Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug: Die Entziehung von Befähigungszeugnissen, Lotsenzulassungen und Sportbootfahrerlaubnissen im seeamtlichen Untersuchungsverfahren [1 ed.] 9783428485765, 9783428085767


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German Pages 217 Year 1996

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Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug: Die Entziehung von Befähigungszeugnissen, Lotsenzulassungen und Sportbootfahrerlaubnissen im seeamtlichen Untersuchungsverfahren [1 ed.]
 9783428485765, 9783428085767

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AXEL HENRIKSEN

Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug

Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen, Ingo von Mönch und Gert Nicolaysen

Band 7

Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug Die Entziehung von Befähigungszeugnissen, Lotsenzulassungen und Sportbootfahrerlaubnissen im seeamtlichen Untersuchungsverfahren

Von

Axel Henriksen

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Henriksen, Axel: Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug : die Entziehung von Befähigungszeugnissen, Lotsenzulassungen und Sportbootfahrerlaubnissen im seeamtlichen Untersuchungsverfahren / von Axel Henriksen. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Hamburger Studien zum europäischen und internationalen Recht; Bd.7) Zug!.: Hamburg, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08576-0 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-08576-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit entspringt meiner Referendartätigkeit beim Bundesoberseeamt in Hamburg. Ihre Notwendigkeit basiert auf der Erkenntnis, daß eine umfassende Darstellung relevanter Rechtsgrundlagen deutscher Seeunfalluntersuchungen seit fast einem Jahrhundert aussteht und auch das vor beinahe schon zehn Jahren novellierte Seeunfalluntersuchungsrecht bislang keiner eingehenden Betrachtung unterzogen wurde. Die Untersuchung wurde im September 1993 beim Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg eingereicht, von dem es im Wintersemester 1994/1995 als Dissertation angenommen wurde. Bis März 1995 veröffentlichte Literatur, Rechtsprechung und Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes konnte berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem langjährigen Vorsitzenden des Bundesoberseeamtes und "Vater des SeeUG" Herrn MR a.D. Prof. Dr. Wilhelm H. Lampe, der mir in vielen Gesprächen und Diskussionen Gelegenheit gab, an seinem profunden seerechtlichen Wissen teilzuhaben. Er möge mir einige kritische Bemerkungen über das Gesetz nachsehen. In diesem Zusammenhang möchte ich ebenfalls erwähnen den ehemaligen Ständigen Beisitzer des Bundesoberseeamtes Herrn RD Peter Hannken, der ein geduldiger und ständig hilfsbereiter Adressat nautischer Fragen war. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Rainer Lagoni vom Institut für Seerecht und Seehandelsrecht der Universität Hamburg für die spontan geäußerte Bereitschaft, die Arbeit zu betreuen. Seine leitenden Hinweise habe ich in methodischer und systematischer Hinsicht als äußert wertvoll empfunden. Herrn Prof. Dr. Rolf Herber sei Dank für die Anregung und Ermutigung, eine solche Arbeit überhaupt zu beginnen. Ohne meine Frau wäre die Arbeit in überschaubarer Zeit nicht fertigzustellen gewesen. Ihr sei für die Durchsicht des Manuskripts und von Herzen dafür gedankt, daß sie mir bei vielfältiger Gelegenheit "den Rücken freigehalten hat". Ihre Bereitschaft, eigene Belange zurückzustellen, verdient hohe Anerkennung. London, im Juli 1995

Atel Henriksen

Inhaltsverzeichnis

1. 2.

Einleitung

21

Die Problematik der verfahrensrechtlichen Einheit von Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug .....................................................

22

Die Problematik der formellen und materiellen Voraussetzungen der Entziehung von Berechtigungen.............................................................

24

Teil 1 Die verfahrensrechtllche Einheit von SeeunfaUuntersuchung und Berechtigungsentzug

27

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter...............................................

29

A.

Die historische Rechtfertigung der Doppelfunktion ................................

29

Die fehlende rechtliche Handhabe der deutschen Nationalstaaten gegenüber Pflichtwidrigkeiten von Schiffern ...........................................

29

Die Diskussion um die Entziehungsbefugnis der Seeämter im Vorfeld der Schaffung des SUG 1877 .......................................................

31

ill.

Die Entziehung der Gewerbebefugnis nach § 26 SUG 1877/1935.........

34

IV.

Ergebnis ............ ........ ..... ..... ... ...................... ................... .......

37

Die aktuelle Rechtfertigung der Doppelfunktion ......... .................... .......

38

I.

Treffen die historischen Gründe noch zu ? ......................................

38

II.

Ist die Beibehaltung der Doppelfunktion empfehlenswert? ..................

39

I.

II.

B.

1.

Pro: Die Sachnähe, die QualifIkation der Seeämter und die einheitliche Verwaltungspraxis . ... ..... ................ .... ..................... ..... Contra: Die Inkompatibilität von Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug .... ....... .......... ................... ... .... ...... ....... a) Die Gefahrdung des Untersuchungszweckes ........................ b) Die Gefährdung des Entziehungszweckes ...........................

41 41 43

Ergebnis.................................................................................

44

2.

ill.

39

10

Inhaltsverzeichnis

C.

Die Funktionen der Seeunfalluntersuchungsinstitutionen im Ausland....... ...

46

Die Verbindung von Ursachenermittlung und Berechtigungsentzug (Doppelfunktion). . ............ ............... .... ........ ........... ...................

46

Großbritannien ................................... ................ ................ Japan ............................................................................... Ehemalige Deutsche Demokratische Republik............................

47 48 50

Die Trennung von Ursachenermittlung und Berechtigungsentzug .........

51

1. 2. 3. 4. 5. 6.

USA ................................................................................ Frankreich........................................................................ Skandinavien..................................................................... Niederlande....................................................................... Italien............................................................................... Liberia.............................................................................

51 55 57 57 58 59

Ergebnis.................................................................................

60

2. Kapitel: Die Auswirkung auf die Bindung des Bundesoberseeamtes an seeamtliche Feststellungen und Entscheidungen ............................

61

I.

1. 2. 3.

11.

III.

A.

Erwächst der Seeamtsspruch (§ 17 11 1 SeeUG) einheitlich in Bestandskraft ? .........................................................................................

64

Erwächst die Feststellung der Unfallursachen (§ 1711 1 Nr. 1 SeeUG) in Bestandskraft ?.............................................................................

66

I.

Verwaltungsakt oder Gutachten ?...................... .. ..........................

66

11.

Die Bindung des Bundesoberseeamtes.. ..........................................

68

Erwächst die Feststellung fehlerhaften Verhaltens (§ 1711 1 Nr. 2 SeeUG) in Bestandskraft ? ..........................................................................

69

Verwaltungsakt oder Gutachten ?..................................................

69

Keine Verwaltungsaktsqualität des schuldhaften Verhaltens gemäß § 25 III/IV SUG 1935 ........ .............. ...... .............................. Änderung mit Inkrafttreten des SeeUG ? ...... ............ ................

69 71

Die Bindung des Bundesoberseeamtes.. ..........................................

74

Erwächst die Entziehung einer Berechtigung (§ 1711 1 Nr. 3 SeeUG) in Bestandskraft ?.............................................................................

75

I.

Verwaltungsaktsqualität und Bestandskraftsfähigkeit.... ......................

75

11.

Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft der seeamtlichen Entziehung ..

76

1.

76

B.

C. I.

1.

2. 11. D.

Grundsatz.......................... ...............................................

Inhaltsverzeichnis 2.

11

Verzögerte Bestandskraft im Seeunfalluntersuchungsrecht ? ..... ..... a) Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ? ................................ b) Auswirkungen der verfahrensrechtlichen Einheit.................. c) Ist eine Abweichung von §§ 70174 I VwGO rechtspolitisch empfehlenswert? ......................................................... Ergebnis ............ , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77 77

Die Bindung des Bundesoberseeamtes ............. ... .... ................ .......

80

Verböserung des Widerspruchsführers .. ..... ....... .................. ..... a) Zulässigkeit der reformatio in peius (§ 21 III 1 Nr. 1 SeeUG).. b) Gestattet § 21 III 1 Nr. 1 SeeUG die Verböserung der befristeten Entziehung gelegentlich des Widerspruchs gegen die Feststellung fehlerhaften Verhaltens? . .... ............. ..... .... aa) Die gesetzgeberische Regelungsintention ..................... bb) Das Vertrauen auf die nicht angegriffene Entziehung ..... cc) Ergebnis.......... ............ .......... ....... .............. ......... c) Gestattet § 21 III 1 Nr. 1 SeeUG die erstmalige Entziehung?. Verböserung des Nicht-Widersprechenden................................ a) Gestattet § 21 III 1 Nr. 2 SeeUG bei Drittwiderspruch die Verböserung der befristeten Entziehung? .......... ........ ......... b) Gestattet § 21 III 1 Nr. 2 SeeUG bei Drittwiderspruch die erstmalige Entziehung? .................................................

80 80 82 84 84 89 90 92

3. Kapitel: Ergebnis des 1. Teils .... ........... ............ ......... ............ ..... .........

97

3. III.

1.

2.

Teil 2 Die Entziehung von Berechtigungen 1. Kapitel: Die sachliche Zuständigkeit der Seeämter und des

Bundesoberseeamtes (§§ 1 und 2 SeeUG)....................................

A.

78 79

92 94

99

99

Seeunfallbegriff (§ 1 SeeUG) ........................................................... 100 I.

Schiffsdefmition. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. 2.

11.

See- und Binnenschiffe . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgestellte Fahrzeuge und Geräte ... ...... ........... ........... ....... a) Seegehende Sportboote ................................................... aa) Baulich-konstruktive Mindestvoraussetzungen der Eignung für den Seefahrtsbereich........ ... ... ........ ......... bb) Fehlende Gewerbsmäßigkeit der Nutzung .................... b) Luftkissen- und Tragflächenfahrzeuge ................................ c) Schwimmende Geräte .....................................................

104 106 107 108 109 110 110

Seefahrtsbereich (§ 1 I SeeUG) .................................................... 111 1. 2.

Seeschiffahrtsstraße ............................................................. 111 Häfen an Seeschiffahrtsstraßen............................................... 112

12

Inhaltsverzeichnis 3.

ill.

Sachliche Kriterien des Seeunfalls (§ 1 II SeeUG)... ...... ..... .......... ..... 114 1.

2. 3. 4. B.

Hohe See und fremde Hoheitsgewässer .................................... 112 Erhebliche Gefährdung oder Beeinträchtigung gern. Nr. 1 geschützter Güter ................................................................ a) Schutzgüter .................................................................. b) Erfordernis erheblicher Gefährdung oder Beeinträchtigung .... c) Erfordernis konkreter Gefährdung..................................... aa) Argumentation des Bundesoberseeamtes .. ..... ......... ...... bb) Auslegung des Gefährdungsbegriffes .......................... (1) Historische Betrachtung ..... .......... ..... ......... ...... (2) Systematische Betrachtung.. .......... ..... ......... ...... (3) Teleologische Betrachtung.. .......... ..... ....... ........ (4) Ergebnis ...... ...... .............. ........ ..... ....... ........ d) Schiffahrtstypizität des Unfalles ............ ........ ..... ....... ........ Schiffs verlust gern. Nr. 2......... ... ... .... .......... ..... ..... ....... ........ Verursachung oder Erleiden eines erheblichen Schadens gern. Nr. 3 ............................................................................... Schiffsbetriebsbezogene Todesfälle gern. Nr. 4 ..........................

114 114 115 116 116 118 118 119

120 121 121 123 123 124

Öffentliches Interesse (§ 2 SeeUG) ............... ........... ...... ............... ..... 126

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis (§ 19 SeeUG). ...... ..... ... ...... ..... 129 A.

Nm·mzweck .................................................................................. 129 I.

Prävention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

ll.

Gibt es weitere gesetzliche Zwecke? ............................................. 131 1. 2. 3. 4.

ill.

B.

Strafzweck ............. ............ ............ ....... ..... ........ ............... Disziplinarzweck .... .......... ........ ......... ..... ..... ....................... Standeszweck ..................................................................... Ergebnis ...........................................................................

132 132 134 135

Mit der Entziehung verfolgte Normzwecke im Ausland...................... 135 Tatbestandsvoraussetzungen ............................................................. 137

I.

Entziehungsfähige Berechtigungen und ihre Bedeutung in der Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes.... .. ..... .... ... ........... 137 1. 2. 3. 4.

Nautische und technische Befähigungszeugnisse ......................... Zulassung als Seelotse. .... .... ................ ... ....... .... ... ................ Sportbootfahrerlaubnis ......................................................... Ist ein Verzicht auf die Berechtigung zulässig?... ....... ............... a) Beflihigungszeugnisse.......... ......... ...... ...... ................ ..... b) Zulassung als Seelotse .................................................... c) Sportbootfahrerlaubnis ............... ......... ....... ................ ....

137 139 140 140 141 143 143

Inhaltsverzeichnis 11.

Feststellung fehlerhaften Verhaltens (§ 18 SeeUG) ...... ........ .............. 144 1.

2.

m.

Sind Verschuldensfeststellungen aus der Seeunfalluntersuchung verschwunden?.................................................................. Verwaltungsgerichtliche Überprüfbarkeit...... ...... ........ .............. a) Beurteilungsermächtigung ......... ..... ... ........ ........ ... ........... aa) Rechtsprechung des BVerwG .................................... bb) Auslegung von §§ 1711 1 Nr. 2 und 18 SeeUG ............. b) Steigerung der Kontrolldichte durch § 18 SeeUG ..................

146 148 148 148 150 151

Eignungsmangel (§ 19 I 1 und m SeeUG).......................... ............. 152 1.

2.

3.

C.

13

In der Seeschiffahrt erforderliche Eigenschaften ........................ a) Spezialgesetzliche Anforderungsprofile .............................. aa) Berufserforderliche Eigenschaften von Kapitänen, Schiffsofflzieren und Lotsen ..................................... bb) Eignung von Sportschiffern ...................................... b) Anforderungsprofil der Seeämter und des Bundesoberseeamtes ......................................................................... Wie ist der Eigenschaftsmangel zu ermitteln 1...... ...................... a) Feststellung aktueller Gefährdung der Seeschiffahrt.. ............. aa) Gesamtwürdigung der Persönlichkeit.......................... bb) Ableitung des Eigenschaftsmangels aus dem Fehlverhaltensgrad ........................................................... b) Prognose künftiger Gefährdung der Seeschiffahrt ................. c) Gesetzliche Vermutung (§ 19 I 2 SeeUG).............. .............. aa) Bedeutung in der Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes ............................................... bb) Alkoholbedingte Beeinträchtigung der Dienstausübung .... (1) Absolute Untüchtigkeit zur Führung eines Seeschiffes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . .. . . . . . . . (2) Relative Untüchtigkeit zur Führung eines Seeschiffes..... ........... ................... ......... ........ d) Für die Seeämter und das Bundesoberseeamt maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Sach- und Rechtslage.. ................. Verwaltungs gerichtliche Überprüfbarkeit.................................. a) Ist eine Beurteilungsermächtigung zu Gunsten der Seeämter und des Bundesoberseeamtes eröffnet? ............................. aa) Begründungsansätze ............................................... bb) Indizielle Wirkung des Prognosecharakters.............. ..... cc) Wortlaut der Norm ................................................. dd) Unabhängige Stellung der Seeämter und des Bundesoberseeamtes im staatlichen Verwaltungsgefüge ............ ee) Fachkollegialität der Spruchkörper ............................. ff) Ergebnis.............................................................. b) Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage................

152 152 152 153 154 155 155 156 157 162 163 164 164 165 167 169 170 170 171 173 174 175 176 178 179

Rechtsfolgen ................................................................................. 180

14

Inhaltsverzeichnis I.

Kein Entscheidungsermessen ... ... ...... ....... ............ ....... .......... ....... 180

11.

Auswahlermessen ..................................................................... 181 1. 2.

3.

4.

5.

6. 7.

Entziehung auf Dauer (§ 19 I 1 SeeUG) ........... ....... ......... ........ Befristete Entziehung (§ 19 VI SeeUG) ............ ....... ......... ........ a) Historische Vorläufer.... ..... ..... .... ........ ... ....... ... ...... ........ b) Bedeutung in der Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes ............................................................... c) Ist eine befristete Entziehung der Sportbootfahrerlaubnis zulässig? ................................................................... d) Auflage zur Wiederaushändigung bzw. Neuerteilung (§ 19 VI 3 SeeUG) ........................................................ Bedingte Entziehung ... ....... ...................... ..... ..... ........ ......... a) Die Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes .. b) Defmition und Kontrolle der Bedingung ............................. c) Rechtsgrundlage .......... ....... ........... .... .......... ...... ..... ...... aa) § 19 I SeeUG "a maiore ad minus" ? .......................... bb) § 3611 Nr. 2 VwVfG ? ............................................ d) Ist eine bedingte Entziehung rechtspolitisch empfehlenswert ?. Erlaubnis zur Ausstellung eines Befähigungszeugnisses niederer Ordnung ........................................................................... a) Zweckentsprechende Ermessensausübung ........................... b) Alkoholfälle ................................................................. c) Verbindung mit einer Nebenbestimmung ............................ Absicherung der Entziehung durch ein zusätzliches Fahrverbot (§ 19 IV SeeUG)................................................................. a) Rechtsgrundlage ... ......................... ......... ..... ....... ..... ..... b) Bestimmheitsgrundsatz ................................................... Sofortige Voilziehungsanordnung (§ 8011 Nr. 4 VwGO) .............. Ist eine Flexibilisierung der Rechtsfolgen empfehlenswert? ..........

181 181 182 183 183 185 186 186 187 189 190 190 192 193 193 194 195 195 196 197 197 198

3. Kapitel: Ergebnis des 2. Teils ............................................................. 201 Anhang

204

Übersicht 1: Den Verlust einer Berechtigung auslösendes Fehlverhalten nach § 5.20-165 Suspension and Revocation Proceedings Regulations............... 204 Übersicht 2: Die absolute und relative Häufigkeit der Nennung von Eigenschaften in (ober-) see amtlichen Sprüchen seit 1878 ............................... 207 Übersicht 3: Die absolute und relative Häufigkeit der Nennung von Eigenschaften in (ober-) see amtlichen Sprüchen seit 1950 ............................... 210 Literaturverzeichnis

211

Abkürzungsverzeichnis AöR AV AVR

BAK

BAnz. BauGB BayVBI BBG bft BGB BinSchG

BinSchUO BMS BNotO BOSAE BOSeeA BOSeeAE BRAO BR-Drs. BRRG BRT BT-Drs. BTMS CMS

DAR

DÖV DVSeeUG

Archiv für öffentliches Recht (zitiert nach Band, Jahrgang, Seite) Allgemeine Verwaltungsvorschrift( en) Archiv des Völkerrechts Blut-Alkohol-Konzentration Bundesanzeiger Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.12.1986 (BGBl. I S. 2253) Bayerisches Verwaltungsblatt Bundesbeamtengesetz in der Fassung vom 27.2.1985 (BGBl. I S.479) Beaufort Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl. S. 195) Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsgesetz) in der Fassung vom 20.5.1898 (RGBl. S. 369, 868) Binnenschiffs-Untersuchungsordnung vom 17.3.1988 (BGBl. I S. 238) Binnenmotorschiff Bundesnotarordnung vom 24.2.1961 (BGBl. I S. 98) Entscheidungen des Bundesoberseeamtes und der Seeämter, von 1951 bis 1974 (zitiert nach Band, Seite), ab 1975 (zitiert nach Jahrgang, Seite) Bundesoberseeamt Entscheidungen des Bundesoberseeamtes und der Seeämter ab 1.10.1986 (zitiert nach Jahrgang, Seite) Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1.8.1959 (BGBl. I S. 565) Drucksache des Deutschen Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz in der Fassung vom 27.2.1985 (BGBl. I S. 462) Brutto-Registertonnen Drucksache des Deutschen Bundestages Binnentankmotorschiff Container-Motorschiff Deutsches Autorecht (zitiert nach Jahrgang, Seite) Die Öffentliche Verwaltung (zitiert nach Jahrgang, Seite) Verordnung zur Durchführung des Seeunfalluntersuchungsgesetzes vom 5.6.1986 (BGBl. I S. 860), zuletzt geändert am 7.12.1994 (BGBl. I S. 3744)

16 DVBl. DVIS FK FlaggenRG FlaggenRV FMS FS GaststG GBL GewArch GewO GG GjS GOSeeÄ GüKG HGB HVO

ILO IMO JuS JZ KMS KüstenschiffahrtG

KVR

LAG

MAIß MAlL MARPOL

MB MDR

AbkUrzungsverzeichnis Deutsches Verwaltungsblatt (zitiert nach Jahrgang, Seite) Deutscher Verein für Internationales Seerecht Fischkutter Flaggenrechtsgesetz vom 3.11.1994 (BGBL I S. 3141) Flaggenrechtsverordnung vom 4.7.1990 (BGBL I. S. 1389) Frachtmotorschiff Festschrift Gaststättengesetz vom 5.5.1970 (BGBL I S. 465) Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik (zitiert nach Jahrgang, mit Ziffer I = Teil I, mit Ziffer 11 = Teil 11) Gewerbearchiv (zitiert nach Jahrgang und Seite) Gewerbeordnung in der Fassung vom 1.1.1987 (BGBL I S.425) Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 (BGBL S. 1) Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in der Fassung vom 12.7.1985 (BGBL I S. 1502) Geschäftsordnung der Seeämter und des Bundesoberseeamtes vom 4.6.1986 (VkBl. 1986, S. 377) Güterkraftverkehrsgesetz in der Fassung vom 10.3.1983 (BGBL I S. 256) Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (RGBL S. 219) Verordnung über die Untersuchung von Unfällen in der Seeschiffahrt - Havarieverfahrensordnung- vom 20.11.1953 (GBL S. 1183), überarbeitet durch HVO vom 28.4.1960 (GBL S.357) International Labour Organization International Maritime Organization Juristische Schulung (zitiert nach Jahrgang, Seite) Juristenzeitung (zitiert nach Jahrgang, Seite) Küsten-Motorschiff Gesetz über die Küstenschiffahrt vom 26.7.1957 (BGBL 11 S.738) Kollisionsverhütungsregeln, (Internationale Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See), in Kraft gesetzt durch § 1 der Verordnung zu den internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See vom 13.6.1977 (BGBL I S. 813) Lastenausgleichsgesetz in der Fassung vom 1.10.1969 (BGBL I S. 1909) Marine Accident Investigation Branch Marine Accidents Inquiry Law No. 135 of 1947 (Japan) Internationales Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (BGBL 198211 S. 2) Motorboot Monatsschrift für Deutsches Recht (zitiert nach Jahrgang, Seite)

Abktirzungsverzeichnis MFK MS MSA MT MTS

MY NIW

NTSB NVwZ

NvD OGHSt OSAE OSeeA OVGE

PersBefG RK Ro-Ro ROSAE SchBesV SchOffzAusbV

SchRegO SchSV SeeA SeeAufG See-BG SeediensttauglichkeitsVO SeemannsG SeeSchStrO See-Sportbootvermietungs VO

2 Henriksen

17

Motorfischkutter Motorschiff Merchant Shipping Act Motortanker Motortankschiff Motoryacht Neue Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahrgang, Seite) National Transportation Safety Board Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (zitiert nach Jahrgang, Seite) Nautiker vom Dienst Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Strafsachen (zitiert nach Band, Seite) Entscheidungen des Oberseeamtes und der Seeämter (zitiert nach Band, Seite) Oberseeamt Entscheidungen der Oberverwaltungserichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes Personenbeförderungsgesetz vom 8.8.1990, BGBl. I S. 1690) Rettungskreuzer Roll-on-Roll-off Entscheidungen des Reichsoberseeamtes und der Seeämter (zitiert nach Band, Seite) Schiffsbesetzungsverordnung vom 4.4.1984 (BGBl. I S. 523) Verordnung über die Ausbildung und Befähigung von Kapitänen und Schiffsofflzieren des nautischen und technischen Schiffsdienstes (Schiffsofflziers-Ausbildungsverordnung) vom 11.2.1985 (BGBl. I S. 323) Schiffsregisterordnung in der Fassung vom 26.5.1951 (BGBl. I S. 359) Schiffssicherheitsverordnung vom 8.12.1986 (BGBl. I S. 2361) Seeamt Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt in der Fassung vom 21.1987 (BGBl. I S. 541) See-Berufsgenossenschaft Verordnung über die Seediensttauglichkeit vom 19.8.1970 (BG-Bl. S. 1241) Seemannsgesetz vom 26.7.1957 (BGBl. 11 S. 713) Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung vom 3.5.1971 (BG-Bl. I S. 641) Verordnung über die gewerebsmäßige Vermietung und Benutzung von Sportbooten im Küstenbereich vom 7.4.1981 (BGBl. I S. 343)

18 SeeStrO SeelotsG SeeUG SeeUO

SFS SK SOLAS SportbootführerscheinVO SprengstoffG SRÜ STCW StGB StPO StVG StVO StVZO SUG 1877 SUG 1935 SY TMS TranspR VersR VerwArch VkBl. VRS VVDStRL

Abkürzungsverzeichnis Seestraßenordnung, siehe KVR Gesetz über das Seelotswesen in der Fassung vom 13.9.1984 (BGBl. I S. 1213) Seeunfalluntersuchungsgesetz vom 6. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2146) Verordnung über das Verfahren zur Feststellung, Untersuchung und Auswertung von Seeunfällen und anderen Vorkommnissen in der Seefahrt -Seeunfalluntersuchungsordnungvom 10.7.1980 (GBl. I S. 243) Svensk Författningssamling Segelkutter Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (BGBl. 1979 11 S. 141 und BGBl. 1980 11 S. 717) Verordnung über die Eignung und Befähigung zum Führen von Sportbooten auf den Seeschiffahrtsstraßen vom 20.12.1973 (BGBl. I S. 1314) Sprengstoffgesetz in der Fassung vom 7.4.1986 (BGBl. I S.577) Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (abgedruckt bei Platzöder/Graf Vitzthum, Seerecht - Law of the Sea, Baden-Baden 1984 S. 69ff.) Internationales Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (BGBl. 198211 S. 298) Strafgesetzbuch in der Fassung vom 10.3.1987 (BGBl. I S. 945) Strafprozeßordnung in der Fassung vom 7.7.1987 (BGBl. I S. 1074) Straßenverkehrsgesetz vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) Straßenverkehrs-Ordnung vom 16.11.1970 (BGBl. I S. 1565) Straßenverkehrs-Zulassungsordnung in der Fassung vom 28.8.1988 (BGBl. I S. 1793) Gesetz über die Untersuchung von Seeunfällen vom 27. Juni 1877 (RGBl. S. 549) Gesetz über die Untersuchung von Seeunfällen vom 27. Juni 1877 (RGBl. S. 549) in der Fassung des Gesetzes vom 28. September 1935 (RGBl. I S. 1183) Segelyacht Tankmotorschiff Transportrecht (zitiert nach Jahrgang, Seite) Versicherungsrecht (zitiert nach Jahrgang, Seite) Verwaltungsarchiv (zitiert nach Jahrgang, Seite) Verkehrsblatt (zitiert nach Jahrgang, Seite) Verkehrsrechtssammlung (zitiert nach Band, Seite) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (zitiert nach Band, Seite)

Abkürzungsverzeichnis VwGO VwVfG WHG WSA WSP ZPO ZRP

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Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung vom 19.3.1991 (BGBl. I S. 686) Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976 (BGBl. I S. 1253) Wasserhaushaltsgesetz in der Fassung vom 23.9.1986 (BGBl. I S. 1529) Wasser- und Schiffahrtsamt Wasserschutzpolizei ZivilprozeBordnung in der Fassung vom 12.9.1950 (BGBl. S. 533) Zeitschrift für Rechtspolitik (zitiert nach Jahrgang, Seite)

Einleitung Seeunfälle katastrophalen Ausmaßes nehmen weltweit an Häufigkeit zu und verursachen immer einschneidendere Konsequenzen für Mensch und Umwelt. Das vermehrte Auftreten gefährlicher Ladungen 1 , aber auch eine kompliziertere Schiffs- und Verkehrstechnik sowie immer komplexere Ursache-Wirkung-Beziehungen führen global zu einer wachsenden Bedeutung der Untersuchung von Seeunfällen. Jedoch ist - trotz des gemeinsamen Interesses aller Schiffahrtsnationen an der Schiffsicherheit und der Vereinheitlichung des öffentlichen Seerechts - bis jetzt noch keine internationale Instanz ins Leben gerufen worden, die zumindest solche Seeunfälle untersucht, an denen Schiffe verschiedener Flaggen beteiligt sind. Verschiedene internationale Konventionen statuieren lediglich die nationale Pflicht, eine Seeunfalluntersuchung unter bestimmten Voraussetzungen durchzuführen. Kapitel I, Teil C, Regel 21 des Internationalen Schiffssicherheitsvertrages (SOLAS) enthält folgende Verpflichtung: a) Jede Verwaltung verpflichtet sich, einen Seeunfall, der einem ihrer von diesem übereinkommen erfaßten Schiffe zustößt, zu untersuchen, wenn sie der Ansicht ist, daß die Untersuchung dazu beitragen kann, etwaige für zweckmäßig erachtete Änderungen dieser Regeln zu bestimmen. b) Jede Vertragsregierung verpflichtet sich, der Organisation2 aUe einschlägigen Angaben über die Ergebnisse dieser Untersuchungen zuzuleiten ....

Art. 12 des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) regelt hinsichtlich Untersuchung und Information der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (IMO) die gleiche Verpflichtung, wenn der Unfall größere, schädliche Auswirkungen auf die Umwelt gehabt hat. Sobald Menschen bei Seeunfällen verletzt wurden oder ums Leben kamen, muß gemäß Art. 2 Buchstabe g des Übereinkommens Nr. 147 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Mindestnormen auf Handelsschiffen von 19763 eine Untersuchung erfol1 Hervorzuheben ist an dieser SteUe insbesondere das erhebliche Aufkommen von Öltankern, deren UnfäUe immerhin 12% zur globalen Verschrnutzung der See durch Öl beitragen (siehe FOCUS Nr. 3 vom 18. Januar 1993, S. 189). 2 D.h. der IMO, welche durch die Auswertung eventueU erforderliche internationale Maßnahmen vorbereitet. über Statut, Aufgaben und Aktivitäten der IMO siehe Lampe, Hansa 1982, S. 737ff. und S. 80lff. 3 BGB!. 1980 II S. 606.

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Einleitung

gen. Art. 94 VII des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ)4 verpflichtet den Flaggenstaat zu einer Untersuchung von Seeunfällen durch qualifizierte Institutionen, wenn durch den Unfall Angehörige anderer Staaten getötet oder schwer verletzt oder Schiffe oder Einrichtungen anderer Staaten schwer beschädigt worden sind bzw. eine erhebliche Umweltverschmutzung verursacht worden ist. Unter Berücksichtigung dieser internationalen Bindungen unterhalten alle bedeutenden Schiffahrtsnationen entweder Verwaltungsbehörden oder Gerichte zur Untersuchung von SeeunfaIlen, teilweise sind behördliches und gerichtliches Verfahren vermischt. Die konkreten verfahrensrechtlichen Ausgestaltungen der Seeunfalluntersuchung differieren erheblich; vereinheitlichend wirken nur einige Resolutionen der IM05.

1. Die Problematik der verfahrensrechtlichen Einheit von Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug

Die Seeunfalluntersuchungsinstitutionen der Vertragsstaaten der genannten Übereinkommen eint die primäre Aufgabe gutachtlicher Ursachenermiulung. Diese führt regelmäßig zu einer Überarbeitung oder Auslegung nationaler und internationaler Schiffssicherheitsvorschriften6 bzw. deren administrativer Umsetzung (Bojen, Leuchtfeuer, Lotsdienst, Seekarten etc.). Schiffsunfälle beruhen jedoch nicht nur auf technischen oder normativen Defiziten, sondern überwiegend auf menschlichem Fehlverhalten. Nach den Erfahrungen der 4 Das SRü trat gern. Art. 308 I ein Jahr nach Vorlage der 60. Ratifikationsurkunde (am 16. November 1993 von Guyana hinterlegt) am 17. November 1994 in Kraft, vgl. Lagoni, AVR 32 (1994) S. 382 (387). Zum SRü siehe auch Lagoni, Seerechtliche Gespräche (S. 7ff.) , Jenisch, Schriften DVIS Heft 65 (1988) und ders. Hansa 1992, (S. 235). Insgesamt erfolgten 156 Unterzeichnungen, Lagoni, Schriften DVIS Heft 76 (1990) S. IX Fußnote 78. Zur rechtlichen Bedeutung der Zeichnung des SRü siehe Lagoni, Schriften DVIS Heft 50 (1984) S. 9.

5 Zur Durchführung der Übereinkommen hat die IMO eine Resolution beschlossen (A.442 1979», die die Staaten auffordert, für qualifiziertes Personal und materielle Voraussetzungen zur Unfalluntersuchung (und Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften) zu sorgen. Eine weitere Resolution der IMO beinhaltet die Empfehlung, Vertretern ernstlich betroffener fremder Staaten (insbesondere bei Ölverschmutzungen) die Teilnahme an den Untersuchungen zu gestatten ("Participation in official Inquiries into Maritime Casualties", A.173 < IX, 1968». Auf die Notwendigkeit eines Infonnationsaustausches wird in der Resolution A.440 < XI, 1979 > "Exchange of Information for Investigation into Maritime Casualties" hingewiesen. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen hat diese Empfehlung in eine Norm umgesetzt (Art. 223 SRü).

< XI,

6 Siehe z.B. zu der bundesoberseeamtlichen Auslegung des Begriffs des engen Fahrwassers im Sinne von Regel 9 KVR Frachtschiff "Achat"'Personenfähre "Oslo VI" = BOSeeAE 1991, S. 321 (328ff.) mit Anm. von Henriksen, Hansa 1992, S. 232.

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Seeämter und des Bundesoberseeamtes wurden Schiffsunfälle im Geltungsbereich des SeeUG seit 1986 zu über 80% durch menschliches Fehlverhalten verursacht7 . Angesichts der ständig steigenden Anforderungen an die Schiffsführung stellt sich national, wegen der grenzüberschreitenden Auswirkungen von Schiffskatastrophen aber auch international, die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Seeunfalluntersuchungsinstitutionen dazu befugt sind, Konsequenzen aus dem Unfallgeschehen zu veranlassen, die über die bloße gutachtliche Feststellung eines objektiv unfallkausalen Fehlverhaltens hinausgehen: den Ausschluß ungeeigneter Personen aus der Schiffahrt. Ein solcher Ausschluß kann aus disziplinarrechtlichen, strafrechtlichen, präventiven und berufsständischen Gründen gerechtfertigt sein. Die internationalen Verpflichtungen sehen eine solche sekundäre Kompetenz der Seeunfalluntersuchungsinstitutionen nicht vor. Deshalb ist deren Aufgabe in vielen Schiffahrtsnationen auf eine rein objektiv-gutachtliche Unfallursachenermittlung beschränkt und für die Entziehung von Berechtigungen oder vergleichbare Eingriffe ein abgetrenntes, selbständiges Verfahren vorgesehen. Einige Kodiftkationen verbinden dagegen die Aufgabe der objektiven Ursachenermittlung mit einer subjektiven Eingriffskompetenz, wobei die verfahrensrechtliche Verbindung beider Aufgaben unterschiedlich streng ausgestaltet ist. Das bundesdeutsche Seeunfalluntersuchungsrecht gehört zur zweiten Kategorie, denn es verleiht der Seeunfalluntersuchung seit jeher eine Doppelfunktion: Primär intendiert ist die Ursachenfeststellung mit dem Ziel der Verbesserung präventiver Gefahrenabwehr , indem die Untersuchungsergebnisse ausgewertet und in Verwaltungs- und Rechtsvorschriften sowie Richtlinien und Empfehlungen einfließen 8 . An die Unfallursachenfeststellung können sich Verwaltungsentscheidungen, insbesondere die Entziehung von "Berechtigungen" (als im folgenden zu Grunde gelegter Oberbegriff von Befahigungszeugnissen9 , Zulassungen als Seelotse und Sportbootfahrerlaubnissen) anschließen 10 . 7 lAmpe, Hansa 3/1993, S. 9 (12); Graf, Schriften DVIS Heft 82 (1992) S. 13 nennt eine Quote von 84%. 8 Amtliche Begründung zum SeeUG, BT-DrS. 10/3312 (S. 13). 9 Der Ausdruck "Befähigungszeugnis" rührt daher, daß das nach den einschlägigen Prüfungsbestimmungen erteilte Zeugnis als Verwaltungsakt die vorausgesetzten persönlichen Kenntnisse des Geprüften attestiert. Dieses Zeugnis verleiht die Erlaubnis zur Ausübung des entsprechenden BerufeS. Das Befähigungszeugnis wird in den Fachkreisen meist als "Patent" bezeichnet. Diese weit verbreitete begriffliche Kennzeichnung des Befähigungszeugnisses macht sich der Verfasser nicht zu eigen, da es sich hierbei um keinen seerechtlichen Begriff handelt. Anders ist es z.B. im Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtsrecht, wo das Gesetz den Terminus "Patent" ausdrücklich zugrundelegt (vg!. die BinnenschifferpatentVO v. 7.12.1981, BGB!. I

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Die verfahrensrechtliche Verbindung der beiden Aufgaben seeamtlicher Tätigkeit ist äußerst eng. Denn über die Unfallursachen und über die Entziehung von Berechtigungen wird in einem einheitlichen Verfahren befunden. Diese Einheit des Verfahrens ist für öffentlich-rechtliche Untersuchungen von Verkehrsunfällen weder typisch ll noch zwingend. Denn trotz des gemeinsamen Fernziels der Sicherung der Seeschiffahrt und einer daraus resultierenden Sachnähe ist fraglich, ob die vom Gesetzgeber unterstellte organische Verbindung beider Funktionen tatsächlich vorhanden ist. Daher wirft die vorliegende Untersuchung in Teil 1 zunächst die Frage nach der sachlichen Rechtfertigung der verfahrensrechtlichen Verbindung von Unfallursachenuntersuchung und seeamtlicher Entziehungsbefugnis auf, wobei auch eine vergleichende Inbezugnahme der verfahrensrechtlichen Lösungen in anderen Schiffahrtsnationen erfolgt. Zu erörtern sind jedoch insbesondere die durch die Zusammenfassung der beiden Aufgaben entstehenden Rechtsprobleme, die hauptsächlich um die Bestimmungen der §§ 17 und 21 SeeUG kreisen. Hierbei handelt es sich um die in der seeamtlichen Praxis äußerst bedeutsame Frage der Bindung des Bundesoberseeamtes an seeamtliche Feststellungen und Entscheidungen. 2. Die Problematik der formellen und materiellen Voraussetzungen der Entziehung von Berechtigungen Während die Seeämter und das Bundesoberseeamt in der gesamten Schifffahrt hohen Respekt genießen, soweit die objektive Seeunfallursachenermittlung betroffen ist, hat sich hinsichtlich der Entziehung einer Berechtigung die landläufige Vorstellung gebildet, die Seeämter wollten einem "beruflich an den Kragen" und wüßten es hinterher "im sicher'n Port" sowieso alles besser l2 . Hintergrund solcher Äußerungen ist, daß die Entziehung des Befähigungszeugnisses für einen Kapitän oder nautischen Offizier tatsächlich die spürbarste Konsequenz aus der Untersuchung eines Seeunfalls ist, fehlt ihm S. 1333, sowie die va zur Einführung der Verordnung über die Erteilung von Rheinschifferpatenten v. 26.3.1976, BGB!. I S. 757). 10

Amtliche Begründung zum SeeUG, BT-DrS. 10/3312 (S. 13).

So ist das Recht der Luftfahrtunfalluntersuchung (geregelt in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für die fachliche Untersuchung von Unfällen bei dem Betrieb von Luftfahrzeugen vom 4.3.1958, BAnz. Nr. 163 vom 25.8.1960) auf eine objektive Unfallursachenuntersuchung beschränkt. Eine Entziehung von Lizenzen anläßlich der Unfalluntersuchung hat dort auch praktisch eine geringere Bedeutung. Das Rhein- und Binnenschiffahrtsrecht kennt ein dem Seeunfalluntersuchungsverfahren vergleichbares Verfahren dagegen überhaupt nicht. 11

12 Segelken, Kapitänsrecht (S. 595).

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doch die Berechtigung, seinen Beruf auch weiterhin auszuüben 13 . Dieser folgenschwere und existenzbedrohende Einschnitt in das Berufsleben der an der Seeunfalluntersuchung beteiligten Personen führt nicht selten sogar zur fristlosen Kündigung oder zur Anfechtung eines Anstellungsvertrages. Damit ist die Entziehung von Befähigungszeugnissen im Hinblick auf Art. 12 I GG oft einschneidender als so manches Strafverfahren, kann aber zumindest mit einem ein Berufsverbot aussprechenden Strafurteil 14 als gleichwertig bezeichnet werden. Ähnliches gilt für die Entziehung der Seelotsenzulassung l5 . Die Entziehung von Sportbootfahrerlaubnissen ist dagegen praktisch (insbesondere in den Freizeitrevieren der Ostsee) zwar bedeutsam, hat jedoch auf Grund der regelmäßigen Freizeitzwecke der Sportschiffahrt keine berufliche Relevanz. Mit den formellen und materiellen Voraussetzungen einer seeamtlichen Entziehungsentscheidung beschäftigt sich Teil 2 der vorliegenden Untersuchung. Betrachtet werden zunächst im 1. Kapitel die Normen sachlicher Zuständigkeit der Seeämter (Seeunfall und öffentliches Untersuchungsinteresse, §§ 1 und 2 SeeUG), welche durch die Novellierung des SeeUG eine völlige Neufassung erfahren haben. Da ohne die Erfüllung der §§ 1 und 2 SeeUG keine Berechtigung in der Seeamtsuntersuchung entzogen werden kann, wäre eine diese Normen aussparende Betrachtung unvollständig. Weiterhin sollen die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der Entziehung von Berechtigungen sowie die möglichen Rechtsfolgen unter Betrachtung der behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Praxis konkretisiert werden (2. Kapitel). Dabei kommt es primär auf die Konkretisierung der "für die Berufsausübung erforderlichen Eigenschaft" (§ 19 SeeUG) , aber auch auf die Entwicklung von Maßstäben für dessen Beurteilung an. Denn - obwohl das SeeUG Unterrichtsgegenstand an der Seefahrtsschule ist - können die Beteiligten 16 und ihre

13 Nach Regel II/2 Nr. 1 der Anlage zum Internationalen übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW) muß unter anderem jeder Kapitän eines Schiffes von 1600 BRT oder mehr Inhaber eines entsprechenden Befähigungszeugnisses sein. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 2 II SeemannsG: Dort ist für alle Kauffahrteischiffe, die die Bundesflagge führen, vorgeschrieben, daß der Kapitän Inhaber eines staatlichen Befähigungszeugnisses sein muß. 14 VgJ. § 70 I StGB (Berufsverbot als strafrechtliche Nebenfolge) und § 132& StPO (vorläufiges Berufsverbot) 15 Die Entziehung der Seelotsenzulassung ist erst anläßlich der Novellierung des SeeUG, d.h. zum 1.10.1986 (BGBl. 1985 I S. 2146) in das Gesetz aufgenommen worden. Sie hat jedoch bis heute keine nennenswerte Bedeutung erlangt. Denn die Lotsen hatten sich in den meisten bisherigen seeamtlichen Verfahren als Schiffsoffiziere zu verantworten, so daß ihnen lediglich das Befähigungszeugnis entzogen wurde, welches gemäß § 9 Nr. I SeelotsG Voraussetzung für die Zulassung als Seelotse ist. Zum Rechtszustand nach dem SUG 1877 siehe Sassen, S. 223ff. 16 Beteiligt sind gemäß § 4 Nr. 1 SeeUG der Kapitän, der Schiffsführer, die Schiffsoffiziere und Lotsen der am Seeunfall beteiligten Schiffe. Nr. 2 trifft eine dem § 11 VwVfG entsprechende Regelung. Beteiligter gern. § 4 Nr. 2 SeeUG ist auch der NvD der Revierzentrale des

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Einleitung

Rechtsanwälte wegen der Offenheit des Tatbestandes von § 19 SeeUG kaum prognostizieren, wann eine Entziehung droht. Ein weiteres, praktisch bedeutsames Problem ist der Umfang der Bindung des Verwaltungs gerichts an die Feststellungen der Seeämter und des Bundesoberseeamtes über den Eigenschaftsmangel Beteiligter. Denn es ist fraglich, ob das Verwaltungsgericht diese Feststellungen eines juristisch und nautisch gut besetzten Gremiums 17 durch eigene Feststellungen über Eignungsfragen ersetzen darf. Aus Darstellungsgründen kann die weitere tatbestandliche Voraussetzung der Entziehung, das "fehlerhafte Verhalten" des Inhabers der jeweiligen Berechtigung, nur am Rande gestreift werden. Denn hierbei handelt es sich um einen facettenreichen und durchaus problematischen Begriff, der einer eigenständigen und umfassenden Betrachtung bedürfte. Die Untersuchung versteht sich im Rahmen beider Teile als Bestandsaufnahme des - im Vergleich zur Geschichte des Seeunfalluntersuchungsrechts noch relativ jungen SeeUG und als durchaus kritische Würdigung der auf diesem Gesetz beruhenden Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes und soll nicht zuletzt einen Beitrag zur Vereinheitlichung und Transparenz der Spruchpraxis leisten.

WSA gern. BOSeeA MS "Wega"ISchwimmkran "Athlet I" = BOSeeAE 1993, S. 267 (274), bestätigt durch VG Hamburg BOSeeAE 1993, S. 281 (284ff.). 17 Die Besetzung regelt § 7 SeeUG: Der Vorsitzende hat die Befähigung zum Richteramt

(§ 7 S. 1 SeeUG), der ständige Beisitzer die Befähigung zum Kapitän auf großer Fahrt (§ 7 S. 2 SeeUG), die ehrenamtlichen Beisitzer sind aus qualifizierten Personengruppen auszuwählen (§ 7

III SeeUG i.V.m. § 5 DVSeeUG). Gern. Art. 94 VII SRü besteht die völkerrechtliche Pflicht zur Besetzung der Seeämter und des Bundesoberseeamts mit qualifiziertem Personal.

Te i I 1

Die verfahrensrechtliche Einheit von Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug Der Seeamtspruch, mit dem die gesamte seeamtliche Untersuchung endet

(§ 20 SeeUG), zerfällt als zusammenfassende Darstellung des Untersuchungs-

ergebnisses in mehrere objektive und subjektive Teilentscheidungen. Zunächst trifft das Seeamt objektiv-gutachtliche Feststellungen über die Ursachen des Seeunfalls (§§ 3 I und 17 11 1 Nr. 1 SeeUG). Hierin liegt die primäre öffentlich-rechtliche Bedeutung des Spruches: Er verkörpert eine sorgfältige amtliche Mitteilung an alle Schiffahrtsinteressenten über die Ursachen von Seeunfällen; diese Mitteilung ist weitaus bedeutender und objektiver als irgendeine private Feststellung 1. Zu dieser objektiven Feststellungskompetenz gehört sachlich-systematisch auch die Feststellung des unfallkausalen Fehlverhaltens eines Beteiligten (§§ 3 11 Nr. 1, 1711 1 Nr. 2 SeeUG). Zu der objektiv-gutachtlichen Feststellungskompetenz der Seeämter gesellt sich als gesetzlicher Nebenzweck2 eine subjektive Entscheidungskompetenz. Denn der Seeamtsspruch befindet auch über die Entziehung einer Berechtigung wegen festgestellter Eigenschaftsmängel (§§ 3 11, 1711 Nr. 3 SeeUG). Beide seeamtlichen Funktionen sind, wie sich aus dem 4. Abschnitt des SeeUG ergibt, in einem einheitlichen Untersuchungsverfahren wahrzunehmen. Über beide Funktionen wird auch in einem einheitlichen Spruch (§ 17 SeeUG) befunden. Dies entspricht der Rechtslage des SUG 1935 (vgl. §§ 25 III und 26 I SUG 1935). Dieser Gesetzeskonzeption folgend haben die Seeämter und das Bundesoberseeamt in ihrer Spruchpraxis den Grundsatz ausgebildet, über die Ursache und die Folgen des Seeunfalls - also über sämtliche objektive wie subjektive Teilentscheidungen - lasse sich bezüglich aller Beteiligten, denen ein Fehlverhalten zur Last gelegt werden kann, nur in einheitlicher Weise entscheiden3 . Dieser Grundsatz rechtfertigt sich sachlich aus einer genetischen Verbindung sämtlicher seeamtlicher Feststellungen. Denn 1 Sassen (S. 282). 2 So auch Breller, Hansa 1970, S. 699. 3 Vgl. nur BOSeeA Kollision Schlepper "Holsatia"ISchlepper "Therese" = BOSAE I, S. 307 (319/320) sowie BOSeeA TMS "Elisabeth Entz" = BOSAE VI, S. 614 (6311632) = Hansa 1960, S. 553 (554); Schaps/Abraham, 3. Auflage, § 26 SUG Anm. 7.

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Teil 1: Die verfahrensrechtliche Einheit

eine Feststellung zu Lasten eines Beteiligten führt regelmäßig dazu, daß ein anderer Beteiligter eine entsprechende Feststellung nicht erfahrt. Die Einheit seeamtlicher Feststellungen und Entscheidungen ist aber rechtlich problematisch. Das gilt nicht so sehr für die Frage der einheitlichen Feststellung aller Ursachen des Seeunfalls, sondern vielmehr für die verfahrensrechtliche Verbindung objektiv-gutachtlicher Unfalluntersuchung mit dem Berechtigungsentzug. Die aus dieser Doppelfunktion seeamtlicher Tätigkeit resultierenden Probleme sind bislang freilich nur angedeutet worden. So kritisierte der Deutsche Nautische Verein 1884, daß das SUG 1877 zwei Dinge eng in nicht zweckdienlicher Weise miteinander verbunden habe, was leicht zur Schädigung des einen oder anderen Ziels führen könne4 . Es sei deshalb das objektive Untersuchungsverfahren von dem Entziehungsverfahren zu trennen: Erst solle der Spruch die Unfallursachen feststellen, sodann solle nach einer erneuten Beratung des Seeamtes über die Entziehung befunden werdenS. Sassen nahm im Jahre 1914 diese Kritik am Gesetzgeber des SUG 1877 auf und meinte, dieser habe durch die Verbindung in Wahrheit zweier Verfahren "in nicht zu billigender Weise ... eine notwendige Zweckgemeinschaft" gebildet6 . In neuerer Zeit bezeichnete Hasche die Verbindung dieser Aufgaben als "nicht sehr glücklich "7. Deshalb soll die verfahrensrechtliche Einheit seeamtlicher Ursachenfeststellungen mit dem Berechtigungsentzug an dieser Stelle einmal genauer betrachtet werden. Dabei ist zunächst zu untersuchen, welche historischen Erwägungen die seeamtliche Doppelfunktion historisch und aktuell rechtfertigen und welche verfahrensrechtlichen Lösungen im Ausland bestehen (1. Kapitel). Sodann sollen die rechtlichen Probleme der verfahrensrechtlichen Einheitlich aufgezeigt werden. Besondere Probleme wirft dabei die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das Bundesoberseeamt an seeamtliche Entziehungsentscheidungen gebunden ist (2. Kapitel).

4 Ehlers in: Verhandlungen des Deutschen Nautischen Vereins 1884 (S. lllf.).; Sassen (S. 304). 5 Verhandlungen des Deutschen Nautischen Vereins 1884 (S. 113). 6 Sassen (Einleitung, S. XX).

7 Hansa 1962, S. 1931 (1931).

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter

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1. Kapitel

Die Doppelfunktion der Seeämter A. Die historische Rechtfertigung der Doppelfunktion I. Die fehlende rechtliche Handhabe der deutschen Nationalstaaten gegenüber Pflichtwidrigkeiten von Schiffern

In der Zeit vor Inkrafttreten des Seeunfalluntersuchungsrechts versuchten allenfalls die Dampfschiffahrtsgesellschaften, den Ursachen der Seeunfälle auf den Grund zu kommen. Diese privatrechtlichen Untersuchungen wurden durch sachverständige Kommissionen vorgenommen8 . Sie konnten, da ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zu den Besatzungsmitgliedern nicht bestand, die Entziehung einer Berechtigung nicht aussprechen. Ihre rechtlichen Möglichkeiten erschöpften sich in Vertragsstrafen oder Entlassungen. Damit war aber eine dauerhafte Entfernung ungeeigneter Personen aus dem Dienst nicht zu leisten, denn dem entlassenen Schiffer stand es offen, bei einer anderen Schiffahrtsgesellschaft eine neue Anstellung anzutreten. Es gab zwar in einigen deutschen Küstenländem bereits Jahrzehnte vor der Schaffung des Norddeutschen Bundes mit Schiffahrtsfragen befaßte Sondergerichte: in Preußen die Kommerz- und Admiralitätsgerichte (als Zivilgerichte), in Hamburg das Gericht der Schifferalten (als eine Art Arbeitsgericht für Streitigkeiten zwischen Mannschaft und Kapitän sowie Kapitän und Reeder)9. Diese befaßten sich aber nicht mit Fragen der Seeunfalluntersuchung und konnten eine Entziehung einer Berechtigung nicht aussprechen. Hieraus ergab sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die Forderung der deutschen Küstenländer nach Schaffung einer eigenständigen Institution zur Untersuchung von Seeunfallursachen. Dabei trat Bremen als Pionier einer deutschen Seeunfalluntersuch.ung besonders stark hervor. Schon im Jahre 1827 schlugen die Vertreter der bremischen Kaufmannschaft die Errichtung eines Seegerichts vor, welches neben zivilrechtlichen Streitigkeiten auch für die auf See stattfindenden Unglücksfälle zuständig sein sollte lO .

8 So schuf der Norddeutsche L10yd 1857 eine private Kommission zur Untersuchung der unter eigener Flagge fahrenden Schiffe, vgl. Pfeiffer (S. 3). Die Situation beim Norddeutschen L10yd schildert ausführlich Sassen, S. 18-20 in Fn. 2). 9 Hasche, Hansa 1962 (S. 1931); Pfeiffer (S. 3). Dies war ein reines Laiengericht, bestehend aus 4 Schiffskapitänen und einem Protokollführer (Sassen, S. 13). 10 Sassen (S. 11).

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Teil 1; Die verfahrensrechtliche Einheit

Der zu dem Problemkreis der Seeunfalluntersuchung gefertigte Bericht einer im Jahre 1848 tagenden Bürgerschaftskommission Bremens sah die Einführung einer staatlichen Aufsicht über Schiffsführer und Steuerleute sowie ein Einschreiten gegen Pflichtwidrigkeiten vor; ein Gutachten der Handelskammer schloß sich diesem Vorschlag an und befürwortete diese "Bestrafung" der Schuldigen 11. Bremen hat damit als erster Bundesstaat das Einschreiten gegenüber pflichtwidrig handelnden Personen mit der Aufgabe der Seeunfalluntersuchung in einen sachlichen Zusammenhang gestellt. Hierauf ist die bis heute nicht aufgelöste inhaltliche Verbindung der beiden staatlichen Aufgaben zurückzuführen. Der Vorschlag Bremens beruhte im wesentlichen darauf, daß die Mehrheit der Bundesstaaten keine öffentlich-rechtliche Handhabe gegenüber unfahigen Schiffsführern bzw. Besatzungsmitgliedem hatte. Dieser Zustand blieb bis zum Inkrafttreten des Seeunfalluntersuchungsrechts im Jahre 1877 unverändert. Nur Preußen hatte in § 71 Satz 1 seiner Allgemeinen Gewerbeordnung 12 die Rücknahme der Bestallungen als Seeschiffer oder Seesteuermann geregelt, wenn die Unrichtigkeit der für die Erteilung notwendigen Nachweise dargelegt wurde oder wenn es an einer für die Erteilung der Gewerbebefugnis vorausgesetzten Eigenschaft mangelte. Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund l3 , welche die Preußische Allgemeine Gewerbeordnung aufhob, regelte lediglich die Pflicht der Seeschiffer , Seesteuerleute und Maschinisten, sich durch ein entsprechendes Befähigungszeugnis auszuweisen (§ 31 I Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes). Ein Widerruf oder die Rücknahme der einmal erteilten Befugnis war nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen erlaubt (§ 143 I) und - da ein solcher Fall für die Schiffahrt nicht gegeben war - mangels Rechtsgrundlage ausgeschlossen. Zwischenzeitlich hatte England im Jahre 1854 durch Section 448 des Merchant Shipping Act die erste staatliche Regelung der Seeunfalluntersuchung überhaupt geschaffen l4 . Da das Fehlen einer analogen Regelung im Norddeutschen Bund als Mangel empfunden wurde 15 , vereinbarten der Norddeutsche Bund und Großbritannien 1869 in einem Notenwechsel die Inanspruchnahme des englischen (behördlichen) Untersuchungsverfahrens auch für deutsche Schiffe, sofern sich deren Unfall in der Nähe der englischen

11 Sassen (S. 12). Sassen weist hier gleichzeitig darauf hin, daß der Ausdruck "(kriminelle) Bestrafung" oder "Disziplinierung " sprachlich ungenau ist, da es zu der damaligen Zeit deckungsgleich mit der Patententziehung im Sinne des Absprechens der Schiffer- oder Steuermannsqualität gebraucht wurde.

12 Vom 17.1.1845 (preußische Gesetzessammlung 1845, S. 41). 13 Vom 21.6.1869 (BGBI. des Norddeutschen Bundes 1869, S. 245). 14 Hasche, Hansa 1962 (S. 1931); Sassen (S. 3); vgl. auch Elchlepp/Weihs (S. 31). 15 Hasche, Hansa 1962 (S. 1931).

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter

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Küste abgespielt hatte l6 . Diese Vereinbarung mit England erfolgte seitens der Regierung mit Vorbehalten, wenngleich sich die sachlichen Vorteile der Untersuchung von Seeunfalien schnell zeigten 17. 11. Die Diskussion um die EntziehungsbefugnIs der Seeämter im Vorfeld der Schaffung des SUG 1877

Durch Art. 4 Ziffer 7 der Reichsverfassung von 1871 wurde dem Deutschen Reich zwischenzeitlich der gemeinsame Schutz der deutschen Schiffahrt zugewiesen. Daraus ließ sich nunmehr die Aufgabe ableiten, auf die Ermittlung der Ursachen von Seeunfalien im öffentlichen Schiffahrtsintersse hinzuwirken. Die neugebildete deutsche Admiralität regte infolgedessen 1873 gegenüber dem Reichskanzleramt an, aus erfahrenen Seeleuten eine technische Kommission zu bilden, welche bei Seeunfällen mit der Abgabe von Gutachten darüber zu betrauen wäre, inwieweit die Strandung oder das Sinken als Folge pflichtwidrigen Verfahrens seines Führers, eines Schiffsoffiziers oder eines Schiffsmannes anzusehen und in welc~en Handlungen oder Unterlassungen des Schuldigen die Pflichtwidrigkeit zu finden sei I .

Das Reichskanzleramt forderte die berührten Bundesländer zu einer Stellungnahme auf, wobei von vornherein der Charakter der Untersuchungsinstanz als Behörde feststand, um die damals bei den Bundesländern liegende lustizhoheit nicht anzutasten l9 . Die Untersuchung sollte hauptsächlich dazu dienen, von erprobten seemännischen Sachverständigen den Kausalzusammenhang und die Verschuldensfrage klären zu lassen, um als Gutachten in Zivil- und Strafprozesse einzufließen20 . Dieser Ansatz fand jedoch keine Zustimmung bei den Bundesstaaten. 16 Hasche, Hansa 1962 (S. 1931); MUlier/Krauß, Band 2, Teil A (S. 95); Caesar (S. 2). Dem ging ein entsprechendes Ersuchen der englischen Regierung vom 28.12.1868 voraus. Die deutschen Bundes-Seestaaten Preußen, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Lübeck und Hamburg sprachen sich dafür, Bremen dagegen aus. Der Bundesrat teilte die staats- und völkerrechtlichen Bedenken Bremens nicht und beschloß am 3.7.1869, das Präsidium des Norddeutschen Bundes zu ersuchen, das Einverständnis gegenüber England zu erklären. Diese Erklärung wurde am 25.8.1869 abgegeben, ohne daß es zu einem formellen Staatsvertrag kam (vgl. Sassen, S. 4ff.). Eine wirksame übertragung von Hoheitsrechten über deutsche Schiffer bzw. Schiffsbesatzungen war damit aber nicht verbunden (Sassen, S. 7).

17 Siehe das Protokoll der Gesetzberatung vom 28.4.1877 in: Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1877, S. 864ff. Bemängelt wurde vor allem der mit dieser Lösung verbundene Souveränitätsverzicht. In der Beratung sprach der Berichterstatter rückschauend das Gefühl verletzten Nationalstolzes aus (Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1877 a.a.O.); siehe hierzu auch Sassen, S. 7. 18 Hasche, Hansa 1962 (S. 1931); Sassen (S. 8). 19 Hasche, Hansa 1962, S. 1931 (1932). 20 Sassen (S. 9).

Teil!: Die verfahrensrechtliche Einheit

32

Stand zu dieser Zeit der Erörterungen und Verhandlungen eigentlich nur die behördliche Seeunfallbegutachtung im Vordergrund, so ist herauszustellen, daß Bremen es in seiner Stellungnahme angesichts der fehlenden gewerberechtlichen Eingriffsbefugnisse wiederum für nutzbringend erklärte, die zu schaffende Behörde mit gewerbepolizeilichen Befugnissen gegen pflichtwidrig handelnde oder untüchtige Schiffer und Steuerleute auszustatten 21 . Bremen knüpfte hiermit an seine Vorstellungen in der ersten Jahrhunderthälfte an, durch welche der Grundstein für die bis heute geltende Doppelfunktion der seeamtlichen Untersuchung gelegt wurde: Die Begutachtung der Ursachen des Unfallgeschehens und die sich daran anschließende Entziehung des Befähigungszeugnisses oder einer gleichgestellten Berechtigung. Der Ausstattung der Seeämter mit einer solchen Befugnis wurde allerdings durch die Nautischen Vereine heftig widersprochen22 . Das neugegründete und selbstbewußte Deutsche Reich nahm die britische Regierung aufgrund der existierenden Absprache nur noch mit Unbehagen in Anspruch, um den Seeunfall zu untersuchen 23 • Es forcierte sodann das eigene Gesetzgebungsvorhaben weitaus entschiedener als noch 2 Jahre zuvor. Eine Rundfrage vom Februar 1875 bei den Bundes-Seestaaten hatte zum Ergebnis, daß - bis auf Preußen - alle Länder das Bedürfnis einer eigenständigen deutschen Regelung erkannten24 • Mit der viele Menschenleben fordernden Strandung der "Deutschland" des Norddeutschen Lloyd am 6.12.1875 in der Themsemündung wurde die Dringlichkeit einer eigenen deutschen Lösung erneut unterstrichen. Bremen hatte auch diesmal wieder klare Vorstellungen über die Grundlagen des einzurichtenden Untersuchungsverfahrens. Der bremische Senat stellte in seinem Vorschlag erste Grundsätze über die Seeunfalluntersuchung auf25 : a) Notwendig ist die Untersuchung der erheblichen SeeunfaIle, ... , um die Ursache derselben zu ermitteln. b) Der untersuchenden Behörde, ... , muß entsprechende untersuchungsrichterliche Gewalt und freies Ermessen bezüglich aller für eine erschöpfende Untersuchung erforderlichen Maßregeln zustehen.

21 Hasche, Hansa 1962, S. 1931 (1932). Vgl. auch Sassen (S. 10). 22 Siehe nur folgendes Zitat bei Hasche, Hansa 1962, S. 1931 (1933): "Wir wollen keine Polizeiwirtschaft, keine Konduitenlisten, keine rigoristische Kontrolle. Solchen Ausschreitungen der beaufsichtigenden Behörde zu begegnen, muß das Gesetz scharf und bestimmt gefaßt werden". 23 Hasche, Hansa 1962, S. 1931 (1932). 24 Sassen (S. 16/17).

25 Vgl. Sassen (S. 18).

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter

c)

d) e)

33

Dieselbe wird in Tätigkeit gesetzt durch ... von den ... Behörden ... zu machende Meldungen, von Privaten ausgehende Anzeigen oder von der zuständigen höheren Landesbehörde oder Reichsbehörde ergehende Aufträge. Das Ergebnis der Untersuchung wird einer ... Landesverwaltungsbehörde unter gutachtlicher Berichterstattung ... mitgeteilt. Die höhere Landesbehörde befindet darüber, ob dem etwa beteiligten deutschen Schiffer oder Steuermann die Befugnis, als solcher ferner auf deutschen Schiffen zu fahren, sei es auf Zeit oder für immer, zu entziehen sei.

Bremen hielt damit konsequent an der Doppelfunktion der Seeunfalluntersuchung fest. Allerdings sollte über die Frage der Entziehung einer Berechtigung nicht die untersuchende Behörde, sondern die höhere Landesbehörde befinden. Dieser Vorschlag, der verfahrensrechtlich eine Zweiteilung des Verfahrens bedeutete, vermochte sich im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht durchzusetzen. Es steht zu vermuten, daß die Zuständigkeit der höheren Landesbehörde angesichts der Schaffung eines übergeordneten Oberseeamtes nicht für erforderlich gehalten wurde. Dennoch ergibt sich aus dem bremischen Vorschlag einer Zuständigkeitsteilung inzidenter, daß diese beiden Aufgaben nicht als zwingend zueinander gehörend und damit folgerichtig auch nicht in die Hand nur einer Behörde gehörend betrachtet wurden. Die Vorberatungen des Gesetzes in einer ersten Reichstagskommission führten zu dem Ergebnis, daß den Untersuchungsbehörden nicht das Recht eingeräumt werden sollte, dem Schiffer und Steuermann die Berechtigung zu entziehen. Denn dies sei eine richterliche Entscheidung, welche nur einem mit allen Garantien richterlicher Unabhängigkeit umgebenen Gericht übertragen werden sollte26 . § 23 des Entwurfs, der die Entziehung der Berechtigung vorsah, wurde deshalb verworfen27 . Diese Maßregel könne entbehrt werden, weil ein Schiffer oder Steuermann, der nachweislich einen Seeunfall herbeigeführt habe, ohnehin auf einem deutschen Schiffe schwerlich seinen Dienst behalten bzw. eine anderweite Stellung finden werde28 . Die 2. und 3. Beratung in der nächsten Legislaturperiode überstand der Gesetzentwurf aber fast unbeschadet. Das Plenum des Reichstages nahm das SUG fast einstimmig an 29 , ohne von der seeamtlichen Entziehungskompetenz 26 Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1876, S. 831 (838); Sassen (S. 24). 27 Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1876, S. 831 (839). 28 Caesar (S. 4/5).

29 Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1877, S. 864ff. und 877ff.; Caesar (S. 9). 3 Henriksen

Teil 1: Die verfahrensrechtliche Einheit

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abzusehen. Den noch in den Vorberatungen der Reichstagskommission gemachten Einwendungen, der moralische Effekt des seeamtlichen Spruches alleine genüge gegenüber dem Schiffer oder Steuermann30 , kam kein entscheidendes Gewicht zu. Es setzte sich vielmehr die Auffassung durch, daß es eine "Halbheit" sei, auf einen moralischen Effekt zu vertrauen, ein Spruch ohne Exekution sei ein Spruch ohne Autorität31 . Gerade der nautische Sachverstand der Seeämter biete die Gewähr für eine richtige Entscheidung 32 . IH. Die Entziehung der Gewerbebefugnls nach § 26 SUG 1877/1935

Das erste deutsche Seeunfalluntersuchungsgesetz trat am 1.1.1878 in Kraft (SUG 1877). Es wurde 1935 in Teilen reformiert (SUG 1935), behielt aber im übrigen Gültigkeit bis zum Inkrafttreten des SeeUG am 1.10.1986. Nach § 4 SUG 1877 sollte die Untersuchung Ursachen und Tatumstände des Seeunfalls ermitteln, um folgendes festzustellen: 1. ob der Schiffer oder der Steuennann durch Handlungen oder Unterlassungen den Unfall oder dessen Folgen verschuldet hat;

2. ob Mängel in der Bauart, Beschaffenheit, Ausrüstung, Beladung oder Bemannung des Schiffes, oder 3. Mängel des Fahrwassers oder der für die Schiffahrt bestimmten Hilfseinrichtungen ... oder Handlungen oder Unterlassungen der zur Handhabung dieser Einrichtungen bestellten Personen den Unfall oder dessen Folgen herbeigeführt haben;

4. ob die zur Verhütung des Zusammenstoßes von Schiffen ... erlassenen Vorschriften befolgt worden sind.

Die Ziffern 1. und 3. verdeutlichen, daß die Kompetenz der Seeämter nicht - den allerersten Anregungen folgend33 - auf eine Ermittlung technischer Unfallursachen beschränkt war, sondern auch - was bis heute erhalten blieb (§ 3 I SeeUG) - die Ermittlung personenbezogener Ursachen enthielt. Die auf den bremischen Vorstellungen beruhende Rechtsgrundlage zur Entziehung von Beflihigungszeugnissen fand sich in § 26 SUG 1877:

30 Vgl. Caesar (5.7).

31 Caesar (5. 8). 32 Caesar (5. 7/8).

33 Siehe oben II. = S. 31.

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter

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Auf Antrag des Reichskommissars 34 kann, wenn sich ergibt, daß ein deutscher Schiffer oder Steuermann den Unfall oder dessen Folgen in Folge des Mangels solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung des Gewerbes erforderlich sind, verschuldet hat, demselben durch den Spruch (§ 25) zugleich die Befugnis zur Ausübung seines Gewerbes (§ 31 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869) entzogen werden. Einem Schiffer, dem die Befugnis entzogen wird, kann nach Ermessen des Seeamtes auch die Ausübung des Steuermannsgewerbes untersagt werden.

In rechtlicher Hinsicht war der Begriff der "Gewerbebefugnis" mißglückt, da der Schiffer mangels Selbständigkeit kein Gewerbe ausübt35 . § 26 SUG 1877 wurde aber auch von den Nautikern sehr stark angegriffen36 . Den Fachkreisen ging es dabei nicht so sehr um eine sachgerechte Ausgestaltung der objektiv-gutachtlichen Ursachenfeststellung, sondern vielmehr um eine Verbesserung der Verteidigungsrechte Beteiligter37 • So wurde z. B. eine Erweiterung des Beschwerderechts erstrebt. Der Beteiligte solle sich nicht nur gegen eine Entziehung, sondern auch gegen Vorwürfe wehren können, die im Zusammenhang mit seinem Verhalten beim Unfall stünden38 . Aus § 26 SUG 1877 ergab sich, daß die Gewerbebefugnis nur dann entzogen werden konnte, wenn der Unfall durch den Beteiligten verschuldet war. Damit aber war eine solche Maßnahme nur bei einem kausalen und subjektiv vorwerfbaren Unfallbeitrag möglich 39 . Dieses Kausalitätserfordernis rechtfertigte sich aus einem eingeschränkten, auf die reine Unfallursachenermittlung bezogenen seeamtlichen Untersuchung sauftrag. Das Erfordernis dieses Kausalzusammenhangs führte jedoch dazu, daß einem Schiffsoffizier , welcher seine Pflichten gröblichst verletzt hatte, die Gewerbebefugnis zu belassen war, wenn ein anderes Geschehnis für den Unfall ursächlich war. Dies konnte insofern als sinnwidrig empfunden werden, als sich häufig die Nichteignung für eine leitende Position auf dem Schiff erst im Verhalten bei Gelegenheit oder nach dem Unfall offenbart40 . Gerade in einer solchen Situation muß der 34 Der im öffentlichen Interesse tätige Reichskommissar hatte eine staatsanwaltsähnliche Funktion. Er konnte Einsicht in die Akten nehmen und Anträge auf Anordnung einer Untersuchung stellen (§ 13 SUG 1877). Den Kommissar gibt es seit Inkrafttreten des SeeUG nicht mehr. 35 Kapust, S. 23.

36 Zur sachlichen Kritik des Deutschen Nautischen Vereins siehe oben S. 10. Die Diskussion über die damaligen Abänderungsvorschläge des Deutschen Nautischen Vereins findet sich bei Sassen (S. 298f., insbesondere S. 302f.). 37 Sassen (S. 304).

38 Verhandlungen des Deutschen Nautischen Vereins 1884 (S. 138) sowie 1903 (S. 120); Sassen (S. 309). 39 Aus der umfassenden Spruchpraxis sei hier nur auf OSeeA Schraubendampfer "Hermann" = OSAE XII S. 148 (161) hingewiesen. 40 Zu denken ist z.B. an das rücksichtslose Weiterfahren nach einer Nebelkollision ohne Hilfeleistung.

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Teil 1: Die verfahrensrechtliche Einheit

Kapitän oder Steuermann besonnen reagieren, darf nicht kopflos werden oder körperlich bzw. geistig zusammenbrechen. Auf die insoweit bestehende Unvollständigkeit des SUG 1877 wurde in mehreren Sprüchen hingewiesen41 . Sie wurde jedoch durch den Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen. Denn die Vorberatungen des Gesetzes zeigen, daß die Reichstagskommission sich primär auf die gutachtliche Seeunfalluntersuchung konzentrieren wollte. Sie zögerte, das SUG mit Fragen des allgemeinen Gewerberechts zu befrachten42 . Deshalb lag der Schluß nahe, für die nicht-kausale Unfähigkeit sei eine Regelung in der Gewerbeordnung gewollt gewesen43 . Zu einer solchen Regelung kam es jedoch nicht. Dem Empfinden von Schiffahrtskreisen, daß § 26 SUG 1877 eine gewisse Ungerechtigkeit und Sinnwidrigkeit anhafte, war damit Vorschub geleistet. Die Einwände gegen das damals geltende Recht machte sich im Jahre 1909 das Reichsamt des Innem zu eigen und legte einen Vorentwurf eines neuen Seeunfallgesetzes vor44 , worin § 31 das Kausalitätserfordemis für die Entziehung fallen ließ und nur noch auf den Beweis der Unfähigkeit bei Gelegenheit des Unfalls abstellte: Wenn es sich im Laufe der Hauptverhandlung herausstellt, daß ein zur Besatzung gehörender Zeuge, welcher ein deutsches Befähigungszeugnis als Schiffer, Steuermann oder Maschinist besitzt, durch sein Verhalten bei Gelegenheit des den Gegenstand der Untersuchung bildenden Ereignisses den Mangel einer Eigenschaft bewiesen hat, welche zur Ausübung des Gewerbes als Schiffer, Steuermann oder Maschinist erforderlich ist, so kann das Seeamt einem solchen Zeugnisinhaber die Gewerbebefugnis entziehen.

Dieser Entwurf wurde zwar nicht weiter verfolgt. Der Gesetzgeber hat die Vorschläge aus dem Jahre 1909 jedoch aufgrund eines wiederholt erkannten Bedürfnisses45 in der Novelle im Jahre 1935 berücksichtigt. § 26 I SUG 1935 erhielt die folgende Fassung: Im Spruch kann dem Inhaber einer deutschen Gewerbebefugnis als Kapitän, Seeschiffer , Seesteuermann , Schiffsingenieur , See- und Kleinmaschinist oder Seemotorfiihrer diese Gewerbebefugnis entzogen werden, wenn er in der Besatzung oder als Lotse des

41 Beispielhaft sei nur auf OSeeA Brigg "Oberon" verwiesen (OSAE VIII, S. 9). Das OSeeA erkannte hier, das Verhalten des Steuermanns habe überzeugend dargetan, "daß es ihm an männlichem Selbstbewußtsein, an sittlicher That- und Widerstandskraft, an Entschlossenheit und Pflichttreue durchaus gebricht" (S. 15). Dennoch konnte die Befugnis zum Betreiben des Steuermanngewerbes nicht aberkannt werden, da der "an Trunkenheit innerlich verkommene Schiffer" den Steuermann vor dem Unfall wirksam von der weiteren Dienstausübung ausgeschlossen und keinen Einblick in das Schiffstagebuch, die Seekarten sowie Angaben über die gesegelten Distanzen und Kurse gewährt hatte und nur dies unfallursächlich war. 42 Siehe nur die Verhandlungen des Deutschen Reichstags 1876, S. 831 (837-839). 43 So sieht es Sassen (S. 336). 44

Abgedruckt in: Hansa 1909 (S. 791ff.).

45 Vgl. die Begründung zum SUG 1935 in: Deutscher Reichsanzeiger Nr. 244 (S.l).

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter

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betreffenden Seefahrzeugs durch sein Verschulden an dem Unfalle oder durch sein Verhalten bei Gelegenheit des Unfalls erwiesen hat, daß ihm eine Eigenschaft fehlt, die zur Ausübung dieser Gewerbe erforderlich ist.

Zwar wurde durch diese Regelung dem Gerechtigkeitsempfinden der Schiffahrtskreise Rechnung getragen. Dennoch hat ein Verhalten "bei Gelegenheit" des Unfalls mit der zentralen und ursprünglichen Aufgabe objektiver Seeunfallbegutachtung als Vorstufe administrativer und gesetzlicher Verbesserungen nur noch wenig Berührungspunkte. Mit der Erweiterung des seeamtlichen Untersuchungsauftrages auf nicht unfall-kausales Verhalten verschob § 26 I SUG 1935 Inhalt und Zielsetzung des Gesetzes zu Gunsten ordnungsrechtlicher Eingriffsermächtigungen, verwischte damit den gutachtlichen Charakter der Seeunfalluntersuchungsbehörden und trug in erheblicher Weise zu dem Bild der Seeämter und des Bundesoberseeamtes als einer speziellen Ordnungsbehörde bei. Es wird zugleich das Dilemma offenbar, welches durch die im SUG 1877/1935 mitgeregelte Entziehungsbefugnis der Seeämter ausgelöst wurde: Beschränkt der Gesetzgeber nämlich die seeamtliche Entziehungsbefugnis auf rein unfall-kausale Verstöße (so bis 1935), erscheint die Regelung sinnwidrig und ungerecht. Denn einem Beteiligten, welcher eventuell in weitaus größerem Maße als ungeeignet anzusehen war als der Adressat der Entziehung, konnte die Berechtigung auf Grund fehlender Unfallkausalität seines Eignungsmangels nicht entzogen werden. Im entgegengesetzten Fall der Entziehung auch aufgrund einer bei Gelegenheit des Seeunfalls festgestellten nicht unfall-kausalen Ungeeignetheit (so ab 1935) erweitert man den eigentlichen objektiv-gutachtlichen Untersuchungsauftrag des Seeamtes um Befugnisse, welche systematisch in die GewO oder SchOffzAusbV gehören. Diesem gesetzesimmanenten Widerspruch hätte der historische Gesetzgeber nur entgehen können, wenn er die Entziehung einer Berechtigung den nach diesen Gesetzen zuständigen Ordnungsbehörden zugewiesen hätte. Dies geschah jedoch nicht. IV. Ergebnis

Historisch rechtfertigt sich die doppelfunktionale Zuständigkeit der Seeämter aus den bei Inkrafttreten des SUG 1877 fehlenden, ordnungsrechtlichen Instrumentarien. Eine Regelung, die zwar die technischen und personenbezogenen Ursachen der Seeunfälle aufklärt, ohne einen verwaltungsbehördlichen Eingriff zu ermöglichen, wurde als unvollständig empfunden. Ein zwingender Sachzusammenhang mit der Ursachenuntersuchung besteht nicht. Die Sachkunde der Seeämter für eine Entziehungsentscheidung spielte keine Rolle und

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Teil 1: Die verfahrensrechtliche Einheit

wurde nur in der Literatur herausgestellt46 . Auch die Herbeiführung einer einheitlichen Verwaltungspraxis in den verschiedenen Bundes-Seestaaten bzw. Bundesländern war nicht gewollt. B. Die aktuelle Rechtfertigung der Doppelfunktion

Der Gesetzgeber hat die doppelfunktionale Zuständigkeit der Seeämter nie einer kritischen Betrachtung unterzogen. Er hat vielmehr bei der Novellierung des Seeunfalluntersuchungsrechts 1935 und 1986 die Doppelfunktion seeamtlicher Tätigkeit - ohne eine Alternativlösung ernsthaft in Erwägung gezogen zu haben - übemommen 47 . Es ist also durchaus fraglich, ob sich die Doppelfunktion seeamtlicher Tätigkeit heute überhaupt noch rechtfertigen läßt. I. Treffen die historischen GrUnde noch zu ?

Das zur Einführung der Entziehungsbefugnis dienende Argument, das Gewerberecht sehe keine Entziehung von Berechtigungen gegenüber Schiffern vor und diese müsse daher im Seeunfalluntersuchungsrecht fest verankert werden, ist zwischenzeitlich entfallen. Denn nunmehr ist die Entziehung von Berechtigungen auf Grund eines Eignungsmangels, wie sie § 19 SeeUG vorsieht, in den Gesetzen lückenlos geregelt, die auch für die Erteilung der jeweiligen Berechtigung gelten. So ist die Entziehung von Befahigungszeugnissen für Schiffsoffiziere nunmehr in § 23 SchOffzAusbV für den Fall geregelt, daß die Voraussetzungen der Erteilung nicht mehr vorliegen. Gesetzlich vorgesehener Hauptanwendungsfall nach der alten Rechtslage (früher § 30 SchOffzAusbV) war die Täuschung der ausstellenden Behörde insbesondere durch den Gebrauch gefälschter Papiere. Die Entziehung nach der SchOffzAusbV, welche erst geschaffen wurde, als die Entziehungsbefugnis der Seeämter schon lange existierte, ist praktisch bedeutungslos. Diese Bedeutungslosigkeit von § 23 SchOffzAusbV ist vor allem darauf zurückzuführen, daß sich ein eine Entziehung rechtfertigender Eignungsmangel regelmäßig an einem Vorkommnis manifestiert, welches als Seeunfall im Sinne des SeeUG zu werten ist. Da das Seeamt sodann mit einem entsprechenden Eingriff reagiert, besteht im Regelfall kein Bedürfnis mehr an einem Tätigwerden der Verwaltungsbehörde nach § 23 SchOffzAusbV. 46 Nämlich durch Caesar (S. 7/8). 47 Amtliche Begründung zum SeeUG, BT-Drs. 10/3312 (S.13): "Dieses - verbundene Verfahren hat sich bewährt, der Entwurf übernimmt es". Ähnlich die Begründung zur Novelle 1935 in: Deutscher Reichsanzeiger 1935, Nr. 244 (Einleitung, S. 1).

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter

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Auch der Widerruf der Seelotsenbestallung ist nunmehr spezialgesetzlich geregelt. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 14 SeelotsG48. Das SeelotsG enthält sogar Vorschriften über die vorläufige (§ 15) und die vorübergehende Untersagung des Berufs (§ 16). Die Entziehung der Sportbootfahrerlaubnis ist in § 8 SportbootführerscheinVO geregelt. Der Vollständigkeit halber erfolgt hier auch noch der Hinweis auf § 8 N der SeediensttauglichkeitsVO, welcher die Einziehung des Seediensttauglichkeitszeugnisses ermöglicht49 . Subsidiär stünden § 48 VwVfG (wenn der Adressat von vornherein ungeeignet war) und § 49 VwVfG (bei nach Erlaß eintretender Ungeeignetheit) als Rechtsgrundlage für die Entziehung durch die zuständige Behörde zur Verfügung. Mit der Existenz dieser Tatbestände ist heute der entscheidende, historische Grund nicht mehr gegeben, welcher 1877 zu der bis heute aufrechterhaltenen Zuständigkeit der Seeämter für den Berechtigungsentzug geführt hatte. 11. Ist die Beibehaltung der Doppelfunktlon empfehlenswert ?

Angesichts der nunmehr vollständig vorhandenen spezialgesetzlichen Entziehungstatbestände könnte erwogen werden, § 19 SeeUG ersatzlos zu streichen. Dann wäre die Aufgabe des Seeamtes auf eine objektiv-gutachtliche Ursachenermittlung beschränkt. Mit dieser Aufgabenzuweisung wären die Seeämter vergleichbar der beim Luftfahrt-Bundesamt gebildeten UnterSUChungskommission für Luftfahrtunfälle. Eine solche Lösung weist Vor- und Nachteile auf. 1. Pro: Die Sachntihe, die Qualifikation der Seetimter und die einheitliche Verwaltungspraxis Mit einer Beschränkung der Seeämter auf die objektiv-gutachtliche Ursachenermittlung würden zwei Aufgaben getrennt, die sich in ihrem Fernziel der Sicherheit des Schiffsverkehrs vereinen. Wenn darüberhinaus in Rechnung gestellt wird, daß bisher außerhalb der Seeunfalluntersuchung praktisch keine 48 Nach dem SeelotsG ist selbst die wahlweise Entziehung von Lotsenbestallung oder Befähigungszeugnis möglich, ohne daß auf § 19 SeeUG zurückgegriffen werden müßte. 49 Das auf 2 Jahre befristete Seediensttauglichkeitszeugnis dokumentiert die Eignung zur Seefahrt. Diese ist unter anderem dann ausgeschlossen, wenn die Gesundheit des Untersuchten unter Berücksichtigung des Lebensalters, der Berufserfahrung und der Tätigkeit befürchten läßt, daß er oder andere Personen an Bord oder die Schiffssicherheit gefährdet werden (§ 2 11 SeediensttauglichkeitsVO). Die Einziehung des Zeugnisses ist zwar nicht gleichbedeutend mit der Entziehung. Durch sie wird das Zeugnis nicht ungültig, mithin hat nur die Entziehung rechtsgestaltenden Charakter. Dennoch führt die Einziehung des Seediensttauglichkeitszeugnisses zum faktischen Ausschluß von der Seefahrt, da es vorn Kapitän oder anderen Bewerbern vor jeder Eintragung in die Musterrolle dem Seemannsamt vorzulegen ist (§ 13 I SeediensttauglichkeitsVO).

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Teil 1: Die verfahrensrechtliche Einheit

Befähigungszeugnisse entzogen wurden, so wird deutlich, daß zwischen Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug wegen der Interdependenz von Unfallursachen und Eignungsmangel eine so enge sachliche Verwandtschaft besteht, welche eine Aufgabe der Doppelfunktion nicht sinnvoll erscheinen läßt. De lege lata führte die Trennung beider Funktionen durch eine schlichte Streichung von § 19 SeeUG weiter dazu, daß kein nautisch und juristisch hochqualifiziertes Kollegialorgan 50 mehr über die Entziehung einer Berechtigung entschiede. Denn eine solche Kollegialentscheidung sieht § 23 SchOffzAusbVO nicht vor. Angesichts der Sensibilität der Entscheidung hinsichtlich des weiteren beruflichen Weges des jeweiligen Beteiligten stellt dies keine Alternative zum geltenden Recht dar. Der Vorteil einer Kollegialentscheidung wird besonders deutlich, wenn der Eignungsmangel aus einem nautisch und technisch komplizierten Unfall abzuleiten ist. Die Entscheidung darüber, wann eine Eigenschaft für die Berufsausübung "erforderlich" ist oder ob der Beteiligte "nicht mehr in der Lage war, den Dienst an Bord sicher auszuüben", ist also nirgends besser aufgehoben als bei einem Gremium, welches selber in der Regel noch mit der aktiven Schiffahrt verbunden ist51 und den Beteiligten in der Seeamtsverhandlung meist persönlich vor Augen hat. Dieses Gremium kennt sich mit den tatsächlichen Anforderungen, die die Schiffahrt stellt, aber auch mit den Gefährdungen, die von ungeeigneten Schiffsführern ausgehen können, bestens aus. Überspannte Anforderungen werden dabei ebenso wie Großzügigkeiten durch die Diskussion und die einheitliche Entscheidung des gesamten Kollegialorgans korrigiert. Dabei wird nicht verkannt, daß §§ 88 ff. VwVfG die Bildung von Kollegialorganen auch außerhalb der Seeämter und des Bundesoberseeamtes zuließen. Ob es jedoch rechtspolitisch erstrebenswert ist, bei der vorhandenen Sachnähe der beiden Aufgaben die Entscheidung über die Entziehung einer Berechtigung einem weiteren Kollegialorgan außerhalb bereits bestehender Spruchkörper zuzuordnen, muß bezweifelt werden. Nicht zu vernachlässigen ist auch, daß die geltende Kompetenzzuordnung zu einer einheitlichen Verwaltungspraxis der Entziehungsentscheidung führt, die wegen der landesbehördlichen Zuständigkeiten ansonsten nicht gewährleistet wäre. Hiermit sind Kosten- und Effektivitätsvorteile verbunden. SO Vgl. §§ 6 I und 7 SeeUG: Die Vorsitzenden müssen die Befähigung zum Richteramt haben, die ständigen Beisitzer die Befähigung zum Kapitän auf Großer Fahrt. Zur Qualifikation der ehrenamtlichen Beisitzer siehe § 7 SeeUG i.V.m. §§ 5 und 6 DVSeeUG. Zur völkerrechtlichen Verpflichtung zur Besetzung mit qualifiziertem Personal siehe Art. 94 VII SRU. SI Lampe, Hansa 1986, S.391 (393). Auch in der amtlichen Begründung zu § 19 I 2 SeeUG findet sich der Hinweis, daß ein fachlich hochqualifizierter Sachverständigenausschuß besser als jede andere Stelle beurteilen kann, ob ein Kapitän oder Schiffsoffizier nicht mehr in der Lage war, den Dienst sicher auszuüben (BT-Drs. 10/3312, S. 27).

1. Kapitel: Die Doppelfunktion der Seeämter

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Es darf zuletzt nicht außer Betracht bleiben, daß es auch in den Augen der Fachkreise - und daher der Adressaten einer Entscheidung nach § 19 SeeUG einen unschätzbaren Vorteil darstellt, wenn die Seeämter über die Entziehung entscheiden52 . Die unbestrittene Autorität der Seeämter und des Bundesoberseeamtes verleiht diesen aus der Sicht der betroffenen Fachkreise also faktisch eine standesgerichtsähnliche Stellung, auf welche aus Gründen der Selbstreinigung nur ungern verzichtet wird. 2. Contra: Die Inkompatibilitlit von Seeunfalluntersuchung und Berechtigungsentzug

Gegen die Beibehaltung der seeamtlichen Doppelfunktion spricht vor allem die im Detail bestehende Unverträglichkeit von objektiv-gutachtlicher Ursachenermittlung und präventiver Entziehungsentscheidung53 . Denn es besteht die Möglichkeit, daß sich beide Funktionen gegenseitig behindern oder sogar blockieren. So führt die Möglichkeit, am Ende des Untersuchungsverfahrens einen Verwaltungsakt in der Form eines Berechtigungsentzugs zu erlassen, zu praktischen und rechtlichen Konsequenzen, die einer verläßlichen Aufklärung des Unfallgeschehens entgegenwirken (nachfolgend a». Andererseits dauert gerade die sorfältige und zuverlässige seeamtliche Unfallursachenermittlung regelmäßig sehr lange, was dem mit § 19 SeeUG verfolgten Interesse an effektiver und zügiger Prävention abträglich ist (nachfolgend b». a) Die Geflihrdung des Untersuchungszweckes Der an der Seeunfalluntersuchung Beteiligte hat am Ende des Verfahrens persönliche Nachteile in der Form der Feststellung fehlerhaften Verhaltens (§ 17 11 1 Nr. 2 SeeUG) oder der Entziehung einer Berechtigung (§ 17 11 1 Nr. 3 SeeUG) zu befürchten. Das Verfahren stellt sich mit diesen Konsequenzen - zumindest aus seiner Sicht - als ein gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren dar. Dies reduziert rein tatsächlich seine Bereitschaft, an der umfassenden und lückenlosen Aufklärung des Geschehens mitzuwirken, auf das notwendige Mindestmaß und kann eine erfolgreiche und verläßliche Ermittlung der Unfallursachen durch die Seeämter vereiteln. Die Möglichkeit, daß dem Beteiligten am Ende des Seeunfalluntersuchungsverfahrens eine Berechtigung entzogen wird, führte im übrigen aus rechtsstaatlichen Gründen im Laufe der Gesetzesgeschichte zu einem Ausbau 52 Platzoeder, Hansa 1962, S. 1936 (1939) weist als Nautiker auf die über lange Zeit mit der Weisheit großer Berufs- und Lebenserfahrung gelöste Aufgabe hin.

53 Zum allein maßgeblichen Präventionsinteresse siehe unten Teil 2, 2. Kapitel, A.1. und 11.

= S. 129ff.

42

Teil 1: Die verfahrensrechtliche Einheit

seiner Verfahrensrechte. Das war schon bei der ersten Überarbeitung des SUG 1877 der Fall, anläßlich derer - beruhend auf der seeamtlichen Spruchpraxis54 - über die Beistands- und Akteneinsichtsregelung hinaus weitere Verfahrensrechte Beteiligter in das Gesetz aufgenommen wurden: das Anwesenheitsrecht im Beweissicherungstermin, in der Hauptverhandlung und im Beweistermin (§ 15 III, 19 11 und 23 SUG 1935); das Ablehnungsrecht gegenüber Sachverständigen und Mitgliedern des Seeamtes (§§ 20/21 SUG 1935): das Fragerecht (§ 22); das allgemeine Antragsrecht (§ 24 I SUG 1935); das Recht auf Gehör bei Verschuldensfeststellung (§ 24 11 SUG 1935) und in Entziehungsfällen (§ 26 11 SUG 1935); das Einsichtsrecht in die Niederschrift (§ 27 11 SUG 1935) und das Recht auf "Berufung" an das Reichsoberseeamt (§ 34 SUG 1935). Diese Rechte sind im wesentlichen bis heute erhalten geblieben und teilweise sogar erweitert worden. Sie befinden sich nicht mehr im SeeUG, sondern im wesentlichen in den über Verweisungsnormen für anwendbar erklärten Vorschriften des VwVfG: § 16 11 SeeUG LV.m. §§ 66, 68 11 und 71 VwVfG (Erörterungspflicht); § 10 SeeUG LV.m. dem VwVfG55. Als dem Untersuchungszweck des Gesetzes besonders abträglich erweisen sich die ständig ausgebauten Aussageverweigerungsrechte von Beteiligten und Zeugen. Zwar gilt gern. § 16 V SeeUG LV.m. § 65 I VwVfG im Interesse einer objektiven Unfallursachenermittlung eine umfassende Aussageverpflichtung von Beteiligten und Zeugen. Dennoch können Beteiligte gern. § 16 V S. 1 2. HS. SeeUG die Aussage über Fragen verweigern, die sie der Gefahr einer Maßnahme nach § 19 I, III oder IV SeeUG aussetzen würde, was die Aussageverpflichtung wiederum relativiert56 . Entsprechendes gilt für Zeu-

54 Vgl. die amtliche Begriindung zum SUG 1935, Deutscher Reichsanzeiger 1935 Nr. 244 (S. 1). 55 Die Verweisung war deshalb erforderlich, weil das SeeunfaUuntersuchungsverfahren nur dann eine Außenwirkung im Sinne von § 9 VwVfG hat, wenn am Ende des Verwaltungsverfahrens ein Verwaltungsakt erlassen wird, d.h. die Entziehung einer Berechtigung erfolgt. Für alle anderen Fälle (also die Untersuchung der UnfaUursachen einschließlich der FeststeUung fehlerhaften Verhaltens, da es diesbezüglich zwar wohl nicht an einer faktischen Außenwirkung, wohl aber am Regelungscharakter im Sinne von § 35 VwVfG fehlt) wäre das VwVfG eigentlich unanwendbar, weil insoweit ein Verwaltungsintemum vorliegt. Es soUte mit der Verweisung also verhindert werden, daß es zu einer Anwendung unterschiedlichen Verfahrens rechts kommt, je nachdem, ob an dem Ende des Verfahrens ein Verwaltungsakt steht oder nicht (amtliche Begriindung, BT-Drs. 10/3312, S. 21; siehe dort auch zu den einzelnen, anwendbaren Vorschriften). 56 überspitzt gesagt, wären die objektiven UnfaUursachen für das Seeamt nicht mehr ennitteIbar, wenn es aUen Beteiligten gegenüber eine Maßnahme nach § 19 SeeUG ins Auge faßte und sämtliche Beteiligten sich sodann auf ihr Aussageverweigerungsrecht beriefen.

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gen5? und Sachverständige, deren Verweigerungsrechte sich aus §§ 16 V S. 2 SeeUG/65 11 VwVfG i.V.m. §§ 383 bis 385 und 408 ZPO ergeben58 . Dies verdeutlicht, daß die primäre Aufgabe der Seeämter, objektiv-gutachtliche Feststellungen über die Ursachen von Seeunfällen zu treffen, mit den sich anschließenden, belastenden Verwaltungsentscheidungen konfligieren, da diese aus rechtsstaatlichen Gründen einen bestimmten Mindestschutz Beteiligter bedingen. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß bei den Aussageverweigerungsrechten eine - wohl unbewußte - Lücke besteht. Es ist nämlich denkbar, daß schon die bloße Feststellung fehlerhaften Verhaltens eines Beteiligten zu negativen Konsequenzen, etwa im Arbeitsverhältnis, führt. Da diese wertungsmäßig der Entziehung einer Berechtigung gern. § 19 SeeUG gleichstehen59 , sollte auch hier eine gesetzliche Aussageverweigerungsmöglichkeit geschaffen werden, um den Beteiligten vor einer Selbstbelastung zu behüten60 . b) Die Gefährdung des Entziehungszweckes Ein Blick auf die veröffentlichte und unveröffentlichte Spruchpraxis läßt erkennen, daß die Feststellung der objektiven Unfallursachen (§§ 3 I und 17 11 1 Nr. 1 SeeUG) angesichts der immer komplizierteren und umfangreicheren Vorermittlungen in aller Regel sehr zeitaufwendig sind. Oft dauert es ein Jahr, bis ein Seeunfall vom Seeamt untersucht wird, bis zur Verhandlung vor dem Bundesoberseeamt geht in der Regel noch ein weiteres Jahr ins Land61 . Das bedeutet, daß das Untersuchungsverfahren bis zur bestandskräftigen Entziehung einer Berechtigung - ohne verwaltungsgerichtliche Überprüfung regelmäßig 2 Jahre oder länger dauert. In Extremfallen kann es sogar weit 57 Auch ein Zeuge ist schnell in den Beteiligtenstand erhoben, wenn sich in der mündlichen Verhandlung herausstellt, daß sein Verhalten Gegenstand der Untersuchung sein kann. Das ist dann der Fall, wenn die Möglichkeit einer Mitverursachung oder einer Feststellung von sachlichen und persönlichen Mängeln gegeben ist (amtliche Begründung zu § 4 SeeUG, BTDrs. 10/3312, S. 19). 58 Zu den Schwierigkeiten mit Haftpflichtversicherem, deren Angestellte sich regelmäßig auf § 383 I Nr. 6 ZPO berufen, siehe Graf, Schriften DVIS Heft 82 (1992), S. 5. 59 Dieser Auffassung ist auch der Gesetzgeber, denn sonst hätte er nicht die Widerspruchsmöglichkeit gegen Entziehung und Feststellung fehlerhaften Verhaltens gleichermaßen eingeräumt (§ 21 I 1 SeeUG).

60 § 384 Nr. 1 ZPO (drohender unmittelbarer Vermögensschaden) hilft in so einer Situation nicht. 61 Das steht im Gegensatz zu den ersten seeamtlichen Untersuchungen nach dem SUG 1877. Diese Untersuchungen waren - einschließlich der oberseeamtlichen Verhandlung - in der Regel 4 Monate nach dem Seeunfall abgeschlossen.

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über 2 Jahre bis zur ersten Seeamtsverhandlung dauem 62 . Bei einer so langen Verfahrensdauer geht die Entziehung einer Berechtigung unter präventiven Gesichtspunkten ins Leere. Denn die Entziehung einer Berechtigung im seeamtlichen Untersuchungsverfahren erfolgt nur aus präventiven Gründen: Es ist Sinn und Zweck von § 19 SeeUG, die Schiffahrt vor ungeeigneten Personen (Kapitänen, Offizieren und Lotsen) zu schützen63 . Da in der weit überwiegenden Zahl der Entziehungen behebbare Eignungsmängel vorliegen64 , die im Laufe der Zeit abnehmen und die während sowie unmittelbar vor bzw. nach dem Seeunfall ihre stärkste Ausprägung erfahren, setzt die mit der Entziehung beabsichtigte Prävention bei einem ein- oder zweijährigen Seeamtsverfahren erst dann ein, wenn der betreffende Beteiligte seinen Eignungsmangel mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder überwunden hat (z.B. nach erfolgreichem Abschluß einer Nachschulung oder einer Alkoholtherapie). Es ist auch den Beteiligten kaum vermittelbar , daß sie ausgerechnet nach einem so langen Seeunfalluntersuchungsverfahren noch eine Gefahr für die Sicherheit des Schiffsverkehrs darstellen. Dies gilt insbesondere für den Regelfall, daß sie in der Zeit bis zum Abschluß des Verfahrens beanstandungsfrei gefahren sind65 . Eine so späte Entziehung einer Berechtigung müssen die Beteiligten zwangsläufig als Strafe empfinden, sie hat jedenfalls mit einer effektiven Gefahrenprävention nichts mehr gemein. 111. Ergebnis

Die historischen Gründe für die Regelung des Berechtigungsentzugs im Kontext des Seeunfalluntersuchungsverfahrens sind angesichts vorhandener spezialgesetzlicher Regelungen weitgehend entfallen. Dennoch rechtfertigt sich die Zuordnung der Entziehungsbefugnis zur seeamtlichen Zuständigkeit auf Grund der Sachnähe beider Funktionen und der dort vorhandenen nautischen und juristischen Sachkunde sowie einer einheitlichen Verwaltungspraxis. Der so erzielte hohe Richtigkeitsgehalt der Entscheidung wird jedoch er62 So erfolgte die mündliche Verhandlung des SeeA Bremerhaven in MS nCassiopeia n = BOSeeAE 1987, S. 213 erst am 7.9. 1987, obwohl der Unfall bereits am 27.5.1985 geschah. Das Seeamt gibt in dem Spruch selbst zu, nach so langer Zeit das Geschehen nicht mehr vollständig aufklären zu können. 63 Siehe unten Teil 2, 2. Kapitel, A.I. und 11. = S. 129ff. 64 Dies folgt schon aus der seeamtlichen Entziehungspraxis , die seit Inkrafttreten des neuen SeeUG in 97% der Fälle Befristungen ausgesprochen hat (siehe unten Teil 2, 2. Kapitel, C.II.2.b) = S. 183. Denn der Ausspruch einer Befristung setzt voraus, daß der Beteiligte nach Ablauf der Dauer der Befristung zur Seefahrt wieder geeignet ist. 65 Die Weiterfahrt ist deshalb möglich, weil überwiegend von Maßnahmen nach § 14 VI SeeUG (vorläufige Entziehung) und § 80 11 Nr. 4 VwGO abgesehen wird. Auch diese Praxis ist unter dem Gesichtspunkt effektiver Gefahrenprävention bedenklich.

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kauft mit einer gegenseitigen Beeinträchtigung der gesetzlichen Untersuchungs- und Präventionszwecke. Ob das mit der Entziehung einer Berechtigung verfolgte Präventionsinteresse zügiger und effektiver zum Tragen käme, wenn eine Entziehung nur auf der Grundlage der § 23 SchOffzAusbV, § 14 SeelotsG sowie § 8 SportbootführerscheinVO möglich wäre, ist allerdings zu bezweifeln. Denn es muß vermutet werden, daß sich die Aufsichtsbehörde mit einer solchen Entscheidung auch erst nach Abschluß der objektiven Seeunfalluntersuchung befassen würde, um hierfür eine unanfechtbare Tatsachengrundlage zu haben. Damit bestünde im Ergebnis kein sachlich gerechtfertigter Vorteil einer Beschränkung der Seeämter auf die gutachtliche Ursachenermittlung: Die Entziehungsentscheidung der Verwaltung würde nicht zügiger getroffen als durch die Seeämter und das Bundesoberseeamt, welche auf Grund der natürlichlogischen Interdependenz von Fehlverhalten und Eigenschaftsmangel über eine Entziehung erst nach vollständiger Aufklärung der Unfallursachen befinden können 66 . Etwas anderes gilt jedoch im Falle einer Alkoholisierung Beteiligter. In solchen Fällen steht der (gem. § 19 I 2 SeeUG vermutete und in der seeamtlichen Praxis seit 1986 überwiegende67 ) Eigenschaftsmangel vor Abschluß der seeamtlichen Ermittlungen fest. Um der in Fachkreisen immer wieder vernommenen Forderung nach der Trennung von gutachtlichen Aufgaben und Entziehungsentscheidungen der Seeämter68 zuvorzukommen, sollte das Seeamt deshalb zumindest in Alkoholfällen regelmäßig eine vorläufige Entziehung nach § 14 VI SeeUG anordnen. Es wäre mit einer solchen zügigen Maßnahme regelmäßig einer effektiven Gefahrenabwehr gedient. Es entfiele dann das Argument, die Aufgabe der seeamtlichen Doppelfunktion rechtfertige sich schon deshalb, um das mit der Entziehung verbundene Präventionsinteresse besser zum Tragen zu bringen. Ein bislang in der rechtspolitischen Diskussion um die Doppelfunktion der Seeämter vernachlässigter Aspekt ist der, ob die bestehende Unverträglichkeit der Doppelfunktion dadurch beseitigt werden könnte, daß zwei getrennte Verfahren (gutachtliche Feststellung der Unfallursachen sowie eines fehlerhaften Verhaltens einerseits, Entscheidung über die Entziehung aufgrund des Eigenschaftsmangels69 andererseits) unter dem einheitlichen Dach der Seeämter und 66 Lampe, Hansa 3/1993, S.9 (11) sieht deshalb eine Stärke des geltenden Verfahrens darin, daß einheitlich zu beurteilende Sachverhalte nicht auseinanderdividiert zu werden bräuchten. Zur Interdependenz von Fehlverhalten und Eigenschaftsmangel siehe unten Teil 2, 2. Kapitel, B.III.2.a)bb) = S. 157. 67 Siehe unten Teil 2, 2. Kapitel, B.III.2.c)

= S.

163.

68 Siehe nur Lampe, Hansa 3/1993, S. 9 (11). 69 Die weitere Voraussetzung der Entziehung, das fehlerhafte Verhalten, wäre aufzugeben, da hierüber in einem getrennten Verfahren befunden würde.

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des Bundesoberseeamtes geschaffen werden. Diese systematisch sich aufdrängende Lösung beseitigte zwar die bereits von Sassen im Jahre 1914 als widersinnig betrachtete enge "prozessuale" Verbindung beider Aufgaben 70 , ohne die übrigen Vorteile zu gefährden, die mit der geltenden Rechtslage verbunden sind. Dennoch würde der Gesetzgeber bei einer solchen Lösung die Verfahrensrechte der Beteiligten im Untersuchungsverfahren aufrechterhalten müssen, da über die Entziehung der gleiche Spruchkörper befände. Im übrigen steht zu vermuten, daß bei dieser Lösung - jedenfalls dann, wenn kein Fall des § 19 I 2 SeeUG vorliegt - vor der Entscheidung über die Entziehung die endgültige Feststellung aller Unfallursachen abgewartet würde. Damit wäre auch hiermit im Ergebnis kein sachlicher Vorteil verbunden.

Im Ergebnis kann deshalb ernsthaft eine von dem geltenden Rechtszustand abweichende Lösung nicht empfohlen werden.

c. Die Funktionen der Seeunfalluntersuchungsinstitutionen im Ausland Es fragt sich, welche ausländischen Kodiftkationen gleichermaßen die Sachkunde der jeweiligen Seeunfalluntersuchungsinstitution für die Entscheidung über die Entziehung einer Berechtigung nutzen. Die meisten Schifffahrtsnationen haben das objektive Untersuchungsverfahren von dem Entziehungsverfahren getrennt und damit eine von der historisch gewachsenen Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland abweichende Lösung bevorzugt. I. Die Verbindung von Ursachenermittlung und Berechtigungsentzug

(Doppelfunktion)

Neben der Bundesrepublik weisen praktisch nur GroBbritannien und Japan als bedeutende Schiffahrtsnationen eine doppelfunktionale Zuständigkeit der Seeunfalluntersuchungsinstitutionen auf. Aber auch Polen71 und Belgien72 sowie die ehemalige DDR kennen bzw. kannten eine solche Lösung. 70 Sassen (S. 361).

71 Hier ist durch das Gesetz über die Seekammer vom 1. Dezember 1961 (Gesetzblatt der Volksrepublik Polen Nr. 58 vom 15. Dezember 1961) die Bildung von den Gerichten angegliederten Seekammem vorgeschrieben. Sie treffen in ihren Urteilssprüchen bindende Feststellungen über die Schuldfrage. Die polnische Seekammer kann in ihrem Urtei\sspruch auch einem Besatzungsmitglied eines polnischen Schiffes oder einem polnischen Lotsen die Berufsausübung ganz oder teilweise untersagen, wenn ein tätigkeitsbezogener Qua1ifikationsmangel festgestellt oder durch offensichtliche Fahrlässigkeit zur Entstehung des Seeunfalls beigetragen wurde, vgl. Elchlepp, Seeverkehr 1969, S. 194 (196); Eine Darstellung der Seeunfalluntersuchung in Polen findet sich auch bei Elchlepp, Havarieverfahren, S. 239ff.

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1. Großbritannien

England ist weltweiter Vorreiter einer umfassenden Regelung der Seeunfalluntersuchung im präventiven Interesse: Bereits der Merchant Shipping Act 1854 enthielt Regelungen über Special Inquiries and Courts73 . Dieses Gesetz wurde später durch den Merchant Shipping Act 1894 abgelöst74 . Eine zweistufige Ausgestaltung der Seeunfalluntersuchung (Voruntersuchung und formelles Verfahren) charakterisiert den englischen Rechtszustand bis heute. In der Voruntersuchung, die erst seit kurzem von einer unabhängigen, nicht in das Transportministerium eingegliederten, Voruntersuchungsinstanz durchgeführt wird75 , kann eine Berechtigung nicht entzogen werden. Die Voruntersuchung ist daher auch frei von irgendwelchen Verfahrensrechten Beteiligter. Eine sich je nach Ergebnis der Voruntersuchung anschließende Formal Investigation findet ihre Rechtsgrundlage in Section 55 und 56 Merchant Shipping Act 197076 sowie den auf Section 58 (1) beruhenden Merchant

72 In Belgien obliegt die Untersuchung von Seeunfällen dem Untersuchungs rat für die Seeschiffahrt (das Dienststrafgericht für Schiffer und Steuerleute). Die Möglichkeit der Entziehung von Befähigungszeugnissen besteht, eine Berufungsmöglichkeit an den Kassationshof ist gegeben (vgl. Schaps/Abraham, 3. Auflage, Vor § 1 SUG Anm. 1). 73 Siehe dazu Sassen (S. 28/29). Seeunfälle wurden allerdings schon vor Inkrafttreten des MSA untersucht, vgl. Murton (S. 12ff.). 74 McMillan (S. 9ff.).

75 Unter der Geltung des Merchant Shipping Act 1970 (E.R. Hardy /vamy, Merchant Shipping Act 1970, annotated, London 1987) wurde noch bis zum 31.3.1989 vom Marine Directorate innerhalb des zuständigen Depanment of Transport eine nicht öffentliche Voruntersuchung durch den Chief Officer of Customs oder einen Marine Surveyor angeordnet, wenn ein Seeunfall vorlag. Die Abhängigkeit der für die Voruntersuchung zuständigen Beamten vom Marine Directorate wurde als unbefriedigend empfunden, vgl. die Anmerkung zum Merchant Shipping Act 1988, in: Current Law Statutes, annotated, London 1989 (Volume Two, Chapter 12, S. 67). So tauchte z.B. in dem Verfahren "HeraId of Free Enterprise" die Frage auf, ob die Ro-Ro-Fähren deshalb unsicher seien, weil sie keine auf der Brücke befindliche Anzeige für den Verschlußzustand der Bugtüren hatten; das Schiff entsprach exakt allen Anforderungen des Depanment of Transport (Anmerkung zum Merchant Shipping Act 1988, in: Current Law Statutes, annotated, a.a.O.). Ein Vorwurf durch die in dieses Ministerium eingebundene Untersuchungsinstanz wäre demnach ein Vorwurf an die eigene Adresse gewesen. In so einem Fall wird das öffentliche Interesse nicht ausreichend verueten. Die seit dem 1.4.1989 existierende Marine Accident Investigation Branch (MAlB) ist unabhängig. Sie untersteht nur einem gern. Section 33 (1) Merchant Shipping Act 1988 (Current Law Statutes, annotated, Volume Two, Chapter 12, S. 65) durch den Minister ernannten Chief Inspector of Marine Accidents.

76 E.R. Hardy Ivamy, Merchant Shipping Act 1970, annotated, London 1987.

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Shipping (Formal Investigations) Rules 1985 77 . Zuständig ist der Wreck Commissioner78, eventuell unterstützt von zwei oder mehreren Sachverständigen. Dieses Verfahren kannte auch schon der Merchant Shipping Act 189479 . Die formelle Untersuchung ist gerichtsähnlich ausgestaltet80 und öffentlich. In Fragen der Entziehung einer Berechtigung ist der Wreck Commissioner von mindestens 2 Assessoren zu unterstützen. Diese sollen über Erfahrungen auf dem zu beurteilenden Fachgebiet verfügen und, wenn über das Verhalten eines Kapitäns oder Decksoffiziers zu befinden ist, beide Kapitän sein; im Fall eines technischen Offiziers soll neben einem Kapitän auch ein Schiffsingenieur teilnehmen; im Falle eines Fischereipatentinhabers sollen ein Kapitän und ein Fischer über die Entziehung mitberaten 81 . Die formelle Untersuchung endet mit einem Bericht an den zuständigen Minister82 und einer Entscheidung, durch die ein Tadel ausgesprochen und Berechtigungen endgültig oder für eine bestimmte Zeit entzogen werden können 83 . Die Entscheidung über die Entziehung ist die einzig verbindliche Regelung des Verfahrens, während der Bericht an den Minister einen internen Charakter hat, aber auch die Gründe enthalten soll, die die Entziehung tragen 84 . Der Betroffene kann später einen Antrag auf Wiedererteilung der entzogenen Berechtigung stellen 85 . Der ausstellenden Behörde ist insoweit Ermessen eingeräumt. Sie kann auch eine Berechtigung niedrigeren Grades erteilen. 2. Japan

Japan betreibt die Seeunfalluntersuchung aufgrund eines Gesetzes von 194786 , einer Kabinettsverordnung aus dem Jahre 1948 87 sowie drei Verord77 Vom 1.7.1985 (Statutory Instruments 1985/1001). 78 Section 55 (1) ü) Merchant Shipping Act 1970 i.V.m. Section 4 (1) Merchant Shipping (Formal Investigations) Rules. Der Wreck Commissioner wird vom Lord Chancellor ernannt (Section 82 (1) Merchant Shipping Act 1970). 79 Section 466 (3). Damals bestanden allerdings noch zwei weitere Alternativen: Das Verfahren vor 2 Richtern oder einem Magistrat. vgl. Sassen (S. 36).

80 Section 56 (2) verweist auf den Magistrates Court Act 1980 (Section 97). 81 Section 4 (3) und (4) Merchant Shipping (Formal Investigations) Rules 1985. 82 Section 13 Merchant Shipping (Formal Investigations) Rules 1985. 83 Section 56 (4) Merchant Shipping Act 1970 sowie Seetions 12 und 13 Merchant Shipping (Formal Investigations) Rules 1985. 84 Section 12 Merchant Shipping (Formal Investigations) Rules 1985. 85 Section 60 Merchant Shipping Act 1970. 86 Seeunfalluntersuchungsgesetz (Marine Accidents Inquiry Law - MAlL - No. 135 of 1947 as amended by Law No. 1300f 1971).

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nungen des Ministers für Transportwesen 88 . Die Seeunfalluntersuchung verfolgt gern. Art. 1 MAlL einen präventiven Zweck. Die aus zwei Untersuchungsinstanzen 89 bestehende Behörde (Marine Accidents Inquiry Agency) ist organisatorisch in den Geschäftsbereich des Transportministers eingegliedert (Art. 8 MAlL), sie entscheidet durch ein Urteil (Art. 4 MAlL)90. Nach Art. 3 MAlL soll in der Untersuchung festgestellt werden, ob der Unfall auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beteiligter Personen zurückzuführen ist. Wenn nach der Überzeugung der Untersuchungsbehörde dieser Fall gegeben ist, soll sie in ihrem Urteil eine Disziplinarstrafe aussprechen. Sie kann allerdings von einem disziplinarischen Eingriff absehen, wenn dieser nach dem Hergang bzw. den Bedingungen des Unfalls nicht angezeigt ist, oder der bisherige berufliche Werdegang bzw. andere persönliche Umstände des Lizenzinhabers eine solche Maßnahme nicht rechtfertigen (Art. 6 MAlL). Die Disziplinarstrafen sind nach der Schwere des Vorwurfs differenziert zu verhängen und unterteilen sich gern. Art. 5 MAlL in Aufhebung bzw. Widerruf der Lizenz91 , einstweilige Aufhebung 92 und Verweis. Von dem Widerruf oder der Aufhebung der Lizenz können nur Techniker und Schiffsführer (auch Lotsen) betroffen sein (Art. 4.2. MAlL)93. Die einstweilige Aufhebung der Lizenz soll einen Monat nicht unter- und drei Jahre nicht überschreiten.

87 Durchführungsverordnung zum Seeunfalluntersuchungsgesetz (Cabinet Order for Enforcement of Marine Accidents Inquiry Law No. 54 of 1948 as amended by Cabinet Order No. 317 of 1985). 88 Regulations for Enforcement of Marine Accidents Inquiry Law Ministry of Transport Ordinance No. 8 of April 1948 as amended by Ordinance No. 11 of March 1989; Service Regulations of Marine Accidents Inquiry Ordinance No. 9 of 1948 as amended by Ordinance No. 33 of 1972; Regulations for Organization of Marine Accidents Inquiry Agency Ordinance No. 75 of 1952 as amended by Ordinance No. 33 of 1972. 89 Die Local sowie die in Tokio ansässige High Marine Accidents Inquiry Agency (Chapter V. und VI. MAlL). 90 Dies ergibt sich zumindest aus der englischen übersetzung des Originalgesetzestextes. Nicht ausgeschlossen werden kann, daß mit dem terminus "judgement" auch ein das Untersuchungsverfahren abschließender Spruch gemeint sein kann. Dies ist jedoch angesichts der gerichtsähnlichen Ausgestaltung des gesamten Untersuchungsverfahrens nicht wahrscheinlich. 91 In diesem Fall nimmt der Commissioner dem Berechtigten das Zertifikat ab und übersendet es der zuständigen Behörde (Art. 59 MAlL). 92 Hier dagegen behält der Commissioner das Zertifikat, um es nach Zeitablauf dem Berechtigten wieder auszuhändigen (Art. 60 MAlL). 93 An andere Personen, die zum Unfall beigetragen haben, ist nur eine bloße Empfehlung möglich, welche über den Commissioner weitergeleitet wird (Art. 4.3.162 MAlL) und veröffentlicht werden kann (Art. 75 der Regulations for Enforcement of Marine Accidents Inquiry Law, Ordinance No. 8 of April 1948). 4 Henriksen

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3. Ehemalige Deutsche Demokratische Republik Auf dem Gebiet der am 3. Oktober 1990 zur Bundesrepublik beigetretenen Länder galt zunächst noch das SUG von 1935. Es wurde abgelöst durch die Verfahrensordnung für die Untersuchung von Havarien (HVO) und 1980 durch eine völlig neue Seeunfalluntersuchungsordnung (SeeUO) ersetzt94 . Sämtliche Kodiftkationen der ehemaligen DDR wiesen eine auffällige Parallele zum bundesdeutschen Seeunfalluntersuchungsrecht auf. So übernahm die HVO 1960 in § 1 ausdrücklich die - politisch-ideologisch modifizierte95 verfahrensrechtliche Verbindung der Doppelfunktion: Das Havarieverfahren soll zur Erhöhung der Sicherheit in der Seeschiffahrt dadurch beitragen, daß a) die Ursachen, Umstände und Folgen von Havarien allseitig aufgeklärt werden, b) durch die Feststellung der Verantwortlichkeit für Havarien, durch Erziehungsmaßnahmen und Auswertung der Ergebnisse des Havarieverfahrens das sozialistische Bewußtsein der Werktätigen in der Seeschiffahrt entwickelt und gefestigt wird. Die vor der beim Seefahrtsamt der DDR96 gebildeten Seekammer (§ 4 HVO) bzw. großen Seekammer (als Beschwerdeinstanz, § 26 HVO) durchgeführten Havarieverfahren konnten folgende Erziehungsmaßnahmen feststellen (§ 23 III HVO): a) Verwarnung, b) Verweis, c) strenger Verweis, d) Entzug des Befähigungszeugnisses bzw. Berechtigungsscheines . Die Entziehung des Befähigungszeugnisses oder einer anderen Berechtigung war auch auf Bewährung möglich (§ 24 11 HVO). Sie war wie im SeeUG an das Fehlen einer für die Ausübung der Funktion erforderlichen Eigenschaft geknüpft (§ 24 I HVO). Die bis zur Vollziehung der Einigung Deutschlands geltende SeeU097 ließ die Doppelfunktion unberührt und siedelte das Verfahren weiterhin beim See94

Zur Seeunfalluntersuchung in der DDR siehe die gebündelte Darstellung von Hansa 1993, S.34f.;

ElchleppIKretl.3chmar, Hansa 1992, S. 1174ff., S. 1258ff. sowie Elchlepp, Havarieverfahren; ElchlepplWeihs und SchillinglStreusloff. 95 So ausdrücklich ElchlepplKretzschmar, E/chlepp, Havarieverfahren.

Hansa 1992, S. 1174; interessant insoweit auch

96 Das Seefahrtsamt in Rostock wurde errichtet mit der Anordnung über das Statut des Seefahrtsamtes der Deutschen Demokratischen Republik vom 28. April 1960 (GB!. I S. 355). Es war staatliches Organ und juristische Person zugleich (§ 1 der Anordnung). 97 Siehe hierzu Edelstein/Koch.

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fahrtsamt an. Gemäß § 24 SeeUO bestand bei einer Pflichtverletzung die Möglichkeit, je nach Grad des Verschuldens und der Persönlichkeitsentwicklung folgende Erziehungsmaßnahmen zu verhängen 98 : 1. Vorwurf,

2. Entzug eines vom Seefahrtsamt ausgestellten Berechtigungsnachweises auf Bewährung, 3. zeitlich begrenzter oder dauernder Entzug eines vom Seefahrtsamt ausgestellten Berechtigungsnachweises mit oder ohne Einschluß nachgeordneter oder selbständiger Berechtigungen.

Der Eigenschaftsmangel, welcher nach der HVO noch für die Verhängung von Erziehungsmaßnahmen erforderlich war, war nicht mehr entscheidend. Vom Ausspruch einer Erziehungsmaßnahme konnte abgesehen werden, wenn der erzieherische Zweck bereits durch die Verhandlung erreicht wurde. Lag der Seeunfall länger als 5 Jahre zurück, so mußte hiervon abgesehen werden (§ 24 V SeeUO). Die Bewährung hatte sich in einem Zeitrahmen von 6 Monaten bis zu 2 Jahren zu bewegen und durfte eine Entzugszeit von 2 Jahren nicht überschreiten (§ 24 IV SeeUO). Durch Art. 8 Einigungsvertrag99 wurde das SeeUG als Bundesrecht per 3.10.1990 auf das Gebiet der ehemaligen DDR übergeleitet lOO • 11. Die Trennung von Ursachenermittlung und Berechtigungsentzug

1. USA

In den Vereinigten Staaten sind die Ursachenermittlung und die Entscheidung über die Entziehung einer Lizenz verfahrensrechtlich getrennt. Beide Verfahren haben einen präventiven Charakter. Die primäre Zuständigkeit für die Untersuchung von Seeunfällen in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt bei der US Coast Guard, wenn nicht

98 Siehe auch Elchlepp/Kretvchmar, Hansa 1992, S. 1174. 99 BGB!. 1990 II S. 885 mit den in Anlage I, Kapitel XI, Sachgebiet D, Abschnitt III Nr. 2 enthaltenen Maßgaben (vg!. auch S. 1038/1039 des Bulletins Nr. 104 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 6. September 1990). 100 Zu völkerrechtlichen Fragen der deutschen Einheit, insbesondere zum Schicksal der seerechtlichen Verträge siehe Ißgoni, Schriften DVIS Heft 76 (1990) und Seerechtliche Gespräche

(S. 8-11).

4"

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eine Unterlassung oder Fehlhandlung der Regierung vorliegt 101 . Gern. § 6301 United States Code 102 soll herausgefunden werden: (1) the cause of the casualty, inc1uding the cause of any death;

(2) whether an act of misconduct, incompetence, negligence, unskillfulness, or willful violation of law committed by any individuallicensed, certificated, or documented ... has contributed to the cause of the casualty or to a death involved in the casualty, so that appropriate remedial action under chapter 77 of this tide may be taken; (3) whether an act of misconduct ... committed by any person inc1uding an officer, employee or member of the Coast Guard contributed to the cause of the casualty, or to a death involved in the casualty; (4) ...

(5) whether there is evidence that a criminal act under the laws of the United States has been committed, 50 that the matter may be referred to appropriate authorities for prosecution; (6) whether there is a need for new laws or regulations, or amendment or repeal of existing laws or regulations, to prevent the recurrence of the casualty.

Eine Seeunfalluntersuchung hat daher u.a. dann stattzufinden, wenn die Ursache ermittelt werden soll (1) bzw. eine Entziehung von Berechtigungen (2) zu prüfen ist. Rechtsgrundlage sind die umfassenden Marine Investigation Regulations 103 . Neben der Zuständigkeit der Coast Guard ist in den Vereinigten Staaten die Zuständigkeit des National Transportation Safety Board (NTSB) für die Seeunfalluntersuchung begründet. Diese, dem Department of Transportation angegliederte Behörde wurde 1966 als eine unabhängige Bundesbehörde installiert, welche über die Sicherheit des gesamten Verkehrswesens der USA wacht 104 . Die Voruntersuchung der Seeunfallursachen ist - unabhängig davon, ob sie durch das NTSB oder die Coast Guard erfolgte - Voraussetzung für die Durchführung eines formellen Verfahrens zur Entziehung von Befähigungszeugnissen der Offiziere und Mannschaftsdienstgrade. Dieses Verfahren, für welches die Mitwirkung eines Richters vorgeschrieben ist, eröffnet die Mög101 § 4.40-25 Marine Investigation Regulations in: Code of Federal Regulations, Tide 46 (Shipping), Parts 4 and 5. 102 In: United States Code Annotated, 1985, Tide 46 (Shipping). 103 Code of Federal Regulations, Tide 46, Part 4. 104 Der Zuständigkeitsbereich des NTSB umfaßt die Schiffahrt, den Eisenbahnverkehr, den Straßenverkehr, den Transport von Flüssigkeiten und Gasen mittels Pipelines und die Zivilluftfahrt (Schriftlicher Bericht des 1. Untersuchungsausschusses des 6. deutschen Bundestages über die Ursachen und Umstände des Flugunfalls vom 6. September 1971 nördlich des Flughafens Hamburg = NJW 1982, S. 710) sowie der Gefährdung der Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes (BVerwGE 83, S. 208). Anders jedoch bei der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, welche trotz starker Prognoseelemente voll überprüfbar ist (Sieg/Leijermann/ Tettinger, § 35 Rdnr. 11). 390 Ähnlich Bryde, DOV 1981, S. 193 (198ff.). 391 BVerwGE 59, S. 213 (215); 51, S. 104 (110); 5, S. 153 (1 62f.); Eyermann/Fröhler, § 114 Rdnr. 9a, Kopp, VwGO, § 114 Rdnr. 24. 392 Siehe auch Erichsen in: ErichseniMartens § 10 Rdnrn. 11 und 12 (S. 185). 393 Siehe oben 2.b) = S. 161ff. 394 BGH JZ 1972, S. 204 (206) stützt sich bei der Annahme einer Beurteilungserrnächtigung im GjS deshalb auch auf den vorausschauenden und richtungsweisenden Charakter der Entscheidung über die Indizierung. 395 So will es Ossenbühl, DVBI. 1974, S. 309 (313). 396 Tettinger, DVBI. 1982, S. 421ff. (insbesondere S. 425) mit eingehender Analyse der Rechtsprechung und Literatur. 397 Tettinger, DVBI. 1982, S. 421 (425).

398 So Ramsauer (S. 348) gegen Ossenbühl, FS Menger 1985 (S. 731). 399 Tettinger, DVBI. 1982, S. 421 (427).

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

Zuverlässige Rückschlüsse läßt nicht nur der Wortlaut einer Norm zu 4OO , Indizien für eine Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung können sich auch aus einer besonderen Organisation und QualifIkation des Verwaltungsträgers oder einem besonderen Verwaltungsverfahren ergeben 401 . ce) Wortlaut der Norm

Bereits aus dem Wortlaut von § 19 SeeUG ergeben sich erhebliche Sachunterschiede zum Straßenverkehrs- und Gewerberecht. Sieht man einmal von § 19 III SeeUG ab, so ist erkennbar, daß § 4 StVG auf die schlichte Ungeeignetheit abstellt, während § 19 I SeeUG über das Fehlen einer Eigenschaft hinaus noch weitere Voraussetzungen aufstellt. Insoweit liegt eine auf den ersten Blick gegebene tatbestandliehe Vergleichbarkeit bei näherer Betrachtung nicht vor. Die erste Abweichung gegenüber § 4 StVG ergibt sich daraus, daß § 19 I SeeUG tatbestandlieh das Fehlen einer für die Berufsausübung erforderlichen Eigenschaft fordert. Diesen, durch die Berufserfordernisse konkretisierten Eignungsmangel können die Seeämter und das Bundesoberseeamt aufgrund ihrer sachverständigen Besetzung in besonders qualifizierter Weise feststellen 402 . Darüberhinaus erfordert § 19 I und III SeeUG die Überzeugung des Seeamtes von dem Fehlen der berufserforderlichen Eigenschaft. Zwar findet sich in der amtlichen Begründung kein Hinweis auf den sachlichen Hintergrund der Abweichung gegenüber § 26 I SUG 1935, der dieses Erfordernis seeamtlicher Überzeugung noch nicht kannte. Aus der Wortwahl in § 19 I SeeUG läßt sich aber insoweit der eindeutige gesetzgeberische Wille ableiten, daß es die Überzeugung des Seeamtes - und gerade nicht des Gerichts - sein soll, auf welche es allein entscheidend bei der Beurteilung des Eigenschaftsmangels ankommt403 . Dabei ist mitentscheidend, daß durch die Wahl des Wortes Überzeugung deutlich gemacht wird, daß es nicht auf den Beweis eines Eigenschaftsmangels bzw. der Ungeeignetheit ankommt, sondern auf eine Ge400 OVG Münster, DVBl. 1979, S. 411; Kopp, VwGO, § 144 Rdnr. 24.

401 Erichsen, DVBl. 1985, S. 22 (26) und in: ErichseniMartens, § 10 Rdnr. 11 (S. 185) m.w.N.; Kopp, VwGO, § 114 Rdnr. 24 m.w.N. 402 Zur Besetzung siehe unten ee) = S. 176. 403 Vergleichbar ist dieser Fall der Versetzungsentscheidung der Schulleitung im Schulrecht. Auch hier wird der Schulleitung eine Letztentscheidungskompetenz zugebilligt, wenn die Vorschrift heißt: "In die nächsthöhere Klasse darf aufrücken, wer nach Auffassung der Schulleitung im vergangenen Schuljahr ausreichende Leistungen erzielt hat" (vgl. EyermannlFröhler, § 144 Rdnr. 9b). Aber selbst ohne diesen ausdrücklichen Zusatz ergibt sich die Letztentscheidungbefugnis der Schulleitung im Wege der Auslegung (OVG Hamburg, DVBI. 1968, S. 262).

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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samtbewertung durch den Spruchkörper , welche aufgrund der Kollegialität der Meinungsbildung als im Kern unvertretbar angesehen werden muß404. Für einen beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum spricht zudem, daß sich die Überzeugung des Seeamtes aufgrund der Verhandlung zu bilden hat. Eine vergleichbare Aussage treffen auch §§ 17 11 Nr. 2 und 18 SeeUG ftir die nach der zutreffenden Rechtsprechung des BVerwG eine Beurteilungsermächtigung eröffnende Feststellung fehlerhaften Verhaltens ("sofern die Verhandlung dies ergeben hat")405. Da mit dem Begriff der "Verhandlung" die mündliche Seeamtsverhandlung gemeint ist406 , hat der Gesetzgeber hiermit alleine den sich aus der mündlichen Seeamtsverhandlung ergebenden Tatsachen stoff zur Grundlage der Entziehungsentscheidung gemacht. Zwar muß der Adressat der Entziehung nicht persönlich in der Seeamtsverhandlung anwesend sein (§ 17 III SeeUG), denn eine Überzeugungsbildung in der mündlichen Seeamtsverhandlung kann auch auf mittelbaren Eindrücken (Akteninhalt, Aussage von Zeugen, Verwertung der in § 14 GOSeeÄ genannten Unterlagen) beruhen. Dennoch wird hiermit der Unvertretbarkeit der Meinungsbildung im seeamtlichen Spruchkörper Ausdruck verliehen. Das Gericht ist deshalb schon nach dem Wortlaut von § 19 SeeUG nur darauf verwiesen, zu überprüfen, ob das Seeamt sich diese Überzeugung in der Verhandlung in rechtsfehlerfreier Weise gebildet hat.

dd) Unabhiingige Stellung der Seelimter und des Bundesoberseeamtes im staatlichen Verwaltungsgefüge Ein weiteres Argument für eine abschließende Letztentscheidungskompetenz der Seeämter und des Bundesoberseeamtes ergibt sich aus der Einschränkung der Dienst- und Fachaufsicht der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen (§ 1 I GOSeeÄ) bzw. des Bundesverkehrsministeriums (§ 18 III GOSeeÄ) durch § 6 11 2 SeeUG. Hiernach sind Weisungen für die Entscheidung im Einzelfall unzulässig 407 . Die Schaffung eines solchen ministerialfreien Raumes408 sichert die quasi-richterliche Unabhängigkeit der Seeämter und des Bundesoberseeamtes409 . Ihre Unabhängigkeit rechtfertigt sich deshalb, weil die Tätigkeit der Seeämter auch zugleich eine Kontrolle staatlicher Tätigkeit 404 Zur kollegialen Besetzung siehe unten ee) = S. 176. 405 Siehe hierzu oben II.2.a) = S. 148ff. 406 Siehe bereits oben II.2.a)bb) = S. 15Of. 407 Auch die anerkanntennaßen in ihren Entscheidungen nur beschränkt überprüfbare Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ist weisungsfrei (§ 10 GjS). 408 Vgl. BVerfGE 9, S. 268 (28lf.) = NJW 1959, S. 1171. 409 Amtliche Begründung zum SeeUG, BT-Drs 10/3312 (S. 20).

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

bedeutet, wie unschwer aus § 3 I Nr. 2 SeeUG zu erkennen ist. Es wäre der Zwecksetzung des Gesetzes nicht dienlich, den sich aus der Natur der Sache ergebenden Erkenntnisvorsprung der Seeämter und des Bundesoberseeamtes bei der Untersuchung staatlicher Tätigkeit einzuschränken. ee) Fachkollegialittit der Spruchkörper

Ein sachstruktureller Anhaltspunkt für eine Beurteilungsermächtigung ist neben der Unabhängigkeit der wertende, fachkollegiale Charakter einer Verwaltungsentscheidung 410 . Deshalb hat das BVerwG den Entscheidungen der nur mit Fachleuten besetzten Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (§ 9 GjS) als nur auf Verfahrensmängel überprütbar angesehen 411 . Wegen der in ihnen konzentrierten Fach- und Rechtskunde kommt auch den Sortenausschüssen des Bundessortenamtes bei ihren Entscheidungen eine Beurteilungsermächtigung zu 412 . Dies gilt auch für die Entscheidung nach § 19 I und III SeeUG. Denn die Seeämter und das Bundesoberseeamt sind fachkundig besetzt. Der ständige Beisitzer des Seeamtes und des Bundesoberseeamtes hat die Befahigung zum Kapitän auf Großer Fahrt und verfügt über Erfahrungen im Umgang mit einem Seeschiff (§ 7 S. 2 SeeUG). Die ehrenamtlichen Beisitzer werden nach den Erfordernissen des jeweils zu untersuchenden Seeunfalls vom Vorsitzenden bestellt413 . Hierfür sind gern. § 9 S. 2 SeeUG folgende Kriterien maßgebend: Sachkunde und Unabhängigkeit der Beisitzer, Ort und Art des Seeunfalls, Art und Größe der beteiligten Schiffe und Kreis der Beteiligten. Im Interesse einer unabhängigen Besetzung dürfen die ehrenamtlichen Beisitzer nicht aus dem Rechtskreis Beteiligter stammen (§ 4 I GOSeeÄ). Damit stehen rechtssatzförmig festgelegte Verfahrensvorschriften für die Zusammensetzung der konkreten Spruchkörper bereit414 .

410 Tettinger, DVBI. 1982, S. 421 (427).

411 BVerwGE 19, S. 269 und 28, S. 63. BVerfG NJW 1991, S. 1471 (1471) hat dies jedoch offengelassen . 412 BVerwGE 62, S. 330 (339). 413 Der Tatbestand, daß sich unter den Beisitzern auch "Private" befinden (§ 5 DVSeeUG läßt auch Kapitäne, Schiffsoffiziere, Wassersportier, Reeder, Schiffsmakler, Inhaber und Mitarbeiter von Werft- und Hafenbetrieben zu), verstößt nicht gegen Art. 33 IV GG. Denn es fehlt am Merkmal der ständigen Aufgabe, vgI. BVerfG NJW 1991, S. 1471 (1474) für die Besetzung der Bundespriifstelle für jugendgefährdende Schriften. 414 Anders im Geltungsbereich des GjS: Dort hat das BVerfG eine Indizierungsentscheidung

(§ 6 Nr. 3 GjS) deshalb aufgehoben, weil der Gesetzgeber wesentliche Aussagen zur Zusam-

mensetzung der Bundesprüfstelle nicht selbst regelte, BVerfG NJW 1991, S. 1471 (1475).

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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Die fachkundige Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht auf Grund eigener Sachkunde nicht entkräftet werden. Dabei können die Verwaltungsgerichte zwar ohne weiteres feststellen, ob dem Beteiligten eine Eigenschaft fehlt. Schwieriger gestaltet sich jedoch bereits die Überprüfung der Berufserforderlichkeit der fehlenden Eigenschaft. Die Erforderlichkeit einer Eigenschaft in der Seeschiffahrt können dagegen die Seeämter und das Bundesoberseeamt aufgrund der bei ihnen konzentrierten Sachkunde in hervorragender Weise feststellen. Insbesondere der ständige und die ehrenamtlichen Beisitzer sind wegen ihrer aktuellen Verbindung zur Seeschiffahrt dazu in der Lage, die sich durch die technischen Neuerungen ergebenden und daher ständig wechselnden Anforderungsprofile der Berufskreise zu beurteilen. Zu einer solchen Feststellung ist das Verwaltungsgericht zumindest nicht aufgrund eigener Erkenntnis in der Lage. Es ist den seeamtlichen Spruchkörpern in der tatsächlichen Aufbereitung des meist facettenreichen und nautisch-technisch oft komplizierten Seeunfalls weit unterlegen und kann sich nur unter sehr schwierigen Bedingungen ein Bild über das Geschehen machen, aus dem letztlich zumindest indiziell der Eignungsmangel maßgeblich abgeleitet wird. Das Verwaltungsgericht stellt sich also in der Besetzung des Spruchkörpers bei einem nautisch-technischen Sachkundevergleich als unterlegen dar. Dennoch darf hieraus nicht vorschnell und "blauäugig" auf eine Beurteilungsermächtigung geschlossen werden 415 . Denn das Verwaltungsgericht kann sich der Mitwirkung von Sachverständigen bedienen und damit sein nautisch-technisches Defizit ausgleichen. Wenn aber das Verwaltungsgericht möglicherweise unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen zu einem anderen Ergebnis käme als die Seeämter und das Bundesoberseeamt, so bestünde die Gefahr, daß letztlich nur eine fachkundige Person das Urteil von mindestens vier Fachleuten (§ 6 I SeeUG LV.m. §§ 2, 4 und 5 GOSeeÄ) entkräftet416 . Damit wäre die gesetzliche Konzeption der Einsetzung von vier fachkundigen Beisitzern faktisch überflüssig und ad absurdum gefübrt417 . Soll die gesetzliche Konzeption auch in der Rechtswirklichkeit einen Sinn behalten, so muß dies zwangsweise zur Be415 Zu Recht Tettinger, DVBI. 1982, S. 421 (424). 416 Diese Gefahr ist durchaus realistisch. Denn das VG Hamburg neigt dazu, im gerichtlichen Verfahren eine eigene (unzulässige) Beweisaufnahme durchzuführen und in diesem Rahmen auch Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, siehe nur VG Hamburg MS "Chubut"IMS "Adabelle Lykes" = BOSeeAE 1992, S. 354 (359). 417 Bachof, JZ 1972, S. 208 (209) in seiner Anmerkung zu BGH JZ 1972, S. 204 weist für den Geltungsbereich des GjS darauf hin, daß es eine schwer erträgliche Verkennung des Gesetzeswillens bedeute, wenn ein Gericht meint, Wertungen fachverständiger Kollegialgremien ggf. auf der Basis des Gutachtens eines (!) Gutachters, der mit der Praxis des zu überprüfenden Kollegialorgans nicht oder nur von außen vertraut sei, ersetzen zu können. Diese Wertung liegt auch der BGH-Entscheidung zu Grunde (S. 206). 12 Henriksen

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

schneidung verwaltungsgerichtlicher Kontrollbefugnisse führen. Es kann nicht Sinn und Zweck der Rechtsweggarantie (Art. 19 IV GG) sein, ein im seeamtlichen (und justizförmig ausgestalteten) Untersuchungsverfahren gewonnenes Ergebnis einfach durch das Urteil eines einzigen Sachverständigen zu übergehen. Das würde die auf der Grundlage einer unvertretbaren und kollegialen Meinungsbildung im seeamtlichen Spruchkörper gewonnene und mit einem hohen Richtigkeitsgehalt ausgestattete Entscheidung nicht sachgerecht bewerten. Denn die der Entziehungsentscheidung vorangehende Diskussions- und Beratungssituation im seeamtlichen Spruchkörper ist unwiederholbar. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu den gerichtlich voll nachprüfbaren §§ 35 I und 36 I GewO sowie § 4 StVG, welche von "einfachen", nicht kollegialen Fachbehörden angewandt werden. ff) Ergebnis

Die Annahme einer Beurteilungsermächtigung ist deshalb nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern wegen den Besonderheiten des SeeUG auch zwingend notwendig. Denn nur die Überantwortung der Eignungsgbeurteilung in die Kompetenz der Seeämter und des Bundesoberseeamtes stellt eine sich aus dem Normzweck ergebende und amtsindividuelle Bewertung der Entscheidung nach § 19 I SeeUG dar. Auch bei der Bewertung eines Eigenschaftsmangels muß also gelten, daß die Verwaltungsgerichte nicht dazu in der Lage sind, den angegriffenen Seeamtsspruch wie den Akt einer Fachbehörde und damit auf Grund einer eigenen umfassenden Beweisaufnahme auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Die lustitiabilität ist somit beschränkt auf Verfahrensfehler, auf die Verkennung des anzuwendenden Rechts 418 bzw. des richtigen Lebenssachverhalts, auf die Verletzung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe sowie auf sachfremde Erwägungen. Dies unterliegt auch im Hinblick auf Art. 12 I GG keinen erheblichen Bedenken. Zwar müssen die für eine Beurteilungsermächtigung sprechenden Gründe umso gewichtiger sein, je mehr in Grundrechte eingegriffen wird. Es ist aber gerade der mit Vertretern der Berufsschiffahrt besetzte Spruchkörper , der eine besondere Verläßlichkeit und Richtigkeit dieser Entscheidung gewährleistet. Er wird nicht zuletzt von einem Vorsitzenden geleitet, welcher die Befähigung zum Richteramt hat (§ 7 I SeeUG). Hierdurch fließt ein öffentlich-rechtlicher Sachverstand in die Entziehungsentscheidung ein, was die zwingende Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Aspekte wahrt. Die in der Eigenart der Materie liegenden Gründe sind also gewichtig genug, der Verwaltung einen nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein418 Hier hat insbesondere die Nichtberücksichtigung aufsichtsbehördlicher Weisungen nach § 1 I und § 18 III See U G Bedeutung.

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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zuräumen. Und hierin liegt der entscheidende Unterschied z.B. zu § 23 SchOffzAusbV. b) Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage Fraglich ist, welchen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage das Verwaltungsgericht seiner eingeschränkten Kontrolle zugrunde legen muß. Bei der Ermittlung des für die Sach- und Rechtslage im gerichtlichen Verfahren maßgeblichen Zeitpunktes werden nach der Rechtsprechung Verwaltungsakte mit Dauerwirkung von rechtsgestaltenden Verwaltungsakten unterschieden. Während bei den eine Rechtsposition entziehenden Verwaltungsakten, da sie sich selbst vollziehen, die Sach- und Rechtslage der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich sein so1l419, wird bei den Verwaltungsakten mit Dauerwirkung 420 , da sie sich während der Wirksamkeit gegenüber dem Betroffenen ständig neu aktualisieren, nicht nur geprüft, ob sie rechtmäßig erlassen wurden, sondern auch, ob sie aufrechterhalten werden dürfen 421 . Die Kasuistik und Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen ist jedoch nur schwer übersehbar422 und läßt vor allem eine generalisierbare rechtlich tragfähige Begründung nicht erkennen 423 . Da die Entziehung einer Berechtigung ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt ist, folgt hieraus also grundsätzlich, daß es bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts prinzipiell auf den Erlaßzeitpunkt und damit auf die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen zur Zeit des Widerspruchsbescheides ankommt (§§ 73, 79, 113 I VwGO). Daß der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, folgt aber nicht nur aus dem rechtsgestaltenden Charakter der Entscheidung nach § 19 I SeeUG, sondern auch daraus, daß § 19 I 1 SeeUG mit dem Merkmal der "Eigenschaft, welche für die Berufsausübung erforderlich ist", einen Be-

419 Z.B. bei der Rücknahme oder dem Widerruf einer Gaststättenerlaubnis nach § 15 GaststG, BVerwGE 56, S. 205 (208); BVerwG GewArch 1988, S. 233; 1977, S. 22 (24); 1973, S. 164 (165); vgl. im übrigen die umfangreichen Nachweise bei Kopp, VwGO § 113 Rdnr. 23 und bei Aßfalg, GewArch 1988, S. 292. 420 Dies sind hauptsächlich gewerberechtliche U ntersagungen nach § Aßfalg, GewArch 1988, S. 292) sowie Bauverbote. 421 BVerwGE

(165).

35 GewO (vgl.

22, S. 16 (19ff.); 28, S.202 (205ff.); BVerwG GewArch 1973, S. 164

422 Kopp, VwGO, Vorb. §

40 Rdnr. 43.

423 Diese Differenzierung in Anfechtungs- und übrige Anträge führt z.B. im Gewerberecht zu der sonderbaren Konsequenz der Ungleichbehandlung von § 35 I und 15 II GewO, vgl. dazu mit eingehender Kritik Klein, NVwZ 1990, S. 633 (634ff. m.w.N.). 12'

180

Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

urteilungsspielraum für die Seeämter und das Bundesoberseeamt eröffnet424 . Es bleibt den Verwaltungsgerichten demzufolge keine andere Möglichkeit, als eine (rechtsfehlerfreie) Beurteilung des Eigenschaftsmangels aus der damaligen Perspektive der Seeämter und des Bundesoberseeamtes anzuerkennen. Denn die Beurteilungsermächtigung ist parallel der Ermessensentscheidung zu werten, und hier ist anerkannt, daß es auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt425 .

c. Rechtsfolgen Nach § 19 I bzw. III SeeUG ist die Rechtsfolge der Entziehung dann zwingend, wenn ein Fehlverhalten festgestellt wurde und das Seeamt aufgrund der Verhandlung zu der Überzeugung gekommen ist, daß dem Inhaber eine berufserforderliche Eigenschaft fehlt bzw. zur Führung eines Sportbootes ungeeignet ist. Wenn dazu noch eine negative Prognose hinsichtlich des Eigenschaftsamngels angenommen wird, besteht kein Entscheidungsermessen ("ob" das erteilte Befähigungszeugnis entzogen wird) und nur ein beschränktes Auswahlermessen ("wie" der Eingriff aussieht). Das Seeamt kann lediglich zwischen der Entziehung auf Dauer (§ 19 I und III SeeUG) und der Befristung wählen (§ 19 VI SeeUG). Andere Rechtsfolgen unterhalb der Entziehung (z.B. reine Auflagen) sind nicht ausdrücklich normiert, obwohl dies rechtspolitisch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (geringere Eingriffsintensität im Hinblick auf Art. 12 I GG) wünschenswert wäre. I. Kein Entscheidungsermessen

Nach der alten Rechtslage (§ 26 I SUG 1877/1935) war die Entziehungsentscheidung eine Ermessensfrage. Unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr war dies jedoch wenig konsequent. Denn wenn das Fehlen einer für die Berufsausübung erforderlichen Eigenschaft bejaht wurde, hätte der Beteiligte zur Gewährleistung der Sicherheit des Schiffsverkehrs zwingend aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Eine Entscheidung nach Opportunitätsgesichtspunkten war angesichts des mit dem Kapitän oder Steuermann verbundenen erheblichen Gefährdungspotentials kaum vertretbar. Aus diesen Gründen plädierte das Bundesoberseeamt bei der Neufassung des SeeUG für eine 424 Siehe vorstehend a)

= S.

17Off.

425 BVerwGE 60, S. 133 (136) 62, S. 280 (287); BVerwG DVBI. 1981, S.786 (787); Kopp, VwGO § 113 Rdnr. 23.

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

181

gebundene Entscheidung. Es konnte sich mit dieser Forderung gegenüber dem Bundesjustizministerium durchsetzen, welches wegen der einschneidenden Bedeutung von § 19 SeeUG für das Berufslebt:n Beteiligter eine Ermessensentscheidung vorsehen wollte. Das fehlende Entscheidungsermessen entspricht den Regelungen in vergleichbaren Rechtsbereichen 426 . Dennoch haben die Seeämter dies bereits in einigen Entscheidungen übergangen. So findet sich in einigen Verfahren z.B. eine Abwägung des öffentlich-rechtlichen Interesses an einer Entziehung mit den berechtigten privaten Interessen Beteiligter427 . Diese Überlegungen haben auf der gebundenen Rechtsfolgenseite von § 19 SeeUG nicht stattzufinden. 11. Auswahlermessen

1. Entziehung auf Dauer (§ 19 I 1 SeeUG)

Nach der Konstruktion des Gesetzes ist die dauerhafte Entziehung einer Berechtigung die Regel, eine Befristung dagegen (§ 19 VI SeeUG) die Ausnahme. In der Praxis ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis jedoch umgekehrt. So wurde in der letzten Zeit nur einmal durch das Seeamt Bremerhaven eine dauerhafte Entziehung ausgesprochen. Diese wurde jedoch durch das Bundesoberseeamt wieder aufgehoben und die Entziehung sodann auf zwei Jahre befristet428 . 2. Befristete Entziehung (§ 19 VI SeeUG)

Die Befristungsmöglichkeit wurde erst mit Inkrafttreten des SeeUG am 1.10.1986 in das bundesdeutsche Seeunfalluntersuchungsrecht eingeführt. Der Gesetzgeber hat mit der Festlegung einer Mindestfrist nicht gegen den auf dem Rechtsstaatsgebot fußenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 III GG) verstoßen. Denn die gesetzgeberische Vorgabe einer Mindestfrist hat für die Seeämter und das Bundesoberseeamt lediglich zur Folge, daß an die Feststellung der Ungeeignetheit höhere Anforderungen zu stellen sind als z.B. bei der Feststellung der Ungeeignetheit eines Kraftfahrzeugführers im Straßenverkehr, wo gern. § 69 a I 1 StGB eine Mindestsperre von 6 Monaten

426 Z.B. § 4 I StVG und § 69 I StGB. 427 SeeA Emden MS "Jan Meeder"IMS "Miltzow" (DI 36/88 E). 428 BOSeeA MS "Auberg" = BOSeeAE 1991, S. 89. Den durch das Seeamt Bremerhaven erhobenen Vorwurf des Versenkens des Schiffes konnte das Bundesoberseeamt nicht aufrechterhalten. Es stellte nur falsche Bekämpfungs- und Rettungsmaßnahmen fest.

182

Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

existiert429 . Bei der Bemessung der Befristungsdauer hat das Seeamt regelmäßig an die tatbestandlich erforderliche Eignungsprognose anzuküpfen430. Die Frist beginnt gern. § 19 VI 2 mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung, nicht aber mit deren Zustellung 431 bzw. Bekanntgabe432 . a) Historische Vorläufer Nach der alten Rechtslage gab es lediglich eine in das Ermessen gestellte Wiedereinräumungsbefugnis (§ 42 SUG 1935 = § 34 SUG 1877): Die oberste Reichsbehärde kann eine entzogene Gewerbebefugnis nach Ablauf eines Jahres 433 wieder einräumen, wenn die Annahme begründet ist, daß der Betroffene fernerhin den Anforderungen seines Gewerbes genügen werde. Die rechtskonstruktiv eine Wiedererteilung der Gewerbebefugnis im bisherigen Umfang darstellende Rehabilitation wurde 1877 an Stelle der durch die zweite Reichstagskommission nicht gebilligten zeitlich befristeten Entziehung in das SUG aufgenommen. Die Kommission hielt eine zeitlich befristete Entziehung wegen ihres angeblichen Strafcharakters für bedenklich. Dagegen könne man bei der dauerhaften Entziehung wenigstens annehmen, daß der Schiffer oder Steuermann körperlich oder geistig unfähig zur Ausübung seines Berufes sei und damit die bei der Erteilung des Zeugnisses gegebenen Voraussetzungen nicht mehr vOrlägen 434 . Diese Auffassung war nicht ganz richtig. Denn als eine Maßname zur Wahrung der im öffentlichen Interesse liegenden Schiffssicherheit hätte die Entziehung solange befristet werden können, wie der Eignungsmangel vorlag. Eine Rehabilitierung war dann gerechtfertigt, wenn der Betroffene durch sein Verhalten in Stellungen, die der früher von ihm innegehabten ähnlich waren, bewiesen hatte, daß er des ihm entzogenen Vertrauens würdig geworden war 435 . Der Adressat der Entziehung der Gewerbebefugnis sollte also nicht von jeglicher Beteiligung an der Seefahrt ausgeschlossen werden, sondern während der gedachten Zeit zur See fahren und dabei den im Rahmen VG Harnburg MS "Mira l"/MS "City of Salonika" = BOSeeAE 1991, S. 336. Zur Erforderlichkeit einer Prognose im allgemeinen siehe oben B.ll1.2.b) = S. 161; zur Prognose bei Alkoholentwähnung siehe B.ll1.2.c)bb)(2) = S. 167. 431 So SeeA Emden MS "Sesam" (01 44/87). 432 So SeeA Bremerhaven, MS "Kismet" (01 28/87) = BOSeeAE 1987, S. 80. 433 Die Frist von einern Jahr wurde eingefügt, um das Ansehen der Seeämter nicht zu beschädigen und das zuständige Reichskanzleramt nicht mit frühzeitigen Anträgen zu belasten, vgl. Caesar (S. 57/58). 434 Sassen (S. 349). 435 Vgl. Sassen (S. 240/241) sowie Caesar (S. 57). 429 430

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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von § 34 SUG erforderlichen Beweis liefern, daß er die Mängel, die zur Entziehung führten, abgelegt habe436 . b) Bedeutung in der Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes Nach der Einführung der Befristungsmöglichkeit ist hiervon in der weit überwiegenden Zahl der Entziehungen Gebrauch gemacht worden. Seit Inkrafttreten des SeeUG bis März 1995 wurden insgesamt 32 Entziehungen ausgesprochen. Hiervon wurden 31 Entziehungen befristet, das entspricht einem prozentualen Anteil von 97%. Die Befristung erfolgte meistens, d.h. in 75% der Fälle, entsprechend der gesetzlichen Mindestfrist von einem Jahr (§ 19 VI 2 SeeUG). Diese Frist entspricht der historischen Praxis, nach einem Jahr die Berechtigung wieder auszuhändigen. Die restlichen Entziehungen wurden auf 18 Monate bzw. zwei, drei, vier und fünf Jahre befristet. Der Beteiligte kann durch einen Verzicht auf Widerspruch oder Klage eine frühere Bestandskraft der seeamtlichen Entscheidung herbeiführen, um die entzogene Berechtigung auch wieder früher ausgehändigt zu bekommen 437 . c) Ist eine befristete Entziehung der Sportbootfahrerlaubnis zulässig? § 19 VI 1 SeeUG regelt durch die Mitverweisung auf § 19 III SeeUG, daß auch die Sportbootfahrerlaubnis befristet entzogen werden darf. Das Seeamt Hamburg entschied demzufolge: Der dem Beteiligten unter de.ll1 ... ausgestellte Sportbootführerschein wird für die Dauer eines Jahres entzogen .... 4311 Vor Ablauf von zwei Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Spruches ... darf der Sportbootführerschein ... nicht wieder ausgehändigt werden. 439

436 OSeeA Schooner "Wilhelmine" = OSAE III, S. 135 (142). Ähnlich OSeeA Schraubendampfer "Athen" = OSAE XII, S. 685 (705) für einen Maschinisten. 437 Zum Rechtsbehelfsverzicht siehe oben Teil 1, 2. Kapitel, D.11.1. = S.76. Praktisch relevant geworden ist die Frage nach einer durch Rechtsbehelfsverzicht herbeigeführten Bestandskraft in BOSeeA MS "Iris Jörg" = BOSeeAE 1990, S. 279 und in SeeA Bremerhaven Fährschiff "Hamburg"/MS "Nordic Stream" = BOSeeAE 1990, S. 161: Hier wurde gegenüber dem ausländischen Steuermann ein Fahrverbot ausgesprochen (§ 19 IV SeeUG), was dieser sofort akzeptierte, weil er auf das Befahren deutscher Seeschiffahrtsstraßen beruflich in hohem Maße angewiesen ist. 438 SeeA Hamburg Motorsegler "Moby Dick" (01 81/89 H); vgl. auch SeeA Kiel SY "Marion"/SY "Murkel" (SeeAl - DI 11/86): Der ... Sportbootführerschein Nr .... wird eingezogen. 439 SeeA Hamburg SY "Paloma" (SeeA2 - DI 173/87). Ähnlich SeeA Kiel SY "Doerthe"/SY "Baltic Streef' (SeeAl - DI 9/86), SY "Marion"/SY "Murkel" (SeeAl - DI 11/86) und MS "La Paloma IIn (SeeAI - DI 66/86).

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

Diese Seeamts sprüche verkennen zunächst, daß nur die Sportbootfahrerlaubnis entziehungsfähig ist, nicht aber der diese Erlaubnis dokumentierende Führerschein. Wird nur der Führerschein eingezogen, darf der Beteiligte weiter fahren, da die zugrundeliegende Erlaubnis nicht berührt wurde. Eine befristete Entziehung des Sportbootfahrerlaubnis ist aber auch aus rechtsdogmatischen Gründen nicht möglich. Denn § 8 V 1 SportbootführerscheinVO ordnet an, daß die Fahrerlaubnis mit der Entziehung erlischt. Damit ist ihr endgültiges und unwiderrufliches Erlöschen angeordnet, nicht nur das Ruhen. Die Entziehung des Sportbootfahrerlaubnis wirkt mithin unmittelbar und ohne Einschränkung rechtsgestaltend. Mit diesem Charakter ist eine zeitliche Beschränkung nicht zu vereinbaren. Sie steht im Gegensatz zu der gesetzlichen Anordnung und hat zu unterbleiben 440 . Etwas anders gilt bei Befähigungszeugnisse. Hier gibt es keine den §§ 4 I 2. Halbsatz, 69 III 1 StGB und 8 V 1 SportbootführerscheinVO entsprechende Erlöschensanordnung. Bestünde diese, so müßte der Betroffenen nach Fristablauf alle erforderlichen Prüfungen (einschließlich Antrag, Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen441 ) wiederholen. Dies hielte schon aufgrund des damit verbundenen erheblichen Aufwandes einer Verhältnismäßigkeitsprüfung am Maßstab des Art. 12 GG nicht stand. Bei Sportbootfahrerlaubnissen ist jedoch die Festsetzung einer Sperrfrist gemäß § 19 VI 2 SeeUG zulässig. Diese Norm handelt zwar von der Wiederaushändigung der Fahrerlaubnis, dies ist jedoch auszulegen als Neuerteilung gemäß den einschlägigen Vorschriften der SportbootführerscheinV0442. Der Beteiligte muß also, genau wie bei einer durch das Strafgericht ausgesprochenen Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis im Straßenverkehr, das Prüfungsverfahren völlig neu zu durchlaufen. Dies ist wegen des reinen Freizeitzweckes der Sportschiffahrt nicht unverhältnismäßig. Die Nichtanwendung von § 19 VI SeeUG auf Sportbootfahrerlaubnisse führt zu Auswirkungen auf die seeamtliche Spruchformel. Der die Entziehung einer Sportbootfahrerlaubnis beinhaltende Seeamtsspruch hat deshalb wie folgt zu lauten:

440 Dies entspricht dem Straßenverkehrsrecht: Auch don ist eine Entziehung mit zeitlicher Beschränkung ausgeschlossen (OVG Lüneburg NJW 1956, S. 1654: keine Entziehung bis auf weiteres oder auf Widerruf). §§ 4 I 2. Halbsatz StVG und 69 JII 1 StGB haben einen dem § 8 V 1 SponbootführerscheinVO entsprechenden Wonlaut. 441 Dazu gehön neben den 12 Monaten Seefahnszeit auch die sechsemestrige theoretische Ausbildung. Zu den Einzelheiten siehe § 14f., insbesondere § 28 IV Nr. 1 a) SchOffzAusbV. 442 Dasselbe gilt im Straßenverkehrsrecht: Wenn also § 4 IV StVG von der Wiedereneilung spricht, so ist auch damit eine Neueneilung gemäß §§ 2 StVG, 8-12 StVZO gemeint (vgl. JaguschiHentschel, § 4 StVG Rdnr. 31).

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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Die Fahrerlaubnis wird entzogen und der Sportbootführerschein eingezogen. Vor Ablauf einer Frist von ... Jahren darf eine neue Fahrerlaubnis nicht erteilt werden.

d) Auflage zur Wiederaushändigung bzw. Neuerteilung (§ 19 VI 3 SeeUG) § 19 VI 3 SeeUG ist ein spezialgesetzlicher Tatbestand zum Erlaß einer Nebenbestimmung 443 . Auch hier handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Danach kann das Seeamt die Wiederaushändigung des Befahigungszeugnisses bzw. die Neuerteilung der Sportbootfahrerlaubnis nach erfolgtem Fristablauf von Auflagen abhängig machen. Die amtliche Begründung geht von einer Verknüpfung insbesondere mit Nachschulungen aus 444 . Die Voraussetzungen hierfür sind in dem Tatbestand nicht näher geregelt. Nach dem Sinn der Regelung muß jedoch ein Zusammenhang zwischen festgestelltem Fehlverhalten, Entziehungsgründen und den Voraussetzungen für die Wiedererteilung bestehen. Dies folgt aus § 36 III VwVfG als Ermessensrichtlinie. Hiernach ist der Erlaß von Nebenbestimmungen nur erlaubt, soweit sie durch den zu erlassenden Verwaltungsakt gerechtfertigt sind (Verbot sachwidriger Koppelungen)445.

Die häufigste Auflage findet sich in den Alkoholfällen. Während eine Behandlung einer Alkoholkrankheit bisher noch nicht vorgeschrieben wurde, wird die Wiederaushändigung eines Befahigungszeugnisses häufig davon abhängig gemacht, daß der Beteiligte sich im Hinblick auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit die Seediensttauglichkeit von der See-BG bestätigen oder die Nicht-Alkoholauffälligkeit vom jeweiligen Arbeitgeber bescheinigen läßt446 . In den Alkoholfällen liegt eine sachwidrige Koppelung der Auflage dann vor, wenn eine Entziehung auf eine alkoholbedingte Untüchtigkeit gestützt (§ 19 I 2 SeeUG) und eine Nachschulung zur Auflage gemacht wird. Dann fehlt es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang von Entziehung und Auflage447 . Denn die Auflage rechtfertigt sich nicht aus dem erlassenen Verwaltungsakt, sondern aus Erwägungen, die mit der Entziehung nicht verfolgt werden.

443 Für den Straßenverkehr findet sich ein ähnlicher Tatbestand in § 4 IV 1 StVG. 444

Amtliche Begründung zum SeeUG, BT-Drs. 10/3312 (S. 28).

445 Siehe im einzelnen Knack, § 36 Rdnr. 4.4. (S. 507). 446 SeeA Hamburg MS "Nadia" = BOSeeAE 1990, S. 91. Der Arbeitgeber kann zwar über die Alkoholunauffälligkeit urteilen, nicht aber über die Seediensttauglichkeit. Denn diese kann nur durch die See-BG festgestellt werden. Deshalb kann zur Beurteilung der Seediensttauglichkeit auch nicht auf ein Universitätszeugnis (welches z.B. die Heilung von der Trunksucht bescheinigt) zurückgegriffen werden. 447 Dies verkennt SeeA Kiel Sportboot "Kronsort"IMY "Merkur 11" = BOSeeAE 1987, S. 107 (Entziehung einer Sportbootfahrerlaubnis).

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

Gerade bei Sportbootfahrerlaubnissen wird § 19 VI 3 SeeUG genutzt, um dem Beteiligten zu zwingen, sich die erforderliche Sachkunde anzueignen. Allerdings begegnet die folgende Auflage Bedenken: Voraussetzung für die Wiederaushändigung des Sportbootführerscheines 448 ist, daß der Beteiligte vor einem Prüfungsausschuß für Sportbootführerscheine erneut eine praktische Prüfung ablegt. Die Prüfung muß auf dem Kutter "Kronsort" oder einem gleichartigen Fahrzeug erfolgen. 449

Denn nach geltendem Recht ist das Prüfungsverfahren nicht teilbar. Wenn die Erlaubnis erloschen ist, muß der Bewerber von neuem sämtliche Anforderungen erfüllen, die die SportbootführerscheinVO regelt. Eine isolierte praktische Prüfung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen. Im übrigen bleibt offen, wie zu verfahren ist, wenn der Beteiligte inzwischen das Eigentum an dem Schiff verloren hat und ihm damit die Erfüllung der Auflage dauerhaft subjektiv unmöglich wird. Besser wäre es gewesen, auf ein Boot abzustellen, welches die Voraussetzungen von § 6 IV SportbootführerscheinVO erfüllt.

3. Bedingte Entziehung Sinnvoll könnte in einigen Fällen auch die Entziehung eines Befähigungszeugnisses oder einer Sportbootfahrerlaubnis unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung sein. Dies böte sich dann an, wenn das Seeamt zwar einen aktuellen Eigenschaftsmangel in der Verhandlung feststellt, aber annimmt, der Beteiligte werde sich alleine aufgrund der Verhandlung bessern. In den Fällen einer solchen positiven Prognose bestünde kein Anlaß, dem Beteiligten die sofortige Rückkehr an das Ruder zu verwehren. Der Beteiligte könnte jedoch durch vorbildliches Verhalten vor dem Seeamt glänzen und alle guten Vorsätze vergessen, sollte er nur "mit einem blauen Auge" davonkommen. Hegt das Seeamt einen solchen Verdacht, so ist daran zu denken, die unsichere, aber im Prinzip positive Prognose durch eine aufschiebende Bedingung abzusichern (Entziehung der Berechtigung "auf Bewährung"). a) Die Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes Das Bundesoberseeamt hat den obigen Erwägungen folgend in einem Untersuchungsverfahren450 die vom SeeUG nicht ausdrücklich vorgesehene "Entziehung auf Bewährung" in Verbindung mit § 36 11 Nr. 2, III VwVfG ausgesprochen. Das Bundesoberseeamt wollte von der Regel des § 19 I 2 448 Auch hier wurde übersehen, daß es auf die Fahrerlaubnis und nicht auf den Führerschein ankommt (siehe vorstehend c) = S. 183). 449 SeeA Kiel MS "Kronsort"/MY "Merkur II" = BOSeeAE 1987, S. 107. 450 BOSeeA MS "Iris Jörg" = BOSeeAE 1990, S. 279.

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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SeeUG abrücken, dem Beteiligten jedoch einen Wink für die Zukunft mitgeben. Der Widerspruchsbescheid erhielt deshalb folgende Fassung: Das dem '" Kapitän ... unter dem ... vom Regierungspräsidenten ... ausgestellte Befähigungszeugnis zum Kapitän auf kleiner Fahrt wird entzogen. Die Entziehung erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Beteiligte ... innerhalb eines Jahres nach Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung nicht straf- oder verwaltungsrechtlich wegen Alkoholmißbrauchs belangt wird.

Die Pilotfunktion bundesoberseeamtlicher Entscheidungen führte dazu, daß dieser Spruch umgehend vom Seeamt Hamburg aufgegriffen wurde. Es findet sich in der dortigen Spruchformel sogar eine Verbindung von Befristung und Bedingung451 : Der dem Beteiligten unter dem ... ausgestellte Sportbootführerschein wird für die Dauer eines Jahres entzogen. Die Entziehung des Sportbootführerscheines wird jedoch vorläufig ausgesetzt und entfällt, wenn der Beteiligte innerhalb eines Jahres nach Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung nicht straf- oder verwaltungsrechtlich wegen Alkoholmißbrauches belangt wird.

Die rechtlichen Einwände gegen den Spruch des Seeamtes Hamburg ergeben sich bereits aus den für die Sportbootfahrerlaubnis geltenden Besonderheiten452 : Der die Erlaubnis dokumentierende Sportbootführerschein ist nicht entziehungsfahig; wegen der zwingenden Erlöschensanordnung in § 8 V I SportbootführerscheinVO scheidet auch die Koppelung mit einer Befristung wie auch einer Bedingung aus. Darüberhinaus unterliegen die Sprüche des Bundesoberseeamtes und des Seeamtes Hamburg zur Zulässigkeit einer aufschiebend bedingten Entziehung erheblichen, weiteren Bedenken. b) Definition und Kontrolle der Bedingung Das Bundesoberseeamt stand als Vorreiter der aufschiebend bedingten Entziehung vor dem Problem, daß zukünftige, ungewisse Ereignis zu defir.ieren. Die getroffene Definition ist unter mehreren Aspekten mißglückt. Die straf- und verwaltungsrechtliche Nichtbelangung, an die angeknüpft wird, ist nach Sinn und Zweck keine aufschiebende Bedingung. Dies bedeutet nämlich, daß der alkoholunauffaJ.lige Inhaber des Befahigungszeugnisses automatisch nach einem Jahr sein Patent verliert. Richtigerweise wäre also an die straf- oder verwaltungsrechtliche Belangung anzuknüpfen gewesen, um die Entziehung des Befahigungszeugnisses wirksam werden zu lassen 453 . 451 SeeA Hamburg Motorsegler "Moby Dick" (O! 81/89 H). 452 Siehe oben 2.c) = S. 183. 453 Dieser Mangel im Entscheidungssatz wäre aber für die Behörde jederzeit von Amts wegen - aber auch auf Antrag - behebbar (§ 42 S. 1 VwVfG). Es handelt sich hierbei um den

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

Selbst eine Anknüpfung an die Belangung wäre aber unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit (§ 37 VwVfG) nicht befriedigend. Denn die Belangung ist kein stehender Rechtsbegriff und auf einen exakten Zeitpunkt konkretisierbar. Mit der verwaltungsrechtlichen Belangung kann bereits die Wirksamkeit (§ 43 VwVfG), aber auch die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes (§§ 70 und 74 VwGO) gemeint sein. Im Strafverfahren wäre unter Belangung wohl die Rechtskraft des Urteils zu verstehen. Um Mißverständnissen und Unsicherheiten der Rechtslage vorzubeugen, wäre schon in der Spruchformel auf die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts bzw. die Rechtskraft des Strafurteils abzustellen gewesen. Nur dann wüßte der Inhaber des Befähigungszeugnisses mit Sicherheit, ob die aufschiebende Bedingung nun eingetreten ist oder nicht. Nach beiden Sprüchen ist es auch möglich, daß die Bedingung schon dann eintritt, wenn der Beteiligte alkoholisiert etwa am Straßenverkehr teilnimmt oder sich gemäß § 323a StGB strafbar macht. Der Schluß, daß dem Beteiligten sodann die im Sinne von § 19 I SeeUG erforderliche Eigenschaft fehlt, ist jedoch nicht zwingend. Denn es ist durchaus denkbar, daß der Beteiligte sich an Bord seines Schiffes vorbildlich verhält, wohl wissend, daß er ansonsten seine berufliche Existenz gefährdet, außerhalb dieses Bereiches aber eine solch konsequente Haltung vermissen läßt. Aus diesem Grund wäre der (immerhin automatische) Bedingungseintritt nur aus einer Alkoholisierung im Schiffsverkehr abzuleiten, weil nur dann ein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem letztlich entscheidenden Pflichtenverstoß und der Entziehung des Befähigungszeugnisses besteht. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Zulassung einer aufschiebend bedingten Entziehung im übrigen auch insoweit, als die Kontrolle des Bedingungseintritts nicht sichergestellt ist. Es entsteht nämlich die Frage, wer den Bedingungseintritt kontrolliert454 . Die Seeämter jedenfalls sind für eine solche Kontrolle nicht ausgerüstet. Von einer Verfolgung wegen Alkoholdelikten im Ausland erfahren sie erst recht nichts. Hier sind deshalb Meinungsunterschiede zwischen den Seeämtern und den Beteiligten wahrscheinlich. Damit sind Prozesse und praktisch ein reines Erkenntnisverfahren zu der Frage des Bedingungseintritts vorprogrammiert. Das ist der Rechtssicherheit abträglich und sollte daher vermieden werden.

typischen Fall einer offenbaren Unrichtigkeit, da sich aus den Umständen des Falles bzw. aus den Entscheidungsgründen eindeutig ergibt, daß die Entziehung nur bei erneuter Alkoholauffälligkeit gewollt ist. 454 Gerichtliche Urteile sind auch aus diesem Grunde nie aufschiebend bedingt: Es wäre zu der Frage, ob der Bedingungseintritt vorliegt, ein zweites Erkenntnisverfahren erforderlich.

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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c) Rechtsgrundlage Fraglich ist weiter, auf welcher Rechtsgrundlage eine aufschiebend bedingte Entziehung eines Befähigungszeugnisses beruht. Die Rechtsgrundlagen für Nebenbestinunungen zu belastenden Verwaltungsakten werden in Literatur und Rechtsprechung kaum erörtert. Dies liegt nicht nur an deren Seltenheit, sondern auch daran, daß die Einschränkung einer Begünstigung rechtlich von größerem Interesse ist als die Einschränkung einer Belastung. Denn wenn eine Belastung eingeschränkt wird, hat die entsprechende Nebenbestinunung einen begünstigenden Charakter455 . Generelle Bedenken werden gegen eine aufschiebend bedingte Belastung nur insoweit geäußert, als der Adressat zur Gegenwehr gezwungen werde, lange bevor die zunächst suspendierte Rechtsfolge wirksam wird, um der Bestandskraft des Verwaltungsaktes entgegenzuwirken 456 . Rechtlich allerdings können diese Bedenken nicht durchgreifen. Denn ein subjektives öffentliches Recht, sich erst zum Zeitpunkt des Eintritts der zunächst suspendierten Rechtsfolge eines Verwaltungsaktes zu wehren, ist nach bundesdeutschem öffentlichen Recht nicht herzuleiten. Die Anfechtungsund Klagefristen in §§ 70/74 VwGO knüpfen an die Bekanntgabe (§ 43 VwVfG) der von der Verwaltung getroffenen Regelung ohne Rücksicht auf das Wirksamwerden der Rechtsfolgen an. Sie sind im Interesse der Rechtssicherheit abschließende Regelungen 457 . Im übrigen sieht nunmehr der klare Wortlaut von § 36 11 Nr. 2 VwVfG ausdrücklich vor, daß es zulässig ist, den Eintritt einer Belastung von einer Bedingung abhängig zu machen. Damit hat der Gesetzgeber prinzipiellen Bedenken hiergegen eine Absage erteilt458 . Nicht möglich ist dagegen die Vorwegnahme der Eingriffsvoraussetzungen in der aufschiebenden Bedingung selbst459 . Dann nämlich begibt sich die Verwaltung ihrer Regelungspflicht und es fehlen die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Hauptverwaltungsaktes zur Zeit seines Erlasses (Verletzung des Gesetzesvorbehalts)460. 455 Darauf weist auch Hönig (S. 44) hin. Er sieht deshalb von deren weitere Untersuchung ab und widmet sich nur den Nebenbestimmungen zu begünstigenden Verwaltungsakten.

456 Schachel (S.

88) fordert in diesen Fällen deshalb ein besonderes öffentliches Interesse.

457 Nach Unanfechtbarkeit der Regelung kann nur noch die Behörde über die Bestandskraft disponieren (§§ 48 und 49 VwVfG), nur unter den Voraussetzungen des § 51 VwVfG ist ein Anspruch des Adressaten denkbar. 458 Für die grundsätzliche Zulässigkeit ist auch Hönig (S. 43), der die typischen Beispiele einer bedingten Belastung aufzählt: Einberufungsbefehl und das Streugebot bei Glatteis. 459 Genau diesen Weg beschritt das BOSeeA in MS "Iris Jörg" = BOSeeAE

1990, S. 279.

460 Schachel (S. 88); Franßen (S. 120-122). Der Hinweis von GernlWachenheim, JuS S. 276 (278), daß bei noch nicht vorliegenden Eingriffsvoraussetzungen der erfolgten Regelung ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen muß, geht m.E. deshalb an der Sache vorbei. Der Verwaltungsakt ist in diesem Fall schlicht rechtswidrig, mag nun ein öffentliches Interesse gegeben sein oder nicht.

1980,

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

aa) § 19/ SeeUG "a maiore ad minus" ?

Was die Rechtsgrundlage einer aufschiebend bedingten Entziehung angeht, so könnte man die Auffassung vertreten, diese sei als "minus" in dem Entziehungstatbestand enthalten, der die dauerhafte Entziehung regelt. Eine genauere Betrachtung des Gesetzes belegt indes die Unzulässigkeit einer solchen Folgerung. Denn § 19 I SeeUG ist eine gebundene und auch abschließende Regelung. Es ist nicht einzuwenden, der Gesetzgeber habe sich über eine graduelle Abstufung der Rechtsfolgen keine Gedanken gemacht. Denn immerhin hat die Befristungsmöglichkeit nach § 19 VI 1 SeeUG Eingang in das neue Recht gefunden. Gegen einen Schluß "a maiore ad minus" spricht auch, daß für die Rechtmäßigkeit einer aufschiebenden Bedingung alle Eingriffsvoraussetzungen aktuell vorliegen müßten. Dann macht eine aufschiebende Bedingung aber kein Sinn, ist doch der Gefährdung der Sicherheit des Schiffsverkehrs sofort und ohne Zögern entgegenzutreten. Sind die Tatbestandsmerkmale des Fehlverhaltens und des Eigenschaftsmangels nämlich bejaht, stellt der Beteiligte eine Gefährdung der Sicherheit der Schiffahrt dar, so daß er unter Sicherheitsgesichtspunkten aus diesem Verkehrsbereich zwingend zu entfernen ist. Alles andere hieße, die Gefährdung sodann bis zum Eintritt der Bedingung hinzunehmen, was im Sinne effektiver Gefahrenabwehr nicht gewollt sein kann. bb) § 36 II Nr. 2 VwVfG ?

Subsidiär zum SeeUG gilt das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht (§ 10 SeeUG). Deshalb ist zu prüfen, ob insoweit § 36 VwVfG eine Rechtsgrundlage für eine aufschiebende Bedingung zur Verfügung stellt. Das Bundesoberseeamt hat sich zur Begründung der "Entziehung auf Bewährung" auf § 36 11 Nr. 2, III VwVfG berufen. Die amtliche Begründung zu § 10 SeeUG nennt die wichtigsten Vorschriften, auf die hierdurch verwiesen werden soll, § 36 VwVfG zählt nicht dazu 461 . Dennoch ist hieraus nicht viel abzuleiten, da die dortige Aufzählung dem Wortlaut entsprechend nur eine beispielhafte ist. Die Anwendung von § 36 VwVfG ist mithin nicht spezialgesetzlich ausgeschlossen. Fraglich ist aber, ob der Anwendungsbereich von § 36 VwVfG sich auch auf belastende Verwaltungakte erstreckt. Nach Kopp bezieht sich § 36 VwVfG hauptsächlich auf begünstigende Verwaltungsakte462 . Kopp hat Recht für den Anwendungsbereich von Absatz I. Denn § 36 VwVfG unterscheidet 461 BI-Drs. 10/3312 (S. 21).

462 Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 2.

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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tatbestandsmäßig in die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei gebundenen, begünstigenden Entscheidungen (Absatz I: "auf den ein Anspruch besteht") und Ermessensentscheidungen (Absatz 11: "nach pflichtgemäßem Ermessen"). Da § 19 I SeeUG mit der Anordnung der zwingenden Entziehung zwar eine gebundene Entscheidung, jedoch eine Belastung darstellt, muß zumindest die Anwendung von § 36 I VwVfG ausscheiden. Wie die Nummern 1 und 2 von Absatz 11 erkennen lassen, ist eine Befristung oder Bedingung allerdings auch bei Belastungen möglich, so daß an der Auffassung Kopps, mag sie auch in der statistischen Mehrheit der Fälle zutreffen, eine Anwendung von Absatz 11 jedenfalls nicht scheitern kann. Jedoch, und deshalb muß auch die Anwendung von § 36 11 VwVfG ausscheiden, regelt dieser Absatz nur die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei Ermessensentscheidungen, die § 19 I SeeUG erkennbar nicht ist. Die Gegenüberstellung von § 36 I (gebundene Entscheidung) und § 36 11 VwVfG (Ermessensentscheidung) führt dazu, die Formulierung "nach pflichtgemäßem Ermessen" tatbestandsmäßig einzuordnen. Zwar spricht grammatikalisch nichts dagegen, den Ausdruck "nach pflichtgemäßem Ermessen" auf der Rechtsfolgenseite der Norm anzusiedeln. Dies hätte die Konsequenz, daß "unbeschadet des Absatzes 1" eine Nebenbestimmung nur von einer pflichtgemäßen Ermessensausübung abhängt, für die Absatz III eine Richtlinie gibt. Indes ist diese Auffassung im Schrifttum nicht weit verbreitet. Soweit erkennbar, vertritt nur Meyer/Borgs die Meinung, daß Absatz 11 als Rechtsgrundlage für alle diejenigen Nebenbestimmungen in Betracht komme, welche nicht unter Absatz I fallen 463 . Daß diese Auffassung nicht richtig sein kann, beweist folgende Überlegung: Wenn man sich die Formulierung "nach pflichtgemäßem Ermessen" hinwegdenkt, resultiert daraus genau die Erkenntnis, die Meyer/ Borgs hat: Die Nebenbestimmung hinge sodann nur von einer pflichtgemäßen Ermessenausübung ab, dies folgt aus dem Wort "darf". Es ist fraglich, ob man dem Gesetzgeber unterstellen sollte, dem Ermessen in § 36 11 VwVfG in zweifacher Weise Ausdruck gegeben zu haben: durch "nach pflichtgemäßem Ermessen" und "darf erlassen werden mit". Deshalb betrifft Absatz 11 schon vom Tatbestand her nur Ermessensakte 464 . Wenn somit der Anwendungsbereich von § 36 11 VwVfG auf Nebenbestimmungen zu im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakten beschränkt ist, sei der Vollständigkeit halber angefügt, daß dann § 3611 VwVfG auch gar nicht der Rang einer Ermächtigungsnorm eingeräumt werden

463 Meyer/Borgs, § 36 Rdnr. 22.

464 Siehe Kopp, VwVfG, § 36 Rdnr. 12; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rdnr. 61.

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

braucht465 . Jedenfalls kann festgehalten werden, daß eine aufschiebend bedingte Entziehung im Seeunfalluntersuchungsrecht nicht zulässig ist. Es fehlt dafür an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Wenn der Beteiligte nach Abschluß der Seeunfalluntersuchung ungeeignet wird, kann nur eine Entziehung auf Grundlage der §§ 23 SchOffzAusbV bzw. 14 SeelotsG erfolgen. d) Ist eine bedingte Entziehung rechtspolitisch empfehlenswert ? Mit der Entziehung "auf Bewährung" hat sich das Bundesoberseeamt offensichtlich an dem Rechtszustand in der ehemaligen DDR orientiert. Dort bestand die Möglichkeit, bei einer schuldhaften Pflichtverletzung den Entzug eines vom Seefahrtsamt ausgestellten Berechtigungsnachweises auf Bewährung auszusprechen (§ 24 I SeeUO). In der Praxis hatte der Entzug eines Berechtigungsnachweises auf Bewährung eine außerordentliche Bedeutung (weit mehr als 90%). Denn durch sie konnte verhindert werden, daß das Seekammerverfahren einen starken beruflichen Einschnitt herbeiführte, was trotz Arbeitsplatzgarantie eine erhebliche Härte für die Beteiligten darstellte466 . Kritisch zum ehemaligen DDR-Seeunfalluntersuchungsrecht sei aber angemerkt, daß es einen Widerspruch darstellte, wenn § 2 SeeUO ausdrücklich das präventive Ziel der Seeunfalluntersuchung festschreibt, andererseits aber von einer präventiven Entziehung abgesehen werden konnte, selbst wenn eine Pflichtverletzung vorlag. Ein Entzug auf Bewährung paßte folglich systematisch gar nicht in das Gesetz: Entweder stellte der Beteiligte eine Gefahr für die Sicherheit des Schiffsverkehrs dar, dann mußte er aus dem Verkehr gezogen werden. Oder er erwies sich auch weiterhin als geeignet und gefährdet daher den Schiffsverkehr nicht, dann mußte er auch weiter fahren können. Dazwischen ist - wenn man den Gedanken der Prävention ernst nimmt - kein Raum für eine disziplinierende Entziehung auf Bewährung. Dieselben Bedenken sind auch gegen die Einführung einer aufschiebend bedingten Entziehung ("auf Bewährung") in das SeeUG anzuführen. Deshalb ist eine aufschiebend bedingte Entziehung im Seeunfalluntersuchungsrecht nicht nur unzulässig, sie ist im Bereich der Gefahrenabwehr in der Seeschifffahrt unter dem Aspekt effektiver Prävention generell sinnwidrig.

465 Siehe dazu unten 5. = S. 195 zum Fahrverbot: Die Befugnis zum Erlaß einer Nebenbestimmung ist in der Ermessensnorm enthalten. 466 Wie Nachforschungen bei der ehemaligen Seekammer ergaben, war aber die Häufigkeit einer Entziehung auf Bewährung nicht hierauf zurückzuführen, sie hatte vielmehr einen praktischen Hintergrund: Da nach dem DDR-Recht ein Kapitän auch grundsätzlich vom Ministerrat berufen werden mußte, sparte man sich so die mit einem erheblichen Arbeits- und Begründungsaufwand verbundene Abberufung und (nach z.B. einem Jahr bei befristeter Entziehung) die erneute Berufung des Kapitäns.

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

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4. Erlaubnis zur Ausstellung eines Bejähigungszeugnisses niederer Ordnung Den Seeämtern steht zwar kein Entscheidungsspektrum in bezug auf die zu entziehende Berechtigung zur Verfügung: Immer muß es sich um die dem Beteiligten erteilte Berechtigung handeln, wie aus § 19 I Nm. 1 sowie III SeeUG folgt. Insoweit hat das Seeamt lediglich das Auswahlermessen, zwischen Befristung und Dauerentzug zu wählen. Wenn eine Entziehung eines Befähigungszeugnisses ausgesprochen wurde, ist es den Seeämtern gemäß § 19 11 SeeUG aber gestattet, die Ausstellung eines Befähigungszeugnisses niederer Ordnung zuzulassen467 . Dieser Tatbestand eröffnet ein Entscheidungs- und ein Auswahlermessen. Diese Befugnis zur Ermessensentscheidung beinhaltet die Pflicht der Seeämter, dieses Ermessen auch zu betätigen. a) Zweckentsprechende Ermessensausübung Bei der Entscheidung, ob die Ausstellung eines Befähigungszeugnisses niederer Ordnung erlaubt werden soll, hat das Seeamt das Ermessen sachgerecht zu betätigen. Es hat sich dabei alleine am Gesetzeszweck (präventive Gefahrenabwehr) unter dem Gesichtspunkt größtmöglicher Effektivität zu orientieren. Denn § 19 11 SeeUG will keinen Weg zur Formalstrafe eröffnen, die nicht mehr darstellt als eine bloße Warnung, sondern eine dem individuellen Gefährdungspotential entsprechende verhältnismäßige Entscheidung ermöglichen 468 . Das Seeamt muß deshalb genau ermitteln, für welchen Fahrtbereich und welche Art von Schiff der jeweilige Beteiligte sich als ungeeignet erwiesen hat. Wenn sich der Schiffsführer anläßlich des Seeunfalls als ungeeignet zur Führung einer ganz bestimmten Schiffsgröße erweist, so ist ihm folglich die Berechtigung zu entziehen, die ihn zu der Führung eines Schiffes gerade dieser Art befähigt. Dies verkennt das Seeamt Kie1 469 . Es entzog in einem Verfahren dem Kapitän das Befähigungszeugnis AG, ließ aber mit dem Befähigungszeugnis AM genau die Ausstellung jener Berechtigung zu, die zum Führen des Eisbrechers auch weiter befähigt. Damit war die Entziehung faktisch eine bloß 467 Diese Möglichkeit ist international verbreitet, so in den USA (§ 5.20-170 (d) Suspension and Revocation Proceedings Regulations), in Frankreich (Art. 20 Decret No. 60-1193), auch in der ehemaligen DDR (§ 24 I Nr. 3 SeeUO). Großbritannien sieht nur die völlige Entziehung aller Berechtigungen vor, allerdings kann eine Berechtigung niedrigeren Grades auf Antrag erteilt werden (Section 60 Merchant Shipping Act 1970). 468 Vgl. auch die amtliche Begründung zum SeeUG, BT-Drs. 10/3312 (S. 27). 469 SeeA Kiel Dampfeisbrecher "Stettin"lRo-Ro-Schiff "Finnsailor" (SeeAl - DI 24/90). 13 Henriksen

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Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

formale Strafe, da der Beteiligte sowieso nur dieses eine, aber kein weiteres Schiff führte. Diese, auf § 19 11 SeeUG beruhende Entscheidung ist unzweckmäßig und wäre daher bei Einlegung eines entsprechenden, jedoch durch die Interessenlage ausgebliebenen, Widerspruchs durch das Bundesoberseeamt aufzuheben gewesen. Denn die Erlaubnis, mit dem verunfallten Schiff auch weiter zu fahren, ist völlig ungeeignet, den Beteiligten als zukünftiges Gefahrdungspotential aus der Schiffahrt auszuschließen. Darüberhinaus war der Spruch rechtswidrig, da Ermessensfehler vorliegen. Diese ergeben sich zum einen daraus, daß sich in den Entscheidungsgründen keine Erwägung findet, die als Ermessenserwägung deutbar wäre. Insofern ist von einem Ermessensausfall auszugehen. Das Seeamt richtete sich lediglich nach der inzwischen standardisierten Üblichkeit, eine Erlaubnis zur Ausstellung eines Befahigungszeugnisses niederer Ordnung zu erteilen. Zum zweiten führt die Nichtberücksichtigung des Gesetzeszweckes (präventive Gefahrenabwehr). zu einer Unvollständigkeit der Erwägungen und damit zu einem Ermessensfehlgebrauch. b) Alkoholfälle Die Alkoholfahrt ist ein typischer Eignungsmangel, welcher sich nicht auf eine ganz bestimmte Schiffsgröße oder einen bestimmten Fahrtbereich konkretisieren läßt. Sie ist vielmehr ein übergreifender Eignungsmangel. Die Alkoholfahrt ist in der Großen Fahrt genauso gefahrlich wie auf der Mittleren oder der Nationalen Fahrt. Die Prävention erfordert also in diesem Falle, den Beteiligten völlig aus führenden und verantwortungsvollen Positionen der Schiffahrt zu entfernen. Wenn das Seeamt folglich festgestellt hat, daß der Inhaber des Befähigungszeugnisses infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, den Dienst an Bord sicher auszuüben (§ 19 I 2 SeeUG) , so darf es die Erteilung eines Befahigungszeugnisses niederer Ordnung (§ 19 11 SeeUG) in der Regel nicht erlauben470 . Denn dann ist die Gefahr, daß der Beteiligte den Schiffsverkehr auch zukünftig durch seine Alkoholneigungen gefahrdet, noch nicht gebannt. Eine Ausnahme sollte nur dann gemacht werden, wenn der alkoholbedingte Ausfall temporär war und keine grundsätzliche Bindung zur Persönlichkeit des Beteiligten hat471 . Dies wird in vielen seeamtliche Entscheidungen nicht beachtet.

470 Anders SeeA Kiel Dampfeisbrecher "Stettin"lRo-Ro-Schiff "Finnsailor" (SeeAl - DI 24/90). Dem Kapitän des Dampfeisbrechers wurde das Befähigungszeugnis AG wegen Alkoholisierung entzogen, da er das Schiff nicht sicher führen konnte. Das SeeA Kiel erlaubte jedoch, das Befähigungszeugnis AM zu erteilen. 471 In diesem Fall kann das Seeamt eine Auflage machen (z.B. Beleg der fehlenden Alkoholabhängigkeit durch ein Attest).

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

195

c) Verbindung mit einer Nebenbestimmung Die Seeämter können die Erlaubnis zur Ausstellung eines Befähigungszeugnisses niederer Ordnung von einer Nebenbestimmung abhängig machen. Als Rechtsgrundlage kommt hier § 36 11 VwVfG in Betracht, weil es sich bei der zugrundeliegenden Norm um einen Ermessenstatbestand handelt. Bei Ermessensakten ergibt sich allerdings die Zulässigkeit einer Nebenbestimmung schon aus Ermessensüberlegungen, so daß sich die Funktion von § 36 11 VwVfG auf eine bloße Legaldefinition zulässiger Nebenbestimmungen reduzieren läßt: Steht der Erlaß des Verwaltungsaktes im Ermessen der Behörde (kann sie ihn folglich rechtsfehlerfrei erlassen oder nicht), so folgt hieraus, daß ihr alle Möglichkeiten zwischen Erlaß und Nichterlaß mit dem Einschluß einer durch Nebenbestimmungen beschränkten Belastung zustehen 472 . Dementsprechend hat das Seeamt Hamburg in einem Spruch473 die Erlaubnis zur Erteilung eines Befähigungszeugnisses niederen Ranges von der Vorlage einer Bescheinigung fehlender Alkoholabhängigkeit abhängig gemacht474 . Diese Auflage wird selten erteilt, kann aber als äußerst zweckdienlich bezeichnet werden. 5. Absicherung der Entziehung durch ein zusätzliches Fahrverbot (§ 19 IV SeeUG) § 19 N SeeUG eröffnet dem Seeamt die Möglichkeit, ein Fahrverbot für Inhaber von Befähigungszeugnissen oder Sportbootfahrerlaubnissen auszusprechen, wenn diese nicht von einer bundesdeutschen Behörde ausgestellt wurden. Diese Regelung ist die Konsequenz von Art. 11 11 des Übereinkommens über die Hohe See von 1958 und Art. 97 11 SRÜ, wonach nur der ausstellende Staat zur Entziehung befugt ist. Entsprechendes gilt für die Befähigungszeugnisse der Binnenschiffahrt, welche die Seeämter wegen ihrer nur auf die Seeschiffahrtsstraßen beschränkten Kompetenz (§ 1 I SeeUG) nicht entziehen können.

Bei einer Alkoholfahrt wird man je nach Alkoholgehalt von einer Ermessensreduzierung entsprechend § 19 I 2 SeeUG ausgehen müssen, eine Reduzierung auf Null ist nach der Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes bei 1,1 0/00 BAK anzunehmen.

472 So auch Stelkens in: StelkenslBonkiSachs, § 36 Rdnr. 61. 473 SeeA Hamburg MS "Nadia" = BOSeeAE 1990, S. 91. 474 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich um eine Auflage (§ 36 II Nr. 4) oder um eine Bedingung (§ 36 II Nr. 2) handelt. Beide Nebenbestimmungen sind zulässig. 13"

196

Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

a) Rechtsgrundlage In der seeamtlichen Praxis wird aber der Anwendungsbereich von § 19 IV SeeUG nicht hierauf beschränkt, sondern auch zur Absicherung einer Entziehung von Befahigungszeugnissen benutzt, wenn nicht auszuschließen ist, daß der Beteiligte eine entsprechende ausländische Befahigung zwecks Umgehung der Entziehung erwerben will oder bereits erworben hat. Das Seeamt Bremerhaven entschied wie folgt 475 : Falls der Beteiligte ein weiteres, nicht von der Bundesrepublik Deutschland ausgestelltes Befähigungszeugnis besitzt oder sich ein solches verschafft, wird für die Dauer der Entziehung des Befähigungszeugnisses AM (12 Monate) ein Fahrverbot als Kapitän für die Seeschiffahrtsstraßen der Bundesrepublik Deutschland verhängt.

Diese erkennbar als Bedingung gewollte Nebenbestimmung des Hauptverwaltungsaktes "Fahrverbot" findet eine Grundlage im SeeUG (enthalten in § 19 IV als Ermessensnorm), aber auch im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht (§ 10 SeeUG i. V.m. § 36 11 Nr. 2 VwVfG). Fraglich ist jedoch, ob das aufschiebend bedingte Fahrverbot wirksam ist. Rechtliche Kriterien der Bedingung (ob nun aufschiebend oder auflösend) sind die Ungewißheit und die Zukünftigkeit des Ereignisses476 . Soweit die vom Seeamt Bremerhaven getroffene Regelung an den Besitz eines ausländischen Befahigungszeugnisses anknüpft, ist sie schon keine Bedingung im rechtlichen Sinne. Denn sie stellt damit auf ein vergangenes oder gegenwärtiges Ereignis ab und ist kaum ungewiß. Das gilt allerdings für das zukünftige "Sich-Verschaffen" nicht. Hier stellt sich aber als Problem dar, daß das Seeamt Bremerhaven zur Zeit des Spruches nicht zum Erlaß des Verwaltungsakts "Fahrverbot" ermächtigt war, da es dem Beteiligten an der Tatbestandsvoraussetzung der Inhaberschaft eines ausländischen Befahigungszeugnisses fehlte. Es kam so praktisch zu einer Vorwegnahme der Eingriffsvoraussetzungen in der Nebenbestimmung. Dies ist nicht möglich, weil sich dann die Verwaltung ihrer Regelungspflicht begibt und die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen zur Zeit des Erlasses fehlen. Das ergibt sich, soweit § 19 IV SeeUG als Rechtsgrundlage der Bedingung angesehen wird, aus der Nichterfüllung des Tatbestandes selbst, soweit auf § 36 11 Nr. 2 zurückgegriffen wird, fehlt es an der Voraussetzung des Hauptverwaltungsakts.

475 SeeA Brernerhaven Gefährdung des BMS "Erich Kieserling" und des FK "Odin II" durch das KMS "Ostwind" = BOSeeAE 1990, S. 195. 476 Vgl. Pawndt, Bürgerliches Gesetzbuch, Einführung von § 158 (Rdnm. 1 und 6).

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

197

b) Bestimmheitsgrundsatz Auch Nebenbestimmungen müssen dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen (§ 37 I VwVfG). Unter diesem Gesichtspunkt wäre in dem vorstehenden Spruch des Seeamtes Bremerhaven die Bedingung genauer zu umschreiben gewesen. Denn nach dem Wortlaut der aufschiebenden Bedingung ist nicht erkennbar, ob das Fahrverbot an den kalendarischen Zeitlauf der Entziehung des Befähigungszeugnisses (12 Monate ab Unanfechtbarkeit) geknüpft werden soll, oder ob der Fristlauf von 12 Monaten Fahrverbot erst mit dem Zeitpunkt des Erwerbes des ausländischen Befähigungszeugnisses beginnen soll. Letzteres kann kaum gewollt sein. Es hätte sich deshalb empfohlen, den Spruch hinsichtlich der aufschiebenden Bedingung wie folgt zu formulieren: Für den Fall des Erwerbes eines ausländischen Befähigungszeugnisses wird ab Inkrafttreten des erworbenen Befähigungszeugnisses bis zum kalendarischen Ende der auf 12 Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung befristeten Entziehung des bundesdeutschen Befähigungszeugnisses ein Fahrverbot für die Seeschiffahrtsstraßen der Bundesrepublik Deutschland verhängt.

6. Sofortige Vollziehungsanordnung (§ 80 1I Nr. 4 VwGO)

Die Seeämter und das Bundesoberseeamt sind nicht auf den schlichten Erlaß des entziehenden Verwaltungsaktes beschränkt. Im Falle eines gesteigerten Vollzugsinteresses besteht die Möglichkeit einer Anordnung nach § 80 11 Nr. 4 VwGO durch den Vorsitzenden (§ 6 III SeeUG)477. Dieser Tatbestand ist seit 1986 jedoch nur mit äußerster Zurückhaltung und nur dann genutzt worden, wenn dem Beteiligten die erforderliche Einsichtsfähigkeit fehlte 478 . Angesichts des mit einem Eignungsmangel einhergehenden Gefährdungspotentials ist die regelmäßige Nichtanwendung von § 8011 Nr. 4 VwGO zu bedauern. Effektive und zügige Gefahrenabwehr gebietet daher bei negativer Prognose regelmäßig ein sofortiges Eingreifen. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen sind bei der Berufsschiffahrt (d.h. in den Fällen des § 19 I SeeUG) das berufliche Verschonungsinteresse (Art. 12 00) dem öffentlichen 477 VG Hamburg MY "Nereus" = BOSeeAE 1992, S. 80 (1. Leitsatz). 478 Soweit erkennbar, ergingen insgesamt folgende fünf Anordnungen seit Inkrafttreten des SeeUG: SeeA Bremerhaven betreffend die Strandung des FK "NC 311 EIbe 2" = BOSeeAE 1987, S. 33 und den Untergang des MS "Auberg" (DI 11/86); SeeA Hamburg über das Festkommen des MS "Clipper 11" (SeeA2 - DI 23/86), bestätigt durch Beschluß des VG Hamburg (VG See 9/87); SeeA Hamburg Dreimastgaffelschoner "Vidar" vom 2.3.1989, durch Anordnung vom 8.4.1989 für sofort vollziehbar erklärt und bestätigt durch Beschluß des VG Hamburg = BOSeeAE 1990, S. 212; SeeA Emden MY "Nereus", Anordnung der sofortigen Voll ziehung vom 18.2.1991 (SeeA - DI 61190 E), bestätigt durch Beschluß des VG Hamburg (VG See 1191) = BOSeeAE 1992, S. 80.

198

Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

Vollzugsinteresse gegenüber zu stellen. Diese Interessenabwägung ist nicht abstrakt zu vollziehen, bedarf vielmehr aller Einzelheiten des konkreten Einzelfalles. Das öffentliche Interesse an der Seeverkehrs- und Schiffssicherheit hat aber regelmäßig einen sehr hohen Stellenwert, so daß es in den meisten Fällen nur von dem Ausmaß der beruflichen Beeinträchtigung abhängt, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung Bestand haben kann. In der Sportschiffahrt jedoch (also in den Fällen von § 19 III SeeUG) sind die privaten Interessen von vornherein als äußerst gering anzusehen, so daß hier die Anordnung nach § 80 11 Nr. 4 VwGO leichter fallen und damit die Regel sein wird479 . Denn es ist nur eine Abwägung zwischen dem Gefährdungspotential bei Belassen der Fahrerlaubnis und dem Freizeitinteresse des Beteiligten, Freude und Erholung durch Betreiben eines eigenen Bootes zu erfahren, zu vollziehen480 . 7. Ist eine Flexibilisierung der Rechts/olgen empfehlenswert ? Wie dargestellt, beschränken sich die zulässigen Rechtsfolgen auf die dauerhafte (§ 19 I 1 SeeUG) und die befristete Entziehung von mindestens einem Jahr (§ 19 VI SeeUG) sowie die Möglichkeit, ein höherrangiges Befahigungszeugnis abzuerkennen, die Ausstellung eines Befahigungszeugnisses niederer Ordnung aber zuzulassen (§ 19 11 SeeUG). Diesbezüglich, aber auch hinsichtlich der Wiederaushändigung der befristet entzogenen Berechtigung ist nach geltendem Recht eine Auflage möglich (§ 19 VI 3 SeeUG). Die de lege lata nicht haltbare aufschiebend bedingte Entziehung von Berechtigungen offenbart das Bemühen der Seeämter und des Bundesoberseeamtes, die gebundene Rechtsfolge des § 19 I 1 SeeUG zu flexibilisieren. Dieses Bemühen drückt ein gewisses Bedürfnis an einem breiteren Entscheidungsspielraum der Seeämter und des Bundesoberseeamtes aus. Die starre Entscheidung des "entweder - oder" besteht in vergleichbaren Regelungsbereichen nicht. So zeigt ein Blick auf das Straßenverkehrsrecht, daß die Straßenverkehrsbehörde entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein breites Spektrum an Entscheidungsmöglichkeiten hat: Bei nachträglich eingetretener beschränkter Eignung kann die Fahrerlaubnis eingeschränkt bzw. können Auflagen gemacht werden (§ 15 b I a StVZO)481, nur die generelle Nichteignung hat zwingend die Entziehung zur Folge (§§ 4 StVG, 4 - 15 479 Vgl. VG Hamburg Dreimastgaffelschoner "Vidar" = BOSeeAE 480 VG Hamburg MY "Nereus"

1990, S. 212 (216).

= BOSeeAE 1992, S. 80.

481 Das OVG Bremen (NJW 1980, S. 2371) hat entschieden, daß die Fahrerlaubnis bei nachträglicher Eignungsrninderung aufgrund des Oberrnaßverbots zwingend beim Inhaber zu belassen ist, soweit Auflagen zur Abwehr der Gefahr ausreichen. Die Verwaltungsbehörde hat dabei keine bis ins Detail gehende Prüfungspflicht (OVG Koblenz, VRS 54, S. 315 (317).

2. Kapitel: Die materielle Entziehungsbefugnis

199

StVZO). Wenn diese Rechtsfolgenvielfalt schon in den Fällen gilt, in denen Art. 12 GG nicht so stark berührt ist wie durch eine Maßnahme nach § 19 I SeeUG, so muß bei § 19 I SeeUG aufgrund der gesteigerten Empfindlichkeit behördlicher Eingriffe dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein um so stärkeres Gewicht verliehen werden. Rechtspolitisch empfiehlt sich daher eine Rechtsgrundlage für personenbezogene Gefahrenabwehr unterhalb der Entziehung von Befähigungszeugnissen . Eine rechtspolitisch zu schließende Lücke kann deshalb im Fehlen einer Rechtsgrundlage für schlichte Auflagen erblickt werden. Zwar kann der Seeamts spruch auch schon heute bestimmte Verhaltenspflichten auferlegen. Beispielsweise findet sich in einem Spruch des Seeamtes Hamburg in bezug auf einen Beteiligten, der lediglich die Befähigung AKW innehat, folgende "Auflage"482: Ein Befähigungszeugnis zum Kapitän AK darf dem ersten nautischen Offizier ... nicht vor Ablauf von einern Jahr nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Spruches erteilt werden. Voraussetzung für die Erteilung des Befähigungszeugnisses AK ist, daß er sich mit dem Befähigungszeugnis AKW mindestens ein Jahr bewährt ....

Solche "Auflagen" haben jedoch nur den Charakter von Empfehlungen. Sie sind (mangels Rechtsgrundlage) nicht verbindlich und deshalb auch nicht durch Vollstreckungsmaßnahmen durchzusetzen. Weder eröffnet das SeeUG eine entsprechende Entscheidung, noch kommt § 36 11 Nr. 4 VwVfG als Rechtsgrundlage in Betracht. Anknüpfungsfähig müßte nämlich die Feststellung fehlerhaften Verhaltens als Hauptverwaltungsakt sein. Die Feststellung fehlerhaften Verhaltens ist jedoch bloß ein Teil des seeamtlichen Unfallgutachtens und hat selbst keine Verwaltungsaktsqualität483 . Es bietet sich an, die Feststellung eines Fehlverhaltens als Anknüpfungspunkt einer Auflage auszuwählen. Dies eröffnete die Möglichkeit, bei einem Fehlverhalten oder bei einer positiven Prognose des Eigenschaftsmangels einer befürchteten zukünftigen Gefährdung durch fachliche Defizite Beteiligter entgegenzutreten. Praktikabel wäre ein solches Verfahren allerdings nur hinsichtlich der sachgemäßen Auferlegung von Pflichten zur fachlichen Weiterbildung, die keinen befristeten Ausschluß von der Schiffahrt erfordern, weil sie etwa während eines sowieso bestehenden Landurlaubs zu erfüllen sind (z.B. Radarkurs). Der Vorteil einer solchen Auflagenbefugnis wäre die Nichtberührung des Art. 12 GG, denn es handelte sich allenfalls um eine Berufsausübungsregelung. Denn der Beteiligte dürfte weiter zur See fahren. Darüberhinaus erscheint die Mindestfrist für die zeitlich begrenzte Entziehung (1 Jahr gem. § 19 VI 2 SeeUG) als zu lang. Sie wäre zu streichen. Denn 482 SeeA Harnburg MS "Inga B" = BOSeeAE 1990, S. 302. 483 Siehe oben Teil 1, 2. Kapitel, C. = S. 69ff.

200

Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

Zeit und Ausmaß eines Eigenschaftsmangels sind äußerst verschieden. Sie können nicht nur unterschiedlich intensiv sein, sondern entsprechend der zu treffenden Prognose des Seeamtes auch für eine unterschiedlich lange Zeit vorliegen. Daraus resultiert eine Vielfalt an personenbezogenen Gefährdungen, die eine Vielfalt an behördlichem Reaktionsspielraum erfordert. Gesetzt den Fall, daß das Seeamt zu der Überzeugung kommt, der Eigenschaftsmangel des Beteiligten lasse sich durch den Besuch eines kurzen (z.B. 3-monatigen) Fachlehrgangs beheben 484 und der Beteiligte könne sodann durchaus wieder zur See fahren, so erscheint die Mindestentziehungsdauer von einem Jahr unverhältnismäßig hoch, da die Gefährdung noch vor Ablauf dieser Frist abzustellen ist. Die Zulassung einer geringeren als der I-jährigen Mindestfrist entspricht dem US-amerikanischen Recht, welches eine Entziehung ab einem Monat vorsieht485 . Auch § 24 SeeUO der ehemaligen DDR enthielt keine Mindestfrist von einem Jahr, während § 2 11 des Gesetzes über die Errichtung einer Disziplinargerichtsbarkeit für die Handelsmarine von 1941 486 eine Mindestfrist von einem Monat vorsah. Weiterhin wäre eine Norm zu schaffen, die die Anrechnung einer vorläufigen Entziehung (§ 14 VI SeeUG) als verbindlich vorschreibt. Die bis heute bestehende Bedeutungslosigkeit von § 14 VI SeeUG487 liegt nämlich auch darin begründet, daß dem Beteiligten angesichts der Dauer seeamtlicher und bundesoberseeamtlicher Entscheidungsprozesse schnell eine zwei- bis dreijährige, vorläufige Entziehung drohen kann. Dies entspräche dem grundrechtlich weit weniger empfindsamen Straßenverkehrsrecht. Dort nämlich wird nach § 69a IV 1 StGB die Zeit der vorläufigen Entziehung auf die Dauer der Sperre488 zwingend angerechnet (dabei darf die Sperre insgesamt 3 Monate jedoch nicht unterschreiten, § 69a IV 2 StGB). Entsprechendes gilt gemäß § 450 11 StPO für ein Fahrverbot nach § 44 StGB. Wenn aber im Straßen verkehrsrecht die bis zum gerichtlichen Verfahren andauernde vorläufige Entziehung angerechnet wird, so muß, gerade weil die Vorbereitung und Durchführung einer seeamtlichen Untersuchung noch viel mehr Zeit in Anspruch nimmt und die seeamtliche Entziehung einer Berechtigung wegen Art. 12 GG wesentlich stärkere Grundrechtsrelevanz hat, eine entsprechende Regelung erst recht im SeeUG geschaffen werden. Hiermit würde der entscheidende Hemmschuh beseitigt, der die Seeämter heute noch von der Anwendung des 484 Dieser Gedanke liegt der Befristung zugrunde, vg!. die amtliche Begründung zum SeeUG BI-Drs. 10/3312 (S. 28). 485 Vg!. § 5.20-165 Suspension and Revocation Proceedings Regulations. 486 Vom 10.1.1941 (RGB!. I S. 38). 487 Eines der wenigen Verfahren, in denen eine entsprechende Anordnung erging, war SeeA Bremerhaven MS "Kismet" = BOSeeAE 1987, S. 80. 488 Diese beträgt von 6 Monaten bis zu 5 Jahren (§ 69a I 1 StGB).

3. Kapitel: Ergebnis des 2. Teils

201

§ 14 VI SeeUG abhält. Es wäre danach de lege ferenda ein neuer § 19 VI S. 3 zu verankern 489 : War dem Beteiligten das Befähigungszeugnis vorläufig entzogen (§ 14 VI I), so verkürzt sich die Mindestfrist der Entziehung um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war.

3. Kapitel

Ergebnis des 2. Teils Die Untersuchung der formellen und materiellen Voraussetzungen der Entziehung von Berechtigungen gern. § 19 SeeUG läßt sich in den folgenden Ergebnissen zusammenfassen: 1. In der Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes sind insbesondere bei der Auslegung des Seeunfallbegriffs restriktive und nicht richtig begründetete Tendenzen erkennbar, die dazu führen könnten, für die Sicherheit der Seeschiffahrt bedeutsame Unfälle aus der Seeunfalluntersuchung auszuschließen. Dies gilt für die sorgfältig begründete und unter dem Aspekt der Rechtssicherheit auch zu begrüßende Spruchpraxis zu den Eigenschaften seegehender Sportboote in gleichem Maße wie für das - im übrigen auch defizitär begründete - Erfordernis einer konkreten Gefährdung als sachliches Kriterium eines Seeunfalls i.S. v. § 1 11 Nr. 1 SeeUG. 2. Die Entziehung einer Berechtigung rechtfertigt sich allein aus präventiven Gründen. Insofern hat die Entziehung von Berechtigungen die gleiche Zielrichtung wie der objektiv-gutachtliche Untersuchungsauftrag. Die Spruchpraxis der Seeämter und des Bundesoberseeamtes teilt diese Auffassung von Sinn und Zweck seeamtlicher Tätigkeit. 3. Der Charakter des SeeUG als spezielles Gefahrenabwehrrecht ist von Bedeutung für die Auslegung des Tatbestandes von § 19 SeeUG. Bei der Prüfung des Fehlens einer berufserforderlichen Eigenschaft sind zwei Denkschritte zu vollziehen: Zunächst ist ein aktueller Eignungsmangel festzustellen, sodann ist dessen Entwicklung in der Person des Beteiligten zu prognostizieren. An der Prognose alleine ist die Rechtsfolge zu bemessen. Weist der Beteiligte zwar einen aktuellen Eigenschaftsmangel auf, besteht aber eine positive Prognose, so darf eine Entziehung nicht erfolgen. Dabei ist die Ab489 Der jetzige Satz 3 wird Satz 4.

202

Teil 2: Die Entziehung von Berechtigungen

sicherung einer positiven Prognose durch eine aufschiebende Bedingung rechtswidrig. 4. Die Beurteilung der in der Seeschiffahrt berufserforderlichen Eigenschaften Beteiligter obliegt alleine den Spruchkörpem des Seeamtes und des Bundesoberseeamtes. Sie sind hierfür in besonderer Weise qualifiziert, ihre Entscheidungsfindung ist unvertretbar. Die Mitwirkung der ehrenamtlichen Beisitzer entfaltet nur dann einen Sinn in der Rechtswirklichkeit, wenn ihre Entscheidungen und Feststellungen nicht durch einzelne Sachverständige gerichtlich aufgehoben werden können. Ansonsten wäre ihre Mitwirkung bloß formal und praktisch bedeutungslos. Das kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Diesen Argumenten folgend hat das BVerwG jedenfalls schon die Feststellungen nach § 17 11 Nm. 1 und 2 als gerichtlich nur beschränkt überprüfbar angesehen. Bei konsequenter Gedankenführung wird eine entsprechende Entscheidung zu § 1711 Nr. 3 bzw. § 19 SeeUG zu erwarten sein. 5. Effektive Gefahrenabwehr gebietet ein Eingreifen, bevor das Seeamt sich in der mündlichen Verhandlung von dem Fehlen einer berufserforderlichen Eigenschaft "überzeugt" hat. Angesichts der auf Grund der technischen Entwicklung und der wachsenden Schiffsgrößen steigenden Risiken, die mit einem Eignungsmangel von Schiffsoffiziem und Kapitänen verbunden sind, müßte ein Einschreiten schon im Vorfeld des Seeunfalles möglich sein 490 . Da die Zuständigkeit der Seeämter an einen Seeunfall gebunden ist, müßten sie unmittelbar nach Kenntnis von einem Seeunfall zügig eingreifen und Beteiligte aus dem Verkehr ziehen, die eine Gefährdung der Sicherheit des Schiffsverkehrs darstellen. Ihnen ist deshalb dringend anzuraten, vermehrt von der Möglichkeit einer vorläufigen Entziehung gemäß § 14 VI SeeUG Gebrauch zu machen. Diese durch das SeeUG 1986 geschaffene Eingriffsgrundlage zur einstweiligen Sicherung der Schiffahrt ist bisher ohne praktische Bedeutung. Die hierfür erforderliche summarische Prüfung dringender Verdachtsmomente kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Gerade in Alkoholfällen, die den weit überwiegenden Teil seeamtlicher Entziehungen ausmachen, drängt sich eine solche Maßnahme auf. Sie entspricht dem Straßenverkehrsrecht, wo nach einer polizeilichen Eilmaßnahme der Richter über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ lIla StPO) befindet und bei Alkoholisierung auch regelmäßig ausspricht. Im Unterschied zum StVG wird der Vorsitzende des Seeamtes, in dessen Entscheidungsbereich allein die vorläufige Entziehung fällt (§ 6 III SeeUG) , jedoch die beruflichen Interessen des Beteiligten zu würdigen und zu gewichten haben. Die vorläufige Entziehung auf der Grund490 Zu erinnern ist hier nur an die durch Unfähigkeit bzw. Trunkenheit der Schiffsfiihrung verursachten Oltankerkatastrophen der "Exxon Valdez" vor Alaska oder der "Haven" vor Genua. Diese Aufgabe fällt allerdings noch nicht in die Kompetenz der Seeämter und des Bundesoberseeamts und soll daher nicht Gegenstand der Erörterung sein.

3. Kapitel: Ergebnis des 2. Teils

203

lage von § 14 VI SeeUG ist auch für den Beteiligten mit einem angenehmen Begleiteffekt verbunden: Sie würde nämlich über die Vorschrift des § 9 I GOSeeÄ zu einer zügigeren Terminierung führen. Unter dem Aspekt effektiver Gefahrenabwehr müßten die Seeämter auch häufiger von der Befugnis der sofortigen Vollziehungsanordnung gern. § 80 11 Nr. 4 VwGO Gebrauch machen. 6. Dem Gesetzgeber ist anzuraten, die Rechtsfolgen im SeeUG zu flexibilisieren. Zu schaffen wäre eine Eingriffsgrundlage unterhalb des Entziehungstatbestandes. Es bietet sich insoweit an, unter der Voraussetzung eines fehlerhaften Verhaltens eine schlichte Auflagenbefugnis zum Ausgleich fachlicher Defizite zu schaffen, die einen grundrechtsrelevanten Ausschluß aus der Berufsschiffahrt alleine noch nicht rechtfertigen (Fälle positiver Prognose). Dies wäre ein Ersatz für die nach geltendem Recht unzulässige, aufschiebend bedingte Entziehung einer Berechtigung. Dienlich wäre auch die Streichung der Mindestfrist in § 19 VI SeeUG, zwingend erforderlich dagegen ist die obligatorische Anrechnung vorläufiger Maßnahmen, um die Bedeutung von § 14 VI SeeUG zu heben.

Anhang

Obersicht 1 Den Verlust einer Berechtigung auslösendes Fehlverhalten nach § 5.20-165 Suspension and Revocation Proceedings Regulations l

Vorwurf

I

Anzahl der Pflichtverstöße und Dauer der Entziehung2

1.

2.

3.

4.

5.

Gruppe Al Abwesenheit länger als erlaubt Abwesenheit ohne Erlaubnis Versäumter Bordgang (Heimathafen) Unbeabsichtigte Pflichtverletzung Unbeabsichtigte Regelverletzung

V

1-0

3-0

6-0

E

Gruppe A2 Rauschbedingte Unruhestiftung Versäumter Bordgang (Ausland) Pflichtverletzung

V

2-0

4-0

E

-

übersetzungen des Verfassers

2 "V" bedeutet Verwarnung, "E" dauerhafte Entziehung des Befähigungszeugnisses. Die Angabe von Zahlen stellen den in Monaten angegebenen zeitlichen Rahmen für die Entziehung von Befähigungszeugnissen dar: 3-0 bedeutet zum Beispiel, daß eine Entziehung von bis zu 3 Monaten möglich ist.

205

Anhang Fortsetzung Übersicht 1

Vorwurf

Anzahl der Pflichtverstöße und Dauer der Entziehung

1.

2.

3.

4.

s.

Gruppe B illegaler Schmuggelversuch Böswilliges Verlassen des Schiffes (Heimathafen) Versäumte Seeunfallmeldung Versäumte Erstellung des Ladungsverzeichnisses Vernachlässigung von Pflichten Besitz von berauschendem Alkohol Besitz von Feuerwaffen Schlafen während der Wache ProfaneIbedrohende Sprache gegenüber Vorgesetzten Vorsätzliche Regelverletzung Vorsätzliche Nichtbeachtung einer rechtmäßigen Anordnung

6-0

6-12

E

-

-

Gruppe C Tätliche Bedrohung

1-0

4-0

E

-

-

Gruppe D Vorsätzliche Pflichtverletzung illegaler Besitz von Ladung/Schiffsausrüstung Beschädigung von SchifflLadunglPersonal (einfache Fahrlässigkeit) Diebstahl von Ladung/Schiffsausrüstung Verweigerung von Pflichten Verkauf von Schiffs ausrüstung Diebstahl

3-0

12-0

E

-

-

206

Anhang

Fortsetzung Obersicht 1

Vorwurf

Gruppe E Tätliche(r) Bedrohung/Angriff Tätliche Bedrohung mit gefährlichem Werkzeug (ohne Verletzung) Zerstörung von Ladung/Schiffsausrüstung Böswilliges Verlassen des Schiffes (Ausland) Wiederholte Nichtbeachtung einer rechtmäßigen Anordnung Veruntreuung von Ladung/Schiffsausrüstung Beschädigung von SchifflLadung/ Personal (vorsätzlich) Einmischung in Angelegenheiten des Kapitäns/SchiffsoffIziers/ Regierungsbeamten Schmuggel Verkauf von berauschendem Alkohol

Anzahl der Pflichtverstöße und Dauer der Entziehung

1.

2.

3.

4.

S.

6-0

E

-

-

-

E

-

-

-

-

Gruppe F Tätliche Bedrohung mit gefährlichem Werkzeug Boshafte Zerstörung der Schüfsausrüstung Fehlverhalten (welches Tod/ernsthafte Verletzung zur Folge hat Belästigung von Passagieren ~ord~ordversuch ~euterei

Besitz/GebrauchNerkauf von Drogen Sabotage Ernsthafte Pflichtverletzung Schwerer Diebstahl von Schüfsausrüstung illegale ~itnahme von Ausländern

Anhang

207

Obersicht 2 Die absolute und relative Häufigkeit der Nennung von Eigenschaften in (ober-) seeamtlichen Sprüchen seit 18783

Zahl der Nennungen

AnteU an Nennungen

Verantwortungsbewußtsein, Verantwortungsgefühl, Verantwortlichkeit

85

(11,8%)

Nautische, technische und seemännische Kenntnisse, Kenntnis der Vorschriften und Gesetze sowie Wille zu deren Einhaltung , allgemeine nautische Eignung und Verständnis

81

(11,4% )

Pflichtbewußtsein, Pflichttreue, Pflichtgefühl, Pflichtverständnis , Pflichtauffassung, Dienstinteresse

75

(10,7%)

Sorgfalt

60

(8,5%)

Umsicht

54

(7,7%)

Eigenschaft

3 Bei den übersichten 2 und 3 sind berücksichtigt bis zum März 1995 veröffentlichte Entscheidungen. In der ersten Spalte der übersicht sind die verschiedenen Eigenschaften nach der Häufigkeit ihrer Nennung aufgeführt, in der zweiten Spalte werden die prozentualen Anteile im Verhältnis zur Gesamtzahl der Nennungen ausgeworfen. Mehrfachnennungen von Eigenschaften in einem Spruch sind möglich und in der übersicht enthalten. Die Bildung der einzelnen Begriffsgruppen dient der übersichtlichkeit und damit der notwendigen Konturierung des Tatbestandes, Überschneidungen sind damit aber nicht ausgeschlossen.

208

Anhang

Fortsetzung Übersicht 2 Zahl der Nennungen

Anteil an Nennungen

Mut, Entschlossenheit, Initiative, Entschlußkraft, Entschlußfreude, Entschlußfahigkeit, Tatkraft und Energie

45

(6,4%)

Vorsicht

45

(6,4%)

Überlegung, Übersicht, Beurteilungsfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Urteilskraft

39

(5,5%)

Gewissenhaftigkeit

36

(5,1 %)

Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Geistesgegenwart

34

(4,8%)

Charakterliche Zuverlässigkeit, Charakterfestigkeit

33

(4,7%)

Besonnenheit, Ruhe, Kaltblütigkeit, Nüchternheit (im Sinne von Besonnenheit)

28

(4,0%)

Gesetzliche Vermutung (§ 19 I 2 SeeUG, seit dem 1.10.1986)

19

(2,7%)

Eigenschaft

209

Anhang Fortsetzung Übersicht 2 Zahl der Nennungen

Anteil an Nennungen

Willenskraft, Behauptung gegenüber dem Alkohol

11

(1,6%)

Selbständigkeit

10

(1,4% )

Durchsetzungskraft, Autorität, Entschiedenheit

7

(1,0%)

Erfahrung

5

(0,7%)

Diverse weitere Eigenschaften: Geistige Eigenschaften, Gehorsam, körperliche Eigenschaften, Rechtsgefühl, Reife, Vertrauenswürdigkeit, WahrheitsliebelEhr lichkeit

je 3

(0,4%)

Anständigkeit, Einsicht, geistige Klarheit, Kameradschaftlichkeit

je 2

(0,3%)

Ehrgefühl, Fähigkeit zur Wahrung deutschen Interesses im Ausland, Fürsorge, menschliches Mitgefühl, Seemannschaft, Selbstbewußtsein, Selbstvertrauen

je 1

(0,1%)

Eigenschaft

Selbstbeherrschung, Manneszucht, Selbstzucht, moralische/sittliche Kraft und Befähigung,

14 Henrikscn

Anhang

210

Obersicht 3 Die absolute und relative Häufigkeit der Nennung von Eigenschaften in (ober-) seeamtllchen Sprüchen seit 1950

Zahl der Nennungen

Anteil an Nennungen

Verantwortungs bewußtsein , Verantwortungsgefühl

50

(49,0%)

Gesetzliche Vermutung (§ 19 I 2 SeeUG, seit dem 1.10.1986

20

(19,6%)

Nautische Eignung

7

(6,9%)

Charakterliche Zuverlässigkeit

6

(5,9%)

Bereitschaft, Wille und Einsicht zur Achtung der Rechtsordnung

4

(3,9%)

Pflichtbewußtsein , Pflichtgefühl, Pflichtauffassung

4

(3,9%)

Entschlußkraft, Entschlußfreude, Initiative

3

(2,9%)

Selbstbeherrschung

2

(2,0%)

je 1

(1,0%)

Eigenschaft

Fähigkeit und Wille zum Dienst ohne Alkohol, Reife, Seemannschaft, Sorgfalt, Vorsicht, Wissen und Können im Sicherheitsdienst

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