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De iustitia et iure Festgahe für Ulrich von Lühtow
De iustitia et iure Festgabe für Ulrich von Lübtow zum 80. Geburtstag
herausgegeben von
Manfred Harder und Georg Thielmann
DUNCKER&HUMBLOT / BERLIN
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der 'übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten Cl 1980 Duncker & Humblot, Berlln 41 Gedruckt1980 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Gennany ISBN 3 428 04739 7
Vorwort Ulrich von Lübtow, der am 21. August 1980 achtzig Jahre alt wird, hat sein Leben und Schaffen der Wissenschaft und der Universität gewidmet. Freunde, Kollegen und Schüler gratulieren mit dieser Festschrift. Sie ist zugleich ein Zeichen des Dankes für das reiche wissenschaftliche Werk, mit dem sich der Jubilar in Forschung und Lehre um Recht und Gerechtigkeit verdient gemacht hat. Es ist gewiß ungewöhnlich, daß der Geehrte in einer Festschrift selbst zu Wort kommt. Wir folgen jedoch dem Wunsch des Jubilars in der überzeugung, daß durch seine "Erkenntnisse und Bekenntnisse" die Unabhängigkeit seines Denkens und HandeIns und die Festigkeit seines aufrechten Charakters so am besten zum Ausdruck: kommt. Herr Professor Dr. Johannes Broermann, der Inhaber des Verlages Duncker & Humblot, hat - ebenso wie 1970 bei der Festgabe "Sein und Werden im Recht" zum siebzigsten Geburtstag des Jubilars - ohne Zögern die Herausgabe dieser Festschrift übernommen und in jeder Weise gefördert. Für dieses dem Jubilar erwiesene großzügige Geschenk danken wir herzlich. Wir danken ferner Frau Ursula Wilberg (Berlin), der langjährigen vertrauten Sekretärin des Jubilars, und Fräulein Birgit Meister (Mainz) für ihre vielfältige Unterstützung. Zu großem Dank verpflichtet sind wir Herrn Wolfgang Nitzsche im Verlag Dunck:er & Humblot, der wie immer freundlich und 2iuverlässig die Herstellung der Festschrift betreut hat. Unser Dank gilt schließlich der Johannes Gutenbel"lg-Universität Mainz, die mit einem finanziellen Beitrag ein Quellenregister ermöglichte, das Herr cand. iur. Innozenz Heintz angefertigt hat. Möge diese Festschrift nicht nur Dank und Verehrung, sondern auch die besten Wünsche für das persönliche Wohlergehen des Jubilars in vielen weiteren Jahren bekräftigen!
Manfred Harder
Georg ThieLmann
Inhaltsverzeichnis Erkenntnisse und Bekenntnisse ........................................
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Römisches Redlt Gerhard Radke Versuch einer Sprach- und Sachdeutung alter römischer Rechtsbegriffe
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Endre Ferenczy über das Interregnum ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Giuliano Crif Krise der Republik und juristische Werte....... .....................
53
Francesco De Martino Motivi economici neUe lotte dei populares
69
Klaus Adomeit .. rechts" und .. links" bei Cicero
81
Karl-Heinz Ziegler Pirata communis hostis omnium ....................................
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Wolfgang Waldstein Gewohnheitsrecht und Juristenrecht in Rom
105
ElmarBund Rahmenerwägungen zu einem Nachweis stoischer Gedanken in der römischen Jurisprudenz .............................................. 127 Edoardo Volterra Ancora suUa struttura deI matrimonio classico ...................... 147 Bernardo Albanese Volonta negoziale e forma in una testimonianza di Q. Mucio Scevola 155 Mario Lauria ... usus auctoritas fundi biennium est ............................. 163 Georg Thielmann Zum Eigentumserwerb durch Verarbeitung im römischen Recht ...... 187 Klaus Slapnicar über die Aktivlegitimation zur actio legis Aquiliae und actio dc dolo im Dreipersonenverhältnis. Bemerkungen zu Paul. D. 4, 3, 18, 5 ...... 233 Arnaldo Biscardi La double configuration de la clause penale en droit romain . . . . . . . . .. 257
VIII
Inhaltsverzeichnis
Andreas Wacke Paulus Dig. 3, 5, 18,3: Zur bona fides bei Ersitzung, Geschäftsführung und Eviktionsregreß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 269 Max Kaser Grenzfragen der Aktivlegitimation zur actio furti ..... . . . . . . . . . . . . . .. 291 Hans Ankum Das Problem der "überholenden Kausalität" bei der Anwendung der lex Aquilia im klassischen römischen Recht ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 325 Bruno Schmidlin Der verfahrensrechtliche Sinn des ex fide bona im Formularprozeß . .. 359 Gian Gualberto Archi Ait Praetor: ,Pacta conventa servabo' - Studio sulla funzione della clausola neU' Edictum Perpetuum .......... . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . .. 373
Deutsche und englische Rechtsgeschichte Hans Thieme Was bedeutet uns Otto von Gierke? ................................. 407 Dieter Giesen The Imperial Mother and her Papal Daughter -Zum römischen und kanonischen Recht in England zwischen Reformation und Restauration 425
Zivilrecht der Gegenwart mit seinen historischen Grundlagen Heinrich Honsell Die Risikohaftung des Geschäftsherrn
485
Berthold Kupisch Einheitliche Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs - ein Mißgriff des Gesetzgebers? ............................................. 501 Otto Mühl Wandlungen im Bereicherungsrecht und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ..................................................... 547 Hans Wieling Grund und Umfang des Besitzschutzes
565
Peter Apathy Marcian. D. 20,1,13,2 - §§ 454 f. ABGB. Vergleichende Betrachtungen zum Wesen des subpignus .......................................... 585 Fritz Sturm und Gudrun Sturm Zur Anrechnung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325 ff. BGB ............................................................... 599 Dieter Heckelmann Materielle und vollstreckungsrechtliche Folgeprobleme der Entscheidung des BGH für die Sondernachfolge in den Gesellschaftsanteil an der OHG bei sog. qualifizierter Nachfolgeklausel .................... 619
Inhaltsverzeichnis
IX
Gerhard Eiselt Zum Ausschluß des Gesellschafters minderen Rechts unter Buchv'ertabfindung ........................................................ " 643 "ersidherlU!gsreCht Horst Baumann Abgrenzung von Sozialversicherung und Privatversicherung in der sozialen Marktwirtschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 667 Hans-Peter Benöhr Gesetzgebungstechnik - Eine Bestandsaufnahme nach den Verhandlungen von 1881 bis 1889 zu den Sozialversicherungsgesetzen ......... 699 Zivilprozeßredht Manfred Hinz Der Prozeß auf negative Feststellungsklage und seine Wirkungen für das Verjährungsrecht des BGB ...................................... 729 Strafredlt und Strafprozeßredlt Ulrich Weber Das Tiede-Verfahren vor dem US Court for Berlin .................. 751 Klaus Geppert Zur Stellung des ärztlichen Sachverständigen im Spannungsverhältnis zwischen Strafgericht und Proband (Rollenprobleme beim strafgerichtlichen Sachverständigenbeweis) .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 773 Dietrich Oehler Neuere Fragen zum Spezialitätsgrundsatz im Auslieferungsrecht ..... 797 HoChsChulreCht Manfred Harder Autonomie oder Anpassung - Bemerkungen zur Regelung des Immatrikulationswesens im rheinland-pfälzischen Hochschulgesetz ........ 813 SchriftenverzeiChnis Ulrich von Lübtow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 829 Quellenregister ............................................ ..,....... 835 "erzeiChnis der Mitarbeiter ........................................... 872
Erkenntnisse und Bekenntnisse In diesem Jahr trete ich in das neunte Jahrzehnt meines Lebens. Von der Anerkennung meiner Arbeit zeugen die mir gewidmeten beiden Festschriften (1970, 1980). Ich war einer der ersten, der aus der sowjetischen Zone an die Freie Universität Berlin bereits im Stadium ihrer Gründung kam. An ihr habe ich von 1948 an - auch nach meiner Emeritierung - bis zum heutigen Tage geforscht und gelehrt in voller Gesundheit und geistiger Frische. Erst ein Berliner Professor, dann eine "Berliner Institution", wie das Amtsgericht Moabit mich in einem offiziellen Schreiben nannte. Bis 1968 war ich Mitdirektor des Instituts für Bürgerliches Recht und Zivilprozeßrecht und bemühte mich um die dauernde Anschaffung der einschlägigen Literatur. Als langjähriger alleiniger Direktor des rechtsgeschichtlichen Instituts habe ich es, insbesondere natürlich die romanistische Abteilung, unter größten Schwierigkeiten aus dem Nichts zu einer achtunggebietenden Einrichtung aufgebaut. In dieser Zeit war ich mehrfach Mitglied des Akademischen Senats; Dekan meiner Fakultät und viele Jahre Disziplinar-Untersuchungsrichter. Die Disziplinarordnung hatte ich nach streng rechtsstaatlichen Maßstäben geschaffen. Dem Gedeihen und Erfolg der Freien Universität widmete ich Jahrzehnte meines Lebens meine ganze Tatkraft. 15 bis 18 Wochenstunden auf meinen Fachgebieten Römisches, Bürgerliches Recht und Zivilprozeßrecht waren die Regel. Trotz dieser Belastung fanden meine Mitarbeiter und die Studenten bei mir stets ein offenes Ohr und menschliche Teilnahme. Mein Lebensweg und wissenschaftliche Tätigkeit sind in der ersten, 1970 erschienenen Festschrift geschildert und brauchen nicht wiederholt zu werden. Das Ergebnis meiner wissenschaftlichen Tätigkeit besteht aus einer größeren Anzahl von Monographien und von Abhandlungen über Probleme meiner Fachgebiete, die in Fachkreisen starke Beachtung gefunden haben. 1971 erschien mein zweibändiges Erbrecht, das auch und gerade von Praktikern und Examenskandidaten viel benutzt wird. Bei einer Besprechung betreffend die Auswahlbände für Studenten im Lesesaal der StaatsbibZiothek lautete die Antwort auf die Frage, ob das Lehrbuch nicht zu hohe Anforderungen an die Studenten stelle, zu meiner Freude: "Aber es ist das Werk". Meine umfassende Monographie 1 Festgabe fOr U. v. Lübtow
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Erkenntnisse und Bekenntnisse
über die lex Aquilia, 1971, W1Urde von Ferenczy in einer sehr anerkennenden Rezension als "Standardwerk" bezeichnet. Tradition und behutsame Fortentwicklung des Überkommenen sind die immer wieder aus meinen Arbeiten hervorleuchtenden Dominanten. Die Wurzeln meiller Kultur liegen da, wo es zurückgeht zu den Griechen und Römern. Insbesondere das Recht des römischen Volkes ist für mich eine ursprungsnahe Welt. Ich bedauere es deshalb als großen RücksChritt, daß das römische Recht oft in einer einzigen Vorlesung vorgetragen wird. Sie umfaßt manchmal nicht wie sonst üblich die Zeit bis Justinian, sondern will bis in die Gegenwart reichen. Demgegenüber halte ich die Trennung des Stoffes in die zwei in Literatur und Lehre bewährten Vorlesungen "Römische Rechtsgeschichte" und "System des römischen Privatr,echts" nach wie vor für richtig. Die von mir gerügte Zusammenfassung beruht auf der sogenannten "exemplarischen" Methode. Sie gehört in den Zusammenhang des offenen oder verborgenen Abbaus der Leistungsanforderungen, den man als "Studienreform" bezeichnet. Das Buch von SöIIner, "Einführung in die römische Rechtsgeschichte", 1980, weicht von der herkömmlichen Einteilung nicht ab (S. 14), ebensowenig das Werk "Jurisprudenz - Die Rechtsdisziplinen in Einzeldarstellungen", hrsg. von Rudolf Weber-Fas, 1978. Darin Schindler, Römische Rechtsgeschichte, Kupisch, Römisches Privatrecht. Abweichend Liebs, Römisches Recht, 1975. Ich kritisiere die exemplarische Methode folgendermaßen: Durch sie wird der geistige Vollgehalt des jeweiligen Faches minimalisiert. Diese Methode, die natürlich gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes nicht rechtsv,el'bindlich vorgeschrieben weroen kann, wird aus unseren Dozenten allmählich eine Neuauflage der schwäbischen Musikanten machen, die auf ihrer Flöte spielen, ebenfalls nach der Devise: "Faß hier mal hin, faß da mal hin, faß auch mal in die Mitte hin ... ". Es kommt eben nicht so darauf an! - Und damit wird schließlich ein Tiefpunkt in der Geschichte des Hochschulunterrichts erreicht. Exemplarische Vorlesungen stellen einen regelrechten "Warenhauskatalog" dar. Die Hörer lernen immer mehr von immer weniger - ein Wort, das Werner Knopp, der bisherige Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz von den heutigen Schülern gesagt hat. Die exemplarische Methode führt zur bruchstückhaften Behandlung des Stoffes. Er darf jedoch nicht in Einzelstücken isoliert, sondern die Gegenstände müssen als aufeinander bezogen in Korrelation dargestellt werden. Die Vorlesung ist nicht eine bloße Addition von Summanden, sondern notwendig das Aufeinanderbezogensein des ganzen Stoffes, die innere Kohärenz, der innere Zusammenhang. Die Beliebigkeit des Bildungs-
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angebots in einer 4(!)stündigen Vorlesung "Römisches Recht" von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert kann man mit einem Supermarktslogan glossieren: Das Kolleg "Römisches Recht" bietet in vier Stunden tausendfach "alles unter einem Dach". Es umfaßt also einen Zeitraum von etwa 2000 Jahren. Eine einseitige, doch mehr oder weniger beliebige Stoffauswahl zerbricht den gemeinsamen Kernbereich, der innere Zusammenhang verliert sich, da das Bildungstablett nach freiem Ermessen zusammengestellt wird. Eine "exemplarische" Lehrveranstaltung verzichtet auf die Gesamtschau und erklärt damit, daß die Rechtswissenschaft zu einer systematischen Darstellung nicht mehr in der Lage ist. Gerade der Student vermißt aber die "Gesamtorientierung" und wird durch diesen Mangel der Ausbildung erst recht dem Repetitor in die Arme getrieben. Das betreffende Gebiet wird den Hörern nur stück- und tropfenweise beigebracht. Der Vortragende springt und wechselt immer von einem Gegenstand zum anderen. Eine fruchtbare Zusammenschau ist auf diese Weise nicht möglich. Das exemplarische Prinzip eignet sich für den altsprachlichen Unterricht (Näheres Nickel, Altsprachlicher Unterricht, 1973 [Erträge der Forschung Bd. 15], 51 ff. mit Literatur Anm. 1 und 2). Es wird ein Teil des Ganzen ausgewählt, der für dieses repräsentativ ist, und vorausgesetzt, daß es in dem so herausgehobenen Teil möglichst vollständig enthalten und aufzufinden ist. Zum Beispiel sucht man so aus Aristoteles und Platon oder Herodot, aus Cicero, Livius oder Tacitus bestimmte Teile heraus, weil das Ganze unmöglich vollständig und lückenlos zu erfassen ist. Es liegt auf der Hand, daß sich für das römische Recht ein solcher Teil, der für das Ganze repräsentativ ist, an dem es überschaubar und begreifbar wird, nicht abzeichnet. Aus allen diesen Gründen ergibt sich für mich eine andere Betrachtungsweise. Ich befolge sie auch in meinem Buch "Die Entwicklung des Darlehensbegriffes im römischen und geltenden Recht ... ", 1965. ErichHans Kaden (SZ 83, 1966, 477) charakterisiert sie in seiner Rezension des erwähnten Buches folgendermaßen: "Der Verfasser verknüpft aufs engste auch hier wiederum rechtsgeschichtliche Untersuchungen und dogmatische Betrachtungen zum geltenden deutschen Recht, was auch schon rein äußerlich dadurch zum Ausdruck kommt, daß er diese nicht systematisch von jenen scheidet, sondern fortlaufend das Gestern schöpferisch mit dem Heute verbindet, um mit der Aufhellung des historischen Tatbestandes den geschichtlichen Sinn modernrechtlicher Vorschriften zu ermitteln und zugleich den Weg für die historische Erfassung und Lösung der Probleme zu weisen, die sich im Recht unserer Zeit stellen". Diese Bestrebungen gehen auf Anregungen zurück, die ich als Student in einer von Josef Partsch, damals Freiburg i. Br., geleiteten Digesten1·
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exegese gewonnen habe. Sie ist mir unvergeßlich geblieben. Dort wurde ich auch in die Interpolationenkritik eingeführt, der ich bis zum heutigen Tage die Treue bewahrt habe. Den inzwischen modisch gewordenen Trend der Anti-Interpolationenkritik lehne ich ab. Nach wie vor haben - neben dem römischen Recht und dem modernen Zivilrecht - hochschulrechtliche und hochschulpolitische Fragen mein besonderes Interesse. Ich bringe es in Aufsätzen und ausführlichen Eingaben an die zuständigen Stellen zum Ausdruck. Am höchsten steht mir das Individualgrundrecht der Forschungs- und Lehrfreiheit sowie die Autonomie der Universität, von der allerdings leider nicht mehr viel übrig geblieben ist, was nur die Euphorie der Appeasement-Politik leugnen könnte. Ich halte es für geboten, die Fundamentaleigenschaften unseres Volkes wieder lebendig zu machen, die sein Ansehen in der Welt begründet haben. Dazu gehören Können, Fleiß, Leistung, Gemeinschaftssinn, Einordnungsfähigkeit und ein unentbehrliches Maß an Disziplin. Diese Tugenden sollten gerade auch an unseren Universitäten gelten. Ein funktionsgerechtes und leistungsorientiertes Bildungssystem ist notwendig. Der Konflikt bedeutet nicht die einzige geschichtliche Wahrheit. Nur Wissen und Können gibt das Recht und schafft die Voraussetzungen zur Kritik. Zu fordern ist eine Rückbesinnung auf einen traditionell hohen Standard in Forschung, Lehre und Studium. Ich habe mir längst zu eigen gemacht, WlaS Herbert von Karajan kürzlich ausführte (Welt am Sonntag - Magazin vom 22. 6.1980, S. 4): "Ich fühle mich berufen, die Tradition an meine Schüler weiterzugeben, damit der Qualitätsbegriff nicht vollkommen verlorengeht. Man ist ja dabei, das Mittelmaß als etwas Selbstverständliches zu akzeptieren, und dafür habe ich kein Verständnis. Das Publikum verlangt immer noch, was man fälschlicherweise ,elitär' nennt und was einfach nur Qualität ist." Den Staat verstehe ich als verpflichtenden Wert und Aufgabe und ordne ihn nicht in den Rang eines Serviceunternehmens ein. Infolge der Tatsache, daß ich selbst sehr bewußt das Kaiserreich, die erste deutsche Republik, das "Dritte Reich" und dann die zweite Republik erlebt habe, stehe ich voll im Bewußtsein der historischen Kontinuität und Diskontinuität und habe dies auch immer weiterzugeben versucht. Aber die steigende Gesetzestlut bereitet mir Sorgen. Zu den - zumeist wohl - ungeschriebenen Pflichten der Studenten gehört es: fleißig und gewissenhaft zu lernen, die Lehrveranstaltungen zu besuchen und für eine gute Lern- und Arbeitsatmosphäre zu sorgen, die Hausarbeiten und Klausuren sorgfältig und exakt anzufertigen, sich höflich, anständig und diszipliniert zu benehmen, gegenseitige Rücksicht-
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nahme und Hilfsbereitschaft zu üben. Entscheidend ist, breites Fachwissen engagiert zur Lösung von Problemen einzusetzen. Dementsprechend habe ich mich. in meinen Lehrveranstaltungen bemüht, nicht lose Bruchstücke zu bieten, sondern stets die Zusammenhänge aufzuzeigen, ein Problembewußtsein ;DU entwickeln und auf Praxisnähe bedacht zu sein, wie es meiner 15jährigen Tätigkeit als Richter entspricht. Ich versuche, meinen Hörern eine solide wissenschaftlich-juristische Ausbildung zu geben, zeige ihnen klares Denken, zeige ihnen die Notwendigkeit, genau zu sein und redlich zu argumentieren. Ich weise sie darauf hin, daß es keine absolute Gerechtigkeit gibt. Es geht immer nur um das Bemühen um ein wenig mehr Gerechtigkeit. Ich bin erfreut darüber, daß der Bundestag die Zwangsexmatrik!Ulation und weitere Sanktionen bei überschreiten der Regelstudienzeit abgeschafft hat. Ich habe beobachtet, daß vielen Studenten der Ansporn zu besserer Leistung, ja zur Leistung überhaupt fehlt. Sie kommen und verlassen die Vorlesung, wann es ihnen gefällt. Darin liegt eine grobe Mißachtung der Lernfreiheit. Das Leistungsprinzip gehört trotz alledem an die Spitze, auch wenn es Neid, Mißgunst und Unwillen nach sich zieht. Ich bedauere, daß bei vielen längst das Anspruchsdenken an die Stelle des Leistungsdenkens getreten ist. Als geradezu absurd betrachte ich es, wenn jemand als bloßer "Beleger" zum Examen zugelassen wird, der manchmal den Professor überhaupt nicht zu Gesicht bekommen hat. Ein solches Verhalten hat sich wie ein Krebsgeschwür eingefressen. Deshalb muß es nach meiner Ansicht objektive Zwänge geben, die Studienmotivation und -haltung im Sinne des Strebens nach hohen Leistungen beeinflussen. Die Stimulation muß vor allem durch eine Teilnehmerliste, durch eine laufende sowie abschließende Erfolgskontrolle vorgenommen werden, wie ich es schon mit gutem Resultat ausprobiert habe. In den Prüfungen war ich wegen meiner Anforderungen gefürchtet, jedoch stets bemüht, meinen Prüflingen den rechten Weg zu zeigen, und dann hieß es nach dem Examen: "Er war doch gar nicht so schlimm und wußte gut zu führen." Für mich ist die Universität eine Stätte des Suchens nach Wahrheit, untrennbar verbunden mit der Freiheit des Forschens und Lehrens beides gehört aufs engste zusammen, als Stätte der Reflexion, nicht der Agitation. Ich trete für eine Hochschule ein, in der Wilhelm von Humboldt das Vorbild abgibt. Eine Politisierung und Demol.tratisierung der Univ'ersitäten führt nach meiner Ansicht nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren. Politische Fraktionskämpfe sind die schädliche Folge. Damit wird nach meiner überzeugung der Lebensnerv der Universität getroffen. Das
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System der Gruppenuniversität ist, wie ich meine, den drei Ländern, wo es eingeführt ist (Bundesrepublik, Dänemark, Holland), schlecht bekommen. Ich betrachte daher die "Reformgesetze" mit großer Besorgnis als voreingenommen und sachunkundig. Immer wieder habe ich versucht, die tiefen Einbrüche, ja die Umstülpung des altbewährten Verfassungssystems zu verhindern. Dazu gehört die auf Neid, Mißgunst und Gleichmacherei beruhende Abschaffung der Emeritierung. Das Gleichheitsdogma als Legitimation für ein Reformmodell erweist sich nach meiner Meinung als Verfälschung des Demokratiebegriffs. Das Recht, anders zu sein als der andere, gehört mit zu den Grundrechten einer Demokratie. Statt dessen wird eine Gleichmacherei angestrebt, die weit in den Individualbereich hineingreift. Unterschiedliche Positionen, Veranlagungen und Fähigkeiten sol1en möglichst eingeebnet werden. Forschung, Lehre und Verwaltung haben mich wie manchen anderen Hochschullehrer viele J·ahre so sehr in Anspruch genommen, daß meine persönlichen Belange in dieser oder jener Hinsicht zu kurz gekommen sind. Wenn es so weitergeht wie bisher und die Gesundheit mitspielt, denke ich jedenfalls noch lange nicht daran, mich zur Ruhe zu setzen. Ich halte den Beruf des Hochschullehrers für einen echten Beruf auf Lebenszeit, der deshalb nicht notwendig mit einem bestimmten Lebensalter abgeschlossen zu werden braucht. Vor mir liegt noch viel Arbeit, und sie soll, soweit meine Kraft reicht, getan werden - langsamer oder schneller. Im vergangenen Wintersemester 1979/80 konnte ich ohne besondere Mühe die Vorlesung Erbrecht und eine übung für Fortgeschrittene halten. Viel Spaß macht mir als Hobby das Fahren am Steuer meines Autos. Ich bin bereit, mein Leben als Wissenschaftler bis zur Neige auszuschöpfen.
von Lübtow
Römisches Recht
Versuch einer Sprach- und Sachdeutung alter römischer Rechtsbegriffe Von Gerhard Radke
I. Zu den spradilicben Voraussetzungen·) Wörter haben ihre Geschichte; Wörter, die alte Einr.ichtungen bezeichnen. haben eine alte und lange Geschichte, die nicht immer leicht zu überschauen ist. Sieht man von den stummen Aussagen des archäologischen Befundes ab, sind verbür.gte Nachrichten über die Frühzeit Roms, die den um J,ahrhunderte später niedergeschriebenen Darstellungen griechischer und römischer Historiker als Stütze dienen könnten, .außerordentlich selten: Neben ganz wenigen inschriftlichen Dokumentenl, die jedoch ihrerseits erst der Interpretation bedürfen, um auch nur annähernd sachdienliche Auskünfte zu gewähren, stehen allein Namen von Göttern! und Bezeichnungen .altertümlicher Einrichtungen und Gegenstände zur Verfügung, aus deren Deutung man vorsichtige Rückschlüsse auf ihren Inhalt, ihre Aufgabe und vielleicht auch ,auf ihre Herkunft zu ziehen versuchen kann. Dabei darf freilich niemals übersehen werden, daß gerade innerhalb dieses Bereiches eine ungewöhnlich hohe Zahl von Fehlerquellen erwartet werden muß, da gegenüber den meisten Fr.agen mit mehr als einer Unbekannten zu rechnen ist. Es kommt darüber hinaus dazu, daß schon im Altertum Mißdeutun.gen ausgesprochen und gelegentlich bis auf den heutigen Tag wiederholt wurden3 ; sie sind inzwischen kanonisch geworden und verbauen neuen Versuchen den Weg. *) Aus drucktechnischen Gründen wird konsonantischer Lautwert der Halbvokale i und u durch die Buchstaben i (selten) und v wiedergegeben oder zur Verdeutlichung umschrieben; durch Umschreibung werden auch statt eines Akzents - soweit erforderlich - die Betonung eines Wortes sowie statt Längeund Kürzezeichen die Vokalquantitäten angegeben. 1 Aus der Zeit vor Einsetzen der Anfangsbetonung stammen die Inschrüten auf dem Forums-Cippus (CIL 12 1 = ILLRP! 3), auf dem Drillingsgefäß vom Quirinal (CIL 124 = ILLRp2 2), auf der Manios-Spange auf Praeneste (CIL 12 3 = ILLRp! 1), auf dem Altar von Tibur (CIL 122658 = ILLRp2 5), auf der Bronzetafel an einem Altar bei Madonnetta (ILLRpZI271 a), auf einer Tafel aus Satricum (De Simone, in: Archeologia Laziale I, 1978, 95 ff.; Pallottino ebd. 98 f.); dazu kommt die Inschrift auf der sogenannten Ceres-Vase aus Falerii (Vetter, Handb. d. ital. Dial. I, 1953, nr. 241). 2 Vgl. Varro b. Servo georg. 1, 21: nomina numinibus ex officiis constat imposita. August. civ. 4, 24: earum rerum nominibus appellabant deos, quas ab eis sentiebant dan; vgl. G. Radke, Die Götter Altitaliens2, 1979, 10 ff.
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Gerhard Radke
Von den nachfolgend behandelten Begriffen waren curia, pomerium, postliminium und provincia solchen falschen Etymologien ausgesetzt, und hat sich bei provincia und imperium allein in einer leicht zu beob-
achtenden Zeitspanne der Bedeutungsinhalt wesentlich geändert. Das sind die höchst unsicheren Grundlagen, auf denen eine spr,achliche Untersuchung der genannten Bezeichnungen aufzubauen hat. Da sie ferner schon in einer Zeit gebildet wurden, in der die l,ateinische Spr,ache noch auf einer früheren Stufe ihrer Entwicklung stand und sich gerade in den fraglichen Jahrhunderten4 derartig wandelte, daß es selbst den Forschern des zweiten Jh.s v. Chr. bekanntermaßen bereits schwerfiels, schriftliche Denkmäler jener Zeit zu verstehen, lohnt es sich, vor Eintritt in die Einzelerörterung mit gebotener Kürze ,gewisse Grundzüge der Veränderungen vorzuführen, denen die Sprache damals ausgesetzt w,ar8 , und Beispiele aus anderen Vorstellungsbereichen anzuschließen, um die Bedeutung solcher Beobachtungen zu veranschaulichen. Bevor sich die sogenannte Anfangsbetonung gegen Ende des 5. Jh.s v. Chr. auszuwirken begann7 , wurden vortonige kurze Silben in der älteren Sprache so schwach ausgesprochen, daß sie meist .der Synkopierung zum Opfer fielen: Das aus dem Semitischen stammende griechische Wort XLlrov mit kurzer erster Silbe wurde in der lateinischen Sprache wegen der durch das Griechische vorgegebenen Betonung auf der letzten Silbe über *kitun-, *k(i)tun-ica, *ktunica zu tunica. Mit Einsetzen der Anfangsbetonung war ein solcher Vor,gang nicht mehr möglich; es traten hingegen im Lateinischen Veränderungen der Qualität in kurien Mittelsilben als sogenannte Vokalschwächungauf: Die frühen aus der griechischen Sprache übernommenen Lehnwörter IlUxuva, ayxovT), lQUlUVT) wurden unter Betonung auf der jeweils ersten Silbe zu machina, angina und trutina8 • Als seit Beginn des 3. Jh.s die Anfangsbetonung 3 Es seien nur zwei Beispiele genannt: Die varronische Etymologie für pontifex (Varro 1.1.5, 83 a ponte) ist bis heute durch keine bessere (LEW II, 337)
ersetzt, obwohl sie wenig glaubwürdig ist; ähnlich zweifelhaft ist die Verbindung des Festnamens Lupercalia mit dem Worte lupus (Serv. Aen. 8, 343: quod ... lupi a pecudibus arcerentur), das durch seine sabinische Lautgebung (p aus Labiovelar) nicht für ein altrömisches Fest paßt; vg1. Radke, Romanitas 11, 1972, 210 ff. Zu Proserpina vgl. Anm. 29. 4 Vgl. Devoto, Scritti min..II, 1967, 364: "illatino si e svolto piiJ. rapidamente ed e mutato piiJ. profondamente fra il 500 e il 350 a. C. che da! 350 a. C. a11950 d. C." ders., in: ANRW I 2, 1972,461: "Illatino dei re Taroquini e incomprensibile a Plauto." 5 Polyb. 3, 22, 3. 6 Vgl. Radke, Kl. Pauly II, 1967, 1569 ff. 7 Zu dieser Datierung vgl. Altheim, Gesch. d. lat. Sprache, 1951, 302. Radke, Klass. Sprachen u. Literaturen VI, 1971,97 f. 8 Vgl. Radke (0. Anm. 7), 97: "Die augenfälligste Folgeerscheinung der Anfangsbetonung ist die Synkopierung kurzer Mittelsilben; sie ist in Etrurien
Alte römische Rechtsbegriffe
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nicht mehr wirkteV, unterblieb ein derartiger Lautwandel, wie die jüngeren Lehnwörter calamus, cantharus, daedalus durch Bewahl"ung der Lautqualität der kurzen vorletzten Silben des griechischen Vorbildes zu erkennen geben, wohingegen sich erneut eine Neigung zur Synkopierung vortoniger Silben bemerkbar machte 10• Etwa gleichzeitig mit der Anfangsbetonung, jedoch unabhängig von ihr wurden in denaußerlateinischen Dialekten Italiens die Labiovelare labialisiert, d. h. sie verloren ihren gutturalen BestandteillI. Da dieser Lautvor.gang dem Lateinischen fremdgebliehen ist, zeigen Wörter, die Folgen dieser Entwicklung 'aufweisen, daß sie aus einem anderen Dialekt in den lateinischen Sprachschatz eingedrungen sind. Es handelt sich vorwiegend um Ausdrücke der bäuerlichen Umgebung Roms: Bos, lupus, bufo, popina, brutus12 •
Schließlich unterscheidet sich die lateinische Sprache von dem ihr benachbarten Sabinischen noch durch den sogenannten Rhotazismus, d. h. die ,gegen Ende des 4. Jh.s v. Chr. abgeschlossene 13 Umwandlung eines intervokalischen -s- über eine stark klingende Ausspr,ache zu -r-: Die Verbalform iouesat 14 auf dem Forumscippus entspricht späterem iurat; zu numasiop5 auf der Manios-Spange gehört jüngeres Numerius. wie in Umbrien, in Mittelitalien, in Karnpanien, bei den Samnitern, Lukanern und Bruttiern zu beobachten. Rom hingegen traf diese Erscheinung viel weniger intensiv: Die kurzen Mittelsilben blieben erhalten und büßten nur qualitativ an Lautvolumen ein, sie wurden geschwächt... v Radke (0. Anm. 7),98: "Ihre Wirkung hatte aufgehört, als man nicht mehr daran dachte, die Elephanten des Pyrrhos etwa *elephenti zu nennen oder den Namen !talia zu *Itilia zu verändern." 10 Vgl. Pomptina -oU_21 *poLudoukes, durch sogenannte reziproke Metathese24 *poduLoukes und durch anschließende Synkopierung der vottonigen kurzen zweiten Silbe, ebenfalls der ,griechischen Betonung verdankt, PodLouces26.Eine entsprechende 18
Vetter (0. Anm. 1), nr. 227.
Älteres Umbrisch kennt die aus dem Lateinischen bekannten Formen des Rhotazismus, wohingegen jüngere Beispiele auch Endrhotazismus aufweisen; vgl. cubrar matrer (Vetter, nr. 233) mit cupras matres (Ciotti, Atti deI primo convegno di studi umbri, 1963, 99 ff.). 18 Zum Rhotazismus in volskisch couehTiu und ferom vgl. Radke, RE IX A 791,793. 10 Vgl. De Simone, Die griech. Entlehnungen im Etruskischen I, 1968, 71 nr. 2 - 8. . 20 Im Epos wird die zweite Silbe als durch Position lang gemessen (Horn. II. 14, 266; Od. 11, 267 u. a.), wohingegen .sie iin Sprechvers der Tragödie als Kürze gilt (Soph. Trach. 156; Phü. 943.1411; Eur. HeracI. 93; Herc. 581 u. a.); ohne diese Kürze wäre die Synkopierung nicht vorstellbar. 11 Degrassi, ILLRp2.nr.1271 a: CastoreiPodlouqueique qurois. !I eIL 11 548; Poloces ebd. 549; Polluces b. Plaut. Bacch. 894. ta Zur Bedeutung des Ablautes eu >DU für das Gemeinitalische vgl. Altheim, Röm. Rel. Gesch. I, 1931, 76; Gesch. d. lat. Sprache 143; Radke, KI. Pauly 11, 1967,1570. !4 Zu dem Ausdruck "reziproke Metathese" vgI. Leumann, Lat. Laut-u. Formenlehre6, 1977, 232. Die Vertauschung von -ld- und -dl- wurde durch die Nachbarschaft des -u- gefördert, wie an italien. padule aus latein. paludem erkannt werden darf. !5 Radke, Glotta 42, 1964, 214 H. 17
Alte römische Rechtsbegriffe
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Synkopierung liegt bei etruskisch pulutuke, pultuce!8 mit Betonung der jeweils vorletzten Silbe vor, das jedoch nicht zu lateinischem PoHux hätte führen können 27 • -
Die Namen Proserpina 28 (mit kurzer erster Silbe; irrige Volksetymologie 29 oder dichterischer Deutungsversuch führte zu deren Länge innerhalb der meisten metrischen Zeugnisse) und Prosepna30 setzen - welchen Weg der Erklärung man auch gehen will31 - Synkopierung der vortonigen kurzen ersten Silbe von *persepona32 < IIEQoEIJEcpova mit paus rp (s. Anm. 32) und italischem Akzent entsprechend dem späteren Pänultimalgesetz persepona wurde; das führte bei Synkopierung der vortonigen kurzen ersten Silbe zu *prsepona >*porsepona und durch "Interversion" (vgl. Leumann [0. Anm. 24],101) zu *prosepona (bei Kürze der ersten drei Silben), unter "fernassimilatorischen Zuwachs" (M. Leumann, 233) zu *proserpona und nach Vokalschwächung durch Anfangsbetonung zu Proserpina. 29 Varro 1.1. 5, 68. Die falsche Etymologie aus pro-serpere dürfte den Namen der Proserpina vor Rhotazismus bewahrt haben (wie trotz Häufung von -rin perurere < *per-usese), da anlautendes -s- im zweiten Bestandteil eines Kompositums nicht betroffen war (vgl. prae-sul, pro-serere, *posino). 80 CIL I2 558. Aus *prosepona (s. o. Anm. 28) wurde durch Synkopierung unter Anfangsbetonung Prosepna. 31 Ob man vortonigesper- über pr- mit sonantischem r zu por- und durch Umstellung zu pro- werden läßt ("Interversion"; s. o. Anm. 28) oder den etruskischen Wechsel pru{)- zu epr{)- und pur{)- bzw. Porsenna und lt(>\,.ravL~ vergleicht, ändert wenig, da in beiden Fällen die Silbe vortonig ist. 32 Da man für die italische Betonung Beachtung der vorletzten Silbe voraussetzen darf, wird die Betonung von der vorletzten kurzen Silbe im Griechischen auf die drittletzte umgesprungen sein. Die griechische Aspirata rp wird auch iri sehr frühen italischen Denkmälern als p geschrieben; vgl. messapisch aprodita (5. Jhdt. v. Chr.; De Simone, in: H. Krahe, Die Sprache der Illyrier 11, 1964, nr. 19, 55), etrusk. puee für griech. clIiöxo~ (5. Jhdt. v. Chr.; De Simone, Die griech. Entlehnungen im Etruskischen I, 1968, 105), ireos (zu griech. 'Ü(>XT) in der Duenos-Inschrift und triumpe im Arvallied; später ist das die gewöhnliche Schreibung; vgl. Poeni, ca!x u. a. 33 Eur. Ion 1442. Es dürfte sich um eine literarische Entlehnung handeln, da der Kultname der Göttin in Griechenland vorwiegend Kore lautet, woneben auch Pherephatte in Kyzikos (Nilsson, Griech. Feste von religiöser Bedeutung, 1906, 359 f.), ein Pherephattion in Athen (Demosth. 54, 8. Hesych. s. v.) und clIE(>IJEcpaaIJU im attischen Drama (Aisch. Choeph. 490; Soph. Ant. 894; Eur. Or. 964; Aristoph. Thesm. 287) bezeugt sind, die nie zu Persepona hätte führen können. Lakonisches IIT)(>EcpOvELa (Hesych. s. v.) und [II]E(>LcpovuL in Lokroi (IG XIV 631) scheiden ebenso aus sprachlichen Gründen als Vorbilder für die Form Proserpina aus. UVetter (0. Anm. 1), nr.213: perseponas (pälignische Inschrift aus dem 1. Jhdt. v. Chr.). 28 27
Gerhard Radke logie33 - übernommen. wurde, war er in Rom der Wirkung der Anfangsbetonung ausgesetzt und erfuhr Vokalschwächung der kurzen Vokale in der vorletzten und drittletzten Silbe zu "'persipina31 ; allein diese Form ist die unumgängliche Vor,aussetzung für aus Rom entlehntes etruskisches epersipna _37. -
Der Name des Aesculapius setzt epidaurisches AtO'KAa1tL6~ voraus, wie es dort ausschließlich bis zur Mitte des 5. Jh.s v. ehr. bezeugt ist38, ehe es von 'A(J'KAU3tL6~ abgelöst wurde; die Römer müssen demnach den Gottesnamen zwei Jahrhunderte vor der offiziellen Übernahme des Kultes 30 gekannt haben.
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Auch für den Namen ApolIons gibt es alte Zeugnisse: Auf etruskischen Inschriften seit Beginn des 5. Jh.s v. ehr. wird er apulu geschrieben40 ; d.as ist eine Form, die auf lateinisches Apollo zurück,geht41, da nur in dieser Sprache auslautendes -n der n-Stämme im Nom. sg. unterdrückt wurde.
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Der Name des lateinischen Mamars (mit langem a in der ersten und kurzem a in der zweiten Silbe) ist in dieser Vokalisation durch eine in Satricum gefundene Inschrift41 für die Zeit der Wende vom 6. zum 5. Jh. v. ehr. bezeugt; damit hat die Annahmeu eine Bestäti,gung ,gefunden, daß er um ca. 400 v. ehr. noch in Rom Vokalschwächung zu Mamers erfahren haben muß, ehe Sabiner44 sowie oskisch sprechende Mamertiner45 und Kampaner41 ihn von den Römern übernahmen. Mamars ist durch Reduplikation47 entstanden, wie sie
35 Die etruskischen Wandmalereien mit den Namen epersipnai und
und gleichzeitig Wirkungen dessen zu nennen, was im Bereich des Rechts geschehen war und weiterhin geschah. 4. Es geht im wesentlichen um die progressive Herausbildung der Kategorie des ius gentium und um seine Rezeption im Rahmen des ius civile unter Mitwirkung des Prätors und vor allem des praetor peregrinus. Es handelt sich hier um ein Ereignis, das der modernen Geschichtsschreibung die zentralen Fragen der römischen Rechtsentwicklung gestellt hat im Zusammenhang mit Werten wie fides, aequitas, ratio naturalis u. ä., deren genetische Effizienz eine Einheit mit ihrer heuristischen Funktion bildet und die die Grundlage für den Aufbau einer autonomen scientia iuris darstellen!5. Um das Gesagte zu erläutern, könnte Cicero de off. 1, 7, 20 -14, 41 18 genügen. Wir wollen trotzdem eine - wenn auch auf an sich selbstgelehrt haben: a. a. O. 128). S. auch Giuffre, L'agire 'sua causa, non civium'. Osservazioni sulla volgarizzazione dell'epicureismo in Roma, Atti Acc. Pontaniana n. s. 21, 1973, 1 ff., 28 ff. und jüngst J. H. Nichols jr., Epicurean Polit!cal Philosophy. The de rerum natura of Lucretius, 1976, 101 ff. U s. dazu die Beiträge des Colloquium Tullianum 1976, das den Beziehungen zwischen Cicero und dem Recht gewidmet war: C!ceroniana n. s. III, 1978. Einige Hinweise in meiner Interpretazione giuridica di testi non giuridici usf. (Colloquio "Interpretazione e contesto", Macerata April 1979). 25 s. Z. B. von Lübtow, Das römische Volk, 490 ff., 495 ff., 544 ff., 568 ff. und, zu einem spezifischen Punkt, z. B. Stein, The development of the history of naturalis ratio, Daube noster, ed. by Watson, 1974,305 ff.
u 1, 7, 20 (C. ..) Sed iustitiae primum munus est, ut ne cui quis noceat, nisi lacessitus iniuria, deinde ut communibus pro communibus utatur, privatis ut suis.). 21 (Sunt autem privata nulla natura, sed aut vetere occupatione C...] aut victoria C. .. ) aut lege, pactione, condicione, sorte C. ..}. Ex quo, quia suum cuiusque fit eorum, quae natura fuerant communia, quod cuique optigit, id quisque teneat; e quo si quis «quid» sibi appetet, violabit ius humanae societatis.). 22 ([...) in hoc naturam debemus ducem sequi, communes utilitatem in medium adferre, mutatione officiorum, dando accipiendo, tum artibus, tum opera, tum facultatibus devincire hominum inter homines societatem. 23. Fundamentum autem iustitiae est fides, id est dictorum conventorumque constantia et veritas C... } Sed iniustitiae genera duo sunt, unum eorum, qui inferunt, alterum eorum, qui ab iis, quibus infertur, si possunt, non propulsant iniuriam C. ..}). 24 ([...) Maximam autem partem ad iniuriam faciendam aggrediuntur, ut adipiscantur ea, quae concupiverunt; in quo vitia latissime patet avaritia C.. .]). 8, 25 ([...) Nec vero rei familiaris amplificatio nemini nocens vituperanda est, sed fugienda semper iniuria est. 26. Maxime autem adducuntur plerique, ut eos iustitiae capiat oblivio, cum in imperiorum, honorum, gloriae cupiditatem inciderunt C.. .]). 9, 28 (Praetermittendae autem defensionis deserendique officii plures solent esse causae C.. .}).29 ([...] Qui altero genere iniustitiae vacant, in alterum incurrunt; deserunt enim vitae societatem, quia nihil conferunt in eam studii, nihil operae, nihil facultatum). 10, 31 (Sed incidunt saepe tempora, cum ea, quae maxime videntur digna esse iusto homine, eoque quem virum bonum dicimus, commutantur fiuntque contraria, ut reddere depositum, Cetiamne furioso?] facere promissum quaeque pertinent ad veritatem et ad fidem; ea migrare interdum et non servare fit iustum. Refern enim decet ad ea, .quae posui principio fundamenta iustitiae, primum ut ne cui noceatur, deinde ut communi utilitati serviatur C. .. ]. Potest enim accidere promissum aliquod et conventum, ut id elfici sit in-
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verständliche Hinweise begrenzte - Synthese versuchen. Das ius gentium, das allgemeine Recht der Peregrinen, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen all denen ,geregelt wurden, die sich nicht des ius proprium civium Romanorum bedienen durften, ist27 gleichzeitig Teil desjenigen ius civile, das aus der progressiven Befreiung vom quiritarischen Formalismus und aus den neuen, aufgeschlosseneren Anschauungen entstanden war, die sich infolge der politischen Expansion und der Eroberung des Mittelmeers verbreitet hatten 28 • Cicero sagt: "Die Ahnen trennten das ius gentium vom zivilen Recht; das zivile Recht ist nicht ohne weiteres mit dem ius gentium identisch, das ius gentium dagegen muß auch in das zivile Recht eingehen"z9. Und sofort danach preist er den Wert der Formeln 'uti nepropter te fidemve tuam captus fraudatusve sim' sowie tut inter bonos bene agier oportet et sine fraudatione' und ruft den pontifex maximus und Konsul vom Jahre 95, Quintus Mucius Scaevola, in Erinnerung, für den "alle diejenig€n Schiedsverfahren höchsten Wert hatten, bei denen der Spruch ex fide bona vorkommt und der die weitestmögliche Deutung der Worte 'bona fides' befürwortete, die in Fällen von Vormundschaft, Gesellschaft, fiducia, Auftrag, Kauf, Miete, d. h. in Situationen quibus vitae societas contineretur vorkommen und gegenüber denen er behauptete, es sei Aufgabe jedes großen Richters festzustellen, was der eine dem anderen schuldet30• Das Instrument für diese und viele andere neue normative Fassungen ist das Amtsrecht: und auch hier genügt es, den Gebrauch der exceptio in Erinnerung zu rufen, den Schutz, der durch actio gewissen Situationen gewährt wird, die sonst durch das ius civile ungeschützt utile vel ei, cui promissum sit, vel ei, qui promiserit). 32 (Iam illis promissis standum non esse quis non videt, quae coactus quis metu, quae deceptus dolo promiserit? Quae quidem pleraque iure praetorio liberantur, nonnulla legibus.) 33. (Existunt etiam saepe iniuriae calumnia quadam et nimis callida, [sed malitiosa] iuris interpretatione. Ex quo illud 'summum ius .summa iniuria' factum est iam tritum sermone proverbium. Quo in genere etiam in re publica multa peccantur C•• •]). 11, 34 (Sunt autem quaedam officia etiam adversus eos servanda, a quibus iniuriam acceperis [...]. Atque in re publica maxime conservanda sunt iura belli [...]). 13, 41 (Meminerimus autem etiam adversus infimos iustitiam esse servandam. Est autem infima condicio et fortuna servorum, quibus non male praecipiunt, qui ita iubent uti, ut mercennariis, operam exigendam, iusta praebenda [...]. 27 Vgl. Riccobono, Lineamenti di storia delle fonti edel diritto romano, 1949,22 ff.
28 Dazu s. nun die exzellente Synthese von Nicolet, Rome et la conquete du monde mMiterraneen, 1. Les structures de l'ItaHe romaine, 1979; Id. etalii, 2. Genese d'un empire, 1978. Z9 De off. 3, 17, 69: [...] Maiores aliud ius gentium, aliud ius civile esse voluerunt, quod civile, non ideo continuo gentium, quod autem gentium, idem civile esse debet [... ]. ao De off. 3, 17, 70. über die fides s. zuletzt Waldstein, Entscheidungsgrundlagen der klassischen römischen Juristen, ANRW II 15, 1976,68 ff., mit neuer Bibliographie.
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geblieben wären, z. B. die Anerkennung der Erbrechte mancher Personen, die zivilrechtlich ausgeschlossen gewesen wären, usw. Dies alles trägt dazu bei, die bloße Form zugunsten der Billigkeit zu überwinden und eine unterschiedliche Rechtslogik aktuell zu machen, die die bona fides nicht nur als Treueverhältnis einer Person gegenüber einer anderen ansieht, sondern sie als diejenige Handlungsloyalität auffaßt, die jeder Partei eine Kooperationspflicht im Interesse der anderen auferlegt und also anstandslos auch eine Haftung wegen bloßen Unterlassens ermöglichtSI. 5. Wie man sieht, ereignete sich ein so enormer UmschwungSZ , daß man z. B. nicht ohne Grund behaupten konnte, die Anerkennung des konsensualen Kaufvertrages anstelle des vorherigen, durch die mancipatio vollzogenen realen Kaufs habe revolutionäre Bedeutung gehabt. Und tatsächlich wird nun der Austausch der Sache gegen den Preis ohne weitere Formalitäten möglich, nur aufgrund des übereinkommens über Sache und Preis, woraus die gegenseitigen Verpflichtungen entspringen, einerseits des Verkäufers, die Sache zu übergeben und die ungestörte Verfügung darüber zu garantieren, andererseits des Käufers, den Preis zu bezahlen: ein genialer Mechanismus, wie man bemerkt hat, der auch den Verkauf fremder Sachens3, den Verkauf auf Kredit, den Verkauf zukünftiger Sachen, den Verkauf von Sachen in der Ferne ermöglicht hat. Oder man denke an das Beispiel- das man auch anzuführen pflegt - der Regelung der societas, die nach Quintus Mucius' Meinung erfordert hätte, die Beteiligung am Gesellschaftsgewinn an der ursprünglichen Gesellschaftseinlage jedes Teilhabers zu messen, während nach Servius Sulpiciuss4 der Teilnehmer nur am Gewinn und 31 Wie Betti, Istituzioni di diritto romano 11 1, 1960, 397, besonders verdeutlicht hat. n Eine grundlegende Etappe stellt die Legalisierung des··Formularprozesses durch die lex Aebutia in dem früheren Bereich des Verfahrens per legis actiones dar. Dadurch wurden die Feierlichkeit der Erklärungen und der numerus clauS'Us der actiones mittels formulae ersetzt: d. h. mittels Streitprogrammen, die unter den Beteiligten nach Modellen vereinbart wurden, die die Forderungen der Parteien und. die Aufgabe des Richters festhielten. Der Praetor, indem er solche Formeln im eigenen Edikt vorschlug, räumte Situationen Rechtsschutz ein, die vorher nicht berücksichtigt wurden, und vervollkommnete damit die eigene Sicherung einer konkreten Gerechtigkeit. 33 Ich folge hier der Synthese von Riccobono, der in Erinnerung rief (Lineamenti, 24 ff.), daß solch eine Disziplin Napoleon absurd schien. Als Konsequenz wurde vom Artikel 1599 code civil - und in seinem Schatten vom Art. 1459 it. cod. civ. 1865 - die Nichtigkeit dieses Verkaufstyps sanktioniert. Die Gültigkeit ist erneut eingeführt dagegen. erst vom Art. 1478 it. cod. civ. 1942. Für die damit verbundenen Probleme, vgl. Betti, Teoria generale deI negozio giuridico2, 1955, 216 f.; Di Majo Giaquinto, L'esecuzione deI contratto, 1967, 268 f., 318 ff. (mit Anm. 179). . _ M In Zusammenhang hat man gemeint - mit der Frage, die Gegenstand der Rede pro Roscio comoedo ist.
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nicht am Verlust hätte beteiligt werden sollen. Jetzt konnte man sich im unterschiedlichen Maße an den Gewinnen und an den Gesellschaftsbeiträgen beteiligen35 • Eine solche Lösung, betont Riccobono, "list als die größte Errungenschaft der Jurispru:denz aller Zeiten gewertet worden, nach der das Talent, die Technik, die individuelle Fähigkeit von nun an höher als die materiellen Güter eingestuft worden sind, so daß sie in Verbindung mit dem Kapital der gewerblichen und kommerziellen Entwicklung, aLso der Bildung von Reichtum, neuen und bemerkenswerten Impuls geben konnten "". Man könnte übrigens noch mehr Beispiele zitieren. Es ist nämlich die Zeit, in der neue Rechtsinstitutionen - und nicht die unwichtigsten - gebildet werden, um auf die Forderungen der wirtschaftlichen Expansion und all das eine Antwort zu geben, was man "den mächtigen individualistischen Schub, der in dieser Epoche die gesamte römische Gesellschaft beseelt", genannt hat. In diese Gruppe fallen z. B. das dominium, ,,.eine Schöpfung der republikanischen Jurisprudenz, dazu gedacht, eine besondere Ordnung der Güter auszudrücken, die von den typischen Banden und Abhängigkeiten einer archaischen Gesellschaft" gelöst ist37 ; oder der Nießbrauch, der aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Bedürfnis entstanden ist, der von der El'Ibfolge ausgeschlossenen Witwe den Genuß der Güter weiter zu gewähren, den sie während der Ehe hatte 38 ; und außerdem die actio de dolo, die Zusage des Edikts, die weder gesetzes- noch sittenwidrigen pacta conventa zu schützen, die übertragbarkeit der actio mandati, die actiones exercitoTia und institoria, die dem zivilistischen Verbot der direkten Stellvertretung entgeg.entraten. Die Krise erfaßt also "die grundlegenden Institutionen des quiritischen Rechts, die von den Abhilfen des Prätors überholt worden waren, deren Anwendung infolge der Auflösung der agnatischen Gesellschaft, der neuen sozialen und kommerziellen Bedingungen und im allgemeinen der gewaltigen Entwicklung aller Lebensbereiche erforderlich geworden war"SD. 6. Diese von Grund auf vollzogene Neubetrachtung des Rechtes nimmt einen systematischen Charakter an. Und gerade dieses Phäno~ 35 Gai Inst. 3, 149; lust. Inst. 3, 25, 2; D. 17, 2, 29, l. 36 Lineamenti, 25 f. Für die Rechtsfrage z. B. Watson, The Law of Obliga-' tions, .137 ff.; Horak, Rationes decidendi. Entscheidungsbegründungen bei den älteren römischen Juristen bis Labeo I., 1969, 158 ff. 37 F. de Visscher, laudes de droit romain public et prive. I serie, 1962, 222. S. auch Capogrossi Colognesi, La struttura della proprieta e la formazione dei 'iura praediorum' nell'eta repubblicana 11, 1976,551 ff., 567. 38 Hinweise bei meiner Funzione alimentare dell'usufruttö e problemi connessi in diritto romano, Studi D. Pettiti = APer. n. s. 1, 1973, 457. 3D Riccobono, Lineamenti, 33. Ober das Problem der actio mandati s. z. B. Betti, La struttura dell'obbligazione romana e il problema della sua genesi2 , 1919, 1955, 61.
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men möchten wir hier untersuchen. In der Tat, in einer Epoche großer Unsicherheit und grundlegender Zweifel, wie sie die Krise der Republik darstellt - Zeugnis dafür können die Betrachtungen des Bürgerkrieges als Ursache der Erschütterung der Gesellschaft, der Familie, der ethischen Werte, der Sicherheit der Situationen bieten40 - hätte die gleichzeitige Auflösung des für das ältere Recht charakteristischen Formalismus das Signal der Unumkehrbarkeit bedeuten können. Hingegen werden Formfreiheit, Anerkennung der wesentlichen Bedeutung der voluntas, nova interpretatio 41 , die dem Willen mehr Gewicht als den verba, der Billigkeit mehr Gewicht als dem strikten Recht einräumt, Einfluß von griechischen Lehren oder von Ideologien, die den herkömmlichen Anschauungen über Mensch, Gesellschaft und Staat völlig fremd erscheinen, sehr streng kontrolliert, eingedämmt, gefiltert und in vitale Gärung umgesetzt. Ein Beispiel, das dazu dienen kann, die Risiken des Konflikts zwischen Altem und Neuem zu verdeutlichen, ist das des Prätors des Jahres 89 v. ehr., Sempronius Asellio. Gläubiger hatten vor, Zinsen einzuziehen, trotz einer alten Norm, die die Vereinbarung von Zinsen verbot und für den Fall des Verstoßes mit Sanktionen drohte. Diesen Gläubigern und den Schuldnern, die mit Bezug auf die Norm die Bezahlung aufschoben, hatte er, sagt Appian4Z , .g estattet, "gegenseitig im Streit die Gerichte zu bemühen und somit auf die Richter die Bürde zu legen, die Zweifel aus dem Gegensatz zwischen Gesetz und Gewohnheit zu lösen". Die Gläubiger töteten ihn4'. Ein Mord, nicht einmal ein politischer, konnte offensichtlich nicht das Rechtsproblem lösen. Und doch sind Gewaltphänomene und die Aversion gegen das Neue derart charakteristisch für die Epoche, daß man sie als normale Oppositionsmethoden ansehen muß - auch wenn sie in der Substanz eher ein System wiederzuspiegeln scheinen, das dazu dient, die Veränderungen aufzuschieben, da die reellen Bedürfnisse, die den Problemen zu Grunde liegen, nicht erfaßt werden. Es scheint mir jedenfalls, daß aus einer Gesamtbetrachtung ein Schluß gezogen werden darf: Sowohl von der Gewalt als auch von der Spannung zwischen Altem und Neuem hat man einen dialektischen Gebrauch gemacht, der der Erfahrung entnommen und von gewissen Werten oder Grundprinzipien geleitet war, die wohl den Zeiten angepaßt waren, aber deren Kraft nicht so sehr aus der Tradition als solcher, sondern s. schon Betti, La restaurazione sullana e il suo esito, 1915, 98 f.; vgl. La guerre civile cl Rome, 1963,z. B. 360 ff. 41 Vgl. Riccobono, Corso di diritto romano II, 1933 - 34, 321 ff. 42 B. civ. 1, 54, 232 - 239. 4S Dazu die Hinweise in meinen Studi sul quasi-usufrutto romano I. Problemi di datazione, 1977,213. 40
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aus der tiefen überzeugung ihrer dauerhaften Notwendigkeit kam44 • Man betrachte z. B. das zensorische Edikt aus dem Jahre 92 v. Chr. über die Belehrung der lateinischen Rhetoren: 'haec nova, quae praeter
consuetudinem ac m01·em maiorum fiunt, neque placent neque recta videntur'45. Schulz nimmt es als Beispiel einer allgemeinen Grundhaltung
gegenüber der Tradition, die er in der Rede des Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr. bestätigt sieht48 • Aber dieses Urteil scheint damit zusammenzuhängen, daß SchuZz in diesem Falle mehr auf die Form als auf die Substanz geachtet hat47 • Man sollte ihm wegen größerer Konkretheit eine Bemerkung De Martinos vorziehen. Danach "bejahte man herkömmliche Ideen und Grundsätze weiterhin wohl als lebendig und richtungsweisend"; aber "in Wirklichkeit waren die alten Ideale verbraucht; die Sklavenhaltergesellschaft, deren Chrakteristiken Imperialismus, Großgrundbesitz und Reichtumskonzentration waren, konnte sich nicht zu den althergebrachten Idealen bekennen, die darum einen sehr schwachen Widerhall im zeitgenössischen Bewußtsein fanden"". Und doch rufen Gewalt, Korruption USW. 49 Reaktionen hervor, die wesentlich mehr als bloß eine Gelegenheitstherapie die spezifischen 44 Ähnliche überlegungen sind in den klärenden Bemerkungen von Lü.btows, Blüte und Verfall, 33 ff., angestellt worden. 45 Les lois des Romains, 345. Vgl. neuerdings Manjredini, L'editto 'de coer-
cendis rhetoribus latinis' deI 92 a. C., SD 42, 1976, 99 ff. 48 Tac. ann. 14,43. 47 Vgl. I principü, 74 f. In der Tat ist das gesamte Kapitel von Schulz über die Tradition reich an Mißverständnissen: Von der Übernahme, auch wenn da und da nuancierter, der Auffassung Savignys der Juristen als "fungibler Personen" (93; vgl. meine Bemerkungen in Recenti pubblicazioni e discussioni sulla metodologia dei giuristi romani, in AMac. n. s. 2, 1968, § 1, denen z. B. Carcaterra, Dialettica e giurisprudenza, SD 38, 1972, 313, bei": pflichtet; im gleichen Sinne auch PugZiese, Brevi considerazioni su un recente indirizzo della storiografia romanistica, FS Wieacker, 1978, 145 ff., 152), bis zur überbewertung der zivilistischen Überreste gegenüber der vom ius honoraTium dargestellten wesentlichen Neuerungen (z. B. S.85) oder zur überraschenden Behauptung, die er durch den Konservatismus und Traditionalismus rechtfertigt (86), daß der römischen Rechtslehre wesentliche Aspekte, wie Rechtskritik und -politik fehlten, und daß in einer sonst so entwickelten Rechtswissenschaft wie der römischen "ein totaler Mangel an historischer Betrachtung" festzustellen sei (89): usw. Ich werde mich jedoch hier beschränken zunächst auf Nörr, Zum Traditionalismus der römischen Juristen, FS Flume, 1978, 153 ff.; ders., Rechtskritik in der römischen Antike. Bayer. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl., Abh., N. F. 77, 1974 (vgl. ders., Aspetti della critica deI diritto nel mondo romano, in APer. n. s. 2, 1974, 579 ff.) hinzuweisen; s. aber auch Maschi, Diritto europeo, 8 Anm.13. Was die Haltung des Cassius Longinus angeht (darüber z. B. D'IppoZito, Ideologia e diritto in Gaio Cassio Longino, 1969, 41 ff.), so scheint sie Symptom eines anderen Daseins der Rechtwissenschaft in einem sich gewandeltem historischem Zusammenhang zu sein: sie darf also nicht auf ein einziges Muster reduziert werden. 48 Storia della costituzione romana III!, 1973,6 und 9. 4D So z. B. Kelly, Roman Litigation, 1966 mit meiner Besprechung in Lato-
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Leiden der Zeit darstellen. Ich werde mich darauf beschränken müssen, Dinge aufzuzählen, die ein positives Bild dieser Gesellschaft in der Krise skizzieren und gewissermaßen Behauptungen bestätigen können, die man bereits aufgestellt hat. 7. Man hat z. B. daIlauf aufmerksam gemacht, daß nur, wenn dem civis die Chance verwehrt wird, an der Führung des Staates teilzuhaben, ihm die individuelle Freiheit zuerkannt wird50• Genauer: erst das damals aufkommende Bewußtsein der typischen Freiheitsrechte gestattete gerade im Verlauf der Krise der Republik ihre tiefgreifende Theoretisierung. In diesem Sinne drückt die Schrift de officiis von Cicero, wenn auch als "Verhaltenskodex für die von Cäsars Tyrannei befreite Aristokratie" (Momigliano), eine genaue Kongruenz zwischen Erfahrung der Vergangenheit und der Gegenwart sowie dem Bewußtsein gewisser Strukturen - nämlich der Freiheitsrechte - als notwendig aus, um das Ende des Staates zu vermeidenil. Man denke ferner an die spezifische Rechtsetzung gegen die Gewalt im I. Jahrhundert v. Chr.52, von der oktavianischen Formel gegen vis und metus bis zur lex Plautia de vi, die die entsprechende quaestio einführt, oder an das Edikt des Lucullus über das iudicium de damno vi hominibus armatis coactisve dato, das interdictum de vi armata, die lex Pompeia de vi aus dem Jahre 52, endlich die julische Gesetzgebung des Jahres 17 v. Chr. de vi publica et privata. Es besteht kein Zweifel, daß in alledem das Ideal des sozialen Friedens und der öffentlichen Ordnung auftaucht, und zwar als Wert, der spezifisch und sogar um den Preis der Verschärfung schön festgesetzter Sanktionen zu wahren ist5!. Das wendet sich entschieden - wie gesagt worden ist - ,gegen den vorher bestehenden und gesicherten Wert der vis-Gewalt als etwas Nichtrechtswidriges·" als etwas durchaus potentiell Rechtskonformes, ohne das das mus 25, 1966, 624 ff., vgl. Nocera, Reddere ius. Saggio di una storia dell'amministrazione della giustizia in Roma, 1976, 21 ff.; Venturini, Studi sul 'crimen repetundarum' nell' eta repubblicana, 1979, 363 ff. so Hinweise in Crifo, Su alcuni aspetti della liberta in Roma, Archivio giuridico 154, 1958, 26; vgl. Cl. Nicolet, Le metier de citoyen dans la Rome republicaine, 1976, 527 f. 51 Vgl. Chr. Meier, Res publica amissa. Eine Studie zur Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik, 1966 (mit meinen Bemerkungen dazu in Iura 18, 1967, 237 ff.); meine Staatliche Ordnung und Freiheit in SZ 92, 1975, 256 (zu Bleicken). S. auch die feine Analyse von Michel, Philosophie greque et libertes individuelles dans le de officüs de Ciceron in La filosofia greca I, 83 ff., die dazu beigetragen hat, den Rechtswert einiger wesentlicher Ausdrücke der Freiheit hervorzuheben. 52 Zum Folgenden s. besonders Lintott, Violencein Republican Rome, 1968, z. B. 22 ff.; Brunt, ItaIian Manpower 225 B. C. - A. D. 14, 1971, 285 ff., 551 ff.; Labruna, Vim fieri veto. Alle radici di un'ideologia, 1972. 53 Wie im Falle des Ediktes des Lucullus und der lex Pompeja de vi (s. die Hinweise in Labruna [0. Anm. 52], 18 ff., 23 f.).
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R€cht nicht einmal entstehen kann55• übrigens ist es gerade dieser letzte Wert, der z. B. die optimatische Theoretisierung der hostis-Erklärung und im allgemeinen des Staatsnotstandes in Form d€s senatusconsultum ultimum gestaltet: Die öffentliche Sanktion ist auch Gewalt, aber gerechte GewaW6 • Selbstverständlich ist es einfach für die herrschende Partei vorherzubestimmen oder ex post zu legitimieren, wer als hostis anzusehen oder nicht anzusehen sei: aber das gehört zu den realen Gegebenheiten, mit denen man sich auseinandersetzen muß. Und es ist jeweils die Dialektik der Zeit, die manchmal den Mißbrauch und manchmal die Durchsetzung des Rechtes gestattet, wie z. B. die Geschichte des senatusconsultum ultimum57 oder, im letzten Jahrhundert der Republik, der provocatio ad popuLum deutlich zeigt, als z. B. die Lex Antonia de provocatione aus dem Jahre 44 v. ehr. ihre Anwendbarkeit auch auf Urteile der quaestiones perpetuae de vi und de maiestate ausdehnt58• Man kann hier das Auftauchen eines weiteren Wert€s aufspüren, nämlich den des Lebens, auf das man auch bei Vorhandensein der Kapitalstrafe aus tiefer überzeugung immer Rücksicht genommen hat58 • Es geht um das Recht auf physische Existenz, das schon im Prinzip des XII-Tafelgesetzes veranlrert war, wonach niemand ohne vorangehende Verurteilung getötet werden durfte. Es schlägt sich in der institutionalisierten Empfindung nieder, wonach die Entscheidung über das Leben eines civis eine nur dem Volk zustehende Hoheitshandlung war. Als solche war sie ,gewissen Ausführungsprinzipi€n unterworfen wie z. B. der Garantie einer öffentlichen Kontrolle über die gesamte Entwicklung des Verfahrens60 , der Sicherung der Information des Beschuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten über den Anschuldigungs54 So dagegen Krüger und Mommsen; vgl. E. Betti, La 'vindicatio' romana primitiva e il suo svolgimento storico nel diritto privato e nel processo, Filang. 1915, 4 Anm. 1 des Sonderdrucks. 55 So Betti ebd., mit Verweis auf Kleineidam und Exner einerseits, auf Croce und Sorel andererseits. über die Zustimmung De Franciscis siehe zuletzt Labruna (0. Anm. 52), 8 Anm. 21. 56 Man denke nur an Maximen wie 'hostis semper iure caesus videtur' oder 'vim vi repellere lieet' und im allg. an die Geschichte des Selbstschutzes und der Selbsthilfe. 57 Vgl. von Lübtow, Die römische Diktatur; meine Bemerkungen in tema di 'senatusconsuItum ultimum', SD 36, 1970, 420 ff. und zuletzt Chr. Meier, Der Ernstfall im alten Rom, Sd. aus Der Ernstfall II (Schriften d. Carl Friedrich-Siemens-Stiftg. hrgg. von Peisl u. Mohler), 1979,40 ff., 50 ff. 58 s. z. B. Crifo, Alcune osservazione in tema di 'provocatio ad populum', SD 29, 1963, 291 f. 59 Vgl. von Lübtow, Das römische Volk, 252 ff. Ein bloßer Hinweis wird hier genügen im Hinblick auf das ius exilii. Dazu verweise ich auf meine Richerche I, 1961. 60 Cie. in Verr. 2, V, 11,27, pro reg. Deiot. 2, 5.
5 Festgabe für U. v. Lübtow
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grund und der Möglichkeit der persönlichen VerteidigungGt, endlich dem Beistand eines Verteidigers seiner Wahl'2. Hinzu kommen Aspekte wie die ökonomische Difierenzierung, das Allgemeinwerden der Verschuldung, die Konzentration des Kapitals. Und in bezug darauf verdichten sich als reale Gegebenheiten die Werte, an denen sich die von Sallust und Cäsar angeregten Reformen orientieren und mit denen auch Cicero grundsätzlich einverstanden ist13 • In diesem ideellen Zusammenhang darf z. B. behauptet werden, daß sich die lex Iulia de cessione bonorum, indem sie Personalexekution und infamia abschafft, implizit auf den Wert der persönlichen Freiheit bezieht, die somit verstärkt gesichert wird. Nicht weniger reLevant ist ferner die Tatsache, daß sich eine Rückkehr zum alten schon im XII-Tafelgesetz widerspiegelten Prinzip der Gleichheit abzeichnet. Es gewinnt gerade in Zeiten der Revolution" und der Gewalt neue Substanz, wenn auch in oden moderneren Formen einer auf oder Einheit der Rechtsordnung und der civitas basierenden Ideologie. Ein solcher Gleichheitswert findet seinen offensichtlichen Ausdruck im Recht. Ist einerseits die gesamte Livius-Darstellung der Geschichte Roms die einer societas aequa, so nimmt doch besonders Cicero diesen traditionellen Wert wieder auf, wenn er von der par condicio civium als dem wesentlichen Charakter der als societas iuris verstandene civitasll spricht. Und genauso belebt er die Norm aus dem XII-Tafelgesetz über das Verbot von privilegia8'. Die Gleichheit erscheint übrigens neben der Förderung der Rechtssicherheit als der Hauptbeweggrund der Rechtsetzung17• Was diesen anderen Grundsatz und Wert angeht, so wird er mit diesem Mittel nicht realisiert, wenn wir Tacitus' Urteil in Erinnerung rufen dürfen88 und berücksichtigen, Cic. de dom. 29, 77, 33, 88; Phil. 2, 23, 56. Vgl. Costa, Cicerone giureconsulto HI, 1927, 77 f.; s. auch Gioffredi, I principi deI diritto penale romano, 1970 (dazu meine Besprechung in Lab. 19, 1973, 365 ff., 369 11.). 8. Studi sul quasi-usufrutto I, 108. 84 Zum Revolutionsbegriff s. die zahlreichen Hinweise in meiner oben (Anm. 16) zitierten Arbeit, 209 und Anm. 256. Außerdem nun Tornow, Der Revolutionsbegriff und die späte römische Republik. Eine Studie zur deutschen Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert, 1978. 65 Dazu möchte ich auf meinen sich im Druck befindlichen Beitrag über die Beziehungen zwischen Gleichheit und Freiheit in Rom verweisen. S. auch von Lübtow, Das römische Volk 88 ff., 95, 165, 177 f., 181, 201 f. 88 Dazu zuletzt Bleicken, Lex publica. Gesetz und Recht in der römischen Republik, 1975, 198. 17 Vgl. Cic. de off. 2, 12,42: Ius enim semper est quesitum aequabile; neque aliter esset ius C•• •} leges sunt inventae, quae cum omnibus semper una atque eadem voce loquerentur. Vgl. Bleicken ebd. 407. '8 Tac. anno 1.22 (invalido legum auxilio); vgl. auch 3.27 (corTUptissima re publica plurimae leges); von Lübtow, Das römische Volk, 536 f. 81
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daß bereits Pompejus und dann jedenfalls Cäsar der grundsätzlichen Unkontrollierbarkeit der Kenntnisnahme von und der Aufbewahrung der Rechtsproduktion dadurch entgegenzuwirken beachsichtigten, daß sie überlegten "ius civile ad certum modum redigere atque e immensa diffusaque legum copia optima quaequae et necessaria in paucissimos conferre libros"80. Diese Vorhaben wurden nie in Realität umgesetzt, aber sie verraten einerseits die effektive Wahrnehmung der Rechtssicherheitsbedürfnisse, andererseits eine Haltung, die sich grundsätzlich von der des Quintus Mucius unterscheidet, der darauf bedacht war, die Funktionalität einer auf der Gewohnheit basierenden Rechtsfindung wieder zu beleben, deren Grundlagen mos und instituta maiorum und noch mehr die Wiederaufwertung des Vorranges der mores und ihrer Gültigkeit als Orientierungsregel der Gegenwart darstellten7o• Auch in diesem Falle sollte man das dialektische Verhältnis einerseits zwischen dem Bestehen des Problems einschließlich des sich darin ausdrückenden wesentlichen Wertes sowie andererseits der Angemessenheit der technischen und politischen Instrumente für seine Lösung wahrnehmen. Die imposante Art der Rechtsfindung, die bis jetzt durch die magistratische iurisdictio stattgefunden hatte71 , erfährt nun ihre deutlichste Fortsetzung hauptsächlich durch jenes technisch ausgestattete Organ, das von der Jurisprudenz dargestellt wird: Ihr ist in erster Linie Wertung und Sicherung des geltenden Rechts anvertraut, das Prätoren und Richter - die keine Juristen sind - jeweils in ihren Edikten setzen oder in ihren Entscheidungen anwenden. Es ist auch kein Zufall, daß die Juristen in diesem Zeitraum glänzender Rechtsentwicklung der politischen Tätigkeit nicht mehr jene persönliche Beteiligung zukommen ließen, die bis dahin charakteristisch für die Funktion der Jurisprudenz gewesen war72 • Das bedeutet keine Ablehnung des Politischen und keine Flucht in das Private (wie übrigens wohl in einem anderen Bereich die Ideologien des otium cum libertate und des otium cum dignitate zeigen)1a, sondern ein Bewußtwerden, daß sozial gültige Antworten auf die politischen Fragen der Zeit nur auf dem Wege des 61 Suet. divus Iulius 44,2. Vgl. Polay, Der Kodiftzierungsplan des Julius Caesar, Iura 16, 1965, 27 ff.; Der Kodiftzierungsplan des Pompejus, Acta Ant. Hung. 13, 1965, 85 ff. 70 Schiavone, Nascita della giurisprudenza, 1976,154. 71 Vgl. die klassische Studie Bettis, La creazione deI diritto nella 'iurisdictio' deI pretore romano, Studi Chiovenda, 1927, 67 ff.; über Prätor und Rechtswissenschaft als "gestaltende Kräfte des Rechts" s. von Lübtow, Das römische Volk, 530 ff. 72 Statt aller s. Schulz, Storia, pass.; 83, zum Verzicht auf politische Tätigkeit (Man darf in Erinnerung rufen, daß zwischen 95 v. Chr. und 39 v. Chr. nur einmal, im Jahre 51, ein Konsul zu finden ist, der gleichzeitig Jurist war). 73 Vgl. meine Osservazioni sull'ideologia politica di Cicerone, in Bull. 62, 1959, 271 ff.
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Rechtes möglich sind und daß das gleichfalls politische Problem der Rechtssicherheit nur mit Wissenschaftlichkeit und mit Hilfe eines Prestiges gelöst werden kann, das groß genug ist, um die Entschuldigung der ignorantia iuris zuzulassen, nämlich da, wo die Hilfe eines Juristen fehlte 74 • Man könnte hierin gleichsam eine Anwendung dessen sehen, was Seneca später bezüglich der Notwendigkeit einer Führung und eines Magisteriums formulieren wird75 • Eine solche Einschätzung der Jurisprudenz kann gut mit den nicht oft wiedergegebenen Worten verdeutlicht werden, die Puchta für die römische Rechtswissenschaft benutzt hat 78 , als er schrieb, daß "die natürliche Neigung der Römer für die Jurisprudenz durch den Zustand der res publica unterstützt worden ist" und daß "die Rechtswissenschaft zu einem Grad der Perfektion gesteigert worden ist, weswegen die Römer zum Meister aller Zeiten auserwählt sind". Die von mir skizzierte Analyse bestätigt dieses Urteil. Der zugespitzten Empfindsamkeit, die wir den Umständen unserer Epoche verdanken, leuchtet immer deutlicher ein, daß diejenigen Rechtswerte, die nach Meinung so vieler Gelehrter erst in der Moderne theoretisiert und wirksam gemacht worden wären, ihre Theoretisierung und Verwirklichung schon Rom und nicht dem Zufall, sondern den im Rahmen der durch die Krise der Republik ausgelösten Umwälzungen verdanken77 •
74 Vgl. Labeo (Pal. 304 in Paul. D.22, 6, 9, 3): Sed iuris ignorantiam non prodesse Labeo ita accipiendum existimat, si iuris consulti copiam haberet vel sua prudentia instructus sit, ut, cui facHe sit seire, ei detrimento sit iuris ignorantia: quod raro accipiendum est. Vgl. Zilletti, La dottrina den'errore nella storia deI diritto romano, 1961, 183 ff., 271 f. 75 Ep. LU, 2 (oportet manum aliquis porrigat, aliquis educat). 78 Cursus der Institutionen, § 96. Ich zitiere hier aus der ital. übers. von Turchiarulo, 1854, 128 ff. Vgl. schon Vico, Scienza nuova seconda4 , Hrsg. Nicolini, 1953, 486. 77 Nach Auffassung Canalis, Il 'manifesto' deI regime augusteo, in L. Canali (a cura di), Potere e consenso nella Roma di Augusto. Guida storica e critica, 1975, 245, wird die Gewalt in der Zeit des Prinzipats System. - Für die übersetzung und sprachlichen Verbesserungen danke ich Dr. S.-A. Fusco und Frau Dr. K. Herrmann-Fiore.
Motivi economici nelle lotte dei populares Di Francesco De Martino Mentre gli studi di storia sociale ed ,eeonomiea pur l'etä della repubblioa permettono oggi di ,avere un'idea piu chiara delle vieende di quel periodo, si viene sviluppando una tendenza storiografiea, ehe ,aecentua ,gli aspetti puramenti politici ed estrinseci della erisi della repubblica e addirittul'ta fornisce una spiegazione di questa eome dovuta ad una semplice lotta di fazioni se non di grandi personalitä. La stessa suggestiv,a ed af:llascinante interpretazione deI Mommsen, ehe 10 indusse a parlare di una rivoluzione, viJene eontrastata non soltanto nel rifiuto giusto di quella sorta ,di modernizzazione, ehe eonsisteva nel r1durre La eontrapposizione negli sehemi politici deI seeolo XIX, maanehe nella sostanza piu tipieamente romana, fino a eonfigurere gli urti ed il eonflitto di fondo tra ottimati e popolari eome alimentati da pure riVialitä tr,a nobili, una parte dei quali si servivano delle masse plebee eome strumento per la loro sete di dominazione. Per dare soltanto un esempio di tale sottovaLutazione dei problemi eeonomieo soeiali basta rilev,are eome uno dei piu attenti ed aeuti studiosi delle vieende della tal'tda repubbliea, Christian Meier, ha rieostruito La storia dei populares. Nel1a voce da lui dedieata a questo tema nel1a Pauly-Wissowa, eosi rieca ,di dati e di rilievi interessanti sugli aspetti politico-istituzionali, soltanto una eolonna su 65 e dedicata alle parti eeonomieo-sociali deI programma e delle iniziative dei popoLari! Chi si fermasse ,a leggere questa voee avrebbe l'impressione ehe nella tal'tda repubblioa i eontrasti soci.ali el'tano addirittura seomparsi nelle vieende deHa nazione romana. Anni or sono un eritieo della mia Storia, 10 Staveley, sottopose il mio tentativo di ricostruire la storia eostituzionalealla luce dei eontnasti sociali all'taeeusa ,di avere seritto una sorta di pamphlet politieo, viziato da preeoncetti e pe.g,gio aneor,a di pregiudizi marxisti, una eritiea ehe avrebbe potuto, eon le debite differenze, essere opposta ancne al grande Mommsen, cui deI resto ai suoi tempi non manoarono eritiehe analoghel. Eppure dalle fonti e dalla eonoseenza della struttura eeonomica del1a societä romana in questo periode emerge un quadro 1 Dello Staveley v. la recensione alla mia Storia in JRSt. 1960, 250 e la mia replica in Lab. 1962, 252 ss. Per le critiche al Mommsen v. i citati in Elisabeth Tornow, Der Revolutionsbegriff und die späte römische Republik - eine Studie zur deutschen Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jh., 1978, 9 n. 2.
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Francesco De Martino
talmente chiaro, ehe non si comprende come 1a storio.grafia degli ultimi decenni si ostini a svalutarlo. Quando propria non si riesce a oancelLare il motivo economico dalle lotte politiehe dei due ultimi secoli della Repubblioa, allora 10 si svaluta. Co.si riprendendo. o.pinioni rgicl manifestate in passato., anehe l'azio.ne dei Gracch.i diviene una Io.tta di carattere co.nservato.re, o.ppure fallita perehe errata, 0. negativa nei risultati perehe po.neva a repentaglio. la struttura agraria piu evo.luta, quella della villa, per to.rnare ad un'agrico.ltura piu primitiva diretta alla sussistenza della famiglia dei co.ntadino.. Inso.mma le lütte erano. puramente po.litiehe, i mezzi co.stituzio.nali venivano. ado.perati per fini di predo.minio. po.litico. e do.ve entrava anehe il motivo eco.no.mico. questo. era per 10. piu strumentale. Stl1ano a dirsi, ma gli antichi la pensav,ano. diversamente dai müderni e do.vrebbe esse re buo.n meto.do. sto.rio.grafico. tener conto. delle Io.ro. o.pinio.ni, perehe esse riflettevano il modo. in cui la so.cieta dei tempo. 0. ,almenü co.lo.ro., ehe ispiI1avano. il giudizio. degli auto.ri antiehi, consideravano. le lütte dei tempo.. Gicl il Kromayer, ehe pure ne,g,aVla il carattere rivo.luzio.nario. dell'o.pera di Tiberio Gr,acco., no.tava ehe altro. era il ,giudizio. degli antiehi 2 e questo. avrcl pure stgnificato. qualco.sa. Quanto. al giudizio delle fonti esso. e tro.ppo. no.to., perehe Vialg,a la pena di fermarvisi3• Solo. qualehe paro.l,a vale la pena di dedicare ,ad una ipo.tesi recente, acuta e degna di co.nsiderazio.ne, sebbene fo.rse influenzata da vicende moderne, I'ipo.tesi cioe dei Sirago, un attento. studio.so. delle vicende ,agr.arie ro.mane, il quale pensa ehe I,a rifo.rma g11accana ebbe per effetto. ,di favo.rire il rito.rno ad un'agrico.ltura Po.co. sviluppata e di pregiudicare quelLa razio.nale del1a villa4 • Si puö o.sservare ehe le fo.nti, anehe quelle di parte aristo.cratioa, no.n hanno. conservato. traccia di tali pretesi effetti della lex Sempro.nia, mentre vi e inveoe la pro.va ehe nel 121 vi fu una gI1ande produzio.ne di vino., ehe prese appunto. il no.medi Opimianum da! no.me dei co.nso.le ehe aveva dato. l'ultimo. co.lpo. mo.rtale al mo.vimento. graccano.'. Un giudizio. dei resto. sugli effetti deUa legis1azio.neagraria gracoana sarebbe avventato., perehe ben I, Geschichte der späteren römischen RepU!blik, 94, in Hartmann, Weltgeschichte III, 1919 (trad. italiana, I, 132). 3 Vedi gli speciosi argomenti deI Badian, Tiberius Gracchus and the Roman Revolution, ANRW I, 674 in düesa di Earl contro le critiche deI Brunt; togliere valore aUe fonti, come queUe di SaUustio, che non vanno in armonia con la tesi deI carattere meramente politico deU'azione di Gracco, e facHe, me eben düficHe addurre qualche seria testimonianza a favore di essa. Il Badian non tiene in nessun conto il mio rilievo che la disputa sui motivi di Tiberio, se sociali 0 militari, e abbastanza oziosa, dato iI legame tra cittadinanza e milizia tipico deU'ordinamento romano. Vedi su questo la mia Storia deUa costituzione romana II2, 464. 4 L'agricoltura italiana nel II sec. a. C., 1971, 79. I Plin. nato hist. XIV, 14, 94.
Motivi economici neUe lotte dei populares
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presto essa venne smobilitata dalle leggi successive, ehe rapidamente mutarono il regime agrario.
Un'ipotesi diversa e stata proposta dal Gabba con suggestivi ,argomenti. Egli attribuiscead una derivazione dall'eta gracoana deI discorso ehe Dionigi di Alicarnasso pone sulle Labbra di Appio Claudio, il padre deI decemviro, contro la proposta di legge agraria di Spurio Cassio nel 486 a. C. Vi sono vari argomenti contro l'utilita delle assegnazioni in piccoli lotti, "l,a presenza di vicini fastidiosi; la mancanza di mezzi per mettere a cultura il propria terreno; La necessita di ,affittare la propria terra appunto ad uno dei vicini"·. Meglio dunque sarebbe recuperare ,allo stato l'ager publicus posseduto per frode 0 violenza, dividerlo in appezzamenti delimitati da cippi iscritti; vendere le parti soggette a contestazione; ,affittare il rimanente per cinque anni; impiegare il ricavato per pagare le truppe e provvedere alle spese di guerr,a. In tal modo i contadini ehe venivano arruolati avrebbero potuto partecipare ,al rendimento delle terre in modo piu vantaggioso ehe dalla distribuzione di piccoli lotti. Si puö ammettere ehe argomenti analoghi fossero impiegati nell'eta graccana, ma essi proViano al piu quali erano Ie armi polemiehe di cui faceva uso l'aristocrazia agraria per opporsi alle rifoI1ffie, non provano ehe realmente La riforma fosse ,antieconomica. D'altra parte, il riferimento al vectigal sembra piu col1egarsi ad una delle leggi emanate dopo La caduta dei Gracehi, ehe secondo Appiano stabili in luogo della terI1a la distribuzione deI
Vorige Anm. Jetzt ausführlich mit zahlreichen Hinweisen H.-D. Schmitz, und verwandte Begriffe in den Papyri, Diss. Köln 1970 (Referent
~{}o~
E. Seidl).
17 BGU 1127, Z.22 (18 v. Chr.); dazu Taubenschlag, JJP 1,1946,41 (= Opera minora H, 91). Noch deutlicher ist das in P. Amh. 92, 22 f. (162/63 n. Chr.) ausgedrückt, wenn dort auf 'fra] )t(na auv1J{}Lo.v v[o]!1[t]!1o. Bezug genommen wird. Hier geht es offenbar um das gemäß der Gewohnheit Rechtmäßige. So auch in zahlreichen anderen Urkunden. Vgl. auch NÖTT, Divisio, 15 Anm. 52. Besonders klar wird das von Dion. Chrys. 76 ausgeführt, der diese ganze Rede dem ~{}o~ gewidmet hat; dazu ausführlich Bove, La consuetudine, 80 ff. 88 Volk, 527 f. 80 Volk, 528 f. So auch Flume, Gewohnheitsrecht, 23 ff. 70 So weist v. Lübtow, Volk 517, auf Ulpians Erklärungen in D.1, 3, 34 (4 de ojjicio pToconsulis) hin "zu der Frage, wie ein partikulares Gewohnheitsrecht zu ermitteln ist": Cum de consuetudine civitatis vel pTovinciae
conjideTe quis videtuT, pTimum quidem illud exploTandum aTbitToT, an etiam contTadicto aliquando iudicio consuetudo jiTmata sit. Hier geht es offenbar
Gewohnheitsrecht und Juristenrecht in Rom
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Nun hat von Lübtow noch gemeint, die Aussage in Gai. inst. 1, 1: Omnes populi, qui legibus et moribus reguntur, ... , sei "im wesentlichen die Arbeit eines nachklassischen Paraphrasten, der unter dem entscheidenden Einfluß der griechischen Philosophie steht"71. Heute wird wohl mit Recht überwiegend angenommen, daß der Einfluß der griechischen Philosophie nicht erst über "nachklassische Paraphrasten" auf die römische Rechtswissenschaft eingewirkt hat. Ungeachtet aller Probleme im einzelnen, kann es als erwiesen angesehen werden, daß die römischen Juristen .bereits seit dem 2., vor allem aber dem 1. Jahrh. v. ehr. mit der Gedankenwelt der großen griechischen Philosophen in darum, daß jemand in einem Rechtsstreit auf die für ihn sprechende consuetudo vertraut hat, ohne Zweifel als Grundlage seines Rechtes. Ob wirklich erst "die Erkenntnis fremder Rechtsinstitutionen für die Römer einer der Anlässe" war, "die Kategorie des Gewohnheitsrechts zu bilden" (so Nörr, Divisio, 14), mag hier dahingestellt bleiben. Schon Cie. Verr. 2, 116 (Zählung nach Zitierweise des ThLL) wirft dem Verres vor: ius, consuetudinem, aequitatem, edieta omnium neglegit. Das geschieht in einem Zusammenhang, aus dem klar wird, daß die consuetudo hier Bestandteil des römischen Rechts sein muß. Nörr weist mit recht darauf hin, daß "es sich - wie schon der formelhafte Charakter der Wendungen in den genannten Gesetzen (1. w. S.) zeigt - um eine römische Begriffsbildung handeln" dürfte (a. a. 0.). Aber sicher haben die klassischen Juristen bei ihrer Arbeit mit Rechtsfragen zu tun gehabt, bei denen provinziales Gewohnheitsrecht eine Rolle spielte. Kaser, FS Flurne, 116, hat als Ergebnis seiner Ausführungen zu den Provinzen daher mit Recht bemerkt: "Juristenrecht und Gewohnheitsrecht liegen mithin in Rom wie in den Provinzen gleichermaßen auf verschiedenen Ebenen." Es macht in der Tat prinzipiell keinen Unterschied, ob die Klassiker mit italischem oder provinzialem Gewohnheitsrecht konfrontiert wurden. Auch läßt sich ein "Ortsgebrauch" vom Gewohnheitsrecht nicht scharf trennen, dazu Brynteson, RIDA 12, 1965, 222 Anm. 76. In allen diesen Fällen handelte es sich um Normen, die bei der Entscheidung zu berücksichtigen waren; so z. B. Gai. D. 21, 2, 6; Papin. D. 22, 1, 1 pr.; Call. D.22, 5, 3, 6; 50, 2,11; Ulp. D. 48, 3, 4 und Mod. D. 26, 7, 32, 6. Vgl. auch den von v. Lilbtow, Volk, 557 ff., hervorgehobenen Gesichtspunkt: "Eine Anzahl der römischen Klassiker stammten aus den Provinzen, so Julian ... ". Viele haben im Zuge ihrer Amterlaufbahn als proconsules in den Provinzen gewirkt, so Julian, vgl. Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 1952, Neudruck 1967, 157 ff. Dort 217 bemerkt Kunkel, daß die responsa des Cervidius Seaevola "verhältnismäßig oft auf Anfragen aus der griechischen Reichshälfte ergingen". Als praefecti praetorio hatten Papinian, Paulus und Ulpian ohne Zweifel mit vielen Rechtsfällen aus allen Teilen des Reiches zu tun, und ihre responsa ordneten auch Rechtsfragen in den Provinzen. Auch alle diese Umstände machen es unmöglich, die römischen Klassiker als eine Größe zu isolieren, in deren Denken "für die eonsuetudo ... kein Raum" (Flume, Gewohnheitsrecht, 21) war. 71 Volk, 497; später, 574, sagt v. Lilbtow von dieser Stelle: "Pseudo-Gaius". Ich weiß nicht, ob v. Lilbtow das heute noch sagen würde. Jedenfalls scheinen mir nicht einmal die Ergebnisse von Wie acker, Textstufen klassischer Juristen, 1960, 186 ff., eine solche· Behauptung gerade für den Anfangstext zu rechtfertigen oder auch nur wahrscheinlich zu machen. Kaser, Zur Methodologie der römischen Rechtsquellenforschung, SB der österr. Akademie d. Wiss., phil.-hist. KI. 277/5, 1972, 44 ff., hat die Kritik mit überzeugenden Gründen zurückgewiesen. So auch Wagner, Gaius, 69 ff.
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Berührung gekommen sind72 • Im Hinblick darauf ist auch die bei den griechischen Philosophen herrschende Vorstellung von der Verbindlichkeit des Gewohnheitsrechts nicht ohne Bedeutung. Hier möchte ich vor allem eine Stelle aus Aristoteles hervorheben, in welcher er die Frage der Bindung des Regenten an Gesetze diskutiert. Er sieht, daß nur der Mensch als Amtsträger das Gesetz auf den Einzelfall sinnvoll anwenden und unter Umständen nach Maßgabe der Erfahrung auch verbessern kann. Und in diesem Zusammenhang sagt er dann, wie WalteT SiegfTied die Stelle übersetzt: "Ferner sind wichtiger und handeln von wichtigeren Dingen als die geschriebenen Gesetze diejenigen, welche auf Gewohnheiten beruhen, so daß, wenn ein Mensch als Regent größere Sicherheit bietet als geschriebene Gesetze, so doch nicht als die Regeln des Gewohnheitsrechts"73. Damit wird dem Gewohnheitsrecht klar größere Bedeutung zugemessen als dem Gesetzesrecht. Dem liegt, was durch zahlreiche weitere Texte verdeutlicht werden könnte, offenbar der Gedanke zugrunde, daß die ständig geübte Rechtsüberzeugung des Volkes, die sich im Gewohnheitsrecht manifestiert, dem von Natur aus Gerechten, dem - a. 258/496 - un tempio aCeres, Liber, Lib€r,a; Sp. Cassius eonsul 10 eonsaero - a. 261/493 - . Damophilus e Gorgasus, greci!l, 10 deeorarono - Plin. n. h. 35. 9 (36) § 61; 12 (45) § 154 - ; sacerootesse di NeapoUs e di 'YeÄ'l'\ - 'EÄea - Velia ne eurarono il eulto greeo - Cie. p. Corno Balb. 24 § 55; Val. Max. d. f. 1. 1 § 1; Fest. V. S., peregrina saera, 268; Paul. Fest., pere.grina saera, 269-;
n triticum fu eoltiViato nel Latium dalla fine deI V sec. a. Cr. Fl. apd. Plin. n. h. 18. 7 (11) § 62 27 - .
Verr.
c) Poche le leguminose, tra le quali il miglio, il panico, il lino, l'orzo - Col. r. r. 2. 7 § 1; 9 § 17 -; per il primo, il seeondo, il quarta: Col. r. r. 8. 15 § 6-. 24 Plln. n. h. 18. 7 (12) (I) § 65 ... Alexandro Magno regnante . .. ita ... ante mortem eius annis fere CXLV Sophocles poeta in fabuta triptolemo frumentum italicum ante cuncta laudaverit, ad verbum tralata sententia: et fortunatam Italiam frumento serere candido ... Nell'anno 468 a. Cr., data deI triptotemus - F. St. (oesst), Kl. P. V, 1975, Sophocles n.2, 273 - Italia design soltanto le eolonie greche nel sud della penisola: De Sanctis (n. 7) 467 = 447 12 ; G. R. (adke),
Kl. P. II, ItaUa, n. 2, 1483. 25 M. Rostovtseff, RE VII 1, 1910, Frumentum, 127; Momigliano, Due punti di storia romana areaiea. I De populi Romani frumentationibus antiquissimis, SD 2, 1936, 374 - 389 = Quarto eontributo alla storia degli studi classici edel mondo antieo, Roma 1969, 331 - 349; White K. D., Roman Agrieultural Writers I, Aufstieg und Niedergang d. röm. Welt, hg. V. H. Temporini, I. T., 4. Bd., Berlin - New York, 1973, 440 - 441, 442; Richard (n. 12) 50, 306, 494, 508, 517, 581; Nieotet, C., Rome et la eonquete du monde mediterraneen, Paris, 21979, 103. 28 B. P. (ace), Ene. it. XII, 1931, Damofilo, 277; A. R(umpf), Kl. P. I, 1964, Damophilos n. 2, 1377; Gia. C. (aputo), Ene. it. XVII, 1933, Gargaso, 550. 27 De Sanctis (n.7) 466 = 446; Jasny, The wheats of the classical antiquity, John Hopkins Univ. Studies, 62. 3. 1944, 56, 95 - 98, 112, 114 - 115, 117 -125, 130 - 131; Andre (n. 16) 54, 57.
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Mario Lautia
Alcune tra queste: aphaca - Plin. n. h. 27. 5 (21) § 38-; cicer, cicercula -
Cato agr. 37 § 1; Varro r. r.1. 32 § 2-;
v. Tetra A 11 2 b; infra A 11 3 d; Bill b-;
cytisus -
ervum - Plaut. cas. 126; most. 62; Cato agr. 27; 37 § 1; 109; 156 § 3; Varro r. r. 3.7 § 8; Ror. s. 2. 6. 117; Col. r. r. 2. 7 § 2; 10 § 24, §§ 34 - 35; 8.8 § 6; 11.2 § lO, § 75, §§ 99 -lOl; Plin. n. h. 17. 9 (7) § 56; 18. 12 (32) § 124; 15 (38) § 139; 22. 25 (73) §§ 151 - 153; raATJv. 'ttl0bkömmling den Nachlaß seiner Substanz berauben, ohne daß die anderen Abkömmlinge die Mögli.chkeit hätten, sei es vom Erben, sei es vom Beschenkten noch irgendetwas zu erhalten. 3. Das kann nicht richtig sein. In der Tat berücksi.chtigt Staudinger/ Ferid 13 bei der Berechnung der Ergänzung sämtliche anrechnungs- und nicht anrechnungspflichtigen Geschenke14. Wie ist also der rätselhafte Satz zu deuten, der durch alle Auflagen des Staudinger dur.chgeschleppt wird? Darüber sollen im folgenden einige Erwägungen angestellt werden. Gewidmet sind sie einem Altmeister des Erbrechts, dem verehrten Berliner Kollegen UZrich von Liibtow, der sich nicht nur durch seine rechtshistorischen Werke einen Namen machte, sondern auch eine der Hauptdarstellungen des deutschen Erbre.chts verfaßte15 , ein Werk, dessen historisch-dogmatische Ausrichtung dauerhaften Wert verburgt. 12 Der Berechnungsmodus sei vorerst dahingestellt. Er ist für die aufgeworfene Frage (pflichtteilsrechte desA) ohne Bedeutung. 13 (0. Anm. 1), § 2327 Rz. 17. 14 Eine derartige KlarsteIlung fehlt indes bei Dieckmann in Soergel/Siebert10, § 2327 Rz. 3, wo nicht einmal auf die betreffende Stelle bei Staudinger/Ferid 10/ 11 , § 2327 Rz. 17, verwiesen wird; ebenso bei Johannsen im RGRK12, § 2325 Rz. 16 sowie § 2327 Rz. 4 und 5. 11 Erbrecht. Eine systematische Darstellung, Zwei Bände, 1971; vgl. F. Sturm, Besprechung, MDR 1973, 1056.
Zur Anrechnung beim Pfiichttellsergänzungsanspruch
n.
601
SclJ.enkungen an Dritte (§ 2325 I BGB)
1. Der Pflichtteil soll den nächsten Angehörigen einen Mindestanteil am Nachlaß sichern16• Durch unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden vermag der Erblasser seinen Nachlaß aber ganz erheblich zu verringern, wenn nicht sogar auf Null zu reduzieren. Damit verkleinert er zugleich den Pflichtteil, der sich ja nach Wert und Bestand des Nach:lasses zur Zeit des Erbfalles richtet (§ 2311 BGB). Der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB) soll hier einen Ausgleich schaffen11 . Der Pflichtteilsberechtigte darf nicht dadurch benachteiligt werden, daß der Erblasser durch Schenkungen18 sein Vermögen schmälert. Unentgeltli.che Verfügungen, die länger als 10 Jahre19 vor dem Erbfall zurückliegen, bleiben allerdings außer Betrachtllo• 18 Vgl. statt aller 'Von Lübtow (0. Anm. 15) I, 545. 11 Vgl.statt aller von Lübtow (0. Anm. 15) I, 591 ff., und auch RG LZ 1928, Sp. 53 ff., 56. 18 Ob und inwieweit eine Schenkung vorliegt, bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 516, 518 BGB). Näheres vgl. BühTeT, Das Recht auf Ergänzung des Pflichtteils nach demBGB, ZBlFG 15, 1915, 213ff., 217 f.; Schapp, Die Pflichtteilsergänzung, Rpfleger 1956, 119 ff., 120; Haegele, Zum Pftichttellsergänzungsanspruch, BWNotZ 1972, 69 ff., 70 f.; Sostmann, Grundstücksübertragungen an Abkömmlinge und. ihre Auswirkungen auf das Pflichttellsrecht, MittRhNotK 1976, 479 ff., 495; Haegele/Litfin, Handbuch der Familienunternehmen,1977, Rz. IV 348 ff.; von Lübtow (0. Anm. 15) I, 592; KipplCoing, Erbrecht13 , 1978, § 13 II 1; S. 91 f.; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts2, 1978, § 39 IX 2 a, S. 625 f.; Planck/GTeiff, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch V, Erbrecht4 , 1930, § 2325 Anm. 2; StaudingeT/ FeTid10!1l, § 2325 Rz. 2 ff.; Johannsen im RGRK12, § 2325 Rz. 7 ff.;Dieckmann in SoeTgellSiebeTt 10, § 2325 Rz. 4; ETman/BaTtholomeyczik/SchlüteT8, § 2325 Rz. 1; PalandtlKeidel3t , §2325 Anm. 2. Pfticht- und Anstandsschenkungen werden aber durch§ 2330 BGB aus dem Kreis der ergänzungspftichtigen Vergaben ausgenommen. Zu welchem WeTt die Schenkung in. Ansatz zu bringen ist, reglt § 2325 II BGB. Grundsätzlich ist der Wert zur Zeit des Erbfalls maßgebend. Wegen näherer Einzelheiten vgl. KTakeT, Pftichtteilsverletzung durch verbilligte Grundstücksvergabe. Ein Beitrag zur Lehre vom Pflichtteilsergänzungsrecht, BWNotZ 1966,37 ff.; Sostmann, MittRhNotK 1976, 502 ff.; von Lübtow (0. Anm. 15) I, 593; Lange/Kuchinke (oben in dieser Anm.), § 39 IX2 c, S. 627; PlanckIGTeiff', § 2325.Anm. 4; StaudingeTIFeTid 10!1l, § 2325 Rz. 50ff.; Johannsen im RGRK111, § 2325 Rz. 19ff.; Dieckmann in SoeTgellSiebeTt10, § 2325 Rz. 17; ETffian/BaTtholomeyczikJSchlüteT6, § 2325 Rz. 3 f.; Pa,. landt/Keidel3t , § 2325 Anm. 4. 11 Die Frist wird nach §§ 187 I und 188 II BGB berechnet. Umstritten ist, wann der Fristenlauf beginnt. Was· ist unter Leistung des verschenkten Gegenstandes zu verstehen, Leistungserfolg oder Leistungshandlung? . Das Schrifttum ist gespalten. Auf den LeistungseTfOlg oder zumindest die wirtschaftliche Einbuße stellen ab: ReuteT, Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelung und Pflichtteilsrecht, JuS 1971, 289 ff., 292 ff.; Flume, Die Nachfolge in die Mitgliedschaft in einer Personal'gesellschaft beim Tode eines Gesellschafters, Gesellschaftsrecht und Unternehmensrecht, Festschrift Schilling, 1973, 23 ff., 60 ff.; KipplCoing (0. Anm. 18), § 13 II 3 b, S.93; Lange/Kuchinke (0. Anm. 18), § 39 IX 2 a, S. 626; BTOX, Erbrecht6 , 1979, Rz. 537, S. 296; PZanck! GTeiff4, § 2325 Anm. 4; .Dieckmann in SoeTgel/SiebeTt10 , § 2325 Rz. 18; Johannsen im RGRK1l!, § 2325 Rz. 4. Auf die Leistungshandlung lassen es an-
602
Fritz und Gudrun Sturm
2. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann der Ptlichtteilsberechtigte als Ergänzung des Ptlichtteils den Betrag verlangen, um den sich der kommen: Damrau, Der Ausstattungsanspruch des nichtehelichen Kindes, FamRZ 1969, 129 ff. 131; Haegele, BWNotZ 1972, 70; Sostmann, MittRhNotK 1976,497 ff.; ErmaniBartholomeyczik/Schlüterfl, § 2325 Rz. 5; Palandt/Keidel39 , § 2325 Anm. 5 a. Auch der BGH schwankt. Grundsätzlich soll genügen, daß der Schenker die zum Eintritt des Leistungserfolges erforderlichen Handlungen VOl'genommen hat. Deshalb sieht der BGH bei übertragung eines Gesellschaftsanteils, der beim Tode des Gesellschafters auf dessen Ehefrau übergehen sollte, den maßgeblichen Zeitpunkt schon im Abschluß des Gesellschaftsvertrages; vgl. NJW 1970, 1638 ff. = WM 1970, 1114 ff.; WM 1971, 1338 ff. Vielleicht ist dieser Entscheid aber stärker von dem Gedanken getragen, daß Mitgliedschaften Sonderrecht unterliegen und Unternehmensschutz vor Erbrecht geht. Bei Grundstücksübertragungen ist die vom BGH entwickelte Formel alles andere als eindeutig. Zwar ist klar, daß der Abschluß des Kaufvertrages noch nicht ·genügt. Wie steht es aber, wenn dem Erwerber eine unwiderrufliche Vollmacht ausgehändigt und außerdem eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde? Der BGH, NJW 1974, 2319 ff. = DNotZ 1975, 414 ff., läßt dies nicht genügen. Erforderlich sei zumindest die Auflassung. Anders OLG Hamm NJW 1969. 2148 ff. und OLG Schleswig NJW 1975, 315 ff. Das OLG Hamm fordert bei der übereignung von Grundstücken, daß auch die Eintragung ins Grundbuch erfolgte; das OLG Schleswig stellt auf die wirtschaftliche Ausgliederung des Gegenstandes aus dem Vermögen des Erblassers ab. Die Erteilung einer widerruflichen Auflassungsvollmacht genüge nur, wenn, wie in casu, das Grundstück übergeben und zur Nutzung überlassen worden sei. Bei Schenkungen an den Ehegatten des Erblassers beginnt die Frist nicht vor Auflösung der Ehe (§ 2325 III Hs. 2 BGB). Während des Bestehens der Ehe bleibt der Gegenstand ja wirtschaftlich noch gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; vgl. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB V, 1899,588. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Grundsatz äußern Peters, Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen Schenkungen des Erblassers an seinen Ehegatten, FamRZ 1973, 169 ff.; Dieckmann in SoergelJSiebert10 , § 2325 Rz. 19; ünllLG Wiesbaden, FamRZ 1975, 654 f., das § 2325 III Hs. 2 BGB als mit Art. 6 I GG unvereinbar schon gar nicht mehr anwendet. Schenkungen, die zeitlich vor Entstehung des Pflichtteilsverhältnisses liegen, dürfen nicht ausgespart werden; vgl. Protokolle (oben in dieser Anm.), 586 ff.; von Lübtow (0. Anm. 15) I, 592; Kipp/Coing (0. Anm. 18), § 13 II, S. 94; Brox (oben in dieser Anm.), Rz. 537, S. 296; StaudingerJFerid 10!11, § 2325 Rz. 26 und 29; Dieckmann in SoergelJSiebert10 , § 2325 Rz. 20; Johannsen im RGRK12, § 2325 Rz. 5; Erman/Bartholomeyczik/Schlüterfl, Rz. 2 vor § 2325. Anders aber BGHZ 59, 210 ff., dessen Ausführungen von Bosch, Anmerkung, FamRZ 1973, 90 f., und D. Reinicke, Die Voraussetzungen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, NJW 1973, 597 ff., mißbilligt werden, denen Kühne in seiner Urteilsanmerkung, JR 1973, 289 ff., aber im wesentlichen zustimmt. Historisch und methodenkritisch untersucht diese Frage unser Jubilar in Festschrift Bosch, 1976, 573 ff.: Die Methode der Gesetzesanwendung, erläutert am § 2325 BGB. Zugleich eine Kritik an dem Urteil des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 1972: BGHZ 59, 1973, 210 ff. Man kann nur hoffen, daß dieser wichtige Beitrag in Karlsruhe gebührend beachtet wird. 20 Der erste Entwurf kannte eine derartige Zeitschranke noch nicht. Sie wurde jedoch in den zweiten Entwurf eingefügt, weil sich nach längerem Zeitablauf Erblasser und Angehörige an die Vermögensminderung gewöhnt hätten. Auch sollte der Beschenkte vor zeitlich unbegrenzten Herausgabeansprüchen nach § 2329 BGB geschützt werden; vgl. Protokolle V (0. Anm. 19), 587 f.
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Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlasse hinzugerechnet wird (§ 2325 I BGB). Die Pflichtteilsergänzung stellt sich demnach als die Differenz zwischen dem ergänzten und dem ordentlichen Pflichtteil dar. Dabei ist unter ordentlichem Pflichtteil der Betrag zu verstehen, den der Pflichtteilsberechtigte ohne Berücksichtigung der Drittschenkung erhält. Er errechnet sich nach §§ 2303 bis 2316 BGB. Da wir uns im Rahmen des § 2325 BGB bewegen, kommen nach § 2315 BGB anrechenbare Eigenschenkungen hier nicht in Betracht. Erhielt der Ergänzungsberechtigte nämlich selbst ein Geschenk, so greift vielmehr § 2327 BGB ein, auf den gesondert einzugehen sein wird21 • Ergänzter Pftichtteil22 ist der Betrag, den der Berechtigte als Pflichtteil erhalten würde, wenn sich die ergänzungspflichtigen Schenkungen noch im Nachlaß befänden. Das Schrifttum spricht teilweise auch von Gesam tpflichtteil 23 • 3. Die so definierte Pflichtteils ergänzung läßt sich in eine mathematische Formel kleiden: Bezeichnet man den Nachlaß mit N, die Summe aller Schenkungen mit S und die Zahl der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge!4 mit n, so ergibt sich folgende Gleichung: N+S N EP= - - - -
oder aufgelöst
2n
EP=
2n
S 2n
Der außerordentliche Pftichtteil26 des § 2325 BGB (Pflichtteilsergän21 Unten S. 608 ff. - Auf Fälle, in denen der eine oder andere Beteiligte eine ausgleichspflichtige Zuwendung empfing, wird in diesem Beitrag nicht eingegangen. 22 So der Sprachgebrauch z. B. bei Bilhrer, ZBIFG 15, 1915, 220; Sostmann, MittRhNotK 1976, 509 f.; Kipp/Coing (0. Anm. 18), § 13 IX, S. 98; Dieckmann in Soergel!Siebert10, § 2327 Rz. 2; RG LZ 1928, Sp. 53 ff., 56. Bisweilen wird auch der Begriff Ergänzungspflichtteil verwendet - so von StaudingerIFerid 10/ 11 , § 2327 Rz. 9 - ein Ausdruck, mit dem er aber auch die Pflichtteilsergänzung bezeichnet - § 2327 Rz. 14 -. n Z. B. Strohal, Das deutsche Erbrecht auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs 13, 1903, 522 ff., und Hahn, Das Recht auf Ergänzung des Pflichtteiles, 1905, 88. t4 Lebt der Ehegatte des Erblassers noch, so ist seine erbrechtliche Beteiligung natürlich zu berücksichtigen und der Teiler n je nach Güterstand zu modifizieren. 25 Diesen Ausdruck verwandte E I § 2010; vgl. hierzu die Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich V2 , 1896, 460 f. Dem BGB ist er fremd. Doch wird die Wendung im Schrifttum ge-
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Fritz und Gudrun Sturm
zungsanspruch28, Ergänzungspflichtteil27) stellt demnach allein eine Funktion der ergänzungspflichtigen Schenkungen dar. Es ist also durchaus richtig, wenn Autoren wie Biihrer28 , Haegele/Litfin2l , PalandtlKei~ del 30 bei der Berechnung des Ergänzungsanspruchs nur den Wert der Schenkungen berücksichtigen, also sozusagen einen Pflichtteil aus der Summe der Schenkungen heraus errechnen. 4. Ist ein Extraneus Erbe, beläuft sich der Nachlaß auf 200 und liegen Geschenke an die Freunde F in Höhe von 120 und G in Höhe von 40 vor, so errechnet sich der Er,gänzungspflichtteil der Kinder A und B wie folgt: EP=
S 2n
120 + 40 2.2 =40.
Ihr ordentlkher Pflichtteil beträgt
P=
N 200 -=--=50. 2n 2·2
Insgesamt erhalten A bzw. B also 90. 5. Nehmen wir an, das Geschenk in Höhe von 40 wäre nicht an G, sondern an das Kind B gefallen. Dann ändert sich an Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch des A nichts. Beschenkter Dritter i. S. des 2325 BGB kann auch ein anderer Pflichtteilsberechtigter seinsI. Ein B zugefallenes Geschenk wirkt sich also - dies sei besonders betont ebenso erhöhend auf die Pflichtteilsergänzung des A aus wie Geschenke an Extranei; denn nach der oben entwickelten Formel schlagen im Rahmen des § 2325 BGB ja alle Drittschenkungen zu Buche. 6. Entwickeln wir diesen Fall weiter und gehen davon aus, daß die Vergabe an den Pflichtteilsberechtigten B, b = 40, anrechnungspflichtig braucht, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch vom Pftichtteilsanspruch abzugrenzen;z. B. bei Strohal (0. Anm. 23), 506 Anm. 3; von Liibtow (0. Anm. 15) I, 591; PalandtlKeidel39 , § 2325 Anm. 1. Zu dieser Terminologie vgl. auch von Liibtow I, 595 f. 28 DasBGB spricht nur von Ergänzung des Pflichtteils. Dieser Ausdruck kann insofern zu Mißverständnissen Anlaß geben, als er einmal - bei § 2325 I - bezeiChnet, was der Pflichtteilsberechtigte verlangen kann - zum anderen aber - bei § 2327 I 1 und 2 BGB ~ den Unterschiedsbetrag von ergänztem und ordentlichem Pflichtteil; von dieser Ergänzung ist dann noch etwas in Abzug. zu bringen, nämlich der noch anrechnungspftichtige Betrag, ehe der Anspruch selbst errechnet ist. 27 Diesen Ausdruck verwendet Kretzschmar, Berechilung des Ergänzungsanspruchs im Falle des § 2327 BGB, Recht 1912, Sp. 39 ff., 40; ferner Sostmann, MittRhNotK 1976, 509 f., und von Liibtow (0. Anm. 15) I, 594 f. 28 ZBIFG 15, 1915, 221. 29 (0. Anm. 18), Rz. IV 362; ebenso Haegele, BWNotZ 1972, 72. 30 (0. Anm. 11), § 2325 Anm. 3. 31 Unbestritten; vgl. statt aller Staudinger/FeridIO / 11 , § 2325 Rz. 2.
Zur Anrechnung beim Pftichtteilsergänzungsanspruch
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war. Dann vermindert sich dessen ordentlicher Pflichtteil durch die Anrechnung (§ 2315 I und 11 BGB). PB
=
N+b
~
- b=
200+40 2.2 - 40 = 20 .
Der ordentliche Pflichtteil des A bleibt unverändert. PA
=
N
200
2n =~=50.
Hat ein Pflichtteilsberechtigter ein anrechnungspflichtiges Geschenk erhalten, so wirkt sich dies zwar bei der Berechnung seines ordentlichen Pflichtteils aus, nicht aber auf den ordentlichen Pflichtteil der übrigen Pflichtteilsberechtigten. Es bleibt aber die Frage, ob A, wenn er seinen außerordentlichen Pflichtteil geltend macht, einen Vorteil aus der anrechnungspflichtigen Schenkung an B ziehen darf. Sein Ergänzungsanspruch erhöhte sich ja, wie wir eben sahen, auch infolge des Geschenks an B, wenn dieses nicht anrechnungspflichtig war. a) Geht man von den oben32 angeführten Kommentarstellen aus, so scheint sich ein Nein geradezu aufzudrängen. Vergegenwärtigen wir uns diese Aussage nochmals: Schenkungen an Dritte sind im Rahmen des Ergänzungsrechts (§ 2325 BGB) nicht zu. berücksichtigen, wenn und soweit sie bereits nach § 2315 BGB bei Berechnung des Pflichtteils dem Nachlaß hinzugerechnet worden sind. Konkret auf unseren Fall zugeschnitten müßte es heißen: Schenkungen an B sind im Rahmen des Ergänzungsrechts des A nicht zu berücksichtigen, wenn und soweit sie bereits nach § 2315 BGB bei der Berechnung des Pflichtteils (des A? oder des B?) dem Nachlaß hinzugerechnet wurden. Bei Berechnung des A'schen Pflichtteils werden Schenkungen an B aber überhaupt nicht in Ansatz gebracht. Das folgt klar aus § 2303 I BGB und § 2325 I und 11 BGB. Sollte also der Pflichtteil des A gemeint sein, so ist der Hinweis auf § 2315 BGB sinnlos, da sich das "wenn und soweit" nie realisieren kann. Sollte hingegen der Pflichtteil des B angesprochen werden, bei dessen Berechnung die an ihn selbst gefallene Schenkung nach § 2315 BGB zum Nachlaß hinzugerechnet und dann vom Pflichtteil wieder abgezogen wird, so kämen wir zu dem eigenartigen Ergebnis, daß das anrechnungspflichtige Geschenk, das B erhielt, - ,anders als ein nicht anrechnungspflichtiges - bei Ergänzung des A'schen Pflichtteils nicht berücksichtigt werden darf. Die Anrechnungspflicht würde zwar Pflichtteil und Ergänzung des B mindern. B 32
S.599.
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hätte sein Geschenk aber getrost nacl1. Hause tragen können. Da der Erbe für einen solchen aus dem Vermögen des Erblassers stammenden Wert keine Ergänzung nach § 2325 BGB schulden würde, könnte bei ungenügendem Nachlaß auch B aufgrund von § 2329 BGB nicht in Anspruch genommen werden. Das Anrecl1.nungsgebot des Schenkers, das bezogen auf den Erbfall eine Bevorzugung des Beschenkten doch gerade ausschließen soll33, würde in sein Gegenteil verkehrt. b) Staudinger/Ferid34 berufen sich ebenso wie clie VorauflagenIl in erster Linie auf die Motive. Die angeführte Stelle38 betrifft aber nur Schenkungen an den Ergänzungsberechtigten selbst87, nicht hingegen Schenkungen an Dritte, mögen diese nun ebenfalls pftichtteilsberechtigt sein oder nicht, mag das dem Dritten Zugewandte der Anrechnung unterliegen oder nicl1.t. Auch Hahn3s , die zweite Belegstelle, spricht nur von anrechnungspftichtigen Schenkungen, die der Ergänzungsberechtigte selbst zu Lebzeiten des Erblassers erhielt. Auf der zitierten Seite 89 behandelt Hahn nämlich den Anrechnungsmodus bei § 2327 I BGB, die Frage also, wie das Geschenk auf Pftichtteil bzw. Ergänzung anzurechnen, d. h. in welcher Weise es von diesen Beträgen abzuziehen ist. Es erhellt dabei aucl1. klar, daß ein anrechnungspftichtiges, dem nach § 2327 BGB Ergänzungsberechtigten zugefallenes Geschenk, wenn der fiktive Nachlaß zwecks Errechnung des Gesamtpftichtteils ermittelt wird, dem hinterlassenen Reinnachlaß hinzuzurechnen ist. Weiter stellt Hahn auf Seite 13, unter Verweis auf die Motive, klar, daß § 2325 BGB nicht eingreift, wenn lediglich anrechnungspfticl1.tige Geschenke an den Ergänzungsberechtigten vorliegen: 33 VgI. Brox (0. Anm. 19), Rz. 534, S. 293, und Johannsen im RGRK1!, § 2315 Rz. 1. a4 Oben Anm. 1.
Oben Anm.2 bis 7. Motive V2, 457: "Daß nur Schenkungen in Betracht kommen, welche nicht schon nach dem § 1990 bei der Berechnung des Pflichtteiles an sich zur Anrechnung zu gelangen haben, ist nicht besonders hervorzuheben. Darüber kann nicht wohl ein Zweifel bestehen." 87 Das erhellt klar aus § 1990. Dort wird der Rechenmodus bei der "Abrechnung" behandelt. Die Fälle der Abrechnung führt § 1989 an. Hierzu zählen die Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten selbst, deren Abrechnung angeordnet ist - nach unserer heutigen Terminologie also die Anrechnung nach § 2315 BGB - sowie ausgleichungspflichtige Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten selbst, wenn der Erblasser die Abrechnung bei Zuwendung nicht ausschloß - modem gesprochen also die ausgleichungs- und anrechnungspflichtige Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten selbst, aber auch nur an diesen. Die fragliche Stelle in den Motiven hat also nur Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten selbst im Auge, nicht etwa an Dritte. Sie verwendet das Wort "Anrechnung" auch nicht in unserem heutigen Sinne. IS (0. Anm. 23), 13 und 89. 35
38
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"Daß hinsichtlich des Ergänzungsrechts nur solche Schenkungen in Betracht kommen können, die nicht schon gemäß § 2315 und § 2316 BGB bei der Berechnung des Pflichtteils zur Anrechnung zu gelangen haben, sei vorweg erwähnt; es erscheint schon im Hinblick auf die Fassung des § 2325 BGB als selbstverständlich... Eine verite de Monsieur de La Palisse! § 2325 BGB betrifft seinem Wortlaut nach Schenkungen an Dritte, und nur solche. Liegen auch Schenkungen an den Ergänzungsberechtigten vor, dann greift § 2327 BGB ein. Haben wir es lediglich mit Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten zu tun, dann ist nur § 2315 BGB heranzuziehen. Daß aber Schenkungen an Dritte, also Schenkungen, die nicht an den seine Ergänzung beanspruchenden Pflichtteilsberechtigten fielen, im Rahmen der §§ 2325 ff. BGB dem Nachlaß nicht hinzugerechnet werden dürfen, davon steht bei Hahn kein Sterbenswörtchen! Immerhin ist eines bemerkenswert: Hahn, dessen Monographie über die Pflichtteilsergänzung 1905 erschien, dürfte die fragliche Stelle der 1902 erschienenen StaudingeT'schen Erstauflage entnommen und an Hand der Motive präzisiert haben. Zwar wird StaudingeT/HeTzfeldeT nicht zitiert. Doch hat Hahn, wie z. B. die Angabe S. 89 Anm. 7 zeigt, den Kommentar durchaus benutzt. Wenn StaudingeT/HeTzfeldeT und StaudingeT/FeTid Hahn aber in den späteren Auflagen als Gewährsmann zitieren, G.:um stiften sie Verwirrung. Hahns Ausführungen stützen den Kommentarirrtum nicht.
BühTeT 39 , auf den sich StaudingeT/HeTzfeldeT und StaudingeTiFeTid ebenfalls berufen, behandelt nur Fragen der Ausgleichung, die wir hier leider ausklammern müssen". Dasselbe gilt von dem angeführten Urteil des Reichsgerichts41 • c) Für die Behauptung, bei Ermittlung des A'schen Ergänzungspflichtteils dürfte das B zugefallene anrechnungspflichtige Geschenk dem Nachlaß nicht hinzug.erechnet werden, läßt sich also weder Schrifttum noch Rechtsprechung anführen. StaudingeTs Stützen sind sämtlich zusammengebrochen.
Grunde, weshalb solche Zuwendungen bei Errechnung des fiktiven Nachlaßwerts außer Betracht zu bleiben hätten, sind nicht ersicl!.tlich. Bei § 2325 BGB sind also auch solche Schenkungen in den fiktiven Nachlaß einzurechnen4!. Unsere Formel deckt also auch die Fälle ab, in 38 Ausgleichung, Ffiichtteil und Ffiichtteilsergänzung, ZBlFG 14, 1914,777 f.; ders., ZBlFG 15, 1915, 226 ff. 40 Vgl. oben Anm. 2l. 41 RG JW 1937, 2201 (nicht 2001). Ebenso von RGZ 77, 282 ff. und BGH NJW 1965, 1526 f.; beide zitiert bei Dieckmann in SOeTgez/SiebeTt 10 , § 2325 Rz.15. 42 So sogar ausdrücklich StaudingeT/FeTid 10!11, § 2327 Rz. 17.
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denen anrechnungspflichtige Schenkungen an einen andern Pflichtteilsberechtigten erfolgten. Es gilt hier ebenfalls: EP A
In.
S
=2n =
120 + 40 2.2
= 40
Schenkungen an Dritte und den Ergänzungsberechtigten selbst (§ 2327 I 1 BGB)
1. Erhielt der· Pflichtteilsberechtigte selbst ein Geschenk, so ist dieses wie eine unentgeltliche Zuwendung, die an einen Dritten erfolgte, dem Nachlaß hinzuzurechnen und zugleich dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen. So ausdrücklich die Billigkeitsvorschrtlt" des § 2327 I 1 BGB. Ein beschenkter Pflichtteilsberechtigter muß, wenn er wegen Drittschenkungen Ergänzungsansprüche geltend machen will, das Eigengeschenk rechnerisch einwerfen. Anders als bei Drittschenkungen gibt es für Eigengeschenke44 auch keine Zeitschranke45 • Ein schützenswertes Interesse besteht hier, anders als bei § 2325 111 BGB, nicht". 2. Auch im Fall des § 2327 I 1 BGB wird demnach die Ergänzung als Dtlferenz von Gesamtpflichtteil und ordentlichem Pflichtteil errechnet. Von dieser Dtlferenz wird dann aber das Geschenk, das an den Pflichtteils-, nämlich unseren Ergänzungsberechtigten selbst fiel, abgezogen. 43 Als solche sehen sie schon die Motive V2, 462; Kretzschmar, Recht 1912, Sp. 40; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts V, Erbrecht, 1912, 490; PlanckIGreiW',§ 2327 Anm. 1 b; vgl. auch von Lübtow (0. Anm. 15) I, 594. « Was den Wertansatz anbelangt, so gilt hier ebenfalls § 2325 11 BGB, da das Eigengeschenk ja wie das dem Dritten gemachte dem Nachlaß hinzuzurechn:en ist. Vgl. PlancklGreiff', § 2327 Anm. 3; StaudingerIFerid 10!11, § 2327 Rz. 9; Johannsen im RGRKl!, § 2327 Rz. 2; und wohl auch Dieckmann in Soergel/Siebert 10, § 2327 Rz. 3; PalandtIKeidel38 , § 2327 Anm.4; sowie RGZ 69, 389 ff., 391; BGH NJW 1974, 2131 ff. 45 Heute allgemein vertretene Ansicht; vgl. Kretzschmar, Recht 1912, Sp.40; Schopp, Rpfleger 1956,121; Haegele, BWNotZ 1972,72; Haegele/Litjin, (0. Anm. 18) Rz. IV 360; KipplCoing (0. Anm.18), § 13 IX, S.99; LangelKuchinke (0. Anm. 18), § 39 IX 2, S. 628 Anm.310; PlancklGreijj4, § 2327 Anm.5, StaudingerlFerid10!11, § 2327 Rz. 2; Johannsen im RGRK1!, § 2327 Rz. 2, Dieckmann in Soerget! Siebert 10, § 2327 Rz. 1; ErmanlBartholomeycziklSchlütert, § 2327 Rz. 2; PalandtiKeidelu , § 2327 Anm. 1; RGZ 69, 389 ff.; BGH LM § 2327 Nr.1; KG NJW 1974, 2131 ff. Die gegenteilige Meinung wurde früher z. B. von Hahn (0. Anm. 23),86 ff.; Bührer, ZBIFG 15, 1915,223 und Strohal (0. Anm.23), 526, geäußert Sie darf als überholt gelten und entspricht auch nicht der Interessenlage; vgl. unten Anm. 46. 48 Darauf wies bereits die 11. Kommission hin; vgl. Protokolle VI!, 104 f.; ebenso RGZ 69, 389 ff. und KG NJW 1974, 2131 ff., 2133 f. Dritte sollen nach Ablauf der 10-Jahresfrist vor Rückforderungsansprüchen geschützt sein. Dazu oben Anm. 20. Der Ergänzungsberechtigte befindet sich hingegen als Gläubiger in einer völlig anderen Lage. Ihm ist zuzumuten, daß das erhaltene Geschenk stets berücksichtigt wird.
Zur Anrechnung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
609
3. Formelmäßigausgedrückt heißt dies:
EP (N2n+ S A =
oder
~) _ a 2n
Dabei stehen wiederum N für Nachlaß, n für Zahl pflichtteilsberechtigter Abkömmlinge, S für Summe aller Schenkungen einschließlich des Geschenks an A und a für Geschenk an A. Auch im Falle des § 2327 I 1 BGB ist - wie bei § 2325 BGB - der Pflichtteilsergänzungsanspruch eine Funktion aller Schenkungen47 • Aus ihnen wird ein dem Pflichtteil des Ergänzungsberechtigten entsprechender Anteil errechnet48 • Das ist die Ergänzung. Hiervon 4" wird das ihm zuteil gewordene Geschenk abgezogen (§ 2327 I 1 BGB). Damit ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch ermittelt. Dieser außerordentliche Pflichtteil ist ein selbständiger Anspruchllo• Ist das Geschenk an A größer als der aus der Summe aller Schenkungen errechnete Betrag, also
a> :n' so wird die Dilferenz negativ. Das
47 Zu Recht weist daher Bührer, ZBIFG 15, 1915, 222 f., darauf hin, daß auch im Falle des § 2327 I 1 BGB die Ergänzung vereinfacht aus den Schenkungen errechnet werden kann und nicht der umständlichere Weg über die Differenz von ergänztem Pflichtteil minus ordentlichem Pflichtteil gegangen werden muß; ebenso PalandtIKeidel s", § 2327 Anm. 2. 48 Unrichtig ist die Schlußfolgerung, zu der Kretzschmar, Recht 1912, Sp.41, gelangt: Ein etwa bestehender Ergänzungsanspruch beziffere sich nach dem Betrag, um den die Geschenke an Dritte das Geschenk an den Pflichtteilsberechtigten übersteige und belaufe sich auf einen dem Pflichtteil entsprechenden Teil des Betrages. Schon ein Blick auf die Formel, die dem Ansatz Kretzschmars voll und ganz entspricht, zeigt, daß dies nicht richtig sein kann. Setzt man in E A = a für S = x + G, wobei x für die Summe aller Dritt-
:n -
Schenkungen steht, so ergibt sich E A
x-a E A = ~ folgen.
= x 2; a
- a. Dann kann daraus niemals
49 Von Lübtow (0. Anm. 15) I, 594, zieht vom Gesamtpflichtteil zunächst den ordentlichen Pflichtteil ab und erst von dieser Differenz das Geschenk. Das ist dasselbe! Es entspricht unserer Ausgangsformel 2! S - ~) - a.
(N
Ebenso Haegele, BWNotZ 1972, 72; Haegele/Litfin (0. Anm. 18), Ri. IV 362; Kipp/Coing (0. Anm. 18), § 13 IX, S. 98 f.; Dieckmann in SoergellSiebert10 , § 2327 Rz. 2. StaudingerIFerid 10/ ll , § 2327 Rz. 9, zieht vom Gesamtpflichtteil das Geschenk ab und von diesem Ergebnis erst den ordentlichen (regulären) Pflichtteil, was unserer Ausgangsformel ebenfalls entspricht. Die Ergänzung nur aus den Schenkungen errechnet hingegen durchaus richtig LangeftKuchinke (0. Anm. 18), § 39 IX2 e, S.628. 50 Vgl. statt aller Johannsen im RGRKl!, § 2325 Rz. 3; BGH LM § 2325 Nr.9. 39 Festgabe für U. v. Lübtow
Fritz und Gudrun Sturm
610
bedeutet natürlich nicht, daß A etwas in den Nachlaß zurückgeben muß. Er hat dann einfach keinen Ergänzungsanspruch61 , da sein Geschenk die Ergänzung aufzehrt. Der Pflichtteil bleibt ihm aber ungeschmälert6!. Hingegen können andere Pflichtteilsberechtigte ihn bei nicht ausreichendem Nachlaß nach § 2329 BGB in Anspruch nehmen63 • 3 a) Greifen wir unser Beispiel wieder auf und gehen davon aus, daß bei einem Nachlaß von 200 Freund G ein Geschenk von 120, die Kinder A. und B eine Schenkung von je 40 erhielten, während ein Extraneus zum Erben berufen ist. Dann beträgt der Pflichtteil des A wiederum PA =
N 200 -=--=50 2n 2·2 '
der Pflichtteilsergänzungsanspruch EPA
S
= 2n
- a=
120
+ 40 + 40 2"2
- 40 = 10 .
Insgesamt erhält A also 50 + 10 = 60, einen Betrag, der sich auch mit der Formel für den Gesamtpflichtteil N +S GPA = ~ - a =
200
+ 120 + 40 + 40 2 .2
- 40 = 60
ermitteln läßt. b) Betrug das Geschenk an A hingegen 60, so bleibt es zwar beim Pflichtteil von
der PflichtteilseI1gänzungsanspruch würde hier aber negativ EPA
S
= 2n -
a
=
120
+ 40 + 60 2 .2
- 60
= 55 - 60 = - 5 .
61 Vgl. Bührer, ZBIFG 15, 1915, 222; Kretzschmar, Recht 1912, Sp. 40; Schopp, Rpfleger 1956, 121; Haegele/Litjin (0. Anm. 18), Rz. IV 362 (drittes Beispiel); von Lübtow (0. Anm. 15) I, 594; KipplCoing (0. Anm. 18), § 13 IX, S. 99; LangelKuchinke (0. Anm. 18), § 39 IX 2 e, S.628; PlancklGreiff4 , § 2327 Anm. 2; StaudingerlFerid 10!l1, § 2327 Rz. 9; Dieckmann in Soergel/Siebert 10 , § 2327 Rz. 2; Johannsen im RGRK12, § 2327 Rz. 3; PalandtiKeidel38 , § 2327 Anm.2. 52 Vgl. Hahn (0. Anm. 23), 88, und die in Anm. 51 Genannten. 63 Vgl. Sostmann, MittRhNotK 1976, 505; Johannsen im RGRK1!, § 2329 RZ.3.
Zur Anrechnung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
611
A erhält also keine Pflichtteilsergänzung. Er braucht sich aber auch
die 5, den Betrag also, um den
agrößer war als :n ' nicht auf den or-
dentlichen Pflichtteil anrechnen zu lassen. § 2327 I 1 BGB ordnet ja nur
die Anrechnung auf die Ergänzung an. Wollte man, wenn a >
2~
2~'
a -
noch auf den ordentlichen Pflichtteil anrechnen, so würde dies
§ 2315 BGB widersprechen64 • Auf den Pflichtteil sollen Geschenke eben nur angerechnet werden, wenn der Erblasser dies ausdrücklich anordnete. IV. Drittschenkungen und anrechnungspflichtiges Eigengeschenk (§ 2327 I 2 BGB) 1. Auch hier ist von § 2327 I 1 BGB auszugehen: Das Geschenk6ö, das der Pflichtteilsberechtigte selbst erhielt, ist wie eine an einen Dritten erfolgte Zuwendung dem Nachlaß hinzuzurechnen. Während aber ein nach § 2315 BGB nicht anrechnungspflichtiges Geschenk an den PflichtVgl. PlancklGreiff4, § 2327 Anm. 2; StaudingerIFeTid 10/ 11 , § 2327 Rz. 9 ß. Im Rahmen des § 2327 BGB ist der Wert des anrechnungspflichtigen Geschenks nicht nach den Bewertungsmaßstäben des § 2325 11 BGB, sondern nach den Grundsätzen des § 2315 11 2 BGB zu bestimmen. Maßgebend ist also stets der Zeitpunkt der Zuwendung, nicht der Zeitpunkt des Erbfalls; vgl. Hahn (0. Anm. 23), 89; Kretzschmar, Recht 1912, Sp. 41; Staudingerl Herzfelder, sämtliche Auflagen (0. Anm. 2 bis 7), § 2327 Anm. 2; Dieckmann in SoergellSiebert 10, § 2327 Rz. 3; Johannsen im RGRK12, § 2327 Rz. 5; Palandt! Keidel 39 , § 2327 Anm. 4. - Anderer Ansicht sina nur noch PlancklGreiff4, § 2327 Anm. 3, und StaudingerIFerid 10!11, § 2327 Rz. 16, die die Worte "in gleicher Weise" (§ 2327 I 1 BGB) zu Unrecht auch auf anrechnungspflichtige Geschenke (§ 2327 I 2 BGB) beziehen und meinen, das Geschenk an den Pflichtteilsberechtigten selbst und das Geschenk an den Dritten müsse unter allen Umständen nach gleichen Bewertungsgrundsätzen beurteilt werden. Noch anders Bührer, ZBIFG 15, 1915, 225: Er setzt das Geschenk bei Errechnung des erhöhten Nachlasses nach der Vorschrift des § 2325 11 BGB an, während er bei der Anrechnung von dem nach § 2315 11 2 BGB maßgebenden Wert ausgeht. Hätten diese Autoren recht, so könnte die unten unter IV 2 c (S.614) wiedergegebene vereinfachte Formel E A = nicht verwendet werden; in der Aus54
66
gangSfOrmeIEA
=( N+2~+a
:n
-a)-(N 2!a-a)
wäreajanichtinje-
dem Fall gleich a. Das an A gefallene Geschenk müßte bei Berechnung des ergänzten Pflichtteils als CL:J angesetzt werden, bei Berechnung des Pflichtteils als al. Schon deshalb befremdet die Wortauslegung PlancklGreiffs und StaudingerlFerids. Entscheidend ist indes, was schon Hahn (0. Anm. 23), 89 Anm. 8, betonte: Ein anrechnungspflichtiges Geschenk ist kein reines Geschenk, sondern vorempfangenes Erbe. Pflichtteilsberechtigter und Erblasser haben diese vorweggenommene Erbfolge wertmäßig bei Abschluß des Rechtsgeschäfts flxiert und sich auf diesen Wert eingestellt. Damit muß es sein Bewenden haben. Weder der Erbe, noch der Beschenkte, noch Dritte sollen durch zwischenzeitlich eingetretene Wertschwankungen bevorzugt oder benachteiligt werden.
Fritz und Gudrun Sturm
612
teilsberechtigten, der eine Ergänzung beanspruchtl8 , nur auf die Ergänzung angerechnet wird, ist das anrechnungspflichtige Geschenk gemäß § 2327 I 2 BGB auf den Gesamtbetrag von Pflichtteil und Ergänzung anzurechnen. Der Vorschrift des § 2327 12 BGB läßt sich entnehmen, daß das fragliche Geschenk natürlich nur einmal angerechnet, d. h. abgezogen wird57 • Es folgt aus ihr ferner, daß sich dieses Geschenk bei Errechnung des Gesamtpflichtteils voll auswirktl8 . 2. Auch ein so ergänzter Pflichtteil läßt sich in eine mathematische Formel kleiden. a) Bezeichnet man den Nachlaß mit N, die Summe aller Schenkungen mit S, das Geschenk an den Ergänzungsberechtigten A mit a und die Zahl der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge mit n, so ergibt sich:
N+S
GPA=~-a.
Passen wir unseren Ausgangsfall dem hier erörterten Problem an und setzen als Wert des Nachlasses 200 ein, als Wert des Geschenks an G 120, der Schenkungen an Kind B 40 und an Kind A ebenfalls 40 dieser letztere Betrag soll anrechnungspflichtig sein -. Für A läßt sich dann ein Gesamtpflichtteil von 60 errechnen; nämlich N
+S
GPA=~-a=
200
+ 120 + 40 + 40 2.2
-40=60.
Insgesamt gesehen hat A also noch 60 zu erhalten. b) Was § 2327 I 2 BGB nicht regelt, ist indes die Frage, wie denn nun der anrechenbare Betrag auf Ergänzung und Pflichtteil zu verteilen ist59• Ob er zunächst auf den Pflichtteil angerechnet wird und nur der Betrag, der dort nicllt abgesetzt werden kann, von der Ergänzung abzuziehen ist. Oder ob beim Ergänzungsberechtigten zunächst der Pflichtteil allein nach § 2303 BGB bestimmt werden muß, dann das Geschenk 51 Andere Pflichtteils- und Ergänzungsberechtigte sind im Verhältnis zu ihm Dritte. Was sie durch Freigebigkeiten des Erblassers erhielten, wird wie das Geschenk an einen Extraneus dem Nachlaß hinzugerechnet, ob es nun anrechnungspflichtig ist oder nicht. Näheres oben S. 604. 57 StaudingerIFerid 10/ 11 , § 2327 Rz. 11. 58 Bührer, ZBIFG 15, 1915, 224; Strohal (0. Anm. 23), 520; KipplCoing (0. Anm. 18), § 13 IX, S. 99; Staudinger/Ferid 10/11 , § 2327 Rz. 11. 51 Daß hier zwischen regelmäßigem (ordentlichem) und Ergänzungspflichtteil überhaupt nicht zu unterscheiden ist, behauptet Crome (0. Anm. 43), 489 f. Anm. 48. Eine Begründung hierfür bleibt er freilich schuldig. Ob ihm Staudinger/Ferid, wie er selbst in der 10./11. Aufl., § 2327 Rz. 14, schreibt, folgt, erscheint uns zweifelhaft; vgl. unten Anm. 60.
Zur Anrechnung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
613
von der Ergänzung abgezogen und nur, falls es sich dort nicht voll auswirkt, der Rest vom Pflichtteil subtrahiert wird. RechtspreclJ.ung gibt es nicht. Im Schrifttum gehen die Ansichten auseinander, ja widersprechen sich60 • Für die erste Deutung sprachen sich Hahn 6!, Kretzschmar62 , PlanckIGreiff'3, Johannsen 64 aus, während die zweite von Bührer65 , von Lübtow 66 , PalandtiKleidel67 und Haegelel Litfin68 vertreten wird. Der Streit ist durchaus von praktischer Bedeutung. Wegen des ordentlichen Pflichtteils kann sich der Berechtigte nur an den Nachlaß halten. Wegen des Ergänzungsanspruchs kann er, soweit der Erbe zur Ergänzung nicht verpflichtet ist69 , vom Beschenkten in Höhe des Fehlbetrags Duldung der Zwangsvollstreckung in das Geschenk verlangen (§ 2329 11 BGB). 60 So führt StaudingerIFerid 10!11, § 2327 Rz. 14, aus, das Geschenk sei zunächst auf die Ergänzung anzurechnen und nur mit dem überschießenden Betrag auf den regulären (nach § 2303 BGB berechneten) Pflichtteil, was in Rz. 15 auch an einem Beispiel demonstriert wird. In Rz. 17 wird der Pflichtteil aber nach § 2315 BGB berechnet. Wenn anschließend der Anrechnungspflichtige sich den "Abzug von seinem Gesamtguthaben (= dem nach § 2315 berechneten Pflichtteil + Ergänzung) gefallen lassen muß", so bedeutet dies eben doch, daß nur der Rest von der Ergänzung abgezogen wird. 61 (0. Anm. 23), 89. 6! Recht 1912, Sp. 42 f. 63 § 2327 Anm. 2. 64 im RGRK12, § 2327 Rz. 5. 65 ZBIFG 15, 1915, 224. Bührer rechnet daher in den Fällen des § 2327 I 2 BGB mit dem regelmäßigen Pflichtteil nach § 2303 BGB. Dieser wird gegebenenfalls um den Betrag verringert, der bei der Anrechnung des Geschenks auf die Ergänzung nicht voll subtrahiert werden kann. 66 (0. Anm. 15) I, 595. 67 § 2327 Anm. 4. 68 Haegele/Litfin (o.Anm. 18), Rz. IV 362 (drittes beispiel am Ende), behauptet dies zwar nicht ausdrücklich. Doch folgt dies aus seinem Rechenbeispiel. Vom Gesamtpflichtteil wird nämlich zunächst der nur nach § 2303 BGB berechnete Pflichtteil in Abzug gebracht, davon das Geschenk und, soweit es sich bei der .Ergänzung nicht auswirkt, der Rest bei dem nach § 2303 BGB berechneten Pflichtteil. Ebenso Haegele, BWNotZ 1972, 72. 69 Die Haftung des Beschenkten beginnt dort, wo die des Erben aufhört. Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er die Ergänzung in Höhe des Betrags verweigern, der erforderlich ist, damit ihm sein eigener Pflichtteil zuzüglich der Ergänzung verbleibt (§ 2328 BGB). Wurde ein Extraneus Erbe und haftet er nur beschränkt, so ist der Ergänzungsanspruch gegen ihn ausgeschlossen, soweit der Nachlaß nicht ausreicht; ebenso im Fall der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB. Vgl. Bührer. ZBIFG 15, 1915, 216 f.; Schopp, Rpfleger 1956, 123; Sostmann, MittRhNotK 1976, 501; Kipp/Coing (0. Anm. 18), § 13 VI 2, S. 96; LangelKuchinke (0. Anm. 18), § 39 IX 3 a, S. 628 f.; Johannsen im RGRK12, § 2329 Rz. 1 und 2. Aber auch wenn der Ergänzungsberechtigte selbst Erbe wurde, der Nachlaß jedoch ungenügend ist, entsteht hinsichtlich der Ergänzung ein Anspruch gegen den Beschenkten {§ 2329 I 2 BGB).
Fritz und Gudrun Sturm
614
Da vorrangig der Erbe, nicht der Beschenkte, belastet werden müsse, bringt Bührer70 das Geschenk zunächst bei der Ergänzung zum Abzug. Ist seine Grundidee auch richtig, so vermag sie doch § 2315 nicht zu verdrängen. Regelt diese Norm, wie der Pflichtteil zu berechnen ist, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein anrechnungspflichtiges Geschenk erhielt, so kann diese Berechnungsdirektive nicht plötzlich dann nicht mehr gelten, wenn auch Dritte in den Genuß unentgeltlicher Zuwendungen kamen und deshalb eine Pflichtteilsergänzung zu erfolgen hat. Im übrigen verkürzt die Anrechnung nach § 2315 BGB den regulären, nach § 2303 BGB berechneten Pflichtteil. Dadurch wird die N achlaßmasse erhöht, die zur Erfüllung des Ergänzungsanspruchs verfügbar ist. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß richtiger Ansicht nach auch in Fällen, in denen der Ergänzungsberechtigte ein anrechenbares Geschenk erhielt, sich sein Pflichtteil nach § 2315 BGB und nicht nach § 2303 BGB errechnet. Im obigen Beispiel beträgt der Pflichtteil des Adernnach 20, nämlich PA
N
+a
= -2n- -
a
=
200 + 40 2·2
-
40 = 20 .
c) § 2327 I 2 BGB regelt nur die Anrechnung des Geschenks. Hinsichtlich der Ergänzung gelten die bei § 2325 I und § 2327 I 1 BGB dargestellten Grundsätze. Die Ergänzung, die A erhält, ist der Betrag, um den sein Gesamtpflichtteil den ordentlichen Pflichtteil übersteigt71 • Diese Differenz läßt sich formelmäßig wie folgt ausdrücken:
E = (N2:S_ a)_(N2!a_a). A
Bedenkt man, daß wir mit S die Summe aller Schenkungen bezeichnen und daß in dieser Summe a mitenthalten ist, so kann man die Gleichung aufstellen: S =x + a.
x steht dabei für alle Schenkungen außer derjenigen, die an den Ergänzungsberechtigten A fiel. Ersetzt man in obiger Gleichung S durch x + a, so erhält man: oder aufgelöst
70
71
EA= (N+2:+a _a)_(N2!a_a)
o. Anm. 65. Ebenso rechnet Kretzschmar, Recht 1912, Sp. 42.
Zur Anrechnung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
615
Hat der Ergänzungsberechtigte selbst ein anrechnungspflichtiges Geschenk erhalten, so ist die ihm zustehende Ergänzung allein eine Funktion aller übrigen Schenkungen72• Mit anderen Worten, die Ergänzung errechnet sich als ein dem Pflichtteil des Ergänzungsberechtigten entsprechender Anteil an allen Schenkungen mit Ausnahme des an den Ergänzungsberechtigten selbst erfolgten anrechnungspflichtigen Geschenks. Auf den ersten Blick ist dieses Ergebnis erstaunlich. Wenn sich die Ergänzung nur nach den übrigen Schenkungen bestimmt, so ist die bisweilen geäußerte Furcht vor einer Doppelanrechnung7S , mag darunter nun ein doppeltes Hinzurechnen oder ein doppeltes Abziehen verstanden werden, indes gebannt. x d) Mit der Formel E = 2n haben wir nur die Ergänzung umschrieben. Um die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu ermitteln, ist noch die Anrechnungsvorschrift des § 2327 I 2 BGB heranzuziehen. Wie oben74 bereits dargelegt wurde, erfolgt die Anrechnung des Geschenks zunächst auf den Pflichtteil. Von der Ergänzung wird nur der Betrag abgezogen, der sich beim ordentlichen Pflichtteil nicht auswirkt. Ist
N 2:
~ a, so kommt der anrechnungspflichtige Betrag bereits im
a
Rahmen des § 2315 BGB voll zum Tragen. Der ordentliche Pflichtteil (PA = N 2: a - a)
ist dann nämlich größer oder gleich Null.
Ist hingegen N 2: a
< a, so
ergibt sich als ordentlicher Pflichtteil ein
negativer Betrag. Nun braucht zwar A nichts an den Nachlaß zuruckzubezahlen, sein Pflichtteilsanspruch beläuft sich ~uf Nu1l75 • Soweit die Subtraktion jedoch zu einem negativen Ergebnis führt, ist dieser Betrag von der Ergänzung abzuziehen. Oder anders ausgedrückt: Wenn a
N+a
>~,
.
dann 1St a
N+a
_~78
auf EA anzurechnen; hier, aber auch
nur hier, gilt die Gleichung: Auch dies sah Kretzschmar, Recht 1912, Sp. 42. Hahn (0. Anm. 23), 89. 74 S.605. 75 Vgl. Planck/Greiff4 , § 2315 Anm. 2 d; Johannsen im RGRK12, § 2315 Rz. 2; Lange/Kuchinke (0. Anm. 18), § 39 IX 2 e, S.628. 78 Angerechnet wird die Differenz d, der Betrag nämlich, um den a größer 72
73
d
N+a 2n
I ~======~==a========~· N+a d=a- - -
ist als N2~a: 2n
Also ist
a=d +
N+a 2n
oder
Fritz und Gudrun Sturm
616
~
EPA =
2n
_
(a _ + a) . N
2n
Kehren wir zu unserem Beispiel zurück, so erhalten wir für A folgende Ergänzung x 120 + 40 EA
=
2n
=
2.2
= 40
.
3 a) Wie wir bei Berechnung des Pflichtteil anspruchs nach § 2315 BGB sahen, erhält A 20 als ordentlichen Pflichtanteil. Das anrechnungspflichtige Geschenk kam bereits dort voll zum Tragen, so daß A sich auf die Ergänzung nichts mehr anrechnen lassen muß. Sein außerordentlicher Pflichtteil beträgt damit 40. Ordentlicher Pflichtteil 20 und Ergänzungspflichtteil 40 ergeben zusammen 60, den Betrag, den wir bereits auf andere Weise als Gesamtpflichtteil errechneten. b) Modifizieren wir das Beispiel und gehen - ceteris paribus - davon aus, A habe ein anrechnungspflichtiges Geschenk von 80 erhalten. Hier beläuft sich sein Pflichtteil auf - 10; nämlich PA
N+a
=
~
- a
=
200+80 2. 2 - 80
= - 10.
A hat also keinen Pflichtteils anspruch. Die Ergänzung EA
=
120 + 40 2.2 =40
x
2n
ändert sich nicht, da auf sie ja das Geschenk an den Ergänzungsberech-
tigten ohne Einfluß ist. Da aber a > N2: a (80 > 70), sind die fehlenden
a
10 ( _N
2: a)
von EA
=
40 abzuziehen77 •
Der Ergänzungsanspruch . beträgt daher in diesem Falle nur 30. Die Probe über den Gesamtpflichtteil bestätigt dieses Ergebnis: EP A =
N
+S
2n -
a =
200
+ 120 + 40 + 80 2.2
- 80 = 30 .
4. Eine Formel, wie die hier dargestellte, wurde vom Schrifttum bisher nicht entwickelt. Wenn überhaupt Beispiele zu §2327 I 2 BGB gegeben werden, so differieren die BerechnungsmodF8. 71 Ebenso rechnet Kretzschmar, Recht 1912, Sp. 43, ohne den Rechenmodus freilich formelmäßig zu erfassen. 78 Hahn (0. Anm. 23), 90, berechnet wie wir den Pflchtteil des A gemäß § 2315 BGB. Dann bestimmt er den Gesamtpflichtteil und den ordentlichen Pflicht-
Zur Anrechnung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
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V. Schlußwort Möge diese kleine Studie zu Ehren Ulrich von Lübtows die Schwierigkeiten meistern helfen, die bei Anrechnung von Schenkungen bei der Pflichtteilsergänzung auftreten. Sie ist nicht mehr als ein bescheidenes Mosaiksteinchen für den Tempel des Rechts, zu dem Ulrich von Lübtow so viele Ecksteine beitrug. Von dem Berliner Gelehrten, der sich ein Leben lang für Recht und Gerechtigkeit einsetzte und auch in schwerster Zeit wie nur wenige für freie Lehre und Wissenschaft eintrat, darf der Satz gelten, der nach Digesten 1, 2, 2, 13 aus der Feder des klassischen Juristen Sextus Pomponius, libro singulari enchiridü, stammt: Constare non potest ius nisi sit aliquis iuris peritus per quem possit cottidie in melius produci.
teil, wie wenn keine Anrechnungspflicht bestände, und bildet die Differenz, die er als Ergänzungsanspruch bezeichnet. Also übertragen auf unser Beispiel 3 a: 110 - 50 = 60. Da sich bei der Anrechnung nach § 2315 BGB das Geschenk bereits voll auswirkte, vermag es den Ergänzungsanspruch nicht zu kürzen. Hahn kommt damit zu demselben Endergebnis wie wir. Kretzschmar, Recht 1912, Sp. 41 ff., rechnet wie wir; vgl. oben Anm. 71, 72 und 74. Schopp, Rpfleger 1956, 121, beschränkt sich darauf, den Gesamtpflichtteil zu ermitteln, ohne auf die in ihm zusammengeflossenen Einzelansprüche näher einzugehen; ebenso Kipp/Coing (0. Anm. 18), § 13 IX, S.99. Lange/Kuchinke (0. Anm. 18), § 39 IX 2 e, S. 628, errechnet zunächst den Pflichtteil nach § 2315 BGB. Zur Ermittlung der Ergänzung zieht er die Geschenke an Dritte und den Betrag heran, der sich gegebenenfalls durch die nach § 2315 BGB vollzogene Anrechnung nicht auswirkte. Aus dieser Summe wird ein der Pflichtteilsquote entsprechender Anteil ermittelt und davon wieder abgezogen, was bei § 2315 BGB nicht zum Tragen kam. In unserem Beispiel 3 b würde er demnach beim Ergänzungsanspruch rechnen: (120 + 40 + 10) : 4 = 42,50 - 10 = 32,50. Ober die widersprüchliche Berechnungsweise Staudinger/Ferids vgl. oben Anm. 60. Oberhaupt kein Rechenbeispiel geben: Strohal (0. Anm. 23), 520; Johannsen im RGRK.12, § 2327 Rz. 5; Dieckmann in Soergel/Siebett 10 , § 2327 Rz. 3; ErmanJBartholomeyczik/Schlüterfl, § 2327 Rz. 1 und 2, und Palandt/Keidel38• § 2327 Anm. 4.
Materielle und vollstreckungsrechtliche Folgeprobleme der Entscheidung des BGHl für die Sondernachfolge in den Gesellschaftsanteil an der OHG bei sog. qualifizierter Nachfolgeklausel Von Dieter Heckelmann 'Obersicht A. Problemstellung B. Rechtsstellung und Rangordnung des "einrückenden" und der "weichenden" Erben, der Pfiichtteilsberechtigten und sonstigen Gläubigergruppen I. Erbeninterner Wertausgleich 1. Ausgleichsanspruch 2. Ausschluß des Ausgleichs H. Pfiichtteilsberechtigte III. Sonstige Gläubigergruppen 1. Nachlaßgläubiger 2. Verhältnis der Erben-Eigengläubiger zueinander sowie zu "weichenden" Miterben c. Zuordnung des künftigen Auseinandersetzungs- und des Gewinnanspruchs D. Fehlgeschlagene Nachfolgeregelung E. Sondernachfolge im Recht der GmbH? F. Zusammenfassung
A. Problemstellung Zum eisernen Bestand von Gesellschaftsverträgen einer OHG gehören abweichend vom gesetzlichen Normalstatut (§ 131 Nr.4 HGB, § 727) Nachfolgeklauseln des Inhalts, die Gesellschaft beim Tode eines persönlich haftenden Gesellschafters mit den Erben oder auch nur einem einzelnen von ihnen, und zwar dem fachlich oder persönlich am besten geeigneten, fortzusetzen. Die besonders im letztgenannten Fall 1 BGHZ 68, 225 = JZ 1977, 685 (mit Anm. Wiedemann) = DNotZ 1977, 550 (mit Anm. Priester) = NJW 1977, 1339; vgl. ferner: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Die Personengesellschaft, 1977, § 18 VII, S. 413; Göbel, DNotZ 1979, 133; Tiedau, MDR 1978, 353; Ulmer, BB 1977, 805. - §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB.
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der sog. qualifizierten Nachfolgeklausel auftauchenden Regelungsdivergenzen und deren Lösung werden seit Jahrzehnten überaus kontrovers diskutiert!. Die Schwierigkeit, die Nachfolge eines einzelnen Miterben in den gesamten Gesellschaftsanteil rechtlich zu bewältigen, liegt in den strukturellen Unterschieden zwischen dem Erbrecht einerseits und dem Personengesellschaftsrecht andererseits3 ; Die das Erbrecht beherrschenden Prinzipien der Universalsukzession und der gesamthänderischen Bindung des Nachlasses unter Miterben stehen im Widerspruch zur persönlichen Verbundenheit der einzelnen Gesellschafter durch Mitarbeitspflicht und unmittelbare Haftung (§§ 114, 128 HGB) sowie dem daraus folgenden Bedürfnis der überlebenden Mitgesellschafter, die Gesellschaft unmittelbar mit dem Erbfall nur mit dem einen am besten geeigneten Miterben fortzusetzen. Naturgemäß suchte das zuletzt erwähnte praktische Bedürfnis den Durchbruch, der freilich nur mit der Preisgabe der angeführten Erbrechtsprinzipien zu bewerkstelligen war. Es fanden sich zwar auch quasi - Umgehungslösungen, vor allem mit der Erklärung, die Nachfolge in den Gesellschaftsanteil finde außerhalb des Erbrechts rechtsgeschäftlich durch "dinglichen" Vertrag zugunsten Dritter statt'. Dieser Vorschlag hat sich aber mit Recht vor allem wegen der Bedenken, daß es sich hierbei auch um eine gesellschaftsvertragliche Regelung zu Lasten Dritter handeln würde, nicht durchgesetzt'. Im Ergebnis wurde man sich daher weitgehend einig, wenn im Gesellschaftsvertrag die Gesellschaftsbeteiligung nur für einen einzelnen Miterben vererblich gestellt ist, diese aufgrund Erbrechts unmittelbar mit dem Erbfall und in voller Höhe (sog. Vollnachfolge) auf den begünstigten Miterben unter Ausschluß der übrigen übergehen zu lassens. Die Begründungsversuche sind angesichts des Fehlens eines gesetzlichen Unternehmenserbrechts und der somit bestehenden Regelungslücke indes vielfältig7 • Unter anderem folgt die Literatur der Theorie der Sondererbfolge in Analogie zum Höfe- und Heimstättenrecht8 • Wiedemann' will demVgl. statt vieler die übersicht bei Ulmer, ZGR 1972, 195 ff., 324 ff. Vgl. bereits G. und D. Reinicke, NJW 1957, 561; Säcker, Gesellschaftsvertragliche und erb rechtliche Nachfolge in Gesamthandsmitgliedschaften, 1970, 68, der zutreffend von einer KoIIisionslücke spricht. , Vgl. Flume (0. Anm. 1),383 ff. S Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, 454; Göbel, DNotZ 1979, 133, 135. S Vgl. Ulmer, ZGR 1972, 195,205. 7 Vgl.GÖbel, DNotZ 1979, 133,138; Ulmer, ZGR 1972, 195, 206 ff. 8 Siebert, BB 1956, 837, 838; Finger, JR 1969, 409, 412 f.; kritisch dazu Wiedemann, Die übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, 203 ff.; vgl. auch Huber (0. Anm. 5),447, der zutreffend darauf hinweist, daß die Analogie nur aus dem Ergebnis, nicht aus der Gleichheit der Interessenlage zu rechtfertigen sei. t Wiedemann (0. Anm. 8), 205 f. I
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gegenüber § 1417 analog heranziehen. Verschiedentlich wird auch auf einen Vorrang des Gesellschafts- vor dem Erbrecht (vgl. auch § 139 RGB) abgestelWO oder für eine offene Rechtsfortbildung im Sinne der Vollnachfolge plädiertu . Der BGR hatte mit Urteil vom 22.11.1956 12 noch einen unmittelbaren übergang der Gesellschaftsbeteiligung auf den begünstigten Miterben nur in Röhe der diesem zukommenden Erbquote befürwortet und damit ganz überwiegend Kritik im Schrüttum13 auf sich gezogen. Er hat sich nunmehr in seiner Entscheidung vom 10.2. 197714 ebenfalls der allmein vertretenen Auffassung einer unmittelbaren Vollnachfolge des begünstigten Miterben aufgrund Erbrechts angeschlossen. Zur Begründung stützt er sich auf eine konsequente Fortführung des Prinzips der Einzelrechtsnachfolge15 und lehnt eine Nachfolge aufgrund Vertrags zugunsten Dritter im Sinne eines unmittelbaren Anteilsübergangs ausdrücklich abU. Die Entscheidung des BGR aus 1977 hat damit zu einer einheitlichen Linie von Rechtsprechung und Schrifttum für die Sondernachfolge in den aRG-Anteil geführt. Insoweit ist es müßig, über die Begründung im einzelnen noch zu streiten. Wohl auch deshalb hat sich der BGR einer sorgsamen eigenen dogmatischen Stellungnahme schlicht enthalten. Es steht nun fest, daß bei qualifizierten Nachfolgeklauseln im Vertrag der aRG die Erbrechtsprinzipien der Universalsukzession und der Gesamthandsnachfolge mit Rücksicht auf praktische gesellschafterliche Bedürfnisse außer Kraft gesetzt sind. Auf der anderen Seite gehört es zum Erfahrungsschatz, daß ein von der Rechtsprechung in einer Einzelfrage im Interesse der Rechtsfortbildung vollzogener Systembruch nie auf die Einzelfrage beschränkt blieb, sondern über die Einbruchstelle hinaus weiterreichende Sekundärfolgen zeitigte mit dem Effekt, daß die eine gelöste Frage eine Fülle neuer Fragen überhaupt erst aufwarf. So verhält es sich auch mit der Anerkennung der qualifizierten Nachfolgeklausel. Dabei fällt auf, daß diese Folgefragen, trotz der ungeheuren Literaturfülle über Notwendigkeit und Begründung der Sondernachfolge in den aRG-Anteil, kaum und dann nur am Rande diskutiert werden17 , obwohl deren praktische Relevanz handgreiflich ist. 10 Rokas, Die Teilhaberschaft an der offenen Handelsgesellschaft und ihre Vererbung, 1965,77 f., 87 f.; vgl. auch von Lilbtow, ErbrechtlI, 1971,863 f. 11 Rilthers, AcP 168, 263, 276 ff.; ablehnend Huber (0. Anm. 5), 448 ff.
BGHZ 22,186 ff. = NJW 1957, 180. Vgl. von Lilbtow (0. Anm. 10), 863 ff.; Zunft, NJW 1957, 1129, 1131; vgl. auch Rilthers, AcP 168, 263, 269 f. 14 Vgl. o. Anm. L 15 BGHZ 68, 225, 238. 18 BGHZ 68, 225, 231. 17 Vgl. Gäbel (0. Anm. 1), 139; Wiedemann (0. Anm. 1), 691. 12
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So ist für die Nachlaßabwicklung von wesentlicher Bedeutung, ob die von der Sondernachfolge benachteiligten Miterben diese bis zur Pflichtteilsgrenze hinzunehmen haben oder wenigstens den begünstigten Erben auf einen schuldrechtlichen Ausgleich in Anspruch nehmen können. Unmittelbar berührt werden von der Sondernachfolge auch Pflichtteilsberechtigte und sonstige Nachlaßgläubiger, vor allem aber die Eigengläubiger der Miterben, die bei dem in den OHG-Anteil nachfolgenden Miterben an sich auf ein größeres, bei den insoweit weichenden Miterben auf ein geringeres Haftungssubstrat zugreifen können. Bei diesen Konstellationen stellt sich die Frage, ob die Sondernachfolge die Haftungsverhältnisse und die Rangfolge unter den mehreren Gläubigergruppen verschiebt. Auch steht zur Diskussion, welche Konsequenzen sich aus einer fehlgeschlagenen letztwilligen Anordnung über die Erbfolge für die Nachfolge im Gesellschaftsverhältnis ergeben, da die Sondernachfolge auf dem Doppeltatbestand gesellschaftsvertraglicher und letztwilliger erb rechtlicher Regelung beruht. Schließlich strahlt die Sondernachfolge auch in das Recht der GmbH aus. Schon vor der BGHEntscheidung wurde mehrfach18 trotz zahlreicher Gegenstimmen1' bei personalistischer Ausgestaltung der GmbH das praktische Bedürfnis ebenso wie die Notwendigkeit der Sondernachfolge eines Miterben in den Geschäftsanteil einer GmbH anerkannt. Da für die personalistische GmbH vielfach abweichend von disponiblem GmbH-Recht Analogien zum Recht der OHG gezogen wurden, legt jetzt die angeführte BGHEntscheidung nahezu zwangsläufig die Folgerung nahe, das Sondernachfolgekonzept insoweit auch auf die GmbH zu übertragen. Die zitierten Folgeprobleme der nunmehr allseits akzeptierten Sondernachfolge in denPlIG-Anteil stellen nur einen Teil des Gesamtkomplexes der Folgefragen dar, bilden aber gleichwohl den praktischen Kernbereich. Sie werden deshalb nachfolgend näher betrachtet,
18 Vgl. Finger, GmbH-Rdsch. 1975,97,103; Sehefer, In welcher Weise kann die Satzung einer GmbH den Erwerb von Geschäftsanteilen durch Erbgang ausschließen oder beschränken? Diss. Mainz 1960, 6911.; ders., DB 1964, 759 f. 11 Vgl. Landmann, Zur Regelung der Gesellschaftsnachfolge in der Satzung einer GmbH, Diss. Bonn 1968, 13111.; PetzoZdt, GmbH-Rdsch. 1977,25,31 f.
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B. Rechtsstellung und Rangordnung der "einrückenden" und der "weichenden" Erben, der Pftichtteilsberechtigten und sonstigen Gläubigergruppen I. Erbenintemer Wertausgleich 1. Ausgleichsanspruch
Durch die Vollnachfolge eines Miterben in den Gesellschaftsanteil erwerben die weichenden Miterben keine Abfindungsansprüche nach § 738 Abs. 1 Satz 2 gegen die Gesellschaft, weil kein Ausscheidenstatbestand vorliegt20. In Betracht kommt aber eine Ausgleichspflicht des Nachfolger-Erben gegenüber den weichenden Miterben. Die Anerkennung der Sondernachfolge durch den BGH beruht auf der Unterscheidung zwischen gegenständlicher Zuordnung des Gesellschaftsanteils an den begünstigten Erben und der Zuweisung des Anteilswertes an den Nachlaß!1. Mit einiger Konsequenz nimmt der BGW! daher grundsätzlich eine Ausgleichspflicht des begünstigten Erben gegenüber den weichenden Miterben in Höhe des Betrages an, um den der Gesellschaftsanteil die Erbquote des Nachfolger-Erben wertmäßig übersteigt. In der Literatur wurde freilich auch die gegenteilige Auffassung vertreten. So lehnt z. B. Zunft 23 eine Wertausgleichspflicht des Nachfolger-Erben mit der Begründung ab, gesetzliche erbrechtliche Ausgleichs- und Anrechnungspflichten gebe es ausschließlich in den Fällen der §§ 2050 ff., 2315, 2316, 2320 ff., während es im übrigen dem Willen des Erblassers entspreche, dem Gesellschaftermiterben den Gesellschaftsanteil zusätzlich zum Erbanteil zuzuwenden. Im neueren Schrifttum wendet sich auch Huber' gegen eine Ausgleichspflicht wegen Fehlens einer gesetzlichen Grundlage sowie unter Hinweis darauf, daß in anderen Fällen, in denen der Erblasser durch lebzeitige Zuwendung auf den Todesfall über Teile seines Nachlasses verfügt, ebenfalls keine Ausgleichspflicht angenommen werde, Demgegenüber steht die überwiegende Ansicht im Schrifttum!5 wie der BGH auf dem Standpunkt, der nachfolgeberechtigte Miterbe müsse sich den Wert des Gesellschaftsanteils bei der Erbauseinandersetzung anrechnen lassen und sei ge20 von Lübtow (0. Anm. 10), 864; vgl. RütheTs, AcP 168, 263, 279. ~1 Vgl. auch Kipp/Coing, Erbrechtl 3, 1978, § 91 IV 8 e, S.524; Wiedemann (0. Anm. 1), 691. !S BGHZ 68, 225, 238. 23 Zunft, NJW 1957, 1129, 1132 f. 24 HubeT (0. Anm. 5), 480 ff. 15 von Lübtow (0.Anm.l0), 864f.; UlmeT, ZGR 1972,324, 326; vgl. auch Rokas (0. Anm. 10), 90; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts2, 1978, § 5 V 3, S. 80 f.
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gebenenfalls den weichenden Erben gegenüber zum Ausgleich verpflichtet. Die rechtliche Begründung, Umfang und Grenzen eines solchen Wertausgleichsanspruchs sind allerdings auch heute noch weitgehend ungeklärt. Die Ablehnung eines Ausgleichs durch Huber 20 beruht auf dessen Grundannahme, daß der Gesellschaftsanteil erbrechtlich nur in Höhe der Erbquote des begünstigten Miterben auf diesen übergeht und insoweit naturgemäß ein erbrechtlicher Ausgleichsanspruch der weichenden Erben von vornherein ausscheidet. Im Hinblick auf den nach Huber dann kraft Vertrages zugunsten Dritter übergehenden Restanteil soll aber nur unter den engen Voraussetzungen der nicht analogiefähigen §§ 2050 ff. ein Ausgleichsanspruch bestehen. Diese Betrachtung entspricht nicht dem einmütig vertretenen einheitlichen erbrechtlichen Übergang des Gesellschaftsanteils und kann daher für die Frage des Wertausgleichsanspruchs keine Berücksichtigung finden. Das gegen die Anerkennung eines Ausgleichsanspruchs der weichenden Erben vor allem vorgebrachte Argument, es fehle dafür an einer gesetzlichen Grundlage, erscheint schon deshalb nicht zwingend, weil die qualifizierte Nachfolge in den Gesellschaftsanteil ihrerseits gesetzlich nicht geregelt ist und demnach auch die Folgeproblematik des Wertausgleichs zwangsläufig ein Lückenproblem wird27 • Dessen Lösung kann daher ebenfalls nur im Zusammenhang mit der rechtsfortbildenden Anerkennung der unmittelbaren Vollnachfolge in den Anteil durch den begünstigten Erben beurteilt werden. Ausgangspunkt für die Bewältigung dieser Lückenproblematik ist deshalb die überlegung, erbrechtliche Prinzipien im Interesse einer Sondernachfolge in den OHG-Anteil nur für diesen Spezialfall und nicht darüber hinaus außer Kraft zu setzen28 • Anlaß für die Durchbrechung der Universalsukzession und der gesamthänderischen Bindung des Nachlasses durch die Sonderzuordnung des Gesellschaftsanteils an einzelne begünstigte Miterben ist das auf andere Weise nicht zu befriedigende gesellschafterliche Erfordernis, den Gesellschaftern eine sinnvolle Planung des Gesellschafterbestandes für den Erbfall zu ermöglichen. Zur Erreichung dieses Zweckes ist nicht erforderlich, den Nachfolger-Erben auch vermögensmäßig im Verhältnis zu den weichenden Miterben zu bevorzugen. Zwar liegt der Ausschluß eines gegen den Nachfolger-Erben gerichtetenWertausgleichsanspruchs möglicherweise im Interesse der übrigen Mitgesellschafter. Dies ist etwa der Fall, wenn dem Nachfolger-Erben die Mittel zur Abfindung seiner Huber (0. Arun. 5), 481. Vgl. G. und D. Reinicke, NJW 1957, 561, 563; Ulmer, ZGR 1972, 324, 326. 28 Ulmer, ZGR 1972, 324, 326; Wiedemann (0. Arun. 8), 207. 20
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Miterben fehlen mit der Folge, daß dessen Gesellschaftsanteil zur Befriedigung des Ausgleichsanspruchs verwertet werden mußu. Hierbei ist aber zu beachten, daß die Mitgesellschafter vor dieser Folge auch sonst nicht geschützt sind, wie z. B. die Existenz des § 135 HGB belegt. Die Notwendigkeit zur Statuierung der Sondernachfolge in den OHGAnteil auf Kosten der Erbrechtsprinzipien der Universalsukzession und der gesamthänderischen Nachlaßbindung wäre über das erforderliche Maß hinaus überdehnt, wenn zugleich damit auch der Bestandsschutz zugunsten des Unternehmens weiter ausgeprägt würde als dies sonst üblicherweise der Fall ist. Hinzu kommt, daß über die erbrechtliche Wertverteilung nur der Erblasser selbst durch letztwillige Verfügung entscheiden kann. Die Sondernachfolge in den OHG-Anteil gibt keinen Anlaß, diesen erbrechtlichen Grundsatz zu durchbrechen. Die gesellschaftsvertragliche qualifizierte Nachfolgeklausel kann daher nicht wirksam in die erbrechtliche Wertverteilung eingreifen30 • Ihre Bedeutung liegt nicht in der Erhaltung der gesellschaftlichen Kapitalbasis, sondern vielmehr im gesellschafterlichen Organisationsbereich, nämlich einen überschaubaren, eine sinnvolle Zusammenarbeit gewährleistenden Mitgliederbestand zu sichern. Die Konsequenz dieser Grundüberlegung ist, daß eine qualifizierte Nachfolgeklausel den Gesellschaftsanteil für den Nachfolger-Erben lediglich vererblich stellt, aber der Anteil bei der Erbauseinandersetzung wertmäßig zu berücksichtigen ist, sofern nicht der Erblasser dem Nachfolger-Erben durch letztwillige Verfügung, freilich in der dazu notwendigen Form, auch den Wert des Anteils zusätzlich zu dessen Erbquote als Vorausvermächtnis zukommen läßt. Der Sinnzusammenhang zwischen notwendiger qualifizierter Einzelnachfolge und der partiellen Durchbrechung von Universalsukzession und Gesamthandsnachfolge als Erbrechtsprinzipien eröffnet damit grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der Erbquote des Nachfolger-Erben und dem Wert des Gesellschaftsanteils. Eine geeignete Anspruchsbeziehung ist indes noch nicht aufgefunden. Hierzu werden recht unterschiedliche Konstruktionen bemüht. So werden z. B. die §§ 2050 ff. in entsprechender Anwendung herangezogen31 • Hieran ist problematisch, daß diese Normen nur in sehr engen Grenzen Ausgleichspfiichten begründen. Diese gesetzliche Wertung darf nicht durch eine hier allein in Betracht kommende Analogie umgangen werden 3!. Daß das Wertsystem der §§ 2050 ff. nicht für die hier zu behanVgl. G. und D. Reinicke, NJW 1957, 561, 563. Rokas (0. Anm. 10), 90. 31 H. Westermann, Handbuch der Personengesellschaften 13, 1978, Rz.542; vgl. auch LangejKuchinke (0. Anm. 25), 81. 32 Huber (0. Anm. 5),479. 2~
30
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delnde Wertausgleichsproblematik paßt, zeigt auch die auf dem Prinzip der Idealkollation beruhende Vorschrift des § 2056. Gerade für den hier praktisch bedeutsamen Fall, in dem die Erbquote wertmäßig hinter der Zuwendung zurückbleibt, bestimmt § 2056 nämlich, daß der begünstigte Miterbe nicht zur Herauszahlung des Mehrbetrags verpflichtet ist. Die §§ 2050, 2056 begründen demnach nur eine Anrechnungspflicht, nicht aber die weitergehende Pflicht zur Ausgleichszahlung. Durchaus konsequent sprechen sich daher die Befürworter einer analogen Anwendung der §§ 2050 ff. auf die vorliegende Problematik für eine teleologische Restriktion des § 2056 Satz 1 aus33 • Auch die von SäckeT M im Anschluß an Wiedemanm. 35 befürwortete Heranziehung des Grundgedankens des § 1417 Abs.3 vermag nicht zu überzeugen38 • Diese Vorschrift sagt über erbrechtliche Probleme und insbesondere über die vorliegende Problematik des Wertausgleichs nichts aus. Zu Recht wird im Schrüttum daher auf eine abweichende Interessenlage bei der qualifizierten Nachfolge hingewiesen37 • Zur Begründung eines Ausgleichsanspruchs wird schließlich auf den "Geist der Rechtsordnung"3S verwiesen, der freilich in dieser Allgemeinheit nichts hergibt und nur die fehlende Begründung überdecken soll. Auch mit der Wertung des § 2301 38 läßt sich die Ausgleichspflicht nicht begründen'o. § 2301 BGB ist keine Anspruchsnorm, sondern regelt nur die Wirksamkeit von Schenkungsversprechen und vor dem Erbfall begonnenen unentgeltlichen Zuwendungen41 • Entsprechendes gilt letztlich für die befürwortete Analogie zu § 197841 • Der BGH seinerseits geht in der Entscheidung vom 10.2. 197741 auf die verschiedenen Versuche einer Anspruchsbegründung nicht ein und benennt auch keine Anspruchsnorm. Im Urteil vom 22.11.1956'4 vertrat er noch ausdrücklich die Auffassung, Treu und Glauben würden zur Annahme einer Ausgleichspflicht im Verhältnis der Erben untereinander nötigen. Diese Entscheidung ging allerdings noch von einer unmittellI3
97.
Vgl. H. Westennann
(0.
Anm. 31), Rz.542; vgl. auch Säcker
(0. Anm. 3),
SäckeT (0. Anm. 3), 9l. Wiedemann (0. Anm. 8), 209 ff. 3G Vgl. Huber (0. Anm. 5),448; Ulmer, ZGR 1972,324,327. 37 RütheTS, AcP 168, 263, 272; dies erkennt auch Säcker (0. Anm. 3), 87, der deshalb nicht von einer Analogie sprechen will. 3S Rokas (0. Anm. 10),90. 30 So G. und D. Reinicke, NJW 1957, 561, 563. 40 Kritisch auch: Rüthers, AcP 168, 263, 280; Zunft, NJW 1957, 1129, 1132 f. 41 Zutr. Zunft, NJW 1957,1129,1133. ~ Ulmer, Festschrift für Schilling, 1973, 79, 94; vgl. auch H. P. Westermann, JuS 1979, 761, 769. 43 BGHZ 68, 225, 238. " BGHZ 22, 186, 197. M
35
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baren Teilnachfolge des begünstigten Erben nur in Höhe seiner Erbquote aus, während im übrigen lediglich eine Pflicht der übrigen Gesellschafter zur übertragung des diesen angewachsenen Restanteils auf den Nachfolger bestehen sollte und dieser gegenüber den übrigen Miterben zum Ausgleich nach Treu und Glauben verpflichtet sei, wenn Abfindungsansprüche der weichenden Erben gegen die Gesellschaft gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen seien. Es ist schon zweifelhaft, inwieweit der Gesichtspunkt von Treu und Glauben in der im Hinblick auf die rechtliche Konstruktion der Nachfolge überholten Entscheidung vom 22.11.1956 überhaupt noch als Datum für die Ausgleichspflicht verwandt werden kann. Bei der Vollnachfolge nur eines Miterben kann nämlich überhaupt kein Anspruch der weichenden Erben gegen die Gesellschaft nach § 738 Abs.1 Satz 2 in Betracht kommen45 , weil der Nachfolger-Erbe in die volle GesellschaftersteIlung des Erblassers einrückt und die Identität der Mitgliedschaft bei bloßem Subjektwechsel erhalten bleibt. Abgesehen davon eignen sich die Grundsätze von Treu und Glauben auch im übrigen nicht zur Begründung von Ausgleicbsansprüchen der weichenden Erben. Neben dogmatischen Bedenken im Hinblick auf die angeblich anspruchsbegründende Kraft dieser Grundsätze läßt die Bezugnahme auf sie in keiner Weise die innere Rechtfertigung einer Ausgleichspflicht des Nachfolger-Erben erkennen4l • Die Bewältigung des Ausgleichsproblems ist damit nicht durch Einzeloder Gesamtanalogien oder gar übergeordnete allgemeine Grundsätze zu bewerkstelligen. Anzuknüpfen ist vielmehr, wie oben skizziert, an der einerseits notwendigen Ermöglichung der Sondernachfolge in den OHG-Anteil und der andererseits darauf beschränkten Durchbrechung von Universalsukzession und Gesamthandsnachfolge. Die gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelung kann nur den Gesellschaftsanteil vererblich stellen, läßt die erbrechtliche Wertverteilung im Verhältnis der Miterben untereinander dagegen unberührt. Es ergibt sich also eine Diskrepanz zwischen gesellschaftsrechtlich zugeordnetem underbrechtlich gebührendem Wert. Was dem Begünstigten auf der Verfügungsebene zuviel zukommt, ist mithin schuldrechtlich auszugleichen47 • Für diese Konstellation steht das System der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zur Verfügung48 : Der Nachfolger-Erbe hat im Sinne des § 812 Abs.1 Satz 1 die Inhaberschaft am vollen Gesellschaftsanteil des Erblasser-Gesellschafters unabhängig von der Höhe seiner Erbquote erlangt. Der Erwerb beruht trotz gesellschaftsvertraglicher 45 Rüthers, AcP 168, 263, 279; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, 1973, 270 f. 41 Vgl. Säcker (0. Anm. 3),90; Tiedau, MDR 1957,641.
47 Säcker (0. Anm. 3), 91; H. Westermann (0. Anm. 31), RZ.540.
48
Vgl. auch Huber (0. Anm. 5),481.
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und letztwillig verfügender Grundlage nicht auf einer Leistung. Der Anteil geht vielmehr kraft Gesetzes nach § 1922 Abs.l mit dem Erbfall auf den Erben über. Die Bereicherung erfolgt daher "in sonstiger Weise" im Sinne des § 812 Acbs.l Satz 1, 2. Alt. Der Umstand, daß der Gesellschaftsanteil unmittelbar aus dem Vermögen des Erblasser-Gesellschafters in das des Nachfolgers übergeht, steht einem Anspruch der weichenden Miterben aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht entgegen. Da nämlich der Anteilserwerb auf demselben Vorgang, dem Erbfall, beruht, der zugleich zu dem Vermögensnachteil der weichenden Erben führt, ist die erforderliche Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs gegeben. Die Bereicherung erfolgt auf Kosten der weichenden Miterben, weil der Gesellschaftsanteil an ihnen vorbeigeführt wird. Dazu ist nicht erforderlich, daß das Erlangte schon zu deren Vermögen gehörte49 • Für die Frage, ob die Bereicherung mit Rechtsgrund erfolgte oder nicht, ist auf die für den Einzelfall maßgebende rechtliche Güterzuordnung abzustellen. Hier ist wieder entscheidend, daß die erbrechtliche Wertverteilung entsprechend den Erbquoten von der gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeregelung unberührt bleibt. Soweit der Gesellschaftsanteil die Erbquote des Nachfolgers wertmäßig übersteigt, erfolgt dieser Vermögenszuwachs daher ohne Rechtsgrund und ist nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. auszugleichen60 • Im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch sind die weichenden Erben Nachlaßgläubiger5t, weil diese Verbindlichkeit den in den Gesellschaftsanteil einrückenden Erben als solchen trifft, es sich also um eine Schuld handelt, die mit dem Erbfall selbst entsteht (§ 1967 Abs. 2). Da der Ausgleichsanspruch aber nur ein Äquivalent für die fehlende Beteiligung der weichenden Erben am Gesellschaftsanteil darstellt, sind die übrigen Nachlaßgläubiger vorrangig zu befriedigen. Im Falle des § 2305 ist der Ausgleichsanspruch zu berücksichtigen,
Als Ergebnis ist festzuhalten, daß der Nachfolger-Erbe gegenüber den weichenden Miterben nach § 812 (Eingriffskondiktion) zum Wertausgleich verpflichtet ist, sofern letztwillig nichts anderes verfügt ist5~.
49
Palandt/Thomas 39 , 1980, § 812 Anm.5 Aa).
Das Gesetz kennt auch sonst Bereicherungen, die durch dingliche Zuordnung entstehen und schuldrechtlich auszugleichen sind, vgl. etwa §§ 946 ff., 951, 812. 51 A. A. für das Höferecht: Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Höfe0 7 1977, § 12 Rz. 7; § 15 Rz. 7. 52 Zur Bewertung des Gesellschaftsanteils als Grundlage des Wertausgleichsanspruchs vgl.die übersicht über den Meinungsstand bei Ulmer, ZGR 1972, 324, 338 ff.; ferner: Wiedemann (0. Anm. 8),213 ff.; Heckelmann (0. Anm. 45),199 ff. so
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2. Ausschluß des Ausgleichs Der BGH brauchte in seiner Entscheidung vom 10.2.1977 nicht zu der Frage eines Ausschlusses der Ausgleichspflicht Stellung zu nehmen. Unzweifelhaft kann der Erblasser in den durch das Pflichtteilsrecht gezogenen Grenzen die Ausgleichspflicht gegenüber den weichenden Erben ausschließen53 . Es genügt dabei, daß der Wille des Erblassers, dem Nachfolger-Erben zusätzlich zum Gesellschaftsanteil einen Vermögensvorteil gegenüber den weichenden Miterben zuzuwenden, im Wege der Auslegung der letztwilligen Verfügung festzustellen istM • Ein rein tatsächlicher Erblasserwille, der keinen Ausdruck in der letztwilligen Verfügung gefunden hat, ist dagegen unbeachtlich: Der Ausschluß der Ausgleichspflicht führt nicht nur wie im Fall des Vorausvermächtnisses nach § 2150 zu einem Anspruch des Nachfolger-Erben, sondern stellt eine unmittelbare "dingliche" Begünstigung dar; er bedarf daher erst recht der erbrechtlich gebotenen Form. Die Berufung eines Erben zum Nachfolger als solche kann nicht schon als Indiz für einen Ausschluß der Ausgleichspflicht gewertet werden, weil dadurch über die wertmäßige Verteilung des Nachlasses nichts ausgesagt wird55 • Im übrigen hat die Auslegung der einschlägigen letztwilligen Verfügungen nach den für die Abgrenzung von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis geltenden Grundsätzen zu erfolgen56• Neben dem vollständigen Ausschluß der Anrechnung kommt auch ein Teilausschluß in Betracht, etwa durch Festlegung eines bestimmten Wertes, mit dem der Gesellschaftsanteil bei der Erbauseinandersetzung berücksichtigt werden soll. Soweit die Ausgleichspflicht durch letztwillige Verfügung ausgeschlossen ist, erfolgt der Anteilserwerb durch den Nachfolger-Erben auch wertmäßig mit Rechtsgrund. 11. Pßichtteilsberechtigte
Da der Wert des Gesellschaftsanteils zum Nachlaß gehört57, ist dieser Wert der Berechnung des Pflichtteils mit zugrundezulegen (§ 2311). Die Pflichtteilsberechtigten sind daher nicht auf Ausgleichs- und Ergänzungsansprüche (§§ 2316, 2325) angewiesen58 • 111. Sonstige Gläubigergruppen
Die Anerkennung der Sondernachfolge in den Gesellschaftsanteil hat weitreichende Konsequenzen für die Rechtsstellung der verschiedenen 53 Ulmer in Großkomm. HGB3, 1973, § 139 Anm. 188; ders., ZGR 1972, 324, 327 f. 54 Ulmer, ZGR 1972, 324, 328. 55 Ulmer in Großkomm. HGB3, 1973, § 139 Anm. 188. 56 VgL dazu BGHZ 36, 115, 118. 57 H. M., vgl. von Lübtow (0. Anm.10), 865; Ulmer, ZGR 1972, 324, 328. 58 Wiedemann (0. Anm. 8), 207.
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beteiligten Gläubigergruppen. Dabei werden neben den Nachlaßgläubigern die Eigengläubiger des in die Gesellschaft einrückenden Erben sowie der weichenden Miterben betroffen, 1. Nachlaßgläubiger Behält der Gesellschafter-Erbe die Stellung eines vollhaftenden Gesellschafters, nimmt er also seine Rechte aus § 139 HGB nicht wahr, haftet er für Nachlaßverbindlichkeiten, die gleichzeitig Gesellschaftsschulden sind, unbeschränkt persönlich (§§ 128, 130, 139 HGB)5D. Der Umstand, daß es sich dabei zugleich um Nachlaßschulden handelt, ist unerheblich. Zur Begründung wird zutreffend auf den aus § 139 Abs.4 HGB folgenden Umkehrschluß verwiesenGO. Allein diese Lösung entspricht dem für die Personengesellschaft geltenden Haftungssystem. Die Art und Weise des Zugriffs auf den Gesellschaftsanteil durch die Nachlaßgläubiger, die nicht gleichzeitig Gesellschaftsgläubiger sind, wird kontrovers diskutiertu . Die Ursache dafür liegt auch hier wieder in der Inkongruenz von Gesellschaftsrecht und Erbrecht. Die allgemeinen Erbenhaftungsvorschriften der §§ 1967 ff. werden für die Miterbengemeinschaft in den §§ 2058 bis 2063 modifiziert und ergänzt. Für die Miterbenhaftung und für die Möglichkeiten ihrer Beschränkung ist danach von entscheidender Bedeutung, ob der Nachlaß geteilt ist oder nicht. § 2059 geht dabei von der gesamthänderischen Gebundenheit der Nachlaßgegenstände und ihrer späteren Teilung im Wege der Erbauseinandersetzung aus. Dies deutet bereits die Schwierigkeiten an, die bei der Einordnung der mit dem Erbfall automatisch eintretenden Sondernachfolge nur eines Miterben in das System der Miterbenhaftung auftauchen62 • Problematisch und umstrittenes ist insbesondere, inwieweit die Sondernachfolge einer Teilung im Sinne der Miterbenhaftungsvorschriften gleichzusetzen ist, wenn der Gesellschaftsanteil den wesentlichen Nachlaßgegenstand ausmacht. Vor allem unter Hinweis darauf spricht sich Kieserling l ' für den Fall, daß alle Miterben Gesellschafter werden (Prinzip der Einzelrechtsnachfolge), dafür aus, die ipso iure eintretende Teilung des Gesellschaftsanteils als Teilung im Sinne der §§ 2059 ff. anzusehen. Zur Begründung verweist er darauf, daß anderen5. Ulmer in Großkomm. HGB', 1973, § 139 Anm. 201; vgl. auch 'Von Lübtow
Anm. 10),865. Ulmer in Großkomm. HGB3, 1973, § 139 Anm. 151. U Vgl. Ulmer, ZGR 1972, 324, 328; H. Westermann (0. Anm. 31), Rz.526. 62 Vgl. Kieserling, Die erb rechtliche Haftung des Miterben-Gesellschafters, Diss. Münster 1972,37; Kipp/Coing (0. Anm. 21), § 91 IV 8 c, S. 522. 03 Vgl. einerseits Kieserling (0. Anm. 62), 53 ff., 61; H. P. Westermann, AcP 173,24,28 f.; andererseits Ulmer, ZGR 1972, 195, 203. " Kieserling (0. Anm. 62), 57 ff.
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falls den Erben wegen des Fehlens einer rechtsgeschäftlichen Teilung die partielle Leistungsverweigerungsmöglichkeit nach § 2059 Abs. 1 auf Dauer erhalten bliebe, ohne daß die Gläubiger je einen ungeteilten Nachlaß vorfänden. Konsequent sucht Kieserling die Lösung der Problematik im Rahmen der §§ 2059 ff.: Bestehe der Nachlaß aus dem Gesellschaftsanteil und zusätzlich anderen noch unverteilten Werten, so führe die Aufspaltung des Gesellschaftsanteils85 nicht zu einer Teilung des Nachlasses als solchem88 • An sich wäre daher der Nachfolger-Erbe nach § 2059 Abs. 1 Satz 1 geschützt, weil der Gesellschaftsanteil mit dem Erbfall Eigenvermögen des Erben geworden ist. Gleichwohl versagt KieserZing dem Erben die Berufung auf § 2059 Abs. 1 Satz 1, weil der Gesellschaftsanteil nur formal Eigenvermögen, materiell dagegen Nachlaßvermögen sei87 • Besteht der Nachlaß dagegen im wesentlichen nur aus dem Gesellschaftsanteil, so soll mit dem Erbfall zugleich die Erbteilung erfolgt und § 2059 Abs. 1 nicht mehr anwendbar sein. Entgegen § 2062 soll in diesem Fall jeder Nachfolger-Erbe zur Beschränkung seiner Haftung die Anordnung der Nachlaßverwaltung beantragen können 88 • Verschiedentlich ist für den Fall der Teilauseinandersetzung vertreten worden, die Grundsätze über die Verwaltungshaftung (§§ 1978, 667, 1991 Abs.1, Rückgewähr des empfangenen Gegenstandes) entsprechend heranzuziehen88 oder den im voraus verteilten Gegenstand nach wie vor zum Nachlaßanteil des Miterben zu rechnen70 , um den Nachlaßgläubigern einen Zugriff auf diesen Gegenstand zu ermöglichen. Diese auf die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 2058 ff. gestützten Lösungsvorschläge können für die mit dem Erbfall ipso iure eintretende Sonderzuordnung des Gesellschaftsanteils nicht überzeugen. § 2059 beruht auf der gesamthänderischen Bindung der Nachlaßgegenstände. Solange diese gegeben ist, steht dem Zugriff der Nachlaßgläubiger auf den Nachlaß nichts im Wege. Die Haftungsbeschränkung zugunsten der Miterben ist daher gerechtfertigt (§ 2059 Abs. 1). Erst mit der Teilung verlieren die Gläubiger die Zugriffsmöglichkeit nach § 2059 Abs.2. Die Miterben, die nunmehr grundsätzlich unbeschränkt haften (vgl. § 2060), sollen durch diese Regelung veranlaßt werden, vor der Erauseinandersetzung die Nachlaßgläubiger zu befriedigen (§ 2046)71. Zu Recht verweist H. P. Westermann auf den Sanktionscharakter des § 2060 72 • Dieser 85 Gleiches muß konsequenterweise für die Sondernachfolge nur einzelner Miterben gelten. 88 KieserZing (0. Anm. 62), 62. 87 Kieserling (0. Anm. 62), 140. 88 Kieserling (0. Anm. 62), 16I. 80 Vgl. H. Westermann (0. Anm. 31), Rz. 526. 70 Vgl. KieserZing (0. Anm. 62), 69. 71 'Von Lübtow (0. Anm.10), 1188,1196; H. P. Westermann, AcP 173, 24, 33.
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Normzweck paßt nicht für die Sonderzuordnung des Gesellschaftsanteils, der nie im Rahmen der Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden war. Läßt man die Sonderzuordnung des Gesellschaftsanteils zu, so erscheint es nur konsequent, dem Nachfolger-Erben insoweit die Stellung eines partiellen Sondererben zuzuerkennen73 • Statt an der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 2058 ff. auch auf den Gesellschaftsanteil mit den oben geschilderten notwendigen Korrekturen festzuhalten, ist deshalb insoweit auf die allgemeinen Erbenhaftungsvorschriften der §§ 1967, 1975 ff. zurückzugreifen. Die danach im Prinzip unbeschränkte Haftung kann der Nachfolger-Erbe durch die Einleitung einer gesonderten Nachlaßverwaltung (§§ 1975 ff.) beschränken74 • § 2062 steht dem nicht entgegen, weil eine Nachlaßteilung im Sinne der §§ 2059 ff. - bezogen auf den Gesellschaftsanteil - nicht vorliegt. Das Recht zur Einleitung einer gesonderten Nachlaßverwaltung steht unter den Voraussetzungen des § 1981 Abs.2 dann auch den Nachlaßgläubigern ZU75 • Die Stellung des Nachfolger-Erben als partieller Sondererbe in bezug auf den Gesellschaftsanteil beschränkt sich allerdings auf das Außenverhältnis zu den Nachlaßgläubigern, so daß er im Innenverhältnis Miterbe mit den Ausgleichsmöglichkeiten nach §§ 2058, 426 ist. Im Hinblick auf die übrigen Nachlaßgegenstände unterliegt er der Haftung nach den §§ 2058 ff. 76 • Diese Lösung erspart die an dieser Stelle systemfremde, auf Zufall beruhende und damit willkürliche Verschiedenbehandlung von Sachverhalten je nachdem, ob der Gesellschaftsanteil im wesentlichen den gesamten Nachlaß ausmacht oder nicht. Sie ist notwendige Konsequenz des mit der Sondernachfolge in den Gesellschaftsanteil vollzogenen Systembruchs im Erbrecht und beschränkt diesen für die Folgefragen auf das notwendige Maß.
2. Verhältnis der Erben-Eigengläubiger zueinander sowie zu "weichenden" Miterben Die Sondernachfolge des begünstigten Miterben in den Gesellschaftsanteil verbunden mit einem erbrechtlichen Wertausgleich hat unmittelbare Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den Eigengläubigern des begünstigten Miterben und den weichenden Miterben sowie deren Eigengläubigern. Ist der Wert des Gesellschaftsanteils, wie regelmäßig, höher als die Erbquote des Nachfolger-Erben, so haben die "weichenden" Miterben in Höhe der Differenz nur einen schuldrechtlichen Zah73 So auch Ulmer, ZGR 1972, 324, 330. 74 Insoweit abweichend Ulmer, ZGR 1972, 324, 331; zur Nachlaßverwaltung bzgl. eines Gesellschaftsanteils vgl. Ulmer in Großkomm. HGB3, 1973, § 159 Anm. 37; für Nachlaßverwaltung auch: H. P. Westermann, AcP 173, 24, 37. 75 So im Ergebnis auch H. P. Westermann, AcP 173, 24, 39. 78 Vgl. Ulmer, ZGR 1972, 324, 330.
Sondemachfolge in den Gesellschaftsanteil an der OHG633 lungsanspruch, dessen Schicksal insbesondere im Konkurs des Nachfolger-Erben problematisch ist. Es erscheint unbillig, in diesem Fall einen im Verhältnis zu den weichenden Erben gleichrangigen Zugriff auf den vollen Gesellschaftsanteil durch die Eigengläubiger des Nachfolger-Erben zuzulassen. Die dingliche Zuordnung des gesamten Gesellschaftsanteils an einen Miterben beruht auf gesellschaftsrechtlichen Erfordernissen, bezweckt dagegen keine Besserstellung der Eigengläubiger des Nachfolger-Erben durch Vermehrung dessen haftbaren Vermögens. Umgekehrt darf die den Eigengläubigern der "weichenden" Miterben zur Verfügung stehende Haftungsmasse ihrer Schuldner nicht durch die dingliche Sonderzuordnung des Gesellschaftsanteils an den begünstigten Erben geschmälert werden. Andernfalls hätte dieSondernachfolge eine über deren notwendige Begründung hinausgehende unvertretbare Verschiebung in den Zugriffsmöglichkeiten der unterschiedlichen Gläubigergruppen zur Folge. Die Lösung dieses Problems findet sich allerdings nicht in den Vorschriften des Konkursrechts. Den weichenden Miterben stehen weder Aussonderungs- noch Absonderungsrechte zu. Der Anspruch auf Wertausgleich gegen den Nachfolger-Erben ist auch keine Masseschuld im Sinne des § 59 Abs.l KO. Die weichenden Miterben haben aber die Möglichkeit, nach § 1981 Abs.2 im Falle einer Gefährdung ihrer Rechte, speziell des Ausgleichsanspruchs, die Nachlaßverwaltung zu beantragen77 • Entsprechend können die Eigengläubiger der weichenden Miterben deren Ausgleichsanspruch pfänden und sich zur Einziehung oder an Zahlungs Statt überweisen lassen, §§ 828, 835 ZPO. Zur Sicherung ihrer Rechte können sie dann ebenfalls unter den Voraussetzungen des § 1981 Abs.2 die Nachlaßverwaltung beantragen. Nach deren Anordnung sind Zwangsvollstreckungen in den Gesellschaftsanteil zugunsten der Eigengläubiger des Nachfolger-Erben ausgeschlossen (§ 1984 Abs. 2). Der Nkchlaßverwalter hat dann die Möglichkeit der Abwehrklage nach §§ 784 Abs. 2,785 ZPO. Das gilt entsprechend für noch andauernde Vollstreckungshandlungen dieser Eigengläubiger vor Anordnung der Nachlaßverwaltung. In Anbetracht der Dauer eines Vollstreckungsverfahrens in diesem Falle (vgl. § 135 HGB) erscheint der Schutz der "weichenden" Miterben und deren Eigengläubiger durch die Nachlaßverwaltung ausreichend. Auf diese Weise wird die oben skizzierte, durch die Sondernachfolge in den Gesellschaftsanteil sonst zwangsläufig drohende Verschiebung in den Haftungsverhältnissen vermieden.
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Vgl. Erman!BaTtholomeyczik!SchlüteT, BGB 118 , 1975, § 1981 Rz. 4.
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C. Zuordnung des künftigen Auseinandersetzungsund des Gewinnanspruchs Mit der Differenzierung zwischen gegenständlicher Zuordnung des Gesellschaftsanteils an den begünstigten Erben sowie Zuweisung des Anteilswerts an den Nachlaß ist über die Zuordnung des nach § 717 Satz 2 selbständig übertragbaren Auseinandersetzungsanspruchs (§ 738 Abs.l Satz 2 a. E.) nicht notwendigerweise mit entschieden78 • Ulmer ist der Auffassung, dieser Anspruch falle als wertmäßige Verkörperung des Anteils und Gegenstand der Anteilspfändung (§ 135 HGB) in den Nachlaß und sei bei Nachlaßteilung an den Nachfolger-Erben abzutreten7e • Zur Begründung wird darauf abgestellt, daß der Vermögenswert des Anteils trotz Sonderzuordnung des Anteils selbst an den begünstigten Erben dem Nachlaß im Interesse der übrigen Nachlaßbeteiligten vorrangig erhalten bleiben müsse80, wozu die Einbeziehung des bloßen Anteilswerts in den Nachlaß nicht ausreiche; zumindest sei das Rangverhältnis zwischen Nachlaß- und Eigengläubigern beim Zugriff auf den Anteil unklar; darüber hinaus müsse der Nachfolger-Erbe damit rechnen, daß die "weichenden" Miterben wegen des Wertanspruchs auf sein Privatvermögen zugreifen. Nach UZmer81 soll daher dieser Anspruch gegenüber dem Zugriff auf den Anteil selbst subsidiär sein. Gegen die Sicherungszuordnung des Auseinandersetzungsanspruchs an die Miterbengemeinschaft und damit gegen ein Auseinanderklaffen der Inhaberschaft am Gesellschaftsanteil und am Auseinandersetzungsanspruch sprechen allerdings gewichtige Gründe. Es bestehen schon Bedenken, wenn zur Sicherung eines unter Umständen geringen Wertausgleichsanspruchs der "weichenden" Erben der Auseinandersetzungsanspruch in voller Höhe zum Nachlaß gehören sollst. Darüber hinaus ist vor allem die dadurch bezweckte vorrangige Befriedigung der Nachlaßgläubiger und der weichenden Erben vor den Eigengläubigern des Nachfolger-Erben schon mit Hilfe der Nachlaßverwaltung zu bewerkstelligen (vgl. zuvor unter B Irr 2). Der künftige Auseinandersetzungsanspruch steht daher nicht - auch nicht teilweise - der Erbengemeinschaft ZU83, sondern ist in Konsequenz der Sondernachfolge an die Person des begünstigten Erben als Inhaber des gesamten Gesellschaftsanteils geknüpft. 78 71
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Vgl. Wiedemann, JZ 1977, 689, 691; Ulmer, BB 1977,805,807. Ulmer, BB 1977, 805,807; ders. (0. Anm. 42), 94 f. Ulmer (0. Anm. 42), 91, 94.
Ulmer (0. Anm. 42), 102. Vgl. Wiedemann, JZ 1977, 689, 691. 83 Vgl. Wiedemann, JZ 1977, 689, 691; dagegen auch Flume (0. Anm. 1), 381 f.
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Auch die Zuordnung des nach § 717 Satz 2 ebenfalls selbständig übertragbaren Gewinnanspruchs ist umstritten84 • Gegen eine Zurechnung zum Nachlaß spricht hier aber entscheidend, daß die zwischen Erbfall und endgültiger Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses erwirtschafteten Gewinne schlicht an die GesellschaftersteIlung des Nachfolger-Erben gebunden sind und möglicherweise gerade auf dessen Geschäftsführungstätigkeit beruhen85• Entgegen Wiedemann, der unter Hinweis auf § 1417 Abs.3 den "weichenden" Erben eine wertmäßige Beteiligung am Gewinn durch einen zusätzlichen internen Ausgleichsanspruch gewähren ~ill81, ist der Gewinnanspruch nicht nur gegenständlich, sondern auch wertmäßig dem Nachfolger-Erben zugewiesen. D. Fehlgeschlagene Nachfolgeregelung
Die qualifizierte Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag trägt das Risiko in sich, daß die zum Nachfolger bestimmte Person später nicht zum Kreis der Erben gehört, sei es, daß sie vorverstorben ist, sei es, daß der Erblasser sie nicht als Erben eingesetzt hat und sie auch nicht zu den gesetzlichen Erben gehört. Der BGH geht in seiner Entscheidung vom 10.2.1977 davon aus, daß die Nachfolgeregelung gescheitert sei, wenn die im Gesellschaftsvertrag genannte Person vorverstorben sei87 • Diese Auffassung ist in der Literatur88 auf Skepsis gestoßen, zum Teil freilich unter Hinweis auf die Besonderheiten des vom BGH entschiedenen Falles. Verschiedentlich wird erwogen, die Rechtsgedanken der §§ 20688V oder 2099" heranzuziehen. Der Versuch, eine andere als die weggefallene Person in den Gesellschaftsanteil einrücken zu lassen, begegnet allerdings Bedenken. Sinn einer qualifizierten Nachfolgeklausel ist gerade, den Gesellschaftsanteil nur für eine bestimmte, aus der Sicht aller Gesellschafter fachlich oder persönlich besonders geeignete Person vererblich zu stellen. Zu Recht weist Göbelo1 darauf hin, daß den Gesellschaftern keine unbekannten oder unangenehmen Erben aufgedrängt werden dürfen. Die gesellschaftliche Autonomie überlagert insoweit die sonst gängigen erbrechtlichen Ersetzungsmöglichkeiten nach §§ 2068, 2099. Die Folge ist, daß mangels abweichender gesellVgl. Wiedemann, JZ 1977, 689, 692. Zutr. Ulmer (0. Anm. 42), 97, 101. 81 Wiedemann (0. Anm. 8), 211 f. 87 BGHZ 68, 225, 235. 88 Priester, DNotZ 1977, 558, 560; Ulmer, BB 1977, 805, 808; Wiedemann, JZ 1977, 689, 690. 8V Vgl. Wiedemann, JZ 1977, 689, 690. n Vgl. Priester, DNotZ 1977, 558, 560 . • 1 Göbel, DNotZ 1979, 133, 149. 84
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schaftsvertraglicher Regelung im Falle des Vorversterbens eines zum Nachfolger Bestimmten nur die übrigen im Gesellschaftsvertrag Genannten in den Gesellschaftsanteil einrücken oder, wenn solche Personen nicht benannt oder vorhanden sind, der Gesellschaftsanteil des Erblassers den verbleibenden Gesellschaftern anwächst. Die "weichenden" Erben haben im letztgenannten Fall grundsätzlich Abfindungsansprüche nach § 738 Abs. 1 Satz 2. Eine Auflösung der Gesellschaft kommt nicht in Betracht, da die Gesellschafter durch die Nachfolgeklausel zu erkennen gegeben haben, daß sie die Gesellschaft auf jeden Fall nach dem Tod eines Gesellschafters fortsetzed' wollen. Die Nachfolgeregelung scheitert auch dann, wenn die Personen, für die der Gesellschaftsvertrag den Anteil vererblich stellt, zwar den Erbfall erleben, aber nicht zum Kreis der Erben gehören. Der BGH92 qualifizierte in einem solchen Fall die gesellschaftsvertragliche N achfolgeklausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung als rechtsgeschäftliche Eintrittsklausel, stützte sich dabei allerdings auch auf Besonderheiten des zu entscheidenden Falles. In der Literatur wird das gleiche Ergebnis im Wege einer Umdeutung erzieltu. Grundsätzlich steht auch hier den nicht in die Gesellschaft einrückenden Erben ein Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 zu. E. Sondemadlfolge im Recht der GmbH? Die GmbH, gesetzestypisch als Kapitalgesellschaft ausgestaltet, ist in der Praxis ganz überwiegend personalistisch strukturierti.. Dies bedeutet, daß den persönlichen, oft familiären Bindungen der Gesellsehafter untereinander, dokumentiert insbesondere durch persönliche Mitarbeit der Gesellschafter sowie durch Zwang zu Kooperation durch Vinkulierung der Geschäftsanteile, anders als bei bloßer Kapitalbeteiligung eine überragende Bedeutung zukommt. Diese personalistische Struktur nähert sich massiv, abgesehen natürlich von der fehlenden persönlichen Haftung für Gesellschaftsschulden, den Zusammenarbeitsformen in der OHG an und weckt daher gleichermaßen das Bedürfnis, im Erbfall zur Vermeidung einer Überfremdung oder der Zersplitterung des Gesellschafterkreises einzelnen fachlich oder persönlich besonders geeigneten Miterben den Geschäftsanteil unmittelbar zuzuweisent5 • BGH NJW 1978, 264; vgl. dazu Göbel, DNotZ 1979, 133, 148. Ulmer, BB 1977,805,806; ders. in Großkomm. HGBs, 1973, § 139 Anm. 31. 94 Vgl. Limbaeh, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, 1966, insbes. 41 ff., 64 ff.;Winter, GmbH-Rdsch. 1969, 119 ff., 145 ff. 93 Die Frage einer unmittelbaren Sondernachfolge im Recht der GmbH ist umstritten: Gegen eine unmittelbare Sondernachfolge: DäubIer, Die Vererbung des Geschäftsanteils bei der GmbH, 1965, 105 f.; Hachenburg/Schilling/ Zutt, Komm. zum GmbHG7, 1977, Anh. zu § 15 Rz. 105; Petzoldt, GmbH91
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Nachdem sich nunmehr der BGH für die unmittelbare Sondernachfolge im Bereich der offenen Handelsgesellschaft entschieden hat, drängt sich daher zwangsläufig die Frage auf, ob die dort entwickelten Grundsätze auf die GmbH übertragen werden können. Zu dieser Überlegung besteht auch deshalb Anlaß, weil in zahlreichen anderen Problemfragen, speziell personalistisch strukturierter GmbH's, zur Schließung von Lücken im GmbH-Recht auf das Recht der Personengesellschaften, insbesondere auf das Recht der OHG zurückgegriffen wird18 • So werden beispielsweise auf die heute einhellig anerkannte Möglichkeit eines Ausschlusses eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grund praktisch die Wertungen des § 140 HGB übertragen, allerdings unter Berücksichtigung der strukturellen Besonderheiten der GmbHV1. Zu denken ist ferner an den Fall, daß im Gesellschaftsvertrag einer GmbH noch andere als die gesetzlichen Auflösungsgründe vereinbart sind (§ 60 Abs.2 GmbHG). Hier sind die §§ 132, 134, 137, 138 HGB entsprechend heranzuziehenu8• Schließlich ist auf die in der Literatur verschiedentlich befürwortete Anerkennung eines Austrittsrechts ohne wichtigen Grund bei der GmbH entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 132, 134 HGB, 723, 724 zu verweisen uu • Auch der Regierungsentwurf eines GmbHGesetzes100 trägt der ganz überwiegend personalistischen Struktur der GmbH Rechnung, indem er beispielsweise in § 207 den Ausschluß eines Gesellschafters zuläßt, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Die Reihe läßt sich vielfältig fortsetzen. Eine Übertragung der zur unmittelbaren Sondernachfolge im Personengesellschaftsrecht entwikkelten Grundsätze auf die GmbH ist allerdings erst dann in Betracht zu ziehen, wenn sich die Zulässigkeit einer Sondernachfolge nicht schon aus den Normen des GmbH-Rechts selbst ergibt. Die in der Literatur überwiegend vertretene, eine unmittelbare Sondernachfolge bei der GmbH ablehnende Auffassung lOI verweist zur Rdsch. 1977, 25, 31 f. Für eine unmittelbare Sondernachfolge: Finger, GmbHRdsch. 1975,97,103; Schefer, In welcher Weise kann die Satzung einer GmbH den Erwerb von Geschäftsanteilen durch Erbgang ausschließen oder beschränken? Diss. Mainz 1960, 69 ff.; ders., DB 1961, 57,60; vgl. auch Käppler, ZGR 1978, 542,575. 96 Vgl. dazu WinkIer, Die LÜckenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967, insbes. 2 ff. 97 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, 307; Hachenburg/Ulmer, Komm. zum GmbHG7, 1977, Anh. zu § 34 Rz.5, 6. Nach Auffassung des BGH beruht der Ausschluß eines GmbH-Gesellschafters auf dem allgemeinen Grundsatz, daß ein Rechtsverhältnis, das in die Lebensbetätigung der Beteiligten stark eingreüt, gelöst werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ausformungen dieses Gedankens finden sich u. a. in den §§ 140 HGB, 737; vgl. BGHZ 9,157,161 ff.; vgl. auch Winkler (0. Anm. 96), 80. 98 Winkler (0. Anm. 96), 66. n Vgl. dazu Hachenburg/Ulmer (0. Anm. 97), Anh. zu § 34 Rz. 46. 100 BT-Drucks.7/253.
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Begründung darauf, daß angesichts der gesetzlichen Regelungen hierzu in den §§ 15, Abs. 1, 18 GmbHG, denen eine Gesamtnachfolge in den Geschäftsanteil zugrundeliegt, für eine Sondernachfolge kein Raum sei. Für eine Durchbrechung des Prinzips der Universalsukzession besteht nach dieser Meinung auch keine zwingende Notwendigkeit, weil eine Nachfolge der gewünschten Person auf andere Weise - wenn auch nicht unmittelbar mit dem Erbfall- erreicht werden könne10%. Die Befürworter einer Sondernachfolge anerkennen demgegenüber durchaus ein Bedürfnis nach einem unmittelbaren Anteilsübergang auf den Nachfolger-Erben wie bei der OHG103• Die Regelungen der §§ 15, 18 GmbHG sollen danach einer Sondernachfolge nicht entgegenstehen, weil § 18 GmbHG nur die Rechtsfolgen bestimme, die im Falle einer ungeteilten Gemeinschaft eintreten, wobei eine Gemeinschaft aber erst gar nicht entstehen könne, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag nur ein bestimmter Erbe als Nachfolger benannt sei. Eine solche Vertragsklausel wird als wirksam betrachtet, da die Vererblichkeit des Geschäftsanteils nach § 15 Abs. 1 GmbHG dispositiv sei, so daß die Gesellschafter die Vererblichkeit des Anteils in der Satzung insgesamt ausschließen und damit erst recht auf einzelne Miterben beschränken könnten104 • Gegen die Annahme einer solchen "relativen" Vererblichkeit des Geschäftsanteils sprechen allerdings gewichtige Gründe. Zunächst ist schon zweifelhaft, ob der Gesellschaftsvertrag die Vererblichkeit der Geschäftsanteile überhaupt ausschließen kann10$. Der Wortlaut des § 15 Abs.5 GmbHG, der nur für die Veräußerung von Geschäftsanteilen gesellschaftsvertragliche Erschwerungen zuläßt, spricht nachhaltig gegen eine solche Möglichkeit. Entscheidend ist aber, daß der Schluß von der Zulässigkeit eines vollständigen Ausschlusses der Vererblichkeit auf die Zulässigkeit einer bloß "relativen" Vererblichkeit des Geschäftsanteils nicht zu überzeugen vermag. Während im ersten Fall die erbrechtlichen Prinzipien der Gesamtrechtsnachfolge und der gesamthänderischen Bindung nicht tangiert werden, ist dies bei der bloß "relativen" Vererblichkeit des Anteils durchaus der Fall. Die Beschränkung der Vererblichkeit des Anteils auf einzelne Miterben ist daher kein bloßes Minus im Verhältnis zum vollständigen Ausschluß der Vererblichkeit des Geschäftsanteils108 • Selbst wenn man § 15 Abs.1 GmbHG als disposi101 Hachenburg!Schilling!Zutt (0. Anm. 95), Anh. zu § 15 Rz.I05; § 18 Rz.7; Wiedemann, GmbH-Rdsch. 1969,247; vgl. auch Schotz, Komm. zum GmbHG8, 1979, § 15 Rz. 13. 101 Däubler (0. Anm. 95), 105; Petzold, GmbH-Rdsch. 1977,25,32. 103 Vgl.Finger, GmbH-Rdsch. 1975, 97, 103. 10. Vgl. Sche/er (0. Anm. 95), 69 ff. 105 Hachenburg!Schilling!Zutt (0. Anm. 95), § 15 Rz. 5. 108 Landmann, Zur Regelung der Gesellscha/ternach/olge in der Satzung
einer GmbH, Diss. Bonn 1968, 144.
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tive Norm ansieht, so rechtfertigt dies allein noch keinen Eingriff in grundlegende erbrechtliche Prinzipien107• Es bleibt daher zu erwägen, ob die im Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze zur Sondernachfolge auch für die personalistisch strukturierte GmbH herangezogen werden können. Die Beantwortung der Frage, ob Regelungen, die für Personengesellschaften entwickelt werden, auf die personalistisch ausgestaltete GmbH übertragen werden können, hängt entscheidend davon ab, ob die zur Diskussion stehende Regelung auf spezifischen Strukturelementen der Personengesellschaft beruht oder ob sie Ausdruck eines das gesamte Gesellschaftsrecht übergreifenden Grundsatzes ist108• Auf die vorliegende Problematik angewandt bedeutet dies, daß eine unmittelbare Sondernachfolge im Recht der GmbH unter Heranziehung der für die Personengesellschaft entwickelten Grundsätze nur dann anzuerkennen ist, wenn diese Grundsätze nicht gerade auf spezifisch personengesellschaftsrechtlichen Prinzipien aufbauen, die keine Geltung für die GmbH - auch nicht für die personalistisch ausgestaltete -beanspruchen können. Dies ist selbstverständlich auch an den Besonderheiten des GmbH-Rechts selbst zu messen. Der BGH, der sich in seiner Entscheidung vom 10.2. 1977 mit den zur Begründung der unmittelbaren Sondernachfolge im Recht der OHG vorgetragenen Erklärungen nicht mehr im einzelnen auseinandergesetzt hat, sieht die Zulassung der Sondernachfolge eines einzelnen Miterben als konsequente Fortentwicklung des Prinzips der Einzelrechtsnachfolge mehrerer Miterben in einen Gesellschaftsanteil108 • Der Grund für die durch die EinzelrechtsIllachfolge bewirkte Abweichung von den §§ 2033 ff. liegt u. a. darin, daß sich die Erbengemeinschaft mit ihrer gesamthänderischen Bindung des Nachlasses und der eingeschränkten Erbenhaftung nicht als Mitglied der als Haftungsgemeinschaft ausgestalteten OHG eignet. Personengesellschaftsrechtliche Erfordernisse kollidieren dabei mit erbrechtlichen Prinzipien. Soweit § 139 HGB jedem Miterben unabhängig von der Entscheidung der anderen Miterben das Recht einräumt, die Stellung eines Kommanditisten zu beantragen oder bei Widerspruch der übrigen Gesellschafter aus der Gesellschaft auszuscheiden, ist diese Vorschrift Ausdruck des allgemein für das Personengesellschaftsrecht geltenden Prinzips der Einzelrechtsnachfolge. Die aufgezeigte Kollision zwischen Erb- und Personengesellschaftsrecht besteht dagegen nicht bei der GmbH: Die Regelung der §§ 17, 18 GmbHG geht unzweifelhaft daSo zutr. Landmann (0. Anm. 106), 144. Vgl. Immenga (0. Anm. 97), 109 f.; Winkler (0. Anm. 96), 6 f.; vgl. auch Fischer, GmbH-Rdsch. 1953, 131, 132; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, 156. 10. BGHZ 68, 225,238. 107 108
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von aus, daß der Geschäftsanteil der Erbengemeinschaft in gesamthänderischer Bindung zustehtllO • Bereits der Ausgangspunkt für die Anerkennung der unmittelbaren Vollnachfolge - das Prinzip der Einzelrechtsnachfolge - beruht also auf spezifisch personengesellschaftsrechtlichen Erwägungen, deren Übertragung auf die GmbH, gleichgültig ob personalistisch oder kapitalistisch strukturiert, angesichts der Regelung in §§ 17, 18 GmbHG verwehrt ist. Ist aber schon für die - geteilte - Einzelrechtsnachfolge im Bereich der GmbH kein Raum, so gilt dies ebenso für die unmittelbare Vollnachfolge eines einzelnen Miterben. Die für eine entsprechende Anwendung der zur Sondernachfolge entwickelten Grundsätze auf die GmbH erforderliche Lücke fehlt: Die §§ 15 Abs.l, 17, 18 GmbHG lassen deutlich erkennen, daß der Geschäftsanteil mit dem Erbfall nur auf die Erbengemeinschaft insgesamt übergehen kann und im Wege der Erbauseinandersetzung, d. h. durch Rechtsgeschäft, geteilt wird. Hinzu kommt ein genereller Aspekt: Die Übertragung personengesellschaftsrechtlicher Regelungen nur auf die personalistische GmbH führt - je nach deren Struktur - zu zweierlei Recht im Bereich der GmbH111 • Die Notwendigkeit, die Personenbezogenheit einer GmbH festzustellen, hat darüber hinaus eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. Der Regierungsentwurf eines GmbH-Gesetzes, der Anpassungen an die oft personalistische Struktur der GmbH vornimmt, beschränkt deshalb mit Recht diese Regelungen nicht auf die personalistische GmbH, und zwar u. a. gerade wegen der sonst bestehenden Abgrenzungsschwierigkeitenll!. Bei der Übertragung personengesellschaftsrechtlicher Regelungen auf die GmbH ist daher eine besondere Zurückhaltung geboten. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß bei personalistischer Ausgestaltung einer GmbH ein Bedürfnis der Praxis für einen unmittelbaren Übergang des Geschäftsanteils auf einzelne Miterben ebenso wie bei der OHG bestehen kann. Dieser Umstand vermag aber für sich allein nicht einen so schwerwiegenden Eingriff in grundlegende erb rechtliche Prinzipien ebenso wie in die Existenz der §§ 15 Abs. 1, 17, 18 GmbHG zu rechtfertigen, wie ihn die unmittelbare Sondernachfolge im Recht der GmbH begründen würde. Auch nach der höchstrichterlichen Anerkennung der unmittelbaren Nachfolge einzelner Miterben im Bereich der OHG ist nach allem im Hinblick auf die GmbH für eine solche Rechtsfortbildung kein Raum. Es ist schließlich auch zu berücksichtigen, daß das Erbrecht Sondererbfolgen generell ablehnend gegenübersteht113 • Auf erbrechtlichem Wege läßt sich das Ziel, daß Vgl. Landmann (0. Anm. 106), 146; Wiedemann (0. Anm. 8), 96. Immenga (0. Anm. 97), 110 f. 112 So ausdrücklich BT-Drucks. 7/253, S. 197. 113 Vgl. Lange/Kuchinke (0. Anm. 25), 466; von Liibtow (0. Anm. 10), 666. 110
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letztlich allein ein einzelner Miterbe Gesellschafter wird, vor allem nur durch eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis, also nur schuldrechtlich und nicht durch dingliche Zuordnung, erreichenlu. Denkbar ist allerdings auch, daß der Erblasser-Gesellschafter nur seinen Nachfolger als Erben einsetzt, während er im übrigen Vermächtnisse anordnet. F. Zusammenfassung Die Analyse der wesentlichen materiellen und vollstreckungsrechtlichen Folgeprobleme der Anerkennung einer Sondernachfolge in den Gesellschaftsanteil an der OHG bei sog. qualifizierter Nachfolgeklausel ergab folgende Resultate: 1. Der durch die Sondernachfolge begünstigte Miterbe muß sich den Gesellschaftsanteil bei der Erbauseinandersetzung anrechnen lassen und ist, wenn der Anteil die Erbquote im Wert übersteigt, in Höhe dieser Differenz aus sog. Eingriffskondiktion (§ 812 Abs.1 S.l, 2. Alt.) zum Wertausgleich verpflichtet, soweit nicht der Erblasser letztwillig etwas anderes verfügt hat.
2. Der Wert des Gesellschaftsanteils ist der Berechnung des Pflichtteils zugrunde zu legen. 3. Der Sondernachfolger haftet für Nachlaßverbindlichkeiten, die gleichzeitig Gesellschaftsschulden sind, persönlich, es sei denn, er übt seine Rechte nach § 139 HGB aus. Auch für sonstige Nachlaßverbindlichkeiten haftet er als partieller Sondererbe grundsätzlich unbeschränkt, kann aber im Hinblick auf den Gesellschaftsanteil die Anordnung der Nachlaßverwaltung beantragen. Dieses Recht steht auch den Nachlaßgläubigern unter den Voraussetzungen des § 1981 Abs.2 zu. Die §§ 2058 ff. sind - auch in modifizierter Form - zur Regelung der Haftungsfolgen aus der Sondernachfolge in den OHG-Anteil ungeeignet, 4. Haben die "weichenden" Miterben einen Wertausgleichsanspruch gegen den Sondernachfolger, so ist der vorrangige Zugriff dieser Miterben sowie deren Eigengläubiger vor den Eigengläubigern des Sondernachfolgers ebenfalls nach Maßgabe des § 1981 Abs. 2 durch Nachlaßverwaltung sicherbar. Nur auf diese Weise wird eine durch die Sondernachfolge sonst zwangsläufig bedingte Verschiebung in den Zugriffsmöglichkeiten der verschiedenen Gläubigergruppen vermieden. 5. Der künftige gesellschafterliche Auseinandersetzungsanspruch geht ebenso wie der Gewinnanspruch zusammen mit dem Gesellschaftsanteil im Erbfall ausschließlich auf den Sondernachfolger über. tU
Landmann (0. Anm. 106), 146.
41 Festgabe für U. v. Lübtow
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6. Ist die Nachfolgeregelung wegen Vorversterbens des im Gesellschaftsvertrag benannten Nachfolgers fehlgeschlagen, wächst mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung den verbleibenden Gesellschaftern der Gesellschaftsanteil des Erblassers an. Gehört der gesellschaftsvertraglich zum Nachfolger Bestimmte nicht zu den Erben, so ist die gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklausel in eine Eintrittsklausel umzudeuten. In beiden Fällen stehen den Erben Abfindungsansprüche nach § 738 Abs. 1 Satz 2 zu. 7. Die zur Sondernachfolge im Recht der OHG entwickelten Grundsätze sind nicht auf die personalistisch strukturierte GmbH übertragbar.
Zum AusschluJ3 des Gesellschafters minderen Rechts unter Buchwertabfindung Von Gerhard Eiselt A. Einführung Die Rechtsprechung des BGH hatte für Personengesellschaften jahrelang die Regelung des Gesellschaftsvertrages für zulässig angesehen, daß ein Gesellschafter ohne wichtigen Grund von der Mehrheit (oder gegenüber Kommanditisten durch Entscheidung der Komplementäre) ausgeschlossen werden könne1 • 1977 schränkte der BGH seine bisherige Rechtsprechung ein und erklärte, diese Regelung sei nur dann zulässig, wenn für sie wegen außergewöhnlicher Umstände sachlich gerechtfertigte Gründe beständen!. Seit jeher wurde in Gesellschaftsverträgen für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters die Klausel benutzt, die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens erfolge nach den Buchwerten. Diese Klausel wurde vom BGH ursprünglich auch dann für prinzipiell wirksam angesehen, wenn sie mit der Möglichkeit des Ausschlusses ohne wichtigen Grund zusammentraf', es mußten besondere Umstände hinzutreten, um der Buchwertabfindung die Wirksamkeit zu versagen'. 1973 änderte dann der BGH seine Rechtsprechung, fragte, ob bei dem Zusammentreffen der freien Ausschlußmöglichkeit mit der Buchwertabfindung nicht strengere Grundsätze Platz greifen müßten und argumentierte, hier könne ein Anspruch auf "angemessene Abfindung" in Frage kommen5 • 1979 erklärte der BGH8 in einem solchen Fall, bei dem der Ausschluß ohne wichtigen Grund vom betroffenen Gesellschafter bereits akzeptiert war, die Buchwertabfindung nach § 138 BGB für nichtig. Diese Entscheidung hat unmittelbar nach Veröffentlichung Zu1 RG ZAkdR 1938, 818; BGH WM 1961, 171 (in BGHZ 34,80 insoweit nicht vollständig abgedruckt); BGH WM 1962, 462; BGH WM 1968, 532; BGH NJW 1973, 651 = BB 1973, 442 = WM 1973, 651; BGH NJW 1973, 1606 = BB 1973, 957 = WM 1973, 842. 2 BGHZ 68, 212 = NJW 1977,1292 = BB 1977, 768. 3 BGH WM 1962,462, 463 = BB 1962, 465; BGH WM 1968, 532, 533. 4 BGH WM 1962, 462, 463. 5 BGH NJW 1973, 651. 8 BGH NJW 1979, 104.
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stimmung gefunden7 , sie ist aber auch auf die temperamentvolle Kritik Flumes8 gestoßen, der vor allem die Mißachtung der Privatautonomie rügt. Der Wechsel in der Rechtsprechung seit Beginn der siebziger Jahre bedarf einer kritischen überprüfung. Dabei wird das Thema auf den Ausschluß des Gesellschafters minderen Rechts begrenzt. Ferner wird der Ausschluß des Kommanditisten aus einer kapitalistisch strukturierten KG nicht behandelt, weil hier die Interessenlage auch wegen der Formularverträge anders liegt als in einer personenbezogenen KG mit begrenzter Mitgliederzahl und ausgehandeltem Gesellschaftsvertrag. B. Der Gesellschafter minderen Rechts I. Typisierung und Fallgruppen
In den Personalgesellschaften haben die Gesellschafter häufig nicht die gleichen Rechte. Der Gesellschaftsvertrag schneidet vielmehr die Pflichten und entsprechend auch die Rechte des einzelnen Gesellschafters ganz individuell zug: größerer finanzieller Beteiligung entsprechen in der Regel höhere Gewinnanteile, entsprechend werden Ausmaß und Sachkunde der Mitarbeit des Gesellschafters berücksichtigt. Mitarbeit und Sachkunde schaffen ihrerseits wieder Unterschiede bei der Regelung der Geschäftsführungsbefugnis. Die KG hat strukturell unterschiedlich typisierte Gesellschafter, da die nur begrenzt haftenden Kommanditisten in der Regel ohne Geschäftsführungsbefugnis sind bei eingeschränkten Kontrollrechten. In Personalgesellschaften sind daher vielfach Gesellschafter anzutreffen, deren Rechte geringer als die der Mitgesellschafter sind. In diesem Beitrag wird der Begriff des Gesellschafters minderen Rechts enger gefaßt: Es ist ein Gesellschafter, bei dem der Fortbestand der Gesellschafterstellung abhängig vom Willen des Gesellschafters stärkeren Rechts oder von der Mehrheit der anderen Gesellschafter (einschließlich des Gesellschafters stärkeren Rechts) ist. Der Gesellschafter minderen Rechts kann ohne wichtigen Grund ausgeschlossen werden, und zwar durch eine Entscheidung des Gesellschafters stärkeren Rechts oder durch Mehrheitsbeschluß der übrigen Gesellschafter (einschließlich des Gesellschafters stärkeren Rechts). Die freie Entziehbarkeit der Mitgliedschaft charakterisiert den Gesellschafter minderen Rechts. Ihm steht 7 Peter Ulmer, Wirksamkeitsschranken gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklausein, NJW 1979, 81 ff. S Flume, Die Abfindung nach der Buchwertklausel für den Gesellschafter minderen Rechts, NJW 1979, 902 ff. • Alfred Hueck, Das Recht der OHG', 1971, § 9 I, S. 109 f.; Flume, Allg. Teil d. Bürger!. Rechts I 1, Die Personengesellschaft, 1977, entwickelt § 10 !II, S. 137 f., weitergehend den Typ des Gesellschafters minderen Rechts.
Ausschluß des Gesellschafters unter Buchwertabftndung
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mindestens ein Gesellschafter stärkeren Rechts gegenüber, der nur aus wichtigem Grund ausschließbar ist. Der Gesellschafter minderen Rechts ist zumeist Kommanditist, er kann aber auch vollhaftender Gesellschafter sein. In der Praxis geht es um folgende Fallgruppen: 1. Die unentgeltlich übertragene Mitgliedschaft Der Alleininhaber eines Unternehmens räumt seiner Ehefrau und seinen Kindern unentgeltlich die Rechtsstellung von Kommanditisten ein. Dabei behält er sich im Gesellschaftsvertrag als Komplementär das Recht vor, die entgeltliche übertragung der Beteiligung auf sich zum Buchwert verlangen zu dürfen10 oder die Kommanditisten zum Buchwert ausschließen zu könnenu. Hierher gehört auch der vom alternden Alleininhaber unentgeltlich aufgenommene Juniorpartner. 2. Die geerbte Kommanditbeteiligung In einem Familienunternehmen wird festgelegt: Stirbt ein Gesellschafter, so werden seine Erben automatisch Gesellschafter; einer von ihnen als Komplementär, die übrigen als Kommanditisten. Der Komplementär darf nach einer bestimmten Zeit das Ausscheiden jedes Kommanditisten zum Buchwert verlangen12 •
3. Der familienfremde Geschäftsführer-Gesellschafter Die Gesellschafter der Personalgesellschaft, die nicht geschäftserfahren oder die gesundheitlich nicht mehr leistungsfähig sind, suchen sich einen Manager, der in die Gesellschaft im wesentlichen nur seine Arbeitskraft einbringt und der durch Beschluß der bisherigen Gesellschafter zum Buchwert ausgeschlossen werden kann l3 • Er kann als Vollhafter oder als Kommanditist mit Prokura in das Unternehmen eingebaut werden.
4. Der vorübergehend .beteiligte Kommanditist In einer KG wird im Gesellschaftsvertrag festgelegt: Ein Kommanditist kann durch Gesellschafterbeschluß oder durch Entscheidung der BGHZ 34, 80. In BGH WM 1968, 532, 533 war der streitige Anteil zum Teil geschenkt. 12 In BGH NJW 1979, 104, lag nach der dankenswerten Feststellung Flumes (NJW 1979, 902) eine Familien-KG mit zwei Stämmen vor, die je einen Komplementär stellten, insgesamt gab es 15 Kommanditisten. Die Komplementäre durften Kommanditisten der zweiten Generation zum Buchwert ausschließen. Der Gesellschaftsvertrag war mehrfach neu gefaßt worden, zuletzt 1974. Weiterhin: BGH WM 1962, 462; BGH WM 1968, 532. 13 In BGHZ 6, 113 wurde ein GmbH-Geschäftsführer bei Umwandlung in eine KG Komplementär, die beiden Gesellschafter-Witwen wurden Kommanditisten. Flume, NJW 1979, 903, spricht vom Manager. 10 U
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Komplementäre ohne wichtigen Grund zum Buchwert aus der Gesellschaft ausgeschlossen werdeni'. In der Praxis dürfte der Ausschluß erst nach einer festgelegten Mindestzeit zulässig sein, da sonst der Anreiz für den Eintritt in die Gesellschaft fehlt. Ohne solche Mindestzeit dürften besondere Vorteile eingeräumt sein, z. B. feste Verzinsung der Einlage neben der Gewinnbeteiligung. Die Kommanditistenstellung ist von vornherein als vorübergehende Beteiligung konzipiert, die sich vom Darlehn mit Gewinnbeteiligung durch gesellschaftsrechtliche Befugnisse und Risiken unterscheidet. In allen Fallgruppen wird zwischen höherrangigen Gesellschaftern, die eine festverankerte Mitgliedschaft haben und minderrangigen Gesellschaftern, die auch ohne wichtigen Grund ausgeschlossen werden können, unterschieden. Außer Betracht bleibt daher die Fallgruppe, bei der jeder Gesellschafter ohne wichtigen Grund durch Beschluß einer qualifizierten Mehrheit aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, weil hier nicht zwischen Gesellschaftern höheren und minderen Rechts unterschieden werden kann. U. Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?
Schon vor Jahrzehnten hat Milller-Erzbach l5 klargestellt, daß auch im Mitgliedschaftsrecht der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eine verhältnismäßige Gleichbehandlung fordert, Abstufungen nach sachlichen Kriterien daher zulässig sind. Das Gleichheitsgebot greift erst ein, wenn sich eine Machtlage herausgebildet hat, die es ausschließt, daß gewisse rechtlich anerkannte Interessen vom Mitglied hinreichend wahrgenomm~!l werden können lO • Diese Machtlage kann bei Satzungsänderungen durch Mehrheitsbeschluß zu Lasten der Minderheit entstehen, nicht aber beim Vereinbaren der ursprünglichen Satzung, da hier keiner der Beteiligten einem Zwang ausgesetzt ist17 • Allerdings kann kein Mitglied rechtswirksam allgemein darauf verzichten, verhältnismäßig wie die anderen Mitglieder behandelt zu werden l8 • Mit anderen Worten: Der Umfang der Rechtsbeeinträchtigung bei der Unterwerfung unter den BGH NJW 1973, 1606; BGHZ 68, 212. Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948, 69 ff. Ihm folgend: Heckelmann, Abftndungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, 1973, 169 f., Goetz Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, 267 ff., Raiser, ZHR 111, 1948, 75 ff. 82, Harm Peter Westermann, Vertragsfreiheit u. Typengesetzlichkeit im Recht d. Personalgesellschaften, 1970, 158; Flume, Personengesellschaft, § 10 111, S. 138 f. unterscheidet zwischen Ausschluß d. Gesellschafters minderen Rechts und dem Ausschluß eines beliebigen Gesellschafters ohne wichtigen Grund. 14
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Müller-Erzbach,72. Müller-Erzbach,74. Müller-Erzbach,77.
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Mehrheitsbescheid muß übersehbar sein1g . So darf einem Mitglied, dem in zulässiger Weise in der Satzung das Stimmrecht entzogen ist, nicht gegen seinen Willen seine Rechtsstellung als Gesellschafter verkürzt werden; auch dürfen ihm nicht erhöhte Pflichten auferlegt werden!o. Erst hier liegen die Grenzen der Privatautonomie. Eine weitere Begrenzung kann sich aus der nachstehend behandelten Sittenwidrigkeit ergeben. Die Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind in den Fallgruppen 1 - 4 nicht überschritten, denn die geminderte Position ist im Gesellschaftsvertrag von vornherein genau und überschaubar umschrieben, die Privatautonomie bleibt maßgebend.
c.
Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit?
Für die Prüfung der Sittenwidrigkeit sind vorab Sinn und Zweck der belastenden Klauseln des Gesellschaftsvertrages herauszuarbeiten. Bei den Unklarheiten in der Grundentscheidung über den Maßstab und den Inhalt der guten Sitten!1 sowie wegen der Widersprüche und Ungereimtheiten bei der Auslegung von § 138 BGB22 gewinnt man festeren Boden, wenn man die zugrunde liegenden Interessenlagen herausarbeitet und mit den Risiken und Konsequenzen der getroffenen Regelung des Gesellschaftsvertrages vergleicht. I. Zulässigkeit der Buchwertabfindung 1. Die nicht berücksichtigten Werte
a) Stille Reserven Bei der Buchwertabfindung entgeht dem ausscheidenden Gesellschafter sein Anteil an den stillen Reserven. Die stillen Reserven sind wirtschaftlich und rechtlich nicht verteilter Gewinn, der auf die Gesellschafter nicht nach dem Verhältnis der Kapitalanteile (§ 155 HGB), sondern nach dem Gewinnverteilungsschlüssel aufzuteilen ist!'. Die 10 Heckelmann (0. Anm. 15), 170; Flume, Personengesellschaft, § 10 III, S. 138 f., einschränk. für den Ausschluß durch die Mehrheit ohne wichtigen Grund. 20 BGHZ 20, 363, 369, Flume, Personengesellschaft, § 14 III, S. 213 ff. hierzu eingehend unter dem Gesichtspunkt der Fremdbestimmung. 21 übersicht bei Heckelmann (0. Anm. 15), 107 ff., Stand der Meinungen zum Abftndungsausschluß 104 ff. 22 Larenz, Grundsätzliches zu § 138 BGB, JJb. 7, 98 ff. !3 BGHZ 17, 130; 19, 42, 47. Einzelheiten bei Heckelmann (0. Anm. 15),35 f. Flume, Personengesellschaft, § 12 I, S. 170, übt an der Begründung der erstgen. Entsch. Kritik u. betont mit Recht, die Abfindungsklausel bestimme den Anspruchsumfang, so daß bei Buchwertabftndung nichts "erlassen" werde. Wenn zu Beginn des Abschnitts vom "Entgehen" der stillen Reserven gesprochen wird, so bezieht sich dies auf den Fall des Fehlens der Klausel als Vergleichsmaßstab.
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Gesellschafter haben die Bildung stiller Reserven wegen des Bewertungsspielraums nach § 40 HGB in der Hand24 ; das Steuerrecht begrenzt für die Steuerbilanz den Spielraum nach unten. EinzelheitentS würden den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Wesentlich sind zwei Feststellungen: Bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages ist nicht vorhersehbar, in welchem Umfang künftig stille Reserven gebildet werden26 • Werden über das kaufmännisch übliche Maß hinaus stille Reserven gegen den Willen des Gesellschafters minderen Rechts gebildet, so wird dieser benachteiligt, weil er im Ausscheidensfall von diesen gegen seinen Willen nicht verteilten Gewinnen ausgeschlossen bleibt. Diese Feststellung führt an die Grenze der von MiLller-Erzbach herausgearbeiteten Machtlage und zu· einer unzulässigen Fremdbestimmung im Sinne Flumes 27 : Der Gesellschafter minderen Rechts kann der Willkür der übrigen Gesellschafter ausgesetzt sein, die im Extremfall einige Jahre lang die Gewinnausschüttung durch übermäßige Bildung stiller Reserven unverhältnismäßig klein halten und nach Thesaurierung der Gewinne den Gesellschafter minderen Rechts ausschließen, der bei der Buchwertabfindung an den thesaurierten Gewinnen keinen Anteil hat. Diese Gefahr ist bei den Fallgruppen 1 - 4 übereinstimmend gegeben. b) good will Bei der Buchwertabfindung entgeht dem ausscheidenden Gesellschafter auch sein Anteil am good will des Unternehmens. Ruf, Beziehungen und Chancen des Unternehmens, d. h. der Firmenwert, werden im Laufe der Jahre aufgebaut. Heckelmann 28 sieht den good will gleichfalls als aufgespeicherten Gewinn. Die Bildung des good will unterscheidet sich prinzipiell von der Bildung stiller Reserven: Während die stillen Reserven durch bewußte Bewertungsentscheidungen der Gesellschafter entstehen und deshalb die Machtlage bei der Entscheidung eine Rolle spielt, wird der good will als zwangsläufiges Nebenprodukt bei der erfolgreichen Unternehmenstätigkeit gebildet. Diese Folge ist für jeden Gesellschafter von vornherein überschaubar. Da der good will vor allem durch die geschäftsführenden Gesellschafter geschaffen wird, könnte eine besondere Lage für den familienfremden Geschäftsführer-Gesellschafter der Fallgruppe 3 gegeben sein: Steigerungen des good will seit seinem Eintritt in das Unternehmen, die in erster Linie auf seiner Z4
Lücke, Bilanzstrategie und Bilanztaktik, DB 1969, 2285 fI.
Z. B. stark steigender Verkehrswert des Betriebsgrundstücks bei unverändertem Einheitswert. 28 Ulmer, NJW 1979, 82. !7 Flume, Personengesellschaft, § 14 I, S. 207 fI. IS
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Heckelmann
(0.
Anm. 15), 35.
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Leistung beruhen, würden ihm im Ausscheidensfall entgehen. Ob dies zu rechtlichen Konsequenzen führen muß, wird unten unter 2 b behandelt.
2. Gründe für die Buchwertabfindung Für die Buchwertabfindung sprechen ein mehr technischer und ein mehr materieller Grund: Vereinfachte Berechnung des Abfindungsguthabens und Bestandsschutz für das Unternehmen. a) Vereinfachte Berechnung Die Berechnung des Abfindungsguthabens nach § 738 Abs. 1 BGB hat den "wirklichen Wert der lebenden Unternehmung"!9 zugrunde zu legen, der nach § 738 Abs.2 BGB notfalls zu schätzen ist. Für eine Berechnung des Wertes oder auch nur für eine Schätzung des Wertes steht kein eindeutiges Verfahren zur Verfügung. Die verschiedenen Verfahren führen in theoretischen Beispielen zu unterschiedlichen Ergebnissen, die in der Praxis noch mehr differieren, weil dann auch bereits die einzelnen Bewertungsfaktoren, die im theoretischen Beispiel vorgegeben sind, Bewertungsschwankungen unterliegen30 • Wer einen Rechtsstreit über einen Unternehmenswert miterlebt hat, weiß, daß der oder die Gutachter den Rechtsstreit unter ganz erheblichen Kosten entscheiden, da das Gericht auf Grund eigenen Sachverstandes nur zu wenigen Einzelfragen Stellung nehmen kannsI. Das Interesse an einer reibungslosen und schnellen Feststellung des Abfindungsguthabens ist daher für alle Gesellschafter hoch anzusetzen, auch für den Ausscheidenden. Bei der Buchwertabfindung sind allerdings erhebliche Differenzen zwischen Buchwert und (umstrittenem) wahren Wert möglich und häufig. Dieses Ergebnis kann auch nur schwer durch einen im Gesellschaftsvertrag festgelegten prozentualen ZuschlagS! zur Abgeltung der Differenz zum wahren Wert vermieden werden; denn im voraus ist nicht überschaubar, um welchen Prozentsatz die Summe der Buchwerte durch den wahren Wert überschritten werden wird. Auch eine im Gesellschaftsvertrag festgelegte Pflicht, den Prozentsatz in bestimmten Zeitabschnitten anzupassen, läßt eine unzureichende Anpassung zu Lasten des Gesellschafters minderen Rechts zu. BGHZ 17,136; WM 1971,1450. Umfassend Heckelmann (0. Anm.15), 30 ff., 32; ferner danach SudhojJ, ZGR 1972, 157 ff., insbes. 160 ff., 167 ff. 31 So deutlich in BGHZ 17, 130 ff.; WM 1965, 44. 3! Heckelmann (0. Anm. 15), 42 sieht je einen Prozentsatz für stille Reserven, good will, schwebende Geschäfte u. Rumpfgescbäftsjahr vor. Bezugsgröße: Kapitalkonto. 28
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Der weitere Vorschlag, einen Sachverständigen als Schiedsgutachter vorzusehen 33 , ist wegen der geschilderten Bandbreite bei der Bewertung nicht ideal und erfordert für den Gutachter Zeit und Geld. So hat die Buchwertabfindung für sich die schnelle Feststellung des Abfindungsguthabens, gegen sich ihre mögliche materielle Ungerechtigkeit für den Ausscheidenden. b) Bestandsschutz für das Unternehmen Die materielle Ungerechtigkeit der Buchwertabfindung ist aber in der Regel bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages gewollt, denn sie dient dem Bestandsschutz des Unternehmens. Die gesetzliche Regelung des § 738 Abs. 1 BGB, die dem Ausscheidenden seinen Anteil am wahren Wert des Gesellschaftsvermögens zuspricht, konnte den Bestandsschutz unberücksichtigt lassen, weil er bei der BGB-Gesellschaft praktisch keine Rolle spielt34 • Demgegenüber sind die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft zumeist mit dem überwiegenden Teil ihres Vermögens im Unternehmen engagiert. Das Unternehmen bildet für sie und häufig auch für ihre Erben durch Einsatz von Kapital, Investition der Gewinne und durch persönliche Leistung die wirtschaftliche Existenzgrundlage35 • Die in der Regel fehlende Liquidität des Unternehmens würde bei Abfindung eines Gesellschafters zum vollen Wert vielfach die weitere Arbeit des Unternehmens und damit die Existenzgrundlage der verbleibenden Gesellschafter gefährden. Mit dem Gesichtspunkt des Schutzes der Arbeitsplätze im Unternehmen kommt ein allgemeines sozialpolitisches Interesse hinzu, das nicht unterschätzt werden darf. Auch ein wirtschaftspolitischer Gesichtspunkt spielt eine Rolle: Unsere Wettbewerbswirtschaft wird durch die Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen gegenüber der Konzentrationstendenz der Großen erhalten; die kleineren und mittleren Unternehmen bleiben aber nur lebensfähig, wenn sie nicht ständig durch Kapitalabflüsse geschwächt werden 36 • Die Buchwertabfindung ist daher von einer zulässigen Interessenabwägung getragen, bei der die Gesellschafter dem möglichst wenig gestörten Fortbestand des Unternehmens einen höheren Wert beimessen als dem Abfindungsinteresse des Ausscheidenden. In den Fallgruppen 1 - 4 kommt dem Kontinuitätsinteresse eine besondere Bedeutung zu: Wer einem anderen eine Gesellschafterstellung 33 Heckelmann (0.
34 Heckelmann (0. 35
Anm. 15), 43. Praktiziert z. B. in BGHZ 6, 335, 339. Anm. 15),37.
Heckelmann (0. Anm.15), 37.
Vgl. Flumes Kritik (Personengesellschaft, § 13 I, S. 190, mit weiterer Lit.) an Reuters Thesen gegen eine "Perpetuierung von Unternehmen" in Privatrecht!. Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973. Ferner Flume, 38
g 18 VII, S. 420.
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schenkweise, aber auch wieder entziehbar einräumt, hat ein legitimes Interesse daran, den Mittelabfluß für den Fall des Ausscheidens des Beschenkten in Grenzen zu halten. Die Familiengesellschaft der ersten oder zweiten Generation hat ein legitimes Interesse an der Erhaltung des Unternehmens, wenn die nur vorübergehend beteiligten Kommanditisten-Erben ausscheiden. Die Familiengesellschaft, die einen familienfremden Geschäftsführer-Gesellschafter aufnimmt, hat das gleiche legitime Interesse, wenn sie ihren Geschäftsführer-Gesellschafter austauschen möchte. Der Geschäftsführer-Gesellschafter ist gehalten, sein Interesse zu wahren und sich zum Ausgleich für den Ausschluß von den von ihm erarbeiteten stillen Reserven und good will ein Geschäftsführergehalt, eine Vorabgewinnbeteiligung oder eine Gewinnsteigerungsprämie auszuhandeln. Entsprechend liegt es bei dem ohne Einlage aufgenommenen Juniorpartner. In der Fallgruppe 4 ist das Interesse der Vollhafter am Fortbestand des Unternehmens höher zu bewerten als das Abfindungsinteresse der nur beschränkt haftenden Kommanditisten mit ihrer nur als vorübergehend konzipierten Mitgliedschaft. All diese Interessen sind legitim und rechtfertigen eine Buchwertabfindung. Wertet man diese Interessen, so ist die Abfindung zum Buchwert auch nicht "ungerecht", wie eine Gefühlsjurisprudenz ohne umfassende Prüfung der Interessen nur zu leicht annimmt. ß. Die Zulässigkeit des "Hinauskündigens"
1. Die bisherige Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsfreiheit nach § 109 HGB Regelungen akzeptiert, durch die der Ausschluß eines Gesellschafters gegenüber dem langwierigen Verfahrerl vor Gericht nach § 140 HGB erleichtert worden ist. Als der BGH für zulässig erklärte, einen Gesellschafter auf Grund des Gesellschaftsvertrages aus wichtigem Grund durch Gesellschafterbeschluß auszuschließen, begründete er 37 : Das Gesetz gehe von dem vernünftigen Grundsatz aus, den Gesellschaftern bei der Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen im möglichst weitgehenden Umfang Freiheit zu lassen. Diese Gestaltungsfreiheit finde nur dort ihre Grenze, wo das rechtlich zwingende Gesamthandsprinzip beiseitegeschoben werde oder wo allgemeine Rechtssätze, wie sie in den Vorschriften der §§ 134, 138 BGB ihren Niederschlag gefunden hätten, beeinträchtigt würden. Der BGH sah den Vorteil der Regelung in der früheren Wirkung der Ausschließung als bei der Ausschlußklage.
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BGHZ 31, 296, 29B.
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Als nächsten Schritt akzeptierte der BGH den Ausschluß von Kommanditisten ohne wichtigen Grund, wenn die Kommanditisten bereits nach dem Gesellschaftsvertrag nur eine minderberechtigte Stellung hatten. Es handelte sich dabei um Kommanditisten, die ihre Beteiligung unentgeltlich38 oder im Erbwege 39 erhalten hatten. Der BGH hat schließlich klargestelWO, den Ausschluß durch Mehrheitsbeschluß ohne wichtigen Grund gebe es nicht nur für einzelne bezeichnete Kommanditisten, er könne auch schlechthin für grundsätzlich gleichberechtigte Gesellschafter vereinbart werden, so daß bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages noch ungewiß sei, wen von ihnen eine spätere Ausschließung treffe. Diese konsequent entwickelte Rechtsprechung, die voll auf dem Boden der Privatautonomie stand, ist vom BGH dann 1977 für die Ausschließung eines Kommanditisten abgebrochen und zurückgebogen worden41 : Ein an wichtige Gründe nicht gebundenes Ausschließungsrecht sei für den Regelfall als rechtlich bedenklich anzusehen. Ein derart von der gesetzlichen Regelung abweichendes und erweitertes, in so schwerwiegender Weise in die Gesellschafterstellung eingreifendes und die wirtschaftliche und persönliche Freiheit einschränkendes Gestaltungsrecht könne nur dann als zulässig angesehen werden, wenn wegen ganz besonderer Umstände Gründe beständen, die für eine solch ungewöhnliche Regelung eine sachliche Rechtfertigung bilden könnten. In den bisher entschiedenen Fällen hätten außergewöhnliche personelle und sonstige Verhältnisse und damit besondere Gründe vorgelegen. Worin in dem davor entschiedenen Fall4Z , in dem ja allgemein die Ausschließung von Komanditisten laut Gesellschaftsvertrag ohne wichtigen Grund für zulässig gehalten worden ist, die besonderen Gründe gelegen haben, ist nicht erkennbar, so daß der Eindruck entsteht, die Änderung der Rechtsprechung soll verschleiert werden. BGHZ 34,80; WM 1968, 532. BGH WM 1962, 462; 1968, 532. 40 BGH NJW 1973, 1606 = BB 1973, 957 = WM 1973, 842. Diesen Grundsatz hält Flume, Personengesellschaft, § 10 III, S. 138, für zu weitgehend, weil unter gleichberechtigten Gesellschaftern der Ausschluß eines beliebigen ungerechtfertigt sei. 41 BGHZ 68, 212 = NJW 1977, 1292, 1293 = BB 1977, 768. Flume, Personengesellschaft, § 10 III, S. 138, hält die Entscheidung für zutreffend, weil der Ausschluß nicht durch einen von vornherein bevorrechtigten Gesellschafter höheren Rechts erfolgt sei, sondern durch Mehrheitsentscheidung, die jeden treffen könne. Das ist aber nach dem Sachverhalt nicht gegeben. Die dreiviertel Mehrheit ist gegen den Ausgeschlossenen bei Stimmenthaltung eines Gesellschafters durch die ,beiden weiteren Gesellschafter erreicht worden: Mindestens einer von ihnen muß mit mehr als einem Viertel beteiligt gewesen und daher unausschließbar gewesen sein, d. h. Gesellschafter höheren Rechts. Sein Ausschlußrecht von der Mitwirkung mindestens eines weiteren Gesellschafters abhängig zu machen, ändert an seiner Stellung als Gesellschafter höheren Rechts nichts. 4Z Vgl. o. Anm. 40. 38
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Der BGH sieht damit folgende Gesichtspunkte als entscheidend für die Unzulässigkeit der Ausschließung eines Komanditisten ohne wichtigen Grund an: Das Abweichen von der gesetzlichen Regelung, das schwerwiegende Eingreifen in die Gesellschafterstellung, die Einschränkung der persönlichen und der wirtschaftlichen Freiheit, Diese Gründe sind auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen, 2. Das Abweichen von der gesetzlichen Regelung
Bei dem Vorwurf des Abweichens von der gesetzlichen Regelung hat offenbar die Inhaltskontrolle nach §§ 8 und 9 AGB-G Pate gestanden, denn diese Vorschriften mißbilligen ausdrücklich ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung des dispositiven Rechts. Auch die Inhaltskontrolle für die Formularverträge der hier nicht behandelten Publikums-KG43 mag Einfluß ausgeübt haben, Der Grundgedanke des Schutzes bei Formularverträgen darf nicht auf individuell ausgehandelte Gesellschaftsverträge übertragen werden. Vor allem aber ist das Abweichen von der dispositiven gesetzlichen Regelung bei Leistungsaustauschverträgen anders als bei Gesellschaftsverträgen zu werten, Denn ein Gesellschaftsvertrag ist prinzipiell etwas anderes als ein Leistungsaustauschvertrag. Von der Interessenlage her ist zwischen Interessengegensatzverträgen (Leistungsaustauschverträgen), Interessenwahrungsverträgen (Geschäftsbesorgungsverträgen), Interessenvergemeinschaftungsverträgen (Gesellschaftsverträgen) und Interessensicherungsverträgen (z. B. Bürgschaft) zu unterscheiden'4. Der Gesellschaftsvertrag begründet einen Zusammenschluß für einen gemeinsamen Zweck'5 auf der unentbehrlichen Grundlage des Vertrauens, im Leistungsaustauschvertrag setzt das Recht einen Interessengegensatz voraus, das Vertrauen ist in der Regel kein tragender und dauernder Faktor48 • Im Interessenvergemeinschaftungsvertrag besteht kein Gegensatz oder Wertunterschied zwischen den vergemeinschafteten Interessen, sondern lediglich ein Gegensatz und ein Wertunterschied zwischen den vergemeinschafteten Sonderinteressen des einzelnen Gesellschafters einerseits und den Gemeinschaftsinteressen andererseits47 • Diese ganz individuell gestaltete 43 BGHZ 64, 241. " Ernst E. Hirsch, Einführung in das Bürgerliche Vermögensrechtl, 1956, 131 f., 6. Aufl. (HirschjPleyer) 1975, 171; ders., Leitfaden für das Studium des Handels- und Gesellschaftsrechts5, 1970, 188. H. P. Westermann (0. Anm. 15), 13 ff., unterscheidet nur zwischen Gesellschaftsvertrag als gemeinschaftsbegründendem Vertrag und den Austauschverträgen. Zum gemeinsamen Zweck als konstituierendem Element Flume, Personengesellschaft, § 3 I, S. 37 ff. 45 Flume, Personengesellschaft, § 3 I, 37 ff. 48 Vgl. Müller-Erzbach (0. Anm. 15),33 f. 47 Hirsch, Leitfaden (0. Anm. 44), 188.
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Vergemeinschaftung der Interessen und der im Normalfall damit verbundene Faktor "Vertrauen" entziehen Gesellschaftsverträge einer Typisierung, wie sie für den Kauf als typischen Leistungsaustauschvertrag möglich ist. Es gibt keinen einheitlichen Typ "Gesellschaft", für den man allgemein eine "richtige Regelung" statuieren könnte48 • Das zeigt allein schon der Vergleich der eingangs geschilderten Fallgruppen mit ihren gravierenden Unterschieden in der Interessenlage. Die gesetzliche Regelung ist bei den hier behandelten, frei vereinbarten Personengesellschaften im dispositiven Bereich nur Lückenfüller, aber keineswegs prägendes Vorbild oder Maßstab der Gerechtigkeit, wie es das dispositive Recht in anderen Bereichen sein kann&D. Zu der Bedeutung des dispositiven Rechts bei Gesellschaftsverträgen ist eine Entscheidung des gleichen Senats des BGH ergangen50 , die zeitlich nach dem hier kritisch geprüften Wechsel der Rechtsprechung liegt: Das dispositive Gesetzesrecht werde in weiten Bereichen der handelsrechtlichen Personengesellschaften den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht und sei deshalb weitgehend von der Vertragspraxis verdrängt worden. Seine Anwendung würde deshalb bei Lücken im Vertrag häufig zu sachwidrigen Ergebnissen führen und im Widerspruch zum mutmaßlichen Willen der Gesellschafter stehen. Nur durch die bewußt eingeräumte Freiheit zur Gestaltung des Innenverhältnisses sei es möglich, die verschiedensten Gesellschaftsverhältnisse ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend zu regeln und der wirtschaftlichen Entwicklung gerecht zu werden. Wegen der besonderen Bedeutung der Vertragsfreiheit für das Innenverhältnis müsse die ergänzende Vertragsauslegung, die auf den objektivierten mutmaßlichen Willen der Vertragschließenden abstellt und versucht, im Einzelfall eine interessengerechte Lösung zu finden, in aller Regel Vorrang vor dem dispositiven Gesetzesrecht haben. Aus dieser Auffassung des BGH ergibt sich: Für das Innenverhältnis frei ausgehandelter Gesellschaftsverträge ist die Funktion des dispositiven Rechts sogar als "Lückenfüller" beeinträchtigt51. Dann kann das dispositive Recht in diesem BeFlume, NJW 1979, 902. Ebenso schon Personengesellschaft, § 12 I, S. 171. H. P. Westermann (0. Anm. 15), 40 ff., insbes. 45 ff., 52 ff. Fragen des Typenzwanges (Westermann, 40 ff., Wüst, Gestaltungsfreiheit und Typenkatalog im Gesellschaftsrecht, Festschrift Duden, 1978, 749 ff., 761 f.) werden hier nicht berührt, da Grundtypenvermischung, -verzerrung, -dehnung nicht vorliegen. 50 BGH NJW 1979,1705,1706. 51 Zum dispositiven Recht und der ergänzenden Vertragsauslegung H. P. Westermann (0. Anm. 15), 46 ff., mit Rechtspr. u. Lit Duden, ZGR 1973, 360 ff., 375 bezweifelt, daß es einen Elfenbeinturm des Gesellschafterinnenverhältnisses gibt, und verweist 377 auf die Grenzen der Position des freien Individuums in der Wirtschaft, gibt aber keine klare Lösung. 48
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reich schon gar nicht eine Ordnungswirkung ausstrahlen oder als Maßstab für die Gerechtigkeit des Einzelfalls dienen52 •
3. Das Vertrauen und der Nachweis der Vertrauemserschütterung Das Vertrauen ist im Regelfall ein tragendes Element für den Eintritt in eine Personengesellschaft, eine Risiko-, Vermögens-, Haftungsund Tätigkeitsgemeinschaft53 • Die Fortdauer des Vertrauens ist wesentlich für den Fortbestand der Mitgliedschaft. Zwar ist bei dem Kommanditisten die Tätigkeitsbindung in der Regel weniger ausgeprägt und die Haftungsgemeinschaft nur in begrenztem Umfang gegeben. Die vielfach notwendige Mitwirkung der Kommanditisten für unternehmerische Entscheidungen zeigt aber die andauernde Bedeutung des Vertrauens und der persönlichen Bindung. In der Fallgruppe des familienfremden Geschäftsführer-Gesellschafters ist sogar ein besonderes Vertrauen der übrigen Gesellschafter notwendig. In der Fallgruppe der geschenkten Mitgliedschaft kann ein Ärger über das Verhalten des Beschenkten als Gesellschafter genügend Grund sein, die Mitgliedschaft zu kündigen und den Beschenkten abzufinden. Ob ein Vertrauensverhältnis fortbesteht oder ob es erschüttert ist, kann oft nur schwer belegt werden, liegen die Wurzeln einer Änderung doch oft in psychologischen Faktoren. Es ist daher sachgerecht, die Entscheidung des Gesellschafters höheren Rechts oder der Mehrheit (unter Einschluß des Gesellschafters höheren Rechts) auf Ausschluß des Gesellschafters minderen Rechts vom "wichtigen Grund" zu lösen und die Möglichkeit zu geben, den Gesellschafter minderen Rechts, zu dem kein volles Vertrauen mehr besteht, auszuschließen. Der von vornherein eingeräumte schwere Eingriff in die GesellschaftersteIlung ist berechtigt. Einzuräumen ist dabei, daß ein Vertrauensschwund in den Fallgruppen 1, 2 und 4 vielfach fehlen wird, weil andere Gesichtspunkte zum Ausschluß führen. Diese Gesichtspunkte werden gleichfalls zu prüfen sein. 4. Verkleinerung der Gesellschafterzahl Es gibt ein legitimes Interesse an der Verkleinerung der Gesellschafterzahl. Es ist gegeben, wenn die Gewinne nicht mehr zum Unterhalt sämtlicher Gesellschafter ausreichen (denkbar für Fallgruppe 4) oder wenn durch Erbfälle die Zahl der Gesellschafter so stark gewachsen ist, daß die Aktionsfähigkeit der Gesellschaft leidet (Fallgruppe 2). 51 Uwe Schneider, Die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen, ZGR 1978, 1 ff., 7, warnt vor einer Korrektur individuell ausgehandelter Verträge durch die Gerichte. n Zur Aufgliederung Hirsch, Leitfaden (0. Anm. 44), 213 f.
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Dieses Interesse erfordert einen Ausschluß der Gesellschafter minderen Rechts, die mit dieser Konsequenz seit dem Erwerb der Mitgliedschaft zu rechnen hatten. Bei der ererbten Beteiligung minderen Rechts soll dabei der Zeitpunkt des Ausscheidens mit der Liquiditätslage des Unternehmens abgestimmt werden54 • Die Interessen der Gesellschafter stärkeren Rechts sind schutzwürdig, weil sie in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit voll mit dem Fortbestand des Unternehmens verknüpft sind. Ferner spielt hier der Bestandsschutz für das Unternehmen eine Rolle, denn eine so große Gesellschafterzahl kann durchaus den Bestand des Unternehmens gefährden. Demgegenüber wird man ein Recht auf Fortdauer der Mitgliedschaft allenfalls zwischen Gesellschaftern gleichen Rechts annehmen können55, für dessen Beeinträchtigung bestimmte rechtfertigende Tatbestände erfüllt sein müssen. Das Mitglied minderen Rechts hat dagegen von vornherein kein Recht auf Fortdauer der Mitgliedschaft. Das schwerwiegende Eingreüen in die Gesellschafterstellung ist hier gerechtfertigt.
5. Zusammenfassung zu II Zusammenfassend ist festzustellen: Der Gesellschafter minderen Rechts muß von vornherein mit seinem Ausschluß aus der Gesellschaft rechnen. Die Interessenlage rechtfertigt eine solche Ausschlußmöglichkeit, ein ungerechtfertigtes schweres Eingreüen in die GesellschaftersteIlung liegt nicht vor. Die Auffassung des BGH, man dürfe im Regelfall von der dispositiven gesetzlichen Regelung nicht derart abweichen, verkennt die Bedeutung der Privatautonomie und die Interessenlage in der Gesellschaft. Die Forderung des BGH nach besonderen Umständen für eine solche Regelung ist unberechtigt, weil die Stellung des Gesellschafters minderen Rechts auf einer entsprechenden Wertung aller Gesellschafter beruht; denn niemand würde mit klarem Kopf und freiwillig eine geminderte Rechtsstellung grundlos übernehmen. 111. Verknüpfung von "Hinauskündigen" und Bucllwertabftndung
1, Grundsätzliche Zulässigkeit a) Einengung der Entschließungsfreiheit? Eine übermäßige Einengung der wirtschaftlichen, beruflichen oder persönlichen Entscheidungsfreiheit eines Vertragsbeteiligten und eine dadurch bewirkte Abhängigkeit vom anderen Vertragsbeteiligten kann die Möglichkeit freier Betätigung und Entfaltung im Wirtschafts- und 114 55
Flume, NJW 1979, 903. Vgl. Flume, Personengesellschaft, § 10 nI, S.138 f.
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Berufsleben über Gebühr einengen68 und führt dann zur Nichtigkeit nach § 138 Abs.1 BGB. Man sieht das Bild eines Gesellschafters vor sich, der seine eigene Meinung verbirgt und sich liebedienerisch verhält, um nur ja nicht die Kündigung zum Buchwert auszulösen. Aber so abstrakt kann nicht argumentiert werden. Ob eine Verknüpfung der Möglichkeit des "Hinauskündigens" mit der Buchwertklausel den Tatbestand des § 138 Abs.1 BGB erfüllt, ist nicht allgemein, sondern an Hand der einzelnen Fallgruppen zu entscheiden. Dabei darf die genannte Verknüpfung nicht isoliert betrachtet werden, sondern das Zusammenwirken aller Modalitäten eines Vertrages ist zu prüfen, um beantworten zu können, ob die Grenzlinie zur sittenwidrigen Preisgabe der Entschließungsfreiheit überschritten ist57 • Bei der unentgeltlich übertragenen Mitgliedschaft verbleibt dem Gesellschafter minderen Rechts auch bei Verlust der Mitgliedschaft der Buchwert der geschenkten Beteiligung. Geschenkt ist damit wirtschaftlich die Gewinnbeteiligung während der Mitgliedschaft, die Chance auf den vollen Wert der Beteiligung für den Liquidationsfall und der Buchwert für den Ausschlußfall. Eine übermäßige Beschränkung der Entschließungsfreiheit ist nicht ersichtlich, die wesentlich über die psychologischen Auswirkungen jeder schenkweise eingeräumten Rechtsstellung hinausgingen. Bei der geerbten Beteiligung liegen die Dinge ähnlich wie bei der geschenkten Beteiligung. Hier tritt an die Stelle der Entscheidung des Schenkens die Entscheidung des Erblassers: Der Erbe erhält einen von vornherein begrenzten Vermögensvorteil58• Der familienfremde Geschäftsführer-Gesellschafter muß mit seinem Ausschluß zum Buchwert ebenso rechnen wie ein angestellter Geschäftsführer mit der fristgemäßen Kündigung. Er ist daher gehalten, im Gesellschaftsvertrag ein Äquivalent für die Geschäftsführung, die Erhöhung des good will, die Schaffung stiller Reserven und das Haftungsrisiko als Komplementär oder Kommanditist auszuhandeln: z. B. erhöhte Gewinnbeteiligung, Geschäftsführergehalt, freiwillige Weiterversicherung in der Rentenversicherung auf Kosten der Gesellschaft. Eine übermäßige Beschränkung der Entschließungsfreiheit ist bei ausgehandelten Vertrag nicht erkennbar. Bei dem ausschließbaren Kommanditisten wird eine Mindestzeit der Mitgliedschaft eingeräumt sein, bevor die Kündigungsmöglichkeit eingreift, so daß die wirtschaftlichen Vorteile der Mitgliedschaft für eine Heckelmann (0. Anm. 15), 111, mit weiterer Literatur. Heckelmann (0. Anm. 15), 112. 58 Al/red Hueck (0. Anm. 9), 435 Anm. 3 c; Heckelmann (0. Anm. 15), 114; Flume, NJW 1979, 904. 55 57
42 Festgabe für U. v. Lübtow
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Mindestzeit gesichert sind. Fehlt auch die Mindestzeit, so dürfte der Kommanditist durch andere Vorteile zum Beitritt bewogen worde sein: Erhöhter Gewinnanteil, Vorab gewinn, feste Verzinsung der Kommanditeinlage neben einer Gewinnbeteiligung, so daß auch in Verlust jahren ein Einkommen gesichert ist. Der Kommanditist ähnelt einem Darlehnsgeber mit Gewinnbeteiligung, der schließlich auch mit der ihm unerwünschten Kündigung seines gewinnbringenden Darlehns rechnen muß, ohne daß von einer Beschränkung der Entschließungsfreiheit gesprochen werden könnte; gegenüber dem Darlehnsgeber ist der Kommanditist durch die GesellschaftersteIlung gestärkt und zur Mitwirkung bei unternehmerischen Entscheidungen berufen. In all diesen Fällen steht dem negativen Faktor der freien Kündigung zum Buchwert ein ausgleichender positiver Faktor gegenüber. Andernfalls wäre der Beitritt vernünftigerweise nicht erfolgt. Bei einem frei ausgehandelten Gesellschaftsvertrag begründet die Lebenserfahrung die Vermutung, daß die Verteilung der Vorteile und Lasten unter Berücksichtigung aller Umstände einigermaßen ausgewogen erfolgt ist50 • Man darf hier nicht die "freie Buchwertkündigung" isoliert betrachten, wie es der BGH getan hat, als er die Art des Anteilserwerbs nur unzureichend wertete80• Haben die anderen Gesellschafter ohne entsprechenden Ausgleich die Unerfahrenheit des Kommanditisten ausgenutzt, so kommt Nichtigkeit nach § 138 Abs.2 BGB in F:rnge81 • Das ist aber keine generelle Mißbilligung des Vertragstyps, sondern eine Mißbilligung des Einzelfalls. In allen Fallgruppen stellt die Gesamtheit der Vertragsbedingungen eine in sich vernünftig gestaltete Einheit dar, von einer übermäßigen Einschränkung der Entschließungsfreiheit kann nicht gesprochen werden82• b) Mißverhältnis zwischen wirklichem Wert und Buchwert Der BGH83 begründet seine Mißbilligung der freien Kündigung des Kommanditisten zum Buchwert auch mit dem Umstand, die Abfindung 50 Hierin liegt bei allen frei ausgehandelten Verträgen gleich starker Partner die Rechtfertigung der Privatautonomie von der Seite der Gerechtigkeit her, neben der Freiheit der andere tragende Faktor. Vg!. H. P. Westermann (0. Anm. 15), 27 f., der 28 feststellt, die Frage nach der "Vertragsgerechtigkeit" sei hier entbehrlich. 80 BGH NJW 1979, 104, und die Darstellung des Anteilserwerbs bei Flume,
NJW 1979, 903.
61 SO Z. B. BGH WM 1975, 325: Der Kommanditist beriet die unerfahrene Komplementärin unzutreffend. 82 Heckelmann (0. Anm. 15), 114, warnt vor vorschneller Annahme der Sittenwidrigkeit. Flume, Personengesellschaft, § 12 IV, S. 181, akzeptiert die Regelung für den Gesellschafter minderen Rechts. 83 BGH NJW 1979, 104.
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zum Buchwert habe zur Folge, daß der Abfindungsanspruch erheblich hinter dem Wert des Anteils zurückbleibe und deshalb "in den Regelfällen" eine Beschränkung des Abfindungsanspruchs grundsätzlich als rechtlich unzulässig anzusehen sei (§ 138 BGB). Der BGH gibt nicht an, welchen Absatz des § 138 BGB er als erfüllt ansieht. Falls sich der BGH auf die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB stützt, sind aus mehreren Gründen Bedenken anzumelden. Ob es zu einer erheblichen Wertdifferenz zwischen Buchwert und wirtschaftlichem Wert der Beteiligten kommt, liegt bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages noch in der Zukunft und ist nicht mit Sicherheit vorauszusagen 84 • Denn die Bildung stiller Reserven liegt in der Hand der Gesellschafter. Diese können die Bildung stiller Reserven durchaus sehr zurückhaltend behandeln. Möglicherweise läßt die wirtschaftliche Entwicklung eine Bildung stiller Reserven nicht einmal zu. Es ist auch ungewiß, ob künftig ein nennenswerter good will aufgebaut wird. Geringere Wertdifferenzen zwischen Buchwert und wirtschaftlichem Wert werden allein schon durch die Vorteile der schnellen und einfachen Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens gerechtfertigt. Erst erhebliche Wertdifferenzen begründen für den BGH die Sittenwidrigkeit. Zwar haben florierende Unternehmen in der Regel nennenswerte stille Reserven und einen beachtlichen good will, aber nicht alle Unternehmen florieren. Ob es zu der vom BGH unterstellten erheblichen Wertdifferenz kommt, ist bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages völlig ungewiß. Maßgebend für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes ist der Zeitpunkt der Vornahme, bei einem Vertrag kommt es auf den Zeipunkt des Vertragsschlusses an85 • Die sittenwidrige Durchführung eines wirksam abgeschlossenen Vertrages macht diesen Vertrag nicht nichtig88 • Spätere Änderungen der Verhältnisse, die zu einer Sittenwidrigkeit führen, begründen den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung87 • Wegen der Ungewißheit, ob und wann ein erheblicher Unterschied zwischen Buchwert und wirtschaftlichem Wert eintritt, ist es rechtlich unzutreffend, die Buchwertabfindung bei freier Kündigung als sittenwidrige Klausel anzusehen. Falls auf Grund der späteren Entwicklung der Gesellschaft rechtliche Bedenken zu erheben sind, müssen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden. So auch Ulmer, NJW 1979, 82. BGHZ 7, 111, 114; BGHZ 20, 71, 75; BGH DB 1968, 2172; BGH WM 1977, 399; RG HRR 1932 Nr. 1575; RG JW 1937, 3221; Soergel/Hefermehll1 , 1978, § 138 Rz. 40 mit weit. Lit., Ulmer, NJW 1979, 82. •• Soergel/Hefermehlll , § 138 Rz. 40. 87 SoergeljHefermehlll , § 138 Rz. 41. M
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Neben den dogmatischen Bedenken gegen die Begründung des BGH greifen auch Bedenken von der Interessenlage her ein, die schon oben erörtert sind und die daher nur kurz aufgezählt werden: Bei der unentgeltlich übertragenen Beteiligung ist das Interesse des schenkenden Komplementärs legitim, sich von dem Beschenkten als Gesellschafter wieder befreien zu können, und zwar zum Buchwert, um die Substanz des Unternehmenis möglichst zu schonen. Bei der ererbten Mitgliedschaft ist die Regelung des Erblasser-Gesellschafters und seiner Mitgesellschafter legitim, nur einen Erben jedes Familienstammes voll in der Gesellschaft zu verankern, den übrigen Erben aber eine geminderte Position einzuräumen, gemindert um die Ausschlußmöglichkeit zum Buchwert im Zeitpunkt einer günstigen Liquiditätslage, um die Gesellschafterzahl nicht ausufern zu lassen und um die Substanz des Unternehmens zu schonen. Diese Interessenlage hat der BGH68 bei der ererbten Mitgliedschaft nicht geprüft und offenbar nicht einmal gesehen, wenn er zum Erwerb im Erbwege nur lakonisch sagt, dies könne eine Beschränkung des Abfindungsanspruchs nicht rechtfertigen, "zumal - soweit ersichtlich - auch alle übrigen Gesellschafter die Gesellschafterstellung im Erbwege erlangt haben". Es geht nämlich nicht um die Mißbilligung einer ererbten Beteiligung; denn erben ist ein legitimer Vorgang, sogar verfassungsrechtlich geschützt. Es geht um die Möglichkeit der unterschiedlichen Behandlung der Gesellschafter-Erben. Gesellschaftsvertraglich ist der Ausschluß jedes Abfindungsanspruchs der Erben eines verstorbenen Gesellschafters zulässig6U ; erbrechtlich ist es das gute Recht des Erblassers, zu bestimmen, welche Erben nichts erben und auf den Pflichtteil gesetzt werden oder mit welchen Einschränkungen bestimmte Nachlaßwerte auf einzelne Erben übergehen70 • Es ist daher sowohl gesellschaftsrechtlich wie erbrechtlich gerechtfertigt, beim Tode eines Gesellschafters die Rechtsstellung der nachrückenden Erben unterschiedlich zu gestalten71 • Die vorübergehende, zum Buchwert entziehbare Gesellschaftsbeteiligung ist eine durch das Erhaltungsinteresse am Unternehmen auch sachlich gerechtfertigte Regelung. Bei dem familienfremden Geschäftsführer-Gesellschafter legitimiert das Interesse an der Substanzerhaltung des Familienunternehmens die Buchwertabfindung bei freier Kündigung, die durch entsprechend ausgehandel te Vorteile des Geschäftsführer-Gesellschafters ausgeglichen BGH NJW 1979, 104. BGHZ 22, 194. 70 Zur Testierfreiheit, ihren historischen Grundlagen und ihrer heutigen Bedeutung von Liibtow, Erbrecht I, 1971, 9 ff., 17 ff., 102 ff. von Liibtow betont ihre Korrektur- u. Ergänzungsfunktion gegenüber der gesetzlichen Erbfolge. 71 Zu der Frage des Zusammenwirkens von Gesellschaftsrecht u. Erbrecht Flume, Personengesellschaft, § 18, S. 375 ff. 68
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wird. Bei dem ausschließbaren Kommanditisten ist der vorübergehende Charakter der Mitgliedschaft deutlich, die sich einem Darlehnsgeber mit Gewinnbeteiligung nähert, verbessert um die Rechte aus der Gesellschafterstellung. In allen vor genannten Fallgruppen sind von der Interessenlage her für die Vertragsgestaltung rechtfertigende Gründe vorhanden, so daß der Gesellschaftsvertrag als Ganzes gesehen nicht erlaubt, die freie Buchwertkündigung isoliert zu betrachten und dann als sittenwidrig zu erklären.
2. Rechtliche Grenzen der freien Buchwertkündigung Wenn auch die Kündigungsmöglichkeit ohne wichtigen Grund unter Buchwertabfindung gegenüber Gesellschaftern minderen Rechts in allen geschilderten Fallgruppen und darum generell zulässig erscheint, so kann im Einzelfall doch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage72 eingreifen. Hierbei ist an folgende Beispiele zu denken: a) Der über fünfzig Jahre alte leitende Angestellte wird in einer Zeit erheblicher Arbeitslosigkeit vor die Alternative gestellt: Entweder übernimmt er die Position des Geschäftsführer-Gesellschafters zu ungünstigen Bedingungen oder er wird fristgemäß gekündigt. Hier würde für die nachteiligen Klauseln Nichtigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB eingreifen. b) Im Fall BGH NJW 1979, 104, durfte den Kommanditisten der ersten Generation auf Lebenszeit nicht gekündigt werden, erst nach deren Tod war die Kündigung der Erben möglich73 • Wenn nun kurz nach dem Tode des Kommanditisten der ersten Generation dessen Erbe und Nachfolger mit seiner Frau tödlich verunglückt und zwei im übrigen unversorgte Kinder hinterläßt, so würde der Kündigung der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen. c) Wenn bei der geerbten Kommanditbeteiligung das Grundstück des Unternehmens einen unerwartet hohen Wertzuwachs erhält und so zum wesentlichen Wert des Unternehmens wird, während der steuerliche Einheitswert unverändert geblieben ist, so kommt Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Buchwertabfindung in Frage. d) Wenn gegen den Widerspruch eines Kommanditisten mehrere Jahre lang die Gewinnausschüttung ungewöhnlich stark zu Gunsten der Bildung stiller Reserven eingeschränkt worden ist und der Kommanditist danach zum Buchwert gekündigt wird, so würde unzulässige Rechtsausübung gegeben sein. Dies gilt vor allem dann, wenn der 72 73
Flume, NJW 1979, 904. Flume, NJW 1979, 902.
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Kommanditist in den ersten Jahren einen Teil seiner Einlage durch Verluste verloren hatte und in den folgenden Jahren, in denen Gewinn erzielt wurde, das Kapitalkonto nur unzureichend aufgefüllt worden ist, weil vorrangig stille Reserven gebildet wurden, so daß der Kommanditist nicht einmal seine ursprüngliche Einlage erhäW4 • Mit anderen Worten: Die Kündigungsmöglichkeit gegenüber dem Gesellschafter minderen Rechts mit der Folge der Buchwertabfindung ist in der Regel wirksam vereinbart, im Einzelfall kann die Vereinbarung, die Kündigung oder die Buchwertabfindung wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein oder der Korrektur durch den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung oder der Anpassung an veränderte Verhältnisse durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage unterliegen. So ist der Vorrang des Prinzips der Vertragsfreiheit gewährleistet, ohne daß Ergebnisse zu befürchten sind, die dem Gebot der Gerechtigkeit widersprechen. Bis 1968 vertrat der BGH den Vorrang der Vertragsfreiheit unter Korrektur im Einzelfa1l75 , dann begann die Änderung der Rechtsprechung, die in der genau umgekehrten Position endete: Die vertragliche Regelung soll nur noch in besonders gelagerten Einzelfällen wirksam sein. Die geringere Bewertung der Vertragsfreiheit ist offenbar.
3. Auswirkungen auf die Praxis der VertragsgestaZtung Die frühere Rechtsprechung ließ gegenüber Gesellschaftern minderen Rechts im Gesellschaftsvertrag die freie Kündigung zum Buchwert zu, die Gesellschafter mußten lediglich Umstände vermeiden, die im Einzelfall zur Unwirksamkeit führen konnten. Nach der jetzigen Rechtsprechung sind die Gesellschafter dem generellen Verdikt dieser Vertragsgestaltung konfrontiert und müssen überlegen, ob wohl in ihrem Fall die besonderen Umstände, die für die Regelung sprechen, von den Gerichten anerkannt werden. Bei der Tendenz des zweiten Senats des BGH auf Einschränkung der Vertragsfreiheit in diesen Fällen ist bei der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen eine erhebliche Unsicherheit die notwendige Folge. Möglicherweise wird die Vertragsgestaltung die Stellung des Gesellschafters minderen Rechts weiter verschlechtern, um der Rechtsprechung auszuweichen. Denkbar ist die Regelung: Der Kommanditist erhält bei Auflösung der Gesellschaft oder bei einem Ausscheiden nur seinen Kapitalanteil ausgezahlt; eine die Abfindung verschlechternde Wirkung der Kündigung im Vergleich zur Liquidation ist dann ver7t Zur Bedeutung des Anspruchs auf die nicht verbrauchte Einlage Flume, Personengesellschaft, § 12 I, S. 172. 75 BGH WM 1962, 462, 463; BGH WM 1968, 532, 533.
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mieden, dem Kommanditisten steht zu keinem Zeitpunkt ein "wahrer Wert der Beteiligung" zu. Möglicherweise wird man auch zunehmend den Kommanditisten durch den Darlehnsgeber mit Gewinnbeteiligung und gewissen Kontrollrechten ersetzen, der selbst einige Jahre nicht kündigen darf, dem aber gekündigt werden kann. Schließlich könnte man den Kommanditisten zeitlich begrenzt einbauen, so daß man ihn ohne Kündigung zum Buchwert los wird, mit ihm aber erneut einen Zeitvertrag abschließen kann, wenn man ihn noch behalten will.
D. Einfluß des Zeitgeistes? Eine der Entwicklungstendenzen im Recht der Gegenwart ist die Tendenz zum Überwiegen sozialer Gerechtigkeitsbestrebungen", zur "Sozialisierung des Rechts'