zwang auf - "ista quidem vis est"! Gang-Prinzipien werden zu Interessenverbands-Prinzipien überhaupt, das ursprünglich zum Gang-Bereich gehörige "closed-shop-Prinzip" wird sogar zum offiziellen Instrument erhoben: unter closed shop versteht man speziell eine Vereinbarung zwischen Unternehmern und Gewerkschaften, nach der nur gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer in dem entsprechenden Wirtschaftsbereich oder Betrieb beschäftigt werden dürfen, und eine solche Vereinbarung darf nicht verboten werdenU. Allgemein gesehen bringt das closed-shop-Prinzip aber den gut gesellschaftlichen Gedanken zum Ausdruck, daß die Gruppe unter allen Umständen "integriert" werden muß, auf deutsch: Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein (das bestkontrollierbare Beispiel im Großen bietet die ehemalige deutsche NSDAP, welche die Deutschen ihrer Zeit in Scharen in die Partei trieb, nachdem der individuelle Parteibeitritt seit dem 1. Mai 1937 zur großen Erleichterung vieler Deutscher ausgeschlossen war, einfach durch Anmeldung zur Partei seitens von Verbänden oder Behörden, welcher sich der einzelne nicht widersetzen durfte, wenn er nicht in Kauf nehmen wollte, von nun an als "Staatsfeind" behandelt zu werden!). In der heutigen Politik zeigt sich das closed-shop-Prinzip z. B. auch darin, daß jederlei Sezession aus einem Verbande bekanntlich Todsünde ist (der nordamerikanische Bürgerkrieg, Biafra!). Auch sonst machen sich bei den Verbänden inhumane Spekulationen bemerkbar, die auf die menschliche Indolenz, auch die auf den Herzinfarkt, mancher gute Mann nimmt (im amerikanischen Slang gesprochen) "gang-protection", damit er nicht "sozial liquidiert" werde too • Thrasher, The Gang, 1927. Art. 14 b des Taft-Hartley-Gesetzes ermächtigte die nordamerikanischen Bundesstaaten, closed shops mit eigenen Gesetzen zu verbieten. Dieser Artikel ist vom Repräsentantenhaus in Washington im Juli 1965 aufgehoben worden, die in 19 Bundesstaaten auf Grund des Artikels erlassenen Gesetze wurden für nichtig erklärt. 100 Die soziale Liquidation ist zuerst belegbar in Nordamerika erprobt worden, hier vor allem zum Heile der Demokratie, vgl. hierzu A. de TocquiHe, über die Demokratie in Amerika, Fischer-Bücherei, 1956, 95 bis 97, dazu W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 120 und Anm. 358. 98

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Kompensierend sorgt dafür der Verband für seine Mitglieder, immer freilich apathetisch (s. o. S. 48), aber gewöhnlich auch unter Verzicht auf Gewalt, zumindest auf aktuellen Zwang. Was die Legitimationswerbung angeht (s. o. S. 54), so wird sie noch stärker als vom Staate von der Gesellschaft betrieben. Auch der Staat kommt hierbei, wie oben bemerkt, auf die "massischen Bahnen", noch mehr steht ihnen aber die Gesellschaft offen. Jeder Verband ist irgendwie massisch angelegt, sein Urvater ist der Mob 101 • Daher sprach man schon in Rom: Senatores omnes boni viri, senatus romana mala bestia102 • Dieser Spruch bedarf indessen einiger Interpretation. Gesetzt den Fall, es wären wirklich alle Senatoren "boni viri", so scheint es so zu stehen, daß hier in der Tat ein Fall des Hegel'schen Umschlages der Qualitäten unter dem Einfluß von Quantitäten vorliegt, daß nämlich hier - vom allgemeinen menschlichen Quietismus und von der stets bereiten individuellen Kalkulation einmal abgesehen - das Zauberwort "mutabor" aus Hauff's Märchen "Kalif Storch" volle Wirklichkeit gewinnt: Der Mensch wird Storch, nämlich "Verbandsfunktionär", das zu den tradierten Ausstattungsstücken des menschlichen Individuums gehörende Gerechtigkeits- und Rechts-Empfinden102- stirbt vor der überlegung der Verbandsinteressen ab - was wohl auch mit der oben erwähnten Unvereinbarkeit von Recht und Gesellschaft zusammenhängt und zugleich einen Beweis dafür liefert, daß die rudimentäre und archetypische Bereitschaft, dem Kollektiv den Vorrang vor dem Individuum einzuräumen, noch groß ist (und um so größer, je primitiver das entsprechende Individuum!), der allgemeine entwicklungsgeschichtliche Trend von der Symbiose zur Individualisierung102b noch immer bereitwillig blockiert wird, und der fortgeschrittene Mensch, der gerade dieser Entwicklung folgt, es noch schwer hat (die Tatsache, daß es immer ein machtpolitisch geschicktes Einzelindividuum ist, das auf diese oder jene Weise eine Konspiration zu abwegigem Kollektivverhalten zwecks Durchsetzung seiner Einzelziele zusammengebracht hat, wird, wo man so kollektiv-hörig ist, einfach verdrängt!).Jedenfalls bestimmt sich die Verbandsleitung ab ovo nach der MasseFührer-Relation103 , gleichgültig, wer dieser "Führer" ist - den Teufel 101 102

Reiwald a. a. O. (Anm. 30), 386 ff. Reiwald a. a. O. 566.

102_ über Rechtsbewußtsein, Rechtsempfinden, Rechtsgefühl und Rechtschaffenheit vgl. J. Esser, Einführung in die Grundbegriffe des Rechtes und Staates, 1949, 31 ff. - Es muß noch gesagt sein, daß, wo die Individualgerechtigkeit einer Art "Verbandsgerechtigkeit" weicht, eine Rückkehr zu der oben erwähnten zoologischen Gerechtigkeit erfolgt, welchletztere bestimmt mit der aus der Ethik entwickelten menschlichen und dann rechtlichen Gerechtigkeit nicht identisch ist (die Verwechslung zoologisch-biologisc.l-}er mit ethischen Kategorien kommt auch sonst vor, z. B. machen die Kinder, der religiösen Tröstungen beraubt, ihren Eltern jetzt oft, ausgesprochen oder unbewußt, zum Vorwurf, daß man sie überhaupt dem Leben ausgeliefert habe - ein biologischer Folgezwang wird zum moralischen Vorwurf umgedeutet!) - über die Gerechtigkeit liest man zur Einführung in den grenzenlosen (und grenzenlos abgehandelten) Stoff am besten die gleichnamige Arbeit von W. G. Becker in der Revue Internationale de Philosophie 11, 1957,363-391. 102b Dazu W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 181. 103 Darüber Reiwald a. a. 0.365 ff.

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merkt das Völkchen nie, und wenn er sie am Kragen hätte ... und wenn das Führer-Bedürfnis auch aus dem innigen Wunsche nach der "Erlösung vom Steuer" durch eben diesen "Führer" kommt, so ist es zeitbedingt und gleichgültig (also gleich gültig), ob die schreienden Massen in Abreaktion ihrer Emotionen "Heil Hitler" oder "Ho tschi minh" brüllen ... Mag man Napoleon noch als militärischen Massenführer einordnen, so bleibt Hitler der gesellschaftliche Massenführer der Moderne. Man darf dabei nicht vergessen, daß in diesen Dingen häufig pekunär vorgegangen wird - Mary Baker Eddy, auch sie eine moderne gesellschaftliche Massenführerin, obwohl beschränkt auf den Bereich der Christian Science, arbeitete hier speziell mit der ewig-weiblichen pekuniären Kalkulation lOf , und der über die Gesellschaft geführte freie Zugriff auf die Staatskasse bleibt nicht auf Südamerika beschränkt Als Gegensatz: der letzte deutsche Justizminister der Weimarer Republik lehnte es nach seiner Ernennung im Hinblick auf die angespannte Lage der Staatsfinanzen ab, aus seiner Etagenwohnung in der Meierottostraße in Berlin-Wilmersdorf in eine Residenz-Villa zu ziehen und gab sein jährliches offizielles Diner (drei Gänge mit Kasseler Rippenspeer) in den Diensträumen des Justizministeriums. Die massischen Legitimations-Werbevokabeln, ob vom Staat oder von der Gesellschaft verwendet, sind von lächerlicher Austauschbarkeit. Der nationalsozialistische Aufruf "Das arische Vaterland, das die Seelen von Helden aufgezogen hat, ruft Euch, in denen das Blut von Helden fließt, zum höchsten Opfer auf, dem Ihr Euch nicht entziehen werdet und das für immer in den Korridoren der Geschichte wiedertönen wird" wird von Stuart Chase in seinem sehr lesenswerten Buch "The Tyranny of Words" z. B. folgendermaßen übertragen: "The blab blab, which has nursed the blabs of blabs, calls upon you for the blab blab which you, in whom flows the blab blood, will not fail and which will echo blab down the blabs of blab" .105_ Die drei innerhalb der gesellschaftlichen Machtpolitik besonders stark entwickelten Prinzipien der Herrschaft, der Kalkulation und der Verschlagenheit wirken auf die Gesellschaft im ganzen zurück und tragen insofern wesentlich dazu bei, das überkommene Menschenbild zu ändern106 • Allerdings blieb keine nazistisch-gesellschaftliche Aufforderung unverständlicher als die des seinerzeitigen deutschen Kriegsministers v. BIomberg an seine Offiziere, nunmehr" verschlagen" zu werden ... 104 105

Reiwald a. a. O. 589. Bei Reiwald a. a. 0.357, s. sonst 367 und vor allem 369 ff. über die Tech-

niken der Legitimationswerbung. 106 Dazu Alfred Webe1', Der dritte oder der vierte Mensch!, 1953, 11, 13 f., 16 Anm. 1, 29 f., 43, 55, s. a. A. W., Der vierte Mensch oder der Zusammenbruch der geschichtlichen Kultur, Die Wandlung, 3. Jg. 1948, 283 f. - nicht der altbekannte Generationen-, sondern ein Menschentypen-Konflikt! - "Man darf aber" - meinte Dubslav Stechlin - "das keinem so alles auf die Nase binden, das ist eben, was sie jetzt ,politisches Leben' nennen" ... Es bleiben zur Abwehr also die Sprachmittel der Ironie (gegen die Dummheit) und der Satire (gegen die Verlogenheit), Ironie und Satire aber werden mangels Sprachgewandheit in der Regel nicht mehr verstanden. 5 Festgabe Lübtow

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Wir leiten damit auf das Problem der Verbands-Affinität über. Vielfach werden die Verbände von entsprechend affinen Menschentypen bestimmt und getragen - "Professor Opportunecke" (K. Riller) ist überall dabei, und der Jeinsager sitzt obenauf ... Und wiederum geraten wir so dem stets verdrängten Phänomen der menschlichen Intentionalität auch in den Bereichen des Staates und der Gesellschaft (selbst der Rechtsanwendung!) auf die Spur. Die Intentionalität ist zunächst im Sinne Kant's eine fundamentale Intentionalität, die überhaupt erst zur Setzung von Urteilen und zur Entfaltung von spezieller "Urteilskraft" (amerikanisch-trivial: hunch!) befähigt, danach die Zielgerichtetheit und damit der Char,alkter aller menschlichen-psychologischen Akte, die Finalität auf Zweckerreichung oder auf ein gutes Ende hinI06 ", der "transzendentale Leitfaden" (Sartre) des Menschen106b • In subjektiver Intentionalität wägt etwa der Dekan einer deutschen Fakultät ab, ob er lieber Gruppen-Chef oder lieber Amts- und Behördenleiter sein will 107 • Auch jede 106_ "The purposive and the selfsufficient motivation" (Sorokin) sind eben durchaus verschieden, die "selfsufficient motivation" bestimmt das "reine Recht" in einem viel tieferen Sinne als bei H. Ketsen, vgl. dazu W. G. Becker in der Engisch-Festschrift, 186 f. - Sorokin nennt die selfsufficient motivation auch die eigentliche normative Motivation im Rechtssinne. Er sondert diese also sowohl von der Motivation im Sinne der materialen "causa efficiens quae quid primum movit" ("because-of-type of motivation"), als auch von der Motivation im Sinne der materialen "causa finaHs cuius gratia" als einer Zweck- und Tendenzfinalität (dies ist die "purposive motivation"!), läßt also nur die selbstgenügsame Motivation in der Sparte "causa formatis" als Ratio und Grund aller Erkenntnis bestehen (über die Arten der causa s. W. G. Becker, Gegenopfer a. a. O. 330 ff.) - nach Ihering geht es bei Klägern häufig nicht um ein geringfügiges Streitobjekt, sondern "um einen idealen Zweck" (Radbruch, also um eine "self-sufficient motivation"): die Behauptung der Person selber und ihres Rechtsgefühls. Der Prozeß gestaltet sich für einen solchen Kläger aus einer bloßen Interessenfrage zu einer Charakterfrage: Behauptung oder Preisgebung der Persönlichkeit. Die echte normative Motivation als selbstgenügsame ist von der oben in Anm. 13 genannten orthogenetischen Art: "Jedes ernste, aufrichtige Streben trägt seinen Lebenskeim in sich selbst, dessen Entwicklung und Frucht unabhängig ist von dem unmittelbar bezweckten Erfolg und vielleicht später erst äußerlich sichtbar werden kann, in anderer Zeit und unter anderen Umständen. Ohne diese Zuversicht würde oft das reinste und edelste Streben gelähmt werden durch die Betrachtung überwiegender Hindernisse, die sich dem nächstliegenden Zweck entgegenstellen" - "a jeda Mensch hat halt a Sehnsucht ... ", "la douce esperance" der Aufklärung und "der Kampf ums Recht" kann nur unter der orthogenetischen Motivation verstanden werden. 106 b Es gibt eine Grundbefindlichkeit des Menschen, die ihn nötigt, unaufhörlich zu intendieren, und zwar stets dorthin zu intendieren, wohin die stärkeren emotionalen Besetzungen hinstreben - dies ist die psychotogische Definition der Intention, die sich damit auch als die psychologische Ursache des "Müssens" darstellt (M. Danner). 107 Amt ist die Zuständigkeit eines Menschen, fremde Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, wobei der Amtswalter nicht seine persönlichen Interessen, sondern diejenigen zu verfolgen hat, um derentwillen das Amt geSchaffen worden ist (die Schaffung eines Amtes für eine "personell" bestimmte Amtswalterperson, z. B. für einen charismatischen "Führer", kommt vor). - Behörde ist jeder kraft öffentlichen Rechts bestehender Geschäfts-

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Art von appetitus socialis nach Pufendorf macht sich vor allem in den Verbänden bemerkbar, die Geltungsgefräßigkeit, insbesondere (bei uns) auch der Geltungs-Nachhol-Bedarf ... In diesem Zusammenhange kommen wir um den soziologischen Begriff der "Elite" nicht herum (mag auch immer noch einer weniger dazu gehören, als es sich der darüber Vortragende gerade einbildet!), damit auf die Frage nach der Leitung in Staat und Gesellschaft. "Elitenbildung" (etwa im Sinne von K. Mannheim) bedeutet Besorgung des Leitungspotentials oder der Leitungsauslese. Elite wird offensichtlich durch immer wechselnde Kleingruppen der Bevölkerung dargestellt, vielleicht die sogenannten "Kulturträger", auf jeden Fall im staatlichen und gesellschaftlichen Felde diejenigen, die sich zum "noblesse oblige", zu ihrer Verantwortung für Staat und Volk, aufgerufen fühlen und diese Forderung "integrieren". Zu Elite, Leitun~ oder Führung gehört auch ein Charisma. Manche inneren Unruhen haben ihren letzten Grund im Mangel dieses Charismas. Das Charisma der Führung ist in Deutschland von innen her kräftig ruiniert worden, zuerst in der NS-Zeit, dann wohl seit dem Adenauer-Kurs - seitdem spricht man auch in Deutschland von einer" Veruntreuung der Elite"! Man darf auch den Elitenverlust der beiden Weltkriege nicht vergessen, der Deutschland besonders stark betroffen hat: Georg Trakl klagte schon kurz vor seinem eigenen Kriegstode im Herbst 1914 über "die ungeborenen Enkel" ... Die mit der Betonung der Gruppe vor dem Individuum zusammenhängende Senkung der Qualitätsansprüche stellt die wirklich Qualifizierten in Staat und Gesellschaft im übrigen vor geradezu unlösliche Persönlichkeits- und ArbeitsAufgaben - sie können sich nicht selbst senken, denn der menschliche Antriebsüberschuß, der auch die Qualitäten bestimmt, geht typischerweise auf Verbesserung, nicht aber auf Verschlechterung. "niemand kann sich selbst sich subordinieren", sagte Goethe einmal zu Riemer ... Damit präsentiert sich uns "das psychologische Elend" der Gesellschaft l08 : die unbedeutenden Mitglieder der Verbände werden Vorbilder, die Behauptung aber "wer sich von einer fixierten Majorität beauftragt weiß, darf nun einmal weiter schwimmen als der Einzelgänger" (Walter Jens) bleibt, ganz abgesehen davon, daß sie sprachlich aus dem Bilde fällt, bestreitbar, denn es kommt beim Schwimmen auf die individuelle Körperkonstitution an und nicht auf die anfeuernden Zurufe der Verbandsbrüder ... Offensichtlich wird man politischer Führer nicht dadurch, daß man Protagonist und Optimat, sondern dadurch, daß man Prototyp ist. Nicht Platon's Philosophen stehen also in der Spitzenstellung, überhaupt kaum erste Garnituren. Dabei wird in ihnen häufig auch weiterbesorger des Staates oder eines Quasi-Staates (sofern dieser juristische Person des öffentlichen Rechts ist), der in konkreten Fällen geschäftsbesorgend durch nicht in Gesetzen bestehende Entscheidungen zu handeln befugt ist meistens gremial-institutionell anzusprechen. 108 Reiwald a. a. O. 362, nach S. Freud.

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hin noch der Charakter hinter der Leistung zurückgestellt, und die wie man hört - bei der deutschen Bundeswehr zum Ausdruck gebrachte personal politische Direktive, wonach charakterliche Mängel durch sonstige Fähigkeiten oder Leistungen unter keinen Umständen ausgeglichen werden könnten, ist sicherlich bisher nicht Gesetz geworden. "Die Kraft einer jeden Versammlung ist ihre Mäßigung, die Gefahr aber ihre Anmaßung; und diese besteht, wenn einzelne, welche Macht und Ansehen nicht haben, solche mit Hilfe ihrer Versammlung erringen wollen" (Stifter). Seitdem man den Menschen nicht mehr nur psychologisch, sondern auch tiefenpsychologisch betrachtet und untersucht, müssen in bezug auf die Qualität der im Staate Planenden psychopathologische Elemente, wie sie sich etwa in Nietzsche's "Wille zur Macht" zeigen, mitberücksichtigt werden: Psychopathen an der Spitze ... in sozial-psychologisch kühlen Zeiten haben wir sie, in heißen Zeiten haben sie uns - meditierte der Tübinger Psychiater Kretschmer (beten wir um eine sozial-psychologische Eiszeit!).Auch dem heutzutage das politische Monopol besitzenden "Berufspolitiker" gegenüber ist Mißtrauen angebracht. "Wir brauchen keine Abgeordneten aus der Ochsentour, keine, die sich hochgedient haben. Nur jene können uns weiterbringen, die durch ihre beruflichen und menschlichen Lebensleistungen überzeugt haben, nicht solche, bei denen der Wähler erst einmal fragen muß: ,Wer ist das eigentlich?' ... Lebendige Demokratie muß von denen getragen werden, zu denen man auch ohne Politik Vertrauen hat, die den Erfolg des Bürgers bereits haben, nicht von denen, die erst über die sogenannte politische Betätigung zum Erfolg und vor allem zur Bestätigung ihrer selbst gelangen wollen109. " Auf der anderen Seite gibt es den Sog des Staatsbewußtseins, das Erfülltsein von dem "great commitment" (wie es im großen Wandbilde den amerikanischen Marineoffizieren auf der Seeschule in Annapolis vorgeführt wird). Der Volksmund sagt dazu, daß, wem Gott ein Amt gebe, dem gäbe er auch den Verstand. Der Politiker, selbst der Volkstribun, kann sich zum "Staatsmann" herausmendeln. Ungerecht wäre es fernerhin, nicht davon Kenntnis zu nehmen, daß die "geschichtemachenden Karrieristen" (Napier), unbeschadet ihrer subjektiv-egoistischen Motivationen, fast überall auch echte Leistungen, zumindest Bemühungen darum erbringen (wenngleich die Gerechtigkeit andererseits den Hinweis darauf erfordert, daß die karrieristischen Erfolge von der stillen Schicht derjenigen Staats- und Gesellschaftsangehörigen getragen werden, welche den Königsweg der großen Arbeit gehen - "denn es ist eine alte Feindschaft zwischen dem Leben und der großen Arbeit" ... ). 109 Paul Range, Im Namen der Gerechtigkeit. Erinnerungen eines Strafverteidigers, 1963,375 f.

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Endlich: "Wer je in auch nur kleinem Maße politische Entscheidungen treffen, sich um Gerechtigkeit mühen oder für eine Gemeinschaft die Last der Fürsorge auf sich nehmen mußte, der sollte um unser menschliches Gebrochensein wissen, um unsere Unzulänglichkeit zum vollauf Gerechten und um die alte Tiefe der Not, die zwischen der Abhängigkeit von unseren Bedingtheiten und dem Gebieterischen des Unbedingten steht, das ganz uns fordernd uns entgegentritt" (A. Arndt).Bertolt Brecht läßt im "Leben Eduards des Zweiten von England" seinen aus stillen Studien und ironischer Weltverachtung zum Gesellschaftsführer und dann zum Staatsmann herausgerissenen Mortimer sagen:

Vielleicht platt im Gefühl, doch vielerlei wissend, Wohl nicht königlich, aber vielleicht gerecht, Wenn Ihr wollt, auch das nicht, sondern nur Der rohe, stammelnde Mund des armen England ... Und davor: Hochziehend eine kleine Last aus Verjährtem Teichschlamm, muß ich, Im Fleisch obschon matter, hängen sehn an ihr Menschliche Algen. Mehr und mehr. Hochwindend mich, spür ich stets neues Gewicht. Und um die Knie des Letzten einen neuen Letzten. Menschliche Stricke. Und an dem Treibrad dieses Flaschenzugs Menschlicher Stricke, atemlos, schleppend sie alle Ich.In den sozialen Aktionen des täglichen öffentlichen Lebens scheint "der Staat" heute, wenigstens in Deutschland, überall auf dem Rückzuge vor der Gesellschaft zu sein. Die Gesellschaft verleiht ihre Karnevalsorden und ähnliches mit denselben Gesten wie der Staat seine Orden (auch dieser diese freilich heute fast nur noch an Verbandsfunktionäre), lehnt alle vom Staate kommenden Amtsbezeichnungen, Amtstrachten und Titel ,a'b llO (wobei freilich auch der ressentilIllentale Fuchs zu Worte kommt, dem die Trauben sauer sind, weil sie ihm zu hoch hängen), begrüßt dafür den .. Vorsitzenden Mao" und transponiert die zentralen Vorgänge etwa in einem westlichen parlamentarischen Staate, Wahl des Parlaments, Neubildung des Kabinetts und Verkündigung des Regierungsprogramms, auf gut gesellschaftschinesisch in die "Neubestellung eines Zentralkommittees durch den Parteitag" (= Wahl), in die Instituierung eines neuen "Politbüros" einschließlich dessen Sekretariats 110 Zum Problem vgl. E. Hirsch, Wissenschaftliche Gleichberechtigung und akademische Rangordnung. Mitt. des Hochschulverbandes 1965, 159 ff.

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(= Neubildung des Kabinetts) und in die "Resolution des Parteitags" (= Verkündigung des Regierungsprogramms).

Darüber hinaus wird mehr und mehr eine ausgesprochene OffensivHaltung der Gesellschaft gegenüber dem Staate bemerkbar - die vielen Worte der Gesellschaftstheoretiker drehen sich, oftmals breit-tretend, daher auch in einer Art von Beton-Vokabular, manchmal im Sprachgeröll der Wiener Schule des Fackel-Kraus, immer nur um die (abstrakte) Demontage des Staates. Oft aber zeigen sich auch die Versuche konkreter Staatsdemontage durch individuelle Handlungen, die von provozierenden bis zu strafbaren Handlungen reichen, und die im Grunde, blickt man genauer, ständig die Reduzierung der staatlichen Amtswalter oder der sonstigen Staatsanhänger zu Menschen schlechthin, ja zu bloßen menschlichen Kreatürlichkeiten verfolgen (ähnlich die heute beliebte Reduzierung der Geschlechterbeziehungen zu bloßen Kreatürlichkeiten!). Das hat, anthropologisch und "human" gesehen, sicherlich zunächst seine Berechtigung: wir erinnern in bezug auf den Richter an die Gegensätzlichkeit zwischen der amerikanischen Auffassung des Richters auch als eines Menschen, und der deutschen nur als eines Amtswalters111 • Ungeachtet dieser Toleranzen vergißt die konkrete Staatsdemontage aber häufig die Leistung, auch den Respekt.Der Respekt kommt von dem Rückblick in das eigene Selbst, der natürlich nicht sehr beglückend ausfallen kann, wenn das Individuum, also auch das eigene Selbst, im Rahmen der bekannten kollektivistischen Parole nur als unwesentlich aufgefaßt wird. Der Respektempfänger ist sozusagen der Empfänger einer Anweisung des Respekterweisenden, welche Anweisung durch das Selbst des Respekterweisenden, der darauf zurückblickt, gedeckt ist - in unserem Falle also nicht gedeckt!Das juristische Beispiel des Respekts findet sich bei der (praktisch oft frappierenden) Gegenüberstellung des amerikanischen Richters mit dem deutschen: der deutsche Richter ist seiner Geschichte und Tradition nach "Königsrichter", der amerikanische "Genossenschaftsrichter". Die lautere und wahrhafte Hochachtung, welche die amerikanische öffentliche Meinung überall dem Richter entgegenbringt, beruht auf der Tatsache, daß es sich im Genossenschaftsrichter um den Richter handelt, durch den man, ohne auf einen übergeordneten Herrscher zu stoßen, in genossenschaftlicher Selbsthilfe sich 111 Die deutsche Literatur beschränkt sich in diesem Punkte im wesentlichen auf Friedrich Stein, Das private Wissen des Richters, 1898: Stein akzeptierte das private Wissen des Richters lediglich in der Manifestation der Sachkunde oder des Besitzes "offenkundiger Tatsachen" (a. a. O. 74 f., 155, 177). Dagegen muß man nach R. Bruns, Zivilprozeßrecht, 1968, 40, überall "den Richter persönlich fassen". - Die volkstümliche deutsche Sentenz "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps" offenbart wohl mehr die offizielle deutsche Haltung, gegen die anzurennen ein Lieblingsthema Kurt Tucholsky's war (einer der drei Kammergerichtsreferendare, die in diesem Jahrhundert bis zu ihrem jeweils frühen Tode die literarischen Traditionen des Berliner Kammergerichts fortsetzten, und die auf S. 142 meiner oft zitierten "Prolegomena" (Anm. 20) festgehalten sind - die anderen beiden waren Georg Heym und

Alfred Lichtenstein). -

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selber richtet, dem man also Selbstrespekt und Wohlgefallen an den Errungenschaften des eigenen Selbst bezeugt und dessen Beurteilungs- und Bewertungssystem das eigene istll!. Der (westliche) Staat erträgt zur Zeit die Angriffe der Gesellschaft mit großer Geduld. Das mag politische Linie sein, möglicherweise aber auch bloße Lethargie, vielleicht sogar im Hinblick auf die überbeschäftigung der staatlichen Amtswalter zustandegekommene: sie zeigt sich auch sonst, z. B. bei der gleichmütigen Hinnahme von jährlich 13 000 Verkehrstoten in Westdeutschland (im Polenkriege fielen 11 000 deutsche Soldaten!) - während doch ein rücksichtsloser Führerscheinentzug seitens des Staates hier viel Abhilfe schaffen könnte, freilich auch die brüllende Wut der weniger um Zeitgewinn als um die Abreaktion ihrer diversen Frustrationen durch schnelles Autofahren besorgten Gesellschafter heraufbeschwören würde. In den Fällen der konkreten Staatsdemontage wäre zur Abhilfe an die staatliche Durchsetzung eines der anglo-amerikanischen Rechtshandhabung entsprechenden allgemeinen ContemptInstitutes zu denken - die Engländer und die Amerikaner sprechen von "civil" und "criminal" Contempt, von Contempt of Court oder von Contempt of Parliament1l3• Auch die Ausdehnung des Contempt-Institutes auf den Schutz von verfassungsmäßig geschützten Einrichtungen ließe sich denken, z. B. auf den Schutz der Familie vor den sog. Kommunen (nach der individuellen Unwesentlichkeits-Parole und nach Gruppensexprinzip errichtete "Großfamilien" mit der vorsorglich regierenden Baba1l3a). Allerdings würden bei all solchen staatlichen Tendenzen weniger noch die staatliche Gesetzgebung, wohl aber der Strafrichter, der Richter überhaupt, der Vollzugsbeamte und der Gerichtsvollzieher überaus belastet werden ... Auch die Personage des Staates muß in Bezug genommen werden. Angesichts der politischen Geschichte der Deutschen in den letzten Jahrzehnten ist es hierzulande zunächst faktisch schwierig, völlig makellose Persönlichkeiten in die leitenden Staatsstellungen hineinzubekommen (daher ist der die eventuellen Makel verlistende Schnellhefter, der dos112 113

W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. (A. 10), 132. Die grundlegende deutsche Literatur: Murad FeTid, "Contempt of Court"

im Zivilprozeß, Sonderveröffentlichung der Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, 1950, 234 ff., amerikanisch z. B. der von W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 431 reportierte Fall. 113_ Kommunen sind (wohl auch von ganz primitivem Behagen an Latrinen- und Toiletten-Gemeinsamkeiten herrührende) auf der Ablehnung aller "tabus" genannten, menschlichen Zügelungen aufgebaute artifiziell-regressive "Urhorden" - der totale Zügel-Abwurf der Kommunen ist symptomatisch für die Sitten-, Moral-, Staats- und Rechtsabwehr der modernen Gesellschaft, deren Allergie dagegen also nicht etwa urteilsmäßig begründet ist "Nie habe ich in mir feststellen können, was Urteil ist. Für mich gibt's immer nur Wünsche, statt jedes nichterfüllten zwei neue", läßt C. Sternheim seine Luise Maske in der "Hose" sagen ...

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sier, die geheime Wunderwaffe der solche Mittel nicht verschmähenden Widersacher). Auch wird die Personage des Staates auf Grund des allgemeinen Trends zur Halbbildung und Leistungsunwilligkeit und angesichts der bekannten Verschlechterung der Ausbildungsstätten bald nicht mehr in der Lage sein, den im Machtkampf erprobten Willensmenschen der Verbandsfunktionäre oder der sonstigen Gesellschaftsleiter Widerpart zu halten: gegen ungezügelten Willensdruck gibt es nur das Abwehrmittel der Bildung mit der ihr inneliegenden Moral, und Halbbildung bedeutet Halbmoral, also Morallosigkeit. - Auch die Flucht aus dem Staate in die Wirtschaft macht sich bemerkbar, Wirtschaft und Gesellschaft stehen oft auf gespanntem Fuße - die bekannten Lobbies (etwa das Heizölkränzchen in Bonn) entstammen in der Regel der Wirtschaft, halten zwar Kontakt mit der Gesellschaft, streben aber mehr zum Staate. Oft ist im obigen Zusammenhange bei aller Leistungswilligkeit auch an zu denken, die persönlichkeits-konstitutionell, aber auch biologisch bedingt ist - die Fähigkeit, etwas zu leisten, bedarf kausal der generationellen Vorbereitung, die Dichter und die Gelehrten kommen merkwürdig häufig aus den deutschen evangelischen Pfarrhäusern und aus den Talmudschulen der östlichen Ghettos, das spontane Genie ist selten. Leistungsunfähigkeit

Die Grenzziehung zwischen Staat und Gesellschaft ist auch abgesehen von logischen Begriffsunterscheidungen, notwendig, weil es nach aller Sozialerfahrung von jeher Staats-Menschen und Gesellschafts-Menschen gibt (zumindest Menschen im staatlichen und gesellschaftlichen Rollenspiel) - die alte englische Unterscheidung zwischen "cavaliers" und "roundheads" spricht also eine menschlich-politische Konstanz an, wobei wir uns natürlich vor jedem terminologischen oder gar physiognomischen, standes-, klassen- oder schichtenmäßigen Vorurteil hüten müssen (wenngleich mit manchem eben "kein Staat zu machen ist"). Die abstrakte Grenze zwischen Staat und Gesellschaft wird wohl dahin zu ziehen sein, daß der Staat die "linea" darstellt, die nach der römischen Sentenz jeder "dies" aufweisen sollte, die Gesellschaft aber eben diesen dies, "ständig sich verändernd, tausendfältig schillernd und zitternd unter Sonne und Wind"114 - "unser Leben währet vierundzwanzig Stunden, und wenn es hochkommt, ist es eine Kongestion" ... Die "Gesellschaft" ist das Zeichen für ein soziales Leben in seiner Willkür und in seinem (extensiven) Steuern, also in bloßer Effizienz, "der Staat" ist das Zeichen für ein soziales Leben in seinem Wollen und in seinem (intensiven) Ansteuern, also in Finalität, die oft Zweck-, manchmal aber sogar End-Finalität ist (s. o. S. 66 A. l06a). Die Gesellschaft entspricht dem steuernden Verstande des sozialen Menschen, der Staat 114 E. Rabel, Gesammelte Aufsätze III, 1967,5.

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dessen ansteuernder Vernunft, die Gesellschaft dessen "Man", der Staat dessen "Selbst". Der Staat "ist eben die einzige Form, in der die Volkskraft sich ihrer selbst bewußt werden und zu ihrer Kultur, d. h. der Wertung ihrer Wertungen, gelangen kann", aus den rohen Tatsachen der Physis zu einer Angelegenheit psychischer oder sogar geistiger Bildung, nicht nur zu Geltung, sondern zu Gültigkeit (und man erinnert sich des Wortes des früh verstorbenen Berliner Rechtsphilosophen O. v. Schweinichen von der "grenzenlosen Gleichgültigkeit des Seins gegenüber seinem Erkanntsein"). "Der Staat ist (wie es H. Krüger in bezug auf die Staatsverfassung umschrieb) der Versuch eines Volkes, sein besseres Ich gegen sich selbst darzustellen und durchzusetzen114a • Man soll den Staat nicht glorifizieren, in seinem Namen wurden und werden Scheußlichkeiten schlimmster Art begangen, aber manchmal mahnt das Zeichen Staat inmitten des gesellschaftlich-geschäftigen Mimen-Betriebes doch an das Nothung-Motiv in Richard Wagner's "Siegfried".

* Der "Staat" hat sich mit der ihm zugeordneten "Gesellschaft" in dreierlei Weise arrangiert, dies vor allem zwecks Substantiierung der funktionellen Friedensidee, unter welcher er zuerst auftritt, dann allgemein, weil die Staaten eben an den "gesellschaftlichen Realitäten orientiert sind l15 , sicherlich auch, weil die Staaten, die "außenpolitisch" ständig schwer beschäftigt waren (das deutsche Kaiserreich des Mittelalters z. B. zusätzlich noch jahrhundertelang mit den universalistischen Staats'ansprüchen des Papstes), "innenpolitisch" Ruhe ibralUchten. 1. Mit dem patriarchalischen "zweiten Menschen" (Alfred Weber, s. Anm. 106) seit dem Beginn der Arbeitsmetalle (3500 ante) entstand als Spezialität der biologischen Fortpflanzungsselektion das Bedürfnis nach gesunden und starken Söhnen, welche Partner der väterlichen Arbeit zu sein und sie fortzusetzen imstande waren. Der zweite Mensch begnügte sich daher nicht mehr, wie der "matriarchalische" erste Mensch, mit der inzestuösen Sippe als Ehepartner-Reservoirllft , sondern zog dazu die 11'-

lId.

Art. "Verfassung" im Handwörterbuch der Staatswissenschaften unter

Drath a. a. O. (Anm. 37), 2123. Patriarchat und Matriarchat sind (auch wo sie nicht historisch gebraucht werden) keine Kampfbegriffe, der Ausdruck "Patriarchat" steht hier nur für eine Bremse gegenüber dem biologischen Primat der Frau - der Mann ist eben nur "Beigeschlecht" (des Weibes Aufgabe sei es - wie die Gräfin Währing im 1. Kapitel der Memoiren einer Sozialistin von LUy Braun in einem seltenen Falle weiblicher Offenheit bekannte - "zu gefallen und zu herrschen") ... Daß "das Matriarchat" oder der "feminine design of living" (wie es oben hieß) zur Zeit wieder im Vordringen ist, kann kein Rechtsanwalt bezwei115

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Nachbarsippe und schließlich den Nachbarstamm heran. Aus der konnubialen Konfrontation mit dem Nachbarstamme (symbolisiert im "Raub der Sabinerinnen") erwuchs der Krieg als Institution, damit eine straffere Stammes organisation, weiter die Staatsordnung und der Staat bald danach, zuerst in Ägypten, schon (nach dem zuerst von Mommsen erkannten "System der Inkorporationen") der Staatsverband und das Imperium117 • 2. Während also insoweit Staat und Gesellschaft einfach in der StaatsGenese aufeinander zukamen, besorgte sich der Staat, z. B. in Preußen und in Bayern im 18. Jahrhundert, ein schon spezielleres Substantiierungselement in Gestalt der Requisition von Staatsführungs-PersonaL aus den Beständen der Führung der jeweiligen "pluralistischen Gesellschaft": die Stände wurden aufgelöst, die Vasallen auf den Lehensgütern Eigentümer ihrer Güter, und der preußische oder der bayerische Staat bezog seine Diener, Amtswalter oder Behörden aus den Kreisen der bisherigen lehensrechtlichen Vasallen, die zugleich Ständerepräsentanten waren. Die auf solche Weise Rekrutierten wurden dann dahin "umfunktioniert", daß sie sich jetzt eben nicht mehr als Ständevertreter und Funktionäre der pluralistischen Gesellschaft zu empfinden hätten, sondern als staatliche Amtswalter - wer auf die preußische Fahne schwört, hat nichts mehr, was ihm selber gehört - "obliti privatorum publica curate!" steht auch über der Eingangstür des großen Rates im Rektorenpalast zu Ragusa. Die Einzelbeispiele dieser gesellschaftlich-staatlichen Arbeitsdirigierung reichen vom Fahnenjunker Friedrich's II. bis zum feIn, dem es z. B. beinahe unmöglich war, ein weibliches Kleinkind kanadischer Staatsbürgerschaft, das dem kanadischen Vater aus dem kanadischen Vaterhause in rechtswidriger Weise durch die deutsche Mutter entführt und nach West-Berlin gebracht wurde, den Fittichen der oft von Frauen geleiteten West-Berliner Jugendbehörden zu entreißen und im Schirme aller rechtlichen Legitimitäten (der Mutter war z. B. gerichtlich nach §§ 1672, 1671 BGB die elterliche Gewalt entzogen worden!) nach Kanada zurückzuschaffen - vgl. zu diesem Falle die Bemerkungen von W. G. Becker in der Festschrift Gerhart Husserl, 1969, 106, und in Zukunft den eben zur Doktor-Dissertation gestellten "Fall Froese". - Die Emanzipation der Frau (Gleichberechtigung!) ist, soweit hierbei nicht schlicht machtpolitisch kalkuliert wird, ein ausgesprochen patriarchalisches Unternehmen: man versucht, die beiden menschlichen "Rassen" der Männer und der Frauen (s. o. S. 35) wieder sprachrichtig in der übergeordneten Kategorie des Menschen schlechthin zu vereinigen, die Frau also nicht als solche, sondern nur einfach als Menschen (mit dessen spezifischen Maßstäben) zu nehmen (noch einmal wagnerisch gesprochen: aus ihrer Brünne zu brechen!), was aber einstweilen die Frau größtenteils nicht mitmachen will oder, weil sie so determiniert ist, nicht mitmachen kann. 117 Der geschichtlichen etatistischen Konstituente der konnubial-kriegerischen Konfrontation entstammen einige bis in die jüngste Zeit fortdauernde Theoreme, etwa das von der Familie als der Zelle des Staates und das vom angeblich für den Staat lebensnotwendigen "siegreichen Kriege" (Hegel, zuletzt E. Kaufmann, 1913). Auch das angeblich konstitutive Staatselement der völkerrechtlichen Anerkennung gehört hierher.

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preußischen Ministerpräsidenten in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts1l8 • Der Gang vom Stand zum Staat ist z. B. auch in England zu finden, hier führt er vom Stadtbürger zum staatlichen Parlamentarier: Der stadtbürgerliche Gedanke war wahrscheinlich in England schon um 1000 post am Werke, als die Bürger der Städte im angelsächsischen England sich entschlossener als der Adel zugunsten ihres angestammten Königs Ethelred dem Einbruch des Dänenkönigs Knut widersetzten, wurde durch die frühe Städteordnung Heinrich's H. besonders gefestigt und führte dann im englischen Parlament zu einem Primat der städtischen Honoratioren, was seinerseits wieder die eigentümliche aristokratische Mischform der englischen Gentry und die im Zuge der menschlichen Mittellage, größtenteils evolutionäre Entwicklung des englischen Parlaments bis hinein in die neueste Zeit begründete. 3. Seiner pluralistischen Gesellschaft hat sich schließlich "der Staat" überall, beispielhaft z. B. in England in der "Home-Rule-Bewegung" und in der preußischen Ständeordnung Stein's vom Jahre 1808, bedient, um Staatsteile im unübersichtlich gewordenen Staat abzuteilen, indem er Verbänden Staatsverwaltung und damit Staatsgewalt übertrug. Das damit entstehende dezentralisierte Gepräge der Staatsverwaltung läßt sich bildlich gut im optischen Tubus-System erfassen, innerhalb dessen je ein optisches Rohr im anderen steckt, so daß dabei eine vertikale Reihe von vor- oder nachgesteckten Rohren, d. h. hier also "Staaten" vor Augen steht, z. B. die BRD, das Land Berlin, die Freie Universität Berlin, deren Juristische Fakultät. Jederart Verband kann (aber muß nicht!) Selbstverwaltung innerhalb des ihm "vorgesteckten" Staates haben und wird damit Quasi-Staat, "Staat im Staate" (was er bis zur Erlangung dieser Staatsaufgabe keineswegs war oder ist): Self-government ist State-action, der Verband wird, wie die Amerikaner sagen, "state agency". Mit der Selbstverwaltung kann (aber muß nicht!) die Autonomie, d. h. die Befugnis, sich selbst Recht zu setzen119 , verbunden werden, und grundsätzlich wird der Verband der pluralistischen Gesellschaft, der eine Selbstverwaltungsaufgabe des Staates trägt, rechtlich als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert sein - notwendig ist es nicht, wenn er nur öffentlich ist l20 - jedenfalls gehören auch die Verbände ohne Selbstverwaltung oder Autonomie zur pluralistischen Gesellschaft. Vor allem in Rußland wird, fußend auf Lenin, seit dem Parteiprogramm auf dem 22. Kongreß im Oktober 1961, dem sog. ,,3. Programm" für den Aufbau 118 Vgl. hierzu letztens E. Wyluda, Lehnrecht und Beamtenturn. Studien zur Entstehung des preußischen Beamtenturns, 1969. ue Dazu U. v. LiLbtow, Autonomie oder Heteronomie der Universitäten, 1966. 120 Vgl. W. G. Becker, Prolegomena a. a. 0.150 f.

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der kommunistischen Gesellschaft, die Forderung der allmählichen überführung der Staatsverwaltung auf Selbstverwaltungsverbände aufgestellt l21 •

* Je mehr sich, schon zu Ausgang des 19. Jahrhunderts, die öffentliche Aufmerksamkeit, also auch die des Staates, vom "besorgenden Individuum"122 weg und dem "versorgten Gruppenmitglied" zuwandte, begann der Staat, die gruppierte Gesellschaft als seine wesentliche Lebenswurzel zu empfinden. Aus der Tatsache, daß die sozialistische Bewegung nur mit Hilfe der gruppierten Solidarität prosperieren konnte, ergibt sich der Zusammenhang zwischen Sozialismus und Gesellschaftsentwicklung. Seitdem tritt die Gesellschaft nicht mehr als Summierung von Individuen oder von Gruppen auf, sondern nur noch als Summierung von Verbänden. Der Staat wird "Verbands-Staat", das Individuum wird bloßer sozialer Rollenträger, der alte "Status" decouvriert sich als soziale Rolle, die Maine'sche Formel "from status to contract"123 kehrt sich um124 , nicht mehr die pluralistische Gesellschaft, in der auch die Individuen neben den Gruppen zu Worte kamen, bildet das Volk, sondern die dialektische Sonderart der pluralistischen Gesellschaft, welche "die formierte Gesellschaft" genannt wird, und neben deren Erscheinungsformen die einzelnen bloß "mitlaufen", so daß eigentlich die "MitläuferGesellschaft" vorliegt - die vielberufene "offene Gesellschaft" steht nicht im Widerspruche zur "formierten", es wird eben jede Art der Formierung gesellschaftlich anerkannt. Besonders ersichtlich wird der Mitläufercharakter der formierten Gesellschaft bei der Selbstverwaltung der Sozialversicherung, die zum großen Teile, vor allem hinsichtlich der Repräsentanten-Wahlen, bei Verbänden von Arbeitnehmern und Arbeitgebern liegt, welchen Verbänden ein großer Teil der Versicherten gar nicht angehört.Die "formierte Gesellschaft" erklärt viel von der gesellschaftlichen Entwicklung der Moderne, zunächst einmal die Verkümmerung der individuellen Moral zugunsten einer Gruppenmoral. Für Arbeit und Freizeit, womöglich inclusive Sex, gilt das Kommando: "In Gruppenkolonnen!" ... Ein anderer der Gründe der Entwicklung zur formierten Gesellschaft besteht darin, daß die Durchführung des Gleichheitsprinzips in den Staatsverfassungen der Moderne es unmöglich bei der wildwuchernden Freilassung 121 Vgl. Barna Horvath, Twilight of Government of Laws, ARSP 54, 1968,

2--4.

122 Dem auch die Universität im Sinne Humboldt's zugeeignet war! 123 Dazu W. G. Becker, Gegenopfer a. a. O. 68, 134 f. 124 M. Rehbinder, Status-Kontrakt-Rolle, Wandlungen der Rechtsstruktur auf dem Wege zur offenen Gesellschaft, Festschrift Ernst E. Hirsch, 1967, 141 ff. - Die soziologische Rollentausch-Formel findet sich aber schon bei W. G. Bekker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 38. - Die oft gerühmte Gesellschaftskritik in Fontane's "Stechlin" ist, bei Licht besehen, nur Beobachtung (und oft negative Bewertung) der zu jener Zeit, 1898, schon voll im Zuge befindlichen Eskalation der pluralistischen Gesellschaft.

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aller "Egalen" belassen konnte, also in dem Umstand, daß die Egalisierung nach Kanalisierung schrie. Dies nicht nur in den zahlenmäßig bekanntlich unbedeutenden politischen Parteien, wobei im übrigen festzuhalten ist, daß die politische Partei immer nur die oberirdische Spitze eines KanalisierungsSystems darstellt, welches es sonst überwiegend vorzieht, "sub rosa" zu arbeiten.Zwei Einzelstimmen aus dem vorigen Jahrhundert zur formierten Gesellschaft und ihrer individualistischen Gegensätzlichkeit, zuerst die von Immermann: "denn, so umspinnt uns alle die jetzige geregelte Zeit, daß niemand, und sei er noch so ungebunden, lange ausdauern kann, ohne den Rücken an ein Geschäft oder an ein Verhältnis zu lehnen" - dann die von Th. Fontane in einem Brief aus Thale am Harz vom 14. Juni 1883: "Ich bin absolut einsam durchs Leben gegangen, ohne Klüngel, Partei, Clique, Koterie, Klub, Weinkneipe, Kegelbahn, Skat und Freimaurerschaft, ohne rechts und ohne links, ohne Sitzungen und Vereine ... Ich habe den Schaden davon gehabt, aber auch den Vorteil und, wenn ich's noch einmal machen sollte, so macht' ich's wieder so. Vieles büßt man ein, aber was man gewinnt, ist mehr." _125

* Der nächste gesellschaftlich-staatliche Ankömmling ist der pluralistische Staat, der, scharf definiert, seine Souveränität an seine Verbände, also an seine Gesellschaft abgetreten hat - die Lehre vom

pluralistischen Staat ist im Anschluß an englische Vorläufer im Jahre 1916 in Harvard von L. Laski aufgestellt worden, der sie jedoch im Jahre 1948 in einem in der Chicago Law Review veröffentlichten Aufsatz endgültig widerrief und damit vor allem vor seinem permanenten Opponenten Morris H. Cohen die Segel strich l26 • Der pluralistische Staat entstammt in Westdeutschland sicherlich auch der oben festgehaltenen Staats-Lethargie. Nimmt man ihn abstrakt oder per se, so kann man, da man anscheinenden Erstmaligkeiten immer skeptisch gegenüberstehen soll, die Auseinandersetzung zwischen Staat und Gesellschaft, deren Zuspitzung im pluralistischen Staate vorliegt, vielleicht geschichtlich grob vorzeichnen, indem man die Kämpfe der abendländischen Staaten gegen die universalistischen Ansprüche der katholischen Kirche und ihrer Päpste seit dem Mittelalter auch als die Austragung von Gegensätzen zwischen Staat und Gesellschaft ansieht - die Gesellschaft wurde derzeit durch die katholische Kirche repräsentiert - dafür spricht u. a., daß sie, vor allem in Franz von Assisi, später in der Landgräfin Elisabeth von Thüringen und in der Piastenfürstin Hedwig v. Trebnitz, immer die Schutzherrin des oben erwähnten Aufbruch des Heils aus dem Volke war (s. o. S. 53) - dann ständen die Namen Karls des Großen und des Sachsenkönigs Heinrich I. als Symbole für eine ausgeglichene Parallelität zwischen Staat und Gesellschaft, otto's des Großen, der sich im Gegensatz zu seinem Vater Heinrich I. eher als Kirchenvogt denn als Kaiser auffaßte (obwohl seit dem fränkisch-päpstlichen Vertrag von Quierzy, 754, und seit der Regierung Karls des Großen der 125 Doch erweist sich gerade an der Wirksamkeit Fontane's die Richtigkeit des französischen Satzes: Wo ich Recht habe, bin ich nicht isoliert. 128 Information bei W. G. Becker, Prolegomena a. a. O. (Anm. 20), 15~157.

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deutsche Kaiser als "Herrscher im Gottesstaate" beides zugleich sein sollte!) für eine Gesellschafts-Suprematie, Heinrich IV. Canossa-Gang von 1077 wäre (nach dem Triumphe seines Vaters Heinrich III.) als Abdankung des Staates vor der Gesellschaft geradezu ein Symbol des pluralistischen Staates, das Wormser Konkordat von 1122 mit seiner Beendigung des Investiturstreites wieder Symbol der Parallelität, während in der Zurückdrängung der Kirche in der "antigregorianischen Opposition", durch den allmählich absolut gestalteten französischen Staat, in der durch Eduard VI. (1547-1553), den Sohn Heinrich's VIII., erfolgten Begründung der anglikanischen Staatskirche, und schließlich im Luthertum der deutS&hen Landesfürsten-Staaten während des 16. Jahrhunderts und danach die Herstellung der Suprematie des Staates vor seiner Gesellschaft ersichtlich wird. Wenigstens angedeutet sei eine eigentümliche Zurückdrängung des Staates zugunsten nicht der Gesellschaft, aber des Individuums, die der Grundkonzeption Wilhelm v. Humboldt's in bezug auf die preußischen Universitäten zugrunde liegt: das Menschengeschlecht, schrieb Humboldt in seiner Schrift "über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates", stände jetzt auf einer Stufe der Kultur, auf der es sich nur durch Ausbildung der Individuen höher empor schwingen könne, so daß alle Einrichtungen, welche diese Ausbildung hinderten und Menschen mehr in Massen zusammendrängten, jetzt schädlicher seien als ehemals. Mit dem pluralistischen Staat betreten wir den juristischen und rechtlichen126 Untergrund. Der pluralistische Staat offenbarte sich in Deutschland zuerst im Nationalsozialismus126b ; die Formationen der NSDAP nahmen damals das deutsche Reich und die deutschen Länder ins Schlepptau, der Parteiboß wurde Reichskanzler oder "Reichsführer", der Gauleiter Oberpräsident, die Partei führte den Staat der Deutschen zum zweiten Weltkriege und zerstörte dabei diesen Staat - ein ver&

blüffendes, erstmaliges Beispiel der überwindung des Staates durch die Gesellschaft, wie sie von Engels im "Anti-Dühring" ins Auge gefaßt wor-

den war127• Es muß also wohl daran festgehalten werden, daß "die deutsche Gesellschaft" (das deutsche Volk) den deutschen Staat zum Ende gebracht hat - wobei es gleichgültig bleibt, was sich an negativen Momenten hinter dem Zeichen des deutschen Staates verbarg. Der sogleich nach dem Kriege einsetzende schleunige Aufbau neuer deutscher Staaten, die nach westdeutscher Meinung sogar die Kontinuität zum "Deutschen Reich" hielten, ändert daran nichts, spricht höchstens (wie auch die neuere Entwicklung im Osten) gegen die Engels'sche These und ging im übrigen bekanntlich von den besetzenden Siegermächten aus. Das ganze Phänomen wird an dem Gegeneinander von Staats- und Parteitruppen erkenntlich. Die SS war nach einer "geheimen Kommandosache" vom 17. 8. 1938· weder ein Teil der Wehrmacht, noch ein Teil der Polizei, sondern 126_ Es ist nicht überflüssig, dahin zu definieren, daß "juristisch" "rechtsrelevant" heißt, "rechtlich" "rechtsfolgerelevant" . 126b Zum Nationalsozialismus als gesellschaftlichem Phänomen vgl. den Bericht von Roman Herzog im Ev. Staatslexikon 1966, 1341 ff. 127 Siehe oben S. 25.

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nur eine Gliederung der NSDApI28. Im Frühjahr 1945 wandten sich die Parteitruppen der SS sogar gegen die zurückflutenden Staatstruppen und bereiteten deren Kommandeuren beträchtliche Sorgen, bis sich zeigte, daß auch diese Parteitruppen keinen Kampfwillen mehr aufwiesen ... Sieht man die Geschichte des deutschen Nazi-Reichs richtig im ständigen Aufstand der deutschen Gesellschaft gegen den deutschen Staat, so rückt der seinerzeit meistens hämisch behandelte Partei-Eintritt hoher Staatsbeamter in ein versöhnliches Licht: man nahm .. gang protection", um den Staat zu stützen, und auch der deutsche Widerstand, und sein Gipfel am 20. Juli 1944129, stellten (zuletzt verzweifelte) Abwehr der nünösen deutschen Gesellschaft seitens des deutschen Staates dar.Wenn der Staatstheoretiker des NS-Staates, earl Schmitt, gerade für den nicht-pluralistischen, nämlich für den homogen-einheitlichen Staat eintrat, so meinte er nur den totalitären Staatl3o• Der Nationalsozialismus hatte auch die überwindung des deutschen Staates durch die deutsche Gesellschaft in seiner These von der Identität von Volk und Staat vorweggenommen. - Daß man nicht, umgekehrt, von einer Ansaugung der deutschen Gesellschaft (des deutschen Volkes) durch den deutschen Staat sprechen kann, ergibt sich aus den historischen Befunden: die maßgeblichen deutschen Staatsträger, z. B. Hindenburg oder Beck, standen vielfach entschieden gegen die Partei und gegen den Krieg (im ersten Weltkrieg mag nach neueren historischen Untersuchungen in der Tat das deutsche Volk ein Opfer des damals hochimperialistischen deutschen Staates geworden sein). Daß sich in der NSDAP die Gesellschaft meldete, wird auch dadurch bestätigt, daß sich dort zum ersten Male gesellschaftliche Verhaltensmodelle zeigten, die noch heute - sagen wir - verwundern: die Verhaltens-Perversionen, die sich bis zur blanken Gemeinheit steigern, nicht .. it isn't done", sondern .. it is done"130 a , die .. Intaktheitsliquidation", der .. reflexive Nihilismus", der Trend zur Ignoranz, die mit der .. Deiflkation" der Gesellschaft .. immer gleichen Schritt haltende Bestiflkation" des Gesellschaftsmenschen (Th. Haecker)l31. - Man muß solche Bestiflkationen eher in den Rahmen der 128 So auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. 6. 57, 10 RV 1170/56 (Entscheidungen, Bd. 4, 279) betr. den .. militärischen oder militärähnlichen Dienst .. im Sinne der §§ 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes. 129 Daß der deutsche Widerstand einen objektiven Rechtfertigungsgrund in bezug auf alle dabei etwa begangenen strafbaren Handlungen darstellte, also nicht nur epigonal-rechtliches .. Naturrecht .. oder Mangel an subjektiver Rechtswidrigkeit der Hilfe der Widerständischen dienen (wie es leider die herrschende Meinung ist), wird auf den Seiten 192-204 in meinem .. Mandat und Gesetz" a. a. o. (Anm. 70), nachgewiesen. 130 Drath a. a. O. (Anm. 37), 2146 - zum Begriff des Totalitären s. o. Anm. 95. 130- Die Weihnachtsarbeiten bestehen im Bombenbasteln, die Einbescherung am heiligen Abend erfolgt durch Ablage der so verfertigten Bomben vor den Häusern mißliebiger Landgerichtsdirektoren, Pastoren oder Professoren - hat man .. so etwas noch nicht erlebt", so erlebt man es eben zum ersten Male - die Untaten steigern sich, die letzte .. Formel" dafür steht in Thomas Mann's .. Doktor Faustus": .. hier hört alles auf, jedes Erbarmen, jede Gnade, jede Schonung, jede letzte Spur von Rücksicht auf den beschwörend-ungläubigen Einwand ,das könnt Ihr doch nicht tun' - es wird getan, es geschieht, und zwar ohne vom Worte zur Rechenschaft gezogen zu werden, im schalldichten Keller, tief unter Gottes Gehör ... Es ist schlecht davon reden, es liegt abseits und außerhalb der Sprache ..... . 131 Einzelheiten zu diesen neuartigen gesellschaftlichen Verhaltensmodellen bei W. G. Becker, Der dritte Mensch und die dingliche Dichtung, 1966, 12 ff.,

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Gesellschaft als in den des Staates spannen. Das zeigt sich auch aus den immer wieder zu hörenden Einwendungen der schließlich vor den Strafrichter gestellten Gewalt-Verbrecher, sie hätten doch nur auf Grund der damals bestehenden "Verhältnisse" die strafrechtlichen Normen außer acht gelassen und so gehandelt wie sie handelten132 - die Atmosphäre des Staates lag damals um die Soldaten an der Front, im Hinterland, und speziell in den Vernichtungslagern, saß die Gesellschaft. Der pluralistische Staat ist im gegenwärtigen westlichen Deutschland, ungeachtet seiner terminologischen und sonstigen Verdrängungen, und unbeschadet der schlechten Erfahrungen, die man mit ihm in der NSZeit gemacht hat, recht populär. Er scheint sich als eine erste Stufe der mancherorts, wie erwähnt, heißersehnten Konfundierung von Gesellschaft und Staat anzubieten, einer Wiederaufnahme der Engels'schen These von der überwindung des Staates durch die Gesellschaft - bildlich gesprochen: der überwindung des zweibeinigen durch den einbeinig dahinwandelnden Menschen ... Allerdings ist hier viel (auch sonst in der modernen Gesellschaft verspürbare) Romantik im Spiele, Nachkommenschaft der historischen Romantik, die zuerst nichts anderes als reinster Berkeley'scher "subjektiver Idealismus" war - esse = percipi, also völlige Negativierung der an und für sich bestehenden (der genuinen) Natur, danach aber insofern zur Positivierung dieser genuinen Natur umschlug, als das subjektiv-idealistische Moment jetzt nur noch als Mystifizierung auftrat - wessen?: eben jener genuinen Natur, so, daß wir jetzt die Definition der historischen Romantik als eines bergenden Bekenntnisses zur mystifizierten Natur (zur mystifizierten Gesellschaft?) zur Hand haben. Allerdings ist, wie überall beim romantischen Empfinden, auch viel "unerlöster Subjektivismus" dabei, eine "Identifizierung der eigenen, heftigen und nicht zu bewältigenden Gefühle mit irgendeinem hochklingenden Symbol", die "psychische Zwangslage eines nach Gründen suchenden, innerlich heftig bewegten Menschen, der Satz vom zureichenden Grunde nach innen gekehrt und anthropomorphisiert" (0. Panizza). Jedenfalls liegt hier der Ausgangspunkt der vor allem in der modernen Jugend-Gesellschaft oft zu beobachtenden "direkten Aktion", der "reinen Anstrengung" (Ortega y Gasset), der Bewegung um ihrer selbst willen - das Wandern ist des Müllers Lust, wenn auch auf der falschen Chaussee, "there isn't much sense in it but it keeps you marching", meinte Shaw dazu. Hierhin gehört vielleicht auch die Leidenschaft der Jugend für die Diskussion - "government by discussion" ist eine gute Sache, "Lehre by discussion" schon weniger ... Es sollte auch 14, 17, 37 ff. Sonst hat soziologisch A. Weber auf die Neuartigkeiten des Typs "vierter Mensch" hingewiesen (s. o. Anm. 106), juristisch C. Haensel in seiner Einführung zum "Wilhelmstraßen-Prozeß" von 1947 darauf, daß die Schwierigkeiten, mit denen man bis heute in Bezug auf die nat. soz. Gewaltverbrechen zu kämpfen hat, an diejenigen erinnern, mit denen es die Juristen der damaligen Zeit zu tun hatten, als man dem neuen Typ des Renaissance-Menschen gegenüberstand, so daß dann vielfach nichts anderes als der Rückzug auf "das Naturrecht" übrigblieb - Siehe Kempner-Haensel, Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß,1950. 132 Alle Dokumente darüber in dem Buch von R. Henkys, Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, 1964.

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nicht vergessen werden, daß die beliebten Angriffe gegen das Establishment an die bekannten Vorstöße gegen "das System" aus dem Anfang der 30er Jahre erinnern (0. Veit I33). Auch die dabei und sonst häufig betriebene Provokation (die unter Ausnutzung der These von der Alleinwesentlichkeit des Kollektivs besonders gern die Intimbereiche des individuellen Menschen angreift) ist nichts als Gewaltanwendung, strafrechtlich gesehen eine Form der Beleidigung, die z. Z. aus Staats-Lethargie, technisch u. a., weil die Beleidigung kein Offizial-Delikt ist, ebensowenig verfolgt wird, wie seinerzeit die Aufhetzung zum Rassenhaß (was nicht ist, kann aber noch werden! ...)."Wir wollen die Freiheit" ist ein aller Jugend angeborenes Prinzip, doch wird der gesellschaftliche Anarchismus vieler Jugendlicher heute auch gerne darauf gestützt, daß die Jugendlichen von heute eine besondere UntergangsFurcht haben. Es ist richtig, daß die physikalischen und technischen Möglichkeiten des menschlichen Untergangs, der dann natürlich vor allem die Jugend treffen würde, gewachsen sind. Andererseits trägt die UntergangsFurcht von heute doch mehr einen abstrakten Charakter (abgesehen davon, daß sie sehr umfangreich kommuniziert wird). Dagegen stand seit jeher jeder Mensch, auch der Jugendliche, vor der Möglichkeit seines Untergangs ein anständiger Mensch denkt immer an den Tod, und der jeweilige befürchtete Untergang trug oft ganz konkreten Charakter, wie das z. B. in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts der Fall war, wo der Jugend, und nicht nur der jüdischen, der Untergang seitens gänzlich unkontrollierbarer Staats-Bestimmender sogar zynisch in Aussicht gestellt wurde. Trotzdem hat noch niemals jemand aus der, wie gesagt, fast permanenten Untergangs-Furcht-Stimmung der Jugend die Konsequenz gezogen, nunmehr nur Information zu betreiben und auf jede Bildung zu verzichten, damit auf jeden Anschluß an diejenigen, die diese Bildung geschaffen haben (das Alt- oder Totsein der meisten dieser Leute gehört denklogisch dazu). In der Tat scheint in dem Verzicht auf Bildung und damit auf die Fortführung der eigentlichen Menschheitsaufgaben die Gefahr zu liegen, die von manchen Jugendlichen droht. Da der gesellschaftliche Anarchismus der Jugend sich oft gegen die Universitäten wendet134 (wenngleich sich hier vielfach nur die "Verlorenen und Aufgelösten" aktivieren und von "geistiger Unruhe" wenig spüren lassen - die überhaupt überall mehr bei den still Tätigen zu finden ist, der "Künstler" ist "bürgerlich" geworden, sein Schicksal vollzieht sich heute in technischen Prozessen!), folge hier eine Definition der Universität, die künstlerisch formuliert und vom Denken in der Kategorie Staat her gesehen ist (die juristische Vision dazu findet sich z. B. in dem Staats-Aufsatze Drath's im Ev. Staatslexikon): "Ich habe gelebt und gewirket in der tröstlichen Meinung, auf die einst Graf Eberhart von Württemberg die hohe Schule zu Tübingen gegründet hat: graben zu helfen den Brunnen des Lebens, daraus von allen Enden der Welt unersichtlich möge geschöpfet werden tröstliche und heilsame Weisheit zur Erlöschung des verderblichen Feuers menschlicher Unvernunft und Blindheit"134 a • "Blindheit und Unvernunft" gegenüber stehenalsZweige der in Art. 5 133 Ein Zitat aus dem "Stechlin" soll auch hier nicht fehlen: "Und der Junge red't auch und red't immer vons ,Prinzip'. Das Prinzip ist ihm aber egal Er will bloß mogeln und den Alten an die Wand drücken". 134 Vgl. hierzu F. H. Tenbruck (Direktor des soziologischen Seminars in Tübingen), Studentenunruhen, Deutsches Ärzteblatt vom 12.4. 69, 66. Jahrg., Heft 15, 1026-1032; s. a. letztens H. Thielicke, Kulturkritik der studentischen Rebellion, 1969, U. v. Lübtow, Freiheit der Wissenschaft, Autonomie der Universitäten und Hochschulreform, Studi Sassaresi, 1969, 619 ff. 6 Festgabe Lübtow

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Abs.3 des deutschen Grundgesetzes zusammen mit der "Forschung" geschützten "Lehre" Information und Bildung (Oberbegriff: education, das pädagogische Geschick muß ohne Belang bleiben, obwohl das "image" des Lehrers nur aus seinen Veranstaltungen und dem dabei gezeigten pädagogischen Geschick erwächst!). Der Zusammenhang mit der Forschung ergibt sich in der Lehre dabei vor allem über die Bildung: indem sie gelehrt wird, vermittelt sie sozusagen einen Blick in das Atelier der Forschung, während die bloße Information eine Art Myopie voraussetzt und mit Forschung, wenigstens auf geisteswissenschaftlichem Gebiet, überhaupt nichts mehr zu tun hat. "Bildung" ist durchaus nicht indeflnabel, sie ist Durchgriff aus dem erlebbaren Besonderen hindurch ins Allgemeine (urbanity als Sondergestalt der civilisation). Bildung gewinnen wir entweder aus der eigenen Lebenserfahrung oder aus fremder, die man dann lesend und lernend übernimmt. Lernen: seine Stätten sind die Universitäten des hochgemuten alten Sinnes- Lesen: nach den Zeiten der bloßen Vor-Lesung aus dem nur in einem einzigen Stücke vorhandenen Manuskript das in Deutschland von Gutenberg eingeläutete Zeitalter der Buchdruckerkunst - ohne Lesen gibt es seitdem kein Lernen mehr l34b. Das Gutenberg-Zeitalter des Lesens scheint aber vorbei zu sein, es ist auch kaum noch möglich, aus der Spreu des Gedruckten die zwei Prozent Weizenkörner herauszufinden, die darunter verborgen sind, das ist die geistige Atombombe, die jeweils hic et nunc fällt. Was an Information notwendig bleibt, wird besorgt, im Gegensatz zur allgemeinen Bildungs-Unwilligkeit (oder Unfähigkeit) besteht also, ungeachtet aller Schrumpfung der Sprachschätze, durchaus Informationswilligkeit, hier liegt auch die Restchance des Lesens, zumindest der Journale, wenn auch die optische oder akustische Information bevorzugt wird.In das derart entstandene Vakuum auf der Seite der Lehrkörper der Universitäten rückt, anstelle des Gelehrten, der Wissenschaftler ein, der sich seinerseits weniger mit Gelehrtheit als mit Vorträgen zu beschäftigen pflegt, wirtschaftlich als Instituts-Manager, gesellschaftlich als Verbands-Funktionär, allerdings immer noch dazu ausgerüstet, die Wissenschaft im engeren Sinne zu pflegen, nämlich "das Tradierte zu tradieren". Die Auseinandersetzung zwischen bloßer Information und zusätzlicher Bildung beginnt auf juristischem Felde bei Ulrich Zasius (1461-1535), der die damals beliebten Postglossatoren Bartolus und Baldus einfach "ungebildet"134c

nannte. -

134> Ger hart Hauptmann, Florian Geyer, am Ende des 4. Aktes. Die Künstler sind nun einmal gute soziale Seismographen, keine tiefer gehende rechtsphilosophische oder rechtssoziologische Arbeit kann sie aussparen, Fechner's "Rechtsphilosophie" wimmelt daher auch von Künstlerzitaten. Siehe auch die Forderung des "gebietskategorischen Durchgriffs" in der Rechtswissenschaft bei W. G. Becker, Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. 5. 134b Das Lesen bringt auch eo ipso die sonst so oft mit unzureichenden Mitteln betriebene Selbstbestätigung (Sprenger). Allerdings muß der Leser dem Gelesenen irgendwie affln sein - da haben wir wieder das Elend, übrigens nicht nur in der Moderne, schon UlTich Zasius (1461-1535) blieb nichts anderes übrig, als seine berühmten "Nachtgedanken" (Lucubrationes) einem kleinen Kreise von afflnen Freunden zugänglich zu machen. Im übrigen: sie lesen nicht, sie schreiben nicht, und der himmlische Vater ernähret sie doch ... 134c Erik Wolf, Quellenbuch zur Geschichte der Rechtswissenschaft, 1949, 47,8, Beispiele fortlaufend auf den Seiten 8-43.

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Was die Universitäten anlangt, so werden sie bestimmt nicht mehr als Sammelpunkte der "Musensöhne" genommen l34d als die Plätze der sog. "geistigen" Arbeit unter dem Vorlesungs-Mikrophon oder - besser unter der stillen Leselampe der Bibliotheken, sondern als Lehrlings-Werkstätten für "Sozialingenieure" (wenn nicht als Sandkästen für die machtpolitischen Spiele vermeintlicher Naturtalente). Das Schlagwort von der "Demokratisierung" der Universitäten wird in der Regel mißbräuchlich angewandt (und diskreditiert damit den Begriff der Demokratie) - gemeint ist lediglich die Verschulung der Universitäten, gleich eingeschlossen die Degradierung selbst der bloßen Schule durch Einflußnahme der Lernenden auf Lehrende und Lehrpläne. Einer der Unterschiede zwischen Schule und Universität liegt darin, daß die Schule ihr Angebot an Erziehungsstoff (Information und Bildung) am leistungsschwächsten Schüler ausrichten muß, während die Universität ihren Erziehungsstoff nimmt, wie er parat liegt und sich bei dessen Angebot der Natur der Sache nach eher vom leistungskräftigen und leistungsbereiten Studenten bestimmen läßt. - Im übrigen sind das alles offensichtlich übergangserscheinungen in zeitgenössischer und daher of irriger Terminologie.

*

Vier von den schwer-auffindbaren Beispielen des pluralistischen Staates vor allem aus dem gegenwärtigen Deutschland (gewöhnlich verbirgt sich der pluralistische Staat im bürokratischen Aktenstaub oder in den amtlichen Telephonaten, immer übrigens, dezisionistisch, im Einzelfalle): 1. Ein Landessozialgerichtsrat in Saarbrücken wird in der Geschäftsverteilung durch Mehrheitsentscheidung des Gerichtspräsidiums in den Jahren 1960-1963 "praktisch von der Richtertätigkeit ausgeschlossen". Das Bundesverfassungsgericht stellte auf Verfassungsbeschwerde hin im Februar 1964 die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens fest. Der Gerichtspräsident, das Gerichtspräsidium und der zuständige Minister schweigen, bis der Rat pensioniert ist. (Der Richter prozessierte wenigstens auf Schadensersatz wegen Persönlichkeitsverletzung - die hier also nicht auf eine bisher in solchen Fällen überwiegende Verunglimpfung im Zuge der Massenkommunikationen in Werbung und Politik, sondern auf eine Manipulation des Rechtsstaates gerichtet war - und die Endinstanz bewilligte ihm 6000 DM [das Landgericht hatte 15000 DM festgesetzt, das Bundesverfassungsgericht einen Streitwert von 20 000 DM] 135). 134d Die musische Begabung gehört aber keinewegs zur Ausrüstung des Durchschnittsmenschen, wir glauben das nur, weil wir in der Schule soviel von Goethe und Schiller gehört haben, müssen also einen bloßen "diktierten Musenkuß" in Rechnung stellen. 135 Oberlandesgericht Saarbrücken, 3 U 103/65 vom 24. 6. 1966 (davor Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 30. 3. 1965, 4 0 224/64), dazu W. G. Becker, AcP 1968, 68, und ds. in der Festschrift Gerhart Husserl, 1968, 129. - Es handelte sich hier wohl um einen "einklagbaren Rechtsverlust eines durch die gesellschaftliche Entwicklung Frustrierten", s. auch Rehbinder a. a. O. 169 (Werner) und BGH in NJW 1967, 621 f. Im Landgerichtsurteil wird bemerkt, daß es sich hier um den ersten bekanntgewordenen Fall handele, daß ein Amtswalter (hier ein Richter) unter der Geltung des Grundgesetzes auf ille-

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2. Eine Landes-Universität verweigert einem zum Institutsdirekter bestellten Ordinarius den praktischen Zugang zur Institutsleitung. Der angerufene Kultusminister des betreffenden Landes als Inhaber der Rechtsaufsicht überlegt sich zunächst einmal, daß er sich nicht unbedingt auf den Standpunkt der Offizialmaxime zu stellen brauche, sondern auf den der bloßen Opportunitätsmaxime bei Rechtswidrigkeit oder Ermessensfehlern zurückziehen könne. Der Fall liegt jedoch so grob, daß selbst der Kultusminister die Universität im Wege der Rechtsaufsicht anweist, das Recht einzuhalten. Die Universität erhebt gegen die Rechtsaufsichtsentscheidung keine Klage, erkennt sie also an, führt die in ihr enthaltenen Weisungen jedoch keineswegs aus. Der Kultusminister verzichtet nunmehr auf den Einsatz der ihm zur Durchsetzung seiner Entscheidungen zur Verfügung stehenden Zwangsmittel und läßt alles beim alten. 3. Westberliner Gerichte verhängen Staaten oder Quasi-Staaten, aber auch öffentlich-rechtlichen Verbandspersonen überhaupt, vor allem öffentlich-rechtlichen Korporationen, selbst politischen Parteien gegenüber keine Beugestrafen, unterstellen also hier eine Art von Kameradie, - diejenige, die der pluralistische Staat überhaupt der Gesellschaft entgegenbringt (sind in ihrer so freundlichen Gesinnung allerdings nicht immer auf Gegenliebe gestoßen ... ). 4. Der "Ritterliche deutsche Orden" in Holland verweigert einem Mitglied die ihm satzungsmäßig aufgrund seines vorgeschrittenen Lebensalters zustehende Würde eines "Kommandeurs", weil der Betroffene amerikanischer Bürger ist. Die als oberstes Mitglied, aber auch als staatliche Verbands-Kontrolle, bei der Ernennung vom Orden hinzuzuziehende holländische Königin hält mit ihrer "agreation" zurück und hüllt sich danach, persönlich angegangen, in Schweigen, wobei sie sich wohl darauf verläßt, daß der Betroffene vor holländischen Gerichten nicht klagen wird oder kann (bei Verfahren eines Individuums gegen Verbände oder Staaten ist immer auch in Rechnung zu stellen, daß das Individuum seine Kosten selbst bezahlen muß, während Verbände oder Staaten letztlich auf den Steuerzahler abwälzen können).

* Aus dem Kulissengetümmel von Staat, pluralistischem Staat und Gesellschaft heraus betritt "der Staat" dem ihn betrachtenden "Bürger" gegenüber die Bühne in der Regel als der Obrigkeitsstaat alter Prägung, der ewige Revenant, eine schlechthin seiende Objektivation/Institution galem Wege von seiner Amtsführung ausgeschlossen worden sei. - Das Bundesverfassungsgericht beschloß zu 2 BVR 411/61 am 25.11.1964 (BVerfGE 17, 252 ff.). Zu Rehbinder s. o. Anm. 124.

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"Staat", die sich mit Gewalt, potentiellem oder aktuellem Zwang, durchsetzt, und der sich der Bürger im allgemeinen und im täglichen Leben so gleichgültig unterwirft wie seinen Repräsentativ-Wahlen (den einzigen politischen Aktivitäten, die ihm, es sei denn, er wäre selbst staatlicher oder gesellschaftlicher Amtswalter, verblieben sind). Wer "die Oberen" sind, und wo sie herkommen, tut nichts zur Sache. Ihre eiserne Stütze ist die Bürokratie, die gewöhnlich auch ohne besondere Rücksicht auf das Etikett, das ihr jeweiliger Staat trägt, weiterarbeitet - hier liegt das Geheimnis der staatlichen Kontinuierlichkeit ungeachtet aller Revolutionen oder sonstiger Veränderungen in den Staatsstrukturen (jede Kontinuitätslehre ist daher im Grunde bürokratisch). übrigens besteht generell Vertrauen darauf, daß der "menschliche Antriebsüberschuß" am Ende doch ein einigermaßen pflichtbewußtes und sachliches Arbeiten des Staates, d. h. der die Geschäfte des Staates besorgenden Menschen herstellt, worin der Bürger oft auch deshalb nicht enttäuscht wird, weil die staatlichen Bürokratien bei aller Verzweiflung, die sie manchmal bereiten mögen, in der Regel doch schon nach dem Gesetz, nach dem sie angetreten sind, sachlich und dem typischen Menschen gerecht werdend operieren: arbeitermäßig-mechanisch, am Simile ausgerichtet - was nach allen Einsichten und Lehren von der Bedeutung der Präjudizien zumindest Sicherheit verbürgt, streng im formalen Rechtsstaate, also im Gesetzesstaate, denkend, neuerdings auch von den staatlichen "Ombudsmännern" bea ufsich tigt 13G•

* Immerhin wird auch der Obrigkeitsstaat, wie überhaupt der Staat, kontrolliert. Dies geschieht von jeher dadurch, daß man den Staat nicht nur in Begleitung des Rechts, sondern als Rechtsstaat haben will137• Der Rechtsstaat erscheint, obwohl man immer eindeutig von ihm zu sprechen pflegt, in Wirklichkeit in sehr vielfältiger Gestalt. Es muß von einem Rechtsstaat im funktionellen (in der semiotischen Sprachlogik im pragmatischen) Sinne gehandelt werden, von einem substantiellen (semantischen) und von einem technischen. Der funktionelle Rechtsstaat ist derjenige, welcher nichts anderes als subjektive Rechte, vor allem öffentliche subjektive Rechte schützen will. Im substantiellen Rechtsstaat erscheinen die Figuren des Justizstaates, des Polizeistaates, schließlich sogar des Unrechtsstaates, dann der Rechtsstaat im formalen Sinne, der 13G Vgl. z. B. K. H. Ebert, Der Ombudsman in Großbritannien, 1968, zum Obrigkeitsstaate hier nur das Buch von Peter KZoeppeZ "Gesetz und Obrigkeit", 1891. 137 Zu diesem Begriff allgemein BäumZin, Rechtsstaat, Ev. Staatslexikon (Anm.37), 1738 ff., mit Literatur; sonst z. B. U. Scheuner, Die neuere Entwicklung des Rechtsstaates in Deutschland, Festschrift des deutschen Juristentages, H, 1960, 229 ff.

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nur an den Gesetzen ausgerichtet und vom Rechtsstaat im materialen Sinne abgegrenzt ist: der Rechtsstaat im materialen Sinne, der im Art. 20 des deutschen Grundgesetzes berufen wird, bestimmt sich nicht nur am Gesetz, sondern am "totalen Recht". Das totale Recht aber umfaßt über die Gesetze hinaus den "Urvater-Hausrat" der Auslegungsregeln, die "blitzartige Entstehung des Gewohnheitsrechts", die Billigkeit, danach die aus den "naturalen" Rechtserscheinungen herzuleitenden Normen, zunächst also die Normen des "natural-legalen Parallelismus" (z. B. die schon erwähnte Statuierung des subjektiven Rechts auf Familiennamen nach § 1616 BGB nicht nur als eines "legalen" subjektiven Rechts "auf Grund von Ordnungsnormen", sondern auch als eines "natürlichen Persönlichkeitsrechts"138), weiter die Normen des "notativen Rechts", also die Summe der nicht so sehr aus der normativen Tatbestands- als vielmehr aus der normativen Sachverhaltsberücksichtigung folgenden Rechtsbesserungsnormen, hauptsächlich, aber nicht nur, diejenigen, welche sich aus der "Natur der Sache", der sachlogischen Struktur des Sachverhalts, ergeben139 • Zum Recht der "Rechtsbesserung" gehören danach die Regeln des sog. faktischen Rechts, die der Moral, die der Gerechtigkeit und "das Naturrecht"140. Im ganzen bestimmt sich also "das totale Recht" durch die Zu-Addierung des im Anwendungsrecht zum Ausdruck gelangenden Rechts (law in action) zum Recht als Thesensumme (law in the books), wobei im Anwendungsrecht die Eskalation der Rechtsbesserung vorliegt, von der Auslegung und den anderen Mitteln der defektiven Rechtsbesserung, welcher jede aequitas oder equity ad legern adjuvandam gewidmet war, bis zum Naturrecht der effektiven Rechtsbesserung contra legern. Vom Rechtsstaat im technischen Sinne müssen wir sprechen, wenn wir a) vor Augen haben, daß in einem Staate überhaupt Recht angewandt wird, b) wenn wir "an die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung", 138 BGH FamRZ 1956, 309, Nr. 497, s. o. Anm. 28. 139 "Diese sachlogischen Gesetzmäßigkeiten durchziehen ,gewebartig' das

gesamte positive Recht und geben ihm einen festen, jeder Willkür entzogenen Halt", U. v. Lilbtow, Autonomie a. a. o. (Anm. 119), 17-19 und die Anm. 87 f. - Gerhard Sprenger nennt die Natur der Sache ein "Besteck der rechtlichen Ortung", womit die Natur der Sache, und mit diesem Begriffe aUe "Topoi" der Rechtsanwendung, mit Glück "räumlich" eingewiesen werden - nimmt man sie zeitlich, so wären die Topoi Determinative, bei der "Natur der Sache" handelte es sich dann also um ein "Besteck der rechtlichen Verzeitung".

140 "Der Naturrechtsgedanke ist als überverfassungsmäßiges Rechtsprinzip vom Bundesverfassungsgerichtshof anerkannt", U. v. Lilbtow a. a. O. 19, 88 f., s. a. W. G. Becker, Mandat und Gesetz a. a. O. 172-175 und die obersten Entscheidungen, welche die gesetzgebende oder die exekutive Gewalt an die "Kernregeln des Rechts" binden (BGHSt 2, 234, 1952 - danach wäre auch das sog. Ermächtigungsgesetz vom März 1933 ex tunc nichtig, so A. Arndt, NJW 1964, 1311 Anm. 16).

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c) wenn wir an die Aufsicht über die im Namen eines Staates oder eines Quasi-Staates (eines mit Selbstverwaltung ausgestatteten Verbandes) vorgenommenen Handlungen denken - das anglo-amerikanische Recht faßt alle drei Positionen des technischen Rechtsstaates, dazu noch die Merkmale des funktionellen und des substantiellen Rechtsstaates, unter der handlichen Bezeichnung der Rule of law zusammen. Daß in einem Staat überhaupt Recht angewandt wird, ergibt sich, wie mehrfach bemerkt, schon aus der Staats-Genese und erscheint also selbstverständlich, so daß nicht etwa darauf hingewiesen zu werden braucht, daß es dem Rechtsstaat entspricht, Gewaltakte zu verhindern und eventuell zu bestrafen. Was den Rechtsstaat als das Prinzip der "Gesetzmäßigketi der Verwaltung" betrifft, so richtet er sich offensichtlich am formalen Rechtsstaat aus. Man kann diese Art Rechtsstaat aber auch als "liberales" Mittel des "Bürgers" sehen, die öffentlichen Gewalten zu begrenzen: so trug kürzlich Ernst K. Pakuscher eine Darstellung des deutschen Verwaltungsrechts in Nordamerika unter dem Titel "Citizen v. State" vor141 • Am unbekanntesten ist der Rechtsstaat als Prinzip der Kontrolle der Handlungen von staatlichen oder quasi-staatlichen Amtsträgern. Solche Kontrolle ist zunächst einmal externer, inter- oder supranationaler Art, z. B. durch internationale Gerichtshöfe. An wichtigerer Stelle steht die interne Kontrolle, zunächst die gemäß den Verfassungen "abstrakt" erfolgende, dann aber die konkrete, interne Spezialkontrolle als Aufsicht irgendeiner staatlichen Instanz über die staatlichen oder quasi-staatlichen Amtswalter - hier wieder, je nachdem, ob der Staat einen QuasiStaat als Selbstverwaltungsverband beaufsichtigt, oder ob der Staat bzw. der jeweilige Quasi-Staat seine Instanzen selbst beaufsichtigt, in vertikaler oder in horizontaler Aufsicht, in Intraorgan-Aufsicht oder in Interorgan-Aufsicht (K. Loewenstein). Der Häuptling ist zuallererst Wächter - mit dieser staatsaufsichtsbewußten Feststellung schließt das Valam Olum, "die rote Einritzung", die berühmte Bilderchronik der Lenapen, der Urbilder der Cooper'schen Indianergeschichten, und "Who watches the watchman?", fragte Max Rheinstein in Chicago vor zwanzig Jahren mit geradezu indianischem Gepräge 1f2• - Der "Rechtswegestaat" (R. Bruns) des deutschen Grundgesetzes und der deutschen Verwal141 Abgedruckt in The American Journal of Comparative Law, Vol. 16, No. 3, 309 ff. - Die "Demokratie" beantwortet die Frage, wer die öffentlichen Gewalten ausüben sollte, der Liberalismus die Frage, wie die Ausübung der öffentlichen Gewalten, ganz abgesehen davon, wer sie ausübt, zu begrenzen ist. 142 Jetzt in: Essays in Jurisprudence in Honour of Roscoe Pound, 1962; s. zum ganzen Rechtsstaatsproblem im übrigen letztens W. G. Becker, Mandat und Gesetz a. a. O. passim, speziell 135 ff.

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tungsgerichtsordnung wird jetzt also speziell gegen den " ungetreuen Wächter" (C. F. Meyer) ausgespielt, "der Häuptling" - um in der Bildersprache zu bleiben - ist die beaufsichtigende Staatsinstanz. Faßt man den Staat mandatorisch oder mandativ auf (s. o. S. 62) und sieht man dann den Staat nicht nur als Mandatar der Genossen, sondern auch die Genossen als Mandatare des Staates, so ist jeder einzelne Genosse in seinem Bereiche auch zum Wächter über den Staat und seine Amtswalter berufen das wird oft als echt demokratische Forderung zum Ausdruck gebracht und bildet den Sinn der Kafka-Legende "Vor dem Gesetz": Der Türhüter erkennt, daß der Mann schon an seinem Ende ist, und, um sein vergehendes Gehör noch zu erreichen, brüllt er ihn an: "Hier konnte niemand sonst Einlaß erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihnU3 ." Freilich fehlt auf den deutschen Rechtswegen trotz § 75 VwGO und der allgemeinen Behelfe der Untätigkeitsbeschwerden144 der wichtigste, nämlich der Antrag auf Erlaß einer gerichtlichen Weisung (injunction) an einen Amtsträger, tätig zu werden oder etwas zu unterlassen, im Weigerungsfalle bei Strafe einer persönlich durch den Amtsträger zu zahlenden Ungehorsamsbuße wegen "Contempt of Court" - der Fall des im Jahre 1961 entgegen den nordamerikanischen Bundesgesetzen die Immatrikulation eines farbigen Studenten an der Staats-Universität ablehnenden Gouverneurs von Mississippi, Barnett145 - als man in den Jahren nach dem zweiten Weltkriege besorgt nach Abhilfen gegen die deutschen Entartungen in Gesellschaft und Staat Ausschau hielt, hat O. Küster in Stuttgart in der Süddeutschen Juristenzeitung (Sept. 47, 513, 516) einmal auf die amerikanische Denkweise hingewiesen, die in der (bei uns durch Art. 34 GG und die Einschränkungen des § 839 BGB abgebogenen) "unmittelbaren Haftbarkeit" des Beamten ein heilsames Mittel sah, um Beamtenübermut im Zaum zu halten - sonst hat man hierzulande nichts mehr von der Angelegenheit gehört - vielleicht aus Gründen der Abschirmung besonders der hoheitlich fungierenden Amtsträger (obwohl man bei der Regreßhaftung des Amtsträgers auf zivilrechtlichem Felde weniger zimperlich ist). "Zügelung von Beamten- oder Funktionärsübermut" wäre besonders am Platze, wo beamtliche Unterlassungen verschlagen zu ganzen Unterlassungsprozessen umgestaltet werden: Nichtbeantwortung, oder nur lakonische Beantwortung von Eingaben, unredliche überspringung von neuralgischen 143 Vgl. dazu W. G. Becker, Mandat und Gesetz a. a. O. 131, 183 mit Motto und Anm. 1, und Schoeps (Anm. 27) a. a. O. 135-137. 14t Zum deutschen Rechtsstand in dieser Hinsicht vgl. O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung2 , 1968, s. a. den Bericht von K. A. Bettermann, Das Verwaltungsverfahren, im Heft 17 der Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, 118 ff., und B. Löwenberg, Die Geltendmachung von Geldforderungen im Verwaltungsrecht, 1967. 145 U. S. v. Barnett, 330 F. 2nd., 1963, danach 376 U. S. 681, 1964, die Beugestrafe betrug nicht 50 DM, sondern 10000 Dollar!

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Punkten140, schließlich "gesammeltes Schweigen" - das Ganze vor allem eine Absage an die juristische Grundforderung der "notitia rerum" (Institutionen I, I, I, 1), nicht die alte scholastische Unterscheidung von scienda und ignoranda, sondern ein "Graeca (mit Komma!), non leguntur", "Streik in der Noosphäre" (Teilhard de Chardin), Trend zur Ignoranz, reflexiver Nihilismus der" don't care"-Haltung - die amerikanische Sprache stellt für solcherlei Unterlassungsprozesse auch sonst hübsche Ausdrücke zur Verfügung, "nonotice-theory", "incommunicado", "protective stupidity"148 a ••• Das gesammelte Schweigen hat Zusammenhang mit der Verdrängung und mit der öffentlichen Verschweigung, also mit sozialen Pathologien, welche die Entwicklung leider in den letzten Jahrzehnten vielfach beeinflußten - Kierkegaard sprach von der "Unredlichkeit der Moderne". Auch noch auf ein anderes beliebtes Mittel des "Beamtenübermutes" sei hier hingewiesen, das im Grunde mit dem Hegel'schen Umschlag der Qualität durch die Quantität arbeitet, nämlich, ein rechtswidriges Verhalten von so vielen Amtsträgern (oder Verbandsfunktionären) zur Schau stellt, daß dem Betroffenen vor Quantitäten die Augen schwindeln. "Es ist seit dem Sündenfall die beliebte Methode der Verbrecher, die Komplicen brauchen, weil sie Verbrechen in größtem Maßstabe begehen wollen, sich ,Verschworene' zu beschaffen. Dies geschieht dadurch, daß sie diese an Verbrechen beteiligen, die ihnen eine Ab- und Rückkehr nicht mehr gestatten. Das erzählen uns große Geschichtsschreiber, wie z. B. Thukydides" (Haecker). In der "Abendlage" vom 1. Dezember 1942 erklärte Hitler: "Himmler kennt seine Polizei. Er geht mit verwerflichen Mitteln vor und kann sich die Leute so langsam anbändigen". Der Herausgeber bemerkt dazu: "Diese angesichts des relativ großen Teilnehmerkreises seltsam offene Bemerkung Hitler's enthüllt einen wesentlichen Zug seiner Menschenbehandlung, nämlich den Versuch, Untergebene zu Mitwissern und Mithelfern im Gebrauche verwerflicher Mittel und damit zu 148 Aktenkundiges (leicht verkleidetes) Beispiel: Professor A. hat, nach den der Natur der Sache entsprechenden Verhandlungen mit der zuständigen Fakultät, insbesondere mit deren Geschäftsbesorger, Professor B., dem Direktor der psychiatrischen Klinik, einen Ruf angenommen, demzufolge er auch zum selbständigen Direktor der Abteilung "Psychoanalyse" innerhalb des Universitätsinstitutes der psychiatrischen Klinik ernannt wurde. Professor B. hat später in einem Schreiben ausdrücklich bestätigt, daß Professor A. alleiniger Direktor der Instituts-Abteilung "Psychoanalyse" sei. Danach wird Professor A., vor allem auf Betreiben von Professor B. hin, vom Institut, damit auch von seiner Abteilung "Psychoanalyse" ausgesperrt (auf welche Weise dies praktisch erfolgen konnte und erfolgte, tut hier nichts zur Sache). Professor A. wendet sich beschwerdeführend an die Universität. Diese erklärt, Professor A. sei nur in Gemeinschaft mit Professor B. Direktor der Abteilung "Psychoanalyse", da diese ja ein Teil des unter der Direktion von Professor B. stehenden Gesamtinstitutes sei. Von dem Schreiben Professor B.'s, in dem dieser bestätigt, daß (wie es den seinerzeitigen mit Professor B. geführten Berufungsverhandlungen entsprach) Professor A. alleiniger Direktor der InstitutsAbteilung "Psychoanalyse" sei, wird keine Kenntnis genommen, der neuralgische Punkt wird also übersprungen. 146a Die weise Feststellung, daß man, wenn der andere die zur Rede stehenden Dinge überhaupt nicht sieht (oder sehen will), mit dem Reden aufhören solle (Th. Haecker) hilft hier wenig! - Siehe dazu auch W. G. Becker. Mandat und Gesetz a. a. O. (Anm. 70), 170 und ds., Gegenopfer und Opferverwehrung a. a. O. (Anm. 10), 107, Anm. 284 (zur amerikanischen judicial-noticeTheorie).

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abhängigen Werkzeugen zu machen"U8b. - Komplementär begegnet pikanterweise der Ausbruch aus dem vorbereiteten Netze der Mitwisserschaft - der jeweilige Führer und Rechtsbrecher hält sozusagen brüllend die Türe zu, um seine Mitarbeiter auch zu Mitwissern zu erheben, während diese ihrerseits, mit abwehrend erhobenen Händen, wie die Affen von Nikko (nichts übles hören, sehen oder sprechen!), den Ausgang zu erkämpfen bestrebt sind - ein Filmgag vom öffentlichen Leben in den oberen Rängen des Vaterlandes. -

Im einzelnen zum Barnett-Fall: Nachdem der Supreme Court im Jahre 1954 die Rassentrennung in den öffentlichen Unterrichtsanstalten für verfassungswidrig erklärt hatte 147, unternahm im Jahre 1961 der Neger James Meredith den Versuch, sich an der Staats universität des US-amerikanischen Bundesstaates Mississippi in Oxford, Miss., einzuschreiben, deren Besuch bis dahin nur Weißen vorbehalten war. Als sein Zulassungsgesuch zurückgewiesen wurde, erhob er vor dem zuständigen District Court des Bundes Klage mit dem Antrag, die Universitätsbeamten zu verurteilen, ihn zum Studium zuzulassen. Der District Court wies die Klage ab. Auf die Berufung Meredith's hob jedoch der Court of Appeals des 5. Circuit am 25. 6. 1962 diese Entscheidung auf und wies den District Court an, die begehrte Weisung (injunction) an die Universitätsbeamten zu erlassen148. Durch verschiedene aufschiebende Maßnahmen eines in Mississippi residierenden Mitgliedes des Court of Appeals wurde die endgültige Wirksamkeit dieser Entscheidung mehrfach hinausgezögert, so daß der District Court die Injunction erst am 13. 9. 1962 erließ, nachdem inzwischen der Court of Appeals selbst unmittelbar an die zuständigen Beamten eine "preliminary injunction" gerichtet hatte, "enjoining and compelling each and all of said parties to admit plaintiff-appellant to, and allow his continual attendance at the University of Mississippi, further prohibiting and preventing said parties or any of them from excluding said plaintiff-appellant from attendance to and continued attendance thereafter on the same basis as other students at the University of Mississippi"149. Da es sich herausstellte, daß die "Organe" des Staates Mississippi nicht beabsichtigten, diesen Anordnungen Folge zu leisten, wurde am 18. 9. 1962 die Bundesregierung auf ihr Gesuch hin als "amicus curiae" zu dem Verfahren hinzugezogen, um alle erforderlichen Maßnahmen treffen zu können, "in order to maintain and preserve the due administration of justice and the integrity of the judicial process of the United Staates"lso. 146b Lagebesprechungen im Führerhauptquartier, Hrsg. Helmut Heiber, 1963,37. m Brown v. Board of Education, 347 U. S. 438; Bolling v. Sharpe, 347 U. S. 497,1954. 148 Meredith et al. v. Fair et al., 5th Cir., 305 F. 2nd 343, 1962. UD Meredith v. Fair, 306 F. 2nd, 374, 387. ISO U. S. v. Bamett, 330 F. 2nd, 369, 371.

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Historischer Hintergrund und Ursache der Entwicklung, die zu der in Amerika völlig normalen und gewöhnlichen Inanspruchnahme von Staats- und Bundesbeamten auf Vornahme oder Unterlassung von Amtshandlungen geführt hat, ist zunächst die aus England übernommene "doctrine of sovereign immunity". Die Doktrin beruht auf dem englischen Feudalsystem. Der Feudalherr hielt Gericht über seine Untertanen, war aber selbst nur der Gerichtsbarkeit seines Oberherrn unterworfen. Der auf der obersten Stufe der Lebenspyramide stehende König unterstand daher keiner Gerichtsbarkeit und konnte gegen seinen Willen nicht verklagt werden15l • Als später das Feudalsystem zerfiel und Krone und souveräne Staatsgewalt im absolutistischen Staat identifiziert wurden, wurde aus der Maxime "the King can do no wrong" die "doctrine of sovereign immunity" der englischen Regierung: "State can do no wrong". Gleichzeitig entwickelte sich eine Lehre, die es dem durch die Staatsgewalt Geschädigten ermöglichte, sich an den Beamten persönlich zu halten, der den Schaden verursacht hatte. Da der König kein Unrecht tun und daher den rechtswidrigen, schädigenden Akt nicht autorisiert haben konnte, wurde angenommen, daß der Beamte unbefugt gehandelt habe und daher persönlich haften müsse152 • Spätestens um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war die "doctrine of sovereign immunity" auch in den Vereinigten Staaten als ein natürliches und grundlegendes Rechtsprinzip anerkannt153 • Die Wirkung dieser Lehre auf die Möglichkeit, Rechte gegen die Staatsgewalt und ihre Beamten geltend zu machen, hängt ab von der Art der staatlichen Tätigkeit, gegen die sich der in seinen Rechten Verletzte wenden will. Besteht die behauptete Rechtsverletzung in der Auferlegung einer Pflicht durch Verwaltungsakt oder gerichtliche Verfügung, so ist im allgemeinen unbeschränkbar gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet, indem die Möglichkeit gegeben ist, entweder die Gültigkeit des pflichtbegründenden Aktes selbständig überprüfen zu lassen oder in dem Verfahren zur Durchsetzung der Pflicht deren Rechtswidrigkeit geltend zu machen. Will sich der Bürger jedoch gegen die Verletzung einer der Staatsgewalt durch Verfassung, Gesetz oder Common Law auferlegten RechtsPollok and Maitland, The History of English Law!, 1898, 518 f. m Vgl. Davison, Claims against the State of New York, 1954, 3 ff.; Note: Remedies against the United States, 70 Harv. L. R. 827, 829 ff., 1956/57. 153 Vgl. etwa U. S. v. McLemore, 45 U. S. (4 How.) 286, 1846; HilI v. U. S., 50 U. S. (9 How.) 386, 1850. Siehe die Darstellung in der Anm. 152. Zur "sovereign immunity" der Einzelstaaten: Davison a. a. 0.; vgl. auch bereits Hamilton in Federalist No. 81: "It is inherent in the nature of sovereignty not to be amenable to the suit of an individual without its consent. This is the general sense and the general practice of mankind - and the exception, as one of the attributes of sovereignty, is now enjoyed by the government of every State in the Union." Zitiert nach Mentor-Paperback Ausgabe, 1961, 487. 151

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pflicht wenden, so ist der Rechtsschutz durch die "doctrine of sovereign immunity" stark eingeschränkt. Doch gibt es den enumerierten Immunitätsverzicht und daneben die wichtige Regel, daß der Amtsträger für Rechtsverletzung im Amte persönlich nach den gleichen Grundsätzen verantwortlich ist, wie sie die Rechtsverletzungen von Privatpersonen betrefIen154, sofern die Handlung des Amtsträgers nicht durch ein verfassungsmäßiges Gesetz autorisiert war155 • Der Umfang der Autorisation wird vor allem dann weitergezogen, wenn dem Beamten ein Ermessensspielraum eingeräumt wurde. Anders steht es demgegenüber mit der Geltendmachung von Ansprüchen auf Vornahme von Handlungen oder auf Unterlassungen. Da der Supreme Court im Jahre 1889 entschieden hatte, daß gegen die Vereinigten Staaten nur Geldforderungen erhoben werden könnten 15ft , sind die eben bezeichneten Ansprüche auf Vornahme von Handlungen oder auf Unterlassungen als Ansprüche auf "specific performance", d. h. aber auf einen "equitable relief", nur gegen den Amtsträger persönlich und als natürlichen Menschen gegeben: Equity acts in personam157 ! Die amerikanische Rechtsentwicklung knüpft in diesem Punkt an die Institute "Mandamus" und "Habeas Corpus" an, vor allem aber, neben diesen traditionellen Rechtsbehelfen "at law", an die "injunctions" der englischen equity: die englischen Courts of Equity können seit je "Weisungen" erlassen, und zwar sowohl Gebote (mandatory injunctions), wie Verbote (prohibitory injunctions)158. Besonders die prohibitory injunctions spielen eine große Rolle, weil solche Handlungen von Amtsträgern, welche Rechtswidrigkeiten im Sinne des Common Law darstellen würden, durch sie verhindert werden können. Trägt hier der Kläger Tatsachen vor, die gegenüber einer Privatperson einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen würden (solche Ansprüche gibt es nämlich als "equitable reliefs"), so bleibt die Tatsache, daß der Beklagte als Amtsträger gehandelt hat, nur für die Frage der "governmental immunity" von Bedeutung. Der Beklagte kann aber diesen Einwand nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn er eine "official justification" nachzuweisen imstande ist159 • Diese Möglichkeit besteht aber insbesondere dann nicht, 154 Vgl. Little v. Barreme, 6 U. S. (2 Cranch) 169, 1804; Elliot v. Swartwout, 35 U. S. (10 Pet.) 137, 1836; s. die Note in Anm. 152. 155 Cary v. Curtis, 44 U. S. (3 How.) 236, 1845. 158 U. S. v. Jones, 131 U. S. 1. 157 Vgl. Schwartz und Jacoby, Government Litigation, 1963, 190; auch die Note in Anm.152, 886 und zum "natürlichen Menschen", W. G. Becker, Festschrift G. Husserl a. a. O. 121 ff. 158 Vgl. Jones v. Securities and Exchange Comm., 56 S. Ct. 654; Vaughan v. John C. Winston Co., 83 F. 2nd 370, 374, 10th Cir. 1936, zum Unterschied zwischen Mandamus und mandatory injunction vgl. im einzelnen dortselbst 375 und die Note in 38 Col. L. R. 903, 1938: "Mandatory injunctions as substitutes for Writs of Mandamus in the Federal District Courts". 159 Vgl. die Note in Harvard L. R., in Anm. 152, 852.

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wenn der Amtsträger die ihm gesetzlich erteilte Ermächtigung überschritten hat oder wenn das Gesetz, auf das er sich stützt, verfassungswidrig ist: der Amtsträger handelt in diesen Fällen - zu denen im übrigen selbstverständlich die allgemeinen Rechtswidrigkeiten im Sinne des Common Law treten - wie ein "individual wrongdoer" - "seine Ermächtigung" ("authority") wird völlig nach Geschäftsbesorgungsrecht (Law of agency) gelesen, und der Amtsträger überhaupt wie ein Geschäftsbesorger (agent) angesehen. Die Judikatur vertritt dabei die Auffassung, daß der beklagte Amtsträger durch die staatlich-hoheitliche Immunität nur da geschützt wird, wo seine Handlungen auf den Geschäftsherrn "Staat" durchgreifen und dann prima facie als Handlungen nur des Staates selbst anzusehen sind, und daß für diese Fragen die allgemeinen Regeln des Common Law über die Beziehungen zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsbesorger zu gelten hätten. Dabei gilt sogar die Faustregel, daß überall da, wo der Amtsträger nicht im Rahmen einer Vollmacht oder Ermächtigung durch den Staat gehandelt hat, kein Durchgriff der Amtsträger-Handlungen auf den Staat anzunehmen ist, so daß in allen diesen Fällen eine injunction gegen den Amtsträger persönlich zulässig bleibtl60. Das Hauptfeld, auf dem seit langem in Amerika diese Art "equitable Relief" gegeben wird, ist das bundesrechtswidrige Handeln von Amtsträgern der Einzelstaaten - der Barnett-Fall liegt in dieser "line of cases' nel periodo della giurisprudenza c1assica, Studi Bonfante I, 1930, 125 ss. (en part. 168); La giurisprudenza c1assica come fattore di evoluzione nel diritto romano, Scritti Ferrini Pavia 1946 (1945), 60 s. (de Riccobono voir encore les ouvrages cites dans Studi Bonfante I, 128 n. 3 = Corso, 280 n. 10; adde: ACI-Roma I, 1934, 177 ss. L'ouvrage Dal diritto romano c1assico al diritto moderno, Ann. Palermo 3/4, 1915, est cite ici suivant la nouvelle edition parue dans Riccobono, Scritti di dir. rom. II, 1964, 108 ss.; 113 ss.; 453 ss.); SanfiHppo, Condictio indebiti I, 1943, 14 ss. (avec bibI. p. 15 n. 1); ScheriHo, Lezioni sulle obbligazioni (lithographie), s. d. mais 1962, 240 ss.; SchuLz, Classical roman law, 1951, § 800; F. Schwarz, Die Grundlage der condictio im klassischen röm. Recht, 1952, 11 ss.

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que ce soit entre la distinctio et les problemes pratiques de la jurisprudence. Deja en 1888 Alfred Pernice ecrivait: « Wir finden keine Andeutung, daß es über die Lehre hinaus für die praktische Gestaltung der Dinge erheblich wäre 3 » Depuis pres d'un siecle, cette idee n'est guere changee: l'on peut dire quelle est entree dans le «Denkgebäude » des romanistes. Pour ne donner qu'un exemple, bien significatif d'ailleurs, je eite un enonee de Ernst Levy4, en soulignant qu'il appartient ä la synthese de l'etat des problemes des contrats dans le droit de l'epoque classique, qu'il pose eomme introduction a son expose de deroulement post-classique; une synthese, done, de donnees surement etablies: «Dieses eingängliehe Schema wird zu Unterriehtszweeken formuliert worden sein »5. Les Romains n'avaient pas l'esprit de geometrie, ou, eomme l'a eerit Pascal, «les principes sont palpables, mais eloignes de l'usage eommun »; le manque d'interet de leurs juristes pour la systematisation est bien connu6 • Le caractere de la elassifieation des eontrats ehez Gaius ne semble donc pas correspondre a eelui qui marque les fruits des efforts des juristes romains dans leur propre domaine. Par eonsequent les savants ont ete portes a eonsiderer la classifieation comme quelque chose d'etranger a l'heritage propre de la jurisprudenee classique. Maintes eritiques lui ont ete adressees7 , et il n'est pas du tout etonnant qu'elle ait He consideree aussi une invention de Gaius lui-meme, en tant que « pre-post-classique »8. et passim.; H. Schwarz, Die Bedeutung des Geschäftswillens im röm. Kontraktsrecht der klass. Zeit, SDHI 25, 1959, 1 ss.; Segre, Sulla c1assificazione delle cause delle (obligationes , nelle istituzioni die Gaio, 1929, Scritti vari di dir. rom., 1952,433 ss.; van Oven, D. 2, 14, 1, 3; Quid dixit, quid sensit Pedius, Iura 4, 1953, 114 ss.; Leerboek van romeinsch privaatrecht3, 1948, 194 ss.; Remarques sur Gai. 3, 91, Iura 1, 1950, 21 ss.; Le sens des mots (obligatio, et (obligare, chez Gaius, Festschrift Lewald, 1953, 121 ss.; Voci, La dottrina romana deI contratto, 1946, en part. 69 ss. (cpr. La dottrina deI contratto nei giuristi romani dell'eta c1assica, Scritti Ferrini Pavia cit., 392 s.); von Lübtow, Betrachtungen zum gajanischen Obligationenschema, ACI-Verona (1948) III, 1951,239 ss.; Wieacker, Societas, 1936, en part. 80 ss.; Wubbe, Gaius et les contrats reels, TR 35, 1967, 500 ss. (a propos duquel Guarino, Labeo 14, 1968, 115 s.); Wunner, Contractus, 1964, passim 42-55; 172 ss. (voir aussi la rec. de J. G. Wolff, Iura 17,1966,274 ss.). apernice, ZSS 9, 1888,222; cpr. 226: «Die Ordnung der Verträge bei Gaius hat nur den Werth eines Schulschemas für die Darstellung ». 4 Levy, Weströmisches Vulgarrecht. Obligationenrecht, 1956, 17 n. 2. 5 Voir aussi, en part., Kaser, ZSS 70, 1953, 157 ss. 6 En part. Schulz, I principii deI dir. rom., trad. it., 1949,46 ss.; Storia della giurisprudenza romana, trad. it., 1968, 231 ss. 7 Notamment: Pernice, ZSS 9, 1888, 220ss.; 226; Perozzi, Ist. II, 30ss.; Bonfante, Scritti III, 143 «< disgraziatissima »); Segre, Scritti, 435 s.; Albertario, Studi III, 140 n.1; Lauria, SDHI 4, 1938, 167 ss.; Kaser, ZSS 70, 1953, 158; cpr. Schloss mann, Der Vertrag, 1876, 14 n. 1. 8 D'Ors, ACI-Verona III, 273; 277; 279ss.; ZSS 74, 1957, 74s. Pour connaitre 28 Festgabe Lübtow

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La division re-verbis-litteris-consensu a eu bien sur aussi des jugements favorables 9 ; mais il s'agit toujours de cas, dans lesquels des savants ont reconnu sa validite comme schema theorique, ou bien l'ont consideree le produit coherent de l'evolution16 du droit substantiel. On n'a d'ailleurs pas encore etabli le point de cette evolution, auquel il faut poser la division de Gaius: car, a cote de ceux qui la considerent une enumeration des causae par lesquelles obligationes contrahuntur, et y voient par consequent le temoignage d'une epoque dans laquelle la notion de contrat n'etait encore qu'assez floue l l , il y a ceux qui affirment que ce sont les contrats - dont la notion est exactement etablie - qui constituent le contenu des quatre genera 12• Si je vais envisager encore une fois le probleme de l'histoire de la classification re-verbis-litteris-consensu, c'est sur la base des quatre considerations suivantes: a) l'opinion, qui attribue a Gaius la creation de la division quadripartite des obligations contractuelles, ne me semble pouvoir etre defendue que par un recours trop large aux hypotheses d'interpolation des textes13 : car les quelques 30 textes de la compilation de Justinien, qui - d'une fac;on ou d'une autre - l'utilisent14, peuvent bien ne pas

entierement la pensee de M. D'Ors (dont l'envergure est remarquable, s'etendant sur tout le champ de la theorie du contrat et du creditum) il faut voir aussi les ouvrages cites dans Iura 15, 1964, 390 s., et, dernierement, SDHI 32, 1966, 432 s. Precedents de la these de M. D'Ors: Kniep, Gai comm. IH. 2, 80 s; Schulz, Classical Roman Law, § 800. Pour l'idee de Gaius pre-post-classique voir D'Ors, AHDE 25, 1955, 830 s. g En part. chez Brasiello, Studi Bonfante H, 541 ss.; SDHI 10, 1944, 104; Scritti Ferrini Pavia, 451 s.; 452 n.l; Voci, Dottr., 70 ss.; Grosso, Sistema, en part. 74; Studi Volterra I, 61; avec des doutes Lauria, SDHI 4, 1938, 178; von Lii.btow, ACI-Verona HI, 242 s.; Schulz, Class. Roman Law § 800, la considere complete. 10 Brasiello, SDHI 10, 1944, 106: « la partizione classica non e frutto della ponderata riflessione di un giurista, che si sia messo davanti tutte le possibili figure contrattuali, ed abbia cercato di raggrupparie ... La partizione classica eil prodotto di profonde antitesi ... ». 11 Notamment Perozzi, Studi Schupfer I, 165 ss. (en part. 191 ss. = Scritti H, 590 ss.); Ist. H, 28 s.; Albertario, Studi IH, 77 ss.; voir infra, n. 81. 1% Apres Perozzi, et contre sa these, qui avait modifiE~ l'opinion generale, v. en part. Riccobono, Studi Bonfante I, 168; Voci, Dottr. 69 ss. (en part. 72 ss.); aussi Grosso, Sistema, 4 ss. Voir infra, n. 81. 13 En part. D'Ors, AC I-Verona IH, 269 ss.; il suffit de relire les deux pages dans lesquelles il attaque D. 44,7,1,1; D. 46, 3,80; D. 46, 2, I, 1; D. 46, I, 8, I, pour se rendre compte que (sauf pour le premier de ces passages) la methode est aujourd'hui depassee. Il ne souleve en effet que des soup!,!ons, toujours plus faibles au fur et a mesure que l'on s'approche de D. 46, I, 8, 1 (cpr. Gai. 3, 119 a); cependant conclut-il: ~ Creo que deI examen de estos cuatro textos po demos concluir que en la jurisprudencia cläsica no aparece la cuadriparticion ni la triparticion ». Contre D'Ors voir en part. Wunner, 57 ss. 14 Voir (r.= re; v = verbis; c = consensu): Pomp. (ad Q. M.) D. 46, 3, 80 (r-v-c); Ulp. Lab. D. 50, 16, 19 (actum: v-r; contractum: c); Ulp. Ped. D. 2,14,1, 3 (r-v-[c]); Pomp. D. 46,3,107 (v); Gai. D. 20, 1,4 = D. 22, 4, 4 (c-[v-scriptura]); Paul.: D. 2,14,17 pr. (r); D.17, 1, 1 pr. (c); D. 18, 1, 1,2 (c); D.18, 5, 3 (c); D.19, 2,1

La « distinctio» re-verbis-Iitteris-consensu

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etre entierement classiques, mais on ne peut pas desamorcer le temoignage qui decoule de leur ensemble. b) On ne doit pas admettre, avant d'avoir essaye toute voie possible, que la divison des contrats ne soit que le fruit de la reflexion theorique des juristes romains, creee non pas en fonction de la solution de problemes pratiques, mais pour faciliter le discours - didactique et pratique - concernant les contrats. Le langage juridique des Romains 15 est un langage issu de la pratique; de meme pour l'emploi de la dialectique: le but en etait de maitriser la casuistique, toujours plus riche l8 • L'ecole n'a pu qu'apprendre ce langage et les resultats atteints par ces methodes, mais elle n'avait pas l'office de les creer. Jusqu'a la fin de l'epoque classique, d'ailleurs, il n'y a eu a Rome de veritables ecoles que pour l'instituere, dont les maitres - les magistri iuris n'etaient pas du tout des juristes17 • Le distinctio, dont nous allons parler, etait d'autre cöte sans doute deja etablie, lors de l'apparition des sectae, teIles que celles des Proculiens et des Sabiniens, chez lesquelles il se trouvait bien sur des eleves et des maitres, mais dont le methodes de l'enseignement nous sont inconnues l8 : faute de preuve contraire, il faut donc croire qu'il ne s'agissait que d'une participation a l'elaboration de la casuistique. Sans doute faut-il avouer que, si l'on cherche dans l'ensemble des textes du Corpus Iuris, dans lesquels la classification est employee 19 , des indices pour etablir que la classification avait des traits, qui nous echappent en lisant Gaius, et qui pouvaient lui donner une importance dans la (v-c); D. 19,4, 1, 2-3 (c-r[?]); D. 44, 7, 3, 1 (r) et 2 (v); D. 45, 1. 5, 1 (v) (cpr. Ulp. D. 45,1,1, pr.; C. 8,37,3 pr., a. 217; C. 8, 38, 3 pr., a. 290); Ulp.: D. 12, 1, 9, 3 (r-vconiunctim [cpr. eod. 9, 4]); D. 16, 1,2,4 (v-r-quocumque aHo contractu); D. 46, 1, 8, 1 (r-v-c); D. 46, 2, 1, 1 (v-r-c); D. 46, 2, 2 (v-non verbis) ; D. 46, 4, 8, 3 (v-non verbis); D. 46, 4,13,7 (r-v); D. 46, 4,19 pr. (v-r); D. 50,17,35 (v-c); Mod.: D. 17,2, 4 pr. (r-v) [?]; D. 44, 7, 52 pr. (r: cpr. eod. 52, 1 - v: cpr. eod. 52, 2 - simuL utroque: cpr. eod. 52, 3 - c: cpr. eod. 52,4- Lege: cpr. eod. 52,5 - iure honorario: cpr. eod. 52, 6 - necessitate: cpr. eod. 52,7 - peccato: cpr. eod. 52, 8; cpr. aussi eod. 52, 9, nudus consensus, et eod. 52, 10, nutu solo); Res. cott. D. 44, 7, 1 (r-vcl; Impp. C. 8, 40,12, a. 230 (v); C. 4,2,12, a. 294 (r-v). Cpr. la liste chez Voci, Dottr., 69 n. 1 (ou se trouve D. 17,2,5 pr. au lieu de eod. 4 pr.) et aussi Kaser, ZSS 70, 1953, 162. On peut ajouter Cl. Sat. D. 48, 19, 16 pr., ou le schema est employe pour grouper les deUts (causae de paena): il s'agit du seul texte au Digeste, ou il se trouve une division en quattuor genera (cpr. D. 48, 19, 16, 1),

les titterae (ici: scripta, ut falsa et famosi tibeUi) n'etant pas ete supprimees; sur le texte ScheriHo, 255 ss. 15 Schulz, Principii, 71 ss.; Storia, 174 ss.; 465 ss.; Biondi, La terminologia romana come prima dommatica giuridica, Scritti I (1965), 181 ss.; Kaser, Zur juristischen Terminologie der Römer, Studi Biondi I, 1965, 97 ss. 18 SchuLz, Storia, 134; 231 ss. 17 Cannata, SDHI 30, 1964,338 et n. 77. 18 Schulz, Storia, 221. Ig Voir supra, n. 14. 28"

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pratique20 , on est presque entierement de: aeque cum emptio [vel] venditio vel locatio contracta est, quoniam consensu nudo contrahi potest, etiam [dis](cons>sensu contrario dissolvi po test. a) Je dois d'abord justifier de la correction, introduite dans la derniere phrase. 11 est evident que l'expression dissensu contra rio est incorrecte: il faut choisir entre la suppression de contrario 48 (en supposant que le mot ait son origine dans une glose), ou bien la correction proposee49 , avec laquelle on ne fait recours qu'a la simple hypothese d'une erreur, peut-etre une abreviation mal developpee. Ce choix entre les deux restitutions n'a pas grande importance; on ne peut toutefois pas se pass er de remarquer que tous les arguments conduisent a la deuxieme solution, meme ceux sur lesquels on a voulu fonder l'autre. En effet, dans D. 46, 3, 80 l'on ne parle pas de la societas, tandis que le dissensus n'a une signification precise que po ur ce contrat50 ; le seul enonce de la regle du contrarius actus, qui oppose dissensus a consensus se trouve a propos de la societas, dans un texte postclassique51 • Aussi DIp. 50, 17, 35, dans lequel se trouve encore l'opposition entre consensus et contrarius consensus dans le contexte de la regle du contrarius actus, n'est-il peutetre pas classique: mais avec Paul. D. 18, 5, 352 il est de tout fa ». 23 Wieacker, Societas, 144 s., not. 145: « Vor allem ist die in iure cessio non aditae hereditatis Erwerb der gesamten Erben- oder Miterbenstellung »; et, citant Paul. D. 17, 2, 3 pr. (lib. 32 ad ed.), relatif a la soc. o. b.; Ea vero quae in nominibus erunt manent in suo statu; sed actiones invicem praestare debent, il ajoute: «auf den Zessionar der Erbschaft gehen die Forderungen gerade über».

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qu'il assimile a une traditio ficta 24 • La restitution qu'il pro pose du texte de Paul est particulil~rement significative a cet egard: Paul. D. 17, 2, 1, 1 (lib. 32 ad ed.): In societate omnium bonoTum omnes res quae coentium sunt [continuo] (traditione, mancipatione aut in iure cessione singulae> communicantur. Arangio-Ruiz a eleve deux objections contre cette restitution, que la doctrine a reprises. D'une part, on ne voit pas quelle raison aurait eue Paul d'affirmer «cosi solennemente » une regle qui, dans l'hypothese ou se place Riccobono, n'etait que l'application de principes elementaires. D'autre part, le systeme qu'implique cette hypothese oblige chacun des assoeies a proceder ades actes de transfert pour chacune des choses dont il est proprietaire, et autant de fois qu'il a de coassoeies; «vero lavoro di Sisifo» dont on s'etonne que les jurisconsultes classiques, a l'esprit eminemment pratique, n'aient pas trouve le moyen d'en dispens er les socii o. b. 25

Ces critiques sont justes. Mais nous verrons plus bas qu'elles ne vont pas au coeur du probleme et que des objections plus fondamentales peuvent etre eleve es contre l'hypothese de Riccobono et de tous ceux qui font appel aux actes de transfert de propriete du droit classique, objections portant sur la possibilite meme de creer un regime de copropriete au moyen de tels actes. b) Pour eviter les inconvenients manifestes de ces transferts multiples, Arangio-Ruiz - qui ne faisait d'ailleurs que reprendre une doctrine traditionelle, anterieure meme a Savigny 25 - a defendu l'idee d'un transfert general de tous les biens corporels des socii reposant sur ce substitut de la traditio qu'est le constitut possessoire. Ainsi, par un simple accord de volonte, qui pouvait se deduire du contrat de soeiete lui-meme, s'operait un transfert de possession pro parte entrainant soit le transfert de la propriete pro parte sur les res nec mancipi, soit la possibilite d'une usucapio pro parte, en ce qui concerne les res mancipi. Ce systeme avait l'avantage, souligne-t-il, de conserver la detention et l'usage de ses biens a celui qui en faisait apport a la soeiete. Et s'il ne procurait a ses coassoeies que la copossession des res mancipi, pendant le delai d'usucapion, cette copossession devait suffire, le plus souvent, a realiser «gli intenti pratiei» des socii, pour -lesquels il n'etait en general pas indispensable de creer «in pieno ed immediatamente una vera comproprieta »27. Riccobono, Traditio ficta, dans ZSS 34, 1913, 186 5S., not. p. 188. Arangio-Ruiz, op. cit., 127 et 132. 26 Cf. Last, Besitzlehre, 1913, 188 s., cite par Wieacker, Societas, 140 n. 5; Arangio-Ruiz, op. cit., 127 n.1. 27 Arangio-Ruiz, op. cit., 133. 24

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La solution a ete jugee plus d'une fois ingenieuse, meme par ceux qui l'ont critiquee, et l'on a vu que M. Kaser semble s'y etre rallie 28 • Elle se heurte cependant, elle aussi, ci des difficultes des que l'on analyse de plus pres le fonctionnement du constitut possessoire et de l'usucapio dans un tel systeme, difficultes sur lesquelles nous reviendrons plus bas et qui so nt etrangeres aux vues assez personnelles de M. Wieacker quant au defaut de iusta causa et de titre d'acquisition justifiant, dans la societas classique, et le constitut possessoire et l'usucapion29 • II.

En dehors du transitus legalis pur et simple, c'est-a-dire du transfert de propriete automatique, qui n'a trouve aucun defenseur et qui parait devoir etre ecarte d'emblee, et mis apart la legis actio ou le «Gesamtakt », qui permettraient la creation immediate du patrimoine indivis, mais qui nous reste nt inconnus, la doctrine ne nous propose, po ur resoudre le probleme du mode de constitution de la copropriete entre socii o. b., que des actes ou procedes - in iure cessio, mancipatio, traditio, constitut possessoire, usucapio - qui, en droit classique, ne sont pas specialement destines a cela et dont M. Wieacker a pu dire que nous ne trouvons aucun exemple d'emploi acette fin dans nos sources30• Une question se pose donc, que seul M. Wieacker, ci notre connaissance, a abordee et tente de resoudre: ces actes et procedes divers sont-ils aptes, tels que nous les connaissons, ci jouer le röle que suppose la doctrine, c'est-ci-dire ci creer un regime de propriete pro indiviso pro parte entre le proprietaire individuel (Alleineigentümer) de certains biens, dont il fait apport ci la societas, et ses coassocies, acquereurs de ces biens pro parte? Et si nous ne les trouvons utilises dans nos sourees, en matiere de copropriete, que dans le cas ou un proprietaire pro parte (Miteigentümer) cede sa part ci un tiers et quitte ainsi l'indivision, dans laquelle l'acquereur lui est substitue, sommes-nous autorises ci assimiler les deux situations, pourtant fort diffeerentes l'une de l'autre? M. Wieacker a dejci fait ci ce sujet un certain nombre d'observations fort interessantes, qui nous serviront de point de depart. 1. La premiere, fondamentale, et dont on s'etonne que la doctrine l'ait negligee, est que les actes ou procedes proposes, qui semblent Cf. supra eh. 1 litt. b. Wieacker, ZSS 69, 1952, 340 et 499-500. 30 Wieacker, ZSS 69, 336: « Die herkömmliche Lehre setzt in ihren Annahmen notwendig konstitutive Verfügungsakte voraus, mittels derer im Wege der Einzelnachfolge zugunsten des Erwerbers ein Miteigentumsanteil begründet wird. Aber nirgends sprechen die Quellen von solchen Geschäften in Er~ füllung von Beitragspflichten ». 28

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etre les seuls que le droit classique ait eus a sa disposition pour creer un regime de copropriete a partir d'une propriete individuelle, sont tous des mo des de transfert ou d'acquisition ayant normalement pour effet, en creant le droit de propriete de l'acquereur, d'eteindre celui du precedent proprietaire, et non pas de permettre leur coexistence pro parte. Cela est particulierement evident dans le cas de la mancipatio et de l'in iure cessio ou l'une des parties, le cedant, par le silence qu'il garde devant la declaration et l'acte d'appropriation de l'acquereur, fait abandon de toute pretention sur la chose et reconnait le droit affirme par l'autre partie31 • Il en va de meme dans l'usucapio OU, des que les conditions en sont realisees, l'usucapant se substitue au precedent proprietaire; et M. Kaser est d'avis que la meme conception servait sans doute de fondement a la traditio 32• Lorsqu'ils portent sur des parts de copropriete, de tels actes ou procedes ne se pretent donc, apparemment, qu'au transfert de parts existantes, preconstituees, qu'ils font passer de l'alienateur a l'acquereur, et non a la creation meme de ces parts et a leur repartition entre le proprietaire actuel et ceux avec qui il veut constituer une indivision. Aussi, apres un premier examen du probleme, M. Wieacker, distinguant nettement les deux fonctions, l'une translative, l'autre constitutive, avait-il categoriquement nie que des actes purement translatifs de propriete puissent avoir l'effet constitutif prealable que suppose l'etablissement de la propriete pro indiviso pro parte entre associes33• Bien qu'il soit revenu plus· tard sur cette affirmation, la remarque reste suggestive: si l'on admet que les actes de transfert que nous venons d'enumerer ont pu remplir la fonction particuliere que certains leur attribuent dans la creation de l'indivision a laquelle donne lieu la soc. o. b., une certaine adaptation etait necessaire, dont nos sources ne conservent malheureusement aucune trace.

2. Dans une etude ulterieure du probleme34, M. Wieacker, abandonnant la position purement negative qui fut d'abord la sienne, a eherehe 31

Cf. Kaser, RPR I, 348.

Kaser, ibid.; parlant de la conception classique selon laquelle «das Eigentum beim Veräusserer erlischt und beim Erwerber neu entsteht", il affirme: «eben diese Vorstellung liegt auch den formlosen Vorgängen des < dare ) und< tradere ) zugrunde ». 11 Wieacker, Societas, 144: «Auch bedeutet die dingliche Vergemeinschaftung des Gesamtgutes nicht etwa einen translativen Erwerb von einem Gesellschafter auf den anderen, sondern eine Mehrheit konstitutiver übertragungsakte, die Abspaltung und übertragung von Miteigentum auf eine Mehrheit von Mitgesellschaftern und umgekehrt. Einzelne Erwerbsakte können aber Miteigentum konstitutiv gar nicht begründen: der Akt, der Eigentum oder Miteigentum vom Veräusserer auf den Erwerber überträgt, kann nicht aus einem Eigentümer (oder Miteigentümer) zwei machen ". 34 Wieacker, ZSS 69, 1952,336 ss. 32

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a Imaginer soit les formes que pouvaient prendre les actes solenneis que sont la mancipatio et l'in iure cessio po ur devenir constitutifs de copropriete entre alienateur et acquereur, soit le systeme par lequel, dans la societas, la traditio, le constitut possessoire et l'usucapio pouvaient amener la creation d'un tel regime entre l'auteur d'un apport et ses coassocies. a) En ce qui concerne la mancipatio et l'i. i. c., M. Wieacker semble admettre l'hypothese - suggeree par M. Kaser pour la mancipatio 35 d'une formule du type « hunc ego hominem ex semisse meum esse aio » par laquelle l'acquereur affirmerait simplement sa propriete pro parte, comme il le faisait dans le cas, atteste par les textes, de la rei vindicatio partis entre coproprietaires. Mais cette reference meme a la vindicatio partis montre que la formule proposee est incomplete et ambigue puisqu'elle peut servir aussi bien dans le cas d'une pars existante qu'il s'agit soit de recuperer (rei vindicatio), soit d'acquerir (mancipatio, i. i. c.), que dans celui OU l'acte a pour but de creer des parts a partir d'une propriete in solidum et de les attribuer aleurs proprietaires respectifs. On doit par consequent se demander s'il n'etait pas necessaire, en outre, de specifier, par une sorte de lex mancipio dicta inconnue de nos sourees, le sens et la portee de l'acte accompli, afin de differencier le cas OU le cedant doit devenir le coproprietaire de l'acquereur de celui ou il sort d'une indivision existante, au sein de laquelle l'acquereur se substitue a lui. Mais d'hypothese en hypothese, le silence des sources sur ce point devient de plus en plus incomprehensible et les constructions auxquelles on est tente de se laisser entrainer de plus en plus hasardeuses. 11 est symptomatique, a cet egard, que M. Wieacker ait envisage une autre solution en ce qui concerne la mancipatio: celle d'une m. deducta parte, analogue a la m. deducto usufructu du droit classique. Mais il reconnait lui-meme que «die Unteilbarkeit der Prätention hanc rem meam esse aio und der unteilbare Sachzugriff des Erwerbers » semblent s'y opposer 36 • On peut ajouter que la m. deducto usufructu avait pour but et pour effet de transferer in solidum la propriete de la chose en ne conservant a l'alienateur qu'un droit reel restreint, essentiellement different de la nuda proprietas; et si l'on a pu considerer l'usufruit comme une pars dominii, il ne saurait etre question de prendre l'expression dans le sens qu'elle pourrait avoir en matiere de copropriete. L'hypothese parait donc, elle aussi, extremement fragile. b) En ce qui concerne la traditio, qui n'opere qu'un transfert de possession, rien n'empeche, apremiere vue, d'admettre que celui qui 35 36

Cf. Wieacker, ZSS 69, 337 n. 98. Wieacker, ZSS 69, 337 litt. aa.

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se dessaisit d'une chose peut en conserver, par accord avec celui qui la re~oit, soit la copossession, soit meme la copropric~te. Mais une difficulte apparait dans le cas du constitut possessoire, que nous croyons pouvoir attribuer au fait que la traditio et ses substituts ont pour but de transferer la possession et non de la faire partager. Lorsqu'il imagine, pour justifier la naissance du regime de copropriete entre socii o. b., que le constitut possessoire avait pour effet de creer une copossession de l'auteur de l'apport et de ses coassocies, Arangio-Ruiz se met en contradiction avec un texte formel de Celse, qu'il tient pourtant pour authentique et auquel il attache la plus grande importance37 : Cels. D. 41, 2, 18 pr. (lib. 23 dig.): Quod meo nomine possideo possum alieno nomine possidere: nec enim muto mihi causam possessionis, sed desino possidere et alium possessorem ministerio meo facio. A prendre ce passage a la lettre - et rien n'indique que l'on ne doive le faire - celui qui conserve la chose en vertu d'un constitut possessoire n'en reste ni possesseur, ni meme copossesseur: il cesse de posseder (desino possidere) et ne sert plus que d'instrument de possession po ur autrui (alium possessorem ministerio meo facio); en d'autres termes, il n'est plus que detenteur. Utilise pour cn~er un regime de copropriete, le constitut possessoire ne met donc pas les deux futurs coproprietaires sur un pied d'egalite en ce qui concerne la possession. Et alors qu'Arangio-Ruiz souligne combien il pouvait etre opportun, du point de vue pratique, que le proprietaire de biens dont il faisait apport a la societe put continuer ales utiliser et ales gerer dans l'interet commun38, il peut sem bIer curieux que l'auteur de l'apport soit prive de sa qualite de possesseur au profit de ses coassocies, acquereurs de parts pro indiviso sur ces biens. D'autre part, on ne voit pas comment ni a quel moment le proprietaire primitif, une fois le regime de copropriete constitue, redevient possesseur pro parte des biens dont il a fait apport, comme semble l'exiger le principe d'egalite des socii au sein de la societe.

c) Cette regle fondamentale de l'egalite a d'ailleurs amene Arangio-Ruiz a imaginer non seulement une copossession des parties au contrat de societe, mais encore une co-usucapion. «I soci, dit-il, si sarebbero trovati ad avere le cose, ciascuno per la sua parte, in bonis (proprieta pretoria) ... ed aHa fine deI non lungo periodo di tempo richiesto dal diritto classico... sarebbero divenuti comproprietarii per usucapione »39. Cette hypothese, qui n'a jamais He critiquee a notre 37 Arangio-Ruiz, op. cit., 131 n. 2: «Qui non si ha solamente una decisione ehe presupponga l'esistenza deI eostituto possessorio, ma di questo si fa la teoria ». 38 Arangio-Ruiz, op. cit., 127. 39 Arangio-Ruiz, op. cit., 133.

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connaissance, ne trouve aucun appui dans les textes, et elle nous parait trop insolite pour etre admise. Elle signifie en effet que celui qui fait apport a ses coassocil~s d'une chose dont il est proprietaire ex iure Quiritium et qui leur en transmet la possession - ou la copossession dans l'hypothese d'Arangio-Ruiz - cesse de ce seul fait d'etre propric~­ taire quiritaire pour se trouver reduit a la qualite de proprietaire pretorien pro parte et etre soumis, comme les autres socii, aux exigences de l'usucapio, qui ne lui permettront de recouvrer - pro parte sa qualite de proprietaire quiritaire qu'a l'echeance du delai impose. Une teIle construction est inexplicable; elle est de plus en contradiction avec l'exception «preparata ad imitazione dell'exceptio rei venditae et traditae» qu'imagine Arangio-Ruiz40 et qui, manifestement, dans son esprit, est destinee a proteger l'un des socii usucapant contre une revendication de l'autre, conformement a la fonction de l'exceptio rei venditae et traditae classique 41 • Dans l'hypothese ou se place Arangio-Ruiz, une teIle exceptio est sans fondement puisque l'auteur de l'apport n'est plus proprietaire quiritaire et que personne par consequent parmi les socii n'a un droit preferable a faire valoir, contre lequel il conviendrait de proteger les autres usucapants. Comme on le voit, la solution de la traditio ou du constitut possesso ire, completes, pour les res mancipi, d'une usucapio, souleve plus de problemes qu'elle n'en resout et l'on peut demeurer sceptique quant a sa valeur. 3. Mais au-dela des doutes que suscitent les differents mo des de transfert et d'acquisition de la propriete qui nous sont proposes, quant a leur aptitude a creer un regime de copropriete, une objection d'ordre plus general a et€~ soulevee par Mlle Bianchini 42 , qui nous parait decisive.

La soc. o. b. est clairement definie par Gaius comme iuris gentium (Inst. 3, 148 et 154) et il ne fait de doute pour personne qu'elle etait ouverte aux peregrins aussi bien qu'aux citoyens romains, comme tous les autres types de societes du droit classique 43 • Dans la mesure ou des peregrins y participaient, la question se pose donc de savoir comment ils pouvaient avoir acces au regime de copropriete, considere comme essentiel a la soc. o. b., s'il fallait proceder ades actes solenneis comme l'in iure Arangio-Ruiz, ibid. Kaser, RPR I, 369: «Sie macht das bonitarische das ( nudum ius Quiritium > des Veräusserers ». 42 Bianchini, op. cit., 38. 40

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Eigentum stärker als

La doctrine considere meme qu'elle sert d'exemple dans la formule de socio de l'Edit du preteur; cf. Kaser, RPR I, 477 n.4. Nous avons exprime certains doutes a ce sujet dans notre compte rendu de l'ouvrage de Mlle Bianchini, Index cit., 320, n. 36. U

l'actio pro

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cessio, dont ils etaient exclus4 4, ou la mancipatio, qu'ils ne pouvaient accomplir que s'ils beneficiaient du commercium 45 • Dans l'hypothese ou la creation de l'indivision devait se faire par un «Gesamtakt » assimilable a une in iure cessio, il leur etait impossible d'y participer; dans les autres cas, leur participation se limitait, semble-t-il, aux res nec mancipi, dont la propriete pouvait s'acquerir par traditio, puisque l'usucapio elle-meme ne leur etait permise que de fa