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German Pages 355 Year 2010
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 59
Sebastian Derrer – ein Freiburger Rechtsgelehrter der frühen Neuzeit und sein Werk Zugleich ein Beitrag zur Epoche der humanistischen Jurisprudenz
Von Martin Kiefer
Duncker & Humblot · Berlin
MARTIN KIEFER
Sebastian Derrer – ein Freiburger Rechtsgelehrter der frühen Neuzeit und sein Werk
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.
Neue Folge · Band 59
Sebastian Derrer – ein Freiburger Rechtsgelehrter der frühen Neuzeit und sein Werk Zugleich ein Beitrag zur Epoche der humanistischen Jurisprudenz
Von Martin Kiefer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand in den Jahren 2005 bis 2008 am Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der AlbertLudwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Sie wurde im Jahr 2009 von der Juristischen Fakultät als Dissertation angenommen. Ganz besonders danken möchte ich meiner verehrten Doktormutter, Frau Professor Dr. Karin Nehlsen-von Stryk. Sie hat von meinem ersten Semester an mit ihrer begeisternden Lehre in Vorlesungen, Seminaren und Exegesen mein großes Interesse für die deutsche und europäische Rechtsgeschichte geweckt. Nach meinem Ersten Juristischen Staatsexamen im Winter 2004/2005 hat sie mich zum Thema dieser Arbeit inspiriert und motiviert. Zu jedem Zeitpunkt stand sie mir als hilfsbereite und wohlwollende Doktormutter zur Seite. Mein Dank gilt ferner Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Karl Kroeschell. Als Zweitgutachter hat er seine Bewertung zügig erstellt und so dazu beigetragen, dass das Promotionsverfahren in überschaubarer Zeit abgeschlossen werden konnte. Bedanken möchte ich mich außerdem bei den stets hilfsbereiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau, die mir bei meiner zeitaufwändigen Arbeit insbesondere im dortigen Sonderlesesaal fast jeden Wunsch nach historischen Dokumenten und alten Drucken erfüllen konnten, die mein Projekt erforderte. Dank sagen möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsbibliothek Basel und der Bayerischen Staatsbibliothek in München sowie Herrn Dr. Wilfried Sponsel, dem Leiter des Archivs der ehemals Freien Reichsstadt Nördlingen, in der Sebastian Derrer Ende des 15. Jahrhunderts geboren wurde. Auch meinem ehemaligen langjährigen Lateinlehrer, Herrn Studiendirektor i. R. Hans-Jürgen Günther, möchte ich danken. Er hat in mir die Liebe zur lateinischen Sprache geweckt und mir während meiner Gymnasialzeit jenes Wissen vermittelt, ohne das mein Projekt bereits an der Sprache der Humanistenjuristen gescheitert wäre. Großer Dank gebührt schließlich der Stiftung „Humanismus Heute“ des Landes Baden-Württemberg und der „Freiburger Rechtshistorischen Gesell-
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Vorwort
schaft“, die mir durch einen jeweils großzügig bemessenen Zuschuss die Drucklegung meiner Arbeit zu finanzieren geholfen haben. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meinen geliebten Eltern bedanken, ohne die diese Arbeit nicht möglich geworden wäre. Sie haben mich von Anfang an zu diesem Vorhaben ermutigt und mich jederzeit so unterstützt, dass ich mich mit ganzer Kraft meiner Dissertation widmen konnte. Freiburg im Breisgau, im Sommer 2009 Martin Kiefer
Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 20 21 24
B. Lebensstationen von Sebastian Derrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beruflicher Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privater Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 38 47
C. Humanistische Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsstil des mos gallicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ordnungsvorstellungen und Systemdenken in der humanistischen Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49 50
Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540) . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturgattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Werk als Antwort auf den Status quo der Rechtswissenschaft . . . Exkurs: Derrers Mitteilung über angebliche zivilrechtliche Kodifikationsbestrebungen Kaiser Maximilians I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Das I. II. III. IV. V.
Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturgattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweggründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung des Systems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterentwicklung der Trichotomie der Institutionen (personae, res, actiones) zur Derrerschen Tetrachotomie (persona, res, commercium, persecutio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Größenverhältnis der dem Typus Iurisprudentiae immanenten Rechtsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
E. Das I. II. III. IV. V. VI.
58 62 62 67 72 89 94 101 184 199 221 225 225 232 234 234 236
246 264
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Inhaltsübersicht VIII. Hochrechnung der zehnbändigen Größe der geplanten Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Mögliche Aufteilung des zehnbändigen Werks der Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Systemdivergenzen zwischen dem Typus Iurisprudentiae und dem Iurisprudentiae Liber primus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274 281
kurze Abhandlung – Epitome Iurisdictionum et Regalium (1568) . . . Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturgattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285 285 287 287 288 293
F. Eine I. II. III. IV. V.
269 272
G. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Literatur und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beruflicher Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zeit bis zur Aufnahme des Studiums an der Albertina . . . . . . . 2. Studienzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rektor der Freiburger Lateinschule. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Universitäre Lehrtätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Professor für Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Professor für Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonstige Universitätsämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privater Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lebensende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 29 30 31 32 34 34 37 38 39 41 47
C. Humanistische Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsstil des mos gallicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ordnungsvorstellungen und Systemdenken in der humanistischen Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540) . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgabe von 1540 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgabe von 1552 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Heutiger Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Literaturgattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterrichtsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematische Teil- oder Gesamtdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teil- oder Gesamtdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zu Kapitel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62 62 67 68 70 71 72 74 79 80 81 89
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Inhaltsverzeichnis IV. V. VI.
Das Werk als Antwort auf den Status quo der Rechtswissenschaft . . . . Exkurs: Derrers Mitteilung über angebliche zivilrechtliche Kodifikationsbestrebungen Kaiser Maximilians I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswissenschaftlicher Systementwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darstellung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nach Derrers Gliederungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach heutigem Gliederungsmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Iurisprudentia – Ausgangspunkt der gesamten Derrerschen Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Divinum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Humanum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Iuris obiectum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Personae status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Alieni iuris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sui iuris. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Personae conditio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ingenui . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ingenuis deteriores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Personae defensio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Tutela. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Cura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis zu Kapitel aa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Res, Commercium und Persecutio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorgehen nach der so genannten dihairetischen Methode . . . . . . . . . a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äußerungen der Vorwortautoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Derrers Äußerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umsetzung der Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abweichung von der quellenmäßigen Bücher- und Titelordnung . . a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äußerungen der Vorwortautoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Derrers eigene Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Tatsächliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Innerer oder äußerer Systementwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Derrers System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis zu Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89 94 101 102 103 103 107 109 111 113 115 118 122 123 124 128 134 137 138 147 151 152 154 154 155 155 159 160 161 165 165 165 166 171 172 173 174 174 180 181
Inhaltsverzeichnis
13
7. Ergebnis zu Kapitel VI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Äußerer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einteilung in Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innerer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konnexität von System und Darstellungsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ius (Titel 1 bis 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Iuris obiectum (Titel 8 bis 51) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zu Kapitel VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerhalb des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Werk einleitende Carmina und Praefationes . . . . . . . . . . . . . aa) Joachim Mynsinger von Frundeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gerardus Cisanus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Claudius Glannaeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Iacobus Metensis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Guilhelmus Barotius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Petrus Petremandus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwischenergebnis zu Kapitel a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Erwähnung und Erörterung des Werks in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ulrich Zasius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Johann Fichard. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Johannes Drosaeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Konrad Gesner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Jakob Spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Johann Baptist Zilettus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwischenergebnis zu Kapitel b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heinrich Christian von Senckenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Johann Friedrich Burcklin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Johann August Roderich von Stintzing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zu Kapitel VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182 184 184 184 186 188 188 194 196 198 199 200 200 200 203 204 204 205 205 209
Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturgattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweggründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225 225 232 234 234
E. Das I. II. III. IV.
209 209 210 212 213 214 215 215 216 217 218 220 220 221 221
14
Inhaltsverzeichnis V.
Darstellung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nach Derrers Gliederungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nach heutigem Gliederungsmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weiterentwicklung der Trichotomie der Institutionen (personae, res, actiones) zur Derrerschen Tetrachotomie (persona, res, commercium, persecutio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einflüsse durch den Brachylogus Iuris Civilis bzw. Johann Apels Opera? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Logik und Stringenz des Gesamtsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Res . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Commercium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Persecutio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Größenverhältnis der dem Typus Iurisprudentiae immanenten Rechtsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Größenverhältnis der einzelnen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Größenverhältnis zwischen dem ius- und dem iuris-obiectum-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Größenverhältnis innerhalb des iuris-obiectum-Bereichs . . . . . . . . . . VIII. Hochrechnung der zehnbändigen Größe der geplanten Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Mögliche Aufteilung des zehnbändigen Werks der Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Systemdivergenzen zwischen dem Typus Iurisprudentiae und dem Iurisprudentiae Liber primus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ius-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persona-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Eine I. II. III. IV.
V.
kurze Abhandlung – Epitome Iurisdictionum et Regalium (1568) . . . Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturgattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Iurisdictio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
236 236 243
246 247 250 251 255 257 264 265 267 268 269 272 274 275 280 281 285 285 287 287 288 288 290 293
G. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Literatur und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Abbildung 2: Abbildung 3:
Epitaph zu Ehren Sebastian Derrers im Freiburger Münster (bis 1793) (Geissinger, Abschriften von Epitaphien und Grabschriften, S. 226) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Druckersignet der Gebrüder Frellon im Iurisprudentiae Liber primus (Lyon 1540) (fol. Dd 4 v.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Titelseite des Iurisprudentiae Liber primus (Lyon 1540) (fol. a r.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
Abbildung 4:
System des Iurisprudentiae Liber primus nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle 1) (S. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Abbildung 5:
System des Iurisprudentiae Liber primus nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle 2) (S. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Abbildung 6:
System des Iurisprudentiae Liber primus nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle 3) (S. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Abbildung 7:
Systemschema des Iurisprudentiae Liber primus nach heutigem Gliederungsmuster (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . 107/108
Abbildung 8:
Titelübersicht des Iurisprudentiae Liber primus (Eigene Darstellung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189/190
Abbildung 9:
Schwerpunkte des Darstellungsteils im Iurisprudentiae Liber primus (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
Abbildung 10: Titelseite des Typus Iurisprudentiae (Basel 1567) (fol. 3 r.) . . . 233 Abbildung 11: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle A) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Abbildung 12: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle B) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Abbildung 13: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildung 14: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle D) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Abbildung 15: System des Typus Iurisprudentiae in Zusammenfassung auf sechs Ebenen (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 243–246 Abbildung 16: Größenverhältnis der 14 im Typus Iurisprudentiae verwendeten Ebenen (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Abbildung 17: Größenverhältnis zwischen dem ius- und dem iuris-obiectumBereich im Typus Iurisprudentiae (Eigene Darstellung) . . . . . . . 267
16
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 18: Größenverhältnis innerhalb des iuris obiectum im Typus Iurisprudentiae (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Abbildung 19: Mögliche Aufteilung der geplanten Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . 273 Abbildung 20: Ius-Bereich im Iurisprudentiae Liber primus und im Typus Iurisprudentiae (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Abbildung 21: Persona-Bereich im Iurisprudentiae Liber primus und im Typus Iurisprudentiae (Eigene Darstellung). . . . . . . . . . . . . . . 278/279 Abbildung 22: Titelseite der Epitome Iurisdictionum et Regalium (Basel 1568) (fol. * 1 r.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Abbildung 23: Titelübersicht der Regalien innerhalb der Epitome Iurisdictionum et Regalium (Eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Abbildung 24: Gesamtsystem des Typus Iurisprudentiae nach heutigem Gliederungsmuster (Eigene Darstellung). . . . . . . . . . . . . . . . . . 302–331
Abkürzungsverzeichnis bzw. C. D. ders. ed. etc. f. ff. Fn. fol. Hrsg. I. I. U. LL./ll. Nr. P. V. pr. r. Rn. S. S. D. P. S. P. Sp. u. a. v. Vgl. V. I. D. zit.
beziehungsweise Kodex (Corpus Iuris Civilis) Digesten (Corpus Iuris Civilis) derselbe editio (Ausgabe) et cetera (und so weiter) folgende Seite folgende Seiten Fußnote folium (Seite) Herausgeber Institutionen (Corpus Iuris Civilis) Iuris Utriusque (beider Rechte) Legum (im Sinne des Zivilrechts) Nummer Praestantie Vestre (Abschlussformel) principium (Anfang) recto (Vorderseite eines einseitig paginierten Blatts) Randnummer Seite Salutem Dicit Plurimam (Anredeformel) Salutem Plurimam (Anredeformel) Spalte und andere verso (Rückseite eines einseitig paginierten Blatts) Vergleiche Vestrae Illustrissimae Dominationi (Angabe, in wessen Dienst jemand steht) zitiert
A. Einführung Sebastian Derrer – ein Freiburger Rechtsgelehrter der frühen Neuzeit und sein Werk. Zugleich ein Beitrag zur Epoche der humanistischen Jurisprudenz: Bereits die Wahl des Titels der vorliegenden Arbeit öffnet rechtshistorisch den Blick für die Auseinandersetzung mit einem Zeitabschnitt, der nach den vorwiegend scholastisch geprägten Jahrhunderten des Mittelalters für die Rechtsgeschichte in weiten Bereichen ein hohes Maß an Reformbereitschaft bedeutet hat. Diese resultierte primär aus den geistigen Strömungen von Humanismus und Renaissance, die vom Beginn des 16. Jahrhunderts an auch in der europäischen Rechtswissenschaft zunehmend an Einfluss gewannen.1 An zahlreichen juristischen Fakultäten des Heiligen Römischen Reiches kamen diese Entwicklung und der aus ihr folgende Reformeifer eindrucksvoll zur Geltung. In diesem Kontext begegnet in der Person Sebastian Derrers ein humanistisch orientierter Jurist, der als Schüler des großen Freiburger Rechtsgelehrten und Humanisten Ulrich Zasius vor allem den Reform- und Ordnungsgedanken des juristischen Systems, des ordo iuris2, besonders eindrucksvoll entfaltet. Die Leitlinie für die Betrachtung dieser Zeit und der in ihr handelnden Juristen bildet allerdings die Erkenntnis, dass Humanisten reinster Prägung wie etwa Erasmus von Rotterdam selbst unter humanistisch gesinnten Juristen kaum zu finden sind.3 Allein unter dieser Prämisse mag die humanistische Jurisprudenz bzw. der juristische Humanismus, wie diese Epoche des 16. Jahrhunderts in der heutigen internationalen Forschung gleichermaßen anerkannt bezeichnet wird, ein tauglicher Begriff bleiben.4 Auch Sebastian Derrer ist – das wird diese Arbeit ebenfalls aufzeigen – nicht in jeder Hinsicht ein Humanist gewesen.
1
Luig, „Mos gallicus, mos italicus“, in: HRG III, Sp. 693. Ordo iuris meint dabei zunächst nur eine Stoffordnung der das positive Recht ausmachenden historischen Texte. 3 Troje, Arbeitshypothesen, S. 532. 4 Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 615. In der vorliegenden Arbeit wird die Bezeichnung humanistische Jurisprudenz gewählt, ohne damit eine Wertung auszudrücken. 2
20
A. Einführung
I. Forschungsziele Die grundlegende rechtshistorische Auseinandersetzung, ja Konfrontation mit der Arbeit, der Arbeitsweise und den Zielen eines im Grundsatz humanistisch orientierten Juristen wie Sebastian Derrer setzt zunächst voraus, einen Blick auf ihn selbst, auf sein Leben und auf die Umstände zu werfen, unter denen er gelebt hat. Nur diese Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit ermöglicht es, seine der Nachwelt erhaltenen Opera zutreffend einzuordnen; etwa den Zusammenhang zwischen seinem Wirken an der Artisten- und später an der juristischen Fakultät der Freiburger Universität und den darauf aufbauenden methodischen Erfahrungswerten bei der Entwicklung und Ausarbeitung der juristischen Systemvorstellungen, die er seinen Werken zu Grunde legt. So lohnt ein Blick auf das Leben und Wirken dieses interessanten Freiburger Rechtsgelehrten zweifellos auch noch fast ein halbes Jahrtausend später. Dabei werden in der Literatur bislang lediglich einzelne, wenn auch maßgebliche Lebensdaten genannt und verwendet. Doch selbst sein genaues Todesdatum wird noch heute falsch überliefert. Der Fokus der vorliegenden Untersuchung indes liegt begreiflicherweise nicht auf der Vita Sebastian Derrers. Sie gilt vor allem seiner unter rechtshistorischen Aspekten äußerst relevanten Arbeit. Ebenso behandelt sie seine Arbeitsweise, die in drei überlieferten Werken erkennbar wird: dem 1540 erschienenen Hauptwerk Iurisprudentiae Liber primus, dem 1567 posthum veröffentlichten Typus Iurisprudentiae sowie der ein Jahr später herausgegebenen Epitome Iurisdictionum et Regalium. Allen drei Arbeiten liegt ein systembildendes Vorgehen zu Grunde, das Derrer selbst konzipiert hat und das sein Œuvre gerade vor diesem Hintergrund äußerst interessant und für die systematische Richtung innerhalb der humanistischen Jurisprudenz außerordentlich bedeutsam macht. Dass er zudem als einer der ersten, wenn nicht als der erste deutsche Rechtssystematiker humanistischer Prägung überhaupt gelten darf, lässt die Causa Derreri noch essenzieller erscheinen. Im Rahmen der Untersuchung der Werke Sebastian Derrers steht deshalb seine fundamentale juristische Systembildung deutlich im Vordergrund. Vor allem interessiert die Frage, ob und inwiefern er von der bis zum 16. Jahrhundert völlig unangetastet gebliebenen römischrechtlichen Systematik des Corpus Iuris Civilis und dort insbesondere der Institutionen abweicht, welcher Methoden er sich hierzu bedient und ob seine darauf beruhenden systematischen Vorstellungen insgesamt als gelungen bezeichnet werden können. Aber diese Arbeit soll auch weitere, bislang nicht geklärte Fragen beantworten: etwa nach der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte seiner Werke, nach den Motiven, aus denen heraus Sebastian Derrer diese konzipiert und abgefasst hat, nach der von ihm präferierten Literaturgattung
II. Forschungsstand
21
sowie nach der Resonanz in der Rechtswissenschaft im Laufe der Jahrhunderte. Das Hauptaugenmerk liegt dabei hauptsächlich auf dem Iurisprudentiae Liber primus, zumal dieser aus rechtshistorischer Sicht die mit Abstand gehaltvollste Arbeit Derrers darstellt, die die meiste Beachtung innerhalb der Rechtswissenschaft gefunden hat und die insgesamt auf die größte Resonanz gestoßen ist. Gerade anhand des Liber primus lässt sich die Umsetzung und Transformation seiner abstrakten Systemvorstellungen in den konkreten materiellrechtlichen Darstellungsteil nachvollziehen und kritisch beleuchten. Aber auch die beiden weiteren Opera, insbesondere der Typus Iurisprudentiae, der ein vollständiges Bild von Derrers Systemvorstellungen gibt, werden im Rahmen dieser Untersuchung einer differenzierten Betrachtung unterzogen.
II. Forschungsstand Innerhalb der rechtshistorischen Forschung hat die als elegant empfundene Epoche der humanistischen Jurisprudenz für Jahrhunderte wenn nicht ein Schatten-, so doch ein eher untergeordnetes Dasein geführt. Dasselbe trifft auf die nachfolgende Phase des so genannten usus modernus pandectarum zu. Ursächlich für diese lange Zeit nur stiefmütterliche Behandlung beider Rechtsabschnitte innerhalb der Wissenschaft ist die grundsätzliche Teilung der Rechtsgeschichte einerseits in die nur die Antike behandelnde Romanistik, andererseits in die nur das germanisch-deutsche Recht behandelnde Germanistik und das dadurch bedingte Desinteresse, jeweils über den eigenen wissenschaftlichen Tellerrand hinauszublicken. Dass es für die Rechtsgeschichte dennoch äußerst erkenntnis- und damit auch gewinnbringend sein kann, den Fokus auf eine Epoche zu richten, die im Hinblick auf Originalität und Rechtsfortbildung überaus kreative Köpfe hervorgebracht hat, ist am Beispiel Sebastian Derrers dabei eindrucksvoll zu erkennen und zu verdeutlichen. Umso mehr muss es verwundern, weshalb gerade diesem interessanten Juristen der frühen Neuzeit innerhalb der Wissenschaft bislang nicht mehr Bedeutung zuteil geworden ist. Neben Arbeiten ohne spezifisch rechtshistorischen Hintergrund – etwa der ertragreichen Dissertation Horst Ruths über Das Personen- und Ämtergefüge der Universität Freiburg (1520–1620)5 –, bei denen Sebastian Derrer allgemein als Freiburger Universitätsprofessor erscheint, ist es vor allem Hans Winterberg, der sich im Rahmen seiner Ar5 Horst Ruth: Das Personen- und Ämtergefüge der Universität Freiburg (1520–1620), Freiburg 2001.
22
A. Einführung
beit über Die Schüler von Ulrich Zasius6 näher mit dem aus Nördlingen stammenden Rechtsgelehrten beschäftigt hat. Er führt dort Sebastian Derrer unter den bekannten Zasius-Schülern als Nummer 13 auf. Dabei nennt er sowohl einige Lebensdaten, wie er auch – nicht ohne Missverständnisse und zum Teil spekulative Thesen – kurz auf Derrers Opus eingeht. Aus materiellrechtlichem Blickwinkel ist vor allem der italienische Rechtshistoriker Aldo Mazzacane zu nennen, der sich besonders mit den philosophischen Ursprüngen der Arbeitsweise von Sebastian Derrer auseinandergesetzt hat. In seiner Abhandlung7 widmet er dessen Werk immerhin ein eigenes Kapitel, behandelt neben dem Iurisprudentiae Liber primus aber überwiegend die Epitome Iurisdictionum et Regalium. Mit dieser will er den Einfluss auf den Basler Rechtsgelehrten Johann Thomas Freigius nachweisen, der dem Ramismus nahestand. Den bedeutenden Typus Iurisprudentiae hingegen erwähnt er lediglich in einer Fußnote. Vincenzo Piano Mortari geht als weiterer italienischer Rechtshistoriker in einem 1957 erschienenen Aufsatz8 auf den Iurisprudentiae Liber primus ein, wobei er sich allerdings größtenteils darauf beschränkt, Äußerungen eines Vorwortautors zu zitieren. Derselbe Aufsatz bildet schließlich einen Teil seiner 1980 erschienenen Abhandlung Diritto, logica, metodo nel secolo XVI9. Ebenfalls nur überblickhaft, aber durchaus mit eigenen Akzenten, hat der spanische Rechtshistoriker Francisco Carpintero Derrers Arbeit 1977 aufgegriffen und sie im Zusammenhang mit den allgemeinen systembezogenen Problemen der humanistischen Jurisprudenz kurz vorgestellt.10 Hans Erich Troje hingegen hat sich intensiver in die Vorgehensweise von Sebastian Derrer eingearbeitet. In seinem 1970 erschienenen Aufsatz über Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluß des Humanismus11 beschäftigt er sich primär mit dem im Typus Iurisprudentiae abgedruckten Gesamtsystem. In weiteren Beiträgen Trojes, auf die in der vorliegenden Arbeit Bezug genommen wird, erscheint Derrers Werk ebenfalls vereinzelt, so etwa in seinem umfangreichen Beitrag zum Handbuch der Quellen und 6
Hans Winterberg: Die Schüler von Ulrich Zasius, Stuttgart 1961. Aldo Mazzacane: Scienza, logica e ideologia nella giurisprudenza tedesca del sec. XVI, Varese 1971. 8 Vincenzo Piano Mortari: „Dialettica e giurisprudenza. Studio sui trattati di dialettica legale del sec. XVI“, in: Annali di storia del diritto. Rassegna internazionale, volume 1, Mailand 1957, S. 293–401. 9 Vincenzo Piano Mortari: Diritto, logica, metodo nel secolo XVI, Neapel 1978. 10 Francisco Carpintero: „Mos italicus, mos gallicus y el Humanismo racionalista. Una contribución a la historia de la metodología jurídica“, in: Ius Commune, Band 6, Frankfurt am Main 1977, S. 108–171. 11 Hans Erich Troje: „Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluß des Humanismus“, in: Ius Commune, Band 3, Frankfurt am Main 1970, S. 33–63. 7
II. Forschungsstand
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Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte12 Helmut Coings. In der nachfolgenden Generation hat sich im Bereich der humanistischen Jurisprudenz vor allem Jan Schröder einen Namen gemacht. In seinen Aufsätzen über Wissenschaftliche Ordnungsvorstellungen im Privatrecht der frühen Neuzeit13, Zur Methodenlehre im Europäischen Privatrecht des 16. Jahrhunderts14 sowie Die ersten juristischen Systematiker. Ordnungsvorstellungen in der Philosophie und Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts15 finden sich vereinzelt Erläuterungen zum Vorgehen Derrers. Ebenso erwähnt er den Iurisprudentiae Liber primus in seinem Standardwerk über das Recht als Wissenschaft16. In der älteren rechtswissenschaftlichen Literatur ist vor allem Friedrich Xaver Affolters monumentale Arbeit über Das römische Institutionen-System, sein Wesen und seine Geschichte17 zu nennen. Darin widmet auch er Derrers Hauptwerk einen kleinen Abschnitt, in dem er in erster Linie auf dessen Grundsystematik eingeht, mangels weiterer Kenntnisse – das Gesamtsystem des Typus Iurisprudentiae war ihm nicht bekannt – allerdings die falschen Schlussfolgerungen zieht. Noch immer wird in der Literatur vereinzelt auf Johann August Roderich von Stintzings großes, mittlerweile aber bejahrtes Standardwerk Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft18 aus dem Jahr 1880 zurückgegriffen. Darin wird Derrer ein verhältnismäßig großer Passus zuteil. Stintzing nimmt einige bekannte Lebensdaten Derrers auf und widmet sich im Anschluss daran recht ausführlich dessen Hauptwerk. Mehr als den Grobaufbau der Derrerschen Iurisprudentia behandelt indes auch er nicht. Taucht der Name Se12
Hans Erich Troje: „Die Literatur des gemeinen Rechts unter dem Einfluss des Humanismus“, in: Coing, Helmut (Hrsg.): Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Zweiter Band: Neuere Zeit (1500–1800) – Das Zeitalter des gemeinen Rechts, Erster Teilband, München 1977, S. 615–795. 13 Jan Schröder: „Wissenschaftliche Ordnungsvorstellungen im Privatrecht der frühen Neuzeit“, in: Ius Commune, Band 24, Frankfurt am Main 1997, S. 25–39. 14 Jan Schröder: „Zur Methodenlehre im Europäischen Privatrecht des 16. Jahrhunderts“, in: Peterson, Claes (Hrsg.): History and European Private Law, Lund 1997, S. 185–202. 15 Jan Schröder: „Die ersten juristischen ‚Systematiker‘ – Ordnungsvorstellungen in der Philosophie und Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts“, in: Kriechbaum, Maximiliane (Hrsg.): Festschrift für Sten Gagnér zum 3. März 1996, Ebelsbach am Main 1996, S. 111–150. 16 Jan Schröder: Recht als Wissenschaft – Geschichte der juristischen Methode vom Humanismus bis zur historischen Schule (1500–1850), München 2001. 17 Friedrich Xaver Affolter: Das römische Institutionen-System, sein Wesen und seine Geschichte, Berlin 1897. 18 Johann August Roderich von Stintzing: Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, München 1880.
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A. Einführung
bastian Derrer ansonsten in der neueren rechtshistorischen Literatur auf, dann regelmäßig nur zusammen mit anderen juristischen Systematikern der frühen Neuzeit und ohne eigenständige Auseinandersetzung mit seiner Person oder mit seinem Opus.
III. Quellen Die Auswahl der Quellen für eine Arbeit wie die vorliegende bedeutet in erster Linie, den zur Verfügung stehenden und überlieferten Literaturfundus Sebastian Derrers selbst zu sichten. Dass das Hauptwerk Iurisprudentiae Liber primus19 dabei als Primärquelle für diese Abhandlung dient, versteht sich von selbst. Es erfordert jedoch eine zusätzliche Untersuchung des so bezeichneten Typus Iurisprudentiae20, um die Systematik von Derrers Erstlingsarbeit vollständig aufzuarbeiten und sie so im Gesamtzusammenhang begreifbar zu machen. Denn erst diese Analyse macht Derrers aus mehreren hundert Gliederungspunkten bestehende Systemvorstellungen vollständig sichtbar. Zum ersten Mal überhaupt werden diese anhand heutiger Gliederungscharakteristika im Anhang der vorliegenden Untersuchung exhaustiv dargestellt.21 Dass die ebenfalls auf Derrer zurückgehende Epitome Iurisdictionum et Regalium22 bei weitem nicht den Stellenwert einnimmt wie die beiden früheren Arbeiten, ändert nichts an deren Relevanz für die Beurteilung der juristischen Schaffenskraft von Sebastian Derrer. Demzufolge ist auch dieses Werk als Primärquelle einzubeziehen. Einen Fundus von unschätzbarem Wert bilden ferner die Vorworte zum Iurisprudentiae Liber primus aus der Feder zahlreicher, Derrer gewiss wohlgesinnter Autoren. In sämtlichen dieser carmina und praefationes kommt die Aufbruchstimmung zum Ausdruck, die sich in der Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts herausgebildet hat. Deutlich zu vernehmen ist etwa die humanistisch bestimmte Hoffnung, die Arbeitsweise der mittelalterlich geprägten Scholastikerjuristen hinter sich zu lassen und bewusst den Blick nach vorne zu richten. Es galt, sich nicht länger in endlos erscheinende Einzelprobleme zu verlieren, sondern eine geordnete, das Recht insgesamt betrachtende systematische Vorgehensweise anzustreben. Gerade die außerordentlich umfangreiche praefatio23 des Petrus Petremandus, der Derrer offensichtlich sehr nahestand, bildet hierbei eine beson19
Sebastian Derrer: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540. Sebastian Derrer: Typus Iurisprudentiae, Basel 1567. 21 Vgl. Abbildung 24, S. 302 ff. 22 Sebastian Derrer: „Epitome Iurisdictionum et Regalium“, in: Freigius, Johann Thomas (Hrsg.): Trium Artium Logicarum, Grammaticae, Dialecticae & Rhetoricae, breves succinctique Schematismi, Basel 1568, fol. * 1 r.–d 5 v. 20
III. Quellen
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ders ertragreiche Quelle: im Hinblick auf den Zustand der Rechtswissenschaft allgemein, aber auch hinsichtlich der Arbeitsweise und Methodik Sebastian Derrers selbst. Nicht zuletzt kleidet Petremandus seine Ausführungen in eine informative und aufschlussreiche Erläuterung der universitären Lehrfächer insgesamt ebenso wie in eine Beschreibung der Verhältnisse speziell an der Freiburger Albertina. Aber auch andere Geleitworte innerhalb des Liber primus dokumentieren das als eindrucksvoll empfundene Ingenium Sebastian Derrers, so etwa ein äußerst liebenswürdig formuliertes carmen24 Joachim Mynsingers von Frundeck. Von Derrer selbst sind hingegen keine weiteren Arbeiten bekannt. Lediglich Briefe aus seiner Feder, unter anderem eine sehr distinguierte Hochzeitseinladung an Bonifacius Amerbach und dessen Ehefrau in Basel, finden sich in der bekannten Amerbachkorrespondenz25 Alfred Hartmanns. Auch in anderem Kontext erfolgt mehrfach ein Rückgriff auf die Amerbachkorrespondenz, dient sie doch als wertvolle Grundlage zur Erschließung des Briefverkehrs der oberrheinischen Humanisten und damit auch zur Beleuchtung der Themenkomplexe, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Sebastian Derrer stehen. Auch bietet sich der von Horawitz/Hartfelder edierte Briefwechsel des Beatus Rhenanus26 an, mit Hilfe dessen gleichermaßen relevante Forschungsfragen beantwortet werden können. Darüber hinaus dienen juristische Arbeiten aus dem 16. Jahrhundert, in denen vereinzelt auf den Iurisprudentiae Liber primus bzw. auf Derrer selbst eingegangen wird – etwa in der In titulos Institutionum de actionibus enarratio27 von Ulrich Zasius oder in der Iuris universi Iustinianea methodus28 des französischen Rechtsgelehrten Johannes Drosaeus –, ebenso als Grundlage für die vorliegende Untersuchung wie lediglich einfache Erwähnungen innerhalb der Literatur. Hierbei ist vor allem die Literaturgattung des lexikalischen Eintrags zu nennen. Als maßgebliche Quelle dieser Provenienz wurde beispielsweise das bekannte Nachschlagewerk Lexicon iuris civilis29 des Elsässer Humanistenjuristen Jakob Spiegel herangezogen, das 23 Petrus Petremandus: „In Irisprudentiam [sic!], Ad Lectorem, Praefatio“, in: Derrer, Sebastian: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540, fol. c 4 r.–d 4 r. 24 Joachim Mynsinger von Frundeck: „Ad Lectorem, Carmen“, in: Derrer, Sebastian: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540, fol. a v. 25 Alfred Hartmann (fortgeführt von Beat Rudolf Jenny): Die Amerbachkorrespondenz, 12 Bände, Basel 1942–1995. 26 Horawitz, Adalbert/Hartfelder, Karl: Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Leipzig 1886. 27 Ulrich Zasius: In titulos Institutionum de actionibus enarratio, Basel 1536. 28 Johannes Drosaeus: Iuris universi Iustinianea methodus, Paris 1545. 29 Jakob Spiegel: Lexicon iuris civilis, per C.U.D. Iac. Spiegelium, postremo auctum & recognitum, Basel 1564.
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A. Einführung
Sebastian Derrer selbst wie auch dessen Hauptwerk einen entsprechenden lexikalischen Eintrag widmet. Aber auch Werke späterer Epochen veranschaulichen sein Wirken und seine Arbeitsweise. Beispiele aus dem 18. Jahrhundert sind etwa die Dissertation30 eines Senckenberg-Schülers oder die Methodus Iurisprudentiae31 Heinrich Christian von Senckenbergs selbst. Gerade aus der Retrospektive jenes Jahrhunderts lassen sich interessante und aufschlussreiche Erkenntnisse über das neue Denken der humanistischen Jurisprudenz gewinnen. Auch wenn sich insgesamt feststellen lässt, dass das von hohem kreativem Systemdenken bestimmte Œuvre Derrers nie vollständig erörtert worden ist, so war es im Laufe der Jahrhunderte dennoch immer wieder einmal Diskussionsthema innerhalb der Quellenliteratur. Diese zur Bewertung der Bedeutung Sebastian Derrers für die Rechtswissenschaft heranzuziehen und zu erläutern, hat sich die vorliegende Untersuchung ebenfalls zum Ziel gesetzt, um Werk und Wirken dieses faszinierenden Freiburger Rechtsprofessors der frühen Neuzeit möglichst vollständig darzustellen.
30 Johann Friedrich Burcklin: De iurisprudentia certa methodo tractanda, Gießen 1742. 31 Heinrich Christian von Senckenberg: Methodus Iurisprudentiae, Frankfurt am Main 1756.
B. Lebensstationen von Sebastian Derrer Die Verdienste Sebastian Derrers um die humanistische Rechtswissenschaft näherzubringen und sie in ihrer Gesamtheit der rechtshistorischen Forschung zugänglich zu machen, bedeutet zunächst, einen Teil der vorliegenden Untersuchung dem Leben dieses interessanten Juristen des 16. Jahrhunderts zu widmen. Derrer selbst war sich höchstwahrscheinlich darüber im Klaren, die große Fortune gehabt zu haben, Schüler und später sogar unmittelbarer Nachfolger des großen Freiburger Juristen und Humanisten Ulrich Zasius geworden zu sein. Für die Rechtsgeschichte indes bedeutet diese fruchtbare Begegnung trotz der bekannten systemkritischen Äußerungen Zasius’ die Bereicherung durch einen Wissenschaftler, der der juristischen Nachwelt in erster Linie als zutiefst engagierter und reformorientierter humanistischer Rechtsgelehrter in Erinnerung geblieben ist. Im Folgenden wird deshalb zunächst Derrers beruflicher Werdegang dargestellt. Ein Blick auf seine privaten Lebensumstände, von denen indes nur wenige bekannt sind, ergänzt dieses Kapitel.
I. Beruflicher Werdegang Das erste zuverlässig überlieferte Datum im Leben des Sebastian Derrer ist das seiner Immatrikulation an der Universität Freiburg zum Wintersemester 1512/13 am 17. Oktober 1512.32 Es war die einzige Einschreibung an diesem Tag und in jenem Jahr die insgesamt sechzigste, die das Matrikelbuch der Albertina verzeichnet. Bei seiner Immatrikulation hat Derrer angegeben, dass er aus Nerlingen stamme, dem schon 1215 zur Freien Reichsstadt erhobenen Nördlingen. Wie damals üblich, wurde im Verzeichnis auch die jeweilige Diözese angegeben, in der der Geburtsort des Inskribenten lag. Im Fall von Sebastian Derrer handelt es sich dabei um die Diözese Augsburg,33 der Nördlingen auch heute noch zugeordnet ist.34 Zunächst mutet es erstaunlich an, dass ein junger Mann aus Nördlingen als Studienort Freiburg im Breisgau gewählt hat. Wie ungewöhnlich seine 32
Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204. Sebastianus Derrer de Nerlingen Aug. dioc. 17. Octobris 1512. 34 Vgl. unter http://www.bistum-augsburg.de/ba/dcms/sites/bistum/dioezese/pfar reien/dekanate/noerdlingen/index.html. 33
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
Wahl war, belegt die Tatsache, dass sich nach einer bis 1580 reichenden Zählung knapp die Hälfte aller Studenten aus Nördlingen für die Universitäten in Leipzig, Wien oder Wittenberg entschieden hat, jedoch nur vier Prozent die Universität Freiburg gewählt haben.35 Zwischen 1510 und 1514 ist Derrer gar der einzige Nördlinger Student, der sich für die Albertina entschieden hat.36 Sein Entschluss, in Freiburg zu studieren, könnte sich jedoch aus einer Familientradition erklären lassen. Denn das Matrikelbuch der Albertina enthält gleich mehrere Namen, bei denen es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Derrers Verwandte handelt. Da er selbst mehrfach den Beinamen Wetzstein verwendet,37 erscheint es als keineswegs ausgeschlossen, dass Nördlinger Inskribenten dieses Namens in einem Verwandtschaftsverhältnis zu ihm standen, so etwa ein Johannes Wettstein de Nordlingen clericus Aug. dioc., der sich schon am 12. November 1472 an der Albertina immatrikuliert hat.38 In späteren Jahren ist dieser als Münsterkaplan von Freiburg nachgewiesen.39 Am 30. Juli 1520 hat Sebastian Derrer für ihn eine Jahrzeit im Freiburger Münster gestiftet.40 Des Weiteren hat sich am 28. August 1487 ein Wendelinus Wezstein de Merlingen41 sowie am 26. September 1509 ein Cristofferus Derrer de Nerlingen42, möglicherweise ein Bruder von ihm, an der Albertina immatrikuliert. Auch nach Derrers Immatrikulation 1512 lassen sich Nördlinger Studenten mit dem Namen Derrer/Wetzstein nachweisen, so etwa am 23. Mai 1516 ein Melchior Derrer ex Nördlingen43 sowie 1519 ein Nicolaus Wetzstein ex Norchingen Augustens. dioc44. Demnach scheint Freiburg gerade im Familienstamm der Derrers aus Nördlingen äußerst beliebt gewesen zu sein. 35
Häfele, Nördlinger Studenten, Teil 1, S. 19. Häfele, Nördlinger Studenten, Teil 1, S. 23, Tabelle 3. 37 Darüber hinaus verwendet Sebastian Derrer einen weiteren Beinamen. In der Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. innerhalb seines Hauptwerks Iurisprudentiae Liber primus (fol. a 2 r.) bezeichnet er sich als Areflavionensis. In der Literatur wird dieser Begriff ansonsten nicht gebraucht. Diese Bezeichnung gibt Rätsel auf, zumal sie mit Derrers Nördlinger Herkunft nicht in Einklang zu bringen ist. Der annähernd vergleichbare Terminus Arae Flavio als Eigenname meint das heutige schwäbische Rottweil. Jedoch sind keine Verbindungen Derrers zu dieser Stadt bekannt. 38 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 53. 39 Butz, Jahrzeitbuch des Münsters zu Freiburg im Breisgau, A. Kommentar, S. 221. 40 Butz, Jahrzeitbuch des Münsters zu Freiburg im Breisgau, B. Text, S. 208, Fn. 5.2. 41 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 87. 42 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 189. 43 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 226. 36
I. Beruflicher Werdegang
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Möglicherweise war es aber auch der ausgezeichnete Ruf des großen Rechtsgelehrten Ulrich Zasius, der Sebastian Derrer 1512 an die Albertina geführt hat. Zasius lehrte schon seit 1501 als Professor in Freiburg;45 Kaiser Maximilian I. ernannte ihn bereits wenige Jahre später zum kaiserlichen Rat.46 Dass sich diese Reputation bis nach Nördlingen herumgesprochen hat, ist nicht auszuschließen, wie die Freiburger Universität überhaupt von Anfang an einen außerordentlich guten Ruf besessen hat. So kamen bereits nach ihrer Gründung 1457 wie auch gegen Ende des 15. Jahrhunderts regelmäßig pro Semester dutzende junge Männer zum Studium nach Freiburg, darunter Fürsten, Pfalz- und Markgrafen sowie Domherren.47 1. Die Zeit bis zur Aufnahme des Studiums an der Albertina Über das Leben Sebastian Derrers bis zur Aufnahme seines Studiums an der Albertina ist wenig bekannt. Sein Geburtsdatum ist nicht überliefert, ja nicht einmal das Jahr seiner Geburt. Fest steht nur, dass er in Nerlingen zur Welt gekommen ist. Friedrich Ebrard nennt in seinem 1948 erschienenen Aufsatz Über Methoden, Systeme, Dogmen in der Geschichte des Privatrechts als Geburtsjahr 1495.48 Doch diese scheinbar präzise Angabe lässt sich mit keiner weiteren Quelle untermauern. Andere Autoren legen sich deutlich weniger fest. So teilt Franz Bauer in seiner Arbeit über Die Vorstände der Freiburger Lateinschule nach ihrem Leben und Wirken lediglich mit, Derrer sei gegen Ende des 15. Jahrhunderts geboren worden.49 Aldo Mazzacane schließlich nennt als Geburtsjahr ca. 1500.50 Legt man diesen Angaben statistische Durchschnittswerte zu Grunde, so dürfte Derrers Geburtsjahr in der Tat im Zeitraum zwischen 1495 und 1500 liegen, wobei für 1500 nur wenig spricht. Denn dass er sich schon mit zwölf Jahren an der Freiburger Universität immatrikuliert hätte, ist eher unwahrscheinlich. Nur wenige derart frühe Immatrikulationen sind bekannt. So hat sich Johann Eck etwa 1498 sogar schon mit elf Jahren an der Universität Heidelberg eingeschrieben und Philipp Melanchthon ist als Zwölfjähriger 1509 ebenfalls in Heidelberg aufgenommen worden.51 Vielmehr lag das 44
Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 240. Rowan, Ulrich Zasius, S. 43. 46 Stintzing, Ulrich Zasius, S. 46. 47 Albert, Achthundert Jahre Freiburg im Breisgau, S. 55 f. 48 Ebrard, Methoden, Systeme, Dogmen in der Geschichte des Privatrechts, S. 119. 49 Bauer, Freiburger Lateinschule, S. 23. 50 Mazzacane, Methode und System, S. 131. 51 Seifert, Höheres Schulwesen, S. 223. 45
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
Durchschnittsalter der damaligen Immatrikulanten bei etwa 16 Jahren,52 was für Sebastian Derrer ein Geburtsdatum etwa um 1495/96 bedeuten würde. Auch das Durchschnittsalter juristischer Promotionen, das im 16. Jahrhundert bei etwa 30 Jahren gelegen hat,53 kann als Anhaltspunkt für die Rückrechnung seines Geburtsjahrs herangezogen werden. Seine Promotion zum Doktor iuris utriusque Ende 1524 würde damit auf ein Geburtsjahr etwa Mitte der 90er-Jahre des 15. Jahrhunderts schließen lassen. So scheint es einigermaßen wahrscheinlich, dass Sebastian Derrer um 1495/96 zur Welt gekommen ist und sich als etwa Sechzehnjähriger in Freiburg immatrikuliert hat. Es liegt nahe, dass er bereits in Nördlingen die örtliche Lateinschule besucht hat, die dort als Pfarrschule schon im 15. Jahrhundert nachweisbar ist.54 Lehrinhalte an Schulen dieser Art waren in erster Linie Singen, Lesen, Schreiben sowie die Kenntnis der lateinischen Sprache.55 Latein als Gelehrtensprache und vor allem als Sprache der humanistischen Wissenschaft insgesamt war Bestandteil und unverzichtbares Werkzeug des universitären Lebens.56 Auch wenn die Universitäten im Regelfall weder formale Zulassungsbedingungen stellten noch eine Aufnahmeprüfung voraussetzten und auch Lateinkenntnisse nicht abfragten,57 waren dennoch ausreichende Kenntnisse in dieser Sprache unverzichtbar, damit der Student den Vorlesungen folgen konnte.58 Demzufolge war auch Sebastian Derrer höchstwahrscheinlich des Lateins mächtig, als er 1512 zum Studium an die Albertina kam. 2. Studienzeit Das zweite bekannte Datum seiner Vita stammt aus dem Jahr 1514, als Derrer an der Albertina das universitäre Grundstudium als Baccalaureus Artium abschloss.59 Im Rahmen des Bakkalaureats erwarb der Student an der unteren Fakultät die Grundkenntnisse der wissenschaftlichen Bildung auf Grund der so genannten septem artes liberales,60 die als Voraussetzung für ein theologisches, juristisches oder medizinisches Studium galten.61 Nach 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61
Seifert, Höheres Schulwesen, S. 199. Burmeister, Studium der Rechte, S. 200. Häfele, Nördlinger Studenten, Teil 1, S. 13. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, S. 14. Wacke, Lateinisch und Deutsch als Rechtssprachen in Europa, S. 882. Fuhrmann, Geschichte des gelehrten Unterrichts, S. 17. Seifert, Höheres Schulwesen, S. 199. Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204. Weber, Geschichte der europäischen Universität, S. 42 f. Seifert, Höheres Schulwesen, S. 205.
I. Beruflicher Werdegang
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erfolgreich abgelegter Prüfung wurde der Kandidat zum Lizenziaten befördert mit der wissenschaftlichen Befähigung zum universitären Lehramt an der unteren Fakultät.62 Er blieb zwar Student, war aber berechtigt und sogar verpflichtet, Disputationen abzuhalten und extraordinarie zu lesen.63 Das Lehrangebot speziell in Freiburg beinhaltete dabei im Rahmen des Triviums – also der Lehrfächer Grammatik, Logik und Rhetorik – die seit dem 12. Jahrhundert rezipierten Werke des Aristoteles, die Grammatiken des Donatus, Alexanders de Villa Dei und Eberhards von Bethune sowie die Logiken des Petrus Hispanus und Marsilius von Inghen.64 Zur Behandlung des Quadriviums – also der Lehrfächer Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musiktheorie – wurde auf Johannes de Sacrobosco, Euklid und Johannes de Muris zurückgegriffen.65 Um 1515 erreichte Sebastian Derrer an der Albertina schließlich den Rang eines Magister Artium,66 mit dem für ihn das artistische Studium an der unteren Fakultät zu Ende ging. Der Erwerb dieses Titels dauerte in der Regel drei Jahre,67 womit er diesem Durchschnitt auch in etwa entsprochen hat. Der Titel Magister Artium bestätigte, dass der Examinierte in seinem Studienfach die vollkommene Meisterschaft erreicht hatte und nun befähigt war, dieses Fach selbst zu unterrichten.68 Meist hatte sich der zum Magister Promovierte per Eid zu verpflichten, an der unteren Fakultät zwei Jahre lang Lehrveranstaltungen abzuhalten.69 Sebastian Derrer hingegen schlug zunächst einen etwas anderen, wenngleich auch keineswegs unüblichen Weg ein. 3. Rektor der Freiburger Lateinschule Möglicherweise aus finanziellen Gründen – Häfele führt Derrers Tätigkeit an der Freiburger Lateinschule darauf zurück, dass dieser nicht einer wohlhabenden Familie entstammt70 – ist er zwischen etwa 1515 und 1517 als Vorsteher der städtischen Lateinschule in Freiburg nachgewiesen,71 die 62
Weber, Geschichte der europäischen Universität, S. 29. Seifert, Höheres Schulwesen, S. 203. 64 Ruth, Statuten und Gefüge der Artistenfakultät im 16. Jahrhundert, S. 61. 65 Ruth, Statuten und Gefüge der Artistenfakultät im 16. Jahrhundert, S. 61. 66 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204. 67 Seifert, Höheres Schulwesen, S. 205. 68 Verger, Universitätslehrer, S. 139. 69 Seifert, Höheres Schulwesen, S. 207. 70 Häfele, Nördlinger Studenten, Teil 1, S. 69. 71 Bauer, Freiburger Lateinschule, S. 23; Bauer, Beiträge zur Schul- und Gelehrtengeschichte, S. 82; Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204; Albert, Achthundert Jahre Freiburg im Breisgau, S. 51. Die Angabe von Hans Winterberg in seiner Arbeit Die Schüler von Ulrich Zasius, S. 26, wonach Derrer nach 63
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
mindestens seit 1271 bestand und seit 1334 im Anwesen Wolfshöhle an der heutigen Konviktstraße ihre Residenz hatte.72 Die Bezeichnung als Stadtbzw. Lateinschule lässt darauf schließen, dass die Stadt Freiburg für den Unterhalt und Erhalt der Schule aufkam; Bildungsträger war damit nicht (mehr) die Kirche.73 Wie Derrer besaßen fast alle, die in Freiburg das Schulamt innehatten, den akademischen Grad eines Magister Artium.74 So haben vor ihm bereits namhafte Persönlichkeiten an der dortigen Lateinschule gewirkt, etwa Johannes Kerer von Wertheim, der spätere Weihbischof von Augsburg und Stifter des Collegium Sapientiae in Freiburg, und der große Rechtsgelehrte und Lehrer von Sebastian Derrer, Ulrich Zasius, der von 1496 bis 1499 Rektor der Schule war.75 Derrers Arbeit an der städtischen Lateinschule endete möglicherweise am 12. März 1517. An diesem Tag verpflichtete sich der aus Breisach stammende Universalgelehrte und Humanist Gervasius Sauffer76 zur Übernahme der Schulmeisterstelle.77 Trotz aller Regelmäßigkeit, nach Abschluss des Grundstudiums an der Universität zu bleiben, scheint Derrers Weg über die Lateinschule kein Einzelfall gewesen zu sein. Auch weitere Biografien bezeugen, dass immer wieder Universitätsabsolventen ihr Studium zur Existenzsicherung unter- oder gar abgebrochen und sich an einer Lateinschule ein Auskommen gesucht haben.78 4. Universitäre Lehrtätigkeit Noch während seines Wirkens als Schulmeister an der Freiburger Lateinschule war Sebastian Derrer vom 26. April 1516 an als Resumptor an der Artistenfakultät der Albertina tätig.79 Mit der Übernahme dieses Amtes war Abschluss seines artistischen Vorstudiums bereits 1513 die Leitung der städtischen Lateinschule übernommen habe, ist nach den vorliegenden Unterlagen höchst unwahrscheinlich. Derrer wird kurz nach Aufnahme seines Studiums an der Albertina kaum als Dozent an die Freiburger Lateinschule gewechselt haben. Außerdem schreibt Winterberg selbst, dass Derrer zwei Jahre später den Lehrstuhl für Mathematik erhalten habe. Da dies unstreitig aber erst 1517 gewesen ist, hätte auch er zum Ergebnis kommen müssen, dass Derrer 1515 und nicht 1513 die Leitung der städtischen Lateinschule übernommen hat. Hinzu kommt, dass sich Bauer bei seinen Angaben direkt auf einen Einkommensfaszikel der Freiburger Lateinschule stützt. 72 Bauer, Beiträge zur Schul- und Gelehrtengeschichte, S. 81, 79. 73 Fuhrmann, Geschichte des gelehrten Unterrichts, S. 16. 74 Harter-Böhm, Musikgeschichte der Stadt Freiburg im Breisgau um 1500, S. 33. 75 Wohleb, Älteste Ordnung der Lateinschule in Freiburg i. Br., S. 463. 76 Andere Bezeichnungen sind Souffer, Soupher und Sopher. 77 Wohleb, Älteste Ordnung der Lateinschule in Freiburg i. Br., S. 468. 78 Seifert, Höheres Schulwesen, S. 225. 79 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24.
I. Beruflicher Werdegang
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die Aufgabe verbunden, im Rahmen von Wiederholungsübungen den Stoff der artistischen Vorlesungen zu vertiefen, zumal sich die Texte im Rahmen von resumptiones und damit in kleineren Gruppen effektiver auslegen ließen als im großen Hörsaal.80 Neben der eigentlichen Vorlesung, der lectio, und den Disputationen kam den nachmittäglichen und abendlichen Wiederholungsübungen eine maßgebliche Rolle im studentischen Lernalltag zu, weil man sich erst in diesen im Umgang mit Autoritäten und Kommentaren, in rationaler Beweisführung und im ständigen Gebrauch des gelehrten Lateins zu üben pflegte.81 Aber auch hier könnten die Motive für Derrers Paralleltätigkeit an Lateinschule und Universität einen materiellen Hintergrund gehabt haben. So boten Resumptionen Gelegenheit, sich etwas Geld dazuzuverdienen.82 Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass er der bestehenden universitären Verpflichtung möglichst rasch nachkommen wollte, nach Abschluss des Studiums selbst Lehrveranstaltungen zu übernehmen. Hierfür spricht, dass er sich in dieser Funktion mehr als zwei Jahre, bis zum 2. September 1518, verpflichtete.83 Nach 1517 ist Sebastian Derrer zudem als Konventor, also als Vorsteher der Freiburger Adlerburse (bursa aquilae oder ad aquilam auream) bezeugt,84 der zweitältesten Freiburger Burse, die seit den 90er-Jahren des 15. Jahrhunderts ihr Domizil direkt neben der ältesten Burse, der Pfauenburse an der heutigen Bertoldstraße, hatte.85 Vor allem das Bursenwesen der artistischen Fakultäten gehörte zu den wesentlichsten Eigenschaften der alten Universität.86 Schwinges nennt die Bursen gar Teileinheiten der Universität.87 Da an der Spitze jeder Burse ein ausgebildeter Magister zu stehen hatte, musste die Artistenfakultät hierzu eine geeignete Persönlichkeit auswählen und sie dem akademischen Senat vorschlagen.88 Dabei spricht es offensichtlich für Sebastian Derrers Ingenium und Engagement, schon früh in leitender Verantwortung universitätsbezogene Verwaltungsämter übernommen zu haben. In späteren Jahren sollte dies beispielsweise in seiner Funktion als Rektor der Albertina in gleich mehreren Amtszeiten besonders eindrucksvoll zum Ausdruck kommen. Bis zum 19. Januar 1521 ist sein Wirken als Conventor bursae aquilae dokumentiert.89 80 81 82 83 84 85 86 87 88
Seifert, Höheres Schulwesen, S. 206. Schwinges, Der Student in der Universität, S. 214. Seifert, Höheres Schulwesen, S. 206. Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24. Rest, Universitätskapelle, S. 130. Mayer, Freiburger Studentenbursen, S. 96 f. Schwinges, Spätmittelalterliche Studentenbursen, S. 530. Schwinges, Spätmittelalterliche Studentenbursen, S. 529. Mayer, Freiburger Studentenbursen, S. 8.
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
a) Professor für Philosophie Bereits zum Wintersemester 1517 hat Derrer an der Freiburger Artistenfakultät neben seiner Tätigkeit als Repetitor das Amt eines hauptberuflichen Dozenten (Professors) im Fach Mathematik übernommen,90 wozu er auf Grund seines Abschlusses als Magister Artium befähigt und berechtigt war.91 Bis um etwa 1527/28 hat er dort als Lehrer gewirkt, zu einer Zeit also, zu der er sogar längst auch ein Professorenamt an der juristischen Fakultät innehatte. Sogar bis zum 29. Dezember 1535 ist er an der Artistenfakultät als Examinator realium bezeugt,92 also als Prüfer im Wege der so genannten via antiqua, deren Anhänger den Allgemeinbegriffen eine reale Existenz zusprachen, wie es die großen scholastischen Lehrer, etwa Albertus Magnus und Thomas von Aquin, getan hatten.93 Auch in Freiburg hat dieser im 15. Jahrhundert an den europäischen Artisten- und theologischen Fakultäten aufgekommene Streit zwischen Nominalisten und Realisten seine Spuren hinterlassen. So erging 1484 durch den Erzherzog die Weisung, neben dem vorherrschenden Nominalismus auch den Realismus zuzulassen, dem wiederum die Adlerburse sehr nahestand, welche Derrer einige Zeit ja selbst geleitet hatte, während die Nominalisten in der Pfauenburse beheimatet waren.94 b) Professor für Rechtswissenschaft Parallel zu seiner Tätigkeit an der Artistenfakultät der Albertina als Mathematikdozent ist Sebastian Derrer schließlich auch dem Studium der Rechte nachgegangen. Über sein Jurastudium selbst ist allerdings nichts bekannt. Hans Winterberg mutmaßt allgemein, dass Derrer ein guter Jurist wurde,95 was angesichts seines weiteren beruflichen Verlaufs allerdings auf der Hand liegt. Fest steht das Datum seiner Promotion zum Doktor iuris utriusque am 4. Dezember 1524.96 Er hat dabei auch seinen Beinamen Wetzstein verwendet.97 Daraus lässt sich rückrechnen, dass er etwa zwi89 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, III. Anhang, S. 134. 90 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24. 91 Vgl. die Ausführungen in Kapitel B.I.2. 92 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24. 93 Koch, Universität, S. 66. 94 Mayer, Freiburger Studentenbursen, S. 97. 95 Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 26. 96 Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 256; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24. Bei der Angabe von Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204, der als Promotionsdatum den 4. Dezember 1523 angibt, handelt es sich offensichtlich um einen Irrtum.
I. Beruflicher Werdegang
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schen 1518 und 1523 die Rechte studiert hat. Er hat dieses Studium somit in etwa fünf Jahren absolviert, was der durchschnittlichen Studienzeit dieses Faches im 16. Jahrhundert entspricht.98 Auch die Umstände seiner Promotion lassen erkennen, dass Derrer und seine Familie wohl nicht besonders begütert waren. Aus einem Brief, den Ulrich Zasius am 17. November 1524 an Bonifacius Amerbach nach Basel geschrieben hat, geht hervor, dass Derrer in ganz bescheidenen Verhältnissen promoviert worden ist: Der Magister Artium Sebastian Derrer, der Dir in der Vorlesung des Kodex nachgefolgt ist, wird am kommenden dritten Feiertag den Doktortitel bekleiden. Mit ihm ist vereinbart worden, dass er weder zu reiten gehalten ist noch eine Feier in der Kirche abhalten muss, sondern in der Aula des Kollegiums oder in der Burse (wie man sie nennt) mit einer gewöhnlichen Feier eingeführt werden wird.99
Bereits gut einen Monat vor seiner Promotion ist Derrer an der Albertina als Juradozent nachgewiesen. So übernahm er um den 31. Oktober 1524 zum Wintersemester 1524/25 die kanonistische Lektur über die libri sexti decretalium,100 also über Bücher des Corpus Iuris Canonici, und zugleich die legistische Kodexvorlesung, wie das bereits aus dem Brief von Zasius an Amerbach hervorgeht.101 Allerdings überrascht diese Reihenfolge. Denn es mutet nicht nur erstaunlich an, dass er kanonisches wie legistisches Recht parallel unterrichtete, sondern auch und vor allem, dass er seine juristische Dozententätigkeit offenbar mit einer Lektur des Kodex begann. Gerade der Kodizist in seiner Funktion als Ordinarius legum galt als der vornehmste Professor schlechthin, den die juristische Fakultät zu bieten hatte.102 In der Regel blieb dieser Lehrstuhl nur Doktoren vorbehalten, die bereits als Institutisten oder Pandektisten entsprechende Lehrerfahrung mitbrachten.103 In Freiburg hat man allerdings anders gewichtet.104 97
Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204. Burmeister, Studium der Rechte, S. 264. Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass Derrer an der Artistenfakultät zugleich als vollwertige Lehrkraft gearbeitet hat, was eine enorme Doppelbelastung nach sich gezogen haben muss. 99 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 2. Band, Brief Nr. 985, S. 516: Sebastianus Derrer artium magister, qui in Codicis lectura tibi successit, feria tercia futura doctorem induet; cum quo dispensatum est, ut nec equitare nec pompam in ecclesia facere cogatur, sed in aula collegii seu burse (ut nominant) mediocribus solennibus iniciabitur. Nach vorliegender Stelle sollte Derrer allerdings bereits am 22. November 1524 zum Doktor iuris utriusque promoviert werden, nicht erst am 4. Dezember. Möglicherweise hatte sich der geplante Ablauf zeitlich etwas verschoben. 100 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24. 101 Vgl. Fn. 99; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, III. Anhang, S. 110. 102 Burmeister, Studium der Rechte, S. 101. 103 Burmeister, Studium der Rechte, S. 101 f. 104 Vgl. den letzten Abschnitt des vorliegenden Kapitels. 98
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
Sebastian Derrer fiel die Stelle des Kodizisten wohl eher zufällig als erstem Zasius-Schüler sowie als Nachfolger von Johann Odernheim zu, dessen Vater der erste Ordinarius der Freiburger juristischen Fakultät gewesen war.105 Denn unmittelbar vor Derrers Amtsantritt hatte der Basler Rechtsgelehrte und Zasius-Vertraute Bonifacius Amerbach dieses Amt abgelehnt und sogar die ganze Professur ausgeschlagen.106 Kodizist geblieben ist Sebastian Derrer dann sehr lange, bis zum 21. Dezember 1535.107 Gleichwohl ist er um den 11. August 1525 aber auch als Institutist bezeugt,108 was im legistischen Rang an und für sich einen deutlichen Abstieg bedeutet hätte. Doch wegen der Wirren der Bauernkriege kann es nicht überraschen, dass er möglicherweise kurzfristig als Institutist eingesprungen ist. Wie sehr die Bauernkriege auch Freiburg erschüttert haben, zeigt der dramatische Rückgang der Immatrikulationszahlen: Zum Wintersemester 1524/25 haben sich gerade noch zwölf, zum Sommersemester 1525 sogar nur noch sechs Studenten an der Albertina eingeschrieben.109 Nach dem Tod von Ulrich Zasius am 24. November 1535 rückte Sebastian Derrer schließlich in die Position des ersten Professors der juristischen Fakultät, des Professor primarius, auf. Dabei profitierte er erneut davon, dass ein Kollege dieses Amt ausschlug: der aus Mähren stammende Kanonist Georg Amelius, weil dieser sein Lehrfach nicht aufgeben wollte.110 Am 21. Dezember 1535, also knapp einen Monat nach Zasius’ Ableben, wurde Derrer so zum Professor primarius mit einem Gehalt von 100 Gulden ernannt.111 Zu diesem Zeitpunkt war er etwa 40 Jahre alt. Bis zu seinem Tod im Sommer 1541 sollte er dieses Professorenamt an der juristischen Fakultät der Albertina innehaben. Die Bedeutung dieses Amtes bestand im Grundsatz darin, dass der Professor primarius über die bedeutendsten Teile des Corpus Iuris Civilis, den Kodex und das Digestum vetus (D. 1 bis D. 24.2) las.112 An der Albertina wurden die Rechtsvorlesungen allerdings anders gegliedert. So las der Professor primarius hier ausschließlich über die Digesten, während daneben eine eigene Kodexprofessur existierte. Das ergibt sich daraus, dass der Elsässer Jurist und spätere Studienstifter Theobald Bapst am gleichen Tag, an 105
Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 92. Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 26. 107 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, III. Anhang, S. 110. 108 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, III. Anhang, S. 111. 109 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 267 f. 110 Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, II. Theil, S. 331. 111 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24; Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, II. Theil, S. 331. 112 Pikkemaat, Rechtswissenschaft zwischen Tradition und Moderne, S. 62. 106
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dem Derrer zum Professor primarius ernannt wurde, dessen Stelle als Kodizist übernahm.113 Diese unterschiedliche Gewichtung der Lehrstühle erklärt sich möglicherweise aus dem Einfluss des Humanismus, der die Pandekten zunehmend höher bewertet hat als den Kodex.114 Auch in Basel wurde so der Pandekten- dem Kodexlehrstuhl vorgezogen.115 5. Sonstige Universitätsämter Dass Sebastian Derrer über seine Dozententätigkeit hinaus ein für die Freiburger Universität überaus engagierter Wissenschaftler gewesen ist, davon zeugen seine zahlreichen universitären Ämter. Heinrich Schreiber mutmaßt, dass er alle seine Ämter mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit besorgt habe.116 Daraus folgert Hans Winterberg wiederum, Derrer scheine keine sehr starke Persönlichkeit gewesen zu sein.117 Es muss offen bleiben, ob diese beiden sehr pauschal wirkenden Einschätzungen zutreffen. Fest steht jedenfalls, dass sich Derrer in den 20er- und 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts, die mit den furchtbaren Folgen der Pest und mit den Zerstörungen infolge der Bauernkriege auch für die Albertina sehr schwierig gewesen sind, in viele Universitätsfunktionen eingebracht hat. So wurde er am 31. Oktober 1523 zum Beginn des Wintersemesters 1523/24 schon mit etwa 28 Jahren und noch als Dozent an der Artistenfakultät zum ersten Mal zum Rektor der Universität Freiburg gewählt. Seine Promotion zum Doktor iuris utriusque folgte erst im Dezember des folgenden Jahres. Insgesamt hat er das Amt als ordentlich gewählter Rektor acht Mal ausgeübt: im Sommersemester 1525 zum ersten Mal als Rechtsprofessor, ferner im Sommersemester 1528, im Sommersemester 1531, im Sommersemester 1534, im Wintersemester 1534/35, im Sommersemester 1538 und zum letzten Mal im Wintersemester 1538/39,118 gut zwei Jahre vor seinem Tod 1541. Gegen Ende des Sommersemesters 1526 übernahm er das Rektoramt zudem außerplanmäßig für den am 21. September 1526 an der Pest verstorbenen Rektor Matthäus Stehelin.119 113 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 9; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, III. Anhang, S. 110. Vgl. Fn. 101. Theobald Bapst seinerseits wurde nach Sebastian Derrers Tod Professor primarius an der juristischen Fakultät der Albertina. 114 Burmeister, Studium der Rechte, S. 101. 115 Burmeister, Studium der Rechte, S. 101. 116 Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, II. Theil, S. 331. 117 Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 26. 118 Speck, Verzeichnis der Rektoren, S. 156 f.; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, III. Anhang, S. 77 f. 119 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, III. Anhang, S. 77.
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
Aus heutiger Sicht mag es ungewöhnlich erscheinen, dass ein Professor gleich acht Mal zum Rektor einer Universität gewählt wurde. Doch auch an anderen Universitäten galt es vor einem halben Jahrtausend als übliches Verfahren, zu Beginn eines jeden Semesters einen neuen Rektor zu wählen. Derrers Nachfolger Theobald Bapst etwa war insgesamt gar dreizehn Mal Rektor der Albertina und vierzehn Mal Dekan der juristischen Fakultät.120 Mit Ausnahme des ersten Rektors der Freiburger Hochschule, Matthäus Hummel aus Villingen, der das Rektorenamt von April 1460 bis April 1461 ein ganzes Jahr innehatte, war es noch bis 1764 Tradition, jeweils zum 1. Mai für das Sommersemester und zum 1. November für das Wintersemester einen Rektor zu wählen.121 Derrer hat auch viele weitere Universitätsämter bekleidet. Er war fünf Mal Prorektor, je ein Mal Senator und Syndikus, also Justitiar der Universität. Noch weitaus häufiger bezeugt ist er schließlich in Universitätsämtern, die zwar nicht so bekannt, aber deshalb kaum weniger wichtig waren. So war er insgesamt fünfzehn Mal Quaternarius, also Mitglied der Quästur, 16 Jahre lang selbst Quästor, vierzehn Mal Konsiliar (Berater des Rektors) sowie neunzehn Mal Assessor consistorii, also Mitglied des Universitätsgerichts,122 dem der Rektor vorstand. Darüber hinaus hatte er das Amt des Dekans der Artistenfakultät ein Mal und das des Dekans der juristischen Fakultät insgesamt neun Mal inne.123
II. Privater Werdegang Die privaten Lebensumstände Sebastian Derrers sind im Gegensatz zu seinem beruflichen Werdegang nur wenig belegt. Er entstammte einer Handwerkerfamilie,124 die ihr Brot wohl im Metzgerhandwerk verdient hat.125 Sein Vater Hans, der den Beinamen Pfost trug, war 1516/18 sowie 1522/27 Ratsmitglied der Freien Reichsstadt Nördlingen;126 zu einer Zeit also, zu der sein Sohn längst in Freiburg studiert und sogar schon als Rechtsprofessor an der Albertina gewirkt hat. Über Derrers Mutter und mögliche Geschwister ist nichts überliefert. Wahrscheinlich haben aber be120
Klingenberg, Theobald Bapst, S. 56. König, Rectorat und Prorectorat, S. 82. 122 Vgl. speziell über das Freiburger Universitätsgericht die Arbeit von Bettina Bubach, Richten, Strafen und Vertragen. Rechtspflege der Universität Freiburg im 16. Jahrhundert, Berlin 2005. 123 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24. 124 Schlagbauer/Kavasch, Rieser Biographien, S. 70. 125 Häfele, Nördlinger Studenten, Teil 2, S. 257. 126 Häfele, Nördlinger Studenten, Teil 2, S. 257. 121
II. Privater Werdegang
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reits vor ihm und dann auch nach ihm Verwandte aus Nördlingen an der Freiburger Albertina studiert.127 1. Familie Der junge Sebastian Derrer lebte in Freiburg wie alle Studenten in einer Burse, zumal das Absteigen in einer Privatunterkunft bisweilen sogar verboten war. Sein späteres Amt als Vorsteher der Adlerburse lässt darauf schließen, dass er dort als Student selbst gewohnt hat. Mitte Juli 1528, also im Alter von etwa 33 Jahren, hat er sich mit der aus Neuenburg stammenden Anna Scheurin verlobt. Dieses Datum ergibt sich aus den Angaben seiner Hochzeitseinladung an Bonifacius Amerbach in Basel, in der er ihm schreibt, dass er sich vor einigen Tagen mit Anna Scheurin verlobt habe.128 Sie gehörte zur nächsten Verwandtschaft von Martha Amerbach, der Frau von Bonifacius Amerbach.129 Das genaue Verwandtschaftsverhältnis ist jedoch nicht bekannt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Derrer Anna Scheurin über das Umfeld von Bonifacius Amerbach kennengelernt hat. In etwas blumigem Latein schreibt er am 18. Juli 1528 von Neuenburg aus an Amerbach: Höchster Gruß, vorzüglichster Doktor, ich glaube, dass Ihnen nicht verborgen geblieben ist, dass mir vor einigen Tagen Anna Scheurin aus Neuenburg verlobt worden ist. Deshalb habe ich beschlossen, die Hochzeitsfeierlichkeiten am Montag nach dem Fest des heiligen Apostels Jakobus in Freiburg abzuhalten. Aus diesem Grund würde ich mich sehr freuen, wenn Sie zusammen mit Ihrer Gattin dieser Feier, wie beschaffen sie auch immer sein möge, beiwohnen, weil vor allem auch meine Braut darum bittet und dies, wie ich Ihnen schrieb, sehr eindringlich wünscht. Ich werde mich bemühen, Ihnen gegenüber diese Sache pflichteifrig zu verfolgen. Ihnen und Ihrer Gattin die besten Grüße. Sehr eilig in Neuenburg am Samstag vor Magdalena im Jahr 1528 geschrieben. Ihrer Vorzüglichkeit ergebendst Sebastian Derrer, Doktor in Freiburg.130 127
Vgl. die Ausführungen in Kapitel B.I. Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 3. Band, Brief Nr. 1275, S. 341: . . . mihi ante aliquott dies desponsatam esse Annam Scheurin de Nuwenburg. 129 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 3. Band, S. 341, Fn. 1. 130 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 3. Band, Brief Nr. 1275, S. 341: S. p. Prestantiss. domine doctor, arbitror vos non latere michi [sic!] ante aliquott dies desponsatam esse Annam Scheurin de Nuwenburg. Inde apud me constitui nupciarum ceremonias peragere Fryburgi feria secunda post festum divi Iacobi apostoli. Quapropter oro atque obsecro vestram humanitatem, ut una cum uxore vestra hanc pompam, qualis qualis futura sit, exornare velitis, quod eciam in primis sponsa efflagitat atque, ut vobis scriberem, instantissime peciit. Quam rem sedulo officiis erga vos exequare studebo. Bene valeat prestantia vestra cum uxore. Raptim festinanter in Nuwenburg sabatho ante Magdalene Anno etc. 1528. P. V. deditissimus Sebastianus Derrer Doctor Fryburgensis. 128
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
Die Hochzeitsfeier scheint dem Brief zufolge Ende Juli 1528 in Freiburg stattgefunden zu haben. Das ergibt sich aus Derrers Einladung, in der er von feria secunda post festum divi Iacobi apostoli spricht, also vom zweiten freien Tag nach dem Jakobstag (25. Juli). Dass Bonifacius Amerbach mit seiner Frau tatsächlich der Hochzeit Sebastian Derrers mit Anna Scheurin beigewohnt hat, muss allerdings stark bezweifelt werden. Denn Ulrich Zasius schreibt in einem Brief an Amerbach vom 28. Januar 1529, er wolle, dass Du vertraut wirst mit Deinem verschwägerten Doktor Sebastian und dass Du ihm einmal bekannt gemacht wirst.131 Über eine spätere Zusammenkunft von Derrer und Amerbach ist indes nichts bekannt. Zasius selbst scheint hingegen Gast bei Derrers Hochzeit gewesen zu sein. Das ergibt sich aus seinem Brief an Amerbach vom 22. Juli 1528, in dem er ihn darum bittet, zur Hochzeit Sebastian Derrers nach Freiburg zu reisen: Aber ich hoffe, dass Du bei der Hochzeit von Dr. Sebastian [Derrer], einem sehr fähigen Mann, anwesend sein wirst, wo wir uns bei der Gelegenheit ein klein bisschen Zeit nehmen könnten, die Dir, einem sehr humanistisch gesinnten Mann, gewährt sein möge. Leb’ wohl. Freiburg, sehr früh am Morgen des Magdalenenfesttags 1528.132
Wo Sebastian Derrer und seine Frau nach ihrer Hochzeit gewohnt haben, ist ebenfalls nicht überliefert. 1539/40 ist er als Besitzer des Hauses Zum hintern Planeten an der Salzstraße 31 bezeugt,133 das nach seinem Tod 1541 Anna Derrer weiterbewohnt hat.134 Erwähnt wird er allerdings mit seinem Beinamen Dr. Bastian Wetzstein,135 den er auch bei seiner Promotion 1524 verwendet hat.136 1565 ist ein Georg Derrer als Eigentümer des Hauses nachgewiesen,137 mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Sohn von Sebastian Derrer. Bei ihm könnte es sich um Jeorgius Derrer ex Friburgo dioces. Constant. laicus handeln, der sich unter der Nummer 33 am 18. Januar 131 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 3. Band, Brief Nr. 1325, S. 394: Vellem te familiarem fieri affini tuo dno. Doctori Sebastiano et ei te aliquando insinuari. 132 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 3. Band, Brief Nr. 1274, S. 341: Verum adfuturum te spero ad nuptias doctoris Sebastiani [Derreri], viri opt., quo eventu suffurabitur aliquid tempusculi, quod tibi, viro humanissimo, exibeatur. Vale ex fryb. in dive [sic!] Magdalene festo, summo matutino, Anno &c. XXVIII. 133 Flamm, Geschichtliche Ortsbeschreibung, II. Band, S. 229. Die Angaben von Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204 und Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24, die als Adresse Grünwälderstraße 1 bzw. Salzstraße 6 angeben, scheinen unkorrekt zu sein. Noch heute befindet sich das Haus zum Wetzstein in der Salzstraße 31, wie Flamm das bereits 1903 verzeichnet hat. 134 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24. 135 Flamm, Geschichtliche Ortsbeschreibung, II. Band, S. 229. 136 Vgl. Fn. 97. 137 Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24 f.
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1555 an der Albertina immatrikuliert hat.138 Schon zuvor hatte sich am 26. Oktober 1548 unter der Nummer 100 Johannes ein Johannes Derrer Friburg. clericus dioc. Const. inskribiert,139 möglicherweise ein weiterer Sohn. Vom Datum der Einschreibung und der Bezeichnung der Herkunft ausgehend, liegt jedenfalls bei beiden eine Abstammung von Sebastian Derrer auf der Hand. Ob er darüber hinaus Vater weiterer Kinder gewesen ist, ist nicht nachgewiesen. 2. Lebensende Wenig ist auch über das Ableben Sebastian Derrers im Sommer 1541 überliefert. Eines natürlichen Todes etwa als Folge hohen Alters kann er nicht gestorben sein, denn wenn er um 1495/96 geboren wurde, wird er wohl kaum älter als allenfalls 46 Jahre gewesen sein. Auch wenn die Lebenserwartung der Menschen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit um Jahrzehnte unter der heutigen lag, so haben doch etwa Adlige und Akademiker, die sich besser versorgen und pflegen lassen konnten, auch damals schon deutlich länger gelebt als der Durchschnitt der Bevölkerung. So wurde beispielsweise Derrers Lehrer Ulrich Zasius 74 Jahre alt; sein Kollege Theobald Bapst starb mit 68 Jahren. Dieses Alter erreichte auch sein Schüler Johann Fichard, und sein Schüler Joachim Mynsinger von Frundeck wurde sogar 73 Jahre alt. Allerdings gibt es auch etliche akademische Zeitgenossen, die ähnlich früh oder noch früher verstorben sind als Derrer. Sein Wittenberger Kollege Konrad Lagus verschied 1546 im Alter von nur 45 Jahren. Philipp Engentinus, Humanist und Lehrstuhlinhaber für Poetik an der Albertina, war gar erst 29 Jahre alt, als er 1528 starb. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass Sebastian Derrer, gemessen an der Lebensqualität seines Standes, sehr früh verstarb. Auf Grund der dürftigen Quellenlage kann über die Todesursache Derrers nur spekuliert werden. Heinrich Schreiber140, Hermann Mayer141, Franz Bauer142 und Horawitz/Hartfelder143 gehen übereinstimmend davon aus, dass Derrer der damals herrschenden Pestseuche144 erlag. Allerdings liegt bei Mayer, Bauer und Horawitz/Hartfelder die Annahme nahe, dass alle 138
Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 408. Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 371. 140 Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, II. Theil, S. 332. 141 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204. 142 Bauer, Freiburger Lateinschule, S. 24. 143 Horawitz/Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Brief Nr. 356, S. 483, Fn. 3. 144 Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, II. Theil, S. 332. 139
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drei über die Todesursache nicht selbst geforscht, sondern sich in ihrer Aussage allesamt auf Heinrich Schreiber gestützt haben. Bei anderen Autoren finden sich keine Angaben darüber, woran Sebastian Derrer gestorben sein könnte. Lediglich das Todesjahr 1541 wird in der Literatur übereinstimmend erwähnt. Selbst die Aussage Schreibers stützt sich dabei aber wohl nur auf eine generelle Annahme. Immerhin war das 16. Jahrhundert von ständigen Pestausbrüchen gekennzeichnet. Für keine andere Zeit haben Chronisten und Ärzte so häufig Pestphasen dokumentiert wie für das 16. Jahrhundert.145 Ein zeitgenössischer Chronist schreibt etwa: Es ist eine erstaunliche Sache, dass diese Plage niemals ganz verschwindet, sondern das ganze Jahr über wütet.146 Hermann Mayer geht in seiner Annahme gar soweit, dass im 16. Jahrhundert fast jedes Jahr als Pestjahr bezeichnet werden könnte.147 Tatsächlich war der Sommer 1541 ein verheerendes Pestjahr, in dem nahezu alle Chroniken eine schwere Epidemie verzeichnen, die durch ihre große Verbreitung und die Gleichzeitigkeit ihres Auftretens viele Regionen des Reiches verwüstete.148 Sebastian Derrers Schüler Johann Fichard etwa schildert das Jahr 1541 folgendermaßen: Dann hat die Pest in Deutschland im selben Jahr [1541] wiederum sehr heftig gewütet, am meisten in Hessen, Franken und den angrenzenden Gegenden. Von den allzu bekannten Städten waren hauptsächlich Basel, Straßburg und Köln betroffen, in denen Tausende von Menschen gestorben sind. Die Pest hat auch in unserer Heimatstadt Frankfurt heftig gewütet . . . Sie hat im Sommer begonnen, ungefähr im Juli, und bis in den Februar des folgenden Jahres 1542 angedauert.149
Bedauerlicherweise hat Fichard Freiburg in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, denn auch auf Freiburg trifft zu, dass 1540 und vor allem 1541 eine große Pestwelle in der Stadt gewütet hat.150 Für 1540 etwa hat der 145
Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg, Erster Band, S. 250. Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg, Erster Band, S. 250: Est stupenda res, quod hec plaga nunquam totaliter cessat, sed omni anno regnat . . . Bei dem Chronisten handelt es sich um einen gewissen Jo. Lange (Chronic. Numburg. in Mencken. script. rer. German. Sax. Vol. II. Col. 88). 147 Mayer, Geschichte der Pest, S. 14. 148 Janssen, Geschichte des deutschen Volkes, Siebter Band, S. 417. 149 Fichard, Annales de Annis MDXII–MDXLIV, S. 63 f.: Eodem anno, pestis in Germania hinc inde rursum vehementissime seviit, potissimum tamen in Hassia, Franconia, adiacentibusque proviniciis. Ex urbibus celebrioribus potissimum fuere infestati Basilea, Argentina, Colonia, in quibus plurima hominum millia perierunt. Haec pestis in patria quoque nostra Francofurto fortiter est grassata . . . Incepit autem in aestate, circiter mensem Iulii, duravitque usque ad mensem Februarium sequentis anni XLII. 150 Buszello/Schadek, Wirtschaftskrisen, soziale Not und neue Aufgaben in Freiburg, S. 102. 146
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Universitätsschreiber festgehalten: In diesem Jahr hat die Pest viele [Menschen] dahingerafft.151 Im Wintersemester 1540/41 schrieben sich nur noch acht Studenten ein, im Sommersemester 1541 dann wenigstens wieder 15.152 Infolge dieser heftig grassierenden Seuche wurden Teile der Universität sogar ins württembergische Mengen bei Sigmaringen ausgelagert,153 wo ebenfalls noch einige wenige Studenten immatrikuliert wurden.154 Nicht bekannt ist allerdings, ob auch Derrer nach Mengen geflohen ist. Es erscheint allerdings als unwahrscheinlich. Die Pest hatte gerade bei den in den Freiburger Bursen zusammenwohnenden Studenten ihre Opfer gefordert, so dass die verbliebenen Bewohner die Universität am 17. Juni 1541, knapp zwei Wochen vor Derrers Tod, durch den stellvertretenden Konventor darum gebeten haben, Ausweichquartiere außerhalb der Bursen bereitzustellen, anderenfalls sie auswandern würden.155 Offensichtlich war also kurz vor dem Ableben Sebastian Derrers die Seuche in Freiburg derart zum Problem geworden, dass sogar die Studenten erwogen, unabhängig von Ausweichbemühungen der Universität das Weite zu suchen. Dabei fällt auf, dass nur der Vizekonventor und nicht der Konventor selbst um Ausweichquartiere außerhalb der Bursen gebeten hat. Hermann Mayer erklärt sich das so: . . . der Conventor selbst war entweder gestorben oder schon mit einem Teil der Studierenden nach Mengen geflohen . . .156 Sebastian Derrer folgte dieser Auslagerung nach Mengen wohl nicht oder konnte ihr nicht mehr folgen. Außerdem ist nicht anzunehmen, dass er vor der Pest nach Mengen geflohen, dann aber bereits wieder zurückgekehrt war. Allerdings scheint es auch in Mengen Pestfälle gegeben zu haben. Jedenfalls wurde die Albertina vor der nächsten Pestwelle nicht mehr dorthin, sondern nun nach Villingen ausgelagert, wo die Universität schon 1535/36 einmal Quartier bezogen hatte.157 Für diese Stadt entschied man sich vielleicht aus der Hoffnung, auf den Schwarzwaldhöhen besser vor der Pest geschützt zu sein.158 So spricht vieles dafür, dass die Pest anno 1541 Sebastian Derrer dahingerafft hat, auch wenn sich eine letzte Gewissheit dafür nicht mehr ge151
König, Excerpta ex Actis antiquis Universitatis, S. 334: Hoc anno pestis multos absumpsit. 152 Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern, S. 21. 153 Mayer, Geschichte der Pest, S. 22. 154 Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern, S. 21. 155 Mayer, Freiburger Studentenbursen, S. 110. 156 Mayer, Freiburger Studentenbursen, S. 110. 157 Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern, S. 21. 158 Mayer, Mitteilungen aus den Matrikelbüchern, S. 21.
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winnen lässt. Heinrich Schreiber zufolge wurde nach Derrers Tod in der zwischen 1505 und 1510 gebauten Universitätskapelle159 im Freiburger Münster ein Epitaph zu dessen Ehren errichtet.160 Auftraggeber war die Universität bzw. die juristische Fakultät. Zu dieser Ehre kam Sebastian Derrer als zweiter Professor der Albertina; das erste Epitaph war 1535 seinem Lehrer Ulrich Zasius gewidmet worden,161 als man ihn als ersten Professor der Universität überhaupt im Freiburger Münster beigesetzt hatte.162 Das Sebastian Derrer gewidmete Epitaph bestand aus einer Tafel aus Holz unter einem Gemälde mit dem Motiv der Abnahme des toten Jesus vom Kreuz.163 Dieses Epitaph164 gehörte zu einer Reihe weiterer Gedenktafeln in der Universitätskapelle. Das nächste Epitaph nach Derrers Tod war dessen kanonistischem Kollegen Georg Amelius gewidmet, der im November 1541 an der Pest starb.165 1793 wurden schließlich sämtliche Begräbnisse in der Universitätskapelle eingestellt und die meisten Grabmäler entfernt.166 Ebenso hat man in jenem Jahr viele Gedenktafeln abmontiert,167 so dass auch Derrers Epitaph dort heute nicht mehr zu finden ist. Wo sie geblieben sind, lässt sich nicht mehr feststellen.168 Dem Text des Epitaphs zufolge hat es sich bei Sebastian Derrer um eine herausragende Persönlichkeit des 16. Jahrhunderts gehandelt. Hierfür zeugen Begriffe wie inclyta fama, diademate clarus oder eximio viro. Allerdings entsprach es unabhängig von dem altehrwürdigen Sprichwort De mortuis nihil nisi bene durchaus den Gepflogenheiten der Zeit, Persönlichkeiten, die sich um die Wissenschaft verdient gemacht haben, äußerst positiv und zum Teil überaus pathetisch zu charakterisieren. Das zeigt sich nicht nur an solchen Epitaphien und an Nachrufen anderer Art, sondern gerade auch an den carmina, praefationes oder epistolae dedicatoriae, die den großen Werken dieser Zeit vorangestellt wurden, wie dies auch in Derrers Iurisprudentiae Liber primus zahlreich der Fall ist. 159
Kraus, Universitätskapelle, S. 5; Rest, Universitätskapelle, S. 118. Schreiber, Geschichte und Beschreibung des Freiburger Münsters, S. 277 f. 161 Kraus, Universitätskapelle, S. 7. 162 Ott/Schadek, Freiburg im Breisgau, S. 12. 163 Schreiber, Münster zu Freiburg im Breisgau, Beilagen, S. 44. 164 Geissinger, Abschriften von Epitaphien und Grabschriften, S. 226. Es handelt sich hierbei um das Originalepitaph zu Ehren Sebastian Derrers, wie es bis 1793 in der Universitätskapelle des Freiburger Münsters gehangen hat. 165 Schreiber, Münster zu Freiburg im Breisgau, Beilagen, S. 44. 166 Speck, 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Band 1, S. 28 f. 167 Schreiber, Geschichte und Beschreibung des Freiburger Münsters, S. 277. 168 Schuster, Gräber im Münster, S. 2. 160
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Epitaphium Doctoris Sebastiani Derrer J. U. Prof. Friburgi, qui fato functus est anno 1541. ultimo Junii. Hac Derrer sub mole jacet, verum inclyta fama Orbe volans toto sidera celsa ferit. Doctoris fuerat legum diademate clarus, Imperfecta secat fila sed atra soror. Tu tamen aeternam Musarum splendide cultor Eximio requiem quaeso precare viro.169 Abbildung 1: Epitaph zu Ehren Sebastian Derrers im Freiburger Münster (bis 1793) 169 Die genaue Zeileneinteilung und Schreibweise orientiert sich aus Verständnisgründen nicht am Original, sondern an der Überlieferung von Schreiber, Münster zu Freiburg im Breisgau, Beilagen, S. 44: Das Epitaph des Freiburger Juraprofessors Sebastian Derrer, der am letzten [Tag des] Juni 1541 verstorben ist. Unter dieser Platte ist Derrer begraben. Gewiss ragt sein berühmter Ruf von der ganzen Erde bis zum allmächtigen Himmel eilend hervor.
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
Als Sebastian Derrers Todesdatum wird in der Literatur bis heute durchgehend der 31. Juli 1541 angegeben.170 Dieses Datum ist allerdings falsch überliefert. Derrer ist nicht am 31. Juli, sondern bereits am 30. Juni (ultimo Junii) 1541 verstorben, was aus dem Epitaph eindeutig hervorgeht. Wie es zu dem in der Literatur verbreiteten Irrtum gekommen ist, liegt auf der Hand: Vermutlich geht er auf Heinrich Schreiber selbst zurück. Im zweiten Buch seiner Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau schreibt er, wohl aus einem Versehen heraus, dass Derrer am 31. Juli 1541 verstorben sei.171 Zugleich verweist er dann aber in der dazugehörigen Fußnote auf sein 1826 erschienenes Werk Das Münster zu Freiburg im Breisgau, in dem auch er sich auf das oben abgebildete Epitaph bezieht. Dort nennt er zu Recht als Derrers Todestag den 30. Juni 1541. Ebenso erwähnt er in seiner Geschichte und Beschreibung des Münsters zu Freiburg im Breisgau aus dem Jahr 1820, dass Derrer den letzten Juni 1541 gestorben sei.172 Insofern ist es offensichtlich, dass er das Todesdatum schlicht verwechselt hat und dieses dann auf Grund des hohen Verbreitungsgrades seiner Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität in der späteren Literatur immer wieder falsch übernommen worden ist.173 Einen letzten Beleg dafür, dass Derrer nicht am 31. Juli 1541 verstorben sein kann, liefert auch der oberrheinische Humanist Beatus Rhenanus, der aus dem elsässischen Schlettstadt stammte und ein enger Vertrauter des Erasmus von Rotterdam war.174 Am 9. Juli 1541, also drei Wochen vor dem von Schreiber in seiner Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität fälschlicherweise genannten Todesdatum des 31. Juli 1541, hat Rhenanus von Schlettstadt aus einen Brief an Bonifacius Amerbach in Basel verfasst, in dem er den Tod Sebastian Derrers zutiefst bedauert: Er war ein berühmter und mit einem Diadem geschmückter Doktor des (Zivil-)Rechts gewesen, aber die Unheil bringende Schwester schneidet die unvollkommenen Fäden ab. Dennoch [warst Du] in herausragender Weise ein Freund der Wissenschaften. Ich bitte, um die ewige Ruhe für einen herausragenden Mann zu beten. 170 Killy, „Derrer, Sebastian“, in: DBE 2, S. 493 (Bemerkenswert ist, dass der lexikalische Eintrag von Sebastian Derrer in der 2. Ausgabe der Deutschen Biographischen Enzyklopädie nicht mehr vorhanden ist.); Stintzing, „Derrer, Sebastian“, in ADB V, S. 66, 67; Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 24; Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 204; Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 256; Horawitz/Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Brief Nr. 356, S. 483, Fn. 3; Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, II. Theil, S. 332. 171 Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg, II. Theil, S. 332. 172 Schreiber, Geschichte und Beschreibung des Freiburger Münsters, S. 278. 173 Auch Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 5. Band, Brief Nr. 2442, S. 329, Fn. 6, geht von diesem Irrtum Heinrich Schreibers aus. 174 Vierhaus, „Beatus Rhenanus“, in: DBE 1 (neu), S. 451.
III. Zusammenfassung
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Über das Hinscheiden Derrers, eines sehr arbeitsamen Rechtsgelehrten, empfinde ich äußerst großen Schmerz. Wenn er länger gelebt hätte, hätte er seine Rechtszusammenfassung [Iurisprudentiae Liber primus] fortgesetzt, nachdem er bereits mit dem Werk begonnen hatte.175
Offensichtlich war also Derrers Ableben bereits nach neun Tagen weit über die Grenzen Freiburgs hinaus bekannt. Woher Beatus Rhenanus Sebastian Derrer kannte, ist ungewiss; möglicherweise von Besuchen Rhenanus’ bei Erasmus, der von April 1529 bis zum Frühjahr 1536 in Freiburg gelebt hat,176 oder von einem Treffen im Haus von Ulrich Zasius, mit dem er bestens bekannt gewesen ist.177 Jedenfalls schreibt Rhenanus elf Monate vor Derrers Tod in einem Brief an Bonifacius Amerbach vom 28. Juli 1540, ebenfalls von Schlettstadt aus: Ich glaube, dass ich jenen Sebastian, einen wohlbeleibten Mann, irgendwann einmal im Haus von Zasius gesehen habe, als dieser uns ein Festessen gewährte . . .178. Auch wenn Rhenanus in diesem Brief nur den Vornamen Sebastian und keinen Nachnamen erwähnt, ist dennoch davon auszugehen, dass es sich hierbei um Sebastian Derrer handelt.179 Ein anderer Sebastian ist im Zusammenhang mit Ulrich Zasius nirgendwo ersichtlich.
III. Zusammenfassung Das Leben und der berufliche Werdegang des um 1495/96 in Nördlingen als Sohn eines Handwerkers geborenen Sebastian Derrer ist charakterisiert von einem äußerst engagierten und, wie es scheint, beinahe aufopferungsvollen Einsatz für die Freiburger Universität. In seiner über 20 Jahre währenden Dozententätigkeit an der Albertina hat er, soweit ersichtlich, jedes Amt bekleidet, das in jenen Zeiten an einer Universität zu besetzen war. Als Student an der unteren Fakultät war er 1512 von Nördlingen nach Freiburg gekommen. Nach seiner zwischenzeitlichen Tätigkeit als Rektor der städtischen Lateinschule begann seine Universitätslaufbahn 1517 an der Artistenfakultät, neben der er parallel dem Studium der Rechte nachgegangen 175 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 5. Band, Brief Nr. 2442, S. 327: De obitu Derreri iureconsulti laboriosissimi plurimum doleo. Si diutius vixisset, perrexisset in coepto contrahendi in compendium iuris opere. 176 Mayer, Erasmus in seinen Beziehungen zur Universität Freiburg, S. 288, 302. 177 Horawitz, Beatus Rhenanus, S. 22, 30 f. 178 Horawitz/Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Brief Nr. 338, S. 465; Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 5. Band, Brief Nr. 2406, S. 295: Opinor me Sebastianum illum aliquando vidisse, hominem corpulentum, in aedibus Zasianis, dum convivium nobis exhiberet . . . 179 Auch Horawitz/Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, Brief Nr. 338, S. 465, Fn. 1, sowie Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 5. Band, Brief Nr. 2406, S. 296, Fn. 3, gehen von dieser Annahme aus.
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B. Lebensstationen von Sebastian Derrer
ist. Bereits kurz vor seiner Promotion zum Doktor iuris utriusque 1524 übernahm er schließlich an der juristischen Fakultät die freigewordene Stelle des Kodizisten, ab 1535 die des Pandektisten und Professor primarius, die er bis zu seinem Tod innehaben sollte. Auf Grund der nur ganz fragmentarisch überlieferten privaten Lebensumstände lässt sich wenig über Derrers außeruniversitäres Leben eruieren. Lediglich seine Hochzeit 1528 mit Anna Scheurin aus Neuenburg ist überliefert. Dass er darüber hinaus mindestens zwei Söhne gehabt hat, die ebenfalls an der Albertina studiert haben, kann als sicher gelten. Ein Bildnis von ihm existiert nicht (mehr). Fraglich ist aber generell, ob ein solches jemals angefertigt worden ist. Auch aus zeitgenössischen Quellen geht daraus nichts hervor. Überdies bestand das zu seinen Ehren errichtete Epitaph in der Universitätskapelle des Freiburger Münster ebenfalls nur aus Text. Ein Bildnis hat es nicht geziert, wie das beispielsweise bei den Gedenktafeln von Ulrich Zasius oder Theobald Bapst der Fall ist, die zusätzlich zum Text den in Stein gemeißelten Kopf des Verstorbenen zeigen. Lediglich aus einer Bemerkung des Beatus Rhenanus ist zu erahnen, dass Derrer zumindest in seinen späteren Lebensjahren wohlbeleibt gewesen ist.180 Die Umstände, die zum Tod Sebastian Derrers am 30. Juni 1541 geführt haben, hängen eng mit der zu dieser Zeit auch in Freiburg gravierenden Pestseuche zusammen, an der höchstwahrscheinlich auch er gestorben ist. Zu diesem Zeitpunkt dürfte er etwa 46 Jahre alt gewesen sein. Bedenkt man den Umstand, dass die nächste heftige Pestwelle Freiburg erst zehn Jahre nach Derrers Tod getroffen hat, erscheint es als beinahe tragisch, dass ausgerechnet die – wenn auch besonders verheerende – Seuche von 1540/41 diesen höchst fähigen und in vielen Universitätsämtern stets pflichtbewussten Juristen dahingerafft hat.
180
Vgl. Fn. 178.
C. Humanistische Jurisprudenz Wie die mittelalterliche Rechtswissenschaft, so hält auch die humanistische Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts an dem Ideal fest, das Altertum sei die wahre Quelle allen Rechts.181 Der entscheidende neue Gedanke ist jetzt allerdings, dass die antike Tradition ihre inneren Werte erst dann vollständig offenbaren könne, wenn man sie im Hinblick auf einen richtigen und lückenlosen Text, auf ihre historische Tiefe und Entwicklung sowie auf den Geist ihrer gesamten Kultur vollumfänglich erfasse,182 um durch dieses klassische Studium die Vollendung wahren Menschentums zu erreichen.183 Auf dem Weg zu diesem hehren Ziel werden Textkritik und Textedition zu wesentlichen Aufgaben der humanistischen Jurisprudenz, was primär bedeutet: Humanistenjuristen interpretieren und edieren alte Texte.184 Für sie war die Jurisprudenz etwa eines Bartolus oder Baldus nur eine Verfälschung des wahren Rechts, wie ihnen die Scholastik eine Verfälschung der wahren Theologie war.185 In diesen Prinzipien und Methoden stand die humanistische Richtung in scharfem Gegensatz zur älteren romanistischen Rechtswissenschaft.186 Ein weiteres Anliegen der humanistischen Jurisprudenz ist die Abkehr von der Legalordnung und die Hinwendung zu einer systematischen Behandlung des Rechtsstoffs.187 Neben der historisch-philologischen Ausrichtung ist darin die eigentliche Bedeutung der humanistischen Jurisprudenz für die Rezeptionsbewegung zu sehen,188 die auch im Hinblick auf den Iurisprudentiae Liber primus wie für die Arbeit Sebastian Derrers insgesamt von zentraler Bedeutung ist. Fasst man die Anliegen des humanistischen Reformprogramms überblickartig zusammen, so lassen sich aus rechtshistorischer Betrachtungsweise fünf zentrale Forderungen der humanistischen Jurisprudenz finden: 181
Luig, Humanismus und Privatrecht, S. 288. Luig, Humanismus und Privatrecht, S. 288. 183 Kroeschell/Cordes/Nehlsen-von Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte, Band 2, S. 260. 184 Troje, Arbeitshypothesen, S. 538. 185 Joachimsen, Konrad Peutinger, S. 178 f. 186 Koschaker, Römisches Recht, S. 109. 187 Burmeister, Einflüsse des Humanismus, S. 170. 188 Dahm, Rezeption des römisch-italienischen Rechts, S. 246. 182
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C. Humanistische Jurisprudenz
• die ästhetisch begründete Pflege der Sprache, • die Forderung nach einem enzyklopädischen Wissen, • die Forderung, zu den eigentlichen juristischen Quellen mit der Folge einer stofflichen Beschränkung zurückzukehren, • die Belebung der juristischen Topikliteratur mit dem Ziel einer Erziehung zu juristischem Denken und • das Bemühen um die ars iuris, die selbstständige Bewältigung des Rechtsstoffs mit Hilfe eines systematischen ordo iuris.189
I. Rechtsstil des mos gallicus Mittel dieser neuen, bisher nicht gekannten Vorgehensweise im Sinne der humanistischen Jurisprudenz war der Rechtsstil des so genannten mos gallicus, der mit der humanistischen Jurisprudenz aber nicht völlig gleichgesetzt werden darf.190 Die Bezeichnung dieses Rechtsstils tritt zum ersten Mal in einer Art Vorform als Gallica ratio docendi in einem Brief des österreichischen Juristen und Gräzisten Georg Tanner an den Basler Rechtswissenschaftler Basilius Amerbach vom 7. November 1556 auf.191 Der Begriff des mos gallicus resultiert daraus, dass seit Beginn des 16. Jahrhunderts eine von den geistigen Strömungen des Humanismus und der Renaissance getragene Reformbewegung in der Rechtswissenschaft an Einfluss gewonnen hat,192 wobei Hauptzentrum dieses Rechtsstils Frankreich und dort insbesondere die Universität von Bourges gewesen sind.193 Dort gründete der Mailänder Andreas Alciat zusammen mit dem Philologen Guilhelmus Budaeus die humanistische Schule, die unter Jacobus Cuiacius ihren Höhepunkt erreichte.194 Alciat wollte die Rechtslehre vom Druck der Autorität der Glossen befreien und sie mit einer erneuerten philologischen und historischen Quellenforschung auf eine sichere Grundlage stellen.195 Über Ulrich Zasius hat er auch auf die Entwicklung in Deutschland eingewirkt, obwohl Zasius selbst dem philologisch ausgerichteten humanistischen Juristenkreis wie etwa dem der Schule von Bourges nicht angehört hat.196 So beherrschte er zwar die 189 190 191 192 193 194 195 196
Burmeister, Studium der Rechte, S. 255. Burmeister, Studium der Rechte, S. 254. Troje, Zur humanistischen Jurisprudenz, S. 117. Vgl. Fn. 1. Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 615. Kisch, Humanismus und Jurisprudenz, S. 17 f. Kisch, Johannes Sichardus, S. 20. Kisch, Johannes Sichardus, S. 20.
I. Rechtsstil des mos gallicus
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lateinische Sprache und Literatur glänzend, war aber des Griechischen nicht mächtig197 und er befasste sich im Gegensatz zu anderen Humanistenjuristen auch nicht mit der Edition klassischer Autoren.198 Wie der Humanismus das antike Menschenbild erneuern will, so will die humanistische Jurisprudenz die Vorbildlichkeit der antiken Rechtskultur für die Gegenwart neu erschließen. Das ist – mit Einschränkungen – allerdings auch das Ziel des so genannten mos italicus gewesen,199 der als solcher zum ersten Mal 1541 in der Schrift De methodo ac ratione studendi des italienischen Juristen Matthaeus Gribaldus Mopha bezeichnet wird.200 Vom mos italicus, der auch magistraliter docere oder allgemein vulgaris ratio genannt wird,201 hatten die Juristen des mos gallicus eine eigene und meist nicht sehr schmeichelhafte Auffassung.202 Hierfür stehen Bezeichnungen des mos italicus als barbarischer, sophistischer und rabulistischer Rechtsstil.203 Die Humanistenjuristen kritisierten daran fast einhellig gewisse Entartungen, gelegentlich auch die justinianische Kompilation selbst, aber fast nie die Summe oder die Mehrheit der antikrömischen Rechtsvorstellungen.204 Beinahe prototypisch für diese Kritik der Humanistenjuristen am mos italicus bzw. an der Arbeitsweise der mittelalterlichen Scholastik insgesamt sind die Äußerungen von Petrus Petremandus in seiner in Iurisprudentiam, ad lectorem, Praefatio zu Sebastian Derrers Iurisprudentiae Liber primus: Deshalb geschieht es, dass uns jene Unkenntnis des Rechtsgegenstandes und seiner eigenen Art im Recht geprägt und erzogen und bis zu diesem Tag so viele Flickwerke im Recht begünstigt hat. Wiederholungen, die zu einem großen Teil differieren, Ansammlungen von Meinungen, in denen Du (was ich nicht schlechter reden möge) eher deren Zustand zu beurteilen vermagst, als dass Du zum Ergebnis einer richtigen Vorgehensweise gekommen bist. Was ist von diesen Anderes zu erwarten als bloße Einbildungen, zumal Ähnliches in der Art Ähnliches hervorbringt? Bedenke dazu noch, dass durch genau diese Unkenntnis so viele und so unermessliche Kommentare auf dem Markt sind: Dass sich, wenn ich fortfahre, ihre Autoren aufzuzählen, das Namensverzeichnis ins Unendliche erstreckt. Weshalb? Was und wie groß ist heute die Menge an Autoren, so dass sie diesbezüglich zusammengewirkt zu haben scheinen? Und daher wird dieses wunderbare und gesprochene Recht für wie groß, ungeordnet und beinahe lächerlich gehalten, wie sehr jene wahre Größe der Rechtswissenschaft verborgen bleibt. Was nämlich lernen wir wahrhaft durch diese Führer im Recht kennen? Gewiss studieren wir 197 198 199 200 201 202 203 204
Troje, Besprechung Steven Rowan, S. 464. Kisch, Humanismus und Jurisprudenz, S. 18. Luig, „Mos gallicus, mos italicus“, in: HRG III, Sp. 693. Troje, Zur humanistischen Jurisprudenz, S. 116 f. Burmeister, Studium der Rechte, S. 241. Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts, S. 108 f. Vogel, Franz Hotmann, S. 31. Troje, Besprechung Vincenzo Piano Mortari, S. 295.
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C. Humanistische Jurisprudenz
ungeordnet, wir lehren unbrauchbar, wir übersetzen Schriften allzu unbrauchbar und hinterlassen der Nachwelt nichts Anderes als Widersprüche und Zündstoff für aufflammende Rechtsstreitigkeiten.205
Dementsprechend fällt auch das abschließende Resümee von Petremandus über die Entwicklung des Rechts bzw. der Rechtswissenschaft in den zurückliegenden mittelalterlichen Jahrhunderten äußerst negativ aus: Der Leser ist in der Tat mit Scham erfüllt wegen des durch so viele Jahrhunderte zu beklagenden Zustands in der Rechtswissenschaft. Denn wohin auch immer ich mich wende, wie sehr auch immer ich die Gedanken darauf richte und meine Augen herumschweifen lasse: Man kann alles nicht Übereinstimmende, alles wieder ganz und gar Zusammengewürfelte, kurz nichts außer jenes ovidianische Chaos betrachten.206
Auch der humanistisch gebildete Jurist Claudius Cantiuncula etwa hat die juristischen Anfänger immer wieder davor gewarnt, ihren Eintritt in die Welt des Rechts mit dem verwirrenden Studium der massenhaften Kommentare aus der Zeit des mos italicus zu belasten.207 So spricht er sich entschieden gegen die Verwendung von Kommentaren beim juristischen Anfangsunterricht aus, der sich seiner Ansicht nach allein auf die Quellen und deren Auslegung zu beschränken habe: Während er [der Rechtsstudent] sich den Institutionen widmet, soll er aber keine Kommentare benutzen, sondern sich, wenn er irgendwo stecken bleibt oder ihm Zweifel aufkommen, einzig an die Interpretation seines Lehrers halten.208 . . . 205
Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d r.: Proinde evenit, ut illa Iurisprudentiae obiecti, propriaeque rationis ignorantia, nobis in Iure pepererit, educaverit, atque ad hunc usque diem foverit tot in Iure centones, repetitiones sibi bona ex parte dissidentes, opinionum coacervationes, in quibus (ne quid peius dicam) suos eiusque affectus verius, quam rectae rationis iudicium in his praevaluiße iudicares. A quibus quid aliud expectandum, quam mera phantasinata, cum simile in specie sibi producat simile? Adde quod tot, & tam immensa commentaria invexerit eadem ignorantia: ut si eorum authores enumerare pergam, nomenclatura in infinitum protendatur. Quid? Quod & hodie tanta est scripturientium copia, ut hoc nomine conspirasse videantur? Atque hinc dictum mirum, quam vera illa Iurisprudentiae Maiestas obstrusa sit, quantumque inconditum, ac pene ridiculum Ius habeatur. Quid enim his ducibus in Iure vere cognoscimus? Certe studemus tumultuarie, inepte docemus, ineptius scriptis interpretamur, ac aliud nihil Posteritati relinquimus, quam discordias, materiam ac fomitem accendendarum litium. 206 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d v.: Pudet sane lector, tam miserandi tot seculis Iurisprudentiae status. Quocunque enim me vertam, quocunque animum intendam, oculos circumferam: omnia dißidentia, omnia rursum prorsum constituta, breviter nihil nisi illud Ovidianum Chaos intueri licet. 207 Kisch, Claudius Cantiuncula, S. 71. 208 Cantiuncula, Paraenesis, S. 45: Atqui videat, dum Institutionibus operam navat, uti nullius commentariis, sed solius sui praeceptoris, sicubi haereat vel addubitaverit, interpretatione utatur.
I. Rechtsstil des mos gallicus
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Aber bei ihrer [der Institutionen] Auswahl und Sammlung soll er nicht einmal Accursius oder seine oft noch schlechteren Nachfolger zu Rate ziehen, sondern überall die Quellen aufsuchen.209
Beide Begriffe, mos italicus wie mos gallicus, sind letztendlich Schlagworte im wissenschaftlichen Meinungskampf, für die sich eine strenge Begriffsbestimmung nicht leicht finden lässt.210 In erster Linie sind es die Methoden, die sich jetzt ändern,211 zumal auch im Zentrum der humanistischen Jurisprudenz ganz eindeutig das justinianische Corpus Iuris Civilis steht.212 Ansatzpunkte des mos italicus213 sind Worterklärungen, Definitionen, die Herstellung logischer und systematischer Zusammenhänge in kleineren Bereichen sowie die Zusammenstellung von Parallelstellen aus allen Teilen des Corpus Iuris Civilis; ferner die Bildung von Parallelfällen zu den im Text erwähnten Fallgestaltungen, die Auflösung von Widersprüchen sowie die Sammlung von Argumenten für die dem Text entnommene Lösung.214 Der mos gallicus hingegen betrachtet die römischen Quellen hauptsächlich unter historischen und philologischen Gesichtspunkten.215 Im Einzelnen bedeutet das eine Aufwertung der lateinischen Sprache, der klassischen Latinität, aber auch des Griechischen.216 Ferner wurden Poetik und Rhetorik zu Hilfswissenschaften der humanistischen Jurisprudenz, ebenso Geschichte und Ethik.217 Allerdings war auch schon für die gelehrten Juristen des Mittelalters das Beherrschen der lateinischen Sprache unabdingbare Vorausset209
Cantiuncula, Paraenesis, S. 46: Verum in his decernendis colligendisque videat, ne solum Accrsium aut, qui eum sequuti sunt saepius etiam ipso Accursio deteriores autores, conulat, sed ubique fontes petat. 210 Luig, „Mos gallicus, mos italicus“, in: HRG III, Sp. 692. 211 Luig, „Mos gallicus, mos italicus“, in: HRG III, Sp. 693. 212 Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 656. 213 Ein bekanntes Distichon von Matthaeus Gribaldus Mopha charakterisierte die von den Glossatoren begründete und später fortgebildete analytisch-exegetische Methode des mos italicus so: Praemitto, scindo, summo casumque figuro, perlego, do causas, connoto et obiicio. Sehr frei übersetzt etwa: Der Exeget macht die Vorbemerkung, zergliedert den Text, fasst den wesentlichen Inhalt knapp zusammen, nennt die faktischen Voraussetzungen der Rechtssätze, stellt die Lesart des Textes fest, bespricht die rationellen Gründe, merkt Verschiedenes an und klärt Streitfragen. Allerdings waren diese Stufen der Erläuterung für den italienischen Unterricht im 16. Jahrhundert nicht unabdingbar. Auch richteten sich die humanistischen Proteste nicht nur gegen diesen Kanon der Erläuterungsstufen. Hinzu kommt, dass es auch Humanisten gegeben hat, die sehr deutliche Spuren traditioneller Formalisierungen der Textinterpretation und Problemerörterung erkennen lassen, beispielsweise Antonius Contius. 214 Luig, „Mos gallicus, mos italicus“, in: HRG III, Sp. 692. 215 Meder, Rechtsgeschichte, S. 197. 216 Burmeister, Einflüsse des Humanismus, S. 159. 217 Burmeister, Einflüsse des Humanismus, S. 159 f.
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zung. Der Freiburger Rechtshistoriker Karl von Amira formulierte das folgendermaßen: Es ist nicht zufällig, daß, wenn auch nicht überall so doch oftmals, die Rechtswissenschaft mit der Philologie begonnen hat. Die ersten eigentlichen Rechtsgelehrten im Mittelalter sind Philologen gewesen. Sie gingen von der Philosophie aus und behandelten die geschriebenen Gesetzestexte des römischen Reiches und der Kirche mit den Mitteln der Philologie, und von hier kam man zur Jurisprudenz. Aber freilich diese blos [sic!] philosophische Tätigkeit, die nur feststellen kann, wie das im Gesetz Formulierte gemeint sei, kann unmöglich ausreichen, weil damit nicht festgestellt ist, daß das Recht so sei, wie der Gesetzgeber es sich wünscht.218
Infolge der historisch-philologischen Schwerpunktsetzung gerade in der Phase der humanistischen Jurisprudenz war die erste Forderung, dass die Juristen zu den reinen Quellen (ad fontes) zurückkehren219 und sich damit von den literarischen Autoritäten der Glossen und der Kommentare abwenden sollten.220 Ziel quellen- und textkritischer Forschungen war demnach zunächst, einen authentischen (Ur-)Text zu erarbeiten.221 Man versuchte diesen dann ohne Berücksichtigung der inzwischen ins Riesenhafte angewachsenen Kontroversen und Lehrmeinungen aus sich selbst, seiner historischen Entstehung und nach den Regeln der Logik einzuordnen und zu deuten.222 Andere Forderungen des mos gallicus waren die Erkenntnis der Rechtsidee statt des Autoritätenkults sowie die Schaffung eines Systems statt Exegese,223 was auch für das Wirken Sebastian Derrers von zentraler Bedeutung ist. So wurde eine Darstellungsweise gefordert, die sich von der grundsätzlichen Legalordnung des Corpus Iuris Civilis lösen sollte.224 Das alles bedeutete für die Vertreter des mos gallicus – die bekanntesten sind Andreas Alciat, Guilhelmus Budaeus, Jacobus Cuiacius, Hugo Donellus und Dionysius Gothofredus225 –, dass gerade justinianische Texte so zu lesen und zu interpretieren sind, wie sie seinerzeit geschrieben und gemeint waren.226 Denn gerade die Quellenkritik, die für die humanistische Jurisprudenz von äußerster Wichtigkeit war und die zu ihren großen Leistungen gehört, zielte auf die Wiederherstellung des justinianischen Textes ab.227 Da218
Amira, Rechtswissenschaft, S. 9. Luig, Humanismus und Privatrecht, S. 288. 220 Hagemann, Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, S. 162. 221 Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 646. 222 Schlosser, Privatrechtsgeschichte, S. 70. 223 Kisch, Humanismus und Jurisprudenz, S. 18. 224 Hagemann, Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, S. 162. 225 Köbler, „mos Gallicus“, in: Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 382. 226 Troje, Zur humanistischen Jurisprudenz, S. 111. 219
I. Rechtsstil des mos gallicus
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mit verbunden sind dessen Entideologisierung und eine andere Bewertung des bereits bekannten Stoffs.228 Das Corpus Iuris Civilis wurde somit zum Objekt eines voraussetzungslosen Forschens nach dem römischen Recht im Sinne einer modernen Wissenschaft, der gerade autoritätengebundenes Denken fremd war.229 Davon haben auch die systematischen Vertreter der humanistischen Jurisprudenz auf dem Weg zu einem ordo iuris profitiert, der in dieser Zeit als dringend notwendig erachtet worden ist. Peter Stein charakterisiert in diesem Zusammenhang das justinianische Recht gar als Supermarkt, in dem der Jurist unsystematisiert alles finden konnte, was er wollte.230 Auf Grund der spezifisch systematischen Perspektive Sebastian Derrers liegt daher auch in der vorliegenden Untersuchung der Schwerpunkt auf der Analyse seiner Systembemühungen. Die historisch-philologischen Ansätze sind für das Verständnis des Iurisprudentiae Liber primus wie für Derrers weitere Arbeiten hingegen nicht von besonderer Relevanz. Über die Bedeutung des Corpus Iuris Civilis hinaus tritt die Vorstellung, dass der junge Jurist der frühen Neuzeit durch das Studium der antiken Klassiker schlechthin viel eher zu einem tieferen Verständnis vom Wesen der Gerechtigkeit geführt werde als durch die unübersichtlich gewordene Überfülle der bestehenden Rechtsliteratur, die schon wegen ihrer barbarischen Sprache verabscheuungswürdig sei.231 Die Arbeit der Humanistenjuristen des mos gallicus war somit wissenschaftlich im modernen Sinne des Wortes, weil sie der Erkenntnis um ihrer selbst willen diente. Allerdings fehlte ihr im Grundsatz der Bezug zur Rechtspraxis und somit blieb sie zumeist Professorenrecht.232 Immerhin zeigt aber die zum Teil ausgeprägte Gutachtertätigkeit zahlreicher humanistisch orientierter Juristen, dass die Beschäftigung mit praktischen Fragen daneben durchaus Platz finden konnte.233 Auch wenn gerade diese Tatsache im Hinblick auf das Wirken Sebastian Derrers als Rechtslehrer und -theoretiker nicht insgesamt zutrifft – er war, abgesehen von seiner Tätigkeit als Vorsteher der städtischen Lateinschule von Freiburg, zeit seines Lebens Universitätslehrer –, so darf dennoch nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade zahlreiche Rechtsstudenten der 227
Weimar, Die legistische Literatur der Glossatorenzeit, S. 156. Sellert, Rezeption des römischen und kanonischen Rechts in Deutschland, S. 165. 229 Vogel, Franz Hotmann, S. 26. 230 Stein, Medieval Rediscovery of the Roman Civil Law, S. 80. 231 Burmeister, Einflüsse des Humanismus, S. 159. 232 Koschaker, Römisches Recht, S. 116. 233 Kroeschell/Cordes/Nehlsen-von Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte, Band 2, S. 264. 228
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Universität Freiburg nach ihrer humanistischen und juristischen Bildung hervorragende Ämter und Positionen in der Praxis bekleidet haben. Zu erwähnen sind beispielsweise die Derrer-Schüler Joachim Mynsinger von Frundeck, der Beisitzer am Reichskammergericht sowie auf Berufung von Herzog Heinrich dem Jüngeren Kanzler der Herzöge von Braunschweig in Wolfenbüttel gewesen ist,234 oder Johann Fichard, der als Prokurator ebenfalls dem Reichskammergericht sowie später der Stadt Frankfurt am Main als Syndikus gedient hat.235 Hinzu kommt, dass im humanistischen Denken des 16. Jahrhunderts noch ein guter Teil scholastischer Überlieferung wirksam ist236 und die Humanistenjuristen den mos italicus nicht in jedem Punkt verdrängt haben.237 Dahm sieht die humanistische Jurisprudenz gar als Zeugnis dafür an, daß in geistigen Dingen nichts ganz überwunden wird und alles irgendwie aufbewahrt bleibt.238 So haben sich sogar manche Vertreter des mos gallicus, sofern sie zusätzlich in der Praxis tätig waren, dabei mehrheitlich an die Regeln des mos italicus gehalten.239 Ulrich Zasius etwa, der den mos gallicus übernommen und damit die Phase der humanistischen Jurisprudenz an der Freiburger Juristenfakultät eingeleitet hat,240 hat auch die Literatur des praktischjuristischen mos italicus bestens gekannt.241 Überdies gab es sogar humanistisch gebildete Rechtsgelehrte und -professoren, die zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit überwiegend im Dienste der Praxis gestanden haben. Ein Beispiel dafür ist etwa der Freiburger Rechtsprofessor und DerrerZeitgenosse Theobald Bapst, der sich der wissenschaftlichen Welt gerade nicht durch literarische Anstrengungen in Erinnerung gehalten hat. Vielmehr hat er sich neben der Lehre in hohem Maße der Praxis zugewendet und sich insbesondere mit Rechtsfällen beschäftigt, die ihm von ratlosen Gerichtskollegien oder von hilfesuchenden Parteien vorgelegt wurden.242 Als echter Zasius-Schüler erweist er sich allerdings, wenn er dem Text der Quellen den Vorzug gibt, wobei er als Praktiker aber auch Glossen und Lehrmeinungen nicht unangetastet lassen konnte.243 Auch wenn die Humanistenjuristen die Arbeiten der Kommentatoren und Konsiliatoren meist arg234
Schlosser, Privatrechtsgeschichte, S. 78. Hof, „Johann Fichard“, in: Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, S. 139. 236 Dahm, Rezeption des römisch-italienischen Rechts, S. 246. 237 Koschaker, Römisches Recht, S. 118. 238 Dahm, Rezeption des römisch-italienischen Rechts, S. 246. 239 Wesenberg, Besprechung Guido Kisch, S. 476. 240 Bauer, Fünfhundert Jahre Freiburger Universität, S. 131. 241 Koschaker, Römisches Recht, S. 117. 242 Schott, Doktor Theobald Bapst, S. 110. 243 Schott, Doktor Theobald Bapst, S. 111. 235
I. Rechtsstil des mos gallicus
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wöhnisch beäugt haben (Ulrich Zasius beispielsweise spricht in einem Brief an Erasmus von Rotterdam vom 11. Oktober 1514 über Bartolus und Baldus gar von illatini autores), so war es dennoch eine Selbstverständlichkeit und ein Gebot der Rechtspraxis, sich auch mit dieser Sekundärliteratur wissenschaftlich zu beschäftigen. Überdies haben etliche Humanistenjuristen diese Literatur in ihren Werken angeführt und verarbeitet, so auch Sebastian Derrer in seinem Iurisprudentiae Liber primus, obwohl er als Praktiker so gut wie nicht in Erscheinung getreten ist. Insgesamt hat die in Frankreich zu voller Entwicklung gelangte humanistische Jurisprudenz in Form des mos gallicus auf die Rechtswissenschaft in ganz Europa Einfluss gewonnen, auch wenn er über die traditionelle, exegetisch-scholastische Lehr- und Forschungsmethode des mos italicus, der noch immer an den italienischen und etlichen mitteleuropäischen Universitäten gepflegt wurde, keinen vollständigen Sieg erringen konnte.244 Insbesondere war die deutsche Rechtswissenschaft noch lange nicht unabhängig von den oberitalienischen Rechtsschulen.245 So lehrten noch zu Derrers Zeiten italienische Rechtswissenschaftler in Freiburg, etwa Angelus de Besutio246 oder Paulus Cittadinus247 aus Pavia sowie später Hieronymus Olzignanus248 aus Padua, dessen Berufung sich allerdings als Fehler erwiesen hatte.249 Eine abschließende Betrachtung dieser Epoche und das Wirken der Humanistenjuristen des 16. Jahrhunderts insgesamt nimmt eindrucksvoll Guido Kisch vor: Dieser geistigen Bewegung des 16. Jahrhunderts kommt für die Fortentwicklung des Rechts, der Rechtswissenschaft, der Rechtsideen und ihrer Nutzbarmachung für die Rechtsanwendung bleibender Einfluss und Wert zu. Für das moderne Recht grundlegende Gedanken haben erst durch sie ihre neuzeitliche Prägung erhalten. . . . Gerade sie [die Juristen der humanistischen Jurisprudenz] sind es gewesen, die trotz aller Bekämpfung der Glossatoren und Kommentatoren des römischen Rechts sich von den Errungenschaften ihrer juristischen Geistesarbeit nicht lossagen wollten; sie bauten auf dem von jenen in jahrhundertelangem Mühen fundierten Boden nicht ohne eigene Kritik weiter und leisteten oder bemühten sich, gerade das zu leisten, was ihre modernen Kritiker von ihnen verlangen, mit Hilfe des Bartolus und Baldus über Bartolus und Baldus hinauszukommen.250
244 245 246 247 248 249 250
Kisch, Einfluss des Humanismus auf die Jurisprudenz, S. 18 f. Schott, Doktor Theobald Bapst, S. 111. Schott, Doktor Theobald Bapst, S. 111. Baumgarten, Universität Freiburg, S. 48. Schott, Doktor Theobald Bapst, S. 111. Schaub, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, S. 30. Kisch, Humanistische Jurisprudenz, S. 482.
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C. Humanistische Jurisprudenz
II. Ordnungsvorstellungen und Systemdenken in der humanistischen Jurisprudenz Im Hinblick auf die Untersuchung vor allem des Iurisprudentiae Liber primus und des Typus Iurisprudentiae ist gerade der der humanistischen Jurisprudenz innewohnende Gedanke der systemschaffenden Ordnung von großem Interesse. Gedanklicher Ausgangspunkt für diese Ordnungsvorstellungen und für das Systemdenken im Privatrecht des 16. Jahrhunderts ist eine grundsätzliche Neuorientierung gegenüber der scholastisch geprägten mittelalterlichen Rechtswissenschaft im Hinblick darauf, dass diese kein System im Sinne einer von den Quellen abweichenden Ordnung gekannt hat.251 Aus der Ausuferung des mittelalterlichen Kommentierungswesens und dem bis dahin unsystematischen Vorgehen erwuchs der starke Wunsch nach einer Gesamtschau des Rechts, nach einer in sich geordneten Struktur.252 Auch Sebastian Derrer greift diesen humanistischen Appell in seinem Iurisprudentiae Liber primus auf, wenn er in seinem Widmungsbrief an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. hofft, dass durch sein Werk ein großer Teil der Kommentare zusammenstürzen wird und zukünftige Streitereien verhindert werden können.253 Bedeutende Versuche, die Rechtsmaterie in eine bessere bzw. freiere Ordnung zu bringen, sind vor dem 16. Jahrhundert nicht unternommen worden.254 Gerade aus diesem Grund kann die Entwicklung einer Wissenschaftssystematik zur entscheidenden wissenschaftsgeschichtlichen Leistung der humanistischen Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts gezählt werden.255 Ziel dieser Zeit ist eine Neuordnung des Rechtsstoffs möglichst nach einem einheitlichen Gliederungskriterium.256 Bei etlichen Juristen bestand dieses Konzept in einem von der Legalordnung des Corpus Iuris Civilis unabhängigen System, das im Grundsatz allerdings auf der Basis des quellenmäßig vorgegebenen Rechts basieren sollte.257 Im Einzelnen entstand in diesem für die Rechtswissenschaft so wichtigen Jahrhundert eine Fülle solcher, eigenen Systemvorstellungen entsprechenden und von den Quellen abweichenden Darstellungen des römischen Rechts.258 In Deutschland sind etwa 251
Schröder, Methodenlehre, S. 186. Troje, Europäische Rechtsliteratur, S. 37. 253 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 4 v.: . . . magna pars commentariorum corruere, futurae altercationes excludi. 254 Ratjen, Ordner des Römischen Rechts, S. 279. 255 Schmidt-Biggemann, Arbeitsweise im Humanismus, S. 44. 256 Troje, Besprechung Steven Rowan, S. 465. 257 Holthöfer, Literaturtypen des mos italicus, S. 133. 258 Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 28. 252
II. Ordnungsvorstellungen in der humanistischen Jurisprudenz
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Konrad Lagus259, Johann Thomas Freigius260, Nicolaus Vigelius261 oder Johannes Althusius262 zu nennen, in Frankreich Franciscus Connanus263 oder Hugo Donellus264. Eine derartige, in diesen Werken beispielhaft zum Ausdruck kommende Ordnung des Rechtsstoffs war, wie bereits angedeutet, in der Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts ein ganz neues Thema, für das es im bislang existierenden Gebäude der juristischen Methodenlehre demzufolge noch keinen festen Platz gab.265 Auch in den anderen Wissenschaften war diese systematische, nach Ordnung strebende Vorgehensweise nun präsent. Es ist mit dem grundsätzlichen Ziel, das Wissen zu sichern, offenkundig eine Erscheinung jener Zeit.266 Bisher spielte die juristische Argumentationskunst eine wesentliche Rolle, während es jetzt um die Sicherung der Vollständigkeit eines disziplinären Begriffsinventares ging.267 Erstmals in der Geschichte der europäischen Rechtswissenschaft seit ihrer Wiederbegründung in Bologna versucht man also, den Rechtsstoff in einer freien, selbst gewählten Ordnung darzustellen.268 Peter Stein schreibt hierzu: Zum ersten Mal wurde der Inhalt des Corpus Iuris Civilis von seiner eigenen Ordnung gelöst, zumal die humanistischen Systematiker ihre enorme Achtung vor der Materie des römischen Rechts mit der völligen Ignoranz für die Art seiner Darstellung verbanden.269
Man kann den juristischen Systematikern nicht anlasten, in ihren Darstellungen die Legalordnung des römischen Rechts völlig ignoriert zu haben. Aber es kennzeichnet ihr Denken, dass ihnen das Corpus Iuris Civilis in der Art seiner äußeren Aufmachung offenkundig nahezu überholt erschien, obwohl es inhaltlich auch für sie zentraler Dreh- und Angelpunkt blieb. Ein 259 Iuris utriusque traditio methodica (Frankfurt am Main 1543); zur Methode: Protestatio adversus improbam suorum commentatiorum de doctrina iuris editionem ab Egenolpho factam (Danzig 1544). 260 Partitiones iuris utriusque (Basel 1571). 261 Methodus iuris civilis (Basel 1559); Iuris civilis absolutissima methodus (Basel 1561). 262 Iurisprudentiae Romanae libri duo ad leges methodi Rameae conformati et tabellis illustrati (Basel 1586). 263 Commentariorum iuris civilis libri X (Basel 1562). 264 Commentarii de iure civili (Frankfurt am Main 1589). 265 Schröder, Geschichte der juristischen Methode, S. 79. 266 Bohnert, Rechtslehre Puchtas, S. 133 f. 267 Schmidt-Biggemann, Arbeitsweise im Humanismus, S. 44. 268 Schröder, Methodenlehre, S. 186. 269 Stein, Systematisation of private law, S. 121: For the first time the content of Justinian’s law was separated from its form, for the humanists systematisers combined enormous respect for the substance of Roman law with complete disregard for the way it was presented.
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C. Humanistische Jurisprudenz
wichtiges Instrument für sie war das System, die Erkenntnis des Zusammenhanges der Regeln als Mittel der Interpretation und die Zusammensetzung der neuen Ergebnisse zu einem System als Hilfsmittel für den Unterricht.270 Mit diesem System bzw. dem Erarbeiten eines solchen Systems stand nicht mehr bloß die definitorische Anreicherung der Bedeutung von Kernbegriffen einer Wissenschaft im Mittelpunkt, sondern es ging um die Vollständigkeit dieser Kernbegriffe innerhalb einer Disziplin und um deren Disposition.271 Allerdings gilt eben auch hier, dass die Systembemühungen des 16. Jahrhunderts wie bisher beim Corpus Iuris Civilis ansetzten, dessen äußere Gliederung die mittelalterliche Rechtswissenschaft als gültiges autoritäres System akzeptiert hatte, so dass es auch die modernen Juristen des 16. Jahrhunderts grundsätzlich nicht ignorieren konnten.272 Was sich nun allerdings schon rein äußerlich änderte, waren die Bezeichnungen für die Rechtsdarstellungen. Zahlreiche juristische Texte und Lehrbücher des 16. Jahrhunderts führen Titel wie methodus, ars, ordo, typus, syntagma oder oeconomia.273 Hier sticht insbesondere der Begriff der methodus hervor, der in der mittelalterlichen Logik noch völlig bedeutungslos war und nun zum Fachausdruck für die wissenschaftliche Ordnung schlechthin wurde.274 Er avancierte in der frühen Neuzeit geradezu zum party slogan.275 Der Begriff methodus zielt einerseits auf den einfachen, ja trivialen Grundriss, andererseits auf eine umfassende Neuorganisation des verfügbaren und eventuell textkritisch revidierten Gedankenschatzes ab.276 Aus diesem Grund verwundert es, dass Sebastian Derrer bei der Wahl eines Titels für sein Werk im Gegensatz zu vielen wissenschaftlichen Kollegen keinen vergleichbaren Terminus ausgewählt hat, sondern seinem Opus einen auf den ersten Blick verhältnismäßig einfachen Namen gegeben hat ganz ohne Zusätze wie etwa methodus, ars, ordo oder typus. Wie es scheint, ist diese Wahl Ausdruck seiner damit dokumentierten Bescheidenheit als stets loyaler und zuverlässiger Universitätsdiener im Amte eines Professors, Rektors, Senators etc. Allerdings könnte diese Titelwahl auch Anlass zur Annahme geben, dass Derrer um die Bedeutung seines Werks gewusst haben muss oder dass er sich diese Bedeutung zumindest gewünscht hat. Denn darauf könnte der Titel Der Rechtswissenschaft erster Band ebenfalls hindeuten als selbstbewusster Auftritt mit dem ersten Band der Rechtswissenschaft schlechthin. Eventuell 270 271 272 273 274 275 276
Luig, Humanismus und Privatrecht, S. 289. Schmidt-Biggemann, Arbeitsweise im Humanismus, S. 44. Troje, Wissenschaftlichkeit und System, S. 71. Mazzacane, Methode und System, S. 127. Schröder, Geschichte der juristischen Methode, S. 81. Gilbert, Renaissance Concepts of Method, S. 66. Troje, Besprechung Steven Rowan, S. 465.
II. Ordnungsvorstellungen in der humanistischen Jurisprudenz
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wollte er diesen Titel gerade durch das Weglassen zielführender Begriffe prononcieren. Darauf deuten auch Äußerungen aus seinem Werk hin, wenn sich Derrer in seiner epistola dedicatoria an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. gar als novator, als Erneuerer der Rechtswissenschaft, bezeichnet, der ich somit abweiche von der aufgenommenen Art, wie unsere Vorfahren geschrieben haben.277 Damit gesteht er allerdings auch ein, dass sein Vorhaben durchaus mit einem gewissen Risiko verbunden sei.278 An anderer Stelle seines Widmungsbriefs zeigt Derrer ebenfalls nicht gerade unprätentiös, was er einerseits – darin allerdings ganz auf Linie der humanistischen Jurisprudenz – für die so unbeliebte und heftig kritisierte mittelalterliche Rechtswissenschaft empfindet und was er andererseits von seinem Werk ausgehend für die Rechtswissenschaft der Zeit an Besserem und Innovativerem erwartet: Und um mit einem Wort zu sagen, aus einer so großen Verwirrung erwächst [durch den Iurisprudentiae Liber primus] diese Ordnung, wie aus dem höchsten Chaos der Dinge scheint die ausgezeichnetste Welt geboren zu sein. Deshalb ist durch diese äußerst vorzüglichen Wirkungen, die ich selbst überaus intendiert hatte, geschehen, dass ich in einer ganz anderen Art zu schreiben eine vorzuziehende Rechtswissenschaft geschaffen habe. Die ganze Schule der Studenten sehnt sich diese [neue Rechtswissenschaft] nämlich herbei, und Ulpian, Celsus und die anderen Juristen legten uns jene an den meisten Stellen nur oberflächlich dar. Auch jener Kaiser Justinian, des Rechts vollkommen ehrwürdig, erforschte diese mit höchstem Eifer und setzte sie mit großer Anstrengung fort: Aber er konnte jene nicht [im Zusammenhang] mit dem System der Disziplin begreifen.279
Deutlich kommt in diesen Worten das eigentliche Movens der systemisch denkenden Juristen innerhalb der humanistischen Jurisprudenz zum Ausdruck. Es ging in erster Linie darum, überhaupt ein juristisches System zu konstruieren, das auf der Grundlage einer besseren und leichter verständlichen Ordnung für mehr Klarheit und Stringenz sorgen sollte. Jedem Juristen selbst überlassen war dabei der im Einzelfall anzuwendende Modus Procedendi auf dem Weg zu einer Neuordnung des Rechtsstoffs. 277 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 2 v.: . . . videarque per hoc . . . novator, qui sic a recepto Maiorum nostrorum more scribendi discedo . . . Vgl. Fn. 619. 278 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 2 v.: . . . non sine periculo . . . 279 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 4 v. f.: & ut verbo dicam, ex tanto turbine is ordo induci, ut ex summa rerum confusione, Mundus ornatissimus videatur natus. Per hos itaque praestantissimos effectus, quos cum a nimo mecum perpendissem: factum est, ut Iurisprudentiam omni alij scribendi generi praeferendam duxerim. Hanc enim desyderat omnis Studiorum ratio, illam in plerisque locis Ulpianus, Celsus, & alij Iurisprudentens, nobis sub cortice suggesserunt. Eam quoque Iustinianus Imperator ille Iuris religiosissimus, summis vigilijs scrutatus, & magno conamine insequutus est: sed assequi illam sub Disciplinae ratione nequivit.
D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540) Im Mittelpunkt der juristischen Schaffenskraft Sebastian Derrers steht dessen Hauptwerk Iurisprudentiae Liber primus.280 Dieses unter humanistisch-juristischen Gesichtspunkten äußerst interessante und facettenreiche Opus zählt zu den ersten Arbeiten überhaupt, die eine systemorientierte Ordnung des Zivilrechts zu erreichen versuchen. Die Frage, von welcher Vorgehensweise Derrers Ausarbeitung gekennzeichnet und wie sie zu charakterisieren ist, bildet das zentrale Thema der vorliegenden Arbeit. Anknüpfungspunkte sind zunächst Zeit und Ort der Entstehung des Liber primus. Auch die Literaturgattung des Werks sowie die Wahrnehmungen Sebastian Derrers über den Zustand der Rechtswissenschaft seiner Zeit sind Thema der Untersuchung. Die Einführung in die juristische Thematik, die Derrer seinem Werk voranstellt, und die Vorworte von befreundeten Weggefährten bieten dafür zahlreiche interessante Anhaltspunkte. Ihr folgt eine ausführliche Werkanalyse – zunächst von Derrers Systementwurf, der dem eigentlichen Werkbeginn vorangestellt ist. Des Weiteren schließt sich eine Untersuchung des Darstellungsteils an. Insbesondere interessiert hier die Einarbeitung der Derrerschen Systemvorstellungen in den materiellen Teil seiner Arbeit. Untersuchungen über die Resonanz, die das Werk im Laufe der Jahrhunderte in der Wissenschaft erhalten hat, bilden den Abschluss der Untersuchung des Iurisprudentiae Liber primus.
I. Entstehung Wann Sebastian Derrer dieses Werk geschrieben hat, lässt sich nicht präzise rekonstruieren. Doch mehrere Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass der Liber primus deutlich vor dem Erscheinungsjahr 1540 entwickelt und verfasst worden ist. Diese Hinweise stammen allerdings nicht aus Derrers Feder, sondern aus anderen Quellen. Er selbst liefert nur Hinweise darauf, dass sein Opus zeitnah entwickelt und publiziert worden ist. Zum einen datiert er seine epistola dedicatoria an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. auf Januar 1540,281 zum anderen erwähnt er nirgendwo, dass zwischen dem Verfassen seiner Arbeit und deren Druck längere Zeit verstrichen sei. 280 In der vorliegenden Untersuchung beziehen sich sämtliche Literaturangaben aus dem Iurisprudentiae Liber primus auf die Ausgabe Lyon 1540.
I. Entstehung
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Keinen direkten Hinweis, aber einen möglichen Anhaltspunkt für eine deutlich frühere Entwicklung des Liber primus bildet die praefatio des Petrus Petremandus. Über ihn selbst ist nur wenig bekannt. In den Freiburger Universitätsmatrikeln hat sich zum Wintersemester 1503/04 unter der Nummer 60 ein Petrus de Arbogio Bisontinens. dioc. immatrikuliert.282 Bei diesem handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Petrus Petremandus. Er verwendet in seinem Vorwort den Beinamen Vesuntinensis – also aus dem in der damaligen ebenfalls habsburgischen Freigrafschaft Burgund liegenden Besançon kommend –, der dem Begriff Bisontinens. sehr ähnelt. Hinzu kommt, dass sich am gleichen Tag unter der Nummer 61 ein Claudius de Arbogio Bisontinens. dioc. immatrikuliert hat, hinter dem sich Claudius Glannaeus Burgundio Arbosiensis verbergen dürfte, der Verfasser eines weiteren Vorwortes von Iurisprudentiae Liber primus.283 Ferner werden beide im Matrikelbuch als fratres bezeichnet. Im Gegensatz zu Derrer datiert Petrus Petremandus sein Vorwort nicht. Aus dem Inhalt ergeben sich aber durchaus Anhaltspunkte, mit denen sich seine praefatio und dadurch mittelbar auch der Iurisprudentiae Liber primus in etwa einordnen lassen. Es sind dies – auch auf die damalige Zeit selbst bezogen – vier historisch relevante Ereignisse, deren kalendarisches Jahr bzw. der Zeitraum dazwischen jeweils feststeht, so dass der zeitliche Abstand zu Petremandus’ Äußerungen bestimmt werden kann. Zum einen ist dies der 1498 von Kaiser Maximilian I. in Freiburg abgehaltene Reichstag, den Petremandus als 40 Jahre zurückliegend hervorhebt. Petremandus beschreibt lokalhistorische Begebenheiten deshalb, um so seine Leser auch geografisch zur Wirkungsstätte Sebastian Derrers hinzuführen. Er schildert sehr anschaulich, wie attraktiv er die Stadt Freiburg schon im 16. Jahrhundert findet: Es gibt eine Stadt, die – ohne Gepäck eine Tagesreise von Basel entfernt – am Ausfluss des herzynischen Waldgebirges, vier Stunden Fußweg vom Rhein entfernt liegt und, wie ich glaube, eben so weit von der Stadt Breisach der Tribozer284, gekennzeichnet fürwahr durch viel Ansehen, am meisten gewiss durch den Aufenthalt des heiligen Kaisers Maximilian, der dort vor 40 Jahren die Versammlung der Häupter des Römischen Reiches prunkvoll geleitet hat. Heute ist Freiburg gekennzeichnet durch den zahlreichen Besuch von Adligen, durch das Priesterkollegium und durch das sehr schöne Münster mit der bewundernswerten Turmstruktur.285 281 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b 2 v.: Friburgi, Calendis Ianuarijs. Anno M.D.XL. 282 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 153. 283 Vgl. über diesen Kapitel D.III.2.b). 284 Germanischer Stamm im heutigen Elsass. 285 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d v.: Est oppidum unius diei itinere expedito a Basilea, ad caput Hercyniae sylvae, quatuor horarum itinere a Rheno
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Durch diese eindrucksvolle Beschreibung Freiburgs kann gleichzeitig auch auf das ungefähre Datum der praefatio des Petremandus geschlossen werden. Danach müsste sie um 1538 verfasst worden sein. Diese Annahme wird allerdings etwas relativiert durch seine nächste Angabe, dass Freiburg durch die dort von den österreichischen Herrschern vor 70 Jahren gegründete Universität bekannt sei.286 Geht man von dieser Aussage aus, so wäre sein Vorwort sogar schon auf die Jahre 1527 bis 1530 zu datieren. Ungenauigkeiten dieser Art lassen sich damit erklären, das Petremandus immer nur gerade oder annähernde Jahreszahlen einsetzt. Präzise Zeitangaben erscheinen ihm offenbar nicht allzu relevant. Zu guter Letzt liefert er in seiner Beschreibung der akademischen Begebenheiten Freiburgs zwei weitere Anhaltspunkte für jene Zeit – konkret also der 30er-Jahre des 16. Jahrhunderts –, die eine zeitliche Einordnung seiner praefatio verhältnismäßig präzise bestimmen lassen und seinen Bezug zu der seit dem Freiburger Reichstag von 1498 verflossenen Zeit annähernd verifizieren. Es sind dies der Freiburger Aufenthalt des Erasmus von Rotterdam in den Jahren 1529 bis 1535 sowie der Tod von Ulrich Zasius am 24. November 1535: Vor einigen Jahren glänzten hier viele herausragende Männer, deren Namen aufzuzählen viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Aber in unsere Zeit schließlich fällt die Anwesenheit des hochberühmten Erasmus von Rotterdam. Indes amtierte in dieser Zeit auch jener durch Ansehen und Bildung bekannte Zasius als Professor des Zivilrechts, der vor nicht langer Zeit gestorben ist.287
Mit der Bezeichnung nostra tempestate meint Petrus Petremandus demnach die sechs Jahre von 1529 bis 1535. Allerdings wird durch seine Bezugnahme auf den Tod von Zasius 1535, qui nuper deceßit, auch diese Feststellung relativiert. Denn mit seiner Angabe kann zwangsläufig nur die Zeit von November 1535 an in Frage kommen. Damit kristallisiert sich der Zeitraum heraus, in dem Petremandus das Vorwort zum Iurisprudentiae Liber primus verfasst haben könnte. Zusammen mit seiner Bemerkung, dass der Freiburger Reichstag vor 40 Jahren stattgefunden habe, kommt als Zeitraster etwa die Mitte der 30er-Jahre des 16. Jahrhunderts in Frage. Zuminatque adeo a Brisaco Tribocchorum ut puto, oppido, insigne sane multis nominibus, maxime vero divi Caesaris Maximyliani hospitio, qui Procerum Romani imperij concilium, ibi ante annos quadraginta celebravit, Nobilium hodie frequentia, Sacerdotum collegio, ad hoc etiam pulcherrimo templo, cum admiranda structura turri. 286 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d v.: Denique Gymnasio a Ducibus Austriae ante septuaginta annos illic instituto, . . . 287 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d v.: Hic per aliquot annos multi eximij Viri floruerunt, quorum nomina recensere longum esset. At nostra demum tempestate, D. Erasmi Roterodami praesentia illustrius factum est. Quo quidem tempore, Zasius ille insignis & nomine & eruditione Legum professor adfuit, qui nuper deceßit.
I. Entstehung
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dest zu, höchstwahrscheinlich aber vor diesem Zeitraum muss Derrers Werk somit spätestens konzipiert und verfasst worden sein. Aldo Mazzacane schließlich schätzt, dass Derrer erst Mitte der 30er-Jahre mit der Arbeit an seiner Iurisprudentia begonnen habe.288 Johann August Roderich von Stintzing hingegen datiert die Entstehung des Werks deutlich früher. Er begründet dies damit, dass Derrer seine Arbeit Zasius handschriftlich mitgeteilt habe und dieser sie schon in seiner 1536 in Basel posthum erschienenen In titulos Institutionum de actionibus enarratio erwähne.289 In der Tat geht Zasius sogar zu Beginn seines gesamten Opus direkt auf Derrers Iurisprudentia ein und würdigt diese im Zusammenhang mit seiner bekannten Einstellung und Haltung den mittelalterlichen Scholastikerjuristen gegenüber: Deswegen erforschen wir genau die Art und Weise der [juristischen] Disziplin, die mit Sicherheit bereits bei der Darstellung beginnt, so wie das unser Kollege Dr. Sebastian [Derrer] in seiner ausgewählten Abhandlung über die Rechtswissenschaft gelehrt hat.290
Die Aussage Stintzings, Derrer habe seine Arbeit Zasius vorab handschriftlich mitgeteilt, resultiert offensichtlich aus der Feststellung, dass Zasius von einem tractatus elegans spricht, bei dem es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nur um den Iurisprudentiae Liber primus gehandelt haben kann, und dass dieser zum betreffenden Zeitpunkt nachweislich noch nicht in gedruckter Form erschienen war. Somit kann Zasius in der Tat lediglich auf ein Manuskript Bezug genommen haben. Stintzing konkretisiert seine Bemerkung, Derrers Werk sei sehr viel früher entstanden, allerdings nicht. Da Zasius zum Zeitpunkt der Publikation seiner enarratio bereits verstorben war und diese somit nur posthum erscheinen konnte, ergeben sich daraus Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass der Iurisprudentiae Liber primus schon zu Beginn der 30er-Jahre, vielleicht sogar bereits Ende der 20er-Jahre des 16. Jahrhunderts entstanden ist. Und aus der praefatio des Petremandus ist zu schließen, dass Derrers Arbeit allerspätestens um 1535 verfasst worden ist. Zasius’ ennaratio war zweifelsfrei bereits 1535 zum Druck vorbereitet. Sie fasste die Vorlesungen zusammen, die er von 1533 an über das Recht der actiones gehalten hat.291 288
Mazzacane, Methode und System, S. 131. Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 258. 290 Zasius, In titulos Institutionum de actionibus enarratio, S. 1.: Nos itaque rationem disciplinae perquirentes, quae in demonstrationis certitudine consistit, sicut Dn. Doct. Sebastianus [Derrer] commilito noster, in eleganti tractatu de Iurisprudentia docuit, . . . Vgl. Fn. 354. Letzte Zweifel an der Identität Derrers werden durch die Randbemerkung Sebastianus Derrer zerstreut. 291 Stintzing, Ulrich Zasius, S. 284 f. 289
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
In einem Band über Die Kunstdenkmäler von Schwaben und Neuburg findet sich der überraschende – von Quellenangaben zwar nicht belegte, aber zeitlich möglicherweise durchaus zutreffende – Hinweis, dass sich der Nördlinger Sebastian Derrer, Professor der Rechte zu Freiburg im Breisgau, 1533 als erster für die Schaffung eines einheitlichen Zivilrechts für das ganze Reich eingesetzt habe.292 Damit kann nur die Äußerung Sebastian Derrers in dessen epistola dedicatoria gemeint sein, wonach bereits Kaiser Maximilian I. eine reichseinheitliche zivilrechtliche Kodifikation intendiert habe und er, Derrer, Jahre später an diese Aufgabe herangegangen sei.293 Es ist darin also ein deutlicher Hinweis auf den Iurisprudentiae Liber primus zu sehen, so dass sich die Datumsangabe auch nur auf diesen beziehen kann. Der Verfasser jener Zeilen könnte mit seiner Annahme durchaus richtig liegen, auch wenn er ein nicht nachweisbares Datum angibt. Hingegen erscheint Hans Winterbergs Mutmaßung, das Werk könnte etwa zur gleichen Zeit wie Johann Apels Isagoge per dialogum in quatuor libros Institutionum (Bratislava 1540) um 1520 entstanden sein,294 völlig rätselhaft. Hierfür wie auch für seine nächste Spekulation, wenn Derrer das Werk nicht überhaupt schon zu Lebzeiten Kaiser Maximilians verfasst hat, als er Jurastudent und Mathematik-Professor war,295 gibt es keinerlei Hinweise. Zudem lassen sich genügend Gründe dafür finden, dass seine Mutmaßung überdies einer realistischen Grundlage entbehrt. Zum einen erscheint es bereits in fachlicher und auch zeitlicher Hinsicht unwahrscheinlich, dass ein Rechtsstudent, der zugleich an der Artistenfakultät Philosophie unterrichtet hat und bereits in anderen zahlreichen universitären Funktionen tätig gewesen ist, in der Lage gewesen sein könnte, ein solches Werk, ja eine ganze Werkreihe zu planen, zu entwickeln und niederzuschreiben. Diese Zweifel leuchten umso mehr ein, wenn man die in jeder Hinsicht hohen Anforderungen des Rechtsstudiums in jener Zeit in Betracht zieht. Umso mehr, weil damals die mittelalterlich geprägte Lehr- und Darstellungsweise des mos italicus an den Rechtsfakultäten des Reiches noch immer verbreitet war und nur ganz allmählich überwunden wurde. Hinzu kommt, dass Derrer ein so fundiertes Werk nach inhaltlichen und methodischen Maßstäben nur als Sachkundiger schreiben konnte. Ein solcher aber war er zu dem von Hans Winterberg genannten Zeitraum als Jurist gewiss noch nicht. Vielmehr ist es naheliegend, dass die Zeit der Entwicklung und Ausarbeitung des Iurisprudentiae Liber primus in die Phase 292 293 294 295
Gröber/Horn, Kunstdenkmäler von Schwaben und Neuburg, Band II, S. 27. Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.V. Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 26, Fn. 4. Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 26, Fn. 4.
II. Veröffentlichung
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seines Wirkens als Rechtsprofessor fällt. Vor dem Hintergrund seiner anfänglichen philosophischen Ausbildung und späteren Lehrtätigkeit in dieser Disziplin erscheint es allerdings durchaus vorstellbar, dass er sich zu diesem Zeitpunkt als bereits philosophisch geprägter Rechtsstudent Gedanken über eine bessere Ordnung der Rechtswissenschaft insgesamt gemacht haben könnte. Hingegen hätten lediglich philosophisch geprägte Erfahrungssätze für eine Arbeit vom Rang eines Liber primus bei weitem nicht ausgereicht. In der Summe kann festgehalten werden, dass das Werk in jedem Fall vor 1533/34 entstanden ist. 1534 ist wohl das letzte Jahr, in dem Zasius in seiner enarratio das Werk Derrers eingearbeitet bzw. darauf Bezug genommen haben kann. Über einen eventuell früheren Entstehungszeitraum liegen keine genaueren Anhaltspunkte vor. Für Derrer könnte sich zum Verfassen der Arbeit etwa die Phase ab dem Wintersemester 1531/32 bis einschließlich Wintersemester 1533/34 angeboten haben. Weil ihn in diesem Zeitraum das aufwändige Amt des Universitätsrektors nicht belastete, könnte ihm mehr Freiraum geblieben sein, um sich intensiver wissenschaftlich zu betätigen. Als Entstehungsort für den Iurisprudentiae Liber primus kommt ausschließlich Freiburg im Breisgau in Frage. Sebastian Derrer hat an keiner anderen Universität studiert, promoviert und gelehrt, woran die Quellenlage keinerlei Zweifel lässt. In seiner Widmungsepistel geht er auch selbst auf diesen Teil seiner Biografie ein: . . . der ich an der bekannten Universität Eurer Gunsten zu Freiburg im Breisgau von Kindesbeinen an (wie man sagt) mit der wissenschaftlichen Bildung aufgezogen worden bin, an der ich den Doktortitel erhalten und im Amt eines ordentlichen Professors eine ziemliche Weile unter einer üblichen Besoldung gearbeitet habe.296
II. Veröffentlichung Dass zwischen der Entstehung und der Veröffentlichung des Iurisprudentiae Liber primus mehrere Jahre vergangen sind, ist in der Tat erstaunlich. Über die Gründe für diese ungewöhnlich lange Zeitspanne ist nichts bekannt. Derrer selbst sowie die Vorwortautoren des Liber primus gehen jedenfalls an keiner Stelle darauf ein. Möglicherweise liegen dieser Verzögerung für Derrer eher unangenehme Gründe zu Grunde, über die er sich deshalb ausschweigt. Dass er seine praefatio als einziger mit einem Datum 296 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b v.: . . . qui in vestrarum Serenitatum inclyta Academia apud Brisgaudiae Friburgum a primis cunabulis (ut dicitiur) literarum studijs enutritus, doctorales titulos adeptus, ac ordinarij Professoris munere, sub solitis stipendijs aliquandiu functus sim.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
versieht (Januar 1540),297 könnte auch als Ablenkungsmanöver oder als willkommene Gelegenheit interpretiert werden, einen zeitnahen und somit aktuellen Bezug zur Publikation des Werks herzustellen. Aber auch andere Faktoren sind in Betracht zu ziehen, etwa die häufig einsetzenden Pestepidemien, die ebenfalls für eine Verzögerung bei der Publikation verantwortlich gewesen sein könnten. Schließlich hat die Seuche mehr als ein Mal die Auslagerung der gesamten Universität erzwungen. 1. Ausgabe von 1540 Mit Sicherheit festzustellen ist der exakte Zeitpunkt der Drucklegung und damit der Veröffentlichung des Iurisprudentiae Liber primus. Der Drucker gibt dieses Datum in seinem Kolophon am Ende des Werks auf der letzten Seite des Index mit Es druckte Johannes Crispinus aus Lyon im Jahr der Jungfrauengeburt 1540. Im Monat April.298 an. Damit wurde es vier Monate nach der Abfassung von Derrers praefatio gedruckt, sofern diese Angabe den Tatsachen entspricht.299 Dass Derrer eine Offizin ausgesucht hat, die fernab von Freiburg lag, könnte mit den durch die Reformationswirren bedingten Verhältnissen zusammenhängen. Basel als reformationsfreundliche Stadt kam deswegen wohl genauso wenig in Frage wie Straßburg. Und Freiburg selbst stand zu diesem Zeitpunkt erst in den Anfängen des professionalisierten Buchdrucks. Möglicherweise war es aber auch nicht üblich, größere juristische Werke in Freiburg drucken zu lassen. So ist beispielsweise keines der Werke von Ulrich Zasius zum ersten Mal in Freiburg gedruckt worden. Unter diesen Umständen kam für den Erstdruck des Iurisprudentiae Liber primus wohl eher eine Stadt wie Lyon in Frage. Denn Frankreichs heute drittgrößte Metropole war schon im 16. Jahrhundert ein bedeutendes Messe-, Handels- und Druckzentrum. So wurden dort zu jener Zeit auch die Werke anderer großer Rechtsgelehrter und Humanisten gedruckt, etwa von Ulrich Zasius, Andreas Alciat, Guilhelmus Budaeus, Sebastian Brant, Beatus Rhenanus oder Erasmus von Rotterdam. Andere als die bezeichneten Gründe, die im Fall von Sebastian Derrer für den Druckort Lyon gesprochen hätten, sind nicht erkennbar; weder er noch seine Vorwortautoren gehen auf diese Wahl explizit ein. Und erst auf der allerletzten Seite des Iurisprudentiae Liber primus findet sich das Emblem der Druckerei von Jean und François Frellon zu Lyon.300 Das Druckerzeichen zeigt einen Krebs, 297
Vgl. Fn. 281. Fol. Dd 4 r.: Excudebat Ioannes Crispinus Lugduni, Anno partu Virginis, Millesimo Quingentesimo Quadragesimo. Mense Aprili. 299 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.II. 298
II. Veröffentlichung
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Abbildung 2: Druckersignet der Gebrüder Frellon im Iurisprudentiae Liber primus (Lyon 1540)
der mit seinen Scheren einen Schmetterling berührt. Darunter steht Matura geschrieben. Insgesamt existieren in den von dieser Druckerei herausgegebenen Werken sechs unterschiedliche Formate. Sie zeigen jedoch allesamt jenes Motiv, das auch Sebastian Derrers Opus ziert.301 Dass im Liber primus lediglich der Name des Druckers Jean Crespin bzw. latinisiert Johannes Crispinus angegeben wird – nicht zu verwechseln mit dem bekannten reformierten Genfer Drucker Jean Crespin302 –, das Druckerzeichen aber eindeutig den Gebrüdern Frellon zuzuordnen ist, überrascht. Regelmäßig finden sich in Werken jener Zeit zuerst das Druckerzeichen und schließlich der dazugehörende Name des Druckers bzw. der Offizin. Auch die Tatsache, dass erst ganz am Ende des Werks auf die ausführende Druckerei hingewiesen wird, ist sonderbar. Der Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin vermerkt als Hinweis zum Iurisprudentiae Liber primus: Mit Jean Crespin geteilte Auflage (dessen Kolophon, aber Druckermarke Frellon).303 Die Offizin der Gebrüder Frellon ist unter deren Führung von 1536 bis 1568 nachgewiesen,304 die von Jean Crespin von 1524 bis 1543.305 Zum Zeitpunkt der Drucklegung des Liber primus ist jedenfalls 300
Fol. Dd 4 v. Baudrier, Bibliographie lyonnaise, cinquième série, S. 155. 302 Gilmont, Jean Crespin, S. 74. 303 Staatsbibliothek zu Berlin, Katalogeintrag zum Iurisprudentiae Liber primus, Ausgabe Lyon 1540. 304 Muller, Imprimeurs/éditeurs français du seizième siècle, S. 35. 305 Gültlingen, Bibliographie des livres imprimés à Lyon au seizième siècle, Tome VI, S. 11. Die Wittwe bzw. die Erben von Jean Crespin haben die Druckerei 301
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
eine deutliche zeitliche Überschneidung beider Häuser zu erkennen, so dass in diesem Fall eine Zusammenarbeit sehr wahrscheinlich ist. Allerdings existieren von der gleichen Ausgabe Exemplare, in denen zusätzlich zur Druckermarke am Ende des Index der Kolophon der Gebrüder Frellon abgedruckt ist – gänzlich ohne Erwähnung Jean Crespins: Sub scuto Coloniensi, apud Ioannem & Franciscum Frellaeos fratres. Indes wird auch in diesem Werk die federführende Offizin erst am Ende vermerkt und nicht, wie bei Frellon sonst üblich, schon zu Beginn. Bezeichnet sich an gleicher Stelle umgekehrt Jean Crespin als ausführender Drucker, ist dennoch auf der letzten Seite des Iurisprudentiae Liber primus das Druckerzeichen der Gebrüder Frellon abgebildet.306 Aus weiteren Werken sowohl der Gebrüder Frellon als auch Jean Crespins geht eine derartige Zusammenarbeit nicht hervor.307 Möglicherweise haben die beiden Druckereien nur für Sebastian Derrers Werk so eng zusammengearbeitet. Bemerkenswert ist allerdings das Schriftbild jener Ausgaben des Iurisprudentiae Liber primus, die das Kolophon von Jean Crespin tragen: Auch in diesen Exemplaren lässt das verwendete Schriftbild auf einen Druck in der Offizin der Gebrüder Frellon schließen. 2. Ausgabe von 1552 Für den wissenschaftlichen Gebrauch von Derrers Iurisprudentia spricht die Tatsache, dass das Werk zwölf Jahre nach dem Erstdruck neu aufgelegt worden ist. Der von Lyon knapp 600 Kilometer Luftlinie entfernte Druckort Löwen im heutigen Belgien lässt auf ein großes Verbreitungsgebiet des Werks schließen. Gedruckt wurde die Neuausgabe in der Löwener Offizin von Antoine Marie Bergagne bzw. latinisiert Antonius Maria Bergagne. Dabei fällt auf, dass sie trotz unveränderten Inhalts bedeutend umfangreicher ausfällt. Das Werk, in seiner Lyoner Ausgabe ohne die Vorworte 177 Seiten stark, wächst auf nun stattliche 348 Seiten. Auch die unterschiedliche Betonung des Titels ist bemerkenswert, denn in der Löwener Ausgabe wird er durch ein Komma getrennt: Iurisprudentia, liber primus. Dabei ist die besondere Akzentuierung von Band I gerade in dieser Ausgabe unverständlich. Dass Derrer zwölf Jahre nach seinem Tod keine weiteren Bände mehr nach dessen Tod bis 1570 fortgeführt. Die zeitliche Angabe bei Muller (Vgl. Fn. 304) über den Beginn der Drucktätigkeit Jean Crespins 1525 ist nicht ganz korrekt. Es lässt sich bereits 1524 ein von diesem gedrucktes Werk nachweisen. 306 So etwa im Freiburger und auch Basler Exemplar der Lyoner Ausgabe des Iurisprudentiae Liber primus. 307 Selbst im Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin findet sich kein weiteres Druckerzeugnis, bei dem es zu einer Zusammenarbeit zwischen Frellon und Crespin gekommen ist.
II. Veröffentlichung
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publizieren konnte, hätte sich längst bis nach Löwen herumgesprochen haben müssen. Ansonsten wäre nach 1540 auch eine posthume Veröffentlichung am ursprünglichen Druckort in Lyon naheliegend gewesen, die bekanntermaßen nicht erfolgt ist. Schließlich ist es auch dort beim Druck des Liber primus geblieben. Dennoch könnte eine derartige Betonung in der Ausgabe von 1552 ein Anhaltspunkt dafür sein, dass eine Publikation weiterer Bände auch zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen worden ist. Möglicherweise waren die Ankündigungen im Liber primus selbst die Ursache dafür, dass sich das Löwener Druckhaus zur Neuauflage von Band I entschieden hat in der Hoffnung, es mögen doch noch weitere Iurisprudentiae Libri hinzukommen. Immerhin ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass auch der Typus Iurisprudentiae von 1567 sowie die Epitome Iurisdictionum et Regalium von 1568 sehr späte und vor allem posthume Veröffentlichungen Derrerscher Arbeiten darstellen. Im Unterschied zur Lyoner Ausgabe von 1540, die noch zu Lebzeiten Derrers herausgegeben worden ist, musste der Löwener Offizin elf Jahre nach Derrers Tod aber klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit zur Veröffentlichung einer eventuell zehn Bände umfassenden Iurisprudentia nicht mehr hoch sein konnte. 3. Heutiger Bestand Der heute noch vorhandene Bestand beider Ausgaben des Iurisprudentiae Liber primus ist überraschenderweise sehr groß. Eine Abfrage im Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) ergibt eine fast europaweite Verbreitung des Werks. In zahlreichen deutschen Bibliotheken lässt sich das Opus noch immer ebenso finden wie in den Bibliotheken anderer Länder in Europa. In der größten Bibliothek des Kontinents, der russischen Staatsbibliothek zu Moskau, befindet sich ebenfalls ein Exemplar; es ist eines aus der Löwener Ausgabe. Sogar in der Library of Congress in Washington ist eine Lyoner Ausgabe vorhanden. Unter den weltweit insgesamt noch vorhandenen Exemplaren des Liber primus dominieren die Ausgaben aus Lyon jene aus Löwen deutlich. Möglicherweise entspricht diese Aufteilung noch heute der unterschiedlich hohen Zahl an Exemplaren, die an den beiden Druckorten hergestellt wurden. Doch die Gesamtzahl der Drucke von Frellon/Crespin und von Bergagne lässt sich nicht mehr feststellen.308
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Allerdings ist ein solch summarischer Vergleich im Hinblick auf divergierende Schwerpunktsetzungen und vor allem unterschiedlich lange Betriebszeiten mit Vorsicht zu genießen.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
III. Literaturgattung Zu Beginn des 16. Jahrhunderts – Hans Erich Troje nennt konkret die 20er-Jahre – steht die europäische Rechtsliteratur unter zunehmendem Einfluss des Humanismus, der einige wenige, aber typisch humanistische Literaturformen herausgebildet hat.309 Franz Wieacker unterscheidet für diese Phase drei Grundtendenzen humanistisch-juristischer Literaturtypen: eine antiquarisch-altertumswissenschaftliche, eine pädagogisch-methodologische und eine systematische Gattung.310 Allerdings dürfen diese drei Literaturtypen aus der Sicht humanistischer Jurisprudenz nicht völlig isoliert betrachtet werden. Es ist vielmehr eine Reflexion im umfassenden Kontext vorzunehmen, da manche Schriften der Zeit zum Teil zwei der genannten Gattungen in una re vereinen, etwa im methodisch-systematischen Bereich. Troje entwickelt den Ordnungsgedanken Wieackers weiter und differenziert aus diesen unterschiedlichen Literaturformen humanistischer Prägung schließlich zwischen acht teils auch thematisch bestimmten Gruppen von Schriften. Zu diesen zählt er: • Texteditionen, • Adnotationen/Observationen, • Monografien, • Unterrichtsschriften, • Schriften zur juristischen Argumentationslehre, • systematische Teil- oder Gesamtdarstellungen, • dogmatische Quellenerläuterungswerke (Kommentare) und • alphabetische Rechtslexika.311 Als weitere Literaturgattung der humanistischen Jurisprudenz verdient eine besondere, vielleicht sogar einzigartige Methode der Wissensvermittlung, herausgestellt zu werden: das juristische Lehrkartenspiel Chartiludium Institute summarie [sic!] des Elsässers Thomas Murner von 1518 über die Institutionen Justinians. Als einziger Teil des Corpus Iuris Civilis weisen diese ein – wenn auch verhältnismäßig einfaches – System auf.312 Murner hat von 1495 an auch in Freiburg studiert. An der Albertina ist er 1506 zum Dr. theologiae und an der Universität Basel 1519 zum Doktor iuris utriusque promoviert worden.313 Mit seinem Kartenspiel zu Didaktik und 309 310 311 312
Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 634. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 162. Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 635. Feenstra, Development of European Private Law, S. 113.
III. Literaturgattung
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Pädagogik für das Rechtsstudium jener Zeit brachte er eine absolute Novität auf den Markt.314 Dieses aus 121 Karten bestehende Spiel sollte den Jurastudenten das Lernen erleichtern und ihnen helfen, sich den Rechtsstoff im Wege einer ausgefeilten Mnemotechnik spielerisch anzueignen.315 Murners Erfindung folgte derselben Intention, der sich später Sebastian Derrer, wenn auch in ganz anderer Form, ebenfalls widmete. Das Streben nach Ordnung und nach einem systematischeren Vorgehen als bis dahin üblich zeigt deutliche Parallelen zwischen diesen beiden Juristen. Dass Derrer das Murnersche Lehrkartenspiel gekannt hat, ist nicht auszuschließen. Immerhin ist es auf den Markt gekommen, als er in Freiburg Jura studiert hat. Vielleicht hat dieses Spiel ihn mit dem Blick auf seine eigenen Ordnungsansätze sogar beeinflusst. In seinem Werk geht er jedoch nicht darauf ein. In jedem Fall fügt sich das Chartiludium in die Reihe jener Arbeiten ein, die zu einer nutzbringenderen Ordnung und verbesserten Darstellung des Rechtsstoffs insgesamt beigetragen haben. Zentraler Untersuchungsgegenstand bildet im Folgenden die Frage, ob der Iurisprudentiae Liber primus einem der genannten humanistischen Literaturtypen zugeordnet werden kann. Denn aus dem Zeitabschnitt der humanistischen Jurisprudenz sind durchaus auch Autoren bekannt, die am scholastisch-mittelalterlichen Denken sowie an dessen Arbeitsweise festzuhalten versucht haben. Legte man allein nur zeitliche Maßstäbe zu Grunde, so fiele das 1540 erstmals publizierte Werk indes unstreitig unter den von Troje gezogenen Rahmen für die humanistische Rechtsliteratur, den er in den 20er-Jahren des 16. Jahrhunderts beginnen lässt. Auch wenn auf die genannten Literaturtypen nicht im Einzelnen eingegangen werden kann, so leuchtet schon auf Grund von Titel und Werkaufbau ein, dass es sich beim Liber primus nicht um eine Textedition handeln kann. Sebastian Derrer wollte ersichtlich keine eigene Textausgabe etwa der Digesten edieren.316 Auch der Bereich der Adnotationen/Observationen, Monografien, Argumentationslehren, Kommentare und Rechtslexika ist, auf das Werk bezogen, auszuschließen. In Frage kommen einzig die beiden Literaturgattungen Unterrichtsschriften und systematische Teil- oder Gesamtdarstellungen, unter deren jeweiligen Blickwinkel der Liber primus eingehend zu untersuchen ist.
313 Smolinsky, „Murner, Thomas“, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 6, Sp. 366. 314 Pauser, Thomas Murners Lehrkartenspiel, S. 198. 315 Pauser, Thomas Murners Lehrkartenspiel, S. 209. 316 Als hervorragendes Beispiel hierfür ist etwa die vierbändige Gothofredus-Ausgabe des Corpus Iuris Civilis von 1583 zu nennen.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
1. Unterrichtsschrift Ausgangspunkt dafür, dass es sich bei der Arbeit um eine Unterrichtsschrift handeln könnte, ist die Überlegung, dass Sebastian Derrer sein ganzes Berufsleben lang Professor war und er gerade deshalb mit der spezifisch didaktischen Vermittlung von juristischem Fachwissen vertraut gewesen sein muss. Zunächst ist allerdings zu klären, was unter einer Unterrichtsschrift als Oberbegriff für Lehr- und Studienanweisungen exakt zu verstehen ist. Eine Unterrichtsschrift fasst Werke rechtswissenschaftlicher Autoren über Ziel und Methode des (juristischen) Unterrichts zusammen; sie will auf didaktischer Grundlage durch das juristische Studium einen Weg bahnen.317 Konnte das Mittelalter mit dem Begriff methodus noch nicht viel anfangen, so entstanden in der frühen Neuzeit erstmals selbstständige Kapitel über den Bereich der methodus, etwa in Philipp Melanchthons Erotemata logices von 1548 oder in Petrus Ramus’ Dialectique von 1555.318 Indes bedeutet methodus im frühneuzeitlichen Verständnis noch kein Verfahren auf dem angestrebten Weg zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Begriff meint zunächst lediglich eine bestimmte und zweckmäßige Technik der Wissensvermittlung als Instrument und Hilfsmittel innerhalb der Lehre.319 Im Vordergrund dieser Schriften stehen deshalb nicht a priori die Weitergabe und Wissensvermittlung von materiellem Recht. Von Relevanz sind hier vor allem Themen wie Wert der Jurisprudenz, Vorbildung, Studiengang, Auswahl der Lehrer und Lehrbücher, juristische Dialektik, Topik, Quellenkunde, die Inhaltsangabe von Büchern und Titeln, Abkürzungen und Zitierweisen.320 Bekanntere Werke dieser Art sind beispielsweise die Iuris utriusque traditio methodica (Frankfurt am Main 1543) von Konrad Lagus und Gottfried Wilhelm Leibniz’ Nova methodus docendae discendaeque iurisprudentiae (Frankfurt am Main 1667). Speziell die Freiburger Albertina hat auf den Rechtsunterricht als solchen offenbar sehr großen Wert gelegt, was sie wohl vor allem dem überragenden Ulrich Zasius zu verdanken hat. Anderen Universitäten hingegen fehlten Persönlichkeiten seiner Bedeutung. Zasius, bei dem auch Derrer Vorlesungen gehört hat und der ihn möglicherweise in hohem Maße zu eigenem juristischem Schaffen animiert, ja inspiriert hat, ist über sein Fachwissen hinaus offenbar auch ein begnadeter Lehrer gewesen. Davon kündet die Totenrede seines Schülers Christoph von Hochemberg, der Zasius’ hohe pädagogische Kompetenz besonders hervorhebt: 317 318 319 320
Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 718, 721. Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 30. Schröder, Methodenlehre, S. 192. Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 718.
III. Literaturgattung
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. . . was er sich selbst in vielen Nächten und beständiger Arbeit angeeignet hat, das hat er so in Einzelkapitel eingeteilt, dass jeder das Ganze begriff, derweil er selbst seine Bildung vervollkommnete. Aus seiner Schule sind folglich besonders viele gelehrte Männer hervorgegangen, viele bedeutende und gelehrte Räte und Berater von Fürsten . . . Und wenn bei den alten Römern jene Bürger in besonderen Ehren standen, die dem Staate zahlreiche Kinder geschenkt hatten . . . welche Ehren wird dann unser unvergleichlicher Zasius verdienen, der meistens von einer großen Schülerschar umringt und umgeben einherging?321
Weiter heißt es in Hochembergs Trauerrede: . . . was beim Lehren eine Leichtigkeit gepaart mit Zuverlässigkeit bedeutete, wie wunderbar er die Antonomien der Gesetze vermittelte, wie ausgezeichnet er die Wahrheit vom Irrtum der Schriftsteller befreite, und wie zu alledem die süße Rede aus seinem Mund ganz so wie aus dem des bejahrten Nestor floss.322
An anderer Stelle lobt Christoph von Hochemberg speziell den stets überzeugenden Unterricht, den Ulrich Zasius gegeben hat: Beim Sprechen und gleichzeitig beim Schreiben erfreute er mit Erhabenheit, er war äußerst liebenswürdig, beim Lehren zuverlässig und mühelos . . . allen gewogen und wohlwollend.323
Auch der Zasius-Schüler Johann Fichard, der zusammen mit Johann Sichard unter dem Dekanat von Sebastian Derrer am 4. Dezember 1531 zum Doktor iuris utriusque promoviert wurde,324 lobt Zasius’ fesselnde und spannende Vortrags- und Unterrichtsweise, wenn er schreibt: 321
Hochemberg, Oratio in funere Zasii, S. 195: . . . quod ipse multis vigiliis, perpetuo labore adeptus est, hoc in multorum capita ita divisit, ut singuli totum caperent, ac ipse interim eruditionem suam locupletaret. Ex illa igitur instiutione emerserunt multi eximie docti viri, multi graves prudentesque senatores, ac principum consiliarii . . . Et si apud antiquos Romanos in maiori pretio sint habiti, qui plures liberos patriae sustulissent . . . quantum honoris divinus noster Zasius merebitur, qui saepius ingenti turba liberorum circumseptus stipatusque incessit. 322 Hochemberg, Oratio in funere Zasii, S. 200 f.: . . . quae erat in docendo cum fidelitate facilitas, quam legum antonomias mire conciliabat, quam a scribentium errore veritatem aliquando vindicabat agregie, & ad haec omnia quam adinstar Pylii senis mellita ab ore eius elocutio volabat. 323 Hochemberg, Oratio in funere Zasii, S. 205: In dicendo simul & scribendo cum gravitate iucundus erat, cum iucunditate gravis, in docendo fidelis ac facilis . . . denique in omnes benignus & benevolus. 324 Fichard, Vita Sichardi, fol. * 2 r. f.: IIII. Calen. Decembris eiusdem anni sesquimillesimi trigesimi primi, utriusque Iuris insignibus sumus decorati. Neque tamen ea Zasius ipse, ut Garbitius tradit, nobis contulit (qui praesenio tunc suggestu conscendere non poterat, solenni tamen isti actui interesse dignatus est) sed D. Sebastianus Derrerus, Codicis prefessor ordinarius, cuius etiam supra mentionem feci, vir integerrimus, & iuris Civilis eximie peritus. Eindrucksvoll und bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Fichards Charakterisierung von Sebastian Derrer als ein sehr redlicher und im Zivilrecht außerordentlich kundiger Mann.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Immerfort stand er beim Lehren freilich in Ansehen, alles war lebhaft, über das er sprach, so dass ich klar beeiden kann, keinen deutschen oder italienischen Professor gehört zu haben, der ihn in jener lebhaften Lehrweise übertroffen haben würde.325
Hinzu kommt, dass Zasius zur Vermittlung des juristischen Lehrstoffs selbst eine kleine Schrift in Briefform verfasst hat. Es handelt sich hierbei um die Epistola D. Udalrici Zasii de methodo iuris ad D. Ioannem Fichardum.326 In dieser Schrift formuliert Zasius die Bestandteile des Rechtsstudiums, die er für wesentlich und notwendig hält. Und er warnt darin vor den Gefahren, die aus einem falschen Herangehen an diese Materie resultieren. Weil Sebastian Derrer selbst unter dem unmittelbaren didaktischen Einfluss Ulrich Zasius’ stand, ist es nicht ausgeschlossen, dass auch er in Form des Iurisprudentiae Liber primus zur didaktischen Feder gegriffen und diesen als methodische Unterrichtsschrift im Sinne einer Lehr- und Studienanweisung verfasst hat. Zunächst bietet sich eine Untersuchung des Titels an. Möglicherweise lässt bereits dieser Rückschlüsse auf eine methodologische Unterrichtsschrift zu. Derrer beginnt die Titelseite mit den Worten Iurisprudentiae Liber primus, instar disciplinae institutus, & Axiomatibus magna ex parte conscriptus . . .327 Auf dieser Titelseite überrascht die geringe Größe der Buchstaben, die Sebastian Derrer gewählt hat. Sie wirkt im Vergleich mit anderen juristischen Werken jener Zeit recht unscheinbar, zumal die Buchstaben mit Ausnahme der ersten Zeile sogar kleiner sind als der danach folgende Buchtext. Die überwiegende Mehrheit der damaligen Rechtsliteratur hingegen trägt deutlich große, zum Teil farbige (oft rote) und vor allem im oberen Seitenbereich der Titelseite liegende Titelbuchstaben, während Derrer die Titelüberschrift des Liber primus ganz ungewöhnlicherweise in der unteren Hälfte platzieren lässt. Ein Motiv für diese eigenartige und auch auf die damalige Zeit bezogen eher unübliche Titelgestaltung erschließt sich nicht, zumal viele andere Werke aus der Lyoner Druckerei von Jean und François Frellon durchaus dem konventionellen Titeltypus ihrer Zeit entsprechen. Vergleicht man den Titel mit dem gängiger juristischer Unterrichtsschriften des 16. Jahrhunderts, so fällt ein signifikanter Unterschied auf: Typische 325 Fichard, Iurisconsultorum Vitae, S. 259: . . . tamen ita adhuc docendo vigebat, ita vivebant omnia quae loquebatur, ut liquido iurare poßim, nemine[m] me ex Germanis & Italis professoribus audivisse, qui hunc vivida illa docendi ratione superarit. 326 Abgedruckt bei Joseph Anton Stephan Ritter von Riegger, Epistolae ad viros aetatis suae doctissimos, Ulm 1774, S. 381 f. Dieser Brief wird in der vorliegenden Arbeit mehrfach zitiert. Vgl. Fn. 353, Fn. 581 sowie Fn. 582. 327 Etwa: Der Rechtswissenschaft erster Band, zugleich eine Einführung in die [juristische] Disziplin und großteils aus Grundsätzen verfasst . . .
III. Literaturgattung
Abbildung 3: Titelseite des Iurisprudentiae Liber primus (Lyon 1540)
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Titel solcher Schriften lauten etwa De studio iuris et legum, De methodo discendi iuris, De ratione docendi discendique iuris oder De exercitatione iurisperitorum. Bereits die Titel dieser Werke verdeutlichen, dass bei ihnen immer die Art der Vermittlung des Rechts (studium, methodus, ratio, exercitatio) und nicht primär das materielle Recht als solches im Vordergrund steht.328 Im Unterschied dazu gibt Derrer durch die ersten drei Titelworte Iurisprudentiae Liber primus zu erkennen, dass es ihm grundsätzlich nicht um die spezifische Lehrmethode in der Rechtswissenschaft geht, sondern um das Recht bzw. um die Rechtswissenschaft als solche im Sinne einer materiellen Weitergabe seines als Summe der Lehrtätigkeit erarbeiteten juristischen Wissens. Allerdings könnte man in den direkt darauf folgenden Worten instar disciplinae institutus zumindest ein Anreißen auch der methodischen Thematik im Sinne einer Lehr- und Studienanweisung sehen. Immerhin bedeutet disciplina in erster Linie Unterweisung, Lehre, Unterricht; Begriffe also, die stark an die als Beispiele angeführten Titel juristischer Unterrichtsschriften des 16. Jahrhunderts erinnern. Allerdings ist zu beachten, dass disciplina auch Ordnung bzw. System bedeuten kann, was im Hinblick auf Derrers Ansätze zu einer neuen systemschaffenden Ordnung ebenfalls gemeint sein könnte. Geht man indes allein vom Titel des Werks aus, so kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass er auch Ansätze über Ziel und Methode des juristischen Unterrichts aufzuzeigen beabsichtigte. Jedenfalls reicht ein Blick allein auf den Werktitel nicht aus. Essenziell wird die Beantwortung der Frage, ob der Iurisprudentiae Liber primus zur Gattung der Unterrichtsschriften gezählt werden kann, im materiellen Bereich des Werks. Gerade hier kommt die wahre Intention Derrers am deutlichsten zum Ausdruck. Wird dieser Teil unter dem Blickwinkel einer Unterrichtsschrift betrachtet, so finden sich nahezu keine Hinweise hierfür. Bereits die erste der 51 Titelüberschriften, De Iustitia, Iure et Iurisprudentia, gibt zu erkennen, dass das Werk sachorientierte, auf universitäre Bedürfnisse zugeschnittene juristische Probleme anspricht und behandelt. Die für Lehr- und Studienanweisungen typischen Signalbegriffe wie etwa studium oder methodus findet man hier, zumindest in diesem Zusammenhang, nicht. Der Begriff methodus erscheint im Darstellungsteil überhaupt nicht. Derrer selbst verwendet diesen Terminus im gesamten Werk sogar nur ein einziges Mal: in seiner Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. Das Wort ratio durchzieht zwar die Darstellung, allerdings nicht in dem hier zu untersuchenden Zusammenhang. Einige wenige Worte über die Methode und das Vorgehen an und für sich finden sich im zweiten Titel De Iure Divino, wenn Derrer schreibt, dass es 328
Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.III.1.
III. Literaturgattung
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überdies jenseits der heiligen Schrift gewisse mystische Vorschriften gibt, in denen wir eher die Gelehrsamkeit und Autorität des Lehrers betrachten, als dass wir dabei irgendeine Methode oder Führung durch die Natur verfolgen.329
Und selbst an dieser Stelle gesteht er ein, dass das zur Gottesverehrung gehörige Recht das ist, über das auch die Art des Unterrichts nichts zur Gelehrsamkeit beitragen kann.330 Dies ist die einzige Passage des gesamten Darstellungsteils, in der Derrer dem Ansatz nach ein methodisches Vorgehen anspricht, wenn auch ein im Bereich des zur Gottesverehrung gehörigen Rechts erfolgloses. Eine spezifisch didaktische Intention über Ziel und Methode des juristischen Unterrichts lässt sich ansonsten in diesem Teil, der naturgemäß den größten des Werks bildet (insgesamt 172 Seiten), nicht erkennen. Im Vordergrund steht hier die lehrbuchartige Vermittlung von juristischem Sachwissen, wenngleich auch auf Basis praktisch angewendeter Methodik. Fasst man die Ergebnisse der Untersuchung, ob der Iurisprudentiae Liber primus eine Unterrichtsschrift ist, zusammen, so ist festzuhalten, dass es Sebastian Derrer nur um die Darstellung des Rechtsstoffs, hingegen nicht um eine anzuwendende Lehrmethode als solche geht. Der Sachfragen klärende, lehrbuchartige Charakter des Darstellungsteils steht deutlich im Vordergrund. Von einer nova methodus docendae discendaeque iurisprudentiae im Sinne einer klassischen Unterrichtsschrift der humanistischen Jurisprudenz kann somit nicht gesprochen werden. Vor allem deshalb, weil Derrer zwar eine Verbesserung des juristischen Unterrichts auch in methodisch-didaktischer Hinsicht intendiert hat, diese aber in seinem Systemschema und dem Darstellungsteil nur Mittel zum Zweck gewesen ist. 2. Systematische Teil- oder Gesamtdarstellung Möglicherweise lässt sich der Iurisprudentiae Liber primus aber der Literaturgattung der systematischen Teil- oder Gesamtdarstellung zuordnen, in der die Absicht dominiert, eine einleuchtende Ordnung und eine überzeugende Systematik herauszuarbeiten.331 Im deutlichen Unterschied zum Genre der Unterrichtsschrift, bei der vor allem Methode und Didaktik der humanistischen Rechtsausbildung als solche im Vordergrund steht, befassen sich die systematischen Darstellungen der Zeit mit dem konkreten, materiel329 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 2, Abschnitt 4, S. 11: Sunt insuper ultra moralia in sacra pagina, mystica quaedam praecepta, in quibus potius literam, & praecipientis spectamus autoritatem, quam quod rationem aliquam, aut naturae ductum in his sequamur. 330 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 2, Abschnitt 6, S. 11: Ceraemonialia autem sunt, de quibus etiam ad literam ratio institutionis reddi non potest. 331 Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 635.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
len römischen Recht unter dem besonderen Blickwinkel einer Ordnung und Strukturierung desselben. Allerdings ist diese Literaturgattung insgesamt nicht so übersichtlich strukturiert wie die Logik-, Topik- und Interpretationsliteratur der Zeit,332 doch bedarf sie für die Arbeitsweise Sebastian Derrers ebenfalls einer eingehenderen Untersuchung. Gerade seine philosophische Schulung und spätere Lehrtätigkeit in dieser Disziplin geben zahlreiche Hinweise darauf, dass er für die Darstellung seines Systems ein Verfahren angewendet hat, das er aus seinem eigenen Werdegang bezog. a) Systematik Mit Hilfe philosophischer Methoden bemühten sich die Rechtsgelehrten im Wege eines ordo iuris, das Recht entweder in seiner von der Legalordnung vorgegebenen Form zu belassen und es lediglich überschaubarer zu machen oder es aber rational völlig neu zu konstruieren.333 Im Bemühen um eine solche Übersicht und Übersichtlichkeit des Rechtsstoffs herrschte freilich Uneinigkeit darüber, ob die gewünschte Ordnung dem vorliegenden Rechtsstoff bereits immanent sei oder ob für diese Materie eine solche Ordnung erst noch entwickelt werden müsse. Der Begriff ordo iuris meint dabei unabhängig von der Antwort auf die gestellte Frage zunächst Ordnung der das positive Recht ausmachenden historischen Texte: Stoffordnung.334 Dieses Kriterium entscheidet die Frage, ob ein Werk einer systematischen Darstellungsweise zuzurechnen ist oder nicht. Aus diesem Grund findet sich beispielsweise bei reinen Kommentaren ein bloßes Hintereinanderreihen der römischrechtlichen Quellen. Von einer systematischen Darstellung kann hier schon deshalb nicht gesprochen werden, weil quellenunabhängige Ordnungsansätze nicht zu finden sind. Das bemängelt auch Sebastian Derrers Schüler Joachim Mynsinger von Frundeck, der sich selbst in seinem in Versform verfassten carmen zu Beginn des Iurisprudentiae Liber primus als Doktor der Rechte und ordentlicher Zivilrechtsprofessor in Freiburg vorstellt. Mynsinger kritisiert diese in seinen Augen für die Rechtswissenschaft ungünstige Praxis der vergangenen Jahrhunderte als blindes Chaos sowie undurchschaubare Ordnung. Den völligen Gegensatz dazu sieht er in Derrers Werk und in dessen Wirken mit dem Ziel einer systematischen Ordnung.335 Ein derartiger übersichtlicher Aufbau über das Recht, zumindest in dem im Liber primus einsehbaren 332
Schröder, Geschichte der juristischen Methode, S. 79. Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 741. 334 Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 742. 335 Mynsinger von Frundeck, Carmen ad lectorem, fol. a v.: . . . obscure . . . ordine . . .; . . . caecum . . . chaos . . . Vgl. das vollständige Gedicht in Fn. 694. 333
III. Literaturgattung
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Rechtsbereich, war für die Rechtswissenschaft der Zeit in der Tat etwas fundamental Neues und ihr bis dahin auch fremd. Derrers Systemschema sowie der Titelaufbau des Darstellungsteils im Liber primus lassen auf ein wie auch immer geartetes System schließen, so dass es sich bei seiner Arbeit um eine systematische Darstellung handelt. b) Teil- oder Gesamtdarstellung Weiter ist zu untersuchen, ob Sebastian Derrer sein Opus als Teil- oder als Gesamtdarstellung konzipiert hat. Als Teildarstellung bezeichnet man dabei naturgemäß die Abhandlung und Erörterung nur eines bestimmten Bereichs der Materie, während eine Gesamtdarstellung diese vollumfänglich abdeckt und behandelt. Da Derrer in seinem Systemschema neben dem weiten Bereich der persona auch die großen Gebiete res, commercium und persecutio erwähnt, könnte er sein Werk als systematische Gesamtdarstellung konzipiert, also eine allumfassende Ordnung des Zivilrechts angestrebt haben. Hierfür spricht bereits die Bezeichnung als Liber primus, dem mutmaßlich weitere Iurisprudentiae Libri folgen sollten. Es fällt jedoch auf, dass er die drei anderen großen, durchaus auf der Stufe der persona stehenden Rechtsgebiete (res, commercium und persecutio) nicht ebenfalls aufspaltet. An zu wenig Platz kann es nicht gelegen haben, zumal Derrer vertikal und nicht horizontal gliedert und er deshalb diese Rechtsgebiete problemlos ebenfalls hätte unterteilen können. Es bleibt zu vermuten, dass er im Liber primus, der schwerpunktmäßig das Personenrecht behandelt (Titel 9 bis 51), auch nur die hierfür zugehörigen Gliederungspunkte aufzeigen und im Gegensatz hierzu die anderen großen Bereiche res, commercium und persecutio lediglich der Vollständigkeit halber erwähnen wollte. Joachim Mynsinger von Frundeck dürfte deshalb etwas übertrieben haben, wenn er in seinem carmen schreibt: Man kann mit dem kleinen Buch das ganze zusammengefasste [Recht] begreifen, es lehrt Dich, den Fuß auf den wahren Pfad zu setzen.336
Dass die Studenten durch den Liber primus den Fuß auf den wahren Pfad setzen konnten, ist Mynsingers Interpretation. Dass sie dadurch allerdings das gesamte zusammengefasste Recht begreifen konnten, ist ausgeschlossen. Denn die anderen Rechtsgebiete erwähnt Derrer im Liber primus lediglich, befasst sich mit ihnen aber nicht eingehend. Er selbst deutet jedoch eine Fortsetzung des Liber primus an: 336
Mynsinger von Frundeck, Carmen ad lectorem, fol. a v.: Id licet omne brevi compraensum cernere Libro, Te docet hic vero tramite ferre pedem. Vgl. das vollständige Gedicht in Fn. 694.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Denn die übrigen Kapitel freilich, die sich auf das Sachenrecht, den Sachverkehr337 und die Rechtsverfolgung beziehen, sind von keiner anderen Ordnung als von dieser, die bereits der Liber primus in sich trägt.338
Derrer kündigt in diesem Passus also indirekt an, dass die weiteren Rechtsgebiete res, commercium und persecutio im kommenden Band bzw. in den kommenden Bänden behandelt werden. Noch präziser wird er am Schluss seiner Widmungsepistel, wenn er sogar die genaue Anzahl der zu publizierenden Bände angibt: . . . habe ich zugestimmt, dass mindestens dieses einzigartige und im Druck erschienene Buch Verbreitung findet. Durch diese Veröffentlichung möge es folglich bekannt werden, ebenso wie es zukünftig beliebt sein und wie sehr und wie viel Nutzen es für die Rechtsstudenten bringen möge. Und wenn sie [die Rechtsstudenten] schließlich in diesem Werk etwas vermissen . . ., so kann dies in den folgenden bis jetzt nicht weniger als neun fertig zu stellenden Büchern überaus leicht ergänzt oder verbessert werden.339
Auch am Ende des Werks im 51. Titel verweist Derrer auf den kommenden zweiten Band: Nach der vollständigen Darstellung des Personenrechts, das aus status, conditio und defensio besteht, handelt der nächste Band vom Sachenrecht.340 Damit wird deutlich, dass er beabsichtigt hat, ein insgesamt zehn Bände umfassendes Werk über die gesamte legistische Rechtswissenschaft zu verfassen. Der Iurisprudentiae Liber primus sollte dabei der Anfang sein und das Werk demzufolge bis zum Liber decimus fortgeführt werden. Offensichtlich hatte Petrus Petremandus von den Plänen Derrers Kenntnis, wenn er ihn in seiner praefatio darum bittet, die weiteren neun Bände herauszugeben: Deshalb wird es an Dir [Leser] liegen, mit mir von einem so großen Meister des universitären Rechts nun beharrlich zu erbitten und zu erstreben, dass er uns die anderen Bücher (die durch Fügung des Geschicks zur Vollendung und zur vollständigen Bearbeitung der ganzen Gesetzesdisziplin bis jetzt neun an der Zahl sein werden) als so seltenen Schatz im Recht nicht vorenthalten möge.341 337 Vgl. zur Übersetzung des commercium als Sachverkehr die Ausführungen in Kapitel E.VI.2.b). 338 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b v. f.: Nam caetera capita, nempe quae ad iura rerum, commerciorum, atque persequutionum attinent: non alio ordine . . . quam eo, quem is primus Liber prae se fert . . . 339 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b 2 r. f.: . . . annui, ut saltem is unicus Liber typis pressus diffunderetur, quo sic diffuso, cognitum fiat, quam grata futura sit haec opera, & qualis quantusque fructus ex illa maneat Iurium studiosos. & demum si qua in eo desyderantur . . ., in sequentibus Libris, non minus novem, adhuc absolvendis, facilius suffici, aut in melius restitui possint. Vgl. Fn. 374. 340 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 51, Abschnitt 38, S. 177: Personarum iure, quod statu, conditione, defensione consistit, sic perfunctorie absoluto: proximum Tractatum ius Rerum desyderat.
III. Literaturgattung
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An anderer Stelle der praefatio gibt Petremandus’ Bemerkung über die Fortsetzung der Reihe hingegen Rätsel auf. Hier spricht er plötzlich ganz konkret von einem scheinbar existierenden zweiten Band: Im zweiten Band (den er unlängst in Freiburg nach diesem [ersten Band] unter großer Bewunderung aller vorgetragen hat) gibt er einen weiteren Überblick über das Recht, nämlich über das Sachenrecht.342
Ebenso eindeutig sind die dazugehörigen und knapp gefassten Randbemerkungen die Fortsetzung des ersten Bands zum zweiten, zweiter Überblick über das Recht sowie Darstellung des zweiten Bands.343 Auch spricht Petremandus davon, dass wir in diesen Büchern fürwahr bisher aufgrund unseres eigenen Verschuldens allzu schwer Ergründbares und bis jetzt Vernachlässigtes lernen werden.344 Im Folgenden geht er vergleichsweise detailliert auf diesen zweiten Band ein, der das Sachenrecht behandelt und den Derrer am Ende des Liber primus selbst so ankündigt.345 Im Hinblick darauf, dass das Sachenrecht in seinem Systemschema tatsächlich an zweiter Stelle nach dem Personenrecht rangiert, wäre das auch konsequent. Ferner erörtert er in seinem Vorwort die von Derrer für die nächsten Bände offensichtlich vorgesehenen weiteren Rechtsgebiete commercium und persecutio, die Derrer im Liber primus ebenfalls lediglich im Rahmen des Systemaufbaus erwähnt. Immerhin scheinen die weiteren Pläne Derrers auch anderen Widmungsautoren bekannt gewesen zu sein. In diesem Sinne jedenfalls äußert sich Claudius Glannaeus, der sich in seinem in Reimform verfassten carmen als Burgunder aus Arbois vorstellt. Bei ihm handelt es sich höchstwahrscheinlich um Claudius de Arbogio Bisontinens. dioc., der sich zum Wintersemester 1503/04 unter der Nummer 61 in die Matrikel der Albertina eingetragen hat.346 Über ihn ist allerdings nicht viel mehr bekannt. Zu den weiteren Plänen Derrers äußert er: 341 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 4 r.: Proinde tuum erit, mecum a tanto Iuris studiosorum Antistite obnixe nunc rogare, ac petere, ne libros alios (qui forte ad totius disciplinae legalis consummationem & absolutam tractationem novem adhuc futuri sunt) tam rarum in iure Thesaurum, nobis invideat. 342 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 v.: Alteram Iuris speciem, de iure scilicet rerum, in secundo Libro, (quem nuper Friburgi post hunc magna cum omnium admiratione praelegit) tradit. 343 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 v.: Continuatio libri primi ad secundum, Secunda Iuris species sowie Libri secundi argumentum. 344 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 v.: In quibus sane libris abstrusiora adhuc, nostro ingenti malo hactenus neglecta discemus. 345 Vgl. Fn. 340. 346 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 153. Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.I.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Den äußersten Neid der Doktoren: Wenn sie nicht nur wetteifernd verlangen, dass dieser die übrigen Bücher vollenden möge.347
Offensichtlich hatte also auch Glannaeus weitere Informationen darüber, dass Derrer mehrere Bände publizieren wollte. Guilhelmus Barotius, der sich in seinem carmen als burgundischer Sequaner vorstellt (von ihm sind weder Lebensdaten bekannt noch findet sich über ihn ein Eintrag im Matrikelverzeichnis der Freiburger Universität), schreibt im Vorgriff auf Derrers Systemschema: Denn durch die vierfache Unterscheidung erhellt [das Rechtsgerüst] die Objekte, man spricht von Rechtsverfolgung, Personen-, Sachenrecht und Sachverkehr. In diesem ersten Band geht es um das Personenrecht, . . .348
Auch er betont also explizit dieses erste Buch, so als ob noch weitere folgen werden. Die letzte Randbemerkung seines carmen schließlich wird wie bei Petremandus überdeutlich: Über die Sachenrechte, den Sachverkehr und die Rechtsverfolgung wird in den folgenden Büchern berichtet.349 In seinem zweiten carmen, das sich vorwiegend an die Examenskandidaten richtet, betont Barotius ebenfalls die Fortsetzung der Derrerschen Reihe: Jener macht die zu betrachtenden Rechte und Personen[-rechte] bekannt. Die anderen Teile hingegen werden in den übrigen Büchern folgen, und zwar die Rechtsverfolgung, das Sachenrecht und der Sachverkehr.350
Nach diesen Ankündigungen kann insgesamt kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Sebastian Derrer eine mehrbändige Reihe verfassen und edieren wollte. Da im Gegensatz zum Liber primus ein solcher Liber secundus, tertius etc. jedoch in keiner Bibliothek existiert und auch in der zeitgenössischen rechtswissenschaftlichen Literatur des 16. Jahrhunderts sowie in allen späteren Jahrhunderten von keinem zweiten, dritten oder vierten Band die Rede ist, drängt sich die Frage auf, ob außer dem Liber primus überhaupt weitere Bände gedruckt worden sind. Man wird diese Frage verneinen müssen, obwohl sich Petrus Petremandus in seiner praefatio über die 347 Glannaeus, Carmen ad lectorem, fol. b 4 v.: Invidiam extremam doctorum: ni modo poscant Certatim, ut Libros compleat is reliquos. 348 Barotius, Carmen ad lectorem, fol. c 2 r.: Res namque obiectas quadruplo discrimine lustrat, Actio, Personae, Res, ac commercia rerum Dicuntur. Primo hoc Persona volumine regnat, . . . 349 Barotius, Carmen ad lectorem, fol. c 2 r.: Rerum iura, rei commercium, atque persecutio sequentibus Libris traduntur. 350 Barotius, Carmen ad Iurisprudentiae candidatos, fol. c 3 r.: Iuraque, Personas ille hic spectantia pandit. At reliquis Libris prodibunt caetera membra, Actio nimirum, Res, ac commercia rerum.
III. Literaturgattung
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Existenz eines Liber secundus geäußert hat. Dabei fällt auf, dass er das Verb praelegere verwendet. Es bezieht sich auch im humanistischen Sprachgebrauch eindeutig auf das erklärende Vortragen oder Vorlesen im Rahmen einer (universitären) Lehrveranstaltung. Möglicherweise hat Sebastian Derrer den Inhalt von Band II bereits vor Studenten verwendet und Petremandus erhielt auf diese Weise Kenntnis davon. So ist zwar in der Tat davon auszugehen, dass Derrer zumindest einen zweiten Band konkret konzipiert, verfasst und eventuell auch schon druckfertig vorbereitet hatte. Möglicherweise hat dann nur sein früher Tod am 30. Juni 1541 verhindert, dass auch dieses Buch erscheinen konnte. Hierfür spricht zum einen die Datierung seiner Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. vom Januar 1540, zum anderen die endgültige Drucklegung des Liber primus, die der ausführende Drucker Jean Crespin am Ende des Werks mit April 1540 angibt. Band I ist demnach erst gut ein Jahr vor Derrers Tod auf den Markt gekommen – für die Herausgabe weiterer Bände blieb also offenbar keine Zeit mehr. Die Erklärungsversuche Hans Winterbergs, dass Sebastian Derrer die geplanten neun weiteren Bände deshalb nicht geschrieben habe, weil Zasius die Arbeit, die Derrer ihm wie auch anderen Freunden als Manuskript gezeigt hatte, zwar sehr gelobt, derlei systematische Versuche dann aber allgemein als für die Praxis unnütz verworfen hatte,351
sind deshalb eher abwegig. Winterbergs einziger Beleg für seine Behauptung ist ein an Johann Fichard adressierter Brief, in dem Ulrich Zasius Bedenken gegen die Absicht äußert, überhaupt ein System zu schaffen:352 Dennoch wird aus diesen nach allgemeinen Grundsätzen geordneten oder in ein System gebrachten Rechtsgrundlagen niemand zum Lösen zweifelhafter Rechtsfälle angeleitet werden können, weil es mehr Fälle als Begriffe gibt, wie die Rechtsgelehrten sagen. Die so vielfältigen Handlungen der Menschen in einer höchsten Übersicht zusammenfassen zu wollen, ist nichts anderes, als im Meer kleine Seen zusammenzuhalten.353
Allein daraus zu schließen, Derrer hätte sich in seiner Arbeit an den geplanten neun Folgebänden beeinflussen oder sich gar davon abbringen lassen, ist schon aus zeitlicher Perspektive unwahrscheinlich. Zwar ist nicht mehr festzustellen, wann dieser Brief geschrieben wurde, weil Zasius lediglich mit Tuus Zasius, aber ohne Datum signiert. Aber wesentlich später als 351
Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 27. Vgl. Fn. 326. 353 Zasius, Epistolae, ed. Riegger, S. 381: Ex his tamen generatim digestis vel in artem coactis iuribus, nemo caussis dubiis dissolvendis instrui poterit, cum plura sint negotia, ut dicit iurisconsultus, quam vocabula. Actus hominum tam numerosos, in summam compendiariam concludere velle, nihil aliud est, quam in mare lacusculos coercere. Vgl. Fn. 581 sowie Fn. 582. 352
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
1530 wird er wohl kaum verfasst worden sein. Das Schreiben ist bei Joseph Anton Stephan Ritter von Riegger unter der Nummer 236 als letzter von neun Briefen abgedruckt, die dieser in die Kategorie der Zasiusschen Epistel Ad amicos suos Friburgenses epistolae quaedam eingereiht hat. Da diese Briefe zeitlich geordnet und die zuvor abgedruckten Briefe von Zasius 1528 bzw. 1530 aufgesetzt worden sind, dürfte das vorliegende Schreiben 1530 oder danach verfasst worden sein, spätestens 1535, dem Todesjahr von Ulrich Zasius. Das bedeutet somit, dass sich Zasius mindestens sechs, vielleicht sogar schon elf Jahre vor dem Erstdruck des Iurisprudentiae Liber primus so geäußert hat. Seine Haltung zu einem eigensystematischen ordo iuris war also längst bekannt, als Sebastian Derrer sein Werk 1540 drucken ließ und neun weitere Bücher plante. Ferner ist schließlich zu beachten, dass derselbe Zasius in seiner 1536 in Basel erschienenen In titulos Institutionum de actionibus enarratio das Vorgehen Derrers gleich zu Beginn seines Werks ausdrücklich hervorhebt354 und in anderem Zusammenhang innerhalb der enarratio in Form einer Randbemerkung gar von den Iurisprudentiae libri, also im Plural, spricht.355 Auch aus dem Inhaltsverzeichnis des Werks ergibt sich ein eindeutiger Hinweis darauf mit Seitenzahl und Zeilenangabe: Iurisprudentiae libri per D. Sebastianum Derrer.356 Offensichtlich hatte also auch Zasius Kenntnis von Derrers Veröffentlichungsplänen. Hinzu kommt sein Hinweis im selben Inhaltsverzeichnis auf die Sebastiani Derrer Doctoris Iurisprudentiae novi libri.357 Auch wenn die Bezeichnung novi libri zum Zeitpunkt der Herausgabe der enarratio jedenfalls noch nicht wörtlich im Sinne gedruckter und herausgegebener Bücher zu verstehen war, so sprechen auch diese Belegstellen gegen die Annahme Hans Winterbergs, Derrer habe als Reaktion auf Zasius’ Kritik sein Werk lange Zeit nicht veröffentlicht. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Äußerung eines Rechtsgelehrten zu, obwohl dieser weder zu Derrers Schülern noch zu dessen übrigen Zeitgenossen zählte: Es handelt sich um den aus Freiburg stammenden Juristen und Philosophen Johann Thomas Freigius, der die auf Derrer zurückgehende Epitome Iurisdictionum et Regalium 1568 posthum herausgegeben hat.358 Freigius hatte größtes Interesse an einer Systembil354
Vgl. Fn. 290. Zasius, In titulos Institutionum de actionibus enarratio, S. 206. Bei der in der Ausgabe von 1536 verzeichneten Seitenzahl 196 handelt es sich ganz offensichtlich um einen Druckfehler. 356 Zasius, In titulos Institutionum de actionibus enarratio, Index, fol. O 4 v. 357 Zasius, In titulos Institutionum de actionibus enarratio, Index, fol. O 7 r. Dieser Eintrag bezieht sich auf die in Fn. 354 bezeichnete Textstelle. 358 Vgl. über diese die Ausführungen in Kapitel F. 355
III. Literaturgattung
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dung der Wissenschaften insgesamt. Auch mit Sebastian Derrers Arbeit hat er sich sehr detailliert auseinandergesetzt. So bezieht er Position zum Iurisprudentiae Liber primus und er geht auch darauf ein, warum das auf zehn Bände angelegte Werk nicht vollendet wurde: Als Sebastian Derrer, ein Mann von wahrhafter Bildung, von veredeltem und vervollkommnetem Fleiß und unter den Rechtsgelehrten der weiseste Philosoph, unter den Philosophen der Rechtsgelehrteste, vor einigen Jahren mit einem Büchlein über die Rechtswissenschaft begonnen hatte, sein Tod allerdings dazwischenkam, konnte er es nicht zu Ende bringen.359
Mit dem Blick darauf, dass Derrer seinen Liber primus fertigstellen konnte, äußert sich Freigius zwar missverständlich, doch seine Grundaussage ist klar erkennbar: Nur Sebastian Derrers früher Tod ist die Ursache dafür, dass die geplanten Iurisprudentiae Libri unvollendet geblieben sind. Freigius selbst war bei Derrers Tod 1541 zwar noch nicht geboren, aber bereits sein Vater Nicolaus Freigius hat an der Freiburger Juristenfakultät studiert. Er wurde am 10. Februar 1534 vom Markgrafen von Baden aus der Leibeigenschaft entlassen, damit er zum Doktor iuris utriusque promoviert werden konnte;360 im selben Jahr, in dem Sebastian Derrer zum Sommersemester das Rektorat an der Albertina übernommen hatte. Da Nicolaus Freigius nach einem kurzen Aufenthalt am fürstlichen Hofgericht im südelsässischen Ensisheim Stadtsyndikus in Freiburg geworden war und sich später, wenn auch erfolglos, um eine juristische Professur an der Albertina bemühte,361 ist es sehr wahrscheinlich, dass auch er von Derrer und dessen Projekt der Iurisprudentiae Libri wusste. Hinzu kommt, dass Derrer ihn in einem Brief an Wendelin Bittelbronn, ebenfalls Zasius-Schüler und später zweiter Stadtadvokat von Straßburg,362 als Freigius noster bezeichnet. Abgedruckt ist Derrers Brief in seiner Vorrede zu Ulrich Zasius’ 1537 in Basel posthum erschienenen In primam partem digesti veteris paratitla.363 359 Freigius, Praefatio, fol. * 2 r.: Cum Sebastianus Derrerus vir solidae eruditionis, exculti perpolitique ingenij ac inter I.C. sapientissimus philosophus, inter philosophos iuris consultissimus, ante aliquot annos de Iurisprudentia libellum inchoasset, sed morte praeventus, eum perficere non potuisset. 360 Stintzing, „Freigius, Nikolaus“, in ADB VII, S. 343. 361 Stintzing, „Freigius, Nikolaus“, in ADB VII, S. 343. 362 Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 16. 363 Derrer, Epistola ad Gvendelinum Bittelbronn, fol. a 2 r. Auch wenn der Brief als Absender einen Sebastianus Sithius bezeichnet, kann es sich bei diesem nur um Sebastian Derrer handeln. Wie Hans Winterberg in seiner Arbeit Die Schüler von Ulrich Zasius, S. 26, Fn. 2, wohl zu Recht annimmt, verwendet Derrer seinen Namen hier nach humanistischem Verständnis latinisiert. Der Name leitet sich von derren, also dörren, rösten, trocknen, ab, was im weiteren Sinne auch Durst, lateinisch sitis, nach sich ziehen kann; daher wohl Derrers Selbstbezeichnung in diesem Zusammenhang als Sithius. Hinzu kommt ferner, dass im engeren Umfeld von Ulrich Zasius kein weiterer Sebastianus bezeugt ist. Weitere Quellen, in denen Derrer sei-
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Auch gibt Johann Thomas Freigius in seinem Vorwort zusätzlich an, dass er die Bruchstücke, die zu der später von ihm herausgegebenen und auf Derrer zurückgehenden Epitome Iurisdictionum et Regalium geführt haben, im väterlichen Bücherbestand ausfindig gemacht habe: Und diese hatte ich in der Bibliothek meines Vaters Nicolaus Freigius wiedergefunden und deren Nutzen betrachtet.364 Möglicherweise stammen diese Bruchstücke sogar noch aus Nicolaus Freigius’ eigener Studienzeit. Offensichtlich profitierte auch sein Sohn Johann Thomas von diesem Wissen. Die Tatsache, dass dieser später selbst an der Albertina studiert und doziert hat, macht es ebenfalls sehr wahrscheinlich, dass seine Angabe in der Epitome über die Gründe, weshalb Derrer die Iurisprudentiae Libri nicht vollenden konnte, auf gesicherter Wissensgrundlage beruht. Auch in diesem Zusammenhang werden Derrers Worte aus seiner Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. relevant, mit denen er die Fortsetzung seines Werks unüberhörbar ankündigt. So sprechen diese auf Januar 1540 datierte Widmung, aber auch die Aussagen von Petrus Petremandus und Giulhelmus Barotius gegen Winterbergs Mutmaßung; ebenso die Überlegung, dass sich Sebastian Derrer von den allgemeinen systematischen Bedenken Zasius’ offenkundig keineswegs verunsichern ließ. Hinzu kommen die eindeutig positiven Äußerungen Zasius’ in seiner In titulos Institutionum de actionibus enarratio über die Arbeit Derrers. Eindeutig für Derrers Plan, sein Werk fortzusetzen, spricht auch die Äußerung des Beatus Rhenanus in einem Brief an Bonifacius Amerbach vom 28. Juli 1540, vier Wochen nach Sebastian Derrers Tod: Wenn er [Derrer] länger gelebt hätte, hätte er seine Rechtszusammenfassung fortgesetzt, nachdem er bereits mit dem Werk begonnen hatte.365 Nach alledem ist davon auszugehen, dass Sebastian Derrer seine Iurisprudentiae Libri tatsächlich als zehnbändige Gesamtdarstellung geplant hatte. Der vorliegende und einzig gedruckte Liber primus ist also offenbar nur ein kleiner Teil dessen, was er ursprünglich herauszugeben beabsichtigt hatte.
nen Namen latinisiert wiedergibt, sind nicht ersichtlich. Hingegen begegnet sehr oft die von Derrer selbst gebrauchte lateinische Form Derrerus. 364 Freigius, Praefatio, fol. * 2 r.: Eiusque hoc . . . in parentis mei Nicolai Freigij bibliotheca reperissem: ac eius utilitatem consyderassem. 365 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 5. Band, Brief Nr. 2442, S. 327: Si diutius vixisset, perrexisset in coepto contrahendi in compendium iuris opere. Vgl. Fn. 175.
IV. Das Werk als Antwort auf den Status quo der Rechtswissenschaft
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3. Ergebnis zu Kapitel III Als Ergebnis der gesamten Erörterung, welcher Literaturgattung innerhalb der humanistischen Jurisprudenz Iurisprudentiae Liber primus zuzuordnen ist, lässt sich festhalten, dass das Werk nicht dem Typus einer humanistischen Unterrichtsschrift, sondern dem einer systematischen Teildarstellung entspricht. Von einer systematischen Gesamtdarstellung könnte nur dann gesprochen werden, wenn es Sebastian Derrer vergönnt gewesen wäre, das Projekt seiner zehnbändigen Werkreihe zu verwirklichen. Doch er verstarb bereits nach der Veröffentlichung des ersten Bands.
IV. Das Werk als Antwort auf den Status quo der Rechtswissenschaft Den Zustand der Rechtswissenschaft, den Sebastian Derrer zu seiner eigenen Studienzeit vorgefunden hat und der bis zum Liber primus seiner Meinung nach noch immer andauere, beschreibt er wenig schmeichelhaft. Er stellt zwar fest, dass es in methodischer Hinsicht bis dahin immer eine bestimmte Art des Lehrens und Unterscheidens gegeben habe.366 In substanzieller Hinsicht bemängelt er allerdings die noch immer fehlende Ordnung und Systematisierung innerhalb der Jurisprudenz. Wenig euphorisch und mit unübersehbaren Seitenhieben in Richtung mos italicus äußert er: Weil dies alles bis heute durch das Aufgeben von Vielem beim Rechtsstudium schändlich vernachlässigt worden ist, ist eingetreten, dass jene von so stattlicher Größe und mit höchstem Eifer herausgegebene Masse an Gesetzen und Konstitutionen ein verwirrtes Werk darstellt und nahezu durchgehend ungeformt geblieben ist; so sehr, dass trotz Anwendung vorzüglicher Interpretationskunst zwischen den Titeln und Kapiteln kaum ein übereinstimmender Zusammenhang hergestellt werden kann. Infolgedessen existieren ein Wald von Meinungen und eine überaus große Ansammlung von Kommentaren, in denen nichts außer einer permanenten Unsicherheit und Geistesunentschlossenheit gefunden werden kann. Dadurch schließlich geschieht ein unerträglicher Nachteil.367
366 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 2 v.: . . . in legali scientia, quae hactenus semper fuit certa ratio docendi, & differendi. 367 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 3 r.: Quae omnia cum hucusque in Iuris studio non sine multorum iactura, perniciose neglecta sint: factum est, ut congeries illa Legum & Constitutionum, tam salubriter, & summis vigilijs aeditarum, turbatum opus, & fere ex omni parte manserit informe, adeo ut inter titulos seu tractatus, saepissime exquisita arte adhibita, vix haberi possit conveniens cohaerentia. Hinc tam immensa commentariorum coacervatio, & opinionum sylva, in quibus nil, nisi perpetua incertitudo, & animi fluctuatio. Quibus tandem damnum intolerabile successit. Vgl. Fn. 618.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Neben Derrers bekannter systematischer Präferenz kommt an dieser Stelle auch die antiquarisch-philologische Tendenz der humanistischen Jurisprudenz zum Ausdruck. Sie äußert sich in der Kritik an den bartolistischen barbari, der Warnung vor einem ganzen Schwall von Meinungen, den Absurditäten der Scholastik insgesamt, verbunden mit der Aufforderung zur Rückkehr zu den reinen Quellen des römischen Rechts.368 Speziell auf den Beruf des Rechtsgelehrten bezogen, deutet Derrer an, dass für diesen die bisherige Art der juristischen Vorgehensweise nicht mehr haltbar sei: . . . dass der Juristenberuf (in dem dennoch nicht anders als in den übrigen Disziplinen alles auf ein Ziel hinausläuft und alles innerhalb der Linienbegrenzungen umfasst wird) als unendliches Meer und unentwirrbare Sache erscheint.369
Ganz deutlich auf der Linie der humanistischen Jurisprudenz – gleich ob systematischer oder historisch-philologischer Denkrichtung – und damit klar auf scholastischem Konfrontationskurs befindet sich Derrer schließlich, wenn er die Arbeiten der Glossatoren und Kommentatoren abschließend bewertet und entsprechend würdigt: Es ist ein augenscheinliches Kennzeichen dieser Sache bei denen, die die Summen (wie man [sie] nennt) des Rechts zusammengetragen, bei den Repetitionen geschwitzt, mit Glossen und Kommentaren gearbeitet [und] die processus iuris niedergeschrieben haben. Die löblichen Versuche und Arbeiten aus einem ganzen Teil sind zuverlässig und auf das Äußerste zu empfehlen: Trotz alledem streben wir durch diese alle nicht nach einem wahren Ziel, sondern in einem verlassenen Abgrund bewegen wir uns einmal hierhin, einmal dorthin, je nachdem sich die Gelegenheit ergibt. . . . Es wird schließlich nichts bleiben außer ein gewaltiger Haufen von Teilen und Bruchstücken, der mit großer Verwirrung und nahezu Hals über Kopf zusammengetragen worden ist.370
Derrer prononciert mit diesen Worten genau das, was die Vertreter der humanistischen Jurisprudenz permanent bemängelten und was als Hauptkritikpunkt am mos italicus gilt: die durch die unterschiedlichen Lehrmeinungen bedingte Weitschweifigkeit und ausufernde Diskussion der Kontroversen, die die zeitgenössische Rechtswissenschaft in eine Vielzahl von nicht 368
Wieacker, Apels Dialogus, S. 442. Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 3 r.: . . . ut Iuris professio (in qua tamen non aliter, quam in caeteris disciplinis, omnia ad unum scopum collimant, atque intra limitatam perispheriam concluduntur) pelagus infinitum, & res inextricabilis appareat . . . 370 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 3 r. f.: Cuius rei evidens indicium est, in ijs, qui summas (ut nominant) Iuris comportarunt, repetitionibus insudarunt, in glossis & commentarijs laboraverunt, processus Iuris conscripserunt. Laudabiles profecto conatus, & labores ex omni parte summopere commendandi: his tamen omnibus non tendimus ad verum scopum, sed in gurgite vasto, nunc huc, nunc illuc appellimus, prout affert occasio. Fol. a 3 v. f.: . . . tandem nihil remanebit, nisi partium seu fragmentorum ingens acervus, magna confusione & quasi praecipiti turbine congestus. 369
IV. Das Werk als Antwort auf den Status quo der Rechtswissenschaft
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mehr durchschaubaren und auch nicht mehr im Einzelnen beherrschbaren Problemen hineinversetzt hat. Dass Derrer von einem verlassenen Abgrund spricht, in dem sich die Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts befinde, entspricht diesem humanistischen und mit Kritik an der Scholastik gepaarten Denken voll und ganz. Eindrucksvoll spiegelt sich in seinen Worten diese Hilflosigkeit, ja diese gefühlte und offenkundige Ohnmacht weiter Teile der Rechtswissenschaft wider, die zu Beginn der frühen Neuzeit angesichts der Unübersichtlichkeit des Rechtsstoffs insgesamt an den juristischen Fakultäten des Reiches geherrscht haben muss. Auch das mit dieser Kritik innerhalb der humanistischen Jurisprudenz einhergehende Streben nach Ordnung und System mit dem Ziel einer certitudo iuris, einer verbindlichen Ordnung im Recht, wird in Derrers Widmungsepistel evident: Interim tamen multa, quae vero ordine venirent, perlustranda, dispiciendaque quasi tumulanter praeterimus. Quo fit, ut hactenus non certam periodum habuerit Iuris scientia.371
Zugleich machen Derrers Worte deutlich, dass er sich berufen und in der Lage sieht, dieses unsichere Satzgefüge und den daraus resultierenden Nachteil zu beseitigen, der bis jetzt (hactenus) bestanden habe, um dann aber schließlich doch einzugestehen, dass das von mir unternommene Werk meiner eigenen Verrücktheit zugeschrieben werden könnte.372 Dass Derrer in seiner Funktion als Rechtsprofessor den Iurisprudentiae Liber primus verfassen wollte, erschließt sich aus seinen Worten ebenfalls. Denn er betont mehrfach, den Einstieg in die Rechtswissenschaft erleichtern zu wollen. So etwa, wenn er davon spricht, dass er fürwahr auf die Wünsche der Studenten achtete373 oder die insgeheim bejahende Frage stellt, wie sehr und wie viel Nutzen es für die Rechtsstudenten bringen möge.374 Das Werk sollte vor allem auch den Studenten höherer Semester zugutekommen, wie das zweite carmen von Guilhelmus Barotius zeigt. Dieser wendet sich unmittelbar an die Examenskandidaten der Rechtswissenschaft und bezeichnet sie wegen des glücklichen Umstands, fortan mit Derrers Werk arbeiten und lernen zu dürfen, als fröhliche junge Männer, die unter diesem heiligen Stern geboren sind.375 Ebenso ermahnt Petrus Petremandus in seiner praefatio gerade die Rechtsstudenten, 371
Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 3 v. Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 2 v.: . . . ne dicam meae dementie, susceptum per me institutum possit imputari . . . 373 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 4 v.: . . . sane . . . animadvertebam animos Studiosorum . . . 374 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b 2 r.: . . . qualis quantusque fructus ex illa maneat Iurium studiosos. Vgl. Fn. 339. 375 Barotius, Carmen ad Iurisprudentiae candidatos, fol. c 2 v.: O laeti iuvenes hoc nati sydere sacro. 372
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
am meisten gewiss die, die fortan selbst im Recht irgendetwas schaffen werden, diesen einen [Derrer] zu bewundern, dessen Bildnis, Vorgehen, Ordnung und Vermittlungsweise sie für sich annehmen mögen.376
Diese Worte vermitteln den Eindruck, dass Sebastian Derrers Bestreben nicht nur dem Systematisieren selbst galt, sondern dass es ihm offenbar auch ein Anliegen war, die iuris studiosi durch seine consuetudo tradendi für sich zu gewinnen – freilich mit dem Ziel der Schaffung eines ordo iuris. Ein weiteres Motiv, den Liber primus zu verfassen, resultiert auch aus dem Wunsch, ja wohl sogar aus der Forderung seiner zahlreichen Zuhörer. Davon berichtet er selbst – wenn auch nicht gerade bescheiden und mit einem Ausblick darauf, welche segensreichen Konsequenzen er sich von seinem Werk für die gegenwärtige Rechtswissenschaft verspricht: . . . so dass ich mich in dieser Angelegenheit allzu oft und beständig verweigert habe, mich auch den vertrauten Freunden, einzelnen Gönnern und auch meinen durch ein sehr freundschaftliches Verhältnis verbundenen Zuhörern, die durch enthusiastische Bitten und vielverschiedene Empfehlungen nachdrücklich versucht haben, mich dazu zu bewegen, zu fügen: Dennoch schließlich vermag dieses einzigartige [Werk] sehr viel, das zu Recht für Eure Hoheiten (durch deren sehr mächtigen Schutz die Erde befriedet ist) als ein solches Zeichen bestimmt ist, wodurch das Zivilrecht beginnt, zu einer gewissen Ordnung und Harmonie zu kommen.377
Derrer betont in direkter Anrede, welchen Gewinn auch die kaiserlichen und königlichen Hoheiten vom Iurisprudentiae Liber primus hätten. Und auch in diesem Appell an die adlige Obrigkeit ist sein unablässiges Streben nach mehr Ordnung in der Rechtswissenschaft zu erkennen: Denn es wird noch hinzu kommen, dass aus diesem nachdrücklich nicht zu wenig an Ruhm für Eure Hoheiten hervorgeht, im Vertrauen auf das Beispiel jenes bekannten Kaisers Justinian, der sich nach erschöpfenden und schweißtreibenden Kriegen mit höchstem Eifer an eine Zusammenstellung des Rechts gemacht hat. Und daher hält sich sein unvergänglicher Name und sein dauerhafter Ruhm in feierlicher Ewigkeit. . . . Zieht daher diese unsere Arbeit, unbesiegbarste Herrscher, für Eure hervorstechende und angeborene Güte zu Rate, durch die Ihr viele Schwächere hinter Euch gelassen habt, und schätzt jenes [Werk] durch Euren 376 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 3 v.: Caeterum hoc loco monendi sunt omnes Iuris studiosi, maxime vero qui aliqua in iure deinceps parturient, ut unum hunc mirentur, huius simulacrum sibi sumant, modum, ordinem, consuetudinemque tradendi. 377 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b 2 r.: . . . ut etiam intimis amicis, singularibus fautoribus atque auditoribus meis, amicissima affectione iunctis, qui precibus importunis & suasionibus multivarijs magnopere me ad hoc extrudere sunt conati, hac in re morem gerere saepius & constanter recusarim: praevaluit tamen tandem hoc unicum, quod Maiestatibus vestris (quorum potentissimo praesidio Orbis tranquillus est) tale specimen iure deberetur, quo iura Civilia in ordinem & consonantiam quandam redire incipiunt.
IV. Das Werk als Antwort auf den Status quo der Rechtswissenschaft
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mächtigen Schutz so hoch, dass die aufrichtigeren Menschen, denen die wahre Art des Unterscheidens und Lehrens im Recht ein Herzensanliegen ist, deshalb wieder von ihrem Verstand Gebrauch machen.378
Sehr anschaulich kommen Sebastian Derrers Motive, auf den Status quo der Rechtswissenschaft ordnungsschaffend zu reagieren, auch in seinem Vorwort zum Iurisprudentiae Liber primus zum Ausdruck, wenn er einen treffenden Vergleich aus der Medizin anführt: Wer sich anschickt, die vernachlässigte Gesundheit des Körpers wiederherzustellen, betrachtet die Heilmittel: Er kümmert sich darum, einzelne Krankheiten durch einzelne Heilmittel zu bekämpfen. Wenn auch am gleichen Gegenstand, so wird all dies dennoch aus dem einen und aus dem anderen Grund angewendet. [Deswegen] ist es notwendig, dass verschiedene Disziplinen und Vorschriften entstehen.379
So wie in der Medizin bei verschiedenen Krankheiten verschiedene Heilmittel angewendet werden, so möchte Derrer auch auf die Rechtswissenschaft bezogen ein Netz von rational nachvollziehbaren Punkten konstruieren, mit Hilfe derer einzelne Krankheiten, übertragen also juristische Probleme, strukturierter analysiert und gelöst werden können, ohne dabei auf ein unsystematisches Durcheinander von Meinungen und Kommentaren angewiesen zu sein. Fasst man die Leitgedanken zusammen, die Sebastian Derrer zum Iurisprudentiae Liber primus sowie zu den von ihm geplanten, aber nicht mehr vollendeten neun weiteren Bänden bewogen haben, so ist als Ergebnis festzustellen, dass Hauptziel hierfür die Schaffung eines Systems als Antwort auf den unbefriedigenden Status quo einer als zutiefst strukturlos empfundenen Rechtswissenschaft gewesen ist. Dies erschließt sich zum einen aus seiner anschaulichen Darstellung und Beschreibung der Umstände, in denen sich die Rechtswissenschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts befunden hat. Zum anderen ergibt sich das aus den gerade hierzu entwickelten Ordnungs378 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b 2 r.: Ex eo enim non parum gloriae Serenitatibus vestris accessurum asseveranter afferebant, exemplo Iustiniani inclyti illius Imperatoris freti, qui post exhaustos bellicos sudores, Iuris compilationem summo studio aggressus est. Unde & nomen indelebile, ac perenni gloria celebre in aevum obtinet. Fol. b 2 v.: Hunc igitur laborem nostrum Invictissimi Principes, pro vestra insigni atque innata clementia, qua vobis inferiores multos a tergo relinquitis, boni consulite, illum potenti vestro patrocinio sic amplectimini, ut inde synceriores homines, quibus in Iure vera differendi & docendi ratio cordi est, animum resumant. 379 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Prooemium, Abschnitt 3, S. 1: Qui vero destitutam corporis valetudinem reparare pergit, pharmaca contemplatur: curatque, ut singula singulis morbis pertinenter applicet. Quae omnia, licet ad idem obiectum, sub alia tamen, atque alia ratione adhibeantur, diversas disciplinas atque praeceptiones nasci necesse est.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
ansätzen, um diesen aus der mittelalterlichen Scholastik resultierenden und nicht mehr als zeitgemäß empfundenen Zustand zu überwinden und neue systematische Ansätze aufzuzeigen. Auch Aldo Mazzacane interpretiert Derrers Beweggründe in diesem Sinne: Derrer wollte die Jurisprudenz als vera disciplina organisieren, aber so, dass er sich damit weit abseits von diesen widersprüchlichen Ergebnissen der mittelalterlichen Juristen positionierte und er wollte im Gegenteil das wirkliche Objekt der Jurisprudenz definieren und seine spezifische Rationalität auf der Ebene, wie es auch in anderen Wissenschaften geschah. Genau das war der Kern von Derrers Programm.380
Nicht zuletzt entsprach es neben studentischen Motiven Derrers Wunsch, dass sein Werk auch als Ratgeber für die juristische Praxis dienen sollte. Immerhin appelliert er in seiner Widmungsepistel direkt an die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches, den Iurisprudentiae Liber primus bei Rechtsproblemen zu Rate zu ziehen und anzuwenden. Damit hat Derrer seine Arbeit als für Studien- wie auch für Praxiszwecke gleichermaßen geeignet eingestuft.
V. Exkurs: Derrers Mitteilung über angebliche zivilrechtliche Kodifikationsbestrebungen Kaiser Maximilians I. Äußerst bemerkenswert ist eine essenziell erscheinende Aussage Sebastian Derrers, die Anlass zu Spekulationen bietet über das Verhältnis Kaiser Maximilians I. zur Situation des Zivilrechts im Heiligen Römischen Reich. Es handelt sich dabei um eine Passage in Derrers epistola dedicatoria an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I., in der er darüber berichtet, dass Kaiser Maximilian I. seinerzeit geplant habe, eine einheitliche zivilrechtliche Neuordnung mit Hilfe der bedeutendsten Rechtsgelehrten des Reiches zu schaffen. Derrer selbst misst diesen Plänen gerade vor dem Hintergrund seiner eigenen systematischen Bestrebungen naturgemäß große Bedeutung bei: Neben seinen übrigen edlen und einem so großen Kaiser würdigen Unternehmungen nahm er sich einer anderen Problematik äußert bekümmert an. Und so ist das überaus herausragende und heilbringende Vorhaben mit Tatkraft zu bewerkstelligen versucht worden, um das Zivilrecht freilich unter Aussortieren des Überflüssigen wieder in Ordnung und Übersichtlichkeit zu bringen. Was hätte er in dieser 380
Mazzacane, Scienza, logica e ideologia, S. 37: Organizzare la giurisprudenza come una „vera disciplina“, procedendo ben oltre i risultati contraddittori dei giuristi del Medioevo, e definendo al contrario il suo proprio oggetto e la sua specifica razionalità, a somiglianza di quanto accadeva nelle altre scienze: questo era dunque il nocciolo del programma di Derrer.
V. Exkurs
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Sache zweifellos erreicht, wenn er wenigstens die Männer dazu gehabt hätte, die sich dieser Aufgabe angenommen oder sie aus dieser misslichen Lage zu bringen versprochen hätten. Diese Angelegenheit hatte den so heroischen Geist des Kaisers neben so vielen anstehenden Geschäften der Regierung angeregt, dass er begonnen hat, die bekanntesten Doktoren des ganzen Reiches in einer Liste zu notieren. Und von diesen wählte er schließlich diejenigen aus, die diese Aufgabe übernehmen und an das ersehnte Werk herangehen sollten.381
Obwohl Stintzing etwa an dieser Aussage nicht zweifelt, da sie in dem an den Kaiser Karl gerichteten Schreiben steht,382 gelten gegenüber Derrers Bemerkung über eine angeblich geplante zivilrechtliche Neuordnung auf Veranlassung von Kaiser Maximilian I. erhebliche Vorbehalte. Stintzing ist von der Richtigkeit dieser Mitteilung deshalb überzeugt, weil Derrer das in seiner epistola dedicatoria so mitgeteilt hat. Soweit ersichtlich, finden sich allerdings bei keinem anderen zeitgenössischen Rechtsgelehrten des Reiches Aussagen darüber, dass der Kaiser dieses Ziel tatsächlich verfolgt hat.383 Es ist bereits zu bezweifeln, dass damals überhaupt eine Liste der Rechtsgelehrten des Reiches existiert hat, die eine solche reichsweite Vereinheitlichung des Zivilrechts hätten erarbeiten sollen. Möglicherweise entsprach auch diese Äußerung also wohl mehr dem rechtssystematischen, rechtsvereinheitlichenden Wunschdenken Sebastian Derrers als einer tatsächlichen Intention des Kaisers, auch wenn Derrer, ohne einen einzigen Namen zu nennen, angibt, dass Cuius rei testes extant viri clarissimi & fide digni, qui tam inclyti Principis a secretis & sacris scrinijs proximi fuerunt.384 381 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b r.: . . . inter caeteros suos magnanimos, & tanto Principe dignos conatus, multum solicite cogitavit: atque tam egregium & salubre Opus animo molitus est, quo scilicet Ius Civile in ordinem & compendium (resecatis superfluis) rediret. Quod indubie re ipsa aggressus fuisset, si saltem eos habuisset viros, qui vel id muneris in se suscepissent, aut rem in nube, & a remotis promittere potuissent. Quae res etiam tam heroicum Principis animum, inter tot arduas regni occupationes, ita affecerat, ut nominatissimos quosque totius Imperii Doctores in cathalogum conscribere coeperit: ex quibus tandem quosdam seligeret, qui hanc proviniciam susciperent, atque desyderatum Opus aggrederentur. 382 Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 258. 383 Die von Hans Winterberg in seiner Arbeit Die Schüler von Ulrich Zasius, S. 27, Fn. 6 und Fn. 7, in diesem Zusammenhang angeführten Quellen (Gustav Knod: Jacob Spiegel aus Schlettstadt, Straßburg 1884, S. 28, Fn. 5; Heinrich Ulmann: Kaiser Maximilian I., Zweiter Band, Stuttgart 1891, S. 733, 739 sowie Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Heft III, Halle 1930, S. 445 ff.) geben keinerlei konkrete Hinweise auf eine solche Absicht Kaiser Maximilians I. Es wird lediglich übereinstimmend auf die allgemeine wissenschaftliche Experimentierfreudigkeit des Kaisers hingewiesen. 384 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b r.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Bei der Betrachtung der juristischen, vor allem aber auch der politischen Ausgangslage ist festzustellen, dass die Zeichen der Zeit für eine solche von Derrer postulierte zivilrechtliche Neuorientierung des ganzen Reiches nicht eben günstig gestanden haben. Bedenkt man allein die mannigfachen Schwierigkeiten etwa bei der Entstehung der reichsrechtlichen Constitutio Criminalis Carolina, um danach zum Ergebnis zu kommen, dass wir durch diese gnedige erinnerung Churfürsten Fürsten und Stenden, an jren alten wohlherbrachten rechtmessigen vnnd billichen gebreuchen nichts benommen haben wollen,385 so lassen sich im ungleich relevanteren Bereich des Zivilrechts derartige Zweifel und Bedenken bestenfalls nur erahnen. Selbst wenn man annimmt, dass die erforderlichen intellektuellen Kapazitäten vorhanden gewesen wären, um eine solche reichsweit relevante Mammutaufgabe zu bewältigen, erscheint es dennoch nur schwer vorstellbar, dass es hätte gelingen können, das Zivilrecht tatsächlich neu zu ordnen. In Wissenschaft und Forschung lässt sich allerdings ein deutliches Interesse an Derrers bemerkenswerter Äußerung registrieren. Sogar die erste Ausgabe des BGB-Kommentars Palandt von 1939 nimmt in deren Einleitung darauf Bezug.386 Zuvor haben sich bereits zahlreiche Juristen des 18. und 19. Jahrhunderts mit der angeblichen kaiserlichen Initiative auseinandergesetzt, freilich ohne zu einem konkreten Ergebnis zu kommen. So bezweifelt der österreichische Rechtshistoriker Tullius Ritter von Sartori-Montecroce Derrers Aussage zwar nicht direkt, aber auch er weist doch darauf hin, dass sie von keinerlei Quellen belegt werde.387 Zum selben Ergebnis kommt eine in Gießen erschienene Dissertation, deren Disputation 1742 unter dem Vorsitz des Frankfurter Rechtsgelehrten Heinrich Christian von Senckenberg stattgefunden hat. Auch Johann Friedrich Burcklin, der Verfasser dieser Dissertation, hat für Derrers Behauptung keinerlei Quellen gefunden. Jedenfalls schreibt Burcklin in seiner Arbeit darüber: 385 So der letzte Satz der Vorrede des peinlichen halsgerichts zur Constitutio Criminalis Carolina von 1532. 386 Palandt, Einleitung, S. XXV: Dies hatte zur Folge, daß Kaiser Maximilian I. den Plan einer systematischen Kodifikation des Zivilrechts hegte und sich ein Verzeichnis der namhaftesten lebenden Doktoren der Rechtswissenschaft anfertigen ließ, um aus ihm diejenigen zu wählen, denen er das Werk anvertrauen konnte. Nach dem Bericht Sebastian Derrers, geboren in Nördlingen, Professor an der Universität Freiburg, der sich warm für die Schaffung der Rechtseinheit einsetzte, soll der Plan indessen daran gescheitert sein, daß der Kaiser „viris qui id agerent, se destitutum vidisset“. Ob diese Begründung zutrifft, muß auch dann oder gerade darum berechtigten Zweifeln begegnen, weil Derrer sie gelegentlich der Übersendung eines Werkes [Iurisprudentiae Liber primus] an Kaiser Karl V. einfließen läßt, um dessen huldvolle Annahme er den Kaiser bittet. 387 Sartori-Montecroce, Österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte, S. 3 f.
V. Exkurs
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Aber Du wirst von unserem Derrer in seiner Widmung hören, dass der gnädigste Kaiser Maximilian I. beabsichtigt hat, die ganze Rechtswissenschaft sowie das System dieser zu verbessern. Dieses Vorhaben ist uns unbekannt genauso auch wie das Werk selbst, weswegen ich diese Stelle [im Iurisprudentiae Liber primus] zitieren werde.388
Vor allem die letzte Aussage zeigt eindeutig, dass auch er Derrers Angabe zumindest skeptisch betrachtet. Immerhin hätten Maximilians angebliche Pläne über Derrers Vorwort hinaus auch in der Wissenschaft des 18. Jahrhunderts bekannt sein und sich von wenigstens einer weiteren Quelle verifizieren lassen müssen. Heinrich Christian von Senckenberg selbst findet in seiner 1756 erschienenen Methodus Iurisprudentiae ebenso wie Burcklin keine weiteren Quellenangaben – auch ihm bleibt deshalb nur Derrers Widmungsepistel, die er zum Teil wörtlich zitiert: Angetrieben war er [Derrer] in der Tat durch den gebildeten Maximilian I., der sich vorgestellt hatte, das Recht in eine zusammenhängende Ordnung zu bringen und das auch bewerkstelligt hätte, wenn nicht sein Tod diese Pläne durchkreuzt hätte. . . . Einen anderen Weg freilich hatte Kaiser Maximilian I. . . . für die in Unordnung geratene Rechtswissenschaft gefunden, indem er durch seine Staatsgewalt einer neuen Kodifikation den Weg ebnen wollte. Er hatte ein heilbringendes und herausragendes Werk vor Augen, um das Zivilrecht unter Aussortieren des Überflüssigen wieder in Ordnung und Übersichtlichkeit zu bringen. Er hätte dies vollendet, wenn er nicht gesehen hätte, dass er von den Männern, die das Projekt hätten durchführen sollen, im Stich gelassen wurde. Gewiss hat er hierfür so viel an Mühe aufgewendet, dass er begonnen hat, die bekanntesten Doktoren des ganzen Reiches in einer Liste zu notieren. Und von diesen wählte er schließlich diejenigen aus, die diese Aufgabe übernehmen und an das ersehnte Werk herangehen sollten. Das berichtet Sebastian Derrer, Rechtsgelehrter von großem Rang, dessen Worte wir hier wiedergeben. Er gibt an, dass für das Projekt Kaiser Maximilians I. viele Zeugen vorhanden gewesen seien.389 388
Burcklin, De iurisprudentia certa methodo tractanda, S. 15: Sed ex Derrero nostro in Dedicatione audies, Maximilianum I. Optimum Principem, de tota Jurisprudentia in melius, & Systema reformanda cogitasse. Ignota est haec Historia, ignotus nostratibus liber, unde locum exscribam. 389 Senckenberg, Methodus Iurisprudentiae, S. 81: Motus vero is erat Maximiliani I. instituto, qui Ius in consonantiam redigere sibi proposuerat, & perfecisset, ni mors cogitationibus obicem posuisset. . . . S. 100 f.: Aliam sane viam iniverat Princeps . . . Maximilianus I. Iurisprudentiae turbatae, novo Legum Codice, autoritate publica subventurus. Is hoc salubre & egregium opus molitus est, quo Ius Civile in ordinem & compendium, resecatis superfluis rediret. Fecisset id, ni viris, qui id agerent, se destitutum vidisset. Tantum vero eo impendit curae, ut nominatissimos quosque totius Imperii Doctores, in Catalogum conscribere coeperit, ex quibus tandem quosdam seligeret, qui hanc provinciam susciperent, atque desideratum opus aggrederentur. Refert id Sebastianus Derrerus, Iuris-Consultus magni nominis, cujus verba exhibemus, quique ejus rei multos testes extare dicit. Et ausus hic aliquid ipse Derrerus, cujus Partem I. omni encomio dignam vidimus. Num plures extent, vix scire potuimus, cum liber, nostri temporis Iuris-Consultis, sit fere ignotus. Monet
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Darüber hinaus verfügt aber auch Senckenberg über keine weiteren Deutungsalternativen. Lediglich seine Angabe in der zum obigen Zitat gehörenden Fußnote, derzufolge Derrer seine Widmungsepistel 1540 in Freiburg geschrieben habe, bietet einen Anhaltspunkt für weitere Spekulationen dieser Art, weil zu jener Zeit in Freiburg viele Rechtsgelehrte versammelt gewesen seien, die Kaiser Maximilian I. gedient hätten.390 Allerdings ist dieser Äußerung keine große Bedeutung beizumessen. Gerade dann, wenn dem so gewesen sein wollte, wie Derrer es berichtet, müsste es als ausgeschlossen gelten, dass ausschließlich er davon gewusst hat. Denn ein solches wegweisendes, ja epochal anmutendes Vorhaben Kaiser Maximilians I. hätte unter den Juristen reichsweit ein immenses Echo hervorgerufen, von dem gewiss nicht nur ein einzelner Gelehrter erfahren und berichtet hätte – und das sogar erst 21 Jahre nach dem Tod des Kaisers. Bereits Ulrich Zasius – zu Regierungszeiten Kaiser Maximilians I. immerhin kaiserlicher Rat391 – hätte gewiss Stellung zu einem solchen Plan bezogen. Allein auch von ihm ist nichts darüber bekannt. Neun Jahre nach dem Erscheinen der Methodus Iurisprudentiae geht Senckenberg 1765 in seinen Visiones diversae de collectionibus legum Germanicarum erneut auf diese Problematik ein und führt dieses Mal gar an, dass Kaiser Maximilian I., vom Laienspiegel Ulrich Tenglers beeinflusst, seine gesamten Kodifikationspläne aufgegeben habe: Wenn ich mich nicht irre, dann war es jenes Buch [Laienspiegel], das Kaiser Maximilian von seinem eigenen Plan, ein neues Rechtsbuch herauszugeben, abbrachte.392 Bemerkenswert dabei ist, dass Senckenberg für seine kühne Theorie als einzige Quelle den neun Jahre zuvor von ihm selbst herausgegebenen Methodus Iurisprudentiae anführt, der jedoch keine neuen Erkenntnisse liefert, wie bereits festgestellt werden konnte. Hinzu kommt, dass er an besagter Stelle innerhalb seiner Methodus überhaupt nicht auf Tenglers Laienspiegel eingeht, sondern lediglich Derrers bekannte Äußerung zitiert.393 Auch die Verwendung des Terminus Fallor, aut deutet nicht gerade auf eine quellenfeste Verortung hin. Und in der Tat, es lässt sich eine solche ansonsten nicht finden. Auch in der Literatur ist Senckenbergs Äußerung auf wenig Resonanz gestoßen, wohl wegen ihrer fehille Carolum V. ut id opus suscipiat, sed obstitere his consiliis, haud dubie motus bellici. Nec postea in Imperio fuit, qui id serio tentaret, potius cuncta pristinae & inolitae jam confusioni relicta. 390 Senckenberg, Methodus Iurisprudentiae, S. 101: Scribebat vero anno M.D.XL. ubi multi adhuc vivebant, qui D. Maximiliano inservierant. 391 Vgl. Fn. 46. 392 Senckenberg, Visiones diversae, S. 115: Fallor, aut is ille liber fuit, qui Maximilianum Caesarem a consilio novi Iuris libri condendi avertit. 393 Vgl. Fn. 389.
V. Exkurs
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lenden Substanz und großen Gewagtheit. Karl Friedrich Eichhorn etwa hat sich – wenn auch nur in einer Fußnote – mit Senckenbergs Äußerung befasst. Doch auch er scheint leise Zweifel an deren Wahrheitsgehalt zu haben: Wenn es aber wahr ist, daß er [Maximilian I.] durch Tenglers Laienspiegel veranlaßt wurde, den Plan aufzugeben, weil dieser die Stelle einer solchen Gesetzgebung vertreten könne (Senkenberg vis. de collect. Leg. Germ. p. 115), so hat man gewiß keine Ursache zu beklagen, daß das Werk nicht würklich zu Stande gekommen ist, und zugleich den sichersten Beweis, daß die damalige Zeit sich nicht klar gemacht hatte, was zur Lösung der Aufgabe gehöre.394
Sowohl Derrers Äußerung als auch die von Senckenberg darauf beruhende Theorie der durch den Laienspiegel aufgegebenen Bestrebungen Kaiser Maximilians I. entsprechen somit höchstwahrscheinlich nicht den historischen Tatsachen. Weshalb hätte als Einziger ausgerechnet Sebastian Derrer von diesem bahnbrechenden Kodifikationsprojekt Kenntnis haben sollen, während es ansonsten in der Literatur nirgendwo erwähnt wird? Genau an diesem Punkt knüpft auch der Königsberger Historiker Georg von Below an, der in seiner 1905 erschienenen Untersuchung über die Ursachen der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland zum gleichen Ergebnis kommt: Auf die Erzählung Derrers ist meines Erachtens nichts zu geben. . . . Nach dem Zusammenhang der Stelle wird hier ius civile gar nicht im Gegensatz zum Deutschen Recht gebraucht. Man könnte höchstens sagen, daß, wenn Maximilian ein Kompendium herstellen lassen wollte, er selbstverständlich an eines aus dem Römischen Recht gedacht habe. Aber so selbstverständlich ist die Sache doch nicht; er hätte ja auch jene Reformierung der Landgebräuche im Auge haben können. Doch ist die Nachricht Derrers vor allem nicht beglaubigt, und man hat auch zu berücksichtigen, daß die Erzählung der Tendenz, die er verfolgt, dient.395
Allerdings präzisiert Below diese Tendenz, die er im Iurisprudentiae Liber primus eruiert haben will, nicht weiter. Vermutlich meint aber auch er das in Band I deutlich erkennbare rechtssystematische, rechtsvereinheitlichende Denken Sebastian Derrers. Indes erscheint Belows Feststellung, wonach Derrer in seiner Widmungsepistel den Begriff des ius civile nicht dem deutschen Recht gegenüber konträr verwenden wollte, nicht nachvollziehbar. Wenn Derrer von den bekanntesten Doktoren des ganzen Reiches spricht, die das Zivilrecht ordnen und übersichtlicher machen sollten, so spricht allein diese Aussage gegen eine Gleichstellung des ius civile mit dem partikularen Recht. Gerade diese römischrechtlich geprägten gelehrten Juristen hätten sich grundsätzlich davor gehütet, vom gelehrten Recht abzuweichen, um den Landgebräuchen den Vortritt zu lassen. Immerhin sieht 394 395
Eichhorn, Staats- und Rechtsgeschichte, Band 3, S. 370, Fn. h. Below, Ursachen der Rezeption, S. 83.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
aber auch Below in der unwahrscheinlichen, nahezu ausgeschlossenen Verifizierbarkeit das größte Hindernis von Derrers Äußerung. Hans Thieme geht in diesem Zusammenhang noch einen Schritt weiter und stellt gar Derrers Glaubwürdigkeit in Frage, wenn er mutmaßt, dass sich dieser mit fremden Federn geschmückt haben könnte und nicht etwa Zasius selbst der Empfänger einer solchen Weisung Maximilians gewesen sein sollte.396 Doch Thiemes Mutmaßungen erweisen sich als haltlos. Zum einen behauptet Derrer an keiner Stelle seiner Widmungsepistel, dass er von Maximilian I. persönlich instruiert worden sei, und zum anderen scheidet eine solche Annahme bereits aus zeitlicher Perspektive aus. Als Maximilian I. am 12. Januar 1519 im oberösterreichischen Wels starb, war Derrer noch an der Freiburger Artistenfakultät tätig und stand noch nicht in leitender juristischer Fakultätsverantwortung. Ja er war zu diesem Zeitpunkt sogar noch selbst Student der Rechte. Auch weitere Angaben Thiemes erweisen sich als nicht zutreffend. So erschien der Iurisprudentiae Liber primus nicht 1541, sondern bereits 1540. Und publiziert wurde die von ihm zitierte Ausgabe nicht in Löwen, sondern in Lyon. Erst die Ausgabe von 1552 wurde in Löwen veröffentlicht.397 Eine letztmögliche Interpretation zu Sebastian Derrers Gunsten resultiert aus der Annahme, dass es Kaiser Maximilian I. – wenn überhaupt – nicht um eine zivilrechtliche Reichskodifikation, sondern um die Schaffung eines reichsweit einheitlichen Zivilrechtslehrbuchs gegangen sein könnte. Dieser Aspekt wurde in der Literatur bislang kaum beachtet, weil alle Äußerungen von Anfang an darauf abgehoben haben, Bezugsgegenstand sei eine Kodifikation als solche. Diese Annahme fußt wohl auf dem Gebrauch der Formulierung Derrers, Ius Civile in ordinem & compendium . . . rediret,398 die in der Tat mit dem Wortlaut das Zivilrecht wieder in Ordnung und Übersichtlichkeit zu bringen zu übersetzen ist. Immerhin liegt ein solches Verständnis auf Grund der Aufzählung von ordo und compendium in einem Satz auf der Hand. Dennoch könnte der Terminus compendium als solcher, jedenfalls in Ansätzen, auch für eine Interpretation als kurzes Lehrbuch sprechen, das im Heiligen Römischen Reich einheitlich hätte gelten sollen. So spricht Derrer bei ganz extensiver Auslegung nicht konkret von einer gesetzgeberischen Intention Maximilians I., sondern nur von einer Neuordnung des Rechts, auch wenn in diesem Zusammenhang bei einer kaiserlichen Initiative a priori eine gesetzgeberische Rechtshandlung und nicht die hoheitliche Förderung eines einheitlichen zivilrechtlichen Lehrbuchs auf der Hand gelegen hätte. Mög396 397 398
Thieme, Kaiser Maximilian I., S. 85 f. Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.II.1. sowie in Kapitel D.II.2. Vgl. Fn. 381.
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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licherweise stützt sich Derrer bei seiner Äußerung auf einen Brief des Tübinger Rechtsgelehrten Heinrich Bebel an Ulrich Zasius, in dem dieser eine wie auch immer geartete Rechtsreform durch Maximilian I. anregt und in diesem Zusammenhang ebenfalls den Terminus compendium gebraucht: Über alle Bestimmungen und entgegen der heftigen Androhung des Kaisers hinweg sind die Kommentare der Glossatoren angewachsen. Es ist auch kein Ende zu erhoffen, außer unser heiligster und christlichster Kaiser Maximilian gebietet durch seine unglaubliche Klugheit und seine heiligen Orakel diesen vielen Kommentaren Einhalt und führt diese dunkelste und verwickelste Geschwätzigkeit hin zu einem Kompendium oder einer Erklärung.399
Aber auch diesem Brief aus dem Jahre 1506 ist nicht zu entnehmen, dass Kaiser Maximilian I. entsprechende Absichten gehabt hätte. Das Schreiben übermittelt lediglich die Hoffnung Bebels, das Zivilrecht im Reich möge positiv verändert werden. Dass Sebastian Derrer Kenntnis von diesem Brief oder zumindest von seinem inhaltlichen Begehren hatte, kann nicht ausgeschlossen werden. Auch die Verwendung des Terminus compendium spricht hierfür, zumal er an keiner weiteren Stelle seiner Arbeit, auch nicht in seiner Widmungsepistel, diesen Begriff verwendet. Und dies, obwohl er mit der Iurisprudentia im Grunde genommen gerade ein Kompendium des Zivilrechts im modernen Sinne zu verfassen beabsichtigte. Gleich ob die Schaffung einer reichseinheitlich geltenden Zivilrechtskodifikation oder eines solchen -lehrbuchs im Mittelpunkt des Interesses gestanden haben mag: Im Ergebnis entsprach sowohl Bebels wie vor allem auch Sebastian Derrers Aussage mehr dem insgeheimen Wunsch denn den politischen und juristischen Realisierungsmöglichkeiten ihrer Zeit.
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf Einer der zentralen Untersuchungsgegenstände der vorliegenden Arbeit ist der in anderem Zusammenhang bereits mehrfach erwähnte rechtswissenschaftliche Systementwurf, den Sebastian Derrer seinem Iurisprudentiae Liber primus in Form einer Kapiteleinteilung zu Grunde legt. Unter der Überschrift Capitum Primi Libri Iurisprudentiae. Digestio.400 führt er auf zwei399 Abgedruckt bei Joseph Anton Stephan Ritter von Riegger, Epistolae ad viros aetatis suae doctissimos, Ulm 1774, S. 404: Creverunt glossatorum commentaria super omnes constitutiones, & contra diram principis interminationem, nec ullus finis est sperandus, nisi sacratissimus et Christianissimus Caesar & imperator noster Augustus Maximilianus sua incredibili prudentia divinisque oraculis tot commentaria supprimat, verbositatemque obscurissimam atque nodosissimam in compendium, & declarationem reducat. 400 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, S. 3 ff. Etwa: Hauptinhalt des ersten Bands der Rechtswissenschaft. Einteilung.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
einhalb Buchseiten alle seinem Systementwurf immanenten und für den Liber primus relevanten Rechtsbereiche an. Auch wenn diese Überschrift zunächst dahingehend interpretiert werden könnte, dass Derrer dem Werk lediglich ein Inhaltsverzeichnis für seinen eigentlichen Darstellungsteil voranstellen wollte, so wird das bereits dadurch widerlegt, dass die Angabe von Seitenzahlen zur Orientierung und schnellen Titelsuche fehlt. Vielmehr findet sich am Ende des Opus eine dreiseitige alphabetische Titelübersicht sowie auf 35 Seiten ein zweites, sehr ausführlich gehaltenes und ebenfalls nach Stichworten alphabetisch angeordnetes Verzeichnis mit jeweiliger Angabe von Titel, Abschnitt und Seite.401
1. Ausgangslage Zunächst darf es trotz humanistischer Reformbestrebungen allgemein und eines humanistisch-juristischen Reformprogramms im Besonderen als nicht selbstverständlich angesehen werden, dass sich gerade ein Freiburger Rechtsgelehrter bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts daran gesetzt hat, neue Lösungsansätze für die Ordnung und Systematisierung des Rechtsstoffs zu schaffen und aufzuzeigen. Aus zweierlei Gründen ist dies bemerkenswert: Zum einen wurde an der Albertina überhaupt erst seit 1479/80 römisches Recht gelehrt und sogar erst seit 1499 existierte ein eigener Institutionenlehrstuhl.402 Bei dieser Ausgangslage liegt die Annahme nahe, dass die vor Derrers Wirken erst seit gut 40 Jahren bestehende Professur am mittelalterlich-scholastischen Prinzip des mos italicus hätte festhalten müssen. In dieser Anfangszeit konnte es nur darum gehen, die Vermittlung römischen Rechts in Freiburg zu etablieren, ohne darüber hinaus hic et nunc für neue Arten und Wege der Vermittlung dieses wissenschaftlichen Lehrstoffs offen zu sein. Immerhin war der Rechtsstil des mos italicus bis dahin auch an deutschen Universitäten unumstritten. Weshalb hätte da gerade eine Universität wie die Freiburger mit ihrer noch jungen zivilrechtlichen Romanistik einen Sonderweg einschlagen sollen, anstatt am althergebrachten und bewährten Lehrprinzip festzuhalten? Zum anderen ist anzumerken, dass Sebastian Derrers Lehrmeister, der weit über Freiburg hinaus bekannte Ulrich Zasius, dem Ordnungs- und Systematisierungsstreben innerhalb der humanistischen Jurisprudenz kritisch gegenüberstand.403 Und dies trotz seines eindeutigen Bekenntnisses zu den Anliegen der humanistischen Jurisprudenz, die – wenn auch in anderer 401 402 403
Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VII.1.b). Ruth, Personen- und Ämtergefüge, I. Darstellung, S. 67. Vgl. Fn. 353, Fn. 581 sowie Fn. 582.
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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Form – Derrers Wirken mit Sicherheit mitgeprägt haben. Dass er sich in dieser überaus bedeutsamen Frage, endlich ein System zu schaffen, aus dem großen Schatten Zasius’ emanzipieren und ordnungsjuristische Akzente setzen konnte, ist mehr als beachtlich. Vor diesem Hintergrund bedürfen die Systemversuche Sebastian Derrers einer besonderen Würdigung und Betrachtung. Auch im Hinblick darauf, dass er nicht nur einer der ersten deutschen, sondern sogar aus internationaler Perspektive einer der ersten juristischen Ordnungsapologeten überhaupt gewesen ist, der die Rechtswissenschaft systematisch zu ordnen versucht hat, ist der Fokus besonders auf das von ihm entwickelte Systemschema zu richten.
2. Darstellung des Systems Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zeichnet Kapitel a) zunächst exakt das Systemschema im Original nach, wie Sebastian Derrer es für den Iurisprudentiae Liber primus entworfen und aufgebaut hat. Danach erfasst und verdeutlicht Kapitel b) dieses Schema anhand heutiger Gliederungskriterien. a) Nach Derrers Gliederungsmuster Auf den ersten Blick erscheint das Systemschema nicht leicht durchschaubar. Derrer setzt als obersten Hauptpunkt den Zentralbegriff der iurisprudentia. Diesen unterteilt er darunter dichotomisch in ius und in iuris obiectum, ohne – wie nach heutiger Gliederungsweise üblich – zunächst den kompletten Bereich des ius abzuhandeln und dann erst den Bereich des iuris obiectum anzuführen und darzustellen. Nach diesem Konzept ist das gesamte Schema aufgebaut, was vergleichsweise unübersichtlich wirkt. Denn er zählt immer erst alle Unterpunkte eines Oberpunktes vollständig auf, anstatt erst einen Unterpunkt mit allen seinen darauf folgenden Unterpunkten vollständig abzuhandeln und erst dann zum nächsten Unterpunkt gleicher Wertigkeit und dessen Unterpunkten zu gelangen. Zudem verwendet Derrer für das ganze System grafisch lediglich zwei Gliederungsebenen, die ineinander verschachtelt sind, was das Verständnis seines Schemas erheblich verkompliziert. Diese Darstellungsweise lässt nicht auf den ersten Blick erkennen, welcher Gliederungspunkt auf welcher Wertigkeitsebene liegt. Im Original sieht das dem Iurisprudentiae Liber primus vorangestellte Systemschema Sebastian Derrers so aus:
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Abbildung 4: System des Iurisprudentiae Liber primus nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle 1)
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
Abbildung 5: System des Iurisprudentiae Liber primus nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle 2)
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Abbildung 6: System des Iurisprudentiae Liber primus nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle 3)
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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b) Nach heutigem Gliederungsmuster Bringt man diese – im 16. Jahrhundert durchaus geläufige – Aufbauart in eine zeitgemäße Form und handelt demzufolge den Unterpunkt eines Oberpunktes mit allen seinen darauf folgenden Unterpunkten komplett ab und gelangt erst dann zum nächsten Unterpunkt des Oberpunktes, so präsentiert sich das Derrersche Systemschema so: Zeile
1.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
2. Ius
3.
IURISPRUDENTIA 4. 5. 6.
Divinum Morale Misticum Caeremoniale Sacramentale Supernaturale Humanum Naturale Naturae affectus Ius gentium Formatum Consuetudo Generalis Specialis Scriptum Privilegium Statutum Ius commune Iuris obiectum Persona Personae status Alieni Iuris Filii familias Naturales legitimi Adoptivi Servi Sui Iuris
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540) 2.
30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
3.
4.
5.
6. Emancipati Manumißi Naturales [et] illegitimi Vulgo concepti Spurii Manseres Nothi Incestuosi Adulterini Nepharii
Personae conditio Ingenui Nativitate Restitutione Natalium Ingenuis deteriores Liberti Adscriptitii Censiti Condictionales Coloni Originarii Homines proprii Personae defensio Tutela Testamentaria Legitima Dativa Cura Minoris Prodigi Furiosi Mente capti Mulieris Res Commercium Persecutio
Abbildung 7: Systemschema des Iurisprudentiae Liber primus nach heutigem Gliederungsmuster
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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3. Iurisprudentia – Ausgangspunkt der gesamten Derrerschen Systematik Bereits aus dem Titel des Iurisprudentiae Liber primus geht anschaulich hervor, welch hohen Stellenwert Sebastian Derrer entsprechend seinem Rechtsverständnis dem Terminus iurisprudentia beimisst.404 Wie sein Systemschema zeigt, versteht er unter iurisprudentia nicht nur die Rechtsgelehrsamkeit im Sinne der Wissenschaft vom Recht als solchem, sondern das Recht in dessen absoluter Gesamtheit. Mit Hilfe seiner spezifischen disciplinae ratio möchte er das von ihm mit der iurisprudentia begonnene System fortlaufend untergliedern: Ich sage, durch diese disciplinae ratio wird alles in feste Grenzen zusammengezogen und entsprechend der Art der Gattung in eine wahre Ordnung gebracht und schließlich wird aus dem Offensichtlicheren das Verworrenere erklärt.405
Um aus dem Offensichtlicheren schließlich das Verworrenere abzuleiten und darzulegen, unterteilt Derrer seine gesamte iurisprudentia in zwei große Bereiche: einerseits in die Grundbegriffe und Erscheinungsformen des ius, andererseits in die Rechtsmaterie des iuris obiectum, die sich inhaltlich allerdings erst aus dem 1567 posthum erschienenen Typus Iurisprudentiae vollumfänglich erschließen lässt.406 Immerhin nehmen die Institutionen Justinians ebenfalls eine Partition des Oberbegriffs der iurisprudentia vor. Dennoch offenbart sich hier ein deutlicher Unterschied: Iurisprudentia bedeutet für die Institutionen die Kenntnis von den göttlichen und menschlichen Dingen.407 Derrer selbst differenziert zwar ebenfalls zwischen beiden Rechtskreisen, allerdings erst innerhalb seines ius-Bereichs und nicht bereits im Bereich der iurisprudentia, wie das der Gliederung 404 Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Untersuchung liegt – zumindest im hier behandelten Bereich der Systemanalyse – mehr auf der Anordnung der zivilrechtlichen Thematik als auf der Wiedergabe von Standpunkten, die Sebastian Derrer zur einen oder anderen Thematik einnimmt. Die Legitimation hierzu ergibt sich aus der von ihm selbst mehrfach geäußerten Absicht, dem Sichtbarmachen von juristischen Zusammenhängen volle Aufmerksamkeit zuwenden zu wollen. Wo es innerhalb der Analyse seines Systemschemas unvermeidbar ist, wird zur begrifflichen und systemtechnischen Explikation und Differenzierung der angeführten Fachbegriffe selbstredend auf seine Ausführungen und Erklärungen innerhalb des Darstellungsteils des Iurisprudentiae Liber primus zurückgegriffen. 405 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 2 v. f.: . . . qua inquam disciplinae ratione, omnia intra certos limites coercentur, & iuxta ipsius obiecti rationem, in verum ordinem rediguntur, & tandem ex evidentioribus abstrusiora explicantur. 406 Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.VI. 407 I. 1.1.1: Iuris prudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia . . . Vgl. Fn. 416.
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der Institutionen in I. 1.1.1 entspricht. Im Unterschied zu den Institutionen, die durch die getrennte Schreibweise iuris prudentia geschickt einem terminologischen und im Zuge dessen aufbautechnischen Problem entgehen, sieht sich Derrer der Schwierigkeit ausgesetzt, sowohl mit dem Begriff des ius als auch mit dem der iurisprudentia systemisch arbeiten zu müssen, zumal er in seinem Schema zwischen beiden Termini deutlich differenziert. Eine andere Interpretation lässt die zusammenhängende Schreibweise dieses Begriffs in seinem Systemschema jedenfalls nicht zu. In erster Linie ist zu vermuten, dass sich Sebastian Derrer an dieser Stelle um der Einbeziehung des iuris-obiectum-Bereichs willen dazu veranlasst gesehen hat, den ius-Begriff gleichsam als Zwischenebene und Oberbegriff für das ius divinum bzw. humanum einzufügen, wie die Institutionen das durch die Ausdrucksweise iuris prudentia kunstvoll vermeiden. Ansonsten hätte das entsprechende Pendant zum so bedeutsamen Bereich des iuris obiectum gefehlt, den die Institutionen terminologisch nicht kennen. Zunächst läge zwar die Annahme auf der Hand, Derrer verstehe unter dem materiellrechtlichen Terminus des iuris obiectum die Aussage der Institutionen in I. 1.1.2, dass wir nach dieser allgemeinen Unterrichtung beginnen, das Recht des römischen Volkes darzulegen.408 Jedoch verstehen diese darunter wesentlich mehr als Derrer, wie sich aus der weiteren Darstellung desselben Titels ergibt. So differenzieren die Institutionen bereits in I. 1.1.4 zwischen öffentlichem und privatem Recht sowie der weiteren Unterordnung des Privatrechts in Naturrecht, Völkerrecht sowie Zivilrecht; Rechtsbereiche also, die in Derrers System geradezu exemplarisch dem iusund nicht dem iuris-obiectum-Bereich immanent sind. Ein signifikanter Unterschied zur Quellenordnung ist ferner die fehlende Systembehandlung der Gerechtigkeit (iustitia). Erwähnen die Institutionen diese in I. 1.1.pr. zuallererst, so nimmt Derrer nur im Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus darauf Bezug,409 in keiner Weise hingegen in seinem Systemschema. Möglicherweise hat er diese für eine schematische Darstellungsweise als zu abstrakt und zu wenig gegenständlich erachtet. Immerhin gehen auch die Institutionen selbst nicht weitergehend darauf ein, sondern belassen es bei der in I. 1.1.pr. getroffenen Feststellung. Nach alledem bleibt festzuhalten, dass iurisprudentia zumindest aus systematischem Blickwinkel als Fundamentalterminus für Derrers Rechtssystem zu betrachten ist. In materieller Hinsicht hingegen bleibt er überraschenderweise ganz der althergebrachten Definition der iurisprudentia treu. Das zeigt ein Blick in 408 I. 1.1.2: . . . nobis exponere iura populi Romani ita maxime videntur posse tradi . . . 409 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 1, Abschnitt 4, S. 6 f.
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Derrers prooemium, wo er einen altbekannten Satz lehrbuchartig wiedergibt: Denn Rechtsgelehrsamkeit ist nach Ulpian die Kenntnis von den göttlichen und menschlichen Dingen, das Wissen vom Rechten und Unrechten.410 Es ist nahezu wörtlich die Übernahme aus I. 1.1.1 bzw. aus D. 1.1.10.2. Inhaltlich weicht er damit nicht von den Quellen ab, bei genauer Betrachtungsweise jedoch durchaus von seinem Systemschema. Auch seine Feststellung, wonach die Erkenntnis nicht schwierig sei, dass aus der Gerechtigkeit das Gerechte, aus dem Gerechten das Recht und aus dem Recht die Rechtsgelehrsamkeit entsteht,411 läuft seinem Systemschema zuwider. Denn während er die iurisprudentia dort in die Unterpunkte ius und iuris obiectum aufspaltet, bedeutet derselbe Terminus für ihn im Darstellungsteil des Liber primus sogleich die Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge. Von den für ihn so relevanten Rechtsobjekten spricht er in diesem Zusammenhang überhaupt nicht, obwohl gerade jene in seinen Systemvorstellungen neben dem ius eindeutig und direkt der iurisprudentia entstammen. Beide Passagen innerhalb von Systemschema und Darstellungsteil stehen paradigmatisch für die Unsicherheit und das Zaudern seiner Zeit: einerseits am überlieferten Quellenordo festzuhalten, dessen Verbindlichkeit es im Grundsatz nicht in Frage zu stellen galt, es andererseits aber doch zu wagen, die althergebrachte Ordnung zu überdenken und neue Ansätze aufzuzeigen. So sehr Derrer von seinen Vorwortautoren hierfür gepriesen wird und so sehr er selbst auf seine neue Vorgehensweise aufmerksam macht, so offensichtlich werden im Darstellungsteil dennoch die dabei auftretenden Probleme inhaltlicher Art. Der Souveränität, mit der Sebastian Derrer scheinbar sicher systematisiert, und seiner Begeisterung dafür, Neues zu schaffen, stehen das überkommene Traditionsbewusstsein und eine innere Zerrissenheit gegenüber. Diese zu überwinden, gelingt ihm an vorliegender Stelle jedenfalls nur eingeschränkt. a) Ius Anders als im Bereich des iuris obiectum sind im ius-Bereich die bearbeiteten und dargelegten Rechtsgebiete abstrakter Natur. Aus diesem Grund erscheint die einfache Übersetzung des Begriffs ius als Recht in dem von Derrer gebrauchten Zusammenhang zu unpräzise. Diesem Bereich ist deskriptiv am ehesten dadurch gerecht zu werden, wenn er als eine Art all410 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Prooemium, Abschnitt 5, S. 2: Est enim Iurisprudentia (teste Ulpiano) divinarum, humanarumque rerum notitia, iusti atque iniusti scientia. 411 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 1, Abschnitt 19, S. 10: . . . non sit cognitum difficile, a Iustitia iustum, a iusto Ius, & ex Iure fieri Iurisprudentiam.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
gemeiner Teil der gesamten Derrerschen Rechtswissenschaft interpretiert wird. Allerdings darf er nicht als allgemeiner Teil im modernen Sinne etwa des Bürgerlichen Gesetzbuchs verstanden werden. Im Unterschied zu diesem existiert hier das System der Rechtsobjekte selbstständig und unabhängig neben dem ius-Bereich, auch wenn die Rechtsobjekte, wie noch aufzuzeigen sein wird, letzten Endes dogmatisch doch aus dem ius-Bereich hergeleitet werden.412 In seinem Vorwort zum Iurisprudentiae Liber primus macht Derrer diesen Unterschied präzise deutlich, indem er den ius-Bereich als forma, den iuris-obiectum-Bereich hingegen als materia bezeichnet.413 In Anbetracht der Ausdifferenziertheit des ius-Bereichs lässt bereits die Zahl der von Derrer verwendeten Ebenen erkennen, dass die Transparenz seines Systems eines der substanziellsten Anliegen seiner Arbeit gewesen ist. Immerhin gliedert sich dieser Bereich in sechs unterschiedliche Ebenen, angefangen vom alles überragenden Begriff der iurisprudentia auf Ebene 1 bis zu den Unterarten des geschriebenen Rechts mit den Termini privilegium, statutum sowie ius commune auf Ebene 6. Die Abstraktheit des ius-Bereichs ergibt sich letzten Endes daraus, dass er hier die Provenienzen des Rechts sowie dessen Eigenarten in einer Art Rechtsquellenlehre aufschlüsselt. Im Vordergrund steht somit die Grundeinteilung der Rechtsordnung, welche Arten des Rechts existieren, wie es sich aufteilt und in welchem Verhältnis die einzelnen Rechtskreise zueinander stehen. In diesen Zusammenhang fügt sich auch die Überleitung seines prooemium zum eigentlichen Werkbeginn ein, wenn er auf die spezifischen inhaltlichen Unterschiede beider Bereiche aufmerksam macht: Deshalb wurzelte das gegenwärtige Vorhaben im Recht und im Rechtsgegenstand, sowie in inneren Gründen, aus denen durch die Ordnung der Disziplin die ganze Rechtswissenschaft hervorgehen möge: Von diesen möge der eine das Formelle, der andere das Materielle unterstützen . . .414.
Die Hauptpartition, die Derrer im ius-Bereich vornimmt, gliedert sich einerseits in göttliches Recht (ius divinum) und andererseits in menschliches Recht (ius humanum). Diese Gegenüberstellung war bereits dem vorjustinianischen Recht geläufig und fand etwa bei Cicero häufiger Verwendung.415 Auch in der justinianischen Gesetzgebung, namentlich in den Institutionen wie auch in den Digesten, erfährt das ius divinum Beachtung vor dem 412
Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b). Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Prooemium, Abschnitt 7, S. 2. 414 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Prooemium, Abschnitt 7, S. 2: Inde praesens institutum, consulto a Iure, & Iuris obiecto exordium sumpsit, tanquam ab intrinsecis causis, a quibus, per ordinem disciplinae, tota manat Iurisprudentia: quarum altera formam, altera materiam suppediat . . . Vgl. Fn. 620. 415 Voigt, Ius divinum und humanum, S. 188. 413
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menschlichen Recht.416 In dieser Vorgehensweise bleibt Derrer damit den römischen Quellen treu. Gemessen an der Zahl der Gliederungspunkte, die er beiden Bereichen jeweils zuweist, wird allerdings deutlich, welche Akzente er hier setzt: Entfallen auf den Bereich des göttlichen Rechts sechs Punkte, so sind es im Bereich des menschlichen Rechts doppelt so viele. Indes liegen für ihn als Vertreter der Legistik in diesem Bereich naturgemäß auch die Schwerpunkte seiner Arbeit. aa) Divinum Dass Derrer das göttliche Recht an den Anfang seines Systems setzt und erst danach das von Menschen gesetzte Recht erörtert, resultiert aus einem theologisch-kanonischen Rechtsverständnis mittelalterlicher Provenienz heraus. Danach ist Gottes Gebot das kritische Richtmaß, an dem menschliches Recht zu messen ist, weil jenes keine Verbindlichkeit beanspruchen kann, wenn es dem göttlichen Recht widerspricht.417 Bereits das römische Recht hat sich in Form des fas mit dem göttlichen Recht beschäftigt.418 Dieses meint Derrer indes hier nicht. Vielmehr bezieht er sich auf die abendländische Rechtsentwicklung dieses Terminus. In jener entwickelte sich das göttliche Recht insgesamt zum Inbegriff einer jeder menschlichen Rechtsetzung vorgeordneten und somit höherrangigen Rechtsquelle.419 Stets war damit die Vorstellung verbunden, dass ein überirdisches Gerechtigkeitsprinzip auf irdische Verhältnisse übertragen und in allen Angelegenheiten als oberste Richtschnur jeder richterlichen Entscheidung angewendet werden müsse.420 Nach moderner Betrachtung versteht man unter dem ius divinum das unabänderliche positive göttliche Recht wie etwa das Papsttum, die bischöfliche monarchische Verfassung der Kirche oder die Sakramente. Es ist weder Ausfluss aus dem Naturrecht noch einfachrechtliche positive Bestimmung der Kirche.421 Nach diesem umfassenden Grundverständnis hat bereits Sebastian Derrer seine Schüler das göttliche Recht gelehrt. Innerhalb des Darstellungsteils im Iurisprudentiae Liber primus ist es die Hauptdefinition von Titel 2 De Iure Divino. Da dieser Abschnitt glossenlos bleibt, ist davon auszugehen, dass er an dieser Stelle eine eigene Wortwahl getroffen hat: 416
Vgl. Fn. 407 sowie D. 1.1.10.2. Hollerbach, Göttliches und Menschliches in der Ordnung der Kirche, S. 214. 418 Wolf, Ius divinum, S. 30 ff. 419 Pirson, „Ius divinum“, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Band 4, Sp. 334. 420 Heberer, Das göttliche Recht des 15. und 16. Jahrhunderts, S. 6. 421 Rahner, Ius divinum, S. 62. 417
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Göttliches Recht ist all das, was durch Gott, der gnädigsten und größten Macht, befohlen, erlaubt oder verboten ist: so wie es aus der heiligen Schrift alle Vorschriften des Alten und Neuen Testaments sind.422
Derrer teilt das ius divinum in drei Unterbereiche ein, die er im Darstellungsteil jedoch nur knapp erläutert: in das ius morale, in das ius misticum und in das ius supernaturale. Soweit ersichtlich, obliegt diese Dreiteilung des göttlichen Rechts seiner eigenen Konstruktion und entbehrt zumindest in dieser Anordnung einer Grundlage in den römischrechtlichen Quellen. Aber auch in den mittelalterlichen römisch-kanonischen Rechtsquellen findet sich seine Trichotomie des ius divinum als solche nicht. Ebenso dürfte die Unterteilung des ius misticum in caeremoniale und sacramentale innerhalb der Rechtsquellenlehre auf seine Systematisierung zurückgehen. Anhand der entsprechenden Quellenverweise in Titel 2 des Darstellungsteils lässt sich indes nachvollziehen, auf Grund welcher Rechtsquellen er systematisierend vorgegangen ist. Es sind dies in der Hauptsache Textstellen aus dem Alten und Neuen Testament, worauf bereits seine Definition hindeutet. Vor allem auf die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas nimmt Derrer häufiger Bezug. Seine Grundeinteilung des göttlichen Rechts betont vor allem das ius morale, worunter er in erster Linie die zehn Gebote versteht, die er mit Hilfe der Evangelisten Matthäus und Lukas erläutert. Das ius misticum hingegen bedeutet für ihn weniger eine moralische Verhaltenspflicht des Einzelnen, als vielmehr die Begegnung von Gott und Mensch in Form der Sakramente, von denen er die Taufe explizit erwähnt. Unter dem ius supernaturale schließlich versteht Derrer die Heilige Dreifaltigkeit als Einheit der drei Personen des göttlichen Wesens, zu deren besseren Verständnis er die bekannte Formel der deitas patris et filij et spiritussancti anführt.423 Bemerkenswert und für ein zivilrechtliches Werk recht ungewöhnlich ist die Tatsache, dass der Rechtskreis des göttlichen Rechts überhaupt angeführt und erörtert wird. Soweit ersichtlich, lassen sich vergleichbaren Werken jener Zeit keine derartigen Einlassungen entnehmen. Dass Derrer dem göttlichen Recht dennoch einen Stellenwert in seiner Bearbeitung einräumt, ist auch daran zu erkennen, dass er dieser Thematik im Darstellungsteil einen eigenen Titel widmet. Sein Vorgehen könnte dem Umstand geschuldet sein, dass er innerhalb seiner Rechtsquellenlehre den Anspruch erhoben hat, die bestehenden gelehrten Rechte bzw. Rechtskreise nach seinen Vorstellungen möglichst vollständig darzustellen. 422 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 2, Abschnitt 1, S. 10: Ius Divinum est, quod Deo Opt. Max. autore, quicque praecipit, permittit, aut prohibet: quemadmodum sunt omnia Veteris & Novi Testamenti divinorum Oraculorum praecepta. 423 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 2, Abschnitt 7, S. 11.
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Möglicherweise wollte Derrer aber auch nur eine formell deutliche Abgrenzung des göttlichen vom menschlichen Recht vornehmen. Denn auch nach legistischem Verständnis limitiert göttliches Recht menschliches Recht und bildet dessen Grenze.424 So wurde der Begriff des ius divinum in der Literatur unter anderem deshalb häufig verwendet, um das kanonische Recht insgesamt schärfer vom ius humanum im Sinne des ius civile abzugrenzen.425 Diese Feststellung könnte gleichermaßen auf Derrers Arbeitsweise zutreffen. So ging es ihm als ausgewiesenem Legisten in seinen geplanten Iurisprudentiae Libri ersichtlich nur um die vollständige Darstellung des Zivilrechts. Hierfür spricht auch die nur kurz gehaltene Behandlung des göttlichen Rechts innerhalb des Liber primus. bb) Humanum Bedeutsamer und innerhalb des Derrerschen Systemschemas sowie für die vorliegende Arbeit wesentlich relevanter ist die Untersuchung des ius humanum, aus dem durch einen dogmatisch allerdings etwas fragwürdigen Kunstgriff heraus auch der materiellrechtliche Bereich des iuris obiectum hervorgeht426 und das somit das eigentliche zivilrechtliche Arbeitsgebiet Sebastian Derrers widerspiegelt. Bereits aus dem Größenverhältnis des ius humanum zum ius divinum geht hervor, dass er hier den Schwerpunkt seiner Rechtsquellenlehre setzt. Wie Derrer bereits den ius-Bereich in zwei Teile – divinum und humanum – aufgliedert, so arbeitet er sich auch innerhalb des ius humanum dichotomisch vor, indem er dem ius naturale das ius formatum gegenüberstellt. Überraschenderweise beginnt er diesen Bereich also nicht mit der in den Institutionen vorherrschenden Einteilung in ius publicum und privatum. Es bleibt zunächst die Vermutung, dass er das ius publicum deshalb nicht systematisiert, weil bereits die Institutionen ankündigen, nur das Privatrecht zu behandeln.427 Allerdings widerspräche das seinem ausgeprägten Systematisierungs- und Ordnungsinteresse. Zumindest weist er auch dem göttlichen Recht innerhalb seines Systemschemas einen Stellenwert zu, der diesem in den Institutionen so nicht zuteil wird. Der Verzicht auf die Systematisierung und sogar auf die Erwähnung des ius publicum stellt im Bereich des für die vorliegende Untersuchung relevanten ius humanum somit eine fundamentale Abweichung vom Institutionensystem dar. 424
Hollerbach, Göttliches und Menschliches in der Ordnung der Kirche, S. 225. Kleinwächter, System des göttlichen Kirchenrechts, S. 17. 426 Vgl. zu dieser Deduktion, die als solche aus Derrers Systemschema keineswegs hervorgeht, die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b). 427 I. 1.1.4: Dicendum est igitur de iure privato . . . 425
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Immerhin ergibt sich aus den dem ius humanum nachgeordneten Gliederungspunkten, dass Derrer zumindest im Grundsatz die vom Institutionensystem vorgegebenen Rechtsbereiche dennoch berücksichtigt. So zeigen sich zahlreiche Parallelen zwischen dem Derrerschen ius humanum und dem ius privatum der Institutionen. Teilen diese das Privatrecht ein in Naturrecht (ius naturale), Völkerrecht (ius gentium) und Zivilrecht (ius civile), so teilt Derrer – etwas eigenwillig – das ius humanum einerseits ein in das Naturrecht (ius naturale) mit den Unterpunkten naturae affectus428 und Völkerrecht (ius gentium) sowie andererseits in geschaffenes Recht (ius formatum) mit den Unterpunkten Gewohnheitsrecht und verschriftlichtes Recht (ius scriptum). In Anlehnung an die kanonische Differenzierung zwischen der consuetudo generalis, die in einer ganzen Provinz besteht, und der consuetudo particularis429, die nur in einer bestimmten Stadt oder Ortschaft Geltung hat,430 weist Derrer sowohl in seinem System als auch im Darstellungsteil auf diese Unterscheidung hin. In einem direkten Vergleich beider Systeme zeigt sich demzufolge, dass Derrer das Naturrecht und das Völkerrecht der Institutionen in seiner Gesamtheit als ius naturale zusammenfasst. Was für die Institutionen schließlich die praecepta civilia sind, ist für Derrer das ius formatum. Differenzieren die Institutionen innerhalb des ius privatum zwischen drei großen Rechtsbereichen, so differenziert Derrer nur noch zwischen zwei: dem Bereich des ius naturale einerseits und dem des ius formatum andererseits. In der weiteren Einteilung des ius formatum übernimmt er schließlich das System der Institutionen. Er unterscheidet ebenfalls zwischen Gewohnheitsrecht und schriftlichem Recht. Allerdings zeigt sich dann innerhalb des ius scriptum die bislang deutlichste Abkehr Derrers vom Institutionensystem und die scheinbare Entwicklung und Anpassung des Rechts an die Verhältnisse seiner Zeit: Die Institutionen verstehen in I. 1.2.3 unter dem geschriebenen Recht das Gesetz (lex), Plebiszite (plebi scita), Senatsbeschlüsse (senatus consulta), Erlasse der Kaiser (principum placita), Edikte (edicta) sowie Gutachten (responsa). Derrer hingegen teilt in seinem Systemaufbau das geschriebene 428
Was Derrer mit der Verwendung dieses Terminus meint, wird nicht klar. Im Darstellungsteil besteht für ihn Identität zwischen dem ius naturale als solchem und dem naturae affectus (Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 3, Abschnitt 8, S. 16: . . . ius naturale, quod Naturae affectus dicitur . . .). Vermutlich hat er diesen Terminus eingeführt, um seiner Systematisierungsweise gemäß einen entsprechenden Gegenbegriff zum ius gentium zur Verfügung zu haben, zumal er dieses dem ius naturale ersichtlich unterordnen wollte. 429 Derrer bezeichnet diese im Iurisprudentiae Liber primus als consuetudo specialis. 430 Coing, Europäisches Privatrecht, Band I, S. 108.
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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Recht ein in Vorrecht (privilegium), Verordnung (statutum) und Gemeines Recht (ius commune). Deutlich erkennbar steht er mit der Verwendung dieser Termini in einer mittelalterlichen Begriffstradition. Seine häufige Bezugnahme im Darstellungsteil des Liber primus auf Bartolus, Baldus oder Petrus de Ancharano innerhalb dieser Themenfelder zeugt hier eindeutig von einer inhaltlichen Verwurzelung im mittelalterlichen römisch-kanonischen Rechtsdenken. So wird der primär scholastisch geprägte Terminus privilegium zwar auch im justinianischen Recht gebraucht, Derrer erläutert diesen aber deutlich auf der Grundlage der Kommentatoren-Literatur als eine im Einzelfall durch den Kaiser gewährte Vergünstigung, die eine Person, Sache oder Gesamtheit von der gemeinsamen Beachtung durch die Unterworfenen ausnimmt.431 Hingegen ist der Begriff statutum als solcher dem Corpus Iuris Civilis unbekannt und wird von Derrer ebenfalls auf mittelalterlichem Fundament dargestellt. Dort steht er als Oberbegriff für das in den Städten kraft munizipaler Autonomie geschaffene Recht.432 Genau in diesem Sinne erläutert auch Derrer jenes und führt aus, dass das, was jedes Volk sich selbst als Recht gesetzt hat, sein eigenes Recht ist und Zivilrecht genannt wird, gleichsam als eigenes Recht der Bürgerschaft.433 Auffällig dabei ist allerdings die inhaltliche Ähnlichkeit zu I. 1.2.1 bzw. D. 1.1.9. So haben bereits die Kommentatoren zur Begründung des ius statutum auf diese beiden Stellen verwiesen.434 Bei dem von Derrer so bezeichneten ius commune schließlich kommt er nicht umhin, sich der in den Institutionen vorgenommenen Aufzählung bestehender Rechtsquellen zu bedienen. Was mit der Verwendung dieses Terminus anfänglich so aussieht, als ob er sich des an die zeitgenössischen Vorstellungen und Bedürfnisse angepassten römisch-kanonischen Rechts bedient, erweist sich bei näherer Betrachtung von Titel 7 als nicht ganz zutreffend. Denn es handelt sich hierbei zunächst nur um die schlichte Aufzählung der Rechtsquellen, die auch den Institutionen eigen ist. Was diese unter ius scriptum verstehen, versteht Derrer ganz offenkundig unter dem Begriff des ius commune, wie an seinen Ausführungen deutlich und in Anlehnung an I. 1.2.3 zu erkennen ist: 431 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 4, Abschnitt 44, S. 24: Aut enim ex singulari Principis indulgentia, personam, rem, vel universitatem aliquam a comuni [sic!] observatione subditorum eximit: & est Privilegium. 432 Coing, Europäisches Privatrecht, Band I, S. 105. 433 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 6, Abschnitt 2, S. 31: Nam quod quisque Populus ipse sibi ius constituit, id ipsius proprium est, vocaturque ius civile, quasi ius proprium Civitatis. 434 Coing, Europäisches Privatrecht, Band I, S. 105.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Das ius commune ist jene Ansammlung von Vorschriften, die aus Gesetzen, Volksbeschlüssen, Senatsbeschlüssen, Kaisererlassen, Edikten der Prätoren und in Abschrift gebrachten und veröffentlichten Gutachten der Rechtsgelehrten entstanden ist und daraus besteht, um dem Recht öffentlich oder privat zum besten Nutzen zu gereichen.435
Zunächst erscheint es rätselhaft, weshalb Derrer ausgerechnet in seinem Systemschema den von ihm so bezeichneten Bereich des ius commune nicht noch weiter präzisiert, sondern ihn erst im Darstellungsteil selbst einteilt. Das überrascht zum einen im Hinblick darauf, dass er eine solche weitergehende Unterteilung gerade im so relevanten Bereich der einzelnen Rechtsquellen unterlässt, die vor allem Studenten der Anfangssemester hilfreich gewesen wäre, und zum anderen im Grundsätzlichen, da er doch als Fundamentalsystematiker selbst den Anspruch auf größtmögliche Vollständigkeit erhoben hat. Dass Derrer sein Systemschema aus Gründen der Übersicht nicht noch präziser untergliedern wollte, kann nicht der Grund hierfür gewesen sein. Möglicherweise hat er den umfangreichen Bereich des ius commune als juristischen Gesamtkomplex verstanden mit der Folge, dass sich der Wert einer Quelle nicht mehr primär nach ihrem Ursprung richtete, sondern nach dem Stellenwert, den sie in der legistischen Lehre aus dogmatischen Gründen erlangt hatte. Wenn Derrer ungeachtet dessen in seinem Systemschema den Begriff des ius scriptum als Oberbegriff für privilegium, statutum und ius commune verwendet, so zeigt sich hier wie auch in anderen Bereichen des ius, wie deutlich er das Institutionensystem in Frage stellt und zugleich zahlreiche Institute der mittelalterlichen Rechtswissenschaft zu seiner eigenen Grundlage macht. Dieses Vorgehen demonstriert, dass er das Institutionensystem nicht unreflektiert und kritiklos übernimmt und verwendet. Einzig der Sinn eines solchen Unterfangens – der umfassende Nutzen für die Leser und insbesondere für die Rechtsstudenten – muss zu diesem Zeitpunkt als Fragezeichen stehen bleiben. Aus Derrers Selbstverständnis heraus hat sich diese Frage für ihn indes zu keinem Zeitpunkt gestellt. b) Iuris obiectum Anders als im ius-Bereich, in dem Derrer einen systemeigenen Überblick über die Rechtsordnung, über die Rechtsquellen und deren Provenienzen gibt, steigt er im Bereich des iuris obiectum ein in die eigentliche mate435
Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 7, Abschnitt 1, S. 43: Ius Commune, est illa praeceptionum coacervatio, quae nata est, & consistit ex Legibus, Plebiscitis, Senatusconsultis, Principum placitis, Praetorum aedictis, & Prudentum [sic!] responsis in exemplar tractis, &, ut pro iure servarentur, publicatis, gratia publice vel private utilitatis.
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rielle Rechtslehre. Setzt sich der erste Teil seiner iurisprudentia mit den Rechtsquellen als den absoluten Grundlagen des Rechts auseinander, so beschäftigt sich der zweite, an der Anzahl der Gliederungspunkte gemessen weitaus größere Teil mit den Rechtsobjekten. Darunter versteht man heute die durch positives Recht geschaffenen konkreten und materiellen Institute des Rechts. Dass der Bereich der Rechtsobjekte für Sebastian Derrer nicht nur umfangbezogen, sondern auch inhaltlich ungleich relevanter ist, kongruiert mit der Feststellung Jan Schröders, wonach unter den Einteilungen der Jurisprudenz die nach dem Objekt am häufigsten vorzufinden ist.436 Das im Liber primus abgedruckte Systemschema erreicht in äußerer Hinsicht im Bereich des iuris obiectum sein Höchstmaß an Ausdifferenzierung. Gliedert Derrer den ius-Bereich noch in sechs Ebenen, so benötigt er hier zur Darstellung seines Systems sogar sieben Ebenen unterschiedlicher Wertigkeit.437 Damit hat er, jedenfalls in Bezug auf die äußere Übersichtlichkeit, ausgeführt und umgesetzt, was er in seiner Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. bereits angekündigt hat: alles in einen eigenen und ursprünglichen Ort zu unterscheiden.438 Allerdings wird auch darzulegen sein, dass Derrer beim Herleiten seines siebenstufigen Bereichs aus der iurisprudentia nicht ganz frei von Widersprüchen bleibt, die aber nur im Zusammenhang mit der von ihm verwendeten Darstellungsmethode gesehen werden dürfen. Seinem Systemschema gemäß leiten sich sowohl der ius- wie auch der iuris-obiectum-Bereich vom gemeinsamen Oberbegriff der iurisprudentia ab. Demzufolge liegt die Annahme nahe, dass Darstellungsgegenstand hier zwei getrennt behandelbare bzw. unterscheidbare Rechtsbereiche sind, deren Gemeinsamkeit lediglich darin besteht, dass Derrer sie gliederungstechnisch gleichwertig und auf einer Ebene dem Oberbegriff der iurisprudentia zuordnet. Tatsächlich ergibt sich jedoch im Rückgriff auf seine Darstellung der Rechtsobjekte in Titel 8 des Iurisprudentiae Liber primus eine dogmatisch-inhaltliche Herleitung des iuris obiectum aus dem ius commune und gerade nicht aus der iurisprudentia, wie das in grafischer Hinsicht der Fall ist. Das ius commune selbst hat Derrer indes bereits im ius-Bereich seines Systemschemas abstrakt als Rechtsquelle dargelegt, dort aber nicht weiter 436
Schröder, Wissenschaftstheorie, S. 16 f. Und zwar im Bereich des Personenstatus sowohl die Unterteilung der filii familias auf Ebene 6 in naturales legitimi und adoptivi auf Ebene 7, sowie die Einteilung der naturales illegitimi auf Ebene 6 in vulgo concepti, spurii, manseres, nothi, incestuosi, adulterini sowie nepharii auf Ebene 7. Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b)aa)(1)(a), sowie in Kapitel D.VI.3.b)aa)(1)(b). 438 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 4 r.: Si scilicet, ut omnia in proprium ac nativum locum seponantur . . . 437
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untergliedert. Erst im Darstellungsteil (in der Überschrift von Titel 8) und damit recht spät kommt diese Deduktion der Rechtsobjekte aus dem ius commune zum Ausdruck: Über den Gegenstand des ius commune und die Arten dieses Rechtsgegenstandes.439 Die Diskrepanz seines Systems als solchem ergibt sich demzufolge daraus, dass Derrer das ius commune bereits im ius-Bereich innerhalb der Darlegung der Rechtsordnung systematisiert hat440 und nun in einem anderen Zusammenhang erneut darauf zurückgreifen muss – als Grundlage für die iuris obiecta. In der weiteren Erläuterung des ius commune in Titel 7 seines Darstellungsteils ist unübersehbar, wie er sich zwischen der klassischen Rechtsquellenlehre der Institutionen bzw. dem eigenen ius-Bereich und seinem Neuansatz der Rechtsobjekte im iuris-obiectum-Bereich windet. Beim Ausarbeiten von Titel 7 versucht er, eine geeignete Verknüpfung oder doch wenigstens einen passablen Übergang zu finden: Die Gattungen und Arten des ius commune werden durch die Beziehung zum Rechtsgegenstand begründet.441 Bei dem Versuch, im Wege eines Übergangs aus dieser formellen Rechtsquelle gleichzeitig den materiellrechtlichen iuris-obiectum-Bereich abzuleiten, gerät Derrer in die genannten Schwierigkeiten, die allerdings nur aufbautechnischer Natur sind. Denn hätte er sein Systemschema grafisch konsequent umgesetzt, dann hätte er den gesamten iuris-obiectum-Bereich sofort dem ius commune unterordnen müssen. Allerdings wäre dem ius-Bereich in diesem Fall kein zweiter gleichwertiger Begriff gegenüberzustellen gewesen, wie das die von Derrer gewählte Darstellungsmethode aber erforderte. Zudem hätte sein Systemschema mit dann zwölf verschiedenen Ebenen vergleichsweise unübersichtlich gewirkt.442 Derrer hätte seine Systemdiskrepanzen auch dadurch vermeiden können, dass er das ius commune in einer vollständig neuen Gliederung erneut als Oberbegriff für das iuris obiectum angeführt hätte. Allerdings hätte dies dann der von ihm favorisierten und propagierten Vorgehensweise, jeden Gliederungspunkt in einem einzigen und fortlaufenden System nur ein Mal zu behandeln, widersprochen. Möglicherweise hat er sich deshalb für diesen Lösungsweg entschieden, weil ihm eine klar geordnete Dichotomie zwi439 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 8, S. 53: De Obiecto Iuris Communis, atque speciebus eiusdem Obiecti Iuris. 440 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.a)bb). 441 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 7, Abschnitt 3, S. 43 f.: Genera enim & species iuris Communis, per relationem ad obiectum Iuris constituuntur. 442 Indes wäre das, gemessen an der Anzahl der im Typus Iurisprudentiae verwendeten Ebenen, keineswegs außergewöhnlich gewesen. Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.V.1.
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schen dem ius als solchem und den iuris obiecta, die er allem Anschein nach deutlich aufzeigen wollte, nur nach diesem Prozedere realisierbar erschien. Dieses Ziel war ihm offenbar wichtiger, als die iuris obiecta systemschematisch aus dem ius commune abzuleiten. Denn ansonsten hätte er den Oberbegriff der iurisprudentia nicht aufspalten können – weder grafisch noch inhaltlich. In dogmatischer Hinsicht leuchtet seine Herleitung der iuris obiecta aus dem ius-Bereich aber durchaus ein. Denn betrachtet man den ius-Bereich als den Teil, der die Rechtsquellen als solche behandelt, und den iurisobiectum-Bereich als dessen konkrete materiellrechtliche Ausführung, so ist es substanziell nahezu unumgänglich, dass Derrer in diesem Zusammenhang erneut auf das ius commune zurückgreifen muss. Das geschilderte Problem stellt sich somit nur im Zusammenhang mit der von ihm gewählten Darstellungsmethode, auf die er gleichwohl großen Wert legt,443 hingegen nicht inhaltlich. Denn gerade unter diesem Blickwinkel wurde das ius commune als universal gedachtes römisches Recht im Gegensatz zu den örtlichen Statuten verstanden und war damit diejenige Rechtsordnung, auf die immer dann zurückzugreifen war, wenn das lokale Recht keine Regel für ein Problem enthielt.444 Nach diesem Verständnis ist auch Derrers Überleitung vom abstrakten ius commune hin zu den konkreten, römischrechtlich geprägten iuris obiecta zu sehen. Wie bereits im Rahmen der Untersuchung, ob der Liber primus einer Teil- oder Gesamtdarstellung entspricht, festgestellt werden konnte, unterteilt Derrer diesen Bereich der iuris obiecta in die vier großen Kategorien persona, res, commercium sowie persecutio. Eine genauere Partition erfolgt allerdings nur im Rahmen des Personenrechts, da es zentrales Thema von Band I ist. Die Bereiche res, commercium und persecutio hingegen werden lediglich am Ende des Systemschemas der Vollständigkeit halber erwähnt, um die Hauptpunkte des Systems zu komplettieren und um dem Leser möglicherweise einen Vorgeschmack auf den Inhalt der ursprünglich geplanten Bände II bis X zu geben. Weiter untergliedert werden diese Rechtsbereiche im Liber primus jedenfalls nicht. Aus dem Systemschema geht hervor, dass diese vier Rechtsobjekte für Sebastian Derrer den Kernbestand des materiellen Rechts ausmachen. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die von ihm gewählte Reihenfolge sichtbar gewichten soll von der persona bis zur persecutio. Jedenfalls sind nach dieser Reihenfolge keine weiteren Interpretationsalternativen denkbar, ebenso wenig nach Derrers Überleitung innerhalb des Darstellungsteils von Titel 8 zu Titel 9: 443 444
Vgl. nur die Ausführungen in Kapitel D.VI.4.c). Coing, Europäisches Privatrecht, Band I, S. 87.
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Folglich erstreckt sich das ganze Recht, das wir benutzen, entweder auf die Personen, auf die Sachen, auf den Sachverkehr oder auf die Rechtsverfolgung. Nach dieser Ordnung ist deshalb das Personenrecht zuerst zu behandeln.445
Die Wurzeln dieser Aussage sind unschwer zu erkennen: Es handelt sich hierbei um das berühmte Gaius-Zitat, das sowohl die justinianischen Institutionen (I. 1.2.12) wie auch die Digesten (D. 1.5.1) rezipiert haben.446 Auch wenn Derrer diese Definition nach seinen eigenen Systemvorstellungen überaus modifiziert wiedergibt, so entspricht es dennoch seiner wissenschaftlichen Redlichkeit, an dieser Stelle in Form eines Randverweises die Quelle anzugeben. Dabei ist aber nicht außer Acht zu lassen, dass für den unkundigen Rechtsstudenten der Eindruck entstehen könnte, Derrer beziehe sich direkt und inhaltskonform auf die bezeichnete Quellenstelle, während er diese in Wahrheit zwar als Grundlage, aber dennoch im Wege eigener Modifikationen heranzieht (personae, res, commercium, persecutio anstatt personae, res, actiones). Ein solches Vorgehen erscheint äußerst gewagt, ja brisant, wenn eine Quellenstelle höchster zivilrechtlicher Relevanz und vor allem (subsidiär) geltenden Rechts in aller Selbstverständlichkeit und nach eigenen Vorstellungen grundlegend modifiziert und dieses Konstrukt schließlich als Ausgangsbasis zur Neuordnung des gesamten materiellen Rechts herangezogen wird. Nach heutigen Maßstäben lässt sich kaum erahnen, wie ein derartiges, revolutionär anmutendes Vorhaben auf eine Rechtswissenschaft gewirkt haben muss, die sich dank humanistischer Einflüsse erst langsam und ganz allmählich von den Zwängen und festgefahrenen Formalismen mittelalterlich-scholastischer Prägung zu emanzipieren begonnen hat. aa) Persona Dass Derrer den Bereich der iuris obiecta mit dem Recht der Personen beginnt, überrascht demnach nicht. Zweifelsfrei orientiert er sich hierin an der römischrechtlichen Tradition, nach der man wenig vom Recht erfasst hat, solange man nicht über die Personen unterrichtet ist, für die es geschaffen ist.447 Einer solchen direkten Feststellung enthält er sich zwar, aber auch Petrus Petremandus pflichtet Derrer bei, wenn dieser in seiner 445 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 8, Abschnitt 5, S. 54: Omne igitur ius quo utimur, aut ad personas, aut ad res, aut ad commercium, aut ad persecutionem pertinet. Itaque hoc ordine ius personarum, principe loco, absolvendum est. 446 Omne autem ius, quo utimur, vel ad personas pertinet vel ad res vel ad actiones. 447 I. 1.2.12: Nam parum est ius nosse, si personae, quarum causa statutum est, ignorentur.
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praefatio zum Iurisprudentiae Liber primus äußert, dass das Personenrecht nicht ohne Grund den ersten Platz für sich in Anspruch nehmen möge.448 Derrer unterteilt das Personenrecht in die drei Hauptbereiche personae status, personae conditio sowie personae defensio. Maßgebend ist für ihn also die Darstellung dieses Rechtsgebiets unter dem Blickwinkel der unterschiedlichen Rechtsstellung eines Menschen, wie sie in einer ständischen Gesellschaft besteht. Im Rückgriff auf Titel 9 seines Darstellungsteils zum Liber primus begründet er seine Einteilung so: Das Personenrecht wird folglich, wie es die Art des Gegenstandes erfordert, entsprechend dem status, der conditio und der defensio einer Person unterschieden, weil das ganze Recht und Unrecht auf die Person und darüber hinaus auf diese drei Eigenarten bezogen werden kann.449
Diese Trichotomie des Personenrechts resultiert, jedenfalls in der vorliegenden Anordnung, aus Derrers eigener Konstruktion. Zwar nehmen auch die Institutionen drei für das Privatrecht bedeutsame Abstufungen der Rechtsstellung zwischen Menschen vor, in dem sie zwischen Freien und Sklaven (I. 1.3–I. 1.7), vermögensrechtlich Selbstständigen und Unselbstständigen (I. 1.8–I. 1.12) sowie von der Gewalt eines Vormunds oder Pflegers Abhängigen und Unabhängigen (I. 1.13–I. 1.26) differenzieren.450 Allerdings gleicht die von Derrer vorgenommene Einteilung den justinianischen Vorgaben nur auf den ersten Blick. Deshalb ist die Feststellung in Petremandus’ praefatio, wonach status, conditio und defensio einer Person getrennt werden müssen und Derrer dies hier klar demonstriert,451 keinesfalls von vornherein so evident, wie er das glauben machen möchte. Sie bedarf vielmehr der genauen Analyse der römischrechtlichen Vorgaben und deren Auseinandersetzung bzw. Umarbeitung im Iurisprudentiae Liber primus. (1) Personae status Sebastian Derrer versteht unter dem personenrechtlichen status einerseits die personae sui iuris, also die gewaltfreien Personen, und andererseits die personae alieni iuris, also die gewaltunterworfenen Personen. Diese Eintei448 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: Quarum Personarum Ius haud absque ratione sibi primum vendicat locum. 449 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 9 Abschnitt 1, S. 54: Ius igitur personarum, ut Obiecti ratio desyderat, iuxta personae statum, conditionem, & defensionem secernitur: cum in persona, iuxta has treis qualitates, omne ius & iniuria locum habere possit. 450 Meincke, Institutionen Justinians, S. 265. 451 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: Quod quidem iuxta personae statum, conditionem, & defensionem deberi secerni, Author ipse liquido hic demonstrat.
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lung entspricht exakt der der Institutionen in I. 1.8 De his qui sui vel alieni iuris sunt. Überraschenderweise beginnt Derrer sein Personensystem nicht mit der eigentlichen Haupteinteilung der Menschen in Freie und Sklaven, wie das zu Beginn des Personenrechts der Institutionen in I. 1.3 De iure personarum der Fall ist. Vielmehr legt er von vornherein eine andere Reihenfolge der Einteilung zu Grunde. Innerhalb des Darstellungsteils betont bzw. charakterisiert er die Zusammensetzung des personenrechtlichen status so: Folglich liegt es nahe, mit einer Begriffsbestimmung des Personenstatus zu beginnen, der sich an erster Stelle befindet. Denn der status (wie er sich auf die Gegenwart bezieht) ist die Beschaffenheit einer Person, die sich aus der Freiheit, dem Bürgerrecht und der Familie zusammensetzt.452
Mit dieser Erklärung offenbart er zugleich eine inhaltliche Bezugnahme auf den status-Begriff der mittelalterlichen Rechtwissenschaft. Nach deren Verständnis gehörte der Einzelne verschiedenen Gesellschaften an: der Menschheit als societas universalis, der res publica und einer Familie.453 Im siebten Abschnitt von Titel 9 geht Derrer schließlich auf die Einteilung der Personen ein, die derjenigen seines Systemschemas entspricht. Daraus ergibt sich, dass er dem status einer Person ganz offensichtlich die größte Bedeutung beimisst: Den Hauptpunkt über das Personenrecht bildet folglich diese Einteilung, wie sie sich auf den status bezieht, weil alle Menschen entweder gewaltunterworfen oder gewaltfrei sind. Und noch einmal, wer gewaltunterworfen ist oder in der Gewalt der Eigentümer steht, wie die Sklaven, oder wer in der Gewalt der Eltern steht, wie die Kinder: Aus dieser Unterworfenheit, sage ich, geht letztendlich hervor und entsteht die Eigenschaft als Sklave bzw. aus der väterlichen Gewalt der Fortbestand der bürgerlichen Familie.454
(a) Alieni iuris Die Unterteilung der personae alieni iuris in filii familias und servi, also Haussöhne und Sklaven, stimmt im Grundsatz mit I. 1.8 überein. Allerdings verwenden die Institutionen in I. 1.9.pr. den Begriff der liberi nostri, bezie452 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 9, Abschnitt 2 f., S. 54: De statu igitur personarum, qui primo loco se offert, a definitione ordiri convenit. Est autem Status (ut ad praesens attinet) personae qualitas, quae Libertate, Civitate, & Familia consistit. 453 Coing, Europäisches Privatrecht, Band I, S. 169. 454 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 9, Abschnitt 7 f., S. 57: Summa igitur de iure personarum, ut ad Statum attinet, divisio haec est: Quod omnes homines, aut alieno iuri subijciuntur, aut sui iuris sunt. Et rursus, Qui alieno iuri subijciutur, vel in potestate sunt Dominorum, sicut Servi: vel in potestate Parentum, ut Liberi: a qua inquam subiectione, tandem servilis conditio, & a patria potestate, Civilis familiae propagatio procedunt, atque oriuntur.
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hen damit also ausdrücklich die filii, aber auch die filiae familias einer Person ein, während Derrer darunter offensichtlich nur die filii familias versteht. Eine Erklärung für diese – auch inhaltlich von den Quellen abweichende – Einteilung gibt er allerdings auch im Darstellungsteil nicht. Möglicherweise entsprach es der allgemein vorherrschenden Haltung, nur die maskuline Person gewissermaßen als pars pro toto anzugeben, wie das an der allgemeinen Bedeutung homo für Mann und Mensch besonders eindrucksvoll zu erkennen ist. Die folgende Partition des Begriffs der filii familias ergibt die Dichotomie in naturales legitimi sowie adoptivi. Die Annahme an Kindes statt resultiert dabei zwangsläufig aus I. 1.11 De adoptionibus, wonach nicht nur die leiblichen Kinder, sondern auch die, die wir adoptieren, in unserer Gewalt stehen.455 Diese Aussage diente unzweifelhaft auch als Vorlage für Derrers Einteilung und stellt somit keine Neuerung dar. Derrers Terminus der naturales legitimi hingegen ist deutlich schwieriger zu bewerten. Dieser Begriff wird in der römischrechtlichen Literatur kaum verwendet. Das Corpus Iuris Civilis führt stattdessen mehrfach den Terminus naturales liberi an, wie das später im kanonischen Recht, auf das Derrer im Personenrecht häufig Bezug nimmt, genauso der Fall ist. Daneben zeigt dieses Beispiel eindrucksvoll, dass römisches und kanonisches Recht häufig in einem Einklang standen und ein wirklicher und fundamentaler Gegensatz kaum bestand. In hohem Maße haben sich beide gelehrten Rechte gegenseitig durchdrungen und sind ineinander verflochten.456 Auch wenn das eigene kanonische Recht das römische Recht in eine subsidiäre Rolle gedrängt hatte, so galt stets der Grundsatz Ecclesia Romana vivit secundum legem Romanam.457 Im vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, wie bzw. in welchem Kontext Derrer die naturales legitimi interpretiert. In wörtlicher Übersetzung könnte er zunächst leiblich-eheliche Kinder im Gegensatz zu adoptierten Kindern verstehen. Indes kann naturalis sowohl leiblich als auch außerehelich bedeuten. Naturales legitimi mit unehelich-ehelich zu übersetzen, ergibt von vornherein keinen Sinn. Allerdings ist diese Doppelbezeichnung als solche sowohl im römischen wie auch im kanonischen Recht äußerst ungewöhnlich. Liegt der Schwerpunkt auf Kindern, die aus einer rechtswirksamen Ehe stammen, ist nach klassisch-römischer Auffassung nahezu ausschließlich von filii iusti bzw. im justinianischen, dem für das Verständnis der humanistischen Jurisprudenz demzufolge primär einschlägigen 455
I. 1.11.pr.: Non solum tamen naturales liberi . . . in potestate nostra sunt, verum etiam ii quos adoptamus. 456 Nörr, Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, S. 104. 457 Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts, S. 14 f.
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Rechtskreis, von filii legitimi die Rede.458 Diesen Terminus verwendet auch das kanonische Recht. Hinzu kommt, dass gerade im römischen Recht unabhängig von leiblich-ehelichen sowie adoptierten Kindern durchaus andere Formen existieren, um als eheliches Kind im Sinne eines legitimus anerkannt zu sein bzw. anerkannt zu werden. So kennt vor allem das nachklassische Recht neben adoptierten und ehelichen Kindern eine dritte Form von Kindern, die zu liberi nostri oder, wie Derrer sich ausdrückt, zu filii familias und damit zu legitimi aufsteigen können. Es handelt sich dabei um uneheliche Kinder, die aus einer Beziehung mit einer Konkubine stammen und unter bestimmten Möglichkeiten tatsächlich in die Stellung der ehelichen Kinder, der legitimi, aufsteigen können.459 Eine dieser Optionen stellt beispielsweise die sogenannte legitimatio per matrimonium subsequens dar,460 die später auch die Kanonistik unter Alexander III. aus dem römischen Recht übernommen hat,461 um das Ehesakrament zu fördern und die bisher unverheirateten Eltern zur Eingehung einer gültigen Ehe anzuhalten.462 Kinder aus einer solchen nachträglich legitimierten Ehe nehmen somit eine deutlich bevorzugte Stellung unter den unehelichen Nachkommen ein.463 Sie werden als naturales bezeichnet,464 also mit demselben Begriff belegt, den auch Derrer in diesem Zusammenhang verwendet. Jedenfalls könnte er durchaus auch Bezug nehmen auf I. 1.10.13, wo mit der Bezeichnung naturalis erst nachträglich legitimierte Kinder gemeint sind.465 Er weist im Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus auf diesen Vorgang sogar eigens hin. In Titel 15 De patria potestate bezieht er sich darauf und formuliert: Die unehelichen Kinder werden durch die Kunstfertigkeit des Rechts in die väterliche Gewalt gebracht, sofern sie dem Gemeinderat anvertraut werden: entweder werden sie der Verwaltung des Kaisers oder der des örtlichen Magistrats bestimmt. Ebenso geschieht dies auch durch eine nachfolgende Ehe mit der Frau, mit der die unehelichen Kinder gezeugt worden sind.466 458
Berger, Encyclopedic dictionary of roman law, Filius iustus, S. 473. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 61, Rn. 6. 460 Weitnauer, Legitimation des außerehelichen Kindes, S. 36 f. 461 Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 59. 462 Leineweber, Rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem Erzeuger, S. 64 f. 463 Brundage, Law, Sex, and Christian Society in Medieval Europe, S. 103. 464 Berger, Encyclopedic dictionary of roman law, Filius naturalis, S. 473. 465 Kaser, Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, S. 221, Fn. 18; Heumann/ Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, naturalis, S. 361, b), b). 466 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 15, Abschnitt 12, S. 74 f.: Naturales Liberi rediguntur in potestatem Patris, Iuris artificio: dum Curiae offeruntur: 459
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Möglicherweise beabsichtigte Derrer mit diesem Vorgehen, alle genealogischen Formen aufzuschlüsseln, die einem Hauskind zuteil werden können. Geht man von einer derartigen Bezugnahme aus, so wäre dieser Terminus im Wege einer et-Konjunktion indes zutreffender darzustellen gewesen. Die Bezeichnung müsste dann naturales et legitimi lauten: also zum einen Kinder, die nachträglich legitimiert zu filii familias werden, aber eben noch naturales sind, und zum anderen die von vornherein ehelich legitimierten Kinder. Allerdings hätte sich dann eine Systematisierung in der Reihenfolge legitimi, naturales, adoptivi eher angeboten, als legitimi und naturales gleichsam in einem Atemzug zu nennen. Für eine solche Denkweise Derrers spricht, dass er in seinem Darstellungsteil an keiner Stelle von naturales legitimi spricht, durchaus hingegen von naturales et legitimi. Es sind dies – allerdings in anderem Zusammenhang – die Abschnitte 1 und 2 von Titel 40 De Causis, quibus a Tutela quis excusatur. Ferner kommt hinzu, dass eine solche Formulierung exakt dem Systemschema des Typus Iurisprudentiae entspricht, in dem Derrer zur Systematisierung der personae alieni iuris in der Tat ebenfalls die Bezeichnung naturales et legitimi verwendet.467 Auch inhaltlich bringt er zum Ausdruck, dass er den Status eines Konkubinenkindes tatsächlich nicht als alieni iuris betrachtet, solange es nicht in die Stellung der ehelichen Kinder aufgestiegen ist. Dies lässt sich aus Titel 20 De Iis, Qui sui Iuris sunt eindeutig folgern: Denn Kinder von Eltern, zwischen denen keine Ehe bestand, aber eine bestanden haben konnte und die dennoch gegenseitig eine unzweifelhafte Beziehung hatten (die man Konkubinat zu nennen pflegte), werden uneheliche Kinder und manchmal spurii genannt.468
Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass Sebastian Derrer durch den Gebrauch des Terminus naturales legitimi tatsächlich naturales et legitimi meint; zum einen also von Anfang an legitimierte eheliche Kinder, zum anderen Nachkommen, die – etwa durch eine nachträgliche Ehe der Eltern – ebenfalls legitimiert werden.
seu ministerio Principis, aut Magistratus loci destinantur. Item & per subsequens matrimonium, cum ea muliere, ex qua Naturales procreati sunt. 467 Vgl. Abbildung 24, S. 303, Zeile 25. 468 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 20, Abschnitt 5, S. 86 f.: Nam nati ex Parentibus, inter quos non erat, sed esse poterat matrimonium, qui tamen invicem habebant indubitatum affectum (qui Concubinatus dici consuevit) Naturales illegitimi, & aliquando Spurii nominantur.
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(b) Sui iuris Bei den gewaltfreien Personen, den personae sui iuris, nimmt Derrer sogar eine dreifache Unterteilung vor. So zählt er zu diesen in erster Linie die emancipati, die aus der väterlichen Gewalt Entlassenen, sowie die manumißi, die aus der Sklaverei Entlassenen. Mit dieser Einteilung folgt er zunächst der römischrechtlichen Tradition der Institutionen, wenn er im Rahmen der emancipati offensichtlich auf I. 1.12.6 (emancipatio) und im Rahmen der manumissi auf I. 1.5.pr. (manumissio) Bezug nimmt.469 Im Hinblick auf die Eingruppierung dieser beiden Personengruppen sind demnach keine Besonderheiten zu verzeichnen. Ferner ordnet Derrer diesem Bereich die naturales illegitimi unter. Diese Bezeichnung, die dem Corpus Iuris Civilis ebenso fremd ist wie die der naturales legitimi, ist offenbar als Gegenbegriff zu diesen zu verstehen. Zwar erfolgt die Gegenüberstellung nicht innerhalb derselben Ebene – die naturales legitimi werden auf Ebene 7 innerhalb der personae alieni iuris, die naturales illegitimi hingegen auf Ebene 6 innerhalb der personae sui iuris dargestellt –, jedoch weisen bereits die verwendeten Termini darauf hin, dass Bezugsgegenstand hier die Darstellung zweier Antonyme ist. Unter dem Begriff der naturales illegitimi versteht Derrer eine Vielzahl von Personen, deren gemeinsames Charakteristikum die Herkunft aus einer – weshalb auch immer – nicht legitimierten elterlichen Beziehung bildet. Differenziert bereits das justinianische Recht zwischen solchen Personen, so erweitert Derrers Systematik diesen Personenkreis beträchtlich. Allerdings ergibt sich aus seiner Übersicht nicht von vornherein eine eindeutige und klare Struktur. Derrers Ausführungen über die naturales illegitimi lassen in diesem Bereich auf eine tiefe Verwurzelung im kanonischen Recht schließen. So hatte die Kirche etwa das Monopol, über die Gültigkeit einer Ehe zu befinden. Diese gehörte nach kanonischem Verständnis zu den sogenannten causae spirituales und unterlag damit dank des privilegium fori der ausschließlichen kirchlichen Rechtsprechung.470 Aber auch bei der Entscheidung von Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit dem Unehelichenrecht standen, kam der Kirche enorme Bedeutung zu. Weshalb Derrer bei seiner Differenzierung zwischen den einzelnen nicht legitimierten Kindern teilweise undeutlich bleibt, hängt mit der gesamten Systematik des Unehelichenrechts zusammen. Horst Herrmann schreibt über dieses: 469 Im Unterschied zum klassischen Recht zählen nach justinianischem Verständnis zu den Gewaltfreien nur noch diejenigen Personen, die unter keiner Hausgewalt stehen, also nicht der patria potestas unterworfen sind. 470 Nehlsen-von Stryk, Römisch-kanonischer Zivilprozess, S. 314.
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Es erscheint deshalb wohl verfehlt, eine juristisch exakte Systematisierung des Unehelichenrechts der Frühzeit erbringen zu wollen. Lediglich vereinzelte – oft widersprüchliche, da aus konkreten Verhältnissen gewonnene – Linien einer Rechtsentwicklung können nachvollzogen werden. Ein geschlossenes System ist nicht zu erstellen . . .471.
In diesem Bewusstsein scheint auch Sebastian Derrer selbst vorgegangen zu sein. So zählt er zu den naturales illegitimi die vulgo concepti, spurii, manseres, nothi, incestuosi, adulterini sowie nepharii. Da er diese außerehelichen Abkömmlinge in seinem Systemschema zwar nennt, sie im eigentlichen Darstellungsteil jedoch teilweise nur knapp darlegt und erläutert, kann allenfalls anhand allgemeiner Bedeutungsmuster ermessen werden, welchen Stellenwert er diesem Personenkreis zumisst. Hinzu kommt, dass etliche Termini im Laufe der Jahrhunderte erheblichen Bedeutungsschwankungen unterworfen waren. Zugleich spricht dies deutlich für Herrmanns allgemeine Feststellung der nicht exakten Differenzierbarkeit des kanonischen Unehelichenrechts. Dessen ungeachtet hat Derrer hier mit einer besonders weitgehenden Aufgliederung einen Schwerpunkt seiner gesamten Systematisierungsbemühungen geschaffen. So ist dieser Bereich mit gleich sieben Gliederungspunkten innerhalb derselben Ebene der meistdifferenzierte des gesamten Schemas im Iurisprudentiae Liber primus. Die vulgo concepti, die außerehelich geborenen Nachkommen, führt Derrer dabei zuerst an. Er bleibt zunächst allerdings in der römischrechtlichen Terminologie der Institutionen, die zur Bezeichnung dieser Kinder entweder vulgo concepti oder vulgo quaesiti verwenden. Den letzteren Begriff gebraucht er im Liber primus allerdings nicht. Auch geht er bei der Einordnung der vulgo concepti nicht direkt darauf ein, dass die Bedeutung dieses Begriffs in ähnlichem Zusammenhang mit dem der spurii verwendet wird, die er unmittelbar nach den vulgo concepti als eigenständigen Terminus anführt. Beide Begriffe meinen Kinder, die unehelich gezeugt wurden und deren Väter juristisch unbekannt oder unbestimmt sind, weil es bereits des Anscheins der Ehe ermangelt.472 Mit der Mutter galten sie als nur kognatisch verwandt, mit dem Vater hingegen überhaupt nicht.473 Die Institutionen weisen darauf in I. 1.10.12 hin: . . . die die Mutter nichtehelich empfangen hat. Denn auch diese [vulgo concepti] haben rechtlich keinen Vater, zumal da dieser auch ungewiss ist. Daher pflegt man sie filii spurii, nichteheliche Kinder zu nennen, entweder nach dem grie471 472 473
Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 37. Weitnauer, Legitimation des außerehelichen Kindes, S. 47. Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 46 f.
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chischen Wort sporÜdhn als verstreut Empfangene474 oder als sine patre filii, Kinder ohne Väter.475
Auch Derrer erkennt den Sinngehalt der vulgo concepti und nimmt dem Wortlaut nach Bezug auf I. 1.10.12, wenn er beschreibt, dass deren Vater ungewiss ist.476 Ferner unterscheidet er diese Kinder schließlich von den spurii ex coitu iure damnato procreati, wobei er aber durch die Verwendung des Adverbs similiter durchaus auch Parallelen erkennen lässt: Ähnlich auch die spurii, die ex coitu iure damnato gezeugt werden: wie auch durch Ehebruch, Inzest oder bei dem, der gegen die gelobte Enthaltsamkeit erzeugt wird.477 Möglicherweise wollte Derrer deshalb zwischen den vulgo concepti bzw. spurii auf der einen und speziell den spurii ex coitu iure damnato procreati auf der anderen Seite unterscheiden. Bei den Termini vulgo concepti bzw. spurii handelt es sich gewissermaßen um den Oberbegriff für alle unehelichen Kinder mit Ausnahme der im Konkubinat erzeugten. Derrer könnte deshalb beide Begriffe zu Beginn seiner Aufzählung der naturales illegitimi auch eingeführt haben, um sie den nachfolgenden besonderen Arten unehelich erzeugter Kinder voranzustellen. Wahrscheinlich ist, dass er sich bei seinen Ausführungen über die spurii römischrechtlicher Prägung ebenfalls an kanonischen Vorschriften orientiert hat. So nahm die Kirche den Begriff der spurii auf und erweiterte ihn zunehmend, indem sie vor allem auch Klerikerkinder darunter subsumierte und in einem nächsten Schritt jede außereheliche Geburt als verwerflich ansah.478 In diesem Sinne lassen sich auch Derrers Ausführungen über die spurii interpretieren.479 Bei den in seinem System so bezeichneten manseres schließlich hält sich Derrer orthografisch nicht an die gewählte Schreibweise. So bezeichnet er diese im Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus nicht mehr als manseres, sondern verwendet die Schreibweise mamzeres. Da dieser Terminus dem justinianischen Recht nicht geläufig ist, stellt sich die Frage, welcher Quellen sich Derrer hier bedient. Im Darstellungsteil erläutert er die 474
Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler. Vgl. Bibliografie S. 334. I. 1.10.12: . . . quos mater vulgo concepit. Nec hi patrem habere intelleguntur, cum is etiam incertus est: unde solent filii spurii appellari, vel a Graeca voce quasi sporÜdhn concepti vel quasi sine patre filii. 476 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 20, Abschnitt 3, S. 86: . . . quorum pater cum incertus sit . . . 477 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 15, Abschnitt 10, S. 73: . . . Similiter & Spurij, qui ex coitu iure damnato procreantur: ut adulterio, incestu, aut eo, qui fit adversus devotam Castitatem. 478 Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 60. 479 Vgl. Fn. 477. 475
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manseres, wie auf Grund seines Systemschemas zu erwarten war, im Rahmen der gewaltfreien Personen: Sobald ferner eine Gefühlsbeziehung fehlt, beispielsweise wenn jemand Kinder von einer Prostituierten hat, werden diese von manchen Mamzeren genannt.480
Nicht nur Derrer, sondern auch den Betrachter stellt es in der Tat vor einige Schwierigkeiten, den Ausdruck manseres korrekt einzuordnen. Im Literaturverweis zu Abschnitt 6 gibt er als Bezugsquelle das fünfte Buch Mose (Deuteronomium), Kapitel 23, an. Doch ist dieser Begriff noch nicht einmal dem Handlexikon von Heumann/Seckel geläufig. Das umfangreiche Handwörterbuch von Karl Ernst Georges verzeichnet ihn unter der eigentlichen Schreibweise manzer. Danach hat das Wort seinen Ursprung im Hebräischen. Der Begriff bedeutet so viel wie unehelich und wurde später vor allem im kanonischen Recht angewendet.481 Ein Blick in das Lexicon totius Latinitatis bringt mehr Klarheit: Demnach handelt es sich bei einem manser um einen spurius de scorto natus, also um ein von einer Prostituierten geborenes Kind.482 Mit dieser Eingliederung wäre es Derrer damit tatsächlich gelungen, die naturales illegitimi konsequent fortzusetzen. Denn ein unehelich geborener spurius/vulgo conceptus kennt zwar juristisch seinen Vater nicht, aber er muss deshalb keineswegs zwangsläufig von einer Prostituierten abstammen. Ein manser wäre damit gewissermaßen ein Spezialfall des spurius. Indes ist zu beachten, dass unter einem manser gelegentlich doch auch die allgemeine Bedeutung im Sinne eines spurius zuteil werden konnte.483 Insofern kann seine Stellung nicht ausschließlich auf die Abstammung von einer Prostituierten reduziert werden, mag darin auch die Hauptbedeutung gelegen haben. Die Stellung des manser im alttestamentlichen Recht war denkbar schlecht. So konnte er keine Israelitin, sondern nur eine Volksfremde oder Unfreie heiraten. Ferner galt er juristisch nicht als Sohn mit der Folge, dass er kein Erbrecht gegen seinen Vater geltend machen konnte.484 Im Mittelalter wurde der biblische manser schließlich von der Kanonistik rezipiert und vor allem als Begründung für das Priesterweiheverbot eines solchen herangezogen.485 Diesen Terminus in das System des Iurisprudentiae Liber 480 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 20, Abschnitt 6, S. 87: Porro, ubi desit affectus, veluti dum quis ex scorto suscipit Liberos, ij a quibusdam Mamzeres appellantur. 481 Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Zweiter Band, manzer, Sp. 809. 482 Forcellini, Lexicon totius latinitatis, Band 3, manzer, S. 182. 483 Brundage, Law, Sex, and Christian Society in Medieval Europe, S. 55. 484 Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 39.
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primus eingearbeitet zu haben, ist somit ein äußerst anschauliches Beispiel dafür, wie Sebastian Derrer römisches und kanonisches Recht im Sinne des ius commune rezipiert hat. Auch bei den auf die manseres folgenden nothi bedient sich Derrer keiner römischrechtlichen Terminologie. Dieser Begriff erscheint zunächst in literarischem Zusammenhang.486 Bei einem nothus handelt es sich um ein außerehelich geborenes, im Ehebruch gezeugtes Kind. Derrer selbst grenzt die nothi nicht von anderen unehelichen Kindern ab, sondern betont allgemein deren fehlende Legitimation. Es fällt allerdings auf, dass diese für ihn offensichtlich identisch mit den in seinem System ebenfalls erwähnten adulterini sind, zumal er beide im Darstellungsteil zusammenhängend darlegt: Weil der Beischlaf aber über das Nichtbestehen einer rechtmäßigen Ehe hinaus besonders missbilligt wird, so wie zwischen denen, die jeweils durch eine anderweitige Ehe gebunden sind, erwachsen aus diesen nothi oder adulterini.487
In Derrers Systemschema hingegen werden sowohl die nothi als auch die adulterini als eigenständige Gliederungspunkte geführt. Auf Grund von Derrers nur kurzen Ausführungen hierüber kann aber kein wirklicher Bedeutungsunterschied eruiert werden. Was er genau meint, wird nicht klar. Dogmatisch kamen beiden Begriffen im Laufe der Jahrhunderte in der Tat unterschiedliche Bedeutungen zu. Ursprünglich waren nothi Nachkommen von Eltern, bei denen nur ein Elternteil verheiratet war, während adulterini aus einer Verbindung stammten, bei der beide Elternteile jeweils mit einem anderen Partner verheiratet waren.488 Dies war allerdings erst die Sicht der Kanonistik, nach römischem Recht waren adulterini nur die in Verbindung mit einer verheirateten Frau gezeugten Kinder.489 Bei den incestuosi hingegen ergibt sich ein substanziierteres Bild ohne Abgrenzungsprobleme. Auch wenn die Institutionen den Begriff der incestas nuptias in I 1.10.1 verwenden und der Inzest im Corpus Iuris Civilis häufig behandelt wird, so ist diesem das Substantiv des incestuosus, also dem, der einem Inzestakt entstammt, nicht bekannt. Die in Derrers Darstellungsteil zu den incestuosi gehörende Definition deckt sich mit dem allgemein üblichen Verständnis von Blutschande: Aus Gründen der Blutsverwandtschaft bzw. Schwägerschaft aber ist eine leibliche Vermischung unter485
Schreiner, Defectus natalium, S. 95. Berger, Encyclopedic dictionary of roman law, Nothus, S. 599. 487 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 20, Abschnitt 7, S. 87: Cum vero ultra defectum iustarum nuptiarum inter aliquos specialiter iure sit damnatus coitus, sicut inter eos, qui diverso matrimonij foedere stringuntur, ex ijs nascuntur Nothi, vel Adulterini. 488 Fanning, „Legitimation“, in: The Catholic Encyclopedia, volume IX, S. 132. 489 Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 143. 486
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sagt. Aus einer solchen gehen incestuosi hervor.490 Gerade im Kirchenrecht war der Inzest in zahlreichen canones Behandlungsgegenstand und spielte eine große Rolle.491 Zuletzt zählt Derrer zu den naturales illegitimi die nepharii. Erneut bleibt er nicht bei seiner Schreibweise. Lautet diese im Systemschema nepharii, so ist im Darstellungsteil nefarii zu lesen. In wörtlicher Übersetzung des üblicherweise als Adjektiv gebrauchten Terminus bedeutet nefarius gottlos, frevelhaft.492 Auch im justinianischen Recht wird dieser Begriff ausschließlich adjektivisch gebraucht. Innerhalb seines Systems verwendet Derrer diesen Begriff als Substantiv, in seinem Darstellungsteil dann aber auch als Adjektiv. Den Begriff der nefarii erläutert er nur in einem einzigen, nicht besonders aufschlussreichen Satz. Ebenfalls in Titel 20 führt er dazu aus: Aber aus einem Konkubinat entstehen dem Enthaltsamkeitsgelübde zuwider gottlose Kinder.493 Derrer meint damit offensichtlich die Kinder von im Konkubinat lebenden Priestern. Entscheidend ist somit ein Verstoß gegen das kirchliche Keuschheitsgelübde. Nach kanonischem Verständnis kann ein nefarius aber auch ein Spezialfall des Inzests sein, wenn er einem solchen in gerader Linie entstammt.494 Darauf nimmt Derrer allerdings keinen Bezug. Zusammenfassend steht dieser aus damaliger Sicht äußerst bedeutsame Bereich der naturales illegitimi exemplarisch für die Darstellung des gelehrten Rechts aus einer den Umständen der Zeit angepassten Sichtweise im Sinne des ius commune. Zudem ist deutlich der dominierende Einfluss der Kanonistik gerade im Bereich des Unehelichenrechts zu erkennen, den auch Derrer bei seiner Darstellung keinesfalls außer Acht lassen konnte. Zwar unterlag dieser Rechtsbereich gewissermaßen als sakramentlose Materie nicht der ausschließlichen Regelung des kanonischen Rechts,495 jedoch war dessen Einfluss von enormer Bedeutung auch für die Legistik, wie am Beispiel Sebastian Derrers eindrucksvoll zu erkennen ist. 490 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 20, Abschnitt 8, S. 87: At ubi ratione sanguinis, vel affinitatis interdicta est carnalis commixtio, hinc nascuntur Incestuosi. 491 Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 148. 492 Heumann/Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, nefarius, S. 364. 493 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 20, Abschnitt 9, S. 87: Sed ex Concubinatu adversus devotam Castitatem, Nefarij filij procreantur. 494 Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 148. 495 Das Unehelichenrecht konnte deshalb auch Gegenstand von Stadt- und Landrechten sein, wie etwa am Freiburger Stadtrecht Ulrich Zasius’ von 1520 eindrucksvoll zu erkennen ist. So statuiert er dieses Rechtsgebiet im dritten seiner fünf Traktate in einer Linie mit der Behandlung des Erbrechts.
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Zugleich wird aber auch die Schwierigkeit der Handhabung dieser Rechtsmaterie deutlich. An einigen Stellen ist zu erkennen, dass selbst Derrer nicht immer genau zwischen den einzelnen Arten der kanonisch geprägten naturales illegitimi zu differenzieren in der Lage ist. Teilweise führt er innerhalb seines Darstellungsteils nur einen einzigen Satz an, um einen unehelichen Nachfahren zu erläutern und abzugrenzen. Hinzu kommt, dass gerade das kanonische Recht noch eine Vielzahl weiterer Arten unehelicher Kinder kennt, die Derrer gar nicht systematisiert, etwa die liberi sacrilegi oder die liberi ex stupro violento. All diese genannten Arten der naturales illegitimi können dogmatisch nicht immer ganz zweifelsfrei gegeneinander abgegrenzt werden, zu unterschiedlich ist deren Bedeutung teilweise in den verschiedenen Jahrhunderten. Es handelt sich insgesamt um eine Rechtsmaterie, über die auch Horst Herrmann schreibt: Vorgefunden wurde auf juristischem Gebiet das fixierte römische Recht, dazu kam das germanische Gewohnheitsrecht, dem fließende Übergänge eigneten. Theologischer und damit schriftorientierter Einfluß machte sich von den alttestamentlichen Verhältnissen der jüdischen Anschauungen sowie von den Vätern her bemerkbar. Doch alle diese Faktoren sind – wie man in historischer Betrachtungsweise feststellen muß – im Rechtsleben des Alltags nicht systematisch, sondern von Fall zu Fall bedeutsam geworden, ja sie waren oft sogar nur unterschwellig wirksam.496
Daraus lässt sich nur erahnen, dass gerade der Rechtsstudent in den Anfangssemestern seines Studiums den Bereich der naturales illegitimi nicht ohne Schwierigkeiten erlernt und erarbeitet haben dürfte. In diesem Bewusstsein hat möglicherweise auch Sebastian Derrer das Rechtsgebiet der naturales illegitimi systematisiert. Einen definitiv feststehenden Überblick konnte er in diesem Bereich gar nicht bieten. Somit scheint das Bestreben in der Tat nicht nur für ihn beinahe aussichtslos gewesen zu sein, eine juristisch exakte Systematisierung des Unehelichenrechts der Frühzeit erbringen zu wollen.497 (2) Personae conditio Als zweite große Einteilung des Personenrechts auf gleicher Ebene zum personae status wählt Derrer die der personae conditio. Wie bereits im Rahmen der allgemeinen Einführung in das System des Derrerschen Personenrechts festgestellt werden konnte, bereitet die allgemeine Differenzierung speziell zwischen den Begriffen status und conditio Probleme. Schon 496 497
Herrmann, Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, S. 36 f. Vgl. Fn. 471.
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der Heidelberger Rechtsprofessor Friedrich Xaver Affolter kritisiert in seinem 1897 erschienenen monumentalen Werk über das römische Institutionensystem, wie Derrer diese beiden Bereiche handhabt und unterscheidet. Ja Affolter weitet seine Kritik auf Derrers Einteilung insgesamt aus: Das erschienene erste Buch [der Iurisprudentiae Liber primus] enthält die R.-O. [Rechtsordnung] und die persona. Die Gruppierung der Lehre von den Personen beweist, daß er [Derrer] das I.-S. [Institutionensystem] nicht begriff. Er unterscheidet a. Status; a) alieni iuris, b) sui iuris; b. conditio; a) ingenui, b) ingenuis deteriores; c. defensio (Tutela, Cura). Ein Unterschied zwischen status und condictio [sic!] ist nicht vorhanden. Beides sind Bezeichnungen für das objektive personale Rv. [Rechtsverhältnis].498
Die von Affolter vermisste Unterscheidung zwischen status und conditio ist in Derrers Werk tatsächlich nur schwer zu ermitteln. Dennoch wirkt die Aussage des Heidelberger Professors zu pauschal. Sie weckt sogar den Verdacht, dass er sich nur mit dem Systemschema, nicht jedoch mit dem eigentlichen Darstellungsteil des Liber primus wirklich befasst hat. Zwar geht Derrer auch dort nicht direkt auf die Nuancen zwischen status und conditio ein, aber aus der Gesamtbetrachtung beider Bereiche können anhand der jeweils behandelten Thematik durchaus Unterschiede deduziert werden. Spätestens in Titel 21 des Darstellungsteils wird der Übergang vom personae status zur personae conditio deutlich, wenn Derrer ausführt: Wie bereits erwähnt, handelt nach der Erörterung des Personenstatus das nächste Kapitel auf Grund der juristischen Reihenfolge von der conditio der Personen. In diesem Kapitel werden die Rechte der Personen unterschieden. Denn die conditio ist eine gewisse Beschaffenheit, durch die die freien Personen unterschieden werden, und die sich außerdem auf den Personenstatus in Bezug auf Leistungsbefreiung bzw. -belastung erstreckt. Alle freien Menschen unterscheiden sich folglich durch die conditio so, dass sie entweder Freigeborene oder den Freigeborenen gegenüber schlechter Gestellte sind.499
Aus dieser Gesamtschau und insbesondere aus Derrers Einführung in das Recht der personae conditio geht hervor, dass sich diese ausschließlich auf freie Personen bezieht, die entweder bereits frei geboren oder später aus der 498 Affolter, Institutionen-System, S. 96. Affolter bleibt der Rekapitulation des Derrerschen Systems allerdings selbst nicht treu, wie an der fehlerhaft wiedergegebenen Gliederung zu sehen ist. Bei korrekter Wiedergabe hätten sowohl Tutela als auch Cura ebenfalls mit a und b gekennzeichnet werden müssen. Man beachte außerdem die Schreibweise von conditio. 499 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 21, Abschnitt 1 ff., S. 88: Personarum statu sic, ut praemittitur, absoluto: ingerit se iusta serie personarum conditio: alterum caput, quo iura personarum secernuntur. Est autem Conditio, qualitas quaedam, qua liberae personae, praeterea, quae ad Personae statum pertinent, quo ad immunitatem & ad onera, secernuntur. Omnes igitur Homines Liberi per conditionem sic differunt, quod vel Ingenui sunt, aut Ingenuis deteriores.
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Sklaverei entlassen geworden sind. Damit decken sich seine Worte im Darstellungsteil des Liber primus mit seinem Systemschema, in dem er die homines liberi in die beiden genannten Gruppen ingenui sowie ingenuis deteriores einteilt. Indes wird damit auch der Unterschied zwischen der personae conditio und dem personae status deutlich, den Affolter in Derrers Systematik gänzlich vermisst: Es ist im Grundsatz jedenfalls dieselbe Differenzierung, die auch die Institutionen in umgekehrtem Zusammenhang formulieren, wenn in I. 1.8.pr. davon die Rede ist, dass jetzt eine andere Einteilung des Personenrechts folgt.500 Denn im Unterschied zu Derrer behandeln diese in I. 1.3 ff. zuerst den Bereich der homines liberi – servi (in Derrers Worten also die personae conditio mit dem Unterschied, dass er hier nur die liberi unterteilt und die servi außen vor lässt) und gelangen erst danach in I. 1.8 ff. zu den personae sui iuris – personae alieni iuris (in Derrers Worten also den personae status). Demnach scheint er auf den ersten Blick die Einteilung des Personenrechts der Institutionen gleichsam vertauscht zu haben. Indes ist Derrer als Konsequenz seiner Vorgehensweise tatsächlich ein interessanter, wenngleich auch folgenschwerer Fehler unterlaufen, den die Bearbeiter der römischrechtlichen Quellen mit der Formulierung alia divisio501 wohl durchdacht umgangen haben. Denn durch diese Ausdrucksweise wird nichts über ein bestimmtes Wertigkeits- bzw. Ebenenverhältnis einzelner Gliederungspunkte ausgedrückt. Hinzu kommt, dass derselbe Begriff auch in anderem Zusammenhang erneut erörtert werden kann, ohne aufbautechnisch in Probleme zu geraten.502 Derrer hingegen ordnet innerhalb des Personenrechts die personae conditio, also den Bereich der homines liberi, der gleichen Ebene zu wie den personae status. Hierbei nimmt er in Kauf, dass sich sein Systemschema inhaltlich verschiebt. Denn aufbautechnisch steht es in einem Missverhältnis, wenn er im Rahmen des status einer Person die personae alieni und sui iuris behandelt und auf genau gleicher Ebene zu diesem Personenstatus im Rahmen der conditio einer Person lediglich die homines liberi versteht. Hätte er sein Systemschema konsequent und der römischrechtlichen Logik entsprechend weitergeführt, hätte er im Rahmen der personae conditio die homines liberi 500 I. 1.8.pr.: Sequitur de iure personarum alia divisio. Mit dieser anderen Einteilung ist die in personae sui vel alieni iuris gemeint. 501 Vgl. Fn. 500. 502 Sehr anschaulich hierfür ist etwa die systematische Darstellungsweise der Institutionen in der von Eduard Böcking um 1840 verfassten Arbeit Systema Gaianarum Iustinianarumque Institutionum, in der dieser gliederungstechnisch zwar ebenfalls sehr strukturiert und analytisch vorgeht, aber dennoch so, dass genügend Spielraum zur Darstellung desselben Rechtsterminus in einem anderen Kontext bleibt. Genau dieses Vorgehen lässt Derrers Gliederungsweise nicht zu.
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durchaus anführen können. Dann allerdings als Gegenüberstellung zu den servi bzw. in Anlehnung an die oberste Einteilung des Personenrechts in I. 1.3.pr. Derrer hingegen unterteilt die conditio einer Person sogleich in ingenui und ingenuis deteriores, also in Personengruppen, die als solche bereits frei sind bzw. dieser personenrechtlichen Freiheit stark angenähert sind. Im Verhältnis personae status – personae conditio offenbart sich damit an dieser Stelle eine typische Schwäche von Derrers Systematisierungsversuch, nämlich jeden Gliederungspunkt der Übersichtlichkeit halber nur ein Mal zu erwähnen, auch wenn dieser im Einzelfall an anderer Stelle erneut anzführen gewesen wäre. Derrer wollte ersichtlich Doppelbehandlungen vermeiden. Der vordergründige Vorteil dieser Methode ist, dass das gesamte Schema aus einem Stück besteht und so dafür sorgt, dass derselbe Rechtsgegenstand jeweils nur ein Mal erwähnt wird. Im vorliegenden Fall hätte Derrer bei korrekter Systematisierung bzw. in Anlehnung an I. 1.3 die servi erneut anführen müssen, nachdem diese von ihm bereits im Rahmen des Personenstatus innerhalb der gewaltunterworfenen Personen erörtert worden sind. Um eine solche Doppelbehandlung allerdings zu vermeiden, sah er sich aufbaubedingt dazu veranlasst, trotz inhaltlicher Notwendigkeit die servi nicht erneut anzuführen. Dass ihm allerdings vorzuwerfen wäre, er habe das Institutionensystem nicht begriffen, wie Affolter das annimmt, ist abwegig. Immerhin gibt Derrer zu der zitierten Einführung in das Recht der personae conditio sogar seine maßgebliche Bezugsquelle an,503 die nicht überraschend sein kann: Er verweist direkt auf I. 1.3 De iure personarum. Dementsprechend kann ausgeschlossen werden, dass er die servi übersehen bzw. die Zusammenhänge nicht begriffen hat. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass er sich der Übersichtlichkeit sowie seiner Systematisierungspräferenz wegen und damit in diesem Fall auf Kosten der materiellrechtlichen Korrektheit für dieses Vorgehen entschieden hat. (a) Ingenui Die ingenui, die Freigeborenen, teilt Derrer zum einen ein in ingenui nativitate und zum anderen in ingenui restitutione natalium. Bei den ingenui nativitate liegt eine direkte Bezugnahme auf I. 1.4.pr. auf der Hand, wonach Freigeborener ist, wer sogleich mit der Geburt frei ist,504 was in Derrers Schema ganz offensichtlich der Bezeichnung nativitas entspricht. Die ingenui restitutione natalium hingegen stehen beispielhaft dafür, dass Derrer bei der Systematisierung des Zivilrechts nicht nur auf die Institutionen zurückgreift, sondern sich auch der Digesten sowie des Kodex bedient. Bei 503 504
Vgl. Fn. 499. I. 1.8.pr.: Ingenuus is est, qui statim ut natus est liber est . . .
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der restitutio natalium handelt es sich um die Möglichkeit, dem Freigelassenen durch einen kaiserlichen Gnadenakt rückwirkend die Stellung eines Freigeborenen zu gewähren.505 Im Unterschied zu den Institutionen, die diese Möglichkeit statusrechtlicher ex-tunc-Wirkung nicht erwähnen, wird die restitutio natalium sowohl in den Digesten (D. 40.11) als auch im Kodex (C. 6.8) behandelt. Diese neben der nativitas bestehende Option führt Derrers Offenheit für alle Bereiche des Corpus Iuris Civilis besonders anschaulich vor Augen. Insbesondere kommt an dieser Stelle seine zwar im Grundsatz an den diversen Rechtsproblemen der Institutionen orientierte Ordnungs- und Systematisierungsweise zum Ausdruck. Zugleich wird aber auch seine Aufgeschlossenheit für Rechtsinstitute deutlich, die in den Institutionen keinen Niederschlag gefunden haben, die er zu systematisieren aber gleichwohl für geboten hält. (b) Ingenuis deteriores Bei der den ingenui gegenüber gestellten, dogmatisch wesentlich interessanteren Gruppe der ingenuis deteriores verwendet Derrer keinen genuin juristischen Fachausdruck. Aus der wörtlichen Übersetzung kann aber geschlossen werden, welche Personengruppe er damit anführt. Es sind dies die den Freigeborenen gegenüber schlechter Gestellten. Er versteht unter diesem Terminus offensichtlich ein Charakteristikum der nachklassischen Entwicklungen, die zahlreiche Zwischenstufen zwischen Freiheit und Unfreiheit kennen.506 Die Suche nach dem entsprechenden wörtlichen Äquivalent zu den ingenuis deteriores in den römischrechtlichen Quellen bleibt zunächst vergeblich. Erst im Vergleich mit I. 1.3.5 wird deutlich, dass Derrer mit diesen möglicherweise das verbindet, was die Institutionen unter den libertini, den Freigelassenen, verstehen. Ein Rückgriff auf Derrers Äußerungen im Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus fördert letztendlich folgende Erklärung zutage: Den Freigeborenen gegenüber schlechter Gestellte sind die, die zwar einen unversehrten status innehaben, aber dennoch – mehr als es die conditio der Freigeborenen es zulässt – durch die Anordnung des Rechts bestimmten Personen unterworfen sind. Zu den den Freigeborenen gegenüber schlechter Gestellten zählen die Freigelassenen, die Ackerkolonen, die gebürtigen Kolonen sowie die Leibeigenen. Sofern kein Vertrag besteht, unterliegen jene nämlich von Rechts wegen gewissen Belastungen.507 505
Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 299. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 16, Rn. 18. 507 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 22, Abschnitt 10, S. 90: Ingenuis deteriores sunt, qui integrum statum habent. Sunt tamen, amplius, quam patiatur In506
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Damit fasst Derrer den Begriff der ingenuis deteriores offensichtlich weiter als das, was die römischen Quellen unter den libertini verstehen. Denn ausgehend von den Institutionen, die in ihrem Personenrecht an besagter Stelle lediglich die Freigeborenen sowie die Freigelassenen behandeln, systematisiert Derrer damit einen erheblich erweiterten Personenkreis, der personenrechtlich zwischen Freien und Sklaven steht. Das ergibt sich bereits aus der Bezeichnung deterior als ein rechtliches Weniger gegenüber den Freien, aber auch als ein rechtliches Mehr gegenüber den Sklaven, so dass die Annahme auf der Hand liegt, dass es sich bei diesen gewissermaßen um Halbfreie handelt. Aus der Unterteilung der ingenuis deteriores in Derrers Systemschema sowie aus seiner zitierten Erläuterung innerhalb des Darstellungsteils wird deutlich, dass er die liberti dabei an erster Stelle anführt. Auch wenn es sich lediglich um eine marginale Abweichung handelt, so fällt seine scheinbare Inkontinuität bei der Wiedergabe gleicher Fachausdrücke auf. Während die Bezeichnung im Systemschema liberti lautet, so lautet sie in der oben zitierten Passage libertini. Hinzu kommt, dass er auch innerhalb des Darstellungsteils zwischen beiden Begriffen variiert. Allerdings erfolgt die Abweichung in diesem Fall systembedingt. Die Bedeutung beider Termini ist im Grundsatz zwar dieselbe, jedoch wird unter libertinus ein Freigelassener in Bezug auf den hierdurch bedingten Rechtszustand verstanden,508 während der Begriff libertus speziell dann verwendet wird, wenn das Verhältnis zum früheren Schutzherrn in Rede steht.509 Derrer selbst hält diese feinsinnige Unterscheidung im Darstellungsteil des Liber primus konsequent ein und gebraucht beide Begriffe in jeweils korrektem Zusammenhang. In Titel 23 De Libertinis, & eorum obsequijs geht er sogar in Form einer direkten Gegenüberstellung eindrucksvoll auf beide Bedeutungsvarianten ein: Freigelassene [libertini!] sind die, die von echter Sklaverei befreit worden sind.510 Freigelassene [liberti!] sind den Freigeborenen gegenüber deswegen schlechter gestellt, weil das Patronatsrecht mit Gesetzeskraft eingeführt wurde. Außerdem wirkt es im Verhältnis zwischen Freilassern und Freigelassenen unvermindert und unbeschadet.511 genuorum conditio, iuris autoritate, quibusdam personis obstricti, & ij sunt Libertini, Ascriptitij, Originarij, homines proprij. Illos enim omneis, nullo interveniente contractu, onera quaedam iure constituta sequuntur. 508 Heumann/Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Libertinus, S. 315. 509 Heumann/Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Libertus, S. 315. 510 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 23, Abschnitt 1, S. 90: Libertini sunt, qui a vera servitute liberati sunt.
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Umso mehr erstaunt die Bezeichnung liberti ausgerechnet in der Systemdarstellung. Gerade an dieser Stelle wäre zur Kennzeichnung der Freigelassenen der Ausdruck libertini wesentlich mehr geboten gewesen. Immerhin sollte das System lediglich auf die Stellung der Freigeborenen innerhalb des Systemgefüges aufmerksam machen, ohne sofort auf die konkreten Rechtsfolgen und die damit zusammenhängenden Probleme einzugehen, die mit der Bezeichnung liberti juristisch tatsächlich präziser umrissen werden. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Derrer von Anfang an diesen – auch in den römischrechtlichen Quellen ungleich häufiger verwendeten – Terminus einzuführen beabsichtigte. Ein Versehen jedenfalls kann an dieser Stelle des Systemschemas wohl ausgeschlossen werden. Unabhängig von der Bezeichnung liberti oder libertini fällt bei Derrers Systematisierungstechnik auf, dass er diese nicht in direkter Gegenüberstellung zu den ingenui platziert, wie das der Gliederung innerhalb der Institutionen entspricht, sondern erst eine Ebene darunter im Rahmen der ingenuis deteriores. Dass er die Freigelassenen überhaupt auf gleiche Stufe mit den diversen Kolonengattungen stellt, lässt sich damit erklären, dass diese zwar rechtlich und faktisch aus der Sklaverei entlassen wurden, aber den Freigeborenen sozial und rechtlich dennoch nachgestellt sind und bis hin zur Zuchtgewalt dem Patronat jener unterworfen bleiben, die sie freigelassen haben;512 ein Status also, der sie den Kolonen ähnlich macht. Diese werden rechtlich scharf von den Sklaven unterschieden; ihrem Status zufolge gelten sie als Freie und oft werden sie als römische Bürger geführt. Doch de facto sind sie abhängige kleine Landpächter, die an die Scholle gebunden sind513 und zugleich als einer Art von Knechtschaft unterworfen gelten.514 Gerade darüber bildet Derrer in der Einleitung zu Titel 29 De Ascriptitiis, Censitis, Conditionalibus, atque Originariis Colonis sehr eindrucksvoll eine Brücke zu beiden Themenkomplexen: Nicht anders als bei den Freigelassenen bereits festgestellt, erscheint aus rechtlicher Sicht die conditio der Kolonen der den Freigeborenen gegenüber schlechter Gestellten gleich, so wie das bei den Ackerkolonen, Kopfsteuerkolonen, persönlich verpflichteten und gebürtigen Kolonen feststeht.515 511 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 23, Abschnitt 2, S. 90: Liberti sunt Ingenuis propterea deteriores, quod ius patronatus legum autoritate introductum, atque Patronis in Libertos integrum atque salvum sit. 512 Kaser, Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, S. 138. 513 Lehmann, Kolonat in der römischen Kaiserzeit, S. 25. 514 Kaser, Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, S. 147. 515 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Abschnitt 1, S. 105: Non aliter, quam de Libertinis dictum est, Colonorum conditio ex Iuris observatione deteriores Ingenuis facit homines, sicut in Ascriptitijs, Censitis, Conditionlibus, atque Originarijs liquido constat.
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Damit führt er in diesem Zusammenhang neben den liberti die adscriptitii, censiti, condictionales coloni, originarii sowie die homines proprii an. Bei den Genannten handelt es sich sämtlich um einen abhängigen Personenkreis, auch wenn Derrer etwa in Bezug auf den adscriptitius feststellt, dass dieser im Übrigen die conditio eines freien Menschen behält.516 Diese Aussage konnte allenfalls in der Theorie Gültigkeit beanspruchen. Denn auch wenn die Kolonen nicht im Eigentum des Grundbesitzers standen, so war dieser in seiner Funktion als dominus terrae dennoch ihr Herr.517 Dass Derrer innerhalb dieser Gruppe die adscriptitii an erster Stelle anführt, wird deren Bedeutung innerhalb der personenrechtlichen Gruppe der Kolonen durchaus gerecht. Auch in der justinianischen Gesetzgebung gilt etwa die Hälfte aller Fragen des Kolonats der Diskussion der rechtlichen Situation der adscriptitii.518 In den Institutionen selbst werden diese allerdings nicht erwähnt, wie der Kolonat dort insgesamt eine nur untergeordnete Rolle spielt und im personenrechtlichen Teil des ersten Buchs sogar nicht einmal behandelt wird. Unter den adscriptitii werden insgesamt jene Kolonen enumeriert, die zusammen mit dem Boden bzw. Acker, dem sie zugeschrieben sind, in die Zensuslisten eingetragen werden und mit diesem Boden steuerlich eine Einheit bilden.519 Rechtlich stehen sie den Sklaven nahe und unterliegen der körperlichen Züchtigung des Herrn. Diesem gehört auch ihr Vermögen.520 Auch Derrer selbst schildert im Darstellungsteil des Liber primus die adscriptitii in diesem Sinne: Der Ackerkolone ist freilich ein Kolone, der durch die Anordnung des Rechts als Teil jener Grundstücke, die er zu bebauen übernommen hat, so bestellt worden ist, dass er ohne das Grundstück und das Grundstück ohne ihn selbst weder unter Lebenden noch von Todes wegen veräußert oder auf irgendeine Art abgesondert werden kann.521
Sowohl die justinianische Gesetzgebung wie auch Derrers Wahl eines Schwerpunktes innerhalb des Darstellungsteils machen deutlich, dass der Begriff des adscriptitius gleichsam als Hauptbegriff für die Kolonen steht. Daraus resultiert die Frage, inwiefern Derrer diesen zusätzlich differenziert. Immerhin führt die Dominanz dieses Terminus bereits in der spätantiken Li516 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Abschnitt 6, S. 106: In reliquis, Liberi hominis conditionem obtinet. 517 Langhammer, „Kolonat, Kolone“, in: HRG II, Sp. 950. 518 Eibach, Untersuchungen zum spätantiken Kolonat, S. 163. 519 Langhammer, „Kolonat, Kolone“, in: HRG II, Sp. 949. 520 Kaser, Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, S. 145. 521 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Abschnitt 2, S. 105: Ascriptitius nempe Colonus est, qui praediorum illorum, quae colenda suscepit, Iuris autoritate pars atque portio sic factus est, ut absque praedio, & praedium absque ipso, vel inter vivos, vel mortis causa alienari, vel quoquo modo separari non possit.
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teratur und Gesetzgebung dazu, dass die übrigen zum Bereich des Kolonats gehörenden Termini deutlich seltener verwendet werden.522 Weshalb er dennoch nicht auf eine Aufschlüsselung weiterer Kolonenarten verzichtet, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass er beabsichtigt, entlang des Corpus Iuris Civilis alle Kolonentypen vollständig darzustellen, auch wenn er dabei die Nuancen nicht immer ganz deutlich herausarbeitet. Denn mit Ausnahme der adscriptitii beschränkt er sich bei den anderen Begriffen lediglich auf eine knappe Vorstellung derselben – offensichtlich, weil auch er die terminologische sowie materielle Dominanz der adscriptitii innerhalb der Zivilrechtsordnung nicht in Zweifel ziehen will. Immerhin ist bereits bei den kanonisch geprägten naturales illegitimi hinreichend zum Ausdruck gekommen, dass fachbezogene Termini im Einzelfall nur schwer zu differenzieren sind.523 Dem ist auch im Bereich des Kolonenrechts so, wie an den censiti ersichtlich wird, die den adscriptitii folgen, wenn Derrer die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten und lediglich marginalen Unterschiede betont: Nichts Anderes als das bisher über die Ackerkolonen Gesagte gilt auch für Kopfsteuerkolonen oder zur Steuer Eingetragene. Denn diese werden nach eingegangener Verpflichtung (wie das bereits bei den Ackerkolonen gesehen worden ist) zu einem Teil des Grundstücks. Dennoch schulden sie keinen Anteil der Früchte, sondern einen bestimmten Zensus. In Bezug auf die conditio der Person gilt aber das Gleiche wie bei den Ackerkolonen.524
Als condictionales coloni hingegen bezeichnet Derrer jene Kolonen, die sich verpflichten, 30 Jahre auf demselben Grundstück zu verbleiben. Demgegenüber zeigt sich bei den originarii seine mangelnde Bereitschaft zum Ausdifferenzieren, obschon er im Grundsatz detailreich systematisiert: Wer aber als Ackerkolone, Kopfsteuerkolone oder persönlich verpflichteter Kolone geboren wird, gehört zu den gebürtigen Kolonen und folgt auch gänzlich dem Stand der Eltern. Außerdem ist er an die gleichen Abgaben gebunden.525
Mit dieser Aussage zeigt Derrer, dass er die verschiedenen Arten der Kolonen offensichtlich unter dem Gesamtbegriff der originarii zusammenfasst, wenn diese bereits als solche geboren worden sind. Mag dem aus sachlicher 522
Eibach, Untersuchungen zum spätantiken Kolonat, S. 204. Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b)aa)(1)(b). 524 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Abschnitt 13, S. 108: Non aliter, quam hactenus de Ascriptitijs dictum est, constituuntur Coloni censiti, seu Censibus ascripti. Nam ij, praemissa obligatione, (ut de Ascriptitijs visum est) praedij quoque portio fiunt: non tamen quotam partem fructuum, sed certum aliquem censum persolvunt. At quatenus ad conditionem personae attinet, Ascriptitijs sunt pares. 525 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Abschnitt 17, S. 108 f.: Qui autem ex Ascriptitijs, Censitis, vel Colonis conditionalibus nascuntur, Originarij sunt, atque parentum conditionem omnino sequuntur: & ad aequalia onera astricti sunt. 523
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Sicht so sein – aus systematischer Perspektive hingegen ist dieses Vorgehen nicht stringent. Denn obwohl es hier darum geht, die diversen Kolonenarten darzulegen, rückt Derrer nun ein völlig anderes Kriterium in den Mittelpunkt der Diskussion: den Erwerb der Koloneneigenschaft als solche. Diese zu erlangen war auf vier verschiedenen Wegen möglich: durch Geburt, durch Verordnung, durch freiwillige Übereinkunft oder durch speziellen staatlichen Zwang, wobei der Erwerb durch Geburt der üblichste war.526 Daran lässt sich erkennen, dass Derrer falsch einordnet und überdies nur diese eine Möglichkeit erwähnt hat. Korrekterweise hätte er in einer neuen Anordnung die unterschiedlichen Arten des Erwerbs der Koloneneigenschaft deduzieren müssen, anstatt die originarii in inhaltlich divergentem Zusammenhang darzulegen. Allerdings konstatiert auch Eibach, dass die Rechtsstellung der originarii gerade in Bezug auf die kaiserliche Gesetzgebung nicht einheitlich war und deshalb durchaus Unterschiede bestehen konnten.527 Insofern könnte zu Derrers Gunsten eine solche Abweichung zwar ebenfalls angenommen werden, aber seine eindeutige Erläuterung der originarii innerhalb des Darstellungsteils in Titel 29 lässt keinen weiteren Bedeutungs- bzw. Beurteilungsspielraum zu. Dafür akzentuiert er zu stark die originäre Stellung der originarii von Geburt an. Letztendlich gilt aber für das gesamte Recht der Kolonen das, was Kaser zu der sehr pointierten Feststellung animiert hat: Die Rechtsstellung der Kolonen schillert.528 Die genauen Umstände des Kolonats und vor allem die Unterschiede einzelner Kolonentypen variieren nach Ort und Zeit, so dass eine genaue Differenzierung selbst anhand des Corpus Iuris Civilis kaum möglich ist. Genau diese Problematik wird auch bei der Bearbeitung durch Sebastian Derrer deutlich. Bei den innerhalb der ingenuis deteriores zuletzt angeführten homines proprii schließlich schlägt er, ähnlich wie bereits zum Verhältnis der liberti zu den coloni festgestellt, ordnungstechnisch neue Wege ein. Da aus dem Systemschema nicht direkt hervorgeht, was er unter den homines proprii versteht, muss im Rückgriff auf seinen Darstellungsteil versucht werden, diese terminologisch und inhaltlich von den liberti bzw. vor allem von den coloni abzugrenzen. Übersetzt man homines proprii mit Leibeigene, was durchaus naheliegend ist,529 so erscheint es bereits in sprachlicher Hinsicht widersprüchlich, diese aufbautechnisch in einem Atemzug mit den liberti zu nennen. Dennoch entspricht genau das Derrers Vorgehensweise, wenn er ausführt: 526 527 528 529
Clausing, Roman colonate, S. 26. Eibach, Untersuchungen zum spätantiken Kolonat, S. 216. Kaser, Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, S. 146. Henning, „Leibeigenschaft“, in: HRG II, Sp. 1762.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Zu den Menschen, die den Freigeborenen gegenüber schlechter Gestellte sind, können nicht unpassend Leibeigene gezählt werden, so wie jene in Deutschland allerorten gehalten werden. Denn ein einziges Gewohnheitsrecht begründet diese heutzutage und bindet sie gleichermaßen, mag auch ein vielfacher Unterschied in conditio, Belastungen und ebenso in Bezug auf die Verschiedenheit des Ortes bestehen. Es kann in unserem Recht leicht dargetan werden, dass sich dieses Gewohnheitsrecht gleichwohl auf die oben genannten Rechte stützt und aus diesen herrührt.530
Derrer belässt es bei dieser Erklärung und geht auf die homines proprii nicht näher ein. So ist es, gestützt ausschließlich auf das Systemschema des Iurisprudentiae Liber primus, nicht möglich, sie vor allem im Vergleich mit den übrigen ingenuis deteriores präziser zu charakterisieren. Dem Corpus Iuris Civilis sind die Begriffe des homo proprius und der homines proprii jedenfalls nicht geläufig. Lediglich beim Erwähnen der Sklaven ist dort immer wieder von servus proprius die Rede, doch um diese geht es Derrer hier erkennbar nicht. Vielmehr könnte er auch an dieser Stelle sehr anschaulich das in sein System eingearbeitet haben, was rechtsbezogen den konkreten Bedürfnissen der Zeit, also denen des ausgehenden Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit, entsprochen hat. Auf die vorliegende Problematik bezogen, steht auch bei Derrer die Leibeigenschaft als Ausfluss der antiken Abhängigkeitsverhältnisse531 in Rede. Allerdings ist diese kein spezifisches Institut des mittelalterlichen gelehrten Rechts, sondern sie wird von diesem allenfalls behandelt. Andermann nimmt sogar an, dass die Juristen der frühen Neuzeit das System der Leibeigenschaft im Eifer der Rezeption mittels römischrechtlicher Kategorien zu fassen versuchten und die Leibeigenschaft mit der antiken Sklaverei gleichsetzten.532 Dem ist in dieser Pauschalität jedenfalls entschieden zu widersprechen. Diese Sichtweise lässt sich auch mit einem Verweis Sebastian Derrers auf seinen Lehrer Ulrich Zasius exemplarisch widerlegen: Wie dem Quellenverweis zu entnehmen ist, den Derrer der Erläuterung der homines proprii innerhalb des Darstellungsteils im Liber primus beifügt,533 bezieht er sich dabei auf die Intellectus singulares von Zasius aus dem Jahr 1526. In diesem Werk, das Zasius 1532 in erweiterter Form als 530 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Abschnitt 18, S. 109: Hominibus, qui deteriores Ingenuis sunt, non inepte connumerari possunt homines proprij: quemadmodum illi per Germaniam passim habentur. Nam hos licet sub multiplici discrimine in conditione & oneribus, iuxta loci varietatem, hodie constituat stringatque unica consuetudo: Hanc tamen consuetudinem ex supra dictis iuribus niti & natam esse, in iure nostro facile potest afferi. 531 Henning, „Leibeigenschaft“, in: HRG II, Sp. 1762. 532 Andermann, Leibeigenschaft, S. 67. 533 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Glosse f, S. 109: Zazius in suis intellectib. in l. si non fortem. &. Libertus. ff. de con. indebiti.
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Intellectus iuris civilis singulares publiziert hat, stellt er den Studenten Interpretationen schwieriger Textstellen des römischen Rechts vor.534 Gleichzeitig enthält es als Resultat seiner ausgedehnten Lehrtätigkeit eine Zusammenfassung der in vielen Vorlesungen erprobten Kritik an der Jurisprudenz der Kommentatoren.535 Hinsichtlich des konkreten Rechtsbereichs der Leibeigenschaft handelt es sich um folgende Stelle innerhalb der Intellectus singulares, auf die Derrer verweist: Bis jetzt haben wir uns angesehen, welche Dienste, welche Leistungen überhaupt und wie viele Arten es davon gibt, durch die sie [die Freigelassenen] sich unterscheiden. Nun wird die ganze Problematik auf die Menschen bezogen, die gegenwärtig entweder den Sklaven oder den Freigelassenen ähnlich sind. Die einen nennen wir Leibeigene, die anderen Vasallen. Zwischen den Erstgenannten bestehen vielfältige Unterschiede, was ich bereits an anderer Stelle überaus ausführlich dargelegt habe. Wie viel dennoch auf die Gegenwart bezogen bereits gesagt worden ist, haben die Leibeigenen wenig mit den Sklaven gemein, sondern mehr mit den Freigelassenen.536
Diese Passage über die homines proprii, die Zasius im Rahmen der Leistungen der Freigelassenen anführt, zeigt zum einen, dass auch er nach klassischer, traditioneller Manier die Freigelassenen zu einem Thema seiner Arbeit macht. Andererseits wird offensichtlich, dass er sich, wie später auch Derrer, einer diffizilen Problematik stellt: Er behandelt zeitgenössische Rechtsinstitute gleichzeitig mit der überlieferten Rechtsmaterie und stellt so einen Zusammenhang zwischen den antik-römischen und den Rechtsverhältnissen des Heiligen Römischen Reiches her. Dabei setzt Zasius also gerade nicht, wie es Andermann den Juristen der frühen Neuzeit pauschal unterstellt, Sklaverei und Leibeigenschaft gleich. Wenn Zasius in einer Arbeit, die als Schwerpunkt komplizierte römischrechtliche Institute behandelt, von homines proprii und gar von vasalli spricht – einer klassischer Latinität nicht gerade verdächtigen Bezeichnung –, so ist dies Indiz genug, dass die frühe Neuzeit durchaus über Juristen verfügte, die sich um eine zutreffende Qualifizierung der alteingesessenen Rechtsinstitute vom Boden des römischen Rechts aus bemühten. Anschaulich prononciert wird dies bei Zasius zudem durch seine Feststellung, dass es in Deutschland zu keinem Zeitpunkt echte Sklaven gegeben 534
Burmeister, Ulrich Zasius, S. 117. Wolf, Ulrich Zasius, S. 42. 536 Zasius, Intellectus singulares, S. 33: Hactenus vidimus quae sint obsequia, quae operae, quot species, quid eis vicissim commune sit, in quibus differant: nunc tota ea res ad homines, qui nostro tempore vel servis, vel libertis accedunt, accommodanda veniet: Quorum duo sunt genera. Nonnulli homines proprij dicuntur, alios vasallos nominamus. Primi generis homines in multiplici sunt differentia, id quod alio loco extentius prosecutus sum. Quantum tamen ad praesentia satis est, homines proprij in paucis quibusdam cum servis participant, & plus ad libertos respiciunt. 535
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
habe,537 sowie mit der entsprechenden Verwendung temporaler Adverbien zur besseren Unterscheidung (hactenus für den Status quo ante im Gegensatz zu nunc bzw. nostro tempore für den Status quo). Im Gegensatz zu den Ausführungen von Zasius zeigt sich bei Derrer allerdings deutlich das Problem der Abgrenzung von Rechtsinstituten, die vor allem in zeitlicher Hinsicht signifikant differieren. Dies lässt sich anhand der hier zu behandelnden Fragestellung beispielhaft verdeutlichen. So behandelt Derrer das Sklavenrecht im Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus ausführlich und widmet diesem mehrere eigenständige Titel.538 Darüber hinaus kommt er auch in anderen Titeln immer wieder auf diese Thematik zurück. Die Tatsache, dass das römische Recht in Form des Corpus Iuris Civilis den Rang einer allgemeingültigen Quelle des Reichsrechts innehatte, brachte es mit sich, dass selbst längst obsolete Rechtsinstitute – wie etwa das Sklavenrecht und damit einhergehend die Freilassung – grundsätzlich noch immer (subsidiär) geltendem Recht entsprachen, mögen inzwischen auch Verzeichnisse mit als überholt erachteten Instituten zur Verfügung gestanden haben. Immerhin ergibt sich aus Derrers Verweis im Iurisprudentiae Liber primus ein direkter Bezug zu der Erläuterung der homines proprii in den Intellectus singulares von Ulrich Zasius, mit der er offensichtlich übereinstimmt. Darauf lässt nicht zuletzt seine Randglosse schließen. Im Rückgriff auf Zasius’ Darstellung der homines proprii ist zu folgern, dass er die Leibeigenen den Freigelassenen aus juristischer Perspektive wesentlich näher sieht als den Sklaven. Ihm ist dabei unter dem Aspekt beizupflichten, dass Leibeigene in der Tat ähnlich den Freigelassenen zumindest eingeschränkt über Eigentum verfügen durften.539 Im Vordergrund steht die persönliche Abhängigkeit von der Herrschaft eines Anderen,540 was in – allerdings deutlich – abgeschwächter Form durchaus Parallelen zum Verhältnis zwischen Patron und Freigelassenem aufweist. In diesem Verhältnis hat der Freigelassene vertraglich zugesicherte Dienste zu leisten und im Gegenzug der Patron ihm als Schutzherr zur Seite zu stehen. Deutlich zu erkennen ist die Übernahme dieser Ansicht durch Derrer. Im Gegensatz zu Zasius betont er allerdings nicht direkt die Annäherung der homines proprii an die liberti, sondern leitet deren Herkunft aus den oben genannten Rechten541 ab. Da er dabei nicht näher auf diese ge537
Zasius, Intellectus singulares, S. 33: Germania veros servos numquam habuit. Titel 10 De Servili Conditione, Titel 11 Quibus Modis Servi a Potestate Dominorum liberentur, Titel 12 De Manumißione Servorum. 539 Henning, „Leibeigenschaft“, in: HRG II, Sp. 1766, 1761. 540 Goetz, „Leibeigenschaft“, in: LexMA V, Sp. 1845. 541 Vgl. Fn. 530. 538
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nannten Rechte eingeht, muss es bei der Annahme bleiben, dass er die im gliederungstechnisch und inhaltlich gleichen Zusammenhang behandelten Freigelassenen meint – im Ergebnis also wie Zasius. Dafür spricht vor allem seine Einordnung sowohl der liberti als auch der homines proprii im Rahmen der personae conditio unter dem Oberbegriff der ingenuis deteriores, während er die Sklaven in völlig anderem Zusammenhang innerhalb des personae status behandelt. Ganz unabhängig davon nimmt Derrer die dogmatische Einordnung der Leibeigenschaft als solche in den Bereich des Gewohnheitsrechts rechtsquellentechnisch anschaulich vor. Da in den römischrechtlichen Quellen der Typus der Leibeigenen nicht vorhanden ist und sonstiges einschlägiges Reichsrecht nicht zur Verfügung stand, sah sich Derrer offensichtlich auf Grund des zeitgenössischen Bezugs dazu veranlasst, die Leibeigenen im Bereich des Gewohnheitsrechts zu verorten, was rechtsmethodisch durchaus einleuchtet. Im ungelehrten Recht war diese Verortung der Leibeigenen etwa auch für den Sachsenspiegel in Ldr. 3, 42 § 3 charakteristisch. Darüber hinaus zeigt sich an dieser Stelle exemplarisch, wie eindrucksvoll Sebastian Derrer die beiden großen Bereiche seiner Systematik verknüpft: den des ius-Bereichs als allgemeiner Teil mit dem besonderen Teil des iurisobiectum-Bereichs. Denn was er im ius-Bereich theoretisch-abstrakt als Gewohnheitsrecht näherbringt, vermittelt er im iuris-obiectum-Bereich mit der Darstellung der homines proprii praktisch und konkret. Derrers einzige Schwierigkeit besteht dabei allerdings darin, dass er diese Verknüpfung in seinem Systemschema grafisch nicht sichtbar machen kann. Denn die von ihm verwendete Darstellungsmethode eignet sich nicht dafür, die homines proprii aus der consuetudo herzuleiten, da diese selbst bereits im Bereich des ius abstrakt dargelegt worden ist und nicht erneut angeführt werden darf, während die homines proprii einerseits dogmatisch zwar der consuetudo entlehnt sind, andererseits aber im Rahmen der personae conditio materiellrechtlich den ingenuis deteriores zugehören. Nicht nur ein Mal sieht sich Derrer in seinem Systemschema mit dieser Problematik konfrontiert. Allerdings gilt auch an dieser Stelle, dass er fernab grafischer Überlegungen in der Sache selbst durchaus zutreffend argumentiert hat. (3) Personae defensio Der dritte und letzte Hauptbereich innerhalb der Trias des Derrerschen Personenrechts, der systematisch auf gleicher Stufe zum personae status sowie zur personae conditio steht, betrifft die personae defensio, also die rechtliche Vertretung einer Person. Im Unterschied zur Überleitung vom personae status zur personae conditio, bei der Derrer expressis verbis von
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
einer juristischen Reihenfolge542 spricht, nach der er ordnungstechnisch vorgegangen sei, leitet er den Bereich der Personenvertretung innerhalb des Darstellungsteils ohne eine direkte Verknüpfung zu den beiden anderen Elementen ein. Bemerkenswert dabei ist, dass die Überleitung auf bereits sehr ins Detail gehender Grundlage noch im 29. Titel erfolgt, der sich im Rahmen der personae conditio bekanntlich mit den verschiedenen Kolonenarten beschäftigt und nicht, wie anzunehmen gewesen wäre, in Titel 30, der als erster Titel das Recht der Personenvertretung behandelt: Häufig kommt es vor, dass die Menschen, mögen sie noch so gewaltfrei sein, dennoch auf Grund ihres Alters, einer Krankheit oder aus anderen Gründen ihren Angelegenheiten und Aufgaben bei weitem nicht gerecht werden und diesen nicht gewachsen sind. Und deswegen ist im Rahmen des Personenrechts jenseits dessen, was bereits über status und conditio gesagt worden ist, ein weiteres Kapitel zu behandeln und zwar in Bezug auf die Vertretung einer Person sowie deren Vermögenserhaltung. Und diese Vertretung einer Person wird dann in der Erhaltung ihres Vermögens zum Teil als Vormundschaft, zum Teil als Pflegschaft behandelt. Demnach wird man sich einig sein, dass zuerst die Vormundschaft in Form einer Begriffsbestimmung erörtert wird.543
Derrer deutet somit auch im Darstellungsteil an, was sich bereits seinem Systemschema entnehmen lässt: dass er die personenrechtliche Vertretung zumindest systemtechnisch gleichwertig zum personae status sowie zur personae conditio ansieht, auch wenn er sie inhaltlich nicht unmittelbar materiell herleitet, wie er das für die beiden anderen Hauptbereiche der persona ausführt.544 Immerhin wird bereits aus dieser Einleitung klar, womit sich der Leser in den folgenden Titeln auseinanderzusetzen hat. Es sind dies die großen Bereiche der tutela, der Vormundschaft, sowie der cura, der Pflegschaft. Wie bereits in anderem Zusammenhang festgestellt, kritisiert Affolter auch den personae-defensio-Bereich der Derrerschen Systematik ungewöhnlich heftig; er unterstellt Derrer in diesem Bereich sinngemäß gar ein fehlendes Verständnis des Institutionensystems: Ganz verfehlt ist seine Auffassung der Tutel und Cura. Beide werden im I.-S. nur von dem Gesichtspunkte aus dargestellt, daß sie die bildenden Faktoren zu eigenartigen personalen Rven darstellen; dagegen kommt der Gesichtspunkt der defensio gar nicht in Betracht.545 542
Vgl. Fn. 499. Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 29, Abschnitt 19 f., S. 109: Accidit plerumque, ut homines quantumvis sui iuris sint, ob aetatem tamen, infirmitatem, vel alias causas ad res suas administrandas, gerendasque minime sufficiant, neque admittantur. Quapropter, ultra haec, quae de statu & conditione dicta sunt, restat aliud caput de iure Personarum absolvendum: nempe de his, quae ad personae defensionem, atque bonorum earundem conservationem attinent. Et haec Personae defensio, tum substantiae conservatione, partim tutela, partim cura absolvitur. Itaque Tutelam principe loco, & a definitione tractari conveniet. 544 Vgl. Fn. 499. 543
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Aus dem Systembereich der personae defensio lässt sich indes nicht erkennen, dass Derrer die personenrechtliche Vertretung tatsächlich falsch verstanden haben könnte. Allerdings wird zu diskutieren sein, dass Derrer seine Einteilung von status, conditio und defensio auf dieselbe und damit im Grundsatz gleichwertige Ebene vornimmt. Dennoch fehlt es dem Vorwurf an Substanz, Derrer vertrete im Bereich der defensio eine völlig verfehlte Auffassung. Affolter selbst ist es, der in seiner Ausführung unklar und undeutlich bleibt, wenn er von bildenden Faktoren zu eigenartigen personalen Rechtsverhältnissen spricht. Dem Leser bleibt vor allem verborgen, was er mit seinem Adjektiv eigenartig zum Ausdruck bringen will. Bereits Derrers Bezeichnung defensio scheint Affolter im Grundsatz in Frage stellen zu wollen; nimmt er doch Anstoß daran, dass der Begriff jedenfalls an dieser Stelle nicht in Betracht kommen könne, ohne jedoch seine These zu begründen. Möglicherweise wendet sich Affolter mit seiner Kritik zunächst gegen die – systematisch in der Tat nicht vergleichbaren – Rechtsbereiche personae status – conditio auf der einen sowie personae defensio auf der anderen Seite, die in Derrers System allesamt auf ein und derselben Stufe stehen. Immerhin ist zu beachten, dass es sich bei den beiden erstgenannten Einteilungen um eine gesellschaftsbedingte Stellung, um den status bzw. die von Derrer so bezeichnete conditio einer Person handelt, bei der dritten Einteilung hingegen um ein Rechtsinstitut als solches, nämlich das der personenrechtlichen Vertretung. Insofern erscheint bereits die gewählte grafische Darstellung als solche etwas problematisch. Dass dieses Vorgehen auch materiell Widersprüchlichkeiten mit sich bringt, muss Derrer bewusst gewesen sein. Schließlich lässt innerhalb des Darstellungsteils seine Definition des wichtigsten Bereichs der personae defensio, der tutela, auf ein ganz klassisches Verständnis derselben schließen, wonach es sich bei der Vormundschaft hingegen (wie Servius sie bestimmt) um die vom Zivilrecht gegebene Macht und Möglichkeit handelt, einen freien Menschen zu beschützen, der sich wegen seines Alters nicht vertreten kann.546
Offensichtlich erkennt auch Derrer, dass lediglich gewaltfreie Personen – also solche, die sui iuris sind – unter eine Vormundschaft fallen können. Auf dieses Thema geht er schließlich sogar mit Nachdruck ein, wenn er betont: Bei den Vormundschaften sind folglich hauptsächlich das Alter und die conditio zu betrachten; freilich, sofern der Mensch frei und wegen seines Alters noch unmündig ist.547 Demnach wäre die tutela bzw. das ganze 545
Affolter, Institutionen-System, S. 96. Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 30, Abschnitt 1, S. 110: Est autem Tutela, (ut Servius definit) vis atque potestas in capite Libero, ad tuendum eum, qui propter aetatem se defendere nequit, iure civili introducta & permissa. 546
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
von Derrer beschriebene Rechtsgebiet der personae defensio gliederungsspezifisch dem personae status hinzuzurechnen gewesen, anstatt sie im Wege einer neuen, dritten Säule abstrakt unter der Bezeichnung personae defensio zu erörtern. Aus diesem Grund kann zwischen der ersten und der dritten Säule kein Verhältnis der Nebenordnung bestehen, wie das aus Derrers Systemschema eindeutig hervorgeht, sondern nur ein Subordinationsverhältnis innerhalb der ersten Säule des personae status. Was bereits als gliederungstechnisches Problem im Bereich der personae conditio zu erkennen war,548 lässt sich somit auch auf den vorliegenden Bereich der personae defensio übertragen: die Problematik der Gliederung des gesamten Rechts aus einem Stück. Im Vergleich zu den Institutionen, die auch im Bereich der personenrechtlichen Vertretung das Vormundschaftsrecht wohldurchdacht als alia divisio549 einleiten, steht dieser Bereich bei Derrer den beiden anderen Säulen systematisch als gleichwertig gegenüber. Möglicherweise war gerade dieses Vorgehen der Grund für Affolters überaus heftige Kritik daran, wie Derrer die personae defensio eingeordnet hat. Andererseits könnte bei einer Systeminkonsequenz wie der vorliegenden zugunsten von Derrers Vorgehensweise sprechen, dass er im Einzelfall dennoch pragmatisch-sachlichen Erwägungen und damit den Bedürfnissen nach einer gewissen Übersichtlichkeit den Vorrang einräumen wollte. So wäre an dieser Stelle etwa zu bedenken, ob sein System nicht wesentlich unübersichtlicher geworden wäre, hätte er den höchst relevanten Bereich der personae defensio – materiellrechtlich durchaus zutreffend – als Unterpunkt dem personae status zugeordnet. Möglicherweise wollte er somit gewissen Rechtskomplexen, die zwar im Zusammenhang zu erlernen waren, dennoch eine gewisse Systemeigenständigkeit geben und somit deren Bedeutung nachdrücklich unterstreichen. Unabhängig davon könnte sich Affolter aber auch über den scheinbaren Missbrauch des Derrerschen Terminus defensio selbst echauffiert haben. So bedeutet defensio nach ganz klassischer Auffassung Verteidigung bzw. Vertretung eines anderen vor Gericht.550 Erst in zweiter Linie liegt ein Gebrauch dieses Begriffs im Zusammenhang mit einer personenrechtlichen Vertretung auf Grund von tutela oder cura auf der Hand – dann aber als allgemeine Vertretung und eben nicht nur als Prozessvertretung. Da das ge547 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 30, Abschnitt 2, S. 110: In Tutelis igitur potissimum aetas & conditio sunt spectanda: nempe ut homo sit Liber, & aetatis impuberis. 548 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b)aa)(2). 549 I. 1.13.pr. 550 Heumann/Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Defensio, S. 127.
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lehrte Recht für das Ausüben beider Vertretungsarten spezielle Fachtermini kennt – tutor für den Vormund, curator für den Pfleger –, ein gemeinsamer Oberbegriff in den Quellen aber nicht existiert, sah sich Derrer offensichtlich veranlasst, für seine Systematisierung einen übergreifenden Terminus zu finden, den er offensichtlich in der Bezeichnung defensio als am ehesten geeignet empfunden hat. Darüber hinaus existiert innerhalb der Institutionen eine einzige Stelle, aus der die von Derrer gewählte Bezeichnung defensio wenigstens ansatzweise hervorgehen könnte: In I. 1.13.2 wird im Rahmen der Vormundschaft der Begriff Vormund erläutert und als Beschützer, tuitor bzw. tutor, sowie Verteidiger, defensor, bezeichnet. Dass Derrer hierbei nicht auf den Oberbegriff der tutela zur Bezeichnung seiner dritten personenrechtlichen Säule zurückgreifen konnte, liegt auf der Hand. Schließlich schien ihm in diesem Zusammenhang der Begriff der defensio offensichtlich zweckmäßiger zu sein, wird dieser als Oberbegriff doch am ehesten sowohl der tutela als auch der cura gerecht, auch wenn er in I. 1.13.2 nur auf die tutela bezogen wird. Andere Bezeichnungen für diesen Bereich der Vertretung wären auch schwerlich zu finden gewesen oder inhaltlich von vornherein nicht in Frage gekommen, etwa vicarius oder auctor. Allenfalls der Terminus des patronus im Sinne einer Schutz gewährenden Person für den zu Bevormundenden bzw. zu Pflegenden hätte sich an dieser Stelle annähernd angeboten. Im Hinblick auf die eindeutige Belegung dieses Begriffs für die personenrechtlich gerade relevanten liberti musste Derrer aber auch von dieser Bezeichnung Abstand nehmen. Insofern boten sich ihm terminologisch tatsächlich kaum Alternativen. Möglicherweise lieferte deshalb die Entscheidung für den Terminus defensio Affolter Grund zur Annahme, der Freiburger Professor liege im Bereich der personenrechtlichen Vertretung völlig falsch. Weitere Deutungsalternativen erschließen sich aus seiner Kritik a priori jedenfalls nicht, wie im Übrigen auch die sonstigen Ausführungen Affolters über den Iurisprudentiae Liber primus in der Wissenschaft weder rezipiert noch erörtert worden sind. (a) Tutela Obwohl Derrer wie selbstverständlich erklärt, dass mit der Vormundschaft zu beginnen sei, begründet er sein Vorgehen dennoch nicht. Die Reihenfolge, mit der er die Vormundschaft behandelt und dabei Schwerpunkte setzt, ergibt sich aber aus deren allgemeineren Anwendung gegenüber der Pflegschaft, der eher ein Ausnahmecharakter anhaftet.551 Die Einteilung, 551
Kaser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 90.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
die Derrer innerhalb der Vormundschaft vornimmt, bezieht sich nicht auf die jeweilige Zielgruppe der zu Bevormundenden, sondern orientiert sich an den Entstehungsgründen einer Vormundschaft. Nach ganz klassischer Einteilung fallen darunter die tutela testamentaria, legitima sowie dativa, also die testamentarische, die gesetzliche sowie die behördliche Vormundschaft. An exakt diese Reihenfolge hält sich auch Derrer in seinem Systemschema. Damit lässt sich erneut belegen, dass er sein System nicht nur aus Elementen der Institutionen aufbaut, wie das für ein zivilrechtliches Anfängerwerk zunächst anzunehmen wäre, sondern darüber hinaus auch Rechtsinstitute der Digesten bzw. des Kodex einarbeitet. So differenzieren die Institutionen noch nicht exakt zwischen diesen drei Vormundschaftsarten, sondern behandeln das Vormundschaftsrecht insgesamt eher allgemein und mit dem Ziel einer auf den Anfänger zugeschnittenen Vermittlung. (b) Cura Ausdifferenzierter behandelt Derrer in seinem Schema dagegen die cura, die Pflegschaft über Personen, die in aller Regel durch ihren Geisteszustand nicht zur Vermögensbesorgung in der Lage sind. In äußerer Hinsicht überrascht das Größenverhältnis von tutela und cura im Vergleich zum Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus, in dem er zur Darstellung der tutela insgesamt 21 Titel verwendet (Titel 30 bis 50), zur Darstellung der cura hingegen lediglich einen einzigen (Titel 51). Anhand der cura kann allerdings auch eindrucksvoll, ja beispielhaft nachvollzogen werden, wie sich Derrer anhand eines einzigen Institutionentitels, des 23. des ersten Buchs (De curatoribus), vorarbeitet. An erster Stelle zählt er zu den vom Kurator zu pflegenden Personen die minores. In Anlehnung an I. 1.23.pr. dürfte die Pflegschaft über Minderjährige in der Tat der am häufigsten praktizierte Fall der cura gewesen sein.552 Ebenfalls relevant war die cura prodigi, die Pflegschaft für den Verschwender, sowie für den furiosus, den Geisteskranken, die Derrer anders als in I. 1.23.3 in umgekehrter Reihenfolge aufzählt. Allerdings präzisiert er in einigen Bereichen einzelne Begriffe nicht. So zählt er wie die Institutionen in I. 1.23.4 als nächsten Gliederungspunkt die mente capti, die Geistesgestörten, auf. Doch im Darstellungsteil geht er nicht darauf ein, worin Unterschiede beispielsweise zu den furiosi bestehen, 552 Der Unterschied zwischen der tutela und der cura minoris besteht darin, dass der Vormund durch seinen Beitritt (auctoritas) die unvollkommene Handlungsfähigkeit des Minderjährigen ergänzt, während bei der cura minoris nur von einer Zustimmung (consensus) des Pflegers zu selbstständig vorgenommenen Handlungen des Minderjährigen die Rede ist. Im Einzelnen sind die Übergänge jedoch zum Teil fließend.
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obwohl er auch dort mehrfach beide Termini in direktem Zusammenhang erörtert, so als ob die Unterschiede zwischen beiden Begriffen von vornherein evident wären. Gerade in diesem Bereich seines Systems übernimmt er deutlich vorgegebene und vorgefertigte Quellenstrukturen, was ansonsten keineswegs zu seinem eigensystematischen Vorgehen passt. Es ist dies innerhalb des gesamten Systemschemas der umfangreichste Bereich derselben Ebene, der von ihm im Grundsatz unverändert aus den Institutionen übernommen und eingearbeitet worden ist. Dass es sich überdies um einen verhältnismäßig überschaubaren Institutionentitel handelt, verdeutlicht diese Feststellung umso mehr. Im Bereich der cura erscheint es allerdings äußerst kurios, dass Derrer innerhalb seines Systemschemas als letzten Gliederungspunkt des von der Pflegschaft umfassten Personenkreises die cura mulieris aufzählt. Diese Art der cura fügt sich an dieser Stelle inhaltlich in keiner Weise in das vorhandene System ein und stellt in der Tat Derrers Verständnis der personenrechtlichen Vertretung in Frage. Möglicherweise ist er dabei einem inhaltlichen Missverständnis zum Opfer gefallen. So könnte er aus der tutela mulieris, nach der eine Frau noch nach klassischem Recht unter Geschlechtsvormundschaft stehen konnte,553 geschlossen haben, dass es dementsprechend auch eine cura mulieris geben müsse. Dabei musste ihm indes klar sein, dass die tutela mulieris im justinianischen Recht gar keinen Bestand mehr hatte, nachdem sie bereits unter Konstantin bzw. von Diokletian eliminiert worden war.554 Für dieses Bewusstsein spricht die Tatsache, dass er im gesamten Darstellungsteil über die tutela an keiner Stelle auf die besondere tutela mulieris eingeht; möglicherweise doch in Kenntnis davon, dass deren Rechtsverbindlichkeit nicht mehr gegeben war. Wenn dem so gewesen sein sollte, dann hätte er konsequenterweise aber auch andere, ebenfalls nicht mehr bestehende oder zeitgemäße Rechtsinstitute innerhalb der cura aufzählen müssen, so etwa die Pflegschaft für den Abwesenden (cura absentis) oder die Pflegschaft für die Leibesfrucht (cura ventris).555 Ansonsten bleibt sein System entweder unvollständig oder widersprüchlich. Dass Derrer innerhalb des Darstellungsteils in Titel 51 die cura mulieris noch nicht einmal erwähnt, belegt deutlich, dass er sich diese Art von Pflegschaft wohl selbst nicht erklären konnte. Im Zusammenhang mit der cura allgemein geht er innerhalb des Darstellungsteils lediglich darauf ein, dass der Frau, die ausschweifend gelebt hat, bonis interdici potest.556 Doch 553
Sohm/Mitteis, Institutionen des römischen Privatrechts, S. 539. Kaser, Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, S. 222. 555 Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, S. 77, 113. 556 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 51, Abschnitt 17, S. 174: Mulieri, quae luxuriose vivit, bonis interdici potest. 554
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dann hätte er einen solchen Fall bereits unter die cura prodigi subsumieren müssen – ohne spezifischen Bezug zu einer eventuellen cura mulieris. Wie bereits im Rahmen der cura mente capti festgestellt, so verfährt Derrer in seinem System auch bei der cura mulieris etwas undeutlich. (4) Zwischenergebnis zu Kapitel aa) Die Konstruktion der personenrechtlichen Trichotomie personae status, conditio sowie defensio, die Derrer präsentiert, kann nur auf der systemisch bedingten Vorgabe beruhen, ein ohne Unterbrechungen fortlaufendes Schema zu formen. Denn nur diese Vorgehensweise ermöglicht es ihm, die Begriffspaare alieni iuris – sui iuris, ingenui – ingenuis deteriores sowie tutela – cura in einem Zusammenhang und vor allem in einem durchgehenden Grundriss präsentieren zu können. Nur aus diesem Grund hat Derrer vermutlich die drei Säulen des Personenrechts überhaupt konzeptualisiert. Weshalb und mit welchem Sinn sollte etwa das Rechtsinstitut der tutela aus dem personae-defensio-Bereich und die Personengruppe der ingenui aus dem personae-conditio-Bereich in ein und demselben Schema zusammenhängen? Insofern kann sich auch die Einschätzung von Petrus Petremandus, nach der status, conditio und defensio einer Person getrennt werden müssen,557 nur darauf beziehen, dass Derrer deswegen auf einer Konstituierung dieser drei personenrechtlichen Bereiche beharren musste, weil sich ansonsten andere Möglichkeiten, alle Gliederungspunkte in ein und dasselbe kohärierende System einzufügen, nur schwerlich ergeben hätten. bb) Res, Commercium und Persecutio Während Sebastian Derrer im Iurisprudentiae Liber primus den Bereich des Personenrechts innerhalb seines Systemschemas genau auf die in Band I darzustellende Thematik beschränkt, erwähnt er konsequenterweise die auf einer Stufe zur persona stehenden Rechtsbereiche res, commercium sowie persecutio nur am Rande. Offensichtlich wollte er so lediglich der Vollständigkeit halber einen Überblick über die weiteren zu bearbeitenden Rechtsgebiete geben. Da diese ohne Rückgriff auf das Gesamtsystem des Typus Iurisprudentiae nicht analysiert werden können, werden sie erst im Rahmen der Untersuchung des Typus Iurisprudentiae in Kapitel E dargestellt.
557
Vgl. Fn. 451.
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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4. Vorgehen nach der so genannten dihairetischen Methode Im Hinblick auf die systematische Vorgehensweise Sebastian Derrers ist der Fokus im Folgenden auf die Methode zu richten, auf der sein System fußt. Die nach Ordnung und System strebenden Humanistenjuristen legten ihrer Systematik meist die so genannte dihairetische Methode zu Grunde,558 mit der sie die Begriffe einteilten;559 sie zählt zum Grundinstrumentarium platonischer Dialektik.560 Platon empfand dieses Verfahren als vollkommene Deduktion, um den Inhalt eines bestimmten Wissensgebiets aus dem allgemeinsten Begriff durch fortgesetztes Teilen ableiten zu können.561 Die dihairetische Methode ist somit das Gegenstück zum Zusammenführen mehrerer spezieller Begriffe unter einen ihn umfassenden allgemeineren Begriff und zur stufenweisen hypothetischen Zurückführung der spezielleren unter immer allgemeinere Begriffe.562 Bereits Cicero hat die Juristen in seiner Schrift Topica davon zu überzeugen versucht, dass die dihairetische Methode für die Jurisprudenz von Nutzen sei.563 Im 16. Jahrhundert ging die Rechtswissenschaft dann übernational nach dieser Methode vor. a) Vorüberlegungen Das wesentliche Merkmal der dihairetischen Methode besteht darin, dass sie Ableitungen zum Ausdruck bringt, mit denen sich eine Gattung in ihre Arten oder ein allgemeinerer Begriff in immer speziellere Begriffe zergliedert. Dabei darf aber nicht willkürlich unterschieden werden. Vielmehr gilt es, die in ihnen selbst liegenden natürlichen Gliederungen der Gattungsbegriffe bis hin zum untersten, nicht weiter teilbaren Artbegriff zu ermitteln.564 Unterschieden wird zwischen der divisio, die eine Gattung in ihre Arten teilt, und der partitio, die ein Ganzes in seine Teile teilt.565 Dabei dürfen die jeweiligen Mittelglieder nicht übersprungen werden, weil diese die niedrigeren Arten mit den höheren verbinden.566 558
Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 29. Burkard, „Dihairesis“, in: Metzler Philosophie Lexikon, S. 115. 560 Westermann, „dihairesis“, in: Wörterbuch der antiken Philosophie, S. 561 Schenk, Geschichte der logischen Form, S. 89. 562 Hager, „Dihairesis“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Sp. 242. 563 Nörr, Divisio und Partitio, S. 20. 564 Hager, „Dihairesis“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Sp. 242. 565 Nörr, Divisio und Partitio, S. 21. 566 Hager, „Dihairesis“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Sp. 242. 559
110. Band 2,
Band 2,
Band 2,
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Das methodische Vorgehen im Wege der Dihairese verfolgt zum einen inhaltlich den Zweck, das Was ist was einer Sache zu definieren, die zwar dem Namen nach bekannt, aber nicht erklärt ist.567 Zum anderen gilt es, den ganzen von einem obersten Gattungsbegriff umfassten Bereich im Wege einer vollständigen und methodischen Aufzählung der Arten und Unterarten begrifflich auszumessen und die unterste unteilbare Art wesensmäßig zu bestimmen.568 Der Vorteil der dihairetischen Methode besteht vor allem darin, demjenigen ein Wissensgebiet anschaulich zu vermitteln, der sich mit dieser Materie bis dahin noch nicht intensiv beschäftigt hat. Schröder etwa führt die Anwendung der Dihairese anschaulich vor Augen, wenn er ausführt, dass man dem (noch) Unkundigen zunächst erklärt, was Recht überhaupt ist und man ihm in einem nächsten Schritt die wichtigsten Teilgebiete dessen nennt und weiter erklärt mit dem Ziel, den Lernenden so vom Bekannten zum Unbekannten zu führen.569 Bereits der Jurist und erste deutsche Humanist570 Rudolf Agricola beschreibt in seinem 1515 erschienen Werk De inventione dialectica das dihairetische Vorgehen so: Dann sind die Einzelgegenstände in der von uns gewählten Reihenfolge zu behandeln, und zwar so, dass gesagt wird, was ihre Substanz ist – was vermittels einer definitio geschieht, vorausgesetzt allerdings, dass der Gegenstand so geartet ist, dass er definiert werden muss (manchmal nämlich sind sie zu bekannt, als dass sie dieser Vorsorge bedürften). Sodann wird auszuführen sein, welches die Teile des Gegenstandes sind, falls das Wesen der Gegenstände so ist, dass sie in irgendwelche Teile zerlegt werden können. Hierauf wird man angeben, was dem Wesen eines jeden eigentümlich anhaftet, das heißt jene Kraft, durch die er zu handeln und etwas zu erleiden vermag, und auch ebendieses selbst, was er tut und erleidet, und was sich sonst noch bei der Substanz des Gegenstandes befindet.571
Die Humanistenjuristen haben die dihairetische Methode vor allem aus didaktischen Gründen angewendet, um dem Anfänger das Erlernen des riesigen Rechtsstoffs zu erleichtern.572 Hierzu schreibt wiederum Agricola: 567
Westermann, „dihairesis“, in: Wörterbuch der antiken Philosophie, S. 110 f. Hager, „Dihairesis“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, Sp. 242 f. 569 Schröder, Philosophie und Rechtswissenschaft, S. 123. 570 Schmidt-Biggemann, Topica universalis, S. 3. 571 Agricola, Inventio dialectica, ed. Mundt, S. 498: Singula ergo, ut primum quodque sumimus, sic erunt deinde tractanda: ut dicatur, quae sit substantia eorum, quod definiendo fit, si tamen eiusmodi res sit, ut sit definienda (notiores enim sunt nonnunquam, quam ut hac indigeant cura). Tum quae partes sint rei, dicendum, si sint ea natura, ut possint aliquae earum fieri partes. Hinc ea, quae proprie naturae cuiusque adiacent, dicentur, hoc est, vis illa, qua agit et patitur, et ea ipsa, quae agit quaeque patitur, et quae reliqua substantiam rei circunstant. 572 Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 34 f. 568
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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Da es nun aber das Ziel eines jeden Lehrenden ist, aus der Betrachtung gut bekannter Gegenstände Aufschluss über die weniger bekannten zu gewinnen (dies ist das einzige System, nach dem wir lernen) und durch den Vergleich dieser und anderer Gegenstände mit wiederum anderen ein bestimmtes unverrückbares Maß an Glaubwürdigkeit hinsichtlich jener Gegenstände zu erzeugen.573 . . . [Zunächst soll man ausgehen] von gattungsbezogenen Aspekten, da sie ja die bekannteren sind. Und diese species werden vielleicht selbst wiederum (falls sie einen so weiten Bereich umfassen) zu genera werden und in andere species aufgespalten werden müssen.574
Mit noch deutlich mehr Breitenwirkung als Agricola propagiert später der Pariser Logiker Petrus Ramus die dihairetische Methode. Er war gar der Ansicht, dass nur diese einzige, weil in jedem Fall anwendbare Logik existiere.575 Er erklärt 1555 in seiner von ihm ständig bearbeiteten und weiterentwickelten Dialectique, dem wohl einflussreichsten Lehrbuch des 16. Jahrhunderts,576 eine richtige Ordnung bzw. Methode sei nur die, in der das Bekannteste an die erste Stelle gesetzt wird, das zweite an die zweite, das dritte an die dritte und so immer weiter.577 Aus diesem Grund ist für Ramus die Logik der Dihairese in Form der Aufgliederung des Zentralbegriffs einer Disziplin in Gattungen und Arten bzw. Teile allein die richtige Methode für alle Wissenschaften und lehrhaften Künste.578 Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war die ramistische Idee auch in Deutschland weit verbreitet. Einflussreiches Beispiel hier sind etwa die 1617 erschienenen Dicaeologicae Libri Tres von Johannes Althusius.579 Neben Agricola, Ramus und Althusius gab es durchaus noch weitere bedeutende Verfechter der juristischen Dihairese, so etwa Konrad Lagus, Johann Thomas Freigius, Franciscus Connanus sowie Nicolaus Vigelius. Allerdings hatte die dihairetische Methode nicht nur Freunde und Befürworter, sondern auch Kritiker, so wie es Kritiker einer quellenfremden Systematisierung des Stoffs überhaupt gegeben hat; etwa Sebastian Derrers Lehrer Ulrich Zasius, 573
Agricola, Inventio dialectica, ed. Mundt, S. 496: Quoniam autem hoc est propositum cuiusque docentis, ut ex notiorum contemplatione ignotiora scrutetur (qui solus est ordo nobis discendi), horumque et aliorum ad alia collatione constantem quandam faciat de rebus fidem. 574 Agricola, Inventio dialectica, ed. Mundt, S. 498: a generalioribus, quoniam notiora sunt, semper ducendus erit ordo. Et haec ipsae species rursus fortasse (si tam late pateant) genera fient, inque alias erunt species diducendae. 575 Stein, Römisches Recht und Europa, S. 154. 576 Schmidt-Biggemann, Topica universalis, S. 41. 577 Ramée, Dialectique, ed. Dassonville, S. 144: Méthode est disposition par laquelle entre plusieurs choses la première de notice est disposée au premier lieu, la deuziesme au deuziesme, la troiziesme au troiziesme et ainsi conséquemment. 578 Schröder, Methodenlehre, S. 191. 579 Stein, Römisches Recht und Europa, S. 155.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
der sich dagegen gewendet und die Systematisierung sogar entschieden abgelehnt hat.580 Er schreibt an seinen Schüler Johann Fichard: Durch ein solches Rechtssystem wird niemand instruiert werden können, zweifelhafte Fälle zu lösen, denn es gibt mehr Fälle, wie der Jurist sagt, als Worte. Die zahlreichen Handlungen der Menschen in ein solches Kompendium bringen zu wollen, heißt ebensoviel, wie das Meer in kleine Erdlöcher zu gießen. Glaubst Du, es wäre schwierig für mich, eine Methodus oder wie ich es nenne, eine Summe des Rechts zu schreiben? Was ist daran schwierig? Das Zivilrecht in Gericht, Verträge, Sukzessionen, Dotalia, außerordentliche Rechtsbehelfe, Vormundschaft und Pönalia zu teilen. Diese sieben Gattungen wieder zu unterteilen? Aber welchen Nutzen hat man davon außer einer schattenhaften Kenntnis?581
Außerdem gibt Zasius aus Sorge, dass unter einer quellenunabhängigen Systematisierung das eigentliche Quellenstudium leiden könnte, Fichard den Rat: Verfolge, wenn Du verständig bist, das Studium der Rechtstexte in der Reihenfolge, wie sie überliefert sind. Ob Du Dich mit den Kommentaren abmühen willst, mag dir überlassen bleiben . . . Aber quäle Dich im Ergebnis nicht um die Methode: die 50 Bücher der Digesten mögen Dir Methode und Hauptstudium sein.582
Wieder andere Juristen waren sich über die dihairetische Methode unschlüssig. So hat sich der Basler Rechtsprofessor Bonifacius Amerbach etwa weder auf die Legalordnung noch auf eine bestimmte Systematik festgelegt und argumentiert, dass es ein echtes Bild einer eigentlichen Methode in der Rechtslehre nicht gebe und es deshalb besser wäre, die Methode zu ermitteln, statt Kommentare zu schreiben.583 Amerbach verteidigte allerdings zu jeder Zeit die großen Verdienste der Glossatoren um Recht, Rechtswissenschaft und Rechtslehre.584 In diesem Kontext kann er also ge580
Schröder, Geschichte der juristischen Methode, S. 83. Zasius, Epistolae, ed. Riegger, S. 381 f.: Nemo causis dubiis dissolvendis instrui poterit, cum plura sint negotia, ut dicit iurisconsultus, quam vocabula. Actus hominum tam numerosos, in summam compendiariam concludere velle, nihil aliud est, quam mare in lacusculos coercere. An credis, nobis difficilem esse methodum; vel ut meo more loquar, summam iuris tradere? Quae sane difficultas est; partiri ius civile in iudicialia, in conventiones & contractus, in successiones, in dotalia, in extra ordinem laesorum remedia, in res tutelares, in poenalia? Quae septem genera quid prohibet in membra subpartiri? Sed ex eis praeter notitiam quandam umbratilem, quid utilitatis consequeris? Vgl. Fn. 353 sowie Fn. 582. 582 Zasius, Epistolae, ed. Riegger, S. 382: Si sapis, iuris civilis studia eo ordine prosequere, quo tradita sunt. De commentariis liberum esto, an in eis fatigeris . . . In summa, noli laborare circa methodum: quinquaginta libri digestorum sint tibi methodus & lectio ordinaria. Vgl. Fn. 353 sowie Fn. 581. 583 Kisch, Humanismus und Jurisprudenz, S. 65. 584 Kisch, Johannes Sichardus, S. 23. 581
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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rade nicht als Vertreter des mos gallicus betrachtet werden, der für die dihairetische Methode sehr offen war. Im Ergebnis jedenfalls war die dihairetische Methode zumindest in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und damit zu Derrers Zeiten trotz der Vorbehalte in der Rechtswissenschaft das juristische Erfolgskonzept bei der Ordnung und Systematisierung des Rechtsstoffs schlechthin. Im Folgenden ist deshalb Sebastian Derrers Systemschema unter dem Blickwinkel der Applikation dieser Darstellungsmethode zu untersuchen. b) Äußerungen der Vorwortautoren Auch wenn die dihairetische Methode im Iurisprudentiae Liber primus naturgemäß nicht als solche benannt wird, nehmen vereinzelt Vorwortautoren zu ihr bereits Stellung. So hat sich etwa Petrus Petremandus in seiner praefatio ausführlich mit der dihairetischen Vorgehensweise und deren konkreten Anwendung durch Derrer beschäftigt. Darin kommt sein Enthusiasmus für diese Methode, die er bis jetzt in der Rechtswissenschaft schmerzlich vermisst habe, deutlich zum Ausdruck. Ja er ist regelrecht davon entzückt, dass sich Derrer dieser Methode angenommen und sich ihrer bedient habe. Petremandus erörtert dabei zunächst, wie erfolgreich die Dihairese in den anderen universitären Lehrdisziplinen, vor allem im Bereich der septem artes liberales, angewendet werde, ehe er mit dem Blick auf den Zustand der Rechtswissenschaft ganz verwundert konstatiert: . . . in allen Disziplinen, die wir bereits erwähnt haben, ist dieser Effekt geeignet und förderlich. Ich konnte mich bis jetzt nicht genug darüber wundern, warum die Philosophen das in keiner Weise auf die Rechtswissenschaft übertragen haben. Das konnte fürwahr Plato, der größte aller Philosophen, in den Büchern, die er über die Gesetze und den Staat geschrieben hat, meiner Meinung nach am besten zeigen.585
Die Erläuterung und Deskription der dihairetischen Methode in Form der Zergliederung einer Gattung in ihre Arten bzw. eines allgemeineren Begriffs in immer speziellere Begriffe beschreibt Petremandus in geradezu klassischer Art und Weise. Dabei fällt auf, wie abstrakt er darlegt, wenn er zunächst ohne spezifisch juristischen Bezug das Vorgehen nach dieser Gliederungstechnik charakterisiert. Doch dann bezeugt er auf sehr persönliche Weise Sebastian Derrer seinen Respekt, ja seine Demut für dessen Verständnis und dafür, dass Derrer diese Methode anwendet.586 585
Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. c 4 v.: . . . cum in omnibus, quarum iam mentionem fecimus, Disciplinis, apte & conducibiliter hoc sit effectum: mirari hactenus satis non potui, cur in Iurisprudentia minime id effecerint Philosophi. Plato sane omnium Philosophorum gravissimus, id in Libris, quos de Legibus & Republica conscripsit, mea quidem sententia, maxime praestare potuisset.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Von nun an möge sich außerdem jene wahre Ordnung und jene natürliche Reihe ausbreiten, von der vom höher Gelegenen ein Abstieg erfolgt, von der Gattung wohlgemerkt (die in den Disziplinen zuerst betrachtet wird) zu den Arten dieser Gattung bzw. zu den zusammenhängenden Teilen. . . . Dadurch begibt es sich, dass das Fortschreiten zum Nächsten, so wie vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Besonderen zum Niedrigeren (was die wahre Ordnung der Vermittlung einer Disziplin ist) vorteilhaft erscheint . . . Schließlich hat er allenthalben gelehrt, wie viel sich die Gattungen und Arten ausbreiten. . . . Gerade dieser ist ein göttlicher Mensch, der die Philosophie und deren Methoden auf die Rechtswissenschaft zur Anwendung gebracht hat. Vor dieser Bildung, vor dieser Anmut, vor dieser Ordnung schweige ich.587
Auch Claudius Glannaeus bedient sich klassisch dihairetischen Vokabulars, wenn er in seinem Lobgedicht auf den Iurisprudentiae Liber primus die beiden Schlagwörter dieser Methode, genus und species, direkt hervorhebt und sie in Derrers Systematisierungsweise erblickt: Durch Gattungen und Arten führt er Dich auf die Gipfelpunkte des Rechts, so dass Du als Eilender Schritt für Schritt voran kommen mögest.588
c) Derrers Äußerungen Auf die Kernpunkte jedenfalls, die gerade für die dihairetische Methode charakteristisch sind und die Petremandus sowie Glannaeus in Derrers Systematik verwirklicht sehen und hierfür voll des Lobes sind, geht schließlich auch Sebastian Derrer selbst in seiner Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. ein: . . . werden wir niemals geradewegs zum wahren Ziel gelangen, außer in der Rechtswissenschaft wird wie in anderen Disziplinen auch ein bestimmter Gegenstand vorangestellt, auf den alle Bemühungen des juristischen Wissens abzielen. 586 An anderer Stelle innerhalb seiner praefatio erläutert Petremandus indes die Systematik Derrers, indem er die Hauptpunkte von dessen Systemschema schlagwortartig zusammenfasst. Auf Petremandus’ diesbezügliche Erläuterungen kann hier angesichts der ausführlichen Analyse des Derrerschen Systems im Rahmen der vorliegenden Untersuchung allerdings verzichtet werden. 587 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. c 4 v.: Hinc praeterea manat verus ille ordo, naturalisque series, qua a superioribus fit descensus, ab obiecto scilicet (quod in Disciplinis primum consyderatur) ad ipsius species, seu membra cohaerentia. Fol. d 2 v.: Quo fit, ut commode appareat transitus ad proxima, sicut a generibus ad species, a speciebus ad inferiora (qui verus est disciplinae tradendae ordo) . . . Fol. d 2 r.: Denique quantum se extendant genera, & species ubique docuit. Fol. d 2 v.: Hic ille est homo divinus, qui Philosophiam eiusque instrumenta Iurisprudentiae applicuit. Taceo qua eruditione, qua gratia, quo ordine. 588 Glannaeus, Carmen ad lectorem, fol. b 4 r.: Per genera, & species ducens te ad culmina Iuris: Ut celer evadas continuis gradibus.
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Und schließlich wird dieser Gegenstand in seinem Wesen, wie es die Aufgabe der Jurisprudenz erfordert, eingehender betrachtet, genauer in seine Teile zerlegt, und schließlich werden den einzelnen Abschnitten die erforderlichen Vorschriften beigefügt. Und so kommt es zu einer Rückkehr zu einem bestimmten und wahren Sachziel, von dem wir viele Verzweigungen und verschiedene Gliederungen unterschieden haben . . .589.
Ein klareres Bekenntnis als mit dieser Erläuterung hätte Derrer zur dihairetischen Methode gar nicht abgeben können. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um die Definition dieser Methode durch Petremandus in Derrers eigenen Worten. Die genaue Betrachtung eines Begriffs oder Gegenstandes, wie Derrer sich ausdrückt, sowie dessen präzises Zerlegen in die einzelnen Teile weist eindeutig auf das dihairetische Vorgehen hin: Vom obersten Einteilungskriterium als gleichsam allgemeinstem Begriff absteigend zur Zergliederung in immer speziellere Begriffe. d) Umsetzung der Methode Gleich zu Beginn seiner Systematik legt Derrer dieses Vorgehen paradigmatisch dar. Er spaltet den Begriff der iurisprudentia, sein wichtigstes und damit oberstes Einteilungskriterium, in die Unterbegriffe ius und iuris obiectum auf und teilt auch diese weiter, etwa das ius in divinum und humanum, und nimmt damit die entscheidende methodische Weichenstellung vor. Durch die folgende, nach seiner Überzeugung vollständige und planvolle Aufzählung der Arten und Unterarten lotet er den gesamten von der iurisprudentia umfassten Bereich terminologisch und inhaltlich aus. Und er sucht alle Unterteilungen der Begriffe bis zu dem Punkt hin auf, an dem nach seinem Verständnis die regelmäßige Gliederung des Begriffs endet. In seinem Systemschema zum Liber primus ist das bei Begriffen der siebten Gliederungsebene der Fall, während das Schema des Typus Iurisprudentiae, das als Gesamtsystem innerhalb der iuris obiecta zusätzlich zur persona auch den res-, commercium- sowie persecutio-Bereich vollständig abdeckt, zur dihairetischen Darstellung noch sehr viel mehr Ebenen aufweist.590 Derrer will sein Ziel also dadurch erreichen, mit einer fortschrei589 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 4 r.: . . . neque nos unquam recte collimaturos ad verum scopum, nisi in legali scientia instar aliarum Disciplinarum Obiectum certum praefigatur, in quod omnes legalis scientiae conatus tendant: & tandem idem obiectum in penitioribus sui ipsius quidditatibus, ut ratio Iurisprudentiae desyderat, intimius contempletur, in partibus subiectivis exactius secernatur: & demum singulis capitibus debitae praeceptiones accomodentur: & sic ad statum ac verum rei scopum reditus fiat, a quo multas digressiones, & varia diverticula . . . aberravimus . . . Vgl. auch Schröder, Philosophie und Rechtswissenschaft, S. 134. 590 Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.V.1.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
tenden Darstellung vom Allgemeinen zum Besonderen planvoll und zweckmäßig vorzustoßen. Um in den Worten Jan Schröders zu formulieren,591 bedeutet das somit auf das Vorgehen im Liber primus übertragen, dass sich auch Derrer vom verhältnismäßig Bekannten (etwa der iurisprudentia) zum verhältnismäßig Unbekannten bzw. Unbekannteren vorarbeitet (etwa zu den conditionales coloni), was gerade für die dihairetische Methode das Charakteristische ist. Indes setzt dieser Modus Operandi Derrer deutliche Grenzen. Da die Dihairese die immer weitere Spaltung eines Zentralbegriffs voraussetzt und sämtliche Objekte demzufolge zusammenhängen müssen, bietet dieses Verfahren aus Gründen der Überschaubarkeit zwar Darstellungsvorteile gegenüber anderen Systematisierungsmethoden. Allerdings kann es als Folge der logischen Struktur eines Systems auch zu deutlichen Widersprüchen oder sogar dazu kommen, dass bereits dargelegte Rechtsinstitute bzw. -probleme nicht erneut berücksichtigt werden, obwohl diese in anderem Zusammenhang ein weiteres Mal anzuführen wären. Deutlich zu erkennen ist dieses Problem bei Derrer, wenn er in seinem Systemschema das ius commune etwa in den ius-Bereich als Rechtsquelle einordnet und gleichzeitig den dem ius-Bereich vermeintlich gleichwertigen iuris-obiectum-Bereich als materielles Recht eigenständig behandeln möchte, obwohl dieser Bereich nach seiner Vorstellung dem ius commune selbst entstammt. Dies geht allerdings erst aus dem eigentlichen Darstellungsteil zum Iurisprudentiae Liber primus hervor, hingegen nicht aus dem Schema selbst. Mag Derrer inhaltlich zwar durchaus richtig liegen, in strenger Anwendung der Dihairese hingegen läuft sein Prozedere den abstrakten Vorgaben dieser Methode zuwider. Das theoretische Problem besteht bei der von Derrer gewählten Methode demnach darin, dass ein Begriff bzw. ein dahinter stehendes Rechtsinstitut mehreren Gattungen und Arten gleichzeitig angehören kann. So geht im genannten Beispiel der iuris-obiectum-Bereich nach Derrers systematischer Vorstellung gleichzeitig auf die iurisprudentia (grafisch), aber auch auf das ius commune (inhaltlich) des ius-Bereichs zurück, was sich mit der dihairetischen Methode nicht umsetzen lässt. Denn dass ein Rechtsinstitut gleichzeitig zur Schnittmenge von zwei Begriffen gehören kann, kann mit diesem Vorgehen jedenfalls nicht reproduziert werden. Da die dihairetische Methode nicht zwingend eine Division verlangt, also eine Aufspaltung in Gattungen und Arten, sondern auch schlichte Partitionen für ausreichend hält, also die Aufteilung eines Ganzen in seine Teile, sind Sebastian Derrers Systemvorstellungen im Folgenden unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Nicht zuletzt diese weitere Möglichkeit der Ein591
Vgl. Fn. 569.
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teilung eines Wissensgebiets hat dazu beigetragen, dass die dihairetische Methode wegen ihrer offenkundigen und ihr innewohnenden Unbestimmtheit nicht den Anspruch erheben könne, eine Methode der Wissenschaft zu sein.592 Denn zu bedenken ist, dass das, was bei der schlichten Partition für das Ganze gilt, nicht ohne Weiteres auch auf dessen Teile bezogen werden kann.593 Hingegen gilt bei der Division das, was für die Gattung gilt, zwangsläufig auch für deren Arten.594 Bei ihr besteht der Gegenstand somit aus einer gemeinsamen, analytisch feststellbaren Eigenschaft, während es sich bei der Partition um die Summe aller Bestandteile handelt, durch die die Definition zustande kommt.595 Die im Liber primus pars pro toto herausgenommene Gliederung der personae alieni iuris lässt innerhalb des vorliegenden Systemschemas auf solche schlichten Partitionen schließen. So bilden etwa die filii familias keine eigene Art der Gattung personae alieni iuris, sondern lediglich einen einfachen Bestandteil dieser. Umgekehrt formuliert macht hier erst die Summe der Bestandteile der personae alieni iuris (also die filii familias und die servi in ihrer Gesamtheit) deren maßgebliche Eigenschaft aus, nicht hingegen bereits die filii familias oder servi für sich alleine genommen. Dasselbe lässt sich auf etliche weitere Bereiche des Derrerschen Systemschemas übertragen,596 auch wenn Glannaeus, möglicherweise etwas vorschnell, sogleich von genera und species spricht.597 Aber auch der italienische Rechtshistoriker Vincenzo Piano Mortari erblickt in Derrers System eine vollständige Differenzierung zwischen den divisiones und partitiones, die aus den eben genannten Gründen gerade nicht zu erkennen ist: Derrer entwickelte seinen Plan, die Themen in einer logischen Reihenfolge einfach und koordiniert anzuordnen, indem er die genera, die species und die partes der juristischen Begriffe unterschied und definierte, wobei er auf solche Weise die fundamentalen Prinzipien der Dialektik für sein Ziel der rationalen und organischen Systematisierung der Rechtsgebiete nutzbar machte.598 592
Di Cesare, Zwischen Onoma und Logos, S. 123. Schröder, Philosophie und Rechtswissenschaft, S. 143. 594 Ein vereinfachtes Beispiel für eine divisionistische Dihairese ist etwa die Einteilung des Menschen nach Nationen geordnet in Deutsche, Italiener, Franzosen etc. („Was für die Gattung gilt, gilt auch für die Art.“). Ein vereinfachtes Beispiel für eine partitive Dihairese ist etwa die Einteilung des Körpers in Beine, Arme, Rumpf etc. („Was für ein Ganzes gilt, gilt nicht ohne Weiteres für seine Teile.“). 595 Kirov, Soziale Logik des Rechts, S. 29. 596 So ist bereits die Grundeinteilung der iurisprudentia in ius und iuris obiectum eine schlichte Partition. 597 Vgl. Fn. 588. 598 Piano Mortari, Dialettica e giurisprudenza, S. 384: Il Derrer sviluppò il suo disegno di disporre le materie in una serie logica, semplice e coordinata, distinguendo e definiendo i genera, le species, e le partes dei concetti giuridici, utiliz593
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Wie aus der von Mortari verwendeten Literatur hervorgeht, stützt er sich bei seinen Ausführungen allerdings nur auf Äußerungen des Petrus Petremandus, ohne direkt auf Elemente aus Derrers System selbst Bezug zu nehmen. Nicht zuletzt Derrers eigene eindeutige Äußerung in seiner Widmungsepistel, wonach der Rechtsgegenstand genauer in seine einzelnen Teile zerlegt werden müsse,599 spricht hingegen eindeutig für eine partitive und gegen eine divisionistische Dihairese. Allerdings sind diese Ausführungen unter der Einschränkung zu sehen, dass eine Dihairese im weiteren Sinne von ihrer syntaktischen Gestalt her nicht unbedingt erkennen lassen muss, ob eine divisio oder eine partitio vorliegt, weil auch der Gebrauch von Worten wie dividere, pars et cetera unter Umständen nicht deutlich genug ist.600 Dennoch geht Jan Schröder davon aus, dass den Systematikern des 16. Jahrhunderts eine Differenzierung zwischen genera bzw. species auf der einen und schlichten partes auf der anderen Seite durchaus geläufig war.601 Umso erstaunlicher ist dann allerdings die Tatsache, dass Derrer selbst in seinem gesamten Werk an keiner einzigen Stelle von einer partitio spricht. Stattdessen verwendet er gar den Begriff der divisio in systematischem Zusammenhang innerhalb seines Darstellungsteils zwei Mal: in Titel 2, Abschnitt 18, als prima divisio in ius naturale und ius formatum sowie in Titel 9, Abschnitt 7, als divisio in alieni iuris und sui iuris. Auch in diesen beiden Fällen handelt es sich jedoch in methodischem Sinne nicht um eine divisio, sondern nur um eine schlichte partitio. Im Ergebnis ist deshalb wohl der These Nörrs beizupflichten, wonach die von den Autoren teilweise gebrauchte Wortwahl (divisio, partitio) zur Beschreibung der jeweils vorgenommenen Einteilung nicht immer dem entspricht, was in der Sache selbst tatsächlich vorliegt. Ferner kommt hinzu, dass die methodische Bestimmung einer Dihairese teilweise nicht ohne Weiteres klar und eindeutig sein kann und auch die dihairetische Praxis im weitesten Sinne diesem Unterschied nur geringe Bedeutung zuzumessen scheint.602 Letzten Endes spielt es aber auch in Sebastian Derrers eigenem System eine eher untergeordnete Rolle, welchem dihairetischen Typus er im Einzelfall gefolgt ist.
zando in tal modo per il suo scopo di sistematizzazione razionale ed organica delle materie giuridiche i principî fondamentali della dialettica. 599 Vgl. Fn. 589. 600 Nörr, Divisio und Partitio, S. 41. 601 Schröder, Philosophie und Rechtswissenschaft, S. 144. 602 Nörr, Divisio und Partitio, S. 39.
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e) Zwischenergebnis zu Kapitel 4 Als Resultat ist festzuhalten, dass Sebastian Derrer sein Systemschema durchweg nach der dihairetischen Methode bearbeitet hat. Im Vordergrund steht bei ihm somit die Aufschlüsselung eines Zentralbegriffs in dessen Teile. Der Vorteil seines Vorgehens besteht in einer – gemessen an der Anzahl der einzugliedernden Begriffe – einprägsamen Übersichtlichkeit. Als entscheidender Nachteil der Dihairese ist hingegen das unbedingte Kohärenzerfordernis sämtlicher Gliederungselemente zu sehen. Dieses Schnittmengenproblem durchzieht zwangsläufig auch Derrers Systemschema und erschwert somit teilweise dessen Verständnis. Dass das dihairetische Verfahren nicht nur Vorteile bringt, demonstriert Derrer damit deutlich – wenn auch zweifellos ohne jede Absicht. 5. Abweichung von der quellenmäßigen Bücher- und Titelordnung Wie im Rahmen der allgemeinen Voraussetzungen zum Verständnis der Werke Sebastian Derrers in Kapitel C.II bereits zum Ausdruck gekommen ist, ist die mittelalterliche Rechtswissenschaft der von den römischrechtlichen Quellen vorgegebenen Ordnung nahezu unkritisch gefolgt. Sie hat diese Ordnung als allgemein verbindlich akzeptiert, was sich dann aber im 16. Jahrhundert maßgeblich geändert hat, wie etwa an der Arbeitsweise Sebastian Derrers eindrucksvoll zu erkennen ist. Die humanistische Wissenschaft begann allmählich, den Rechtsstoff von dieser insbesondere in Form des Corpus Iuris Civilis seit 1000 Jahren bestehenden Ordnung zu lösen. Bei diesem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts einsetzenden Prozess stellte sich für die juristischen Systematiker die Frage, auf welche Weise und mit welcher Intensität sie sich von diesen Quellen allmählich emanzipieren sollten: entweder im frühen Vorgriff auf die großen Kodifikationsbestrebungen folgender Jahrhunderte bereits radikal freisystematisch oder in relativer Anlehnung an die bisherigen Ansätze doch noch einigermaßen ordnungstraditional, indem sie beispielsweise nur innerhalb der einzelnen Institutionentitel systematische Abweichungen vornahmen, nicht hingegen in Bezug auf die gesamte Bücher- oder Titelsystematik. a) Vorüberlegungen In beide ordnungstechnische Richtungen hat es Systementwürfe gegeben, die annähernd zeitgleich einsetzten.603 Zur ersten Gattung gehörte mit dem 603
Troje, Europäische Rechtsliteratur, S. 37.
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Ziel eines echten Systems etwa das 1543 erschienene Werk Iuris utriusque traditio methodica von Konrad Lagus. Der letzteren Gattung ist beispielsweise das Institutionenlehrbuch von Melchior Kling ebenfalls aus dem Jahr 1543 zuzurechnen.604 Kling hält sich in seinem Werk ganz an die vorgegebene Ordnung innerhalb der Institutionen, beginnt sein Werk also mit dem ersten Buch sowie dessen ersten Titel De iustitia et iure und setzt diese Reihenfolge konsequent fort. Er gibt zunächst in Schlagworten, die ganz auf den Horizont der Studenten zugeschnitten sind, an, womit sich der jeweilige Titel beschäftigen werde. Danach handelt Kling dann jedes Kapitel ab. In Anlehnung an diese beiden ordnungstechnischen Alternativen stellt sich schließlich auch bei der Untersuchung des von Sebastian Derrer entwickelten Systems die Frage, in welchem Maße und mit welcher Intensität er nach humanistischem Verständnis zumindest von außen betrachtet von der quellenmäßigen Bücher- und Titelordnung des Corpus Iuris Civilis Abstand nimmt. Dabei ist nach Darstellung und inhaltlicher Analyse seines Systems in Kapitel 2 bzw. 3 selbst bei nur überblickhaftem Betrachten ein bloßes Beibehalten der quellenmäßigen Ordnung einerseits sowie andererseits eine Abweichung von der vorgegebenen Reihenfolge lediglich innerhalb der einzelnen Titel nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen. Jan Schröder hat sich in diesem Zusammenhang – allerdings nur nach einer, wie er eingesteht, allgemeinen Übersicht – gar zu der Annahme hinreißen lassen, Derrer sei ein radikaler Freisystematiker.605 Das Ausmaß der Abweichung Sebastian Derrers von der quellenmäßigen Bücher- und Titelordnung ergibt sich dabei alleine schon aus einem Vergleich seines Systems mit der Legalordnung. In diesem Zusammenhang äußerst interessant sind die Äußerungen darüber, wie Derrers neuartiges System in jener Zeit – gerade in Bezug auf die Legalordnung – wahrgenommen wurde. Nicht weniger aufschlussreich ist seine eigene Wahrnehmung und sein Bewusstsein einer fundamentalen Quellenabweichung. b) Äußerungen der Vorwortautoren In den Texten mehrerer Vorwortautoren im Liber primus finden sich eindeutige Hinweise auf die Wahrnehmung, dass Derrer geradezu die Intention gehabt habe, sich vollständig von der Quellenordnung zu lösen. Diese Frage ist deshalb so wichtig, weil die Antwort signalisiert, inwiefern die Juristen der frühen Neuzeit von der tradierten und bis dahin nicht in Frage gestellten quellenmäßigen Bücher- und Titelordnung abweichen wollten. Dass ein der604 In quatuor Institutionum Iuris Civilis, principis Iustiniani Libros Enarrationes (Frankfurt am Main 1543). 605 Schröder, Methodenlehre, S. 193.
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artiger, aus der Perspektive der Rechtsgeschichte im Grunde ungeheuerlicher Vorgang nicht wie selbstverständlich oder gar automatisch ablaufen konnte, versteht sich von selbst. Aber wie wurde dieser Prozess realiter wahrgenommen? Zunächst äußert sich etwa Joachim Mynsinger von Frundeck in seinem carmen zum Liber primus; er hebt gerade das Neue an Derrers systematischen Ordnungsansätzen lobend hervor: Bis jetzt sind die Schriften des heiligen Rechts durch eine undurchschaubare Ordnung überliefert worden, ein blindes Chaos hatte jene belastet. Aber gewiss teilt dieser treue Autor des Gerechten und Billigen alles wohlgeordnet in seine einzelnen Bestandteile ein. Wie mit schon verzogenen Wolken und blindem Licht mögen sie [die Rechtsstudenten] das neue Licht in unserem Zeitalter betrachten.606
Deutlich zu erkennen ist der fast lyrisch beschriebene Gegensatz zwischen dem Zustand der Rechtswissenschaft vor und nach Derrers Konzeption. Dass er im Rahmen einer Ordnung vorgehe und auf Grund dieser eine Einteilung vornehme, spricht im Grundsatz zwar noch nicht dafür, sich von den Quellen vollständig zu lösen. Doch im Kontext des bis dahin herrschenden blinden Chaos und des nun folgenden neuen Lichts in unserem Zeitalter scheint Mynsingers Aussage, sofern sie nicht lediglich als Rhetorik einzustufen ist, doch auf einen bahnbrechenden Neuansatz Derrers hinzuweisen. Bemerkenswert ist allerdings, dass Joachim Mynsinger von Frundeck selbst trotz seiner offenbaren Begeisterung für das Derrersche System ein eher zaghafter und vorsichtiger Anhänger systematischer Bestrebungen gewesen zu sein scheint. Darüber hinaus ist er der Forschung nicht als großer Rechtssystematiker in Erinnerung geblieben. So hält er sich in seinem 1555 in Basel erstmals erschienenen ausführlichen Institutionenkommentar Apotelesma sive corpus perfectum scholiorum ad quatuor libros Institutionum iuris civilis, der als Nachfolger der 1544 erschienen Scholia erstmals alle vier Bücher der Institutionen behandelt,607 sehr wohl an die antike Buch-, Titelund Paragrafenabfolge. Immerhin nimmt er darin Abschied von der gajanischen bzw. justinianischen Trichotomie personae, res und actiones und 606 Mynsinger von Frundeck, Carmen ad lectorem, fol. a v.: Hactenus obscuro sunt ordine tradita Iuris Scripta sacri: caecum presserat illa chaos. At vero hic iusti interpres bene fidus, & aequi, Digerit in parteis, ordine quaeque suas. Nubibus ut iam discußis, et lumine caeco, Conspiciant lumen secula nostra novum. Vgl. das vollständige Gedicht in Fn. 694. 607 Schumann, Joachim Mynsinger von Frundeck, S. 52.
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geht über in eine Einteilung des Rechts in Personen, Sachen-/Erbrecht, Forderungsrechte und Klagen.608 Hinzu kommt, dass Joachim Mynsinger von Frundeck die Abfassung seiner Apotelesma 15 Jahre nach der Publikation des Iurisprudentiae Liber primus ausgerechnet mit der schlechten Ausbildungssituation an der juristischen Fakultät der Universität Freiburg in dieser Zeit begründet hat.609 Wenn Mynsinger von Frundeck Derrers systematische Arbeit uneingeschränkt hätte weiterempfehlen können, so hätte er wohl keinen Anlass gesehen, seine eigenen Bestrebungen mit dem schlechten Zustand der Freiburger juristischen Fakultät zu begründen. Immerhin hat er dort unter Derrer selbst studiert und später gelehrt. Indes ist aber auch zu bedenken und relativierend einzuschränken, dass zum Zeitpunkt der kritischen Äußerungen Mynsingers in dessen Apotelesma lediglich Derrers Liber primus als erster und einziger Band mit dem Schwerpunkt des Personenrechts auf dem Markt gewesen ist. Für die wesentlich wichtigeren, von Derrer angekündigten Rechtsgebiete res, commercium und persecutio hingegen gab es keine Literatur, zumindest nicht in der von Derrer geplanten Form als Liber primus bis decimus. Gleichwohl ist es vorstellbar, dass Mynsinger seinem verehrten Lehrer durch das zitierte carmen lediglich eine Gefälligkeit lyrischer Art erweisen wollte – trotz möglicherweise inhaltlicher und systematischer Bedenken. Immerhin schreibt Mynsinger von Frundeck am 17. November 1539 in einem anderen Zusammenhang an Bonifacius Amerbach nach Basel, dass Derrer ein vir disertissimus et mei amantissimus, also ein äußerst beredter und ihm sehr liebenswürdiger Gefährte sei.610 Auch Claudius Glannaeus tendiert in dieser Zeit offenbar zu einer völligen Abkehr von der vorgegebenen Ordnung. Dem folgenden Zitat lässt sich jedenfalls nicht die Einschätzung entnehmen, Derrer habe den Quellenordo nur marginal aufgeben wollen: Der sich nach vertriebener Dunkelheit mit göttlichem Fleiß ausgezeichnet hat, weil kein Zeitalter wert war zurückzukehren. Denn durch das Formen der unförmigen Masse stellt er das Recht wieder her, durch eine sichtbare Ordnung jetzt gut dargestellt. ... Denn jener hat die bis jetzt allzu ungeordneten Gesetze erschlossen und jedes an den wesentlichen Stellen von Neuem geordnet.611 608
Kupisch, Wirkungsgeschichte der Institutionen, S. 295. Schumann, Joachim Mynsinger von Frundeck, S. 53. 610 Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 5. Band, Brief Nr. 2363, S. 257. Vgl. Fn. 695. 609
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Auch bei Glannaeus sind somit die Zeichen der neuen Zeit, die der Iurisprudentiae Liber primus für die Rechtswissenschaft bringen soll, eindeutig zu erkennen. Dass der Ordnungsgedanke für Derrer ein zentrales, wenn nicht sogar das zentrale Anliegen schlechthin gewesen ist, kommt hier besonders deutlich zum Ausdruck. Wenn Glannaeus davon spricht, dass Derrer an den wesentlichen Stellen alles neu geordnet habe, so kann daraus ebenfalls nur geschlossen werden, dass es ihm ganz bewusst um mehr gegangen sein muss, als lediglich von der internen Titelfolge abzuweichen. Petrus Petremandus geht in seiner praefatio ebenfalls deutlich von einer neuen Ordnung in Derrers System aus. Voll des Lobes berichtet er dem Leser davon, dass sich alles nach einer rühmenswerten Ordnung verteile und er vor einem solchen Ordnungssinn Derrers schweige.612 Auch diese Aussage bietet Anlass, über Derrers als völlig neu empfundene Ordnung zu diskutieren, die nicht nur auf sein System als solches, sondern auch auf die Anordnung der Titel im Darstellungsteil bezogen wurde. Denn im Hinblick auf die gesamte Ordnung des Liber primus führt Petremandus aus: Überall hat er dieses [im Recht bisher allzu schwer Ergründbare und bis jetzt Vernachlässigte] in einem gleichsam bewundernswerten Zusammenhang präsentiert, sowohl die Reihenfolge der Titel als auch der Kapitel, so dass durch die Verbindung sämtlicher Glieder alles in sich geordnet erscheint.613
An anderer Stelle seiner praefatio zeigt Petremandus geradezu antithetisch den Unterschied zwischen der alten und der von Derrer entwickelten Ordnung auf, was ebenfalls darauf hinweist, dass er Derrers System als vollständiges neues Konstrukt gegenüber der althergebrachten Legalordnung einstuft: Der aus den verstümmelten und gestutzten Büchern der Pandekten, in denen nichts Sicheres, nichts Unzweifelhaftes ex vera artis ratione hervorgebracht und gesammelt werden kann, der aus so vielen verworrenen (wie ich es so nenne) und holperigen Stellen der Schriftsteller unserer Zeit für die Klarheit sorgen konnte, 611 Glannaeus, Carmen ad lectorem, fol. b 3 v. f.: Qui pulsis tenebris, aetas quod nulla valebat Reddere, divino praestitit ingeni. Nam maßam informem formando restituit Ius, Ordine conditum iam bene conspicuo. ... Fol. c r.: Nam leges nimium dispersas hactenus, ille Colligit, atque Locis propriis bene quaeque reponit. 612 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 v.: Omnia . . . praedicamentali ordine discutit. . . . Taceo . . . quo ordine. 613 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 v.: Ad haec admirabilem quandam ubique servavit continuationem, seriemque Titulorum, seu Capitum, ut alia cum alia nexa ratione, inter se omnia colligata videantur.
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zu der alle gleichwie zur Zufluchtsstätte des Rechts zurückkehren. Und können sie durch diese gewisse wunderbare Ordnung den für die Methode der Disziplin gebildeten Zusammenhang erkennen . . .?614
An dieser Stelle ist deutlich zu spüren, dass – unabhängig von historischphilologischen Aspekten – gerade die Beziehung der Rechtsinstitute zueinander, der juristische Zusammenhang in seiner Gesamtheit, den Petremandus an dieser Stelle eindrucksvoll akzentuiert, jener gewesen ist, den die humanistische Rechtswissenschaft bis dato so sehr vermisst und deshalb auch so sehr herbeigesehnt hat. Dass dies nur mit Hilfe einer quellenunabhängigen Ordnung gelingen könne, kommt in Petremandus’ Worten zwar nur indirekt, aber dennoch deutlich zum Ausdruck. Nach dem Verständnis der Anhänger einer eher freieren systematischen Jurisprudenz humanistischer Prägung konnte ein System nur dann wunderbar sein, wenn es sich ordnungstechnisch von der Reihenfolge der Quellen dergestalt emanzipierte, dass ein in sich geordnetes Miteinander anstelle eines nur unübersichtlichen Nebeneinanders den Impetus zur Neustrukturierung bildete. Ganz deutlich wird Petremandus in seinem Vorwort schließlich, wenn er betont, dass Derrer die Rechtswissenschaft erneuert habe.615 Und auch die entsprechende Randbemerkung ist in diesem Sinne verfasst: Sebastian Derrer, Erneuerer der Rechtswissenschaft.616 Als Gegenüberstellung hierfür geradezu paradigmatisch steht die folgende, status-quo-konstatierende Randbemerkung Petremandus’, wonach die Rechtswissenschaft bis jetzt weder aus Methode noch aus Ordnung bestanden habe.617 Auch diese beiden Schlagworte lassen in Zusammenhang mit Derrers Vorgehen auf das Ziel einer quellenunabhängigen Systematisierung schließen. Neben Joachim Mynsinger von Frundeck und Claudius Glannaeus ist es also gerade Petrus Petremandus, der in seiner überaus ausführlichen praefatio das juristische Ordnungsdenken Derrers bewundert und als das Neue und Innovative schlechthin glorifiziert. Insgesamt kommen durch die pathetisch anmutende Wortwahl dieser – als Vorwortautoren Derrer zugegebenermaßen wohlgesinnten und daher ge614 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 3 r.: Qui ex truncatis, ac mutilis Pandectarum Libris: in quibus nihil certi, nihil non dubitati ex vera artis ratione elici, colligique potest: atque ex tot intricatis (ut ita loquar) confragosisque nostrae aetatis Scriptorum locis conscribere certum aliquod potuit, ad quod tanquam ad Iuris asylum recurrant omnes, ordine quodam mirifico contextum, atque ad Disciplinae rationem efformatum . . . intelligere queant? 615 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: . . . D. Sebastianus Derrerus, qui Iurisprudentiam nostram . . . restiuit . . . 616 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: D. Sebastianus Derrerus Iurisprudentiae instaurator. 617 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: Iurisprudentiam hactenus nulla ratione aut ordine contivisse.
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wiss kritisch zu betrachtenden – juristischen Zeitgenossen Hinweise auf das quellenunabhängige Neue in Derrers Systemdenken besonders anschaulich zum Ausdruck: Neues Licht (Mynsinger von Frundeck), vertriebene Dunkelheit (Glannaeus), wunderbare Ordnung sowie Erneuerer der Rechtswissenschaft (Petremandus) sind deutliche Indikatoren hierfür. Werden für eine Bewertung der vollständigen Quellenabkehr Sebastian Derrers demzufolge allein die Aussagen und Urteile dieser drei Vorwortautoren zu Grunde gelegt, so wird daraus ganz deutlich das Bewusstsein evident, dass Derrer sein Systemschema von der Bücher- und Titelordnung des Corpus Iuris Civilis vollständig gelöst hat. c) Derrers eigene Äußerungen Einen Hinweis auf die Aufgabe der quellenmäßigen Ordnung gibt Derrer schließlich selbst, wenn er in seiner epistola dedicatoria an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. zunächst konstatiert, dass in der Rechtswissenschaft bislang kaum ein übereinstimmender Zusammenhang hergestellt werden könne, was einen unerträglichen Nachteil für diese bedeute.618 Auch in der Ankündigung, dass er im Iurisprudentiae Liber primus von eben dieser Vorgehensweise, die die Rechtswissenschaft bis jetzt geprägt habe, abweichen werde,619 ist ein deutliches Anzeichen für eine wachsende Distanz zur althergebrachten Quellenordnung zu sehen. Zugleich verbindet er sein neues, Ordnung schaffendes Vorgehen mit dem Anspruch, dass aus dieser (Neu-)Ordnung der Disziplin die ganze Rechtswissenschaft entspringen möge.620 In diesem Zusammenhang spricht er schließlich von einer erhellenden Ordnung.621 Ganz offensichtlich geht es ihm also um etwas Neues, um ein lumen novum, wie Joachim Mynsinger von Frundeck poetisch artikuliert. Eindrucksvoll untermauert wird dies durch Derrers großes, wie paradigmatisch über seinem Werk stehendes Credo: Ius in verum ordinem redigere.622 Im Gegensatz zu den Vorwortautoren scheint er sich aber, gemessen an der Zahl seiner Äußerungen über die wachsende Distanz zu den Quellen, eher zu618 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 3 r.: . . . vix haberi possit conveniens cohaerentia. . . . Quibus tandem damnum intolerabile successit. Vgl. Fn. 367. 619 Vgl. Fn. 277. 620 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Prooemium, Abschnitt 7, S. 2: . . . per ordinem disciplinae, tota manat Iurisprudentia. Vgl. Fn. 414. 621 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 4 v.: . . . collustrante ordine . . . 622 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. a 3 r. Etwa: Das Recht in die wahre Ordnung bringen.
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rückgehalten zu haben. Hingegen bringt er in inhaltlich-materieller Hinsicht konkludent dasselbe zum Ausdruck. Wer jedenfalls derart systematischen Handlungsbedarf zu erkennen glaubt und sich in solcher Weise zu einer eigenständigen Ordnung bekennt, bei dem liegt auch die Annahme nahe, dass er für sich in Anspruch nimmt, das Recht einer grundlegenden und vollständig quellenabweichenden Systematisierung unterzogen zu haben. d) Tatsächliche Abweichung Seiner beinahe proklamatisch anmutenden Ankündigung, das Recht in die wahre Ordnung zu bringen, lässt Derrer schließlich auch Taten folgen. Bereits durch das Voranstellen des Zentralbegriffs der iurisprudentia, den man in den Titelüberschriften des Corpus Iuris Civilis und insbesondere in den Institutionen als eigenen Titel vergeblich sucht, deutet sich dieser quellenautarke Modus Procedendi an. Bei der anschließenden äußeren Betrachtung des unterhalb der iurisprudentia stehenden ius-Bereichs teilt Derrer das Recht dichotomisch in göttliches und menschliches Recht ein. Auch hier unterscheidet sich der Aufbau von der quellenmäßigen Ordnung fundamental: Zwar beginnen die Institutionen sowie die Digesten ebenfalls mit einer eher allgemein gehaltenen Einleitung über Gerechtigkeit und Recht.623 Insbesondere die Institutionen leiten in I. 1.2 in die dort vorgenommene Einteilung des Rechts in Naturrecht, Völkerrecht und Zivilrecht über.624 Göttliches Recht aber, das in Derrers Systematik von wesentlicher Bedeutung ist, spielt als eigenständiger Titel in den Institutionen ebenso wenig eine Rolle wie in den Digesten oder im Kodex. Auch der dem göttlichen Recht gegenübergestellte Begriff des menschlichen Rechts, der in Derrers System einem eigenen Gliederungspunkt entspricht, ist dem Recht der Quellen als eigenständiger Titel jedenfalls nicht geläufig. Im äußerst weit gefassten Bereich des iuris obiectum schließlich, der auf gleicher Wertigkeitsstufe zum ius-Bereich steht, weicht Derrer von vornherein von der Institutionenordnung der gajanischen bzw. justinianischen Trichotomie personae, res, actiones ab und nimmt tetrachotomisch eine Einteilung in persona, res, commercium und persecutio vor. In äußerer Hinsicht deuten diese beiden letzten Termini technici unter Verzicht auf den bis dahin üblichen Begriff der actiones gleichzeitig an, dass er bereits zu Beginn des Systems innerhalb der Rechtsobjekte eine ganz neue ordnungstechnische Linie verfolgt. In sprachlicher Hinsicht fällt auf, dass Derrer die Begriffe nicht mehr im althergebrachten Plural, sondern nun in der Singu623 624
I. 1.1; D. 1.1: De iustitia et iure. I. 1.2: De iure naturali et gentium et civili.
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larform verwendet, was ebenfalls auf eine Umgestaltung hinweist. Ein planmäßiges Vorgehen entlang der quellenmäßigen Ordnung ist damit schon an dieser Stelle der Derrerschen Systematik aufgegeben. In diesem Zusammenhang erübrigt es sich, weitere Abweichungen von den Quellen auch in den folgenden Unterpunkten zu untersuchen. Schließlich beeinflussen und bestimmen die von Derrer ab dem obersten Ordnungspunkt der iurisprudentia sowie dessen Unterpunkten ius und iuris obiectum gestellten Weichen folgerichtig die gesamte weitere Systemanordnung. Das zeigt insbesondere der fundamentale Unterschied zwischen den Rechtsinstituten des von Derrer so bezeichneten iuris obiectum und den justinianischen Institutionen. Noch zu seiner eigenen Studienzeit am Anfang des 16. Jahrhunderts wäre es wohl als impertinente Frivolität erschienen, an der Ordnung der Quellen des römischen Rechts in irgendeiner Weise zu rütteln. Dennoch hat Sebastian Derrer als einer der ersten Juristen seiner Zeit durch den Iurisprudentiae Liber primus dieses Recht in wenigen Jahren ordnungstechnisch auf den Kopf gestellt. Nicht nur, dass er es bei seiner Ausarbeitung für seine eigenen systematischen Ansprüche als zu wenig progressiv erachtet hat, lediglich innerhalb der einzelnen Titel des Corpus Iuris Civilis eine selbst bestimmte Ordnung zu wählen (was für sich allein genommen bereits einen bedeutenden Schritt in Richtung einer eigenkonstruktiven Systemschaffung bedeutet hätte), sondern dass er es darüber hinaus gewagt hat, das römischrechtliche System überhaupt in Frage zu stellen, stellt unabhängig von der inneren Wertigkeit seiner Vorstellungen ein durch und durch revolutionäres Unterfangen dar. Jedenfalls ist ein solch tiefgreifender systematischer Versuch, nach Derrers Verständnis das Recht in die wahre Ordnung zu bringen, auf die Zeit und auf den Zustand der Rechtswissenschaft bezogen äußerst bemerkenswert. e) Zwischenergebnis zu Kapitel 5 Nach alledem kann somit festgehalten werden, dass das Derrersche Systemschema nicht nur in der Wahrnehmung der Zeit komplett von der Bücher- und Titelordnung der römischrechtlichen Quellen abweicht. Es löst sich in äußerer Hinsicht vollständig vom vorgegebenen, bis dahin nicht in Frage gestellten Rechtsgefüge. An die Stelle der quellenmäßigen Reihenfolge des Corpus Iuris Civilis tritt im Iurisprudentiae Liber primus eine von Derrer konzipierte, festgelegte und frei gestaltete Neuordnung des Rechts. Insofern ist der Bemerkung Jan Schröders, Derrer sei ein radikaler Freisystematiker,625 jedenfalls in Bezug auf eine Ordnung unter äußeren Gesichtspunkten, voll und ganz zuzustimmen. 625
Vgl. Fn. 605.
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6. Innerer oder äußerer Systementwurf Uneinigkeit bestand in der rechtshistorischen Wissenschaft lange Zeit in der Frage, ob die Systematiker der frühen Neuzeit insgesamt ein Rechtssystem anstrebten, das durch deduktive Ableitung neuer Rechtssätze auch als Erkenntnisquelle dienen konnte, oder ob es ihnen nur um eine bessere Ordnung des Rechtsstoffs zu im weitesten Sinne didaktischen Zwecken gegangen ist. Also nicht um eine bessere materiellrechtliche Erkenntnis, sondern nur um eine bessere Darstellung im Wege eines äußeren Systems.626 Ratjen nennt diese letzteren Reconcinnatoren,627 wörtlich also Juristen, die (das Recht) wieder herrichten. Diese grundlegende Frage stellt sich gerade bei der Arbeitsweise Sebastian Derrers, weil auch er das Recht gleichermaßen systematisieren wie ordnen wollte. Auf die Systematisierung innerhalb der humanistischen Jurisprudenz im Ganzen bezogen, wurden in der Literatur noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterschiedliche Ansichten vertreten. Unter diesen hat sich mittlerweile jene durchgesetzt, die in den systematischen Bestrebungen der humanistischen Jurisprudenz tendenziell das Schaffen eines Systems in äußerer Hinsicht erblickt. Bei der Brisanz, die in dieser Frage zu stecken scheint, geht es indes mehr um eine graduelle Sichtweise der gesamten Problematik als um das Gegenüberstellen zweier diametral auseinander liegender Systemvorstellungen. Gleichwohl werden zur besseren Veranschaulichung beider Ansichten im Folgenden die Termini äußeres bzw. inneres System verwendet, um die unterschiedlichen Vorstellungen besser zu prononcieren. a) Vorüberlegungen Die Annahme, die Humanistenjuristen hätten ein inneres Rechtssystem geschaffen, implizierte auch, dass dieses System aus sich heraus verständlich sein musste, also aus der logischen Explikation seiner Kernsätze.628 Stintzing etwa argumentiert im Sinne eines inneren Systems, wenn er schreibt, dass zentrale Frage sei, ob es gelingen werde, die Synthese zu einem wirksamen Element der wissenschaftlichen Behandlung zu erheben, also die Masse der Einzelheiten zu höherer Einheit zu verbinden, auf Principien zurückzuführen.629 626 627 628 629
Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 25 f. Ratjen, Ordner des Römischen Rechts, S. 279. Viehweg, Topik und Jurisprudenz, S. 44. Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 140.
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In gleicher Weise argumentiert Karl Heinz Burmeister. Er sieht das Neue des humanistischen Reformprogramms in der Forderung nach einem auf vollkommene Deduktion ausgerichteten logischen System, nach dem das Recht rational zu lehren und zu lernen sei.630 Franz Wieacker empfindet die Ordnungsversuche des 16. Jahrhunderts gar als Vorwegnahme der Gründung eines großen Systems des Vernunftrechts und damit auch der heutigen Privatrechtswissenschaft. Er spricht deshalb ganz konkret von einer inneren Systembildung.631 Für Klaus Luig zeigt sich ebenfalls eindeutig, dass die Arbeiten in der frühen Neuzeit der Schaffung eines inneren Systems gedient hätten: Wichtiger in ihren praktischen Auswirkungen sind die Arbeiten an einem inneren System, also an der Methode der zusammenhängenden Darstellung der Rechtsregeln mit Hilfe eines Mechanismus ständiger weiterer dichotomischer Unterteilungen sowie der Aufstellung von abstrakten Definitionen mit Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen anstelle der in den Digesten überlieferten vielen kleinen, nur durch freie Variationen des Sachverhaltes miteinander verbundenen Fälle.632
Auch Erich Döhring geht von einer inneren Systembildung aus, wenn er betont: Man versuchte, besonders seit der Mitte des 16. Jahrhunderts, durch systematische Arbeit in der Jurisprudenz vorwärtszukommen. Der Rechtsstoff sollte nach Gesichtspunkten geordnet werden, die nicht rein äußerlicher Art, sondern dem inneren Wesen der behandelten Gegenstände entnommen waren.633
Vorsichtiger formuliert hingegen Peter Raisch. Er spricht zwar auch von der Entwicklung einer Rechtsordnung mit systematischer Interdependenz spezifischer Art, bilanziert dann allerdings, dass die dichotomische Gliederung des Rechtsstoffs nicht zu inhaltlich neuen Aussagen geführt habe.634 Auch wenn in der Wissenschaft noch ganz vereinzelt der Standpunkt vertreten wird, die Humanistenjuristen hätten ganz konkret ein inneres System des Rechts angestrebt, so ist doch evident, dass die Zahl der Anhänger dieser Sichtweise rückläufig ist. Auf der anderen Seite stehen die Befürworter der heute prädominierenden Ansicht, die in den Ordnungsvorstellungen und Systembemühungen im Privatrecht des 16. Jahrhunderts zwar eine bessere, aber auch nur neue Ordnung des Rechtsstoffs speziell zu Darstellungs- und Lehrzwecken sehen. Diese wenden ein, dass das neue System ein höheres Maß an Erkenntnis 630 631 632 633 634
Burmeister, Studium der Rechte, S. 258. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 164. Luig, Humanismus und Privatrecht, S. 289. Döhring, Geschichte der deutschen Rechtspflege, S. 286. Raisch, Juristische Methoden, S. 61.
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nicht liefere. Als erster ist Jan Schröder zu nennen, der zunächst den italienischen Philosophen und Logiker Jacobus Zabarella mit den Worten zitiert:635 Das Instrument der Lehre, durch das wir fähig sind, die Teile jeder Disziplin so anzuordnen, dass sie so gut und leicht gelernt werden kann, wie irgend möglich.636 Schröder erläutert, dass dem 16. Jahrhundert schon die Begriffe gefehlt hätten, um die propagierten Ordnungsverfahren als Erkenntnismethoden zu verstehen, da die methodische Darstellung dann etwas produziert haben müsste, was auch unabhängig von ihr vorhanden sei.637 Das sei seiner Ansicht nach aber gerade nicht der Fall gewesen, zumal Wissenschaft und Kunst im objektiven Sinne, als Inbegriff, als das Ganze einer Wissenschaft oder Kunst, unbekannt gewesen seien. Diese seien nur habituell, als subjektive Fähigkeiten eines Menschen, gefasst worden.638 Dementsprechend sei das Wort System noch bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur auf Darstellungen, nicht aber auf die unverkörperte innere Struktur angewendet worden.639 Auch deshalb habe im 16. Jahrhundert der Begriff einer inneren Struktur der (Rechts-)Wissenschaft insgesamt gefehlt.640 Schröder führt hierfür auch den französischen Juristen Hugo Donellus an,641 der 1589 in seinen Commentarii argumentiert hat: Was verlangen wir also von jener Komposition [der Digesten und seines eigenen Buchs]? Wenn von den Sachen selbst die Rede ist, verlangen wir gar nichts . . . wenn aber von der Ordnung und Zusammenstellung die Rede ist, verlangen wir alles.642
Als Ergebnis für die fehlende innere Systemabsicht der Humanistenjuristen folgert Schröder hieraus schließlich, dass es Donellus einfach nur um die bessere Darstellung, um die Form, nicht um den Inhalt gegangen sei, zumal auch von der inhaltlich weiterführenden Erkenntnis ihres inneren Zusammenhangs nicht die Rede sei.643 Hinsichtlich der rechtswissenschaftlichen Methode argumentiert er, dass diese im Verständnis des 16. Jahrhunderts gar kein Erkenntnisverfahren, sondern lediglich eine Darstellungstech635
Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 31. Zabarella, Opera Logica, Sp. 154: Ordinem doctrine esse instrumentale habitum, per quem apti sumus cuiusque discipline partes ita disponere, ut quantum fieri possit, optime ac facillime illa disciplina discatur. 637 Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 31. 638 Schröder, Philosophie und Rechtswissenschaft, S. 137. 639 Schröder, Methodenlehre, S. 198. 640 Schröder, Philosophie und Rechtswissenschaft, S. 137. 641 Schröder, Methodenlehre, S. 197 f. 642 Donellus, Commentarii de iure civili, S. 1: Quid ergo in illa compositione desideramus? Si de rebus quaeritur . . . nihil [requirimus] . . . si de ordine & collocatione, requirimus omnia. 643 Schröder, Methodenlehre, S. 198. 636
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nik gewesen sei.644 Er untermauert seine Haltung mit Zitaten von Philipp Melanchthon und Petrus Ramus:645 die Art und Weise, richtig und in der Ordnung zu lehren,646 die Disposition, durch die unter mehreren Dingen das Bekannteste an die erste Stelle gesetzt wird.647 Auch Hans Rudolf Hagemann argumentiert in dieser Art, daß gerade im deutschsprachigen Kulturbereich, der ja der neuen Rechtswissenschaft in jener Zeit noch vorwiegend rezeptiv gegenüberstand, in besonderem Maße das Bedürfnis bestand nach einer übersichtlichen Anordnung des gewaltigen Rechts- und Wissensstoffes, nach einer, allerdings noch in engen Grenzen sich haltenden Systematik, welche die Bewältigung dieses Rechtsstoffes in Schule und Praxis erleichterte. Freilich, eine grundsätzliche Abkehr von der exegetischen Methode der mittelalterlich-scholastischen Jurisprudenz, eine Hinwendung zu einer von der Legalordnung unabhängigen, inneren Systematik lag in diesen beschränkten systematischen Bestrebungen nicht beschlossen.648
Ebenso äußert sich Friedrich Ebel, nach dessen Meinung es die Humanistenjuristen beim didaktischen Akzent belassen hätten.649 Ebels Durchsicht der von humanistischen Denkern entworfenen Systemmodelle hat ergeben, dass deren systematisches Bemühen nie darauf abgezielt habe, ein explizites System zu entwickeln, das als deduktiver Mechanismus funktionierte. Sie hätten sich, angeleitet von ihrem historisch-philologischen Studium, lediglich bemüht, den Stoff zu ordnen.650 Ebel argumentiert weiter, dass die Systementwürfe der Humanistenjuristen nur dem Memorieren und Verstehen gedient hätten,651 Begriffe wie methodus, ordinatio, ars oder syntagma seien also nicht als ein dem Recht selbst innewohnendes, intelligibles System verstanden worden, sondern maßgeblich sei allein die Art der Darstellung zu Erkenntnis- und Lernzwecken gewesen.652 Schröder zufolge ist naturgemäß nicht auszuschließen, dass das Durcharbeiten des Stoffs auch neue Sacherkenntnisse zutage gefördert habe, doch das widerspreche keineswegs der zu Grunde liegenden, vor allem methodisch orientierten Haltung der Humanistenjuristen.653 Aldo Mazzacane schließt sich ebenfalls der Meinung an, dass die humanistische Jurisprudenz 644
Schröder, Methodenlehre, S. 192. Schröder, Methodenlehre, S. 192. 646 Melanchthon, De Dialectica, S. 162: Rationem recte atque ordine docendi. 647 Ramée, Dialectique, ed. Dassonville, S. 144: Disposition par laquelle entre plusieurs choses la première de notice est disposée au premier lieu. 648 Hagemann, Jurisprudenz und Rechtsleben, S. 41. 649 Ebel, Legaldefinitionen, S. 91. 650 Ebel, Legaldefinitionen, S. 84. 651 Ebel, Legaldefinitionen, S. 85. 652 Ebel, Legaldefinitionen, S. 86. 653 Schröder, Methodenlehre, S. 188. 645
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nur ein äußeres System geschaffen habe. So gebe der Begriff der Methode in der humanistischen Jurisprudenz gerade die Arten und Weisen an, nach welchen diese Disziplin in der zweckmäßigsten Reihenfolge erläutert und gelernt werden kann. Sie [die Methode] stellt die Verfahren zur Verfügung, mit Hilfe derer die Begriffe den passenden untereinander koordinierten loci zugeordnet werden. Die methodus iuris des sechzehnten Jahrhunderts will vor allem die ciceronische Regel befolgen: ius in artem redigere.654
Eine vermittelnde Position scheint zunächst Hans Erich Troje einzunehmen, wenn er davon ausgeht, dass sich die Gelehrten des 16. Jahrhunderts unter der Devise des ordo iuris bemüht hätten, die Rechtsordnung insgesamt entweder als vorgegeben anzuerkennen oder sie als aufgegeben zu betrachten und sie deshalb neu zu konstruieren.655 Allerdings tendiert auch Troje im Ergebnis eher zu den Anhängern einer äußeren Systematik, wenn er ausführt: . . . sie [die Juristen des 16. Jahrhunderts] wollten nichts grundsätzlich Neues, nicht Abbruch und rationellen Neubau, sondern Renovierung im alten Gemäuer. Noch einmal, stellvertretend für viele, Konrad Lagus: Sein offenes Geheimnis, seine Stärke, ist gerade das konsequente und den Vorgängern kongeniale Weiterschreiten in der von Justinian gewiesenen Richtung: Zusammenführen zerstreuter Materien, Ausscheiden des Abgestorbenen, Angliedern des bisher Vergessenen oder neu Entstandenen am geeigneten Orte, feineres Untergliedern, Entwickeln allgemeiner Lehren zu einzelnen juristischen Phänomenen.656
Außerdem spricht Troje an anderer Stelle von den angeblich freien Systemen, zum mindesten des 16. Jhdts.657 und davon, dass vor allem die Systemideologie des 19. Jahrhunderts die humanistische Jurisprudenz im Hinblick auf deren systematische Richtung überschätzt habe.658 Überhaupt scheint er die systematischen Aktivitäten humanistischer Juristen für vergleichsweise belanglos zu halten: Die Systembemühungen des 16. Jhdts. sind, wie mir scheinen will, sekundär, peripher, ohne Zentrum und durchgehende Linie. Die großen systematischen Werke dieser Zeit sind nicht Brutstätten, sondern Sammel- und Aufmarschplätze neuer wie alter juristischer Konzeptionen.659
Auch wenn innerhalb der heutigen rechtshistorischen Forschung Standpunkt überwiegt, wonach die Humanistenjuristen insgesamt ein äußeres Rechtssystem zur besseren Darstellung und Veranschaulichung Rechtsstoffs intendiert haben, so liegt die Brisanz dieser Fragestellung 654 655 656 657 658 659
Mazzacane, Methode und System, S. 130. Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 741. Troje, Wissenschaftlichkeit und System, S. 77. Troje, Wissenschaftlichkeit und System, S. 76. Troje, Literatur des gemeinen Rechts, S. 741. Troje, Arbeitshypothesen, S. 541 f.
der nur des ge-
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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rade darin begründet, dass dieses Resümee angesichts der Vielzahl des seit dem 16. Jahrhundert produzierten Rechtsstoffs eben nur im Grundsatz zu ziehen ist. Schon wegen der Masse der Texte – ob im Einzelfall von Qualität oder nicht, sei dahingestellt – kann nicht jeder Entwurf von vornherein als ein nur rein äußerer bewertet werden. In Bezug auf das exorbitant schnelle Anwachsen des Rechtsstoffs insgesamt kommt etwa Hans Erich Troje zu folgendem Ergebnis: Die Zahl der mittelalterlichen juristischen Schriften ist relativ klein und absehbar begrenzt . . . Im 16. und 17. Jhdt. dagegen findet der Rechtshistoriker unendlich viele unbekannte. Seit 1500 ist auch in der Wissenschaft vom Recht in Jahrzehnten mehr als zuvor in Jahrhunderten geschehen und geschrieben worden. Gelehrte und Ungelehrte, Aufgeregte und Abgeklärte, Mutige und Feige, Zuversichtliche und Skeptiker, Angehörige aller Nationen, haben mehr gedacht und gesagt als je zuvor. Von dem Aufgeschriebenen ist in Drucken und Handschriften so viel erhalten, daß jede beliebige Einstellung sich wird belegen lassen.660
Hinzu kommt die eingangs erörterte Problematik, dass es sich hierbei mehr um eine graduelle Sichtweise als um die Gegenüberstellung zweier fundamentaler Systemgegensätze handelt. Im Grundsatz leuchtet es allerdings ein, dass die Juristen der humanistischen Jurisprudenz in erster Linie ein Rechtssystem angestrebt haben, das eine gewaltige Stoffmenge zunächst verarbeitbarer gemacht hat. Nicht nur das Studium und die perfekte Beherrschung des Corpus Iuris Civilis selbst waren sehr aufwändig. Auch das Erarbeiten der bis in das 16. Jahrhundert ins Riesenhafte angewachsenen Sekundärliteratur in Form von Glossen, Kommentaren und Konsilien bereitete viel Mühe. Insofern ist es plausibel, dass diese Juristen erst einmal damit ausgelastet waren, all das zu analysieren und in ein zunächst nur ordnungstechnisches System zu bringen. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Humanistenjuristen in aller Regel Universitätsprofessoren gewesen sind, gerade ja auch Sebastian Derrer. Sie müssen schon aus didaktischen Gründen größtes Interesse daran gehabt haben, den Studenten das als verbindlich geltende Corpus Iuris Civilis so anschaulich, strukturiert und logisch wie möglich zu präsentieren. Somit sahen die Juristen der frühen Neuzeit ihre Ordnungsmethoden im Grundsatz eher als Wegweiser zu schon vorhandenen Erkenntnissen, weniger zur Entdeckung gänzlich neuer Rechtswahrheiten. Ihnen scheint es im Ergebnis primär um eine bessere Darstellung und Ordnung gegangen zu sein, um den gewaltigen Rechtsstoff den Studenten verfügbar zu machen. Auch ist zu bedenken, dass im 16. Jahrhundert die Rezeption des römischen Rechts gerade abgeschlossen war und die Juristen somit alle Hände voll zu tun hatten, sich diesen immensen Fundus mitsamt Glossen und Kommenta660
Troje, Arbeitshypothesen, S. 552.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
ren erst einmal anzueignen, anstatt sofort neue Erkenntniswege und Ergebnisse zu deduzieren. b) Derrers System Geht man von dieser Prämisse aus, würde sich die Frage nicht stellen, ob Sebastian Derrer nicht nur ein äußeres, sondern auch inhaltlich ein neues System geschaffen hat. Werden indes die Äußerungen mehrerer Vorwortautoren im Iurisprudentiae Liber primus und von Derrer selbst analysiert, wird deutlich, dass sein Werk in ihren Augen zusammengefasst für eine nova iurisprudentia steht und Derrer deshalb zu Recht als novator schlechthin anzusehen ist. Möglicherweise sind diese Bekundungen nicht nur darauf zu beziehen, dass sich Derrer von der althergebrachten Quellenordnung löst, sondern sie könnten auch dafür stehen, dass er spezifisch neue Rechtssätze und -wahrheiten geschaffen hat. Allerdings gilt auch hier, dass den Vorwortautoren zum Liber primus, die sich zum Teil sehr pathetisch zu Wort melden, nur unter Vorbehalt Glauben zu schenken ist. Trotz der überwiegenden Meinung innerhalb der forschungsrelevanten Literatur, dass aus der Sicht der Vertreter der humanistischen Jurisprudenz die Zeit für gänzlich neue Rechtswahrheiten noch nicht reif gewesen sei,661 ist bei der Betrachtung der Derrerschen Systematik nicht ohne Weiteres zu erkennen, dass es ihm nicht auch um die Deduktion bisher unbekannter Axiome gegangen sein soll. In diesem Zusammenhang äußerst bedeutsam ist etwa seine Aussage am Ende seines prooemiums, wonach das gegenwärtige Vorhaben unter anderem auf inneren bzw. innen liegenden Gründen (intrinsecis causis) fuße, aus denen durch die Ordnung der Disziplin die ganze Rechtswissenschaft hervorgehen möge.662 Einerseits ist in dieser Aussage erneut Derrers Streben nach einer nur besser darzustellenden Ordnung zu erkennen. Andererseits könnte gerade in dieser Bezugnahme auf die intrinsecis causis aber auch ein Anhaltspunkt darin zu sehen sein, dass seiner Iurisprudentia zudem ein nach heutigem Verständnis spezifisch neue Rechtswahrheiten deduzierendes System zu Grunde liegt. Indes ergibt eine Untersuchung seines Systems selbst unter diesem Blickwinkel keine Hinweise auf das gezielte Vorhaben, auch ein solches Rechtssystem zu schaffen. Exemplarisch veranschaulichen und bekräftigen lässt sich dies, wenn man innerhalb seines Systemschemas den Bereich der ingenui heranzieht. Was auf den ersten Blick wie eine erkenntnisschaffende Neugestaltung aussieht, weil die Institutionen lediglich die nativitas, nicht aber die von Derrer auf gleicher Ebene angeordnete restitutio natalium ken661 662
Vgl. etwa Schröder, Ordnungsvorstellungen, S. 36 f. Vgl. Fn. 414.
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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nen, erweist sich beim eingehenden Betrachten als geschickte Verknüpfung der Rechtsinstitute und -probleme von Institutionen, Digesten und Kodex. Der Rechtsstudent am Anfang seines Studiums konnte damit nur die gesetzesübergreifenden Probleme schneller und strukturierter erfassen, die in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen, aber er konnte nicht gänzlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse ableiten. Dennoch gilt diese Feststellung für Derrers Systematik weder durchgehend noch uneingeschränkt. So zählt er etwa die bereits alttestamentlichen geprägten manseres zu den naturales illegitimi und die in ihrer Terminologie mittelalterlich geprägten homines proprii zu den ingenuis deteriores. Bei den Erstgenannten verarbeitet er ein vor allem kanonisch relevantes Rechtsinstitut, bei den Letztgenannten gliedert er einen den Umständen der Zeit angepassten Problembereich ein. Letztendlich bilden beide Personengruppen aber ebenfalls nur einen von mehreren Gliederungspunkten, die im Grundsatz jedenfalls dem römischen Recht und hier vor allem den Institutionen entnommen sind. Dass Derrer bei den beiden genannten Personengruppen ausnahmsweise und dezent neue Ansätze inhaltlicher Art aufzeigt, ist gleichwohl in diesem Zusammenhang zu betonen; dies vor allem deshalb, weil es im Kontext seiner gesamten Arbeitsmethodik keinesfalls als Selbstverständlichkeit anzusehen ist, dass er ganz vereinzelt auch in inhaltlicher Hinsicht Rechtserkenntnisse gewinnt, die als solche den einzelnen Quellen nicht ohne Weiteres immanent sind. Damit enthalten seine Systemvorstellungen Elemente, die andeutungsweise und ganz punktuell über eine äußere Ordnung hinausgehen. c) Zwischenergebnis zu Kapitel 6 Der zentrale Impetus der vorliegenden Arbeit und von Derrers Arbeitsweise insgesamt ist somit ganz vorrangig in einer besseren Darstellung und Ordnung des gewaltigen Rechtsstoffs zu sehen, um diesen in erster Linie leichter verfügbar und begreifbar zu machen, als das bisher mit einer gänzlich unsystematisierten und sich ausschließlich an der Legalordnung orientierenden Rechtswissenschaft geschehen ist. Dem Liber primus liegt demzufolge im Grundsatz eine äußere Stoffanordnung zu Grunde. Zugleich erweist sich Derrer damit als typischer Vertreter der humanistischen Jurisprudenz. Schlussendlich ist zu bedenken zu geben, dass Derrer durch seinen Modus Operandi gleichwohl auch vereinzelt zur Klärung von inneren Sachzusammenhängen beigetragen hat. Denn auch eine Ordnung und Systematisierung unter äußeren Gesichtspunkten dient im Rahmen einer graduellen
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Entwicklung letztendlich dazu, Begriffe, Definitionen und Standpunkte nicht nur deutlich zu machen, sondern gerade auch im jeweiligen Kontext zu thematisieren und so nicht nur als Einzelproblem innerhalb eines Rechtssystems, sondern umfassend vor Augen zu führen. Insofern trägt Derrers äußeres System – zumindest in ganz bescheidenem Umfang – auch eine innere Werthaltigkeit in sich. 7. Ergebnis zu Kapitel VI Das von Sebastian Derrer entworfene und seinem Iurisprudentiae Liber primus vorangestellte Systemschema einer abschließenden Beurteilung zu unterziehen, ist angesichts dessen Diversität sowie der damit zusammenhängenden Problematik keineswegs einfach. Unabhängig von Qualität und wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn seiner Systemansätze ist es Derrer zunächst und vor allem anderen hoch anzurechnen, dass er versucht hat, eine quellenunabhängige, leichter erlernbare Ordnung zu schaffen. Vom ersten Gliederungspunkt der iurisprudentia an lässt sich feststellen, dass es ihm mit Hilfe der dihairetischen Methode gelang, sich vom althergebrachten ordo iuris römischrechtlicher Prägung zu lösen. Diese Vorgehensweise durchzieht nahezu das gesamte Systemschema, auch wenn Hans Winterberg in diesem Zusammenhang etwas zu pauschal von einem leeren Schema ohne neuen materialen Gehalt663 spricht. Was bei der Aufspaltung der iurisprudentia in innerer Hinsicht gleichwohl als mangelnder Erkenntnisgewinn zu bewerten ist, ist in äußerer Hinsicht hingegen als eindeutig positiv herauszuheben: die klare Trennung der Rechtsquellen vom materiellen Recht. Was das römische Recht und hier vor allem die Institutionen noch nicht klar zu leisten imstande sind, gelingt Derrer in seinem Systemschema in Form des ius sowie des iuris obiectum ganz offenkundig. Als wohl erster deutscher Systematiker trennt er deutlich zwischen diesen beiden Bereichen. Auch innerhalb des Personenrechts kommt Derrer als Folge des von ihm intendierten zusammenhängenden Systems nicht umhin, bereits Bekanntes mit neuen Termini darzustellen. So konstruiert er seine drei elementaren Säulen des Personenrechts, den personae status, die personae conditio sowie die personae defensio, um ein in sich kohärentes System zu erhalten. Dass er damit die bekannten Begriffspaare alieni iuris – sui iuris, ingenui – 663
Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 27. Allerdings scheint sich Hans Winterberg mit den Systemvorstellungen von Sebastian Derrer nicht tiefergehend beschäftigt zu haben. So gibt er irrtümlicherweise an, Derrer habe bereits seinem Liber primus das Schema des Gesamtwerks vorangestellt, was ersichtlich nicht der Fall ist. Vgl. Fn. 762.
VI. Rechtswissenschaftlicher Systementwurf
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ingenuis deteriores sowie tutela – cura in ein und dasselbe System einfügt und auf jeweils grafisch kongruenter Ebene gegenüberstellt, bedeutet keinen Systematisierungsgewinn. Zur besseren Veranschaulichung wäre dies systematisch ohnehin nicht erforderlich gewesen. Hinzu kommt die insgesamt nicht durchweg gegebene Stringenz seiner Arbeitsweise. Abschließend stellt sich die Frage, ob es zur besseren und strukturierteren Rechtsdarstellung überhaupt eines solchen Systemschemas bedurft hätte. Angesichts der sieben Gliederungsebenen, die Derrer zur systematischen Darstellung seiner dem Liber primus zu Grunde liegenden Rechtsvorstellungen verwendet hat, erscheint die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens jedenfalls aus heutiger Sicht fragwürdig, sämtliche zur Verfügung stehenden Rechtsbereiche bzw. -institute in ein einziges, fortlaufendes Schema zu pressen. Zumindest aus der Sichtweise Sebastian Derrers und der systematischen Vertreter innerhalb der humanistischen Jurisprudenz gab es hingegen durchaus nachvollziehbare Gründe hierfür. Zum einen muss es einer regelrechten Befreiung gleichgekommen sein, sich von einem Quellenordo gelöst zu haben, den es über Jahrhunderte hinweg nicht in Frage zu stellen galt. Dass aus Verschlossenheit und blindem Quellengehorsam heraus, gleichsam aus dem einen Extrem sogleich in das andere Extrem – im vorliegenden Fall also in eine nach heutigen Maßstäben durchaus zu konstatierende Vollsystematisierung – übergegangen worden ist, ist aus diesem Blickwinkel durchaus nachvollziehbar. Zum anderen dürfte speziell im Fall von Sebastian Derrer die seiner philosophischen Ausbildung zu Grunde liegende Präferenz zur Darstellung methodischer Systeme eine ganz ausschlaggebende Rolle gespielt haben. So charakterisiert Franciso Carpintero speziell dessen Modus Procedendi als von konzeptueller, fast mathematischer Rigorosität.664 Auch Aldo Mazzacane misst in diesem Zusammenhang den Bemühungen Derrers auf philosophischer Grundlage große Bedeutung bei: Die philosophischen Institute galten für Derrer als fundamentale methodologische Erfahrung, die ihm halfen, das obiectum certum zu definieren und herauszuarbeiten, um die juristische Wissenschaft den anderen Disziplinen gleichzustellen. . . . Genau darin lag der Sinn der Hochschätzung für eine enzyklopädische Darstellung der Wissenschaften – ein notwendiger Horizont für einen Juristen, der sich nicht vom Fortschritt der Kultur isolieren wollte, sondern gerade im Gegenteil aus der Erfahrung der Beziehungen mit anderen Disziplinen Ideen und methodische Lehren für seine unabhängigen Überlegungen aufgreifen wollte.665 664 Carpintero, Mos italicus, mos gallicus y el Humanismo racionalista, S. 158: . . . el rigor conceptual – casi matemático . . . 665 Mazzacane, Scienza, logica e ideologia, S. 38: I „philosophica instituta“ valevano infatti per Derrer come esperienza metodologica fondamentale, che lo aveva aiutato a discernere e definire l’obiectum certum“ della scienza giuridica, „al pari
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Da die philosophische Methode der Dihairese, die Derrer zu seinem überragenden Gliederungsprinzip gemacht hat, nur dann sinnvoll ist, wenn zur vollständigen Differenzierung im Wege vieler verschiedener Gliederungsebenen vorgegangen wird, so hatte er im Grunde genommen nicht viel mehr als die von ihm gewählte Option zur Verfügung. Dass er daraus ein zusammenhängendes System konstruierte, konnte aus seiner Sicht nur konsequent sein.
VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils Als weiteren Schwerpunkt untersucht die vorliegende Arbeit den Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus. Zum einen wird der äußere Aufbau erläutert, zum anderen die Einarbeitung des voranstehenden Systemschemas in den materiellen Teil des Werks. Überdies werden die Hauptbereiche des Darstellungsteils inhaltlich kurz aufgezeigt, die teilweise allerdings im Rahmen der Analyse des Derrerschen Systemschemas bereits Behandlungsgegenstand gewesen sind. 1. Äußerer Aufbau Beim Analysieren des äußeren Aufbaus von Derrers Erstlingswerk steht vor allem der Gedanke der Gliederungskontinuität im Vordergrund. Primär geht es also um die Frage, welche Art der Einteilung und Gliederung Derrer zur Grundlage des Darstellungsteils macht. Dabei lassen beispielsweise zwei außerordentlich detaillierte Inhaltsverzeichnisse deutlich darauf schließen, dass dieser Teil des Liber primus im Hinblick auf Struktur und Übersichtlichkeit ebenfalls neue Wege beschreitet. a) Einteilung in Titel Derrer gliedert seinen Liber primus in insgesamt 51 Titel,666 die er dann in einzelne Abschnitte unterteilt. Innerhalb der Titel teilt er jedem Abschnitt delle altre Discipline“. . . . Questo era anche il senso dell’apprezzamento per l’enciclopedia delle scienze, orizzonte necessario per un giurista che non volesse isolarsi dal progresso della cultura, ma che intendesse al contrario trarre dall’esperienza di relazione fra discipline diverse spunti ed insegnamenti metodici per la sua autonoma meditazione. 666 Nach heutigem Verständnis wäre wohl eher von Kapiteln zu sprechen. Möglicherweise wollte Derrer durch die Bezeichnung titulus einen textnahen Bezug zu den römischrechtlichen Quellen herstellen. Immerhin war auch bei den Juristen der
VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils
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eine fortlaufende Nummer zu, so dass er mit den genauen Angaben von Titeln und Abschnittsnummern eine sehr präzise Gliederungsstruktur erreicht. Hinzu kommt eine auch in der Mitte des 16. Jahrhunderts noch nicht selbstverständliche Paginierung von Seite 1 bis Seite 177. Die diversen Vorworte und die Indices paginiert er allerdings nicht. Ein einzelner Absatz besteht in aller Regel aus ein bis zwei, gelegentlich auch aus mehreren Sätzen, die meist in kurzer und prägnanter Form Aussagen über die jeweils abzuhandelnde Thematik treffen. Mit dem Ziel einer besseren Veranschaulichung und Einprägsamkeit fasst Derrer auf den Seiten mit geraden Seitenzahlen das eben Erörterte rechts vom Textbereich schlagwortartig zusammen, auf den Seiten mit ungeraden Seitenzahlen links davon. Jeweils umgekehrt – bei Seiten mit gerader Seitenzahl also neben dem linken Textbereich, bei Seiten mit ungerader Seitenzahl neben dem rechten – gibt er die entsprechende Quelle oder Belegstelle an, die er für seine Ausführungen herangezogen hat, beispielsweise etwa einen Institutionentitel. Darauf macht er im Text selbst an der betreffenden Stelle, einem Fußnotenzeichen ähnlich, mit einem Hochbuchstaben aufmerksam. Diese werden für jeden Titel nicht numerisch, sondern jeweils alphabetisch fortgeführt. Für die 51 Titel verwendet Derrer insgesamt 876 Abschnitte. Das bedeutet, dass auf jeden Titel im Durchschnitt gut 17 Abschnitte entfallen. Exakt 17 Abschnitte lang ist jedoch nur einer von ihnen (Titel 39 De excusatione Tutorum). Bei den anderen Titeln differieren die Längen zum Teil erheblich. So erstreckt sich der nach Abschnitten längste Titel De Iure Communi, seu Legibus & Constitutionibus (Titel 7) auf insgesamt 58 Abschnitte, das sind knapp zehn Seiten, während die beiden kleinsten Titel – De Personarum conditione (Titel 21) und De Fideiussoribus Tutorum (Titel 47) – nur je drei Abschnitte umfassen und so weniger als eine ganze Seite lang sind. Leuchtet diese Kürze im Rahmen einer knappen Einführung in das Recht der personenrechtlichen conditio noch ein, so stellt sich bei der Vormundbürgschaft hingegen die Frage, ob hierfür tatsächlich ein eigener Titel erforderlich gewesen war. Derrer hätte dieses Themenfeld auch in einen anderen Kontext der Vormundschaft integrieren können, die er in insgesamt 21 Titeln ausgesprochen detailliert behandelt. Die Erstausgabe des Darstellungsteils aus dem Jahre 1540 hätte an einigen Stellen durchaus etwas sorgfältiger gegliedert werden können. So fällt schon in Titel 1 auf Seite 6 eine Nummerierungslücke auf, weil hier die Nummer 3 zur Bezeichnung des dritten Abschnitts offensichtlich vergessen wurde. Dennoch werden die folgenden Abschnitte des Titels 1 korrekt gehumanistischen Jurisprudenz in Gliederungsfragen wie der vorliegenden der Terminus pars bzw. caput gängig.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
zählt. Schwerer hingegen wiegen die Fehler beim Zählen der Abschnitte, die einen Titel komplett durchziehen. So wird etwa in Titel 45 der dem siebten Abschnitt folgende Abschnitt erneut als Nummer 7 gezählt mit der Folge, dass fortan bis zum Ende des Titels falsch nummeriert wird. Auch im Bereich der Hochbuchstaben zu den Quellenverweisen finden sich in gleich drei Titeln Gliederungsfehler. So müsste in Abschnitt 29 von Titel 4 anstatt des Hochbuchstabens h ein i folgen. Dieser Fehler durchzieht den gesamten Titel, so dass alle folgenden Belegstellen einen Buchstaben weiter zu zählen sind. In Abschnitt 12 von Titel 19 wurde der Hochbuchstabe n gar vergessen und in Abschnitt 7 von Titel 31 wird plötzlich rückwärts gezählt. Anstelle des Hochbuchstabens g müsste dort ein i folgen. Hinzu kommt, dass zu diesem Buchstaben kein Quellenverweis existiert, so dass dieser grundlos gesetzt worden ist. Trotz dieser äußeren Schwächen, die wohl mehr drucktechnische als konzeptionelle Ursachen haben, ist die Übersichtlichkeit im Iurisprudentiae Liber primus stets gegeben. Selten findet man ein Werk dieser Zeit, das ähnlich präzise strukturiert und gegliedert ist. Selbst in den Werken eines Ulrich Zasius etwa sucht man eine derart ausgeprägte äußere Ordnung vergebens.667 Deutlich zu erkennen ist das Bemühen Derrers, durch eine möglichst detaillierte Einteilung in Titel und Abschnitte eine klare und durchgängige Gliederungsstruktur zu schaffen. Seine dabei regelmäßig verwendeten und angegebenen Belegstellen in Form von Quellenverweisen auf der einen wie auch seine schlagwortartige Zusammenfassung des jeweiligen Abschnitts auf der anderen Randseite zeugen davon. In äußerer Hinsicht jedenfalls knüpft er damit an die ordnungstechnischen Grundprinzipien seines Systemschemas an. b) Verzeichnisse Darüber hinaus bietet Derrer dem Leser seiner Iurisprudentia am Ende seines Werks zwei jeweils äußerst detailliert aufgeschlüsselte Verzeichnisse. Den ersten Index bezeichnet er als Tituli sive tractatus primi Libri Iurisprudentiae.668 Auf drei Seiten schlüsselt er darin in alphabetischer Reihenfolge alle Schlagworte auf, die in den 51 Titelüberschriften von Band I relevant sind. Die Gesamtzahl aller Indexeinträge entspricht dabei exakt der Anzahl der vorhandenen Titel, so dass jeder Titel nur ein Mal aufgeschlüsselt wird. 667 Vgl. etwa dessen Intellectus Singulares von 1526. In diesem Werk findet man sich auf den ersten Blick weit weniger gut zurecht als im Iurisprudentiae Liber primus, auch wenn Zasius durchaus ordnungstechnische Akzente setzt wie Randbemerkungen oder einen ausführlichen Index. 668 Fol. Z v. Etwa: Titel oder Kapitel von Iurisprudentiae Liber primus.
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Im Vordergrund steht hier das gezielte Auffinden von Titelüberschriften mit Hilfe eines reinen Titelverzeichnisses. Demzufolge sind an dieser Stelle nur mittelbar Stichwörter aus dem laufenden Text zu eruieren. Auffällig ist, dass Derrer im Gegensatz zum zweiten, wesentlich ausführlicheren Inhaltsverzeichnis hier statt einer Seitenzahl lediglich die jeweilige Titelnummer angibt, aus der die entsprechende Fundstelle jedoch nicht sofort abzulesen ist. Der zweite Index, der die Überschrift Locorum omnium singularium, scituque ac notatu dignorum Libri primi Iurisprudentiae, per Titulos, Axiomata, paginasque perpulchre digestorum, Index copiosissimus trägt,669 ist außergewöhnlich detailreich verfasst und geht so über das bis dahin gekannte Maß an Indexübersichtlichkeit weit hinaus. Wie von Derrer in der Intitulation bereits angedeutet, schlüsselt er auf insgesamt 35 Seiten Punkt für Punkt jedes in seiner Iurisprudentia erwähnte bzw. erörterte Rechtsproblem auf. Dadurch kommt er auf nicht weniger als insgesamt 1082 Indexeinträge (!) allein für den Liber primus, was durchschnittlich 21 Einträge pro Titel bedeutet und damit eine optimale Transparenz ermöglicht. Dabei geht er sehr ausgeklügelt und fast schon akribisch vor. Derrer belässt es nämlich nicht nur bei einem einzigen Stichwort, sondern gliedert dieses Stichwort in aller Regel in einen vollständigen Satz ein. So erscheint das Stichwort tutor beispielsweise insgesamt 66 Mal alphabetisch geordnet in einem unterschiedlichen Kontext,670 etwa • Tutor constituet salaria praeceptoribus, & alimenta servis.671 • Tutor datus ab extraneo qualiter confirmetur.672 • Tutor debet facere inventarium, & quid praetera.673 • Tutor quid ex rebus Pupilli agere debeat.674 Wie dieses Exempel zeigt, wird die exakte Indexrecherche deutlich vereinfacht, weil das in einem bestimmten Zusammenhang gesuchte Stichwort dank der jeweils unzweideutigen Abgrenzbarkeit wesentlich schneller zu 669 Fol. Z 3 r. Etwa: Durch Erfahrung und Kenntlichmachung sehr ausführliches Verzeichnis aller bedeutenden Einzelstellen von Iurisprudentiae Liber primus; nach Titel, Grundaussagen und Seiten überaus schön geordnet. 670 In dieser Aufzählung sind die verschiedenen grammatikalischen Flexionsformen wie tutoris, tutori oder tutores bereits berücksichtigt. 671 Fol. Dd 3 r. Etwa: Der Vormund soll für die Lehrer das Gehalt, für die Sklaven den Unterhalt festsetzen. 672 Fol. Dd 3 r. Etwa: Auf welche Weise ein bestellter Vormund von einem anderen bestätigt wird. 673 Fol. Dd 3 r. Etwa: Der Vormund muss ein Vermögensverzeichnis erstellen und was sonst noch damit zusammenhängt. 674 Fol. Dd 3 r. Etwa: Was der Vormund mit dem Vermögen des Mündels tun muss.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
finden ist als in einem herkömmlichen Inhaltsverzeichnis. Hinzu kommt, dass Derrer nicht nur den entsprechenden Titel, sondern in zwei weiteren Tabellenspalten auch die Seitenzahl und sogar die genaue Abschnittsnummer des gesuchten Stichwortes angibt. Damit liefert er dem Leser pro Stichwort gleich drei Wege, dieses zu finden. Das ergibt bei 1082 Indexeinträgen also stattliche 3246 Fundstellen. Vor diesem Hintergrund komplettieren, ja perfektionieren beide Inhaltsverzeichnisse die analytische Denk- und Arbeitsweise Sebastian Derrers. Zudem wird auch hier deutlich, dass sein Ordnungs- und Strukturdenken über materiellrechtliche Aspekte hinaus zentraler Ansatzpunkt seines Schaffens und Wirkens gewesen ist. 2. Innerer Aufbau Neben der Analyse der Schwerpunkte, die Sebastian Derrer inhaltlich setzt, steht im Fokus des inneren Aufbaus des Iurisprudentiae Liber primus vor allem die Frage, inwiefern es ihm gelingt, das seiner Iurisprudentia vorangestellte Systemschema in den Darstellungsteil seines Werks selbst einzuarbeiten und es als dessen Grundlage vorauszusetzen. Zuletzt erfolgt ein kurzer Überblick über die wesentlichen Inhalte sowohl des ius- als auch des iuris-obiectum-Bereichs. Da Derrer hier inhaltlich allerdings kaum neue Standpunkte und Positionen bezieht, sondern im Grundsatz lediglich gelehrtes Wissen rezipiert, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu. a) Konnexität von System und Darstellungsteil Ausgehend von der Prämisse, dass Derrer sein System – in welcher Form auch immer – als Basis für den Iurisprudentiae Liber primus verwendet hat,675 wäre zu erwarten, dass sich die Titelfolge des Darstellungsteils exakt an den Vorgaben des Systemschemas orientiert. Bereits im Hinblick auf die von Derrer selbst mehrfach geäußerte Intention, das Werk vornehmlich auf die Bedürfnisse der studentischen Anfangssemester ausrichten zu wollen, würde sich ein solches Vorgehen wegen der dann gegebenen guten Überschaubarkeit besonders anbieten. Allein dem ist – jedenfalls im Hinblick auf die punktgenaue Einarbeitung der einzelnen Systembausteine – nicht so. Bereits die Überschrift von Titel 1 De Iustitia, Iure, et Iurisprudentia macht deutlich, dass Derrer ganz offensichtlich dem von ihm systematisch eingeschlagenen Weg nur im Grundsatz folgt. Diesen nachzeichnend, hätte 675 Vgl. die seinem Systemschema vorangestellte Überschrift Capitum Primi Libri Iurisprudentiae. Digestio, auch wenn diese, wie bereits festgestellt werden konnte, nicht als konkretes Inhaltsverzeichnis des Iurisprudentiae Liber primus zu verstehen ist. Vgl. Fn. 400.
VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils
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er dem ersten Titel allein die Iurisprudentia zuordnen müssen, Titel 2 das Ius, Titel 3 das Ius divinum und so weiter.676 Dennoch lassen etliche Titelüberschriften des Liber primus deutliche Parallelen zu Derrers System erkennen. So enthält die erste Titelüberschrift wenigstens zwei Termini, ius und iurisprudentia, die in umgekehrter Reihenfolge auch den Anfang des Derrerschen Systems bilden. Die iustitia hingegen erfährt darin gar keine Beachtung. So stellt sich umso mehr die Frage, inwieweit System und Darstellung des Liber primus planmäßig korrespondieren und welche innere Struktur Derrer dem nach Titel geordneten Darstellungsteil zu Grunde legt. Erst nach einem Blick auf die gesamte Titelstruktur der Arbeit lässt sich eine ganzheitliche Aussage über die genaue Systematik der Zusammenführung von System und Darstellung treffen. Sebastian Derrer hat den Stoff, den er erörtern will, auf die 51 Titel seines ersten Bands folgendermaßen verteilt: Titel 1:
De Iustitia, Iure, et Iurisprudentia
Titel 2:
De Iure Divino
Titel 3:
De Iure Naturali
Titel 4:
De Consuetudine
Titel 5:
De Privilegiis
Titel 6:
De Statutis
Titel 7:
De Iure Communi, seu Legibus, & Constitutionibus
Titel 8:
De Obiecto Iuris Communis, atque speciebus eiusdem Obiecti Iuris
Titel 9:
De Iure Personarum
Titel 10: De Servili Conditione Titel 11: Quibus Modis Servi a Potestate Dominorum liberentur Titel 12: De Manumißione Servorum Titel 13: De Statu Liberis Titel 14: Qui, Et A quibus Manumissi Liberi non fiant Titel 15: De patria potestate Titel 16: De Adoptione in Genere, & Arrogatione, quae autoritate Principis fit Titel 17: De Adoptione in Specie, quae Imperio Magistratus fit Titel 18: Communia Arrogationis & Adoptionis Titel 19: Quibus Modis Ius Patriae Potestatis dissolvatur 676 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.2.b), zu Derrers Systemschema nach heutiger Gliederungseinteilung.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Titel 20: De Iis, Qui sui Iuris sunt Titel 21: De Personarum conditione Titel 22: De Ingenuis Titel 23: De Libertinis, & eorum obsequijs Titel 24: De operis Libertorum Titel 25: De Alimentis per Patronum & Libertos invicem praestandis Titel 26: De Successione Patronorum in bonis Liberti Titel 27: De Adimenda Libertate ingratis Titel 28: Quibus Modis Ius patronatus finiatur Titel 29: De Ascriptitiis, Censitis, Conditionalibus, atque Originariis Colonis Titel 30: De Tutelis Titel 31: De Testamentaria Tutela Titel 32: De confirmandis Tutoribus Titel 33: De Legitima Tutela Titel 34: De Dativa Tutela Titel 35: De Iis, Qui Minoribus Tutores petere debent Titel 36: De Dativi Tutoris conditionibus Titel 37: Quibus Observationibus, delata Tutela subeunda sit Titel 38: De Satisdatione Tutorum Titel 39: De excusatione Tutorum Titel 40: De Causis, quibus a Tutela quis excusatur Titel 41: De administratione Tutorum Titel 42: De Praediis Minorum sine Decreto non alienandis Titel 43: Quando in alienationem rerum Minoris Decreto non est opus Titel 44: De Autoritate praestanda Titel 45: De Neglectae administrationis periculo Titel 46: De Haeredibus Tutorum Titel 47: De Fideiussoribus Tutorum Titel 48: De Protutore Titel 49: Quibus modis Tutela finiatur Titel 50: De Suspectis Tutoribus Titel 51: De Curatoribus Abbildung 8: Titelübersicht des Iurisprudentiae Liber primus
VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils
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Erst aus dieser Zusammenstellung aller Titel wird ersichtlich, wie fragmentarisch Derrer – jedenfalls prima facie – die Struktur seines Systems in den Darstellungsteil einbezieht. Vor allem ergibt der Aufbau der Titel eine äußerliche Gleichwertigkeit, aus der heraus die Struktur unterschiedlicher Ebenen nicht festzustellen ist, auf der sein Systemschema gerade fußt. Hierfür exemplarisch sind etwa Titel 9 De Iure Personarum sowie Titel 10 De Servili Conditione, die innerhalb des Systems in einem klaren Über-/Unterordnungsverhältnis stehen, was so aus dem Darstellungsteil aber nicht hervorgeht. In diesem erhält noch nicht einmal der systembedingt höchst relevante personae status als übergeordneter Hauptpunkt der personae alieni und sui iuris einen eigenen, diesen Rechtskreis einführenden Titel. Um den Darstellungsteil des Liber primus besser veranschaulichen zu können, lassen sich mit Hilfe des Systemschemas und auf Grund des Sachzusammenhangs einzelner Titel insgesamt 19 Schwerpunktbereiche bilden. Dafür bietet es sich wie im Fall der tutela an, bis zu 21 Titel thematisch zusammenzufassen. Letztendlich können mit Hilfe dieser Übersicht Rückschlüsse auf den Einfluss des Systemschemas gezogen werden. Wer diese inhaltlichen Schwerpunkte des Darstellungsteils im Liber primus genauer betrachtet, wird unschwer erkennen, dass Derrer hier im Grundsatz seiner Haupteinteilung der iurisprudentia in ius sowie iuris obiectum folgt. Dieser Wechsel, der mangels ausdrücklicher Kennzeichnung bzw. Kenntlichmachung allein anhand der Titelüberschriften wahrzunehmen ist, erfolgt in der Überleitung von Titel 7 De Iure Communi, seu Legibus, & Constitutionibus auf Titel 8 De Obiecto Iuris Communis, atque speciebus eiusdem Obiecti Iuris. Überraschenderweise macht Derrer diese entscheidende Zäsur aber nicht auch äußerlich deutlich. Für den des Systemschemas unkundigen Leser ergibt sich dieser Wechsel allenfalls aus der Überschrift von Titel 8 sowie aus einer kurzen Erklärung in der Überleitung von Titel 7 auf Titel 8, wonach für die genaue Kenntnis der Arten des ius commune eine genaue Kenntnis von dessen Rechtsgegenstand besonders notwendig sei.677 Wie bereits im Rahmen der Untersuchung von Derrers Systemschema festzustellen war, stellt sich das Problem der Überleitung des ius- in den iuris-obiectum-Bereich gerade an dieser Schnittstelle der beiden Titel.678 Jedenfalls ist daraus abzuleiten, dass sich die Titel 1 bis 7 auf den ius-Bereich, die Titel 8 bis 51 auf den des iuris obiectum beziehen. Die Auswahl einzelner Titel und im Gegensatz dazu die Tatsache, dass Derrer systemwichtige Punkte gar nicht berücksichtigt und 677 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 7, Abschnitt 58, S. 52: . . . ad exactam Iuris Communis specierum cognitionem, exacta Iuris Communis Obiecti cognitio apprime est necessaria. Vgl. Fn. 686. 678 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b).
D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
1.
Iustitia, Ius, Iurisprudentia
(Titel 1)
2.
Ius divinum
(Titel 2)
3.
Ius naturale
(Titel 3)
4.
Consuetudo
(Titel 4)
5.
Privilegia
(Titel 5)
6.
Statuta
(Titel 6)
7.
Ius commune
(Titel 7)
8.
Obiectum Iuris Communis
(Titel 8)
9.
Ius Personarum
(Titel 9)
10. Servi, Manumissio
(Titel 10 –14)
11. Patria Potestas
(Titel 15 und 19)
12. Adoptio, Arrogatio
(Titel 16 –18)
13. Personae sui iuris
(Titel 20)
14. Personarum conditio
(Titel 21)
15. Ingenui
(Titel 22)
16. Libertini, Liberti,
(Titel 23 – 28)
„ divinum“
„ius“
192
„ humanum“
„persona“
„iuris obiectum“
„ personae status“
Ius Patronatus 17. Ascriptitii, Censiti, Conditionales, Originarii Colones
(Titel 29)
18. Tutela, Tutor
(Titel 30 – 50)
19. Cura, Curator
(Titel 51)
„ personae conditio“
„ personae defensio“
Abbildung 9: Schwerpunkte des Darstellungsteils im Iurisprudentiae Liber primus
beispielsweise ausgerechnet dem ius humanum keinen eigenen Titel zugesteht, obwohl das auf Grund der damit zusammenhängenden Thematik zwingend notwendig gewesen wäre,679 stellen vor die Frage, nach welchen Auswahlkriterien Derrer vorgegangen ist. Doch eine Antwort darauf ist nicht zu finden. Lediglich auf Grund der systemischen Vorkenntnisse lässt sich beispielsweise Titel 3 De Iure Naturali dem ius humanum zuordnen. 679 Vor allem vor dem Hintergrund, dass Derrer dem so gut wie keine Rolle spielenden ius divinum einen eigenen Titel widmet, dem ius humanum als Oberbegriff aller zivilrechtlichen Rechtsquellen und damit auch der primären Thematik der Derrerschen Iurisprudentia hingegen nicht.
VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils
193
Ansonsten bestünde, was auf zahlreiche weitere Titel ebenfalls zutrifft, nahezu keine Möglichkeit einer konkreten systembezogenen Orientierung. Auch die Auswahl der Titel im Personenrecht des iuris obiectum erschließt sich kaum. Zunächst mutet es paradox an, dass von den drei das Personenrecht tragenden Säulen – personae status, personae conditio sowie personae defensio – lediglich die zweite, die der personae conditio, zur Einführung in dieses Rechtsgebiet überhaupt einen eigenen Titel bekommt (Titel 21), die beiden anderen großen Rechtsgebiete hingegen nicht. Bereiche aus diesen Instituten werden von Derrer nicht explizit als aus diesen herrührend gekennzeichnet, was besonders im großen Bereich der tutela erstaunt. Denn ihr widmet Derrer in seinem Liber primus allein 21 von 51 Titeln oder, nach Abschnitten gerechnet, gut 35 Prozent des Darstellungsteils. Gerade hier hätte es um der besseren Übersichtlichkeit willen zur Einleitung in das Recht der von Derrer so bezeichneten personae defensio zwingend eines eigenen Titels bedurft. Aber auch im Bereich des personae status überrascht die fehlende Einführung mit einem eigenen Titel. Ohne einen gleichzeitigen Blick auf Derrers Systemschema ist es demzufolge kaum möglich, die jeweiligen Titel systembezogen exakt herzuleiten, wie das die geschilderten Beispiele überzeugend verdeutlichen. War bereits die grundlegende Unterscheidung zwischen dem ius- und dem iurisobiectum-Bereich nicht auf den ersten Blick zu erkennen, so gestaltet sich auch die Einordnung der Titel speziell des iuris obiectum als kompliziert. Ausgehend von der Feststellung, dass die Darstellung der Rechtsobjekte im Wege einer personenrechtlichen Einführung in Titel 9 beginnt, erfolgt der Beginn der ersten Säule des Personenrechts, des personae status, konkludent in Titel 10 mit der Behandlung der rechtlichen Situation der Sklaven und endet in Titel 20 De Iis, Qui sui Iuris sunt. Der Bereich der personae conditio schließlich, als einzige Säule des Personenrechts mit einem einführenden Titel versehen, findet sich in den Titeln 21 De Personarum conditione bis 29 De Ascriptitiis, Censitis, Conditionalibus, atque Originariis Colonis wieder. Dem letzten personenrechtlichen Bereich, der personae defensio, sind die Titel 30 De Tutelis bis 51 De curatoribus gewidmet. Dass der Umfang und die Ausführlichkeit systematischer Gesichtspunkte nichts darüber aussagen, wie Derrer sie in seinem Darstellungsteil tatsächlich behandelt, ist am Beispiel der personae defensio eindrucksvoll zu erkennen. Widmet er in seinem Systemschema der Vormundschaft vier sowie der Pflegschaft sechs Gliederungspunkte, so ist dieses Verhältnis innerhalb des Darstellungsteils überhaupt nicht mehr wiederzuerkennen. Denn für die Darlegung der Vormundschaft wendet er exakt 21 Titel auf, für die Pflegschaft lediglich einen einzigen. Dabei kann ausgeschlossen werden, dass Derrer das Thema Pflegschaft in seinem geplanten zweiten Band noch ein-
194
D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
mal aufnehmen und fortsetzen wollte. Sein Hinweis in Titel 51, also ganz am Ende des Liber primus, lässt eindeutig erkennen, dass er diesen vielmehr mit der Darstellung des Sachenrechts beginnen wollte.680 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass sich Sebastian Derrer bei der Einteilung der Titel des Iurisprudentiae Liber primus am Aufbau seines Systemschemas orientiert hat – allerdings nur in den Grundzügen. Möglicherweise hat er es für ausreichend erachtet, zum Verständnis und zur exakten systematischen Einordnung jedes der 51 Titel sein Schema parallel heranzuziehen. Gleichwohl zeigt die Verknüpfung von System und Darstellungsteil Derrers Anliegen, diese kreativen Systematisierungsbestrebungen auch in den materiellen Teil seiner Arbeit einfließen zu lassen. Da Derrer einer der ersten deutschen juristischen Systematiker gewesen ist, hätte es auch nicht überraschen können, wenn er seinen Systementwurf als Beginn einer neuen Ära oder auch nur als bloßes Experiment lediglich dem eigentlichen Darstellungsteil vorangestellt hätte, um dann aber nach dem altbekannten Modus Procedendi fortzufahren. Dass er sein System hingegen auch zur Grundlage der Titelanordnung und damit zur Neugewichtung seines Darstellungsteils gemacht hat, zeigt ebenfalls seinen Impetus zur Emanzipation von der bisher so gut wie unangetasteten via antiqua. b) Ius (Titel 1 bis 7) Wie bereits festgestellt werden konnte, beschäftigt sich Sebastian Derrer im Rahmen seiner Vorstellungen über das ius als solches hauptsächlich mit dessen Grundlagen und Quellen. Die von ihm dargestellten allgemeinen Rechtslehren dieses Bereichs, die sich schlagwortartig in den nach Titel geordneten Themenfeldern iustitia, ius, iurisprudentia, ius divinum, ius naturale, consuetudo, privilegia, statuta sowie ius commune zusammenfassen lassen, geben einen Einblick in das Rechtsverständnis der Zeit, hauptsächlich auf den Erfahrungswerten der mittelalterlichen Rechtswissenschaft basierend. Darin kommt der intellektuelle Habitus Sebastian Derrers deutlich zum Ausdruck, der ihn über den Fundus seines eigenen juristischen Fachgebiets hinaus als Prototyp des humanistisch gebildeten Gelehrten ausweist und qualifiziert. Eine Grundlage hierfür lieferten ihm die philosophischen Studien, denen er sich noch vor seiner rechtswissenschaftlichen Laufbahn zu Beginn seines Wirkens als Gelehrter in Freiburg gewidmet hatte. So bedient er sich im Iurisprudentiae Liber primus nicht nur klassisch juristischer Quellen wie etwa des Corpus Iuris Civilis, das für einen Juristen ohnehin die Hauptbezugsquelle war, sondern bezieht ebenso Texte phi680
Vgl. Fn. 340.
VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils
195
losophischen Ursprungs ein, beispielsweise die Nikomachische Ethik des Aristoteles. Das mag auf den ersten Blick ungewohnt erscheinen, kann andererseits aber nicht überraschen, zumal der Aristotelismus auch das römische Recht beeinflusst hat681 und sich Derrer als philosophiae peritus bestens mit dieser philosophischen Strömung ausgekannt haben dürfte.682 Eindrucksvoll kommt dies etwa in der praefatio des Petrus Petremandus zum Ausdruck, wenn er Derrer einen miles nennt, der sich um die ganze Philosophie verdient gemacht habe.683 Auch die beachtliche Anrede im Vokativ und die damit verbundene Huldigung Derrers bestätigt diese Annahme: Du bist folglich ein wahrer Philosoph, der gelehrteste Lehrer, ein wahrer Rechtsgelehrter . . .684. Sehr häufig finden sich im ius-Bereich auch Literaturhinweise Sebastian Derrers auf Traktate und Stellungnahmen von Bartolus, Baldus und weiterer Scholastiker wie etwa Petrus de Ancarano, von denen er manche gar mit einem eleganter bedeutet. Die bezeichneten Juristen zählen freilich gerade zu den Kommentatoren, die Derrer noch in seinem Widmungsbrief an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. wegen ihres scholastischen, angeblich ein Chaos verursachenden Vorgehens verdammt hat.685 Diese inkonsequente, ja beinahe paradoxe Haltung gleicht aber dem Verhalten mancher humanistisch gesinnter Juristen jener Zeit, bei aller Kritik an der Scholastik im Einzelfall letztlich doch auf die Werke ihrer Vertreter zurückzugreifen in der sicheren Erkenntnis, diese keinesfalls ignorieren zu können. Bekanntes Beispiel ist etwa Sebastian Derrers großer Lehrmeister Ulrich Zasius. Auch er formulierte vernichtende Urteile über Glossatoren und Kommentatoren und verwendete deren Texte dennoch regelmäßig in seinen eigenen wissenschaftlichen Werken. Eine weitere Rechtsquelle für den Iurisprudentiae Liber primus bildet schließlich die auch im 16. Jahrhundert noch fälschlicherweise Cicero zugeschriebene Rhetorica ad Herennium. Auch werden Werke humanistischer Zeitgenossen wie beispielsweise von Jacobus Faber Stapulensis berücksichtigt. Darüber hinaus erweist sich Derrer als äußerst bibelkundig. Innerhalb seines ius-Bereichs nimmt er an zahlreichen Stellen textsicher Bezug auf Vorschriften des Alten und Neuen Testaments. Besonders die Ausführungen 681
Coing, Einfluss des Aristoteles auf das römische Recht, S. 26. Vgl. hierzu auch Aldo Mazzacane, Scienza, logica e ideologia nella giurisprudenza tedesca del sec. XVI, Varese 1971, S. 33 f., 36 f. 683 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: . . . totius Philosophiae emeritus miles . . . 684 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 3 r.: Verus igitur Philosophus es, praeceptor doctißime, verus Iurisconsultus . . . 685 Vgl. Fn. 253, Fn. 367 sowie Fn. 370. 682
196
D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
der vier Evangelisten, die im Bereich des göttlichen Rechts in Titel 2 deutlich im Vordergrund stehen, finden sein Interesse. Diese unterschiedlichen Rechtsquellen machen deutlich, auf welch breiter wissenschaftlicher Grundlage Sebastian Derrers als ius bezeichneter Bereich zur Einleitung in seine Iurisprudentia fußt. Zwar lassen sich seinen Ausführungen keine wesentlichen Eigenansätze inhaltlicher Art entnehmen – hierfür steht exemplarisch seine fortwährende Bezugnahme in erster Linie auf Bartolus und Baldus –, jedoch steht die Anordnung des Rechtsstoffs als solche für das spezifisch Neue an Derrers Arbeitsweise. Aus diesem Grund braucht im Folgenden inhaltlich nicht mehr weitergehend auf den ius-Bereich eingegangen zu werden. Hinzu kommt, dass maßgebliche Probleme daraus bereits im Rahmen der Untersuchung des Derrerschen Systemschemas inzident behandelt worden sind. c) Iuris obiectum (Titel 8 bis 51) Dass das materielle Recht, der Bereich des iuris obiectum, für Sebastian Derrer den zentralen Behandlungsgegenstand des Liber primus bildet, wird bereits daran deutlich, dass er für die Darlegung des kompletten ius-Bereichs (Titel 1 bis 7) lediglich 236 Abschnitte verwendet, für die Erörterung allein des persona-Bereichs (Titel 9 bis 51) innerhalb des iuris obiectum hingegen insgesamt 635 Abschnitte. In seiner Darstellung des ius commune in Titel 7 betont er den daraus erwachsenden Rechtskreis des iuris obiectum, wenn er in den Bereich der vier materiellrechtlichen Rechtsobjekte persona, res, commercium und persecutio überleitet: Obgleich es notwendig ist, sich die grundsätzlichen Ausführungen über das ius commune zu vergegenwärtigen, bringt es dem Rechtsstudenten dennoch zu wenig oder überhaupt nichts, wenn er nicht auch die Arten des ius commune kennenlernt. Aus den Vorschriften des ius commune und dessen Arten möge er beständig schöpfen und sich stärken. Und obgleich die Arten des ius commune vielfältig und auch untereinander sonderbar verworren sein mögen, so können sie dennoch in Verbindung mit den untergeordneten Teilen des Rechtsgegenstandes selbst korrekt geordnet und unterschieden werden. Deshalb ist für die genaue Kenntnis der Arten des ius commune eine genaue Kenntnis des Rechtsgegenstandes dessen besonders notwendig; ferner, damit sich eine Betrachtung schon aus der Ordnung heraus auf den Rechtsgegenstand und dessen Arten anbietet.686 686
Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 7, Abschnitt 56 ff., S. 52: Haec de Iure Communi generaliter dicta, licet sint cognitu necessaria, tamen Iuris studioso parum vel nihil conferunt, nisi etiam Iuris Communis species cognoscat: earundemque specierum Iuris Communis praeceptiones, ex his generalibus praeceptis pertinenter fundet, firmetque. Et haec Iuris Communis species licet multiplices sint, atque inter se mirabiliter confusae, possunt tamen iuxta parteis subiectivas ipsius Obiecti Iuris, recte in ordinem atque discrimen redigi. Itaque ad exactam Iuris
VII. Gliederung und Schwerpunkte des Darstellungsteils
197
Für das Verständnis der Rechtsobjekte setzt Derrer demnach die Kenntnis des ius commune voraus bzw. empfiehlt ein solches Vorgehen. Zugleich bildet diese Aussage die zentrale Schnittstelle der Verknüpfung zwischen dem formellrechtlichen ius- und dem materiellrechtlichen iuris-obiectum-Bereich, die als solche aus Derrers Systemschema nicht hervorgeht.687 Soweit ersichtlich, ist er allerdings einer der ersten juristischen Systematiker überhaupt, der eine solche deutliche Trennung und Einordnung vornimmt. Er beginnt in Titel 8, von seinem Systementwurf vollends überzeugt, die Rechtsobjekte darzustellen: Der Gegenstand des Rechts kann durch eine Begriffsbestimmung, durch die Bezeichnung oder durch seine Darstellung leicht charakterisiert werden. . . . Für jeden kann verständlich gemacht werden, dass die göttlichen und menschlichen Dinge (die Gattungen des Rechts sind) gewiss in der Natur der Sachen begründet sind, zumindest aus den Bedeutungen ihrer Begriffe heraus; dies so sehr, dass im Hinblick auf die Ordnung der Disziplin in der Rechtswissenschaft nichts Anderes bleibt als die Erkenntnis und Unterscheidung der Arten des Rechtsgegenstandes.688
Derrer nimmt an dieser Stelle keinen Bezug auf die spezifische Verknüpfung zwischen dem ius commune und dem iuris obiectum, sondern er betont vielmehr den allgemeinsten aller möglichen gemeinsamen Nenner. Danach sei im Grunde genommen in der Rechtswissenschaft alles nur dann zu erklären, wenn innerhalb des göttlichen wie menschlichen Rechts überhaupt ein Rechtsgegenstand existiere und wenn dieser inhaltlich differenziert werde. Dieser Aspekt ist zweifellos ebenso zutreffend wie allgemein, neue Rechtserkenntnisse generiert Derrer damit jedenfalls nicht. Erst die konkrete Bezugnahme auf die Rechtsobjekte selbst fördert in diesem einleitenden Titel mehr Klarheit zutage. Wie entsprechend seinem Systemschema nicht anders zu erwarten, erschließt sich Derrers Einteilung aus der Überleitung von Titel 8 auf Titel 9 so: Und weil im Hinblick auf die göttlichen und menschlichen Dinge das ganze Recht und ebenso das ganze Unrecht entsprechend auf die Person, die Sache, den Sachverkehr und die Rechtsverfolgung bezogen werden kann, erscheint es offensichtlich, dass die Person, die Sache, der Sachverkehr und die Rechtsverfolgung Communis specierum cognitionem, exacta Iuris Communis Obiecti cognitio apprime est necessaria: inde ut ex ordine sese iam offerat consyderatio de Obiecto Iuris, & speciebus eiusdem. 687 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b). 688 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 8, Abschnitt 1 f., S. 53: Obiectum Iuris, definitione, nomine, aut ea demonstratione . . . facile potest fieri manifestum. . . . Divinas equidem & humanas res (quae Iuris obiectum sunt) in rerum natura existere, omnibus compertum esse potest, saltem ex terminorum significationibus: adeo, ut ad ordinem disciplinae in Iurisprudentia nihil aliud restet, quam specierum obiecti cognitio, & discretio.
198
D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
die Hauptglieder des Rechtsgegenstandes sind: Daraus entstehen diese vier Rechtsgattungen.689
Im Folgenden wird das Personenrecht des iuris obiectum nicht mehr eigens behandelt. Zum einen wurde dieses im Rahmen der Analyse von Derrers Systemschema bereits ausführlich dargestellt, zum anderen erörtert er in diesem Bereich lediglich materielles römisches Recht auf der Basis des Corpus Iuris Civilis. Eigene materiellrechtliche Ansätze sind deshalb kaum zu finden. Systematisch von Interesse ist hier vor allem Derrers Trichotomie des Personenrechts in personae status, conditio sowie defensio, die bereits in Kapitel VI.3.b)aa) und den entsprechenden Einzelkapiteln ausführlicher Behandlungsgegenstand gewesen ist. 3. Ergebnis zu Kapitel VII Der äußere Aufbau des Iurisprudentiae Liber primus spiegelt im Grundsatz die systematische Arbeitsweise Sebastian Derrers wider, die bereits in seinem Systemschema deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Sowohl die Darstellung der 51 Titel mit ihren insgesamt 876 Abschnitten als auch die beiden sehr ausführlich gehaltenen Inhaltsverzeichnisse bedeuten eine für jene Zeit erstaunlich progressive Vorgehensweise. Trotz einiger Schwächen erscheint dieser Bereich als wirkliche Neuerung innerhalb der Derrerschen Iurisprudentia. Derrer vervollständigt den eigentlichen Darstellungsteil mit detaillierten Quellenangaben und fasst am Rand seiner Texte die jeweiligen Abschnitte schlagwortartig zusammen. Zur Frage der Konnexität von System und Darstellungsteil ist festzustellen, dass Derrer sein Schema auch zur Grundlage des Titelaufbaus im Liber primus herangezogen und sich – jedenfalls im Grundsatz – an diesem orientiert hat. Gleichwohl bilden die dort aufgezählten Gliederungspunkte nicht eins zu eins die Grundlage für die exakte Reihenfolge der Titel. Vor allem ist allein anhand der Titelüberschriften des Darstellungsteils kaum eine systembezogene Beurteilung möglich, auf welcher Wertigkeitsstufe sich der jeweilige Titel systematisch befindet. Insofern ist hierfür jeweils zusätzlich Derrers Systemschema heranzuziehen. Inhaltlich betrachtet fußt der Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus mit seinen 51 Titeln ganz auf dem grundsätzlich geltenden römischen Recht, zu einem großen Teil in der Ausformung und Bearbeitung 689
Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 8, Abschnitt 4, S. 53 f.: Unde cum Omne Ius, partier & omnis iniuria divinarum & humanarum rerum pertinenter ad personam, rem, Commercium, & persequutionem referri possit: iam evidenter apparet, quod persona, res, commercium, atque persequutio, sint obiecti Iuris partes subiectivae principales: a quibus, etiam quatuor species iuris oriuntur.
VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft
199
durch Kommentatoren wie etwa Bartolus und Baldus. Im Grundsatz handelt es sich bei Sebastian Derrers Werk – und das ist sein Hauptverdienst – um die Darstellung der römischrechtlichen Probleme in eigener Anordnung. Dabei kommt dennoch sein Fundus an Wissen deutlich zum Ausdruck, den er über die Rechtswissenschaft hinaus zur Grundlage seiner Arbeit macht, seine Kenntnisse etwa philosophischer oder theologischer Natur. Dennoch wird diese Komposition, auf die Umstände der Zeit bezogen, zu einem sehr gewagten und mutigen Unterfangen. Dass ein solches die Rechtswissenschaft zu ganz neuen Denkansätzen bringen konnte, hat die vorliegende Arbeit bereits im Hinblick auf Derrers Systemschema hinreichend deutlich gemacht.690 Es bleibt abschließend bei der Feststellung, dass weniger die (bereits bekannte) Substanz in Form des römischen Rechts als vielmehr die Gliederung dessen das Bemerkenswerte und Außergewöhnliche am Iurisprudentiae Liber primus ist.
VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft Dass Sebastian Derrer mit seinem Opus den Erfolg, ja den Ruhm nicht erreicht hat, den er unbestreitbar zu erzielen hoffte, liegt vor allem daran, dass er schon ein Jahr nach der Erstveröffentlichung des Liber primus gestorben ist. Und dass es ihm deshalb nicht mehr vergönnt war, auch die weiteren neun Bände noch zu edieren, die er bereits geplant hatte. Deshalb liegt es auf der Hand, dass der Impetus der Leser, begrenzten Rechtsstoff aus einem Fragment gebliebenen Werk zu erlernen, nicht besonders groß sein konnte. Hinzu kommt, dass das in Band I materiellrechtlich ausschließlich behandelte Personenrecht (mit antiquierten Rechtsinstituten wie etwa der Sklaverei) insgesamt weniger zentral für die Lehre gewesen ist als beispielsweise das wesentlich relevantere Sachenrecht, das Derrer ursprünglich für die kommenden Bände vorgesehen hatte. Auch sein neuartiges, durch und durch systemorientiertes Denken und Vorgehen könnte dazu geführt haben, dass sein wissenschaftliches Werk nur bescheiden beachtet wurde. Schließlich ließ sich das mittelalterlich-scholastische Denken des mos italicus nicht von heute auf morgen überwinden. Die via moderna der humanistischen Jurisprudenz und des mos gallicus wurden schließlich weder umgehend noch flächendeckend akzeptiert. Viel zu groß waren die Bedenken gegen diese neue Art des Denkens und keineswegs überall vermochte sie sich durchzusetzen. Dennoch nahm die rechtswissenschaftliche Literatur seither immer wieder Bezug auf den Iurisprudentiae Liber primus; wie oft er rezipiert wurde und auf welche Resonanz 690
Vgl. nur die Ausführungen in Kapitel D.VI.7.
200
D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
er dabei stieß, lässt sich durch die Jahrhunderte hindurch verfolgen und dokumentieren. 1. Innerhalb des 16. Jahrhunderts Naturgemäß wird Derrers Werk am stärksten im 16. Jahrhundert beachtet. Schließlich ist der Liber primus in jenem Jahrhundert entwickelt und veröffentlicht worden. Aus inhaltlichen Gründen wird im Folgenden zwischen den zahlreichen Vorworten innerhalb der Derrerschen Iurisprudentia einerseits und der darüber hinausgehenden sonstigen wissenschaftlichen Beschäftigung in der Literatur andererseits differenziert. a) Das Werk einleitende Carmina und Praefationes Als unumstritten muss gelten, dass Sebastian Derrer schon mit der großen Zahl seiner Vorwortautoren für Aufmerksamkeit sorgen wollte. Es war ihm völlig klar, dass ein Werk mit gleich sieben Vorworten und Lobgedichten mehr Beachtung und Absatz findet als eine Arbeit, in die lediglich das Geleitwort des Autors selbst einführt. Ein Überblick zeigt eindrucksvoll, wie ungewöhnlich aber selbst für ein Werk des 16. Jahrhunderts eine so hohe Zahl von Vorworten war, auch wenn es damals als selbstverständlich galt, ja fast schon zum guten Ton gehörte, sich mit lauthals lobenden Einführungsworten bekannter oder gar befreundeter Kollegen zu schmücken. Umso mehr sind diese Lobeshymen differenziert zu würdigen und kritisch zu betrachten, da von ihren Autoren begreiflicherweise relativierende Äußerungen oder gar kritische Anmerkungen nicht zu erwarten sind. Dies gilt auch für den Iurisprudentiae Liber primus. aa) Joachim Mynsinger von Frundeck Joachim Mynsinger von Frundeck, Sebastian Derrer seit der gemeinsamen Zeit an der Albertina verbunden, eröffnet den Vorwortreigen. In das Jahr seiner Promotion, 1536, fällt auch der Beginn seiner Dozententätigkeit als Institutionist.691 Kurz zuvor, im Dezember 1535, hatte Sebastian Derrer als Nachfolger des am 24. November desselben Jahres verstorbenen Ulrich Zasius den Digestenlehrstuhl an der Fakultät übernommen. Bis zu Derrers Tod 1541 blieben die beiden Juristen Fakultätskollegen. Das Verhältnis zwischen ihnen scheint sehr gut gewesen zu sein, wie Mynsingers Wertschätzung Derrer gegenüber zeigt, wenn er ihn als einen äußerst beredten und 691
Ruth, Personen- und Ämtergefüge, II. Biogramme, S. 71.
VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft
201
für mich sehr liebevollen Gefährten bezeichnet.692 Über die juristische Lehrtätigkeit hinaus ist Joachim Mynsinger von Frundeck häufig als Apologet neulateinischer Lyrik in Erscheinung getreten, in deren Tradition er Lobeshymnen auf Zeitgenossen in lateinischer und griechischer Sprache verfasst hat.693 Genau in diesem Sinne ist auch sein carmen ad lectorem verfasst. In 20 Hexametern preist er Derrers juristisches Geschick bei der Ausarbeitung des Liber primus. Er kennzeichnet ihn als fröhlichen Charakter und weist auf die in inhaltlicher Hinsicht bisher undurchdringbare Rechtswissenschaft hin, die Derrers Opus nun durchschaubarer und transparenter gemacht habe. Angesichts der großen Bedeutung von Joachim Mynsinger von Frundeck für die Rechtswissenschaft insgesamt und vor allem mit dem Blick auf die in seinen späteren Lebensjahren auf ihn zurückgehende kameraljuristische Literatur folgt an dieser Stelle die vollständige Wiedergabe seines äußerst lesenswerten und solennen Lobeshymnus. Erst jener verleiht dem Enthusiasmus dieses später so berühmt gewordenen Juristen für Sebastian Derrer und dessen Opus in vollem Umfang Ausdruck: Lösen, die Ihr tragt die Rätsel der heiligen Gesetze, und Deine Küste werde vom juristischen Wasser umspült: Du, lies die Aufzeichnungen des fröhlichen und beredten Derrer ganz von vorn, die Dir von einem gelehrten Mund dargebracht werden. Bis jetzt sind die Schriften des heiligen Rechts durch eine undurchschaubare Ordnung überliefert worden, ein blindes Chaos hatte jene belastet. Aber gewiss teilt dieser treue Autor des Gerechten und Billigen alles wohlgeordnet in seine einzelnen Bestandteile ein. Wie mit schon verzogenen Wolken und blindem Licht mögen sie [die Rechtsstudenten] das neue Licht in unserem Zeitalter betrachten. Bis jetzt durchwanderte [ich] die dunklen Schlupfwinkel der Gesetze, wisse gewiss, Dir wird [jetzt durch dieses Buch] eine eifrige Jugend gegeben. Was auch immer alte Hände in dieser überaus schwierigen Kunst durch lange Jahrhunderte geschaffen haben: Man kann mit dem kleinen Buch das ganze zusammengefasste [Recht] begreifen, es lehrt Dich, den Fuß auf den wahren Pfad zu setzen. Und gewiss wird jetzt auch viel Geschriebenes dem Buch folgen, bald wirst Du das Werk der überaus gewichtigen Gelehrsamkeit begreifen: Wenn nur der gefräßige Neid die hämischen Bisse zurückhalten und er die harten Schläge seiner Zunge hemmen wird.694 692
Vgl. Fn. 610. Schumann, Joachim Mynsinger von Frundeck, S. 73 ff. 694 Mynsinger von Frundeck, Carmen ad lectorem, fol. a v.: Solvere qui gestis sacrarum aenigmata legum, Et tua iuridico proluere ora lacu: Derreri tu fronte hilari monumenta diserti Pellege, quae docto fundit ab ore tibi. 693
202
D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Seine Wertschätzung gegenüber Sebastian Derrer bringt Joachim Mynsinger von Frundeck auch in einem weiteren Gedicht zum Ausdruck, das zwar nicht im Iurisprudentiae Liber primus selbst abgedruckt ist, das in seiner Haltung Derrer gegenüber aber dem oben zitierten Gedicht in nichts nachsteht. Einzusehen ist diese lyrische Arbeit in Mynsingers 1540 erschienenem Epigrammatum liber unus, einer Arbeit mit gesammelten Oden an ausgewählte Zeitgenossen. Der Zwölfzeiler ist ebenfalls charakterisiert von einer großen Ästimation der Leistungen und Verdienste Sebastian Derrers:695 Es steht nicht in unserem Vermögen, würdigen Dank für Deine so großen Verdienste und Freundschaftsdienste abzustatten, die Du mir, der ich es nicht verdient habe, so oft mit wohlwollendem Sinn zu erweisen pflegst, und zwar mit wundersamer Gewandtheit. Dir möge daher so großer Dank sein, wie groß Gargara misst, wie viele Honigbienen der süße Hymettus hat. Wie viele frühlingshafte Gräser ein sanfter Frühling auf den Gefilden verstreut und wie viel der Himmel den Sternen zulächelt. Wie viele wilde Tiere der Wald hütet, wie viele Vögel der Lüfte und wie viele langohrige Hasen der hohe Athos ernährt. Lebe daher wohl, und fahre fort, mich mit sanften Armen zu umarmen und auch kein einziger Tag wird Dich mir entreißen können.696 Hactenus obscuro sunt ordine tradita Iuris Scripta sacri, caecum presserat illa chaos. At vero hic iusti interpres bene fidus, & aequi, Digerit in parteis, ordine quaeque suas. Nubibus ut iam discußis, et lumine caeco, Conspiciant lumen secula nostra novum. Hactenus obscuros, Legum peragrare recessus, Certo calle, tibi, gnava iuventa, datur. Quicquid in hanc artem, per secula longa vetustae, Perquam difficilem, composuere manus: Id licet omne brevi compraensum cernere Libro, Te docet hic vero tramite ferre pedem. Atque hunc plura quidem Librum iam scripta sequentur, Doctrinae capies mox gravioris opus: Si modo livor edax morsus cohibebit amaros, Comprimet & linguae verbera dira suae. 695 Diese persönliche Verbundenheit ergibt sich auch aus einem Empfehlungsschreiben Sebastian Derrers an Bonifacius Amerbach in Basel, in dem er ihn darum bittet, für den Druck eines Manuskripts Joachim Mynsingers von Frundeck zu sorgen (Vgl. Hartmann, Amerbachkorrespondenz, 5. Band, Brief Nr. 2362, S. 256). Möglicherweise handelt es sich bei diesem Manuskript sogar um den in Basel gedruckten Epigrammatum liber unus. In einem Antwortschreiben Mynsingers an Amerbach bezeichnet er Derrer im Gegenzug als vir disertissimus et mei amantissimus. Vgl. Fn. 692. 696 Mynsinger von Frundeck, Sebastiano Derrero Iurisconsulto, S. 152: Haud opis est nostrae grateis persolvere dignas Tantis pro meritis, officiisque tuis,
VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft
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bb) Gerardus Cisanus Ebenfalls in diesem euphorischen Tenor gehalten sind die lyrischen Worte eines Gerardus Cisanus, der sich dem Leser als Burgunder aus Arbois vorstellt. Über diesen ist allerdings nicht mehr bekannt. Nach den Matrikeln der Universität Freiburg hat er auch nicht dort studiert. Möglicherweise besteht eine Verbindung zu Claudius Glannaeus, der ebenfalls aus Arbois stammt und sich wie Cisanus durch ein carmen zu Gunsten von Sebastian Derrer der Nachwelt in Erinnerung gehalten hat.697 Erstaunlicherweise scheint Cisanus selbst kein Jurist gewesen zu sein. Jedenfalls lässt dies eine Passage in seinem Gedicht an Derrer vermuten, wenn er im Zusammenhang mit der Neuordnung des Rechts davon spricht, dass dieser [Derrer] Euer Recht, das bisher für keinen durchgehbare Meer, durch eine gewisse Form und Kunst bedeckt habe.698 In diesem Sinne sind auch Cisanus’ Worte über Derrer und dessen Werk gehalten: allgemein, pauschal und ohne konkrete Bezugnahme auf das wirklich Neue am Iurisprudentiae Liber primus. Stilistisch eindrucksvoll, aber auf Grund von fehlendem juristischem Fachwissen inhaltlich sich den anderen Vorwortautoren lediglich anschließend, klingen Cisanus’ Worte über Derrer: Erkennt die nicht Anderen gebührenden Meriten des Derrer an. Ja vielmehr nehmt sogleich die Teile der Mäzenaten, damit der so große Held das Werk des so großen Schweißes bald vollenden möge, und das fortgeschrittene Feuer nicht nur ein Zeichen setzt.699
In me quae toties animo conferre benigno Haud meritum, & mira dexteritate, soles. Tot tibi sint igitur grates, quot Gargara messes, Mellificas quot habet dulcis Hymettus apes. Ver placidum quot diffundit vernantia campis Gramina, syderibus quot micat atque polus. Quot rigidas fovet Ida feras, quot & auravolucres, Auritos lepores quotque alit altus Athos. Ergo vale, & placidis me perge amplectier ulnis, Te quoque mi poterit nulla abolere dies. 697 Vgl. über diesen Kapitel D.III.2.b). 698 Cisanus, Carmen, fol. b 3 r.: Ius siquidem vestrum, pelagus tranabile nulli Hactenus, is forma quadam, vestituit & arte. 699 Cisanus, Carmen, fol. b 3 v.: Debita non alijs Derreri agnoscite dona. Quin Mecaenatum parteis iam sumite, tanti Ut sudoris opus, tantus mox compleat Heros, Et specimen solum progreßus non finat ardor.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
cc) Claudius Glannaeus Im Gegensatz zu Gerardus Cisanus handelt es sich bei Claudius Glannaeus, der im Anschluss an diesen ebenfalls ein Lobgedicht veröffentlicht hat, ganz offensichtlich um einen Juristen. Das ergibt sich aus seinen, wenn auch lyrisch verfassten, Aussagen über die Vorgehensweise Sebastian Derrers. Dass Glannaeus offenbar sehr große Stücke auf ihn hält, lässt sich daran erkennen, dass er in ihm gar einen anderen Apoll mit Ruhm für die vaterländische Erde emporsteigen sieht.700 Auch seine Anmerkungen über die dunkle und ungeordnete Vergangenheit der Rechtswissenschaft und Derrers Versuch, den Rechtsstoff neu zu ordnen, deuten darauf hin, dass Glannaeus die juristische Materie sehr wohl kennt.701 Dass er von Derrers Arbeit vollends überzeugt war, beschreiben seine warmherzigen Empfehlungen an die Rechtsstudenten, das Werk unbedingt zu Rate zu ziehen, um gerade die Anfangsschwierigkeiten, die das juristische Studium mit sich bringe, überwinden zu können: Dieses goldene Buch möge Dich nie im Stich lassen: Einzig Deine Hand möge es Tag und Nacht beharrlich gebrauchen. Es bahnt nämlich wahrhaft die ersten Anfänge des heiligen Rechts, die einst vernachlässigt worden sind. Wie viel an Verwirrung stiften diese doch?702
dd) Iacobus Metensis In genau dem gleichen Stil gehalten ist ein weiteres Gedicht über Sebastian Derrer. Es handelt sich um ein Dodecatosticon, also um einen Zwölfzeiler. Verfasst wurde es von Iacobus Metensis, der sich einen burgundischen Sequaner nennt, aber ebenso wie Gerardus Cisanus in den Freiburger Universitätsmatrikeln nicht zu finden ist. Sein Beiname lässt darauf schließen, dass er aus Metz stammte. Wie schon bei Cisanus fällt auch bei Metensis auf, dass sein Gedicht Sebastian Derrer unjuristisch, aber dennoch emphatisch preist. Auch er geht mit keinem Wort auf das Neue am Liber primus ein und auch er ist dennoch voll allgemeinen Lobes. Ja er zieht dafür sogar Vergleiche aus der griechischen Mythologie heran. Nur eine seiner 700 Glannaeus, Carmen ad lectorem, fol. b 3 v.: Nunc ergo emersit tandem scius, alter Apollo, Derrerus patrii gloria prima soli. 701 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.5.b). 702 Glannaeus, Carmen ad lectorem, fol. b 4 r.: Aureus iste Liber nusquam te deserat: unum Hunc terat aßidue nocte dieque manus. Pandit enim sancti vere primordia Iuris, Quae neglecta semel, quot pariunt tenebras?
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Passagen bezieht sich annähernd auf den Liber primus selbst: seine etwas unspezifische, ja allgemein gehaltene Feststellung, dass Derrer, die Weisheit beimischend und nicht ohne feinen Humor, durch eine einzelne und in individuelle Bereiche eingeteilte Komposition vorgehe.703 ee) Guilhelmus Barotius Bei Guilhelmus Barotius, der sich mit gleich zwei Kompositionen in Derrers Iurisprudentia hervorgetan hat, scheint es sich hingegen um einen Juristen zu handeln. Das zeigt schon die Überschrift seines ersten Gedichts: Carmen des burgundischen Sequaners Guilhelmus Barotius, der kurz auf die bedeutendsten Sachkapitel des Iurisprudentiae Liber eingeht.704 Dass er die Materie kennt, ergibt sich auch aus seinen Anmerkungen zu Derrers juristischer Methode und zum Inhalt des Liber primus. Deutliche Anhaltspunkte dafür sind auch die Hinweise auf die Einteilung der iurisprudentia in ius sowie iuris obiectum oder die Tetrachotomie des iuris obiectum in persona, res, commercium und persecutio. Ebenso lobpreist Barotius’ zweites Gedicht, das sich expressis verbis an die juristischen Examenskandidaten wendet, im Stile des ersten Derrers Arbeit. Exemplarisch dafür steht der Schlussappell an die Studenten: Schau’ Dir dieses Vorbild an, aus himmlischem Wind geboren. Wie Du siehst, wird dieses Buch, von glänzendem Licht erfüllt, von Nutzen sein.705
ff) Petrus Petremandus Bei weitem am ausführlichsten und bis in alle Einzelheiten gehend, zeigt sich schließlich Petrus Petremandus mit seinen zwei Beiträgen für den Iurisprudentiae Liber primus: mit der vielzitierten praefatio und auch mit seinem carmen.706 Petremandus scheint Derrer ganz besonders verbunden gewesen zu sein. Allein die Länge seiner in Iurisprudentiam, ad lectorem, Praefatio überragt deutlich alle anderen Vorworte. Es handelt sich dabei um einen insgesamt neunseitigen Text mit äußerst eng gesetzten und klein gedruckten Lettern. Selbst Derrers eigene epistola dedicatoria an Kaiser 703 Metensis, Dodecatosticon, fol. c v.: Singula & in proprias apta compagine classes Digerit, admiscens Sophiam, non absque lepore. 704 Barotius, Carmen ad lectorem, fol. c v.: Guilhelmi Barotij Burgundionis Sequani Carmen, summa rerum capita Iurisprudentiae Libri breviter perstringens. 705 Barotius, Carmen ad Iurisprudentiae candidatos, fol. c 2 v.: Ecce tibi hoc specimen coelesti flamine natum, Hic Liber, ut cernis, claro cum lumine profert. 706 Vgl. über diesen Kapitel D.I.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
Karl V. und König Ferdinand I. sowie sein prooemium erreichen mit Abstand nicht den Umfang der praefatio des Petremandus. Mit Ausnahme der beiden Vorworte, die Derrer selbst verfasst hat, handelt es sich überdies um das einzige Vorwort, das in Prosa und nicht in Reimform verfasst ist. Aus Petremandus’ Worten geht unmissverständlich hervor, dass er ein studierter Jurist gewesen sein muss. Weil er sich aber bereits zum Wintersemester 1503/04 immatrikuliert hat, kommt er als Schüler Sebastian Derrers gleichwohl nicht mehr in Frage.707 Petremandus gliedert seine praefatio inhaltlich in drei große Bereiche: Er grenzt sich zunächst deutlich von den mittelalterlichen Wissensstrukturen ab und beginnt mit der spürbaren Aufbruchsstimmung, mit der die Wissenschaft den Dingen nun auf den wahren Grund gehe. Er nennt hier etwa die Fortschritte innerhalb der Astronomie bei der Berechnung von Größe, Abstand und Bahn der Gestirne.708 Auch wenn er in diesem Teil seines Vorwortes noch nicht spezifisch auf die Weiterentwicklung der Rechtswissenschaft selbst eingeht, so lässt er sich, auf die gesamten gelehrten Bestrebungstendenzen der Zeit bezogen, zu der gewagten Feststellung hinreißen, dass man die Ursachen und Prinzipien beinahe aller göttlichen und zugleich natürlichen Dinge untersucht und erkannt hat, da man die Geheimnisse der Natur überaus eindringlich erforscht und wissbegierig hinterfragt.709
Im Anschluss an diese modern anmutende Definition der wissenschaftlichen Methode insgesamt erläutert Petremandus das dennoch anerkannte und bewährte universitäre Lehrkonzept der septem artes liberales, wobei er für jedes einzelne Gebiet ein kurzes Beispiel gibt. Nach diesem einleitenden Kursus in die wissenschaftlichen Grundausrichtungen seiner Zeit kommt er schließlich auf die juristische Materie des Zivilrechts zu sprechen. Konsequenterweise beginnt er mit der Erörterung des römischen Rechts im antiken Sinne und führt als dessen glänzende Vertreter explizit Ulpian, Paulus und Cicero an. In diesem Zusammenhang interessant ist die Sichtweise eines Juristen des 16. Jahrhunderts auf Glaube und Religion: Trotz aller Elogen auf das römische Recht bezeichnet Petremandus die antiken Juristen als ethnici, also als Heiden, im Gegensatz zu den christlichen nostri. Mit diesem Terminus bezieht er aber nicht nur sich selbst und die Juristen seiner eigenen Generation ein, sondern gerade auch die mittelalterlichen Glossatoren und Kommentatoren – trotz aller Meinungsverschiedenheiten 707
Vgl. Fn. 282. Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. c 4 r.: Syderum item magnitudines, intervalla, cursusque inquisiti. 709 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. c 4 r.: Evenit, (quoniam arcana Naturae penitius rimaretur, avidiusque introspiceret) ut rerum pene omnium divinarum, simul & naturalium causas, & principia pervestigaverit, cognoveritque. 708
VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft
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juristisch-konzeptioneller Art. Denn zugleich kritisiert Petremandus gerade diese in gewohnt humanistischer Manier dafür, nicht wenigstens den Versuch unternommen zu haben, das Recht vernünftig zu ordnen.710 Es folgen die üblichen verbalen Invektiven in Richtung dieser Juristen, die darin gipfeln, dass Petremandus diese als iurisprudentiae buccinatores, also Ausposauner der Rechtswissenschaft, beschimpft. Als Antipode zu diesen geht Petremandus schließlich auf den Tripus Budaeus, Alciat und Zasius ein und erhebt diese Juristen eindrucksvoll über die mittelalterliche Scholastik: Damit hier nicht der Eindruck erweckt wird, dass so große Männer um das geschuldete Lob gebracht werden, möge ich gewiss nicht vernachlässigt haben, dass jenen äußerst viel zu verdanken ist. Wie oft rufe ich das in Erinnerung zurück und stelle gleichsam fest, wie vieles im Recht Entfernte sie ausfindig gemacht, wie nicht Weniges sie verdeutlicht und wie sie schließlich alles barbarisch Schlechte auf die ehemalige Schönheit des beredten Römischen zurückgeführt haben.711
Auf den ersten Blick etwas befremdend, bei näherer Betrachtung allerdings durchaus nachvollziehbar, erscheint im Anschluss daran Petremandus’ Feststellung, es gebe dennoch niemanden, der konzedieren würde, dass diese drei großen Männer das Recht geordnet hätten.712 Dahinter verbirgt sich prima facie trotz aller Lobeshymnen eine harsche Kritik an Juristen wie Alciat oder Zasius. Doch Petremandus will damit wohl weniger diese attackieren als vielmehr die besondere rechtssystematische Leistung Sebastian Derrers im Iurisprudentiae Liber primus herausstellen. Seine Elogen gipfeln schließlich in der Feststellung, Derrer sei der zweite Scaevola im Recht;713 denn dessen Verstand verfüge über die wahre Rechtsgelehrsamkeit.714 Sodann erörtert er detailliert die Schwerpunkte des Liber primus. Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass Petremandus nicht nur selbst studierter Jurist gewesen ist, sondern dass er den Liber primus im Detail gekannt und sich offenbar umfassend mit diesem Werk auseinandergesetzt hat.715 Dass 710
Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d r.: Verum ab Ethnicis . . . ad nostros veniamus, qui paucis ab hinc seculis Ius tractarunt, cur id non effecerunt, aut saltem moliti sunt? 711 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d v.: Equidem (ne & hic debita laude tantos Viros defraudasse videar) non negaverim illis vel plurimum deberi, quoties recolo, ac veluti mecum recognosco quam multa in Iure abdica eruerint, quam non pauca illustrarint, quam denique (barbarie profligata) omnia, ad Romani eloquij pristinum nitorem reduxerint. 712 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d v.: Verum nemo propterea admiserit Ius per eos in artem esse coarctatum. 713 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: . . . alter in Iure Scaevola . . . 714 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 r.: Insidebat quippe in eius mente . . . vera Iurisprudentia.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
man seinen Elogen dennoch nicht in allen Punkten folgen oder sie gar für bare Münze nehmen darf, machen seine enormen Superlative deutlich, zu denen er sich gegen Ende seiner praefatio versteigt. Sie versuchen, dem Leser den Eindruck aufzuzwingen, wer den Liber primus nicht benutze, könne fortan gar kein Rechtsstudium mehr betreiben. Mögen solche Lobeshymnen aus heutiger Sicht unseriös, ja suspekt erscheinen – damals entsprachen sie den Erwartungen in eine Introduktion zu einem solchen Werk durchaus: Nichts ist so mühevoll und verborgen, dass es ihn davonlaufen ließe. Nichts ist in den Disziplinen so unbedeutend und belanglos (weshalb ich es nicht zu wenig bewundere), das ihm verborgen bliebe. Zu Recht ist er folglich zu loben, der das Recht aus so vielen Schwierigkeiten und Beschwerlichkeiten, aus Scylla und Charybdis befreit und uns wieder so klar vor Augen geführt hat. . . . Glück auf mit Tatkraft, Leser! Siehe da, wie ich glaube, kannst Du erfahren, wovon die größten Philosophen, die größten Rechtsgelehrten und schließlich die größten Rechtsexegeten, die ich jemals gesehen, gelesen oder gehört habe, keine Kenntnis haben.716
Das diesem Vorwort folgende carmen, mit dem Petremandus die Erleuchtung der Rechtswissenschaft durch Sebastian Derrer erneut preist, überrascht vor allem durch seine auffällige Versform. Es handelt sich dabei um ein zehnzeiliges Gedicht zu je vier Strophen. Kurioserweise ist die erste und zweite Strophe als Zweizeiler konzipiert, die dritte und vierte Strophe hingegen als Dreizeiler. Auch in stilistischer Hinsicht wird offenbar, dass Petremandus nicht nur ein gelehrter Jurist, sondern darüber hinaus ein glänzender Latinist gewesen ist. Das belegen seine Wortwahl wie auch die Syntax seines carmen. Inhaltlich fügt es sich in die Reihe sämtlicher Vorworte ein, zumal es direkt und unmissverständlich den studentischen Leser anspricht, dem durch die Lektüre sowie das Studium des Iurisprudentiae Liber primus und auf Grund der Tüchtigkeit Derrers der herausragende Pfad des Rechts gelingen werde.717
715 In der vorliegenden Arbeit werden die spezifischen Äußerungen des Petremandus über Inhalt und Schwerpunkte des Iurisprudentiae Liber primus jeweils in den themenbezogenen Sachgebieten eingearbeitet und erörtert. 716 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 3 r.: Nihil est tam arduum, abditumque, quod eum fugiat. Nihil ita tenue in disciplinis, exiguumque (unde & non parum miror) quod eum lateat. Merito igitur laudandus est, qui ex tot spinis, salebrisque ex Scylla & Charybdi: Ius vindicarit, nobisque tam planum reddiderit. . . . Agedum macte virtute Lector, En callere potes, quod ignorarunt summi, ut puto, Philosophi, summi Iurisconsulti, summi denique quos vidi, legi, aut audivi Iuris interpretes. 717 Petremandus, Carmen, fol. d 4 v.: . . . excelsum Iuris contingere callem.
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gg) Zwischenergebnis zu Kapitel a) Rätselhaft erscheint die Tatsache, dass mit Ausnahme von Joachim Mynsinger von Frundeck und Iacobus Metensis sämtliche Vorwortautoren aus Burgund stammen. Gerardus Cisanus und Claudius Glannaeus geben als Herkunft Arbois an, Guilhelmus Barotius bezeichnet sich als burgundischer Sequaner und Petrus Petremandus kommt aus Besançon. Zwischen diesen dürfte somit über ihre gemeinsame Beschäftigung mit dem Liber primus hinaus eine Bekanntschaft bestanden haben. Sebastian Derrer verrät allerdings nirgendwo, was ihn mit seinen Vorwortautoren verbindet. An der Freiburger Juristenfakultät scheinen sie jedenfalls nicht tätig gewesen zu sein. Über die Verbindung Derrers zu dem aus dem lothringischen Metz stammenden Iacobus Metensis ist ebenfalls nichts bekannt. Weshalb Derrer gerade diese Autoren für sein Werk ausgesucht hat, bleibt somit im Dunkeln. Dass ihm allesamt freundschaftlich verbunden waren, ist hingegen offensichtlich. b) Sonstige Erwähnung und Erörterung des Werks in der Literatur Weniger voreingenommen, unabhängiger und deshalb in wissenschaftlicher Hinsicht überzeugender sind dagegen die Bemerkungen und Kommentare über den Liber primus aus der Feder zeitgenössischer Juristen, die selbst keinen unmittelbaren Beitrag für das Werk geleistet haben. Im Gegensatz zu den Vorwortautoren besteht bei diesen nicht die Gefahr, von Sebastian Derrer allzu positiv vereinnahmt worden zu sein. Vor allem dank dieser Kommentare lässt sich die Resonanz auf Derrers Arbeit in der Literatur des 16. Jahrhunderts am ehesten messen. Da jenes Jahrhundert gerade für die Rechtswissenschaft zu einer Epoche des Umbruchs und der Veränderung geworden ist, lohnt ein eingehender Blick in dieses Säkulum ganz besonders. aa) Ulrich Zasius In seiner 1536 posthum erschienenen In titulos Institutionum de actionibus enarratio nennt Ulrich Zasius das Opus Sebastian Derrers einen tractatus elegans.718 Dies ist, soweit ersichtlich, die einzige Bewertung des großen Freiburger Juristen über die Iurisprudentia. Selbst in der äußerst umfangreichen Briefsammlung von Rieggers wird das Werk in keinem einzigen späten Brief Zasius’ erwähnt. Allein der Umstand aber, dass er in seiner enarratio Derrers Arbeit bereits auf der allerersten Seite erwähnt und 718
Vgl. Fn. 290.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
lobend darauf eingeht, spricht dafür, dass er das Werk seines Schülers nicht nur gutgeheißen, sondern es auch lebhaft begrüßt hat. Das erstaunt umso mehr, weil sich Zasius ansonsten systemkritisch geäußert und davor gewarnt hat, von der quellengegebenen Ordnung des Corpus Iuris Civilis abzuweichen.719 Möglicherweise hat sich Zasius für seine lobende Zustimmung zu Derrers Arbeit auch davon motivieren lassen, dass dieser zunächst sein Schüler und später sein Fakultätskollege an der Albertina war. Stintzing berichtet davon – ohne allerdings eine Quelle zu nennen720 –, dass Derrer zu Zasius . . . in den freundlichsten Beziehungen gestanden habe.721 bb) Johann Fichard Ebenso wie Ulrich Zasius äußert sich auch Johann Fichard über den Iurisprudentiae Liber primus. Er nimmt auf dieses Werk erstmals 1574 Bezug in seiner Arbeit Elenchus omnium auctorum sive scriptorum, qui in iure tam civili quam canonico vel commentando, vel quibuscunque modis explicando & illustrando ad nostrum aetatem usque claruerunt, an der neben Fichard auch andere Zeitgenossen wie etwa Johann Wolfgang Freymon von Randeck oder Giovanni Nevizzano mitgewirkt haben. Darin wird Derrers Werk unter der sechsten Kapitelüberschrift Über Kunst und Methode der Rechtswissenschaft sowie einiges Andere darüber722 aufgelistet als Iurisprudentiae lib. I. Sebastiani Derreri.723 Henricus Petreus Hardesianus, Johann Fichards Biograf, berichtet in seinem Vorwort zu den 1590 posthum veröffentlichten Consilia Fichards, dass man sich zu dessen Freiburger Studienzeiten mittags zur Kodexvorlesung von Sebastian Derrer versammelt habe, dessen drei Bücher über die Rechtsgelehrsamkeit glänzend hervorstechen.724 Diese Aussage steckt voller Rätsel. Sie lässt sich auch durch keine andere Quelle außerhalb des Fichardschen Umfelds belegen. Ein denkbarer Druckfehler (III. statt I.) ist eindeu719
Vgl. Fn. 353, Fn. 581 sowie Fn. 582. Möglicherweise bezieht sich Stintzing bei seiner Annahme auf einen Brief Ulrich Zasius’ an Bonifacius Amerbach vom 28. Januar 1529, abgedruckt bei Alfred Hartmann, Die Amerbachkorrespondenz, 3. Band, Brief Nr. 1325, S. 394, in welchem Zasius den Wunsch äußert, Amerbach möge sich mit Sebastian Derrer bekannt machen. Vgl. Fn. 131. 721 Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 257. 722 Fichard, Elenchus, S. 63 r.: De arte et methodo iurisprudentiae, eiusque generis alijs nonnullis. 723 Fichard, Elenchus, S. 64 r. 724 Hardesianus, Vita Fichardi, fol. ):( ):( r.: A meridie ad prelectiones conveniebant Sebastiani Derreri (qui Cod. Iustinianeum explicabat) cuius de iurisprudentia libri III. extant satis luculenti. 720
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tig auszuschließen, weil Hardesianus auch das entsprechende Prädikat in der dritten Pluralperson hält (extant). Und weil auch Fichard selbst in einem Vorwort, das er für Johann Sichards ebenfalls posthum erschienene Arbeit In Codicem Iustinianeum Praelectiones 1586 verfasst hat, von angeblich drei Büchern Derrers schreibt. In dieser durch Johann Michael Fickler, ehemals Prokurator am Reichskammergericht, aufbereiteten Arbeit Sichards äußert sich Fichard dementsprechend, wenn er die Lebensstationen Sichards Revue passieren lässt: Später hörte er bei Zasius, der in den Vormittagsstunden die Pandekten las. Nach dem Mittagessen hörte er Sebastian Derrer (dessen drei Bücher über die Rechtsgelehrsamkeit glänzend hervorstechen) den justinianischen Kodex vorlesen und erläutern.725
Erklären lassen sich diese beiden identischen Äußerungen nur mit einem Versehen bzw. einer möglichen Verwechslung. Hierfür spricht vor allem, dass Fichard einen Sachverhalt schildert, der zu diesem Zeitpunkt schon Jahrzehnte zurücklag und den Hardesianus allem Anschein nach in seinem Vorwort kritiklos übernommen hat. Dass Fichard mit seiner Aussage neben dem Iurisprudentiae Liber primus Derrers weitere Arbeiten (den 1567 erschienenen Typus Iurisprudentiae sowie die 1568 erschienene Epitome Iurisdictionum et Regalium) gemeint haben könnte, ist nahezu auszuschließen. Ansonsten hätte er wohl schwerlich nur von den de Iurisprudentia libri III. geschrieben, sondern diese näher spezifiziert. Mit großer Wahrscheinlichkeit waren ihm diese beiden Arbeiten sogar gänzlich unbekannt, weil sie lediglich in Form von Anhängen größerer, in Basel gedruckter Werke existieren, die insgesamt nur wenig Verbreitung gefunden haben.726 Hinzu kommt, dass Fichard in seiner oben erwähnten Arbeit Elenchus von 1574 sehr wohl Iurisprudentiae lib. I. Sebastiani Derreri angibt, was auf den Liber primus bezogen auch den Tatsachen entspricht. Da die Suche nach anderen zeitgenössischen Quellen, die ebenfalls von drei Werken Derrers berichten, vergeblich verläuft, bleibt nur die Feststellung, dass sich Fichards rätselhafte Quantifizierung von Derrers Schaffen heute nicht mehr aufklären lässt.
725 Fichard, Vita Sichardi, fol. * 2 r.: Postea Zasium, qui & ipse ante meridianis horis profitebatur Pandectas, a prandio Sebastianum Derrerum (cuius extant de Iurisprudentia libri III. satis luculenti) Codicem Iustiniani tunc temporis praelegentem & explicantem, audiebat. 726 Der aus nur vier Tabellenseiten bestehende Typus Iurisprudentiae als Anhang einer Gesetzessammlung Gregor Haloanders, die Epitome Iurisdictionum et Regalium als Anhang zu den Trium Artium Logicarum, Grammaticae, Dialecticae & Rhetoricae, breves succinctique Schematismi von Johann Thomas Freigius. Vgl. Kapitel E sowie Kapitel F.
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
cc) Johannes Drosaeus Inhaltlich mit Sebastian Derrers Arbeit beschäftigt hat sich der französische Rechtsgelehrte Johannes Drosaeus. Sein Werk Iuris universi Iustinianea methodus erschien erstmals 1545 in Paris. Es beschreibt die damalige Ausbildungssituation an der Pariser Universität, aber es stellt seinen Verfasser gleichzeitig auch als Juristen vor, der die vielfältigen methodischen Ansätze, die die humanistische Jurisprudenz hervorgebracht hat, mit umfassender Kenntnis der einschlägigen Literatur zu einem Gesamtbild zusammenfügt.727 Drosaeus beginnt bereits seine praefatio über die Institutionum civilium methodus mit der von Derrer entwickelten Aufspaltung der iurisprudentia: Nach der Konstruktion Dr. Derrers unterscheidet man zuerst das Recht und den Rechtsgegenstand.728 Im eigentlichen Darstellungsteil nimmt er schließlich konkret Stellung zu einer von Derrer angesprochenen Problematik, die er selbst aber für verfehlt hält. Es handelt sich dabei um den Begriff der iurisprudentia, aus dem nach Derrers Verständnis die Vorschriften des Guten und Billigen abgeleitet werden: Unrichtig auch Derrer, der glaubt, dass von Rechtswissenschaft dann gesprochen werden könne, wenn Vorschriften, die zur Beachtung des Guten und Billigen niedergeschrieben und herausgegeben worden sind, gesammelt und aus der Ordnung heraus auf den Gegenstand angewendet werden.729
Da Drosaeus keine genaue Textstelle angibt, ist diese aus dem Iurisprudentiae Liber primus selbst zu ermitteln. Auf Grund der identischen Formulierung handelt es sich dabei um Abschnitt 18 des prooemium von Derrer, in dem dieser in der Tat die von Drosaeus zitierte Aussage macht.730 Drosaeus kritisiert die Haupteinteilung der iurisprudentia in ius und iuris obiectum sowie vor allem, dass Derrer diese direkt auf die Rechtsobjekte bezieht. Auch wenn die Institutionen diese Problematik gerade dadurch zu vermeiden versuchen, dass sie sich erst gar nicht auf ein bestimmtes Wertigkeitsverhältnis zwischen den Rechtsquellen und den Rechtsobjekten personae, res und actiones einlassen, so konnte beim Vorgehen Derrers bereits festgestellt werden, dass die von ihm favorisierte dihairetische Methode so gut wie keine andere als die gewählte Darstellungsweise ermöglicht hätte, 727
Herberger, Dogmatik, S. 262. Drosaeus, Iuris methodus, S. 16: Primum ex D. Derreri inventione in ius, & iuris obiectum dividuntur. 729 Drosaeus, Iuris methodus, S. 74 v.: Male etiam Derrerus, qui iurisprudentiam esse putat, cum praeceptiones pro boni aequique observatione praescriptae & editae, in unum colligantur, atque ad obiectum ex ordine applicantur. 730 Zum Vergleich Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 1, Abschnitt 18, S. 9: Porro quando praeceptiones pro boni aequique observatione praescriptae & aeditae, in unum colliguntur, atque ad obiectum ex ordine applicantur, . . . 728
VIII. Resonanz in der Rechtswissenschaft
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was Drosaeus möglicherweise entgangen ist. In drei weiteren Passagen erörtert er schließlich im Liber primus angesprochene Probleme aus dem Bereich der Gerechtigkeit, wobei er sich dabei allerdings mit der textnahen Übernahme begnügt, ohne konkret darauf einzugehen. dd) Konrad Gesner Ebenfalls 1545 und damit vier Jahre nach Sebastian Derrers Tod bzw. fünf Jahre nach der Publikation von dessen Liber primus erscheint die Arbeit in der Bibliotheca universalis des Züricher Arztes, Naturforschers und Polyhistors Konrad Gesner. Diese zweibändige Ausgabe listet mit enzyklopädischem Anspruch etwa 3000 Autoren griechischer, lateinischer und hebräischer Werke und deren nach Sachgruppen geordnete Titel auf. Sie stellt samt ihrem Appendix aus dem Jahre 1555 mit weiteren rund 2000 Einträgen die erste internationale Allgemeinbibliografie dar.731 Gesner führt darin neben vielen anderen Autoren vergangener und gegenwärtiger Zeit unter anderem auch Sebastian Derrer und dessen Werk auf: Der Areflavionenser Sebastian Derrer, Rechtsgelehrter und ordentlicher Zivilrechtsprofessor in Freiburg im Breisgau in Deutschland. Er schrieb den Iurisprudentiae liber primus, zugleich eine Einführung in die juristische Disziplin und großteils aus Grundsätzen verfasst. Gedruckt bei Frellaeus in Lyon im April 1540.732
Wie unschwer festzustellen ist, handelt es sich bei diesem lexikalischen Eintrag lediglich um Derrers eigene Angaben zu Beginn seiner Arbeit. Es ist exakt die Überschrift der Titelseite des Liber primus. Trotz der simplen Übernahme dieser Angaben ist es dennoch bemerkenswert, dass Derrers Werk – gemessen am Usus der damaligen Zeit – schon kurze Zeit nach seiner Veröffentlichung als einfacher Einbänder und ohne die geplanten weiteren neun Bände in ein solch monumentales Lexikon wie das Konrad Gesners aufgenommen worden ist. Auffällig ist schließlich auch der Umstand, dass Gesner als ausführendes Druckhaus dasjenige Frellons angibt und nicht, wie im Liber primus vermerkt, dasjenige Crespins. Offensichtlich erachtete er das Druckerzeichen für maßgebender als die Angabe des Druckers. Möglicherweise war er aber auch nur im Besitz einer Ausgabe, die sowohl das Druckerzeichen als auch das Kolophon von Frellaeus zeigt.733 731
Dilg, „Gesner, Konrad“, in: DBE 3 (neu), S. 800. Gesner, Bibliotheca universalis, S. 593: Sebastianus Derrerus Areflavionensis I.C. & legum professor ordinarius Friburgi Brisgoae in Germania, scripsit Iurisprudentiae lib. I. instar disciplinae institutum, & axiomatibus magna ex parte conscriptum. Frellaei excudere Lugduni, 1540. in 4. 733 Vgl. zu dieser Problematik die Ausführungen in Kapitel D.II.1. 732
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D. Das Hauptwerk – Iurisprudentiae Liber primus (1540)
ee) Jakob Spiegel Einen weiteren lexikalischen Eintrag hat der Iurisprudentiae Liber primus im Zusammenhang mit der Vorstellung Sebastian Derrers im Lexicon iuris civilis des bekannten elsässischen Humanisten Jakob Spiegel erhalten. Dieser diente unter den Kaisern Maximilian I. und Karl V. sowie unter König Ferdinand I. als Geheimsekretär.734 Nicht weniger als insgesamt 14 Auflagen hat sein Werk erlebt, das er in erster Linie für seinen Stiefbruder Johann Majus ausgearbeitet hat, um diesem durch ein besseres zivilrechtliches Standardwerk die Arbeit am Hof König Ferdinands I. zu erleichtern.735 Das Werk wurde auch über Spiegels Tod 1547 hinaus nach und nach erweitert. Da es Derrers Arbeit erst in der Ausgabe von 1564 erwähnt, kann Jakob Spiegel diesen Eintrag nicht mehr selbst verfasst haben. Immerhin ist der Titel des Lexicon iuris civilis mit einem Zusatz versehen, der auf eine sukzessive Fortsetzung der Arbeit hinweist: zuletzt erweitert und überarbeitet.736 Ebenso trägt die entsprechende Mitteilung über die Neueinträge die Hauptüberschrift: Was diesem Lexikon in der letzten Auflage jüngst hinzugefügt worden ist.737 Innerhalb dieses Appendix ist – wie in einem juristischen Personenlexikon – eine Abteilung jenen jüngeren Juristen gewidmet, die in den vergangenen Jahren als iuris novi bekannt geworden sind: Verzeichnis derjenigen Rechtsgelehrten, die sich im Zivil- wie auch im kirchlichen Recht einen Namen gemacht haben.738 Innerhalb dieser Rubrik heißt es über Derrer: Sebastian Derrer, Deutscher, ordentlicher Rechtsprofessor an der sehr gefeierten und bekannten Universität der Erzherzöge von Österreich, nämlich zu Freiburg im Breisgau. Er hat begonnen, das Zivilrecht durch Grundsätze in eine Ordnung zu bringen; und das nicht unglücklich, wie an Band I des Werks offensichtlich zu sehen ist, dem er den Titel Iurisprudentia gegeben hat. Betrachte auch jenes kenntnisreiche Vorwort des Petrus Petremandus aus Besançon, eines gelehrten und gebildeten Mannes, der gegen die Verteidiger unglücklicher Kommentare zu Recht für eine anzuratende Methode in unserem Studium eintritt.739 734
Knod, „Spiegel, Jakob“, in: ADB XXXV, S. 156. Burger, Jakob Spiegel, S. 29. 736 Spiegel, Lexicon iuris civilis, fol. a r.: . . . postremo auctum & recognitum. 737 Spiegel, Lexicon iuris civilis, fol. A r.: Quae Lexico huic postrema editione recens accessere. 738 Spiegel, Lexicon iuris civilis, Sp. 198: Nomenclatura Iurisperitorum, qui in iure civili et pontificio nomen sunt adsecuti. 739 Spiegel, Lexicon iuris civilis, Sp. 210 f.: Sebastianus Derrerus, Germanus, legum professor ordinarius in celeberrimo illustriß. Archiducum Austriae gymnasio apud Friburgum Brisigauorum, ius Civile per Axiomata in artem contrahere exorsus est: nec infeliciter, ut operis, cui Iurisprudentiae titulum fecit, primus liber aperte demnostrat. Vide in illum Praefationem eruditam Petri Petremandi Vesuntinensis, 735
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Bemerkenswert an diesem lexikalischen Eintrag ist die Tatsache, dass dem Autor der Verbleib möglicher weiterer Bände der Derrerschen Iurisprudentia offensichtlich kein Anliegen war. Dass es letztendlich bei nur einem statt ursprünglich zehn angekündigten Bänden geblieben ist, thematisiert er jedenfalls nicht. Auch die sonstigen Angaben sind – wie bereits für die Bibliotheca universalis Konrad Gesners festgestellt – größtenteils dem Liber primus selbst entnommen. Notabel ist allerdings, dass sich dieser Eintrag nicht nur mit dem Werk selbst, sondern auch mit dem Vorwort von Petrus Petremandus beschäftigt. Dieses scheint auf ein beinahe größeres Echo gestoßen zu sein als Derrers Opus selbst. Immerhin lässt sich dem beipflichtenden Kommentar der Bearbeiter (recte) entnehmen, dass sie das Werk Spiegels in durch und durch humanistischer Tradition und damit in seinem Sinne offenbar fortgesetzt haben. Nicht umsonst findet sich an dieser Stelle zusätzlich zur Äußerung des Petremandus ein diesem sekundierender Seitenhieb in Richtung der mittelalterlichen Kommentarliteratur (infelicia commenta). ff) Johann Baptist Zilettus Dass Derrers Opus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis nach Italien Verbreitung gefunden hat, belegt die Aufnahme des Titels in den 1559 erstmals erschienenen Index librorum omnium iuris tam pontificii quam caesarei des venezianischen Juristen Johann Baptist Zilettus. Unter der Zwischenüberschrift Verzeichnis aller Abhandlungen weiterer kleiner Arbeiten, alphabetisch geordnet740 führt Zilettus auch den Iurisprudentiae Liber primus auf. Ohne weitere Erklärungen gibt er aber nur Werktitel und Autor an. Allein die Schreibweise von Derrers Namen erstaunt dabei: Anstatt dem üblichen Derrerum verwendet Zilettus die Schreibweise per Sebast. Dererium.741 gg) Zwischenergebnis zu Kapitel b) Es kann nicht überraschen, dass Derrers Werk innerhalb der Literatur des 16. Jahrhunderts weniger enthusiastisch und schon gar nicht so euphorisch aufgenommen und bewertet wurde, wie das noch die Vorworte im Liber primus verheißen hatten. Ulrich Zasius hat trotz seiner systemkritischen Äuviri & docti & eruditi, de studioque nostro per methodum tradendo recte sentientis adversus patronos infelicium commentorum. 740 Zilettus, Index librorum omnium iuris, S. 30: Index omnium tractatuum, aliorumque opusculorum ordine Alphabetico, Digestus. 741 Zilettus, Index librorum omnium iuris, S. 40.
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ßerungen das Werk einen tractatus elegans genannt, doch dieses Kompliment resultiert wahrscheinlich auch aus der Tatsache, dass Zasius seinen einstigen Schüler und nunmehrigen Fakultätskollegen nicht kritisieren, sondern gerade loben wollte. Dies gilt auch für die positiven Anmerkungen Johann Fichards, der sich ausdrücklich als Derrer-Schüler bekennt. In der Summe ist Sebastian Derrers Werk innerhalb der zeitgenössischen Literatur inhaltlich also offenbar vergleichsweise weniger beachtet worden, als das mit dem Blick auf den juristisch-revolutionären Geist des Autors und Freiburger Professors zunächst zu vermuten gewesen wäre. 2. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert Wer untersucht, welche Rolle dem Iurisprudentiae Liber primus in der juristischen Literatur durch die Jahrhunderte hindurch zuteil geworden ist, dem fällt auf, dass dieses Werk offenbar im gesamten 17. Jahrhundert nicht beachtet worden ist. Die Ursache hierfür dürfte im Wandel der Bedürfnisse der juristischen Alltagspraxis begründet liegen, die der Hallenser Jurist Samuel Stryk begriffsprägend als Usus modernus pandectarum bezeichnet hat. Hervorstechendes Merkmal dieser Phase ist die deutlich praxisbezogene Beschäftigung mit dem römischen Recht und dessen Anpassung an die im Heiligen Römischen Reich bestehenden Verhältnisse.742 Doch gerade davon kann in Derrers Iurisprudentia noch nicht die Rede sein, wenn er fast ausschließlich klassisch römischrechtliche Problemfelder behandelt, die überdies eines aktuellen Bezuges gänzlich entbehren, wie etwa die Erörterung des Sklavenrechts zeigt. Unabhängig davon waren die Juristen des Usus modernus pandectarum auch nicht an juristisch-systematischen Konstrukten universitärer Provenienz interessiert, sondern an der pragmatischen und alltagstauglichen Lösung forensischer Einzelfälle. Insofern verwundert es nicht, dass die Arbeit und vor allem die Vorgehensweise Sebastian Derrers im 17. Jahrhundert nicht auf Resonanz stieß. Doch das ändert sich bereits im 18. Jahrhundert wieder: Fortan ist zu spüren, wie das Interesse an humanistisch-systematischen Ausarbeitungen aufs Neue wächst, obwohl sich zu dieser Zeit natur- und vernunftrechtliche Strömungen verstärkt bemerkbar machen. Davon zeugen Juristen wie Heinrich Christian von Senckenberg oder Johann Friedrich Burcklin. Im 19. Jahrhundert ist vor allem die äußerst detailliert ausgearbeitete Schrift über Das römische Institutionen-System von Friedrich Xaver Affolter zu nennen, auf die im Rahmen des Derrerschen Systemschemas bereits detailliert eingegangen und in der Derrers Systementwurf überaus kritisiert worden ist.743 Außerdem steht in jenem Jahrhundert das deut742
Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rn. 251.
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lich wahrzunehmende Interesse in wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht im Vordergrund. Auf juristischer Seite exemplarisch hierfür ist etwa Johann August Roderich von Stintzing mit seiner Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft zu nennen, der sich im Rahmen des Beginns der synthetischen Richtung und Principienkämpfe bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts ebenfalls mit Derrers Opus auseinandergesetzt hat. a) Heinrich Christian von Senckenberg Eine nicht unbedeutende Rolle spielt der Iurisprudentiae Liber primus in der 1756 erschienenen Arbeit Methodus Iurisprudentiae des Frankfurter Rechtsgelehrten Heinrich Christian von Senckenberg. Dort erscheint Derrer nicht nur im Zusammenhang mit den von ihm im Liber primus erwähnten angeblichen zivilrechtlichen Harmonisierungsbestrebungen Kaiser Maximilians I.,744 sondern insgesamt als humanistisch gesinnter Jurist. Senckenberg apostrophiert ihn zusammen mit anderen Juristen als Schöpfer einer neuen Systematik in der Rechtswissenschaft: Auch jene verdienen Lob, die – da bereits viel geschrieben worden ist – gute Bücher wieder zugänglich machen. Man kann, wo immer man auch hinschaut, besser und auch richtiger und mit einer neuen Anordnung in der gebildeten Welt Rat suchen. Beispiele unter allen Arbeiten sind die des Giphanius, des Aeneas Sylvius, des Sebastian Derrer, des Christoph Gewold, des Jakob Raevard und der Hunderte anderen.745
Überraschenderweise zitiert Senckenberg an dieser Stelle neben Hubert van Giffen und Sebastian Derrer nahezu unbekannte Systematiker-Juristen, während er bekanntere nicht erwähnt. Unter einer eigenen Zwischenüberschrift – De Sebastiani Derreri Iurisprudentia – innerhalb seiner Methodus erwähnt er Derrers Arbeit als systematischen Versuch innerhalb der Rechtswissenschaft. Eingekleidet ist dieser Passus in die Erörterung der allgemeinen methodischen Bemühungen der humanistischen Jurisprudenz, das Recht neu und besser zu ordnen (De methodicis iuris scriptoribus): Und in der Folge kam dieses Bemühen, das Recht in eine Ordnung zu bringen, ins Stocken, wie ich weiß, bis zu Sebastian Derrer, der den Iurisprudentiae Liber 743 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b)aa)(2) sowie in Kapitel D.VI.3.b)aa)(3). 744 Vgl. Fn. 389 sowie Fn. 390. 745 Senckenberg, Methodus Iurisprudentiae, S. 76: Merentur & illi laudem suam, qui bonos libros restituunt, cum multa jam sint scripta, quibus reviviscentibus, (ac rectius etiam), quo semper attendendum, compositis, melius ac nova compositione erudito orbi consuleretur. Exemplum in omnibus fere GIPHANIANIS, operibus Aeneae SYLVII, Sebastiani DERRERI, Christophori GEWOLDI, Iacobi RAEVARDI, & centuriis aliorum.
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primus herausgegeben hat. Er wollte zwei weitere Bände hinzufügen, von denen ich bezweifle, dass sie jemals erschienen sind.746
Bemerkenswert ist Senckenbergs Feststellung, dass die juristischen Neuordnungsbemühungen vor Derrer ins Stocken geraten seien (conquievit). Tatsächlich bleibt jedoch festzuhalten, dass nach humanistischer Lesart diese Bemühungen mit Derrer und anderen Juristen wie etwa Johann Apel oder Konrad Lagus gerade erst begonnen haben. Ungereimt bleibt auch Senckenbergs Aussage, wonach Derrer geplant habe, zwei weitere Bände zu veröffentlichen. Derrer selbst spricht schließlich von einer zehnbändigen Ausgabe. Möglicherweise stützt sich Senckenberg bei seiner Aussage unreflektiert auf einen seiner Schüler, der in seiner 14 Jahre zuvor erschienenen Arbeit ebenfalls von drei Bänden spricht.747 Darüber hinaus ist aber auch ein direkter Bezug Senckenbergs auf die oben angeführten Äußerungen aus dem Umfeld Johann Fichards nicht auszuschließen, in denen von den scheinbar existierenden de iurisprudentia libri III Sebastian Derrers die Rede ist.748 Diese Annahme liegt nahe mit dem Blick darauf, dass sowohl Fichard als auch knapp 200 Jahre später Senckenberg in Frankfurt am Main tätig gewesen ist – Fichard als Begründer der Stadtrechtsreformation, Senckenberg als Rechtsanwalt und Reichshofrat. Hinzu kommt, dass beide Werke, in denen von den drei Derrerschen Büchern über die iurisprudentia die Rede ist, in Frankfurt am Main publiziert worden sind. Trotz dieser Widersprüche und Ungereimtheiten bleibt es das Verdienst des großen Juristen Heinrich Christian von Senckenberg, den Iurisprudentiae Liber primus im 18. Jahrhundert von renommierter Seite aus in das Gedächtnis der Rechtswissenschaft zurückgerufen zu haben, nachdem das Werk im 17. und teilweise auch noch im 18. Jahrhundert offenbar in Vergessenheit geraten war. b) Johann Friedrich Burcklin Der oben angesprochenen Arbeit eines Schülers von Heinrich Christian von Senckenberg gilt in diesem Zusammenhang ebenfalls besondere Aufmerksamkeit. Es handelt sich dabei um die juristische Dissertation De iurisprudentia certa methodo tractanda von Johann Friedrich Burcklin aus Gießen.749 Entsprechend seiner Titelüberschrift behandelt das Werk metho746 Senckenberg, Methodus Iurisprudentiae, S. 79: Et conquievit postmodum, quod sciam, hoc Iuris in comendium redigendi studium, usque ad Sebastianum Derrerum, qui Iurisprudentiae Librum I. edidit, aditurus duos alios, de quibus, an unquam prodierint, dubitavi. 747 Vgl. über diesen Kapitel D.VIII.2.b). 748 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VIII.1.b)bb). 749 Auf diese wurde oben im Rahmen der angeblich geplanten zivilrechtlichen Harmonisierungsbestrebungen Kaiser Maximilians I. bereits eingegangen. Vgl. Fn. 388.
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dische Fragen innerhalb der Rechtswissenschaft. Bei der Betrachtung dieser Dissertation fällt zunächst auf, dass Burcklin ein Anhänger und Verehrer Sebastian Derrers gewesen sein muss – und das noch gut 200 Jahre nach dessen Tod. Das 21. Kapitel seiner Dissertation widmet Burcklin ausschließlich ihm und dessen Liber primus. Seine Worte über Derrer lesen sich voll des Lobes, ja der Bewunderung: Fast gleichzeitig mit Lagus bedeutete der Areflavionenser Sebastian Derrer, Professor an der Universität in Freiburg, eine gewaltige Hilfe für die Rechtswissenschaft, dessen Iurisprudentiae Liber primus, zugleich eine Einführung in die juristische Disziplin und großteils aus Grundsätzen verfasst, ich besitze. Ein elegantes Buch, nur von Großem erfüllt, von einer ausgezeichneten Ordnung, im Glanze lateinischer Sprache und vom ganzen Pflichtgefühl eines guten Schriftstellers nicht im Stich gelassen. Ich bewundere Derrer, so oft ich ihn lese. Ich lese diesen nämlich sehr oft. Ob außer dem ersten Teil meiner gedruckten Ausgabe, Lyon April 1540, noch weitere Teile erschienen sind, weiß ich nicht genau. Ich lese von einer anderen Ausgabe, Löwen April 1550, die ich dennoch niemals gesehen habe. Fichard erwähnt diese in seiner Vita des Sichard: Die drei glänzenden Bücher von Derrer über die Rechtswissenschaft stechen hervor. Und daher kannst Du vermuten, dass die übrigen neun Bücher, die in der Widmung angekündigt werden, auch das Licht erblickt haben. Ferner die geschätzte Arbeit des Derrer in den folgenden Versen des großen Rechtsgelehrten Mynsinger, die ich der zu bekräftigenden Worten wegen zitiere: . . .750.
Diese Äußerungen sind die positivsten Bekundungen, die, ausgenommen die Vorwortautoren, über Sebastian Derrer und dessen Iurisprudentiae Liber primus dokumentiert sind. Doch trotz allem Lob, ja trotz oder wegen aller Begeisterung sind einige Ungenauigkeiten unübersehbar. So wurde die zweite Ausgabe des Liber primus nicht etwa 1550, sondern erst 1552 publiziert. Auch scheint Burcklin Fichards Bemerkung von den drei existierenden Bänden der Iurisprudentia ebenso kritiklos und ohne eigene Recherchen übernommen zu haben, wie das dann 1756 bei Senckenberg der Fall 750 Burcklin, De iurisprudentia certa methodo tractanda, S. 14: Suppar Lago fuit ingens Iurisprudentiae praesidium Sebastianus DERRERUS Auroflaviensis, in ArchiGymnasio Friburgensi Professor, cuius Iurisprudentiae liber primus instar disciplinae institutus, & Axiomatibus magna ex parte conscriptus mihi est. Liber elegans, nil nisi magnum spirans, insigni ordine, latini sermonis nidore, & omni boni scriptoris officio non destitutus. Miror Derrerum quoties evolvo, evolvo autem saepies [sic!]. Meae editionis Lugduni 1540.4. excusae, an praeter partem primam aliquid prodierit, scio cum aliis. Lovanii aliam 1550.4. natam lego, quam tamen nunquam vidi. FICHARDUS certe in vita Sichardi haec profert: „Extant DERRERI de Iurisprudentia Libri III. luculenti.“ Unde suspicari posses, & novem reliquos, quos superesse Dedicatio dicit libros, lucem spectasse. Probatus autem Derreri labos magno Iuris Consulto MYNSINGERO, versibus, quos firmandorum dictorum causa adscribo, sequentibus: . . .
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sein sollte. Ebenso geht seine Mutmaßung fehl, dass sämtliche von Derrer geplanten Bände tatsächlich publiziert worden seien. Dennoch scheint sich Burcklin intensiver als erwartet mit dem Liber primus und dessen Autor auseinandergesetzt zu haben, auch wenn er für seine eigene Dissertation methodisch wenig auf die eigentliche Problematik und auf das spezifisch Neue daran eingegangen ist. In das Gesamtbild seiner Ausführungen über Derrers Werk fügt sich das abschließende Urteil ein, wonach Derrer nach alledem als hervorstechende Persönlichkeit nicht genug zu loben ist.751 c) Johann August Roderich von Stintzing Im 19. Jahrhundert war es vor allem der Bonner Rechtswissenschaftler Johann August Roderich von Stintzing, der sich in stärkerem Maße mit Sebastian Derrers Hauptwerk beschäftigt hat. In seiner 1880 erschienenen Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft widmet er Derrer und dessen Opus insgesamt zweieinhalb Buchseiten. Als Aufhänger dient ihm dafür die Analyse systematischer Werke innerhalb der humanistischen Jurisprudenz. Dabei geht er davon aus, dass Derrer den ersten Versuch des in artem redigere überhaupt unternommen habe,752 um jedoch weiter unten einschränkend hinzuzufügen, dass dies nur unter Vorbehalt der Prioritätsrechte des unten zu besprechenden Joh. Apel gesagt sein solle.753 Neben einigen biografischen Daten beschäftigt er sich in der Hauptsache mit dem Iurisprudentiae Liber primus, den er fälschlicherweise als einzige von Derrer bekannte Schrift bezeichnet. Neben der grob strukturierten Darlegung des Derrerschen Systemschemas erörtert er allerdings keine inhaltlichen Fragen des Werks, sondern gibt lediglich einige Äußerungen Derrers sowie Petremandus’ über den Zustand der Rechtswissenschaft am Ausgang des Mittelalters wieder. d) Zwischenergebnis zu Kapitel 2 Auch wenn sich weitere Arbeiten im Zeitraum des 18. und 19. Jahrhunderts nur fragmentarisch und bei weitem nicht so ausführlich wie bei Senckenberg, Burcklin und Stintzing finden lassen, so zeigt die Beschäftigung damit dennoch, dass der Liber primus des Öfteren Aufsehen erregt hat und auf Interesse in der Wissenschaft dieser Jahrhunderte gestoßen ist.754 Eine 751 Burcklin, De iurisprudentia certa methodo tractanda, S. 15: . . . per omnia egregius nec satis laudandus. 752 Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 256. 753 Stintzing, Rechtswissenschaft, Erste Abtheilung, S. 258 f. 754 Hierbei nicht berücksichtigt sind die wissenschaftlichen Erörterungen über Sebastian Derrer als Freiburger Rechtsprofessor, die bereits im Rahmen seiner Biogra-
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Erklärung hierfür ist zum einen im rechtshistorischen Interesse an der humanistischen Jurisprudenz und damit an Sebastian Derrers Arbeit insgesamt zu sehen, wie das bei Heinrich Christian von Senckenberg oder Johann Friedrich Burkcklin deutlich zum Ausdruck kommt. Zum anderen nehmen vor allem im 19. Jahrhundert wissenschaftsgeschichtliche Aspekte als solche eine zentrale Rolle ein. Überzeugend, ja eindrucksvoll belegt das eine Persönlichkeit wie Johann August Roderich von Stintzing. 3. Ergebnis zu Kapitel VIII Die Resonanz und die Bewertung des Iurisprudentiae Liber primus innerhalb wie außerhalb der Jurisprudenz haben gezeigt, dass Derrers Opus mit Ausnahme des 17. Jahrhunderts durchaus eine gewisse Beachtung in der Wissenschaft gefunden hat. Bedenkt man das zum Teil geringe Interesse an der mitunter als zu theoretisch und praxisfern empfundenen humanistischen Jurisprudenz, so mutet es sogar ungewöhnlich an, dass ein vergleichsweise einflussloser Rechtsprofessor mit seinem Werk Einzug selbst in die namhaftesten Standardwerke des 16. Jahrhunderts gehalten hat. Dennoch entsprach das wissenschaftliche Echo wohl bei weitem nicht den Erwartungen, die Derrer selbst gehegt hat. Diese werden in seiner Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. ebenso deutlich wie aus der praefatio des Petrus Petremandus. Allerdings hat er diese Erwartungen angesichts seines eben erst begonnenen Werks und unter dem einsetzenden Konkurrenzdruck durch weitere systematische Versuche offenbar auch zu hoch angesetzt. Gleichwohl ist Sebastian Derrer mit seinem Iurisprudentiae Liber primus im Laufe der Jahrhunderte eine respektable wissenschaftliche Wahrnehmung zuteil geworden.
IX. Zusammenfassung Sebastian Derrer hat in seiner Arbeit Iurisprudentia den Versuch angestellt, die juristische Lehre in eine systematische Form zu bringen auf der Basis eines methodologischen Ansatzes mit einem logisch-philosophischen Ursprung, der in erster Linie das eigentliche und essenzielle Objekt der Rechtswissenschaft aufnehmen wollte.755 fie eingearbeitet worden sind. Dafür stehen Wissenschaftler wie Joseph Anton Stephan Ritter von Riegger im 18. bzw. Heinrich Schreiber im 19. Jahrhundert. Im vorliegenden Kapitel geht es auschließlich um die Resonanz des Iurisprudentiae Liber primus selbst. 755 Mazzacane, Scienza, logica e ideologia, S. 34: Questi aveva affrontato nella Iurisprudentia un tentativo di fissare in forma sistematica le dottrine giuridiche, sulla base di una impostazione metodologica, di origine logico-filosofica, che intendeva in primo luogo definire l’oggetto proprio ed essenziale della giurisprudenza.
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Mit diesen Worten beschreibt Aldo Mazzacane in seinen Studien zur deutschen Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts anschaulich Sebastian Derrers systematische Bestrebungen und dessen Grundlagen auf dem Weg zu einem eigenen ordo iuris. Auch wenn nur ein einziger seiner geplanten zehn Iurisprudentiae Libri tatsächlich erschienen ist, so stellt das Werk dennoch einen ernst zu nehmenden Versuch dar, die in ihren Glossen und Kommentaren verharrende Rechtswissenschaft neu zu ordnen und eigene Ansätze aufzuzeigen. Dass Derrer als erster oder zumindest als einer der ersten juristischen Systematiker bezeichnet wird, zeigt die Bedeutung seines Vorhabens auch im Rahmen der Zeit. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht einmal unangemessen, ihn als Pionier der systematischen Richtung innerhalb der humanistischen Jurisprudenz zu bezeichnen. Dass der Iurisprudentiae Liber primus allerdings durchgehend in der universitären Ausbildung zu Rate gezogen, geschweige denn als Standardwerk verwendet worden ist, wie sich das Sebastian Derrer in seiner epistola dedicatoria selbst gewünscht und erhofft hat, muss zumindest erheblichen Zweifeln unterliegen – ja es ist im Grunde genommen nahezu auszuschließen. Auch wenn auf das Werk, wie in Kapitel VIII nachgewiesen, zumindest im 16. Jahrhundert regelmäßig verwiesen wird und die Resonanz darauf im Grundsatz positiv ist, so wäre es bei entsprechendem standardmäßigem Gebrauch in der wissenschaftlichen Literatur ungleich häufiger zitiert worden. Derrer umgekehrt als kleines Licht der Rechtswissenschaft zu bezeichnen, würde seiner Arbeit und seinem Denken aber ebenfalls nicht gerecht werden. Dass er nicht die Reputation etwa seines Lehrers Ulrich Zasius erreichen konnte, liegt wohl auch an seinem frühen Tod mit ungefähr 45 Jahren, während Zasius auf immerhin 74 Lebensjahre zurückblicken konnte. Es lässt sich nicht sagen, welchen Ruf Sebastian Derrer mit einer vollständigen Ausgabe seiner geplanten Iurisprudentiae Libri hätte erreichen können. Inhaltlich stellt der in zwei Auflagen anno 1540 und anno 1552 erschienene Iurisprudentiae Liber primus eine systematische Teildarstellung des römischen Rechts auf der Grundlage der justinianischen Institutionen mit den Schwerpunkten Rechtsquellenlehre (ius) sowie Personenrecht (als Teil des iuris obiectum) dar. Der Entwurf eines eigenen juristischen Systems, eines ordo iuris, ist als Versuch Derrers zu bewerten, das Recht grundlegend neu bzw. überhaupt zu ordnen. Als mehr als ein Versuch kann seine Arbeit allerdings nicht bezeichnet werden; zum einen wegen des im Liber primus nicht vollständig dargestellten Gesamtsystems, zum anderen wegen der insgesamt bei weitem nicht vollendeten, wenngleich auch geplanten zehnbändigen Ausgabe der Iurisprudentiae Libri. Die Motive zur Schaffung des Werks liegen primär in der Ausarbeitung eines rechtswissenschaftlichen Systems zur besseren Ordnung und Ver-
IX. Zusammenfassung
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anschaulichung des Rechtsstoffs. Diese Ordnung spiegelt sich auch in der Titelabfolge innerhalb des Darstellungsteils im Liber primus wider. Mit Hilfe dieser Arbeit sollte der Leser wieder auf den aus Derrers Sicht richtigen Weg des Rechts geführt werden und dem Rechtsstudium geordneter und effizienter nachgehen können, als das noch zu seinen eigenen Studienzeiten der Fall gewesen ist. Hierfür war es in Bezug auf sein Vorgehen und auch auf seine Denkweise folgerichtig, für die Zeichen der Zeit allerdings noch äußerst ungewöhnlich, wie selbstverständlich von der quellenmäßigen Bücher- und Titelordnung des Corpus Iuris Civilis abzuweichen. Als Instrument dieser Abweichung von den Quellen hat sich Derrer der aus der Philosophie rezipierten dihairetischen, also aufspaltenden Methode bedient, mit Hilfe derer ein Ganzes in seine einzelnen Teile aufgegliedert werden kann, ohne dabei allerdings grundlegende neue Erkenntnisse zu deduzieren. Dass Derrer bei seiner systematischen, durchstrukturierten Vorgehensweise, die nach der dihairetischen Methode jeweils nur einen einzigen Sachpunkt erlaubt, nicht ganz widerspruchsfrei bleiben konnte, liegt auf der Hand und wurde von ihm möglicherweise bewusst in Kauf genommen. Jedenfalls offenbaren sich an einigen Stellen, wie aufgezeigt werden konnte, sowohl im ius-Bereich als auch im Bereich des iuris obiectum aufbaubedingte Systemschwächen. Genannt sei hier etwa die nicht widerspruchsfrei gebliebene Trichotomie des Personenrechts in personae status, conditio sowie defensio, die allein auf Derrers systematische Vorstellungen zurückgeht und sowohl davor, als auch danach keine Bearbeitung bzw. Weiterentwicklung in der Literatur gefunden hat. Dass ein und derselbe Gliederungspunkt möglicherweise nicht nur ein Mal, sondern im Einzelfall mehrere Male in einem jeweils anderen Kontext aufzuführen ist, hierfür war die von Derrer favorisierte Methode schlussendlich nicht geeignet. Trotz dieser partiell vorhandenen Ungereimtheiten kann dennoch festgehalten werden, dass der Iurisprudentiae Liber primus sowohl für den im Anfang seines Studiums begriffenen iuris novus ebenso hilfreich und von Nutzen sein konnte wie für den in den Endzügen befindlichen und den Rechtsstoff repetierenden iuris candidatus. Die im Grundsatz übersichtliche und daher einen guten Überblick bietende Struktur der Arbeit – sowohl des Systemschemas als auch der eigentlichen Darstellung sowie der Indices – mag zwar die vertiefende und ergänzende Zuhilfenahme von Glossen und Kommentaren nicht ersetzt haben,756 als Kompendium und Leitfaden für 756
Wie am Iurisprudentiae Liber primus äußerst eindrucksvoll zu erkennen ist, bedient sich Derrer selbst in umfangreichem Maße der mittelalterlichen Kommentarliteratur, allen voran der des Bartolus, obwohl er in seiner epistola dedicatoria an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. noch eindrucksvoll vor dem übermäßigen Gebrauch dieser Literatur gewarnt hat. Vgl. nur Fn. 367. Es ist dies ein Phänomen,
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die laeti iuvenes, wie sich Guilhelmus Barotius hoffnungsvoll in seinem Carmen ad Iurisprudentiae candidatos hinsichtlich der Verwendung des Liber primus durch die Rechtsstudenten ausdrückt,757 konnte das Werk aber durchaus hilfreich sein. Im Hinblick auf Mut und Impetus zur Schaffung einer systemabweichenden bzw. eigensystematischen Arbeit und damit insgesamt auf dem Weg zu einem ordo iuris gebührt Sebastian Derrer daher wissenschaftlicher Respekt und Anerkennung. Ob er allerdings als Wegbereiter des Vernunftrechts bezeichnet werden kann, der auf die Rechtswissenschaft nicht ohne Einfluss gewesen sei, wie Hans Winterberg mutmaßt,758 ist stark zu bezweifeln. Dass gerade in den wesentlichen Werken des Vernunftrechts, soweit ersichtlich, nicht auf Derrer bzw. dessen Anschauungen Bezug genommen, ja nicht einmal darauf eingegangen wird, spricht doch deutlich gegen diese Annahme. Auch wenn umgekehrt etwa seine Trichotomie des Personenrechts als tragende Säule des Liber primus keine wissenschaftlichen Nachahmer gefunden hat, so lässt sich jedenfalls feststellen, dass Derrer auf die systematische Richtung der humanistischen Jurisprudenz nicht ohne Einfluss geblieben ist. Mag sich dieser direkte Einfluss zwar nur auf den Impetus zur Schaffung weiterer Rechtssysteme und weniger auf inhaltliche Weiterentwicklungen beschränkt haben, so ist die Begeisterung hierfür durch die humanistische Jurisprudenz und damit zweifellos auch durch Sebastian Derrer geweckt worden. Aber auch die These Francisco Carpinteros, wonach Derrers Opus das vielleicht gelungenste systematische Werk des 16. Jahrhunderts ist,759 ist in der Tat nur mit einem ganz großen Vielleicht aufrechtzuerhalten. Andere und bei weitem bekanntere systematische Entwürfe, etwa eines Franciscus Connanus oder Hugo Donellus, können nach diesem Verständnis genauso als gelungen oder nicht gelungen interpretiert werden und haben darüber hinaus erheblich mehr Beachtung innerhalb der Rechtswissenschaft gefunden als Sebastian Derrers Systemvorstellungen. Ganz unabhängig davon hat er mit dem Iurisprudentiae Liber primus aber insgesamt eine Arbeit geschaffen, die in der Rechtswissenschaft bis zu diesem Zeitpunkt ihresgleichen gesucht hat.
das bei zahlreichen Humanistenjuristen zum Vorschein kommt – ganz offensichtlich in der Erkenntis, diese Autoren dennoch nicht ignorieren zu können. 757 Vgl. Fn. 375. 758 Winterberg, Schüler von Ulrich Zasius, S. 28. 759 Carpintero, Mos italicus, mos gallicus y el Humanismo racionalista, S. 158: . . . que quizá fue la obra sistemática más lograda del siglo XVI . . .
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567) Die immense Bedeutung, die das als Typus Iurisprudentiae bezeichnete Gesamtsystem für die Würdigung von Sebastian Derrers vollständigem Œuvre besitzt, liegt darin begründet, dass erst aus diesem seine kompletten Systemvorstellungen konzeptibel werden. Aus dem Iurisprudentiae Liber primus geht lediglich der Bereich des ius und aus dem Bereich des iuris obiectum einzig das Personenrecht vollständig hervor. Durch den Typus Iurisprudentiae hingegen wird aus vielen hundert einfachen Gliederungspunkten das vollständige Derrersche Rechtssystem bis zum untersten Baustein, bis in das kleinste Detail ersichtlich. Die Arbeit existiert nicht in Form einer eigenständigen Ausgabe, sondern ist als scheinbar bedeutungsloser Anhang einer ganzen Sammlung legistischen wie auch kanonischen Rechts veröffentlicht, die der Nürnberger Jurist Gregor Haloander im 16. Jahrhundert zusammengestellt hat. Darin finden sich in Form des Kodex und der Novellen Teile des Corpus Iuris Civilis sowie weitere Gesetze, etwa die Canones Sanctorum Apostolorum oder die Consuetudines Feudorum.
I. Entstehung Für die Entstehungszeit des Typus Iurisprudentiae gilt das bereits in Kapitel D.I zum Iurisprudentiae Liber primus Festgestellte: Wann das Werk entstanden ist, lässt sich nicht mehr präzise ermitteln. Aus Gründen der Logik ist aber davon auszugehen, dass Sebastian Derrer seine gesamten Systemvorstellungen entwickelt hatte, ehe er den Liber primus zu Papier brachte. Immerhin handelt er dort nur einen Bruchteil der dem Typus Iurisprudentiae immanenten Gliederungs- und Schwerpunkte ab. Die Arbeit sollte Ausgangspunkt und Grundlage für die geplanten Iurisprudentiae Libri wie auch für die Erfassung des gesamten, von Derrer entwickelten Rechtssystems überhaupt sein. Überdies liefert der Liber primus bei präziser Betrachtung zwei Hinweise, die durchaus beweisen können, dass Derrer sein Gesamtsystem schon entworfen hatte, als er sein Werk verfasste. Sie stammen allerdings nicht von ihm selbst, sondern von zwei Vorwortautoren. So erörtert Petrus Petremandus in seiner praefatio Rechtsbereiche, die eindeutig nicht aus dem Liber primus zu erkennen sind, sondern zwingend auf eine darüber hinausgehende Kenntnis des Derrerschen Gesamtsystems
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
schließen lassen. Konkret beziehen sich seine Einlassungen dabei auf die Gebiete der res und des commercium, die Derrer in seinem im Liber primus abgedruckten System lediglich der Vollständigkeit halber aufzählt, aber nicht weiter unterteilt. Petremandus hingegen beschreibt aus diesen beiden Bereichen mehrere Rechtselemente, die aus dem Typus Iurisprudentiae in sogar teilweise wörtlicher Übernahme hervorgehen.760 Den zweiten eindeutigen Hinweis auf die Fertigstellung des Derrerschen Gesamtsystems vor dem Liber primus liefert Guilhelmus Barotius. Bezugspunkt ist hier das kleine Genitivattribut rei in seinem carmen, wenn er auf die Rechtsobjekte des Systems eingeht. Während Derrer, aber auch die übrigen Vorwortautoren des Liber primus, lediglich von commercium als dritter Hauptsäule der iuris obiecta sprechen, wie das auch aus dem Schema im Liber primus selbst hervorgeht, verwendet Barotius dafür den Zusatz commercia rerum oder in der letzten Randbemerkung seines carmen – ausdrücklich – commercium rei.761 Es handelt sich dabei exakt um die aus dem Typus Iurisprudentiae hervorgehende Bezeichnung dieses Bereichs, den Barotius nur in Kenntnis des Derrerschen Gesamtsystems verwendet haben kann. Aus dem Liber primus selbst geht kein einziger Hinweis darauf hervor. Seit Sebastian Derrer zum Wintersemester 1524/25 als Juraprofessor an der Albertina zu wirken begann, wird er die juristischen Ordnungs- und Strukturdefizite nun auch als Rechtswissenschaftler erkannt und sich dazu entschlossen haben, diesem Mangel mit seinem Systementwurf abzuhelfen. So könnte er sein Gesamtsystem bereits etwa Mitte der 1520er-, spätestens aber in den frühen 1530er-Jahren entwickelt und niedergeschrieben haben. Entstanden ist es, wie schon für den Iurisprudentiae Liber primus festgestellt, mit Sicherheit in Freiburg im Breisgau. Dass sich das Schema des von Derrer entwickelten Gesamtsystems der Rechtswissenschaft überhaupt in toto nachzeichnen lässt, ist zunächst einem gewissen Kaspar Herwagen zu verdanken, der sich ganz im Sinne humanistischer Tradition latinisiert Hervagius nennt. Er hat Derrers Systementwurf 760 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 2 v.: Consulto Author rem in commercialem, & non commercialem divisit, tanquam in parteis subiectivas, quarum aliae cur a legitimo hominum commercio exemptae sint, varijs ex causis aperit. Earum vero in quibus commercium, quod acquisitione, retentione & alienatione constat: locum habere dicitur, membra persequitur, simulque in incorporalem & corporalem partitur. Incorporalem porro in Principis & Privatorum: Principis autem res incorporales, quae maxime ad asserendam, conservandamque Imperij Maiestatem pertinent, in Iurisdictionem, & regalia. Iurisdictionem in imperium & Iurisdicitionem simplicem. Rursus regalium membra, quasi hactenus inaudita affert: ut alia quidem praestatione ex publicis consistant, ut vectigalia & tributa. 761 Vgl. Fn. 348 bis Fn. 350.
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1567 posthum veröffentlichen lassen. Für die Auseinandersetzung um Entstehungszeit und -ort des Typus Iurisprudentiae wichtig ist die Frage, auf welchem Wege Herwagen an den Entwurf des Derrerschen Systemschemas gelangt ist und wie dieser letztendlich in Buchform herausgegeben werden konnte. Kaspar Herwagen nennt sich in seiner Vorrede762 zum Typus Iurisprudentiae Doktor beider Rechte für Eure sehr berühmte Herrschaft und spricht damit den Stellvertreter des Markgrafen Karl von Baden, Ludwig Wolfgang von Habsperg, an.763 Aus den Universitätsmatrikeln geht hervor, dass sich dieser im September 1535 zum folgenden Wintersemester an der Universität Freiburg als Ludovicus Wolfgangus ab Happsberg immatrikuliert hat.764 Herwagen hingegen scheint Jura nicht in Freiburg studiert zu haben – jedenfalls wird er, anders als Habsperg, in den Matrikeln der Albertina nicht aufgeführt. Er wurde als Sohn des bekannten Basler Buchdruckers Johann Herwagen 1528 geboren und inskribierte sich am 25. August 1545 als Casparus Hervagius Hegogaeus in die Matrikel der Universität Basel.765 Vom 28. Februar 1548 an ist er als Caspar Hervagius Dengensis in den Matrikeln der Universität Tübingen gelistet.766 Aus den beiden Angaben Dengensis bzw. Hegogaeus wird gleichzeitig auch seine eigentliche Herkunft deutlich: Tengen im Hegau. Bemerkenswert ist allerdings, dass sein Vater Johann zwar aus Waderdingen, dem heutigen Tengener Stadtteil Watterdingen, stammt, aber bereits seit 1522 als Drucker in Straßburg gearbeitet hatte und 1528 nach Basel übergesiedelt ist.767 Jedenfalls trat Kaspar Herwagen nach weiteren Studien an französischen Hochschulen und seiner 762 Die Angabe von Hans Winterberg in seiner Arbeit Die Schüler von Ulrich Zasius, S. 27, Fn. 11, wonach Basilius Amerbach die Einleitung zum Typus Iurisprudentiae verfasst habe, entspricht nicht den Tatsachen. Aus der Arbeit selbst geht eindeutig Kaspar Herwagen als Vorwortautor hervor. Ebenso wenig trifft Winterbergs in diesem Zusammenhang getroffene Äußerung zu, dass Derrer das Schema des Gesamtwerks seinem Liber primus vorangestellt habe. Wie in der vorliegenden Arbeit bereits mehrfach zum Ausdruck gekommen ist, beinhaltet der Liber primus gerade nur die zur Darstellung des ersten Bands erforderlichen Systempunkte, während das Derrersche Gesamtsystem erst aus dem Typus Iurisprudentiae vollständig ersichtlich wird. Die Rechtsobjekte res, commercium sowie persecutio des iurisobiectum-Bereichs werden im Liber primus lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt. Von einem Schema des Gesamtwerks kann dort also keine Rede sein. Vgl. etwa die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b). 763 Herwagen, Praefatio, fol. 3 v.: . . . Domino Ludovico Wolffgango ab Habsperg, Illustrißimi Prinicipis, Domini Caroli Marchionis Badensis, &c. vices gerenti, Casp. Hervagius V.I.D., S.D.P. 764 Mayer, Matrikel der Universität Freiburg, 1. Band, S. 299. 765 Wackernagel, Matrikel der Universität Basel, II. Band, S. 43. 766 Hermelink, Matrikel der Universität Tübingen, Erster Band, S. 335. 767 Benzing, Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts, S. 36, 441.
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Promotion zum Doktor iuris utriusque an der Universität von Poitiers zum 11. April 1565 die Kodex-Professur in Basel an.768 1570 wird er als Landschreiber zu Rötteln bei Lörrach geführt.769 Am 17. November 1577 ist er in Basel gestorben. In seine Zeit als Kodex-Professor an der Universität Basel fällt somit auch die Publikation von Derrers Systementwurf im Jahr 1567. Da Herwagen erst 13 Jahre alt war, als Derrer 1541 starb, muss es als ausgeschlossen gelten, dass er dem Freiburger Professor begegnet ist. Dennoch scheint er sich in späteren Zeiten mit dem Opus und dem Einfluss Sebastian Derrers auf die Rechtswissenschaft auseinandergesetzt zu haben, wie das bereits durch die Auswahl der Titelworte zum Typus Iurisprudentiae zum Ausdruck kommt. Er zollt diesem großen Respekt und schätzt dessen Verdienste außerordentlich: Typus Iurisprudentiae, clariss. doctissimoque viro, D. Sebastiano Derrero, I.C. celeberrimo, ac in inclyta schola apud Friburgum Brisgaudiae, fel. et aet. mem. antecessore dignis. auctore.
Die systemorientierte Arbeit Derrers scheint Herwagen sehr interessiert zu haben. Jedenfalls hält er dessen Systematik für durchaus geeignet, um den Examenskandidaten an der Universität eine geordnete Rechtsstruktur zu vermitteln: . . . glaubte ich, dass diese [Aufzeichnungen] einem Drucker zu überlassen seien, zumal als ich sah, dass es allen Kandidaten des Zivilrechts und besonders denen, die durch das methodische Vorgehen die allgemeinen [Rechts-]Stellen erschließen wollen, sehr von Nutzen sein kann.770
Da Derrers Iurisprudentiae Liber primus in Basel bekannt gewesen ist, kam Herwagen an der dortigen Fakultät während seiner Tätigkeit an der Fakultät möglicherweise auch mit diesem Werk in Kontakt. Konkrete Hinweise hierzu finden sich in seiner Vorrede zum Typus Iurisprudentiae allerdings nicht. Zumindest lassen seine Titelworte auf eine Kenntnis des Werks schließen, da dieses zum damaligen Zeitpunkt die einzig gedruckte Arbeit Derrers gewesen ist. Wie hätte Herwagen Derrer sonst als sehr berühmt, sehr würdig und ewig in Erinnerung befindlich charakterisieren können, wenn er den Liber primus nicht gekannt hätte? Und er lässt den Leser auch wissen, wie er an das Derrersche Gesamtsystem gelangt ist: 768
Wackernagel, Matrikel der Universität Basel, II. Band, S. 43. Kindler von Knobloch, „Herwagen“, in: Oberbadisches Geschlechterbuch, Band II, S. 48. 770 Herwagen, Praefatio, fol. 3 v.: . . . typographo dandum putavi: praesertim cum viderem, omnibus Iuris civilis candidatis, praecipue tamen ijs qui methodica ratione locos communes instituere volunt, multum posse prodesse. 769
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Ich habe die Fülle der Derrerschen Rechtswissenschaft, vornehmster Herr, in den vorigen Monaten erhalten, so wie Du diese von Derrer selbst besessen hast, unter dem Du vor ein paar Jahren nicht unglücklich und mit höchstem Lob das Studium des Zivilrechts eifrig betrieben hast.771
Da Herwagen seine Vorrede dem Stellvertreter des Markgrafen Karl von Baden, Ludwig Wolfgang von Habsperg, widmet und ihn in der Überschrift explizit anspricht, ist davon auszugehen, dass er mit dem im einfachen Vorredetext abgedruckten Ausspruch nobiliss. vir auch diesen meint. Offensichtlich hat also Habsperg Herwagen das Derrersche Gesamtsystem übergeben, so wie er selbst dieses besessen hat. Damit drängt sich die Frage auf, wie Habsperg seinerseits in den Besitz der Arbeit gelangt ist. Von ihm selbst sind darüber keine Äußerungen bekannt. Möglicherweise hat er aber das System aus erster Hand an Herwagen übergeben. Denn er hatte sich ja zum Wintersemester 1535/36 an der Albertina immatrikuliert. Geht man davon aus, dass er etwa zwei bis drei Jahre den Bakkalaureatskursus an der Artistenfakultät durchlaufen und danach dann ebenfalls in Freiburg das Studium der Rechtswissenschaft aufgenommen hat, so hat er spätestens Ende der 30er-Jahre des 16. Jahrhunderts auch Vorlesungen bei Sebastian Derrer gehört – zu einer Zeit also, zu der dieser bereits Professor primarius gewesen ist.772 Besondere Ämter an der Fakultät bzw. Universität scheint Habsperg selbst allerdings nicht innegehabt zu haben.773 Jedenfalls handelt es sich bei den Unterlagen, die Herwagen im Frühjahr bzw. Sommer 1567 erhalten hat,774 mit hoher Wahrscheinlichkeit um Aufzeichnungen von Derrer selbst oder zumindest um Vorlesungsmitschriften von Habsperg. Immerhin teilt Herwagen mit, dass Habsperg die Sylvam Iurisprudentiae Derrerianae . . . ab ipso Derrero erhalten bzw. besessen habe (habuisti). Auch der Hinweis Herwagens, dass Habsperg einige Jahre zuvor unter Derrer erfolgreich das Zivilrecht studiert habe, stützt diese These. Die Bezeichnung vor einigen Jahren muss sich dann allerdings auf eine Zeitspanne beziehen, die zum Zeitpunkt seiner Vorrede mindestens 26, höchstens aber 32 Jahre betragen hat. Sie errechnet sich aus Habspergs frühest771 Herwagen, Praefatio, fol. 3 v.: Sylvam Iurisprudentiae Derrerianae, nobiliss. vir, superioribus mensibus, quemadmodum eam habuisti ab ipso Derrero, sub quo aliquot annis non infeliciter, & maxima cum laude Iuri civili operam navasti, accepi. 772 Vgl. die Ausführungen in Kapitel B.I.4.b). 773 Auch die umfangreiche Arbeit Horst Ruths, Das Personen- und Ämtergefüge der Universität Freiburg (1520–1620), verzeichnet Habsperg in keinerlei Universitätsämtern. 774 Dieser Zeitraum lässt sich insofern bestimmen, als Herwagen dem Leser in seiner Vorrede mitteilt, dass er die Unterlagen superioribus mensibus erhalten habe und seine Ausführungen schließlich mit der Angabe Calend. Septemb. Anno M.D.LXVII. enden.
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möglichem Studienbeginn an der Albertina775 und dem Tod Sebastian Derrers anno 1541. Notabel sind auch die Umstände und Motive, die zur Veröffentlichung des Typus Iurisprudentiae beigetragen haben. Da Herwagen zur Zeit der Veröffentlichung die Kodex-Professur in Basel bekleidet hat, läge zunächst die Annahme auf der Hand, dass auch er großes Interesse an einer Systematisierung und Ordnung des Rechtsstoffs gehabt haben könnte. Denn auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war der Mangel an systemorientierten Konzepten noch evident, wie aus zahlreichen Systematisierungsversuchen gerade von Herwagens Basler Kollegen Johann Thomas Freigius in den späten 1560er- und -70er-Jahren oder etwa durch die umfangreichen Arbeiten von Petrus Ramus sowie Franciscus Connanus hervorgeht. Aus Kaspar Herwagens Vorrede zum Typus Iurisprudentiae wird indes deutlich, dass es wohl Ludwig Wolfgang von Habsperg selbst gewesen ist, der seinem Freund Herwagen gegenüber brieflich den Wunsch geäußert hat, sich des Derrerschen Systems anzunehmen. Herwagen hat schließlich seinen Basler Kollegen Basilius Amerbach in dieser Angelegenheit konsultiert, was er in seiner Vorrede zum Typus Iurisprudentiae zum Ausdruck bringt: Um Dir einen Gefallen zu erweisen, hatte ich beschlossen, diese [Fülle der Derrerschen Rechtswissenschaft] zu redigieren . . . wie Du das in Deinem Brief erbeten hattest: Siehe, zufällig bin ich in dieser Angelegenheit mit dem sehr berühmten und sehr gebildeten Rechtsgelehrten Dr. Basilius Amerbach, einem Kollegen und meinem sehr verehrten Freund, zusammengetroffen. In seiner Lauterkeit hat er sofort diesen [Derrerschen] Typus, der nunmehr mit allen Nummern vollendet ist, überarbeitet und mich durch diese Arbeit, die ich dennoch gerne auf mich genommen hätte, um mich Dir gefällig zu erweisen, entlastet.776
Offenbar ist es also der große Basler Rechtsgelehrte Basilius Amerbach gewesen, der das Derrersche System aufgearbeitet und zur Druckreife gebracht hat.777 Gleichzeitig stützt das auch die These, dass es sich bei den 775 Die frühestmögliche Annahme von maximal 32 Jahren würde dann allerdings bedeuten, dass Habsperg 1535 direkt mit dem Jurastudium in Freiburg begonnen und davor möglicherweise an einer anderen Hochschule den Bakkalaureatskursus absolviert hat. 776 Herwagen, Praefatio, fol. 3 v.: Hanc, ut tibi morem gererem . . . ut per literas a me petieras, egoque tibi receperam, redigere statuissem: ecce forte fortuna cum I.C. clariss. atque doctiss. D. Basilio Amerbachio, college & amico meo colendiss, hac de re contuli: is statim pro suo in me candore hunc typum, iamiam omnibus numeris absolutum, protulit: meque hoc labore, quem tamen, ut tibi gratificarer, libenter suscepissem, levavit. 777 Die Ankündigung Hans Erich Trojes in seinem Aufsatz Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluß des Humanismus, S. 49, Fn. 50, abgedruckt in Ius Commune, Band 3, 1970, wonach eine vorbereitete Einzelstudie (die allerdings nicht erschienen ist) untersuche, ob Basilius Amerbach oder Johann Thomas Freigius das Schema des Typus Iurisprudentiae angefertigt hat, scheint sich nach den
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Unterlagen um Handschriften Sebastian Derrers oder um Vorlesungsmitschriften von Habsperg gehandelt hat, jedenfalls aber nicht um gedruckte Faszikel. In direkter Anlehnung daran könnten sich auch die Worte des Crassus in Ciceros Werk De oratore, die Herwagen am Ende des Typus Iurisprudentiae Derrer in den Mund legt,778 nicht prägnanter auf den vorliegenden Sachverhalt und den Umstand einfügen, dass dieser allzu früh vor Vollendung seines Gesamtwerks verstorben ist: Denn wenn es mir vergönnt sein sollte auszuführen, was ich schon längst im Sinne habe, oder sollte mir ein anderer entweder – falls ich selbst verhindert bin – darin vorgreifen oder – wenn ich tot bin – dazu kommen, zuerst das ganze bürgerliche Recht in Gattungen zu gliedern, von denen es nur wenige gibt, dann von diesen Gattungen gleichsam gewisse Glieder abzuteilen, dann die spezifische Bedeutung eines jeden Teils durch eine Definition zu klären, so habt Ihr ein vollkommenes System des bürgerlichen Rechts, ein eher großes und reichhaltiges als schwieriges und undurchsichtiges.779
Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass der Typus Iurisprudentiae aus dem von Sebastian Derrer entwickelten rechtswissenschaftlichen Gesamtsystem besteht, das dieser spätestens in den frühen 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts entwickelt hat. Über Ludwig Wolfgang von Habsperg sind die Entwürfe im Frühjahr bzw. Sommer 1567 auf dessen Wunsch an Kaspar Herwagen nach Basel übersandt worden, der seinerseits Basilius Amerbach gebeten hat, diese aufzubereiten und druckfertig zu machen. Im Anschluss daran hat Herwagen gemäß seiner Vorrede das Derrersche Gesamtsystem mit Datum vom 1. September 1567 als Typus Iurisprudentiae veröffentlichen lassen.
Worten Kaspar Herwagens zu erübrigen. Daraus geht eindeutig Basilius Amerbach als verantwortlicher Urheber hervor (pro suo . . . candore). Hinzu kommen Systemabweichungen zwischen dem im Typus Iurisprudentiae abgedruckten und dem der Epitome angehängten Systemschema, die ebenfalls eher für Amerbach als für Freigius sprechen. Vgl. Fn. 882. Dennoch erscheint die Fragestellung angesichts der ausgefeilten Klammertechnik im Typus Iurisprudentiae, deren sich Freigius in seinen Werken umfangreich bedient, im Grundsatz durchaus berechtigt. Möglicherweise waren auch beide Juristen an der Aufarbeitung von Derrers System beteiligt. 778 Derrer, Typus Iurisprudentiae, fol. E r. 779 Cicero, De oratore, ed. Merklin, I, 42, 190, S. 149 f.: Si enim aut mihi facere licuerit, quod iam diu cogito, aut alius quispiam aut me impedito occuparit, aut mortuo effecerit: ut primum omne ius civile in genera digerat, quae perpauca sunt: deinde eorum generum quasi quaedam membra dispertiat: tum propriam cuisuque vim definitione declaret: perfectam artem Iuris civilis habebitis, magis magnam atque uberem, quam difficilem & obscuram.
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
II. Veröffentlichung Die Erscheinungszeit des Werks deckt sich mit dem Datum der Vorrede von Kaspar Herwagen. Gedruckt wurde die Schrift von Eusebius Episcopius in Basel.780 Dass Herwagen für den Druck gerade diese Offizin ausgewählt hat, liegt in seiner Familie begründet. Sein Vater Johann, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Stadt am Rheinknie einer der Angesehensten seines Handwerks, druckte zusammen mit Nicolaus Episcopius, dem Vater von Eusebius Episcopius, bereits Ende der 20er-Jahre unter anderem Werke von Erasmus von Rotterdam und von Beatus Rhenanus.781 Nachdem Johann Herwagen 1558 gestorben war, setzte Johann, sein Sohn und Bruder von Kaspar Herwagen, das väterliche Unternehmen fort. Nach seinem frühen Tod wiederum kam die Offizin durch die erneute Heirat der Witwe an den großen Basler Drucker Johannes Oporin. 1568 ging sie durch Kauf in den Besitz von Eusebius Episcopius über.782 Er war zuvor Korrektor in Herwagens Druckerei gewesen783 und scheint schon vor diesem Erwerb unter seinem eigenen Namen firmiert zu haben, wie das Jahr der Veröffentlichung des Typus Iurisprudentiae zeigt. Weshalb die Arbeit allerdings ausgerechnet an eine auf Gregor Haloander zurückgehende Sammlung legistischer wie auch kanonischer Rechte angehängt wurde, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Haloander selbst verstarb bereits 1531 und somit zehn Jahre vor Sebastian Derrer. Inhaltliche Gründe für den Abdruck des Typus Iurisprudentiae als Appendix zu Haloanders Zusammenstellung sind nicht ersichtlich. Dennoch könnte ein ganz profaner Umstand diese Vorgehensweise erklären: Bei den äußeren Abmessungen der Haloanderschen Rechtssammlung handelt es sich – auch auf die Foliantengröße der Zeit bezogen – um eine ungewöhnlich großformatige Ausgabe. Möglicherweise erschien der Druckerei von Eusebius Episcopius dieses seltene Großformat gerade auch für den aus vielen hundert Gliederungspunkten zusammenhängenden Typus Iurisprudentiae als geeignet, dessen Struktur fast zwangsläufig auf einen Großdruck angewiesen war und für den sich die Herausgabe in Form eines eigenen Buchs nicht gelohnt hätte.
780
Basileae, per Eusebium Episcopium. Anno salutis humanae M. D. LXVII. Vierhaus, „Herwagen, Johann“, in: DBE 4 (neu), S. 767; Franck, „Heerwagen, Johannes“, in: ADB XI, S. 249. 782 Benzing, „He(e)rwagen, Johann“, in: NDB VIII, S. 719. 783 Horawitz, „Episcopius, Nicolaus“, in: ADB VI, S. 155. 781
II. Veröffentlichung
Abbildung 10: Titelseite des Typus Iurisprudentiae (Basel 1567)
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III. Literaturgattung Die Literaturgattung des Typus Iurisprudentiae zu charakterisieren, ist bei einem Werk, das ausschließlich aus vier Tabellenseiten besteht, äußerst ungewöhnlich. Nimmt man die bereits im Rahmen der Untersuchung des Iurisprudentiae Liber primus herangezogene Darstellung humanistisch-juristischer Literaturgenera Hans Erich Trojes zur Grundlage,784 so kommt auch für dieses Opus nur der Literaturtypus der systematischen Darstellung in Betracht, hier allerdings als Gesamtdarstellung. Indes wirkt dieser Begriff, bezogen auf das vorliegende Werk, eher missverständlich. Gemeint sein kann in diesem Zusammenhang nicht eine vollumfängliche Darstellung eines Gesamtthemas im Wege einzelner Kapitel und Abschnitte mit umfangreichen Textbausteinen, sondern lediglich ein – wenn auch die gesamte Thematik rundum abschließendes – Schema. Dennoch gebietet die Klassifizierung der Literaturgattung, hier ebenfalls von einer Gesamtdarstellung im Sinne einer allumfassenden und vollständigen Aufarbeitung des Rechtsstoffs zu sprechen. Gleichermaßen entspricht das Werk mit seiner Systematik den hierfür erforderlichen Kriterien. Bereits die Wahl des Titels, der allerdings nicht von Sebastian Derrer selbst stammen dürfte, als Typus, also als Bild, Figur, lässt ein systematisches Vorgehen erkennen. Denn auf den vier Tabellenseiten dominiert eindeutig der Gedanke der Ordnung und Systematisierung des Rechts im Sinne eines festgelegten ordo iuris. Dass es um ein in sich konsonantes System geht, ist auch am Aufbau des Werks mittels der mnemotechnisch opportunen Klammermethode zu erkennen. Nicht zuletzt betont Kaspar Herwagen in seinem Vorwort das systematische Profil der Arbeit, wenn er darauf hinweist, dass man dank der dem Werk inhärenten Systematik die allgemeinen (Rechts-)Stellen erschließen könne.785 Demzufolge handelt es sich beim Typus Iurisprudentiae um eine systematische Gesamtdarstellung des von Derrer nach eigenen Vorstellungen geordneten römischen Rechts.
IV. Beweggründe Über die Beweggründe Sebastian Derrers lassen sich aus einem Opus, das zwar auf seine geistige Urheberschaft zurückgeht, nicht aber auf eine von ihm selbst intendierte Drucklegung, authentische Anmerkungen erwartungsgemäß nicht eruieren. Ludwig Wolfgang von Habsperg hätte sich als 784
Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.III. Herwagen, Praefatio, fol. 3 v.: . . . methodica ratione locos communes instituere . . . Vgl. Fn. 770. 785
IV. Beweggründe
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Derrer-Schüler dazu äußern können, stand er doch mit Derrer in engerer Verbindung; und die Derrerschen Entwürfe entstammen wohl aus seinem Verantwortungsbereich, wie aus dem Vorwort von Kaspar Herwagen erkennbar wird.786 Einzig von ihm sind darüber keine Anmerkungen tradiert. Doch vor allem Mutmaßen über die Motive Derrers, das dem Typus Iurisprudentiae immanente Systemschema zu schaffen, ist zunächst der Frage nachzugehen, weshalb Derrer dieses nicht selbst als Separatum vorab publiziert hat. Immerhin hat das Schema mit Sicherheit schon vor der Abfassung des Iurisprudentiae Liber primus existiert oder war zumindest entworfen worden. Letztendlich erfordert ein Gesamtwerk, das auf zehn Bände angelegt ist, von vornherein eine gewisse Struktur, eine bestimmte Inhärenz. Ansonsten hätten Derrer und Petremandus schon in ihren praefationes zum Liber primus schwerlich Anhaltspunkte auf die genaue Anzahl der zu edierenden Bände sowie darin enthaltene thematische Schwerpunkte geben können.787 Denkbar sind zwei Motive, die Sebastian Derrer darauf verzichten ließen, sein Systemschema nicht selbst und schon vorab zu publizieren. Zum einen wollte er es möglicherweise erst zusammen mit den vollendeten Iurisprudentiae Libri und damit als Teil seines Gesamtwerks bekannt machen und nicht etwa schon bei der Präsentation seines ersten Bands. Zum anderen hätte es möglicherweise nicht Derrers professoralem Nimbus entsprochen, ein Werk zu veröffentlichen, das aus nichts Anderem als aus vier Seiten Schema besteht. In der Tat wirkt es eigenartig, eine so schmale Arbeit mit einer Intitulation und einem Vorwort zu veröffentlichen, die ihrer Größe nach ohne Weiteres auch ein bedeutend größeres Werk hätten einleiten können. Umgekehrt kann aus dieser Einschätzung allerdings auch geschlossen werden, dass Kaspar Herwagen das Derrersche System offensichtlich als äußerst bedeutsam und dem juristischen Studium sehr zuträglich eingestuft hat, wie er das in seiner Publikation überzeugend darlegt. Während deshalb Sebastian Derrers Motive, das dem Typus Iurisprudentiae zu Grunde liegende Systemschema nicht vorab zu publizieren, nur zu vermuten sind, so lassen sich die Beweggründe zum Schaffen eines Systems bereits aus der Untersuchung seines Werks unschwer deduzieren: Da der Typus Iurisprudentiae Ausgangs- und Grundlage für die zehn geplanten Iurisprudentiae Libri sowie für die Erfassung des gesamten, von Derrer entwickelten Systems überhaupt sein sollte, kann im Wege eines Erst-rechtSchlusses gefolgert werden, dass Hauptmotiv für das im Typus Iurisprudentiae abgedruckte System a fortiori die Schaffung eines rechtswissenschaft786 787
Vgl. Fn. 771. Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.III.2.b).
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
lichen Systems in dessen absoluter Gesamtheit, also eines definitiven ordo totius iuris, gewesen ist. Ebenso vermittelt diese Arbeit die professorale Sichtweise Derrers, wenn er im Wege einer Gesamtübersicht das Recht anschaulicher und nach Sachgruppen geordnet darstellen wollte. Das innerhalb der Untersuchung des Liber primus herausgearbeitete dritte Motiv Derrers – der praktische Nutzen des Werks – gilt für den Typus Iurisprudentiae hingegen nur eingeschränkt. Als Leitfaden für die forensische Praxis konnte ein vierseitiges Systemschema nicht ernsthaft in Betracht kommen. Letztendlich können die Beweggründe Sebastian Derrers für das dem Typus Iurisprudentiae zu Grunde liegende Systemschema aber nur auf Grund der praefationes zum Iurisprudentiae Liber primus a minore ad maius geschlussfolgert werden. Dennoch ist offensichtlich, dass hier ein Wissenschaftler am Werk gewesen ist, der die systematischen Herausforderungen seiner Zeit erkannt und dadurch Abhilfe zu schaffen versucht hat, indem er das bis dahin völlig unsystematische Rechtsgefüge im Wege einer Stoffordnung planvoll und durchdacht zusammenstellen wollte.
V. Darstellung des Systems Wie bereits in Kapitel D.VI.1 über den Liber primus festgestellt, ist es keineswegs selbstverständlich, dass es einem in Freiburg ausgebildeten Juristen und Wissenschaftler gelang, sich von der über Jahrhunderte hinweg nahezu unangetasteten Legalordnung des römischen Rechts grundlegend zu emanzipieren. Vor allem im Hinblick auf die zwar humanistische, aber dennoch systematisierungskritische Arbeitsweise eines Ulrich Zasius ist die Entwicklung des vollsystematischen Typus Iurisprudentiae alles andere als ein Selbstläufer. Nicht nur deshalb lohnt es, sich mit dem bemerkenswert ausführlichen Gliederungssystem auseinanderzusetzen, das in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal überhaupt in voller Länge und anhand heutiger Darstellungsmethoden veröffentlicht wird. Zunächst erfolgt zur besseren Veranschaulichung damaliger Gliederungscharakteristika die Wiedergabe des gesamten, im Typus Iurisprudentiae abgedruckten Systemschemas im Originaldruck von 1567. 1. Nach Derrers Gliederungsmuster Wie bereits die Untersuchung des Systemschemas im Iurisprudentiae Liber primus ergeben hat, arbeitet sich Derrer im Rahmen des über dem Ganzen stehenden Begriffs der iurisprudentia dichotomisch, trichotomisch, tetrachotomisch etc. durch sein gesamtes System bis hin zum Gliederungs-
V. Darstellung des Systems
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punkt der untersten Wertungsstufe. Dieses Vorgehen bestimmt naturgemäß auch den Aufbau des Systemschemas im Typus Iurisprudentiae. Dargestellt wird das System mit Hilfe der im 16. Jahrhundert zum Aufspalten sehr beliebten Klammertechnik. Insbesondere Johann Thomas Freigius bediente sich dieser in zahlreichen seiner Werke. Als Beispiel dafür gilt seine 1571 in Basel erstmals erschienene Arbeit Partitiones iuris utriusque, in der er die Klammertechnik in extremo anwendet: Dieses Werk besteht ausschließlich aus Tabellen und enthält so keinerlei Buchtext im herkömmlichen Sinne. Freigius unterteilt darin nach seiner Vorstellung weltliches wie kanonisches Recht in deren jeweils kleinste Einzelteile und setzt somit Derrers Arbeitstechnik fort. Allerdings gliedert Freigius sein Opus im Gegensatz zu Derrer nicht fortlaufend und an einem Stück, sondern er beginnt immer wieder mit neuen, wenn auch sachbezogenen Partitionen. Während der ius-Bereich im Iurisprudentiae Liber primus auf sechs und der persona-Bereich des iuris obiectum auf sieben unterschiedlichen Wertungsstufen kommt, umfasst das Systemschema des Typus Iurisprudentiae auf vier Seiten mit äußerst klein gedruckten Lettern insgesamt 14 (!) verschiedene Gliederungsebenen, was sehr auf Kosten von Übersichtlichkeit und Überschaubarkeit geht. Bemerkenswert ist allerdings die unterschiedliche Partitionsart: Arbeitet sich Derrer im Liber primus von oben nach unten durch, also vom obersten Gliederungspunkt der iurisprudentia bis zum untersten des persona-Bereichs, der cura mulieris, so wird im Typus Iurisprudentiae von links nach rechts systematisiert. Obwohl dabei sehr kleine Buchstaben verwendet werden, kommt Derrers Gesamtsystem mit einer einzigen Buchseite nicht aus. Mit jeweils übergreifenden Klammern werden vielmehr volle vier Seiten benötigt, die gedanklich untereinander zu legen sind. In äußerer Hinsicht und gemessen an der Anzahl der inkludierenden Gliederungspunkte ist Spitzenreiter hierbei der Oberbegriff des iuris obiectum, der zwar auf Tabellenseite B788 abgedruckt ist, sich aber mit seinen vier Unterbegriffen persona, res, rei commercium789 sowie persecutio dank der beschriebenen Klammertechnik auf alle vier Tabellenseiten erstreckt. 788 Auf dieser zweiten Tabellenseite ist dem ausführenden Drucker ein bemerkenswerter Druckfehler unterlaufen. Anstatt Buchstabe B ist ausgerechnet Buchstabe D verzeichnet, der auf der vierten und letzten Tabellenseite erneut und dieses Mal korrekt verwendet wird. Buchstabe D wird somit insgesamt zwei Mal verwendet, Buchstabe B überhaupt nicht. Aus Gründen einer korrekten Darstellung wird in der vorliegenden Untersuchung dennoch Buchstabe B zur Bezeichnung der zweiten Tabellenseite des Typus Iurisprudentiae verwendet. 789 Derrer nennt diesen Bereich im Iurisprudentiae Liber primus nur commercium. Inhaltlich meint er aber dasselbe. Daher bleibt es im Folgenden bei der Verwendung dieses Terminus ohne den Zusatz rei.
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Auch die unterhalb des iuris obiectum stehenden Bereiche der res sowie der persecutio sind derart umfangreich gegliedert, dass diese jeweils mit Klammerhilfe drei bzw. zwei Seiten abdecken und den im Verhältnis kleinen Bereich des commercium geradezu umschließen. Problematisch ist jedoch, dass sich die Klammerlinien selbst dann nicht immer präzise fortsetzen, wenn man die vier Seiten exakt aneinanderreiht. Als Ursache dafür wird wohl nicht allein die damals noch nicht ausgereifte Drucktechnik gelten können, sondern auch die speziell im Typus Iurisprudentiae ungewöhnlich klein gedruckte Darstellung. Dennoch lässt sich im Einzelfall anhand des ungefähren Linienverlaufs sowie vor allem der Sinnzusammenhänge die exakte Struktur nachzeichnen. Im Original sieht das Gesamtsystem des Typus Iurisprudentiae folgendermaßen aus:
V. Darstellung des Systems
Abbildung 11: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle A)
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Abbildung 12: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle B)
V. Darstellung des Systems
Abbildung 13: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle C)
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Abbildung 14: System des Typus Iurisprudentiae nach Derrers Gliederungsmuster (Tabelle D)
V. Darstellung des Systems
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2. Nach heutigem Gliederungsmuster Wird auf die frühneuzeitliche Klammertechnik verzichtet und Derrers Gesamtsystem stattdessen nach heutigen Prinzipien geordnet, erhält man eine vollständig zusammenhängende, sich vertikal vorarbeitende Darstellung von insgesamt 718 (!) Gliederungspunkten. Sie befinden sich im Systemschema des Typus Iurisprudentia auf 14 Ebenen unterschiedlicher Wertigkeit. Diese reichen vom Begriff der iurisprudentia auf Ebene 1, der als absoluter Oberbegriff das komplette System überragt, bis zur untersten, also der 14. Ebene, die allerdings nur noch zwei Gliederungspunkte enthält: Aestimatoria (Zeile 278) sowie Permutatoria (Zeile 279) innerhalb des resBereichs. Aus Platzgründen wird das Gesamtsystem, also alle 718 Gliederungspunkte, erst im Anhang am Ende dieser Arbeit dargestellt (Abbildung 24, S. 302 ff.). Das Schema wird übersichtlicher und die Schwerpunkte des Opus insgesamt werden mehr betont, wenn nur Ebene 1 bis 6 dargestellt und Ebene 7 bis 14 ausgeblendet wird. Anhand der kontinuierlichen Zeilenzählung des vollständigen Systemschemas wird dennoch die genaue Anzahl an Gliederungspunkten ersichtlich: Zeile
1.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
IURISPRUDENTIA 2. Ius
3.
4.
5.
6.
Divinum Morale Mysticum Ceremoniale Sacramentale Humanum Naturale Naturae effectus: & dicuntur inclinationes naturales Ius gentium Positivum Consuetudo Generalis Specialis Scriptum Privilegium Statutum
244
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567) 2.
19 20 21 22 23 24 27 28 29 33 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 108 338
3.
4.
5.
6. Ius commune
Iuris obiectum Persona Personae status Alieni Iuris Liberi Servi Sui Iuris Ingenui Ingenuis deteriores Personae utilitas Tutela Testamentaria Legitima Dativa Cura Minoris Furiosi Prodigi Res Extra commercium Natura Aer Aqua profluens Lumen coeleste Iure Publica Universitatis Nullius In commercio Corporalis Mobilis Immobilis Incorporalis Principis Privatorum Rei commercium. Falcidia lex ultima de lege et senatusconsultus
V. Darstellung des Systems 2.
3.
339 340 341 349 358 359 360 361 362 363 364
365 366 367 368 369 370 371 375 376 377 378 435 436 437 438 439 440
441 442 480 647 648 649
245
4. 5. 6. Acquisitio Ex facto simplici Proprio Alieno Ex conventione Novatio Delegatio Cessio iuris Traditio ex pacto Traditio ex contractu Alienatio opposito modo se habet ad species acquisitionum. Igitur ex speciebus acquisitionum facile quisque alienationum species cognoscet. Retentio seu defensio Extraiudicialis Factum contrarium Protestatio Appellatio Subhastatio Cautio Restitutio Iudicialis Protestatio Exceptio respiciens Adpellatio Supplicatio Restitutio
Persecutio Civilis Officium iudicis hoc loco comprehendit actus mixti imperii, qui ad interpellationem partium perficiuntur tum in iudicio, tum extra iudicium. Actio consideratur quo ad Personas Res sive iudicii actus Criminalis Ad crimina in se Publicum
246
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567) 2.
662 683 693 706 707 708 709 710 711 712 713 714 715 716 717 718
3.
4.
5.
6. Non publicum Capitalia Non capitalia Ad personas intervenientes Iudex Accusator Accusatus Testis Ad actus Accusatio Inquisitio Denunciatio Per modum exceptionis oppositio Extra ordinem punitio Absolutio Punitio
Abbildung 15: System des Typus Iurisprudentiae in Zusammenfassung auf sechs Ebenen
VI. Weiterentwicklung der Trichotomie der Institutionen (personae, res, actiones) zur Derrerschen Tetrachotomie (persona, res, commercium, persecutio) In der Auseinandersetzung mit dem Iurisprudentiae Liber primus ließ sich die gesamte Derrersche Systematik auf Grund fehlender Bereiche innerhalb des iuris obiectum bekanntlich nicht vollständig darstellen. Erst die Einsichtnahme des Typus Iurisprudentiae ermöglicht Rückschlüsse auf die Übernahme und Weiterentwicklung der gajanischen bzw. justinianischen Hauptsäulen personae, res und actiones durch Sebastian Derrer. Was er in seinem im Liber primus abgedruckten Systemschema personenrechtlich (persona) behandelt, findet auf die übrigen Rechtsbereiche bezogen seinen Niederschlag in den Termini res, commercium und persecutio. Sie werden im Liber primus zwar aufgezählt, aber nicht mehr weiter untergliedert. Die der Systematik der Institutionen zu Grunde liegende Trichotomie in Personen, Vermögensgegenstände und Klagerechte weist im Grundsatz jedenfalls Parallelen zu den Ordnungsprinzipien Sebastian Derrers auf. Die
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
247
gajanische Dreiteilung stellt zunächst den Menschen in das Zentrum und erörtert dessen Stellung als Person und Mitglied eines Familienverbands. Analog zur Analyse des Liber primus ist in dieser ersten tragenden Säule unabhängig von der weiteren, intern differierenden Anordnung gleichzeitig auch eine deutliche Übereinstimmung zu Derrers System zu erkennen. Auch die zweite Säule der Vermögensgegenstände lässt de nomine jedenfalls auf die römischrechtlichen res schließen. Inhaltlich zeigen sich hier jedoch deutliche Diskrepanzen zum römischen Origo, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der dritten Derrerschen Hauptsäule der iuris obiecta, dem commercium, stehen.790 1. Einflüsse durch den Brachylogus Iuris Civilis bzw. Johann Apels Opera? Das besondere Interesse gilt somit der Frage nach dem Movens, das Sebastian Derrer zu dieser systematischen Umarbeitung innerhalb der vier Hauptsäulen des iuris obiectum bewogen hat. Es handelt sich dabei insgesamt um Modifikationen weg von einer drei- und hin zu einer viergliedrigen Partition, die im Grundsatz an den hochmittelalterlichen, aber erst seit dem 16. Jahrhundert so bezeichneten Brachylogus Iuris Civilis erinnert. Im Mittelpunkt steht dabei ein mit Lehren aus dem Corpus Iuris Civilis angereicherter, teilweise definitionsartiger Institutionenauszug eines unbekannten Autors.791 Veröffentlicht wurde das Werk erstmals 1549 in Lyon unter dem Titel Corpus Legum per modum Institutionum,792 angehängt an eine Ausgabe der Institutionen. Die Quintessenz dieser Arbeit besteht darin, dass sie den dinglichen Rechten sowie dem Recht der Schuldverhältnisse jeweils ein eigenes Buch widmet, so dass der Brachylogus aus insgesamt vier Büchern besteht: Personen, dingliche Rechte, Schuldverhältnisse und Klagen.793 Neue Rechtserkenntnisse lassen sich diesem Opus allerdings nicht entnehmen. Denn nach inhaltlichen Gesichtspunkten geht es lediglich um die einfache Darstellung des römischen Rechts nach der Weise der justinianischen Institutionen.794 Auf den ersten Blick liegt zunächst tatsächlich die Annahme auf der Hand, dass sich auch das Derrersche System an diesem Brachylogus orientiert, findet sich doch in beiden Arbeiten eine tetrachotomische Einteilung der römischrechtlichen Hauptsäulen wieder. Diese Ansicht vertrat bereits 790
Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.VI.2.b). Kupisch, Institutionensystem und Pandektensystem, S. 295. 792 Böcking, Brachylogus, S. 146. Allerdings irrt sich Böcking bei der Jahresangabe. Veröffentlichungsjahr war nicht 1548, sondern 1549. 793 Kupisch, Wirkungsgeschichte der Institutionen, S. 295. 794 Böcking, Pandekten des römischen Privatrechts, Erster Band, S. 99. 791
248
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Friedrich Xaver Affolter nach der Inaugenscheinnahme des Systems im Iurisprudentiae Liber primus. Da das im Typus Iurisprudentiae abgedruckte Gesamtsystem vermutlich erst im 20. Jahrhundert entdeckt worden ist – in den vier Jahrhunderten zuvor ist es wissenschaftlich jedenfalls nicht bearbeitet worden –, konnten zu den Bereichen res, commercium und persecutio nur vage Vermutungen auf der Grundlage des Liber primus angestellt werden. Affolter etwa sah sich in Unkenntnis der Existenz des Typus Iurisprudentiae veranlasst, über den vollständigen Bereich des Derrerschen iuris obiectum lediglich zu spekulieren: Wie Joh. Apel, so trat als Reformator des I.-Ss Sebastian Derrer auf, indem er wie dieser zugleich einen Ersatz desselben veröffentlichte. Abweichend von Apel hält Derrer an der Vierteilung des Stoffes fest, abgesehen, von der R.-O., die er als Einleitung der Lehre von den iuris obiecta vorausschickt. Als die vier Teile erscheinen persona, res, commercium, persecutio. Es ist das System des Brachylogus, nur sind an Stelle der obligatio und actio das commercium und die persecutio getreten. Was die letzte Veränderung anbetrifft, so läßt schon der Brachylogus den materiellen Charakter der actiones ganz in den Hintergrund treten. Derrer hat seinen Plan nicht ausgeführt oder wenigstens die vollständige Ausführung nicht veröffentlicht. Das erschienene erste Buch enthält die R.-O. und die persona. . . . Der Ausdruck des commercium, der an Stelle der Obligation im S. [System] Derrers erscheint, deutet darauf hin, daß er in derselben nur das Triebrad des Verkehrs, des Güterumsatzes erblickt. Die res sind ihm also die Güter.795
Weil der Brachylogus erst 1549 veröffentlicht wurde, kann Sebastian Derrer ihn nicht mehr eingesehen haben – zumindest nicht in gedruckter Form –, auch wenn Affolter das System des Brachylogus im Iurisprudentiae Liber primus verwirklicht sieht. Wer ausschließlich Derrers Systemschema im Liber primus betrachtet, kann allerdings Parallelen zum Brachylogus nicht von vornherein völlig ausschließen. Es stellt sich dann aber die Frage, wie Derrer von diesem Werk hätte Kenntnis erlangen können. Dass er eine direkte Handschrift des Brachylogus eingesehen haben könnte, ist äußerst unwahrscheinlich. Affolter selbst ist es, der bei seinen Ausführungen von nur wenigen handschriftlichen Exemplaren ausgeht,796 die zudem keinerlei Bezug zu Freiburg aufweisen. Der Schlüssel hierzu könnte, wenn überhaupt, bei dem von Affolter zitierten Nürnberger Juristen Johann Apel liegen. Dieser ragt wegen seiner Bedeutung für die Rechtsdidaktik aus dem Kreis der deutschen Humanistenjuristen als Außenseiter heraus.797 Was ihn für das Studium der humanistischen Jurisprudenz so interessant und lehrreich macht, ist seine Übertragung der Melanchthonschen Dialektik auf die Institutionen im Rechts795 796 797
Affolter, Institutionen-System, S. 95 f. Affolter, Institutionen-System, S. 80 ff. Merzbacher, Johann Apels dialektische Methode, S. 364 f.
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
249
unterricht und der damit einhergehende Abschied vom traditionellen Lehrvortrag und der bisher angewendeten Methode.798 Geboren 1486 in Nürnberg, wurde Johann Apel nach humanistischen und juristischen Studien zunächst Kanonikus, Doktor und Rat des Bischofs Konrad von Würzburg, bevor er 1524 auf Betreiben Luthers eine juristische Professur an der Universität Wittenberg erhielt und 1530 schließlich als Kanzler Herzog Albrechts von Preußen nach Königsberg ging.799 In dieser ostpreußischen Zeit zwischen 1530 und 1534 stieß Apel auf eine Handschrift des später so bezeichneten Brachylogus, dessen Gliederungsansätze er seinerseits teilweise in sein 1540 in Bratislava posthum erschienenes Werk Isagoge per dialogum in quatuor libros Institutionum aufgenommen hat.800 Darin bestreitet er den res der Institutionen ihre Eignung als aussagekräftige substanzielle Kategorie der Systembildung und setzt an ihre Stelle die Einteilung in dominium einerseits sowie obligatio andererseits.801 Auch wenn diese Vorgehensweise im Kern an Derrers Partition in res und commercium erinnert, so scheidet eine Bezugnahme Derrers auf Apels Isagoge und damit mittelbar auch auf den Brachylogus schon deshalb aus, weil das Werk Apels erst im selben Jahr erschien wie Derrers Iurisprudentiae Liber primus. Ebenso verhält es sich mit Apels 1535 in Nürnberg erschienenem Erstlingswerk Methodica dialectices ratio ad iurisprudentiam accomadata. In diesem unterscheidet er zwischen dem Recht an der Sache (ius in re) und dem Recht auf die Sache (ius ad rem), so dass die spätere, in seiner Isagoge entwickelte endgültige Trennung des Sachenrechts vom Schuldrecht als konsequente Fortführung dieser Lehrmeinung anzusehen ist. Im Unterschied zu Derrer haben die Personen allerdings nur die Bedeutung als Tatbestandsmerkmale (circumstantiae) von Eigentum und Schuldverhältnis, genauso wie die Klagen in seinen Augen lediglich aus Eigentum und Schuldverhältnis resultieren.802 Aus diesem Grund muss auch Affolter gefolgert haben, Derrer habe im Unterschied zu Apel an der Vierteilung des Stoffs festgehalten. Allerdings drückt er sich mit der Formulierung festgehalten nicht gerade glücklich aus. Denn mit Ausnahme des Brachylogus, der nur von außen betrachtet Sachenund Obligationentitel der Institutionen trennt, hat offenbar niemals zuvor ein Jurist eine so klare und eindeutige Partition der Rechtsobjekte in vier tra798 799 800 801 802
Wieacker, Apels Dialogus, S. 451 f. Lange, „Apel, Johann“, in: NDB I, S. 322. Affolter, Institutionen-System, S. 87 f. Kupisch, Institutionensystem und Pandektensystem, S. 296. Kupisch, Institutionensystem und Pandektensystem, S. 296.
250
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
gende Hauptsäulen vorgenommen wie Derrer. Wie am Veröffentlichungsdatum von Apels Dialektik und an der wahrscheinlichen Entstehungszeit des Iurisprudentiae Liber primus zu erkennen ist, kann auch diese nicht der Impuls für Derrers Weiterentwicklung der gajanischen Trichotomie gewesen sein, von Unterschieden inhaltlicher Art einmal ganz abgesehen. Unabhängig davon könnte sich Affolters These per Zufall dennoch als zutreffend erweisen. Denn bei ganz exakter Betrachtung spricht er lediglich davon, dass Derrers Ausarbeitung das System des Brachylogus sei. Über eine direkte Interferenz ist damit in der Tat nichts gesagt. Allerdings spricht gegen Affolters Annahme terminologisch die partiell unterschiedliche Bezeichnung der Hauptsäulen. Den obligationes und actiones stehen bei Derrer das commercium und die persecutio gegenüber. Darüber hinaus erscheint es nicht unproblematisch, die Systeme zweier Arbeiten miteinander zu vergleichen, von denen die eine die justinianischen Institutionen lediglich mit einer verschobenen Bücheranordnung wiedergibt – mag auch bereits darin eine enorme systematische Leistung zu erkennen sein! –, die andere hingegen mit eigenen und zum Teil vollständig alternativen Ansätzen das Recht neu zu ordnen beabsichtigt, wie das bereits im personenrechtlichen Teil des Iurisprudentiae Liber primus deutlich zu erkennen war.803 Ebenso ist eine persönliche Bekanntschaft zwischen Apel und Derrer sehr unwahrscheinlich, durch die dieser gewinnbringende Erkenntnisse in Bezug auf den Brachylogus oder Apels eigene Arbeiten hätte erzielen können. Gegen die These, Derrer und Apel könnten sich begegnet sein, sprechen trotz des hohen Reiseaufkommens der Humanisten vor allem geografische Argumente: Apel lehrte in Wittenberg, Derrer im viele hundert Kilometer entfernten Freiburg. Hinzu kommt, dass gerade von ihm keine größeren Reisetätigkeiten bekannt sind und Apel selbst seinen Wirkungskreis hauptsächlich in Wittenberg, Nürnberg und Königsberg hatte. Sebastian Derrer kann damit weder vom Brachylogus Iuris Civilis noch mittelbar durch die Arbeiten Johann Apels beeinflusst worden sein. 2. Logik und Stringenz des Gesamtsystems Trotz der Unabhängigkeit Derrers von der Anordnung des Brachylogus erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sein Vier-SäulenModell den obligationes der Institutionen nicht doch eine eigenständige Hauptsäule in Form des commercium einräumt. Zugleich öffnet sein Modell aber auch den Blick auf alternative Möglichkeiten, das gajanische bzw. justinianische System durch die humanistische Jurisprudenz weiterzuent803
Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b)aa).
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
251
wickeln. Gerade bei Sebastian Derrer mit seiner zum Teil eigenwilligen Denk- und Systematisierungsweise erscheint eine Gestaltung des Systems nach völlig neuen Einteilungsmustern durchaus denkbar, auch wenn an den beiden ersten Hauptsäulen eine bestimmte Systemkontinuität erkennbar ist (persona und res als Einstieg in das materielle Recht der iuris obiecta). Die folgende Analyse bezieht sich dabei hauptsächlich auf die Elemente res, commercium und persecutio, also auf die für die Umgestaltung des Derrerschen Gesamtsystems potenziell aussagekräftigsten Bereiche. Nach der ausführlichen Erörterung der personenrechtlichen Vorstellungen Sebastian Derrers im Rahmen des Iurisprudentiae Liber primus nimmt die vorliegende Analyse keinen gesonderten Bezug mehr darauf.804 Angesichts der gewaltigen Dimension des Systems im Typus Iurisprudentiae können dabei nur die ganz relevanten Partitionen dargestellt werden, an denen die unverkennbaren systematischen Eigenheiten dieses Werks deutlich werden. a) Res Die Aufgabe, die von Affolter als Triebrad des Verkehrs, des Güterumsatzes eingestufte Hauptsäule des commercium korrekt in die Derrersche Systematik einzuordnen, erfordert zunächst einen Blick auf das Gebiet der res. Es nimmt in Derrers Schema mit nicht weniger als 290 Gliederungspunkten den größten Bereich ein. Relevant ist dieser vor allem im Hinblick darauf, dass auch die Institutionen dem Sachenrecht die mit Abstand meiste Bedeutung innerhalb der justinianischen Trichotomie persaone, res und actiones zuteil werden lassen. Zunächst hält sich die Partition der res im Grundsatz allerdings an die Ordnung der Institutionen in I. 2.1.pr. So existieren für Derrer Sachen, die entweder außerhalb oder innerhalb des Rechtsverkehrs stehen (extra commercium oder in commercio).805 Zu den res extra commercium zählt er etwa die Luft (aer) oder fließendes Wasser (aqua profluens), beides Elemente aus I. 2.1. Bedeutsamer hingegen ist der Bereich der res in commercio, deren Einteilung körperliche sowie unkörperliche Sachen (corporalis – incorporalis res) ergibt. Zu den körperlichen Sachen zählt Derrer bewegliche sowie unbewegliche (mobilis – immobilis), bei den unkörperlichen Sachen unterscheidet er zwischen solchen des Kaisers (principis) und solchen, die Privaten (privatorum) zustehen. 804 Vgl. allerdings im Hinblick auf die teilweise unterschiedliche Ausgestaltung des Personenrechts zwischen dem Schema des Typus Iurisprudentiae und dem des Iurisprudentiae Liber primus die Ausführungen in Kapitel E.X.2. 805 Die Institutionen verwenden hierfür nicht den Begriff res, sondern patrimonium.
252
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Gleichzeitig offenbart sich im Rahmen der res bereits an dieser Stelle der bislang deutlichste Bruch mit der quellenmäßigen Vorgabe der Institutionen und das Einschlagen eines völlig neuen Wegs. Im Rahmen der unkörperlichen Sachen unterscheiden die Institutionen nicht personenabhängig zwischen princeps und privati, sondern erörtern in I. 2.2 direkt die darunter fallenden Rechtsinstitute wie etwa Erbschaft, Nießbrauch oder Schuldverhältnisse. Derrer hingegen gliedert zunächst die beiden Hauptgebiete unkörperlicher Sachen des Kaisers, Gerichtsbarkeit und Regalienrechte (iurisdictio und regalia). Letztere sind dem antiken römischen Recht als solche nicht bekannt.806 Beide Rechtsgebiete sind Thema einer eigenständigen Arbeit Derrers, die 1568 in Basel posthum erschienene Epitome Iurisdictionum et Regalium. Sie werden in Kapitel F eingehend betrachtet. Bei der Behandlung der unkörperlichen Sachen von Privaten hingegen unterscheidet Derrer deutlich zwischen sachbezogenen und persönlichen Instituten (ex re sowie ex persona). Innerhalb der sachbezogenen Elemente trennt er zwischen solchen, die in sachenrechtlicher Hinsicht auf Grund gewillkürter Anordnung (dispositione hominis) eintreten – hier führt er Nießbrauch und Dienstbarkeit (rerum fruitio und servitus) an –, und solchen kraft gesetzlicher Anordnung (dispositione legis). Innerhalb der dispositio legis ordnet Derrer unter anderem auch das Erbrecht ein. In diesem Zusammenhang übersieht Hans Erich Troje bei seiner Durchsicht des Typus Iurisprudentiae allerdings, dass Derrer den Begriff der dispositio legis nicht völlig mit dem gesetzlichen Erbrecht gleichsetzt, sondern etwa auch eine Zuwendung zu Lebzeiten (etwa in Form einer donatio simplex inter vivos oder donatio propter nuptias) darunter subsumiert: Persönliche und dingliche Elemente werden überall unterschieden. Die gajanische Gliederung des Vermögensrechts nach Erwerbsarten ist weithin durchbrochen und fast preisgegeben. Unterschieden werden auf dieser Ebene nicht mehr Erwerbstatbestände (quibus modis res nostrae fiunt), sondern Tatbestände der Verfügung, Veräußerung, Disposition. Sachenrecht einerseits, gesetzliches Erbrecht andererseits werden jetzt nach dem Kriterium: dispositio hominis (Sachenrecht) – dispositio legis (gesetzliches Erbrecht) unterschieden.807
Zu Recht erkennt Troje allerdings, dass Derrer das Erbrecht im Rahmen der dispositio legis anordnet; so etwa die Intestaterbfolge (successio ab intestato) für Verwandte in aufsteigender bzw. absteigender Linie (ascendentes – descendentes) sowie für Seitenverwandte (collaterales) oder die Regelung des Nachlassbesitzes (bonorum possessiones). Überraschenderweise gliedert Derrer diesem Bereich auch die Verfolgung eines solchen Begehrens im Klageweg (persecutio) ein, was systematisch und gerade im Hin806 807
Vgl. die Ausführungen in Kapitel F.IV.2. Troje, Europäische Rechtsliteratur, S. 48 f., Fn. 50.
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
253
blick auf die Bezeichnung der vierten Hauptsäule der iuris obiecta ebenfalls als persecutio unangemessen und verwirrend erscheint. Unterhalb dieser persecutio schlüsselt Derrer dann – wohlgemerkt innerhalb der Hauptsäule der res! – die verschiedenen personen- und sachbezogenen actiones (in rem – mixta – in rem scripta – in personam) differenziert auf. Hierbei handelt es sich also um das eigentliche revolutionäre Unterfangen Sebastian Derrers, wenn er die actiones, die klassische dritte Hauptsäule der gajanischen bzw. justinianischen Trichotomie (I. 4.6), in vollem Umfang den res unterordnet. Damit korrespondiert auch die Feststellung Trojes, dass auf fast jeder Einteilungsstufe, mit gewissen Modifikationen, weitere traditionale Verknüpfungs- und Zergliederungsmechanismen eingeführt werden.808 Das Motiv für dieses Vorgehen bleibt rätselhaft, zumal es bereits strukturell problematisch wirkt, den res die actiones einzugliedern. Bei Letzteren handelt es sich um Vermögensgegenstände körperlicher oder nichtkörperlicher Art, bei Ersteren hingegen um Formen, in denen ein Recht vor Gericht gebracht wird, um dort geschützt, ergänzt und kontrolliert zu werden.809 Offenbar ist Derrer auch der einzige Humanistenjurist gewesen, der den gewählten Weg derart konsequent eingeschlagen hat. Die sonstigen systematischen Entwürfe dieser Zeit sind im Grundsatz davon gekennzeichnet, tendenziell eher die actiones zu stärken, indem die obligationes als mater actionum zu den Klagen gezogen werden, wie das bereits Theophilus, einer der Verfasser der Institutionen, in seiner griechischen Institutionenparaphrase vorgeschlagen hat.810 Eine Antwort auf die Frage, weshalb Derrer so vorgeht, ist allenfalls dann zu eruieren, wenn man innerhalb der iuris obiecta seine vierte Hauptsäule betrachtet. In dieser wird der persecutio die Aufgabe zugewiesen, konkrete prozessuale Institute und Probleme vorzustellen, also etwa den Gang des Verfahrens oder die Prozessbeteiligten, und nicht die zur Verfügung stehenden actiones in ihren materiellrechtlichen Voraussetzungen zu erörtern.811 Mit der von Derrer gewählten Art der Strukturierung wird der eigenständige und autonome Charakter der römischrechtlichen actiones jedenfalls vollständig eliminiert. Innerhalb der persönlichen Institute (ex persona) unkörperlicher Sachen von Privaten unterscheidet Derrer zwischen vertraglichen (ex obligatione) und gesetzlichen Schuldverhältnissen (ex dispositione legis). Im Rahmen der vertraglichen Schuldverhältnisse, also der echten Verträge, verwendet er die aus den Institutionen bekannte Einteilung in Real- (re), Verbal- (verbis), 808 809 810 811
Troje, Europäische Rechtsliteratur, S. 48, Fn. 50. Behrends, Institutionen Justinians, S. 287 f. Kupisch, Wirkungsgeschichte der Institutionen, S. 294. Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.VI.2.c).
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Litteral- (literis) und Konsensualkontrakte (consensu). Mit dieser Anordnung der obligationes, des klassischen römischen Schuldrechts, ist zugleich und erneut die Aussage Affolters widerlegt, es handle sich bei Derrers System um das des Brachylogus. Wenn Derrer den res gerade nicht die Schuldverhältnisse entnimmt und sie damit nicht als eigenständige Hauptsäule neben die res stellt, so orientiert er sich in diesem Bereich eindeutig an der Institutionenordnung. Der den vertraglichen Schuldverhältnissen gegenüberstellte und gleichzeitig letzte res-Bereich ex dispositione legis ist ebenfalls und zweifelsohne dem klassischen justinianischen res-Begriff zuzuordnen, auch wenn sich die Institutionen nicht direkt dieser Bezeichnung bedienen. Derrer versteht darunter ganz offensichtlich gesetzliche Schuldverhältnisse. So zählt er hierzu den Quasikontrakt (quasi contractu) aus I. 3.27, das Delikt (delicto) aus I. 4.1 sowie das Quasidelikt (quasi delicto) aus I. 4.5. Darüber hinaus fügt er einen vierten Bereich ein, den er als potestas legitima bezeichnet. Hierunter fasst er ebenfalls gesetzliche Schuldverhältnisse – und zwar aus dem Bereich des Personenrechts, etwa die Gewalt des Tutors gegen das Mündel (tutoris in pupillos) oder des Herrn gegen seine Sklaven (domini in servos). Damit manifestiert sich an dieser Stelle erneut die bereits im Rahmen des Schemas im Iurisprudentiae Liber primus festgestellte Schwäche der Derrerschen Systematik und die damit zusammenhängende Unzulänglichkeit der dihairetischen Methode zur Darstellung komplexer Sachverhalte und ganzer Rechtszweige. Beide genannten Gewalten, die des Vormunds wie die des Herrn, gehören in ihren Kernaussagen zum Personenrecht der ersten Säule, das den Hauptbestandteil des Liber primus bildet. Nur auf Grund der Tatsache, dass diese nach Derrers Verständnis (auch) einem gesetzlichen Schuldverhältnis zuzuordnen sind, werden sie als potestas legitima im resBereich erneut behandelt.812 Dass Derrer das geltende römische Recht nach zum Teil sehr eigenwilligen Kriterien strukturiert hat, demonstriert er nicht zuletzt im res-Bereich. Allein die Unterscheidung der unkörperlichen Sachen in diejenigen des Kaisers und Privater, von der im Folgenden so gut wie alle relevanten Elemente der Derrerschen res-Thematik abhängen, eröffnet im Vergleich mit den römischrechtlichen Quellen ganz neue Gliederungsalternativen. Der Hauptunterschied ergibt sich aus der Betrachtungsweise. Denn gemeinsamer Bezugspunkt der Institutionen ist der Sacherwerb, bei dem beide Formen des abgeleiteten Erwerbs, die Singular- und die Universalsukzession, in den Vordergrund gestellt sind,813 während bei Derrer im Rahmen der res weni812 Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.4.d) bezüglich der damit zusammenhängenden Darstellungsproblematik. 813 Kupisch, Institutionensystem und Pandektensystem, S. 294.
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
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ger Erwerb und Verlust einer Sache Priorität haben, als vielmehr die abstrakte Darstellung der sachen- und schuldrechtlichen Rechtsinstitute an und für sich, etwa die Darlegung der servitus oder des Quasidelikts. Letzten Endes geht damit aber auch Affolters Annahme fehl, die res bedeuteten für Derrer nur schlichte Güter. b) Commercium Insbesondere die dritte Hauptsäule der Derrerschen iuris obiecta, die des commercium, erscheint in diesem Zusammenhang zunächst rätselhaft, zumal Derrer darin nicht das Obligationenrecht verortet, sondern dieses nach altbekanntem Modus Procedendi im res-Bereich belässt. Eine besondere Akzentuierung der Schuldverhältnisse in Form einer eigenständigen Hauptsäule hat Derrer damit im Gegensatz zum Brachylogus ausdrücklich nicht intendiert. Umgekehrt stellt sich die Frage, welche Rechtselemente er dann dem Bereich des commercium unterordnet. Entsprechend den eruierten Erkenntnissen und vor dem Hintergrund der vierten Hauptsäule, die Derrer als persecutio, also als gerichtliche Verfolgung bezeichnet, liegt die Annahme auf der Hand, dass er hier schließlich jene sachenrechtlichen Verfügungsmöglichkeiten aufschlüsselt, die in seinem res-Bereich fehlen. Tatsächlich konkretisiert bereits die unterschiedliche bzw. ergänzende Bezeichnung dieses Bereichs – commercium im Iurisprudentiae Liber primus, rei commercium im Typus Iurisprudentiae – dessen inhaltliche Zuordnung zu den res; sie macht auf eine erneute sachenrechtliche Bearbeitung aufmerksam,814 die jedenfalls in dieser Anordnung außerordentlich überrascht. Bereits der erste Unterpunkt des commercium deutet an, dass Derrer den reinen Sacherwerb tatsächlich nachholt. Er nennt diesen acquisitio, also Zuwachs, Erwerb. Dem Corpus Iuris Civilis ist dieser Terminus als solcher noch völlig unbekannt. Wie aus der folgenden Unterteilung hervorgeht, versteht er darunter eindeutig den sachenrechtlichen Erwerb, die Akquisition von Eigentum. Innerhalb der acquisitio unterscheidet er – etwas missverständlich – den Sacherwerb im Wege einer, wie er es nennt, einfachen Rechtshandlung (ex facto simplici), etwa einer Ersitzung (usucapio), oder aber einer Vereinbarung (ex conventione). Der wichtigste Fall, den er hierunter subsumiert, ist der der Übergabe aus einem Vertrag (traditio ex contractu). Spätestens aus dieser offensichtlichen Bezugnahme auf I. 2.1.40 – nicht nur dem Standort nach klassische Ressource des res-Bereichs der Institutionen – geht der dogmatische Hintergrund des commercium hervor. Dieser mutet zwar eigenartig an, aber auch daraus wird einmal mehr deutlich, wie eigenwillig und unorthodox Sebastian Derrer vorgegangen ist. 814
Vgl. Fn. 789.
256
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Ungewöhnlich wirkt innerhalb des Schemas auch die kurze Erklärung, die Derrer beim nächsten Terminus folgen lässt, der systematisch auf gleicher Stufe wie die acquisitio steht. Sie gilt einem einzigen Schlagwort, das Derrer – anders als bei der acquisitio – nicht weiter untergliedert, was aus seiner Betrachtungsweise heraus allerdings konsequent ist: dem Begriff alienatio, der für Entäußerung oder auch für Veräußerung steht. Derrer verzichtet darauf, auch ihn zu untergliedern, weil er in ihm das Gegenstück zur acquisitio sieht. Und er betont, dass sich die Veräußerung exakt umgekehrt zu den Erwerbsarten verhalte und folglich jeder die Veräußerungsarten unschwer anhand der Arten des Erwerbs erkennen könne.815 Der dritte Gliederungsbereich innerhalb des commercium schließlich wirft Rätsel auf – zumindest die Frage, weshalb Derrer diesen Bereich systematisch an der vorliegenden Stelle verortet. Er nennt ihn retentio seu defensio, behandelt hier das Zurückbehaltungsrecht und teilt es in außergerichtliche (extraiudicales) und gerichtliche (iudicales) ein. Diese Positionierung der retentio auf gleicher Stufe zur acquisitio erscheint ungewöhnlich. Erwerb und Zurückbehaltungsrecht stehen systematisch jedenfalls nicht auf einer Ebene im Gegensatz zu Erwerb und Veräußerung einer Sache, was sich auch grafisch durchaus sinnvoll darstellen ließe. Während der Erwerb einer Sache rechtstechnisch einem Primärrecht entspricht, so ist das Zurückbehaltungsrecht nicht mehr als ein Hilfsmittel zur Durchsetzung eigener Rechte. Es legt fest, dass die Ansprüche des Vertragspartners so lange zurückgestellt werden, bis dieser seinen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Die Systemstringenz des Derrerschen commercium ist an dieser Stelle damit etwas durchbrochen und insgesamt wenig einleuchtend. Die gesamte systematische Stellung des commercium innerhalb der Derrerschen Rechtswissenschaft reduziert sich damit im Grundsatz auf den sachenrechtlichen Erwerb und darauf, die zur Verfügung stehenden Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen. Damit war gerade nicht die gesonderte Betonung des Obligationenrechts in Form einer eigenständigen Hauptsäule systematisches Ziel Sebastian Derrers, sondern die Exemtion des sachenrechtlichen Erwerbsrechts aus dem res-Katalog und dessen Präsentation als eigenständiges iuris obiectum. Dies überrascht angesichts anderer methodischer Ansätze, etwa denen des Brachylogus oder Johann Apels, die das Schuldrecht besonders betonen und aus heutigem Blickwinkel daher zweckmäßiger erscheinen als Derrers Entwurf. Auch die methodisch nicht zwingende Notwendigkeit der Darstellung ausgerechnet des Sacherwerbs – einer an sich geradezu charakteristischen res815
Derrer, Typus Iurisprudentiae, Tabellenseite B: Alienatio opposito modo se habet ad species acquisitionum. Igitur ex speciebus acquisitionum facile quisque alienationum species cognoscet.
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
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Materie – als eigenständige Hauptsäule ist nur schwer nachvollziehbar. Zuletzt widerlegt die vorliegende Untersuchung aber auch materiellrechtlich Affolters Annahme, Derrer sehe im commercium lediglich das Triebrad des Verkehrs, des Güterumsatzes.816 Weil er das System des Typus Iurisprudentiae nicht kannte, konnte Affolter nicht erahnen, dass Derrer darunter gerade nicht den in der Tat obligationenrechtlich und nicht sachenrechtlich anmutenden Terminus commercium im handelsrechtlichen Sinne versteht, sondern in Wahrheit eine schlicht dem res-Bereich entlehnte Rechtsmaterie. c) Persecutio Die letzte Hauptsäule der iuris obiecta schließlich, die Derrer persecutio nennt, behandelt die Rechtsverfolgung. Die Größe dieses Bereichs – mit 281 Gliederungspunkten nur unwesentlich kleiner als der res-Bereich – macht deutlich, welch große Bedeutung er diesem beimisst. Weshalb er sich für den Begriff der persecutio und gegen den traditionellen Terminus der actio entscheidet, hängt höchstwahrscheinlich mit der Materie zusammen, die er innerhalb der vierten Hauptsäule darzustellen beabsichtigt. Denn während unter actio sowohl der technische Name als auch der Gattungsbegriff für die Klagehandlung im ordentlichen Zivilprozess zu verstehen ist,817 geht es Derrer in seiner vierten Säule nicht um die im Einzelfall zur Verfügung stehenden Klage, sondern vielmehr um die mit einer gerichtlichen Verfolgung insgesamt zusammenhängenden Grundprobleme. Innerhalb der persecutio bedient er sich als Aufhänger und nach untechnischem Verständnis aber doch des Begriffs der actio, obwohl er die klassisch römischrechtlichen personen- und sachbezogenen actiones bereits im Rahmen der Erörterung der res darlegt.818 Im juristischen Sprachgebrauch wird unter dem Begriff der persecutio ganz allgemein die Rechtsverfolgung ohne Hinweis auf bestimmte Rechte oder eine bestimmte Art der Verfolgung verstanden.819 Max Kaser erinnert zwar an die Trichotomie Ulpians in D. 50.16.178.2, wonach der actio im engeren Sinne ein persönlicher, der petitio ein dinglicher Klagecharakter anhafte und die persecutio schließlich als Terminus für das außerordentliche Verfahren zur Verfügung stehe. Jedoch kommt auch er zum Ergebnis, dass im Wege einer fortschrittlichen Auslegung ein Ausdruck genügt hätte.820 In Derrers System erscheint die Annahme jedenfalls von vornherein aus816 817 818 819 820
Vgl. Fn. 795. Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, S. 236. Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.VI.2.a). Wlassak, Aquilianische Stipulation, S. 413. Kaser, Ediktsstil, S. 44.
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
geschlossen, er könnte unter der persecutio im Sinne Ulpians ebenfalls das Verfahren ohne Formel verstehen. Es bleibt vielmehr bei der Feststellung, dass persecutio nach Derrers Verständnis für die gesamte Rechtsverfolgung als solche steht. Während im römischen Recht noch ein starker Zusammenhang zwischen materiellem Recht und Prozessrecht besteht,821 zeigt sich bei Derrer eine deutlich getrennte Behandlung des prozessualen vom materiellen Recht. Das ist bereits an der Grundeinteilung zu erkennen, die er im Bereich seiner iuris obiecta vornimmt. Klassischem römischem Recht hätte es jedenfalls nicht entsprochen, rechtsverfolgende und damit prozessuale Elemente völlig getrennt und – auf Derrers Verständnis bezogen – im Wege einer eigenständigen Hauptsäule darzustellen. Derrer gliedert den Bereich seiner persecutio dichotomisch in civilis sowie criminalis. Bereits im Mittelalter lassen sich übereinstimmende Vorstellungen der Juristen zur Verfahrensdurchführung in zivil- wie in strafrechtlichen Streitigkeiten finden.822 Dieses Vorgehen zeigt sich auch bei Sebastian Derrer. Dass dabei das Leitbild für legistisch wie kanonistisch arbeitende Juristen der Zivilprozess war,823 konnte auch Derrer nicht ignorieren. Demzufolge beginnt er mit der Darstellung desselben. Weil er beim Beschreiben aller wesentlichen zivilrechtlichen Faktoren vor Gericht der actio kein Pendant entgegensetzen kann, wie es seine Darstellungsweise aber erfordern würde, gerät er im Bereich der persecutio civilis aufbautechnisch zunächst in Schwierigkeiten. Deshalb versucht er, der actio einen einzigen Satz gegenüber zu stellen und so Widersprüche im Aufbau seines Systems zu verhindern: mit dem auf gerichtliche Handlungen affirmierenden Hinweis, wonach die Aufgabe des Richters an dieser Stelle diejenigen Handlungen kraft des mixtum imperium mit einschließt, die auf die Klage der Streitparteien hin sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich vollzogen werden.824
Bereits im römisch-kanonischen Zivilprozess lässt sich dieses Verständnis belegen. So wurde in jenem unter dem officium iudicis die Fülle der richterlichen Funktionen verstanden.825 Bei der Darstellung der actiones im Sinne seiner persecutio unterscheidet Derrer zunächst zwischen personen- (ad personas) und sach- bzw. gerichts821
Litewski, Römisch-kanonischer Zivilprozess, Band I, S. 55. Lepsius, Von Zweifeln zur Überzeugung, S. 24. 823 Lepsius, Von Zweifeln zur Überzeugung, S. 7. 824 Derrer, Typus Iurisprudentiae, Tabellenseite C: Officium iudicis hoc loco comprehendit actus mixti imperii, qui ad interpellationem partium perficiuntur tum in iudicio, tum extra iudicium. 825 Litewski, Römisch-kanonischer Zivilprozess, Band I, S. 123. 822
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
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bezogenen Charakteristika (res sive iudicii actus). So zählt er bei den Personen detailliert die Verfahrensbeteiligten auf, etwa den Richter (iudex), den Beisitzer (assessor), Kläger und Beklagte (contravertentes) oder die das Gericht unterstützenden Personen (intervenientes in iudicio). Der Bereich der res sive iudicii actus fördert schließlich eine für die Verhältnisse der Zeit modern anmutende Thematik zutage. Derrer legt an dieser Stelle detailliert den Ablauf des zivilrechtlichen Prozesses dar, angefangen von den Handlungen, die den Prozess einleiten (praeparatorii), über die Urteilsumstände selbst (principales ad sententiam) bis hin zu den Abläufen nach dem Hauptsacheverfahren (actus post summmam). Mit diesen in alle Prozessdetails gehenden Untergliederungen drängt sich der Eindruck auf, dass Derrer auf der Grundlage der prozesswissenschaftlichen Literatur der Zeit seine wesentlichen Elemente aus dem auf das Mittelalter zurückgehenden römisch-kanonischen Zivilprozess schöpft. Dieser Prozesstyp gelangte durch die Rezeption im 14. und 15. Jahrhundert auch nach Deutschland und ist von einer formalen, stark ausdifferenzierten Thematik charakterisiert.826 Wegen seiner Vollstreckungseffizienz, der Zügigkeit des Verfahrens und seiner Rationalität spielte er selbst bei rein weltlichen Angelegenheiten eine bedeutende Rolle.827 In erkennbarer Anlehnung an diesen Prozesstyp und im Bewusstsein seiner Bedeutung schlüsselt Derrer die einzelnen Verfahrensabläufe zum Teil minutiös auf. So zählt er etwa zu den actus praeparatorii Handlungen wie das Aufsuchen des zuständigen Gerichts (competentis iudicis aditio), die Darlegung des Rechtsstreits (commissionis praesentatio) oder die Vorladung vor Gericht (citatio). Auf gleicher Ebene führt er auch die Ablehnung des Gerichts (fori declinatio), die Bestrafung wegen Ungehorsams gegen richterliche Anordnungen (contumaciae punitio) sowie die Bitte um Aufschub bzw. Fristverlängerung (dilationis petitio) an, ebenso peremptorische und dilatorische Einreden (exceptiones peremptoriae – dilatoriae) oder die Leistung einer Sicherheit (satisdatio) durch den Kläger wie durch den Beklagten. Bemerkenswert ist auch, wie Derrer die Erwiderung des Klägers auf die Argumente des Beklagten (replicatio) und die Reaktion des Beklagten auf die Replik das Klägers (duplicatio) systematisiert. Der Darstellung der actus praeparatorii folgen schließlich die actus principales ad sententiam, die sich mit den Urteilsvorbereitungen beschäftigen. Konsequenterweise beginnt Derrer diesen Bereich mit der litis contestatio, also nach bereits justinianischem Verständnis mit der Einleitung des Prozesses durch den ersten Vortrag jeder der beiden Parteien. Nach dem Kalumnieneid (iuramentum calumniae), der Vorlage der Urkunden (articulorum 826 827
Strempel, Römisches Streitrecht versus germanisches Friedensrecht, S. 349. Nehlsen-von Stryk, Römisch-kanonischer Zivilprozess, S. 314.
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
exhibitio) und weiterer Rechtshandlungen folgt die Beweisführung (probatio), der sich Derrer überaus detailliert widmet. Nach einer etwas eigenwilligen Einteilung unterscheidet er zwischen direkten und indirekten Beweisen. Zu den direkten zählt er etwa die Zeugen (testes), den Leumund (famam) und ein glaubwürdiges Siegel (sigilla authentica), aber auch bloße Vermutungen (praesumptiones). Den indirekten Beweisen rechnet er unter anderem Ort (locus) und Zeit (tempus) zu. Aus dem Kontext erschließt sich allerdings nicht, was Derrer damit konkret meint. Den Abschluss der actus principales ad sententiam bildet die sententiae pronutiatio, die Verkündung des Urteils. Bei den den Zivilprozess abschließenden Handlungen nach dem Hauptsacheverfahren (actus post summmam) behandelt er zunächst die Aufhebung des Urteils (sententiae rescissio) nach einer Berufung (adpellatio), einer Bittschrift (supplicatio) an den Kaiser (erga principem) oder durch Wiedereinsetzung (restitutio), bevor er bei ordentlichem Ablauf des Verfahrens dessen Vollzug (executio) aufschlüsselt. Während bereits im römisch-kanonischen Zivilprozess der funktionellen Unterscheidung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren grundlegende Bedeutung zukommt,828 lässt sich dieses Verständnis und Bewusstsein eindeutig auch bei Derrer feststellen. Allein durch die Verwendung des Begriffs executio kommt dies zum Ausdruck. Hingegen äußert er sich nicht darüber, wer konkretes Vollstreckungsorgan ist. In der Regel oblag die executio dem ordentlichen Richter oder demjenigen, der vom iudex ordinarius delegiert worden ist.829 Möglicherweise war dieses Verständnis für Derrer so selbstverständlich, dass er nähere Ausführungen hierüber für entbehrlich hielt. Innerhalb des Vollstreckungsverfahrens unterscheidet er zwischen der Durchführung in der Hauptsache (in principali) und in der Nebensache (in accessoriis), etwa das Begleichen der Prozesskosten (expensae circa litem). Zuletzt behandelt er nach dem Urteil möglicherweise in Betracht kommende Durchführungshindernisse (executionis impedimenta). Also solche nennt er beispielsweise die Nichtigkeit des zu vollziehenden Urteils (nullitas sententiae), wobei er die einzelnen Nichtigkeitsgründe erstaunlicherweise nicht näher präzisiert. Die zweite und letzte Hauptpartition der persecutio bildet schließlich die Darstellung der strafrechtlichen Rechtsverfolgung (persecutio criminalis), die Derrer weitaus weniger detailliert gliedert als die zivilrechtliche, was im Hinblick auf die Vorgaben indes kaum überrascht. Denn aus dem überlieferten römischen Recht ließ sich keine zusammenhängende Darstellung 828 829
Litewski, Römisch-kanonischer Zivilprozess, Band I, S. 74. Litewski, Römisch-kanonischer Zivilprozess, Band II, S. 540.
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
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des Prozesses gewinnen.830 Auch die Institutionen behandeln öffentliche Strafverfahren in lediglich einem einzigen Titel, dem letzten des vierten Buchs (I. 4.18 De publicis iudiciis). Den Bereich des Strafverfahrens teilt Derrer ein in das eigentliche Strafrecht (ad crimina in se), in die Verfahrensbeteiligten (ad personas intervenientes) – Richter (iudex), Ankläger (accusator), Angeklagter (accusatus) und Zeuge (testis) – und in die Verfahrenshandlungen (ad actus) – Anklage (accusatio), Untersuchung (inquisitio), Anzeige (denunciatio), Einwände (per modum exceptionis oppositio), Bestrafung (extra ordinem punitio – punitio) und Freispruch (absolutio). Die Rechtselemente, die sich ad crimina in se beziehen, unterliegen einer etwas ungewöhnlichen Vierfachpartition: publicum, non publicum, capitalia und non capitalia. Im Bereich des crimen publicum ist der deutliche Bezug Derrers auf I. 4.18 De publicis iudiciis zu erkennen. So zählt er zu ihnen etwa die Majestätsverbrechen sanktionierende Lex Iulia maiestatis, die in I. 4.18.3 erörtert wird, oder die in I. 4.18.4 dargelegte Lex Iulia de adulteriis, die den Ehebruch und die Schändung behandelt. Auch alle übrigen leges sind in ihrer Reihenfolge I. 4.18 entnommen, so dass Derrer mit der Bezeichnung crimen publicum die staatliche Verfolgung von Straftaten gegen die öffentliche und soziale Ordnung beschreibt. Nicht zuletzt die Parallelen zwischen der Überschrift von I. 4.18 und Derrers eigener Anordnung sprechen hierfür. Allein der letzte Gliederungspunkt innerhalb des crimen publicum weckt besonderes Interesse. Es handelt sich dabei um den Tatbestand der Häresie (crimen haereseos), der den Institutionen nicht geläufig ist, sondern erst im Kodex behandelt wird.831 Allerdings erscheint es eher abwegig, dass sich Derrer hier tatsächlich auf den Kodex stützt. Vielmehr ist anzunehmen, dass er, wie es dem Charakter seiner persecutio überhaupt entspricht, auch hier seine Grundlagen aus dem kanonischen Recht bezieht. So hatte die Kirche die Häresie als Beleidigung der Majestät Gottes als Majestätsverbrechen im Sinne des römischen Rechts qualifiziert. Insofern handelt es sich dabei gewissermaßen um eine kanonische Erweiterung von I. 4.18. Kirchlicherseits führte sie zur Exkommunikation und wurde im weltlichen Recht mit Ächtung und Todesstrafe geahndet.832 Den zweiten Bereich innerhalb des ad crimina in se bildet das crimen non publicum, das in offensichtlichem Gegensatz zum crimen publicum steht. Bereits im römischen Recht wurde zwischen öffentlichem und privatem Verbrechen unterschieden.833 Beim crimen non publicum handelt es 830 831 832 833
Lepsius, Von Zweifeln zur Überzeugung, S. 24. Hauptsächlich in C. 1.1 und C. 1.5. Coing, Europäisches Privatrecht, Band I, S. 215. Litewski, Römisch-kanonischer Zivilprozess, Band I, S. 59.
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
sich um die Aufzählung von Delikten, die lediglich im Rahmen einer actio poenalis, also einer Strafklage, geahndet werden. Derrer unterteilt diesen Bereich erneut in non nominatum und nominatum. Zum Ersteren zählt er die Rechtsverfolgung aus städtischem (ex iure municipali) bzw. Gewohnheitsrecht (ex consuetudine). Auch den allgemeinen, nicht ausdrücklich benannten Tatbestand des crimen stellionatus, also der Gaunerei, ordnet er hier ein. Nach modernem Verständnis geht es ihm im Bereich des non nominatum demnach um die Darstellung von Sachverhalten, die entweder einen offenen, ausfüllungsbedürftigen Tatbestand darstellen, der gleichsam nur im Wege einer Generalklausel fassbar wird, oder der von lokalen bzw. gewohnheitsrechtlichen Traditionen im Besonderen impliziert wird. Dem Bereich des nominatum weist Derrer schließlich gezielt einzelne Tatbestände wie etwa Diebstahl (furtum), Badediebstahl (furta balneatorum), Viehdiebstahl (abigei) oder Brandstiftung (incendium) zu. Dazu zählt Derrer auch die Raubklage des Eigentümers gegen den Räuber (vi bonorum raptorum). Bei dem auf gleicher Stufe zum publicum und non publicum stehenden Begriffspaar capitalia – non capitalia lässt Derrer – zumindest aus heutigem Blickwinkel – etwas an Stringenz vermissen. Im Rahmen der capitalia zählt er zunächst die Strafen auf, die den Verlust des Lebens oder der Zivität zur Folge haben, etwa den Tod durch Feuer (igne), durch Ertränken (aqua), durch das Schwert (gladio) oder durch wilde Tiere (bestiis). Der Verlust der Zivität tritt ein durch die Verurteilung zur Bergwerksarbeit (damnatio in metallum), Sklaverei (servitus poenae) oder durch die Verbannung in das Exil (deportatio in exilium). Unter der Bezeichnung non capitalia verzeichnet er schließlich Geld- (mulctae) oder Prügelstrafen (verbera) ebenso wie Gefängnis (carcer) oder die Strafe der Exkommunikation (excommunicatio). Der dokumentierte Widerspruch in Derrers Systemaufbau ergibt sich hier pars pro toto aus der zwar jeweils in sich logischen Aufschlüsselung sachlich zusammengehörender Begriffe, die auf den ganzen Aufbau bezogen aber nicht gänzlich miteinander harmonieren oder hinsichtlich der von ihm gewählten Darstellungsmethode systematisch nicht ganz auf ein und dieselbe Ebene passen. Im vorliegenden Fall ist dies etwa an der Einordnung der Kapitalstrafen (capitalia) auf exakt die gleiche Ebene zu den crimina publica insgesamt zu erkennen. Mag diese Bewertung aus heutiger Sicht dogmatisch zwar etwas zu modern sein, sie könnte dennoch einer der Gründe für die Feststellung Hans Erich Trojes sein, der nach einer überblickhaften Durchsicht des Typus Iurisprudentiae im Hinblick auf die Ausführungen Derrers im Iurisprudentiae Liber primus resümiert: Wenn Derrers Ableitungs- und Begründungszusammenhänge im kleinen meist soweit überzeugen, daß man ihm gestatten mag, den liber primus seiner iurispruden-
VI. Trichotomie der Institutionen und Derrersche Tetrachotomie
263
tia als disciplina axiomatibus conscripta zu bezeichnen, so wird doch deutlich, daß er beim Herstellen eines von Widersprüchen und Überschneidungen freien Großgefüges in Bedrängnis kommt.834
Trifft diese Aussage teilweise auch auf den Bereich der persecutio zu, so erweist sich dieser letzte Teil der Derrerschen iuris obiecta dennoch als gelungene Zusammenstellung sämtlicher rechtsverfolgender Elemente, die Derrer für die Darstellung dieses Bereichs als relevant erachtet hat. Vor allem die Primärpartition der persecutio in civilis sowie criminalis mutet erstaunlich modern, ja beinahe bahnbrechend an. Erwartungsgemäß widmet Derrer der zivilrechtlichen Rechtsverfolgung zwar wesentlich mehr Raum als der strafrechtlichen; dessen ungeachtet zeigen die Ausführungen über Letzere ein eindeutig wachsendes Interesse der Rechtswissenschaft an strafrechtlichen Themenfeldern. Vor allem aber ist es als beachtliche Leistung Derrers selbst anzusehen, das zu seiner Zeit dogmatisch noch völlig unterentwickelte Strafrecht überhaupt durchzugliedern bzw. gar als Teil seiner persecutio und damit seiner iuris obiecta zu konstruieren. Gleichwohl ist im Heiligen Römischen Reich insgesamt eine zunehmende Beachtung des Strafrechts festzustellen. Deutlich wird dies an Arbeiten wie etwa der Constitutio Criminalis Bambergensis von 1507 oder der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, die beide von humanistischem Gedankengut italienischer Rechtsschulen geprägt sind und teilweise sogar auf das (rezipierte) römische Recht verweisen,835 welches selbst sich allerdings nur durch ein wenig ausgebildetes Strafrecht auszeichnet. Jedenfalls fallen in zeitlicher Hinsicht beide Gesetze exakt in Derrers Lebensphase, mögen auch die rechtshistorischen Entwicklungen, die zwischen beiden Gesetzen und Derrers Arbeit liegen, angesichts der Verschiedenheit der Rechtskreise völlig andere gewesen sein. Auf die Methodologie des Derrerschen Systems insgesamt bezogen, kommt der persecutio eine Sonderstellung innerhalb der iuris obiecta zu. Bei moderner Betrachtungsweise handelt es sich um die Darstellung einer Art Zivil- bzw. Strafprozessordnung, bei der Derrer den jeweiligen Modus Procedendi teilweise sehr detailliert darstellt. Umso mehr gilt dies für den Bereich des Zivilprozesses, ist hier doch die Abweichung vom System der Institutionen besonders signifikant. Schließlich versteht Derrer unter seiner letzten Hauptsäule nicht die eigentlichen römischrechtlichen Klagarten, die im 19. Jahrhundert schließlich zu Ansprüchen werden, sondern für ihn bedeutet die persecutio im modernen Sinne des Wortes das Prozessrecht als solches, wie es als eigene Materie erst die legistisch-kanonistische Prozessrechtswissenschaft des Mittelalters geschaffen hat. 834 835
Troje, Europäische Rechtsliteratur, S. 49, Fn. 50. Lieberwirth, „Carolina“, in: HRG I, Sp. 887 f.
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E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Bei der persecutio criminalis hingegen bleibt Derrer etwas undeutlicher, wenngleich auch in der Systematik seiner Zeit. Denn bei dieser erfolgt neben prozessualen Elementen inzident auch die Darstellung einzelner materiellrechtlicher Tatbestände, deren Aufschlüsselung er offenbar nicht anders einordnen konnte. Hierbei sind allerdings deutliche Parallelen zu den Institutionen zu erkennen, schlüsseln diese doch im Rahmen der Darstellung der publicis iudiciis in I. 4.18 ebenfalls materiellrechtliche Tatbestände mit entsprechenden Rechtsfolgen auf. Zugleich gilt diese Feststellung aber auch für andere reichsrechtliche Gesetze zur Zeit Derrers wie die oben bereits erwähnte Constitutio Criminalis Carolina, die – obwohl prozessual intendiert – auch materielles Strafrecht beinhaltet. Eine alternative Lösungsmöglichkeit hätte für Derrer bei seinen Partitionsbemühungen allenfalls darin bestehen können, dem materiellen Strafrecht innerhalb der iuris obiecta eine eigene Hauptsäule zuzuweisen. Doch dafür war die Zeit der humanistischen Jurisprudenz sowie der universitären Rechtswissenschaft des 16. Jahrhunderts insgesamt wegen ihrer Dependenz vom römischen Recht noch nicht reif genug. Was im römischen Recht noch kaum relevant gewesen ist, konnte zumindest im Grundsatz auch bei den Humanjuristen nicht mehr Raum beanspruchen als von den Quellen vorgegeben – mögen sie auch, wie Sebastian Derrer, Vertreter der systematischen Richtung gewesen sein. Exemplarisch hierfür steht die Behandlung des Straf- bzw. Strafprozessrechts im Typus Iurisprudentiae, auch wenn bei Derrer dennoch ein deutlich zunehmendes Interesse daran festzustellen ist. Nach einer in Kapitel VIII dargestellten Hochrechnung der zehnbändigen Größe der geplanten Iurisprudentiae Libri anhand des Gesamtsystems im Typus Iurisprudentiae hätte die Materie der persecutio criminalis aller Voraussicht nach sogar einen eigenen Band, Liber decem, ergeben.
VII. Größenverhältnis der dem Typus Iurisprudentiae immanenten Rechtsbereiche Weil höchstwahrscheinlich niemals zuvor ein von einem Autor eigenständig entwickeltes, umfangreiches und durchgegliedertes Rechtssystem wie das Sebastian Derrers geschaffen worden ist, wurden bei der Analyse des Typus Iurisprudentiae nicht nur die inhaltlichen Aspekte untersucht, sondern umfangbezogen gleichzeitig auch die der Arbeit zu Grunde liegenden Rechtsbereiche. Das macht die von Derrer gesetzten Schwerpunkte ebenso in äußerer Hinsicht offenbar. So werden die große Bedeutung seiner systematischen Bestrebungen wie auch seine ungewöhnlich innovative und konsequente Arbeitsweise noch sichtbarer.
VII. Dem Typus Iurisprudentiae immanente Rechtsbereiche
265
1. Größenverhältnis der einzelnen Ebenen Wie aus der Addition aller Gliederungspunkte des Systems im Typus Iurisprudentiae hervorgeht, setzt sich der komplette Aufbau des Derrerschen Schemas aus insgesamt 718 einzelnen Gliederungspunkten zusammen, die auf 14 Ebenen verteilt sind. Unabhängig von der hohen Anzahl an Gliederungspunkten ist es auch für die beliebte Klammertechnik des 16. Jahrhunderts äußerst ungewöhnlich, ein Gesamtsystem auf eine solche Vielzahl an Ebenen zu erstrecken. Weder nach damaligen noch aus heutigen Aspekten erscheint es möglich, mit einem Schema zu lernen oder gar zu memorieren, das aus so vielen verschiedenen Ebenen besteht. Bereits beim Verteilen der 718 Gliederungspunkte auf die 14 Ebenen wird erkennbar, wie schwierig ein solches Mammutsystem zu handhaben ist: • 1 Gliederungspunkt (iurisprudentia) entfällt konsequenterweise auf Ebene 1 (0,14 %), • 2 Gliederungspunkte (ius und iuris obiectum) entfallen auf Ebene 2 (0,28 %), • 6 (divinum, humanum, persona, ius, res, commercium und persecutio) auf Ebene 3 (0,84 %), • 13 auf Ebene 4 (1,81 %), • 23 auf Ebene 5 (3,20 %), • 60 auf Ebene 6 (8,36 %), • 72 auf Ebene 7 (10,02 %), • 100 auf Ebene 8 (13,93 %), • 130 auf Ebene 9 (18,11 %), • 90 auf Ebene 10 (12,53 %), • 72 auf Ebene 11 (10,03 %), • 41 auf Ebene 12 (5,71 %), • 106 auf Ebene 13 (14,76 %) sowie • 2 auf Ebene 14 (0,28 %). Aus der Grafik lässt sich leicht ablesen, dass ein produktives Lernen mit diesen Systemstrukturen allenfalls noch bis Ebene 6 möglich war, doch selbst diese besteht bereits aus 60 Gliederungspunkten. Deshalb dürfte sich Derrers System ab Ebene 7 mit ihren 72 Gliederungspunkten nur noch dazu geeignet haben, ein Problemfeld gezielt aufzusuchen, aber nicht mehr zum allgemeinen Rekapitulieren. Zudem sah sich der Rechtsstudent dabei mit dem Problem konfrontiert, im Einzelfall nicht sicher sein zu können, ob sich der nachgeschlagene Problemkreis so auch in den römischrechtlichen Quellen wiederfand oder ob Derrer durch seine Anordnungen ganze Pro-
266
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567) 140
130
120
Gliederungspunkte
106
100
100
90
80
72
72
60
60
41
40 23
20 2
6
2
Eb en e Eb 1 en e Eb 2 en e Eb 3 en e Eb 4 en e Eb 5 en e Eb 6 en e Eb 7 en e Eb 8 en e9 Eb en e1 Eb 0 en e1 1 Eb en e1 2 Eb en e1 3 Eb en e1 4
0
1
13
Abbildung 16: Größenverhältnis der 14 im Typus Iurisprudentiae verwendeten Ebenen
blemfelder einfach verlagert hatte.836 Signifikant für die Größenverhältnisse der Ebenen ist, dass das Schema bis Ebene 9 zunächst progressiv verläuft und ab Ebene 10 degressiv weitergeführt wird, während Regelfall eine immer feinere, also durchweg progressive Verästelung ist. Einzig die außergewöhnlich große Ebene 13 unterbricht diese Degression. Konsequent hingegen ist die Verästelung bis Ebene 9, in der mit immer präziser werdenden Partitionen vorangeschritten (1 ! 2 ! 6 ! 13 ! 23 ! 60 ! 72 ! 100 ! 130 Gliederungspunkte) und der jeweilige Problemkreis dementsprechend systemadäquat amplifiziert wird. Immerhin spiegelt sich in den Anfangsebenen 3, 4 und 5 nahezu durchgehend die klassischste Form der Dihairese, also die Aufspaltung eines Begriffs in zwei Unterbegriffe, wider. Paradigmatisch hierfür etwa ist die Partition von Ebene 3 auf Ebene 4: ius divinum in ius morale und ius mysticum, ius humanum in ius naturale und ius positivum, persona in personae status und personae utilitas, res in extra commercium und in commercio, commercium in acquisitio837 und retentio seu defensio sowie persecutio in civilis und criminalis. 836
Als ein solches Problem stellt sich etwa die überraschende Unterordnung des römischrechtlich höchst relevanten actiones-Bereichs in den Bereich der res dar. Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.VI.2.a). Was dergestalt niemals von den Verfassern der Institutionen intendiert gewesen ist, hat Derrer wie selbstverständlich so systematisiert.
VII. Dem Typus Iurisprudentiae immanente Rechtsbereiche
267
2. Größenverhältnis zwischen dem ius- und dem iuris-obiectum-Bereich Bereits aus dem im Iurisprudentiae Liber primus ersichtlichen Systemschema wird Derrers Hauptpartition der Rechtswissenschaft in ius und iuris obiectum deutlich. Es kann lediglich noch keine Aussage über das Größenverhältnis und die damit verbundene Relevanz dieser beiden großen Rechtsbereiche getroffen werden. Der erste Gliederungspunkt überragt dabei das komplette System: iurisprudentia. Exakt 18 Gliederungspunkte entfallen auf den direkt unterhalb der iurisprudentia stehenden Bereich des ius sowie 699 auf den Bereich des iuris obiectum, der auf einer Stufe mit dem ius-Bereich steht. Hieraus ergibt sich ein Verhältnis von etwa 2,5 % ius-Bereich zu 97,5 % iuris-obiectum-Bereich. Mithin entfallen auf einen Gliederungspunkt des ius-Bereichs etwa 39 Gliederungspunkte des iuris-obiectum-Bereichs. Daraus lässt sich ermessen, welche signifikant schwerpunktmäßigen Weichenstellungen Sebastian Derrer von Beginn an getroffen hat. Der im Vergleich zum iuris obiectum der Größe nach nahezu unbedeutende Bereich des ius sollte lediglich überblickhaft eine Einführung in das Recht vermitteln und helfen, dieses einzuordnen und die primären Grundlagen der Rechtswissenschaft sichtbar zu machen. Paradigmatisch hierfür ist bereits die Aussage Derrers auf der Titelseite des Iurisprudentiae Liber primus, in diesem Opus werde besprochen, woher das Recht kommt, was es ist und wo
Gliederungspunkte
700 iuris obiectum 699
600 500 400 300 200 100 0
ius 18
Abbildung 17: Größenverhältnis zwischen dem ius- und dem iuris-obiectum-Bereich im Typus Iurisprudentiae 837
Der unterhalb der acquisitio stehende Begriff der alienatio wird lediglich als Antonym zu dieser verwendet, wie aus der sogleich folgenden Erklärung in Tabellenseite B deutlich wird. Vgl. Fn. 815.
268
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
seine Grenzen liegen.838 Auch im ius-Bereich behandelte Themen wie etwa Gerechtigkeit, göttliches Recht oder Gewohnheitsrecht zeigen, dass derartige Rechtsgrundlagen vermittelt werden sollten. Den absoluten Schwerpunkt seines Werks sollte indes der materiellrechtliche Bereich des iuris obiectum, also des greifbaren Rechts bilden, auf den grafisch im folgenden Kapitel eingegangen wird. 3. Größenverhältnis innerhalb des iuris-obiectum-Bereichs Da die Verteilung innerhalb des ius-Bereichs in divinum und humanum bereits anhand der Anzahl der Gliederungspunkte vergleichsweise unbedeutend ist und zumindest für den Bereich des göttlichen Rechts festgestellt wird, dass dieses nicht zu behandeln ist . . . und nicht den Rechtsgelehrten, sondern den Theologen betrifft,839 wird auf einen grafischen Vergleich zwischen diesen beiden Bereichen verzichtet. Aufschlussreicher und wesentlich relevanter wird die Frage der anteilsmäßigen Verteilung aber im überaus großen und bedeutsamen Bereich des iuris obiectum. Dieser setzt sich aus insgesamt 699 einzelnen Gliederungspunkten zusammen. Davon entfallen 27 Gliederungspunkte auf den persona- (3,8 %), 290 auf den res- (41,5 %), 100 auf den commercium- (14,4 %) sowie 281 Gliederungspunkte auf den persecutio-Bereich (40,3 %). Aus dieser sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzung der Rechtsgebiete wird ersichtlich, wie stark Sebastian Derrer den sachenrechtlichen sowie den rechtsverfolgenden Teil seiner Iurisprudentia akzentuieren wollte. Im Gegensatz hierzu erscheint vor allem der personenrechtliche, aber auch der Bereich des commercium vergleichsweise marginal. Diese beiden Bereiche machen zusammen nicht einmal ein Fünftel der gesamten Derrerschen Iurisprudentia aus. Dementsprechend verdeutlicht schon die Größe des einzig gedruckten Liber primus, welch beeindruckendes Gesamtwerk Derrer ursprünglich geplant hatte, wenn schon das im ersten Band fast ausschließlich behandelte Personenrecht in der Ausgabe von 1540 insgesamt 123,5 Seiten umfasst. Insofern lohnt eine Untersuchung darüber, welcher Größe die Gesamtausgabe der zehnbändigen Iurisprudentia in etwa entsprochen hätte, wenn Derrer sein System in Form der Iurisprudentiae Libri wie geplant hätte realisieren können.
838 Unde, quid, & quo Ius claudatur limite, dicitur Difficile: at graðinwò ecce Tabella docet. 839 Derrer, Typus Iurisprudentiae, Tabellenseite A: . . . non est curandum . . . Nihil faciunt ad Iurisconsultum sed ad Theologum attinent.
VIII. Hochrechnung der geplanten Iurisprudentiae Libri
269
300 res 290
Gliederungspunkte
250
persecutio 281
200 150 100 50 0
commercium 100 persona 27
Abbildung 18: Größenverhältnis innerhalb des iuris obiectum im Typus Iurisprudentiae
VIII. Hochrechnung der zehnbändigen Größe der geplanten Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae Die Widmungsepistel an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. im Iurisprudentiae Liber primus lässt darauf schließen, dass Derrer sein Werk ursprünglich auf eine Gesamtgröße von zehn Bänden konzipiert hatte. Es ist dies die einzige Textstelle überhaupt, an der er sich, wenn auch nur ansatzweise, zum geplanten Umfang seines Gesamtwerks äußert. So bleibt zu vermuten, dass er nicht schon früh eine präzise Zahl der folgenden Bände nennen wollte, sondern lediglich darauf hinweisen wollte, dass im Liber primus möglicherweise enthaltene Fehler in den folgenden neun Bänden korrigiert werden könnten.840 Daneben kündigt Petrus Petremandus in seiner praefatio ebenfalls die Fortsetzung der Derrerschen Iurisprudentia auf zehn Bände an.841 Da – höchstwahrscheinlich wegen des frühen Todes Sebastian Derrers anno 1541 – nur der Liber primus erscheinen konnte, lässt sich die geplante 840 Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria, fol. b 2 r. f.: . . . in sequentibus Libris, non minus novem, adhuc absolvendis, facilius suffici, aut in melius restitui possint. Vgl. Fn. 339. 841 Petremandus, Praefatio ad lectorem, fol. d 4 r.: . . . qui forte ad totius disciplinae legalis consummationem & absolutam tractationem novem adhuc futuri sunt . . . Vgl. Fn. 341.
270
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Größe des Gesamtwerks nur grob schätzen. Anhaltspunkte für eine solche Hochrechnung sind zum einen die Anzahl der Titel, Seiten und Abschnitte des persona-Bereichs des Iurisprudentiae Liber primus und zum anderen die aus dem Typus Iurisprudentiae bekannte Anzahl der Gliederungspunkte des iuris-obiectum-Bereichs. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der persona-Bereich des Typus Iurisprudentiae weniger Gliederungspunkte enthält als der des Liber primus.842 Dennoch resultiert die Hochrechnung auf zehn Bände aus dem äußerst detailliert verzeichneten persona-Bereich des Liber primus und nicht aus demjenigen des Typus Iurisprudentiae. Maßgebend dafür, dass als Berechnungsbasis der Liber primus herangezogen wird, ist das Axiom, dass das dort ablesbare Gliederungsschema genuin von Derrer entwickelt worden ist und dass sich der Darstellungsteil dann zumindest im Grundsatz auch an diesem orientiert. Beim Typus Iurisprudentiae hingegen müsste dasselbe Verfahren problematischer erscheinen, weil Übertragungsfehler ebenso wenig auszuschließen sind wie möglicherweise von Basilius Amerbach vorgenommene Veränderungen.843 Eine Hochrechnung anhand des persona-Bereichs im Iurisprudentiae Liber primus liefert demnach die folgende Projektion: Bekannte Größe: • persona-Bereich (im Iurisprudentiae Liber primus) 40 Gliederungspunkte
ã 43 Titel (ã Faktor 1,1) ã 123,5 Seiten (ã Faktor 3,1) ã 635 Abschnitte (ã Faktor 15,9)
Werden diese Werte hochgerechnet auf die anderen durch den Typus Iurisprudentiae bekannten Rechtsbereiche der Derrerschen iuris obiecta, namentlich also auf die Gebiete der res, des commercium sowie der persecutio, so ergeben sich für die einzelnen Rechtsobjekte folgende Größenverhältnisse: • res-Bereich (im Typus Iurisprudentiae): 290 Gliederungspunkte ⁄ 319 Titel ⁄ 899 Seiten ⁄ 4.611 Abschnitte
842 Zum Vergleich: Iurisprudentiae Liber primus 40 Gliederungspunkte – Typus Iurisprudentiae 27 Gliederungspunkte. Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.X.2. 843 Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.I.
VIII. Hochrechnung der geplanten Iurisprudentiae Libri
271
• commercium-Bereich (im Typus Iurisprudentiae): 100 Gliederungspunkte ⁄ 110 Titel ⁄ 310 Seiten ⁄ 1.590 Abschnitte • persecutio-Bereich (im Typus Iurisprudentiae): 281 Gliederungspunkte ⁄ 309 Titel ⁄ 871 Seiten ⁄ 4.468 Abschnitte Die Summe dieser vier Hauptbereiche des iuris obiectum beläuft sich auf folgende grobe Schätzwerte: • Gesamter Bereich des iuris obiectum: 711 Gliederungspunkte ⁄ 781 Titel ⁄ 2.203,5 Seiten ⁄ 11.304 Abschnitte Addiert man schließlich den aus dem Iurisprudentiae Liber primus vollständig bekannten ius- (acht Titel, 48,5 Seiten, 241 Abschnitte) und persona-Bereich des iuris obiectum sowie ferner die aus dem Typus Iurisprudentiae hochgerechneten drei weiteren Rechtsobjekte res, commercium und persecutio, ergibt sich hieraus eine sehr eindrucksvolle Größe des geplanten zehnbändigen Gesamtwerks: • Gesamtwerk (ius-Bereich + hochgerechneter iuris-obiectum-Bereich): 730 Gliederungspunkte ⁄ 789 Titel ⁄ 2.251 Seiten ⁄ 11.545 Abschnitte Auch wenn dieser Hochrechnung naturgemäß nur ungefähre Werte zu Grunde liegen können, so machen diese dennoch deutlich, welch gewaltige Masse an Rechtsstoff zu behandeln und zu bewältigen sich Sebastian Derrer vorgenommen hatte. Hätte sich sein Vorhaben vollständig realisieren lassen, so wäre es das erste gewesen, das im Wege eines eigenen ordo iuris das gesamte gelehrte Rechtswissen in einer vielbändigen Ausgabe behandelt hätte. Offen bleibt letztendlich die Frage, in welchem Zeitraum er sein riesiges Gesamtwerk bis Band X hätte fertigstellen können. Doch darüber hat sich Sebastian Derrer allenfalls vage, offenkundig aber nie konkret geäußert.
272
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
IX. Mögliche Aufteilung des zehnbändigen Werks der Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Sebastian Derrer das Personenrecht ausschließlich im Liber primus behandeln wollte und dass er es nicht in einem Liber secundus fortgesetzt hätte.844 Zugleich wird damit deutlich, dass er Band II innerhalb des iuris obiectum mit dem immens großen Bereich der res fortsetzen wollte. Diese Absicht passt zum einen zu Derrers Systemschema im Liber primus und deckt sich zum anderen mit dem Gesamtsystem aus dem Typus Iurisprudentiae. Überdies entspricht diese Ankündigung auch seiner Aussage in der epistola dedicatoria an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I., wenn er von den übrigen Kapiteln seiner Werkreihe spricht, die sich auf das Sachenrecht, den Sachverkehr und die Rechtsverfolgung erstrecken . . .845. Im Folgenden ist zu untersuchen, wie Derrer seine geplante zehnbändige Iurisprudentia unterteilt haben könnte. Da er hierüber im Iurisprudentiae Liber primus so gut wie keine Anhaltspunkte liefert, müssen sachlogische Erwägungen aus dem Typus Iurisprudentiae den Einteilungsmaßstab bilden. Allerdings gilt hinsichtlich des Größenverhältnisses auch hier das in Kapitel VIII Festgestellte, wonach im Iurisprudentiae Liber primus sowohl der ius- als auch der persona-Bereich des iuris-obiectum ausführlicher gehalten sind als im Typus Iurisprudentiae. Erhebt man die Zahl der Gliederungspunkte aus dem Liber primus annäherungsweise zum Maßstab für die mögliche Einteilung der geplanten Bände II bis X, so erscheint die folgende Struktur seines Gesamtwerks ebenso logisch wie sinnvoll. Diese Einteilung, in der die durchschnittliche Zahl an Gliederungspunkten in etwa der des Iurisprudentiae Liber primus entspricht (61 gegenüber 73), resultiert aus logisch und substanziiert anmutenden Zäsuren im Typus Iurisprudentiae, wie sie Sebastian Derrer zur Aufteilung seines Werks in zehn Bände gesetzt haben könnte. Dabei wären sowohl auf den Bereich der res als auch auf den Bereich der persecutio jeweils ungefähr vier, auf den Bereich des commercium etwa ein bis zwei Bände gekommen. Insgesamt wird anhand dieser quantifizierten Einteilung der Bücher deutlich, dass die im Typus Iurisprudentiae aufgeschlüsselten 718 Gliederungspunkte tatsächlich approximativ die von Derrer im Liber primus angekündigte zehnbändige Werkreihe der Iurisprudentiae Libri ergeben würden.846 Insofern verifiziert diese Hochrechnung tatsächlich sowohl Derrers eigene Ankündigung wie auch die Anmerkungen des Petrus Petremandus. 844 845 846
Vgl. Fn. 340. Vgl. Fn. 338. Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.III.2.b).
IX. Mögliche Aufteilung der Iurisprudentiae Libri
273
Liber
Schwerpunkte
Gliederungspunkte
primus
iurisprudentia ius iuris obiectum: persona
ã 61847
secundus
iuris obiectum: res I von res (Zeile 48) bis tributa (Zeile 107)
⁄ 60
tertius
iuris obiectum: res II von privatorum (Zeile 108) bis decimatio (Zeile 180)
⁄ 73
quartus
iuris obiectum: res III von persecutio (Zeile 181) bis rerum iniuriarum (Zeile 250)
⁄ 70
quintus
iuris obiectum: res IV von condictio (Zeile 251) bis curatoris in subiectos curae (Zeile 337)
⁄ 87
sextus
iuris obiectum: commercium von commercium (Zeile 338) bis restitutio (Zeile 437)
⁄ 100
septimus
iuris obiectum: persecutio I von persecutio (Zeile 438) bis curator (Zeile 479)
⁄ 42
octavus
iuris obiectum: persecutio II von res sive iudicii actus (Zeile 480) bis negatio (Zeile 559)
⁄ 80
nonus
iuris obiectum: persecutio III von probatio (Zeile 560) bis res petita apud actorem (Zeile 646)
⁄ 87
decimus
iuris obiectum: persecutio IV von criminalis (Zeile 647) bis punitio (Zeile 718)
⁄ 72 gesamt ã 732
pro Band ⁄ 73,2 Èê =
Abbildung 19: Mögliche Aufteilung der geplanten Iurisprudentiae Libri anhand des Typus Iurisprudentiae
847
Aus dem Iurisprudentiae Liber primus berechnet.
274
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
X. Systemdivergenzen zwischen dem Typus Iurisprudentiae und dem Iurisprudentiae Liber primus Bemerkenswert sind die im ius- und vor allem im persona-Bereich vorhandenen Unterschiede zwischen dem Aufbauschema des Typus Iurisprudentiae und jenem des Iurisprudentiae Liber primus. Dabei erschließen sich diese Unterschiede zwischen den beiden Schemata keineswegs von vornherein. Immerhin handelt es sich um dieselbe Thematik mit nur einem einzigen inhaltlichen Unterschied: Der Typus Iurisprudentiae stellt das Derrersche System im Gegensatz zum Liber primus im Gesamtumfang dar. Hinzu kommt, dass das Schema des Typus Iurisprudentiae in den vergleichbaren Bereichen deutlich kürzer ausfällt als das im Liber primus abgedruckte (45 zu 59 Gliederungspunkte). Da Derrers Arbeit in Basel bekannt war und das im Typus Iurisprudentiae verwendete System dort auch redigiert und herausgegeben wurde, verbietet sich der Gedanke von selbst, dass der Bearbeiter des Typus Iurisprudentiae Derrers Hauptwerk eventuell gar nicht gekannt hat. Wie sonst hätte Kaspar Herwagen als Basler Rechtsprofessor Derrer einen sehr berühmten Rechtsgelehrten und sehr würdigen Rechtsprofessor und Autor nennen können?848 Demnach muss es sich bei den Änderungen, die im Typus Iurisprudentiae vorgenommen wurden, um gezielte Modifikationen an Derrers System gehandelt haben – zumindest an den aus dem Liber primus bereits bekannten Bereichen ius und persona. Unabhängig von diesen Erwägungen könnte ein Grund für die partiellen Unterschiede beider Systementwürfe schließlich aber auch darin liegen, dass Sebastian Derrer das im Typus Iurisprudentiae abgedruckte Gesamtsystem im Liber primus in Bezug auf die dort dargestellten Rechtsgebiete bereits selbst abgeändert oder einer Korrektur unterzogen hat. Immerhin hat er es höchstwahrscheinlich vor der Abfassung von Band I seiner Rechtswissenschaft entwickelt.849 Doch gegen diese Annahme einer Veränderung durch ihn selbst sprechen zwei Gründe: Zum einen wäre es dann nicht nachzuvollziehen, weshalb Derrer in den ausgehenden 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts, in denen Ludwig Wolfgang von Habsperg bei ihm studiert und das später in Basel publizierte Schema – auf welche Art auch immer – erhalten hat, noch immer ein von ihm selbst korrigiertes und für den Liber primus modifiziertes System verwendet haben soll. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Druckfassung zum Iurisprudentiae Liber primus bereits vorbereitet worden sein muss. Zum anderen teilt Kaspar Herwagen in seinem Vorwort zum Typus Iurisprudentiae mit, 848 849
Vgl. die Titelworte zum Typus Iurisprudentiae, S. 228. Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.I.
X. Systemdivergenzen
275
dass ihm der Derrersche Entwurf von Basilius Amerbach in bearbeiteter Fassung (iamiam omnibus numeris absolutum) wieder übergeben worden sei.850 Vor diesem Hintergrund ist es also naheliegend, dass das im Typus Iurisprudentiae abgedruckte Systemschema Sebastian Derrers erst posthum verändert oder sogar teilweise umgearbeitet worden ist, auch wenn eine letzte Gewissheit hierfür nicht gegeben werden kann. 1. Ius-Bereich Im ius-Bereich des Liber primus und des Typus Iurisprudentiae fällt zunächst die unterschiedliche Schreibweise mancher Begriffe auf: mysticum antatt misticum, ceremoniale anstatt caeremoniale, naturae effectus anstatt natura affectus. Diesen Unterschieden ist indes keine weitergehende Bedeutung beizumessen, zumal die Schreibweise insbesondere in den Jahrhunderten des Mittelalters ohnehin erheblichen Schwankungen unterlag und Flexionsformen lateinischer Ausdrücke durchaus üblich waren. Bedeutsamer sind hingegen die vergleichbaren materiellen Veränderungen zwischen beiden Systementwürfen. Immerhin sind seit der Publikation des Liber primus 27 Jahre vergangen, als der Typus Iurisprudentiae 1567 veröffentlicht wurde – Zeit genug also, um ein so umfangreiches System umzuarbeiten und Korrekturen anzubringen. Immerhin bleibt der Umfang des ius-Bereichs nahezu unverändert. Umfasst derjenige des Liber primus 19 Gliederungspunkte, so zählt jener des Typus Iurisprudentiae lediglich einen Gliederungspunkt weniger. Aber es fällt auf, dass das ius supernaturale im Typus Iurisprudentiae, das Derrer im Liber primus sowohl im Systementwurf wie auch im Darstellungsteil erwähnt, nun nicht mehr berücksichtigt wird. Er hatte das ius supernaturale charakterisiert als die Vorschriften, bei denen dem einzigen Glauben nachzueifern deswegen notwendig ist, weil die menschliche Vernunft hinsichtlich der unablässigen Wahrheit jener versagt; beispielsweise, dass wir an einen einzigen Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – unter derselben Majestät und Dreifaltigkeit glauben. Und diese Dreifaltigkeit, sage ich, ist gemäß dem gemeinsamen Wesen einzigartig und gemäß den personalen Eigentümlichkeiten verschieden.851
An die Stelle des ius supernaturale tritt im Typus Iurisprudentiae auch kein Surrogat, während das auf einer Stufe mit dem ius supernaturale ste850
Vgl. Fn. 776. Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 2, Abschnitt 7, S. 11 f.: Supernaturalia quoque sunt praecepta, in quibus solam fidem sequi ideo necesse est, quod de veritate illorum, humana ratio perpetuo deficiat: veluti, ut patris, & filii & spiritussancti una Deitate sub pari maiestate, & sub ipsa trinitate credamus: que inquam trinitas, secundum communem essentiam, est individua, & secundum personales proprietates discreta. 851
276
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
hende ius morale sowie das ius mysticum im Typus Iurisprudentiae gleichermaßen erwähnt werden. Allerdings wurde in einer Doppelklammer hinter beiden Rechtsbereichen vermerkt, dass diese nicht den Rechtsgelehrten, sondern den Theologen betreffen.852 Offensichtlich erachtete man beide Derrerschen Rechtsbereiche als verhältnismäßig irrelevant und lediglich einer ergänzenden Erwähnung wert, so dass das ius supernaturale vermutlich gänzlich redundant erschien. Auch Derrer selbst hat das übernatürliche Recht nur kurz erläutert; es hatte wohl auch für ihn beim Vergleich mit anderen Bereichen nur eine geringe Relevanz. Er hat es im Liber primus innerhalb des göttlichen Rechts erst an letzter Stelle platziert853 und es ist auch in den justinianischen Quellen ohne Pendant. Außerdem fällt im Bereich des ius humanum auf, dass Derrer im Liber primus das von Menschen gesetzte Recht formatum nennt, im Typus Iurisprudentiae hingegen wird es als positivum bezeichnet. Da es inhaltlich um dieselbe Thematik geht, wie das aus jenen Rechtsbereichen erkennbar wird, die dem ius positivum folgen, ist zu fragen, weshalb die von Derrer bevorzugte Wortwahl nicht übernommen wurde. In der Randglosse zum ius formatum führt Derrer innerhalb des Darstellungsteils im Liber primus den entsprechenden Titel der Institutionen an, auf den er sich bei seinen Ausführungen bezieht.854 Es handelt sich dabei um I. 1.2 De iure naturali et gentium et civili. Allerdings existiert dort für diesen Rechtsbereich kein gemeinsamer Oberbegriff; es wird lediglich beschrieben, dass unser Recht aus geschriebenem und ungeschriebenem Recht besteht ...855. Immerhin hatte bereits Derrer deutlich gemacht, dass lange währende Gebräuche das Gewohnheitsrecht umschreiben und dass als Gegenbegriff dazu Anordnungen für das geschriebene Recht stehen. Das affirmieren schließlich auch die dem ius formatum nachgeordneten Rechtsbereiche im Liber primus und im Typus Iurisprudentiae. Sowohl formare als auch ponere bedeuten, dass Recht geschaffen bzw. festgesetzt wird. Dabei legt formare den Akzent indes mehr auf die Bildung des Rechts, ponere hingegen eher auf dessen Konstituierung. Hinzu kommt, dass das ius positum als gesetztes Recht primär Gesetzesrecht meint, das ius formatum hingegen weiter gefasst wird und etwa auch Gewohnheitsrecht umfasst. Auffällig ist, dass der Begriff des ius positivum, der sich aus dem Begriff des ius positum entwickelt hat, in der juristischen Literatur ungleich häufiger verwendet worden ist als der Begriff des ius formatum. 852 853 854 855
Vgl. Fn. 839. Vgl. Fn. 423. Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Titel 3, Glosse m, S. 16. I. 1.2.3: Constat autem ius nostrum aut ex scripto ex non scripto . . .
X. Systemdivergenzen
277
1. IURISPRUDENTIA Iurisprudentiae Liber primus 2. Ius
3.
4.
5.
6.
Divinum Morale Misticum856 Caeremoniale Sacramentale Supernaturale Humanum Naturale Naturae affectus Ius gentium Formatum Consuetudo Generalis Specialis Scriptum Privilegium Statutum Ius commune
Typus Iurisprudentiae 2. Ius
3.
4.
5.
6.
Divinum Morale Mysticum Ceremoniale Sacramentale – Humanum Naturale Naturae effectus Ius gentium Positivum Consuetudo Generalis Specialis Scriptum Privilegium Statutum Ius commune
Abbildung 20: Ius-Bereich im Iurisprudentiae Liber primus und im Typus Iurisprudentiae
Allerdings sind beide Termini, formatum wie positivum, den römischen Quellen in diesem Zusammenhang nicht geläufig. Vom Begriff des ius positivum ist überhaupt erst frühestens seit dem 12. Jahrhundert die Rede.857 Es bleibt daher die Vermutung, dass Derrer mit der Bezeichnung des positiven Rechts als ius formatum einen eigenen juristischen Begriffsakzent setzen und sich vom Allgemeinplatz des ius positivum wenn nicht distanzieren – 856 Die Unterschiede im Systemschema des Iurisprudentiae Liber primus (links) und dem des Typus Iurisprudentiae (rechts) sind folgendermaßen markiert: kursiv die unterschiedliche Schreibweise, gesperrt die inhaltlichen Differenzen. 857 Schmale, Grund- und Menschenrechte in der Frühen Neuzeit, S. 276.
3.
Iuris obiectum Persona
2.
5.
...
6.
7.
Personae status Alieni iuris858 Filii familias Naturales legitimi Adoptivi Servi Sui iuris Emancipati Manumißi Naturales illegitimi Vulgo concepti Spurii Manseres Nothi Incestuosi Adulterini Nepharii
4.
Iurisprudentiae Liber primus 3.
Iuris obiectum Persona
2.
IURISPRUDENTIA
1.
5. ...
6.
– – – – – – – – – –
Sui Iuris
Servi
Personae status Alieni Iuris Liberi
4.
Typus Iurisprudentiae
Naturales & legitimi Adoptivi
7.
278 E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
858
Ingenui
– –
Nativitate Rest. nat. Liberti Ingenuis deteriores Ascriptitii Censiti Cond. col. Originarii Hom. prop. Personae utilitas Tutela Testamentaria Legitima Dativa Cura Minoris Furiosi Prodigi
–
Zur Hervorhebung vgl. Fn. 856.
Abbildung 21: Persona-Bereich im Iurisprudentiae Liber primus und im Typus Iurisprudentiae
Personae conditio Ingenui Nativitate Restitutione Natalium Ingenuis deteriores Liberti Adscriptitii Censiti Condictionales Coloni Originarii Homines proprii Personae defensio Tutela Testamentaria Legitima Dativa Cura Minoris Prodigi Furiosi Mente capti Mulieris
X. Systemdivergenzen 279
280
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
in der Sache meinte er schließlich dasselbe –, so doch durch dessen Nichtgebrauch profilieren wollte. Ihm kam es bei seiner Wortwahl offenbar eher auf den Akt der Rechtschaffung im Sinne eines ius condendum an als auf den Rechtsetzungsakt als solchen, der mit dem im Typus Iurisprudentiae verzeichneten ius positivum eher verknüpft ist. 2. Persona-Bereich Innerhalb des iuris-obiectum-Bereichs können der Iurisprudentiae Liber primus und der Typus Iurisprudentiae nur im Bereich des Personenrechts verglichen werden. Waren die Abweichungen im ius-Bereich vergleichsweise überschaubar, so offenbaren sich im personenrechtlichen Teil zwischen beiden Werken weitaus größere Differenzen. Zunächst sind auch hier sprachliche Unterschiede feststellbar, auf die jedoch nicht mehr detailliert einzugehen ist. Auffällig ist in diesem Rechtsbereich lediglich die Korrektur der Filii familias. Im Liber primus lautet dessen erster Unterpunkt Naturales legitimi. Richtigerweise – und das hat der Bearbeiter des Typus Iurisprudentiae auch so gesehen – muss es aber Naturales et Legitimi im Unterschied zu den Adoptivi heißen.859 Wesentlich relevanter sind aber auch hier die materiellen Unterschiede zwischen beiden Arbeiten. Bereits die Zahl der Gliederungspunkte markiert in diesem Bereich eine deutliche Abweichung: Umfasst das Personenrecht des Liber primus 40 Gliederungspunkte, so sind es im Typus Iurisprudentiae lediglich 27. Die große Einteilung in personae status, personae conditio sowie personae defensio, auf der das gesamte Personenrecht des Liber primus fußt, gerät im Typus Iurisprudentiae deutlich in Schieflage. Der Bereich der personae conditio ist als eigenständige Säule vollständig eliminiert, seine Gliederungspunkte werden dem Bereich des personae status zugeordnet. Dafür entfallen in diesem Bereich zahlreiche Unterpunkte, die noch im Liber primus von Bedeutung gewesen sind, etwa allein die zehn Unterpunkte der personae sui iuris. Ferner trägt der große Bereich der Personalvertretung, der im Liber primus allein 22 von 51 Titeln umfasst, nicht mehr den Namen personae defensio, sondern personae utilitas. Das Eliminieren des personae-conditio-Bereichs trägt möglicherweise dem bereits in Kapitel D.VI.3.b)aa)(2) festgestellten Umstand Rechnung, dass auch der Bearbeiter des Typus Iurisprudentiae Derrers etwas widersprüchliche Darstellung dieser zweiten Säule des Personenrechts und die darauf beruhende Verschiebung des Systems erkannt hat. Allerdings begeht auch er einen folgenschweren Fehler, wenn er die ingenui und die ingenuis 859
Vgl. die Ausführungen in Kapitel D.VI.3.b)aa)(1)(a).
XI. Zusammenfassung
281
deteriores direkt den personae sui iuris unterordnet, was in dieser Art diametral zum Vorgehen der Institutionen steht. Schließlich trennen auch diese deutlich zwischen der Rechtsstellung des Menschen (liberi – servi) und zwischen vermögensrechtlich Selbstständigen und Unselbstständigen (sui – alieni iuris). Ebenso unzutreffend ist die Unterordnung der liberti unter die ingenui, die Derrer im Liber primus korrekterweise noch den ingenuis deteriores zugeordnet hatte. Konsequent erscheint hingegen, dass der Bearbeiter innerhalb der personae utilitas die cura mente capti und die cura mulieris gestrichen hat. Bereits in Kapitel D.VI.3.b)aa)(3)(b) konnten beide Personengruppen dogmatisch nicht zweifelsfrei eingeordnet werden, was der Bearbeiter des Typus Iurisprudentiae offensichtlich genauso gesehen hat (siehe Abbildung 21).
XI. Zusammenfassung Es ist der rechtshistorischen Forschung sehr lange verborgen geblieben, dass sich das Gesamtsystem von Sebastian Derrers Iurisprudentia der Nachwelt dauerhaft erhalten hat. Entwickelt hat Derrer dieses in den 20er- oder frühen 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts, aber erst 1567 wurde es posthum in Basel veröffentlicht. Angehängt an eine großformatige Gesetzessammlung Gregor Haloanders, hat die Arbeit jahrhundertelang ein Dasein fernab jeglicher wissenschaftlicher Beachtung gefristet. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist sie bei Hans Erich Troje auf Aufmerksamkeit gestoßen. Dabei ermöglicht einzig der Typus Iurisprudentiae einen tiefen Einblick in das komplette, aus insgesamt 718 einzelnen Gliederungspunkten bestehende juristische Gesamtsystem Sebastian Derrers, das als solches weder aus dem Iurisprudentiae Liber primus noch aus der 1568 erschienenen Epitome Iurisdictionum et Regalium hervorgeht. Wie ein Vergleich der bereits aus dem Liber primus bekannten Teilbereiche des ius sowie der persona innerhalb des iuris-obiectum-Bereichs zeigt, erfuhr das System des Typus Iurisprudentiae im Verhältnis zum Liber primus einige Veränderungen. Diese resultieren möglicherweise daraus, dass sich das gedruckte Werk höchstwahrscheinlich aus einem Manuskript Sebastian Derrers selbst oder zumindest seines Schülers Ludwig Wolfgang von Habsperg über Vorlesungen des Professors zusammensetzt, die über Umwege nach Basel gelangt und dort mit großer Sicherheit von Basilius Amerbach bearbeitet worden sind. Im Grundsatz ist allerdings dennoch davon auszugehen, dass die ganz wesentliche Rechtsanordnung innerhalb des Typus Iurisprudentiae Derrers geistiger Urheberschaft entstammt, wie das bereits aus der Titelseite der Arbeit hervorgeht.
282
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
Dass Derrer seine systematische Gesamtdarstellung tabellarischer Art nicht selbst veröffentlicht hat, hängt möglicherweise damit zusammen, dass diese nicht vor Vollendung der insgesamt geplanten zehn Iurisprudentiae Libri erscheinen sollte. Eine Wahrscheinlichkeitsrechnung auf der Basis der für den Liber primus verwendeten Zahl von Gliederungspunkten liefert die Annahme, dass Derrer, wäre es ihm vergönnt gewesen, ein auch für seine Zeit ungewöhnlich umfangreiches, wahrscheinlich mehr als 2000 Buchseiten starkes Werk geschaffen hätte. Insofern basiert seine entsprechende Ankündigung in der im Liber primus abgedruckten epistola dedicatoria an Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. auf einer realistischen Grundlage. Inhaltlich eröffnet der Typus Iurisprudentiae einen vollständigen Blick auf sämtliche iuris obiecta des Derrerschen Systems, die im Liber primus mit Ausnahme des Personenrechts (persona), von dem Band I selbst handelt, nur der Vollständigkeit halber erwähnt, aber nicht weiter untergliedert werden. Es sind dies neben dem Personenrecht das Sachenrecht (res), das Erwerbsrecht (commercium) sowie die Rechtsverfolgung (persecutio). Diese Einteilung hat bis zur Entdeckung des Typus Iurisprudentiae Raum für Spekulationen geboten, so etwa bei Friedrich Xaver Affolter, der in Unkenntnis des Derrerschen Gesamtsystems und nur in Kenntnis des Systems des Liber primus dasjenige des so genannten Brachylogus Iuris Civilis erblickt hat. Die vorliegende Arbeit hat aber nachgewiesen, dass sich Derrer höchstwahrscheinlich nicht auf den Brachylogus gestützt haben kann. Darüber hinaus hat die Untersuchung gezeigt, dass Einflüsse des Wittenberger Juristen Johann Apel auf den Typus Iurisprudentiae ebenfalls auszuschließen sind. Er hatte mit seiner 1535 erschienenen Methodica dialectices ratio ad iurisprudentiam accomadata auf der Grundlage des Brachylogus das Sachenrecht vom Schuldrecht getrennt. Gleichzeitig liegt darin auch der inhaltlich gravierendste Unterschied zum Typus Iurisprudentiae. Mag bei der Betrachtung allein der vier Termini persona, res, commercium und persecutio die Annahme auf der Hand liegen, dass auch Derrer dem moderneren Weg gefolgt ist, die obligationes von den res zu trennen und sie als eigenständiges Hauptelement daneben zu stellen, so lässt sich dieses Vorgehen in seinem Gesamtsystem gerade nicht feststellen. Seine tetrachotomische Anordnung gründet vielmehr darauf, die obligationes innerhalb der res beizubehalten und im Gegenzug dazu den sachenrechtlichen Erwerb aus den res herauszunehmen. Erwerb, Veräußerung und Zurückbehaltungsrechte bilden dann als dritte Hauptsäule der iuris obiecta das commercium. Das Bewusstsein einer methodischen Notwendigkeit, zwischen Schuld- und Sachenrecht zu trennen, besaß Derrer demnach gerade nicht.
XI. Zusammenfassung
283
Auch die Annahme, bei der vierten Hauptsäule des Derrerschen Systems (persecutio) handle es sich inhaltlich um die actiones im Sinne der Institutionen, geht fehl. Vielmehr ordnet Derrer diese ebenfalls dem Sachenrecht unter und schlüsselt dann innerhalb der persecutio auf Basis des römischkanonischen Rechts die einzelnen Verfahrensabläufe auf, die er in zivilund strafrechtliche Rechtsverfolgung einteilt. In beiden Bereichen behandelt er die jeweiligen Prozesshandlungen wie auch die Verfahrensbeteiligten, so dass in modernem Sinne von einer Art Zivil- bzw. Strafprozessordnung gesprochen werden kann. Lediglich bei der Behandlung der strafrechtlichen Rechtsverfolgung lässt er auch materiellrechtliche Elemente einfließen, wie das allerdings schon in den Institutionen (I. 4.18) der Fall ist. Aber auch für einen Systematiker wie Derrer war die Zeit noch nicht reif, eine eigene strafrechtliche Hauptsäule zu schaffen. Die rechtshistorische Würdigung des Gesamtsystems im Typus Iurisprudentiae stellt insgesamt die Frage, ob Derrers Anordnung dem Leser tatsächlich zum Vorteil gereichte. Oder ob ein zusammenhängendes System von nicht weniger als 718 Gliederungspunkten nicht mehr Verwirrung schaffen musste, als es Klarheit hätte bringen können. Im Ergebnis wird man zu bilanzieren haben, dass das Werk zumindest nicht für einen schnellen und umfassenden Gesamtüberblick herangezogen werden konnte. Für diese These genügt schon ein Blick auf die vier durch Klammern zusammenhängenden Buchseiten, aus denen sich das System zusammensetzt. Umgekehrt ist aber auch zu konstatieren, dass das präzise gegliederte Schema durchaus für denjenigen gewinnbringend sein konnte, der sich für ein bestimmtes Spezialgebiet interessierte und sich in diesem entsprechenden Bereich rasch über die wichtigsten Sachpartitionen informieren wollte. Für einen solchen Nutzer war Derrers Vorgehensweise zweifellos geeignet. Inhaltlich bringt die Arbeit größtenteils zwar keine wesentlich neuen Erkenntnisse oder entscheidenden Vorteile. Was bei der Untersuchung des iusBereichs und des Personenrechts im Iurisprudentiae Liber primus hinsichtlich einer neuen und besseren Ordnung noch als positiv zu werten war, verliert sich hier an etlichen Stellen in der Unübersichtlichkeit eines zum Teil eigenwilligen Konstrukts. So wird es beispielsweise ein Rätsel bleiben, weshalb Derrer den obligationes innerhalb seiner Primärpartition der iuris obiecta keine eigenständige Hauptsäule zuweist. Stattdessen stellt er den sachenrechtlichen Erwerb in Form des commercium als Hauptsäule auf gleiche Stufe zu den res. Äußerst beachtlich hingegen ist seine Bearbeitung der persecutio. War die Ausgliederung des Prozessrechts zwar keine Neuerscheinung der Zeit, so stellt dessen systematische Erfassung durch Derrer aber durchaus einen beachtlichen Schritt dar – vor allem im Hinblick auf
284
E. Das Gesamtsystem – Typus Iurisprudentiae (1567)
die beeindruckende Hauptunterscheidung zwischen zivil- und strafrechtlicher Rechtsverfolgung. Aus der Summe dieser Betrachtungen wird der eigenständige, aber auch eigenwillige Charakter Sebastian Derrers überaus deutlich. Durch seine Art der Abweichung von den Quellen, die selbst späteren begeisterten Systematikern humanistischer Prägung geradezu abenteuerlich vorkommen musste, zeigt sich innerhalb der humanistischen Jurisprudenz ein ganz besonderer, stark systematisch geprägter Kopf. Nur ein solcher konnte es wagen, als erster bekannter Jurist die bis dahin sakrosankte Institutionenordnung nicht nur geringfügig zu verändern, sondern deren ganzes System neu zu ordnen. Mag aus dem Typus Iurisprudentiae selbst angesichts eines Schemas ohne Erklärungen und Darlegungen der Nutzen für den Leser nur ein mittelmäßiger gewesen sein: Die Frage, welche Bedeutung sein Gesamtwerk gewonnen hätte, wenn es Sebastian Derrer denn vergönnt gewesen wäre, dieses zu realisieren, muss und wird für immer offen bleiben.
F. Eine kurze Abhandlung – Epitome Iurisdictionum et Regalium (1568) Eine weitere und letzte auf Sebastian Derrer zurückgehende Schrift, die in der wissenschaftlichen Bearbeitung bis auf Aldo Mazzacane wenig Beachtung gefunden hat, stellt die Epitome Iurisdictionum et Regalium dar. Das Werk existiert nicht als eigenständiger Band, sondern ist als Anhang den Trium Artium Logicarum, Grammaticae, Dialecticae & Rhetoricae, breves succinctique Schematismi des Freiburger Juristen und Philosophen Johann Thomas Freigius beigefügt.860 Schwerpunkt dieser Schematismi bilden Tabellen aller erdenklichen Wissensgebiete im Rahmen der universitären septem artes liberales, die Freigius nach dem bekannten dihairetischen Verfahren dargestellt hat. Bei der Epitome handelt es sich um eine posthum von Freigius veröffentlichte Abhandlung Derrers über die Gerichtsbarkeit bzw. Rechtsetzungsgewalt und das Recht der Regalien.
I. Entstehung Die Epitome ist, wie auch der Iurisprudentiae Liber primus und das System des Typus Iurisprudentiae, zweifellos in Freiburg entwickelt und verfasst worden. Offen bleibt nur, wann Sebastian Derrer diese Arbeit geschaffen hat – weder er selbst noch Johann Thomas Freigius haben sie datiert. Aber man kann davon ausgehen, dass Derrer sie auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Professor geschrieben hat, also in den 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts. Dazu passt auch der vollständige Titel der Epitome, den sie Freigius verdankt: Epitome Iurisdictionum et Regalium, instar disciplinae instituta & axiomatibus seu enunciatis conscripta per Sebastianum Derrerum Nordlingensem I.C. & legum in schola Friburgensi olim antecessorem nunc demum in lucem edita: opera & studio Ioanni Thomae Freigij.
Bearbeitet und zur Veröffentlichung aufbereitet hat Freigius die Epitome mit Sicherheit erst unmittelbar vor ihrem Druck anno 1568. Dafür spricht seine Anmerkung, diese sei nunc demum in lucem edita. Auch der Hinweis, Sebastian Derrer sei olim Rechtsprofessor in Freiburg gewesen, lässt darauf schließen, dass zwischen der Entwicklung der Epitome und ihrer Bearbeitung durch Freigius bereits längere Zeit verstrichen war. 860
Vgl. über diesen Kapitel D.III.2.b).
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Abbildung 22: Titelseite der Epitome Iurisdictionum et Regalium (Basel 1568)
III. Literaturgattung
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II. Veröffentlichung Die Frage, wann die Epitome erschienen ist, beantwortet sich sowohl aus Freigius’ praefatio wie auch aus der Datierung auf der letzten Seite des Werks: Freigius, der von 1567 bis 1570 an der Basler Universität wirkte und dort 1568 zum Doktor iuris utriusque promoviert wurde,861 wie auch der Basler Drucker Sixtus Henricpetri nennen dafür übereinstimmend den September 1568. Somit ist die Epitome exakt ein Jahr nach der Publikation des Typus Iurisprudentiae in Basel erschienen.
III. Literaturgattung Bereits der Titel macht die beiden Schwerpunkte der Epitome – die Gerichtsbarkeit und die Behandlung der Regalienrechte – deutlich. Damit könnte auch die Literaturgattung der Epitome feststehen, denn von ihrem Erscheinungsbild und von ihrer Themensetzung her müsste es sich um zwei Monografien innerhalb eines Buchs handeln. Doch wie anhand des Systemschemas im Typus Iurisprudentiae zu erkennen ist, handelt es sich bei der von Derrer erörterten Problematik – iurisdictio und iura regalia – um zwei Themenkomplexe innerhalb der res.862 Dabei ergibt sich als Verortung im System des Typus Iurisprudentiae die Herleitung iurisprudentia ! iuris obiectum ! res ! in commercio ! incorporalis ! principis ! iurisdictio bzw. regalia. Daraus wird deutlich, dass sich die Epitome aus Bruchstücken der von Derrer ursprünglich geplanten zehnbändigen Ausgabe der Iurisprudentiae Libri zusammensetzt. Hierfür spricht vor allem auch, dass sich bereits Petrus Petremandus in seiner im Iurisprudentiae Liber primus abgedruckten praefatio präzise zu den einzelnen Teilen der Epitome-Inhalte iurisdictio und regalia äußert.863 Freigius gibt an, dass er die der Epitome zu Grunde liegenden Manuskripte in der Bibliothek seines Vaters gefunden habe.864 Wohl aus diesem Wissen heraus hat er sich für die Bezeichnung Epitome entschieden im Sinne eines kurzen Auszugs aus einem Schriftwerk, einer kurzen Abhandlung über eine herausgegriffene Thematik. Aus diesem Grund lässt sich die Epitome nicht eindeutig einer innerhalb der humanistischen Jurisprudenz typischerweise verwendeten und verbreiteten Literaturgattung zuordnen. Es 861
Vierhaus, „Freigius, Johann Thomas“, in: DBE 3 (neu), S. 483 f. Vgl. das Systemschema des Typus Iurisprudentiae, Abbildung 24, S. 304, Zeile 64 ff. 863 Vgl. Fn. 760. 864 Vgl. Fn. 364. 862
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wird ihr wohl am meisten gerecht, sie wie auch schon den Iurisprudentiae Liber primus eine systematische Teildarstellung zu nennen.
IV. Inhalt Außer den beiden Bereichen iurisdictio und regalia werden in der insgesamt 58 Seiten langen Arbeit keine weiteren Rechtsgebiete behandelt. Sie gliedert sich wie bereits der Iurisprudentiae Liber primus in einzelne Titel und Abschnitte. Allerdings werden in der Epitome die Titel am Anfang der iurisdictio und der regalia jeweils neu gezählt, während im Iurisprudentiae Liber primus die Titel von Anfang bis Ende fortlaufend durchnummeriert werden. Unterschiedlich ausgestaltet sind auch die Angaben am Rand des Textes über die weiterführende Literatur und die kurzen und prägnanten Zusammenfassungen einzelner Abschnitte. So werden in der Epitome die Hinweise auf die Literatur inmitten des Textes und kursiv dargestellt. Schlagwortartige Zusammenfassungen am Rand, wie sie für den Liber primus noch charakteristisch sind, sucht der Leser hier vergeblich. Auffällig ist ferner die unterschiedliche Größe zwischen beiden Themenbereichen. Während die iurisdictio lediglich zwei Titel und 72 Abschnitte umfasst, sind es bei den regalia insgesamt 13 Titel und 200 Abschnitte. 1. Iurisdictio Im Bereich der iurisdictio wird die Erklärung der zu erörternden Thematik bereits in Titel 1 deutlich: Was Gerichtsbarkeit ist, kann leicht mit Hilfe des Wortes Etumologûa abgeleitet werden. Die Gerichtsbarkeit wird nämlich auch als Rechtsdurchsetzung ausgelegt.865 Nach weiteren Erklärungsversuchen philosophisch geprägter Provenienz, etwa über das typischerweise erörterte bonum et aequum, veranschaulicht Derrer den Unterschied zwischen dem materiellen Recht und der konkreten Durchsetzung desselben: Daraus folgt, dass die Gerichtsbarkeit nicht die Bedeutung des materiellen Rechts selbst meint, durch die wir Recht und Unrecht, Billiges und Unbilliges erkennen, sondern die Macht, durch die wir das zuerkannte Recht dem Vollzug übergeben.866 865 Derrer, Epitome, Iurisdictio, Titel 1, Abschnitt 1 f., S. 1 (Die Seitenangaben im Literaturverzeichnis – fol. a r.–d 5 v. – beziehen sich auf die gesamte Epitome inklusive Titelseite und Vorwort von Johann Thomas Freigius. Der eigentliche Darstellungsteil ist allerdings auch in arabischen Zahlen paginiert. Aus diesem Grund werden in der vorliegenden Untersuchung die Seitenangaben des Darstellungsteils nicht in Form des folium, sondern in Form arabischer Zahlen angegeben.): Quid sit Iurisdictio, ex verbi Etumologûa facile deprehendi potest. Interpretatur enim Iurisdictio, iuris potestas.
IV. Inhalt
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Derrer erörtert hier mit Hilfe der Kommentarliteratur von Bartolus und Baldus die rechtlichen Probleme der iurisdictio. Ihren Ursprung hat die gesamte Problematik in den nach mehr Unabhängigkeit strebenden Kommunen Norditaliens nach der Zeit des Investiturstreits. Für diese mussten im rechtlichen Verhältnis zum Kaiser praktikablere herrschafts- und damit auch gerichtsbarkeitsbezogene Lösungen gefunden werden, die das Corpus Iuris Civilis als solche nicht bieten konnte.867 Aber bereits in jenem wie später auch im römisch-kanonischen Zivilprozess gab die Jurisdiktion die Amtsbefugnis zu richterlichen Aufgaben aller Art.868 Ulrich Meier sieht deshalb im mittelalterlichen Verständnis der iurisdictio gar die Bedeutung als Herrschaft überhaupt.869 Bartolus teilt die iurisdictio einerseits in imperium merum und imperium mixtum ein, also in die oberste Strafgewalt und in die oberste Gewalt im Bereich der Zivilrechtspflege, und andererseits in die eigentliche iurisdictio, die iurisdictio simplex. Er selbst hat im Wege eines komplexen und hierarchisch aufgebauten Systems Abstufungen zwischen den beiden Gewalten entwickelt.870 Sie spiegeln sich auch bei Derrer in den jeweils sechs Stufen sowohl der iurisdictio wie auch des imperium wider: maximum, maius, magnum, parvum, minus sowie mininum (bzw. mit den entsprechenden femininen Wortendungen auch auf die iurisdictio bezogen).871 Aus der Perspektive der humanistischen Jurisprudenz lassen sich in diesem Rechtsbereich zwar keine neuen oder weiterführenden Erkenntnisse gewinnen. Insgesamt bemerkenswert ist allerdings, dass Derrer hier ein Rechtsgebiet systematisiert, das nicht klassisch römischrechtlich, sondern vielmehr von der Feder mittelalterlicher Juristen geprägt ist.872 Lediglich die Systematisierung des Rechtsstoffs und das bekannte Derrersche Einteilungsmuster ragen hier als Charakteristikum aus der iurisdictio heraus.
866 Derrer, Epitome, Iurisdictio, Titel 1, Abschnitt 4, S. 1 f.: Quibus consequens est, Iurisdictionem, non hanc esse legis vim, qua ius & iniuriam, aequum & iniquum cognoscimus: sed potestatem qua cognitum ius executioni demandamus. 867 Woolf, Bartolus of Sassoferrato, S. 127 f. 868 Litewski, Römisch-kanonischer Zivilprozess, Band I, S. 89. 869 Meier, Mensch und Bürger, S. 137. 870 Johnston, General Influence of Roman Institutions of State and Public Law, S. 97. 871 Vgl. das Systemschema des Typus Iurisprudentiae, Abbildung 24, S. 304, Zeile 67 ff. 872 Johnston, General Influence of Roman Institutions of State and Public Law, S. 92.
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2. Regalia Der Ausdruck iura regalia, der die Rechte beschreibt, die der König den Fürsten überträgt, wird erst vom Wormser Konkordat von 1122 an gebraucht.873 Es handelt sich dabei um Befugnisse, die ursprünglich dem fränkischen oder mittelalterlichen König entweder zugestanden oder von seiner Machtvollkommenheit abgeleitet worden sind.874 In diesem Sinne lassen sich auch Derrers Erklärungen über das Rechtsverständnis der Regalien deuten, die er, was aus dem Systemschema des Typus Iurisprudentiae hervorgeht, innerhalb der res auf gleicher Stufe zur iurisdictio ansiedelt: Über die Gerichtsbarkeit hinaus, kraft derer der Kaiser die höchste Entscheidungsgewalt in Staatsangelegenheiten besitzt, hat er auch noch weitere Rechte, um die öffentlichen Aufwendungen zu leisten und die Würde des Reiches herzustellen. Diese Rechte werden deshalb Regalien genannt, weil sie sich gleichsam auf die Erhaltung des Reiches selbst und allein auf die Verwaltung durch den König bzw. Kaiser beziehen.875
Mit der vorliegenden Erklärung der Regalien drückt Derrer, wie bereits der Terminus regalia andeutet, deren Zuordnung zum König bzw. im Heiligen Römischen Reich zum Kaiser aus. Auch inhaltlich unterstreicht er die Bedeutung der Regalien im Mittelalter. Weil zu dieser Zeit das Recht der Öffentlichkeit und das Recht des einzelnen noch nicht getrennt sind, setzt Derrer konsequent auch auf die Einheitlichkeit der so genannten echten und der fiskalischen Hoheitsrechte (maiestas afferenda und sumptus publici in einheitlicher Betrachtung als iura regalia). In fiskalischer Hinsicht bemerkenswert ist dabei sein Literaturverweis auf Matthäus 22, 19: Zeigt mir die Münze, mit der Ihr Eure Steuern bezahlt!876 Für die vorliegende Arbeit relevant ist die nicht originär römischrechtliche Herkunft der Regalien, so dass nach humanistisch-juristischem Verständnis überrascht, dass Derrer sie bearbeitet. Immerhin stellen die regalia ein eindrucksvolles Paradigma für die gelungene Verbindung von römischem und mittelalterlichem Recht dar. 36 Jahre nach der Verabschiedung des Wormser Konkordats wurden die Regalien auf dem Reichstag von Roncaglia 1158 in Form der Constitutio de regalibus als Rechte formuliert, die 873
Wegener, „Regalien“, in: HRG IV, Sp. 472 f. Thieme, Regalien, S. 5. 875 Derrer, Epitome, Regalia, Titel 1, Abschnitt 1, S. 17 f.: Ultra Iurisdictionem, qua circa Remp. moderandam Princeps supremam habet autoritatem, . . . alia quoque pro publicis sumptibus ferendis, & afferenda Regni maiestate sunt iura; . . . quae ob id Regalia, . . . quasi ad ipsius Regni conservationem & solius Regis, id est Principis administrationem, pertinentia dicuntur. 876 Derrer, Epitome, Regalia, Titel 1, Abschnitt 1, S. 18: Iuxta illud Matth. 22. Ostendite mihi nomisma census. 874
IV. Inhalt
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dem König im lombardischen Königreich zustehen.877 Der Prozess der Verwissenschaftlichung setzte daraufhin mit Hilfe der Glossatoren erst ein, in dessen Verlauf diese Konstitution in die langobardischen Libri feudorum aufgenommen worden und so als Bestandteil des Corpus Iuris Civilis nach Deutschland gelangt ist.878 Derrers Bearbeitung der iura regalia innerhalb seines Systemaufbaus zeigt somit deutlich seine Bereitschaft, den praktischen juristischen Alltagsbedürfnissen durch Behandlung auch zeitgemäßer Rechtsprobleme Rechnung zu tragen, was bei ihm ansonsten eher selten festzustellen ist. Da sie wohl kaum aus seiner humanistisch-juristischen Gesinnung resultiert, erstaunt es umso mehr, dass er einem gänzlich unrömischen Themenkomplex wie dem Regalienrecht so viel Bedeutung beimisst. Erklären lässt sich das mit Derrers Drang, den vorhandenen Rechtsstoff allumfassend in Tabellen darzustellen. Umso mehr gilt dies, als es ihm deutlich um die Systematisierung des gesamten Rechts und nicht nur des Zivilrechts als solchem gegangen ist. Er nimmt dabei in Kauf, dass er Rechtsgebiete wissenschaftlich darstellen muss, die mit dem ad-fontes-Grundsatz und dem Unmut über die mittelalterliche Scholastik nur wenig gemein haben. Schließlich steht das Rechtsgebiet der regalia geradezu paradigmatisch für die wissenschaftlich-scholastische Bearbeitung einer des römischen Rechts gänzlich unverdächtigen Thematik. Auch bei der Betrachtung der Literaturangaben, die Derrer im Bereich des Regalienrechts macht, werden die in erster Linie zitierten Autoren auf Grund der häufigen Nennung schnell deutlich. Es sind dies – wie bereits für den Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus festgestellt – fast ausschließlich Bartolus und Baldus, gelegentlich auch Jacobus de Alvarotis. Ebenso geben die explizite Bezugnahme auf die Libri feudorum und die Verwendung mittellateinischer Begriffe wie etwa marchio (Markgraf) einen Einblick in die Quellenlage und deren zeitliche Einordnung. Dass sich das aus der mittelalterlichen Literatur entwickelte Recht der Regalien in humanistischer Denkweise systematisieren lässt, wird bereits in Derrers Typus Iurisprudentiae deutlich.879 In Anlehnung daran geht aus den 13 Titelüberschriften der Epitome, die Derrer für die Erörterung der regalia verwendet, eine eindeutige und enge Verbindung zu den entsprechenden Gliederungspunkten des Typus Iurisprudentiae hervor. Denn mit Ausnahme von Titel 7 A personis sind sämtliche Titelüberschriften der Epitome als einzelne Gliederungspunkte im Typus Iurisprudentiae wiederzufinden. Le877
Wegener, „Regalien“, in: HRG IV, Sp. 473. Wegener, „Regalien“, in: HRG IV, Sp. 473. 879 Vgl. das Systemschema des Typus Iurisprudentiae, Abbildung 24, S. 305, Zeile 81 ff. 878
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diglich die genaue Titelüberschrift kann dabei im Einzelfall variieren oder es werden zwei Gliederungspunkte zu einem Titel zusammengefügt. Zugleich dienen Derrers Ausführungen über die regalia innerhalb der Epitome als Anhaltspunkt dafür, dass die Hochrechnung der ungefähren Größe der ursprünglich geplanten zehn Iurisprudentiae Libri über die Berechnungen mit Hilfe des Liber primus hinaus in etwa zutrifft.880 Derrer ordnet seinen Stoff über das Regalienrecht so an: Titel 1:
De regalibus
Titel 2:
Potestas constituendi magistratus ad iustitiam expediendam, dignitates, atque officica publica
Titel 3:
Cudendae monetae autoritas
Titel 4:
Arma fabricandi potestas
Titel 5:
Decima ex metallis
Titel 6:
Ex thesauro invento
Titel 7:
A personis
Titel 8:
Collatio extraordinaria
Titel 9:
Poenae et mulctae
Titel 10: Haereditas quae ab indigno LL. aufertur Titel 11: De bonis. Prohibitas seu incoestas nuptias contrahentium Titel 12: De bonis damnatorum Titel 13: De bonis vacantibus Abbildung 23: Titelübersicht der Regalien innerhalb der Epitome Iurisdictionum et Regalium
Dabei fällt auf, dass der erste Titel De regalibus ohne weitere Spezifizierungen gleichzeitig auch Teil der Hauptüberschrift der Epitome ist. Obwohl die Titelanordnung der Epitome und der jeweiligen Gliederungspunkte des Typus Iurisprudentiae deutlich übereinstimmt, setzt Derrer selbst in zusammengehörenden Titeln teilweise einzelne Schwerpunkte. Ausgehend von der Anordnung im Typus Iurisprudentiae, gehören die Titel 2, 3 und 4 zusammen (im Typus Iurisprudentiae Gruppe Ad publicae utilitatis exercitium), ebenso die Titel 5, 6 und 13 (im Typus Iurisprudentiae Gruppe Ex rebus in nullius dominio). Titel 7 hingegen ist dem Typus Iurisprudentiae nicht zuzuordnen, während sich Titel 8 innerhalb der Epitome keiner Titelgruppe hinzufügen lässt, sondern eigenständig besteht (im Typus Iurisprudentiae 880
Vgl. die Ausführungen in Kapitel E.VIII.
V. Zusammenfassung
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Gruppe Praestationes subditorum). Die Titel 9, 10, 11 und 12 wiederum bilden eine Einheit (im Typus Iurisprudentiae Gruppe Ex delictis subditorum). Überraschenderweise geht aus dem Text zu den iura regalia in Titel 1 der Epitome hingegen eine etwas andere Einteilung hervor, als das die 13 Titelüberschriften vermuten lassen. Denn unter der Zwischenüberschrift Divisio regalium werden die regalia hier in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt. Bei genauer Betrachtung handelt es sich exakt um die Einteilung aus dem Typus Iurisprudentiae mit dem einzigen Unterschied, dass die beiden letzten Gruppen (Ex delictis subditorum und Praestationes subditorum), aus welchen Gründen auch immer, in ihrer Reihenfolge vertauscht sind. Unabhängig davon ergibt diese Einteilung der Regalien, dass die für die Erörterung dieses Rechtsgebiets in der Epitome erforderlichen Grundlagen eindeutig und unzweifelhaft dem Typus Iurisprudentiae entnommen sind. Das belegt auch die Tatsache, dass die Epitome genau ein Jahr nach der Publikation des Typus Iurisprudentiae erschienen ist. Die festgestellten Unterschiede basieren möglicherweise auf von Freigius selbst vorgenommenen nachträglichen Änderungen.
V. Zusammenfassung Auch wenn von der Epitome Iurisdictionum et Regalium keine inhaltlich neuen Rechtserkenntnisse ausgehen – Aldo Mazzacane äußert hierüber: Es ist deshalb nicht erstaunlich, wenn Derrer auch in dem Teil über die Gerichtsbarkeit und die Regalien für die Darstellung der einzelnen Institute umfangreich auf die Formeln, Ergebnisse und Schlussfolgerungen der vorhergehenden Rechtswissenschaft zurückgreift.881
–, so bietet diese Arbeit dennoch einen literarisch-juristischen Blick über den Horizont des Derrerschen Iurisprudentiae Liber primus hinaus. Dass Johann Thomas Freigius bei der Herausgabe der Epitome mit keinem Hinweis darauf eingegangen ist, dass der Inhalt der Arbeit ursprünglich Teil der geplanten Iurisprudentiae Libri hätte werden sollen, wirft die Frage auf, ob er die Bedeutung dieser Arbeit überhaupt begriffen hat. Derrers ursprüngliche Pläne ergeben sich bereits aus den zahlreichen Vorworten des Liber primus, in die Freigius Einblick gehabt haben muss und aus diesen heraus die richtige Konklusion auf die methodischen Hintergründe der Epitome auf der Hand gelegen hätte. Für Freigius’ Kenntnis indes spricht die Bezeichnung 881 Mazzacane, Scienza, logica e ideologia, S. 50: Non può quindi meravigliare se anche nella parte relativa alla giurisdizione e alle regalie Derrer ricorresse ampiamente, per la configurazione dei singoli istituti, alle formule e alle conclusioni della scienza giuridica precedente.
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als Epitome, also als kurzer Auszug aus einem Schriftwerk über eine bestimmte Thematik. Unabhängig davon zeigt die Existenz der Epitome, die als Fragment der geplanten Iurisprudentiae Libri zu betrachten ist, vor allem Derrers Kontinuität und Fortentwicklungswillen auf dem Weg zu seinem Gesamtwerk. Diese Arbeit zu redigieren und sie zu veröffentlichen, oblag Johann Thomas Freigius. Aus diesem Grund ist im Detail nicht leicht zu ermitteln, was Derrers Urheberschaft entstammt und was Freigius möglicherweise hinzugefügt oder auch einfach weggelassen hat. Diese Ungewissheit könnte auch den Grund dafür liefern, dass es zwischen der Epitome und dem entsprechenden Abschnitt innerhalb des Typus Iurisprudentiae eine Reihe von – wenn auch nur marginalen – Unterschieden gibt. Zuletzt darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei diesem Text um ein von Derrer verfasstes Manuskript gehandelt hat, welches Freigius nach seinen eigenen Angaben in der väterlichen Bibliothek bruchstückhaft vorgefunden hat und das erst von ihm 1568 in Basel endgültig in Buchform gebracht worden ist. Dieser nicht unproblematische Übertragungsweg kann – einschließlich eventueller Korrekturarbeiten – die Authentizität des Urtextes naturgemäß beeinträchtigt haben. Indes besteht kein Zweifel daran, dass die Epitome auf Sebastian Derrer zurückgeht. Dafür steht nicht zuletzt das Zeugnis von Freigius selbst. Er hätte dieses Werk nach dem fast abenteuerlichen Weg, den das Manuskript in den 27 Jahren zwischen Derrers Tod und der Veröffentlichung der Epitome in Basel genommen hat, wohl ohne großes Risiko als sein eigenes ausgeben können. Der Ansicht, dass sich Freigius dieses Plagiats nicht schuldig gemacht, sondern das Manuskript der Epitome als Opus des wirklichen geistigen Vaters publiziert hat, scheint im Ergebnis auch Mazzacane zu sein: Sein [Freigius’] Beitrag begrenzte sich auf ein kurzes moderates Vorwort, wobei die gesamte Originalität des eigenen Beitrags für die Bearbeitung der Tabellen ganz zum Schluss reserviert war, in denen er die interne Iurisprudentia in eine Reihe von Klammern reduzierte.882 882 Mazzacane, Scienza, logica e ideologia, S. 52: Il suo intervento si limitava alla breve, modesta prefazione, riservando tutta l’originalità del proprio contributo alla elaborazione delle „tavole“ poste alla fine, in cui riduceva l’intera Iurisprudentia entro una serie di parentesi a graffa. Bei den von Mazzacane angesprochenen Tabellen handelt es sich mit geringen Abweichungen um die Darstellung des Derrerschen Gesamtsystems, aus dem auch Typus Iurisprudentiae besteht. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass Freigius das Systemschema Derrers nicht als solches kennzeichnet, sondern als Titel Syntaxis Totius Artis Iurisconsultorum, omnem varietatem eius disciplinae continens gewählt hat. Immerhin gibt er auf der Titelseite seiner eigenen Schematismi als Vorankündigung zu erkennen, dass er sich bei der Erarbeitung der Syntaxis der rechtswissenschaftlichen Methode Derrers, ex Methodo Derreri de Iurisprudentia, bedient habe. Gleichzeitig
V. Zusammenfassung
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Dessen ungeachtet sind die oben genannten Prämissen bei der Betrachtung der Epitome gleichwohl einzubeziehen, um die letzte von Sebastian Derrer erschienene Arbeit im Kontext seiner Verdienste um die Rechtswissenschaft insgesamt angemessen einordnen und würdigen zu können. Äußerst reizvoll und interessant, letztendlich aber nicht mehr zu beantworten ist die Frage nach weiteren Bruchstücken und Manuskripten Derrers, die in der Bibliothek von Johann Thomas Freigius’ Vater Nicolaus vor sich hingedämmert haben mögen. Und es ist heute nicht einmal mehr zu erahnen, welcher – wohl für immer verlorene – wissenschaftliche Fundus aus Sebastian Derrers Feder vielleicht noch hätte geborgen werden können, wenn das für Vater und Sohn Freigius ein entschiedeneres Anliegen gewesen wäre.
sprechen diese, wenn auch geringfügigen, Abweichungen zwischen dem im Typus Iurisprudentiae abgedruckten und dem der Epitome angehängten Systemschema eher dafür, dass Basilius Amerbach und nicht Johann Thomas Freigius das Schema des Typus Iurisprudentiae aufgearbeitet hat, wie das auch Kaspar Herwagen in seiner Vorrede zum Typus Iurisprudentiae deutlich zum Ausdruck bringt. Vgl. Fn. 776 und Fn. 777.
G. Schlussbetrachtung Die vorliegende Untersuchung hat den Werdegang und das Wirken eines ebenso interessanten wie beeindruckenden Freiburger Rechtsgelehrten der frühen Neuzeit vorgestellt. Weshalb gerade dieser für die systematische Richtung innerhalb der humanistischen Jurisprudenz so bedeutsame Jurist bislang allerdings nur ein erstaunlich geringes wissenschaftliches Interesse auf sich ziehen konnte, ist nicht nachvollziehbar. Während Sebastian Derrers Lebensumstände kaum untersucht worden sind, ist seine wissenschaftliche Leistung in der jüngsten Literatur immerhin teilweise auf Aufmerksamkeit gestoßen. Doch auch hier muss es verwundern, dass erst die vorliegende Arbeit das gesamte Œuvre Derrers beleuchtet, beispielsweise die unterschiedliche Entstehungsgeschichte seiner drei Werke, von denen zwei erst lange nach seinem Tod veröffentlicht worden sind. Bisher nahezu unerforscht waren auch Derrers Systemvorstellungen in deren Gesamtheit – immerhin zentrales Anliegen seines Schaffens –, so etwa die eigentliche Struktur dieses Systems oder dessen Einarbeitung in den nach Titel geordneten Darstellungsteil seines Hauptwerks Iurisprudentiae Liber primus, das hauptsächlich das Personenrecht behandelt. Ebenso bemerkenswert ist, dass bis heute, soweit ersichtlich, keine Arbeit Notiz von Derrers beachtlicher Systematik vor allem im Verhältnis zwischen den von ihm so bezeichneten iuris obiecta persona, res, commercium und persecutio genommen hat. Gerade hier zeigen sich erstaunliche systematische Neuansätze des Freiburger Rechtsgelehrten, die bis zu diesem Zeitpunkt in der Rechtswissenschaft alles andere als selbstverständlich gewesen sind. Denn als einer der ersten Juristen überhaupt hat Sebastian Derrer innerhalb der Epoche der humanistischen Jurisprudenz versucht, das Recht neu zu ordnen und zu systematisieren. Zu einer Zeit, zu der sich die europäische Rechtswissenschaft von der bis dahin streng eingehaltenen und befolgten Quellenordnung des römischen Rechts erst allmählich zu lösen begann, war es dieser aus Nördlingen stammende Rechtsgelehrte, der der Wissenschaft mit seinem 1540 erstmals erschienenen Werk Iurisprudentiae Liber primus einen völlig freisystematischen Rechtsentwurf präsentiert hat. Wohl nur wegen seines frühen Todes anno 1541 konnte er die von ihm ursprünglich geplanten neun weiteren Bände nicht mehr herausgeben. Aber erst der 1567 posthum erschienene Typus Iurisprudentiae mit seinen mehr als 700 Glie-
G. Schlussbetrachtung
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derungspunkten zeigt Sebastian Derrers vollständige, alle zivil- und strafrechtlichen Bereiche umfassenden Systemvorstellungen auf. Seine 1568 ebenfalls posthum herausgegebene Epitome Iurisdictionum et Regalium kann dabei, wie das Hauptwerk Iurisprudentiae Liber primus selbst, als systematische Teildarstellung dessen betrachtet werden, was Derrer im Typus Iurisprudentiae als gesamtes Rechtssystem in Form von einfachen Gliederungspunkten vollumfänglich entworfen hat. Im Hinblick auf die Entwicklung eines eigenen systematischen ordo iuris, einer eigenen Rechtsarchitektonik – weg von der justinianischen Trichotomie der personae, res und actiones hin zur Tetrachotomie persona, res, commercium und persecutio –, ist Derrers revolutionär anmutende Durchbrechung der tradierten Legalordnung das eigentlich Bemerkenswerte. In diesem Zusammenhang verdient vor allem die letzte Säule seiner iuris obiecta, die der persecutio, besondere Erwähnung; versteht Derrer doch gerade darunter nicht mehr die römischen Klagarten als solche, die er den res unterordnet, sondern das Gebiet des Prozessrechts, wie es durch die mittelalterlichen legistisch-kanonistischen Prozessualisten ausgeformt worden war. Ein Rätsel hingegen wird bleiben, weshalb er dem römischen Schuldrecht der obligationes keine eigenständige Hauptsäule zugewiesen hat, wie das zahlreiche Humanistenjuristen konsequenterweise empfohlen haben, sondern dieses innerhalb der res belassen hat und stattdessen ausgerechnet den sachenrechtlichen Erwerb (commercium) im Wege einer eigenen Hauptsäule heraushebt. Im Hinblick auf den Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus hingegen darf Derrer trotz aller systematischen Emanzipationsgedanken dennoch nicht als ein geistig völlig unabhängiger Neuerer eingeschätzt werden, der auch materiellrechtliche Lehrtraditionen über Bord geworfen hätte. Vielmehr baut sein Darstellungsteil nahezu durchgehend auf den inhaltlichen Erfahrungswerten früherer Epochen auf. Besonders deutlich zu erkennen ist das an seinem überaus häufigen Rückgriff auf die juristische Kommentarliteratur mittelalterlicher Provenienz, vorwiegend auf die eines Bartolus oder Baldus. Deshalb ist Derrer insgesamt zum Gros der in der Einführung zu dieser Arbeit bereits genannten Juristengeneration zu zählen, die nur in einigen Teilbereichen humanistischem Ethos entsprochen hat. Er war, wie viele andere Juristen jener Zeit auch, nicht unter jedem Aspekt ein Humanist reinster Prägung. Bei Derrer äußert sich das humanistisch-juristisch bestimmte Charakteristikum in einem durch und durch systematischen, vom ordo-iuris-Gedanken geprägten Modus Procedendi; also weniger in einer historisch-philologischen Ausrichtung, die ansonsten in vielen Bereichen das tragende Element dieser Rechtsepoche bildet. Derrers Bedeutung für die Rechtsgeschichte re-
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G. Schlussbetrachtung
sultiert somit hauptsächlich aus seinem Impetus, fast wie selbstverständlich den tausend Jahre alten Kurs der römischen Legalordnung in weiten Teilen zu verlassen und neue systematische Lösungsansätze aufzuzeigen. Diese für sich genommen beeindruckende Leistung überwiegt aus rechtshistorischer Sicht bei weitem die von Derrer im Einzelnen nicht immer ganz widerspruchsfrei vorgenommenen Sachpartitionen, die überdies häufig seinem Systematisierungsverfahren in Form der aus der Philosophie stammenden sogenannten dihairetischen Methode geschuldet sind. Aber auch die im Darstellungsteil des Iurisprudentiae Liber primus behandelte Anordnung des Rechtsstoffs in einzelne Kapitel – wenngleich auf eindeutiger Grundlage der Bearbeitung durch die mittelalterlichen Juristen – zeigt, wie sehr es ihm um ein besseres äußeres Rechtsverständnis gegangen ist. Pars pro toto steht Derrers Vorgehensweise für die Aufbruchsstimmung seiner humanistisch gesinnten Juristengeneration insgesamt, die Rechtswissenschaft gewissermaßen auf Höhe der Zeit zu bringen, wie dies im 16. Jahrhundert auch für die beiden anderen oberen Fakultäten – für die theologische gleichermaßen wie für die medizinische – festzustellen ist. Dieser aus einer Retrospektive von annähernd 500 Jahren resultierenden Einschätzung war sich Sebastian Derrer möglicherweise selbst bereits bewusst, wie ein Blick in seine entschlossenen und zielbewussten Vorworte zum Iurisprudentiae Liber primus zeigt. Nicht nur ein Mal bringt er darin zum Ausdruck, wie sehr er sich von seiner Arbeit eine beinahe bahnbrechende Fortentwicklung der Rechtswissenschaft erhofft. Denn für ihn als Student, Jurist und Rechtsprofessor der frühen Neuzeit hat sich das Recht nach den Jahrhunderten des Mittelalters als von Glossen und Kommentaren überfrachtete, schwer durchschaubare und unförmige Masse dargestellt, in die Ordnung und System zu bringen sei. Gleichwohl wird man dem Œuvre Sebastian Derrers nicht allein dadurch gerecht, es nur auf dessen systematische Vorstellungen zu reduzieren. Derrer war in erster Linie Rechtsprofessor und damit den wissenschaftlichen Anliegen verpflichtet. Die gesamte Materie des Rechts strukturierter und geordneter darzulegen und zu präsentieren, was durch die von ihm gewählte Methode durchaus möglich war, stellt ebenfalls ein Ziel auf dem Weg zu einer für ihn besseren und vor allem leichter zu erlernenden Rechtswissenschaft dar. Dass Sebastian Derrer sich darüber hinaus stets stark engagiert und dabei Mühen und Strapazen offenkundig nie gescheut hat, ist in dieser Schlussbetrachtung ebenfalls zu erwähnen. Die Länge der Liste, die seine Ämter und Funktionen nennt und die ihn damit als einen nahezu unermüdlichen Gelehrten ausweist, beeindruckt noch heute. Insgesamt acht Amtszeiten lang stand er als Rektor an der Spitze der Freiburger Albertina. Nicht weni-
G. Schlussbetrachtung
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ger bemerkenswert war sein intensiver Einsatz für die Lehre. Das bezeugen die Urteile seiner Kollegen an der Universität ebenso wie die Erinnerungen seiner Schüler und Studenten. Als Sebastian Derrer am 30. Juni 1541 im Alter von erst etwa 45 Jahren mutmaßlich ein Opfer der Pest wurde, verlor die Universität Freiburg einen außergewöhnlich engagierten Professor. Die vielen Zeitgenossen, die ihn näher kannten, trauerten um einen umgänglichen und zuvorkommenden Menschen. Vor allem aber beklagte die Wissenschaft den Verlust eines Kollegen, der dem seit einem Jahrtausend tradierten Recht nicht kritiklos verhaftet geblieben war, sondern der es mutig und kreativ zu systematisieren versucht hatte. Wenngleich es Sebastian Derrer, anders als etwa seinem berühmten Lehrer Ulrich Zasius, nicht vergönnt war, zu den Koryphäen seines Fachs mit großer Breitenwirkung aufzusteigen – als markanter Repräsentant der humanistischen Jurisprudenz ist er fraglos von wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung.
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IURISPRUDENTIA 8.
Divinum Morale Mysticum Ceremoniale Sacramentale Humanum Naturale Naturae effectus: & dicuntur inclinationes naturales Ius gentium Positivum Consuetudo Generalis Specialis Scriptum Privilegium Statutum Ius commune Iuris obiectum Persona
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14.
Abbildung 24: Gesamtsystem des Typus Iurisprudentiae nach heutigem Gliederungsmuster
302 Anhang
22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
Cura
Personae utilitas Tutela
Sui Iuris
Naturales & legitimi Adoptivi
Minoris Furiosi
Testamentaria Legitima Dativa
Nativitate Restitutione natalium Liberti Ingenuis deteriores Ascriptitii Censiti Conditionales coloni Originarii Homines proprii
Ingenui
Servi
Personae status Alieni Iuris Liberi
Anhang 303
47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70
2.
Res
3.
5.
6. 7. Prodigi
8.
9.
Extra commercium Natura Aer Aqua profluens Lumen coeleste Iure Publica Universitatis Nullius In commercio Corporalis Mobilis Immobilis Incorporalis Principis Iurisdictio Imperium Merum
4.
11.
Maximum Maius Magnum Parvum
10.
12.
13.
14.
304 Anhang
71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 Regalia Praestationes ex publicis Vectigalia Piscationum reditus Ripatica Ad publicae utilitatis exercitium Magistratuum constitutio Palatia in civitatibus Monetae percussio Potestas faciendi arma Ex rebus in nullius dominio Decima ex metallis Thesauri inventi Bona vacantia Ex delictis subditorum
Mixtum Simplex Iurisdictio Magna Parva Maior Minor Maxima Minima
Minus Minimum
Anhang 305
96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119
2.
3.
4.
5.
7.
Privatorum Ex re
6.
Dispositione hominis Rerum fruitio Ususfructus Usus Habitatio Servitus Realis Urbana
14.
Negativa Non stillicidii
9. 10. 11. 12. 13. Poenae Mulctae Haereditas ut ab indigno Bona damnatorum Bona contrahentium incaestas nuptias Praestationes subditorum Angariae Perangariae Plaustra Navigia Extraordinaria collatio Tributa
8.
306 Anhang
120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 Nominata Iter Via Actus Aquaeductus Innominata Arenae fodiendae Calcis coquendae Aquae haustus Ius pascendi Pecoris adactus Personalis Ex iure divino
Rustica
Non proiiciendi Non tigni iniuncti Affirmativa Stillicidii Tigni iniuncti Ius proiiciendi Ius protegendi Prospectus Ius luminum Oneris ferendi Ius itineris seu aditus
Anhang 307
145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168
2.
3.
4.
5.
6.
7.
9.
10.
12. 13. 14. Ex novo testamento Dilectio proximi Remissio offensae Ex veteri testamento Honorare parentes Diligere amicos Ex iure humano Gentium, ut servitus ex captivitate Civili, ut obsequia & operae libertorum
11.
Dispositione legis Dispositione de rebus propriis Inter Vivos Donatio simplex Donatio propter nuptias Arrogatio passiva Dotatio Post mortem Simpliciter Testamento Codicillis Ultima voluntate Sub conditione Donatio causa mortis Conditionalis institutio
8.
308 Anhang
191 192
169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 Successio ab intestato Ascendentes Descendentes Collaterales Bonorum possessiones Unde vir & uxor Carboniana bonorum possessiones Ex edicto D. Hadriani Querela inofficiosi Nomine ventris Decimatio Persecutio Officium iudicis Petitio alimentorum Restitutio minorum Cautio damni infecti Cautio nomine legatorum Patris contra filium Censiti contra dominum Eius cui imputatur ultra vires patrimonii Domini contra censitos quo petuntur fructus a possessore Quo datur curator bonis Ne quid in via publica
Conditionale legatum
Anhang 309
193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Actio
10.
Rei vindicatio Rescissoria Publiciana Confessoria Negatoria Praeiudicialis De partu agnoscendo Patris contra filium Domini contra servum Patroni contra libertum Familiae herciscundae Communi dividundo Finium regundorum In rem scripta Ad exhibendum Actio noxalis Quod metus causa
Mixta
In rem
11. 12. 13. 14. Missio ex primo decreto Missio ex secundo decreto Ex edicto D. Hadriani Exigendorum cautio
310 Anhang
236 237 238 239
232 233 234 235
217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231
In personam Ex contractu vel quasi Ex empto Ex vendito Locato Conducto Emphyteutico Feudali Oneris adversi Pro socio Mandati directa & contraria Depositi directa & contraria Commodati directa & contraria Pignoratitia directa & contraria Negotiorum gestorum directa & contraria Ex testamento Petitio haereditatis Possessoria haereditatis petitio Fideicommissaria haereditatis petitio Hypothecaria Ex delicto vel quasi Furti manifesti Furti non manifesti
Anhang 311
240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
13. 14. Furti adversus nautas Furti adversus caupones Furti adversus stabularios Servi corrupti Vi bonorum raptorum Vi arborum furtim caesarum Tigni iniuncti Doli Quod metus causa Rerum amotarum Rerum Iniuriarum Condictio Certi generalis Certi ex stipulatione Certi specialis ex mutuo Certi triticiaria Causa data causa non secuta Ob turpem causam Sine causa Indebiti Furtiva Ex lege In factum Calvisiana in factum
12.
312 Anhang
264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288
Revocatoria Redhibitoria Quanti minoris Aedilitia in factum Exercitoria Institoria Tributoria In rem verso Quod iussu De peculio Constituta pecunia In factum generalis Subsidiaria Praescriptis verbis Aestimatoria Permutatoria Ex re vendita Ex confessione extraiudiciali Aquae pluviae arcendae Pastu pecoris Aquilia directa & utilis Ex stipulatu Pro dote petenda Pro dote repetenda Arbitraria
Anhang 313
289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312
2.
3.
4.
5.
6.
8.
9.
11.
Mutuo Deposito Pignore Commodato
10.
Verbis Literis Consensu Emptione Venditione
Ex persona Ex obligatione Re
7.
12.
13. 14. Ex tempore praesumpta Rem pupilli salvam fore Rem ratam haberi Iudicatum solvi Pro legato Contra arrogatorem De evictione Damni infecti ex novo opera Contra fructuarium Pro fideicommiso Iudicio sisti Haeredis contra legatarium
314 Anhang
313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337
Locatione Conductione Societate Emphyteusi Feudi concessione Contractu nuptiarum Ex dispositione legis Quasi contractu Legato Mandato Negotiorum gestio Delicto Furto Vi bonorum raptorum Iniuria Quasi delicto Effusio Suspensio Proiectio Potestate legitima Patris in filios Patroni in libertos Domini in servos Tutoris in pupillos Curatoris in subiectos curae
Anhang 315
338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361
2.
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Rei commercium. Falcidia lex ultima de lege et senatusconsultus Acquisitio Ex facto simplici Proprio Occupatio Hostium victoria Inventio Commixtio Rei cohaerentia Usucapio Praescriptio Alieno Alluvio Propagatio Donatio Negotiorum gestorum Mandatum Institutio Legato Per eos qui in potestate nostra sunt Ex conventione Novatio Delegatio Cessio iuris
12.
13.
14.
316 Anhang
365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383 384 385
362 363 364
Traditio ex pacto Traditio ex contractu Alienatio opposito modo se habet ad species acquisitionum. Igitur ex speciebus acquisitionum facile quisque alienationum species cognoscet. Retentio seu defensio Extraiudicialis Factum contrarium Protestatio Appellatio Subhastatio Cautio Pignoratitia Fideiussoria Iuratoria Restitutio Iudicialis Protestatio Exceptio respiciens Personam Aetas Impubes Pubes Maior XVII annis Minor XXV annis Maior XXV annis
Anhang 317
386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409
2.
3.
4.
5.
6.
7.
10.
Furiosus Mente captus Morbus sonticus Adversa valetudo
Vir Mulier Hermaphrodita
9.
Laicus Doctus Clericus Prodigus Plebeius Paterfamilias Privilegiatus Filiusfamilias Casus fortuitus Incendium Naufragium Ruina Captivitas Hostium impetus
Conditio
Morbus
8. Sexus
11.
12.
13.
14.
318 Anhang
410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 Commercialem Non commercialem Spiritualem Profanam Principis Privatorum Caussam Spiritualis Ecclesiastica Secularis Summaria Plenaria Privilegiata Non privilegiata Factum Testimonium non legitimum Dolus Metus Culpa Tempus Praescriptio Usucapio Feriae
Rem
Sterilitas
Anhang 319
441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457
435 436 437 438 439 440
2.
4.
Persecutio Civilis
3.
6. 7. Adpellatio Supplicatio Restitutio
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
Officium iudicis hoc loco comprehendit actus mixti imperii, qui ad interpellationem partium perficiuntur tum in iudicio, tum extra iudicium. Actio consideratur quo ad Personas Audientes Iudex Ordinarius Maior Superillustris Illustris Clarissimus Spectabilis Minor Magistratus municipalis Defensor civitatis Pedaneus Iudex Legatus Delegatus A principe
5.
320 Anhang
458 459 460 461 462 463 464 465 466 467 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 Assessor Arbiter Arbitrator Auditor Contravertentes Actor Reus Servientes Cursor Notarius Intervenientes in iudicio Procurator Coniuncta persona Syndicus Iconomus Orphanotrophus Vicedominus Defensor Excusator Tutor Curator Res sive iudicii actus Praeparatorii Competentis iudicis aditio
Ab inferiore
Anhang 321
483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8. 9. 10. 11. 12. Commissionis praesentatio Citatio Simplex Viva voce In scriptis Peremptoria Viva voce In scriptis Fori declinatio, ratione Rescripti Iudicis Actoris Loci Temporis Caussae Contumaciae punitio Absolutio ab instantia Ad observationem iudicii Condemnatio in expensis Processus in contumaciam Missio ex primo decreto Excommunicatio Exbannitio Dilationis petitio
13.
14.
322 Anhang
507 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 520 521 522 523 524 525 526 527 528 529 530 531 Peremptoria Perpetua Temporalis Dilatoria Iudicii species XXV. refert Solutionis Mixta Anomala Replicatio Duplicatio Quadruplicatio Satisdatio Iudicialis Principalis partis Actoris Rei Personae intervenientis Procuratoris
Exceptio
Iuris feriae In honorem Dei Utilitatem hominum Hominis Experundoriae Citatoriae
Anhang 323
532 533 534 535 536 537 538 539 540 541 542 543 544 545 546 547 548 549 550 551 552 553 554 555
2.
3.
4.
5.
6.
8.
9.
10.
11. 12. Defensoris Intercessoris
Extraiudicialis Reconventio Ordine iudiciorum discussio Principalis Emergens Incidens Civilis Criminalis Quaestio Principales ad sententiam Litis contestatio Affirmativa Negativa Iuramentum calumniae Ordinarium Succedens Malitiei De veritate dicendo Articulorum exhibitio Petitionales Additionales Defensionales
7.
13.
14.
324 Anhang
556 557 558 559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 578 579 580
Articulorum impugnatio Ad articulos responsio Confessio Negatio Probatio Directa Plena per Testes Praesumptiones Temerariam Violentam Probabilem Iuris Iuris & de Iure Famam Iuramentum Promissorium Assertorium In litem Decisivum causae Sigilla authentica Publicam personam Antiquas inscriptiones Iudicia indubitata Recognitionem sigillorum & scripturarum
Anhang 325
581 582 583 584 585 586 587 588 589 590 591 592 593 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604
2.
3.
4.
5.
6.
8.
Indirecta
9.
11. 12. 13. 14. Confessionem extraiudicialem Communem opinionem Semiplena Unius testis Fuga rei Scriptura domestica Comparatio literarum
10.
Loci Temporis Personae Sententiae pronuntiatio Interlocutoria Definitiva Interlocutoria, vim habens definitivae Actus post summam Sententiae rescissio Adpellatio Incontinenti Ex intervallo Apostolorum petitio Adpellationis insinuatio Inhibitionis expeditio Adpellationis prosecutio
7.
326 Anhang
605 606 607 608 609 610 611 612 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 623 624 625 626 627 628 629 Executio In principali Reali per Adparitorem Manum militarem Personali Mobilia Immobilia Iura Manus militaris In accessoriis Expensae circa Rem Fructus Ante litis contestationem Post litis contestationem In causa appellationis Litem
Supplicatio Erga principem Ad praefectum Pratorio Restitutio Simplex petitio Quaerela falsi Imploratio tristis auxilii
Anhang 327
630 631 632 633 634 635 636 637 638 639 640 641 642 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652 653
2.
3.
5.
6.
7.
9.
10. 11. 12. Fructus Naturales Industriales Civiles Percepti Percipiendi Interesse Conventum Generale Singulare Executionis impedimenta Cessio bonorum Transactio post sententiam Dolus exequentis Excessus in exequendo Nullitas sententiae Res petita apud actorem
8.
Criminalis Ad crimina in se Publicum Iulia maiestatis Iulia de adulteriis Cornelia siccariis Pompeia de paricidiis
4.
13.
14.
328 Anhang
654 655 656 657 658 659 660 661 662 663 664 665 666 667 668 669 670 671 672 673 674 675 676 677 678
Iulia peculatus Cornelia de testamentis Iulia de vi publica Iulia de vir privata Iulia ambitus Iulia repetundarum Iulia de annona Crimen haereseos Non publicum Non nominatum Crimen stellionatus Ex iure municipali Ex consuetudine Nominatum Furtum Lenocinium Tigni iniuncti Arborum furtim caesarum Vi bonorum raptorum Incendio Ruina Sepulchri violatio Abigei Praevaricatio Receptatio
Anhang 329
679 680 681 682 683 684 685 686 687 688 689 690 691 692 693 694 695 696 697 698 699 700 701 702
2.
3.
4.
5.
7.
8. 9. 10. Furta balneatorum Effractores Expilatores haereditatis De termino moto
Capitalia Ultimo supplicio Igne Aqua Gladio Bestiis Absque ultimo supplicio Damnatio in metallum Servitus poenae Deportatio in exilium Non capitalia Mulctae Poenae Verbera Carcer Membri abscissio Talio Ignominia Exbannitio Excommunicatio
6.
11.
12.
13.
14.
330 Anhang
703 704 705 706 707 708 709 710 711 712 713 714 715 716 717 718
Suspensio Interdictio Degradatio Ad personas intervenientes Iudex Accusator Accusatus Testis Ad actus Accusatio Inquisitio Denunciatio Per modum exceptionis oppositio Extra ordinem punitio Absolutio Punitio
Anhang 331
Bibliografie I. Quellen Agricola, Rudolf: De inventione dialectica libri tres – Drei Bücher über die Inventio dialectica, auf der Grundlage der Edition von Alardus von Amsterdam (1539) kritisch herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Lothar Mundt, Tübingen 1992 (zit.: Agricola, Inventio dialectica, ed. Mundt). Barotius, Guilhelmus: „Ad Iurisprudentiae candidatos, Carmen“, in: Derrer, Sebastian: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540, fol. c 2 v.–c 3 r. (zit.: Barotius, Carmen ad Iurisprudentiae candidatos). Barotius, Guilhelmus: „Carmen, summa rerum capita Iurisprudentiae Libri breviter perstringens“, in: Derrer, Sebastian: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540, fol. c v.–c 2 r. (zit.: Barotius, Carmen ad lectorem). Burcklin, Johann Friedrich: De iurisprudentia certa methodo tractanda, Gießen 1742 (zit.: Burcklin, De iurisprudentia certa methodo tractanda). Cantiuncula, Claudius: De ratione studii legalis Paraenesis, verwendete Ausgabe: Basel 1522 (zit.: Cantiuncula, Paraenesis). Cicero, Marcus Tullius: De oratore – Über den Redner, übersetzt, kommentiert und mit einer Einleitung herausgegeben von Harald Merklin, Stuttgart 1976 (zit.: Cicero, De oratore, ed. Merklin). Cisanus, Gerardus: „Ad Invictissimos Principes Carolum V. huius nominis Imperatorem, & Ferdinandum Romanorum Regem, Gerardi Cisani Burgundi Arbosiensis, Carmen“, in: Derrer, Sebastian: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540, fol. b 3 r.–b 3 v. (zit.: Cisanus, Carmen). Derrer, Sebastian: „Clarissimo ornatissimoque viro Dn. Gvendelino Bittelbronn, Iureconsulto & Advocato Argentoratensi, amico praecipuo, Sebastianus Sithius S.“, in: Zasius, Ulrich: In primam partem digesti veteris paratitla, Basel 1537, fol a 2 r. (zit.: Derrer, Epistola ad Gvendelinum Bittelbronn). Derrer, Sebastian: „Epitome Iurisdictionum et Regalium“, in: Freigius, Johann Thomas (Hrsg.): Trium Artium Logicarum, Grammaticae, Dialecticae & Rhetoricae, breves succinctique Schematismi, Basel 1568, fol. * 1 r.–d 5 v. (zit.: Derrer, Epitome). Derrer, Sebastian: „Invictissimis, Potentissimis, Illustrissimisque Principibus, & Dominis, Dominis Carolo, & Ferdinando Romanorum Imperatori, & Caesari semper Augustis: Germaniae, Castiliae, Aragoniae, Dalmaciae, Croaciae, Hungariae, & Bohoemiae &c. Regibus: Archiducibus, Austriae, Ducibus Burgundiae &c. Principibus suis clementissimis, Sebastianus Derrerus. Areflavionensis, I. U. Doctor, & Legum Professor ordinarius, in celeberrima Archiducum Aus-
I. Quellen
333
triae Academia, apud Brisgaudiae Friburgum, sese cum summa honoris & operarum exhibitione commendat.“, in: ders.: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540, fol. a 2 r.–b 2 v. (zit.: Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Epistola dedicatoria). Derrer, Sebastian: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540 (zit.: Derrer, Iurisprudentiae Liber primus). Derrer, Sebastian: „Prooemium“, in: ders.: Iurisprudentiae Liber primus, Lyon 1540, S. 1–2 (zit.: Derrer, Iurisprudentiae Liber primus, Prooemium). Derrer, Sebastian: Typus Iurisprudentiae, Basel 1567, fol. 3 r.–E r. (zit.: Derrer, Typus Iurisprudentiae). Donellus, Hugo: Commentarii de iure civili, verwendete Ausgabe: Frankfurt am Main 1539 (zit.: Donellus, Commentarii de iure civili). Drosaeus, Johannes: Iuris universi Iustinianea methodus, Paris 1545 (zit.: Drosaeus, Iuris methodus). Fichard, Johann: „Clariss. Viri Ioan. Sichardi, Iureconsulti Germani, Vita“, in: Sichard, Johann: In Codicem Iustianianeum Praelectiones, Frankfurt am Main 1586, fol. * r.–* 3 v. (zit.: Fichard, Vita Sichardi). Fichard, Johann: Elenchus omnium auctorum sive scriptorum, qui in iure tam civili quam canonico vel commentando, vel quibuscunque modis explicando & illustrando ad nostrum aetatem usque claruerunt, Frankfurt am Main 1585 (zit.: Fichard, Elenchus). Fichard, Johann: Iurisconsultorum Vitae, Basel 1537 (zit.: Fichard, Iurisconsultorum Vitae). Fichard, Johann: „Joannis Fichardi Annales de Annis MDXII–MDXLIV“, in: von Fichard, Johann Carl, genannt Eyseneck (Hrsg.): Frankfurtisches Archiv für ältere deutsche Litteratur und Geschichte, Band 1, Frankfurt am Main 1811, S. 3–74 (zit.: Fichard, Annales de Annis MDXII–MDXLIV). Freigius, Johann Thomas: „Nobilitate et Eruditione praestantibus adolescentibus Ioanni Henrico & Iacobo Reichenstein, Christophoro a Wessenberg & Melchiori a Rinach“, in: Derrer, Sebastian: Epitome Iurisdictionum et Regalium, Basel 1568, fol. * 2 r.–* 4 r. (zit.: Freigius, Praefatio). Geissinger, Joseph Felizian: Abschriften von Epitaphien in Unser Lieben Frauen Münster der pfarrkirche zu befindlich seynd, 1787, Faksimile der Hs. 498 der burg, Freiburg 2002 (zit.: Geissinger, Abschriften schriften).
oder Grabschrifften, welche Freyburg in dem Breysgaw Universitätsbibliothek Freivon Epitaphien und Grab-
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Personenregister Accursius 53 Affolter, Friedrich Xaver 23, 135–137, 148–151, 216, 247–251, 254–255, 257, 282 Agricola, Rudolf 156–157 Alciat, Andreas 50, 54, 68, 207 Althusius, Johannes 59, 157 Amelius, Georg 36, 44 Amerbach, Basilius 50, 227, 230–231, 270, 275, 279, 295 Amerbach, Bonifacius 25, 35–36, 39–40, 46–47, 88, 158, 168, 202, 210 Amerbach, Martha 39 Amira, Karl von 54 Andermann, Kurt 144–145 Angelus de Besutio 57 Apel, Johann 66, 218, 220, 248–250, 256, 282 Baldus de Ubaldis 49, 57, 117, 195–196, 199, 289, 291, 297 Bapst, Theobald 36, 38, 41, 48, 56 Barotius, Guilhelmus 84, 88, 91, 205, 209, 224, 226 Bartolus de Saxoferrato 49, 57, 117, 195–196, 199, 223, 289, 291, 297 Bauer, Franz 29, 41 Bebel, Heinrich 101 Below, Georg von 99–100 Bergagne, Antoine Marie 70–71 Bittelbronn, Wendelin 87 Budaeus, Guilhelmus 50, 54, 68, 207 Burcklin, Johann Friedrich 96–97, 216, 218–220 Burmeister, Karl Heinz 175
Cantiuncula, Claudius 52 Carpintero, Francisco 22, 183, 224 Celsus, Publius Juventius 61 Cicero, Marcus Tullius 112, 155, 195, 206, 231 Cisanus, Gerardus 203–204, 209 Cittadinus, Paulus 57 Connanus, Franciscus 59, 157, 224, 230 Contius, Antonius 53 Crespin, Jean 69–71, 85, 213 Cuiacius, Jacobus 50, 54 Dahm, Georg 56 Derrer, Anna geb. Scheurin 39–40, 48 Derrer, Georg 40 Derrer, Hans 38 Derrer, Johannes 41 Döhring, Erich 175 Donellus, Hugo 54, 59, 176, 224 Drosaeus, Johannes 25, 212–213 Ebel, Friedrich 177 Ebrard, Friedrich 29 Eibach, Diether 143 Eichhorn, Karl Friedrich 99 Engentinus, Philipp 41 Episcopius, Eusebius 232 Episcopius, Nicolaus 232 Erasmus von Rotterdam 19, 46–47, 57, 64, 68, 232 Ferdinand I. 58, 61–62, 78, 85, 88, 94, 119, 160, 171, 195, 206, 214, 221, 223, 269, 272, 282 Fichard, Johann 41–42, 56, 75, 85, 158, 210–211, 216, 218–219
Personenregister Freigius, Johann Thomas 22, 59, 86–88, 157, 211, 230–231, 237, 285, 287–288, 293–295 Freigius, Nicolaus 87–88, 295 Frellon, Gebrüder 68–71, 76, 213 Freymon von Randeck, Johann Wolfgang 210 Gesner, Konrad 213, 215 Gewold, Christoph 217 Giffen, Hubert van 217 Glannaeus, Claudius 63, 83–84, 160, 163, 168–171, 203–204, 209 Gothofredus, Dionysius 54 Gribaldus Mopha, Matthaeus 51, 53 Habsperg, Ludwig Wolfgang von 227, 229–231, 234, 274, 279 Häfele, Rolf 31 Hagemann, Hans Rudolf 177 Haloander, Gregor 211, 225, 232, 279 Hardesianus, Johann 210–211 Hartfelder, Karl 25, 41 Herrmann, Horst 128–129, 134 Herwagen, Johann 227, 232 Herwagen, Kaspar 226–232, 234–235, 274 Hochemberg, Christoph von 74–75 Horawitz, Adalbert 25, 41 Hummel, Matthäus 38 Justinian I. 61, 92, 178 Karl V. 58, 61–62, 78, 85, 88, 94, 119, 160, 171, 195, 206, 214, 221, 223, 269, 272, 282 Kaser, Max 143, 257 Kisch, Guido 57 Lagus, Konrad 41, 59, 74, 157, 166, 178, 218–219 Leibniz, Gottfried Wilhelm 74 Luig, Klaus 175
353
Maximilian I. 29, 63, 66, 94–95, 97–101, 214, 217–218 Mayer, Hermann 41–43 Mazzacane, Aldo 22, 29, 65, 94, 177, 183, 222, 285, 293–294 Melanchthon, Philipp 29, 74, 177 Metensis, Jacobus 204, 209 Murner, Thomas 72–73 Mynsinger von Frundeck, Joachim 25, 41, 56, 80–81, 167–168, 170–171, 200–202, 209, 219 Nevizzano, Giovanni 210 Olzignanus, Hieronymus 57 Oporin, Johannes 232 Paulus, Julius 206 Petremandus, Petrus 24–25, 51–52, 63–65, 82–85, 88, 91, 122–123, 154, 159–161, 164, 169–171, 195, 205–209, 214–215, 220–221, 225–226, 235, 269, 272, 287 Piano Mortari, Vincenzo 22, 163–164 Raevard, Jakob 217 Raisch, Peter 175 Ramus, Petrus 74, 157, 177, 230 Ratjen, Henning 174 Rhenanus, Beatus 25, 46–48, 68, 88, 232 Riegger, Joseph Anton Stephan Ritter von 86, 209 Sartori-Montecroce, Tullius Ritter von 96 Sauffer, Gervasius 32 Schreiber, Heinrich 37, 41–42, 44, 46 Schröder, Jan 23, 119, 156, 162, 164, 166, 173, 176–177 Schwinges, Rainer Christoph 33 Senckenberg, Heinrich Christian von 26, 96–99, 216–221
354
Personenregister
Sichard, Johann 75, 211, 219 Spiegel, Jakob 25, 214–215 Stehelin, Matthäus 37 Stein, Peter 55, 59 Stintzing, Johann August Roderich von 23, 65, 95, 174, 210, 217, 220–221 Sylvius, Aeneas 217 Tanner, Georg 50 Theophilus 253 Thieme, Hans 100 Troje, Hans Erich 22, 72–73, 178–179, 230, 234, 252–253, 262, 279
Ulpianus, Domitius 61, 111, 206, 257–258 Vigelius, Nicolaus 59, 157 Wieacker, Franz 72, 175 Winterberg, Hans 21, 34, 37, 66, 85–86, 88, 182, 224, 227 Zabarella, Jacobus 176 Zasius, Ulrich 19, 22, 25, 27, 29, 32, 35–36, 40–41, 44, 47–48, 50, 56–57, 64–65, 67–68, 74–76, 85–88, 98, 100–103, 133, 144–147, 157–158, 186, 195, 200, 207, 209–211, 215–216, 222, 236, 299 Zilettus, Johann Baptist 215